Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Be-
vor wir in unsere heutige Tagesordnung eintreten,
möchte ich dem Kollegen Hans Peter Thul zu seinem
60. Geburtstag gratulieren, den er vor einigen Tagen ge-
feiert hat,
und ihm dazu alle guten Wünsche auch auf diesem Wege
noch einmal übermitteln.
Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die ver-
bundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste
aufgeführten Punkte zu erweitern:
ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der
FDP:
Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur
Pendlerpauschale
ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-
fahren
Redet
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Patrick Döring, Hartfrid Wolff ,
Horst Friedrich , weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der FDP
Ausnahmeregelung für Fahrerlaubnisse
von Angehörigen der Feuerwehren, des
Rettungsdienstes und des Katastrophen-
schutzes schaffen
– Drucksache 16/10884 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Innenausschuss
b) Beratung des Antrags der Ab
Klaus Brähmig, Klaus Rieger
Klimke, weiterer Abgeordneter und
tion der CDU/CSU
Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-
Peter Friedrich , weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße,
Dr. Reinhold Hemker, Gregor Amann, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Potentiale von Migranten für den interna-
tionalen Tourismus nutzen
– Drucksache 16/11403 –
ext
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss
ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aus-
sprache
tung der Beschlussempfehlung des Aus-
sses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
ittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur
itsmarktadäquaten Steuerung der
geordneten
t, Jürgen
der Frak-
a) Bera
schu
)
)
– Drucksachen 16/10288, 16/10722, 16/10914,
16/11166, 16/11390 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Röttgen
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
zu dem Gesetz zur
Abwehr von Gefahren des internationalen
Terrorismus durch das Bundeskriminal-
amt
– Drucksachen 16/9588, 16/10121, 16/10822,
16/11167, 16/11227, 16/11391 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Thomas Oppermann
c) Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes
zu dem Gesetz zur
Förderung von Familien und haushaltsna-
– Drucksachen 16/10809, 16/11001, 16/11172,
16/11191, 16/11329, 16/11392 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Meister
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Christian Ahrendt, Dr. Max Stadler, Gisela
Piltz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Notfinanzierungsmittel für EXIT-Deutsch-
land zur Verfügung stellen
– Drucksache 16/11378 –
e) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 506 zu Petitionen
– Drucksache 16/11393 –
f) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 507 zu Petitionen
– Drucksache 16/11394 –
g) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 508 zu Petitionen
– Drucksache 16/11395 –
h) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 509 zu Petitionen
– Drucksache 16/11396 –
Z
Z
tionsausschusses
Sammelübersicht 510 zu Petitionen
– Drucksache 16/11397 –
j) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 511 zu Petitionen
– Drucksache 16/11398 –
k) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 512 zu Petitionen
– Drucksache 16/11399 –
l) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 513 zu Petitionen
– Drucksache 16/11400 –
m) Beratung der Beschlussempfehlung des Peti-
tionsausschusses
Sammelübersicht 514 zu Petitionen
– Drucksache 16/11401 –
P 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Rücknahmesystem für gebrauchte Energie-
sparlampen im Handel einrichten
– Drucksache 16/11387 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
P 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Götz, Dirk Fischer , Dr. Klaus W.
Lippold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Petra Weis, Klaas
Hübner, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD
Die integrierte Stadtentwicklung weiter aus-
bauen
– Drucksache 16/11414 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Innenausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21127
)
)
Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick
Döring, Gisela Piltz, Horst Friedrich ,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Innenstädte stärken – Kooperationen fördern –
Städtebauförderung weiter entwickeln
– Drucksache 16/8076 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Nachtwei, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Kerstin Müller , weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik –
Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten ver-
bessern
– Drucksache 16/11388 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
ZP 8a)Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Modernisierung des Vergaberechts
– Drucksache 16/10117 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
– Drucksache 16/11428 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Reinhard Schultz
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie
– zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer
Brüderle, Martin Zeil, Birgit Homburger, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Novellierung des Vergaberechts für Büro-
kratieabbau nutzen – Bundesweit einheitli-
ches Präqualifizierungssystem für Leistun-
gen einführen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer,
Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion DIE LINKE
Bei öffentlichen Aufträgen sozial-ökologi-
sche Anliegen und Tariftreue durchsetzen
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, weiterer Abgeordneter und der
)
)
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren Abgeordneten! Hinter uns liegen in
der Tat bewegte Monate. Unter der französischen Rats-
präsidentschaft hatte Europa ganz außerordentliche Be-
lastungen und Bewährungsproben zu bestehen. Ich
glaube, wir dürfen heute mit Genugtuung und auch mit
etwas Erleichterung sagen: Europa hat sich all diesen
Krisen wirklich gewachsen gezeigt. „Wo aber Gefahr ist,
wächst das Rettende auch“, wurde Hölderlin am vergan-
genen Wochenende in einer großen deutschen Tageszei-
tung zitiert. Das hätte nicht gereicht, sage ich. Als es da-
rauf ankam, haben wir als Europäer gemeinsam
gehandelt. Wir haben einig und vor allen Dingen wirk-
sam gehandelt.
Die Europäische Union hat die Waffen zum Schwei-
gen gebracht, als im Sommer im Südkaukasus, gleich in
unserer Nachbarschaft, der Krieg ausgebrochen war. Die
EU hat eine neue Finanzarchitektur auf die internatio-
nale Tagesordnung gesetzt. Das war eine schnelle Reak-
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Das ist eine gute Bilanz in wahrhaft schwieriger Zeit;
arüber bin ich froh. Sie straft Gott sei Dank all jene Lü-
en, die der Europäischen Union schon wieder eine Eu-
osklerose bescheinigen wollten. Stattdessen haben sich
n Europa die alten europäischen Tugenden – Berechen-
arkeit, Nachhaltigkeit, auch Solidarität – erneut be-
ährt und Europa wieder handlungsfähig gemacht. Ich
arf Ihnen sagen: Ohne die mutige Führung der französi-
chen Ratspräsidentschaft wäre das nicht möglich gewe-
en. Unseren französischen Freunden sagen wir deshalb
n dieser Stelle Dank für die Arbeit in schwierigstem
elände. Ich finde, das verdient auch Anerkennung in
iesem Hohen Hause.
Meine Damen und Herren, vom Europäischen Rat am
1. und 12. Dezember geht eine klare Botschaft aus. Mit
er Verständigung auf ein europäisches Programm zur
elebung der Konjunktur hat Europa sich seiner Verant-
ortung für Wachstum und Beschäftigung gestellt. Wir
aben früh darauf hingewiesen: Diese Verantwortung
iegt bei den Mitgliedstaaten, aber gleichzeitig auch auf
er europäischen Ebene. Das gehört zur Logik eines of-
enen europäischen Binnenmarktes. Abstimmung, Koor-
inierung und, wo immer möglich, gemeinsames Vorge-
en liegen auch im Interesse der Mitgliedstaaten, gerade
ei der Bekämpfung der Krise, in der wir uns zurzeit be-
inden.
Das Konjunkturprogramm in der Größenordnung
on 1,5 Prozent des EU-weiten Bruttoinlandsproduktes
st aus meiner Sicht ein starkes Signal. Die Botschaft
autet: Die Staaten Europas werden sich gemeinsam mit
ller Kraft gegen den Abschwung stemmen und Arbeit
rhalten, wo immer das möglich ist. Es ist gut für uns,
ass sich alle in Europa darüber einig sind.
Das Brüsseler Konjunkturprogramm enthält auf na-
ionaler und auf europäischer Ebene Instrumente, die
ich gegenseitig ergänzen werden und sollen. Ich darf
hnen nach den Diskussionen der vergangenen Woche
agen: Bei den nationalen Maßnahmen steht Deutsch-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21129
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
land in Europa bisher gut da. Noch nicht einmal die
Hälfte der Mitgliedstaaten hat vergleichbare Maßnah-
menpakete, wie wir sie in diesem Hohen Hause in den
vergangenen Wochen beschlossen und verabschiedet ha-
ben, auf den Weg gebracht. Gleichwohl – das ist ver-
ständlich angesichts der Wirtschaftsdaten, denen wir ent-
gegensehen – tobt natürlich auch in Deutschland eine
Debatte darüber, ob in der Krise genügend nationale Ge-
genwehr gegeben ist. Die Zahl der Vorschläge – Sie er-
kennen das auch – wird nach und nach unüberschauba-
rer.
Wir wissen, meine Damen und Herren, wenn Kon-
junktur und Beschäftigung massiv einbrechen, dann
werden wir gegebenenfalls neu entscheiden müssen, um
Arbeitsplätze zu schützen und Jobs zu erhalten. Wir wer-
den dabei kraftvoll und – so darf ich Ihnen versprechen –
auch überlegt handeln. Wir werden wirksame Maßnah-
men ergreifen, die konkret und langfristig zugleich sind.
Darauf kommt es nämlich an.
Wirksam können Konjunkturprogramme nur dann
sein, wenn wir in Europa gemeinsam handeln, wenn Eu-
ropa und die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in
dieselbe Richtung marschieren. Ich glaube, dass wir nur
so eine Konjunkturkrise wirklich abfedern können. Des-
halb müssen wir in Europa ein Dreifaches gemeinsam
tun: Beschäftigung sichern, Infrastruktur ausbauen und
Zukunftstechnologien fördern. Das Programm, das wir
gerade in Brüssel beschlossen haben, greift viele unserer
Vorschläge auf. Ich finde, das ist keine schlechte Aus-
zeichnung für uns in Deutschland.
Ein wichtiger Punkt für mich ist: Wir müssen stärker
in Energieeffizienz und auch in die Zukunftsfähigkeit
der ländlichen Gebiete investieren. Wir dürfen diese Ge-
biete nicht abhängen, auch nicht bei uns in Deutschland.
Wir brauchen auch im ländlichen Raum eine technische
Infrastruktur. Breitbandnetze sind Lebensadern für Mo-
dernisierung, Wachstum und Innovation in den ländli-
chen Räumen. Sie wissen aus Ihren Wahlkreisen, dass
das Vorhandensein von Breitbandnetzen mittlerweile
auch ein Gesichtspunkt für mögliche Ansiedlungen ist.
Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir das auch von
europäischer Ebene aus auf den Weg bringen, dass wir
bürokratische Hemmnisse beseitigen und dass wir den
Ausbau auch fördern.
Ein zweiter Punkt, den ich herausstellen möchte, ist
die Ausweitung der Kredite der Europäischen Investi-
tionsbank zugunsten kleiner und mittlerer Unterneh-
men. Auch das hatten wir von deutscher Seite bereits
früher angeregt. In letzter Zeit haben wir auch in
Deutschland oft gehört, dass Kredite so etwas wie der
Blutkreislauf der Wirtschaft sind. Das ist ein gutes Bild.
Wenn dies zutrifft, dann brauchen viele Betriebe gerade
jetzt in der Krise eine Blutzufuhr, damit sie innovativ
bleiben. Wir dürfen den Kreislaufkollaps nicht zulassen.
Ich finde, die europäischen Beschlüsse, aus denen ich
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
Wir werden eher Kopfschütteln hervorrufen, Herr Kuhn.
Wenn Kohlekraft weltweit genutzt wird – das wird auf
Sicht in vielen Regionen dieser Welt so sein –, dann dür-
fen gerade wir als Technologietreiber – hören Sie ruhig
zu – uns nicht aus der Verantwortung stehlen. Ein gutes
Gewissen, das manche sich davon versprechen, macht
noch kein gutes Klima. Deswegen war das, glaube ich,
ein richtiger Kompromiss.
Mit Blick auf manche Debatten, die uns bei den Ver-
handlungen in Brüssel begleitet haben, muss ich sagen:
Ich verstehe manches von dem, was an Vorwürfen öf-
fentlich gehandelt worden ist, nicht. Wie kann man denn
glauben, dass eine solche Debatte, die wir in Brüssel ge-
führt haben, in einem völlig luftleeren Raum stattfindet?
Wenn dort Regierungschefs aus 27 Staaten zusammen-
sitzen, sprechen sie natürlich auch über alles andere, was
uns gegenwärtig plagt und umgibt: über die wirtschaftli-
che Situation und auch über die Sicherung von Arbeits-
plätzen. Was soll also der Vorwurf, dass das bei der Dis-
kussion über Klimafragen eine Rolle spielt?
Entscheidend nach diesem Gipfel ist, dass Europa
trotz dieser Diskussion – wir haben einen guten Kom-
promiss erzielt – weiterhin Vorreiter beim Klima-
schutz bleibt. Die EU kann im nächsten Jahr die Ver-
handlungen über das Nachfolgeabkommen zum Kioto-
Protokoll glaubwürdig beginnen. Ich sage Ihnen auch:
Wir freuen uns über einen amerikanischen Präsidenten,
der dem globalen Kampf gegen Erderwärmung einen
wirklich neuen Schub gibt.
– Sie haben jetzt eine Sekunde zu früh geklatscht; ich
wollte noch einen Satz hinzufügen.
Ich verfolge im Augenblick die inneramerikanische
Diskussion. Die USA wollen – vorausgesetzt, Obama
setzt sich mit seinen Vorstellungen durch – eine CO2-Re-
duzierung, eine Reduzierung der Treibhausgase auf den
Stand von 1990 erreichen. Das ist vor dem Hintergrund
der amerikanischen Diskussion sehr ehrgeizig; aber wir
in Europa wollen weiter. Deshalb sage ich: Wir müssen
uns angesichts dessen, was in Brüssel erreicht und bestä-
tigt worden ist, nicht verstecken. Die Ziele bleiben. Wir
sind aber weiter, weil wir sie jetzt mit Maßnahmen und
konkreten Verabredungen unterlegt haben.
Ob im Kampf gegen die Rezession oder beim Klima-
schutz – überall zeigt sich, dass wir in Europa gemein-
sam mehr schaffen als jeder für sich allein. Aber Politik
ist eben auch Organisation. Da haben manche recht und
viele Erfahrung. Deshalb müssen wir Europas Hand-
lungsfähigkeit auf Dauer sichern. Dafür steht der Ver-
trag von Lissabon, für den wir alle gemeinsam ge-
kämpft haben. Ich glaube, wir haben beim Europäischen
Rat einen Weg gefunden, wie der Vertrag im nächsten
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Wir jedenfalls wollen diesen Vertrag. Deshalb sind
ir trotz mancher Kritik bereit, Irland entgegenzukom-
en. Wir werden das Prinzip „Ein Land – ein EU-Kom-
issar“ nicht im Jahre 2014 abschaffen. Das ist in der
at eine bedeutsame Konzession, die uns nicht einfach
efallen ist. Aber wir sagen: Der Vertrag selbst muss in
raft treten, und zwar wie geplant. Das heißt, Nachver-
andlungen über den Vertrag darf es nicht geben. Das ist
esichert. Ich bin froh darüber, dass der Weg zur Ratifi-
ierung jetzt auch in Irland beschritten wird.
Ich komme zum Schluss. Frieden in Europa gibt es
ur, wenn auch Frieden um Europa herum herrscht. Wie
chnell Situationen eskalieren, haben wir gerade in die-
em Jahr mit einigem Schrecken im südlichen Kaukasus
rlebt. Wir in Europa arbeiten gemeinsam dafür, dass
ich diese oder ähnliche Situationen nicht wiederholen.
arum wollen wir Stabilität und Sicherheit in der östli-
hen Nachbarschaft der Europäischen Union stärken.
as ist eine unserer Antworten auf die Georgien-Krise.
as ist gelebte praktische Verantwortung. Das ist, wenn
ie so wollen, nachhaltige Politik im Bereich der Außen-
olitik.
Konkret heißt das: Wir werden im März 2009 die
uropäische Nachbarschaftspolitik durch eine östliche
artnerschaft stärken. Erste Vorschläge dazu haben wir
emacht. Sie wurden von den Polen und Schweden auf-
egriffen und sind in ein Konzept der Europäischen
ommission eingeflossen. Diese östliche Partnerschaft
mfasst die Ukraine, Moldau und die Staaten des südli-
hen Kaukasus. Wenn sich die Entwicklung in Weißruss-
and positiv fortsetzt – ein paar Anzeichen dafür waren
n den letzten Wochen zu sehen –, dann wird auch Weiß-
ussland zu dieser östlichen Partnerschaftspolitik dazu-
ehören können.
ie tschechische Präsidentschaft wird dies zu einem
chwerpunkt ihres Vorsitzes machen. Der tschechische
ußenminister war gerade erst hier. Ich habe ihm ver-
prochen, dass wir diesen Schwerpunkt von deutscher
eite aus nach Kräften unterstützen wollen.
Meine Damen und Herren, nächstes Jahr wird für die
uropäische Union ein wichtiges Jahr, nicht nur, weil
uropawahlen anstehen. Vor uns liegt eine Zeit der Ver-
nderungen. Wir haben jetzt die Chance, auf die Globali-
ierung der Märkte mit kluger gemeinsamer Politik die
olitische Globalisierung folgen zu lassen. Die neue Ar-
hitektur der Finanzmärkte wird dabei nur ein erster
chritt sein.
Es geht aber auch darum, wie wir die verschobenen
ewichte auf der internationalen Bühne neu austarieren,
21132 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
wie wir möglichst viele Akteure in eine internationale
Verantwortungsgemeinschaft einbeziehen und integrie-
ren. Das muss gelingen, und das kann nur gelingen,
wenn wir in Europa gerade dabei eine gemeinsame Hal-
tung entwickeln.
Die wichtigste Antwort auf die Globalisierung lautet
für unser Land immer noch Europa, nicht nur ein Europa
der Märkte, sondern auch ein Europa für alle Menschen,
ein Europa, das nicht nur mit feierlichen Erklärungen
und Dokumenten glänzt, sondern auch richtige Antwor-
ten auf die großen Zukunftsfragen gibt. Der Europäische
Rat jedenfalls hat dafür in der vergangenen Woche aus
meiner Sicht ein sehr ermutigendes Signal gegeben.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich die Ge-
legenheit nutzen, auch der Kollegin Renate Schmidt
herzlich zu ihrem Geburtstag, den sie vor wenigen Tagen
begangen hat, zu gratulieren und die guten Wünsche auf
diesem Wege noch einmal öffentlich zu bekräftigen. Al-
les Gute!
Das Wort erhält nun der Kollege Dr. Werner Hoyer
für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch vor
zwei Monaten, im Zusammenhang mit dem Europäi-
schen Rat im Oktober dieses Jahres, hat die Bundesre-
gierung jede Regierungserklärung verweigert. Dieses
Mal haben wir schon zwei Regierungserklärungen ge-
hört: Vor 14 Tagen hat uns die Kanzlerin einen Ausblick
auf den letzten Europäischen Rat gegeben, heute durfte
der Außenminister zwecks koalitionspolitischer Ausba-
lancierung einen Rückblick wagen.
Wir sind froh darüber. Denn das gibt uns die Gelegen-
heit, Themen zu debattieren, die in Brüssel behandelt
worden sind und die weiß Gott sehr, sehr wichtig sind.
Die Lage ist in der Tat sehr ernst. Ich bin kein Schwarz-
maler, sondern eher struktureller Optimist; aber ich
weiß, dass die Politik ganz leicht Vertrauen verspielen
kann, wenn der Eindruck entsteht, es werde Realitätsver-
weigerung betrieben.
Noch im September dieses Jahres hat die Bundesre-
gierung alle Anzeichen für eine Finanz- und Wirt-
schaftskrise geleugnet, obwohl sich die Rezession
schon damals deutlich abzeichnete. Selbst der Begriff
„Rezession“ ist noch vor zwei Monaten bestritten wor-
den. Wir können froh sein, dass die Stimmung im Lande
zurzeit besser ist als die Lage; das ist übrigens ein Be-
fund, der mit unserem Nationalcharakter eigentlich
kaum in Einklang zu bringen ist. Die Konsumnachfrage
ist gegenwärtig die Hauptstütze der gesamtwirtschaftli-
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Dabei stimme ich dem Finanzminister in einigen we-
entlichen Punkten ja durchaus zu. Er warnt zum Bei-
piel davor, Geld zu sehr mit der Gießkanne zu verteilen.
as ist nie gut. Im Gegenteil: Wir sollten uns all denen
ntgegenstellen, die die Krise nutzen wollen, um endlich
en Staatsanteil am Sozialprodukt wieder nach oben zu
reiben. Wir sollten uns denen entgegenstellen, die das
iel eines ausgeglichenen Haushaltes endgültig über
ord gehen lassen wollen, denen, die den Stabilitätspakt
owieso am liebsten loswerden wollen, denen, die der
einung sind, Politiker und Beamte seien ohnehin die
esseren Unternehmer und Banker, oder denen, denen
ngesichts der großen Krise der ordnungspolitische
ompass völlig abhanden zu kommen droht.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21133
)
)
Dr. Werner Hoyer
Nein, ein rationales und entschlossenes Handeln ist so-
wohl bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen – ge-
wissermaßen der Leitplanken, mit deren Hilfe unsere so-
ziale Marktwirtschaft wieder wetterfest gemacht werden
muss –, als auch bei der Bekämpfung der Nachfrage-
schwäche gefragt, die im nächsten Jahr gefährliche Di-
mensionen annehmen wird.
Schauen wir uns die einzelnen Elemente der gesamt-
wirtschaftlichen Nachfrage an:
Erstens. Die Auslandsnachfrage wird erheblich in
Schwierigkeiten geraten. Das war immer die Stütze der
deutschen Konjunktur. Hier besteht die Gefahr, dass die
Lehren aus der Krise von vor 80 Jahren eben nicht gezo-
gen werden und den Versuchungen des Protektionismus
von einigen wieder nicht widerstanden wird. Hier müs-
sen Berlin und Brüssel ohne Wenn und Aber in der Frei-
handelsspur bleiben. Niemand würde sonst so viel Scha-
den wie Deutschland nehmen.
Zweitens: Staatsnachfrage. Hier kann und muss der
Staat handeln. Entscheidend ist dabei, dass damit zu-
gleich Strukturschwächen entgegengewirkt und Zu-
kunftsperspektiven eröffnet werden. Das heißt, neben
der Verbesserung der Infrastruktur – übrigens nicht nur
durch Geld, sondern auch durch Bürokratieabbau – geht
es insbesondere auch darum, dass in den Bereichen Bil-
dung, Forschung, Wissenschaft und Umwelt geklotzt
werden muss.
Drittens: Investitionsnachfrage. Hier geht es darum,
diese nicht völlig absaufen zu lassen. Das ist nicht ge-
rade leicht, wenn man schon in der Keynes’schen Liqui-
ditätsfalle angekommen ist. Durch die Geldmengensteu-
erung kann dann nicht mehr viel geholfen werden, vor
allem dann nicht, wenn die Banken ihre Liquidität lieber
über Nacht bei der Zentralbank parken und sogar Bilanz-
verkürzung betreiben als Mittelstandskredite zu verge-
ben.
Ich habe übrigens die Sorge, dass die Volkswirtschaft
durchaus auch in Liquidität ersaufen kann. Das heißt,
dass man die Liquidität eines Tages auch wieder wird
abschöpfen müssen;
denn sonst wäre es geradezu vorprogrammiert, dass ei-
nes Tages auf die jetzt zu befürchtende Deflation später
eine schwere Inflation folgen würde.
Hier zeigt sich, dass es ein Fehler gewesen ist, beim
Bankenrettungsschirm nicht alle Institute in die Pflicht
zu nehmen. Deswegen bleibt die steuerliche Entlastung
des Mittelstandes die wichtigste Stellschraube.
Viertens: Konsumnachfrage. Hier gilt erst recht, dass
eine steuerliche Entlastung das Gebot der Stunde ist.
Noch wird konsumiert; Weihnachtsstimmung und jetzt
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Michael Stübgen ist der nächste Redner für die CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
efinden uns am Ende einer in jeder Beziehung bemer-
enswerten Ratspräsidentschaft Frankreichs, bei der
chon die Person des Ratspräsidenten Sarkozy verspro-
hen hat, dass es eine spannende Zeit wird.
Diese Ratspräsidentschaft war allerdings auch noch
urch äußere Einflüsse geprägt, die von uns nicht ge-
teuert werden konnten und sie in besonderer Weise
chwierig machten, sodass sie über weite Zeiträume eine
eine Krisenpräsidentschaft war. So hatte die französi-
che Ratspräsidentschaft von Anfang an mit dem unge-
östen Problem des gescheiterten irischen Referendums
u tun. Hinzu kamen die Georgien-Krise und die interna-
ionale Finanzkrise.
Ein Vorhaben der französischen Ratspräsidentschaft,
as von uns unterstützt wurde, war, dass das, was unter
er deutschen Ratspräsidentschaft als allgemeine Ziele
21134 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Michael Stübgen
für den Einstieg in die aktive Klimapolitik der Europäi-
schen Union beschlossen worden ist, jetzt in den schwie-
rigen Details mit klaren Vorgaben für die Industrie fest-
gelegt und umgesetzt wird. All das sind extrem
schwierige Dinge. Am Ende dieser Ratspräsidentschaft
kann man feststellen, dass die französische Ratspräsi-
dentschaft erfolgreich war. Der französischen Regierung
gebührt dafür unser Dank.
Dabei ist gerade zum Ende dieser Präsidentschaft ein
Phänomen für mich besonders bemerkenswert: Am Ende
hat die französische Ratspräsidentschaft letztlich das
umsetzen müssen, was die deutsche Ratspräsidentschaft
vorgegeben hat. Ich will hier an die Frage des Lissabon-
Vertrages erinnern. Nur durch das Agieren der deutschen
Bundesregierung und von Bundeskanzlerin Angela
Merkel war es möglich, den gescheiterten Verfassungs-
vertrag als Lissabon-Vertrag wieder auf die Schiene zu
setzen.
Es war nicht geplant, dass wir uns noch damit beschäfti-
gen. Aber es war Frankreich möglich, einen Zeitplan
festzulegen, wie wir eine klare Chance eröffnen können,
um am Ende des nächsten Jahres den Lissabon-Vertrag
doch zu implementieren.
Es war auch die Fortführung der deutschen Ratspräsi-
dentschaft, beim Klimapaket zu klaren Beschlüssen zu
kommen. Hier war es – das muss man sagen – für Frank-
reich noch etwas schwieriger; denn allgemeine Ziele
festzulegen, wie die dreimal 20 Prozent, ist in jedem Fall
leichter, als zum Beispiel eine klare Umsetzung mit kla-
ren Belastungen zu beschließen. Auch da sind wir zum
Schluss zu einem vernünftigen Kompromiss gekommen.
Auch der Europäische Rat in der vergangenen Woche
am 11. und 12. Dezember ist insgesamt als Erfolg zu
werten.
Drei Schwerpunkte gab es auf der Tagesordnung des
Europäischen Rates, wobei ich nur auf einen in besonde-
rer Weise eingehen will. Die Frage war: Wie geht es mit
dem Lissabon-Vertrag weiter? Es ist vernünftig und
richtig, dass sich die irische Regierung verpflichtet hat,
bis zum 31. Oktober des nächsten Jahres die Ratifizie-
rung in ihrem Land durchzuführen. Im Gegenzug haben
die Staats- und Regierungschefs der irischen Regierung
Garantien gegeben, um den irischen Bedenken Rech-
nung zu tragen. Ich glaube, es ist in der Tat nicht beson-
ders gut, die Zahl der Kommissare letztlich doch wieder
bei 27 bzw. 28 in der nächsten Legislaturperiode zu be-
lassen. Sie alle wissen, dass wir richtigerweise die For-
derung vertreten haben, die Zahl der Kommissare so zu
reduzieren, dass die Kommission in Zukunft in der Lage
ist, eine Art Regierung mit verschiedenen Ressorts zu
bilden. Das ist nämlich mit 27, 28 oder mehr Kommissa-
ren nur bedingt möglich. Wir haben zum Beispiel jetzt
einen Kommissar, der für das bemerkenswerte Thema
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In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzminister
zum Ausdruck gebracht, die Mehrwertsteuersenkung
in Großbritannien sei lächerlich, weil es schließlich kei-
nen großen Unterschied mache, eine Ausgabe für
97,50 Euro anstatt für 100 Euro zu tätigen. Eine solche
Auffassung kann man zwar vertreten; wenn man selbst
aber vorher in Deutschland der Auffassung war, für ein
paar hundert Euro Kraftfahrzeugsteuerermäßigung kauf-
ten sich alle Leute schnell ein Auto, befindet man sich
nicht in einer günstigen Position, sondern dann fällt ein
solcher Vorwurf zumindest auf einen selbst zurück.
Der französische Ratspräsident hat noch einmal den
von Jacques Delors stammenden Vorschlag – ich sage
dies ganz bewusst – einer europäischen Wirtschaftsre-
gierung eingeführt. Für meine Fraktion erkläre ich, dass
wir diesen Vorschlag nach wie vor für richtig halten,
weil dies am Anfang der europäischen Wirtschaftsunion
völlig unstreitig war. Diejenigen, die die Krönungstheo-
rie vertraten, waren zugleich der Auffassung, man brau-
che zunächst gemeinsame politische Organe und erst
dann eine gemeinsame Währung. Man kann eine ganze
Reihe von Gründen anführen, um zu einer solchen Auf-
fassung zu kommen. Wenn man sich aber schon für den
umgekehrten Weg aus sachlichen und politischen Erwä-
gungen heraus entschieden hat, zuerst eine gemeinsame
Währung einzuführen, ist es umso logischer, zu sagen:
Dann müssen auch die Wirtschafts- und die Finanzpoli-
tik sowie nach Möglichkeit die Lohnpolitik im gesamt-
europäischen Raum koordiniert werden, wenn man opti-
male makroökonomische Ergebnisse haben will.
Deshalb begrüße ich, dass dieser Delors-Vorschlag noch
einmal vom französischen Staatspräsidenten auf die Ta-
gesordnung gesetzt wird.
Nun hat der Bundesaußenminister gesagt – ich bedauere,
dass er sich vertieft unterhält; er hat sicherlich Gründe
dafür –: Gut, dass sich alle in Europa einig sind. – Ich
möchte hier für meine Fraktion erklären: Es wäre gut,
wenn sich alle in der Bundesregierung einig wären.
Dann wären wir ein ganz großes Stück weiter.
Was die Bundesregierung aufführt, ist nichts anderes als
Affentheater. Jeder Minister hat irgendeinen anderen
Vorschlag. Es ist ganz ungewöhnlich, dass eine Regie-
rung zu einem Palaverklub denaturiert, in dem jeder an-
dere Vorschläge in ökonomischen Fragen hat. Der eine
ist für Steuersenkungen, der andere ist dagegen. Der eine
ist für Konjunkturprogramme, der andere ist dagegen.
Der eine sagt: Die Sozialabgaben müssen sinken. Der
andere sagt etwas ganz anderes. Die entscheidende
Frage ist doch: Wie will man denn auf europäischer
Bühne eine überzeugende Figur abgeben, wenn alle Mit-
glieder des Bundeskabinetts unterschiedliche Auffassun-
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
or zwei Wochen stand ich schon einmal hier. Damals
tand die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin vor
em Gipfel auf der Tagesordnung. Wir haben hier vor al-
en Dingen unseren Hoffnungen Ausdruck verliehen,
ass die Ergebnisse des Gipfels gute sein mögen und
ass die deutsche Regierung erfolgreich verhandeln
öge.
Der Erfolg, den wir erzielt haben, ist nicht selbstver-
tändlich. Wir haben in der Tat der französischen Rats-
räsidentschaft zu danken, die zukunftsweisende Be-
chlüsse zustande gebracht hat, die zufriedenstellende
eschlüsse erreicht hat und die Einigkeit erreicht hat.
erade das ist in Krisen und vor großen Herausforderun-
en unabdingbar.
assen Sie mich auf nur einige wenige Punkte eingehen.
Gerade der Erfolg, was das Klimapaket angeht, ist
eine Selbstverständlichkeit gewesen; denn viele haben
ersucht, sich von den ehrgeizigen Klimaschutzzielen
u verabschieden, übrigens auch in der deutschen Poli-
ik. Deswegen bin ich besonders froh, dass wir bei der
00-Prozent-Auktionierung geblieben sind.
ein Kollege Uli Kelber wird das sicher genauer aus-
ühren.
21138 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Dr. Angelica Schwall-Düren
Ich möchte auf einen Punkt eingehen, nämlich die
Tatsache, dass wir in dieser Hinsicht auch die mittel- und
osteuropäischen Staaten haben mitnehmen können, die
im Jahr 2020 bei einer 100-prozentigen Stromauktio-
nierung landen werden. Sie wollten aufgrund ihrer
Struktur – 95 Prozent der Stromerzeugung basiert auf
Kohle – weitreichende Ausnahmeregelungen erreichen.
Wer dieses Land gut kennt und weiß, vor welchen gro-
ßen strukturellen Veränderungen es steht – wir haben un-
sere eigenen Erfahrungen mit Kohleregionen –, der kann
diesen Wunsch nachvollziehen. Es ist wichtig, dass wir
dieses Phasing-in erreicht haben und nun über den Soli-
daritätsmechanismus Hilfen für Modernisierung, für In-
vestitionen in moderne Technologien gewähren können,
damit auch in den mittel- und osteuropäischen Ländern
der Fortschritt im Bereich Klimaschutz bald sichtbar
werden kann.
Auch in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat
sich die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union ge-
zeigt. Ich bin sehr froh, dass es bei den verabredeten
Maßnahmen nicht dazu gekommen ist, dass Umwelt und
Arbeit gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr ha-
ben wir mit Strategien zur Bekämpfung der Rezession
sowohl den „Vorrang für Arbeit“ – so hat es Frank-
Walter Steinmeier in seinen neun Punkten formuliert –
als auch die ökologische Innovation auf die Tagesord-
nung gesetzt. Das kann man an dem Investitionspro-
gramm festmachen, an dem sich die Europäische Inves-
titionsbank beteiligen wird. Profitieren werden davon
insbesondere kleine und mittlere Unternehmen – das ist
in der Tat sehr wichtig – und der Bereich „saubere Mobi-
lität“. Das passt hervorragend zu den Maßnahmen, die
wir in unser deutsches Konjunkturprogramm aufgenom-
men haben, und zu den Maßnahmen, die wir darüber hi-
naus wahrscheinlich noch verabreden werden.
Das Gleiche gilt für die Investition, was die Breit-
bandverkabelung anbelangt. Ich freue mich, dass sogar
die Formulierungen von Frank-Walter Steinmeier in die-
ses Investitionsprogramm aufgenommen wurden.
Unser Außenminister hat dankenswerterweise darauf
hingewiesen, dass wir in dieser Krise nicht allein natio-
nale Maßnahmen ergreifen können, sondern dass es hier
eines ergänzenden europäischen Impulses bedarf. Das
scheint mir selbstverständlich zu sein in einer Gemein-
schaft, in der der Export jedes einzelnen Landes und
auch unseres Landes vor allen Dingen auf den europäi-
schen Binnenmarkt ausgerichtet ist. Wenn wir weiterhin
Maschinen exportieren wollen, ist es wichtig, dass auch
unsere Handelspartner in der Europäischen Union gut
dastehen. Deswegen brauchen wir diese verdichtete
Koordinierung.
Herr Lafontaine, ich streite mich überhaupt nicht da-
rüber, ob wir „gouvernement économique“ oder „Wirt-
schaftsregierung“ sagen. Sarkozy wird mit großer
Sicherheit niemals gemeint haben, dass er staatliche
Souveränität in einer Weise an die Europäische Union
abgeben werde, dass dort eine Regierung für Wirt-
schaftsfragen im eigentlichen Sinne eingerichtet wird
– aber es macht sehr wohl Sinn, sich hier abzustimmen
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Ich will an dieser Stelle einmal darauf hinweisen, wie
idersprüchlich Ihre Argumentationen sind. Sie haben
orhin darauf hingewiesen, dass wir hier keine kurzfris-
igen Feuer entfachen dürfen, indem wir Sozialabgaben
enken oder Sozialtransfers erhöhen. Gleichzeitig plä-
ieren Sie aber für eine Steuersenkung, die vor allen
ingen den Gruppen zugutekommen würde, die eine re-
ativ hohe Sparquote haben, weswegen vernünftiger-
eise gar nicht zu erwarten ist, dass die Entlastung in
onsum und Nachfrage umgemünzt wird. Insofern müs-
en wir in unserer Argumentation schon konsequent
leiben. Deswegen setze ich in erster Linie auf ein In-
estitionsprogramm, das die Kommunen darin bestärkt,
kologische Investitionen und Bildungsinvestitionen so-
ie solche Investitionen zu tätigen, die die Infrastruktur
um Stichwort „saubere Mobilität“ voranbringen.
Ein kurzes Wort zum Lissabonner Vertrag. Wir sind
roh darüber, dass die Aussichten wieder besser gewor-
en sind, auch wenn der Preis – die Anzahl der Kommis-
are – hoch ist. Aber das Referendum ist noch nicht ge-
onnen. Ich kann langsam nicht mehr hören, Herr
afontaine, welche Äußerungen Sie im Hinblick auf den
issabonner Vertrag machen und mit welchen Gruppen
ie sich ins Boot begeben.
urdoch und Ganley, das ist eine feine Gesellschaft, mit
er zusammen Sie gegen einen Vertrag vorgehen wollen,
er schneller als die Verabredung einer sozialen Fort-
chrittsklausel, die wir wollen, Verbesserungen für ein
oziales Europa bringt. Insofern widersprechen Sie sich
ier selber.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein paar Worte
ur Rolle der französischen Ratspräsidentschaft sagen.
enn wir die dynamische und kraftvolle Arbeit des fran-
ösischen Staatspräsidenten positiv sehen, weil in einer
rise wie dem Krieg zwischen Georgien und Russland
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21139
)
)
Dr. Angelica Schwall-Düren
schnelles Handeln gefordert war, dürfen wir doch nicht
außer Acht lassen, dass auch immer Integrationskraft nö-
tig ist. Hier hat die deutsch-französische Zusammen-
arbeit eine ganz große Rolle gespielt. Das deutsch-fran-
zösische Tandem hat Impulse gegeben. Das ist nicht nur
in Bezug auf die Wirtschaftskrise der Fall gewesen; das
ist zum Beispiel auch in der Frage der Beobachtermis-
sion in Georgien, in der Frage der Untersuchungskom-
mission der Fall gewesen.
Frau Kollegin, ich darf auch Sie bitten, auf die Uhr zu
achten.
Deswegen, Herr Präsident, will ich zum Abschluss
nur noch sagen:
Die Ratspräsidentschaft wie die Europäische Union sind
ein ständiger Lernprozess. Dort hat sowohl Gordon
Brown dazugelernt, nämlich dass man eine Finanz-
marktregulierung braucht, wie auch Präsident Sarkozy,
der Toleranz gelernt hat und gelernt hat, dass in der
Europäischen Union Kompromisse am Ende zu Erfolgen
führen.
Herzlichen Dank, meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen, für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort erhält nun die Kollegin Renate Künast für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss
ehrlich sagen: Ich wundere mich
über die Versuche, diesen europäischen Regierungsgip-
fel gesundzubeten. Ich habe viele Menschen getroffen,
Herr Steinmeier, die von den Ergebnissen des europäi-
schen Gipfels enttäuscht sind und die auch sagen, dass
dieser Gipfel eine Blamage für die Bundesregierung ist.
Nun ja, Frau Schwall-Düren, auch wenn Sie jetzt lä-
cheln,
Sie haben erklärt, man habe beschlossen – nehmen wir
mal einen zentralen Punkt, das Thema Klimawandel –:
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Obama hätte so jemanden wie Schellnhuber, statt ihn zu
düpieren, zu seinem Energieminister gemacht.
– „Warten wir es ab!“, rufen Sie, Herr Kauder.
Wenn man, wie Obama es macht, so jemanden wie
Herrn Chu, also einen, der die erneuerbaren Energien ge-
danklich, auch zusammen mit deutschen Wissenschaft-
lern, zum Beispiel Eicke Weber, entwickelt hat, zum
Energieminister macht, dann ist das keine Düpierung,
sondern vermittelt die Aussage: Wir folgen der moder-
nen technologischen Entwicklung. – Das haben Sie mit
den Beschlüssen nicht geschafft. Wir können nur sagen:
Die Klimakanzlerin Merkel ist an der Stelle entzaubert.
– Gut, dass Sie das noch einmal sagen. Aber die deut-
sche Gesetzgebung zu erneuerbaren Energien, Herr
Kelber, ist nicht von dieser Regierungskoalition verab-
schiedet worden.
Das waren doch wohl andere Konstellationen.
Unter Ihrer Regierungskonstellation hat die EU die
Vorreiterrolle im weltweiten Klimaschutz aufgegeben,
und ich finde es bedauerlich, dass es für Entwicklungs-
und Schwellenländer nicht einmal mehr einen Anreiz für
Modernisierungen in den Bereichen Kohle oder Energie-
verbrauch gibt.
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Dann haben Sie noch die Chuzpe, Zufallstreffer in Ihr
onjunkturprogramm miteinzurechnen. Ich nenne zum
eispiel die Pendlerpauschale oder die Aussage, die
ie nach dem Treffen am Wochenende getroffen haben,
ass man jetzt möglicherweise erreicht habe, dass keine
etriebsbedingten Kündigungen mehr ausgesprochen
erden. Wissen Sie was? Die Gewerkschaften haben
ängst eine über 2010 hinaus gültige Beschäftigungssi-
herung vereinbart. Das ist die Wahrheit. Um zu so ei-
em Ergebnis zu kommen, hätten Sie Ihr Sonntagstref-
en gar nicht gebraucht.
ie könnten aber einmal etwas für die Leiharbeiter in
ieser Gesellschaft tun.
Wo ist Ihr Programm, um Deutschland in den Indus-
rien, die einmal unsere Leitindustrien waren – Maschi-
enbau, Automobilbranche, Umwelttechnologie –, wirk-
ich nach vorne zu bringen? Da sehen wir bei Ihnen im
ahrsten Sinne des Wortes überhaupt nichts. Bei Ihnen
leibt alles in altem Denken stecken.
Wir bräuchten jetzt ein ökologisch-soziales Investi-
ionsprogramm, das, Frau Schwall-Düren, mehr beinhal-
en muss als nur das Vorziehen von Maßnahmen, die
chon planfestgestellt sind. Wir brauchen ein ehrgeiziges
rogramm beim Energiesparfonds. Wir brauchen jetzt
irklich Geld für die Gebäudesanierung. Wir wollen
icht, dass die chemische Industrie abwandert. Wir wol-
en vielmehr, dass der chemischen Industrie, die wie
um Beispiel BASF jetzt so viele Standorte schließen
ill, Veranlassung dazu gegeben wird, etwas Neues zu
roduzieren –
Frau Kollegin!
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21141
)
)
– sofort –, zum Beispiel in großen Mengen das Mate-
rial für die Gebäudesanierung. So erhält man Arbeits-
plätze in Deutschland, so erhält man Arbeitsplätze in Eu-
ropa und nicht, indem man Ausnahmeregelungen
organisiert und das Alte finanziert.
Was Sie in Europa erreicht haben, stellt keine Ant-
wort auf die Klimakrise und auch keine Antwort auf die
Konjunkturkrise dar.
Der Kollege Eduard Lintner ist der nächste Redner
für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Künast, die-
ser europäische Gipfel hat ja nicht im luftleeren Raum
stattgefunden. Sie haben überhaupt nicht die Tatsache
erwähnt, dass ein wahrlich nicht leichter Hintergrund ge-
geben war. Ich nenne die weltweite Finanzkrise, die Ver-
handlungen über das Weltklima in Posen und auch die
Unsicherheit hinsichtlich des Vertrags von Lissabon. All
das waren Rahmenbedingungen für diesen Gipfel, all
das hat ihn im Vorfeld belastet und natürlich auch die Er-
wartungen an die zu erzielenden Ergebnisse gesteigert.
Wenn wir heute das Ergebnis unter dieser Prämisse be-
trachten, so wird man sagen müssen: Es war trotz dieses
schwierigen Umfelds ein erstaunlich erfolgreicher Gip-
fel.
Bei den Beschlüssen zum Klimaschutz und zur Ener-
giepolitik gefällt mir vor allem, dass die EU ihrer welt-
weiten Vorreiterrolle treu geblieben ist – auch das haben
Sie nicht erwähnt – und wichtige Prinzipien gewahrt
worden sind. Die Süddeutsche Zeitung – man beachte:
keinesfalls ein unionsfreundliches Blatt – schreibt dazu,
dass die Bundeskanzlerin den Gipfel zu einem persönli-
chen Erfolg gemacht habe, und nennt das europäische
Klimapaket ausdrücklich einen „Quantensprung im glo-
balen Lernprozess“.
Bemerkenswert ist auch, dass die Mitgliedstaaten
zwar ihren nationalen Besonderheiten vernünftigerweise
Rechnung tragen dürfen, auch wenn die damit verbunde-
nen Belastungen letztlich gleichmäßig verteilt werden
sollen. „Letztlich“ sage ich deshalb, weil bei den Strom-
erzeugern in Polen und anderen osteuropäischen Mit-
gliedstaaten noch nachgebessert werden muss; das ist ja
anerkannt worden. Deutschland muss in Zukunft darauf
drängen, dass spätestens ab 2020 tatsächlich die Ener-
giewirtschaft in allen EU-Mitgliedsländern vollständig
in den Zertifikatehandel einbezogen wird. Sonst drohen
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Trotz der Finanzkrise und des aus diesem Grunde not-
endigen EU-Konjunkturpakets wurden auf dem Gipfel
ie Ziele des Stabilitäts- und Wachstumspaktes be-
räftigt. Den Mitgliedstaaten wurde aufgegeben, die bei
er Bewältigung der Finanzkrise entstandenen Haus-
altsdefizite mittelfristig wieder abzubauen. Auch dies
ntspricht der deutschen Position. Das gilt auch für den
uf dem Gipfel sichtbar gewordenen Konsens, dass ein
chnelles Gegensteuern und ein koordiniertes Vorgehen
nnerhalb der EU notwendig sind, um volkswirtschaftli-
hen Schaden abzuwenden oder zumindest zu minimie-
en. Damit ist im Übrigen auch jenen Kritikern der Wind
us den Segeln genommen worden, die in den letzten
ochen immer wieder behauptet haben, die Bundesre-
ierung stehe mit ihrer Position bezüglich einer europäi-
chen Antwort auf die Krise isoliert da und wirke gar als
remser. Lassen Sie mich noch einmal die Süddeutsche
eitung zitieren, die ausdrücklich feststellt, dass im
atsgebäude zu Brüssel nichts davon zu merken gewe-
en sei, dass Deutschland isoliert sei. Das ist eine neu-
rale, unabhängige Stimme, die Sie, Frau Künast, offen-
ar nicht zur Kenntnis genommen haben.
Zugleich haben die Staats- und Regierungschefs durch
hren Verweis auf die uneingeschränkte Einhaltung der
eltenden sogenannten finanziellen Vorausschau der
ommission ebendieser Kommission klargemacht, dass
berschüssige Haushaltsmittel an die Mitgliedstaaten zu-
ückgegeben werden müssen und nicht durch Umschich-
ung in ein eigenes Konjunkturprogramm der Kommis-
ion umgewandelt werden dürfen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum
chluss noch einen weiteren Punkt aus der Masse der auf
em Gipfel behandelten Themen herausgreifen, der, wie
ch meine, für die Zukunft der EU eine ganz entschei-
21142 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Eduard Lintner
dende Bedeutung hat. Um die nachträgliche Zustim-
mung der irischen Bevölkerung zum Vertrag von Lissa-
bon zu ermöglichen, wurden Irland Zugeständnisse
gemacht. Damit ist man dem irischen Staat sehr weit ent-
gegengekommen. Ich finde, das war ein notwendiger
Schritt, um die dringend erforderliche Fortentwicklung
der EU zu gewährleisten. Das darf aber am Ende nicht
zulasten der Handlungsfähigkeit der EU gehen. In einem
nächsten Schritt – das wird auch eine Aufgabe für die
Bundesregierung sein – müssen daher kreative Lösungen
für die künftige Struktur der Kommission gefunden wer-
den, zum Beispiel durch die Reduzierung der Zahl der
Ressorts und durch die Einführung von stellvertretenden
Kommissaren mit Stimmrecht. Das ist vielleicht ein
Ausweg aus der gegebenen Situation.
Als Fazit dieses Gipfels kann man, glaube ich, fest-
stellen: Europa hat sich bei diesem Gipfel vor den Augen
der ganzen Welt unter sehr schwierigen Rahmenbedin-
gungen als voll handlungsfähig und auch als prinzipien-
treu erwiesen. Wir können gemeinsam dankbar feststel-
len, dass die Bundesregierung dazu wichtige Beiträge
geleistet hat.
Vielen Dank.
Das Wort erhält der Kollege Markus Löning für die
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen
Sie mich mit dem Klimapaket beginnen. Die Freien De-
mokraten unterstützen die Ziele des europäischen Kli-
mapaketes. Europa muss eine Vorreiterrolle im Kampf
gegen den Klimawandel einnehmen. Das sind wir uns,
unseren Bürgern, aber auch unserer Verantwortung in
der Welt schuldig.
Aber das, Frau Bundeskanzlerin, was Sie in Brüssel
verhandelt haben, möchte ich unter den Stichpunkten
Scheckbuch und Chips zusammenfassen. Wer bezahlt
denn die Ausnahmen? Wer bezahlt denn die Modernisie-
rung der polnischen Kraftwerke? Dies ist notwendig.
Was ist aber vereinbart worden? Wer bezahlt am Ende
des Tages die Modernisierung der polnischen Kraft-
werke? Es wird doch darauf hinauslaufen, dass dies der
deutsche Steuerzahler oder der deutsche Stromkunde be-
zahlt. Das ist die typische Politik, die wir in der Europäi-
schen Union nicht brauchen, nämlich die Scheckbuchpo-
litik vergangener Tage.
Zu den Chips. Die Ziele sind gut und ambitioniert.
Wir haben zudem ein Trainingsprogramm aufgestellt,
um diese Ziele zu erreichen. Stellen Sie sich einmal vor,
ein Marathonläufer nimmt sich vor, im Jahr 2020 einen
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Herr Lafontaine, lassen Sie mich an dieser Stelle eine
emerkung machen. Ihre bemerkenswerte Definition
on Demokratie ist an dieser Stelle untergegangen: De-
okratie definiere sich nicht nur durch formale Voraus-
etzungen, sondern vom Ergebnis her. Ich glaube, Sie
efinden sich in ganz schlechter Gesellschaft, wenn Sie
o etwas behaupten.
s gibt andere Leute in der europäischen Geschichte, die
einten, sie müssten zunächst einmal die Ergebnisse
estlegen. Wer wählt und wie dann gewählt wird, das sei
lles egal. Es ist dekuvrierend, was Sie gesagt haben,
err Lafontaine.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21143
)
)
Markus Löning
Lassen Sie mich zum Schluss noch einige Worte zu
den Themen EZB und Euro sagen. Es ist wichtig, dass
wir in den Debatten um die Finanz- und Konjunkturkrise
klar herausstellen, dass die auf Geldwertstabilität ausge-
richtete Politik der Europäischen Zentralbank die rich-
tige Politik war und auch in Zukunft die richtige Politik
ist. Es ist richtig, es ist gut für uns, und es hat uns in der
Krise geschützt, dass wir den Euro haben. Gemeinsam
sind wir dadurch stärker, dass wir den Euro haben,
meine Damen und Herren.
Ich denke, es ist jetzt die richtige Zeit, insbesondere
Dänemark und Schweden noch einmal einzuladen, sich
der Eurozone anzuschließen. Je größer die Eurozone ist,
je mehr stabile Volkswirtschaften der Eurozone angehö-
ren, umso besser für uns.
Eines darf in diesem Zusammenhang aber nicht pas-
sieren: Es darf keine Aufweichung der Maastricht-Kri-
terien geben. Dann ist es sofort vorbei mit der Stabilität.
Es darf keine Aufweichung der Kriterien für den Beitritt
zur Eurozone geben. Auch dann ist es nämlich sofort
vorbei mit der Stabilität. Wir werden auch in Zukunft
darauf achten müssen, dass der Euro eine stabile, solide
Währung bleibt. Das heißt: keine Rabatte im Zusam-
menhang mit den Kriterien, keine Rabatte gegenüber
denjenigen, die jetzt laut an die Tür klopfen. Lassen Sie
uns den Euro auch in Zukunft stabil halten!
Vielen Dank.
Ulrich Kelber ist der nächste Redner für die Fraktion
der SPD.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Die Ergebnisse des europäischen Gipfels sind für
den internationalen Klimaschutz eine Lebensversiche-
rung. Die Ergebnisse dieses Gipfels machen möglich,
dass die Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen zu ei-
nem guten Ergebnis kommen kann. Europa hat gehan-
delt, Europa hat Einigungsfähigkeit bewiesen und hat
damit erreicht, dass jetzt der Druck auf anderen Indus-
triestaaten liegt, vor der Weltklimakonferenz ebenfalls
klar zu sagen, was ihr Beitrag sein soll. Erst das europäi-
sche Handeln ermöglicht es dem neuen amerikanischen
Präsidenten Barack Obama, in den USA zu handeln,
weil er darauf verweisen kann, dass Europa zum Bei-
spiel bei der Schaffung eines europäischen Handelssys-
tems in Vorleistung getreten ist.
Die Europäische Union hat jetzt klar definiert: Wir
werden die CO2-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990
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ie darf nicht überschritten werden, egal ob die CO2-
ertifikate gratis oder per Auktionierung zugeteilt wer-
en. Es ist eine feste Obergrenze festgelegt worden.
Neben dieser festen Obergrenze wird selbst in den
ereichen, in denen es eine Gratiszuteilung der CO2-
ertifikate gibt, mit der Orientierung an der bestverfüg-
aren Technologie – sprich: wer eine veraltete Anlage
at, muss zukaufen; wer besonders modern ist, muss
icht zukaufen – ein Anreiz gesetzt. Dieser Anreiz ist
icht nur für den Klimaschutz gut, sondern auch für die
ffizienz der entsprechenden Branchen und damit für die
ettbewerbsfähigkeit. Wir setzen es als ein Innovations-
örderinstrument ein. Klimaschutz und Wachstum liegen
n einer Hand.
Dazu passt natürlich, dass wir gesagt haben: Es bringt
eder dem Klimaschutz noch den Arbeitsplätzen etwas,
enn wir denjenigen Branchen, die in einem starken in-
ernationalen Wettbewerb stehen, zumuten, dass sich
21144 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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Ulrich Kelber
ihre Kosten durch den Kauf von CO2-Zertifikaten erhö-
hen, und die Produktion dann an anderer Stelle stattfin-
det. Dass wir diesen Weg gegangen sind, war richtig.
Dies war die Position der Großen Koalition. Dies war
die Position der SPD von Anfang an. Ich hätte mir trotz-
dem gewünscht, dass einige in Deutschland nicht zu sehr
auf die Lobbyisten gehört hätten; denn einige wenige
Ausnahmen hätten gut funktioniert und hätten dieses In-
strument noch handlungsfähiger gemacht.
Aber der Dreh- und Angelpunkt der Ergebnisse des
europäischen Gipfels ist die Entscheidung, dass die Zer-
tifikate für die Stromerzeugung zu 100 Prozent in Ge-
samtwesteuropa und bis 2020 aufwachsend dann auch in
Osteuropa auktioniert werden. Diese Entscheidung
schafft die große Möglichkeit, dass der bisher nur regio-
nal, nur in Teilen Nordamerikas stattfindende Emissions-
handel auf die gesamten Vereinigten Staaten ausgedehnt
wird. Allein dieses Ziel war es wert, so zu verhandeln.
Damit kann die Energiewende konsequent fortgesetzt
werden.
Man muss offen über Geld sprechen. Die Versteige-
rung der Emissionszertifikate liefert uns das Geld, das
wir brauchen, um die dringend notwendigen internatio-
nalen Projekte, die wir zugesagt haben, durchführen zu
können. Das ist erstens wichtig, um die Schwellen- und
Entwicklungsländer in den Klimaschutzprozess einzu-
binden. Das ist eine Frage der Solidarität; denn in dieser
Welt leiden bereits heute Menschen unter dem Klima-
wandel, zum Beispiel in Afrika und Teilen Asiens, die
selbst überhaupt keinen Beitrag dazu geleistet haben,
dass es zu einer Temperaturveränderung der Atmosphäre
gekommen ist. Deswegen ist es unsere Pflicht, diesen
Menschen bei der Anpassung zu helfen und ihnen die
Technologien zu liefern, die sie benötigen, um selber
eine saubere Entwicklung zu durchlaufen.
Die Versteigerung liefert uns zweitens Geld, das wir
brauchen, um die nationalen Maßnahmen zur Förderung
der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien ver-
stärkt fortzusetzen. Seit zehn Jahren investieren wir in
diesen Bereich. Das ist wichtig für die Volkswirtschaft.
Dadurch wird Deutschland fit. So können neue Techno-
logien entwickelt und die Energiekosten gesenkt werden.
Man muss aber auch darüber sprechen, dass es Emis-
sionszertifikate bereits seit 2005 gibt. Sie werden von
Kundinnen und Kunden der Energieversorger bezahlt.
Bisher sind die Gewinne aber bei den großen Energie-
konzernen wie Eon und RWE geblieben. Damit ist mit
dem neuen Handel jetzt Schluss. Das Geld gehört den
Menschen, den Kundinnen und Kunden und nicht den
Besitzern einzelner Unternehmen. Deswegen war diese
Entscheidung wichtig, und allein deswegen war der Kli-
magipfel in Brüssel ein Erfolg.
Um über die Rolle Deutschlands zu sprechen: Am
Ende war es die klare Haltung Deutschlands, die diese
Entscheidung möglich gemacht hat. Deswegen möchte
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ott sei Dank hat der Druck von Nichtregierungsorgani-
ationen und Medien geholfen, dass sich diese Neuposi-
ionierung nicht durchgesetzt hat, sondern die 100-Pro-
ent-Auktionierung gekommen ist.
Europa hat gehandelt, als viele das der EU nicht mehr
ugetraut haben. Europa hat gehandelt, als die Lobbyis-
en, die sich schon immer gegen Klimaschutzmaßnah-
en ausgesprochen haben, die Finanzkrise als Ausrede
issbrauchen wollten. Wir haben gehandelt, als es not-
endig war, auf andere Druck auszuüben. Jetzt stellen
ir fest, dass Investitionen in Klimaschutz eine doppelt
o hohe Rendite erzielen. Sie bieten eine sichere Zukunft
nd ermöglichen eine schnellere Überwindung der Wirt-
chaftskrise. Zu diesem Weg gibt es keine Alternative.
s ist gut, dass wir ihn gegangen sind und weiter gehen.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Rainder
teenblock, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ieber Kollege Kelber, sosehr ich Sie als Kollegen, der
ich sehr für Umweltpolitik engagiert, schätze, muss ich
och sagen: Die Rede, die Sie heute zur Bewertung des
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21145
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Rainder Steenblock
Vertrages von Lissabon gehalten haben, ist nicht gerade
Ihre stärkste Rede in diesem Zusammenhang gewesen.
Sie wissen sehr genau, dass das Backing, die Beschlüsse,
die Sie hier mitvertreten haben, alles andere als rich-
tungsweisend sind. Die Bundesregierung – wir wollen
ihre Rolle gar nicht kleinreden – hat eine große Rolle bei
diesem Gipfel gespielt, allerdings als großer Bremser
und Verhinderer einer zukunftsweisenden Energiepoli-
tik.
Sie haben ja die Rolle der CDU/CSU richtig beschrie-
ben. Aber man muss sehr deutlich sagen: Wir haben hier
im Bundestag eine hundertprozentige Auktionierung be-
schlossen. Diesen Beschluss hat die Bundesregierung
beim Gipfel nicht vertreten. Diese Vereinbarung ist ge-
brochen worden.
Man hat sich auch nicht an die Regeln gehalten, die wir
in der Zusammenarbeitserklärung festgelegt haben. Für
den Fall, dass der Bundestag etwas beschließt und die
Bundesregierung sich nicht daran halten kann, haben wir
ein Verfahren beschlossen. Auch dieses ist an dieser
Stelle nicht eingehalten worden. Deshalb sage ich sehr
deutlich: Hier ist die Bundesregierung dem Parlament
mit dem, was sie ausgehandelt hat, in den Rücken gefal-
len.
Wenn ich das betrachte, was in Brüssel in der Sache
und mit welcher Philosophie verhandelt worden ist und
was in der Debatte hier in den letzten Wochen gesagt
worden ist, in der es um das Verhältnis von ökonomi-
scher und ökologischer Entwicklung und die Bedeutung
von Umwelt- und Klimaschutz für die Politik einer Re-
gierung ging, komme ich zu dem Ergebnis, dass wir lei-
der wieder da sind, wo wir schon in den 90er-Jahren wa-
ren. Der Trend, der hier in der Argumentation aufgebaut
wird, ist genau der gleiche, den wir mit der rot-grünen
Bundesregierung glücklicherweise erfolgreich bekämpft
haben. Wir haben deutlich gemacht: Umweltschutz und
wirtschaftliche Entwicklung sind keine Gegensätze.
Eine vernünftige nachhaltige wirtschaftliche Entwick-
lung braucht gerade in der Energiepolitik vernünftige
ökologische Rahmenbedingungen.
Sie bauen durch das, was in Brüssel gerade unter Mit-
wirkung der deutschen Bundesregierung massiv voran-
getrieben worden ist, eine Rückwärtsentwicklung in der
Umwelt- und Klimapolitik, in der Automobilindustrie
und in der Energiepolitik auf. Denn wenn wir nach vorne
kommen wollen, brauchen wir vernünftige ökologische
Rahmenbedingungen. Das, was Sie machen, ist genau
das Gegenteil dessen. Sie wollen dafür sorgen, dass die
deutsche Zementindustrie zukünftig nicht mit Zement
aus Russland unsere Autobahnen beschicken soll. So ein
Quatsch.
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– den sich die tschechische Präsidentschaft vorge-
ommen hat, nicht allein bewältigen. An all diesen Stel-
en, glaube ich, kommen wir gut nach vorne, wenn die
undesregierung und das Parlament diese Ratspräsident-
chaft unterstützen. Denn sie steht vor wichtigen Aufga-
en.
Das Wichtigste ist, dass wir vorbereiten, dass der Ver-
rag von Lissabon, der uns eine handlungsfähige und de-
okratische Europäische Union beschert, durchgesetzt
21146 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Rainder Steenblock
wird. Deshalb, glaube ich, sollten wir für die Zukunft,
für das nächste Jahr darauf unseren Schwerpunkt legen.
Vielen Dank.
Die Kollegin Marie-Luise Dött ist die nächste Redne-
rin für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Europa
bleibt mit seinen Beschlüssen zur Reduktion von Treib-
hausgasen internationaler Vorreiter beim Klimaschutz.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben das
Ziel, die CO2-Emissionen bis 2020 um 20 Prozent zu re-
duzieren, bestätigt und ein Maßnahmenpaket beschlos-
sen, das den Führungsanspruch für alle sichtbar und sehr
konkret unterlegt. Es ist ein wesentliches Signal für die
Kioto-Nachfolgekonferenz 2009 in Kopenhagen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, auch
wenn Sie nicht müde werden, das Erreichte in Ihren
ständigen Wiederholungen zu zerreden, sage ich: Wir
befinden uns weder in Deutschland noch in Europa in
der klimapolitischen Sackgasse, sondern auf der Über-
holspur,
und hinter uns ist meilenweit niemand zu sehen. Das
sollten Sie, vor allen Dingen Sie, Herr Steenblock, zur
Kenntnis nehmen und auch einmal so sagen. Das gehört
für mich zur redlichen und verantwortungsvollen parla-
mentarischen Arbeit.
Wir jedenfalls sind stolz, dass wir mit unserer Klima-
politik auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht
nachlassen. Das, meine Damen und Herren, ist gerade
unserer Bundeskanzlerin zu verdanken.
Sie hat in Brüssel ein Klimapaket verhandelt, mit dem
klimapolitisch Kurs gehalten wird und das auch wirt-
schaftliche und soziale Fragen berücksichtigt.
Es ging in Brüssel um mehr als um die Minderung
von Treibhausgasemissionen. Es ging dieses Mal um die
Fortsetzung unserer gemeinsamen Klimapolitik in ei-
ner schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Gesamt-
situation. Es ging darum, den Beweis anzutreten, dass
der Klimaschutz nicht zu einer Schönwetterpolitik ver-
kommt.
In diesem Zusammenhang finde ich es sehr eigen-
artig, dass sich gerade der ehemalige Bundesumwelt-
minister Trittin – ich sehe ihn jetzt leider nicht mehr –
bemüßigt fühlte, die Ergebnisse zum Emissionshandel
dahin gehend zu kommentieren, 80 Prozent der deut-
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An der Minderungsvorgabe von jährlich 1,74 Pro-
ent wurde nicht gerüttelt. Wir haben allerdings dafür
esorgt, dass die betreffenden Unternehmen, die in ei-
em zunehmend schwierigen internationalen Wettbe-
erb und noch dazu in einem zunehmend problemati-
chen konjunkturellen Umfeld agieren, nicht mit
usätzlichen Kosten in Millionenhöhe belastet werden.
ir haben dafür gesorgt, dass keine Standortverlage-
ungen einschließlich Arbeitsplatzverlagerungen dort-
in erfolgen, wo es überhaupt keinen Klimaschutz gibt.
Wenn Sie an der Ausnahme für energieintensive
ranchen im Hinblick auf die Auktionierung etwas kri-
isieren können, dann höchstens, dass der Staat auf Ein-
ahmen aus dem Emissionshandel verzichtet. Es ist aber
irtschaftspolitisch nicht vertretbar, dass wir vormittags
ber konjunkturpolitische Maßnahmen zur Unterstüt-
ung dieser Unternehmen diskutieren, um am Nachmit-
ag für die gleichen Unternehmen zusätzliche Kosten in
illionenhöhe zu generieren.
Meine Damen und Herren, insbesondere die Angriffe
uf das EU-Klimapaket aus dem Lager der Grünen zei-
en, dass es Ihnen noch immer nicht gelingt, die klaf-
ende Lücke zwischen ideologischem Anspruchsdenken
nd tatsächlich Machbarem zu überbrücken.
Erstens. Fakt ist: Es gab einmal ein nationales Klima-
chutzziel, die CO2-Emissionen um 25 Prozent bis 2005
u reduzieren; Herr Steenblock, Sie erinnern sich.
ieses Ziel wurde von den Grünen zunächst als zu we-
ig ambitioniert kritisiert und anschließend vom grünen
undesumweltminister Trittin wegen Unerreichbarkeit
lammheimlich unter den Tisch fallen gelassen.
Zweitens. Fakt ist: Trotz miserabler Konjunktur ist es
n den sieben Jahren grüner Politik nicht gelungen, die
O2-Emissionen in Deutschland nennenswert zu senken
der zu stabilisieren.
Drittens. Fakt ist: Deutschland wurde unter Helmut
ohl zum Motor des weltweiten Klimaschutzes. Nicht
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21147
)
)
Marie-Luise Dött
zuletzt das große Engagement von Klaus Töpfer führte
dazu, dass im Jahre 1992 über 150 Staaten die Klima-
rahmenkonvention von Rio unterzeichneten. Deutsch-
land war auch auf der dritten Vertragsstaatenkonfe-
renz 1997 in Kioto die treibende Kraft. Nicht zuletzt
dank des Verhandlungsgeschicks von Angela Merkel ei-
nigte sich die Staatengemeinschaft auf das verbindliche
Kioto-Protokoll. Dieses Engagement und dieses Ver-
handlungsgeschick wurden von Deutschland unter Bun-
desumweltminister Trittin nicht fortgeführt.
Die Vorreiterrolle bei der Überzeugungsarbeit ist ver-
spielt worden. Lange sechs Jahre wurde es versäumt,
Russland nachhaltig zu einer raschen Ratifizierung des
Kioto-Protokolls zu drängen. Es bedurfte des Engage-
ments der ehemaligen Bundesumweltministerin Angela
Merkel, unserer Bundeskanzlerin, um auf internationa-
ler, europäischer und nationaler Ebene der Klimapolitik
wieder einen zukunftsweisenden Schub zu verschaffen.
Klimapolitik ist nicht konjunkturabhängig, aber bei
klimapolitischen Maßnahmen müssen auch wirtschaftli-
che und soziale Fragen berücksichtigt werden. Sie ma-
chen Klimaschutz, wir machen einen wirtschaftlich und
sozial kompetenten Klimaschutz. Das ist der Unter-
schied zwischen Ihren und unseren Ansätzen. Das ver-
stehen zunehmend auch die Bürger.
Meine Damen und Herren, die Stromerzeuger müs-
sen die Zertifikate ab 2013 vollständig ersteigern. Das
ist eine sehr anspruchsvolle Vorgabe mit erheblichen
Auswirkungen auf die Stromerzeugung in Deutschland,
weil wir bei uns einen relativ hohen Anteil an Kohlever-
stromung haben. Wir müssen hier sehr genau beobach-
ten, wie sich die Strompreise und die Erzeugungskapazi-
täten bei uns künftig entwickeln.
Deutschland liegt zwischen Frankreich, das einen ho-
hen Anteil an Strom aus Kernenergie hat, und Polen, das
zukünftig Standortvorteile wegen des beschlossenen
Phasing-in für neue Kraftwerke haben wird.
Der Emissionshandel darf nicht dazu führen, dass wir
unseren Strom künftig aus Frankreich oder Polen impor-
tieren und unsere eigene energetische Basis veraltet so-
wie Kapazitäten in nennenswertem Umfang abwandern.
Wir müssen auch in Zukunft Energieproduzent sein.
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Die Möglichkeit, dass in den Jahren 2013 bis 2015 für
eue Kraftwerke Zuschüsse von bis zu 15 Prozent ge-
ahlt werden dürfen, muss unbedingt genutzt werden.
as ist innovationspolitisch nur ein kleines Zeitfenster.
ch appelliere deshalb an die Stromerzeuger, entspre-
hende Investitionen vorzubereiten.
In Brüssel ist ein klimapolitisch effektives, wirt-
chaftspolitisch verantwortliches und europäisch faires
aßnahmenpaket beschlossen worden. Mit der Bereit-
tellung von finanziellen Mitteln für CCS und erneuer-
are Energien haben wir zudem eine gut ausgestattete
nnovationskomponente im Paket. JI- und CDM-Pro-
ekte möchte ich nicht mehr ansprechen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort erhält nun der Kollege Michael Roth, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit
er EU verhält es sich so wie mit unseren Kirchen: Zu
eihnachten und in der Krisenzeit sind sie gefragt. Es
st gut, dass die EU unter Beweis gestellt hat, dass sie in
risenzeiten funktioniert. Man mag es kaum glauben:
änder pochen an die Tür der EU, von denen man es vor
enigen Monaten und Jahren noch nicht erwartet hätte,
sland beispielsweise.
Wir spannen Schutzschirme und schnüren Konjunk-
urprogramme bzw. -pakete. Noch wichtiger wäre es
ber, wenn wir die EU in die Lage versetzen würden,
räventiv auf mögliche Krisen zu reagieren bzw. in noch
tärkerem Maße dazu beizutragen, dass Krisen erst gar
icht entstehen.
ierfür brauchen wir entsprechende vertragliche Grund-
agen; sie sind zwingend. Wir brauchen handlungsfähige
nstitutionen, sinnvolle Instrumente und klare Zustän-
igkeiten.
Deswegen ist es gut, dass der Gipfel dem Vertrag
on Lissabon abermals eine neue Chance eröffnet hat.
s ist eine Brücke nach Dublin gebaut worden. Ob diese
rücke tragfähig ist, wird die Zukunft zeigen; denn
auch das muss man unter Partnern offen ansprechen –
s geht hier nicht um eine Einbahnstraße nach Irland,
ondern wir brauchen eine Zweibahnstraße.
21148 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Michael Roth
Die Europäische Union hat jetzt entsprechende Bei-
träge geleistet. Sie hat Zusicherungen erteilt. Ich erwarte
von den Iren aber auch mehr Mut, gegenüber ihren Bür-
gerinnen und Bürgern deutlich zu machen, was es heißt,
wenn der Vertrag von Lissabon nicht in Kraft tritt. Auch
seitens der irischen Regierung muss deutlich werden: Es
geht eben nicht mehr alleine darum, ob ein neuer Vertrag
in Kraft tritt, sondern auch darum, ob Irland unter den
obwaltenden Bedingungen überhaupt noch Mitglied der
Europäischen Union sein möchte. Das sind klare Worte,
die in schwierigen Zeiten auch einmal auf den Tisch ge-
hören. Die EU hat gezeigt, dass sie dazu in der Lage ist.
Jetzt brauchen wir einen eindeutigen Beitrag von Irland.
Die Staats- und Regierungschefs haben sich auf Er-
klärungen verständigt, um den Iren dabei zu helfen, ein
weiteres Referendum erfolgreich durchzuführen. Ich
will aber deutlich sagen, dass dies nicht zu Konsequen-
zen führen kann, die das gesamte Gemeinschaftsprojekt
infrage stellen: Stichwort „Steuerpolitik“. Eine steuer-
politische Erklärung kann kein Harmonisierungsverbot
bedeuten. Sie kann keine Absage an eine engere Zusam-
menarbeit in Fragen der Steuer- und Finanzpolitik be-
deuten. Wir müssen die Steueroasen in der Europäischen
Union endlich austrocknen. Wir müssen den Kampf ge-
gen unsolidarisches Steuerdumping endlich aufnehmen.
Deswegen brauchen wir perspektivisch auch in der Steu-
erpolitik eine engere und vertrauensvollere Zusammen-
arbeit zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen
Union. Das darf durch eine neue Erklärung nicht verhin-
dert werden.
Dies gilt genauso für die Sicherheitspolitik. Wenn
beispielsweise die Vereinigten Staaten jetzt der Europäi-
schen Union die Hand zur kooperativen Zusammen-
arbeit reichen, dann müssen wir diese Hand ergreifen.
Das heißt, die Europäische Union darf jetzt nicht abweh-
ren und nicht wieder in nationale Egoismen verfallen.
Wir müssen mit einer Stimme sprechen! Auch das darf
durch eine Erklärung, in der man noch einmal die sicher-
heitspolitische Souveränität der Mitgliedstaaten unter-
streicht, nicht infrage gestellt werden.
Wir müssen europäische Beiträge für mehr zivile
Konfliktprävention, für mehr Abrüstung und für die Ver-
hinderung von Konflikten weltweit leisten. Wir müssen
die Entwicklungszusammenarbeit pflegen und noch wei-
ter ausbauen. Dies darf nicht infrage gestellt werden.
Dieses Signal darf von keinem europäischen Gipfel aus-
gehen. Das müssen wir den Partnern in Irland und an-
derswo deutlich sagen.
Die Zusammensetzung der Europäischen Kommis-
sion ist angesprochen worden. Wir alle müssen uns vor
Augen halten: Es geht hier nicht darum, den Lissabon-
Vertrag nicht in Kraft zu setzen. Es geht hier um „Nizza
minus“. In dem Vertrag von Nizza ist schon jetzt vorge-
sehen, dass in der neuen Kommission die Zahl der Kom-
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Die Iren haben zu Recht deutlich gemacht: Wir brau-
hen ein soziales Europa. Wir brauchen ein Europa der
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dann müssen
ber auch die Iren vor ihrer eigenen Haustüre kehren;
enn ein neoliberaler Dinosaurier erster Güte ist der iri-
che Kommissar McCreevy. Er hat sich in den vergange-
en Monaten nicht mit Ruhm bekleckert, indem er sich
eutlich gegen Mindestlöhne im Postbereich in der Bun-
esrepublik Deutschland gewandt hat oder indem er ei-
en Kampf gegen das VW-Gesetz führt. Es steht in kei-
em Vertrag und in keinem europäischen Gesetz, dass es
ein VW-Gesetz und keine Mindestlöhne in der Euro-
äischen Union und erst recht nicht in Deutschland ge-
en darf.
Hier muss man handeln und nicht nur darüber reden.
a muss man für entsprechende politische Mehrheiten in
er Europäischen Union kämpfen. Bei aller gerechtfer-
igter oder in Richtung Linkspartei auch ungerechtfertig-
er Kritik an dem Vertrag von Lissabon: Kein Vertrag al-
ein sichert soziale Rechte.
ir brauchen dafür gesellschaftliche und vor allem poli-
ische Mehrheiten. Deswegen wird das Jahr 2009 so
pannend für uns. Am 7. Juni besteht eine Chance, deut-
ich zu machen, dass das soziale Europa – das Europa
er Beschäftigten – eine reale Chance hat. Lassen Sie
ns gemeinsam dafür arbeiten.
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21149
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Nächster Redner ist der Kollege Hans Peter Thul für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin, gestatten Sie mir zunächst einmal,
mich sehr herzlich dafür zu bedanken, dass Sie mir heute
Morgen gute Wünsche zu meinem 60. Geburtstag ausge-
sprochen haben. Bei dieser Gelegenheit auch heftigen
Dank an alle Kolleginnen und Kollegen, die das in
schriftlicher, mündlicher oder SMS-Form und in allen
möglichen anderen Darbietungen getan haben.
– Sogar durch die Post. Herzlichen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Zur Sache selber: Wer heute über die Euro-
päische Union redet, der kommt nicht umhin, trotz der
französischen Ratspräsidentschaft in ganz besonderer
Weise die Verdienste unserer Bundeskanzlerin, Frau
Dr. Angela Merkel, zu loben.
Mehr noch: So, wie Helmut Kohl den europäischen
Einigungsgedanken verkörpert hatte, personifiziert
Angela Merkel ein gemeinsam handelndes Europa. Wer
wollte bestreiten, dass in dieser Situation gemeinsames
Handeln – möglicherweise auch auf gemeinsam verein-
barte Ziele abgestimmt – das Gebot der Stunde ist? Ich
möchte das gerne anhand von einigen Punkten diskutie-
ren.
– Herr Steenblock, Ihnen mag eine gewisse Feindlich-
keit in Sachen Industriedarbietung immanent sein, aber
sie bringt uns nicht weiter. Auch darauf werde ich noch
eingehen.
Es war diese Bundesregierung, die unter Leitung der
Kanzlerin die mutigen Meseberger Beschlüsse formu-
liert und während der eigenen Ratspräsidentschaft im
Jahre 2007 bereits als Planziele für den gesamten EU-
Raum definiert hat. Die jetzt als Bestandteile des Ener-
gie- und Klimaschutzpaketes bis 2020 verbindlich und
voller Mut beschlossenen Ziele – die Minderung des
CO2-Ausstoßes um 20 Prozent, die Steigerung der Ener-
gieeffizienz um 20 Prozent und der Anteil von 20 Pro-
zent der erneuerbaren Energien am gesamten Energie-
verbrauch – sind unter deutscher Ratspräsidentschaft
formuliert worden, und das bereits im März 2007.
Ich verstehe an dieser Stelle die Vorbehalte nicht, die
von der linken Ecke dieses Hauses formuliert werden. In
dieser Sache vorauszugehen, ist allemal besser, als sich
davonzustehlen, Herr Lafontaine.
Dass diese Ziele in der vergangenen Woche von nie-
mandem mehr infrage gestellt wurden, ist auf die vielen
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Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Gert
Weisskirchen für die SPD-Fraktion.
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Natürlich muss man auch über die Instrumente debat-
ieren.
Eines der zentralen Instrumente wurde bereits instal-
iert; der Kollege Kelber hat bereits darauf hingewiesen.
er Emissionshandel wird so unverrückbar durchge-
etzt, dass später das richtige Instrument eingesetzt wer-
en kann, um die historische Chance zu nutzen. Daran
üssen wir uns alle messen lassen. Die Europäische
nion muss beweisen, dass sie an diesem Instrument
icht nur festhält, sondern es auch über das Kioto-Proto-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21151
)
)
Gert Weisskirchen
koll global durchsetzt, um die weitere Entwicklung posi-
tiv zu beeinflussen.
Wenn das gelingt, dann kann die Europäische Union
– ich hoffe, dass mich Karl Schlögel für die Verwendung
seines Begriffs nicht kritisieren wird – zu einem Labo-
ratorium der Moderne werden. Sie kann dann die in-
dustrielle Basis revolutionieren und dafür sorgen, dass
Energieeffizienz die höchste Priorität hat und ein fester
Bestandteil unseres Modernisierungsbegriffs wird. Das
wäre ein gewaltiger Fortschritt, übrigens einer, für den
Erhard Eppler seit Jahrzehnten kämpft. Wenn das jetzt
durchgesetzt werden könnte, wäre das historisch gese-
hen ein qualitativer Fortschritt. Ich bedanke mich bei der
Bundeskanzlerin und beim Bundesaußenminister dafür,
dass dieser Durchbruch nun in der Europäischen Union
gelungen ist.
Das Europaparlament hat im Übrigen die entspre-
chenden legislativen Akte durch seine Beschlüsse umge-
setzt, und zwar mit großer, überwältigender Mehrheit.
Ich weiß nicht, ob sich Herr Cohn-Bendit daran beteiligt
hat. Ich wünsche mir aber, dass diejenigen, die seit Jahr-
zehnten in der Europäischen Union im Hinblick auf eine
Verbindung von ökologischer und sozialer Reform und
damit im Hinblick auf eine Veränderung der industriel-
len Basis zusammengearbeitet haben, diesen Fortschritt
ernst nehmen, ihm zum Durchbruch verhelfen und 2009
dafür sorgen, dass das global realisiert werden kann.
Herzlichen Dank, Herr Außenminister.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11404.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer ist
dagegen? – Enthaltung? – Der Entschließungsantrag ist
damit abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und den Stimmen der FDP-Fraktion gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion – –
– Frau Kollegin Schewe-Gerigk, dann würde ich die Ab-
stimmung gerne wiederholen; denn das Bild, das die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgegeben hat, war
eindeutig das einer Enthaltung.
Dann wiederholen wir die Abstimmung. Wer ist für
den Entschließungsantrag? – Wer ist dagegen? – Enthal-
tung? – Der Entschließungsantrag ist damit mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen, den Stimmen der
FDP-Fraktion und den Stimmen der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke abgelehnt.
Tagesordnungspunkt 32: Dabei geht es um die Ab-
stimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschus-
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Kauder, Renate Schmidt , Johannes
Singhammer und weiteren Abgeordneten einge-
brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Ände-
rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
– Drucksache 16/11106 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Christel
Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner
und weiterer Abgeordneter
Wirkungsvolle Hilfen in Konfliktsituationen
während der Schwangerschaft ausbauen –
Volle Teilhabe für Menschen mit Behinderung
sicherstellen
– Drucksache 16/11342 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Kerstin Griese, Katrin Göring-Eckardt, Andrea
Nahles und weiteren Abgeordneten eingebrach-
ten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung
des Gesetzes zur Vermeidung und Bewälti-
gung von Schwangerschaftskonflikten
– Drucksache 16/11347 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
d) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ina
Lenke, Sibylle Laurischk, Ulrike Flach und wei-
teren Abgeordneten eingebrachten Entwurfs ei-
nes … Gesetzes zur Änderung des Schwanger-
schaftskonfliktgesetzes
– Drucksache 16/11330 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
21152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
e) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Kirsten Tackmann, Diana Golze, Elke Reinke
und weiterer Abgeordneter
Späte Schwangerschaftsabbrüche – Selbstbe-
stimmungsrecht von Frauen stärken
– Drucksache 16/11377 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Diese
Zeit soll nach dem Stärkeverhältnis der Anzahl der Un-
terzeichner verteilt werden.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Johannes Singhammer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Vor elf Jahren wurde das schreckliche Schicksal
des Oldenburger Babys Tim bekannt. Seither ist klar:
Die derzeitige Praxis und Regelung später Schwanger-
schaftsabbrüche bedarf dringend einer Änderung.
Schwangere Frauen, die sich alleingelassen fühlen,
Ärzte und Pflegepersonal, die sich überfordert fühlen,
und der nicht ausreichende Schutz behinderter ungebore-
ner Kinder verlangen von uns, dem Gesetzgeber, eine
Entscheidung, eine Entscheidung in einem Grenzbereich
der Politik, wobei sich die Politik gleichwohl nicht um
eine Entscheidung drücken kann.
Die Kirchen, die Behindertenverbände, die Bundes-
ärztekammer und viele andere fordern seit langem auf,
zu handeln. Wir wollen Frauen, die sich in einer existen-
ziellen Notlage befinden, nachhaltig helfen, und wir
wollen mit unserem Vorschlag behindertes ungeborenes
Leben besser schützen.
Seit 1995 ist die sogenannte embryopathische Indika-
tion abgeschafft, weil sie eine Diskriminierung Behinder-
ter bedeutet. Aber mit der erweiterten medizinischen
Indikation werden nun neue Herausforderungen sicht-
bar. Im Jahr 2007 gab es laut Statistischem Bundesamt
insgesamt 3 072 Schwangerschaftsabbrüche, die mit ei-
ner medizinischen Indikation gemeldet wurden, 631 da-
von ab der 20. Schwangerschaftswoche. Das ist der Zeit-
punkt, ab dem ein Kind außerhalb des Mutterleibs
lebensfähig sein kann.
Studien haben ergeben, dass neun von zehn Schwan-
gerschaften mit Kindern, die das Downsyndrom haben,
abgebrochen werden. Es gibt Hinweise auf ähnliche
Konstellationen bei Spina Bifida, offener Rücken.
Wir wollen jeden Automatismus zwischen einer Er-
öffnung der Diagnose und einem Schwangerschaftsab-
bruch vermeiden. Keine Mutter und kein Vater dürfen in
einen Rechtfertigungszwang geraten: Das behinderte
Kind hätte vermieden werden können, und Belastungen
der Gesellschaft und des Staates finanzieller Art hätten
erst gar nicht entstehen müssen.
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Mit Sorge hören wir die bittere Klage, beispielsweise
er Bundesvereinigung Lebenshilfe, „wie verletzend
ine gesellschaftliche Praxis ist, die etwa Menschen mit
own-Syndrom gezielt sucht, um anschließend ihr
echt auf Leben infrage zu stellen“.
Wenn eine schwangere Frau die Nachricht erhält, dass
hr ungeborenes Kind behindert ist, bricht für sie eine
elt zusammen. Wer mit den betroffenen Frauen und ih-
en Angehörigen gesprochen hat, weiß, welche Belas-
ungen mit einer solchen Nachricht verbunden sind. Wer
rfahren hat, wie oft sich Schwangere in einer Notsitua-
ion dieser Art alleingelassen fühlen, der wird alles
enkbare tun, um ihnen die nötige Unterstützung zu-
ommen zu lassen, und er wird auch alles tun, um jede
etroffene Frau vor dem Vorwurf in Schutz zu nehmen,
ie habe bei ihrer Entscheidung leichtfertig gehandelt.
Für viele Frauen und auch ihre Männer ist das Leben
it einem behinderten Kind zunächst kaum vorstellbar.
eshalb brauchen betroffene Frauen erst einmal alle
ichtigen Informationen zum Leben mit behinderten
indern – durch den Arzt, durch Aufklärungsmaterialien
nd durch psychosoziale Beratungsstellen. Jede Schwan-
ere in dieser Krisensituation soll – so sieht es unser Ent-
urf vor – direkt mit Selbsthilfegruppen, aber auch mit
etroffenen Familien Kontakt aufnehmen können, wenn
ie es wünscht.
Es ist bekannt, dass ein später Schwangerschaftsab-
ruch für die Frau auch eine starke Belastung bedeuten
ann, unter der sie möglicherweise lange zu leiden hat.
arüber sollte jede betroffene Frau ehrlich und frühzei-
ig aufgeklärt werden.
Unser Entwurf will die schwangeren Frauen in dieser
ituation nicht zusätzlich beschweren, ihnen keine
euen Lasten aufbürden; es soll keinerlei Art von Sank-
ionierung geben. Wer sich nicht beraten lassen will, der
ann darauf verzichten. Der Arzt aber wird verpflichtet,
ie umfassende Beratung über die medizinischen As-
ekte hinaus zu gewährleisten. Unsere glasklare Rege-
ung heißt deshalb: Beratungsrecht für die schwangere
rau, Beratungspflicht für den behandelnden Arzt.
Die Verarbeitung einer schockierenden Nachricht
raucht Zeit. Soweit keine Gefahr für Leib und Leben
er Frau besteht, ist eine mindestens dreitägige Be-
enkzeit nach der ärztlichen Beratung notwendig. Wir
ollen keinen zeitlichen Druck. Wir wollen nicht, dass
rauen vor einer Entscheidung mit großer Tragweite un-
er zeitlichen Druck gesetzt werden. Auch wir wissen,
ass eine qualifizierte Beratung und ausreichend Zeit ei-
es nicht können: Leid, schmerzliche Entscheidungspro-
esse und auch qualvolles Abwägen vermeiden. Wohl
ber wissen wir eines: dass damit dringend benötigte
ilfe angeboten wird, dass umfassende Informationen
ngeboten werden und dass wir Mut machen können.
Experten gehen von einer Dunkelziffer aus. Wir wol-
en die Dimension der Problematik besser erkennen, um
esser helfen zu können. Wir wollen die Statistik aussa-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21153
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Johannes Singhammer
gefähiger gestalten und haben mit dem Statistischen
Bundesamt deshalb auch den Datenschutz intensiv be-
sprochen. Mit unserer Regelung wird die Anonymität je-
der betroffenen Frau gewährleistet.
Wir freuen uns, dass eine Reihe von Institutionen und
Verbänden unser Vorhaben unterstützt: die Bundesärzte-
kammer, die Bundesvereinigung Lebenshilfe, Donum
Vitae ebenso wie viele andere. Wir haben mit allen Be-
teiligten gesprochen. Unser Weg ist ein ausgewogener
Vorschlag für die Regelung nach Mitteilung eines Be-
fundes. Das Gendiagnostikgesetz ist ein guter Ort, um
insbesondere die ärztliche Beratung vor vorgeburtlicher
Diagnostik zu regeln. Das Gendiagnostikgesetz kann
aber eben nur einen Ausschnitt regeln. Beispielsweise
Herzfehler und Ähnliches können mit Gendiagnostik
nicht erkannt werden. Deshalb brauchen wir die Ände-
rung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Selbstver-
ständlich sind Mutterschaftsrichtlinien und Mutterpass
willkommene Möglichkeiten der Hilfe, aber wir sollten
ein Risiko nicht in Kauf nehmen: dass wir am Schluss
weiße Salbe anbieten. Wir brauchen echte Besserung.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche Bayern hat in
der Landessynode vor wenigen Tagen formuliert:
Menschliches Leben ist uns von Gott gegeben. Es
ist in jeder Phase zu bewahren und zu schützen.
Ich meine deshalb, dass die Verpflichtung des Gesetzge-
bers noch weiter geht. Wir müssen alles daransetzen,
dass ein Leben mit behinderten Kindern, ein Leben mit
behinderten Menschen in jedem Lebensalter gelingen
kann: mit ausreichenden finanziellen Rahmenbedingun-
gen, mit Offenheit und Akzeptanz der Gesellschaft so-
wie mit der Achtung der Würde des Lebens am
Anfang wie am Ende.
Das Wort hat die Kollegin Christel Humme.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kolle-
ginnen! Ja, Spätabbrüche sind schrecklich, am
schrecklichsten für die betroffenen Frauen selbst, Herr
Singhammer. Darüber reden wir heute. Wir reden über
mögliche Abbrüche in einem fortgeschrittenen Stadium.
Die Schwangere und ihr Partner freuen sich auf das
Kind; denn es ist in der Regel ein Wunschkind. Ich sage
Ihnen an dieser Stelle: Keine Frau entscheidet sich in
dieser Situation leichtfertig für einen Abbruch.
Deshalb dürfen wir hier im Deutschen Bundestag keine
gesetzliche Änderung vornehmen, die den Frauen das
unterstellt. Aber genau das ist Ihr Ansatz, Herr
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ie setzen sie in einer ohnehin schwierigen Notlage zu-
ätzlich unter Druck.
Keine Zwischenrufe!
Frauen brauchen auch keine staatlich verordnete
artezeit von drei Tagen. Warum überhaupt drei Tage?
ie Frist ist völlig willkürlich. Fragen Sie doch die Prak-
iker, die niedergelassenen Frauenärzte! Sie berichten
ns, dass die Frauen sich von Beginn ihrer Schwanger-
chaft an mit dem Gedanken auseinandersetzen: Was
assiert, wenn? Deshalb sind wir der Auffassung: Eine
essere Beratung für Schwangere muss viel früher anset-
en.
Wir stellen eines fest: Der technische Fortschritt
ietet schwangeren Frauen eine Vielzahl von Untersu-
hungen an, die alle ein Ziel verfolgen, nämlich nach
bweichungen beim ungeborenen Leben zu suchen.
immt die Frau dieses Angebot wahr, so ist das oft der
eginn eines Untersuchungsmarathons, der zutiefst ver-
nsichern kann.
Hier setzt unser Antrag an. Wir wollen zusätzlich die
ualität der Beratung vor solchen Untersuchungen
erbessern. Der Arzt soll über die Chancen und Risiken
nformieren, und er muss schon zu diesem Zeitpunkt die
flicht haben, auf die Möglichkeit einer psychosozialen
eratung hinzuweisen. Ein schlüssiges Konzept, qualita-
iv gute Beratung vor einer pränatalen Untersuchung
nd auch danach – damit, glaube ich, geben wir den
rauen und ihren Partnern die notwendige Bedenkzeit,
ie wesentlich länger ist als die Dreitagesfrist, die nach
hrem Entwurf gesetzlich vorgeschrieben werden soll.
as ist die wirkungsvolle Hilfe, die wir meinen, wenn
ir von dieser Konfliktsituation sprechen.
Mehr noch, meine Damen und Herren: Mit diesem
eratungsangebot geben wir den Frauen den Informa-
ionshintergrund, den sie brauchen, um zu den Untersu-
hungen, die wie selbstverständlich vorgenommen wer-
en, auch einmal Nein sagen zu können. Das ist das, was
ir meinen, wenn wir von dem Recht der Frau auf
ichtwissen sprechen.
Herr Singhammer, Sie wollen behindertes Leben
chützen. Wir auch, dass ist kein Zweifel. Sie meinen,
as erreichen zu können, wenn Sie Spätabbrüche ver-
eiden. 80 Prozent der Spätabbrüche werden vorgenom-
21154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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Christel Humme
men, weil das Ungeborene nicht lebensfähig ist. Diesen
Kindern fehlt ein lebenswichtiges Organ. Sie haben kein
Gehirn, es fehlen beide Nieren, oder das Herz ist schwer
geschädigt. Die Kinder sind dem Tod geweiht. Niemand
leidet darunter mehr als die betroffenen Eltern. Wie müs-
sen sowohl Ihre gesetzliche Dreitagesfrist als auch Ihr
gesetzlicher Hinweis auf eine bessere Information über
das Leben mit einem behinderten Kind auf diese Eltern
wirken?
Meine Damen und Herren, die unter anderem von der
Union vorgeschlagenen staatlichen Einmischungen in
höchstpersönliche Entscheidungen sind nicht geeignet,
um Frauen und Männern in schwierigen Konfliktsitua-
tionen während der Schwangerschaft wirkungsvoll zu
helfen. Was Frauen wirklich hilft, ist ein zusätzliches
besseres und frühzeitiges Beratungs- und Unterstüt-
zungsangebot. Genau diesen Weg gehen wir mit unse-
rem Antrag, und dabei sind wir fest davon überzeugt,
dass Frauen sehr verantwortungsvoll mit ihrer Konflikt-
situation umgehen.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir alle wissen es
sehr genau, und an dieser Stelle sollten wir uns nicht
selbst belügen: Gesetzliche Regelungen, zusätzliche
Dreitagefristen, Beratungspflicht und was auch immer
werden nicht helfen, die gesellschaftliche Einstellung zu
behindertem Leben positiv zu verändern.
Dazu gehören veränderte Rahmenbedingungen, wie wir
sie in unserem Antrag fordern. Ich hätte mir gewünscht,
meine Damen und Herren, Sie hätten in den vergange-
nen Jahren gemeinsam mit uns ebenso viel Energie in
die Frage gesteckt, wie wir die Bedingungen für ein Le-
ben mit einem behinderten Kind verbessern können. Das
wäre eine redliche und sinnvolle Arbeit gewesen, die
dieses Hohen Hauses würdig gewesen wäre.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Griese.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist ein schwieriges Thema, das wir hier diskutieren,
eine Gewissensfrage. Die Frage, wie wir Frauen in der
schwierigsten Konfliktsituation in einer fortgeschritte-
nen Schwangerschaft sinnvoll helfen können, hat mich
sehr bewegt, und – ich sage es offen – ich habe mich
auch schwergetan, dazu eine Position zu finden. Nach
vielen Gesprächen mit Betroffenen, mit Verbänden wie
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ir sind uns sicherlich auch alle darin einig: Werdendes
eben kann nur mit der Mutter, nicht gegen sie geschützt
erden.
Ich warne davor, aus dieser Debatte einen Kultur-
ampf zu machen. Es geht nicht um die Änderung der
isherigen Indikationsregelungen beim Schwanger-
chaftsabbruch, sondern es geht in unserem Gesetzent-
urf allein um eine bessere Beratung in der fortgeschrit-
enen Schwangerschaft, in einer Phase, in der sich die
rau eindeutig für das Kind entschieden hat.
Ich will die drei wichtigsten Argumente für unseren
esetzentwurf nennen:
Erstens. Wir haben in Deutschland die Regelung, dass
is zur 12. Schwangerschaftswoche Abtreibung nach
flichtberatung und nach drei Tagen Bedenkzeit straffrei
st. Wir werden demnächst nach dem Gendiagnostikge-
etz die Regelung haben, dass vor und nach gendiagnos-
ischen Untersuchungen Beratung erfolgt. Das ist gut
nd richtig. Aber im schwierigsten aller Fälle, im
chwangerschaftskonflikt nach der 13. Woche bis hin
ur 22. oder 23. Woche, wenn das Kind schon lebensfä-
ig ist, in der Phase, in der die Entscheidung für das
ind schon gefallen ist – es geht hier um Wunschkinder –,
önnen wir uns nicht sicher sein, dass die Frau nach ei-
er meist schockierenden Diagnose eine psychosoziale
eratung bekommt, und das wollen wir ändern.
Zum Beispiel führt auch die große Ultraschalluntersu-
hung zu der Diagnose einer eventuellen Behinderung.
iese Untersuchung ist vom Gendiagnostikgesetz nicht
rfasst. Da gibt es eine Lücke. Warum wir diese Lücke
icht auch gesetzlich schließen sollen, leuchtet mir nicht
in. Das ist widersinnig.
Es geht zweitens darum, wie Frauen oder Paare damit
mgehen, wenn sie die Diagnose bekommen, dass ihr
ind mit der Wahrscheinlichkeit eins zu hundert, eins zu
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21155
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Kerstin Griese
zweihundert oder eins zu dreihundert behindert sein
könnte. Wie gehen wir mit dem technischen Fortschritt
um? Müssen wir alles wissen? Ich teile ausdrücklich all
das, was zum Recht auf Nichtwissen und zu mehr Bera-
tung vor der Diagnostik gesagt wurde. Aber – das weiß
ich aus vielen Gesprächen – es gibt immer wieder den
Fall, dass Ärzte bei der Diagnose einer eventuellen Be-
hinderung sehr schnell zum Abbruch raten,
sei es offensichtlich – ich kenne Fälle, wo Ärzte gesagt
haben, das lohne sich nicht mehr –, sei es unterschwel-
lig, sei es aus Angst vor Haftungsklagen, was ich übri-
gens besonders perfide finde, sei es aus mangelnder Sen-
sibilität, sei es aus reiner Konzentration auf die
medizinisch-technische Seite, was ja beruflich bedingt
ist, oder aus Hilflosigkeit. Ich mache diesen Vorwurf
nicht allen Ärztinnen oder Ärzten,
aber ich bin nach reiflicher Überlegung mit den Kolle-
ginnen und Kollegen, die mit mir diesen Antrag stellen,
zu der Überzeugung gekommen, dass genau hier die
Schwachstelle ist und dass wir genau hier etwas ändern
müssen. Die Frauen sollen also nicht mit der medizini-
schen Diagnose alleingelassen werden, sondern auch
eine psychosoziale Beratung bekommen.
Deshalb wird in unserem Gesetzentwurf der Arzt oder
die Ärztin – ich sage ausdrücklich: „der Arzt oder die
Ärztin“, nicht: „die Frau“ – zu ergebnisoffener Bera-
tung verpflichtet. Das ist uns wichtig, damit es nicht zu
einem voreiligen Automatismus „Behinderung gleich
Abtreibung“ kommt. Der Arzt oder die Ärztin werden
also verpflichtet, in eine psychosoziale Beratung zu ver-
mitteln. Hier wird keinerlei Zwang ausgeübt. Diese Be-
ratung kann auch abgelehnt werden. Hier geht es um
Hilfe und Unterstützung.
Ein drittes wichtiges Argument unseres Antrages: Wir
wollen, dass die Ärzte Kontakte zu Selbsthilfegruppen
und Behindertenverbänden vermitteln. Ein Gesetzgeber
kann natürlich die gesellschaftliche Debatte beeinflus-
sen, indem er in Gesetzen Werte und Normen setzt.
Deshalb sagen wir auch hier: Behindertes Leben ist ge-
lingendes und erfülltes Leben. Das können wir auch mit
gesetzlichen Normen deutlich machen.
Mich haben die Zuschriften von Eltern behinderter
Kinder sehr berührt, die mir erzählt haben, welch ein
Schatz dieses Kind für ihr Leben ist, die aber auch davon
berichtet haben, dass sie darauf angesprochen werden,
ob das denn sein musste,
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Es ist eine Frage, mit der sich – das weiß ich – viele
chwertun. Ich glaube, es ist eine ethische Frage, über
ie nicht anhand von Partei- oder Fraktionsgrenzen ent-
chieden werden darf. Jeder Einzelne von uns wird hier
ine Entscheidung treffen müssen. Wir werden im März
azu eine Anhörung im Familienausschuss durchführen
nd im April hier wieder darüber beraten. Ich hoffe, dass
ir über all die wichtigen Appelle hinaus – ich sage aus-
rücklich, dass ich die alle unterstütze – auch eindeutige
esetzliche Zeichen setzen. Diese sind nötig, damit den
etroffenen Frauen geholfen werden kann.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ina Lenke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei
rittel der Abgeordneten der FDP-Bundestagsfraktion
egen Ihnen heute einen Gruppenantrag für einen Ge-
etzentwurf zur Änderung des Schwangerschaftskon-
liktgesetzes vor. Wir wissen: Spätabtreibungen sind
ür alle Beteiligten mit großen Belastungen verbunden,
esonders für Schwangere. Das haben alle Redner vor
ir hier auch sehr deutlich gesagt.
21156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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Ina Lenke
Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die Zahl von
Abbrüchen so gering wie möglich zu halten.
Notwendig sind deshalb Maßnahmen, die die Situation
der betroffenen Frauen und der ungeborenen Kinder ver-
bessern. Mit unseren Vorschlägen wollen wir voreilige
Entscheidungen und überstürztes Handeln vermeiden
helfen.
Unser Gesetzentwurf verpflichtet Ärzte, vor, während
und nach der Pränataldiagnostik medizinisch zu bera-
ten. Für die Eltern – das sagte schon Frau Griese – ist
eine solche Diagnose ein schwerer Schock. Wir Frauen
können uns das sicher persönlich sehr gut vorstellen.
Deshalb soll der Arzt dafür sorgen, dass ein Angebot
zur psychosozialen Beratung gemacht wird. Zusätzlich
soll er darauf hinwirken, dass die Schwangere die Bera-
tung auch wahrnimmt.
Diese Beratung dient dem Schutz des ungeborenen
Lebens und der Schwangeren. Dazu gehört natürlich
auch das Angebot vielfältiger Hilfen für ein Leben mit
einem Kind, das eine Behinderung hat. Die Beratung
soll durch erfahrene und entsprechend ausgebildete Be-
raterinnen erfolgen. Dazu ist ausreichend Zeit erforder-
lich, die auch in unserem Gesetzentwurf vorgesehen ist.
Die Feststellung nach § 218 a Abs. 2 Strafgesetzbuch
soll nicht vor Ablauf einer Frist von drei Tagen nach der
Beratung durch den Arzt erfolgen. Wenn Gefahr für Leib
und Leben der Schwangeren besteht und ein sofortiger
Abbruch vorgenommen werden muss, gilt diese Frist na-
türlich nicht.
In der Begründung unseres Gesetzentwurfes betonen
wir, dass die werdende Mutter neben dem Recht auf
Wissen auch ein Recht auf Nichtwissen hat. Das haben
wir schon in einem Fraktionsantrag in der letzten Legis-
laturperiode dargelegt. Die werdende Mutter soll selbst
entscheiden, ob sie sich dem heute medizinisch mögli-
chen Untersuchungsmarathon unterziehen will. Frau
Humme hat schon darauf hingewiesen. Wir haben Ver-
trauen in die umfassende medizinische Beratung des be-
handelnden und die Indikation feststellenden Arztes, in
die psychosoziale Beratung durch dazu ausgebildete
Beraterinnen und in die Entscheidungsfähigkeit der
Schwangeren.
Deshalb sprechen wir uns gegen eine Beratungspflicht
für die Frau aus.
Im Gesetzentwurf Singhammer ist unter anderem eine
Verdoppelung der Strafe für Ärzte vorgesehen, wenn sie
Dokumentationspflichten nicht nachkommen. Das hal-
ten wir für entbehrlich. Das würde auch das Problem
nicht lösen.
Frau Humme, in Ihrem Antrag schlagen Sie eine
untergesetzliche Regelung vor, nach der die 16 Ärzte-
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Kirsten
ackmann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Liebe Gäste! Ich spreche für den Gruppenan-
rag von 50 Abgeordneten der Linken. Er beruht auf der
instimmig beschlossenen Position des Frauenplenums
einer Fraktion. Natürlich wollen wir partnerschaftliche
ntscheidungen. Aber in der Realität greift eine
chwangerschaft oder auch ihr Abbruch vor allem in das
eben von Frauen ein. Deshalb ist uns Linken ihr Votum
n dieser sensiblen Frage besonders wichtig.
Der eigentliche Grundkonflikt der heutigen Debatte
uss ehrlich benannt werden: Trauen wir als Gesetzge-
er Schwangeren zu, mit Unterstützung ihrer Ärztinnen
nd Ärzte selbstbestimmt eine verantwortungsvolle
ntscheidung zu fällen? Das bejaht unser Antrag und
uch der Antrag von Kollegin Humme und Unterzeich-
erinnen und Unterzeichnern.
Die drei Gesetzentwürfe dagegen setzen Frauen und
rzteschaft mehr oder weniger unter Generalverdacht
nd fordern eine Verschärfung der staatlichen Kon-
rolle bei Schwangerschaftsabbrüchen mit medizini-
cher Indikation. Dabei hat die Bundesrepublik bereits
eit 1995 eine der EU-weit restriktivsten gesetzlichen
egelungen. Schwangerschaftsabbrüche sind grundsätz-
ich rechtswidrig und nur unter bestimmten Bedingun-
en nicht strafbar.
Das widerspricht übrigens internationalen Erfahrun-
en. So haben die Niederlande trotz liberaler Regelungen
eit 20 Jahren deutlich weniger Schwangerschaftsabbrü-
he je tausend Lebendgeborene als wir. Die Vorgängerin-
en meiner Fraktion haben seit dem Jahr 1990 deshalb
mmer wieder die ersatzlose Streichung des § 218 ge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21157
)
)
Dr. Kirsten Tackmann
fordert. Es ist für mich als frauenpolitische Sprecherin
bitter, diese restriktiven Regelungen heute gegen weitere
Verschärfungen verteidigen zu müssen.
Das zeigt, dass wir in der gesellschaftlichen Debatte zum
Selbstbestimmungsrecht von Frauen nicht weiterge-
kommen sind, im Gegenteil.
Selbst im 1995er-Gesetzgebungsverfahren wurde bei
Schwangerschaftsabbrüchen mit medizinischer Indika-
tion ausdrücklich auf ein normiertes und formalisiertes
Beratungserfordernis verzichtet. Diese Gesetzeslage soll
mit diesen drei Gruppenanträgen jetzt korrigiert werden.
Damit setzen sie genau an der Stelle auf gesetzgeberi-
schen Druck, wo nach unserer Überzeugung Vertrauens-
bildung, Information und Unterstützung dringend erfor-
derlich und auch erfolgreich sind.
Pro Familia schrieb dazu gestern:
Alle vorgeschlagenen Änderungen des Schwanger-
schaftskonfliktgesetzes … richten sich gegen Frauen
und Paare und werden keinen Schwangerschaftsab-
bruch nach medizinischer Indikation verhindern, sie
richten sich auch gegen die Ärzteschaft.
Interessant ist, womit sich die drei Gesetzentwürfe
nicht befassen. Der Sinn vorgeburtlicher Untersu-
chungen und ihre Risiken spielen keine Rolle, aber die
Verwendung der Information soll eingeschränkt werden.
Die Defizite bei der Integration behinderter Men-
schen und ihrer Familien in die Gesellschaft werden aus-
geblendet, aber diese Defizite sind Teil der seelischen
Notsituation.
Genau an diesen Stellen setzt unser Antrag an. Wir
fordern unter anderem einen Rechtsanspruch auf medi-
zinische und psychosoziale Beratung, und zwar kos-
tenfrei und flächendeckend erreichbar.
Vor jeder vorgeburtlichen Untersuchung muss das
Recht auf informierte Einwilligung, auf Nichtwissen
oder nur therapierelevante Informationen gesichert wer-
den. Das steht übrigens auch im aktuellen Schattenbe-
richt zur UN-Frauenrechtskonvention.
Nach einem Befund muss das Recht auf eine umfas-
sende, vertrauensvolle und ergebnisoffene medizinische
und psychosoziale Beratung gelten. Dies muss – was oft
vergessen wird – auch nach einem Schwangerschaftsab-
bruch gelten. Ärztinnen und Ärzte, Krankenhausperso-
nal und Hebammen brauchen spezifische Fort- und Wei-
terbildung. Ferner fordern wir die wirkungsvolle und
vollumfängliche Umsetzung der UN-Konvention über
die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
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Das Wort hat die Kollegin Renate Schmidt.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-
en! Eltern, bei deren Kind in der 20. Schwanger-
chaftswoche ein Downsyndrom festgestellt wurde, ha-
en mir Folgendes geschrieben:
Der diagnostizierende leitende Oberarzt an der Uni-
klinik war sicher fachlich hochkompetent. Mensch-
lich war er der Problematik nicht gewachsen und
konnte uns auch nicht außer-medizinisch beraten.
Es war eine Katastrophe. Gott sei Dank ließen wir
uns von den mit der Diagnose einsetzenden Auto-
matismen und
unseren Gefühlen nicht überrumpeln und durften
glückliche Eltern werden. Leicht wird einem dies
nach geltendem Recht nicht gemacht. Vielen hilft in
der schweren Situation der Enttäuschung, Zu-
kunftsangst und Trauer sicher schon ein Funken
Hoffnung.
Das war ein Auszug aus einer der vielen Zuschriften,
ie mich erreicht haben.
Um diese Hoffnung geht es, wieder zu sich zu kom-
en – in einer Situation, in der die betroffenen Frauen
nd die Eltern außer sich sind. Es geht um Beratung
nd Hilfe im umfassenden Sinne. Es geht um ausrei-
hend Zeit für die Entscheidungsfindung. Nur wenn sich
ie Frau, die Eltern gut informiert und unterstützt fühlen,
önnen sie zu einer Entscheidung kommen, mit der sich
uch langfristig gut leben lässt. Es geht darum, der Frau,
en Eltern zu helfen, den für sie gangbaren Weg zu fin-
en. Es geht darum, sich der schleichenden, verdeckten
iederkehr der embryopathischen Indikation zu wider-
etzen. Es geht darum, dass Eltern mit Blick auf ihr be-
indertes Kind nicht mehr gefragt werden, ob das denn
ein musste. Mit „das“ sind liebenswerte, lebensfrohe
inder gemeint. Um sie, um ihre Väter und Mütter geht
s.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, ist medizinische,
sychosoziale, das Leben mit Behinderten beinhaltende
eratung, auf die es schon heute einen Anspruch gibt,
icht eigentlich selbstverständlich? Leider nein. Dies
eigen Untersuchungen zum Beispiel der Bundeszen-
rale für gesundheitliche Aufklärung, die zu dem Ergeb-
is kommen, dass die medizinische Information bei der
ränataldiagnostik überwiegend als gut, die umfassende
21158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Renate Schmidt
psychosoziale Beratung mehrheitlich als schlecht bzw.
als nicht vorhanden bewertet wird. Dies zeigen Schilde-
rungen von Betroffenen, die in ihrer Not alleingelassen
wurden. Dies zeigen mir auch die vielen positiven Reak-
tionen von Kirchen, Verbänden und einzelnen Betroffe-
nen auf unsere Gesetzesinitiative. Denn dort, wo
schwere psychische Beeinträchtigungen wegen der Er-
wartung eines behinderten Kindes eine medizinische In-
dikation rechtfertigen, ist heute guter Rat buchstäblich
teuer. Dies heißt, er ist allzu häufig schlicht und einfach
nicht vorhanden.
Es wird Zeitdruck erzeugt, wo es ihn nicht gibt. Es
wird die Zeit zu trauern nicht gegeben, wenn es sich um
ein nicht lebensfähiges Kind handelt. Zu selten wird in
solchen Fällen überlegt, ob nicht das Fortsetzen der
Schwangerschaft für die Mutter, für das Kind, für die Fa-
milie das Beste wäre. Aber es geht nicht nur um diese
Spätabtreibungen, sondern auch um die mehreren Tau-
send zum Beispiel in der 16. Woche Schwangeren, bei
deren Kind zuvor ein Downsyndrom festgestellt wurde.
Ich unterstütze – vielleicht etwas ungewöhnlich –
zwei der Gruppengesetzentwürfe und werde auch dem
Forderungsteil des Antrags von Christel Humme zustim-
men, weil ich den im Mutterpass verankerten Beratungs-
anspruch für ebenso dringend notwendig halte wie, um
nur zwei Dinge herauszugreifen, die Beratung vor der
Pränataldiagnostik, wie sie im Entwurf des Gendiagnos-
tikgesetzes vorgesehen ist. Ich unterstütze zwei Gesetz-
entwürfe, weil ich die Hoffnung habe, dass wir am
Schluss nach der Anhörung doch noch zusammenkom-
men und einen gemeinsamen Gesetzentwurf verab-
schieden. Das wäre auch und gerade bei einem solchen
Thema kein Umfallen, zumal wir bei unseren Zielen
wahrhaftig nicht so weit entfernt voneinander sind: näm-
lich Müttern, Eltern in einer extremen Notsituation die
bestmögliche Beratung und die Zeit zu bieten, um zu ei-
ner eigenen, selbstverantworteten Entscheidung zu kom-
men.
Um das zu erreichen, sollten wir mit gegenseitigen
Unterstellungen aufhören. Weder wird im Gesetzentwurf
von Johannes Singhammer Schwangeren in irgendeinem
Punkt Leichtfertigkeit unterstellt, noch wird ihnen eine
irgendwie geartete neue Pflicht aufgebürdet, noch wird
gar § 218 StGB geändert. Im Gegenteil: Nicht die
Schwangeren werden verpflichtet, sondern die Ärzte. Es
ist auch kein Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht
der Frauen geplant. Im Gegenteil: Durch Beratung wird
das Fundament für das Selbstbestimmungsrecht über-
haupt erst geschaffen.
Selbstverständlich soll und wird die Schwangere nach
wie vor selbst entscheiden und kann nach diesem Ge-
setzentwurf jedwede Beratung ablehnen.
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Ich hoffe, dass wir diese Debatte zum Anlass nehmen,
as Leben mit behinderten Kindern weiter zu erleich-
ern. Dazu gehören mehr Ansprechpartner und konkrete
ilfen für die betroffenen Familien. Dazu gehört das
inbeziehen statt des Ausgrenzens von Behinderten.
azu gehört aber vor allem ein Klima in unserer Gesell-
chaft, das zeigt, dass wir nicht nur auf Leistung und Ge-
innstreben setzen, sondern vor allen Dingen auf
enschlichkeit und Mitgefühl.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Irmingard Schewe-
erigk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie heutige Debatte zum Thema späte Schwanger-
chaftsabbrüche zeigt, dass sich dieses Thema nicht für
aute Töne eignet. Es eignet sich aber auch nicht für
nterstellungen, nicht gegenüber den Frauen, die sich
eit mehr als 20 Wochen auf ihr Kind freuen und eben
icht leichtfertig und verantwortungslos einen Abbruch
urchführen lassen,
ber auch nicht für Unterstellungen gegenüber den Ärz-
innen und Ärzten, die die Frauen angeblich zu einer
chnellen Abtreibung drängen, sobald sie bei einem Em-
ryo eine Behinderung erkennen, und die den Frauen an-
eblich eine Psychose bescheinigen, um die medizini-
che Indikation zu rechtfertigen, während das Klinikbett
chon bereitsteht.
Ein Arzt, der einen Schwangerschaftsabbruch allein
egen einer Behinderung des Embryos vornimmt,
acht sich strafbar, verehrte Kollegin Griese.
ie wissen: Es gibt auf dieser Welt kein diesbezügliches
esetz, gegen das nicht verstoßen wird. Hier ist die
trafverfolgung gefragt. Hier helfen keine neuen Ge-
etze, die eine Bedenkzeit vorsehen oder die Pflicht des
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21159
)
)
Irmingard Schewe-Gerigk
Arztes, auf die psychosoziale Beratung hinzuweisen, wie
es in dem Gesetzentwurf von Herrn Singhammer, Renate
Schmidt und anderen steht.
Im Übrigen ist die Bedenkzeit längst Realität. Zwi-
schen dem Befund, der psychosozialen Beratung und der
vorgeschriebenen Zweitdiagnose entsteht Bedenkzeit,
oft mehr als drei Tage. Ich frage mich auch, woher das
große Misstrauen gegenüber den Ärzten und Ärztinnen
kommt. Ihnen wird unterstellt, auch in dem Gesetzent-
wurf, sie würden einen Abbruch allein wegen eines pa-
thologischen fetalen Befundes vornehmen und – noch
schlimmer – sie würden die Statistik fälschen, indem sie
den Abbruch durch einen Fetozid als Totgeburt und nicht
als Schwangerschaftsabbruch dokumentieren. Was be-
deutet es eigentlich für die ärztliche Schweigepflicht,
wenn eine Pflicht zur Dokumentation von Inhalt und
Umfang des Gesprächs sowie eine Offenlegung aller Da-
ten vor einer noch zu bestimmenden Behörde unter Buß-
geldandrohung beschlossen wird?
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Maßnah-
men belasten die Frauen zusätzlich in ihrer schwierigen
Situation, statt ihnen zu helfen, und sie zerstören das
ärztliche Vertrauensverhältnis.
Nun wird vorgetragen, bei einem Abbruch vor der
zwölften Woche gebe es doch auch eine Pflichtberatung,
und das wolle man, was logisch sei, nur ausweiten. Wer
so argumentiert, verkennt, dass in den ersten zwölf Wo-
chen die Entscheidung über einen Abbruch allein bei der
Frau liegt. Da geht es um das Selbstbestimmungsrecht.
Die medizinische Indikation hingegen ist daran gebun-
den, dass das Leben der Mutter aus medizinischen oder
psychosozialen Gründen gefährdet ist, und das ist nun
wirklich keine Frage der Beratung.
Daher widerspricht die Beratungspflicht geradezu den
Vorgaben für eine medizinische Indikation, über die in
vielen Kliniken im Übrigen Ethikkommissionen ent-
scheiden, manchmal auch gegen Entscheidungen, die
vorgelegt worden sind.
Den Vorwurf, dass Kindern mit Behinderung das Le-
bensrecht abgesprochen wird, kann ich nicht teilen; denn
viele Kinder wären außerhalb des Mutterleibes nicht le-
bensfähig; Frau Humme hat vorhin darauf hingewiesen.
Laut einer Befragung von zwei Unikliniken trifft das auf
80 Prozent dieser Fälle zu.
Ich sehe bei der medizinischen Indikation keinen ge-
setzlichen Handlungsbedarf. Im Gendiagnostikgesetz,
das die Grünen vor zwei Jahren vorgelegt haben, sind
Beratungen vor und nach der pränatalen Diagnostik vor-
gesehen. Es ist notwendig, die Qualität der Beratung zu
verbessern. Die Schwangeren haben schon heute einen
Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung. Das muss
deutlicher verankert werden. Das kann aber im Rahmen
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Göring-
ckardt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kolle-
en! In der bestimmt unverdächtigen taz, die tageszei-
ung, steht heute in einem Artikel – ich zitiere –:
Die 36-jährige Leipzigerin hat gegoogelt, hat gele-
sen. Herzfehler, Organfehler, vergrößertes Klein-
hirn, Fehlbildungen der Extremitäten. Viele Kinder
sterben vor der Geburt, die meisten Überlebenden
erreichen ihren ersten Geburtstag nicht. Die Gynä-
kologin sagte, dass es die Möglichkeit der Spätab-
treibung gibt.
twas später:
Allein entscheiden. Dass es Beratungsstellen gibt,
die einen auf diesem Weg begleiten, erwähnte die
Frauenärztin erst, als Jutta Gelhaus sie fragte.
Das ist ganz offensichtlich Realität. Es ist Realität,
uch wenn Gesetze und Richtlinien etwas anderes vorse-
en. Heute geht es um die Frage, ob wir etwas anderes
orschreiben, ob wir deutlich machen, was wir wollen,
nd ob wir über die Gesellschaft, in der wir leben wol-
en, anders reden als bisher. Das hat nichts mit staatlicher
inmischung in höchst persönliche Fragen zu tun, son-
ern mit staatlicher Einmischung in eine zutiefst gesell-
chaftliche Frage.
Wir können heute entscheiden, ob wir den Familien,
ei deren Kind Downsyndrom diagnostiziert wird, schon
or der Geburt sagen: Ja, wir wollen euch. Vor dieser
ntscheidung stehen wir; sie können wir treffen. Ja, es
eht um bessere Rahmenbedingungen und um mehr und
ualifizierte Beratung. Darüber reden wir seit vielen Jah-
en in unterschiedlichen Regierungskonstellationen. Die
ituation ist dennoch immer noch genau so, wie sie hier
eschrieben ist.
Es geht nicht um Misstrauen gegenüber den Frauen.
err Singhammer hat das hier ganz ausdrücklich gesagt.
ir können heute auch zum Ausdruck bringen, wie ernst
ir uns eigentlich untereinander nehmen. Die Unterstel-
21160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Katrin Göring-Eckardt
lung gegenüber Herrn Singhammer bewirkt erst, dass
Frauen etwas unterstellt wird. Ich finde das falsch; wir
sollten das lassen.
Ja, es geht um Wunschkinder, und es geht nicht um
Misstrauen gegenüber den Frauen. Es geht aber auch um
die Situation, in der sich Ärztinnen und Ärzte befinden,
die zutiefst verunsichert sind, die das Richtige tun wol-
len, die Sorge vor Klagen haben etc. Auch hier geht es
um etwas, bei dem wir nicht sagen können, dass nicht
sein kann, was nicht sein darf, sondern wir anschauen
müssen, was ist. Es geht nicht allein um Zahlen, mit de-
nen hier jongliert wird, sondern es geht vor allem um
Menschen, denen wir wirkliche Unterstützung gewähren
müssen. Es geht um die Gesellschaft, in der wir leben
wollen.
Ich will in einer Gesellschaft leben, in der zukünftige
Mütter und Väter, die eine so schwere Diagnose bekom-
men, gesagt bekommen können: Ihr habt jetzt Zeit, in al-
ler Ruhe zu entscheiden. Ihr habt jetzt Zeit, diesen Weg
zu gehen, der schwer für euch wird. Ich kann euch als
Ärztin oder Arzt medizinisch beraten, es gibt eine Bera-
tungsstelle, bei der ihr Hilfe findet; ich rufe dort für euch
an und mache einen Termin aus. Ihr seid gerade in einer
großen Notsituation, und das ist ein schwerer Weg. Lasst
euch Zeit dafür. Wir werden alles dafür tun, dass ihr in
Ruhe entscheiden könnt. Diese Gesellschaft wird alles
dafür tun, dass ihr mit einem Kind, egal wie es ist, gut le-
ben könnt. Darauf kommt es an.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Sibylle Laurischk.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir be-
fassen uns heute mit einer Fragestellung, die immer wie-
der zu sehr grundsätzlichen Diskussionen führt und sich
sicherlich nicht für eine kontroverse Diskussion eignet.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber in
seiner Entscheidung vom Mai 1993 aufgegeben, sich aus
Gründen des Schutzes des ungeborenen Lebens um die
weitere Entwicklung seines Konzepts zu kümmern, es
im Auge zu behalten und gegebenenfalls Korrekturen
daran vorzunehmen. Wir haben nicht vor, den § 218 zu
ändern. Diese sehr grundsätzliche Aussage ist aus Sicht
der FDP notwendig, und sie entspricht auch unserem
Selbstverständnis.
Die Diskussionen über das Thema Spätabtreibungen
erfordern allerdings auch eine Antwort des Bundestages.
Ich möchte insbesondere darauf hinweisen, dass es sich
bei sogenannten Spätabtreibungen, also bei Abtreibun-
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Monika Knoche.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21161
)
)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! Wir sprechen über eine Konfliktsituation in ei-
ner weit fortgeschrittenen Schwangerschaft. Was meine
Vorrednerinnen deutlich zum Ausdruck gebracht haben,
ist, dass sich die Frauen, um die es hier geht, bereits für
dieses Kind entschieden haben und ein Leben mit dem
Kind erwarten, das ihnen Glück, Zuversicht und Lebens-
frohheit verspricht.
Die Tatsache, dass sie eine Diagnose erhalten haben,
die beinhaltet, dass das Kind mit Behinderungen – viel-
leicht mit beträchtlichen und nicht mit dem Leben zu
vereinbarenden Behinderungen – geboren werden soll,
kann sie in tiefe Konflikte stürzen; das kann jeder
Mensch nachvollziehen. Ich befasse mich schon sehr
lange mit medizinischen, frauenrechtlichen und ethi-
schen Fragen, und ich bin wirklich der Überzeugung,
dass es der falsche Weg ist, die Rechtsposition der
Frauen in einem späten Schwangerschaftskonflikt noch
mehr einschränken zu wollen.
Die Beratungspflicht und eine weitere Bedenkzeit
sind – das ist objektiv – ein juristisches Zwangsinstru-
ment, durch das kein Problem, das die schwangere Frau
hat, gelöst werden kann. Im Gegenteil: Dadurch wird ein
Problem individualisiert, das aber in Wirklichkeit ein
Problem aufgrund eines strukturell falschen Familien-
idylls und eines falschen Behindertenbildes ist. Hier
möchte ich die Ausführungen von Frau Schmidt aus-
drücklich unterstützen.
Im tatsächlichen Leben haftet die Frau für die Ge-
sundheit und das Wohl des Kindes. Ihr werden die ganze
Last und die Lebensleistung auferlegt, die durch das
Leben mit einem Kind abverlangt werden. Wir haben
keine frauen-, familien- und behindertenfreundliche
Gesellschaft. Durch weitere Restriktionen kann man es
überhaupt nicht leisten, dies aufzulösen. Das ist ein fal-
sches Herangehen.
Es gibt den § 218 StGB in seiner sogenannten refor-
mierten Form. Konnte dadurch aber wirklich dazu beige-
tragen werden, dass das allgemeine Menschenbild be-
hindertenfreundlich geworden ist und dass von einem
gewissen Nützlichkeitsbild abgegangen worden ist? Ich
kann diese Beobachtung nicht machen. Die Abschaffung
der embryopathischen Indikation hat dazu geführt, dass
die medizinische Indikation sozusagen stellvertretend
für sie in Kraft tritt.
Darüber hinaus bringt diese medizinische Indikation
die Frau aber eben gerade nicht in die Position, dass sie
nach bzw. mit Beratung eine eigenverantwortliche Ent-
scheidung treffen darf, sondern Tatsache ist, dass der
Arzt alleine entscheidet, ob die Frau seelisch und körper-
lich in der Lage ist, diese Schwangerschaft fortzuführen
oder nicht. Er kann sich – das beinhaltet jede medizini-
sche Indikation – auch dagegen aussprechen. Ich kann
nicht sehen, dass der Arzt besser darüber Bescheid wis-
sen und entscheiden kann, was das Leben einer Frau mit
einem Kind mit Behinderungen mit sich bringt, als die
Frau selbst.
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wohl wissend, dass unweigerlich ein weiterer Abwä-
gungsprozess darüber eröffnet würde, ob ein Kind eine
Lebenschance bekommt, wenn bei ihm im Erwachse-
nenalter eine schwere Krankheit ausbrechen könnte?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich die Zeit we-
der zurückdrehen will noch kann, müssen wir uns damit
auseinandersetzen, wie wir verantwortungsvoll mit Wis-
sen umgehen, Wissen, das den Blick auf ein zugedachtes
Schicksal zulässt und damit zugleich die Möglichkeit er-
öffnet, es noch zu beeinflussen – das hat es so noch nie
gegeben.
Angesichts dieses ungeheuren Konflikts, in den wer-
dende Eltern gestürzt werden können, hält der Gesetz-
geber eine vitale Bedrohung des Lebens der Mutter für
realistisch und erkennt die vom Arzt festgestellte medi-
zinische Indikation als Rechtfertigung für einen Schwan-
gerschaftsabbruch nach der 12. bzw. sogar nach der
22. Woche an, wenn also das Kind bereits außerhalb des
Mutterleibes lebensfähig wäre. Es geht also für die wer-
dende Mutter, die werdenden Eltern nicht nur um eine
Entscheidung über Leben und Tod, sondern auch um
eine Entscheidung, die, egal wie sie getroffen wird, ihr
zukünftiges Leben begleiten wird, zumal es sich im Un-
terschied zu einer Abtreibung vor der 12. Woche in aller
Regel um ein Wunschkind handelt, das voller Freude er-
wartet wird.
Wie also können Eltern in dieser schwierigen Kon-
fliktsituation so unterstützt werden, dass sie eine gute
und verantwortungsvolle Entscheidung treffen können,
die auch wirklich ein Leben lang trägt? Um Antworten
auf diese Fragen ringen wir seit vielen Monaten, um
nicht zu sagen Jahren. Ich denke, es ist wichtig und gut,
dass die drei vorliegenden Gesetzentwürfe in ihrer Ziel-
setzung zum gleichen Ergebnis kommen: Frauen und ih-
ren Partnern soll in einer psychischen Ausnahmesitua-
tion wirkungsvoller als bisher Beratung und Hilfe
angeboten werden. Die Unterzeichner dieser Entwürfe
sind sich einig, dass eine Gesetzesänderung dazu beitra-
gen kann. Über den Weg hin zu diesem gemeinsamen
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enn es uns gelingt – was ich hoffe –, gemeinsam Ver-
esserungen zur Unterstützung werdender Eltern in
chwierigster Konfliktsituation auf den Weg zu bringen,
ann sollten wir umso mehr ihre gut bedachte Entschei-
ung akzeptieren, auch wenn sie sich am Ende gegen das
ind richtet.
Wie gesagt, ich selber bin dankbar, dass ich niemals
or einer solchen Situation gestanden habe, und bin mir
itnichten sicher, ob wir damals stark und lebensmutig
enug gewesen wären, uns auf ein Leben mit einem be-
inderten Kind einzulassen. Ich bewundere alle, die das
egen eigene Zweifel und gegen Vorurteile anderer tun,
nd danke ihnen, dass sie damit unsere Gesellschaft ein
tück menschlicher machen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21163
)
)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Karin Evers-
Meyer.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Als Behindertenbeauftragte begrüße ich ausdrücklich die
heutige Debatte über die sogenannten Spätabtreibungen.
Jede Abtreibung – ob mit oder ohne diagnostizierte Be-
hinderung – ist eine gesellschaftliche und persönliche
Tragödie. Ich kenne keine Mutter, die eine solche Ent-
scheidung leichtfertig trifft. Es ist eine sehr persönliche
Entscheidung, die bei den Eltern Spuren hinterlässt. Es
wäre nicht redlich, etwas anderes zu behaupten.
Die Zahl der Abtreibungen, auch die wegen medizini-
scher Indikation, sinkt seit Jahren. Werdende Eltern und
werdende Kinder haben ein Recht darauf, geschützt zu
werden. Deswegen gibt es diesen gesetzlichen Schutz.
Ein Arzt, der eine Abtreibung wegen der Behinderung
des Fötus vornimmt, macht sich strafbar. Die Rechtslage
könnte nicht eindeutiger sein.
Neben Schutz brauchen Eltern und Kinder aber auch
Beratung und Unterstützung. Die Ärzte haben auch
die Pflicht, zu beraten und auf unabhängige Beratungs-
stellen hinzuweisen. Wer das nicht tut, macht sich straf-
bar. Verantwortungsvolle Ärzte kommen dieser Pflicht
nach, weshalb sich hierbei aus meiner Sicht nicht die
Frage nach der Frist zwischen Diagnose und Abbruch
stellt. In der Regel vergehen mehrere Tage, zumal zwin-
gend eine Zweitdiagnose durch einen zweiten Arzt erfor-
derlich ist.
Das Problem sehe ich eher bei denjenigen, die ihrer
Verantwortung nicht nachkommen. Daher gibt es für
mich nicht in erster Linie einen gesetzlichen Handlungs-
bedarf, sondern eher einen faktischen. Die bestehende
Beratungspflicht muss ernster genommen werden.
Sie muss früher, besser und umfassender sein und bereits
vor der Diagnostik stattfinden. Es gibt nämlich auch ein
Recht auf Nichtdiagnose; das ist hier schon erwähnt
worden.
Behinderungen schließen ein erfülltes Leben nicht
aus. Das müssen Frauen wissen, und sie müssen die Hil-
fen kennen, die Medizin und Gesellschaft für dieses Ziel
bereithalten. Diese Hilfen wollen wir ausbauen. Mir ist
aber auch wichtig, dass wir an diesem Punkt der Debatte
ehrlich bleiben: Wenn Eltern trotz Beratung und Unter-
stützung sagen, das könnten sie psychisch und physisch
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ies halte ich für ebenso unerträglich wie die Fälle, in
enen sich Familien geradezu dafür rechtfertigen müs-
en, wenn sie sich für ein behindertes Kind entschieden
aben.
Ich bin der Ansicht, dass diejenigen, die wie ich aus
igener Erfahrung wissen, wie erfüllt ein Leben mit ei-
em behinderten Kind sein kann, anderen Eltern Mut
achen sollten. Dies funktioniert nicht, wenn man je-
anden zwingt, gesellschaftlich bloßstellt oder sich auf-
chwingt, besser als andere sein zu wollen. Deswegen
tehen für mich eine konsequente Umsetzung der beste-
enden Beratungspflichten und eine Verbesserung der
nhalte dieser Beratungen absolut im Vordergrund.
azu wollen wir Änderungen im Gendiagnostikgesetz
nd in den Mutterschaftsrichtlinien vornehmen, die für
ie Ärzte verbindlich sind.
Was darüber hinaus die Qualität des Antrags der Kol-
egin Humme und anderer ausmacht, ist die Tatsache,
ass er auch Antworten auf die Frage nach den gesell-
chaftlichen Rahmenbedingungen liefert. Dies war
ir besonders wichtig; denn wenn wir die Eltern errei-
hen wollen, die sich heute nicht vorstellen können, ein
ehindertes Kind großzuziehen, dann müssen wir die
ahmenbedingungen deutlich verbessern.
Behindert zu sein, bedeutet in Deutschland nach mei-
er Erfahrung als Behindertenbeauftragte immer noch
inen mühsamen Kampf um Teilhabe sowie darum, ein
elbstbestimmtes Leben führen zu können. Dies beginnt
it der mangelnden Frühförderung und der Suche nach
inem inklusiven Kindergarten. Es geht weiter mit be-
inderten Kindern, denen ein Platz in einer Regelschule
erwehrt wird, wie es aktuell wieder in Baden-Württem-
erg der Fall ist, und reicht bis hin zu Diskriminierung in
lltag und Beruf. Mir liegen Berge von Eingaben vor.
ie endlose Auseinandersetzung mit Behörden, Kran-
enkassen und Sozialhilfeträgern ist die Realität, und
icht zuletzt daran gehen die Familien kaputt. Übrigens
ehen manche davon aus, dass rund 80 Prozent der Ehen
it behinderten Kindern geschieden werden.
Ich wünsche mir, dass wir diese sozialpolitischen Tat-
achen mit der gleichen Energie und vielleicht auch mit
21164 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Karin Evers-Meyer
der gleichen Teilnehmerzahl wie das Thema Spätabtrei-
bung diskutieren.
Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, tun wir
nach meiner Erfahrung eben auch nicht.
Der Antrag, für den ich mich entschieden habe, liefert
eine Reihe sehr konkreter Antworten auf die sozialen
Probleme von Menschen mit Behinderung. Ich hebe hier
noch einmal die Frühförderung hervor, die mir ganz
besonders am Herzen liegt. Nach der Geburt muss gleich
die Frühförderung beginnen, was aber in diesem Land
nicht funktioniert. Dazu führe ich viele Veranstaltungen
gemeinsam mit meiner Kollegin Helga Kühn-Mengel,
der Patientenbeauftragten, durch.
Ich hebe auch noch einmal den Anspruch auf Eltern-
assistenz für behinderte Eltern hervor, den ich ebenfalls
seit langem fordere und daher sehr begrüße.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte El-
tern Mut machen, sich für ihr Kind zu entscheiden. Des-
wegen will ich keine neuen Pflichten und keine neuen
Fristen. Ich will nicht andere kritisieren oder anprangern,
sondern auf die Eltern zugehen und sie fragen, wie wir
ihnen in ihrer ganz persönlichen Situation während der
Schwangerschaft, aber auch danach helfen können. Wir
sollten in dieser Diskussion die Größe und die Kraft auf-
bringen, den Standpunkt des jeweils anderen zu akzep-
tieren. Dies wünsche ich mir zu Weihnachten gerade von
Ihnen, lieber Herr Kollege Hüppe.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Marlies
Volkmer.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wer entscheidet, ob eine Frau körperlich und seelisch in
der Lage ist, ein behindertes Kind auszutragen, anschlie-
ßend mit ihm zu leben und für dieses zu sorgen? Das ent-
scheidet in letzter Konsequenz die betroffene Frau. Das
ist eine sehr schwierige Entscheidung, weil im Vorhinein
eine Entscheidung für eine Situation getroffen werden
muss, die man nicht beurteilen kann. Angesichts dessen
darf es nicht sein, dass dann, wenn bei einer vorgeburtli-
chen Untersuchung eine Behinderung des Kindes festge-
stellt wird, quasi ein Automatismus in Kraft tritt, dem
sich die Schwangere kaum entziehen kann.
Aus diesem Grund ist eine umfassende Information
und Beratung der Schwangeren zwingend erforderlich.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Ingrid Fischbach.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
enn wir heute über dieses Thema debattieren – ich
age: endlich; denn seit meinem Einzug in den Deut-
chen Bundestag vor nunmehr über zehn Jahren wollen
ir über dieses Thema debattieren; deswegen bin ich
roh und dankbar, dass wir heute die erste Chance haben,
ber Gesetzentwürfe und Anträge zu diskutieren –, dann
ollen wir dem Problem der späten Schwangerschafts-
bbrüche begegnen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam das
iel verfolgen, dem uneingeschränkten Lebensrecht
ngeborener Kinder hinreichend gerecht zu werden;
enn der Schutz des menschlichen Lebens, unabhängig
on seinem Stadium und seiner individuellen Verfasst-
eit, ist die oberste Pflicht unseres Staates.
Wir wollen die Situation von betroffenen Eltern ver-
essern. Wir sprechen bei den Spätabtreibungen von
chwangeren Frauen und ihren Partnern, die sich auf-
rund eines auffälligen Befundes in der vorgeburtlichen
ntersuchung plötzlich in einer existenziellen Krise be-
inden. Wir alle müssen uns vor Augen führen, dass wir
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21165
)
)
Ingrid Fischbach
von Eltern sprechen, die an sich gar keine Abtreibung in
Erwägung gezogen haben, sondern die durch eine Prä-
nataldiagnostik unerwartet in einen für sie unlösbaren
Konflikt geraten sind, zutiefst verzweifelt sind und unter
einem emotionalen Schock stehen. Diese beiden zentra-
len Bereiche, nämlich der Lebensschutz und die Nothilfe
für betroffene Eltern – das sage ich gleich zu Beginn –,
lassen sich nicht erreichen – das sage ich vorrangig an
die Kollegin Humme und Unterstützer und Unterstütze-
rinnen gerichtet –, ohne dass wir eine gesetzliche Ände-
rung einfordern. Es reicht nicht, wenn Sie, Frau Humme,
nur untergesetzliche Änderungen in den Mutterschafts-
richtlinien oder Eintragungen in den Mutterpass fordern.
Das kann ein zusätzliches Angebot sein.
Das wird aber den hohen Gütern, über die wir hier zu
entscheiden haben, in keiner Weise gerecht.
Ich möchte ein Weiteres zu Beginn betonen. Der Le-
bensschutz für das ungeborene Kind, und zwar unabhän-
gig davon, ob es behindert ist oder nicht, und das Wohl
und der Wille der Eltern dürfen nicht gegeneinander
ausgespielt werden, vielmehr müssen wir beide im Blick
haben und die Entscheidung so treffen, dass wir beiden
Komponenten gerecht werden. Wir wissen, dass Frauen
und Paare es sich keineswegs leicht machen und leicht-
fertig, wie Sie sagten, ein Kind abtreiben, noch dazu zu
einem so späten Zeitpunkt. Wir wissen, dass dann schon
Bewegungen des Kindes im Mutterleib spürbar sind; die
Eltern haben sich vielleicht schon Gedanken über den
Namen des Kindes gemacht und ihre gemeinsame Zu-
kunft geplant. Wie oft berichten Frauen im Nachhinein,
dass sie nur schwer über den Abbruch hinwegkommen
oder dass sie die Schuldgefühle ein ganzes Leben lang
begleiten. Ich wünsche mir, dass wir in der angestrebten
Anhörung dazu auch einmal Betroffene zu Wort bitten.
Wir als Politiker, die in der Verantwortung stehen, die
Rahmenbedingungen zu verbessern, können nicht nur
die Meinung der ärztlichen Experten oder Humangeneti-
ker anhören, sondern für mich sind es vor allem die
Frauen, die berichten können, was es heißt, vor einer
Entscheidung zu einer Spätabtreibung zu stehen. Uns
geht es darum, dem zu begegnen, was die betroffenen
Frauen in der Konfliktsituation wollen und brauchen.
Wichtig ist dabei, auch einmal mit den Hebammen zu
sprechen, die die Eltern, die Frauen begleiten – leider
fast immer zu einem Zeitpunkt, zu dem die Entschei-
dung schon getroffen worden ist. Deshalb ist es wichtig,
dass wir auch diese Berichte hören und nicht nur die
Sicht der Ärzte.
Es geht nicht darum – das möchte ich an dieser Stelle
ganz deutlich unterstreichen –, Frauen oder Paare zu ver-
urteilen, die für sich in der scheinbar ausweglosen Situa-
tion keine andere Alternative sehen, als eine Schwanger-
schaft, über die sie sich zu Beginn gefreut haben,
abzubrechen. Es geht uns umgekehrt genau darum, diese
Eltern zu unterstützen, aber es geht auch darum, den ver-
unsicherten Eltern Mut zum Kind zu machen. Der späte
Abbruch einer Schwangerschaft ist eben nicht die ein-
zige Alternative nach einem positiven Befund in der prä-
natalen Diagnostik, sondern er ist nur dann als Aus-
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Unsere Gesellschaft muss Verantwortung überneh-
en für Mütter und Väter, die einen positiven Befund in
er pränatalen Diagnostik erhalten. Wir müssen erste
ilfestellungen anbieten. Wir müssen ihnen – das ist In-
alt unseres Gruppenantrags – das Angebot einer umfas-
enden Beratung nach der Pränataldiagnostik mitgeben.
s ist wichtig, die Betroffenen über alle Handlungsmög-
ichkeiten, Hilfsangebote und Unterstützungen zu infor-
ieren und gemeinsam mit ihnen nach möglichen We-
en zur Entscheidung zu suchen. Uns ist dabei das
echt auf Nichtwissen genauso wichtig. Deshalb ist es
ichtig, dass das im neuen Gendiagnostikgesetz festge-
chrieben wird.
Wir dürfen nicht zulassen, dass Eltern, dass Frauen
chwangerschaften abbrechen, weil sie Angst vor einem
eben mit einem Kind mit einer Behinderung haben,
eil sie Angst haben, von unserer Gesellschaft alleinge-
assen zu werden, wenn sie sich bewusst für dieses Kind
ntscheiden, weil sie Angst haben, dass ein Kind mit Be-
inderungen in unserer Gesellschaft nicht erwünscht ist.
ir brauchen Menschlichkeit und Solidarität in unserer
esellschaft.
Frau Humme und Frau Schewe-Gerigk, mit gegensei-
igen Vorwürfen, die unhaltbar und unfair sind, kommen
ir nicht weiter.
Ich meine die Äußerungen von Ihnen beiden in Ihren
eden vorhin. Das war nicht fair.
Es ist wichtig, zu einer fairen Auseinandersetzung zu
ommen und ein faires Gespräch zu führen. Ich glaube,
ir anderen sind sehr nahe beieinander. Ich würde mir
ünschen, dass wir endlich zu einem Ergebnis für die
erdenden Eltern und vor allen Dingen für die Kinder
ommen.
Danke schön.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine
ambrecht.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
olleginnen und Kollegen! Frau Fischbach, ich habe die
eutige Debatte die ganze Zeit verfolgt. Trotz aller Ge-
21166 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Christine Lambrecht
gensätzlichkeit der unterschiedlichen Vorlagen finde ich,
dass sie von einer großen Sachlichkeit und gerade nicht
davon geprägt ist, sich gegenseitig mit Vorwürfen zu
überziehen. Ich denke, dabei sollten wir es belassen, und
wir sollten uns wieder der Sache zuwenden.
Frau Göring-Eckardt, ich habe mit Interesse zur
Kenntnis genommen, dass Sie uns aufgefordert haben,
hier heute die Entscheidung zu treffen: Ja, Kinder mit
Downsyndrom, wir wollen auch euch. Wir können diese
Entscheidung hier heute leider nicht treffen: Es geht um
ein anderes Thema.
Aber wir als Gesetzgeber können für die Akzeptanz
eines behinderten Kindes in vielen anderen Bereichen
sorgen, und das haben wir auch getan: Beispielsweise
haben wir durch das Antidiskriminierungsgesetz klarge-
stellt, dass Eltern, die mit einem behinderten Kind essen
gehen wollen, vom Wirt nicht des Lokals verwiesen wer-
den dürfen, weil andere Gäste sich gestört fühlen.
Außerdem konnten wir durch das Antidiskriminierungs-
gesetz regeln, dass die Genehmigung zum Bau eines Be-
hindertenwohnheims nicht versagt werden darf, weil
Anwohner sich durch behinderte Menschen gestört füh-
len. Die Gesellschaft kann die grundsätzliche Akzeptanz
eines Kindes mit Downsyndrom in vielen anderen Berei-
chen erlangen, aber nicht mit der hier zur Debatte ste-
henden Einführung einer Beratungspflicht.
Ich möchte mich ausdrücklich für den sogenannten
Humme-Antrag aussprechen – er wird von einem Groß-
teil der SPD unterstützt –, weil er in die richtige
Richtung geht. Bei allem Verständnis für das, was Sie,
insbesondere Sie, Herr Singhammer, mit Ihrem Gesetz-
entwurf erreichen wollen – er zielt darauf ab, dass die
Anzahl der Spätabbrüche reduziert wird –, glaube ich
nicht, dass Sie das mit der Einführung einer Pflicht zur
psychosozialen Beratung erreichen.
Voraussetzung für eine solche Beratung könnte nur
sein, dass die Entscheidung über einen solchen Abbruch
allein im Belieben der jeweiligen Schwangeren liegt.
Nur das könnte dazu führen, dass diese Schwangerschaft
nicht abgebrochen wird. Das ist aber nicht so; denn der
Arzt erstellt die medizinische Indikation. Nach Ihrem
Gesetzentwurf könnte er zwar an eine Beratungsstelle
verweisen, das hätte aber keinen Einfluss auf seine me-
dizinische Indikation. Die medizinische Indikation ist
nur möglich, solange eine Gefahr für die körperliche
oder seelische Gesundheit der Schwangeren besteht. Das
ist seit 1995 Gesetz. Damals hat der Gesetzgeber be-
wusst die Gefahr für Leib und Leben der Schwangeren
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Das Wort hat die Kollegin Maria Eichhorn.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21167
)
)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
1995 wurde die sogenannte embryopathische Indika-
tion abgeschafft und bei der medizinischen Indikation
aufgenommen. Vor allem die Behindertenverbände und
die Kirchen haben uns gemahnt, mit der Diskriminie-
rung von Behinderten durch die embryopathische Indi-
kation endlich aufzuhören. Bei der Begründung zu der
Neuformulierung der medizinischen Indikation haben
wir deshalb klargestellt – ich zitiere –: „daß eine Behin-
derung niemals zu einer Minderung des Lebensschutzes
führen kann.“
Entgegen der gesetzgeberischen Erwartung aus dem
Jahr 1995 hat sich jedoch gezeigt, dass Schwanger-
schaftsabbrüche allein wegen einer möglichen Behinde-
rung eines Kindes erfolgen. Wir, die wir 1995 die Geset-
zesänderung formuliert haben, haben auf die Fachleute
vertraut. Diese hatten uns versichert, dass sich Abtrei-
bungen nach Pränataldiagnostik auf eng begrenzbare
Fälle beschränken würden.
Die Entwicklung ist jedoch völlig anders gelaufen.
Bereits in den 90er-Jahren hatten Eltern einen Arzt ver-
klagt, weil sie ein behindertes Kind bekamen. Das Ge-
richt verurteilte den Arzt zu Schadensersatz. Er hätte
nicht nur die Pflicht gehabt, so das Gericht, die entspre-
chenden Untersuchungen zu veranlassen, sondern auch
die Pflicht, auf die Möglichkeit einer Abtreibung hinzu-
weisen. Das hatte zur Folge, dass mittlerweile etwa zwei
Drittel der Schwangeren nach der zwölften Woche Prä-
nataldiagnostik durchführen lassen und dass bei mögli-
cher Behinderung zur Abtreibung geraten wird.
Die heute mehrmals getroffene Aussage, dass 80 Pro-
zent aller spätabgetriebenen Kinder nicht lebensfähig
seien, ist nirgendwo belegt.
Aber es gibt immer wieder lebende Beispiele dafür, dass
trotz prognostizierter Behinderung ein gesundes Kind
zur Welt gebracht wird.
Viele Schwangere meinen im Vertrauen auf den Arzt,
alle Untersuchungsangebote wahrnehmen zu müssen. Es
gibt jedoch auch das Recht auf Nichtwissen; denn im
Zweifelsfall kommt es tatsächlich – das kann man nicht
wegreden – zu dem Automatismus: Pränataldiagnostik,
Befund einer möglichen Behinderung des Kindes,
Schwangerschaftsabbruch.
Deswegen ist eine Beratung vor und nach der Pränatal-
diagnostik unerlässlich.
Aus Studien ist bekannt, dass viele Frauen das jetzt
schon bestehende kostenlose Angebot einer psychoso-
zialen Beratung im Rahmen einer medizinischen Indika-
tion nicht kennen. Aber psychosoziale Beratung ist ge-
rade in diesen Fällen dringend erforderlich und eine ganz
große Hilfe für diese Schwangeren, für diese Eltern in
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ie Schwangere kann sich in dieser Zeit mit der Frage
useinandersetzen, ob für sie ein Leben mit dem Kind
orstellbar ist. Aber auch der Vater des Kindes – das
öchte ich betonen – muss in diese Entscheidung mit
inbezogen werden. Mutter und Vater müssen gemein-
am eine verantwortbare Entscheidung treffen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bereits 2001
nd 2004 hatte die CDU/CSU-Fraktion Anträge zur Spät-
btreibung in den Bundestag eingebracht, leider ohne
rfolg. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf der Union
st ein Ergebnis der Diskussion der letzten Jahre. Unser
iel war, zusammen mit dem Koalitionspartner einen
esetzentwurf vorlegen zu können. Ich bedauere sehr,
ass das nicht möglich war. Die heutige Debatte gibt mir
edoch die Hoffnung, dass sich hier im Bundestag doch
ine Mehrheit für eine bessere Regelung von Spätabtrei-
ungen findet; denn auch behinderte ungeborene Kinder
edürfen unseres Schutzes. Ebenso brauchen Schwan-
ere, die in einer ganz besonders schwierigen Lebens-
ituation sind, unsere besondere Hilfe und Unterstüt-
ung.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Carola
eimann.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Mit der Debatte zu den Spätabtreibungen und
it den hier vorliegenden Anträgen und Gesetzentwür-
en verfolgen wir alle gemeinsam ein Ziel – das will ich
ier einmal unterstellen –, nämlich das Ziel, den
chwangeren und ihren Lebenspartnern, die eine
chwerwiegende Entscheidung zu treffen haben, in die-
er schwierigen und belastenden Situation zu helfen.
21168 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Dr. Carola Reimann
Hilfe und Unterstützung für die betroffenen Frauen
ohne unnötige oder gar bevormundende Vorschriften –
das ist der zentrale Aspekt des vorliegenden Antrags von
Christel Humme und anderen, die ihn unterzeichnet ha-
ben. Diesen Antrag möchte auch ich unterstützen.
Ich will an dieser Stelle noch einmal ganz konkret
deutlich machen, wovon wir hier reden. Kein Außenste-
hender kann diesen leidvollen inneren Konflikt, den die
Betroffenen aushalten müssen, wirklich fassen. Führt
man sich die konkrete Situation des Spätabbruchs einmal
vor Augen, lässt sich aber erahnen, in welch schwieriger
Situation sich diese Paare befinden. Der Begriff „Spät-
abbruch“ entspricht auch nicht der Schwere und der Be-
deutung des Eingriffs. Die Begriffe „Spätabbruch“ oder
„Spätabtreibung“ verschleiern es sogar. Zu solch einem
späten Zeitpunkt der Schwangerschaft, also nach der
22. Woche, handelt es sich ja um weit entwickelte Föten.
Dieser Begriff verschleiert, dass es sich hier um Gebur-
ten – deutlicher gesagt: um Totgeburten – handelt. Nie-
mand kann allen Ernstes glauben, dass Frauen eine sol-
che Entscheidung leichtfertig treffen,
zumal es sich in der Regel um gewünschte Schwanger-
schaften handelt.
Die Zahl der Abbrüche in dem genannten Zeitraum ist
rückläufig. Dieses Faktum haben wir heute mehrfach
vernommen. Wer an dieser Stelle den Frauen eine ge-
setzliche Bedenkzeit von drei Tagen auferlegen will,
stellt letztlich doch wieder den Vorwurf der Leichtfertig-
keit ihres Handelns in den Raum.
Ich will es hier auch noch einmal sagen: Abbrüche zu
diesem Zeitpunkt sind nur erlaubt, wenn die Fortsetzung
der Schwangerschaft die physische oder psychische Ge-
sundheit der Schwangeren gefährdet. Auch in diesem
Zusammenhang wirft für mich die Einführung einer Frist
eine ganz erhebliche Problematik auf. In Konsequenz
würde das nämlich bedeuten, es gäbe medizinische Indi-
kationen unterschiedlicher Art. Es würde dann eine ge-
setzliche Unterscheidung geben zwischen Gesundheits-
gefährdungen, die ohne Frist einen sofortigen Eingriff
erfordern, und Gesundheitsgefährdungen, bei denen man
erst nach drei Tagen, also einer gesetzlich verordneten
Bedenkzeit, eingreifen darf. Diese Unterscheidung halte
ich für problematisch. Ich kann mir auch nicht vorstel-
len, wie das in der Praxis funktionieren soll.
Kolleginnen und Kollegen, dieser schwere Eingriff
erfordert nicht die Einführung von Fristen, sondern eine
intensive Begleitung und Beratung sowie vor allen Din-
gen viel Unterstützung. Hier setzt unser Antrag an: Wir
wollen die bislang im Gendiagnostikgesetz nicht erfass-
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Auf eine kurze Formel gebracht: Der vorliegende An-
rag von Christel Humme wird dieser außerordentlich
chwierigen Konfliktsituation gerecht, weil er für mehr
eratung, für mehr Hilfe und für mehr Unterstützung
orgt und keine unnötigen zusätzlichen Hürden, die von
en betroffenen Frauen und ihren Partnern nur als wei-
ere Belastung in dieser Situation empfunden werden
önnen, aufbaut.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Ulla Schmidt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie vorgeburtliche Diagnose „Ihr Kind wird wahr-
cheinlich behindert sein“ bedeutet für Paare oder für
rauen eine soziale Herausforderung. Viele reagieren re-
lexartig zunächst einmal mit dem Satz: Nein, das kann
ch nicht, das will ich nicht. Sie fragen sich: Bin ich die-
er Herausforderung gewachsen? Schaffe ich es, das
ehr an Betreuung zu organisieren? Werden wir isoliert
der bleiben wir integriert? Hat mein Kind in dieser Ge-
ellschaft Chancen? Hat es das Recht auf Teilhabe? – All
as sind Dinge, die den Eltern behinderter Kinder – das
rzählen diese ja auch – durch den Kopf gehen.
In einer solchen Situation brauchen die Betroffenen
wei Dinge: Sie brauchen Beratung, wo Hilfen zu erwar-
en sind, und sie brauchen Zeit. Das Festlegen von Zeit-
äumen hat nichts damit zu tun, dass irgendjemandem
eichtfertigkeit unterstellt wird. Vielmehr braucht man
n einer derart schwierigen Situation Zeit, um zur Ruhe
u kommen, abzuwägen und nachzudenken, ehe man
ich entscheiden kann.
Ich habe heute gut zugehört. Alle sagen: Wir brau-
hen mehr Beratung. Das brauchten wir aber nicht, wenn
ie derzeitigen Beratungsangebote in Ordnung wären.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21169
)
)
Ulla Schmidt
Dann müsste man darüber nicht so diskutieren. Alle wol-
len, dass die Beratungsangebote ausgebaut werden. Für
mich ist ganz selbstverständlich, dass neben der ärztli-
chen Beratung das Angebot an psychosozialer Beratung
ausgebaut werden muss. Die Erfahrungen der letzten
Jahre zeigen: Notwendig ist eine gesetzliche Verpflich-
tung des Arztes, eine ärztliche Beratung der Frau anzu-
bieten,
auf psychosoziale Beratungsangebote hinzuweisen und
an Selbsthilfeorganisationen und Behindertenorganisa-
tionen zu vermitteln. Nur so kann deutlich gemacht wer-
den, wie breit das Angebot ist.
Viele Eltern behinderter Kinder sagen, dass sie zu-
nächst Angst gehabt hätten vor dem, was auf sie zu-
kommt, weil sie nicht gewusst hätten, wie sie mit einem
behinderten Kind leben können bzw. wie lebenswert das
Leben mit einem behinderten Kind sein kann. Das zeigt,
dass die Beratung nicht immer die nötige Hilfe gebracht
hat. Viele Eltern sagen: Ich hätte mir mehr Beratung ge-
wünscht; es hätte mir das Leben leichter gemacht, und
ich hätte von Anfang an gewusst, auf welche Hilfen ich
nach der Geburt des Kindes zurückgreifen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich urteile über
keine Frau, kein Elternteil, keine Eltern, die sich in einer
Konfliktsituation, auch nach der zwölften Schwanger-
schaftswoche, für einen Schwangerschaftsabbruch ent-
scheiden, weil sie meinen, dass die psychische und phy-
sische Gesundheit der Frau gefährdet ist, und in einem
Abbruch die einzige Lösung sehen. Diese Entscheidung
kann nur die Frau treffen. Aber es ist gut, wenn wir sie
bei dieser Entscheidung nicht allein lassen.
Dazu gehört für mich, dass nur die Betroffenen entschei-
den können, ob sie die Beratung in Anspruch nehmen
wollen. Ich kann niemanden zur Beratung zwingen.
Aber ich kann auch keine Diskriminierung darin sehen,
wenn eine Beratung angeboten wird, zu der eine Frau
auch Nein sagen kann.
Die heutige Debatte spiegelt das Spannungsverhält-
nis, das es bei jedem Schwangerschaftsabbruch gibt,
wider. Wir werden nie eine zufriedenstellende Lösung
finden können, weil immer gegensätzliche Interessen ab-
gewogen werden müssen. Auch die vorliegenden An-
träge spiegeln die Breite der Diskussion über diese Frage
wider, wie sie in der Gesellschaft stattfindet. Ich bin al-
lerdings dafür, dass wir dabei ehrlich miteinander umge-
hen. Es geht hier nicht um eine medizinische Indikation
in dem Sinne, dass eine schnelle Entscheidung für das
Leben der Mutter oder das Leben des Kindes getroffen
werden und der Arzt dementsprechend schnell eingrei-
fen muss.
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ielmehr reden wir über eine medizinische Indikation in
em Sinne, dass die psychische Gesundheit der Frau in-
olge der Diagnose, dass ihr Kind wahrscheinlich behin-
ert zur Welt kommen wird, gefährdet ist. Über nichts
nderes reden wir hier.
Deshalb handelt es sich um eine schwierige Entschei-
ung. Ich kann hier nur meine Gründe dafür nennen, wa-
um ich den Antrag von Kerstin Griese unterstütze. In
ieser schwierigen Situation, in der es um die Abwägung
weier Rechtsgüter geht – das Recht des Kindes, das au-
erhalb des Mutterleibs in den meisten Fällen überle-
ensfähig ist, ob behindert oder nichtbehindert, und das
echt der Mutter auf körperliche Unversehrtheit und
chutz vor psychischen und physischen Gesundheitsrisi-
en –, ist für mich der Respekt vor den behinderten
enschen, der Respekt vor den Eltern, die sich für ein
eben mit einem behinderten Kind entschieden haben,
ber auch der Respekt vor den Frauen, die sich dagegen
ntschieden haben, entscheidend. Dieser Respekt gebie-
et es, die Beratungsangebote auszubauen.
Da sind wir nicht weit auseinander; daran können wir
emeinsam arbeiten. Wir sollten gemeinsam – das
ommt hier auch zum Ausdruck – dafür sorgen, dass der
aradigmenwechsel von der Fürsorge zur Teilhabe, zum
elbstbestimmten Leben behinderter und nichtbehinder-
er Kinder sich durchsetzt. Ich glaube, wir vergeben uns
ichts, wenn wir dem Wunsch der Eltern behinderter
inder und auch dem Wunsch von vielen Menschen, die
ich anders entschieden haben, entgegenkommen, indem
ir sagen: Jawohl, wir wollen, dass ein Beratungs-
ngebot verpflichtend wird. Jawohl, wir wollen auch
erankern, dass es dazwischen eine Zeit gibt, in der man
achdenken kann. Dann werden wir die getroffene Ent-
cheidung respektieren.
Das ist für mich der entscheidende Grund dafür, wes-
alb ich für den Antrag von Kerstin Griese bin und wes-
alb ich glaube, dass der Bundestag gut daran tut, diese
rgumente hier zu diskutieren.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Singhammer, Sie haben zur Begründung Ihres An-
rages zwei Ziele genannt. Das eine Ziel – ich sage es in
einen Worten – ist eine Gesellschaft, in der Menschen
it Behinderungen selbstverständlich dazugehören. Sie
21170 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Birgitt Bender
haben Ihre Sorge geäußert, dass insbesondere Menschen
mit Downsyndrom ausgegrenzt werden. Ich glaube, das
Ziel und diese Sorge teilen wir alle, die wir hier sitzen.
An dieser Stelle muss ich Ihnen, Herr Singhammer
– das sage ich in aller Ruhe –, etwas sagen. Ich komme
aus Baden-Württemberg. Sie wissen, dass Baden-
Württemberg eine CDU-geführte Landesregierung hat
und der Kultusminister der CDU angehört. Wenn Sie in
der Sorge um die Rechte von Kindern mit Behinderun-
gen nach Baden-Württemberg kommen, dann werden
Sie auf Eltern treffen, die Kinder mit Downsyndrom ha-
ben und die einen verzweifelten Kampf darum führen,
dass diese Kinder an einer baden-württembergischen Re-
gelschule am Unterricht teilhaben dürfen.
Ich kann Ihnen nur raten und Sie nachdrücklich bit-
ten, Herr Singhammer, die Waldorfschule in Emmendin-
gen zu besuchen. Die Waldorfschule in Emmendingen
hat mehrere Jahre lang Kinder mit Behinderungen im
Grundschulalter gemeinsam mit Kindern ohne Behinde-
rung unterrichtet. Nun ist die Grundschulzeit vorbei, und
es geht um den weiterführenden Unterricht. Was macht
die baden-württembergische Kultusbürokratie? Sie ver-
sucht, diese Schule zu zwingen, wegen dieser Kinder
einen eigenen Sonderschulbereich einzurichten. Widri-
genfalls wird sie dazu gezwungen, diese Kinder mit Be-
hinderung vor die Tür zu setzen.
Herr Singhammer, ist das wirklich das, was wir uns
unter einer Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
gemeinsam vorstellen? Ich würde mir wünschen, dass
die CDU – Baden-Württemberg ist nicht das einzige
Land, in dem es solche Probleme gibt – darüber nach-
denkt und ihre Politik ändert.
Kollegin Bender, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Eichhorn?
Nein, im Moment nicht.
Ich habe ein weiteres Anliegen. Da bin ich etwas opti-
mistischer, weil in Ihrer Rede das Stichwort Gen-
diagnostikgesetz fiel, Herr Singhammer, und weil Sie,
Frau Falk, das Problem vorhin kurz angesprochen haben.
Es liegt ein Regierungsentwurf für ein Gendiagnostikge-
setz vor. Es ist gut und richtig, dass darin festgeschrieben
ist, dass vor genetischen Untersuchungen eine Beratung
erfolgen muss. Heute ist es aber technisch möglich, ei-
nen Embryo auch auf erblich bedingte Krankheiten hin
zu untersuchen, die erst im Erwachsenenalter ausbre-
chen werden. Der Gesetzentwurf in der vorgelegten
Form lässt dies ausdrücklich zu.
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Das Wort hat der Kollege Thilo Hoppe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
um Schluss der Debatte noch eine Position, die sich
on dem bisher Gesagten in einem Punkt unterscheidet.
ch rede für eine noch kleine Gruppe von Kolleginnen
nd Kollegen aus vier Fraktionen, die sich für eine wirk-
ich verbindliche psychosoziale Beratung durch Bera-
ungsstellen einsetzen. Ich bitte Sie herzlich, alle alten
rabenkämpfe und auch völlig unpassende Rechts-
inks-Einordnungen bei diesem Thema beiseitezuschie-
en und sich einmal vorurteilsfrei folgender Konflikt-
ituation zu stellen: Nach dem Befund „behindertes
ind“ gibt es kein Problem, wenn die betroffene Frau
der das betroffene Paar auf einen verständnisvollen,
infühlsamen, verantwortungsbewussten Arzt oder eine
rztin trifft, der oder die auch wirklich gut beraten und
ie Betroffenen begleiten. Es kann aber auch anders
ommen, wie mir das von mehreren berichtet wurde,
um Beispiel von einer jungen Frau, die mir geschrieben
at: Der Arzt zeigte mir das Ultraschallbild und sagte als
rstes: Sind Sie wirklich sicher, dass Sie das noch aus-
ragen wollen?
Ich habe in der eigenen Verwandtschaft den Fall er-
ebt, dass eine Mutter nach einer entsprechenden Dia-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21171
)
)
Thilo Hoppe
gnose gar nicht erst gefragt wurde, wie es ihr damit geht,
sondern dass ihr von zwei Ärztinnen der Abbruch nahe-
gelegt wurde. Sie hat sich trotz großer Zweifel, trotz gro-
ßer Verunsicherung gegen einen Abbruch entschieden
und ein kerngesundes Kind zur Welt gebracht. Ich weiß
nicht, wie oft so etwas geschieht. Möglicherweise ist das
ein krasser Einzelfall. Aber wir wissen aus Untersuchun-
gen, dass sich viele Frauen, viele Paare schlecht beraten
und alleingelassen fühlen.
Jetzt möchte ich auf eine Schwachstelle der drei Ge-
setzentwürfe hinweisen, die wir grundsätzlich sehr be-
grüßen. Was passiert in einem solchen Fall? Der Arzt,
der zu einer pränatalen Untersuchung geraten und eine
Vielzahl solcher Untersuchungen durchgeführt hat,
würde in die Pflicht genommen, psychosozial zu beraten
oder auf entsprechende Beratungsstellen hinzuweisen.
Er ist dafür aber gar nicht ausgebildet. Unsere Befürch-
tung ist, dass diese gesetzliche Pflicht formal abgetan
werden kann, indem ein Arzt ähnlich wie vor einer Un-
tersuchung, vor einer Operation sagt: Aufgrund neuer
gesetzlicher Vorschriften bin ich verpflichtet, Sie auf
dieses und jenes hinzuweisen, Ihnen eine Broschüre zu
überreichen und Sie auf das Angebot von Beratungsstel-
len aufmerksam zu machen. Dieses Angebot müssen Sie
nicht annehmen. Sie können eine Verzichtserklärung un-
terschreiben und quittieren, dass ich meine Pflicht erfüllt
habe. – Das Ganze ist dann ein Akt von wenigen Sekun-
den.
Wir wollen nicht mehr und nicht weniger als das, was
bereits im „normalen“ Schwangerschaftskonfliktfall gilt:
dass eine psychosoziale Beratung in Anspruch genom-
men werden muss, bevor dann am Schluss die Indikation
erstellt wird.
Ist man in dieser Debatte ehrlich, so erkennt man: Es
gibt de facto eine Entscheidungsfreiheit. Ich glaube, es
ist auch gut so, dass man keine Frau gegen ihren Willen
zwingt, ein behindertes Kind auszutragen. Wenn das
aber so ist, dann müssen wir wirklich alles dafür tun,
dass diese Frauen, diese Paare optimal begleitet werden
und nicht nur eine Beratung durch den Gynäkologen er-
halten, sondern auch Unterstützung seitens einer Bera-
tungsstelle, durch Berater und Beraterinnen, die dafür
auch wirklich ausgebildet sind.
Das ist die Zielrichtung unseres Anliegens. Ich
möchte Sie herzlich bitten, im Rahmen der Anhörung
auch diese Vorschläge vorurteilsfrei zu prüfen.
Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
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Mechthild Dyckmans, Jens Ackermann, Dr. Karl
Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Leerlaufen des Vorrechts der Wohnungseigen-
tümer in der Zwangsversteigerung beenden
– Drucksache 16/9453 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bernd
Siebert, Ulrich Adam, Ernst-Reinhard Beck
, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Rainer Arnold,
Dr. Hans-Peter Bartels, Petra Heß, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der SPD
Betreuung bei posttraumatischen Belastungs-
störungen stärken und weiterentwickeln
– Drucksache 16/11410 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Schneider , Dr. Lothar Bisky,
Cornelia Hirsch, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Verlässliche Bildungsförderung für Erwach-
sene noch in dieser Legislatur auf den Weg
bringen
– Drucksache 16/11374 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul
Schäfer , Monika Knoche, Hüseyin-Kenan
Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Internationale Ächtung des Söldnerwesens
und Verbot der Erbringung militärischer
Dienstleistungen durch Privatpersonen und
Unternehmen
– Drucksache 16/11375 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
21172 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Vizepräsidentin Petra Pau
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
ZP 2a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Patrick
Döring, Hartfrid Wolff , Horst
Friedrich , weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP
Ausnahmeregelung für Fahrerlaubnisse von
Angehörigen der Feuerwehren, des Rettungs-
dienstes und des Katastrophenschutzes schaf-
fen
– Drucksache 16/10884 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Innenausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Brähmig, Klaus Riegert, Jürgen Klimke, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße,
Dr. Reinhold Hemker, Dr. Peter Danckert, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Potentiale von Tourismus und Sport erkennen
und fördern
– Drucksache 16/11402 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus
Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter
Friedrich , weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Annette Faße,
Dr. Reinhold Hemker, Gregor Amann, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Potentiale von Migranten für den internatio-
nalen Tourismus nutzen
– Drucksache 16/11403 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss
ZP 3d)Beratung des Antrags der Abgeordneten
Christian Ahrendt, Dr. Max Stadler, Gisela Piltz,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
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marktadäquaten Steuerung der Zuwanderung
Hochqualifizierter und zur Änderung weiterer
– Drucksachen 16/10288, 16/10722, 16/10914,
16/11166, 16/11390 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Norbert Röttgen
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ver-
ittlungsausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Wer
öchte sich enthalten? – Die Beschlussempfehlung ist
ngenommen.
Zusatzpunkt 3 b:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
von Gefahren des internationalen Terrorismus
durch das Bundeskriminalamt
– Drucksachen 16/9588, 16/10121, 16/10822,
16/11167, 16/11227, 16/11391 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Thomas Oppermann
Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3
atz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im
eutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam
bzustimmen ist.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ver-
ittlungsausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
ungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
en der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion gegen die
timmen der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke und
er Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.1)
Zusatzpunkt 3 c:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
rung von Familien und haushaltsnahen
– Drucksachen 16/10809, 16/11001, 16/11172,
16/11191, 16/11329, 16/11392 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Meister
Anlage 3
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21175
)
)
Vizepräsidentin Petra Pau
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Ver-
mittlungsausschusses? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion bei
Enthaltung der FDP-Fraktion, der Fraktion Die Linke
und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Wir kommen zu den Zusatzpunkten 3 e bis 3 m. Da-
bei handelt es sich um weitere Beschlussempfehlungen
des Petitionsausschusses.
Zusatzpunkt 3 e:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses
Sammelübersicht 506 zu Petitionen
– Drucksache 16/11393 –
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Sammelübersicht 506 ist einstimmig an-
genommen.
Zusatzpunkt 3 f:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses
Sammelübersicht 507 zu Petitionen
– Drucksache 16/11394 –
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Sammelübersicht 507 ist mit den Stim-
men der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion und der FDP-
Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei
Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-
nommen.
Zusatzpunkt 3 g:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses
Sammelübersicht 508 zu Petitionen
– Drucksache 16/11395 –
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Sammelübersicht 508 ist mit den Stim-
men der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, der FDP-
Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei
Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Zusatzpunkt 3 h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses
Sammelübersicht 509 zu Petitionen
– Drucksache 16/11396 –
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es
Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Die
Sammelübersicht 509 ist damit einstimmig angenom-
men.
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Höhn, Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Klima- und umweltschädliche Subventionen
abbauen
– Drucksache 16/11206 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
Federführung strittig
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel
Höhn, Hans-Josef Fell, Renate Künast, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Neue Kohlekraftwerke verhindern – Geneh-
migungsrecht verschärfen
– Drucksache 16/10617 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel
Höhn, Hans-Josef Fell, Cornelia Behm, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Internationalen Klimaschutz stärken – Miss-
brauch von CDM-Projekten verhindern
– Drucksache 16/10820 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Eva
Bulling-Schröter, Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar
Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
DIE LINKE
Bei Klimaverhandlung in Poznan den Weg für
Kyoto II frei machen
– Drucksache 16/11246 –
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit zu dem
Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Hans-
Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeord-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
– zu dem Antrag der Abgeordneten Horst
Meierhofer, Michael Kauch, Angelika
Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Barrieren für die Einführung der CCS-
Technologie überwinden – Voraussetzungen
für einen praktikablen und zukunftsweisen-
den Rechtsrahmen schaffen
– zu dem Antrag der Abgeordneten Michael
Kauch, Horst Meierhofer, Gudrun Kopp, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Potenziale der Abtrennung und Ablagerung
von CO2 für den Klimaschutz nutzen
– Drucksachen 16/9454, 16/5131, 16/10394 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ulrich Petzold
Marco Bülow
Horst Meierhofer
Eva Bulling-Schröter
Bärbel Höhn
g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-
schaft und Verbraucherschutz zu
dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast,
Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Den Klimawandel wirksam durch Urwald-
schutz bekämpfen – Agrarüberschüsse in den
Erhalt der Urwälder investieren
– Drucksachen 16/7710, 16/8877 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Hans-Heinrich Jordan
Gustav Herzog
Hans-Michael Goldmann
Dr. Kirsten Tackmann
Cornelia Behm
h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung
zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe,
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21177
)
)
Vizepräsidentin Petra Pau
Bärbel Höhn, Undine Kurth , wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Tropenwaldschutz braucht solide Finanzie-
rung – Entwaldung vermeiden, Klima- und
Biodiversität schützen
– Drucksachen 16/9065, 16/11346 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Christian Ruck
Dr. Sascha Raabe
Dr. Karl Addicks
Hüseyin-Kenan Aydin
Thilo Hoppe
ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Bärbel Höhn, Hans-Josef Fell, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Rücknahmesystem für gebrauchte Energie-
sparlampen im Handel einrichten
– Drucksache 16/11387 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Bärbel Höhn, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Von den Sammelübersichten kommen wir jetzt wieder
zu einem inhaltlichen Thema, nämlich zum Klima-
schutz.
Ich muss sagen: Als ich in Poznan war, war ich nicht
auf meiner ersten Klimakonferenz; ich war schon auf
vielen Klimakonferenzen, und es war immer ein gutes
Gefühl, Mitglied der deutschen Delegation zu sein; denn
Deutschland war Vorreiter in der EU, und die EU war
Vorreiter auf diesen Klimakonferenzen. Wenn ich an die
Konferenz auf Bali vor einem Jahr denke, dann erinnere
ich mich, dass die Rede von Minister Gabriel dort mit
großem Beifall aufgenommen worden ist. Die Rolle
Deutschlands auf Bali war sehr aktiv – auch innerhalb
der EU.
Das war in Poznan vollkommen anders, und das hatte
auch damit zu tun, dass die Kanzlerin selber und die
Bundesregierung vollkommen andere Zeichen gesetzt
hatten. Die Kanzlerin war noch einmal zu ihrem Kolle-
gen nach Polen gefahren und hatte um Unterstützung für
die Kohle nachgesucht. Das zweite wichtige Thema dort
waren Ausnahmen für große Spritschlucker, also große
Autos. Genau diese zwei wichtigen Themen haben dazu
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as alles steht über Fotos vom letzten Jahr, auf denen
ngela Merkel noch vor den großen Eisbergen stand, als
ie sich ganz groß als Klimaschützerin präsentiert hatte.
ie Bundesregierung hat das Klimapaket verwässert und
icht verbessert.
Ganz verheerend war es in diesem Zusammenhang,
ass Angela Merkel immer den Zusammenhang zwi-
chen Klimaschutz und Arbeitsplätzen hergestellt hat:
er etwas für die Arbeitsplätze tun will, der darf in die-
em Moment nicht mehr viel für den Klimaschutz tun. –
er Vertreter der Entwicklungsländer aus Guyana hat
as auf der Eröffnungsveranstaltung der Konferenz auf-
egriffen und gesagt: Wenn die EU sagt, dass Klima-
chutz nur in wirtschaftlich guten Zeiten funktioniert,
ann frage ich, wie wir unseren armen Ländern erklären
ollen, dass sie etwas für den Klimaschutz tun müssen. –
echt hat der Mann. Europa muss hier vorangehen.
Ban Ki-moon hat für grüne Arbeitsplätze geworben.
bama gibt ein Zeichen für neue Arbeitsplätze, und die
ndustrie hier sagt: Wir haben Angst, dass wir unsere
orreiterrolle beim Umweltschutz verlieren, wenn
bama so vorangeht. Ja, wir müssen Angst haben; denn
as ist ein Riesenpotenzial. Roland Berger und auch
21178 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
Bärbel Höhn
McKinsey – das sind keine Grünen – sagen, dass die
Zahl von 1,5 Millionen Arbeitsplätzen im Umweltbe-
reich bis zum Jahr 2020 auf 3 Millionen gesteigert wer-
den kann. Das ist das Potenzial an Arbeitsplätzen im
Umweltbereich.
Töpfer hat es mit folgenden Worten auf den Punkt ge-
bracht: „Wir haben es verpasst, zwei Krisen gleichzeitig
in Angriff zu nehmen.“ Es geht darum, den Klimaschutz
nach vorne zu bringen, Arbeitsplätze zu schaffen und da-
mit auch in dieser Finanzkrise ein Zeichen zu setzen,
dass wir zu einem Aufbruch bereit sind und neue Pro-
dukte brauchen. Das wäre die richtige Antwort.
Angesichts der Beschlüsse des Brüsseler Klimapakets
muss ich sagen: Die vereinbarten CO2-Grenzwerte für
Autos sind schon verheerend. Erinnern wir uns: 2008
sollte nach der freiwilligen Selbstverpflichtung der Au-
tomobilindustrie der Ausstoß der Autos bei 140 Gramm
pro Kilometer liegen. In Deutschland liegt der Ausstoß
momentan noch bei 168, nicht bei 140. Das, was jetzt
beschlossen worden ist, bedeutet, dass der Ausstoß auch
2012 mit allen Ausnahmen, die es gibt, in Europa bei
durchschnittlich 160 Gramm pro Kilometer liegen darf.
Das wäre eine Pause von vier Jahren beim Klimaschutz
für große Spritschlucker. Das können wir nicht hinneh-
men.
Hinzu kommt noch, dass dies mit einem Dienst-
wagenprivileg unterfüttert wird, mit dem große Sprit-
schlucker mit 3 Milliarden Euro subventioniert werden.
Hinzu kommt die Tatsache, dass es immer noch kein
Tempolimit gibt und dass mit dem Konjunkturprogramm
neue und insbesondere auch große Autos besonders stark
subventioniert werden. Das ist das Zeichen der Bundes-
regierung an die Automobilindustrie; es ist das Zeichen
„Weiter so!“. Das ist ein falsches Zeichen.
Die Autoexperten sagen nämlich sehr deutlich: Hier
muss man etwas ändern. Dudenhöffer zum Beispiel er-
klärte, die Krise werde auch die deutschen Hersteller
und Zulieferer härter treffen, als bisher gedacht. Wann
hat er das gesagt? Vor der Finanzkrise, am 19. März
2008. Der Autoexperte Helmut Becker hat das Buch ge-
schrieben: Ausgebremst. Wie die Autoindustrie Deutsch-
land in die Krise fährt. Wann hat er das geschrieben? Vor
der Finanzkrise, im August 2007. Das heißt, die Auto-
mobilindustrie in Deutschland hat ein Problem. Das wird
durch die Finanzkrise noch verschärft. Deshalb gilt: Die
Bundesregierung gefährdet mit ihrem Kurs Arbeits-
plätze. Sie erreicht nicht, dass der Strukturwandel end-
lich eingeleitet wird.
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Wir müssen natürlich auch über die Kohle reden. Ja,
s gilt in der Tat, dass die Zertifikate für Strom zu
00 Prozent ersteigert werden müssen. Ich muss sagen:
s gab auch Leute in der Bundesregierung, die wollten
eniger als 100 Prozent, nämlich 90 Prozent. Dies sollte
in Ausgleich für die Ausnahmen in Osteuropa sein.
ber das, was jetzt herausgekommen ist, dass nämlich
ie Bundesregierung neue Kohlekraftwerke mit 15 Pro-
ent Investitionszulage subventionieren kann, ist verhee-
end. Neue Kohlekraftwerke sind keine hocheffizienten
tromlieferanten, wie das immer dargestellt wird. Die
U gibt einen Wirkungsgrad von 44,2 Prozent an. Dieser
ert ist heute schlecht und damit schlechter als der
tand der Technik. Nein, diese Subvention für die Koh-
ekraftwerke macht Kohlekraftwerke gegenüber erneuer-
aren Energien wettbewerbsfähig. Das ist doch wohl das
alsche Zeichen. Das darf nicht sein.
Deshalb gilt: Wir müssen das Nötige tun. Das Nötige
eißt: keine neuen Kohlekraftwerke, schon gar nicht
taatlich subventioniert, und ehrgeizige Vorgaben für
pritsparende Autos ohne Schlupflöcher und Hintertü-
en. Außerdem gilt: Wir müssen unsere Klimaschutzauf-
aben hier zu Hause erledigen und dürfen sie nicht nach
ndien und China verlagern. Technologietransfer ist gut.
ber wenn man über 50 Prozent der CO2-Reduktionen,
ie bis 2020 erbracht werden müssen, auf andere Länder
erlagern darf, dann sind das Schlupflöcher, die wir
icht akzeptieren können. Wir wollen richtigen Klima-
chutz, nicht das, was die EU hier vorgelegt hat.
Danke schön.
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Andreas
ung das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
iebe Frau Höhn, zunächst darf ich als Mitglied des Pe-
itionsausschusses darauf hinweisen, dass es sich auch
ei den Sammelübersichten durchaus um inhaltliche Fra-
en handelt.
Ich darf dann als Mitglied des Umweltausschusses
nd auch als Mitglied der Parlamentariergruppe, die auf
er Konferenz von Posen war, zum Thema Klimaschutz
ommen. Ich will Ihnen zunächst in einem Punkt recht
)
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21179
)
)
Andreas Jung
geben. Es wäre falsch, die aktuelle Finanzkrise und auch
die Wirtschaftskrise, die sich global abzeichnet, als Ar-
gument dafür anzuführen, beim Klimaschutz zu brem-
sen. Ich glaube, das ist völlig klar; es liegt auf der Hand:
Nur weil wir noch ein weiteres Problem haben, werden
die Herausforderungen im Klimaschutz nicht geringer.
Es würde uns letzten Endes nichts bringen, das Finanz-
system zu retten, dem Wirtschaftssystem zu helfen,
wenn uns das Ökosystem um die Ohren fliegt.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Bemühungen um
den internationalen Klimaschutz zum Erfolg kommen.
Auf diesem Weg zur Unterzeichnung eines internationa-
len Klimaschutzabkommens war Posen noch nicht das
Ziel – das war auch nicht beabsichtigt; das Ziel, ein Ab-
kommen zu unterzeichnen, soll im nächsten Jahr, 2009,
in Kopenhagen erreicht werden –, sondern nur eine
Etappe. Ich glaube, man kann zunächst ganz nüchtern
feststellen, dass die Erwartungen, die an diese Etappe
gerichtet wurden, zumindest was Tendenz und Richtung
angeht, erfüllt wurden.
Im Bereich des Anpassungsfonds und beim Wald-
schutz sind kleine Schritte gemacht worden. Vor allem
aber wurde grünes Licht für die Erstellung der Ab-
schlussdokumente für die Konferenz in Kopenhagen und
für den Endspurt zu dem Klimaschutzabkommen gege-
ben.
Ich finde, in den nächsten zwölf Monaten, in denen viel
auf dem Spiel steht, muss unser Handeln darauf gerichtet
sein, gemeinsam alle Kräfte zu bündeln, um unsere
Drähte zu nutzen und unsere Partner einzubinden, um
gemeinsam für diesen Erfolg zu kämpfen.
Diese Gemeinsamkeit stelle ich auch deshalb so in
den Vordergrund, weil Sie die Stimmung auf dem Gipfel
in Posen beschrieben haben. Die Stimmung war in der
Tat in Teilen eine andere als letztes Jahr auf Bali. Ich
will aber auch die Frage stellen, woran dies möglicher-
weise gelegen hat. Ich fand es nicht hilfreich, dass Ver-
treter der Oppositionsfraktionen – namentlich auch Sie,
Frau Höhn – auf diesem Gipfel in Hintergrundgesprä-
chen, in Gesprächen mit NGOs und anderen Staaten Ge-
rüchte über die Verhandlungen in Brüssel verbreitet ha-
ben, die sich im Nachhinein als falsch erwiesen haben,
namentlich zu der Frage, ob es gelingt, eine 100-prozen-
tige Auktionierung durchzusetzen. Das hat sicherlich
nicht zu einer positiven Stimmung beigetragen. Das ist
das eine.
Das andere ist die Frage, wer – wenn man sich große
Schritte anstelle von kleinen Schritten wünscht – auf die-
sem Gipfel größere Schritte, die wir uns in Deutschland
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ir haben keine Angst davor, dass die USA jetzt den
limaschutz vorantreiben, sondern wir hoffen darauf.
iese Hoffnungen haben sich aber bisher nicht bestätigt,
eil in Posen noch die alte Regierung verhandelt hat.
eshalb sind wir nicht vorangekommen. Wir sind auch
icht vorangekommen, weil Russland – –
Kollege Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Höhn?
Ja, gerne.
Herr Kollege Jung, ich will auf die Hintergrundge-
präche zurückkommen. Ich habe keine Hintergrundge-
präche geführt, in denen ich irgendetwas über irgend-
elche Verhandlungsergebnisse in Brüssel gesagt habe.
ch habe Interviews mit der Presse und dem Rundfunk
eführt, die jedem zugänglich sind. Ich bitte Sie, zu be-
ennen, in welchem Hintergrundgespräch mit welchem
ournalisten ich welches Gerücht verbreitet haben soll.
Die NGOs haben uns etwas erzählt. – In welchem Hin-
ergrundgespräch mit Journalisten habe ich welches Ge-
ücht über den Verhandlungsstand in Brüssel verbreitet?
iese Frage hätte ich gerne von Ihnen konkret beantwor-
et.
Zum einen konnten wir alle nachlesen, was Sie ge-
enüber der Presse gesagt haben.
Zum anderen haben wir ein Gespräch mit den NGOs
eführt, und zwar am Vorabend des Verhandlungsergeb-
isses in Brüssel.
Entschuldigung, dann war es ein offizielles Gespräch.
as macht es aber nicht besser, sondern sogar schlim-
er. Dann haben Sie in einem offiziellen Gespräch ge-
agt, das Thema „100-prozentige Auktionierung“ im Be-
eich Energiewirtschaft sei vom Tisch. Das sei ein
erhandlungsziel, das die Bundesregierung aufgegeben
abe, und es werde am Ende nichts herauskommen.
Frau Höhn, das haben Sie so wörtlich gesagt.
21180 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Andreas Jung
Ich füge ein Zweites hinzu, worüber wir uns gestern
im Ausschuss schon unterhalten haben. Herr Minister
Gabriel hat Sie gefragt, an welchen Punkten Deutsch-
land blockiert habe, und Sie haben keinen einzigen
Punkt benennen können.
Sie haben dann auf Brüssel verwiesen und gesagt, es
gehe um die von Brüssel ausgehenden Signale. Ich bin
gern bereit, dass wir uns in der Sache damit auseinander-
setzen. Welches sind denn die Signale von Brüssel? Das
Signal ist, dass die Bundesrepublik und Europa den star-
ken Worten, die die EU im Jahr der deutschen Ratspräsi-
dentschaft fand und die besagten, dass man bereit sei, die
Treibhausgase bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren,
die entsprechenden Taten folgen lassen. Dieses Ziel wird
jetzt mit konkreten Maßnahmen im Emissionshandels-
plan umgesetzt.
Wir wollen – das sagen wir auch nicht erst seit der Fi-
nanzkrise – Umwelt- und Klimaschutz so umsetzen, dass
wir Arbeitsplätze dadurch nicht gefährden, sondern sie
erhalten und neue schaffen. Das ist doch nicht falsch,
sondern richtig, vor allem dann, wenn man sich als Vor-
reiter begreift. Jeder, der Vorreiter ist oder sein will,
braucht auch welche, die hinterherreiten. Wenn Entwick-
lungs- oder Schwellenländer, die unseren Wohlstand erst
erreichen wollen, erkennen müssten, dass unser Klima-
schutz uns Wohlstand und Arbeitsplätze kostet, dann
wäre dies für sie kein Vorbild. Deshalb ist es richtig, dass
man einen Kompromiss gefunden hat, bei dem man bei-
des, Klimaschutz und Arbeitsplätze, unter einen Hut
bringt.
Ich bin auch gern bereit, mich über die Details zu un-
terhalten. Die Frage der Auktionierung ist schon ange-
sprochen worden. Wir haben zur Kenntnis genommen,
dass gerade Jürgen Trittin diesen Kompromiss angegrif-
fen hat. Hier lohnt sich ein Blick zurück in die Zeit, als
Jürgen Trittin selber Emissionshandelspläne verantwor-
tete – das ist gerade einmal drei Jahre her –: Damals
wurden den Kohlekraftwerken in Deutschland mehr Ver-
schmutzungsrechte geschenkt, als sie überhaupt verbrau-
chen konnten. Es gab 0 Prozent Auktionierung, heute
sind wir in Deutschland und in weiten Teilen der Euro-
päischen Union bei 100 Prozent Auktionierung. Es ist
nicht schwer auszurechnen, dass wir an diesem Punkt
um 100 Prozent besser als Jürgen Trittin sind.
Das ist nicht überraschend; aber das sollte bei der einen
oder anderen kritischen Wortmeldung zur Mäßigung bei-
tragen.
Alles in allem bin ich der Überzeugung, dass sowohl
durch die Entscheidungen in Brüssel als auch durch die
Verhandlungen in Posen die richtigen Weichen für die
entscheidenden nächsten zwölf Monate gestellt wurden.
Ich wünsche mir, dass wir alle gemeinsam für einen Er-
folg arbeiten. In den nächsten zwölf Monaten steht viel
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Zu einer Kurzintervention hat die Kollegin Höhn das
ort.
Nein, es wird eben nicht peinlich. – Herr Jung, Sie ha-
en eben schon zurückgenommen, dass ich irgendetwas
n einem Hintergrundgespräch mit Journalisten gesagt
ätte. Jetzt geht es um das NGO-Gespräch. Sie erinnern
ich genau daran: Es war ein öffentliches Gespräch, an
em wir beide teilgenommen haben. In diesem Gespräch
ing es um 100 Prozent Auktionierung sowie darum, ob
er Bundestagsbeschluss eingehalten wird. Ich sage Ih-
en: Der Bundestagsbeschluss ist nicht eingehalten wor-
en; es gibt eine Ausnahme von der Auktionierung in
steuropa. Hier ist ein großer Fehler gemacht worden.
Deshalb fordere ich Sie auf, keine Gerüchte über das
u verbreiten, was ich gesagt haben soll, wenn es nicht
timmt. Das ist eigentlich nicht Ihre Art, Herr Jung. Las-
en Sie uns inhaltlich argumentieren und nicht auf diese
rt und Weise vorgehen.
Kollege Jung, möchten Sie erwidern?
Dann hat jetzt der Kollege Michael Kauch für die
DP-Fraktion das Wort.
Kollegin Höhn, der Kollege Kauch hat jetzt das Wort. –
itte.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist
chon bemerkenswert, wie diese Debatte abläuft. Ich
chicke vorweg: Auch aus unserer Sicht haben Frau
erkel und Herr Gabriel in Brüssel und in Posen nicht
lles richtig gemacht. Aber das, was die Grünen aus-
chließlich aus Gründen innenpolitischer Profilierung
etzt und in der letzten Woche abgezogen haben und
eute wieder abziehen, schadet der Verhandlungslinie
er EU.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21181
)
)
Michael Kauch
Ihr hysterischer Reflex, dass niemand besser Umweltpo-
litik machen könne als die Grünen, bringt Sie dazu, alles
und jedes in diesem Haus und der Presse zu behaupten,
ob es stimmt oder nicht, und alles mieszumachen. Eine
verantwortliche Opposition kritisiert die Regierung da
– so halten wir von der FDP das –, wo es richtig und not-
wendig ist. Aber sie nimmt auch Rücksicht auf das Bild
unseres Landes im Ausland. Trotz der Fehler, die Frau
Merkel begangen hat, macht die Europäische Union
noch immer mehr, als die USA überhaupt nur ankündi-
gen, Frau Höhn.
Beim Emissionshandel haben wir die ökologischen
Ziele für den Strom- und den Industriesektor erreicht.
Ob die Rechte nun versteigert werden oder nicht, ist eine
ökonomische Frage und hängt davon ab, ob der Staat auf
Einnahmen zugunsten bestimmter Branchen verzichtet.
Das kann man wirtschaftspolitisch gut oder schlecht fin-
den, aber die ökologischen Ziele werden erreicht. Das
weist allerdings auf einen Kardinalfehler des EU-Klima-
und Energiepaketes hin. Es gibt andere Bereiche, in
denen das Erreichen der ökologischen Ziele keineswegs
sicher ist. Das sind der Verkehrsbereich und die Wärme-
produktion, also die CO2-Emissionen, die beim Heizen
entstehen. Hier zieht der Emissionshandel keine feste
Obergrenze. Hier versucht man an vielen Stellschrauben,
zum Beispiel mit Grenzwerten für Autos, etwas zu errei-
chen. Aber was dabei herauskommt, weiß kein Mensch.
Deshalb sagt die FDP ganz klar: Das einzige ökologisch
treffsichere Instrument ist auch in diesem Bereich der
Emissionshandel. Wir Liberale wollen aus Effizienz-
gründen, aber vor allem auch aus ökologischen Gründen
den Emissionshandel auf den Verkehrsbereich und die
Wärmeproduktion ausweiten.
Kollege Kauch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fell?
Sehr gerne.
Herr Kollege Kauch, Sie haben gerade den Grünen
Hysterie vorgeworfen, weil die Grünen das EU-Klima-
paket kritisieren. Ich frage Sie, ob Sie auch dem Klima-
schutzberater der Bundesregierung, Herrn Schellnhuber,
Hysterie vorwerfen. Er hat nämlich gesagt, dass er die
Erreichung der Klimaschutzziele aufgrund der vielen
Ausnahmen in diesem Paket für nicht mehr realistisch
hält. Er hat im Prinzip die Kritik der Grünen bestätigt
und selbst artikuliert. Wie kann man also unsere Kritik
als Hysterie bezeichnen, wenn die Kritik auch aus so be-
rufenem Mund kommt?
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Der Deutsche Bundestag hat weiter gefordert, dass
uf nationaler Ebene über die Versteigerungserlöse ent-
chieden werden soll. Das ist rechtlich erreicht worden.
s steht im Beschluss, dass die Mitgliedstaaten das ent-
prechend ihren Haushaltsgesetzen ausgestalten. Auf
iese Regelung wird die FDP pochen.
Die Bundesregierung hat sich politisch verpflichtet,
0 Prozent für Klimaschutzprojekte auszugeben. Dies
das betone ich hier ausdrücklich – ist vielleicht eine
erpflichtung der Bundesregierung, aber nicht des Deut-
chen Bundestages.
eshalb insistieren wir als FDP darauf, dass die Kosten
er Versteigerung, die den Stromkunden in Rechnung
estellt werden, kompensiert werden und dass den Bür-
erinnen und Bürgern durch eine Absenkung der Strom-
teuer das Geld wieder zurückgegeben wird, was aus den
rlösen, die der Staat aus der Versteigerung erzielt, fi-
anziert werden kann.
21182 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Michael Kauch
Wir sollten nicht so tun, als würde sich das Klima
ausschließlich an den Emissionen unserer Industrie aus-
richten; es ist vielmehr wichtig, dass wir die Senken für
CO2 in dieser Welt erhalten. Das ist ein zentraler Punkt
des Klimaschutzabkommens, das wir alle gemeinsam er-
reichen wollen. Dabei geht es insbesondere um den
Schutz der tropischen Regenwälder. Es liegen Initiativen
dazu vor. Ich möchte an der Stelle sehr deutlich sagen:
Wir werden ein Post-Kioto-Abkommen, das jetzt, nach-
dem die EU vorangegangen ist, klar im Interesse unserer
Wirtschaft ist, nur erreichen, wenn wir in den Wald-
schutz und in Projekte investieren, die tatsächlich wirt-
schaftliche Alternativen zur Entwaldung bieten. Es geht
nicht, dass wir die Mittel einfach auf das Konto etwa der
indonesischen Regierung überweisen, was diese gerne
hätte. In diesem Zusammenhang wünsche ich mir mehr
Klarheit insbesondere von der Entwicklungshilfeminis-
terin. Man darf nicht einfach die Eliten in den Haupt-
städten finanzieren, sondern man muss den Menschen in
den Waldgebieten Unterstützung gewähren, damit die
Wälder, die für unser Klima so entscheidend sind, erhal-
ten bleiben.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Frank Schwabe für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Man kann lange darüber diskutieren, ob das Glas
nach den Beschlüssen von Poznan und Brüssel halb voll
oder halb leer ist. Da unterscheidet sich sicherlich die
Sichtweise der Opposition von der der Koalition. Da-
rüber muss man sich nicht so erregen. Beide haben die
Aufgabe, ihre Ansichten zu kommunizieren.
Worüber es sicherlich keinen Zweifel gibt, ist, dass
wir in einer ganz entscheidenden Phase des weltweiten
Klimaschutzes sind. Die Phase ist deswegen entschei-
dend, weil man sich politisch entscheiden muss, ob Kli-
maschutz ein Teil des Weges in die Krise ist oder ob Kli-
maschutz ein Teil des Weges aus der Krise ist. Das eine
Problem ist, dass wir viel zu viel aus der Erde herausho-
len, dieses verfeuern und deswegen irgendwann nichts
mehr haben, und das andere Problem ist, dass wir immer
mehr von dem, was wir herausholen, als Abgase in die
Atmosphäre pusten. Angesichts dieser Probleme kann es
keinen Zweifel geben, dass Klimaschutz und damit die
Energiewende Teil, und zwar ein grundlegender Teil, des
Weges aus der Krise sein muss und dass das die Debat-
ten der nächsten Tage, Wochen und Jahre bestimmen
muss.
Jetzt ist die Zeit der Entscheidungen. Deswegen bin
ich natürlich über die Weltfinanzkrise und die Weltwirt-
schaftskrise nicht glücklich. Aber für den Klimaschutz
bedeutet das mehr Chance als Risiko, weil sich die Welt
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Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter für
die Fraktion Die Linke.
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ir bedauern auch, dass die UN-Verhandlungen zum
npassungsfonds für Entwicklungsländer nur einen
rippelschritt vorangekommen sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf Bali war der
chwung zu spüren. In Poznan habe ich und haben auch
iele andere davon nichts mehr gespürt. Das lag sicher
uch an den zeitgleich gefassten Beschlüssen des EU-
ats. Der Ratskompromiss zum Klimaschutzpaket der
U wurde auf der Klimakonferenz als Rückschritt wahr-
enommen. Er fällt auch tatsächlich deutlich hinter die
rsprüngliche Fassung der EU-Kommission zurück. Er
eicht in zentralen Punkten auch von dem Bundestags-
eschluss ab, den wir am 30. Mai gefasst haben.
Mit den Beschlüssen zum EU-Emissionshandel ab
013 wird der Umbau in der Stromwirtschaft hin zu ei-
er kohlenstoffarmen Energieversorgung in Teilen blo-
kiert. Überwiegend kostenlose Zertifikate für osteuro-
äische Kohlekraftwerke bringen unserer Meinung nach
ichts als Extraprofite für die Energiekonzerne, die da-
it ihre überkommenen Strukturen festigen können.
ch möchte noch einmal daran erinnern, dass die Ener-
iekonzerne hier im Land bis 2012 35 Milliarden Euro
xtragewinne einfahren. Sie preisen die geschenkten
ertifikate ein und geben sie so an die Kunden weiter;
as wurde hier nicht mehr bestritten. Warum also sollen
ie das in Osteuropa nicht tun? Dafür gibt es keinen
21184 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Eva Bulling-Schröter
Grund. Es sind zum Teil die gleichen Konzerne; wir wis-
sen es. RWE und Vattenfall waren dort als Lobby vertre-
ten.
Zudem erhält die Industrie die CO2-Zertifikate auf
Betreiben der Bundesregierung fast vollständig kosten-
los. Auch das ist unseres Erachtens eine sinnlose Sub-
vention zulasten der Umwelt.
Begründet wird das alles mit der Sicherung der Arbeits-
plätze. Ich sage Ihnen einmal etwas: Wir von den Linken
sind die Letzten, die die Arbeitsplätze nicht sehen wür-
den. Aber es gibt viele Studien, die besagen, dass die
Mehrzahl der deutschen Industriebetriebe durch eine
Auktionierung der Emissionsrechte in ihrer internationa-
len Wettbewerbsfähigkeit nicht bedroht wäre.
Bei Freistellungen von der Versteigerung kann es
schließlich nur um jene Branchen gehen, die zwei Krite-
rien gleichzeitig erfüllen: Erstens. Sie produzieren trotz
fortschrittlicher Technologie sehr energieintensiv. Zwei-
tens. Sie stehen mit ihren Produkten tatsächlich in einem
relevanten Umfang im Wettbewerb mit Unternehmen au-
ßerhalb der EU. – Diese beiden Kriterien erfüllen – das
besagen viele Studien – gerade einmal 2 bis 3 Prozent.
Das ist wahrscheinlich zu niedrig – darüber können wir
streiten –, aber freigestellt werden letztlich über 80 Pro-
zent. Hier hat sich die Wirtschaft auf Kosten des Klima-
schutzes schamlos durchgesetzt.
Herr Gabriel, Sie haben uns gestern im Ausschuss da-
hin belehrt, dass die Ausnahmen von der Versteigerung
nichts an der Reduktionsverpflichtung ändern; der Aus-
stoß von Treibhausgasen sei durch das Cap, also die fest-
gelegte Emissionsgrenze, vorgegeben. Richtig, rein
rechnerisch stimmt das. Trotzdem wird der Klimaschutz
durch die Ausnahmen praktisch untergraben. Sie plädie-
ren immer dafür, dynamisch zu denken. Das finde ich
auch richtig. Aber was wird wirklich passieren? Die
Ausnahmen für die Industrie verhindern in der Tendenz
eine Erhöhung der Effizienz oder einen Brennstoffwech-
sel. Das sagen Wissenschaftler, das sagen Naturschutz-
verbände; das ist belegt. Das gilt natürlich auch für die
osteuropäischen Kohlekraftwerke. Weil sie ihre Zertifi-
kate überwiegend kostenlos erhalten haben, fällt es ih-
nen leichter, Fehlmengen zuzukaufen. Selbst ein Emis-
sionswachstum ist dann locker finanzierbar. Das kennen
wir ja von Deutschland, Stichwort: Windfall-Profits.
Natürlich müssen die zusätzlich nachgefragten Zerti-
fikate irgendwo herkommen. Weil viele Anlagenbetrei-
ber davon Gebrauch machen werden, Emissionsgut-
schriften aus dem Süden zuzukaufen, werden jede
Menge dieser Zertifikate in den EU-Markt wandern.
Etwa die Hälfte der EU-Einsparverpflichtung kann ja ab
2013 über Auslandsprojekte abgerechnet werden; das
halten wir im Übrigen für zu viel. Aber was haben wir
dann im Jahr 2020 in Deutschland und Europa? Konser-
vierte Strukturen in der energieintensiven Industrie und
im osteuropäischen Kraftwerkspark. Die für den Neubau
von Kohlekraftwerken und fragwürdigen CCS-Anlagen
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och einmal: Wir wollen diese Arbeitsplätze nicht ver-
ichten, wir wollen nur eine Konversion.
Ich sage Ihnen: Wenn Sie um das Jahr 2020 hier in
uropa jede Menge nagelneuer Kohlekraftwerke haben,
ann bin ich sehr gespannt, wie Sie anschließend neue
mbitionierte Minderungsziele durchsetzen wollen. Wir
issen doch alle, dass die Ziele nach 2020 deutlich
trenger sein müssten als die jetzigen. Ansonsten kom-
en wir im Jahr 2050 niemals bei minus 80 Prozent an
nd können das Zwei-Grad-Ziel vergessen.
Ganz zum Schluss:
Kollegin Bulling-Schröter, Sie sind schon über die
eit. Ich bitte Sie um einen Schlusssatz.
Ein letzter Satz: Wir halten das Klimapaket für eine
erpasste Chance, aber es ist natürlich besser als der jet-
ige Rechtsrahmen. Doch angesichts der Herausforde-
ungen ist es deutlich zu mager, auch dank der kurzfristi-
en Gewinninteressen der deutschen Wirtschaft.
Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Josef
öppel.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
ichtigste Botschaft der heutigen Klimadebatte lautet:
ie Stützung der Wirtschaft muss immer mit dem Kli-
aschutz verbunden sein. – Alle Redner haben das be-
ont, bei vielen Unterschieden in den Instrumenten. Des-
egen möchte ich an den Anfang stellen: Es genügt
icht, mit Konjunkturprogrammen die vorhandenen
trukturen zu stützen, sondern wir müssen auf mehr Ef-
izienz zielen und auf die Lenkungswirkung der Kon-
unkturprogramme setzen. Man kann zum Beispiel im
ereich der Mobilität nicht eine Modellpalette stützen,
ie aufgrund zu hohen Energieverbrauchs keine Zukunft
at. Wir brauchen die Verknüpfung zum Klimaschutz
nd damit zur ökologischen Erneuerung unserer Volks-
irtschaft.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21185
)
)
Josef Göppel
Ich finde es schön, dass in diesem Punkt Einmütigkeit
im ganzen Hause besteht.
Ich war als Mitglied der Parlamentarierdelegation in
Posen und muss nach meinen Erfahrungen dort sagen:
Wenn Deutschland auf der internationalen Bühne agiert,
dann ist es nicht gut, wenn in der Heimat zum Beispiel
Frau Künast vorschnell Erklärungen abgibt, die dann in
der Tagesschau gesendet werden, es gehe sozusagen al-
les in den Graben und Deutschland verfehle seine Ziele.
Es bleibt festzuhalten: Wenn die Termine besser auf-
einander abgestimmt worden wären, indem zum Beispiel
die Brüsseler Konferenz nur einen Tag eher beendet
worden wäre,
dann hätte sich die Stimmung in Posen völlig anders ent-
wickelt.
Es wäre schön, Frau Höhn, wenn die Grünen einmal an-
erkennen würden, dass keine andere Person in der inter-
nationalen Politik in den Medien dermaßen angegriffen
wurde und mehr Standhaftigkeit beim Klimaschutz ge-
zeigt hat als Frau Merkel.
Es ist das Recht der Opposition, immer noch etwas
mehr zu fordern. Das ist okay. Aber das, was jetzt er-
reicht wurde, sollte man sich erst einmal im Detail an-
schauen. Ich frage mich ohnehin, warum alle nur über
die Versteigerungen reden, aber keiner erwähnt, dass be-
reits ab dem Jahr 2013 die zulässige Obergrenze der
Emissionen, die in Europa ausgestoßen werden dürfen,
um 1,74 Prozent jährlich gesenkt wird.
Entscheidend sind doch das Ziel und die Art der Instru-
mente.
Ich möchte auch auf die Signale eingehen, die in Poz-
nan von den Leuten des gewählten Präsidenten Obama
bei der Veranstaltung „Climate Action Under a New
U.S. Administration“ ausgesandt wurden. Das sollten
wir uns genau anschauen. Die Amerikaner wollen von
23 Tonnen CO2-Ausstoß pro Kopf auf 20 Tonnen runter.
Das entspräche deren Niveau von 1990. Die Europäer
hingegen haben eine Senkung von 8,5 Tonnen CO2-Aus-
stoß pro Kopf auf etwas unter 7 Tonnen beschlossen und
instrumentalisiert. Wir beabsichtigen damit eine Sen-
kung um 20 Prozent gegenüber 1990, die Amerikaner
nur um etwa 12 Prozent.
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as halte ich für absurd, um ganz ehrlich zu sein.
21186 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Horst Meierhofer
Ich bin begeisterter Anhänger erneuerbarer Energien.
Aber man muss leider auch die realen Entwicklungen
auf der Welt sehen. Wir haben in Deutschland sehr gut
vorgelegt. Weltweit haben wir in den Jahren von 2000
bis 2007 die erneuerbaren Energien um 2,2 Prozent an-
geschoben.
Das ist ein kleiner Erfolg, aber noch nicht zufriedenstel-
lend.
In dem Zeitraum, in dem wir den Einsatz von erneuerba-
ren Energien um 2,2 Prozent gesteigert haben, ist der
Verbrauch von Kohle weltweit um 4,8 Prozent gestie-
gen. Darauf müssen wir reagieren, und zwar nicht mit ei-
ner Verweigerungshaltung. Es mag für uns in Deutsch-
land schön sein, wenn wir mit einem Solarfahrzeug
spazieren fahren; aber es wird das Klima weltweit nicht
retten. Da fehlt mir der Blick über den Gartenzaun hi-
naus. Wenn wir nur national denken und nicht darauf
achten, was in anderen Ländern geschieht, dann ist das
zu wenig.
Da liegt ein riesiges Potenzial.
Wir haben zum Beispiel die große Chance, deutsche
Technologie zu exportieren, und die Chance, hier tat-
sächlich Emissionen einzusparen. Wir wissen natürlich,
dass wir nicht allein mit Carbon Capture and Storage,
also der Abscheidung, zu ausreichenden Ergebnissen
kommen können. Aber ohne diese Technologie wird es
definitiv nicht gehen. Ohne sie werden wir aus meiner
Sicht nicht die CO2-Einsparungen, die wir uns vorge-
nommen haben, erreichen. Deswegen bitte ich da um ein
bisschen mehr Technologieoffenheit. Ich bitte auch da-
rum, dass hier in Forschungsgelder investiert wird und
die Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, un-
terstützt werden, damit Deutschland hier federführend
bleibt.
Es bestehen allerdings – das möchte ich durchaus kri-
tisch ansprechen – hohe Erwartungen an die Umsetzung.
Man denkt an große Transportleitungen und unterirdi-
sche Speicherung. Aber wir wissen bisher noch nicht,
was damit gemacht werden kann.
Es gibt vielleicht auch die Möglichkeit, dass CO2 irgend-
wann einmal nicht mehr nur als Schadstoff gesehen
wird, sondern auf eine bestimmte Weise genutzt werden
kann, zum Beispiel zum Anbau von Algen, also die
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Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Martin
erster das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bündnis 90/
ie Grünen fordern in einem der Anträge, klima- und
mweltschädigende Subventionen abzubauen.
ch verhehle nicht die Sympathie für die Ansätze. Das
iest sich zunächst ganz gut. Aber wenn es doch so ein-
ach wäre, wie es sich im Antrag der Grünen liest!
Ich meine, es ist eine sehr eindimensionale Sichtweise,
ie in diesem Antrag zutage tritt. Nachhaltige Finanz-
nd Umweltpolitik kann, so meine ich, nicht die Rahmen-
edingungen ignorieren, denen wir alle ausgesetzt sind
aktuelle Entwicklungen, globale und europäische Zu-
ammenhänge –, und auch nicht Zielkonflikte mit ande-
en Politikfeldern verschweigen.
Es stellt sich die Frage: Sind unsere Probleme dann
elöst, wenn wir Subventionen kürzen? Ich meine, Nein.
s droht ein Verschiebebahnhof, womöglich eine Ver-
chlimmerung durch Verlagerung der Emissionen in an-
ere Länder. Wenn Wettbewerbsverzerrungen stattfinden
nd Produktion ins Ausland abwandert, ist nicht unbe-
ingt dem Klimaschutz geholfen. Womöglich werden
adurch Arbeitsplätze aus Deutschland verlagert.
Ich meine, der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen
erkennt, dass sich die Große Koalition und die Bundes-
egierung in der Subventions- und in der Steuerpolitik
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21187
)
)
Martin Gerster
verpflichtet haben, klimapolitische Ziele zu berücksich-
tigen. Ich bin aber auch der Meinung, dass wir gerade
bei umwelt- und klimapolitischen Maßnahmen schauen
müssen, welche Auswirkungen diese Maßnahmen auf
andere Politikbereiche, auf Wirtschaft und auf Arbeits-
plätze haben.
Die Behauptung, die in dem Antrag von Bündnis 90/
Die Grünen aufgestellt wird, die Bundesregierung ver-
zerre durch Steuerprivilegien den Wettbewerb zugunsten
fossiler Energiequellen, ist bestenfalls die halbe Wahr-
heit; denn wir fördern erneuerbare Energien massiv, bei-
spielsweise durch das Marktanreizprogramm für den
Wärmebereich, beispielsweise im Strombereich über
Einspeisevergütungen nach dem EEG. Ich denke, auch
das gehört zur Wahrheit. Insofern zeigt die Darstellung
in Ihrem Antrag eine eindimensionale Sichtweise.
Zu Ihren Forderungen im Einzelnen. Sie fordern den
beschleunigten Abbau der Steinkohlesubventionen.
Das ist genau dieser Zielkonflikt. Wir wollen natürlich
etwas abbauen, aber natürlich sozialverträglich. Sie ver-
kennen, dass ein Großteil der Subventionen für die Still-
legung vorgesehen ist. Ein beschleunigter Abbau wäre
klimapolitisch natürlich wirkungslos, weil die deutsche
Steinkohle durch Importe ersetzt werden würde.
Sie fordern außerdem, Steuerprivilegien für die Nut-
zung von Stein- und Braunkohle zu beseitigen. Energieer-
zeugnisse, die für die Stromgewinnung verwendet wer-
den, sind laut Energiesteuerrichtlinie zwingend von der
Energiesteuer zu befreien. 90 Prozent der in Deutschland
verwendeten Stein- und Braunkohle werden für die
Stromerzeugung eingesetzt und sind daher von der Ener-
giesteuer befreit.
Ich habe in Erinnerung, dass wir doch alle in diesem
Hause mitgetragen haben, dass wir von der Möglichkeit
in der Energiesteuerrichtlinie Gebrauch machen, dass
Kohle zu privaten Heizzwecken von der Steuer befreit
wird. Das machen wir befristet bis zum 31. Dezember
2010. Ich meine, dass dies eine richtige Entscheidung
ist, weil dies privaten Haushalten hilft, die sonst Schwie-
rigkeiten hätten, die Heizkosten überhaupt zu stemmen.
Fazit: Wir streben europäische und globale Lösungen
an. Ich meine, die Finanzmarktkrise ist nicht das Ende
des Klimaschutzes, sondern eine Chance.
Letzter Satz, Frau Präsidentin: Ich unterstütze das,
Wenn wir im
neuen Jahr ein neues Konjunkturpaket schnüren, sollten
wir natürlich insbesondere die Branchen und Sektoren
einbeziehen, die ökologisch und nachhaltig ausgerichtet
sind. Deshalb glaube ich, dass wir bei all dem, was wir
bislang aus dem Hause von Sigmar Gabriel gehört ha-
ben, insgesamt gut aufgestellt sind.
Herzlichen Dank.
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Ein Weiteres ist uns aufgegeben. Wir können all diese
Leistungen in den Entwicklungsländern nicht erbringen,
wenn wir nicht umfangreiche finanzielle Mittel dorthin
fließen lassen. Das geht zum einen nur über den Haus-
halt selbst; das geht zum anderen aber auch über den
Verkauf von Emissionszertifikaten. Wir setzen uns dafür
ein, dass zumindest ein Teil der Erlöse in den Anpas-
sungsfonds fließt und auf diese Weise in die Entwick-
lungsländer gelangt. Wir meinen, dass ein weiterer Weg
– wir haben ihn vorgeschlagen; er wurde bereits einge-
schlagen; das Instrument ist vorhanden – die Möglich-
keiten des CDM sind. Die Industrieunternehmen haben
auf diesem Weg die Möglichkeit, ihr Zuviel an Emissio-
nen durch Einsatz in den Entwicklungsländern bzw. in
den Schwellenländern auszugleichen, um insgesamt eine
Verminderung der Emissionen zu erreichen.
Meine Damen und Herren, in meinem kurzen Beitrag
wollte ich nur darauf hinweisen, dass ein enger Zusam-
menhang zwischen Klimaschutz auf der einen Seite und
Entwicklungspolitik auf der anderen Seite besteht. Es
geht darum, dass die Entwicklungspolitik Hand in Hand
mit dem Klimaschutz geht.
Danke schön.
Das Wort hat der Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel.
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Daher ist Ihr Eindruck ein bisschen von der Nutzbarkeit
für die innenpolitische Debatte geprägt. Ich muss Ihnen
offen sagen: Wenn ich Ihnen und dem Kollegen Fell zu-
höre, habe ich den Eindruck, dass Sie die Vorstellung ha-
ben, dass wir einfach mal nach Europa gehen können
und die Polen, die Ungarn und die Italiener dann schon
machen werden, was wir wollen. Herr Fell hat gestern ja
auch noch vorgeschlagen, dass wir durchsetzen, dass die
Italiener und alle anderen ein mit dem deutschen Erneu-
erbare-Energien-Gesetz vergleichbares Gesetz machen.
Als ob Herr Berlusconi auf Anweisung regieren würde!
Sie haben ein etwas unilaterales Weltbild, muss ich ein-
mal sagen. Ich weiß nicht, ob Sie sich um die Nachfolge
von Herrn Bush bewerben wollen.
Es ist schon so, dass Sie Zustimmung brauchen. Sie kön-
nen nicht einfach in eine Konferenz gehen, egal ob in
Brüssel oder in Posen, und dort sagen: Alles hört auf
mein Kommando! Das ist vielleicht Ihre Vorstellung.
Bei den Linken überrascht mich diese Vorstellung üb-
rigens nicht mehr. Ich habe heute gehört, wie Oskar
Lafontaine Demokratie definiert. Nach ihm hat das
nichts mehr mit Formalien und Mehrheiten zu tun, son-
dern: Wer das Richtige meint, der ist Demokrat, und wer
das Falsche meint, ist kein Demokrat. Nachdem ich das
heute gehört habe, überrascht mich Ihr Weltbild nicht
mehr. Ich halte diese Rede von Herrn Lafontaine für eine
der brandgefährlichsten Reden, die ich im Deutschen
Bundestag je gehört habe.
Wissen Sie, was der eigentliche Mehrwert ist? Die
Europäische Union marschiert als Gemeinschaft. Wir
bringen mehr aufs Tableau als die Summe unserer Ein-
zelinteressen. Es gibt in der Welt keine Region, die so
weit gegangen ist wie die Europäische Union. Es gibt
auf der Welt übrigens auch kein Land, das seine Be-
schlüsse so weit umgesetzt hat wie die Bundesrepublik
Deutschland. Frau Kollegin Höhn, man kann immer sa-
gen: Man muss noch mehr machen. Da bin ich Ihrer
Meinung. Ich fände es auch schöner, wenn die Osteuro-
päer auf die Teilauktionierung verzichtet hätten. Der
Mehrwert misst sich aber auch ein bisschen an der Ant-
wort auf die Fragen: Wo stehen wir? Wo stehen die an-
deren? Wo wollen wir hin? Ich finde, das ist ein gewalti-
ger Schritt, der da geleistet worden ist. Ich bin ganz
beruhigt. Die Kritik, ob sie von Herrn Schellnhuber
kommt oder anderen, beunruhigt mich nicht besonders.
Ich glaube, dass wir in ein paar Jahren in den
Geschichtsbüchern lesen werden, dass die Umkehr der
Energie- und Klimapolitik zu einer Low Carbon
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ie sollen wir den Menschen Mut machen, sich auf un-
eren Weg zu begeben, wenn Sie diesen Weg öffentlich
iskreditieren? Sie sind sehr kurzfristig unterwegs.
Herr Kollege Gabriel, eine Zwischenfrage kann ich
icht mehr erlauben, obwohl die Kollegin Höhn sich
azu meldet. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen,
ass Sie jetzt auf Kosten der Redezeit der Rednerin der
PD-Fraktion weiterreden.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
chutz und Reaktorsicherheit:
Ja, Frau Präsidentin, ich schließe meine Rede mit dem
ußerordentlichen Bedauern, dass ich nicht noch ein biss-
hen mit Frau Höhn diskutieren kann. Es klärt sehr da-
über auf, mit wie kleiner Münze derzeit bei den Grünen
ezahlt wird.
Vielen Dank.
21190 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat die Kollegin
Gabriele Groneberg für die SPD-Fraktion das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! In der Tat, als letzter Rednerin bleibt ei-
nem oft nicht mehr viel. Ich hatte über Strecken den Ein-
druck, dass wir uns nur über bestimmte Faktoren für den
Klimaschutz hier im Inland unterhalten, aber nicht wirk-
lich über das große Ganze. Deshalb bin ich dem Herrn
Kollegen Geis dankbar, dass er das wieder auf eine ver-
nünftige Ebene zurückgeholt hat. Ich muss allerdings
auch sagen, Herr Kauch, dass mir bei Ihrer Rede einiges
aufgestoßen ist. Sie haben tatsächlich den Eindruck hin-
terlassen, als ob wir gar nichts für den internationalen
Klimaschutz tun,
vor allen Dingen nicht für den Schutz und den Erhalt
von Tropenwäldern und für die Biodiversität.
– Nein, nein, ich habe da sehr gut aufgepasst. Sie können
es selber im Protokoll nachlesen, falls es Ihnen entfallen
sein sollte. Beginnende Alzheimer kann man ja manch-
mal feststellen.
Eines muss ich jetzt deutlich sagen. Dafür will ich ein
konkretes Beispiel nennen, Herr Friedrich, und zwar den
Yasuni-Nationalpark in Ecuador. Unter diesem National-
park liegen riesige Erdölvorkommen. Natürlich würde
Ecuador als armes Land gerne diese Erdölvorkommen
ausbeuten. Das wären Milliarden US-Dollar an Einnah-
men für dieses kleine arme Land.
In diesem Nationalpark steht aber auch der soge-
nannte Käferbaum. Er wurde so getauft, weil er eine Be-
sonderheit hat. Auf diesem Baum, den mein Kollege
Sascha Raabe ganz besonders liebt, leben mehr Käferar-
ten, als wir insgesamt in Europa finden können. Wenn
das kein Artenreichtum ist, dann weiß ich nicht mehr,
was man als Artenreichtum bezeichnet.
Von diesem Baum gibt es in diesem Nationalpark
ganz viele. Was tun wir, um diesen Baum zu schützen?
Wir unterstützen die Ecuadorianer dabei, diesen Arten-
reichtum in ihrem Land zu erhalten, indem sie darauf
verzichten, diese Erdölvorkommen auszubeuten. Wir
unterstützen sie mit Ausgleichszahlungen, dass sie die-
sen Wald erhalten. Es hat in der Tat länger gedauert, um
zu einem solchen Abkommen zu kommen, das auf inter-
nationaler Ebene durchaus vorbildlich ist. Ich hätte mir
wirklich gewünscht, Herr Kauch, dass Sie einmal he-
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Deshalb will ich zunächst erklären, warum es hier zu ei-
nem Regiewechsel gekommen ist.
Die Uhr zeigt 14.59 Uhr. Um 15 Uhr beginnt im
Kanzleramt das Gespräch der Kanzlerin mit den Minis-
terpräsidenten. Hier machen wir Stadtentwicklungspoli-
tik in der Theorie, und im Kanzleramt geht es um die
Praxis.
Es ist daher wichtig und sinnvoll, dass Herr Minister
Tiefensee die vielen positiven Elemente, die wir gerade
in der Stadtentwicklungspolitik in die Diskussion gewor-
fen haben, in das Gespräch einbringt.
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In Berlin-Neukölln zum Beispiel kann man sehen,
was die Stadtteilmütter leisten. Stadtteilmütter sind
Frauen mit Migrationshintergrund. Sie bauen Kontakte
zu Familien ihrer ethnischen Herkunftsgruppe auf und
beraten sie bei Hausbesuchen, gerade in Bildungs- und
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Ich habe in vielen Reden darauf hingewiesen, dass
ir oft so tun, als würden wir zum ersten Mal mit einem
roblem konfrontiert. Wenn mir die schnelllebige Zeit
nd die Herausforderungen im politischen Alltag die
eit lassen, dann nehme ich wie viele von Ihnen auch
in und wieder ein Buch zur Hand. Zurzeit liegen die
istorien von Herodot auf meinem Nachttisch, die er
or rund 2 500 Jahren geschrieben hat. Legen Sie mich
ber nicht auf das genaue Jahr und den Monat fest. Ich
abe eben von kultureller Toleranz gesprochen. Dazu
ill ich einen kurzen Passus zitieren:
Mir ist es ganz klar,
schreibt Herodot –
dass Kambyses wahnsinnig war.
Das war wohl ein ziemlich nationalistischer Geselle. –
Er hätte sonst die fremden Gottheiten und Gebräu-
che nicht verhöhnt. Denn wenn man an alle Völker
der Erde die Aufforderung ergehen ließe, sich unter
all den verschiedenen Sitten die vorzüglichsten aus-
zuwählen, so würde jedes, nachdem es alle geprüft,
die seinigen allen anderen vorziehen. So sehr ist je-
des Volk überzeugt, dass seine Lebensformen die
besten sind. Wie kann daher ein Mensch mit gesun-
den Sinnen über solche Dinge spotten!
Kulturelle Toleranz und Integrationspolitik sind also
icht nur ein Thema, mit dem wir uns heute beschäftigen
üssen, sondern das gab es schon immer. Wir wissen,
ass Städte gedeihen und schrumpfen, dass sie ihre Blüte
aben, in Krisen kommen, wachsen und wieder
chrumpfen. All das ist ein Prozess der Geschichte. Wir
üssen uns diesem Prozess immer wieder stellen und
hn beherrschbar machen.
Ich will nur kurz anreißen – vieles wird bereits in den
orliegenden Anträgen ausgeführt –, dass wir uns diesen
erausforderungen auf vielfältige Weise stellen werden.
ir haben die integrierte Stadtentwicklungspolitik seit
ehn Jahren weitergeführt und neue Programme wie das
rogramm „Soziale Stadt“, den Stadtumbau West und
en Stadtumbau Ost aufgelegt. Wir haben die Städte-
auförderung weiterentwickelt und auf die familien- und
ltengrechte Stadt fokussiert. Wir haben die Probleme
21194 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Parl. Staatssekretär Achim Großmann
der Innenstadt herausgestellt und den städtebaulichen
Denkmalschutz auch für den Westen wieder aktiviert,
nachdem die städtebaulichen Entwicklungsprogramme
in den neuen Bundesländern sehr erfolgreich gelaufen
sind. Außerdem haben wir uns seit geraumer Zeit auch
um die klimapolitischen Schwierigkeiten der Städte und
die Umweltbedingungen, die zunehmend schlechter ge-
worden sind, gekümmert. Wir tun etwas für die Gebäu-
desanierung, aber wir unterstützen die Kommunen über
einen Infrastrukturpakt auch ganz gezielt beim Erhalt ih-
rer sozialen Einrichtungen wie Schulen, Kindertagesstät-
ten und Sportstätten.
Wir sind sehr gut aufgestellt, und ich freue mich auf
die Diskussion. Ich verspreche Ihnen – das soll mein Fa-
zit sein –, dass wir bei der Stadtentwicklungspolitik auch
weiterhin die Avantgarde in Europa sein werden.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Patrick Döring,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der Herr Staatssekretär hat zu Recht festgestellt, dass es
in den Stadtentwicklungsprogrammen viele positive Ak-
zentveränderungen gibt, die wir als FDP unterstützt ha-
ben und unterstützen. Aber ich hätte mir schon ge-
wünscht, Herr Großmann, dass Sie in den zehn Minuten,
gerade nachdem Sie mit dem aktuellen Bezug begonnen
haben, auch etwas zur Position des Bundesbauministeri-
ums zu einem Konjunkturprogramm für Kommunen un-
ter dem Aspekt Ost oder West – dies beherrscht ja, wenn
ich es richtig sehe, die heutige Medienlandschaft – ge-
sagt hätten. Diese Gelegenheit haben Sie leider ausgelas-
sen.
Auch ist von Ihnen der Eindruck erweckt worden, das
Bündeln vorhandener Förderprogramme sei schon eine
Strategie. Das ist es nicht.
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Stadtent-
wicklungspolitik Querschnittspolitik ist. Da man eine
solche Debatte als Oppositionsfraktion mit nur acht Mi-
nuten Redezeit nicht dazu nutzen sollte, der Regierung
zu bestätigen, was man genauso sieht, werde ich deutlich
machen, wo im Hinblick auf die Strategie die Pro-
gramme, die Reden und die Lyrik mit der praktischen
Politik der Bundesregierung einfach nicht in Einklang zu
bringen sind.
Sie haben bei der Unternehmensteuerreform dafür ge-
sorgt, dass die Kosten für Mieten und Pachten in den gu-
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Natürlich stehen wir weltweit vor riesigen Herausfor-
derungen, die weder lokal noch national bewältigt wer-
den können. Gegen die Finanzmarktkrise kann nur inter-
national abgestimmt vorgegangen werden. Dies gilt auch
für die Krise der Realwirtschaft und für die notwendigen
Entscheidungen zum Klimawandel. Die Bundesregie-
rung mit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel an der
Spitze hat in einer weltweit schwierigen Phase national
und international eindrucksvoll, schnell, gut und richtig
reagiert. Viele der getroffenen Entscheidungen entfalten
ihre volle Wirkung allerdings nur, wenn sie vor Ort in
den Städten und Gemeinden zügig umgesetzt werden.
Die Kommunen sind in der Lage, schnell und flexibel zu
handeln. Man muss sie nur lassen.
In den letzten drei Jahren haben wir in der Großen
Koalition sehr viele kommunalfreundliche Entscheidun-
gen getroffen, die bei der Stadtentwicklung positive Wir-
kungen zeigen.
Erstens. Das hat unter anderem dazu geführt, dass die
in Schieflage geratenen kommunalen Haushalte heute
besser dastehen als je zuvor. Nach dem kommunalen De-
fizit zu Beginn dieser Legislaturperiode haben die Kom-
munen im vergangenen Jahr einen Überschuss von
8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Dadurch war es in vie-
len Städten und Gemeinden möglich, die allernotwen-
digsten Investitionen bei Schulen, Kindergärten und
Straßen überhaupt anzugehen. Trotzdem besteht nach
wie vor auf kommunaler Ebene großer Handlungsbe-
darf, und zwar in Ost und West. Wir sollten die sich ab-
zeichnende Wirtschaftskrise nutzen, die kommunale In-
frastruktur zügig in Ordnung zu bringen.
Investitionen in Bildung und Infrastruktur werden dafür
sorgen, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervor-
geht.
Zweitens. Wir haben im Baugesetzbuch das Pla-
nungsrecht modernisiert und damit Vorfahrt für die In-
nenstadtentwicklung gegeben. Mit der Vereinfachung
von Bebauungsplanverfahren im Innenbereich stärken
wir die Reaktivierung der Innenstädte und Stadtteilzen-
tren als wichtige Orte sozialer und kultureller Begeg-
nung und sichern zusätzlich eine verbrauchernahe Ver-
sorgung.
Drittens. Ich gehe davon aus, dass wir morgen über
die Modernisierung des Vergaberechts entscheiden. Dort
wird unter anderem klargestellt, dass Grundstücksveräu-
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ir brauchen bei Wohnungssanierungen und Moderni-
ierungen Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter.
ie Verankerung des Klimaschutzes im Mietrecht kostet
en Steuerzahler nichts, hilft aber Mietern und der Um-
elt.
Damit allein ist es jedoch noch lange nicht getan.
enschen in den Städten leiden unter zunehmendem
erkehr und seinen negativen Wirkungen wie Lärm,
uftverschmutzung, Unfallgefahr und Staus. Es ist daher
rforderlich, Mobilität städteverträglich auszugestalten.
ir brauchen die Stadt der kurzen Wege. Durch eine
ünstige Mischung von Nutzungen ist dies durchaus
achbar. Es macht eigentlich wenig Sinn, am einen
nde der Stadt zu wohnen und am anderen Ende zu ar-
eiten und täglich mit dem Auto morgens und abends
uer durch die Stadt zu fahren, um zum Arbeitsplatz
der nach Hause zu kommen.
Sechstens. Einen wichtigen Anteil der Entwicklung
nserer Städte hat in den letzten Jahrzehnten die klassi-
che Städtebauförderung eingenommen. Vom Bund wur-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21197
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Peter Götz
den bis Ende dieses Jahres insgesamt 12,5 Milliarden
Euro an Finanzhilfen zur Verfügung gestellt. Der Auf-
trag der Städtebauförderung ist allerdings noch nicht er-
füllt. In vielen Kommunen gibt es nach wie vor großen
Handlungsbedarf. Innerstädtische Brachflächen der In-
dustrie oder ehemaliger militärischer Liegenschaften
warten dringend auf ihre Aktivierung. Die wenigsten
Kommunen können diese Aufgabe allein schultern. Sie
sind auf die Solidarität von Bund und Ländern angewie-
sen. Wir sollten prüfen, Herr Staatssekretär, ob und wie
wir den investiven Teil der Städtebauförderung noch
weiter aufstocken können. Die klassische Städtebauför-
derung gehört zu den erfolgreichsten Förderinstrumen-
ten für unsere Innenstädte der letzten 30 Jahre.
Sie weiterzuentwickeln und auf hohem Niveau zu ver-
stetigen, wäre durchaus sinnvoll.
Ein Hinweis, der mir sehr am Herzen liegt, sei mir in
diesem Zusammenhang gestattet: Die meisten Natur-
steinmaterialien, die bei Stadtsanierungsvorhaben ver-
wendet werden, kommen aus Indien. Sie kosten etwa ein
Fünftel eines Steines aus deutscher Produktion. Men-
schenrechtsorganisationen schätzen, dass von der Mil-
lion Menschen, die in indischen Steinbrüchen arbeiten,
etwa 150 000 minderjährig sind. Deren Arbeitsbedin-
gungen kann sich jeder vorstellen. Die Lebenserwartung
dieser Menschen liegt bei 35 bis 38 Jahren.
Inzwischen gibt es viele Städte in Deutschland, die
sich selbst verpflichtet haben, keine Baumaterialien zu
kaufen, bei denen nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist,
dass sie nicht durch Kinderhand hergestellt wurden.
Das kostet sicher mehr, aber wir müssen unsere Fußgän-
gerzonen nicht auf dem Rücken von Kindern pflastern,
die dafür ihre Gesundheit und ihr Leben ruinieren.
Unsere Städte besitzen ein hohes Maß an Lebensqua-
lität. Sie vermitteln ein Gefühl von Heimat und Gebor-
genheit. Die meisten Menschen identifizieren sich mit
der Stadt, in der sie leben. Viele, vor allem ältere Men-
schen, ziehen aus dem Speckgürtel zurück in die Innen-
städte. Wir erleben so eine Renaissance der Stadt. Die
Kommunen stellen sich durch einen altersgerechten Um-
bau darauf ein.
Die Städte und Gemeinden sind das Fundament unse-
res Staates. Unser Ziel muss sein, sie als Motoren für die
Wirtschaft zu stärken.
Internationale Wettbewerbsfähigkeit, sozialer Zusam-
menhalt in unserer Gesellschaft und eine nachhaltige
Entwicklung sind maßgeblich von gesunden und attrak-
tiven Städten abhängig. Wir sollten uns im Deutschen
Bundestag öfter damit auseinandersetzen.
Herzlichen Dank.
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zugleich Kommunikation und Rückzug. Stadt soll Raum
für große und kleine Angelegenheiten geben. Kurzum:
Stadt soll ein Ort sein, der den Menschen gut tut, und ich
meine ausdrücklich alle Menschen.
Das Projekt linke Stadt der Zukunft hat in diesem
Sinne durchaus emanzipatorischen Charakter. Dafür ste-
hen für uns folgende Prinzipien: keine Ausgrenzung,
egal aus welchen Gründen, kein einseitiger Stadtumbau
nur auf die Wohnungswirtschaft ausgerichtet, sondern
am menschlichen Bedürfnis des Zusammenlebens orien-
tiert. Stadtumbau soll verstanden werden als ein komple-
xer, die gesamte Kommune fordernder und sich ständig
selbst verändernder Prozess. Dieser Prozess reicht von
der Wohnungswirtschaft – aber nicht eben nur von dieser
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as habe ich nicht verstanden, aber vielleicht haben wir
m Rande des Plenums noch einmal Zeit, uns darüber
uszutauschen.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21199
)
)
Peter Hettlich
Ich fand, dass das Thema verfehlt war. Du hast ein
Sammelsurium von allen möglichen Punkten zusam-
mengepackt, das du unbedingt loswerden wolltest. Wir
diskutieren heute aber über den Tagesordnungspunkt 7
– Stadtentwicklung – und nicht über das Thema Energie-
einsparungsgesetz.
Über den Sinn oder Unsinn von Nachtspeicheröfen kön-
nen wir beispielsweise morgen diskutieren.
Die meisten meiner Kollegen haben ja schon gesagt:
Die Städte stehen vor gewaltigen Herausforderungen,
und zwar nicht erst seit heute: Ich nenne beispielsweise
den demografischen Wandel und die Tragfähigkeit der
Infrastruktur. Mit all diesen Dingen werden wir uns in
den nächsten Jahren und Jahrzehnten ausgiebig ausein-
andersetzen müssen.
Mir ist aber auch wichtig, in dieser Debatte noch ein-
mal anzumerken, dass es eine sehr starke heterogene
Entwicklung gibt und wir nicht alles über einen Kamm
scheren dürfen, dass wir Stadtentwicklungspolitik also
immer sehr stark nach regionalen Spezifika betrachten
müssen. Selbst im Osten fällt die Entwicklung schon
wieder auseinander. Auch die im Westen ist nicht homo-
gen. Schrumpfende Regionen und wachsende Regionen
stehen nebeneinander. Insofern können die Fragen, de-
nen wir uns stellen müssen, nicht mit einem Patentrezept
beantwortet werden. Wir müssen intelligente Lösungen
finden, die in einem hohen Maß integrierte und integra-
tive Stadtentwicklungspolitik berücksichtigen.
Aus meiner Sicht geht es darum, dass wir denjenigen
möglichst viel Autonomie zubilligen, die vor Ort die Sa-
chen umsetzen müssen. Das heißt, die Akteure stehen
aus meiner Sicht gerade bei einer künftigen intelligenten
Stadtentwicklungspolitik im Zentrum. Wir erleben es
heute auch immer wieder, dass wir hier einen Spagat ma-
chen. Wenn wir als Bundespolitiker hier über Stadtent-
wicklungspolitik diskutieren, kommt reflexartig immer
wieder der Vorwurf, wir griffen in die kommunale Pla-
nungshoheit ein. Wir haben das ja schon oft genug dis-
kutiert, lieber Peter Götz. Ich glaube, es besteht kein An-
lass zu der Befürchtung, dass irgendjemand aus diesem
Gremium oder aus dem Ministerium die Axt an die Wur-
zel der kommunalen Planungshoheit legt.
Ich denke, dass wir aber auch die Verpflichtung ha-
ben, über diese Themen zu diskutieren. Die Gedanken
sind frei, und ich lasse mir nicht verbieten, auch auf
Bundesebene über Stadtentwicklung zu diskutieren. Es
ist dabei wichtig, wie der Kollege Großmann eben schon
zu Recht gesagt hat, dass nicht nur ein vertikaler, son-
dern auch ein horizontaler Gedankenaustausch stattfin-
det, also Kommunikation zwischen den Akteuren in
Bund, Ländern und Kommunen. Ich denke, das ist eine
der zentralen Aufgaben. An der Stelle wünsche ich dem
Bundesminister Tiefensee viel Erfolg bei seinen Bespre-
chungen mit den Ministerpräsidenten. Ohne die Mitwir-
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21200 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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Peter Hettlich
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Thema kommt
mir in der Debatte etwas zu kurz. Peter Götz hat es in
seiner Rede kurz angerissen. Es handelt sich um das
Thema „Städtischer Verkehr“. Ich möchte Ihnen dazu
kurz etwas zitieren:
Es ist noch viel zu tun, um unsere Städte wieder le-
benswert zu machen und zu erhalten. Zu lange sind
wir der Faszination des Autos erlegen. Zu lange ha-
ben wir offenen Auges mit angesehen, wie unsere
Siedlungen für den Individualverkehr zerstört wur-
den, an Humanität verloren … für viele Menschen,
insbesondere für alte Leute und Kinder, ist das Le-
ben in einer Stadt oft eine Bedrohung. … Viele der
Bedrohungen gehen vom Auto aus: Lärm, Abgase,
Unfälle, Schäden an Umwelt und Gebäuden, Ver-
lust an Urbanität.
Wer hat das geschrieben? Es war Oscar Schneider, da-
mals, nämlich 1986, CSU-Minister für Raumordnung,
Bauwesen und Städtebau. Das macht deutlich: Bei dem
Thema „Stadt und Verkehr“ ist es nicht so, dass wir
keine Erkenntnisse hätten. Vielmehr besteht ein Umset-
zungsdefizit. Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass wir uns
mit dem Thema stärker auseinandersetzen und im Kon-
text einer nationalen Stadtentwicklungspolitik – die
Bundesregierung hat ja angekündigt, am Aktionsplan
„Stadtverkehr“ der EU mitzuwirken – über dieses
Thema diskutieren.
Wir können das Thema nicht einfach ausblenden. Ich
denke, dass ich dazu nicht mehr viel sagen muss, weil
den meisten die Dimension des Problems bewusst ist. Im
Zusammenhang mit dem Thema Verkehr spielt auch die
Suburbanisierung eine Rolle, die offensichtlich unverän-
dert bestehen bleibt. Wenn man den Zahlen des Statisti-
schen Bundesamtes Glauben schenken darf, dann beträgt
der Flächenverbrauch nach wie vor 114 Hektar pro Tag.
Das ist viel zu viel.
Offensichtlich kommen wir da mit unserer ursprüngli-
chen Strategie nicht voran, mit der der Flächenverbrauch
auf 30 Hektar pro Tag reduziert werden sollte. Da Ver-
kehr und Suburbanisierung zusammengehören, müssen
wir die Themen auch ganzheitlich betrachten und disku-
tieren.
Last, but not least eine Bemerkung zu den Kommu-
nen. Die Kommunen sind auf der einen Seite durchaus
Opfer von bestimmten Entwicklungen. Auch hinsicht-
lich der Finanzausstattung der Kommunen müssen so-
wohl der Bund als auch die Länder einmal in sich gehen.
Aber die Kommunen haben nicht nur Rechte, sondern
auch Pflichten. Auch sie müssen in diesem Kontext eine
Rolle spielen und diese ernst nehmen. Sie können nicht
auf der einen Seite auf den Bund schauen, wenn es um
das Finanzielle geht, aber auf der anderen Seite fordern,
dass der Bund sich heraushält.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Weis, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie
ir eine kleine Vorbemerkung. Statt meiner üblichen
ritik an der nächtlichen Stunde, zu der wir in der Regel
ber die Themen Stadtentwicklung, Städtebau und Woh-
ungswesen diskutieren, will ich heute einmal ein klei-
es Lob aussprechen. Wir debattieren heute immerhin
ei Tageslicht. Vielleicht sollten wir uns vornehmen, in
ieser Legislaturperiode noch zu erreichen, dass wir ein-
al zur Kernzeit diskutieren. Das wäre mein innigster
unsch.
Wenn wir heute über die Initiative zur Nationalen
tadtentwicklungspolitik sprechen, über den Antrag der
olleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion und
ber den Antrag der Koalitionsfraktionen zur Fortset-
ung der integrierten Stadtentwicklung, dann tun wir vor
llem eines: Wir ziehen schon jetzt, auch wenn die Le-
islaturperiode noch nicht ganz zu Ende ist, eine überaus
ositive Bilanz unserer Arbeit. Wir verpflichten uns da-
über hinaus zu weiteren Anstrengungen, die weit über
iese Legislaturperiode hinausweisen und insofern auch
nsere – ich kann jedenfalls für mich sprechen – Nach-
olger und Nachfolgerinnen beschäftigen werden.
Die Initiative zur Nationalen Stadtentwicklungspoli-
ik, die, wenn wir uns recht erinnern, in ihrer Entste-
ungsphase zunächst ein wenig kritisch beäugt worden
st, hat sich, wie ich meine, in ganz kurzer Zeit zu einer
rfolgsgeschichte gemausert. Zum einen hat sich die Be-
eutung der Städte und Regionen für die Wettbewerbsfä-
igkeit unseres Landes im Angesicht großer Herausfor-
erungen, aber auch großer Chancen im Bewusstsein
ller Beteiligten festgesetzt. Zum anderen hat sich die
edeutung aller Akteure im Rahmen der Stadtentwick-
ung – nicht nur des Staates, sondern auch all derer, die
taatssekretär Großmann schon genannt hat – im Sinne
iner echten Gemeinschaftsaufgabe erhöht. Man spricht
ieder über die Stadt und über die Stadtpolitik. Die Na-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21201
)
)
Petra Weis
tionale Stadtentwicklungspolitik schafft eine Plattform,
die Entscheidungen auf allen Ebenen wirkungsvoll vor-
bereitet, indem sie, wie ich meine, Trends formuliert und
nachahmenswerte Handlungs- und Lösungsansätze auf-
greift und sie konsensfähig macht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft und mit der Verabschiedung der
Leipzig-Charta haben wir die Grundlage für eine euro-
päische Stadtpolitik nach unserem Vorbild geschaffen.
Ich denke, das ist eine ganz große Leistung in dieser Le-
gislaturperiode und unseres Hauses.
Die Nationale Stadtentwicklungspolitik ergänzt und
komplettiert das bisher Erreichte. Wir haben die Vorga-
ben der Vorgängerregierung – wenn ich mir das mit
Blick auf unseren jetzigen Koalitionspartner zu sagen er-
lauben darf – weiterentwickelt und können heute selbst-
bewusst feststellen, dass wir in dieser Legislaturperiode
die Politik für eine zukunftsgerichtete Entwicklung un-
serer Städte zu einem öffentlichen Thema gemacht ha-
ben, das es, wie ich freudig zur Kenntnis genommen
habe, nicht nur in die Fachredaktionen, sondern gele-
gentlich auch auf die Titelseiten und in die Feuilletons
der Tageszeitungen geschafft hat.
Wir haben ebenso – das ist natürlich zum Großteil ein
sicheres Fundament unserer Arbeit – die Fördermittel
des Bundes in diesem Bereich auf einem hohen Niveau
verstärkt und verstetigt – Herr Kollege Götz hat bereits
darauf hingewiesen – sowie durch die Entwicklung inno-
vativer, kreativer und vor allen Dingen problemlösungs-
orientierter Programmansätze die notwendigen Hand-
lungsanreize gesetzt, damit sich unsere Städte nachhaltig
entwickeln können. Umso mehr sollten wir weiter an der
Optimierung des bisher Erreichten arbeiten.
Die großen Herausforderungen, denen die Stadtent-
wicklungspolitik begegnen muss, sind schon angespro-
chen worden. Ich will sie noch einmal ganz kurz nennen.
Es geht natürlich darum, dem demografischen Wandel
und dem Klimawandel zeitgemäß zu begegnen. Zudem
geht es um die Integration von Menschen mit Migrations-
hintergrund und nicht zuletzt darum, den sozialen Zu-
sammenhalt in unseren Städten zu sichern.
Darauf antworten wir meines Erachtens nicht nur mit
unseren profilierten ziel- und ergebnisorientierten Pro-
grammen, sondern auch mit unserem klaren gesell-
schaftspolitischen Anspruch. Wir wollen uns aktiv an
der Entwicklung der sozialen und klimagerechten Stadt
beteiligen. Dabei setzen wir auf eine intensive Koopera-
tion aller Akteure vor Ort und in der Region sowie auf
eine ebensolche Kooperation der beteiligten staatlichen
Ebenen. Ich habe mich sehr gefreut, dass Staatssekretär
Großmann diesen Aspekt vorhin in den Mittelpunkt sei-
ner Rede gestellt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Städte und
Stadtregionen sind stark und leistungsfähig. Sie sind – ganz
im Sinne des Modells der europäischen Stadt – kompakt,
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Die soziale Stadt muss immer auch eine generationen-
gerechte Stadt sein. Ich bin außerordentlich froh darüber,
dass unsere Initiative zur Förderung des seniorengerech-
ten Umbaus in diesem Jahr Erfolg hatte und wir diese
wichtige Aufgabe seitens des Bundes mit immerhin
80 Millionen Euro fördern.
Denn Barrierefreiheit erleichtert das Leben für alte und
junge Menschen, für bewegungseingeschränkte und für
Menschen mit uneingeschränkter Mobilität gleicherma-
ßen. Deswegen sollten wir dies stärker in das Zentrum
unserer Wohnungspolitik rücken.
Zum Schluss bleibt mir nur noch der Hinweis darauf,
dass ich das Thema Stadtumbau bewusst ausgelassen
habe, weil die Koalitionsfraktionen zur Zukunft des
Stadtumbaus Ost in Kürze einen eigenen Antrag vorle-
gen werden und wir dieses Thema in diesem Rahmen
noch einmal debattieren können.
Ich glaube, dass wir eine Bilanz vorweisen können,
die sich wahrhaftig sehen lassen kann. Wir bekennen uns
zu unserer Verantwortung für die Entwicklung unserer
Städte und Regionen. Wir entwickeln die Instrumente
konsequent weiter und passen sie an die neuen Heraus-
forderungen an. Wir können mit Fug und Recht sagen:
Unsere Aktivitäten und Programme sind innovativ. Sie
sind zielgenau, und damit sind sie natürlich auch nach-
haltig.
Mit der Initiative zur Nationalen Stadtentwicklung
und unserem Antrag zu einem weiteren Ausbau der inte-
grierten Stadtentwicklung gewährleisten wir, dass sich
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n diesem Sinne freue ich mich auf die weitere Beratung
m Ausschuss und auf die zweite und dritte Lesung.
Herzlichen Dank, dass Sie mir zugehört haben.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
enate Blank, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Suchet
er Stadt Bestes“ – das ist ein bekannter alter biblischer
mperativ, dem bis heute oft nur mit Schwierigkeiten ge-
olgt werden kann. Das Beste der Stadt zu finden, ist
weifellos die elementare Aufgabe moderner Stadtent-
icklung.
Vor dem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen
nd Herausforderungen für die Städte und Regionen
inde ich es wichtig, dass die Bundesregierung gemein-
am mit den Ländern und den kommunalen Spitzenver-
änden eine nationale Stadtentwicklungspolitik auf den
eg gebracht hat. Ich finde, es lohnt allemal, den Pfad
om Suchen zum Finden im Rahmen der vorgelegten
andlungsansätze des Bundes zu gehen; denn die Ent-
icklung unserer Städte ist von wesentlicher Bedeutung
ür den nationalen Wohlstand und für das weitere wirt-
chaftliche Wachstum in Deutschland.
Natürlich ist es in erster Linie die Aufgabe der Städte,
hre eigene Entwicklung in die Hand zu nehmen; doch
önnen und müssen Bund und Länder die Kommunen
icht nur finanziell unterstützen. Auch wenn sich ange-
ichts der Finanzkrise dunkle Wolken am Konjunkturho-
izont bilden, müssen alle Bemühungen in einem zwei-
en Konjunkturprogramm unterstützt werden, damit
eitere Mittel zum energetischen Um- bzw. Ausbau und
ur Sanierung von Schulen und Kindergärten zur Verfü-
ung gestellt werden.
tadtentwicklung mit der nötigen Baukultur schafft nicht
ur die Möglichkeit, aktuelle stadtgeschichtliche und
tädtebauliche Trends zu thematisieren, sondern sichert
uch konkret Arbeitsplätze insbesondere im Mittelstand.
Erlauben Sie mir zum Thema „Baukultur und Denk-
alschutz“ den Hinweis, dass die wirtschaftliche Bedeu-
ung von Baukultur und Denkmalschutz oft unterschätzt
ird. Städtisches Leben und Wirtschaften braucht ur-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21203
)
)
Renate Blank
bane Atmosphären und unverwechselbare bauliche Pro-
file.
„Nationale Initiative zur Stadtentwicklungspolitik“
klingt zunächst theoretisch. Praktisch könnte man auch
sagen: Es werden Antworten auf Fragen gegeben, wie
die Bürgerinnen und Bürger in ihren Städten morgen und
übermorgen bauen, wohnen und arbeiten. Es geht nicht
darum, menschliches Leben durch staatliches Handeln
zu verplanen, sondern den Menschen ein urbanes Le-
bensumfeld zu erhalten bzw. neu zu schaffen, in dem sie
ein selbstbestimmtes Leben erfahren können. Deshalb
darf nicht nur gefördert, sondern müssen auch Ziele defi-
niert und Ergebnisse kontrolliert werden, um starke
Städte und Gemeinden mit Menschen voller Kreativität
als stabile Fundamente und Garanten für eine in die Zu-
kunft tragende Entwicklung zu schaffen. Stadtpolitik
und insbesondere Bau- und Entwicklungsplanung sind
steingewordene Gesellschaftspolitik.
Der demografische Wandel wirkt sich mit all seinen
Veränderungen, die er für das Verhältnis zwischen den
Generationen und innerhalb der Generationen mit sich
bringt, sehr stark auf die Großstädte, aber auch auf das
flache Land aus. In unseren Städten treffen unterschied-
liche Gesellschaftsgruppen aufeinander. Die Bewältigung
der latent vorhandenen Konflikte, der soziale Sprengstoff,
stellt Politik und Gesellschaft vor gewaltige Herausforde-
rungen. Das Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ hat
sich seit 1999 zum zentralen Handlungsinstrument ent-
wickelt, um problematischen sozialräumlichen Entwick-
lungen entgegenzuwirken und gemeinsam mit den Ak-
teuren vor Ort eine Stabilisierung und Aufwertung
einzuleiten und zu stützen.
In meinem Wahlkreis habe ich zwei erfolgreiche Bei-
spiele für das Modell „Soziale Stadt“: In der Nürnberger
Südstadt gibt es deutlich sichtbare Aufwärtsentwicklun-
gen beim Zusammenleben zwischen Alt und Jung sowie
Deutschen und Ausländern. In Schwabach wurden in der
Altstadt Projekte gestartet, unter anderem mit einem
Planspiel. Dort gibt es einen gut laufenden Secondhand-
shop, in dem dauerhaft Arbeitsplätze geschaffen wurden.
Ich finde, das Programm „Soziale Stadt“ hat in einigen
Städten hervorragend gewirkt.
Auch das Wohngeld ist ein bewährtes Instrument un-
serer sozialen Wohnungspolitik. Einkommensschwache
Haushalte werden unterstützt, damit sie sich am Woh-
nungsmarkt mit angemessenem, familiengerechtem
Wohnraum versorgen können. Die altersgerechte Anpas-
sung des Wohnungsbestandes wird eine große Aufgabe
der Zukunft sein. Die Politik muss Verantwortung über-
nehmen, damit alte Menschen möglichst lange in ihren
vier Wänden bleiben können.
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Frau Präsidentin, ich muss leider zum Schluss kom-
en. Das beste Rezept für gute Stadtentwicklung ist,
ehr auf die Ideen der Bürger zu vertrauen und einen
ahmen zu schaffen, in dem sie ihre Kreativität best-
öglich entfalten können. 2003 hat der Deutsche Städte-
ag ein Leitbild für die Zukunft der Städte verabschiedet.
arin heißt es:
Auf keiner anderen als der örtlichen Ebene haben
Bürgerinnen und Bürger, gesellschaftliche Gruppen
und Unternehmen so große Chancen … das Ge-
meinwesen selbst zu gestalten.
n diesem Sinne unterstützen wir die nationale Stadtent-
icklung des Bundes. Der Erfolg kommt uns allen zu-
ute.
21204 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
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Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/9234, 16/11414 und 16/8076 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Laurenz Meyer , Dr. Heinz Riesenhuber,
Veronika Bellmann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Rainer Wend, Ute
Berg, Reinhard Schultz , weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Effizienz der Fördermaßnahmen und Quer-
schnittsaktivitäten für den innovativen Mittel-
stand
– Drucksachen 16/8950, 16/10209 –
Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen
der CDU/CSU und der SPD vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Heinz Riesenhuber, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Unser Präsident, Norbert Lammert, hat in einer
der letzten Sitzungen hier empfohlen, dass man das, was
einem besonders wichtig ist, am Anfang seiner Rede
sagt, damit man es nicht vergisst. Ich möchte nur einen
einzigen Punkt vorneweg stellen: Vor 15 Jahren hatten
wir einen massiven Einbruch in unserer Wirtschaft. Un-
ter dem Druck hat die Wirtschaft innerhalb kürzester
Zeit die Einstellungsraten für junge Naturwissenschaft-
ler drastisch reduziert. Sie wurden bei der Chemie fast
halbiert. Bei Ingenieuren und bei Physikern war es nicht
besser. Die Folge war, dass wir Jahre gebraucht haben,
bis die Zahl der Studienanfänger in den naturwissen-
schaftlichen und technischen Fächern wieder auf das alte
Niveau gekommen ist. Sie war in der Chemie um die
Hälfte eingebrochen.
Deshalb finde ich es prima, dass Herr Hambrecht, der
Chef der BASF, für den Stifterverband dieser Tage ge-
sagt hat, dass man auch in einem schrumpfenden Markt
an der Forschung nicht sparen darf.
Das Entscheidende wird sein, dass alle mitmachen – die
Großen, die Mittleren und die Kleinen –, dass man hält,
was man an Forschungskapazität hat, und jungen Leu-
ten, die anfangen wollen, eine Chance gibt. Denn nur das
ist ein Zeichen dafür, dass es gut weitergeht.
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Beim Mittelstand sind die Zahlen ein wenig unsicher.
ber es ist jedenfalls so – das schreibt die Bundesregie-
ung in ihrer Antwort –, dass es von 2005 auf 2007 einen
uwachs der Ausgaben für den Mittelstand um 20 Pro-
ent gab. Diese Wachstumsrate war und ist durchaus an-
estrebt. Das heißt, das Geld war da.
Andererseits geht es um die Frage, was man damit
acht. Die vielfältigen Fragen in der Großen Anfrage
ind ein bisschen zu umfassend, als dass ich sie jetzt hier
m Einzelnen interpretieren kann. Aber schauen Sie es
ich einmal an: Die 17 Felder der Hightech-Strategie, die
uerschnittsprogramme über ganz unterschiedliche Be-
eiche – Beratung, Patentverwertung, Normen und Stan-
ards und öffentliche Nachfrage –, die vielfältigen Pro-
ramme für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft
nd Wirtschaft, die für uns immer noch ein Problem dar-
tellt – wir müssen beim Mittelstand noch mehr tun –,
ies alles ist klug und vernünftig angelegt.
Aber Geld allein bringt die Sache noch nicht voran.
ntelligenz ist öfter hilfreich. Der Versuch, mangelnde
ntelligenz durch mehr Geld zu ersetzen, misslingt meis-
ens. Hier ist es gelungen, das zusätzliche Geld vernünf-
ig und erfolgreich einzusetzen, sodass sich die Land-
chaft entwickelt hat.
In den letzten Jahren hat der Mittelstand seine For-
chungsanstrengungen intensiviert. Laut KfW-Panel
errscht allerdings nach wie vor Skepsis und Sorge.
iese Sorge kann ich insbesondere bei jungen Unterneh-
en sehr gut nachvollziehen. Über die Gründe haben
ir bereits diskutiert, als es um das Wagniskapital ging.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21205
)
)
Dr. Heinz Riesenhuber
Zwischen 2004 auf 2007 – die Zahlen für das Jahr
2007 sind die aktuellsten, die uns vorliegen – ist der An-
teil, den mittelständische Unternehmen an den For-
schungsausgaben der Wirtschaft insgesamt übernommen
haben, von 11,2 Prozent auf 14 Prozent gestiegen. Das
ist beachtlich.
Wir hoffen sehr, dass sich diese Entwicklung fortsetzt.
Denn davon, dass der Mittelstand Forschung betreibt,
nutzt und einsetzt, hängt die Dynamik unserer gesamten
Industrielandschaft entscheidend ab.
In den letzten Jahren kam es insbesondere im Mittel-
stand zu einem Zuwachs an Arbeitsplätzen, vor allem in
den mittelständischen Unternehmen, in denen Innovatio-
nen betrieben wurden.
Die Antwort auf eine Große Anfrage am Ende einer
Legislaturperiode ist auch ein Stück weit Zwischen-
bilanz. Im Zusammenhang mit einer solchen Zwischen-
bilanz muss man sich fragen: Was macht man daraus?
Was passiert als Nächstes? Diese Fragen kann ich jetzt
nur in Stichworten beantworten; denn daran werden wir
noch zu arbeiten haben.
Das erste Stichwort ist das 3-Prozent-Ziel. Meine Par-
tei tritt dafür ein, dass wir bis zum Jahr 2015 sogar
4 Prozent unseres Bruttosozialproduktes für Forschung
ausgeben. Dies ist notwendig. Jeder, der die gleiche Li-
nie wie wir verfolgt, ist uns willkommen. Natürlich muss
sich uns aber nicht jeder anschließen. Schließlich sind
wir alle eigenständig.
Der zweite Punkt betrifft das Oberziel: Wir brauchen
mehr forschende kleine und mittlere Unternehmen. Es
gibt in Deutschland 3,5 Millionen kleine und mittlere
Unternehmen. 100 000 von ihnen betreiben Innovatio-
nen, 30 000 von ihnen forschen. Diese Anteile müssen
wir stetig und zügig steigern. Denn unsere Gesellschaft
braucht einen gewissen Schwung, damit schnell genug
neue Arbeitsplätze entstehen.
Dazu gehört auch, dass wir die einzelbetriebliche För-
derung im Rahmen des Zentralen Innovationspro-
gramms Mittelstand auf ganz Deutschland ausweiten.
Das ist übrigens schon jetzt möglich; denn das Pro-
gramm ist fertig. Wenn man etwas tun will, was kurzfris-
tig hilft, dann ist dieses Programm wahrscheinlich ein
guter Ansatzpunkt.
Drittens müssen wir die kleinen und mittleren Unter-
nehmen näher an Spitzentechniken heranführen; das
wird ein entscheidender Aspekt sein. Das Expertengre-
mium für Forschung und Innovation hat gesagt, dass wir
nicht mehr nur als Meister der Systeme auftreten kön-
nen, sondern auch Spitzentechniken beherrschen müs-
sen. Hier spielen insbesondere die kleinen und mittleren
Unternehmen eine Rolle; denn sie setzen neue Technik
schnell um.
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ie Bundesregierung hat die Prüfung der steuerlichen
orschungsförderung im Unternehmensteuergesetz an-
ekündigt und inzwischen ein glänzendes Papier zu die-
em Thema erarbeitet. Wir arbeiten voller Zuversicht auf
ie Entscheidungen hin, die auf diesem Gebiet zu treffen
ind. Insbesondere für die mittelständischen Unterneh-
en ist dies ein schneller, gezielter und unbürokratischer
nsporn, Forschung aufzugreifen. Die Lust daran, etwas
u tun, was andere mitbezahlen, ist in Deutschland weit
erbreitet und wirkt beglückend.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn diese
ahlperiode zu Ende geht, gehen wir in den Wahl-
ampf, und die tüchtigen Beamten fangen an, neu zu
enken. Dann werden sie nicht mehr durch Große Anfra-
en von uns in Bedrängnis gebracht. Sie können dann
nfangen, konzeptionell zu arbeiten.
Herr Kollege Riesenhuber, ich muss Sie leider an Ihre
edezeit erinnern.
Ja, ich bin jetzt gleich fertig, liebe Frau Präsidentin.
assen Sie mich noch die Schlusskurve bekommen. –
ir haben hier dann die Situation, dass in den gut ge-
ührten Ministerien alle anfangen, darüber nachzuden-
en, mit was man in der nächsten Legislaturperiode star-
et. Ich habe hier ein paar Stichworte angeboten. Es gibt
och andere, zum Beispiel die Validierungsprogramme,
amit wir von der Forschung schneller in den Markt
ineinkommen.
Wir vertrauen darauf, dass unsere von Annette
chavan und Michael Glos so vorzüglich geführten Mi-
isterien vor Ende dieser Legislaturperiode eine glän-
ende Arbeit machen, sodass wir voll Schwung und Un-
21206 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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Dr. Heinz Riesenhuber
ternehmungsgeist in eine neue Phase starten und unsere
Unternehmen im Aufschwung, den wir dann wieder er-
arbeiten werden, glanzvoll in die internationalen Märkte
starten und dort Arbeitsplätze schaffen und Neues für die
ganze Welt.
Ich gebe der Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion,
das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Professor Riesenhuber, ich schätze Sie und Ihre Ar-
beit ja, aber im Prinzip war das, was Sie eben gesagt ha-
ben, eigentlich nur der Beweis dafür, dass wir jetzt drei
Jahre der Großen Koalition hinter uns haben, in denen
sich nichts bewegt hat.
Sie haben uns eine wunderschöne Fleißarbeit in Form
einer Großen Anfrage und einen Entschließungsantrag
vorgelegt, bei dem es zur Hälfte um Prüfaufträge geht.
Sie reden vom Verstetigen von Mitteln und vom Festhal-
ten an Konzeptionen. Der Höhepunkt Ihrer Rede bestand
darin, dass Sie uns eben gesagt haben, dass jetzt die Be-
amten damit anfangen würden, nachzudenken. Ein
schlimmeres Fazit kann man über eine Regierungs-
periode im Hinblick auf den sogenannten innovativen
Mittelstand eigentlich kaum ziehen, Herr Riesenhuber.
Lassen Sie uns zu dem kommen, was Sie auch er-
wähnt haben, was Sie in diesen dreieinhalb Jahren zu
Recht immer wieder betont haben und bei dem wir völlig
einer Meinung mit Ihnen sind. Sie bringen es erneut fer-
tig, in Ihrem Antrag zu schreiben, dass wir eine steuerli-
che Förderung von FuE brauchen. Ehrlich gesagt: Dass
sich nach dreieinhalb Jahren noch immer jemand aus der
CDU/CSU vor dieses Plenum hinstellt, diese Forderung
aufstellt und dabei darauf verweist, dass der Finanzmi-
nister das leider nicht mitmacht, weshalb man das nicht
könne, sodass man inniglich auf die FDP wartet, ist doch
kein politisches Handeln, Herr Riesenhuber.
Wir leben inzwischen in einer Welt, in der es in den
meisten Staaten in unserem unmittelbaren Konkurrenz-
umfeld eine steuerliche Förderung gibt. Das wissen Sie
genauso gut wie ich. Inzwischen besteht sogar eine wirk-
liche Verzerrung der Konkurrenzsituation unserer Unter-
nehmen. In diesem Umfeld überlegen Sie, ob wir Tax-
Credits haben sollten oder nicht. Machen Sie es, Herr
Riesenhuber! Dafür sind Sie gewählt.
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Frau Kollegin Flach, gestatten Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Riesenhuber?
Ja, selbstverständlich.
Liebe Frau Flach, mit Blick in die Tiefe der Zeit:
ürden Sie mir zustimmen, dass wir damals die Pro-
ramme für technologieorientierte Unternehmensgrün-
ungen aufgebaut haben? Dazu gehörten das BJTU-
rogramm, das BTU-Programm, die Bürgschaftspro-
ramme und auch die Darlehensprogramme. Wir haben
ine Landschaft mit Innovationszentren und mit Techno-
ogieparks aufgezogen. In dieser Zeit wurden die Vo-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21207
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Dr. Heinz Riesenhuber
raussetzungen dafür geschaffen, dass wir in den 90er-
Jahren eine blühende Gründungslandschaft bekommen
haben. Auf dem Neuen Markt gab es später Schwierig-
keiten.
Würden Sie sich nicht der Auffassung anschließen,
dass wir gemeinsam preisen sollten, was die Regierung
Erfolgreiches umgesetzt hat, als Sie unser Regierungs-
partner waren? Das haben wir gemeinsam verantwortet.
Sie haben uns zugestimmt.
Wir haben dies alles gemeinsam getan. Frau Kollegin,
denken Sie bitte an Ihre ruhmreiche Vergangenheit und
schauen Sie voller Zuversicht in eine glanzvolle Zu-
kunft.
Lieber Kollege Riesenhuber, ich nähere mich zwar in-
zwischen einem Alter, in dem ich mich freue, dass ich
Enkel habe, aber so alt bin ich nun doch noch nicht.
Wir beide haben diese ruhmreiche Zeit leider nicht
zusammen erlebt. Selbstverständlich hat es in der Ver-
gangenheit aber Bemühungen vonseiten der schwarz-
gelben Koalition gegeben.
Deswegen habe ich eben auf die Notwendigkeit, diese
wieder aufleben zu lassen, hingewiesen. Sie haben in
den letzten dreieinhalb Jahren aber nun einmal nicht mit
uns regiert, sondern mit jemand anderem.
Rot-Grün hat nicht dazu beigetragen, dass wir über
die Situation für unsere innovativen Unternehmen froh
sein können. Denken Sie an das Thema Verlustvorträge.
Denken Sie an das Thema Zinsschranke. Das alles sind
Sachen, die im Hinblick auf junge Unternehmen wirk-
lich schädlich wirken. Darin sind wir beide uns einig. Sie
haben es aber nicht verhindert. Das ist das Problem, über
das wir an dieser Stelle eigentlich reden.
– Na gut. Ich tanze dann doch lieber mit den Jungs, lie-
ber Herr Riesenhuber.
Lassen Sie uns über etwas anderes reden, was neben
der steuerlichen Förderung immer ein Thema war: die
Forschungsprämie. Diese wurde unter Ihrer Regierungs-
beteiligung auf den Weg gebracht. Inzwischen wird sie
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In dieser Legislaturperiode investieren wir insgesamt
15 Milliarden Euro in die Hightech-Strategie. Das ist
doch schon etwas, Frau Flach. Unser Ziel ist es dabei,
die wichtigsten Zukunftsmärkte zu erschließen. Wir wol-
len, dass diese Märkte hier bei uns entstehen. Dafür
schlagen wir Brücken zwischen Wissenschaft und Wirt-
schaft. So geben wir neue Impulse für eine direkte Um-
setzung von Forschungsergebnissen in neue Märkte. Be-
sonders für kleine und mittlere Unternehmen werden die
Rahmenbedingungen erheblich verbessert.
Das Wirtschaftsministerium hat seine Innovationsför-
derung neu strukturiert. Mit dem Zentralen Innovations-
programm Mittelstand wurden große Teile dieser Förde-
rung unter einem Dach zusammengefasst und effizienter
und kundenorientierter gestaltet. Der Bedarf ist riesen-
groß. Zurzeit gibt es einen Antragsstau. Der Antragsein-
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Aber auch vom Staat in seiner Rolle als Nachfrager
das möchte ich betonen – müssen Signale für Innova-
ionen kommen. Das Einkaufsvolumen staatlicher In-
tanzen ist schließlich beträchtlich. Es liegt bei
2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn staatliche
nstanzen auf innovative und ressourcenschonende Pro-
ukte und Dienstleistungen setzen, dann fördert das ge-
ade auch die Absatzchancen kleinerer Unternehmen.
on daher ist die Vereinbarung von bisher sechs Bundes-
inisterien als positiv zu bewerten, die mehr innovative
rodukte und Dienstleistungen einkaufen werden. Ich
alte es natürlich für gut, dass der Bund hier mit gutem
eispiel vorangeht, und hoffe, dass dies Kreise zieht.
Oft hakt es beim Innovationsprozess aber schon ganz
m Anfang, nämlich bei den Gründungen. In diesem
unkt hatten Sie recht, Frau Kraft.
Ich sage immer „Frau Kraft“; Entschuldigung, Frau
lach. Wenn ich Ihnen recht gebe, dann denke ich immer
n den Namen Kraft.
Was Menschen mit kreativen Ideen häufig fehlt, ist
as Einstiegskapital, das man braucht, um ein Unterneh-
en zu gründen. Selbst wenn dieser Schritt gelungen ist,
rohen manche Gründer in der Markteinführungsphase
och zu verdursten, wenn der Geldstrom versiegt.
Wir wollen die Mutigen stützen, die Unternehmen
ründen und damit Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen
hier gebe ich Ihnen ebenfalls recht – auch die mutigen
nternehmerinnen stützen, die Unternehmen gründen.
n der Tat gibt es noch viel zu wenige Frauen, die sich
iesen Schritt zutrauen. Deshalb helfen wir mit dem
ightech-Gründerfonds. Dass es hier noch ein bisschen
apert, liegt nicht daran, dass unsere Bereitschaft dazu
icht vorhanden wäre, sondern daran, dass nicht genü-
end abgefragt wird und dass die Wirtschaft – das muss
an einmal ganz deutlich sagen – viel zu zurückhaltend
nvestiert. Was einmal als Fifty-fifty-Aktion gedacht
ar, ist ein Schlag ins Wasser geworden. Aber das ist
icht Schuld des Bundes.
Wir helfen mit steuerlichen Vergünstigungen für
usiness Angels und mit besseren Verlustverrechnungs-
öglichkeiten für Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaf-
en.
Auch im Rahmen des Pakets „Beschäftigungssiche-
ung durch Wachstumsstärkung“ setzen wir auf die Stär-
ung von Innovationen und Energieeffizienz. Wir haben
aher die Mittel für die entsprechenden ERP-Programme
ei der Kreditanstalt für Wiederaufbau deutlich aufge-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21209
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)
Ute Berg
stockt, und zwar insgesamt um 1 Milliarde Euro. Allein
auf das Förderprogramm zur Steigerung der Energie-
effizienz in kleinen und mittleren Unternehmen haben
wir noch einmal 300 Millionen Euro draufgepackt, denn
wir wollen die ökologische Erneuerung unserer Volks-
wirtschaft forcieren. Damit machen wir uns fit für die
Zukunft und verschaffen uns Wettbewerbsvorteile auf
den internationalen Märkten.
Mit dem KfW-Sonderprogramm 2009 werden klei-
nen und mittleren Unternehmen weitere 15 Milliarden
Euro für Kredite bereitgestellt, damit sie eben nicht,
wie PricewaterhouseCoopers prognostiziert hat, Investi-
tionen zurückhalten.
Frau Kollegin, ich muss Sie an Ihre Redezeit erin-
nern.
Ich sehe, dass es bei mir blinkt, und komme zum
Schluss. Wie sagte schon der französische Schriftsteller
Helvétius? Aktivität ist nun einmal die Mutter des Er-
folgs. Dies gilt für die Wirtschaft, aber auch für die Poli-
tik. Lassen Sie uns unser Augenmerk und unsere Aktivi-
täten weiterhin gezielt auf den innovativen Mittelstand
richten. Das heißt auch, dass wir die Menschen, die dort
arbeiten, nicht aus dem Blick verlieren dürfen.
Frau Kollegin, Sie wollten zum Schluss kommen.
Wir brauchen ihre Kompetenz, ihr Engagement, ihre
Kreativität und ihre Leistung: kurzfristig, um die Krise
zu meistern, und langfristig, um die Zukunftsfähigkeit
unseres Wirtschaftsstandortes zu sichern.
Ich gebe das Wort der Kollegin Ulla Lötzer, Fraktion
Die Linke.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir ha-
ben jetzt von Herrn Riesenhuber und Frau Berg viele
Beispiele gehört, die auch in der Antwort auf die Große
Anfrage oder in Ihrem Entschließungsantrag aufgeführt
sind. Sie listen aber nicht nur auf, was längst bekannt ist,
keine Neuerung bietet und sich nicht ernsthaft mit den
Problemen befasst, sondern Sie betreiben auch noch
simple Selbstbeweihräucherung. Dies wird dem Mittel-
stand nicht gerecht. Tatsächlich müsste man sich ernst-
haft mit den Problemen befassen, die im Zusammenhang
mit der Krise jetzt für den Mittelstand entstehen.
Frau Berg, Sie haben diese Probleme aufgezählt. Herr
Riesenhuber hat davon gesprochen, man dürfe in der
Krise nicht an der Forschung sparen, und sich dabei ins-
besondere auf Unternehmen bezogen. Aber wo ist denn
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Grünen
sind eine Partei, für die die Förderung von kleinen und
mittleren Unternehmen sowie von Innovation schon im-
mer eine wichtige Rolle gespielt hat. Insofern finden wir
es grundsätzlich gut, wenn die Koalitionsfraktionen die
Bundesregierung auffordern, etwas für kleine und mitt-
lere Unternehmen zu tun. Aber wie Frau Flach schon
sagte, kommt das nach drei Jahren vielleicht ein biss-
chen zu spät.
Sie haben noch ein Jahr Zeit. Vielleicht passiert etwas.
Das Schauspiel, das sich hier darbietet, ist interessant.
Da die Regierungsfraktionen die Regierung befragen,
überrascht es nicht, dass dabei eine Antwort heraus-
kommt, die nur so vor Eigenlob strotzt. Es scheint auch
alles irgendwie sehr gut zu sein. Aber wenn man sich das
genauer anschaut, wenn man die rosarote Brille der Bun-
desregierung absetzt und sich andere Quellen ansieht,
zum Beispiel die Studie „Innovationsindikator Deutsch-
land 2008“, dann stellt man nicht fest, dass Deutschland
an der Spitze steht, sondern man sieht, dass es Mittelmaß
ist und auf Platz 8 von 17 untersuchten Ländern steht,
wobei Schweden, die Schweiz, die USA, Finnland und
Dänemark an der Spitze sind. Man findet also wieder
einmal skandinavische Länder an der Spitze. Dahin
sollte man vielleicht schauen, wenn man Vorbilder sucht.
Auch das Gutachten 2008 der von der Bundesregie-
rung eingesetzten Expertenkommission für Forschung
und Innovation, EFI, stellt erhebliche Mängel bei der
Förderung der Innovationen fest. Ein wichtiger Hemm-
schuh für Innovationen, so die beiden Studien, ist die
mangelnde Bildung. In dieser Hinsicht müssen wir noch
viel tun. Wir wissen nicht erst seit PISA, dass es um die
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Ein besonderes Problem bilden die kleinen Unterneh-
en. Die Bundesregierung schreibt selbst in ihrer Ant-
ort auf die Anfrage, dass Unternehmen mit 50 bis
99 Beschäftigten – immerhin rund 70 Prozent – min-
estens eine Prozess- oder Produktinnovation hervor-
ringen. Das ist schon einmal nicht schlecht. Bei den
nternehmen mit 5 bis 49 Beschäftigten ist es aber le-
iglich jedes zweite bis dritte Unternehmen. Die zentrale
rage ist also: Wie können Innovation und Eigeninitia-
ive gerade bei den kleinen und Kleinstbetrieben ge-
eckt und gefördert werden?
Wir haben darauf eine Reihe von Antworten, von de-
en ich aus Zeitgründen jetzt nur noch ein paar in eini-
en Stichworten ansprechen kann. Zum Beispiel fordern
ir eine partizipative Unternehmenskultur, also eine
tärkere Mitbestimmung der Beschäftigten, verbunden
it einer stärkeren Partizipation auch am Ertrag von Un-
ernehmen. Dies könnte insbesondere in kleineren Un-
ernehmen zu mehr Innovationen führen, weil stärker im
eam gearbeitet wird und die Kreativität der Beschäftig-
en gefördert wird.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21211
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Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn
Ein weiterer Punkt, der auch schon angesprochen
wurde, ist die Frauenförderung. Sie wird zwar genannt,
aber es werden weitgehend keine konkreten Maßnahmen
erwähnt. Dazu wären unter anderem ein Aufbau von
spezieller Beratung – übrigens nicht nur für Hightech-
Unternehmen – und ein Abbau von Diskriminierung bei
der Kreditvergabe wichtig. Völlig vernachlässigt wird
bei den Überlegungen der Regierung und der Regie-
rungsfraktionen die Innovativkraft von Unternehmen,
die von Migrantinnen und Migranten betrieben werden
und die angesichts der Globalisierung – aber nicht nur
deswegen – ein großes Potenzial für Innovationen auf-
weisen.
Außerdem fordern wir eine verbesserte Förderung von
Existenzgründerinnen und Existenzgründern. Hierzu ha-
ben wir bereits einen Antrag vorgelegt, auf den ich hier
nur verweisen kann, weil meine Zeit langsam abläuft.
Letzter Punkt: Positiv finden wir, dass in dem Ent-
schließungsantrag darauf hingewiesen wird, dass insbe-
sondere Innovationsförderung in den Bereichen Umwelt,
Gesundheit und Energie wichtig ist. Das sind urgrüne
Themen. Aber schauen Sie sich an, wie auf der einen
Seite die SPD stur und strukturkonservativ an dem Bau
von Kohlekraftwerken festhält und auf der anderen Seite
Roland Koch – ich komme aus Hessen – in den letzten
neun Jahren die erneuerbaren Energien gefördert hat.
Herr Kollege, Sie müssen in der Tat zum Ende kom-
men.
Letzter Satz. – Schauen Sie sich die innovativen Kon-
zepte des Wirtschaftsministers im Bereich Umwelt- und
Energiepolitik an. Zu all dem kann ich nur sagen: Wenn
die Böcke die Gärtner sind, kann die Innovationsförde-
rung in Deutschland nicht wirklich vorankommen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Alexander Dobrindt,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Strengmann-Kuhn, bei allen Problemen, Ideen und
Lösungsvorschlägen, die Sie angesprochen haben, müs-
sen Sie eines in den Vordergrund stellen: Wir können
nicht über Ansätze zur Lösung von Problemen der For-
schungsförderung diskutieren, ohne auf die aktuelle
wirtschaftliche Gesamtsituation Bezug zu nehmen. Ge-
rade jetzt, da negatives Wachstum zu erwarten ist, kann
es sehr schnell sein – die Kollegin Berg hat darauf hinge-
wiesen –, dass gerade mittelständische Unternehmen in
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Zu drittens: die Rahmenbedingungen. Genauso wich-
tig wie Geld ist das Know-how, die Umgebung, in der
eine Forschungskooperation stattfindet. Wir haben Spit-
zenclusterwettbewerbe veranstaltet und in diesem Rah-
men Cluster gefördert. Unter Cluster verstehen wir
Schwerpunkte, an denen Wirtschaft, Hochschule und
Forschungseinrichtungen zusammenkommen, um Inno-
vationen zu schaffen. Wir haben hier ausreichend Erfah-
rungen gesammelt, um zu wissen, dass zusätzliche Kraft
und zusätzliches Geld in die Clusterpolitik investiert
werden müssen.
Herr Kollege!
Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – Die drei
Punkte, die ich aufgezählt habe, und die Lösungsvor-
schläge, die wir gemacht haben, haben aus Sicht der
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Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
einhard Schultz, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Es wäre schon eine eigenartige Innovations-
ebatte, wenn man nur in den Rückspiegel schaute und
ur sagen würde, was man schon geleistet hat – das ist
eachtlich –, ohne gleichzeitig zu sagen, wie es eigent-
ich weitergehen soll. Eine wesentliche Voraussetzung
ür Innovationsprozesse in der Wirtschaft ist, dass auch
ie Politik innovativ bleibt.
Wenn die Koalition eine Anfrage macht, die zu einer
estandsaufnahme mit einer beachtlichen Leistungs-
ilanz führt, dann ist es selbstverständlich, dass wir, die
arlamentarier, skizzieren, wo die nächsten Ufer sind,
uf die man zusteuern will; denn auch bei uns darf es
einen Stillstand geben. Das ist doch der Sinn des dialo-
ischen Verhältnisses zwischen Regierung und Parla-
ent.
rau Flach, da finde ich es geradezu albern, wenn Sie sa-
en, wir forderten die Bundesregierung auf, etwas zu
un, was sie seit Jahren hätte tun können. Wir haben dar-
elegt, was in den vergangenen Jahren getan worden ist
diese Regierung und die Vorgängerregierung haben
eachtliches geleistet –, aber auch, was zu tun ist, um
och einen Schritt weiterzukommen.
Die Bilanz ist unter dem Strich – auch im internatio-
alen Vergleich – überhaupt nicht schlecht. Es kommt
mmer darauf an, welche Zahlen man betrachtet. Natür-
ich gibt es Statistiken, bei denen wir, was die Zahl der
orschenden Unternehmen angeht, maximal im Mittel-
eld, vielleicht sogar im unteren Mittelfeld, stehen. Wenn
an sich aber die OECD-Statistik zur Produkt- und Pro-
essinnovation in einem Dreijahreszeitraum anschaut,
rkennt man: Etwa 45 Prozent der KMU haben Produkt-
nd Prozessinnovationen eingeführt. Damit liegen wir in
uropa an der zweiten Stelle und unter den gesamten
ECD-Ländern an der dritten Stelle. Das heißt, im Be-
eich der kleinen und mittleren Unternehmen, im Be-
eich des Mittelstandes, sind wir absolut an der Spitze.
ann wird das Defizit wohl woanders liegen, nämlich
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21213
)
)
Reinhard Schultz
bedauerlicherweise bei den größeren Strukturen, die wir
weder mit Beihilfen noch sonst wie steuern können.
Ein Teil der Innovationen, die von den großen Indus-
trien vorgezeigt werden, stammen gar nicht aus den gro-
ßen Industrien selbst, sondern wurden aus kleinen Unter-
nehmen, die sich etwas Besonderes haben einfallen
lassen, zugekauft oder stammen aus dem Zuliefererbe-
reich oder dem hochschulnahen Bereich. Das können Sie
auch in der Automobilindustrie, beim Anlagenbau und
bei modernen Techniken rund um den älter werdenden
Menschen beobachten. Das alles wird in kleinen und
mittleren Unternehmen entwickelt und dann von größe-
ren Einheiten wie Siemens, VW, Daimler usw. übernom-
men.
– Ich frage mich ohnehin, warum wir noch einen nen-
nenswerten Teil von FuE-Aufwendungen in sehr große
Strukturen stecken, wenn unterm Strich, gesehen für die
Gesellschaft, so wenig herauskommt. Im Bereich der
KMU kommt bei einem wesentlich geringeren Mittel-
einsatz wesentlich mehr heraus. Auch darüber kann man
bei Gelegenheit sehr gründlich nachdenken.
Wenn man betrachtet, welche Wachstumsstrategien
zum Beispiel McKinsey, die keine sozialdemokratische
Denkfabrik sind, im Szenario Deutschland 2020 vor-
schlägt, dann liegen für deutsche Unternehmen die
Chancen darin, die weltwirtschaftliche Entwicklung zu
nutzen. Um was geht es? Es geht um die Klimafrage
bzw. die Umweltfrage. Ich glaube, auf diesem Gebiet
sind wir – das zeigt auch die Große Anfrage – auf dem
Innovationspfad an der Spitze, über den es leichter wird,
in den nächsten Jahren entsprechende Produkte überall
in der Welt zu verkaufen.
Darüber hinaus stellt sich die Mobilitätsfrage. Diesbe-
züglich hängen wir noch ein bisschen hinterher. Die Au-
tomobilkrise ist nicht nur eine Finanzmarktkrise, son-
dern auch eine Krise des Produkts. Ich denke, da wird
der nächste Schub kommen müssen, wenn wir nicht völ-
lig abgehängt werden wollen. Hier liegt die Chance na-
türlich auch im mittelständischen Zuliefererbereich.
Ein weltweiter Trend ist die immer älter werdende
Gesellschaft.
Gesundheit und Älterwerden ist ein ganz großer Bereich,
in dem wir vorne liegen und auch noch besser werden
können, um sowohl die Probleme im eigenen Lande zu
lösen, als auch um anderen Gesellschaften überall in der
Welt etwas anbieten zu können.
Ein Problem, das aus der Großen Anfrage, aber auch
aus allen anderen zur Verfügung stehenden Quellen er-
kennbar wird, ist, dass das Innovationstempo mit der
Qualifikation der Menschen zu tun hat. Wir haben schon
jetzt einen erkennbaren Ingenieur- und Fachkräfteman-
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Das wird in Hamm auch gemacht. Wir sind ja Nach-
arn. – Ich glaube, es wäre der richtige Weg, auch sei-
ens des Bundes, das ein oder andere anzustoßen.
Ich bin davon überzeugt, dass die Förderprogramme
urchaus erfolgreich und zielgenau sind und auch den
uropäischen Vergleich nicht zu scheuen brauchen, weil
ie hinsichtlich der Größenordnung alle anderen EU-
änder – die vielleicht andere Förderwege haben – deut-
ich schlagen.
In der Frage direkte Förderung oder Steuerbonus
uss man nicht gegeneinander diskutieren. Man kann
as Thema aber auch nicht beliebig additiv diskutieren.
enn es gibt bei allem Wünschenswerten, was man sich
orstellen kann, auch Ressourcengrenzen. Ein Steuerbo-
us ist – wie im Ausland zu beobachten ist – nicht büro-
ratieärmer, weil sozusagen im Nachhinein nachgewie-
en werden muss, ob man etwas Sinnvolles, das mit
orschung zu tun hat, bewerkstelligt hat. Man bekommt
ie Steuergutschrift natürlich nur dann, wenn der Nach-
eis gelingt, das heißt, man weiß vorher nicht, ob das
inanzamt hinterher seinen Stempel draufsetzt.
as ist die Kritik, die von den Ländern, in denen das so
ehandhabt wird, kommt. Insofern muss man genau be-
bachten, inwieweit das funktioniert. Ich glaube, wir
ollten in den nächsten Jahren zumindest ideologiearm
n diese Frage herangehen.
as betrifft ebenfalls die Frage – Herr Riesenhuber, ich
ebe Ihnen völlig Recht –, ob die Zahl der Business An-
els und Venture Capital nicht etwas großzügiger aufge-
tockt werden können,
ber das natürlich im Rahmen der Möglichkeiten.
Im Bereich Produkt- und Prozessinnovation sind wir
it an der Weltspitze, und zwar ohne Steuerbonus, Ven-
21214 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Reinhard Schultz
ture Capital und mit relativ geringem Einsatz von Busi-
ness Angels. Wir könnten wahrscheinlich auch das Uni-
versum erobern, wenn wir diese zusätzlich aufnehmen
würden. Auf jeden Fall ist bewiesen: Es geht auch so. Es
würde vielleicht noch etwas besser und windschnittiger
mit diesen Instrumenten gehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass wir
insgesamt eine ausgesprochen gute Bilanz mit Blick auf
die Zukunft vorweisen können, und zwar nicht nur im
Bereich der Wirtschafts- und Forschungsförderung im
engeren Sinne, –
Herr Kollege Schultz.
– sondern auch im Bereich der Rahmenbedingungen,
die wir gesetzt haben: Mit diesen regen wir die Unter-
nehmen an, die Herausforderungen des Klimawandels,
des Älterwerdens und der Mobilität anzunehmen und
sich noch mehr anzustrengen, um die damit zusammen-
hängenden Probleme zu lösen. Die Suche nach Lösun-
gen für Probleme ist nämlich Antrieb für Innovation und
nicht die Knete.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf
Drucksache 16/11405. Wer stimmt für den Entschlie-
ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalition bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und
Enthaltung der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen
und der FDP angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a bis 9 c auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
– zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr
, Heinz Lanfermann, Dr. Konrad
Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Gesundheitsfonds stoppen – Beitragsautono-
mie der Krankenkassen bewahren
– zu dem Antrag der Abgeordneten Daniel Bahr
, Heinz Lanfermann, Dr. Konrad
Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Gesundheitsfonds und staatliche Beitrags-
satzfestsetzung in der gesetzlichen Kranken-
versicherung nicht einführen
– Drucksachen 16/7737, 16/9805, 16/11089 –
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richts des Ausschusses für Gesundheit (14. Aus-
schuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Birgitt
Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald
Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gesundheitsfonds stoppen – Morbiditätsorien-
tierten Risikostrukturausgleich einführen
– Drucksachen 16/8882, 16/11090 –
Berichterstattung:
Abg. Dr. Carola Reimann
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Spieth, Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Das Gesundheitssystem nachhaltig und paritä-
tisch finanzieren – Gesundheitsfonds, Zusatz-
beiträge und Teilkaskotarife stoppen
– Drucksachen 16/10318, 16/11091 –
Berichterstattung:
Abg. Dr. Carola Reimann
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Parla-
entarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir werden in diesem Jahr das letzte Mal über das
hema Gesundheitsreform miteinander streiten. Noch
mmer ist es so, dass die Oppositionsfraktionen nicht
anz davon überzeugt sind, dass dieser Gesundheits-
onds eine gute Sache ist.
Ihr Zwischenruf ist schade, Herr Kollege Bahr. Ich
laube ja eigentlich an die Lernfähigkeit von Abgeord-
eten. Dass Sie aber schon am Anfang der Debatte sa-
en, Sie wollten nichts dazulernen, das trübt doch meine
dventsstimmung erheblich.
Herr Lanfermann, Sie sagen, Sie befänden sich in
bereinstimmung mit vielen außerhalb und innerhalb
ieses Hauses. Angesichts dessen bitte ich Sie, die Sie ja
ie Fahne so stark gegen diesen Fonds hochhalten, sich
och einfach einmal umzudrehen. Hinter Ihrer Fahne
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21215
)
)
Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
sind gar nicht mehr so viele versammelt. Die Hauptkriti-
ker des Fonds sind doch schon umgeschwenkt.
Namhafte Ökonomieprofessoren beschäftigen sich in
ihren Analysen mit der Frage, welche guten Ergebnisse
dieser Gesundheitsfonds bringt. Ich darf Ihnen vielleicht
mit Erlaubnis der Präsidentin hierzu ein kleines Zitat
vortragen. Sie wissen, dass der Kollege Rebscher von
der DAK ein erklärter Kritiker des Gesundheitsfonds
war. Ich glaube, er ist in dieser Angelegenheit sogar im
Kanzleramt vorstellig geworden und hat dort vorgetra-
gen, welche schlimmen Auswirkungen dieser habe.
Jetzt liest man in der neuesten Ausgabe des Mitglieder-
magazins der DAK folgende Einlassung:
Der neue Gesundheitsfonds
Der Fonds kommt zum 1. Januar 2009 – und mit
ihm die größte Reform im deutschen Gesundheits-
wesen seit Jahrzehnten.
Sie bringt einen Einheitsbeitrag für alle Mitglieder
gesetzlicher Krankenkassen.
Erstmals kann man sich für eine ausgezeichnete
Kasse entscheiden, ohne für deren besondere Leis-
tungen mehr zu zahlen. Bildlich gesprochen, gibt es
jetzt Gourmet-Plätzchen zum selben Preis wie Dis-
counter-Kekse. Bei gleichem Beitrag kann sich jede
und jeder in Zukunft für bestmögliche Qualität ent-
scheiden. Sicher, süße Backwaren sind kein gutes
Beispiel, wenn es um Gesundheit geht, aber ich
weiß, Sie greifen zu Qualität. Die DAK lässt sich
übrigens immer wieder von unabhängigen Institu-
tionen testen. Da wissen Sie, was Sie haben. In die-
sem Sinne frohe Feiertage und ein gesundes neues
Jahr!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so ändern sich die
Zeiten. So werden aus denjenigen, die einst erbittert ge-
gen den Fonds gewettert haben, plötzlich über Nacht sol-
che, die den Fonds ganz okay finden,
und zwar spätestens dann, wenn sie bemerkt haben, dass
das Grundziel des Fonds ist, diejenigen, die kranke Men-
schen versorgen, besser auszustatten. Das ist die Grund-
idee.
Das bedeutet, die großen Versorgerkassen profitieren
von dem Fonds. Denn wie war es bislang ohne Fonds?
Die Beitragssätze lagen zwischen rund 12 Prozent und
rund 17 Prozent. Aber diejenigen, die bei der einen
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Noch nie – auch das muss hier gesagt werden – konn-
en gesetzliche Kassen so ruhig den Jahreswechsel ab-
arten wie diesmal.
ie wissen ganz genau, welche Summen fließen werden
nd dass der Bund die Einnahmerisiken ein Stück weit
bfedert. Auch das gehört zur Wahrheit: Wir stellen
ächstes Jahr 167 Milliarden Euro für die Versorgung
on kranken Menschen in der Bundesrepublik Deutsch-
and zur Verfügung. Das sind 11 Milliarden Euro mehr
ls in diesem Jahr. Dafür kann es doch auch eine gute
ersorgung geben. Wir tun mehr für den Bereich der
rankenhäuser – auch das wird heute Abend noch ein
hema sein –, wir geben mehr für den Bereich der nie-
ergelassenen Ärztinnen und Ärzte aus,
nd wir haben 11 Milliarden Euro mehr für die Versor-
ung im Topf.
Worüber wird hier also eigentlich noch gestritten?
as Einnahmerisiko trägt im nächsten Jahr unterjährig
er Bund, und das in Zeiten der Wirtschaftskrise, wo die
assen in der Vergangenheit immer bangen mussten,
ass sie die Einnahmen nicht bekommen. Denn während
iner Wirtschaftskrise sinkt die Beschäftigung, und in
er Folge sinken die Einnahmen der sozialen Siche-
ungssysteme. Da der Bund jetzt das Einnahmerisiko
bernimmt, können die Kassen sehr ruhig in das neue
ahr gehen.
In diesen Zusammenhang passt ein Zitat von Herrn
ecken, der im Rheinischen Merkur treffend feststellt:
Die Kranken gewinnen.“ Sie gewinnen durch den
onds. Sie gewinnen dadurch, dass ihre Krankenversi-
herung mehr Sicherheit für die Finanzierung der Krank-
eitslast hat, und sie gewinnen durch ein solidarisches
ystem, das durch Steuermittel und durch einen transpa-
enten Risikostrukturausgleich in die Lage versetzt wird,
ine gute Versorgung zu gewährleisten.
Schönen Dank.
21216 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Der Kollege Heinz Lanfermann hat jetzt das Wort für
die Fraktion der FDP.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen
hat kürzlich in einem Brief formuliert, am 1. Januar
2009 komme es zur „Scharfschaltung des Gesundheits-
fonds“. Das ist eine sehr treffende Wortwahl. Denn der
Gesundheitsfonds ist eine Art Waffe des Gesundheits-
ministeriums, die sogar eine gewisse Streuwirkung ent-
faltet. Sie richtet sich zunächst gegen die Unabhängig-
keit und Beitragshoheit der gesetzlichen Krankenkassen;
denn die gibt es dann nicht mehr.
Die Krankenkassen werden in der Welt von Ulla
Schmidt und offensichtlich auch in der Welt der Kolle-
gin Widmann-Mauz
nur noch als Vollstreckungsorgane der Staatsmedizin ge-
braucht, in der alles reguliert und zugeteilt werden soll.
Die Waffe Gesundheitsfonds richtet sich gegen das
Portemonnaie der Beitragszahler; denn 90 Prozent von
ihnen müssen höhere Beiträge bezahlen. Dieser Hinweis
fehlte bei Ihnen, Frau Staatssekretärin. Im Falle eines
durchschnittlich verdienenden Angestellten sind das
420 Euro mehr im Jahr. Rechnen Sie es ruhig nach, Frau
Kollegin!
Die Waffe Gesundheitsfonds richtet sich auch gegen
alle Unternehmen, die insbesondere bei ihren Betriebs-
krankenkassen durch höhere Beiträge zusätzlich belastet
werden und sogar dann, wenn ihre Mitarbeiter eine
Rückerstattung erhalten sollten, leer ausgehen.
Letztlich richtet sich die Waffe Gesundheitsfonds
auch gegen alle Steuerzahler, die in den nächsten Jahren
zusätzlich stark steigende Staatszuschüsse in Milliarden-
höhe bezahlen sollen.
Selbst wenn auch die Gesundheitsministerin gegen
jede Vernunft, gegen alle Argumente, gegen alle Zahlen
und gegen die große Mehrheit – offen in der Bevölke-
rung und etwas verdeckt in diesem Hause – die Fakten
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Auch hinsichtlich der Bürokratiekosten, die wegen
es Gesundheitsfonds bei den Krankenkassen anfallen,
eil 51 Millionen Beitragskonten eingerichtet und ge-
ührt werden müssen, schweigt die Ministerin beharr-
ich. Bereits zweimal habe ich an dieser Stelle im
undestag darauf hingewiesen, dass der AOK-Bundes-
erband hierfür Kosten von 1,5 Milliarden Euro errech-
et hat. Hier werden Gelder für neue Bürokratie ver-
chleudert, die den Versicherten dann für Leistungen
icht mehr zur Verfügung stehen. Hierzu schweigt Frau
chmidt beharrlich, sowohl in diesem Hause als auch in
er Öffentlichkeit.
Meine Damen und Herren, dass die Gesundheits-
inisterin Kritik aus dem Parlament ignoriert, kann ich
ur Not noch in der Kategorie „Gefühlte Stärke und ge-
ebte Schwäche“ einordnen.
och heute entsteht sogar der Eindruck, als habe sie ein
estörtes Verhältnis zur Pressefreiheit. Die Bild-Zeitung
atte kritisch über einen 400 000 Euro teuren Kinower-
espot für die gesetzlichen Krankenkassen berichtet, ein
erbespot für eine Veranstaltung, die ohnehin Pflicht für
0 Prozent der Bevölkerung ist. Die Bild-Zeitung hat
iesen Spot als überflüssig bezeichnet und den Kollegen
ahr mit den Worten zitiert: Das ist rausgeworfenes
eld. – Damit hat er natürlich recht.
Daraufhin wurde laut dpa-Meldung von heute Mittag
ine für Anfang Januar geplante und bereits bezahlte An-
eige storniert. Weiter heißt es in dieser dpa-Meldung,
as Ministerium habe angekündigt, „die Schaltung wei-
erer Anzeigenprojekte kritisch überprüfen zu lassen“.
ch wäre Ihnen sehr dankbar, Frau Ministerin oder auch
rau Staatssekretärin Caspers-Merk – Sie haben das
icht erwähnt, obwohl das heute in allen Zeitungen die
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21217
)
)
Heinz Lanfermann
Szene beherrscht –, wenn Sie sich gleich ans Pult stellen
– als Regierungsmitglied dürfen Sie ja jederzeit reden –
und uns sagen würden, wie es nun wirklich ist, damit wir
erkennen können, wer was behauptet und was denn nun
stimmt. Bitte erwähnen Sie dabei auch, ob es sich nur
um Anzeigen bei der Bild-Zeitung handelt oder auch um
sonstige Anzeigen beim Springer-Verlag; denn auch da-
rüber wurde gesprochen.
Meine Damen und Herren, das Versprechen von Ulla
Schmidt, im ersten Jahr werde es eine 100-prozentige
Erstattung für die Krankenkassen geben – Frau Caspers-
Merk hat uns das gerade noch einmal schöngeredet –, ist
mittlerweile als Taschenspielertrick entlarvt worden.
Schon vor dem Start des Gesundheitsfonds vermeldet
der Schätzerkreis, dass wegen der einsetzenden Wirt-
schaftskrise Beitragsausfälle von 440 Millionen Euro zu
erwarten sind. Das ist ein kleiner Vorgeschmack auf das,
was tatsächlich kommen wird. Wenn die Bundesregie-
rung intern schon mit einem Wirtschaftsrückgang von
3 Prozent rechnet, wird dies in der Folge eher eine mil-
liardenschwere Unterdeckung sein, die zwar im Jahr
2009, durch das Gesetz veranlasst, von dem Finanz-
minister durch Kredit vorfinanziert wird, die aber im
Jahr 2010 den Kassen als Rechnung präsentiert wird und
von den Beiträgen abgezogen wird. Das sind Zwangs-
schulden, die im Jahr 2010 zurückgezahlt werden müs-
sen. Dieses Geld fehlt dann für die Versorgung.
Frau Staatssekretärin, wenn Sie von unterjährig spre-
chen, dann ist das für mich nahe an der Täuschung der
Öffentlichkeit – ich sage das so, damit niemand über-
empfindlich reagiert –, weil Unterjährigkeit nämlich nur
bedeutet: Schulden nicht in diesem, sondern im nächsten
Jahr. Schulden sind aber Schulden, und Unterdeckung ist
Unterdeckung. Das können Sie nicht einfach nur um ein
Jahr verschieben.
Die Kassen wissen, dass viele von ihnen das nicht
überleben werden. Sie dürfen sich aber noch die Todes-
art aussuchen: chronische Leistungsauszehrung oder
plötzlicher Zusatzbeitragskollaps. Beides führt zu Mit-
gliederschwund und damit zur Schließung oder Zwangs-
fusion.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Kollege Willi Zylajew hat jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die heu-
tige Debatte sehe ich recht zwiespältig. Auf der einen
Seite bietet sie uns die Chance, den Kollegen
Lanfermann und Bahr sowie den anderen Kolleginnen
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uf der anderen Seite bietet sie die Möglichkeit, das,
as in der interessierten Öffentlichkeit zwischenzeitlich
kzeptiert wird, nach vorne zu stellen. Die Anträge der
ereinigten Opposition sind 13 Tage vor dem 1. Januar
in wenig seltsam. Die Kollegin Hildegard Müller hat es
n einer Debatte vor einigen Wochen richtig und treffend
ormuliert: Das sind nichts anderes als Schaufensteran-
räge.
enn Sie glauben doch nicht im Ernst daran, dass wir
och etwas verändern können. Alle notwendigen Ent-
cheidungen, Frau Bender, sind getroffen. Rechtliche
nd organisatorische Maßnahmen sind ergriffen worden.
ehmen Sie zur Kenntnis: Der Gesundheitsfonds startet
m 1. Januar 2009, also in 14 Tagen.
Finanzströme werden neu geregelt. Das Verfahren
ird insgesamt transparenter. Das Finanzierungssystem
ird gerechter. Es wird einen einheitlichen Beitrag ge-
en. In Bezug auf Lasten und Risiken findet ein Aus-
leich über den Morbi-RSA statt. Der Wettbewerb zwi-
chen den Kassen wird deutlich stärker. Es ist sicherlich
icht im Interesse der Kassen, dass wir mehr Wettbe-
erb bekommen.
ir meinen aber, dies ist im Interesse der Versicherten.
ie werden profitieren. Wir haben nun gleiche Beitrags-
ätze. Wir haben zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die
eweilige Kasse nicht mehr über den Beitrag, sondern
ber die Leistungen profilieren muss.
avon werden vielleicht nicht die Kassen, aber mit Si-
herheit die Versicherten profitieren.
Die Kassen können den Wettbewerb nicht mehr nur
ber den Beitragssatz gestalten, sondern müssen deutlich
achen, wo sie Qualität und wo sie Effizienz fördern.
as sind nun einmal Wettbewerbsmerkmale, die man
chwieriger realisieren kann als den Wettbewerb um ei-
en niedrigen Beitrag für junge, gesunde, wenig kranke
enschen.
Die Opposition ist in dem, was sie fordert und was sie
ill, ein Stück weit uneins.
21218 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Willi Zylajew
Mehr Geld für die Reha, für Pflegepersonal, für bessere
Arzthonorare, für ärztliche Fort- und Weiterbildung und
für Krankenhäuser fließt in das System. Dies fordern
auch alle Oppositionsfraktionen. Nur, keiner von Ihnen
hat bis heute gesagt, woher dieses Geld kommen soll.
Wir glauben, dass wir hierzu einen guten Beitrag leisten.
Auch ohne den Fonds hätten wir zur Finanzierung dieser
von allen erwarteten Mehrleistungen sicherlich Beitrags-
erhöhungen zum Jahresanfang erlebt.
Man muss deutlich sagen: Wir haben ein neues System-
element. Dieses neue Systemelement bietet viele Chan-
cen für Versicherte, sich für bestimmte Leistungen zu
entscheiden und abzuwägen, was sie zusätzlich erwar-
ten. Dies sind Chancen für die Kassen. Sie können eine
effizientere Versorgungsstruktur anbieten. Die Kassen
erhalten die Chance, Leistungen zu optimieren. Die Ver-
sicherten haben die Chance, sich für gute und auch, Herr
Lanfermann, für bessere Leistungen zu entscheiden. Was
soll uns denn nun glücklicher machen als diese Möglich-
keit?
Herr Rebscher ist nicht der Einzige – die Staatssekre-
tärin hat es angesprochen –, der sich in diesem Advent
vom Saulus zum Paulus entwickelt hat. Ich bin sicher,
Herr Lanfermann: Ihr Zitat vom Bundesverband der Be-
triebskrankenkassen ist vermutlich sehr alt; denn auch
dort hört man in diesen Wochen ganz andere Töne. Ich
vermute, Sie mussten bis zum Juni oder Juli dieses Jah-
res zurückgehen. Danach haben sich die Aussagen näm-
lich gewandelt.
Es gibt kein Bürokratiemonster – der Einzug bleibt
bei den Kassen –, im Gegenteil: Wir erreichen Entlastun-
gen in den Personalabteilungen unserer Betriebe. Das ist
eine Entlastung der Arbeitgeber. Dies sollte man als Vor-
teil sehen.
Herr Lanfermann, wir verzichten auf Schönreden.
Wir sind einfach zufrieden mit dem, was wir auf den
Weg gebracht haben. Ich denke, Ihr Schlechtreden be-
ruht teilweise auf Uneinsichtigkeit, ein Stück weit viel-
leicht auch auf Bösartigkeit. Die vereinigte Opposition
ist sich in der Sache – ich wiederhole das, Frau Bender –
nicht einig. Die einen träumen vom VEB Gesundheits-
wesen, und die anderen wollen einen Fonds, der auf
wundersame Weise für Geldvermehrung sorgt. Aus die-
sem Fonds soll möglicherweise das Geld für die Mehr-
leistungen generiert werden, die ihr von der FDP, Herr
Kollege Bahr, den Krankenhäusern, den Ärzten, den
Apothekern und der Pharmaindustrie doch immer ver-
sprecht.
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ir denken, dies waren gute Jahre. Das deutsche Ge-
undheitswesen ist gut, sogar sehr gut für über 80 Mil-
ionen Versicherte. Es ist gut für Kranke und potenziell
ranke. Es ist gut für über 5 Millionen Arbeitnehmerin-
en und Arbeitnehmer in dieser Branche.
Wir haben bei jeder Reform, bei jeder Veränderung
in Riesengetöse erlebt. Immer herrschte Weltunter-
angsstimmung, mal ein bisschen stärker auf dieser, mal
in bisschen stärker auf jener Seite des Hauses.
m Endeffekt waren aber alle mit der guten Weiterent-
icklung zufrieden. Wir sind uns sicher, dass das auch
ei diesem Fonds der Fall sein wird. Nach dem 1. Januar
ird ein Antrag dieser Art von Ihnen vermutlich nicht
ehr vorgelegt werden. Zwar haben Sie keine Hoffnung,
emnächst mitzureagieren
mitzuregieren –, den Fonds werden Sie aber mit uns
estalten müssen, egal auf welcher Seite Sie sitzen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frank Spieth spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe
olleginnen und Kollegen! Ich finde es interessant, wie
ier aus Sicht der Koalition und der Bundesregierung die
ür die meisten gesetzlich Krankenversicherten im kom-
enden Jahr anstehende gigantische Beitragserhöhung
chöngeredet wird.
Für ein neues Kalenderjahr wünscht man den Men-
chen normalerweise alles Gute. Den Menschen in die-
em Land kann man aber weiß Gott nicht wünschen,
ass sie zum Teil mit bis zu 400 Euro mehr Krankenkas-
enbeitrag im kommenden Jahr bestraft werden.
a können Sie hier erzählen, was Sie wollen: Das ist die
ealität.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21219
)
)
Frank Spieth
Das werden die Menschen im kommenden Jahr im
Portemonnaie massiv spüren. Genau darüber wollen Sie
hinwegtäuschen. Das ist Ihre Strategie. Das werden wir
aber nicht mitmachen. Dafür werden Sie wohl Verständ-
nis haben.
Tatsache ist – darüber schweigt sich die Koalition
peinlicherweise aus –, dass in Deutschland drei von vier
Rentnern im kommenden Jahr mit Beitragserhöhungen
zu rechnen haben.
Wenn Sie mir das nicht glauben, dann empfehle ich Ih-
nen in die Antwort der Bundesregierung auf eine An-
frage der Linken zu schauen. Darin wurde genau das er-
klärt. Aber auch dort wurde getarnt, getäuscht und
getrickst. Nur am Ende wurde klar, dass rund 75 Prozent
mehr zahlen werden. Tatsache ist, lieber Kollege
Zylajew, dass mehr als 84 Prozent der Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer im kommenden Jahr mehr Bei-
trag zahlen müssen.
Wie gesagt: Mit bis zu 400 Euro mehr pro Jahr sind sie
dabei.
Ein Erfurter Rentnerehepaar, welches zusammen
1 600 Euro Rente hat, zahlt bei der AOK gegenwärtig
13,8 Prozent und zukünftig 15,5 Prozent. Im Ergebnis
sind das 163 Euro mehr. Das ist die Realität. Ich kann Ih-
nen die entsprechenden Rechnungen gern darlegen,
wenn Sie wollen.
– Stellen Sie eine Frage, dann kann ich es Ihnen genau
belegen.
Ein Erfurter Rentnerehepaar, welches bei der IKK in
Thüringen versichert ist, wird sogar mit 221 Euro zu-
sätzlich belastet.
– Im Jahr.
– Das habe ich mehrfach gesagt. Wenn Sie hier Demenz-
probleme haben, kann ich das gern wiederholen.
Sie haben vergessen, darauf hinzuweisen, dass es eine
große Anzahl von Krankenkassen in Deutschland gibt,
deren Beitragssatz deutlich unter 15,5 Prozent liegt. Jetzt
kommt Herr Zylajew daher und sagt: Ja, wir müssen den
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ir als Bundestagsabgeordnete bekommen im kommen-
en Jahr monatlich 7 668 Euro Abgeordnetendiät. Wir
ahlen aber nur Beiträge bis zu einer Grenze von rund
700 Euro. Das heißt, bis zu diesem Betrag müssen wir
nseren Anteil zur gesetzlichen Krankenversicherung,
ofern wir überhaupt Mitglied sind, zahlen. Wenn man
ur den Arbeitnehmeranteil rechnet, zahlen wir wie je-
er andere auch einen Beitrag von 8,2 Prozent, aber eben
ur bis zu dieser Beitragsbemessungsgrenze.
m Verhältnis zu seinem Einkommen zahlt er real nur
,93 Prozent.
Dann kommt 2010 noch ein besonderes Schmankerl
bendrauf. Sie planen aller Voraussicht nach, es zu er-
öglichen, dass die Beiträge zur gesetzlichen Kranken-
ersicherung zukünftig im Rahmen der Steuererklärung
bgesetzt werden können. Hier findet eine weitere Steuer-
ntlastung der Gutverdienenden statt; im Wesentlichen
erden nur sie davon profitieren können.
as heißt, real zahlt dann ein Bundestagsabgeordneter –
h kann Ihnen diese Rechenmodelle alle auf den Tisch
egen – nur noch 2,36 Prozent.
Was ist daran sozial und gerecht, wenn man die Klei-
en mit maximal 8,2 Prozent belastet, aber die gutver-
ienenden Bundestagsabgeordneten am Ende real nur
och mit 2,36 Prozent zur Krankenkassenfinanzierung
eitragen lässt? Das halte ich für ungerecht und unsozial.
as muss endlich gestoppt werden.
Wir werden dies nur stoppen können, wenn wir in der
ukunft zu einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung
ommen, in der alle Mitglied werden müssen, in der wir
ie Beitragsbemessungsgrenze, diese soziale Guillotine,
bschaffen und von allen den gleichen prozentualen Bei-
rag verlangen, –
Herr Spieth, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
21220 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
– also auch von den Bundestagsabgeordneten. Dann
wäre kein Beitragssatz in Höhe von 15,5 Prozent erfor-
derlich, sondern dann würden wir das Ganze mit einem
Beitragssatz in Höhe von 10 Prozent finanzieren.
Herr Spieth!
Das ist die Wahrheit. Deshalb ist der Gesundheits-
fonds zu stoppen. Er ist sozial ungerecht.
Die nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender
für Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass
man im Advent Kerzen anzündet, ist mir bekannt. Dass
die Regierung Nebelkerzen wirft, ist durch die Jahreszeit
wohl weniger zu erklären. Die Staatssekretärin erklärte
uns hier wortreich, dass es schön sei, dass die Kassen
durch den Gesundheitsfonds demnächst mehr Geld für
Kranke bekommen. Aber, Frau Staatssekretärin, das
Prinzip, dass die Kassen mehr Geld für Kranke bekom-
men – das ist im Übrigen richtig –, hat mit dem Gesund-
heitsfonds so viel zu tun wie die Kuh mit dem Sonntag.
Diesen neuen Finanzausgleich hätte man auch ohne
Fonds erreichen können und müssen.
Wenn Sie hier so etwas erzählen, tragen Sie gerade
für die Versicherten absolut nichts zur Klarheit bei. Nie-
mand wird verstehen, was der Gesundheitsfonds eigent-
lich genau sein soll, genauso wenig wie wir etwa diese
Übersetzung des Gesundheitsfonds verstehen. Ich
nehme an, Sie können sie alle genauso wenig lesen und
verstehen wie ich.
Beim Gesundheitsfonds kann man Folgendes verste-
hen: Jetzt setzt die Bundesregierung den Beitragssatz
fest, und sie lässt sich von dem bisher schon bestehenden
Schätzerkreis, der für die Prognosen zur Ein- und Aus-
gabenentwicklung der Krankenkassen zuständig ist, be-
raten.
Schauen wir uns einmal an, wie das aussieht. Bei sei-
nem letzten Treffen hat sich der Schätzerkreis nicht auf
eine gemeinsame Prognose einigen können. Warum ei-
gentlich? Weil die vom BMG entsandten Beamten ge-
impft waren, die Ausgaben möglichst niedrig anzuset-
zen. Denn klar war, dass die Beitragssatzsteigerung nicht
höher als der Senkungsspielraum werden darf, den der
Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung ermöglicht.
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afür kann die Gesundheitspolitik nichts.
Reden wir aber einmal über die Folgen. Die Regie-
ung beeilt sich, zu versichern, das alles sei kein Pro-
lem, alles sei im grünen Bereich und der Gesundheits-
onds werde so viel Geld an die Kassen weiterleiten wie
ersprochen,
bwohl die genannten 440 Millionen Euro fehlen.
erter Herr Kollege, dafür braucht der Gesundheits-
onds allerdings ein Darlehen aus dem Bundeshaushalt.
ieses Darlehen muss nach der Gesetzeslage im
ahre 2010 zurückgezahlt werden.
s ist völlig unklar, Frau Kollegin Widmann-Mauz
vielleicht sagen Sie den Versicherten das einmal –, wie
ie Tilgung dieses Darlehens finanziert wird.
eißt das Kürzungen bei den Krankenkassenleistungen?
edeutet das einen höheren Krankenversicherungsbei-
ragssatz? Oder werden doch mehr Steuermittel ins Sys-
em fließen? Das ist völlig ungeklärt.
ezüglich der Ressourcen im System schaffen Sie einen
ustand völliger Unsicherheit. Das war bisher nicht so.
Bisher war die gesetzliche Krankenversicherung trotz
ller Reformnotwendigkeiten ein relativ robustes Sys-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21221
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)
Birgitt Bender
tem. Wenn es Änderungen auf der Einnahmen- oder auf
der Ausgabenseite gab, konnten die Krankenkassen rea-
gieren, indem sie ihren Beitragssatz geändert haben. Da-
durch war die Versorgung der Versicherten wie auch die
Honorierung der Leistungserbringer immer sicherge-
stellt.
Diese Stabilität, Frau Widmann-Mauz, wird durch die
etatistische Veranstaltung des Gesundheitsfonds gefähr-
det.
Künftig wird die Leistungsfähigkeit der Krankenkas-
sen wesentlich davon abhängen, dass erstens der Schät-
zerkreis ihren Finanzbedarf möglichst genau vorhersagt
und dass sich zweitens die Bundesregierung bei der Fest-
legung des Beitragssatzes an diese Prognose hält. Bei
beidem gibt es aber nur wenig Anlass zu Optimismus.
Die Prognosen des Schätzerkreises sind schon in der Ver-
gangenheit um bis zu 4 Milliarden Euro von der Realent-
wicklung abgewichen;
dass die Prognosen ausgerechnet in den Zeiten, die wir
jetzt erleben, präziser werden, glaubt wohl niemand. Es
glaubt auch niemand, dass eine Bundesregierung gedul-
dig abwartet, bis die Fachleute mit ihren Berechnungen
fertig sind, um ihre Politik dann danach auszurichten.
Tatsache ist doch, dass die Abschätzung des Finanzbe-
darfs der Krankenkassen jetzt zu einem hochpolitischen
Akt wird.
Der Erfolg bzw. Misserfolg der Gesundheitspolitik
wird sich in der öffentlichen Wahrnehmung künftig stär-
ker denn je in der Höhe des Beitragssatzes zur Kranken-
versicherung spiegeln. Damit wächst die Neigung, die
eigenen weisungsgebundenen Fachleute im Schätzer-
kreis vorher zu impfen. Soll heißen: In der neuen Welt
des Gesundheitsfonds wird die Beratung der Bundesre-
gierung durch den Schätzerkreis immer mehr zu einem
symbolischen Akt. Die Festsetzung des Beitragssatzes
wird ausschließlich nach politischen Prioritäten erfol-
gen. Das ist kein Fortschritt für das Gesundheitswesen.
Meine Damen und Herren, die Koalition ist dabei, mit
dem Gesundheitsfonds ein Stück Risikotechnologie in
das Gesundheitssystem einzubauen. Solche Technolo-
gien sind dann gerechtfertigt, wenn dem Risiko, das sie
mit sich bringen, ein großer Nutzen gegenübersteht. Was
diesen Fonds betrifft, kann man aber nur sagen: Die
Kosten-Nutzen-Bewertung fällt verheerend aus. Deswe-
gen wäre es immer noch besser, die Notbremse zu zie-
hen.
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Der Kollege Peter Friedrich hat jetzt für die SPD-
raktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
iebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Durch jede große Um-
tellung werden Unsicherheiten produziert. Es ist nor-
al, dass sich die Betroffenen zunächst einmal sehr vor-
ichtig anschauen, was mit solchen Umstellungen
erbunden ist.
Es ist auch normal, dass in einer parlamentarischen
ebatte, wie das heute der Fall ist, die einen die Unsi-
herheiten vielleicht etwas überbetonen und die anderen
ersuchen, diese Unsicherheiten auszuräumen. Trotz-
em sollte man als Oppositionspartei nicht auf jede Mel-
ung und Unsicherheit, die geschürt wird, anspringen.
ch halte das schlicht und ergreifend weder für die Versi-
herten und die Krankenkassen noch für sie selbst auf
auer für hilfreich.
Machen wir uns doch einmal ein Bild von dem, was
m nächsten Jahr passiert wäre, wenn all das, was für die
eistungsseite jetzt vereinbart wurde, innerhalb des bis-
erigen Systems zu finanzieren gewesen wäre. Wie hät-
en sich die Beitragssätze denn dann entwickelt, und wie
ären die Auswirkungen auf die Versorgerkassen gewe-
en?
Die AOK Baden-Württemberg, bei der ich versichert
in, hat heute einen Beitragssatz von 16 Prozent. Das
eißt, er liegt schon jetzt über dem zukünftigen gemein-
amen Beitragssatz.
as wäre aufgrund der Mehrkosten passiert, die durch
ie ärztliche Versorgung, die Krankenhäuser und die
rzneimittel entstehen, also aufgrund all dessen, was für
iesen Bereich vereinbart wurde und was wir für eine
ute Versorgung auf dem Stand der Technik brauchen?
ie Spreizung der Beitragssätze, die schon vorlag, wäre
och viel stärker geworden.
erade die Rentnerinnen und Rentner hätten noch viel
öhere Beiträge zahlen müssen, wenn es keinen gemein-
amen Beitragssatz geben würde.
Es verkünden jetzt einige, wer alles wie viel zahlen
uss. Herr Lanfermann hat vorhin auf Herrn Söder ver-
21222 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
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Peter Friedrich
wiesen. Herr Söder hat in dieser Woche die Öffentlich-
keit dadurch irritiert, dass er sich auf ein Gutachten der
Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft berufen hat, in
dem es hieß, dass die Einführung des Fonds die bayeri-
schen Versicherten 700 Millionen Euro zusätzlich kosten
werde.
In dieser Studie ist ausgerechnet worden, wie hoch
die Mehreinnahmen der Kassen aufgrund des Beitrags-
satzes sind. Die Mehrausgaben aufgrund der erhöhten
Leistungen wurden nicht dagegengestellt. Der zentrale
Satz des Gutachtens steht auf Seite 15:
Die Nettobelastung für Bayern kann erst dann in
ihrer Gesamtheit ermittelt werden, wenn unter
Berücksichtigung des neuen Morbi-RSA die kon-
kreten Fondszuweisungen an die bayerischen Kran-
kenkassen respektive die in Bayern gesetzlich Ver-
sicherten feststehen.
Sprich: Wir wissen eigentlich noch gar nichts, son-
dern wir schreiben einfach einmal auf, was es mehr kos-
tet, und schuld ist wie immer der Fonds. – Ich halte das
ehrlich gesagt für ziemlich unseriös, noch dazu, wenn
man selber an den Verhandlungen beteiligt war.
Für mich – deswegen unterstütze ich das Modell des
Fonds ausdrücklich – bedeutet der Fonds organisierte
Solidarität. Es geht darum, dass wir einen Einkommens-
ausgleich über Gesamtdeutschland erreichen. All dieje-
nigen, die immer nur davon reden, dass ein guter Krank-
heits- und Risikoausgleich ausreichen würde, ignorieren
die Ebene der Einkünfte vollkommen. Ich habe das
schon mehrfach gesagt: Es geht um die Herstellung der
inneren Einheit Deutschlands – auch auf der sozialen
Ebene und auch an dieser Stelle.
Es geht darum, dass Menschen füreinander Beiträge
einzahlen und dass das Geld entsprechend den Krankhei-
ten zugewiesen wird, sodass sich die Mittel an der Ver-
sorgung orientieren und nicht nach anderen Kriterien
verteilt werden.
Ich weiß, dass viele mit diesem Begriff der Solidarität
Schwierigkeiten haben.
Vielleicht rührt die eine oder andere Anmerkung der
FDP zu dem Spot auch daher. Herr Lanfermann, mit Ver-
laub: Wenn man Ihnen zuhört, dann hat man manchmal
den Eindruck, als gäbe es in der FDP mehr Kardiologen
als Menschen mit Herz.
Ich möchte noch etwas zu einem der beiden vorlie-
genden Anträge sagen, nämlich zu dem der Linken. Zum
FDP-Antrag habe ich das letzte Mal schon einiges ge-
sagt.
Wir teilen die Auffassung, dass wir eine Bürgerinnen-
und Bürgerversicherung brauchen.
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eswegen geht es aus unserer Sicht darum, dass wir eine
ürgerversicherung über einen höheren Steuerzuschuss
rmöglichen.
Ich halte es für einen großen Fortschritt, dass wir die
innahmensicherheit mithilfe des Bundeshaushalts ge-
ährleisten. Sonst hätten die Krankenkassen im nächs-
en Jahr, gerade in Anbetracht der konjunkturellen Krise,
hre Beitragssätze Schritt für Schritt immer weiter anpas-
en müssen. Dann hätte es keine Planungssicherheit ge-
eben, weder für die Beitragszahler noch für die Arbeit-
eberinnen und Arbeitgeber.
In diesem Sinne: Das neue System ist ein Beitrag für
ehr Planungssicherheit. Es ist ein Beitrag für mehr So-
idarität, es schafft einen vernünftigen Ausgleich, und es
acht möglich, dass wir die Mittel für die Leistungen
ur Verfügung stellen. An alle Rednerinnen und Redner
er vereinigten Opposition: Es macht sich wirklich
chlecht, bei den Krankenhausdemonstrationen vorne-
eg mitzulaufen; es macht sich schlecht, bei den Ärzten
uf den Podien oder sonstwo einzufordern, dass es an je-
er Kante mehr Geld und den Ost-West-Ausgleich geben
üsse – auch wir wollen ihn –; es macht sich schlecht,
berall mehr Ausgaben zu fordern – und dann eine Rede
u halten, die sich ausschließlich mit der Steigerung der
eitragssätze befasst.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21223
)
)
Peter Friedrich
Wir geben 11 Milliarden Euro in das System. Das ist
der größte Aufwuchs, den wir je hatten. Ich kann mich
erinnern, dass Sie im Frühjahr davon gesprochen haben,
dass neue Sparprogramme aufgelegt werden und es neue
Verknappungen geben wird. All dies waren Prognosen
aus Reden, die im Frühjahr gehalten wurden.
Jetzt bekommen wir einen Aufwuchs von 7 Prozent;
dies ist ein großer Schritt. Es liegt in der Verantwortung
der im Gesundheitssystem tätigen Menschen und der
Kassen, die die Leistungen verwalten und gestalten, da-
für zu sorgen, dass all dieses Geld gute Leistungen er-
möglicht. Denn dafür zahlen die Menschen ihre Bei-
träge.
Herzlichen Dank.
Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem
Kollegen Bahr.
Herr Kollege Friedrich, Sie haben unsere Kritik an
den Werbemaßnahmen des Bundesgesundheitsministeri-
ums angesprochen. Sie haben die Vermutung geäußert,
dass wir damit angeblich die Solidarität in der Kranken-
versicherung kritisieren wollen. Das hat damit überhaupt
nichts zu tun.
Diese Werbemaßnahmen – Kinospots, die bundesweit
zu sehen sind –, die mehrere Hunderttausend Euro kos-
ten, werden unter dem Deckmantel der Aufklärung der
Bevölkerung über den Gesundheitsfonds geschaltet.
Umfragen zeigen uns, dass die Mehrzahl der Bevölke-
rung nicht weiß, was der Gesundheitsfonds für sie be-
deutet, und die Sorge hat, dass der Gesundheitsfonds für
sie eine Verschlechterung bringt.
Anstatt dass das Bundesgesundheitsministerium da-
rüber aufklärt, was der Gesundheitsfonds für den einzel-
nen Versicherten bedeutet, werden allgemeine Image-
und Werbekampagnen geschaltet, die überhaupt nichts
mit dem Gesundheitsfonds zu tun haben. Das Wesens-
merkmal einer Krankenversicherung ist es nämlich, im
Krankheitsfall Leistungen zu erbringen. Das hat nichts
mit der gesetzlichen Krankenversicherung zu tun. Denn
auch eine private Krankenversicherung erbringt im
Krankheitsfall selbstverständlich solche Leistungen. Wir
als FDP haben solche Kampagnen kritisiert. Das ist raus-
geworfenes Geld.
Sie trauen sich anscheinend nicht, die Öffentlichkeit
in Form von Anzeigen, die mit Steuergeldern finanziert
werden, über die Folgen des Gesundheitsfonds aufzuklä-
ren. Sie haben offensichtlich Angst, dass dann bei den
Leuten ankommt: Für sie wird alles teurer, aber nicht
besser.
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Nein, das macht man nicht nur im Kino.
Ich bitte Sie: Tun Sie nicht so, als sei das der einzige
eil der Kampagne. Das ist überhaupt nicht so.
Ich habe ein iPhone. Ich kann mir sogar im Kino damit
twas anschauen, wenn der Film langweilig ist. Aber das
st eine andere Sache.
Ich lade Sie herzlich dazu ein, dass wir uns alle ein-
al zusammen mit zufällig ausgewählten Bürgern den
pot anschauen, um zu sehen, ob dieser korrekt über das
rinzip der Solidarität informiert oder nicht. Darüber
önnen wir gerne diskutieren.
Die Frage bezog sich auf den Spot. – Dazu lade ich Sie
erzlich ein. Das ist auch eine unserer Aufgaben. Denn
s geht beim Gesundheitsfonds in der Tat um organi-
ierte Solidarität.
Was die anderen Dinge angeht, dazu kann ich nichts
nmerken. Ich stelle aber mit Interesse fest, dass Sie sich
roße Sorgen um das Anzeigenaufkommen der Bild-Zei-
ung machen.
Jetzt spricht der Kollege Max Straubinger für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
hema der heutigen Debatte sind die Anträge der drei
ppositionsfraktionen. Sowenig Gemeinsamkeiten Linke,
21224 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Max Straubinger
FDP und Grüne sonst in der Regel aufweisen, eines wird
heute direkt sichtbar: Die Anträge sind in hohem Maße
ein Beleg für eine rückwärtsgewandte Debatte.
Denn der Gesundheitsfonds ist gesetzlich verankert;
er wird in 14 Tagen eingeführt. Ich glaube, es wäre vor
allem für die Versicherten bzw. für die Patientinnen und
Patienten viel sinnvoller, über die Gestaltung der zu-
künftigen Gesundheitsversorgung zu sprechen –
dabei gibt es immer wieder Möglichkeiten der Nachjus-
tierung –, als in diesem Hause ständig rückwärtsge-
wandte Debatten zu führen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Bender?
Gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege, Sie haben von einer rückwärtsgewand-
ten Debatte gesprochen. Wie ist denn die Äußerung des
bayerischen Gesundheitsministers Markus Söder zu er-
klären, der den Gesundheitsfonds nicht mehr attraktiv
findet und meint, darüber müsse man noch einmal reden.
Gibt es Differenzen zwischen der bayerischen Landes-
regierung und der CSU-Fraktion im Bundestag hinsicht-
lich der Rückwärtsgewandtheit?
Frau Kollegin Bender, wie Sie wissen, ist die CSU
eine hochgeschlossene Partei,
aber auch eine breite Volkspartei. Dass die CSU den Ge-
sundheitsfonds und seine Auswirkungen wie auch die
Auswirkungen der Gesundheitsreform insgesamt immer
kritisch begleiten wird, entspricht dem Selbstverständnis
der CSU. Unter diesem Gesichtspunkt sind auch die Äu-
ßerungen des Staatsministers zu verstehen.
Vor allen Dingen ist heute herauszustellen, dass die
Linke in ihrem Antrag schwadroniert, mit dem neuen
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s wurde bereits darauf hingewiesen, dass Väter/Mütter-
ind-Kuren wieder zu Pflichtleistungen erhoben wur-
en. Auch die medizinische und geriatrische Reha – ein
roßer Segen insbesondere für die betroffenen Men-
chen – wurde zur Pflichtleistung erhoben. Wir haben
ie Palliativmedizin ausgeweitet und die Unterstützung
er Hospize verbessert. Das sind die Leistungen eines
odernen Gesundheitssystems. Darauf kann die Regie-
ungskoalition stolz sein.
Ich glaube, dass damit auch zum Ausdruck gebracht
ird, dass wir keine Entsolidarisierung betreiben, son-
ern im Gegenteil mehr und bessere Angebote für die
ersicherten geschaffen haben.
Herr Kollege Straubinger, es gibt den Wunsch nach
iner Zwischenfrage des Kollegen Frank Spieth. Möch-
en Sie sie zulassen?
Natürlich.
Bitte schön.
Danke schön. – Kollege Straubinger, Sie haben darauf
ingewiesen, dass wir die Entsolidarisierung durch den
esundheitsfonds kritisieren, und festgestellt, dass das
us Ihrer Sicht nicht der Fall ist. Wenn im kommenden
ahr die Mittel des Gesundheitsfonds nicht mehr ausrei-
hen, um die Ausgaben der Krankenkassen zu decken,
ann wird der Bund einen Kredit gewähren, der im Jahr
ach der Bundestagswahl – nämlich im Jahr 2010 – von
en Krankenkassen zurückzuerstatten ist, und zwar mit-
ilfe von Zusatzbeiträgen, die nicht die Arbeitgeber,
ondern nur die Krankenversicherten aufbringen müs-
en. Ist das solidarisch oder unsolidarisch?
Wird damit nicht der Entsolidarisierung bzw. der Ab-
chaffung der paritätischen Finanzierung Tür und Tor
eöffnet, und ziehen Sie sich mit dieser unsolidarischen
aßnahme nicht hinter den Wahltag zurück? Das wird
ämlich im kommenden Jahr Realität sein.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21225
)
)
Herr Kollege Spieth, sollte es tatsächlich notwendig
sein, noch mehr Beiträge in das Gesundheitssystem zu
leiten, dann hätten die Kassen die Möglichkeit, mit ei-
nem Zusatzbeitrag ihre Beitragslücken auszugleichen.
Das ist aber nichts anderes als bisher.
– Natürlich. Wenn die Kassen mit ihren Beiträgen nicht
mehr auskamen, um die Leistungen zu erbringen, zu de-
nen sie verpflichtet waren, wurden die Beitragssätze an-
gepasst.
– Nein, nein. Es ist weiterhin eine solidarische Finanzie-
rung, 50 zu 50, abgesehen von den 0,9 Prozent, wie Sie
wissen.
Bei den Zusatzbeiträgen ist dies sicherlich nicht der Fall.
Aber, Herr Kollege Spieth, wir haben – das wurde vor-
hin heftig kritisiert – einen Aufwuchs der Steuermittel in
der gesetzlichen Krankenversicherung.
– Natürlich, im nächsten Jahr werden 1,5 Milliarden
Euro mehr Steuermittel in das System der gesetzlichen
Krankenversicherung als im Jahr 2008 fließen.
Gleiches ist für die Jahre 2010 und 2011 vorgesehen. –
Bleiben Sie stehen, Herr Kollege Spieth, ich bin noch
nicht fertig.
Beispielsweise gibt es eine schöne Statistik, wonach
50 Prozent der Einkommensteuer in Deutschland von
8 Prozent der Steuerbürger gezahlt werden. Das ist ge-
lebte Solidarität auch mit den Kranken, mit den Patien-
tinnen und Patienten in unserem Land.
Herr Kollege Spieth, Sie haben in Ihrer Rede ausge-
führt, es müsse das sogenannte Äquivalenzprinzip auf-
gehoben werden, und indirekt gefordert, dass vom Ein-
kommen ein bestimmter Beitragsanteil fällig werde. Sie
kritisieren den Gesundheitsfonds als unsolidarisch. Ich
sage Ihnen ganz ehrlich, dass ich persönlich mit diesem
einheitlichen Beitragssatz Probleme gehabt habe. Aber
was ist solidarischer als ein einheitlicher Beitragssatz?
Er muss allerdings auch begrenzt werden, weil es nach
dem Äquivalenzprinzip auch darum geht, dass nach
oben eine Begrenzung stattfindet, wenn für jeden Versi-
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Werte Damen und Herren, es war für mich schon er-
taunlich, dass der Kollege Friedrich hier wieder die
ürgerversicherung ins Spiel gebracht hat. Ich glaube
icht, dass wir dadurch, dass wir die privaten Kranken-
ersicherungen und die Privatversicherten in eine Bür-
erversicherung zwingen, eine Beitragsentlastung für
reite Schichten der Bevölkerung erreichen könnten.
0 Prozent der Privatversicherten sind Beamte, die im
urchschnitt genauso viel wie die übrige Bevölkerung
erdienen. Es fielen also nicht mehr Beiträge an, und es
önnte auch keine Beitragssenkung geben.
Es ist interessant, zu beobachten, wie sich die SPD
erhält. Kollege Friedrich hat angemerkt, dass Kapi-
aleinkünfte möglicherweise nicht herangezogen werden
önnen, weil selbst die Steuerbehörden nicht die erfor-
erliche Zielgenauigkeit erreichen, dass aber Miet- und
achteinnahmen vielleicht infrage kommen. Die Linke
öchte das sowieso. Aber dann müsste man unter Um-
tänden auch Mindereinnahmen bei Mieten und Pachten
erücksichtigen. Das kann es wohl nicht sein.
Das alles zeigt sehr deutlich: Die Bürgerversicherung
st kein zukunftsträchtiges Modell für eine gute finan-
ielle Ausstattung eines modernen Gesundheitswesens.
ir sollten auf der Basis der Beschlüsse, die die Koali-
ion getroffen hat, im Sinne der Patientinnen und Patien-
en sowie der Versicherten in unserem Land gut weiter-
rbeiten.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Frank Spieth hat um das Wort für eine Kurzinterven-
ion gebeten.
21226 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Erstens. Herr Kollege Straubinger, wir kritisieren
nicht den einheitlichen Beitragssatz. Ich habe bemerkt,
dass einige Abgeordnete Probleme haben, Texte, die zu
entsprechenden Anträgen vorgelegt werden, zu lesen.
Wir lehnen auch nicht per se einen Fonds ab. Vielmehr
lehnen wir diesen Gesundheitsfonds ab, weil er unsozial
und unsolidarisch finanziert ist. Das ist das Problem.
Diese Tatsache muss korrigiert werden.
Zweitens. Ich habe etwas dagegen, wenn hier der Ein-
druck vermittelt wird – möglicherweise nimmt die Öf-
fentlichkeit das falsch auf –, dass das Steueraufkommen
sich ausschließlich aus der Lohn- und Einkommensteuer
ergibt. Das ist nichts anderes als der Versuch, den Men-
schen Sand in die Augen zu streuen. Tatsache ist, dass
das Lohn- und Einkommensteueraufkommen nur einen
kleinen Teil des Gesamtaufkommens ausmacht, nämlich
in etwa weniger als 40 Prozent. Der überwiegende Teil
kommt aus den Verbrauchsteuern, insbesondere aus der
Mehrwertsteuer, bei der Sie kräftig zugelangt haben.
Hier wird der wesentliche Teil der Steuereinnahmen im
Haushalt realisiert.
Deshalb kann man nicht so tun, als zahlten die Steuer-
zahler nur über die Lohn- und Einkommensteuer Steu-
ern.
Zur Erwiderung, bitte, Herr Straubinger.
Herr Kollege Spieth, wenn man über solidarische
Finanzierung und Steueraufwuchs im Rahmen des soli-
darischen Gesundheitssystems spricht, dann darf man
nicht vergessen, dass 50 Prozent des Steueraufkommens
im Bundeshaushalt aus Verbrauchsteuern und die ande-
ren 50 Prozent aus Einkommensteuer und Unternehmen-
steuern stammen. Steuern auf Unternehmensgewinne
tragen dazu bei, dass unser Gesundheitssystem finan-
zierbar bleibt. Das ist gelebte Solidarität. Diesen Ge-
sichtspunkt sollten Sie vielleicht in Ihre Überlegungen
einbeziehen.
Ich schließe die Debatte.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Gesundheit auf Druck-
sache 16/11089. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch-
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Alexander Bonde, Winfried Nachtwei,
Marieluise Beck , weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Rüstungsexporte an Pakistan
– Drucksachen 16/6004, 16/7969 –
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Export-
politik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre
2004
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21227
)
)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
– Drucksache 16/507 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Export-
politik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre
2005
– Drucksache 16/3730 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Export-
politik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre
2006
– Drucksache 16/8855 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie zu dem Antrag der Abge-
ordneten Alexander Bonde, Winfried Nachtwei,
Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine U-Bootlieferung an Pakistan
– Drucksachen 16/5594, 16/11420 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Rolf Hempelmann
ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Winfried
Nachtwei, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Kerstin Müller , weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Für eine restriktive Rüstungsexportpolitik –
Parlamentarische Kontrollmöglichkeiten ver-
bessern
– Drucksache 16/11388 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
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ies betrifft außerdem einen Bereich, der wie kein ande-
er Bereich der Sicherheitspolitik der parlamentarischen
ontrolle und Einsichtnahme entzogen ist. Daher habe
ch an dieser Stelle umso mehr der Gemeinsamen Konfe-
enz Kirche und Entwicklung, GKKE, zu danken, die in-
wischen zum zwölften Mal einen Bericht zu dieser Pro-
lematik vorgelegt hat, der informativ, seriös und
ifferenziert ist und wirklich eine friedens- und sicher-
eitspolitische Orientierungshilfe in dieser Materie dar-
tellt.
Ich habe es nicht vergessen: Die Zeit der rot-grünen
egierung war nicht die heile Welt der restriktiven Rüs-
ungsexporte.
mmer wieder hat es zwischen den Ressorts Streit gege-
en, und immer wieder stand weitsichtige Sicherheits-
olitik mit kurzfristiger Interessenpolitik im Konflikt.
mmer wieder hat es Streit zwischen unserer Fraktion
nd Teilen der Bundesregierung gegeben. Spektakulär
ar – Sie alle können sich noch daran erinnern – die
useinandersetzung über das EU-Waffenembargo, als
er eigene Bundeskanzler Schröder dieses aufheben
21228 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Winfried Nachtwei
wollte, es uns aber durch eine Koalition in der Koalition
gelungen ist, dieses unsinnige Vorhaben zu stoppen.
Damals gab es einige problematische Trends. Diese ha-
ben sich in dieser Koalition enorm verstärkt.
Ich nenne drei Felder. Erstens: die sogenannten Sam-
melausfuhrgenehmigungen für den Export von Rüs-
tungsgütern. Ihr Wert ist enorm gewachsen, von 2,4 Mil-
liarden Euro in 2004 über 3,5 Milliarden Euro in 2006
auf 5,1 Milliarden Euro in 2007. Was ist daran das Pro-
blem? Diejenigen, die letztendlich die Empfänger von
Rüstungsexporten sind, sind im Grunde – es geht hier
um Komponenten in Rüstungskooperationen – völlig au-
ßer Kontrolle.
Zweitens: Einzelgenehmigungen für den Export von
Kleinwaffen an Drittländer. Ihr Wert stieg von 8,2 Mil-
lionen Euro im Jahre 2004 über 15,6 Millionen Euro im
Jahre 2006 auf 30,2 Millionen Euro im Jahre 2007.
Hauptempfänger der Kleinwaffen – Gewehre, Maschi-
nenpistolen – waren Saudi-Arabien und Ägypten. Au-
ßenminister Steinmeier betont zu Recht die Notwendig-
keit der Kontrolle der Ausfuhr von Kleinwaffen. Diese
Haltung wird durch den immer exzessiveren Export die-
ser Kleinwaffen konterkariert.
Drittens: Einzelgenehmigungen für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern. In welche
Gebiete wurde exportiert? Auf diesem Gebiet sind bei
den sogenannten Drittländern führend: Pakistan und In-
dien. In Konfliktfällen ist es natürlich „richtig“ – aus-
gleichende Gerechtigkeit –, beide Seiten zu beliefern.
Nun komme ich auf Pakistan zu sprechen. An Pakis-
tan wurden bis 2004 keine Kriegswaffen geliefert. Im
April 2007 erfuhr der Haushaltsausschuss des Bundesta-
ges, dass von der Bundesregierung inzwischen eine Vor-
anfrage zur Lieferung von drei U-Booten an Pakistan
positiv beschieden war und dass die Bundesregierung
dafür eine Hermesbürgschaft von über 1 Milliarde Euro
zugesagt hatte. Genauere Informationen zum jetzigen
Stand haben wir nicht.
Aber erinnern wir uns: Lieferungen von Kriegswaffen
an sogenannte Drittstaaten sind grundsätzlich untersagt,
außer es sprechen besondere deutsche außen- und sicher-
heitspolitische Interessen dafür. Solche kann ich hier
nicht erkennen.
Vor allem in den Westprovinzen Pakistans toben bewaff-
nete Auseinandersetzungen der krassesten Form. In etli-
chen Distrikten haben die pakistanischen Taliban die
Macht übernommen. Das pakistanische Militär und vor
allem der pakistanische Geheimdienst gelten wahrhaftig
nicht als zuverlässig. Sehr gut belegt sind Vorwürfe, dass
Teile des pakistanischen Geheimdienstes bis heute den
Terror unterstützen. Das pakistanische Militär dokumen-
tiert das Interesse, sich Trägersysteme für die eigenen
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ußerdem befindet sich Pakistan historisch im Konflikt
it Indien. Es veranstaltet ein Wettrüsten, gerade was
en maritimen Bereich angeht, und ist in Konflikte mit
ielen anderen Ländern verwickelt.
Es wird immer wieder das deutsche Interesse an
tabilisierung, an Rüstungskontrolle und an Friedens-
örderung gerade in diesem Raum beschworen. Solche
-Boot-Lieferungen sind damit allerdings in keiner
eise zu vereinbaren.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Ja, ich komme jetzt zum Schluss.
Lieber Kollege Polenz als Vorsitzender des Auswärti-
en Ausschusses, lieber Kollege Mützenich und andere
n der SPD, ich weiß um Ihre massiven Bedenken gegen
ieses Rüstungsexportvorhaben. Bitte, begleiten Sie die
undesregierung in diesem Fall wieder nicht nur kri-
isch, sondern stehen Sie jetzt wirklich einmal zu Ihrer
osition!
ei der Behandlung dieses Themas reicht es auch nicht,
ie Politik der Bundesregierung ab und zu einmal zu
ommentieren.
Herr Kollege!
Wenn wir den notwendigen Primat weitsichtiger Si-
herheitspolitik durchsetzen wollen, dann ist zweierlei
otwendig – das erläutere ich in zwei Sätzen –:
Das ist zu viel.
Erstens. Die Federführung muss vom Wirtschafts-
inisterium auf das Auswärtige Amt übergehen. Zwei-
ens. Wir als Parlament müssen Beteiligungsrechte in ge-
igneter Form bekommen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Für ein selbstbewusstes Parlament müsste das selbst-
erständlich sein.
Danke schön.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21229
)
)
Der Kollege Erich Fritz spricht jetzt für die CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Es ist tatsächlich ein großer Mangel, dass
nur einmal im Parlament über einen Rüstungsexportbe-
richt diskutiert wurde – und zwar im September des da-
rauffolgenden Jahres über den Rüstungsexportbericht
2000 –, dass die Berichte dann immer später veröffent-
licht wurden und letztendlich das Parlament gar nicht
mehr erreicht haben. Den Mangel, dass wir hier nicht
darüber debattiert haben, können wir allerdings nicht der
Bundesregierung in die Schuhe schieben. Er ergibt sich
daraus, dass die Tagesordnung des Plenums so über-
frachtet ist; offensichtlich haben auch die Parlamentari-
schen Geschäftsführer der Grünen immer etwas wichti-
ger gefunden als dieses Thema. Deshalb hilft dieses
Palaver überhaupt nicht.
Man hätte jederzeit den Antrag, der jetzt gestellt worden
ist, stellen können.
Mich stört es offen gesagt schon, wenn wir die Zahlen
zur Rüstungsexportpolitik als Erstes von der GKKE er-
halten oder in der Zeitung lesen und sie erst später im
Parlament vorgelegt bekommen; das ist mir als Parla-
mentarier nicht recht. Deshalb heißt der Appell an die-
sem Abend natürlich: zeitnäher berichten, keine Angst
vor Transparenz haben – die Bundesregierung muss
keine Angst davor haben –, sondern aktiv informieren,
wie es bei Großprojekten gegenüber dem Haushaltsaus-
schuss und bei anderen Genehmigungen gegenüber dem
Wirtschaftsausschuss geschieht. Jeder, der einen Über-
blick über den Gang der Dinge haben will, kann ihn auch
erhalten. Herr Kollege Nachtwei, deshalb ist es zumin-
dest etwas zweifelhaft, wie Sie heute hier aufgetreten
sind.
Ich stelle fest: Es gibt, was den Umgang mit diesem
Thema angeht, eine sehr große Kontinuität zwischen den
Regierungen. Der Umgang mit diesem Thema war im-
mer sehr verantwortlich. Gelegentliche Schwankungen
hängen häufig, wenn man genau hinschaut, mit Einzel-
aufträgen zusammen – mit dem Export von Schiffen
oder mit anderen großvolumigen Aufträgen – und spre-
chen nicht immer gleich für den Wandel der Politik einer
Regierung; das würde ich sogar der rot-grünen Regie-
rung zubilligen. Wir dürfen nicht vergessen, dass sich
die Bundeswehr im Rahmen friedenserhaltender Maß-
nahmen im Auslandseinsatz befindet und dass daraus
neue Exporterfordernisse resultieren. Darauf hat Kollege
Ruck in einem Interview mit der taz neulich zu Recht
hingewiesen.
Der Verhaltenskodex der Europäischen Union muss
nach unserer Auffassung verbindlich werden.
Wir brauchen nach wie vor eine stärker harmonisierte
Regelung in der Europäischen Union. Wir arbeiten seit
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urch die Art der Auseinandersetzung, die sich durch
hren Antrag und, Herr Kollege Nachtwei, durch Ihre
ede zieht, wollen Sie den Eindruck erwecken, das fort-
etzen zu wollen, was Sie bis 1998 gemacht haben, nach
em Motto: Die Zwischenzeit vergessen wir jetzt ein-
al.
Gott sei Dank haben Sie mit dem Gegenteil angefan-
en; aber dann haben Sie versucht, diesen Eindruck zu
rwecken.
Natürlich muss jeder, der einmal in Regierungsver-
ntwortung gestanden hat, wissen – er kann sich nicht
ehr unwissend stellen –, dass Rüstungsexportpolitik in
edem Einzelfall eine schwierige Geschichte ist und dass
s nie eine Entscheidung gibt, wo völlige – –
Herr Kollege Trittin, immer ruhig bleiben! Das ist bei
iesem Thema ganz wichtig. Ansonsten bekommt man
ie sachlichen Argumente nicht mit, die der Auseinan-
ersetzung mit diesem Thema dienen.
Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Bonde zulassen?
Gerne. Denken Sie aber bitte an die Kollegen, die
arten und diese zeitliche Verzögerung eigentlich nicht
kzeptieren wollen.
Also eine kurze Frage.
Herr Kollege Fritz, Sie haben gerade die Auffassung
ertreten, dass Rüstungsexporte in Krisenländer wie Pa-
21230 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Alexander Bonde
kistan unumgänglicher Teil der Regierungspolitik seien.
Da die gültigen Exportrichtlinien die Lieferung von
Produkten wie U-Booten in Krisenregionen ausschließ-
lich bei einem hohen nationalen Sicherheitsinteresse
Deutschlands erlauben, könnten Sie uns vielleicht sagen
– nachdem die Bundesregierung mehrere Fragen dazu
im vergangenen Jahr nicht beantworten konnte –, worin
das nationale deutsche Sicherheitsinteresse besteht, dass
Pakistan moderne deutsche U-Boote zur Verfügung ge-
stellt werden.
Lieber Herr Kollege, ich werde nicht auf eine Frage
antworten, die sich auf angebliche Aussagen von mir
stützt. Sie haben mir eben eine Aussage unterstellt, die
ich so nicht gemacht habe. Deshalb erübrigt sich eine
Antwort.
Herr Kollege Nachtwei hat gerade ausgeführt, bis
2004 habe es keine Exporte nach Pakistan gegeben.
– Keine Kriegswaffenexporte. – Ich sage Ihnen: Der Ex-
port hat 2003, während der rot-grünen Regierungszeit,
begonnen.
2004 ging es weiter. Der Wert der Genehmigungen stieg
von 900 000 Euro auf 32 Millionen Euro. 2006 waren es
über 100 Millionen Euro.
Wir haben über alle Regierungen hinweg den schönen
Satz von Schmidt wahrgenommen: Was fährt, läuft
nicht. Was schwimmt, läuft. – Ich glaube, da gibt es
schon einen Unterschied. Auch im indisch-pakistani-
schen Konflikt kann ich eine maritime Komponente
nicht entdecken.
Es gibt aber sehr wohl ein Interesse aller Anrainer, für
Sicherheit auf den Seewegen zu sorgen.
Betrachtet man die Karte mit den Fähnchen, die Piraterie
anzeigen, stellt man fest, dass auf diesen Strecken Prä-
senz durchaus notwendig ist.
Die Bundesregierung hat ausdrücklich ausgeschlos-
sen, dass diese U-Boote mit Trägerwaffen bestückt wer-
den können. Die Entscheidung im Bundessicherheitsrat
ist in Abwägung der Sachlage als Vorbescheid ergangen.
In der Zwischenzeit hat sich die Situation in Pakistan
und auch im indisch-pakistanischen Verhältnis aber nicht
verbessert. Wir alle gehen davon aus, dass auch die Bun-
desregierung in der Lage ist, die veränderte Situation zur
Kenntnis zu nehmen, sie zu bewerten und ihre Erkennt-
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lle, die das tun und in den zuständigen Ausschüssen
en Antrag stellen, Genaueres zu erfahren, haben meine
nterstützung.
llen, die dieses Instrument nutzen, um in der Öffent-
ichkeit den Eindruck zu erwecken, es handele sich um
erantwortungslose Rüstungsexporte, trete ich entgegen.
Ein weiterer im Antrag angesprochener Punkt be-
chäftigt sich mit Hermes-Bürgschaften für Rüstungs-
xporte. Das ist nun wirklich Symbolpolitik. Dieses
hema wird zwar von allen Seiten immer wieder aufge-
orfen, aber wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann
tellen Sie fest, dass das kein Thema ist, mit dem sich
er Deutsche Bundestag im Plenum beschäftigt. Die
ahlen sind so verschwindend gering. Sie machen ange-
ichts unseres Exportvolumens solch minimale Beträge
us, dass sich diese Frage nicht stellt. Viel wichtiger als
iselierte Debatten über einzelne Exportvorhaben ist mir
ine ernsthafte Diskussion über neue Initiativen zur Ab-
üstung und zur Nichtverbreitung.
Wir alle hoffen doch, dass die neue Gemeinsamkeit in
er Weltgemeinschaft infolge der Bewältigung der
inanz- und Wirtschaftskrise auch ein Anlass zur Er-
enntnis ist, dass zwar Sicherheit, auch militärische,
eltweit eine wichtige Voraussetzung staatlicher Stabili-
ät sein kann, dass aber militärische Sicherheit ohne gute
achbarschaft, ohne inneren Frieden, ohne Verständnis
ber ethnische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg,
hne gerechte Entwicklung und ohne ein soziales Sys-
em, das die Menschen auffängt, nichts wert ist. Deshalb
uss unser Ansatzpunkt sein, insgesamt solche
ntwicklungen möglich zu machen. Dazu trägt eine wei-
erhin verantwortliche und restriktive Rüstungsexport-
olitik der Bundesrepublik Deutschland und dieser Bun-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21231
)
)
Erich G. Fritz
desregierung bei, die außenpolitisch langfristig angelegt
sein muss.
Jetzt spricht Elke Hoff für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! „Besser spät als nie“ könnte man angesichts der Tat-
sache sagen, dass heute gleich über drei Rüstungsexport-
berichte zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode im
Parlament diskutiert wird. Ich bin froh, dass meine bei-
den Vorredner über die Fraktionsgrenzen hinweg darauf
hingewiesen haben. Auch ich würde mir wünschen, dass
wir zu der guten Praxis zurückfinden, über Rüstungsex-
portberichte auch in dem Jahr zu diskutieren, in dem sie
zur Verfügung stehen.
Seit dem Jahr 2002 verzeichnet das Stockholmer Frie-
densforschungsinstitut SIPRI sowohl einen konstanten
Anstieg der weltweiten Rüstungsausgaben als auch ei-
nen Anstieg des Handelsvolumens von Rüstungsgütern.
Deutschland ist im Rahmen dieser Statistik seit längerem
die Nummer drei der weltweit größten Exporteure von
konventionellen Waffen. Deutschland hat daher eine be-
sondere Verantwortung beim Umgang mit Rüstungs-
exporten; denn in den falschen Händen kann das kleinste
Elektroschockgerät eine ebenso qualvolle und todbrin-
gende Waffe sein wie das schwerste militärische Gerät.
Es ist deshalb an der Zeit, dass auch der Rüstungsexport-
bericht den aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklun-
gen angepasst wird.
Die Grenze zwischen ziviler Technologie und militäri-
scher Nutzung verschwimmt zusehends, und deshalb ist
es wichtig, dass in diesem Bereich Berechenbarkeit und
Klarheit für alle Seiten geschaffen wird, sowohl für die
Bürger und die Politik als auch für die Industrie.
Es stellt sich außerdem immer häufiger die Frage, ob
Deutschland zukünftig auch den Export sicherheitsrele-
vanter Dienstleistungen als Rüstungsgut bewerten will,
ja sogar bewerten muss. Bislang ist dies nicht der Fall.
Der Regierungssprecher hatte hierzu im April im Zu-
sammenhang mit der Organisation und Durchführung
von Sicherheitstraining in Libyen durch ehemalige deut-
sche Polizisten bereits die Frage gestellt, ob man zu
rechtlichen Änderungen kommen müsse. Bisher ist die
Bundesregierung auf diese Frage leider eine Antwort
schuldig geblieben.
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Es ist aber auch nicht nachvollziehbar, dass Sie in Ih-
em heute vorliegenden Entschließungsantrag den Ein-
ruck erwecken, Deutschland könne darauf hinwirken,
ass sich andere EU-Mitgliedstaaten einem deutschen
xportverzicht anschließen. Der EU-Verhaltenskodex
elässt – das wissen Sie – die endgültige Abwägung über
ine Rüstungsexportentscheidung auch weiterhin auf na-
ionaler Ebene. Es ist daher höchst unwahrscheinlich,
ass sich eine Partnernation dem deutschen Exportver-
icht anschließen wird, zumal Herr Sarkozy bereits für
anuar nächsten Jahres seinen Besuch in Pakistan ange-
ündigt hat.
21232 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Elke Hoff
Pakistan ist ein sehr schwieriges Land. Aber es ist
darüber hinaus zweifellos einer der wichtigsten Akteure
für jede zukünftige Konfliktlösung in der Region.
Ohne die aktive und volle Kooperation Pakistans kann
die internationale Gemeinschaft Afghanistan nicht wie-
der aufbauen,
die Taliban nicht besiegen und den internationalen Ter-
rorismus nicht unschädlich machen. Die neugewählte
demokratische Zivilregierung – ich betone: Zivilregie-
rung – muss deshalb nach unserer Auffassung auch in
der Lage sein, eigene Sicherheitsinteressen durchzuset-
zen, um das Vertrauen der Bevölkerung nicht aufs Spiel
zu setzen und zu verlieren.
Das sollte bei der Entscheidung über eine Exportaus-
fuhrgenehmigung ebenfalls abgewogen werden. Ich
gehe davon aus, dass die Bundesregierung eine sehr ver-
antwortungsvolle Entscheidung treffen wird.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Der Kollege Rolf Hempelmann spricht jetzt für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Die SPD-Fraktion hat – ich glaube, das kann man
mit Fug und Recht sagen –, was das Thema Rüstungs-
exportkontrollpolitik angeht, eine lange Tradition.
Auf die SPD gehen die heute noch gültigen politischen
Grundsätze der Bundesregierung für den Export von
Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern zurück.
SPD-Politiker wie zum Beispiel Norbert Gansel haben
diese Grundsätze entscheidend geprägt.
Es waren übrigens nicht SPD-Politiker, die ganz offen
die Lieferung von Waffen in Spannungsgebiete gefordert
haben, zum Beispiel als Geschäft „Panzer gegen Öl“ an
die arabischen Staaten, den Erzfeind von Israel. Solche
Positionen sind heute hoffentlich auch von der betreffen-
den Partei nicht mehr ernsthaft zu rechtfertigen.
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Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Paul Schäfer spricht jetzt für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja
chön und gut, dass jetzt alle sagen: Wir müssen über die
üstungsexportberichte zeitnah diskutieren. – Das reicht
ber nicht. Es ist auch gut, wenn jetzt gesagt wird: Eine
ebattenzeit von 30 Minuten für drei Rüstungsexportbe-
ichte – da geht es um einen Wert von 30 Milliarden
uro – reicht nicht. – Aber auch das haut nicht ganz hin.
Richtig ist, was Kollege Nachtwei gesagt hat: Die Fe-
erführung muss vom Wirtschaftsministerium zum Aus-
ärtigen Amt verlagert werden. Es geht hier nicht um
xportförderung, sondern um unsere Außen- und Si-
herheitspolitik.
ie Berichte müssen in allen Ausschüssen, die dafür zu-
tändig sind, diskutiert werden: im Auswärtigen Aus-
chuss, im Verteidigungsausschuss, im Ausschuss für
irtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie
m Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre
ilfe. Wir haben in unserem Entschließungsantrag dazu
orschläge gemacht.
Es geht auch darum, die Berichte inhaltlich weiter zu
ualifizieren. Es stimmt einfach nicht, Kollege Fritz,
ass diese Berichte das Nonplusultra an Transparenz wä-
en. Bei den Sammelausfuhrgenehmigungen tappen wir
m Dunkeln, und diese machen einen Großteil der Stei-
erungsrate aus. So ist der Zustand.
Dass es überhaupt noch eine kritische und fundierte
useinandersetzung über deutsche Rüstungsexporte
ibt, ist ausschließlich – da brauchen wir uns nicht in die
asche zu lügen – der unermüdlichen Arbeit vieler klei-
er und größerer Initiativen zu verdanken.
ch möchte die Liste des Kollegen Nachtwei ergänzen
m den Gesprächskreis der beiden Kirchen und entwick-
ungspolitischer Gruppen, die GKKE, das Netzwerk ge-
en Kleinwaffenhandel, das Rüstungsinformationsbüro,
Ohne Rüstung Leben“, das Aktionsbündnis Landmi-
en, Oxfam Deutschland, Amnesty International und das
erliner Informationszentrum Transatlantische Sicher-
eit. Ich möchte diesen Gruppen ganz herzlich danken;
enn wenn die 30-minütige Debattenzeit vorbei ist, kann
an das Nichtgesagte bei denen nachlesen.
21234 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Paul Schäfer
Was die Sache betrifft: Bei den internationalen Waf-
fengeschäften ist Deutschland einer der wichtigsten Glo-
bal Player. 2004 wurden Rüstungsexporte im Wert von
6,2 Milliarden Euro genehmigt, im darauffolgenden Jahr
ebenso. 2006 waren es 7,6 Milliarden Euro und 2007
8,7 Milliarden Euro. Wer also sagt: „Das sind zwar Stei-
gerungen; wir haben aber immer eine gewisse Fluktua-
tion“, hat nicht recht. Wir haben hier eine Konstanz.
2007 gab es kein einziges spektakuläres Großprojekt,
das Verzerrungen begründen könnte. Wir liegen also an
oberer Stelle, was die Rüstungsexporte betrifft. In die-
sem Zeitraum – zum Teil unter Rot-Grün, zum Teil unter
Schwarz-Rot – ergibt sich eine Summe von 28,7 Mil-
liarden Euro.
Schon diese grobe Bilanz zeigt zwei Dinge: Erstens.
Von einer wirklich restriktiven Waffenausfuhrpolitik
kann keine Rede sein.
Zweitens. Ein Land, das zu den Top Five der Rüstungs-
exporteure gehört – das sind wir –, kann nicht als abrüs-
tungspolitischer Musterknabe gehandelt werden. Der
Widerspruch zur Abrüstungsrhetorik einiger Minister
dieser Regierung ist doch augenfällig.
Es geht um strategische Waffensysteme wie U-Boote
für Pakistan und Südkorea. Es geht um Eurofighter-
Komponenten, die nach Saudi-Arabien geliefert werden,
und um Kleinwaffen, die in zweifelhafte Staaten und
überhaupt an Länder, die in bewaffnete Konflikte ver-
strickt sind, exportiert werden. Auch die vermeintlich
unverdächtigen Rüstungslieferungen an NATO-Länder
werden zum Problem, wenn diese Länder völkerrechts-
widrige Angriffskriege führen wie die USA und Groß-
britannien im Fall Irak.
Wir Linke haben da ganz andere Vorstellungen. Die
politischen Grundsätze der Bundesregierung müssen
endlich ernst genommen werden; denn dann würde
Deutschland nicht zu den Top Five gehören, dann wür-
den wir auf der Hinterbank Platz nehmen, und das wäre
gut so.
Abrüstung und Konfliktprävention müssen den absolu-
ten Vorrang vor rüstungspolitischen Interessen genießen.
Der zur namentlichen Abstimmung vorliegende An-
trag der Grünen zum Stopp des U-Boot-Exportgeschäf-
tes mit Pakistan wird von uns, um auch das zu sagen,
voll und ganz unterstützt. Pakistan muss in regionale Si-
cherheitsbemühungen einbezogen und nicht auf See
hochgerüstet werden.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.
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1)
2)
angen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmen
ir über den Entschließungsantrag namentlich ab.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer
etzt, soweit sie es nicht schon getan haben, die vorgese-
enen Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? –
as ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.
Ich frage: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend,
as seine Stimme gern abgeben würde und das noch
icht getan hat? – Das scheint mir nicht der Fall zu sein.
ann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schrift-
ührerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
eginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
päter bekanntgegeben2).
Jetzt müssen wir die Abstimmungen fortsetzen. Das
eißt, es wäre schön, wenn hier vorne im Rund mög-
ichst wenige Menschen, eigentlich gar keine, stehen
ürden. – Ich versuche es jetzt einfach einmal.
Tagesordnungspunkte 19 b bis 19 d. Interfraktionell
ird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen
6/507, 16/3730 und 16/8855 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
amit einverstanden? – Dann ist die Überweisung so be-
chlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache
6/11407 zu den Rüstungsexportberichten 2004, 2005
nd 2006. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? –
er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Fraktion
ie Linke hat dafür gestimmt und alle anderen dagegen.
Tagesordnungspunkt 19 e. Beschlussempfehlung des
usschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem An-
rag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel
Keine U-Bootlieferung an Pakistan“. Der Ausschuss
mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
he 16/11420, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
rünen auf Drucksache 16/5594 abzulehnen. Wer stimmt
ür diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthal-
ungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen
it den Stimmen von Koalition und FDP gegen die
timmen von Bündnis 90/Die Grünen und die Linke.
Zusatzpunkt 7. Interfraktionell wird Überweisung der
orlage auf Drucksache 16/11388 an die in der Tages-
rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei
ie Vorlage federführend beim Ausschuss für Wirtschaft
nd Technologie beraten werden soll. Wer stimmt für
en Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag
instimmig angenommen.
Anlage 4
Ergebnis Seite 21236 C
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21235
)
)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Zimmermann, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Befreiung von IHK-Beiträgen für Kleinst- und
Kleinbetriebe bis zu 30 000 Euro Gewerbeer-
trag und grundlegende Reform der Industrie-
und Handelskammern
– Drucksache 16/6357 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Dabei ist vorgesehen, eine halbe Stunde zu debattie-
ren, wobei die Fraktion Die Linke fünf Minuten erhalten
soll. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.
Jetzt eröffne ich die Debatte und gebe das Wort der
Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die
Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden
Antrag packt die Linke etwas an, was bisher keine an-
dere Fraktion in diesem Hause zum Thema gemacht hat.
– Das ist nicht falsch.
Weder die Große Koalition noch die Grünen oder die
FDP haben sich an dieses Thema getraut. Sie können
mich nachher korrigieren, Frau Andreae.
Die Verpflichtung bzw. der Zwang für gewerbliche Un-
ternehmen, in der IHK Mitglied zu sein, ist seit Jahren
umstritten. Erst jüngst hat sich der Petitionsausschuss
des Bundestages damit auseinandersetzen müssen. Des-
halb, denke ich, ist es an der Zeit, eine Debatte über die-
ses Thema zu führen, egal wie man zu dieser Frage steht.
Ich selbst bin seit 17 Jahren ehrenamtliches Mitglied
in der zweitgrößten Kammer in Deutschland, der IHK
Südwestsachsen, und kenne die Probleme. Jede Kollegin
und jeder Kollege hier in diesem Haus, die oder der re-
gelmäßig mit Kleinunternehmern zusammenkommt,
wird zugeben müssen, dass diese immer wieder bekla-
gen, dass sie Zwangsbeiträge für eine Organisation zah-
len, die ihnen nicht oder nur wenig nützt.
Die Linke greift dieses Problem mit ihrem vorliegen-
den Antrag auf. Wir wollen aber mehr. Noch immer han-
delt es sich beim IHK-Gesetz um ein vorläufiges Gesetz
aus dem Jahre 1956. Die damalige Forderung nach einer
paritätischen Besetzung der Kammer durch Betriebsin-
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21236 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Sabine Zimmermann
Dr. Gregor Gysi
Hans Josef Fell
Kai Gehring CDU/CSU
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Hakki Keskin
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner
Kornelia Möller
Wolfgang Nešković
Dr. Norman Paech
Bodo Ramelow
Britta Haßelmann
Bettina Herlitzius
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz
Ulrike Höfken
Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn
Thilo Hoppe
Ute Koczy
Sylvia Kotting-Uhl
Renate Künast
Markus Kurth
Monika Lazar
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
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rnst-Reinhard Beck
eronika Bellmann
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lemens Binninger
enate Blank
eter Bleser
ntje Blumenthal
ochen Borchert
olfgang Börnsen
olfgang Bosbach
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Lutz Heilmann Katrin Göring-Eckardt Ulrich Adam Erich G. Fritz
Ich kann jetzt nicht alle Pun
zählen, da meine Redezeit daf
werde ich mich auf einige posit
Ich denke, die Berufsausbildu
der Außenhandelsbereich sind
die im Interesse aller sind.
Liebe Kolleginnen und Kol
Beratung dieses Antrags wird z
diesem Hause dafür ist, die IHK
mieren, dass auch die Interessen
zur Geltung kommen und die M
verankert wird.
Ich danke Ihnen für Ihre Auf
ring-Eckardt:
ntschließungsantrag der
twei, Alexander Bonde
Die Grünen zur Großen
akistan“ auf den Druck-
6/11406 zurück.
tführerinnen und Schrift-
r namentlichen Abstim-
Stimmen abgegeben. Mit
timmt, mit Nein haben
d es gab zehn Enthaltun-
gsantrag abgelehnt.
laus Brähmig
ichael Brand
elmut Brandt
r. Ralf Brauksiepe
eorg Brunnhuber
ajus Caesar
itta Connemann
eo Dautzenberg
lexander Dobrindt
homas Dörflinger
arie-Luise Dött
aria Eichhorn
r. Stephan Eisel
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r. Hans Georg Faust
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grid Fischbach
artwig Fischer
irk Fischer
r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
erbert Frankenhauser
r. Hans-Peter Friedrich
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21237
)
)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Olav Gutting
Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke-Witt
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung
Dr. Franz Josef Jung
Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Michael Kretschmer
Gunther Krichbaum
Dr. Günter Krings
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Thomas Mahlberg
Stephan Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Laurenz Meyer
Maria Michalk
Dr. h. c. Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller
Stefan Müller
Dr. Gerd Müller
Michaela Noll
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hr geehrten Damen und
ie haben Ihren Beitrag
ptung begonnen, und im
ganzen Beitrag nicht zu
en der CDU/CSU)
h darum, mit Ihrem An-
der Industrie- und Han-
In Wirklichkeit ist Ihr
von ziemlich halbgaren
er Vergangenheit immer
n sind, sich in Ihrem An-
darstellen und sich teil-
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ans-Joachim Otto
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Diese negative Bewertung
ber nicht, dass jede Kritik o
HKs verboten wäre. Ganz im G
ns kennt natürlich solche Gesp
ie sich über den Sinn von
ber den nicht erkennbaren Nu
izienz der IHKs beschweren.
ich das Parlament und einzeln
u dem, was Sie gesagt haben,
ntensiv mit der Materie ause
en IHKs – das haben Sie gesa
ffentlich-rechtliche Körpersch
Bei aller Emotionalität bei
iskussion aber sachlich und k
nwahrheiten geführt werden.
ch darauf, dass sich zum
Wirtschaftsvereinigung
luss vom Dezember 2006
a auseinandergesetzt hat.
beschluss der FDP vom
Dr. Wilhelm Priesmeier
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Steffen Reiche
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-
Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Karin Roth
Michael Roth
Ortwin Runde
Marlene Rupprecht
Anton Schaaf
Axel Schäfer
Bernd Scheelen
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Renate Schmidt
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Jörg Vogelsänger
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Lydia Westrich
Andrea Wicklein
Engelbert Wistuba
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)
Herr Lämmel, ist Ihnen bekannt, dass man als Unter-
ehmer bei der Kammer eine Freistellung von der Bei-
ragszahlung beantragen kann? Ich denke, das wissen
ie. Ist Ihnen aber auch bekannt, dass diese Freistellung
ur befristet ist und dass der Beitrag von der Kammer im
ahr darauf doppelt eingetrieben werden kann? Wissen
ie das?
Wenn Sie es genau wissen wollen: Kleinstunterneh-
er und Existenzgründer sind generell von Beitragszah-
ungen befreit. Bei ihnen kann also niemand etwas ein-
lagen, sondern sie zahlen halt nichts.
insichtlich der Unternehmen, die unter die Beitrags-
flicht fallen und Ausnahmeanträge stellen, muss man
m nächsten Jahr natürlich prüfen,
b man bei diesen Ausnahmen bleiben kann. Das ist
och ganz logisch.
enn Sie Ihren Parteibeitrag nicht zahlen, weil Sie zu
iele Ausgaben haben, kommt die Partei im nächsten
ahr und will den Rest wiederhaben. Das ist doch ganz
ogisch.
Zum Glück! Zumindest nicht bei den Linken.
Zu den Beiträgen habe ich etwas gesagt. Man muss
ber festhalten, dass jedes Mitglied der IHK – das sind
0 000 Unternehmen – stimmberechtigt ist. All diese
0 000 Unternehmen können ungeachtet ihrer Größe
eistungen von der IHK bekommen.
Zweitens: zur paritätischen Mitbestimmung. In Ihrem
ntrag fordern Sie die Einführung einer paritätischen
rbeitnehmermitbestimmung in den Kammergremien.
iese Diskussion ist nicht neu; das haben Sie gesagt.
islang ist dies in den Gremien nicht verwirklicht wor-
en. Aus meiner Sicht gibt es dafür verschiedene
ründe.
Die Mitbestimmung in den IHK-Gremien ließe sich
egebenenfalls damit begründen, dass die IHKs Unter-
21240 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Andreas G. Lämmel
nehmen auf der Basis des Gesamtinteresses beraten sol-
len. Ein Unternehmen besteht nicht nur aus den Eigentü-
mern, sondern auch aus den Mitarbeitern. Es stellt sich
aber die Frage, ob eine Institution wie die Industrie- und
Handelskammer, die schon jetzt ein ausgesprochen brei-
tes Interessenspektrum zu bedienen hat, wirklich noch
den Spagat der Einbindung der Arbeitnehmerinteressen
bewältigen kann.
Die IHKs dürfen sich nach dem IHK-Gesetz schon
heute nur an solchen Einrichtungen beteiligen, die der
Förderung der gewerblichen Wirtschaft innerhalb des
IHK-Bezirks dienen. Frau Zimmermann, Sie interessiert
das offensichtlich nicht so richtig. Ich habe den Ein-
druck, dass Sie dies schon alles wissen bzw. dass Sie
schon bei der Antragsstellung gewusst haben, dass es
einfach Unfug ist, was Sie sagen.
Drittens: zum Reformkonzept. Wer es mit der Quali-
tät der Arbeit der IHKs ernst meint, der muss deren Ar-
beit natürlich immer wieder hinterfragen; dazu komme
ich jetzt. Im Gegensatz zur Intention des Antrags der
Fraktion Die Linken hat dieses Haus, der Deutsche Bun-
destag, in der jüngeren Vergangenheit durchaus Kritik
verantwortungsvoll formuliert und daraus auch konkrete
Forderungen abgeleitet.
Ich erinnere an den Entschließungsantrag, der im
April 1998 zusammen mit dem IHK-Änderungsgesetz
von CDU/CSU, SPD und FDP verabschiedet wurde. Da-
mals wurde den Kammern aufgegeben, ihre Hausaufga-
ben in Sachen Beitrag, Effizienz und Transparenz inner-
halb der nächsten vier Jahre zu machen.
Was ist erreicht worden? Der Durchschnittsbeitrag
konnte seitdem deutlich gesenkt werden. Die Transpa-
renz der IHK-Finanzen wurde durch die Einführung der
kaufmännischen Buchführung anstelle der Kameralistik
deutlich erhöht. Viele IHKs – so auch die in Dresden –
veröffentlichen die Eckdaten ihrer geprüften Jahresab-
schlüsse. Die IHKs haben sich selbst darüber hinaus be-
reits vor Jahren Qualitätsstandards für ihre Arbeit gege-
ben, die regelmäßig unabhängig auditiert werden.
Meine Damen und Herren, wir sind uns in der Großen
Koalition – ich denke, überhaupt hier im Hohen Hause –
einig, dass die Kammern gemeinsam mit ihren Mitglie-
dern im Rahmen des Ausbildungspaktes hervorragende
Arbeit für unsere jungen Menschen geleistet haben. Die
Kammern sind unser Modell der Selbstverwaltung der
Wirtschaft, das wir vom Grundsatz her noch nie wirklich
infrage gestellt haben. Wir wollen sie nicht durch das
Anlegen eines Maulkorbs infrage stellen. Doch genau
darauf läuft der Antrag der Linken hinaus. Die Unions-
fraktion wird diesen Antrag der Linken ablehnen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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as betrifft auch eine ganze Menge Punkte. Aber ich
laube, wir sind zu einer besseren Lösung gekommen. In
nserem Rostocker Beschluss fordern wir, dass – ich zi-
iere – „Kleinstbetriebe, die keinen originär gewerb-
ichen Charakter haben ..., auf Dauer von Beiträgen be-
reit werden“. Das ist sinnvoller, als willkürlich eine
renze einzuziehen. Es ist ein materielles Kriterium, das
uch deshalb Sinn macht, weil gewisse Dienstleistungen
er Kammern – zum Beispiel im Bereich der Außenwirt-
chaft – von diesen Betrieben bestimmt nicht in An-
pruch genommen werden. Insofern ist diese Unterschei-
ung sinnvoll.
Beim Thema Pflichtmitgliedschaft muss man die
rage stellen: Wie ist sie zu rechtfertigen? Wie können
ir rechtfertigen, dass wir dadurch die Freiheit von Un-
ernehmen einschränken? Dazu möchte ich zunächst ei-
ige Zahlen nennen.
Von den IHKs werden heute circa 850 000 Auszubil-
ende betreut und 290 000 Zwischenprüfungen sowie
30 000 Abschlussprüfungen abgenommen. Wenn das
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21241
)
)
Ernst Burgbacher
die Wirtschaft nicht in Selbstverantwortung macht, dann
muss es der Staat machen. Dann müssen wir uns fragen,
ob der Staat es besser oder preiswerter macht. Beides be-
zweifle ich.
Das spricht für die Pflichtmitgliedschaft.
Wir glauben, dass die Selbstverwaltung der Wirt-
schaft das besser, effizienter und kostengünstiger ma-
chen kann. Dann muss aber die Selbstverwaltung dazu in
die Lage versetzt werden. Mit Ihren Vorschlägen ist das
sicherlich nicht zu machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun will ich aber
auch sehr deutlich sagen: Dass es Reformbedarf bei den
IHKs gibt, wird, glaube ich, von niemandem geleugnet.
Das ist republikweit übrigens sehr unterschiedlich, weil
wir unterschiedliche Wirtschaftsregionen haben. Die
Großunternehmen in vielen ländlichen Regionen, von
denen die Rede war, gibt es kaum. Die Unternehmen
sind durchweg mittelständisch strukturiert, und die IHK
leistet eine sehr wertvolle Aufgabe.
Wir mahnen Reformen an – dabei sind wir, die FDP-
Fraktion, übrigens auch im Gespräch mit dem DIHK –
und erwarten, dass die Bedenken der Mitglieder aufge-
nommen werden und darauf substanziell eingegangen
wird. Aber wir fordern nicht, die Pflichtmitgliedschaft
abzuschaffen.
Ich will zum Schluss noch einen Punkt ansprechen,
Frau Zimmermann, der völlig am System vorbeigeht. In
Ihrem Antrag heißt es: „Bei den Industrie- und Handels-
kammern wird eine qualifizierte Mitbestimmung einge-
führt.“ Das geht doch total an der Sache vorbei. Denn
damit verändern Sie den Charakter völlig. Wenn Sie das
machen würden, dann müssten wir uns wirklich die
Frage nach der Pflichtmitgliedschaft stellen – aber erst
dann.
In den Unternehmen gibt es Mitbestimmung und Be-
triebsverfassungen. Aber es wäre eine völlig system-
fremde Entscheidung, das in den IHKs einzuführen.
Ich sage Ihnen sehr deutlich: In Ihrer gewohnt populisti-
schen Art versuchen Sie, irgendwelche Stimmungen auf-
zunehmen,
um sie manchen vielleicht oberflächlich als Lösungen
anzubieten. Damit werden Sie aber nicht landen.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Reinhard Schultz von
er SPD-Fraktion.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-
egen! Der Antrag der Linkspartei hat etwas Wider-
prüchliches:
uf der einen Seite – das wurde auch in Ihrer Rede deut-
ich, Frau Zimmermann – sollen die Kammern und die
flichtmitgliedschaft erhalten bleiben, auf der anderen
eite sollen ihre Aufgaben auf solche der Selbstver-
altung reduziert und die staatlichen Aufgaben heraus-
enommen werden. Das Einzige, was nach einer
ntscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine
flichtmitgliedschaft legitimiert, ist aber, dass eine
ammer als öffentlich-rechtliche Körperschaft staatliche
ufgaben wahrnimmt. Das heißt, beides gleichzeitig
eht nicht.
Als besonders gutes Beispiel dafür, dass Sie die IHKs
oben, nennen Sie ihren Beitrag zur Berufsausbildung.
iese wiederum gehört zu den Aufgaben, die ihnen von
taats wegen übertragen worden sind. Insofern ist da ein
isschen
nruhe im Unterholz. Was Sie ausgearbeitet haben, ist
icht ganz konsequent.
Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Erfahrun-
en mit IHKs. Das hängt immer auch mit Menschen zu-
ammen: Hat der Hauptgeschäftsführer den Laden im
riff, ist er eher dienstleistungsorientiert, oder lässt er
her abtropfen? Wir haben schon alles erlebt. Ich glaube
ber, dass seit der letzten Reform die Qualität der Indus-
rie- und Handelskammern deutlich zugenommen hat.
m Münsterland, wo ich selber tätig bin, bin ich mit der
HK Nordwestfalen in hohem Maße zufrieden. Früher
ab es sehr kritische Auseinandersetzungen. Seitdem ist
er Wasserkopf deutlich kleiner geworden, man hat
ehr in die Dienstleistung, in die Berufsausbildung und
n das Sachverständigenwesen gesteckt. Wir brauchen
nerkannte Sachverständige, um im Streitfall etwas prü-
en zu lassen. Auch in der Wirtschaftsförderung und in
er Unterstützung der Kommunen vor allem im ländli-
hen Raum leisten die IHKs gute Arbeit.
Natürlich kann man sich darüber ärgern, wenn ein eh-
enamtliches Mitglied eines IHK-Präsidiums, ein Unter-
21242 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Reinhard Schultz
nehmer, zwischendurch einmal nicht genau die Anzüge
trennen kann – das können wir auch nicht immer – und
den parteipolitischen Hammer herausholt. Das kommt
schon mal vor. Dass dabei die Linkspartei nicht gut weg-
kommt, muss sie wegstecken. Man muss dann dagegen-
halten; das ist auch uns schon passiert. Aber da hat sich
die Situation verändert. Natürlich ist einer öffentlich-
rechtlichen Körperschaft parteipolitische Zurückhaltung
zu empfehlen. Aber dies ist natürlich nicht für jeden ein-
zelnen Ehrenamtlichen gesetzlich vorzuschreiben; das
wäre geradezu albern.
Sie haben gesagt, mit der Pflichtmitgliedschaft be-
fasse sich sogar der Menschenrechtsgerichtshof in Straß-
burg. Das konnte ich nicht feststellen. Ich habe keine
einzige Quelle gefunden, die belegt, dass sich irgendje-
mand in Straßburg ernsthaft damit befasst, dass Men-
schenrechte dadurch verletzt würden, dass Unternehmen
in den IHKs Mitglied sein müssen.
Zu der Frage der Beitragsgerechtigkeit ist hier schon
vieles vorgetragen worden. De facto zahlen gut
50 Prozent der Unternehmen keine Beiträge, teilweise
temporär wie die Existenzgründer. Dass kein Unterneh-
men 20 Jahre lang Existenzgründer sein kann, liegt auf
der Hand. Dies gilt also nur in der Startphase; das ist ein
revolvierender Prozess. Die Kleinstgewerbetreibenden
zahlen definitiv keinen Beitrag.
Man kann natürlich darüber reden, ob sie immer wieder
einen Nachweis erbringen müssen oder ob die Beitrags-
befreiung unter bestimmten Voraussetzungen nicht auf
Dauer gilt, wie es Herr Burgbacher vorgetragen hat.
Unter dem Strich zahlen, wie gesagt, über 50 Prozent
keine Beiträge. Viel weiter kann man mit der Beitragsbe-
freiung kaum gehen, weil sonst die Größeren, Ertrags-
stärkeren die Beratungsdienstleistungen, das Prüfungs-
wesen usw. für alle anderen mitzutragen hätten. Es gibt
Grenzen des Zumutbaren, auch des rechtlich Zumutba-
ren, im Hinblick auf die Frage, ob zum Schluss nur noch
eine ganz kleine Gruppe von Unternehmen für alle ande-
ren sämtliche Leistungen zu finanzieren hat. Dies muss
man sehr genau gegeneinander abwägen. Bei über
50 Prozent wird diese Grenze nach meinem Dafürhalten
schon geschrammt.
Wir können und müssen natürlich auch weiterhin über
die Effizienz diskutieren. Der Aufwand, der dort getrie-
ben wird und der die Kosten produziert, muss immer
wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Eine kritische
Aufgabenüberprüfung muss regelmäßig stattfinden. So
wie ich die Parteien, die sich damit befasst haben, kenne,
wird es in absehbarer Zeit eine kritische, aber zugleich
konstruktive Aufarbeitung – das wollen wir von der SPD
jedenfalls – geben. Es wird aber nicht dazu kommen,
dass wir die IHKs und die IHK-Mitgliedschaft infrage
stellen.
Eines unterscheidet uns allerdings von den Rednern
der CDU/CSU und der FDP: Ich wünsche mir, dass es
– wir werden uns dafür einsetzen – eine angemessene
Beteiligung der Mitarbeiter in allen IHK-Gremien gibt,
nicht nur in denen für das Prüfungswesen; darauf wurde
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iese sind sehr gut vernetzt. Sie sind der Lotse für deut-
che Unternehmen in den jeweiligen Ländern.
erade der ertragsstarke Mittelstand ist vor Ort auf sol-
he Lotsen angewiesen. Das abzukoppeln, ist geradezu
lbern.
Unter dem Strich gibt es sicherlich immer etwas kri-
isch aufzuarbeiten. Das gilt für jede Organisation. Man
uss immer fragen: Sind die Organisationsform und der
ufwand im Hinblick auf den eigentlichen Zweck ange-
essen? Sind die Schwerpunkte richtig gesetzt? Ist die
eitragsgerechtigkeit noch gewahrt? Aber es darf keine
otalverrissdiskussion, sondern muss eine konstruktive
iskussion werden, die sowohl den Regionen als auch
en Unternehmen und ihren Mitarbeitern nutzt.
Vielen Dank.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
at das Wort die Kollegin Kerstin Andreae von
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Ich wehre mich vehement gegen den Vorwurf,
ass sich ausschließlich die Linke mit den Kammermit-
liedschaften befasst. Wir debattieren seit Jahren über
ieses Thema und versuchen, verschiedene Lösungsan-
ätze zu finden.
Die Ausgangslage ist klar – darauf ist das Augenmerk
u legen –: Die überwiegende Zahl der IHK-Mitglieder –
as betrifft vor allem kleine Betriebe – ist mit der
flichtmitgliedschaft unzufrieden. Diese Mitglieder stel-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21243
)
)
Kerstin Andreae
len infrage, ob ihre Interessen ausreichend berücksich-
tigt werden. Ineffiziente Strukturen einzelner Kammern
werden zu Recht kritisiert. Deswegen müssen wir die
Debatte über das Kammermodell der Zukunft ernsthaft
führen. Wir müssen auch über die Aufgaben der Kam-
mern reden. Aber der Antrag der Linken ist dafür keine
gute Grundlage; denn er ist widersprüchlich und teil-
weise falsch. Deswegen werden Bündnis 90/Die Grünen
diesen Antrag nicht unterstützen.
Zu der Frage, wer noch Beiträge zahlt und wie hoch
die Beiträge sind, hat der Kollege Schultz aus meiner
Sicht alles gesagt. Ich sehe die Problematik der Balance
zwischen Interessen und einer angemessenen Vertretung.
Wenn Sie aber fordern, dass allen Unternehmen bis zu
einer Grenze von 30 000 Euro Gewerbeertrag pro Jahr
eine beitragsfreie Mitgliedschaft zu gewähren ist, dann
müssen Sie aufpassen, welche Folgen das hat und wer
dann tatsächlich noch beitragspflichtiges Mitglied ist.
Über die hoheitlichen Aufgaben, die die Kammern
übernehmen, wurde bereits viel gesprochen. Es gibt im
Prinzip drei Möglichkeiten: Entweder erledigt der Staat
selbst die Aufgaben – das ist nicht unser Modell –, oder
man beleiht jemanden. Das heißt, irgendjemand – in der
Regel handelt es sich um einen Privaten – übernimmt
diese Aufgabe. Aber auch das muss man infrage stellen.
Insofern ist die Selbstverwaltung der Kammern eine Or-
ganisationsform, über die wir zwar diskutieren und die
wir weiterentwickeln, bei der wir aber im Grundsatz
bleiben sollten; denn die Selbstverwaltung nimmt die
Wirtschaft in die Verantwortung.
Ich will ein Beispiel nennen. Alle haben über die Not-
wendigkeit der Kammern im Hinblick auf die Berufsaus-
bildung und die Berufsbilder geredet. Über diese Auf-
gabe der Kammern wird immer wieder diskutiert. Wir
Grünen haben ein Modell vorgeschlagen, das
„Dual plus“ heißt. Dabei geht es um die Frage, wie wir
neue Ausbildungsformen entwickeln und neue Initia-
tiven in der Ausbildung voranbringen können. Sie sagen,
wir hätten heute schon überbetriebliche Ausbildung und
diese solle weiterentwickelt werden. Wir wollen alle Be-
triebe mit ihren speziellen Kompetenzen in diese überbe-
triebliche Ausbildung einbinden, und es sind nun einmal
die Kammern, die die überbetrieblichen Ausbildungs-
stätten finanzieren. Eine Weiterentwicklung müsste ge-
meinsam mit den Kammern erfolgen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Es gibt eine überbe-
triebliche Ausbildungsstätte, die eine Kollegin von mir
jüngst besucht hat. Da werden junge Automechaniker
und -mechanikerinnen, wenn es letztere denn gibt, mit
Reparaturen von Hybridmotoren betraut. Das können
diese nicht überall lernen, wohl aber in dieser überbe-
trieblichen Ausbildungsstätte. So etwas organisieren die
Kammern. Wir glauben, dass das zu den Aufgaben der
Kammern gehört.
Als Fazit möchte ich drei Bereiche ansprechen. Na-
türlich stehen wir, die Politik, immer wieder vor der
Aufgabe, uns kritisch, aber auch konstruktiv mit den
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Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/6357 an den Ausschuss für Wirtschaft
nd Technologie vorgeschlagen. Gibt es Widerspruch? –
as ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a bis 10 d auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zum ordnungspolitischen Rahmen der Kran-
kenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009
– Drucksachen 16/10807, 16/10868 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit
– Drucksache 16/11429 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Frank Spieth
– Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 16/11433 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Ewald Schurer
Dr. Claudia Winterstein
Roland Claus
Omid Nouripour
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Bahr , Heinz Lanfermann, Dr. Konrad
21244 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Verbesserung der Finanzsituation der Kran-
kenhäuser
– Drucksachen 16/9057, 16/11430 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Eike Hovermann
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Spieth, Dr. Martina Bunge, Klaus Ernst, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Aktuelle Finanznot der Krankenhäuser been-
den
– Drucksachen 16/8375, 16/11432 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Eike Hovermann
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth
Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Krankenhäuser zukunftsfähig machen
– Drucksachen 16/9008, 16/11431 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Eike Hovermann
Es liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der
FDP und ein Entschließungsantrag der Fraktion Die
Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist
für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen.
Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Bundesministerin Ulla Schmidt das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der
vorliegende Gesetzentwurf ist ein gutes Gesetz für die
Krankenhäuser, für die Beschäftigten und für die Patien-
tinnen und Patienten. Wir fällen mit dem Gesetz wich-
tige strukturelle Entscheidungen für die Zukunft: für die
Grundsätze der Honorierung, für die künftige Investi-
tionsförderung, für die Ausrichtung auf einen Bundesba-
sisfallwert, wenn auch mit einer Bandbreite, und für die
Weiterentwicklung in der Pflege und in der Psychiatrie.
Die Krankenhäuser erhalten im zu Ende gehenden
Jahr rund 2 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2007. In
2009 erhalten sie allein von der gesetzlichen Kranken-
versicherung 3,5 Milliarden Euro zusätzlich. Das ist zu-
sammen mehr als die 5 Milliarden Euro, welche den
Krankenhäusern in dem Fünfjahreszeitraum von 2002
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Dieses Gesetz und die Entscheidung der Bundesregie-
ung zum Beitragssatz der gesetzlichen Krankenversi-
herung im kommenden Jahr sichern eine angemessene
inanzierung der Betriebskosten und insbesondere der
ersonalkosten in den Krankenhäusern. Ich hoffe sehr,
ass die Länder ihrer Verpflichtung in puncto Investi-
ionsfinanzierung endlich mit gleicher Konsequenz
achkommen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den zusätzli-
hen Milliarden können die Krankenhäuser Personalkos-
en finanzieren, die tariflich vereinbart worden sind. Die
rankenkassen und die Krankenhäuser erhalten gemein-
am den Auftrag, die seit langem bestehende Zusage zu-
ätzlicher Mittel in Höhe von 3,5 Milliarden Euro im
ahr 2009 in Verhandlungen konsequent umzusetzen.
it dem Gesetz werden Mittel bereitgestellt, um knapp
7 000 zusätzliche Pflegekräfte in den Krankenhäusern
inanzieren zu können.
ir haben entschieden, dass die Krankenkassen diese
ersonalstellen zu 90 Prozent finanzieren. Das Entschei-
ende ist, dass diese – zusätzlich finanzierten – Stellen
ach drei Jahren in die Fallpauschalen eingehen und dass
n dieser Zeit erarbeitet wird, welche Bereiche im Kran-
enhaus besonders pflegeintensiv sind und wo bei den
allpauschalen zusätzliche Anforderungen berücksich-
igt werden müssen.
Wir müssen den Pflegebedürfnissen von immer mehr
lteren Menschen, von immer mehr multimorbiden
enschen, die im Krankenhaus nach dem Grundsatz
ambulant vor stationär“ behandelt werden – dadurch
erden die Behandlungen dort aufwendiger –, gerecht
erden. Für uns ist es ein wichtiger Schritt, darauf zu re-
gieren; denn eine gute Versorgung im Krankenhaus be-
eutet eine gute medizinische und auch eine gute pflege-
ische Versorgung.
Dieser Schritt wird auch den wachsenden Problemen
er Pflegekräfte im Krankenhaus – die Arbeitsbelastung
erdichtet sich sehr – gerecht. Wir wollen, dass diejeni-
en, die im Krankenhaus als Pfleger oder Pflegerinnen
eschäftigt sind, vernünftige Arbeitsbedingungen erhal-
en, damit sie im Beruf bleiben.
ußerdem wollen wir, dass es sich für junge Menschen
ieder lohnt, sich für diesen Beruf zu entscheiden; denn
ir müssen in den kommenden Jahren – ich verweise auf
as, was das Statistische Bundesamt in dieser Woche
eröffentlicht hat – mehr als 500 000 neue Pflegestellen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21245
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Bundesministerin Ulla Schmidt
besetzen. Damit das gelingt, müssen wir mit vernünfti-
gen Bedingungen werben können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ferner wird eine
dringend notwendige, leistungsgerechte Investitions-
finanzierung vorbereitet. Deutsche Krankenhäuser sind
in vielen Bereichen mit Hightechunternehmen zu ver-
gleichen. 25 Prozent der Betriebskosten werden – das
sagt jeder Experte – durch notwendige Investitionen be-
einflusst. Wer den hohen Standard in den Krankenhäu-
sern erhalten will, der muss kontinuierlich und planbar
dafür sorgen, dass auch besondere Ausstattungsinvesti-
tionen refinanziert werden und dass die Ausstattungsin-
vestitionen – neben der Finanzierung der Behandlungs-
kosten – auf Dauer gewährleistet sind, sodass die
Krankenhäuser planen können. Hier sind die Bundeslän-
der in der Pflicht. Ich erwarte in den kommenden Mona-
ten eine konstruktive Zusammenarbeit bei der Weiterent-
wicklung der Investitionsfinanzierung.
Die Politik der Bundesländer, die darauf ausgerichtet
ist, haushaltspolitische Zwänge zulasten der Kranken-
häuser umzusetzen, muss ein Ende haben. Stattdessen
sollte in den Pflegebereich investiert werden: Er ist auch
für die Bundesländer – nicht nur im Hinblick auf eine
gute medizinische Versorgung als Teil der Daseinsvor-
sorge, sondern auch im Hinblick auf Förderung des
Wachstumsmarktes Nummer eins – wichtig. Auf diesem
Markt muss Beschäftigung gesichert und ausgebaut wer-
den.
Jeder Euro, der in die gesetzliche Krankenversiche-
rung fließt, ist von Menschen hart erarbeitet worden; sie
müssen nämlich die Beiträge zahlen. Auch deshalb gilt
es, das Prinzip umzusetzen, Beitragsgelder nur in hohe
Qualität und nur dort, wo sie wirklich gebraucht werden,
zu investieren; denn kein Beitragszahler hat etwas zu
verschenken.
Ich bin davon überzeugt, dass Beitragszahler einen
Anspruch darauf haben, dass sich die Krankenhausma-
nager anstrengen. Es ist nicht nur eine Frage des Geldes,
sondern auch eine Frage der Organisation der Arbeitsab-
läufe in den Kliniken, des Abbaus von Hierarchien und
des vernünftigen Einsatzes aller Qualifikationen. Es ist
Aufgabe der Krankenhäuser, sich nicht nur um eine gute
Qualität der Versorgung, sondern auch um Wirtschaft-
lichkeit zu bemühen. Hier besteht neben dem, was die
Krankenkassen machen und was die Länder zu tun ha-
ben, ein Potenzial: Auch die Krankenhäuser selbst sind
in der Pflicht.
Sie alle wissen es – Sie können es sehen, wenn Sie
Krankenhäuser besuchen –: Wir haben hervorragend ar-
beitende Häuser in unterschiedlicher Trägerschaft. Es
gibt Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft, in kom-
munaler Trägerschaft und in privater Trägerschaft. Die
Häuser, die wirklich hervorragend arbeiten, erreichen
zum größten Teil positive Abschlüsse. Ich bin der Auf-
fassung, dass diese Krankenhäuser als Benchmark für
andere Krankenhäuser in Deutschland dienen sollen.
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in keiner Weise den Bedürfnissen der Pflegerinnen und
Pfleger sowie der Krankenschwestern gerecht wird?
Zwar sehen sie in dem Gesetzentwurf eine Verbesse-
rung; aber sie sind sich alle einig – –
Frau Kollegin!
Wie erklärt es sich, dass die Bundesregierung trotz-
dem versucht, das als einen Erfolg und als ein gutes Pro-
jekt zu bezeichnen – –
Frau Kollegin Dağdelen, Sie sollen kurz und präzise
fragen und keine Rede halten.
Ich halte keine Rede. Ich frage mich nur: Wie kann es
sein, dass ich 1 600 Unterschriften erhalten habe – ich
habe sie dabei und möchte sie im Anschluss an Sie wei-
tergeben –,
mit denen zum Ausdruck gebracht werden soll, dass das
vorliegende Gesetz nicht den Bedürfnissen der Pflege-
rinnen und Pfleger entspricht?
Die Zwischenfrage ist nicht dazu da, eine Aktion zu
starten, Frau Kollegin Dağdelen. Sonst muss ich Ihnen
das Wort entziehen.
Frau Kollegin, es ist ein besonderes Phänomen im
Gesundheitswesen, dass im kommenden Jahr aus Bei-
tragsgeldern 3,5 Milliarden Euro mehr in den Kliniken
fließen und trotzdem von Funktionären, auch in den
Krankenhäusern, eine Stimmung verbreitet wird, als
handele es sich um eine Kürzung der bisherigen Zuwen-
dungen.
Es wird ja auch propagiert, es werde Geld gekürzt,
und dann ist doch klar, dass die Beschäftigten glauben,
sie bekämen weniger als bisher. Die Regelungen in die-
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hr Kollege hat vor einer Stunde hier gegen die Erhö-
ung der Beiträge gewettert, die wir aber brauchen, um
as finanzieren können.
Wir haben auch auf die Pflege Rücksicht genommen,
ls uns gesagt wurde: Das ist eine gute Idee von euch,
0 Prozent refinanzieren, 21 000 Stellen. Wir haben viel-
eicht Probleme in den Krankenhäusern, und es wäre
esser, ihr würdet höher finanzieren, damit tatsächlich
ingestellt wird. – Das ist der Grund dafür, dass wir in
inem Änderungsantrag gesagt haben: Ja, wir wollen,
ass Pflege entlastet wird.
Insofern, Frau Kollegin, kann ich sagen: Wir hatten
inen Pflegegipfel, wir haben alles mit dem Deutschen
flegerat besprochen. Der Deutsche Pflegerat, die Ge-
erkschaft Verdi und andere aus Wissenschaft, Kran-
enhäusern und Krankenkassen sind bei uns beteiligt,
odass wir gemeinsam Lösungen finden, etwa dazu, wie
ie neuen Pflegestellen in die Fallpauschalen einfließen
önnen, ob Pflege dort berücksichtigt ist. Deshalb bitte
ch Sie, beim nächsten Mal, wenn Sie erzählen, was alles
n diesem Gesetz steht, die Pflegekräfte zu beruhigen,
nstatt Menschen aufzuhetzen. Damit wird man dem,
as hier gemacht wird, nicht gerecht.
Frau Ministerin, ich bitte Sie, bald zum Schluss zu
ommen.
Ich bin schon fast am Schluss. – Liebe Kolleginnen
nd Kollegen, der Gesetzentwurf eröffnet den Kranken-
äusern neue Chancen, weil wir über die Finanzierung
inaus auch zukunftsweisende Strukturveränderungen
uf den Weg bringen.
ir wollen, dass die Arbeit angemessen bezahlt wird,
ass Beschäftigung gesichert wird und neue Qualifikatio-
en ermöglicht werden. Das dient einer besseren Versor-
ung der Patientinnen und Patienten, und das ist das
ntscheidende Ziel der Bundesregierung und der Koali-
on. Wir möchten, dass kranke Menschen in Deutschland
ptimal behandelt werden.
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21247
)
)
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
Kollegen Frank Spieth.
Kollege Spahn, es ist in der Tat so, dass ich noch eine
Rede halte, aber ich habe keine Lust, meine Redezeit mit
einer Entgegnung auf eine Falschdarstellung zu ver-
schwenden. Deshalb muss ich die Möglichkeit haben,
hier zu entgegnen, wenn ich falsch zitiert werde.
Frau Ministerin, Sie haben eben behauptet, ich hätte
vorhin gesagt, wir würden die zusätzlichen Leistungen
für die Krankenhäuser ablehnen; weil wir die Beitrags-
erhöhung kritisieren, würden wir faktisch auch die Leis-
tungen ablehnen.
Genau das Gegenteil habe ich gesagt. Ich habe gesagt:
Wir begrüßen sehr wohl, dass mehr Geld für Kranken-
häuser und für Ärzte bereitgestellt wird.
Wir sind allerdings dagegen, dass dies so unsolidarisch
und unsozial finanziert wird wie über diesen Gesund-
heitsfonds. Das war mein Petitum.
Frau Ministerin, bitte schön!
Herr Kollege, ich habe eben darauf hingewiesen, dass
man sich auch als Opposition einmal entscheiden muss.
Man kann über grundsätzliche Reformen nachdenken,
aber in der Zwischenzeit, bis man zu grundsätzlichen
Reformen kommt, wozu man auch Mehrheiten braucht,
muss man durch Reformen das System funktionsfähiger
machen und auch die Finanzierung nachhaltig verbes-
sern. Man kann nicht den Beschäftigten sagen: Weil wir
unsere Idealform einer Krankenversicherung noch nicht
haben, können wir auch keine zusätzlichen Leistungen
finanzieren.
Ich habe Ihre Kollegin darauf hingewiesen, dass Sie
uns heute Nachmittag bei der Debatte um den Gesund-
heitsfonds noch dafür kritisiert haben, dass wir den Bei-
tragsatz auf 15,5 Prozent angehoben haben. Die Erhöhung
brauchen wir aber, wenn wir die Mehraufwendungen
finanzieren wollen.
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enn wir etwas zusagen, sorgen wir auch dafür, dass es
inanziert werden kann.
Das Wort hat jetzt der Kollege Daniel Bahr von der
DP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Das Gesundheitswesen ist der größte Arbeit-
eber in Deutschland. In vielen Regionen, in vielen
tädten ist ein Krankenhaus der größte Arbeitgeber. Die
ohe Anzahl an Beschäftigten in einem Krankenhaus
ührt dazu, dass etwa 60 bis 70 Prozent der Kosten in ei-
em Krankenhaus Personalkosten sind.
Frau Ministerin Schmidt hat zu Recht darauf hingewie-
en, dass Krankenhäuser Hightechunternehmen sind, dass
as Gesundheitswesen angesichts einer alternden Bevöl-
erung ein Wachstumsmarkt ist. Nur nennen Sie mir einen
achstumsmarkt, der sein Wachstumspotenzial wirklich
ntfalten kann, wenn er staatlich bzw. planwirtschaftlich
rganisiert wird! Genau das ist das Problem. Sie geben
em Wachstumsmarkt Gesundheitswesen gar nicht die
reiheiten, die das Gesundheitswesen braucht, um seine
achstumspotenziale angesichts einer alternden Bevölke-
ung entfalten zu können.
Mit immer mehr Vorgaben, mit immer detaillierteren
orgaben, mit immer mehr Bürokratie nehmen Sie den
rankenhäusern die Freiheitsgrade.
arum beschweren sich denn die Pflegekräfte? Warum
eschweren sich denn die Ärzte? Sie erleben täglich im
esundheitswesen und insbesondere in den Krankenhäu-
ern, dass sie mit ihrer Arbeit immer weniger zufrieden
ind, dass sie immer unmotivierter sind. Das sind die
olgen Ihrer Politik, Frau Schmidt. Sie sind seit Januar
001 Gesundheitsministerin. Sie können sich nicht aus
er Verantwortung stehlen. Sie haben seit mindestens sie-
en Jahren die Verantwortung für die Gesundheitspolitik.
ll die Maßnahmen, über die wir gleich noch diskutieren,
aben Sie als Gesundheitsministerin zu verantworten.
ass die Motivation derer, die im Gesundheitswesen tätig
ind, so gering ist bzw. absinkt, kommt daher, dass sie
agtäglich erleben, dass sie immer weniger Zeit für ihre
igentliche Aufgabe, nämlich die Versorgung der Patien-
21248 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Daniel Bahr
ten, zur Verfügung haben. Das fällt auch in Ihre Verant-
wortung.
Sie steigen in adventlicher Zeit geradezu wie ein En-
gel vom Himmel herunter,
schütten das Füllhorn aus und versprechen den Kranken-
häusern mehr Geld. Wir wollen uns einmal anschauen,
Engel Ulla, wie die Maßnahmen der letzten Jahre aussa-
hen. Was wurde denn hier beschlossen?
Die Krankenhäuser wurden mit vielem belastet: Um-
stellung auf die diagnosebezogenen Fallpauschalen,
Abschaffung der Ausbildungsstufe „Arzt im Praktikum“,
Mehrwertsteuererhöhung ohne entsprechenden Aus-
gleich, Energiekostensteigerung, Verbot von Naturalrabat-
ten für Arzneimittel, Neueinstellung von Ärzten aufgrund
der Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes, Anschubfinanzie-
rung für die integrierte Versorgung – auch diese entzog
den Krankenhäusern zunächst Geld. Nach den Belastun-
gen der letzten Jahre kommt man bei der jüngsten
Gesundheitsreform nicht etwa auf die Idee, den Kranken-
häusern mehr Spielräume zu eröffnen und mehr Geld zu
geben.
Nein, zu Beginn der Legislaturperiode haben Sie von
Schwarz-Rot darüber hinaus beschlossen, den Kranken-
häusern mittels eines Sondersparopfers noch zusätzlich
Geld wegzunehmen: Von jeder Rechnung, die ein Kran-
kenhaus stellte, mussten 0,5 Prozent abgezogen werden.
Das war Ihre Antwort auf die Mehrbelastung der Kran-
kenhäuser in den letzten Jahren.
Jetzt tun Sie hier so, als ob Sie Geschenke verteilen und
den Krankenhäusern etwas Gutes tun, indem Sie ihnen
3,5 Milliarden Euro mehr versprechen. Dabei geben Sie
den Krankenhäusern gerade einmal anteilig das zurück,
was Sie den Krankenhäusern durch die Mehrbelastungen,
die Sie ihnen in den letzten Jahren aufgebürdet haben, ge-
nommen haben. Das, meine Damen und Herren, ist nicht
die Verlässlichkeit, die Hightechunternehmen in einem
Wachstumsmarkt brauchen.
Das ist vielmehr eine Gesundheitspolitik, bei der nach
politischem Gusto zugeteilt wird.
Schauen wir uns die Maßnahmen einmal konkret an!
Sie versprechen, mehr Geld für Pflegekräfte zu geben.
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Das Sparopfer, das ich eben erwähnt habe, macht für
ie Krankenhäuser genau 220 Millionen Euro pro Jahr
us. So viel haben Sie den Krankenhäusern pro Jahr
eggenommen.
as Geld, das Sie den Krankenhäusern jetzt für die Pfle-
estellen versprechen, macht genau 230 Millionen Euro
us. Das heißt, was Sie hier vollmundig als eines Ihrer
ollen Programme, als Pflegestellenprogramm, verkau-
en, ist nichts anderes als der Versuch, den Krankenhäu-
ern das Geld wiederzugeben, das Sie ihnen in den letz-
en Jahren jeweils weggenommen haben. Das erfolgt
uch noch staatsdirigistisch, statt dass Sie den Kranken-
äusern die Freiheit lassen, das Geld so auszugeben, wie
ie es für sinnvoll halten.
Möglicherweise – das weiß ich aus vielen Besuchen,
nd Ihnen wird es genauso gehen – brauchen manche
rankenhäuser wegen der Neuregelung des Arbeitszeit-
esetzes eher neue Ärzte, die sie auf dem Markt häufig
icht mehr finden, weil dieser leergefegt ist oder die
rzte nicht bereit sind, im Krankenhaus zu arbeiten. Das
eißt, hier fördern Sie nur mit einem Programm. Nach
er Logik müssten Sie im nächsten Jahr das nächste Pro-
ramm auflegen, ein 5 000-Ärztestellen-Programm,
ann ein Programm für die Dokumentare und noch eines
ür die Verwaltung. Das sind alles planwirtschaftliche
nsätze, dirigistische Vorgaben.
eben Sie den Krankenhäusern die finanziellen Mög-
ichkeiten! Das kann und sollte ein scharfer Wettbewerb
ein. Aber die Krankenhäuser sollten die größtmögli-
hen Freiheiten haben, um in diesem Wettbewerb beste-
en zu können.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21249
)
)
Daniel Bahr
Nach der Einführung des Einheitsbeitragssatzes für
die Krankenkassen und der Einheitsabgabepreise bei
Arzneimitteln wollen Sie diesen Weg jetzt noch weiter
gehen, indem Sie Einheitspreise bei der Vergütung für
Krankenhäuser vorgeben. Sie haben vom Einheitsbasis-
fallwert gesprochen.
– Genau, bundesweit. – Ist das sinnvoll? Sind nicht die
Unterschiede in den Krankenhäusern eklatant? Ein
Krankenhaus in München hat ganz andere Kosten – Ar-
beitskosten, Energiekosten – als ein Krankenhaus in der
Fläche, zum Beispiel bei mir in Gronau im Kreis Bor-
ken.
Wie wollen Sie das mit Einheitspreisen berücksichtigen?
Damit können Sie doch nicht den wirklichen Anforde-
rungen im Gesundheitswesen gerecht werden.
Solche Bundesbasisfallwerte können allenfalls Orien-
tierungspunkte sein; aber die Verhandlungspartner soll-
ten größtmögliche Freiheiten haben, um vor Ort die rich-
tigen Entscheidungen treffen zu können. Einheitspreise
und solche staatsdirigistischen und planwirtschaftlichen
Vorgaben, wie wir sie leider auch in diesem Gesetzent-
wurf erleben, lösen die Probleme, die ein Wachstums-
markt im Gesundheitswesen hat, überhaupt nicht, son-
dern verschärfen sie.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Zöller von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
hätte nicht gedacht, dass ich in diesem Hohen Haus ein-
mal erleben muss, dass die Linke und die FDP gleicher-
maßen argumentieren. Sie wollen den Gesundheitsmarkt
stärken – dafür sind auch wir –, sind aber nicht bereit,
das Geld dafür zur Verfügung zu stellen.
Sie wollen die Leistungen ausbauen, sind aber nicht be-
reit, das Geld dafür zur Verfügung zu stellen.
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Bei aller Kritik: Heute ist ein guter Tag für die Mitar-
eiterinnen und Mitarbeiter in den Krankenhäusern und
amit auch für die Patienten in den Krankenhäusern.
it dem finanziellen Hilfspaket werden den Kranken-
äusern im kommenden Jahr ungefähr 3,5 Milliarden
uro mehr zur Verfügung gestellt. Die Hälfte der Tarif-
ohnerhöhung wird damit finanziert. Außerdem wird den
rankenhäusern ermöglicht, bis zu 17 000 Pflegerinnen
nd Pfleger neu einzustellen. Das wird durch eine 90-pro-
entige Finanzierung der Kosten durch die GKV ge-
ährleistet. Das ist eine deutliche Verbesserung.
Es geht uns aber nicht nur um kurzfristige Verbesse-
ungen, sondern wir gehen weiter, indem wir den Kran-
enhäusern auch mittelfristig bessere Perspektiven eröff-
en.
o soll die Anbindung an die Grundlohnentwicklung be-
ndet werden. Wir wollen hier einen neuen Orientie-
ungswert schaffen, der die krankenhausspezifischen
osten sachgemäßer abbildet.
Auch ein Vorschlag zur Entwicklung leistungsorien-
ierter Investitionspauschalen ist in diesem Gesetzent-
urf enthalten. Hier wollen wir die Länder stärker mit in
ie Verantwortung nehmen. Denn es kann nicht sein,
ass manche Krankenhäuser nur deshalb nicht wirt-
chaftlich arbeiten können, weil über Jahre hinweg die
otwendigen Investitionen von den Ländern nicht getä-
igt wurden
nd die Krankenhäuser Geld, das sie eigentlich für den
etrieb gebraucht hätten, für Investitionen eingesetzt ha-
en.
Die Verbände der Krankenhäuser sagen, dies sei nicht
inreichend, während die Krankenkassen die Mehraus-
aben monieren. Trotz dieser Kritik sollten wir die Ver-
esserungen, die dieser Gesetzentwurf mit sich bringt,
icht kleinreden. Es sind wesentliche Verbesserungen
ür unsere Krankenhäuser.
Die Forderungen der Krankenkassen, die vorgesehe-
en Mittelsteigerungen zu reduzieren oder gar eine neue
udgetierung einzuführen, haben wir nicht mitgetragen.
ch bin froh darüber, dass wir das in der Koalition so ge-
chafft haben. Dies gilt auch für die Forderung, die Ge-
21250 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Wolfgang Zöller
winne der Krankenhäuser aus der letzten Konvergenz-
stufe mit dem Hilfspaket zu verrechnen.
Die Koalition hat die politischen Zusagen gegeben,
dass erstens die Tariflohnanhebungen bis zu 50 Prozent
gegenfinanziert werden, dass zweitens die Anpassung
der Fallwerte auf einen einheitlichen Landesbasisfall-
wert zugunsten der Krankenhäuser umgesetzt wird, wie
es im Gesetz vorgesehen ist, und dass drittens das Mor-
biditätsrisiko von den Krankenhäusern auf die Kranken-
kassen verlagert wird, was eine wesentliche Verbesse-
rung für die Krankenhäuser darstellt.
Wir haben uns an unsere Zusagen gehalten. Trotzdem
haben wir mit dem Gesetzentwurf erreicht, dass die
3,5 Milliarden Euro eingehalten werden können. Die Re-
finanzierung der Tariflohnerhöhungen haben wir auf die
einzelnen Krankenhäuser bezogen, die wirklich mehr
Lohn gezahlt haben. Des Weiteren haben wir die Anpas-
sung der Fallwerte auf zwei Jahre gestreckt. Das ist rich-
tig. Die Vergütung der Mehrleistungen haben wir nicht
pauschal gekappt; vielmehr wird das krankenhausindivi-
duell gestaffelt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem
Ergebnis haben wir einen guten und auch gegenüber den
Krankenhäusern und Krankenkassen vertretbaren Aus-
gleich der Interessen erreicht. Für die Krankenhäuser
und damit auch für die stationäre Versorgung der Patien-
ten haben wir für die nächsten Jahre damit eine bessere
finanzielle Grundlage geschaffen.
Auch hier hat sich wieder einmal gezeigt, dass die
Koalition bei wichtigen Fragen gute Ergebnisse zustande
bringt.
Vielen Dank.
Das Wort hat Herr Kollege Frank Spieth von der
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Auch durch noch so häufige
Wiederholungen wird eine falsche Aussage nicht richtig.
Tatsache ist, dass wir gesagt haben, dass wir mehr Geld
für die Krankenhäuser brauchen. Allerdings sind wir der
Auffassung, dass Sie das so, wie Sie das mit dem Ge-
sundheitsfonds realisieren, unsozial finanzieren – zulas-
ten der Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Da-
bei bleibt es.
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Im Übrigen empfehle ich einen Blick ins Protokoll.
ort können Sie es nachlesen. Vielleicht haben Sie ein-
ach nicht zugehört.
In den letzten Jahren haben die Krankenhäuser zu we-
ig Geld bekommen. Das stimmt. Die Folge war, dass
ine größere Anzahl von Krankenhäusern schließen
usste. Aktuell droht jedem dritten Krankenhaus die
chließung.
Parallel zur finanziellen Notlage hat eine radikale
konomisierung der Krankenhäuser stattgefunden. Al-
es muss sich rechnen. Es werden immer mehr Patienten
n immer kürzerer Zeit durchgeschleust. Viele Patienten
mpfinden dies mittlerweile als inhumane Fließbandme-
izin.
Eine gnadenlose Ökonomisierung der Krankenhäuser
ührt mehr und mehr zur Zweiklassenmedizin und außer-
em zur maximalen Ausbeutung der Arbeitskraft von
rankenschwestern, Krankenpflegern und Ärzten. Die
olge ist, dass immer weniger Mitarbeiter im Gesund-
eitswesen regulär in Rente gehen, sondern vorher durch
rankheit ausscheiden. Das schlägt auch auf die Be-
andlung von Patienten durch.
Das haben Sie von der Koalition erkannt. Insofern be-
rüßen wir Ihren Gesetzentwurf; denn Sie machen damit
eutlich, dass Sie wie die Linke dringenden Handlungs-
edarf sehen. Ihr Gesetzentwurf geht durchaus in die
ichtige Richtung. Leider sind die Schritte aus unserer
icht aber zu kurz. Die strukturellen Probleme der Kran-
enhäuser werden nur unzureichend in Angriff genom-
en.
Als wir im März den Antrag der Linken mit dem Titel
Aktuelle Finanznot der Krankenhäuser beenden“ disku-
iert haben, haben Sie unseren Vorschlag noch abgelehnt.
s war wohl koalitionspolitisch motiviert, dass die
DU/CSU damals sagte, sie müsse diesen Antrag leider
blehnen.
Absolut unverständlich war die Position der SPD, die
amals zum Ausdruck brachte, dass sie ihn in vollem
ewusstsein ablehne. Bei einer solchen sozialdemokrati-
chen Gratwanderung kann man sich angesichts des vor-
iegenden Gesetzentwurfes eigentlich nur noch verwun-
ert die Augen reiben. Es ist ein Glück für die
rankenhäuser, dass die SPD nach der Devise: „Was
ümmert uns unser Geschwätz von gestern?“ zu einer
80-Grad-Wende fähig ist. Ich habe den Eindruck: Ohne
ie Demonstration der 130 000 Krankenhausangestellten
or dem Brandenburger Tor hätte dieser Lernprozess so
icht stattgefunden.
Sie haben die Kernforderung nach Finanzierung der
ariferhöhungen, nach Schaffung von mehr Stellen und
ahlung von mehr Geld aufgenommen; leider, wie ge-
agt, nicht in vollem Umfang. Nehmen wir zum Beispiel
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21251
)
)
Frank Spieth
die Übernahme der Tariferhöhungen. Diese wollen Sie
jetzt nur zu 50 Prozent finanzieren. Die anderen 50 Pro-
zent sollen die Häuser also wie bisher aus dem laufenden
Betrieb decken.
Aber wie soll das funktionieren, ohne dass dabei weitere
Arbeitsplätze abgebaut werden? Denn die Sachkosten,
etwa die Kosten für Strom und Wasser, für Nahtmaterial
oder Blutkonserven, sind in den Krankenhäusern unbe-
einflussbare feste Kosten.
Die Stellschraube kann also erneut nur bei den Perso-
nalkosten sein. 65 Prozent der Kosten eines Kranken-
hauses entfallen auf die Löhne und Gehälter der Ange-
stellten.
Deshalb muss fast zwangsläufig mit einem weiteren Per-
sonalabbau gerechnet werden, um so die 50 Prozent, die
fehlen, zu finanzieren. Das machen wir nicht mit.
Ich begrüße, dass Sie zusätzlich 16 000 Stellen für
Krankenschwestern und Krankenpfleger schaffen
und diese jetzt zu 90 Prozent finanzieren wollen. Aber
sehen nicht auch Sie die Gefahr, dass dieser Effekt durch
die unzureichende Finanzierung der Tarifanpassung, wie
vorhin genannt, wieder verpufft? Sehen Sie nicht auch,
dass wir mit dieser Maßnahme zwar einen Teilausgleich,
aber in keiner Weise einen Ausgleich für die 110 000
Stellen, die in den letzten zehn Jahren abgebaut wurden,
erreichen können?
Höchst erstaunlich ist, dass Sie keine konkreten Maß-
nahmen zum Abbau des Investitionsstaus in Höhe von
50 Milliarden Euro vorschlagen. Da bleiben Sie sehr
wolkig. Wir haben in den Haushaltsberatungen 2009
konkrete Vorschläge zur Auflösung des Investitionsstaus
gemacht. Wir hatten beantragt, dass der Bund im Rah-
men eines Zukunftsinvestitionsprogramms in den nächs-
ten zehn Jahren jährlich 2,5 Milliarden Euro aufbringen
soll. Leider wurde unser Antrag, wie üblich, von einer
Allparteienkoalition am 27. November niedergestimmt.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Mittel, die
noch vor vier Wochen in diesem Haus gefehlt haben,
jetzt offenkundig zur Verfügung gestellt werden sollen,
nämlich im Rahmen des kommenden Konjunkturpro-
gramms. Späte Erkenntnis, meine lieben Kolleginnen
und Kollegen von der Koalition, ist besser als keine Er-
kenntnis. Herzlichen Glückwunsch!
Fazit: Ihr Gesetzentwurf zielt in die richtige Richtung,
reicht aber nicht aus, um eine gute Versorgung für jeden
sicherzustellen. Wir wollen jedoch, dass alle Chancen
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Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Harald Terpe vom
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Damen und Herren Besucher! – Es sind nur noch
enige da. – Der heute zur Abstimmung vorliegende
ntwurf eines Krankenhausfinanzierungsreformgeset-
es ist meiner Meinung nach mehr Verpackung als In-
alt. Der Titel ist eine grobe Irreführung; denn es sind
aum konkret wirksame Maßnahmen einer ordnungspo-
itisch nachhaltigen Reform der Krankenhausfinanzie-
ung enthalten. Der Titel des Gesetzentwurfes suggeriert
twas anderes. Wenn überhaupt, gibt es vorwiegend
age Absichtserklärungen, Appelle oder Prüfaufträge.
Ich meine, ohne verbindliche Festlegungen zur Nach-
altigkeit haben die mit viel Selbstlob in Aussicht ge-
tellten 3,5 Milliarden Euro eher den Charakter eines Al-
osens,
llerdings mit dem Unterschied, dass mit Teilen des Al-
osens, nämlich 0,5 Milliarden Euro – der Sanierungs-
eitrag –, den Krankenhäusern nur etwas zurückgegeben
ird, was die Koalition ihnen zuvor genommen hat.
Mindestens weitere 1,25 Milliarden Euro Mehrein-
ahmen stehen den Krankenhäusern 2009 nach Ihrem
inanztableau aufgrund bestehender Gesetze ohnehin
u: 750 Millionen Euro durch die Grundlohnratensteige-
ung und 500 Millionen Euro durch kalkulierte Leis-
ungssteigerungen. Diese Mehreinnahmen haben nichts,
ber auch gar nichts mit diesem Gesetzentwurf zu tun.
as gilt wohl auch für die 300 Millionen Euro Mehrein-
ahmen durch das Ende der Konvergenz. Wem ange-
ichts dessen nicht das Wort Mogelpackung für dieses
esetz einfällt, der muss schon ziemlich ahnungslos
ein.
Was ist nun an konkreten, mit finanziellen Zusatzmit-
eln untersetzten ordnungspolitischen Maßnahmen im
esetzentwurf enthalten? Ich komme auf nur
,5 Milliarden Euro. Das betrifft zum Beispiel die von
ns begrüßte Verbesserung der Ausbildungsfinanzierung
nd die zusätzlichen Mittel für die Psychiatrie. Die im
esetz vorgesehene Umstellung der Psychiatriefinanzie-
ung wird hoffentlich mit einer Hinwendung zu moder-
en integrativen Ansätzen in der stationären und teilsta-
ionären Psychiatrie und einer Modernisierung der
sychiatrie-Personalverordnung verbunden sein. Bezüg-
ich der Situation der Pflegekräfte wird mit dem im Ge-
etz enthaltenen Stellenprogramm zumindest Problem-
21252 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Dr. Harald Terpe
bewusstsein signalisiert. Das ist anzuerkennen. Es sind
aber auch Fehlanreize für Krankenhäuser vorprogram-
miert, nach dem Motto: Erst saniere ich mich durch Per-
sonalabbau, und dann lasse ich mir die Einstellung neuer
Pflegekräfte von der Solidargemeinschaft bezahlen.
Auch die Kofinanzierung der Tariflohnsteigerung ist nö-
tig, aber sicherlich keine ordnungspolitische Maßnahme.
Bei der Bewertung des Gesetzentwurfs ist für uns die
Frage entscheidend, was unter dem Gebot einer nachhal-
tigen Krankenhausfinanzierung ordnungspolitisch not-
wendig gewesen wäre. Hier bleibt das Gesetz mut- und
kraftlos. Auch in der Gesundheitspolitik gilt ganz offen-
sichtlich der Satz: Große Koalitionen lösen keine großen
Probleme, nicht einmal kleine, sondern keine.
Nehmen wir das Beispiel Investitionsfinanzierung;
denn da wird es offensichtlich. Das Gesetz sieht keine
belastbare Regelung vor, die die Länder in irgendeiner
Weise reizen oder zwingen würde, den Investitionsstau
zu beseitigen.
Ich denke in diesem Zusammenhang vor allen Dingen
daran, dass die Große Koalition nicht nur im Bund be-
steht; mir fallen kaum Länder ein, wo SPD oder CDU
nicht den Ministerpräsidenten stellen.
Wenn die Länder den Abbau der Investitionsmittel
mit der gleichen Geschwindigkeit wie bisher fortsetzen,
dann sind wir 2020 bei 0 Euro für Investitionen. Ob die
Krankenhäuser dann 0 Euro einzeln oder pauschal be-
kommen, wird keinen interessieren.
Zweites Beispiel: Krankenhausbudgetierung. Wir
sind uns einig, dass die Grundlohnrate derzeit kein ge-
eignetes Instrument ist, um die Krankenhauspreise fort-
zuschreiben.
Die Art, wie Sie diese Erkenntnis ins Gesetz geschrieben
haben, offenbart zwei zentrale Defizite Ihrer bisherigen
Gesundheitspolitik: Sie haben erstens keine Reform zur
Verbesserung der Einnahmesituation der gesetzlichen
Krankenkassen zustande gebracht. Eine große Koalition
löst große Probleme? – Fehlanzeige!
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as zweite Defizit ist Ihr übergroßer Hang zu einer zen-
ralistischen Gesundheitspolitik. Das drückt sich zum
eispiel darin aus, dass das Gesundheitsministerium
arüber entscheiden soll, ob sich der durch das Statisti-
che Bundesamt ermittelte Orientierungswert für den
rankenhauspreisindex vollständig, nur zu einem Teil
der vielleicht auch gar nicht auf die Krankenhauspreise
uswirken wird. An die Stelle des alten Budgetdeckels
ritt also ein neuer, den Sie nach Belieben bestimmen
önnen. Das ist alles andere als eine Verbesserung der
lanungssicherheit der Krankenhäuser.
Alles in allem können wir diesem Gesetzentwurf
icht zustimmen, weil der Inhalt keiner nachhaltigen
rankenhausfinanzierungsreform entspricht.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Eike Hovermann von
er SPD-Fraktion.
Ich soll alle schelten, habe ich gerade gehört. Aber
lle will ich gar nicht schelten, weil auch viel Gutes ge-
agt worden ist.
Worum geht es? In fünf Minuten hat man kaum genü-
end Zeit, ein Problem umfassend darzustellen. In weni-
en Akzenten zusammengefasst: Es geht um
,5 Milliarden Euro mehr.
err Baum hat gesagt: Das sind sieben Prozent mehr als
n den vergangenen Jahren; eine solche Steigerung gab
s noch nie. In einer abschließenden Bemerkung zu dem
rrungenen Gesamtpaket verstieg er sich sogar zu dem
inweis: Letztendlich ist ein faires und perspektivrei-
hes Konzept zustande gekommen.
atürlich hätten wir uns mehr erwartet; aber es ist per-
pektivvoll und letztendlich fair. Dass wir möglicher-
eise in den nächsten Jahren das eine oder andere neu
eraten müssen – wir leben ja alle von Annahmen; wir
issen nicht, wie die wirtschaftliche Entwicklung sein
ird –, ist natürlich selbstverständlich.
Hier in der Diskussion wird vergessen, dass wir im
esundheitsausschuss nicht ausschließlich für Kranken-
ausfinanzierung zuständig sind. Vielmehr geht es um
in Gesamtkonzept, um den ganzen Versorgungsbereich
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21253
)
)
Eike Hovermann
vom Krankenhaus über ambulante Behandlung und Er-
gotherapie bis hin zur Arzneimittelbehandlung, oder wie
– jetzt hätte ich beinahe „Genosse“ gesagt –
Kollege Faust sagt, um eine Sicherheitsarchitektur, in-
nerhalb derer perspektivisch Sicherheit gegeben wird.
Das wird aus der Sicht der Krankenhausträger mit diesen
3,5 Milliarden Euro geleistet.
Mich hat folgende Bemerkung sowohl von Herrn
Bahr als auch in den vergangenen Diskussionen von
Herrn Spieth sehr interessiert: Wir müssen die Länder zu
einer Investitionsfinanzierung zwingen.
Verehrter Herr Kollege Terpe, ein Blick ins Grundgesetz
reicht eigentlich, um zu wissen, dass wir diesen Zwang
nicht ausüben können. Wenn von Herrn Spieth jetzt der
Hinweis kommt, Sie hätten in den vergangenen Wochen
oder Monaten – ich weiß es nicht ganz genau – ein
50-Milliarden-Euro-Programm vorgeschlagen – das ha-
ben Sie eben gesagt –, dann erinnere ich nur daran, dass
50 Milliarden Euro entweder fünf Beitragspunkte oder
eine Mischfinanzierung bedeuten.
– Aber es bleiben 50 Milliarden Euro.
Herr Spieth, lassen Sie mich ausreden. Sie entlassen
damit die Länder aus ihrer Pflicht, etwas zu tun.
Sie wurde festgeschrieben, weil wir Sicherstellung und
Krankenhausplanung wollen. Die Länder haben sich
kontinuierlich aus dieser Finanzierung herausgezogen.
Im Übrigen wurde seinerzeit in Mecklenburg-Vorpom-
mern die Finanzierung kontinuierlich degressiv herun-
tergefahren; da war Frau Dr. Bunge sogar Gesundheits-
ministerin. In Berlin ist es ebenso gewesen. Das gilt auch
für Herrn Bahr in etwas verdrehter Art und Weise. Sie
können hier mehr Geld für den Hightechstandort Kran-
kenhaus fordern, für Implantationen und Innovationen,
aber die Regierung in Nordrhein-Westfalen unter maß-
geblicher Beteiligung der FDP hat nichts anderes getan,
als die Investitionen weiter abzustufen.
Man kann hier nicht folgendes Konzept verfolgen: Im
Bund fordern wir mehr Geld, weil wir in der Opposition
sind, und da, wo wir in Verantwortung sind, kürzen wir
die notwendigen Gelder, damit der Krankenhausbereich
saniert wird.
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a steht es jedenfalls drin. Unter Führung der Ministerin
nd in gemeinsamer Anstrengung haben wir uns dann
ber nicht an einen Brief des Bundeskanzleramtes gehal-
en, sondern gesagt, dass wir 3,5 Milliarden Euro brau-
hen. Das hat uns und den Krankenhäusern natürlich ge-
olfen. Wenn es aufgrund der Finanzkrise in den
ächsten Jahren zu möglichen weiteren Belastungen
ommt, werden wir darüber sprechen müssen.
Ich bitte, verbunden mit Dank an alle, die wir manch-
al auch donnerstags, freitags, samstags und sonntags
nter viel Mühen und auch Pressionen mitgearbeitet ha-
en, um Annahme des vorliegenden Paketes von
,5 Milliarden Euro, das wir gemeinsam geschnürt ha-
en. Mein Dank geht auch an das Ministerium. Kein
ank geht an diejenigen, die jetzt dagegen sind, dass die
rankenhäuser mehr Geld bekommen.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
rteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Hans Georg Faust
on der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-
en und Kollegen! Am 25. September dieses Jahres –
ie erinnern sich – demonstrierten 130 000 Kranken-
ausmitarbeiter vor dem Brandenburger Tor, um auf ihre
rbeitssituation und die aus ihrer Sicht katastrophale Fi-
anzlage der deutschen Krankenhäuser aufmerksam zu
achen.
er die Arbeitssituation in deutschen Krankenhäusern
on innen kennt und insbesondere die Entwicklungen
er letzten Jahre verfolgt hat, kann diese Proteste nach-
ollziehen.
ie Einführung der Fallpauschalen, die nachfolgende
onvergenzphase und die Forderungen nach Rationali-
21254 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Dr. Hans Georg Faust
sierung und Effizienzsteigerung haben die Arbeitswelt
im Krankenhaus grundlegend verändert.
Der Patient bleibt im Durchschnitt nur noch acht
Tage. Immer kompliziertere Diagnostiken und Therapien
sollen immer schneller durchgeführt werden. Die Arbeit
verdichtet sich. Sie verlagert sich von den Bettenstatio-
nen in die Funktionsbereiche, die Operationssäle, die
Endoskopie, die Röntgenabteilung, das Herzkatheterla-
bor. Zehntausende von Pflegestellen sind abgebaut. Die
Zahl der Ärzte – auch das ist eine Folge des modernen
Krankenhausalltags – ist im Wesentlichen gleich geblie-
ben.
Eigentlich benötigen wir noch mehr Personal. Im Be-
reich der Ärzte finden wir es schon jetzt nicht mehr. Kli-
niken suchen verzweifelt Chefärzte, Oberärzte und As-
sistenzärzte. Die Bundesagentur für Arbeit sagt uns, dass
wir für ein Einstellungsprogramm nicht einmal die
Hälfte der benötigten Krankenschwestern finden wür-
den.
Dennoch: Mit Blick auf die steigenden Beiträge der
Versicherten hat der Bundesgesetzgeber richtig gehan-
delt, als er Strukturveränderungen in der Krankenhaus-
landschaft einleitete. Die Einführung der Fallpauschalen,
der Einstieg in die fünfjährige Konvergenz, die Beto-
nung der Qualität im Krankenhaus über Qualitätssiche-
rung und jetzt die Fortsetzung dieses Prozesses durch ei-
nen neuen ordnungspolitischen Rahmen haben das Ziel
einer Versorgungslandschaft, in deren Mittelpunkt der
Patient steht.
Gut beraten durch seinen Hausarzt fragt er zuneh-
mend die Leistungen moderner Medizin nach, die spe-
zialisiert und mit hoher Qualität nur in vernetzten Syste-
men mit erheblichem, auch finanziellem Aufwand zur
Verfügung gestellt werden können. Noch sind wir weit
davon entfernt, über das Krankenhaus hinaus sektor-
übergreifend integrierte Versorgungssysteme breit anzu-
bieten; aber die Grundlagen dafür sind geschaffen.
In vielen Teilen Deutschlands ist die Krankenhaus-
landschaft geprägt von Kooperationen mit niedergelas-
senen Haus- und Fachärzten, mit medizinischen Versor-
gungszentren und Portal- und Praxiskliniken. Sie ist
geprägt von der Nutzung von Synergieeffekten und Spe-
zialisierung unter dem Stichwort „Nicht jeder soll alles
machen“. Sie wird beflügelt durch einen Wettbewerb der
Träger. Aber all dies, was sich so positiv anhört, hat
seine Auswirkungen auf den Arbeitsalltag der Schwes-
tern und Pfleger, der Ärztinnen und Ärzte, und auch
manch ein Patient sehnt sich in die Zeit zurück, als auf
den Stationen Zeit für ein Gespräch am Bett war.
Nun gut, die Schwarzwaldklinikzeiten mit dem Alles-
könner Prof. Brinkmann und der heimeligen Atmo-
sphäre gibt es in Ansätzen noch.
Ich kenne Gegenden in Deutschland, in denen das gute
alte Krankenhaus – 180 Betten, Chirurgie, Innere Abtei-
lung, Gynäkologie/Geburtshilfe und HNO-Belegabtei-
lung – typisch ist. Das nächste Krankenhaus ist 15 Kilo-
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Haltetau Nr. 3. Mehrleistungen sollen im Jahr 2009
mit Abschlägen verhandelt werden. Mit Blick auf die Si-
cherheit unserer Zeltkonstruktion ist diese zeitlich be-
grenzte Abkehr vom Festpreissystem vertretbar.
Alles in allem steht unser Zelt fest und sicher, und es
bietet den Krankenhäusern Schutz. Allerdings ist es da-
rin eng, und die Krankenhäuser werden weiter zusam-
menrücken müssen. Für orientalische Luxuszelte aus
1001 Nacht haben die Krankenkassen aber kein Geld,
zahlen die Versicherten keine Beiträge und haben die an-
deren Leistungserbringer im Gesundheitswesen auch
kein Verständnis.
Abschließend möchte ich aber deutlich machen, dass
wir den Krankenhäusern mit dem Krankenhausfinanzie-
rungsreformgesetz Luft verschaffen, damit sie mit Blick
auf die gemeinsamen Projekte von Bund und Ländern
den Entwicklungsweg gehen können, der für die Versor-
gung der Patienten und die Diagnose und Therapie ihrer
Krankheiten erforderlich ist.
Wenn bedarfsnotwendige Krankenhäuser erstickt auf der
Strecke bleiben, dann profitiert niemand davon – am al-
lerwenigsten die Versicherten der Krankenkassen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Herr Präsident, danke. – Kollege Hovermann hat be-
auptet, dass ich als Sozialministerin in Mecklenburg-
orpommern die Krankenhausinvestitionen verringert
abe. Sie erlauben mir einige Sätze, um hier den Mecha-
ismus des Herangehens darzulegen.
Mecklenburg-Vorpommern stand unter dem Druck
er notwendigen Haushaltssanierung. Sie wissen, dass
ie erste rot-rote Regierung natürlich beobachtet wurde.
adurch wurde die Sicherung der Krankenhausinvesti-
ionen schwierig.
Alle Bundesmittel, die als Fördermittel bereitgestellt
urden, wurden aber voll und ganz kofinanziert. Des-
alb ist die Forderung der Linken heute, ein Bundespro-
ramm aufzulegen, das in gleicher Höhe von den Län-
ern kofinanziert wird. Das reizt nämlich zu
nvestitionen an. Dadurch könnte der Investitionsstau in
ehn Jahren abgebaut werden.
Danke.
Herr Hovermann, zur Erwiderung? – Bitte.
Man kann unter den vielfältigsten Aspekten – auch
nter dem Aspekt der Zusammenführung der beiden
änder – Zahlen beschönigen. Man kann Zahlen auch
nders als die offiziellen Zahlen lesen, die seit 1990 be-
annt sind. Diese offiziellen Zahlen, die man nachlesen
ann, belegen nichts anderes, als dass die Finanzierun-
en in allen Ländern um 50 Prozent zurückgegangen
ind. Dies gilt für alle Bundesländer, Frau Dr. Bunge,
icht nur für das, in dem Sie Gesundheits- und Sozial-
inisterin waren; das ist ja nun – Gott sei es geklagt –
icht mehr der Fall.
Daraus ist der Investitionsstau, den Herr Spieth mit
0 Milliarden Euro angegeben hat, entstanden.
21256 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
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Eike Hovermann
Ich denke, man sollte noch einmal einen Blick ins
Grundgesetz werfen; das war auch ein Hinweis aus dem
Forum. Wenn Sie sagen, die Länder sollen gezwungen
bzw. animiert werden, sich hälftig am 50-Milliarden-
Euro-Projekt zu beteiligen – ich habe Herrn Spieth eben
so verstanden, dass das nur die Bundesbank bezahlen
soll –, dann müssen Sie auch sagen, wo die Länder das
Geld herbekommen sollen.
Ich sage Ihnen: Das ist eine Vision, ein Versprechen,
das die Länder nicht einhalten können, das Sie, Frau
Dr. Bunge, jetzt aber wohlfeil abgeben.
Herr Kollege Hovermann, sind Sie am Ende Ihrer Er-
widerung? – Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache und teile mit, dass mir
eine persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsord-
nung der Kollegin Dr. Lale Akgün vorliegt, die wir zu
Protokoll nehmen.1)
Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen.
Zunächst einmal stimmen wir über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zum ord-
nungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung
ab dem Jahr 2009 ab. Der Ausschuss für Gesundheit
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 16/11429, den Gesetzentwurf der Bundesregierung
auf den Drucksachen 16/10807 und 16/10868 in der
Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegen-
stimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke ange-
nommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion der FDP auf Drucksache 16/11436? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Frak-
tion Die Linke bei Zustimmung der FDP-Fraktion und
bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen abge-
lehnt.
Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 16/11435? – Gegenstim-
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1) Anlage 5
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über Personalausweise und den elektronischen
Identitätsnachweis sowie zur Änderung weite-
rer Vorschriften
– Drucksache 16/10489 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses
– Drucksache 16/11419 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Klaus Uwe Benneter
Gisela Piltz
Jan Korte
Wolfgang Wieland
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21257
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
– Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 16/11426 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Bettina Hagedorn
Jürgen Koppelin
Roland Claus
Omid Nouripour
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses zu
dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Wieland, Silke Stokar von Neuforn, Volker Beck
, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Keine Einführung biometrischer Merkmale
im Personalausweis
– Drucksachen 16/7749, 16/11419 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Klaus Uwe Benneter
Gisela Piltz
Jan Korte
Wolfgang Wieland
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Reden zu
diesem Tagesordnungspunkt zu Protokoll zu nehmen. –
Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es handelt sich
um die Reden folgender Kolleginnen und Kollegen:
Clemens Binninger, CDU/CSU-Fraktion, Frank
Hofmann, SPD, Gisela Piltz, FDP, Jan Korte, Die Linke,
Wolfgang Wieland, Bündnis 90/Die Grünen, Gert
Winkelmeier, fraktionslos, und für die Bundesregierung
des Parlamentarischen Staatssekretärs Peter Altmaier.1)
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf über Perso-
nalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis
sowie zur Änderung weiterer Vorschriften. Der Innen-
ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/11419, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 16/10489 in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be-
ratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit gleichem
Stimmenverhältnis angenommen.2)
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1) Anlage 8
2) Anlage 6 3)
– Drucksache 16/7103 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Hans-Joachim Otto , Jörg van
Essen, Gudrun Kopp, weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Wahrung der Rechtssicher-
heit bei der Telekommunikationsüberwachung
und anderen verdeckten Ermittlungsmaßnah-
men
– Drucksache 16/10838 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses
– Drucksache 16/11348 –
Berichterstattung:
Joachim Stünker
Jörg van Essen
Wolfgang Nešković
Jerzy Montag
Die Reden sollen ebenfalls zu Protokoll genommen
erden. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Es
andelt sich um die Reden folgender Kolleginnen und
ollegen: Siegfried Kauder und Dr. Martina Krogmann,
DU/CSU-Fraktion, Martin Dörmann, SPD, Hans-
oachim Otto, FDP, Ulla Jelpke, Die Linke, Jerzy
ontag, Bündnis 90/Die Grünen, und für die Bundesre-
ierung des Parlamentarischen Staatssekretärs Alfred
artenbach.3)
Anlage 9
21258 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/11348, den Gesetzentwurf der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Drucksache
16/7103 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Enthaltung der FDP-
Fraktion angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung: Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit gleichem
Stimmverhältnis angenommen.1)
Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/11348 empfiehlt der Rechtsauschuss,
den Gesetzentwurf der Fraktion der FDP auf
Drucksache 16/10838 abzulehnen. Ich bitte diejenigen,
die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der FDP-Frak-
tion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie Ent-
haltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Damit entfällt
nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Mechthild Dyckmans,
Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Rechte von Bahnkunden stärken
– Drucksache 16/9804 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss fürErnährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss fürTourismus
Auch bei diesem Antrag sollen die Reden zu Proto-
koll genommen werden. Es handelt sich um die Reden
der Kolleginnen und Kollegen Julia Klöckner und
Dr. Günter Krings, CDU/CSU, Volker Blumentritt und
Marianne Schieder, SPD, Mechthild Dyckmans und
Hans-Michael Goldmann, FDP, Karin Binder, Die
Linke, Nicole Maisch, Bündnis 90/Die Grünen.2)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/9804 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf:
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1) Anlage 7
2) Anlage 10
3)
4)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/11389 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Schäfer , Inge Höger, Monika Knoche,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Keine deutsche Beteiligung an der Europäi-
schen Verteidigungsagentur
– Drucksachen 16/4489, 16/7904 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Karl A. Lamers
Andreas Weigel
Elke Hoff
Inge Höger
Alexander Bonde
Auch hier sollen die Reden zu Protokoll genommen
erden. Es handelt sich um die Reden der Kolleginnen
nd Kollegen Henning Otte, CDU/CSU, Andreas
eigel, SPD, Dr. Rainer Stinner, FDP, Inge Höger, Die
inke, Alexander Bonde, Bündnis 90/Die Grünen.4)
Der Verteidigungsausschuss empfiehlt in seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 16/7904, den Antrag
er Fraktion die Linke auf Drucksache 16/4489 abzuleh-
en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
enstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
ung ist bei Gegenstimmen der Fraktion die Linke mit
en Stimmen aller übrigen Fraktionen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie
– Drucksache 16/10536 –
Anlage 11
Anlage 12
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21259
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses
– Drucksachen 16/11412, 16/11448 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Leo Dautzenberg
Reinhard Schultz
Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, nehmen wir
die Reden zu Protokoll. Es handelt sich um die Reden
der Kollegen Leo Dautzenberg, CDU/CSU, Reinhard
Schultz, SPD, Frank Schäffler, FDP, Dr. Axel Troost,
Die Linke, Dr. Gerhard Schick, Bündnis 90/Die Grünen.
Die Konsolidierung im europäischen Bankenmarkt ist
in den letzten Jahren stark vorangeschritten. Sowohl in-
nerhalb der jeweiligen nationalen Grenzen als auch
grenzüberschreitend fusionieren immer mehr Banken, um
ihre Effizienz zu steigern und im internationalen Wettbe-
werb bestehen zu können.
Mit der Beteiligungsrichtlinie vom 5. September 2007
hat die Europäische Union die Grundlage dafür geschaf-
fen, den Verfahrensablauf von grenzüberschreitenden Fu-
sionen im Finanzdienstleistungssektor zu vereinheitli-
chen. Das heute zur Verabschiedung anstehende Gesetz
setzt diese Richtlinie in deutsches Recht um.
Darüber hinaus enthält das Gesetz weitere Regelungs-
bereiche, die unabhängig von der Beteiligungsrichtlinie
sind. Auf diese Punkte werde ich zum Abschluss meiner
Rede eingehen. Doch kommen wir zunächst zum originä-
ren Teil der Beteiligungsrichtlinie.
Meine Fraktion bewertet die Richtlinie positiv. Sie
sorgt erstens für mehr Rechtsklarheit bei Beteiligungsab-
sichten im europäischen Finanzsektor, und sie führt zwei-
tens zu einer effizienteren aufsichtlichen Überprüfung
von solchen Beteiligungsabsichten. Die bisherigen un-
terschiedlichen nationalen Regelungen ermöglichten in
vielen Fällen, insbesondere bei grenzüberschreitenden
Erwerbsvorgängen innerhalb des Europäischen Wirt-
schaftsraumes, willkürliche Entscheidungen nationaler
Aufsichtsbehörden. Die Richtlinie vereinheitlicht nun-
mehr den Verfahrensablauf und schreibt abschließende,
konkrete Prüfkriterien für eine Eignungsprüfung fest.
Vor diesem Hintergrund begrüßen wir vor allem, dass
das deutsche Gesetz einer 1 : 1-Umsetzung entspricht. Es
schafft keine zusätzlichen, rein nationalen Anforderun-
gen. Das ist gut so.
Das Gesetz regelt Fälle, in denen eine natürliche oder
juristische Person eine qualifizierte Beteiligung an einem
Kreditinstitut, einem Lebens-, Schaden- oder Rückversi-
cherungsunternehmen oder einer Wertpapierfirma er-
wirbt oder erhöht. Von einer qualifizierten Beteiligung
spricht man bei Beteiligungen in Höhe von 10 Prozent
oder mehr des Kapitals bzw. bei Beteiligungen in Höhe
von 10 Prozent oder mehr der Stimmrechte des Finanzun-
ternehmens, dessen Anteile erworben werden.
Als konkrete Prüfkriterien bei beabsichtigten Beteili-
gungen legt das Gesetz folgende Regeln fest: Anzeige-
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Kurth, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gesamtkonzept zur beruflichen Teilhabe be-
hinderter Menschen
– Drucksache 16/11207 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21263
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht der Bundesregierung über die Ausfüh-
rung der Leistungen des Persönlichen Budgets
nach § 17 des Neunten Buches Sozialgesetz-
buch
– Drucksache 16/3983 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
zu dem Antrag der Abgeordneten
Markus Kurth, Brigitte Pothmer, Irmingard
Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Persönliche Budgets für berufliche Teilhabe
jetzt ermöglichen
– Drucksachen 16/9753, 16/11299 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Hubert Hüppe
Auch in diesem Fall wollen wir die Reden zu Proto-
koll nehmen. Es handelt sich um die Reden der Kollegen
Hubert Hüppe, CDU/CSU, Silvia Schmidt, SPD,
Dr. Erwin Lotter, FDP, Dr. Ilja Seifert, Die Linke,
Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, und des Parla-
mentarischen Staatssekretärs Franz Thönnes für die
Bundesregierung.1)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
Drucksachen 16/11207 und 16/3983 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu
dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit
dem Titel „Persönliches Budget für berufliche Teilhabe
jetzt ermöglichen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11299, den
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-
sache 16/9753 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Ko-
alitionsfraktionen bei Gegenstimmen von der Linken
und Bündnis 90/Die Grünen sowie bei Enthaltung der
FDP-Fraktion angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
– Drucksache 16/11338 –
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F1) Anlage 13
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Mehr Mut, mehr Entschlusskraft hätte ich mir bei der
seit Jahrzehnten überfälligen Reform des Bevölkerungs-
schutzes gewünscht. Das Zivilschutzänderungsgesetz,
das die Große Koalition hier heute vorlegt, bleibt Stück-
werk. Die real vorhandenen Defizite werden nicht beho-
ben. Eine tatsächliche Reform des Bevölkerungsschutzes
im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr haben
Sie trotz satter Mehrheiten nicht in Angriff genommen.
Das Gesetz ist noch nicht einmal eine hinreichende
Grundlage für die zukünftige Finanzierung des gemein-
samen Beschaffungskonzeptes von Bund und Ländern.
Wir behalten auf der Bundesebene ein Zivilschutzge-
setz, für das es nach der Auflösung des Warschauer Pak-
tes und Beendigung des Kalten Krieges zum Glück keine
Erforderlichkeit mehr gibt. Die Zuständigkeit des Bundes
für die Bewältigung von militärischen Bedrohungslagen
und Kriegsfolgen und die Zuständigkeit der Länder für
den Natur- und Katastrophenschutz ist überholt. Diese
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Zu Protokoll ge
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gehört dazu, und es wurde ein System für zivil-
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– zu dem Antrag der Abgeordneten Monika
Knoche, Dr. Martina Bunge, Dr. Ilja Seifert,
Frank Spieth und der Fraktion DIE LINKE
Cannabis zur medizinischen Behandlung
freigeben
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald
Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Medizinische Verwendung von Cannabis er-
leichtern
– Drucksachen 16/9749, 16/7285, 16/11305 –
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s handelt sich um die Reden der Kolleginnen und Kol-
egen Maria Eichhorn, CDU/CSU, Dr. Marlies Volkmer,
PD, Detlef Parr, FDP, Monika Knoche, Die Linke, und
r. Harald Terpe, Bündnis 90/Die Grünen.
Cannabis ist deutschland- und europaweit die am wei-
esten verbreitete illegale Droge, deren Konsum in den
ergangenen 10 bis 15 Jahren stark zugenommen hat.
indestens 220 000 Menschen sind hierzulande stark ab-
ängig vom Cannabis mit den bekannten gesundheitli-
hen Folgen. In der Medizin kann der kontrollierte Ein-
atz von Cannabinoiden bei bestimmten Erkrankungen,
nsbesondere dann, wenn Probleme mit herkömmlichen
chmerzmedikamenten auftreten, sinnvoll sein.
Die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
er Fraktion Die Linke zielen jedoch nicht darauf ab, die
öglichkeit des Einsatzes von Cannabinoiden wie zum
eispiel Dronabinol zu regeln. Mit den Anträgen, die in
eiten Teilen identisch sind, soll eine Freigabe des Can-
abiskonsums und -besitzes bei medizinischer Indikation
rwirkt werden. Dies lehnen wir, wie viele Experten, aus
uten Gründen ab.
So wird in den Anträgen gefordert, das Verfahren zu
egeln, nach dem Cannabis aufgrund einer medizinischen
ndikation verwendet werden darf. Bei Vorlage einer ärzt-
ichen Bescheinigung soll nach Vorstellung der Grünen
nd der Linken der Besitz von Cannabis von der Strafver-
olgung freigestellt und der Anbau von Cannabis für den
edizinischen Eigenbedarf erlaubt werden. Nach Aus-
age vieler Fachleute bei der Anhörung im Gesundheits-
usschuss am 15. Oktober 2008 gibt es eine solche klare
ndikationsstellung bisher nicht. Außerdem müsste die
iste der medizinischen Indikationen aufgrund des Wan-
els der medizinischen Erkenntnisse laufend geändert
nd angepasst werden. Aus den Stellungnahmen vieler
achverständiger geht eindeutig hervor, dass der Forde-
ung nach einem straffreien Konsum und Anbau von Can-
abis zum Eigenbedarf viele Bedenken hinsichtlich der
icherung der Qualität und der Sicherheit und Kontrolle
es Betäubungsmittelverkehrs entgegenstehen. Deshalb
st dieser Regelungsvorschlag abzulehnen.
Auch die Frage der Zulassung eines definierten und
tandardisierten Cannabisextraktes in Form eines Fer-
igarzneimittels wirft Fragen auf. Es liegt in unserem In-
eresse als Patienten, dass Arzneimittel hierzulande nur
uf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes und des Be-
äubungsmittelgesetztes in Verkehr gebracht
erden dürfen. Danach müssen insbesondere Qualität,
irksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels wis-
enschaftlich nachgewiesen werden. Nur wenn diese Vo-
aussetzungen erfüllt sind, können die entsprechenden
irkstoffe verschreibungsfähig gemacht und in die An-
age III des BtMG aufgenommen werden. Dies ist bislang
)
)
aufgrund klinischer Prüfungen nur für die Cannabis-
Wirkstoffe Nabilon und Dronabinol erfolgt. Dagegen sind
diese Voraussetzungen bei natürlichen Gemischen wie
zum Beispiel dem Cannabisextrakt bisher nicht erfüllt:
Zum einen ist der Nutzen der Behandlung nicht erwiesen.
Zum anderen sind bei Haschisch, Marihuana und ande-
ren illegalen Hanfzubereitungen derzeit weder der
Wirkstoffgehalt noch Art und Umfang schädlicher Bei-
mengungen bekannt. Dazu kommen die Risiken der Ein-
nahme: So weisen Studien auf eine Reihe akuter und lang-
fristiger Beeinträchtigungen durch Cannabiskonsum hin.
Diese sind bei chronischem Dauerkonsum mit großen ge-
sundheitlichen Risiken, bis hin zur psychischen Abhän-
gigkeit, verbunden.
Seit dem 1. Oktober 2008 liegt dem Bundesinstitut für
Arzneimittel ein Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels
mit Dronabinol vor, der derzeit geprüft wird. Allerdings
hatte im März 2008 der Gemeinsame Bundesausschuss
dem Gesundheitsministerium mitgeteilt, dass es keine
überzeugend neuen Erkenntnisse im Zusammenhang mit
Dronabinol als Schmerztherapeutikum gebe.
Als Ergebnis der Anhörung stellen wir fest: Bei Pa-
tienten, die unter einer konventionellen Behandlung keine
ausreichende Linderung bei bestimmten Symptomen wie
zum Beispiel Schmerzen erfahren, kann eine Therapie mit
Cannabinoiden sinnvoll sein, vor allem in der Palliativ-
medizin. Diese Therapie gehört jedoch nach Meinung
vieler Sachverständiger in die Hand des Arztes. Jede
Form der Selbsttherapie auf der Grundlage von durch Ei-
genanbau gewonnenen Pflanzenteilen ist abzulehnen. Sie
gefährdet die Patientensicherheit und die Sicherheit der
Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs. Daher würde
eine Straffreistellung des Cannabisbesitzes zu medi-
zinischen Zwecken nicht nur gegen geltendes Recht
verstoßen, sondern auch die Sicherheit einer solchen
Cannabinoidanwendung für den Patienten und für den
behandelnden Arzt untergraben.
Wenn Cannabinoide verwendet werden, dann sollten
sie nicht als Medikamente der ersten Wahl eingesetzt wer-
den, da es häufig zu unerwünschten Arzneimittelwirkun-
gen kommt. Dies ist besonders bei mittel- und längerfris-
tigem Einsatz zu berücksichtigen. Es liegt im Interesse
der Patienten, dass der wissenschaftliche Nachweis für
Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medi-
kamentes erbracht wird, bevor es zugelassen werden
kann.
Die Straffreistellung des Cannabisbesitzes zu medizi-
nischen Zwecken, wie in den beiden Anträgen gefordert,
ist abzulehnen.
Schon bisher hat kaum jemand daran gezweifelt, dass
austherapierte Patienten mit chronischen Schmerzen er-
folgreich mit Cannabispräparaten behandelt werden kön-
nen. Letzte Zweifel daran konnte die öffentliche Anhö-
rung zu den beiden vorliegenden Anträgen ausräumen.
Einige Kommentatoren der Anhörung haben leider
den Umstand, dass erfolgreiche Behandlungen mit Can-
nabinoiden möglich sind, missverstanden. Sie berichte-
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Bender, Dr. Harald Terpe, Ulrike Höfken, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Verankerung eines umfas-
senden Schutzes vor Passivrauchen im Ar-
beitsschutzgesetz
– Drucksache 16/10337 –
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21289
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgitt
Bender, Dr. Harald Terpe, Ulrike Höfken, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Bundesweit einheitlichen Schutz vor Passiv-
rauchen in Gaststätten verankern
– Drucksache 16/10338 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Höfken, Birgitt Bender, Volker Beck ,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Wirksamen Schutz vor Passivrauchen im öf-
fentlichen Raum umsetzen
– Drucksache 16/2805 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Tourismus
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten
ordneter
Effektiven Schutz vor Passivrauchen zügig ge-
setzlich verankern
– Drucksache 16/2730 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Tourismus
Die Reden werden zu Protokoll genommen. Es han-
delt sich um die Reden der Kolleginnen und Kollegen
Maria Eichhorn und Gitta Connemann, CDU/CSU,
Dr. Margrit Spielmann, SPD, Detlef Parr, FDP,
Dr. Martina Bunge, Die Linke, und Birgitt Bender,
Bündnis 90/Die Grünen.
Der Nichtraucherschutz in Deutschland war im inter-
nationalen Vergleich für lange Zeit wenig entwickelt. Seit
2006 hat sich dies grundlegend geändert. Mit dem „Ge-
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etz zur Änderung des Vorläufigen Tabakgesetzes“, dem
nkrafttreten des Gesetzes zum Schutz vor den Gefahren
es Passivrauchens auf Bundesebene und der Verab-
chiedung von Gesetzen zum Nichtraucherschutz in allen
undesländern sind wesentliche Änderungen erfolgt.
ies war auch zwingend notwendig. Denn es ist unbe-
tritten, dass Rauchen und Passivrauchen krebserregend
ind. Es ist bewiesen, dass der Zigarettenkonsum das
rößte Risiko für Atemwegs-, Herz-, Kreislauf- und
rebserkrankungen in Deutschland ist.
Zu Recht erwartete daher die große Mehrheit der deut-
chen Bevölkerung vom Gesetzgeber, endlich besser vor
en Gefahren des Passivrauchens geschützt zu werden.
und 70 Prozent der deutschen Bevölkerung sind Nicht-
aucher. Nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für
uchtfragen waren vor Inkrafttreten der gesetzlichen Re-
elungen zum Nichtraucherschutz 55 Prozent der Nicht-
aucher unfreiwillig dem Tabakrauch ausgesetzt. Das
eutsche Krebsforschungszentrum ermittelte, dass fast
ie Hälfte der erwerbstätigen Nichtraucher in Deutsch-
and am Arbeitsplatz davon betroffen waren und knapp
in Drittel aller Nichtraucher in der Freizeit.
Freiwillige Selbstverpflichtungen, wie die Vereinba-
ung mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband,
urden nicht eingehalten. Daher war es folgerichtig, ge-
etzlich zu handeln. Der Bund kann den Nichtraucher-
chutz jedoch nur in den Bereichen regeln, für die er zu-
tändig ist. Wir haben auf Bundesebene alle gesetzlichen
öglichkeiten geprüft und dann ausgeschöpft.
Das Bundesgesetz zum Schutz vor den Gefahren des
assivrauchens trat am 1. September 2007 in Kraft. Alle
inrichtungen des Bundes sowie der Verfassungsorgane
es Bundes, die Verkehrsmittel des öffentlichen Perso-
enverkehrs und Personenbahnhöfe der öffentlichen Ei-
enbahnen sind seitdem rauchfrei. Das Gesetz beinhaltet
ußerdem die Anhebung der Altersgrenze für den Erwerb
nd Konsum von Zigaretten auf 18 Jahre. Ab 1. Januar
009 dürfen Zigaretten an Automaten erst an Volljährige
bgegeben werden.
Damit ist die Regelungskompetenz des Bundes ausge-
chöpft. Die Zuständigkeit für landeseigene Einrichtun-
en und die Gastronomie liegt bei den Ländern. Die Aus-
estaltung der Länderregelungen ist nicht einheitlich,
leicht vielfach einem Flickenteppich. Dabei hat sich ge-
eigt, dass es Umsetzungsprobleme überall dort gibt, wo
usnahmeregelungen existieren.
Dass Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Ent-
cheidung vom 30. Juli 2008 zu den Nichtraucherschutz-
esetzen der Bundesländer Berlin und Baden-Württem-
erg festgestellt, dass ein ausnahmsloses Rauchverbot in
aststätten zum Schutz vor den Gefahren des Passivrau-
hens geeignet und mit der Verfassung vereinbar ist. Viele
änder haben das Urteil jedoch genutzt, um ihre Gesetze
ieder zu lockern. Ziel muss es jedoch sein, die Menschen
berall in Deutschland vor den Gefahren des Passivrau-
hens gleichermaßen zu schützen, möglichst bundesein-
eitlich und ausnahmslos. Wir können die Bundesländer
uffordern, ihre Gesetze dementsprechend auszugestal-
en. Ob und wie sie dies tun, liegt jedoch in ihrem Zustän-
igkeitsbereich.
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)
Der vorliegende Antrag und der Gesetzentwurf der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zielen darauf ab, die
gesetzlichen Regelungen zu Rauchverboten in Gaststät-
ten und die bestehenden Regelungen im Arbeitsschutzge-
setz im Sinne eines umfassenden Gesundheitsschutzes für
Arbeitnehmer zu überarbeiten. Die Regelungen im Ar-
beitsschutzgesetz, das heißt in § 5 der Arbeitsstättenver-
ordnung, gewährleisten einen Gesundheitsschutz der Ar-
beitnehmer. Nach der derzeitigen Regelung hat der
Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen zu treffen,
damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstät-
ten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabak-
rauch geschützt sind.
„In Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr hat der Ar-
beitgeber Schutzmaßnahmen nach Absatz 1 nur insoweit
zu treffen, als die Natur des Betriebes und die Art der Be-
schäftigung es zulassen.“, heißt es in Abs. 2 des § 5. Die
Streichung dieses Absatzes würde zwar die Arbeitnehmer
schützen, aber nicht die Gäste. Zudem greift diese Rege-
lung auch in inhabergeführten Kneipen nicht. Vertreter
von Justizministerium, Innenministerium und Arbeitsmi-
nisterium haben im Petitionsausschuss des Bundestages
am 15. Januar 2007 übereinstimmend festgestellt, dass
der Bund zwar umfassende Kompetenzen beim Arbeits-
schutz hat. Dies gelte aber nur für die Arbeitnehmer, nicht
für die Gäste; für sie sind nach der Föderalismusreform
die Länder über das Gaststättenrecht zuständig. Ein Gut-
achten des Bundesinnenministeriums ergab zudem, dass
ein Rauchverbot auch nicht auf das Grundgesetz über
Maßnahmen gegen gemeingefährliche Krankheiten ge-
stützt werden kann.
Diese Aussagen waren damals eindeutig. Es ergeben
sich aus unserer Sicht bisher keine neuen Erkenntnisse.
Bundesrechtlich haben wir somit keine Möglichkeit, den
Nichtraucherschutz deutschlandweit zu regeln. Eine
klare Regelung ist nur über das Gaststätten recht mög-
lich. Dies liegt in der Hand der Länder. Hier ist eine ein-
heitliche Regelung wünschenswert.
Der Nichtraucherschutz ist in den letzten zwei Jahren
in Deutschland einen großen Schritt vorangekommen.
Gesetzliche Maßnahmen und eine verstärkte Präven-
tionsarbeit haben dazu beigetragen, dass der Anteil ju-
gendlicher Raucher zwischen 2001 und 2007 von 28 Pro-
zent auf 18 Prozent sank. Dies ist sehr erfreulich, aber
kein Grund, sich zurückzulehnen. Wir brauchen mög-
lichst einheitliche gesetzliche Regelungen zum Schutz vor
dem Passivrauchen in allen Bundesländern. Dafür sind
jedoch die Länder zuständig. Der Bund kann nach Aus-
sage verschiedener Ministerien diese Regelungen nicht
treffen.
„Habemus Papam“ – die Wahl eines neuen Papstes
wird den Gläubigen vom Vatikan nicht nur mit dieser For-
mel, sondern auch mit weißem Rauch verkündet. Um
ebenjenen geht es auch in der heutigen Debatte. Anders
als in Rom wird diese aber nicht zu dem Ende einer Dis-
kussion führen, einer Diskussion, die uns auch im Deut-
schen Bundestag seit vielen Jahren beschäftigt. Es geht
dabei um den Schutz vor den Gefahren des Passivrau-
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hens, und es geht um die Frage, welche Maßnahmen der
esetzgeber auf Bundes- wie auf Länderebene für diesen
chutz ergreifen kann und sollte.
Diese Debatte ist von zum Teil vollkommener Gegen-
ätzlichkeit und hoher Leidenschaft gekennzeichnet, auch
ußerhalb dieses Hauses. Kaum ein Thema hat die Bür-
erinnen und Bürger in diesem Land in den letzten Jahren
o bewegt – nachvollziehbarerweise. Denn das Span-
ungsfeld der betroffenen Interessen ist groß. Da gibt es
ersönliche, betriebliche und volkswirtschaftliche. Maß-
tab bei dieser Interessenabwägung kann und muss aber
tets der Schutz vor einer Gesundheitsgefährdung sein.
enn bei dem Thema des Passivrauchens geht es nicht
m verrauchte Räume oder vergilbte Gardinen, sondern
m eine Gefahr für Leib und Leben, um die Vermeidung
on Leid durch Tod und schwere Erkrankung, aber auch
m horrende Kosten für das Gesundheitssystem.
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass Passivrau-
hen das Risiko für chronische Erkrankungen mit gege-
enenfalls tödlichem Ausgang erhöhen. Die Zahlen des
eutschen Krebsforschungszentrums sprechen eine ein-
eutige Sprache. Pro Jahr sterben circa 3 300 Menschen
n Deutschland an den Folgen des Passivrauchens, etwa
150 an koronaren Herzerkrankungen, 770 infolge eines
chlaganfalls, 260 an Lungenkrebs und 60 infolge einer
hronisch-obstruktiven Lungenerkrankung.
Besonders erschreckend sind die Wirkungen auf Kin-
er. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gehen
0 Fälle des plötzlichen Kindstodes auf Passivrauchen im
aushalt und auf vorgeburtliche Schadstoffbelastungen
urück, weil die Mütter während der Schwangerschaft
auchten. Kinder, die in ihrer häuslichen Umgebung Ta-
akrauch ausgesetzt sind, werden weitaus häufiger mit
temwegserkrankungen in Krankenhäuser eingewiesen.
hre Quote liegt 40 bis 60 Prozent höher als bei ihren Al-
ersgenossen, die in Nichtraucherhaushalten aufwach-
en. Die Gefahr des Passivrauchens ist damit belegt.
Vor diesem Hintergrund hat der Deutsche Bundestag
m Mai 2007 mit breiter Mehrheit das Gesetz zum Schutz
or den Gefahren des Passivrauchens verabschiedet. Seit
em 1. September 2008 ist das Rauchen in allen Einrich-
ungen des Bundes verboten. Andere Verfassungsorgane
aben sich dieser Regelung angeschlossen. Das Alter für
ie Abgabe von Zigaretten ist von 16 auf 18 Jahren ange-
oben worden. Und die Regelungen im Arbeitsschutz sind
räzisiert worden. § 5 Arbeitsstättenverordnung, die den
ichtraucherschutz am Arbeitsplatz regelt, ist um fol-
ende Regelung erweitert worden: „Soweit erforderlich,
at der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Be-
eiche der Arbeitsstätten beschränktes Rauchverbot zu
rlassen.“
Genau diese Regelung soll nach dem vorliegenden An-
rag von Bündnis 90/Die Grünen, den wir heute in erster
esung debattieren, ersetzt werden. An ihre Stelle soll
ine neue Norm im Arbeitsschutzgesetz treten, durch die
as Rauchen in umschlossenen Räumen von Arbeitsstät-
en grundsätzlich verboten werden soll. Dieser Antrag ist
ie Neuauflage eines Änderungsantrages, den die Frak-
ion Bündnis 90/Die Grünen im Gesetzgebungsverfahren
m Jahre 2007 beinahe gleichlautend gestellt hat. Dieser
21290 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
Maria Eichhorn
gebene Reden
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war schon seinerzeit zu Recht abgelehnt worden. Denn
wie es Rauch so an sich hat: Er vernebelt. Und die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen vernebelt mit einer auf den
ersten Blick überzeugenden Begründung ein zweifelhaf-
tes Verfassungsverständnis und die problematischen Wir-
kungen, die eine Umsetzung ihres Antrages auslösen
würde.
Vermeintliches Ziel der gewünschten Neuregelung ist
es, über das Instrumentarium des Arbeitsschutzgesetzes
unter Umgehung von Länderzuständigkeiten eine bun-
deseinheitliche Regelung zu schaffen, allerdings faktisch
nicht nur für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Er-
neuter Anlass ist die Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichtes vom 30. Juli 2008. Zwei Betreiber von so-
genannten Einraumgaststätten hatten wegen einer
fehlenden Ausnahmeregelung für Kleingastronomie ge-
klagt. Das Gericht gab den Klagen statt und forderte die
Ländergesetzgeber auf, entweder ein ausnahmsloses
Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen oder bei Aus-
nahmen vom Rauchverbot auch die wirtschaftlich beson-
ders stark belastete Kleingastronomie mit zu erfassen.
Aufgepasst! Das Urteil lautete: Entweder – oder.
Beide Wege sind zulässig. Die Länder reagierten in ihren
jeweiligen Nichtraucherschutzgesetzen unterschiedlich.
Die deutsche Nichtraucherschutzlandschaft ähnelt damit
einem Flickenteppich. Was im einen Land erlaubt ist, ist
im anderen verboten. Dieser Zustand ist sicherlich für
jede Bürgerin, für jeden Bürger unbefriedigend. Denn
wer weiß schon, wo Berlin endet und Brandenburg be-
ginnt? Aber genau diese Unterschiedlichkeit ist Ergebnis
der föderalen Struktur und der Verantwortung der Länder
für die Gaststättengesetzgebung. Diese ist den Ländern
mit Zweidrittelmehrheit des Bundestages sowie des Bun-
desrates im Rahmen der Föderalismusreform I übertra-
gen worden. Jetzt diese Entscheidung auf dem Umweg
des Arbeitsschutzgesetzes kassieren zu wollen, zeugt von
einem zweifelhaften verfassungsrechtlichen Verständnis.
Keine Frage, es wäre wünschenswert, aus dem Flicken-
teppich eine Landschaft aus einem Stück zu machen, aber
nur unter Mitwirkung der Länder.
Gegen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen spre-
chen aber auch inhaltliche Bedenken. Ein grundsätzli-
ches Rauchverbot am Arbeitsplatz hört sich zunächst be-
stechend an. Denn wir wissen ja um die Gefahren des
Passivrauchens. Aber kein Betrieb ähnelt dem anderen.
Denn wir sprechen nicht nur über Gaststätten oder Dis-
kotheken. Lassen Sie uns zum Beispiel über Alten- und
Pflegeheime oder Heime für behinderte Menschen reden.
Solche Heime sind auch Betriebe und damit Arbeitsstätte.
Sie sind aber gleichzeitig Wohnstätte. Hier arbeiten Men-
schen, aber hier haben Menschen auch ihr Zuhause. Der
Privatbereich des einen ist die Arbeitsstätte des anderen.
Die Situation der Bewohner von solchen Einrichtungen
würde sich mit einer Umsetzung des vorliegenden Antra-
ges gravierend ändern. Auch Ältere, Pflegebedürftige
und Behinderte rauchen, und haben das Recht, frei zu ent-
scheiden, ob sie Raucher oder Nichtraucher sein wollen,
solange das Rauchen in diesem Land nicht generell ver-
boten wird. Eine Umsetzung des Rauchverbots auf alle
Arbeitsstätten hätte zur Folge, dass pflegebedürftige
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enschen in ihrem Privatbereich nicht mehr rauchen
ürften.
Es stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit
iner solchen Regelung. Diese könnte darüber hinaus an
ie Grenzen des Art. 13 GG stoßen, in dem in die Unver-
etzlichkeit der privaten Wohnungssphäre eingegriffen
ird.
Es muss hier einen Spielraum geben, welche Schutz-
aßnahme im Einzelfall angemessen ist, immer unter der
rämisse, dass der Gesundheitsschutz von Arbeitnehme-
innen und Arbeitnehmern Vorrang hat. Genau das
chreibt die Arbeitsstättenverordnung heute schon vor.
ach § 5 Abs. 1 Satz 1 ist der Arbeitgeber verpflichtet,
ie erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht
auchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor
en Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt
ind. Nach der Ergänzung im letzten Jahr kann dies auch
in Rauchverbot sein. Hinsichtlich der Wahl der konkre-
en Maßnahmen innerhalb des Betriebes lässt die Vor-
chrift aber dem Arbeitgeber und den Betriebs- und Per-
onalräten Regelungsspielraum, der angesichts der
ielgestaltigkeit der betrieblichen Verhältnisse notwen-
ig ist. Deshalb werden wir diesen Antrag von Bünd-
is 90/Die Grünen ebenso wie die weiter vorgelegten An-
räge ablehnen.
Im alten China kündete übrigens der Rauch von Feu-
rn auf der chinesischen Mauer von Gefahr. Meine Da-
en und Herren von den Grünen, Sie sind der Gefahr er-
egen, eine nicht zu Ende gedachte Regelung beantragt zu
aben. Aber um mit einem anderen lateinischen Satz von
ieronymus zu enden: Errare humanum est.
Im April 2007 haben wir im Bund ein Gesetz auf den
eg gebracht, das die Menschen vor den Gefahren des
assivrauchens schützen soll. Das war ein wichtiger
eilenstein auf dem Weg zur Prävention. Für den Nicht-
aucherschutz ist eine neue Zeit angebrochen. Passivrau-
hen in Bundesbehörden und öffentlichen Verkehrsmit-
eln gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Mit diesem
esetz hat der Bund ein klares Signal für einen konse-
uenten Gesundheitsschutz gesetzt.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte einen
mfassenden Schutz vor Passivrauchen in Gaststätten
erankern. Dies wollen Sie mithilfe eines neuen Paragra-
en im Arbeitsschutzgesetz erreichen, der ein Rauchver-
ot an allen Arbeitsstätten beinhalten soll. Die Rechts-
rüfung der Bundesressorts im Zusammenhang mit den
eratungen zum Bundesnichtraucherschutzgesetz hat je-
och ergeben, dass der Nichtraucherschutz dritter Perso-
en in Arbeitsstätten wegen der eingeschränkten Recht-
etzungskompetenz des Bundes im Arbeitsschutz über die
rbeitsstättenverordnung nicht möglich ist. Insbesondere
ie Verfassungsressorts legten dar, dass der Bund mit der
treichung des § 5 Abs. 2 ArbStättV unzulässigerweise in
ie Regelungskompetenzen der Länder im Bereich des
aststättenrechts eingreifen würde. Diese Rechtsauffas-
ung wurde von den Ländern im Bundesrat geteilt. Der
undesgesetzgeber ist grundsätzlich gehalten, die Län-
erbestimmungen zum Nichtraucherschutz für den Gast-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21291
Gitta Connemann
gebene Reden
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stättenbereich nicht durch konkurrierendes Bundesrecht
zu unterlaufen und unwirksam werden zu lassen. Die be-
wusst nach Landesrecht geregelten Ausnahmen vom
Rauchverbot sind vom Bundesgesetzgeber zu akzeptie-
ren. Deshalb wird ihr Weg nicht zum gewünschten Erfolg
führen, und wir können nicht zustimmen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil
vom 30. Juli 2008 zum Nichtraucherschutz in Gaststätten
hervorgehoben, dass der Gesetzgeber, wenn er sich für
ein Konzept mit Ausnahmen vom Rauchverbot in der
Gastronomie entscheidet und kein umfassendes Rauch-
verbot vorsieht, darauf achten muss, dass daraus
resultierende Benachteiligungen – in diesem Fall wirt-
schaftliche Nachteile für die Kleingastronomie – vermie-
den werden. In diesem Zusammenhang wurde das gene-
relle Rauchverbot in Bayern als mit der Verfassung
vereinbar besonders hervorgehoben.
Die Streichung des § 5 Abs. 2 Arbeitsstättenverord-
nung könnte unter Berücksichtigung des Urteils erst dann
in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Länder ih-
rerseits auf ein gemeinsames Vorgehen und auf ein ein-
heitliches, umfassendes Rauchverbot im Gaststättenbe-
reich verständigt haben. Die Länder müssen die Gesetze
in Richtung Bundesverfassungsgerichtsurteil überarbei-
ten. Wie das Gericht festgestellt hat, ist ein ausnahmslo-
ses Rauchverbot verfassungskonform, es muss jedoch
überall gleich sein. Das muss der Weg sein.
Nach den Überlegungen des EU-Arbeitskommissars
Vladimir Spidla soll es eine einheitliche europäische Re-
gelung ohne Ausnahme zu einem Rauchverbot am Ar-
beitsplatz geben. Spidla betont, dass wir die Pflicht ha-
ben, sicherzustellen, dass Arbeitsplätze sicher sind. Setzt
sich Spidla durch, müssten die Gesetzgeber eine einheit-
liche europaweite Regelung beschließen. Daran sollten
wir uns orientieren.
Neben einheitlichen gesetzlichen Regelungen habe ich
als Gesundheitspolitikerin immer wieder betont, dass wir
auch Kampagnen brauchen, damit Jugendliche gar nicht
erst mit dem Rauchen anfangen. Für diese Zielgruppe
lässt sich sehr viel Positives feststellen. Die Maßnahmen
der letzten Jahre zeigen Erfolge. Die Ergebnisse einer re-
präsentativen Befragung der Bundeszentrale für gesund-
heitliche Aufklärung aus dem Frühjahr 2007
markieren einen historischen Tiefstand im Rauchverhal-
ten bei Jugendlichen. So ist der Anteil der 12- bis 17-jäh-
rigen Raucher von 28 Prozent im Jahr 2001 über
20 Prozent im Jahr 2005 auf 18 Prozent im Jahr 2007 zu-
rückgegangen. In keiner der seit 1979 regelmäßig durch-
geführten Befragungen der BZgA bei Jugendlichen konn-
ten so niedrige Werte beim Zigarettenkonsum festgestellt
werden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen wichtigen As-
pekt betonen. Parallel dazu sollten wir natürlich mehr
Konzepte unterstützen, die den Menschen helfen mit dem
Rauchen aufzuhören.
Vor nicht einmal einem halben Jahr, am 30. Juli, gab es
durch das Bundesverfassungsgericht ein nachhaltiges
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rteil. Die Bundesländer wurden aufgefordert, ihre
ichtraucherschutzgesetze grundlegend zu überarbeiten
nter Beachtung der Eigenverantwortung der Bürger und
hrer freiheitlichen Rechte. Einige Nichtraucherschutzge-
etze waren zu diesem Zeitpunkt gerade einmal einen Mo-
at in Kraft.
Das Urteil eröffnet den Bundesländern die Möglich-
eit, sich für ein weniger strenges Schutzkonzept zu ent-
cheiden und damit gegen ein striktes Rauchverbot. Aus-
ahmen sind ausdrücklich zugelassen. Die Richter haben
u Recht erkannt, dass ein umfassender Nichtraucher-
chutz auch dann gewährleistet werden kann, wenn Aus-
ahmen möglich sind. Nicht immer bedarf es radikaler
erbote.
Die einzelnen Länder sind jetzt mitten im Entwick-
ungsprozess ihrer Gesetze, der nach Vorgabe des Bun-
esverfassungsgerichtes bis zum 31. Dezember 2009 ab-
eschlossen sein muss. Auch für diese Übergangsphase
aben die Richter klare Vorgaben gemacht. Wir befinden
ns weder in einem rechtlichen Vakuum noch vor der Not-
endigkeit, die Aufgaben der Länder durch den Bund zu
ösen.
Die Grünen versuchen jetzt, diesen Prozess zu torpe-
ieren und an anderer Stelle eine Überregulierung zu er-
eichen. Lassen Sie mich das am Beispiel der Arbeits-
lätze in der Gastronomie ausführen. Die meisten
undesländer haben sich entschieden, Ausnahmerege-
ungen in der Gastronomie zu gestatten. Diese Position
eilt im Übrigen auch die Bevölkerung. In einer repräsen-
ativen Emnid-Umfrage im Auftrag von „Bild am Sonn-
ag“ befürworteten 56 Prozent der Befragten ein Rauch-
erbot mit Ausnahmeregelungen – „Spiegel“, 3. August
008 –, 20 Prozent waren sogar gegen ein totales Rauch-
erbot – „Fokus-Online“, 3. August 2008. Auch der Ver-
assungsrichter Johannes Masing verweist in seiner Be-
ründung zum Urteil darauf, dass ein vollständiges
auchverbot nicht verhältnismäßig ist, sondern eine Be-
ormundung der Bürger darstellt. Gegen diese Bevor-
undung stellt sich auch die FDP.
Seit Oktober 2002 ist in § 5 der Arbeitsstättenverord-
ung, ArbStättV, der Schutz des Arbeitnehmers vor Pas-
ivrauchen geregelt. § 5 ArbStättV statuiert kein generel-
es Rauchverbot in Arbeitsräumen, sondern verpflichtet
en Arbeitgeber, nicht rauchende Beschäftigte zu schüt-
en. Die Arbeitgeber haben somit die Aufgabe, im Rah-
en einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, ob und
n welchem Umfang die Beschäftigten in ihrer Gesundheit
efährdet werden oder sein könnten. Darunter fällt auch
er Schutz vor Passivrauchen. Dem Arbeitgeber wird ein
rmessensspielraum zugebilligt, der unternehmerische
spekte wie Kosten, das zahlenmäßige Verhältnis von
auchern und Nichtrauchern im Betrieb sowie Fragen
er Branchenüblichkeit berücksichtigt. Die vorliegenden
egelungen sind umfassend, eine weitere Regulierung
urch den Bund ist hier nicht nötig.
Trotzdem werden immer wieder Rufe nach einer Ver-
chärfung der Arbeitsstättenverordnung durch den Bund
aut, obwohl die geltenden Regelungen bereits heute im
inklang stehen mit dem WHO-Rahmenübereinkommen
ur Eindämmung des Tabakkonsums. Jetzt sowohl das Ar-
21292 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
Dr. Margrit Spielmann
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beitsschutzgesetz sowie die Arbeitsstättenverordnung
grundlegend zu ändern, um vor Passivrauchen am Ar-
beitsplatz zu schützen, ist weit über das Ziel hinausge-
schossen.
Richten wir doch den Blick auch einmal auf die euro-
päische Ebene. Nach wie vor verfügt die Europäische
Union mit gutem Grund nicht über eine allumfassende
Gesetzgebungskompetenz und kann kein generelles
Rauchverbot erlassen. Auch die EU-Vertragsbestimmun-
gen in den Bereichen Gesundheits-, Verbraucher- oder
Arbeitnehmerschutz sehen ein solches Verbot nicht vor.
Es ist lediglich möglich, dass die EU flankierende Maß-
nahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder in Er-
gänzung der bereits ergriffenen Maßnahmen der Mit-
gliedstaaten zum Gesundheitsschutz durchführt.
Trotzdem gab es in den letzten Monaten Meldungen,
nach denen der Kommissar für Beschäftigung und soziale
Angelegenheiten Vladimir Spidla, Tschechien, einen
Vorstoß zum Rauchverbot gewagt haben soll. In gemein-
samer Sache mit der Kommissarin für Gesundheit
Androulla Vassiliou, Zypern, soll es eine Initiative zur
Einführung eines europaweiten Rauchverbots am Ar-
beitsplatz geben. Der angebliche Vorstoß von Kommissar
Spidla kam nicht wirklich gut an. Ein EU-weites Rauch-
verbot käme einer Aushebelung des Subsidiaritätsprin-
zips gleich und verursachte zu Recht heftige Reaktionen –
nicht zuletzt ein halbes Dementi durch die Kommission.
Konkret liegt zwar noch nichts auf dem Tisch. Die
Kommission kann noch keine Auskunft darüber geben,
wie der Vorschlag, der auf der Rahmenrichtlinie für Ge-
sundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, 89/391/EWG,
basieren wird, gestaltet sein soll. Frühestens in der
nächsten Legislaturperiode könnte ein Gesetzesvor-
schlag eingereicht werden, also nicht vor Herbst 2009.
Fraglich ist in diesem Falle ohnehin, ob der Kommission
entsprechende rechtliche Mittel überhaupt zur Verfügung
stehen; der Erlass einer Verordnung, die unmittelbar in
nationales Recht umgesetzt werden müsste, ist europa-
rechtlich nicht begründbar. Zudem wäre die Erarbeitung
einer neuen Richtlinie sehr umstritten, da ebenfalls keine
eindeutige rechtliche Grundlage besteht.
Lassen Sie mich noch einmal betonen, dass das Bun-
desverfassungsgericht mit seinem Urteil klar aufgezeigt
hat, dass es Ausnahmen vom strikten Rauchverbot geben
darf. Eine Novellierung der Nichtraucherschutzgesetze
findet gerade in den einzelnen Bundesländern statt. Die
Länder sind im Augenblick dabei, angemessene und
praktikable Lösungen zu erarbeiten. Zum jetzigen Zeit-
punkt eine erneute Regelung durchzudrücken, so lange
noch nicht mal die Vorgaben für die aktuell gültigen Ge-
setze überarbeitet sind, ist weder sinnvoll noch effizient,
gleichgültig, ob es sich um den Bund oder die EU-Kom-
mission handelt. Deshalb plädiere ich dafür, nicht mit
überstürztem Handeln und Forderungen nach weiteren
Verboten Aktionismus zu zeigen. Damit ist keinem wirk-
lich gedient.
Die negativen Wirkungen des Rauchens und des Pas-
sivrauchens sind hinlänglich bekannt. Ich könnte an die-
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er Stelle die gesundheitlichen Folgen für ungeborene
inder, für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, für
aucherinnen und Raucher und für diejenigen, die dem
auch ausgesetzt sind, noch einmal aufzählen. Ich tue es
icht, denn die Frage hinsichtlich der Schädlichkeit des
auchens ist längst beantwortet. Diese Diskussion ist ab-
eschlossen.
Tabakrauch ist gesundheitsschädlich, egal in welcher
osierung und in welcher Form, ob aktiv oder passiv und
ei wem. Der einzig wirkliche Schutz vor den gesundheit-
ichen Folgen sind Gesundheitsförderung und Prävention
egenüber aktivem Tabakkonsum und der Schutz vor der
assiven Aufnahme von Tabakrauch. In beiden Feldern
eistet diese Bundesregierung viel zu wenig.
Bei der Tabakprävention schafft es die Bundesregie-
ung leider wie immer, die sozialen Unterschiede auszu-
lenden. Menschen mit weniger materiellen, kulturellen,
ozialen und personellen Ressourcen rauchen häufiger
nd mehr als Menschen mit vielen dieser Ressourcen.
ies muss Beachtung in der Präventionspolitik finden.
iese Bundesregierung schafft es aber sogar, die Minde-
ung beim Tabakkonsum bei Jugendlichen zwischen
2 und 17 Jahren als Erfolg zu bezeichnen, ohne dabei
uch nur zu erwähnen, dass hier vor allem die besser ge-
ildeten Schülerinnen und Schülern an Gymnasien weni-
er rauchen, die eher aus sogenannten gut situierten Fa-
ilien stammen, während an der Hauptschule alles beim
lten bleibt.
Solche Präventionspolitik kann nur als Ober- und Mit-
elschichtspolitik bezeichnet werden, bei der es der Bun-
esregierung auf die restliche Bevölkerung nicht an-
ommt. Bei den Schokoladenzigaretten reicht es auch
ieder einmal nur zu einem Appell an den Einzelhandel.
ine Politik, die Tabakprävention ernst nimmt, sieht an-
ers aus.
Beim Schutz vor Passivrauchen ist die Bilanz dieser
undesregierung nicht besser. Betrachten wir nur den
lickenteppich an einzelnen Länderlösungen beim Schutz
or Passivrauch in Gaststätten. Es war innerhalb der EU
ängst bekannt, dass nur durch Maßnahmen, die einheit-
ich innerhalb von Staaten durchgeführt werden, wirkli-
he Erfolge erzielt werden. Aber diese Bundesregierung
ollte offensichtlich nichts unternehmen und hat ihre Ver-
ntwortung an die Länder abgegeben, mit dem Ergebnis,
ass wir nun 16 unterschiedliche Regelungen in Deutsch-
and zum Passivrauch in Gaststätten haben.
Und die SPD besitzt die Chuzpe, hier und heute einen
ntrag, der im September 2006 verfasst wurde, beizufü-
en, der den Deutschen Bundestag auffordert, noch im
ahre 2006 einen Gesetzentwurf in den Deutschen Bun-
estag einzubringen und alle Bundesbürger, auch in der
astronomie, ausnahmslos vor Passivrauchen zu schüt-
en. Wenn nun der Flickenteppich wieder beklagt wird,
en man selbst zusammengeschustert hat, hat das schon
twas Komisches – wenn es nicht so traurig wäre.
Zwei aktuellere Vorlagen der Grünen sind Anlass der De-
atte. Während man den Antrag auf Drucksache 16/10338
it dem Titel „Bundeseinheitlichen Schutz vor Passiv-
auchen in Gaststätten verankern“ getrost in die Katego-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21293
Detlef Parr
gebene Reden
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rie „Appell für einen Appell“ einordnen kann, weil der
Arm der Bundesregierung eben nicht bis in die Gaststät-
tenverordnungen der Länder greift, bietet der Gesetzent-
wurf auf Drucksache 16/10337 mit dem Titel „Veranke-
rung eines umfassenden Schutzes vor Passivrauchen im
Arbeitsschutzgesetz“ der Bundesregierung die Möglich-
keit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
Zum einen kann der unerträgliche Zustand von Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern erster und zweiter
Klasse beendet werden. Erster Klasse haben bislang die
Menschen gearbeitet, die der Arbeitgeber nach § 5 der
Arbeitsstättenverordnung wirksam vor den Gesundheits-
gefahren durch Tabakrauch geschützt hat. Zweiter Klasse
haben all diejenigen gearbeitet, bei denen die Arbeitge-
ber von der Ausnahmeregelung Gebrauch gemacht ha-
ben, die im Falle von Publikumsverkehr vorgesehen ist.
Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden sich
vorwiegend in der Gastronomie und waren und sind im-
mer noch dem Passivrauch ausgesetzt.
Meine Fraktion hat die Bundesregierung schriftlich
gefragt, ob dies mit dem Gesetz zum Rahmenübereinkom-
men der Weltgesundheitsorganisation vom Mai 2003 in
Übereinstimmung gebracht werden kann. In dem Rah-
menübereinkommen wird in Art. 4 ausdrücklich gefor-
dert, dass alle Menschen vor Passivrauch geschützt wer-
den sollen. Die Bundesregierung hat geantwortet, dass
der § 5 inklusive seiner Ausnahmen für die Gastronomie
im Einklang mit diesem Rahmeneinkommen stünden.
Da frage ich mich doch: Handelt es sich nach Ansicht
der Bundesregierung bei den Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern in der Gastronomie, die Passivrauch ausge-
setzt sind, nicht um Menschen? Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der SPD, schreiben in Ihrem Antrag:
Das in den Gastronomiebetrieben angestellte Per-
sonal wird aktuell nicht durch die Arbeitsstätten-
verordnung geschützt und unterliegt somit einem
höheren Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko. Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter von Restaurants,
Bars und Kneipen haben ein um 50 Prozent erhöh-
tes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.
Ihr Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit
und Soziales schreibt aber, wie eben erwähnt, das WHO-
Rahmenübereinkommen zum Schutz aller Menschen
würde eingehalten. Hier weiß offensichtlich die linke Ge-
hirnhälfte nicht, was die rechte denkt.
Die zweite Fliege, die mit dieser Klappe geschlagen
werden könnte, ist die, dass mit der Verabschiedung des
Gesetzentwurfs neben den Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmern auch der Schutz der Gäste vor Passivrauch
in der Gastronomie gestärkt würde. Denn sobald Ange-
stellte in einer Gaststätte beschäftigt sind, dürfte in um-
schlossenen Räumen nicht geraucht werden. Ausnahmen
bildeten die Raucherräume, die alleine für die rauchen-
den Beschäftigten eingerichtet sind. In den meisten Gast-
stätten wäre das Rauchen damit nicht mehr möglich. Hier
ist allerdings eine eindeutige klare Definition dafür not-
wendig, was „umschlossen“ bedeuten soll. Damit steht
und fällt der Schutz vor Passivrauch in Bierzelten.
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Zu Protokoll ge
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Durch diese Regelung wurde zudem die Chancen-
leichheit zwischen den sogenannten Eckkneipen und den
rößeren Gaststätten verbessert und die Streu vom Wei-
en bei den sogenannten Einraumkneipen getrennt. In
rößeren Gaststätten wäre wegen der Angestellten das
auchen nicht mehr möglich. Nur in solchen Einraum-
neipen ohne Personal könnte noch geraucht werden.
ier wäre zu prüfen, ob die nun mögliche Bevorzugung
on inhabergeführten Einraumgaststätten eine unzuläs-
ige Bevorzugung darstellt. Nach dem Urteil des Bundes-
erfassungsgerichts könnte dann allein ein Rauchverbot
n allen gastronomischen Betrieben die Lösung sein.
Die Bundesregierung stellt sich gerne als zur Untätig-
eit verurteilter Zuschauer dar, der sich über die Politik
uf Länderebene ärgert. Es ist festzustellen, dass durch
ie vorliegenden aktuellen Vorlagen der Bundesregie-
ung Wege aufgezeigt werden, wie sie endlich tätig wer-
en kann. Deshalb unterstützen wir diese.
Der Schutz vor Passivrauchen in der Öffentlichkeit
hierzu zähle ich auch Gaststätten und Kneipen – hat uns
m Bundestag in dieser Legislaturperiode schon mehr-
ach beschäftigt. Heute haben wir die ungewöhnliche Si-
uation, sowohl die beiden Anträge, die von der grünen
undestagsfraktion sowie einer Gruppe von insbeson-
ere aus der SPD kommenden Abgeordneten vor zwei
ahren zum Beginn der parlamentarischen Debatte in den
undestag eingebracht wurden, als auch unsere beiden
ktuellen grünen Vorstöße zu beraten.
Zwischenzeitlich ist einiges passiert. Manches ist
ositiv, anderes kritisch zu bewerten. In öffentlichen Ver-
ehrsmitteln und öffentlichen Gebäuden können wir von
lächendeckenden Rauchverboten sprechen. Sogar im
undestag haben wir es geschafft, auch wenn wir Grünen
afür immer wieder neue Anträge einbringen mussten,
is sich der Bundestag selbst endlich bewegte. Doch auch
ierauf sollten wir uns nicht ausruhen, denn die einge-
ichteten Raucherräume verfügen zum Beispiel nicht
ber eine vernünftige Entlüftung. Im Stockwerk über mei-
em Büro befindet sich ein Raucherraum. Wenn ich mein
üro verlasse, rieche ich sofort, ob in diesem Raum ge-
ade gequalmt wird oder nicht. Vorgaben zur Be- und
ntlüftung dieser Räume sind notwendig. Hier hat die
undesregierung noch offenstehende Hausaufgaben zu
rledigen und endlich eine entsprechende Verordnung für
aucherräume in öffentlichen Gebäuden zu erlassen.
Doch nun zu den Gaststätten und Kneipen. Wie von uns
orhergesagt, besteht inzwischen ein Flickenteppich von
egelungen in den Bundesländern, und Bürgerinnen und
ürger haben keine Sicherheit, dass ihnen ein rauchfreier
enuss in Lokalen geboten wird. Der Schutz ist durch
mfassende Ausnahmen inkonsequent, und immer wieder
ird berichtet, dass gegen Regelungen verstoßen wird
nd dies ohne Sanktionen bleibt, da es an Kontrollen vor
rt fehlt. Das formal konsequente Rauchverbot in Bayern
urde durch Raucherklubs umgangen und ist inzwischen
uch vom Tisch.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist
n den Bundesländern eine Tendenz zu verzeichnen, mehr
21294 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008
Dr. Martina Bunge
gebene Reden
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 196. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 18. Dezember 2008 21295
(C)
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Birgitt Bender
Ausnahmen zu ermöglichen und nicht, wie es das Urteil
eindeutig zulässt, den Schutz vor Passivrauch konsequent
auszubauen. Aus meiner Sicht auffällig ist auch, dass sich
die Länder zwar auf ihre Kompetenzen in Bezug auf das
Gaststättenrecht berufen, aber die entsprechenden Rege-
lungen kaum dort verankert haben.
Wir Bündnisgrünen setzen auf ein zweigleisiges Vorge-
hen: auf eine politische Seelenmassage der Länder durch
den Bundestag, auf dass die Bundesländer doch noch zur
Vernunft kommen, sowie auf einen erneuten Vorstoß beim
Arbeitsschutz. Wir haben dazugelernt. Anfangs setzten
wir noch auf die Arbeitsstättenverordnung. Zahlreiche
Diskussionen und auch die Auswertung der Anhörung ha-
ben uns dazu bewogen, eine Regelung im Arbeitsschutz-
gesetz anzustreben. Das sagen wir nicht nur, sondern
meinen es auch so – ganz im Gegensatz zu den SPD-Kol-
leginnen und -Kollegen, die 2006 einen Gruppenantrag
initiiert und unterstützt haben, dessen erste von zwei For-
derungen lautet: „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
in Zukunft an allen Arbeitsplätzen“ – also auch im Be-
reich der Gastronomie – „ausnahmslos vor Passivrau-
chen“ zu schützten. Sie hatten bereits einmal die Chance,
einem solchen Vorschlag zuzustimmen; unser grüner Än-
derungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz
vor den Gefahren des Passivrauchens wurde jedoch von
SPD, CDU/CSU und FDP abgelehnt. Ich befürchte, die-
ses Trauerspiel wiederholt sich nun. Teile der SPD reißen
den Mund auf, fordern viel, aber bei der konkreten Um-
setzung kneifen sie vermutlich wieder und unterwerfen
gen auf der EU-Ebene, wohl wissend, dass diese, wenn
überhaupt, erst in Jahren zu erwarten sind.
Politik muss mit Taten und nicht nur mit Worten auf-
warten. Der Bundestag hat erneut die Chance, ein bun-
desweites Zeichen zu setzen und zur Tat zu schreiten. Alle
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können vor den
Gefahren des Passivrauchens geschützt werden. Den un-
säglichen Ausnahmen für Arbeitsplätze mit Publikums-
verkehr, die gesundheitspolitisch nicht zu begründen
sind, muss ein Ende bereitet werden. Und wir alle könnten
den positiven Nebeneffekt genießen, dass damit viele
– nicht alle – der in der Diskussion befindlichen Ausnah-
men oder Umgehungen bei den Rauchverboten in Gast-
stätten und Kneipen ein Riegel vorgeschoben würde.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/10337, 16/10338, 16/2805 und
16/2730 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
schlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 19. Dezember 2008,
9 Uhr, ein.
sich der Koalitionsräson und rufen stattdessen – ich
schaue Sie an, Frau Kollegin Reimann – nach Regelun-
(D
Die Sitzung ist geschlossen.