Protokoll:
16194

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 194

  • date_rangeDatum: 5. Dezember 2008

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:43 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/194 und der Fraktion der FDP: Arbeits- marktinstrumente auf effiziente Maßnahmen konzentrieren – zu dem Antrag der Abgeordneten Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, Werner Dreibus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeits- losenversicherung stärken – Ansprü- che sichern – Öffentlich geförderte Beschäftigte einbeziehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Lokale Ent- scheidungsspielräume und passge- naue Hilfen für Arbeitsuchende sichern (Drucksache 16/11242) . . . . . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Kornelia Möller, Klaus Ernst, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Handlungsfähigkeit der Bundesagentur für Arbeit erhalten – Auf Senkung der Beitragssätze verzich- ten (Drucksachen 16/10618, 16/11241) . . . . . Klaus Brandner, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20978 A 20978 A 20978 B 20980 A 20981 D 20983 C Deutscher B Stenografisch 194. Sitz Berlin, Freitag, den 5 I n h a l Tagesordnungspunkt 36: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Neuausrich- tung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente (Drucksachen 16/10810, 16/11196, 16/11233) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/11237) . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter c d 20977 A 20977 B (Drucksachen 16/9093, 16/10511, 16/8524, 16/11233) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20977 C undestag er Bericht ung . Dezember 2008 t : ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Katrin Göring- Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte von Arbeitsuchenden stärken – Kompetentes Fallmanagement sicher- stellen (Drucksachen 16/9599, 16/11142) . . . . . . ) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitsförde- rung (Drucksachen 16/10806, 16/11241) . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung 20977 D 20977 D Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20985 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Erwin Lotter (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . . Andrea Nahles (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 37: a) Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Allgemeine Erklärung der Men- schenrechte – Grundlage für 60 Jahre Menschenrechtsschutz (Drucksache 16/11215) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Monika Knoche, Ulla Jelpke, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Zivil- und Sozialpakt – Grundlagen für einen unteilbaren und universellen Menschenrechtsschutz (Drucksache 16/11189) . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Jens Ackermann, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ratifikation des 12. Zusatzproto- kolls zur Europäischen Menschen- rechtskonvention (Drucksachen 16/3145, 16/4647) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rechtsstaatskonforme Behand- lung von Verhafteten nach der Über- gabe durch deutsche Stellen im Ausland sicherstellen (Drucksachen 16/2096, 16/5315) . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln), Thilo Hoppe, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechtsschutzlücken bei der Terrorbekämpfung schließen (Drucksachen 16/821, 16/8032) . . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Omid Nouripour, Josef Philip g h i Z A L D d c r ( i Z B w g B o h z ( E B D W V 20987 C 20989 A 20990 A 20992 A 20993 C 20995 C 20995 D 20995 D 20995 D 20996 A Winkler, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: UN-Wander- arbeiterkonvention endlich ratifizieren (Drucksachen 16/6787, 16/10208) . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Menschen- rechte der Uiguren schützen (Drucksachen 16/7411, 16/10283) . . . . . . ) Große Anfrage der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ergebnisse der Menschenrechtspolitik der Bundes- regierung im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft (Drucksachen 16/6370, 16/8595) . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 9: ntrag der Abgeordneten Sabine eutheusser-Schnarrenberger, Florian Toncar, r. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und er Fraktion der FDP: Rechtsstaatlichkeit si- hern – Effektiven Rechtsschutz bei Terro- ismusbekämpfung schaffen Drucksache 16/8903) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 10: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- ärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- eordneten Florian Toncar, Harald Leibrecht, urkhardt Müller-Sönksen, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der FDP: Das Ver- alten von Birmas Junta muss Konsequen- en haben Drucksachen 16/9340, 16/10392) . . . . . . . . . rika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . urkhardt Müller-Sönksen (FDP) . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20996 B 20996 B 20996 C 20996 C 20996 C 20996 D 20998 D 21000 C 21000 D 21002 B 21004 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 III Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Jung (Karlsruhe) (SPD) . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 38: a) Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Ulrich Maurer, Dr. Gesine Lötzsch, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbesserung des Verbraucher- schutzes beim Erwerb von Kapitalanla- gen (Drucksache 16/11185) . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbrau- cherschutz auf den Finanzmärkten stärken (Drucksache 16/11205) . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Dr. Gerhard Schick, Christine Scheel, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schutz der Anlegerinnen und Anleger bei Zertifikaten stärken (Drucksachen 16/5290, 16/11226, 16/11279) Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Ortwin Runde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . J D M T – – T a b D S H G H T G S g V d ( I T 21005 A 21006 D 21007 B 21008 D 21009 C 21009 C 21010 B 21012 D 21013 D 21015 C 21015 C 21015 D 21016 A 21017 A 21018 D 21019 B 21021 A 21022 D ulia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 40: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes (Drucksachen 16/10812, 16/10999, 16/11229) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/11235) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 41: ) Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Nicole Maisch, Rainder Steenblock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Internationales Jahr für sanitäre Grundversorgung 2008 der Vereinten Nationen – Chancen und Potentiale der Sanitärversorgung (Drucksachen 16/9387, 16/10922) . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sanitäre Grundversorgung internatio- nal verbessern (Drucksache 16/11204) . . . . . . . . . . . . . . r. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . abriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . üseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . agesordnungspunkt 42: roße Anfrage der Abgeordneten Ina Lenke, ibylle Laurischk, Miriam Gruß, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der FDP: Bessere ereinbarkeit von Familie und Dienst in er Bundeswehr Drucksachen 16/8241, 16/10376) . . . . . . . . . na Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . homas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21023 D 21025 C 21026 B 21027 D 21027 D 21028 B 21028 B 21028 C 21029 B 21030 C 21031 B 21033 B 21034 A 21034 A 21035 C IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Tagesordnungspunkt 43: Zweite und dritte Beratung des von der Frak- tion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs ei- nes Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Bildung eines Sachver- ständigenrates zur Begutachtung der ge- samtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksachen 16/8980, 16/10507) . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD) . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Ände- rung des Wohngeldgesetzes (Tagesordnungs- punkt 40) Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Vogelsänger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Bessere Vereinbarkeit 21037 D 21037 D 21038 D 21039 B 21040 D 21041 C 21043 A 21046 B 21047 A 21047 D 21048 C 21049 D 21050 B Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) zur Abstim- mung über die Beschlussempfehlung: Die Menschenrechte der Uiguren schützen (Ta- gesordnungspunkt 37 g) . . . . . . . . . . . . . . . . . v ( I P W A N R S ( D A A 21044 A 21044 B 21044 D 21045 A 21046 A on Familie und Dienst in der Bundeswehr Tagesordnungspunkt 42) nge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . etra Heß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . infried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 euabdruck einer zu Protokoll gegebenen ede zur Beratung des Antrags: Wirksamen chutz vor Glücksspielsucht gewährleisten 193. Sitzung, Tagesordnungspunkt 28) etlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21050 D 21051 C 21053 C 21054 B 21055 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20977 (A) ) (B) ) 194. Sitz Berlin, Freitag, den 5 Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21045 (A) ) (B) ) DIE GRÜNEN Hill, Hans-Kurt DIE LINKE 05.12.2008 Dr. Jung, Franz Josef CDU/CSU 05.12.2008 Dr. Schui, Herbert DIE LINKE 05.12.2008 Staffelt, Grietje BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.12.2008 Anlage 1 Liste der entschuldigt Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.12.2008 Annen, Niels SPD 05.12.2008 Bareiß, Thomas CDU/CSU 05.12.2008 Barth, Uwe FDP 05.12.2008 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE 05.12.2008 Bellmann, Veronika CDU/CSU 05.12.2008 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 05.12.2008 Blumentritt, Volker SPD 05.12.2008 Bollen, Clemens SPD 05.12.2008 Brüning, Monika CDU/CSU 05.12.2008 Brunnhuber, Georg CDU/CSU 05.12.2008 Ferner, Elke SPD 05.12.2008 Friedhoff, Paul K. FDP 05.12.2008 Gehring, Kai BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.12.2008 Dr. Geisen, Edmund Peter FDP 05.12.2008 Göppel, Josef CDU/CSU 05.12.2008 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.12.2008 Gröhe, Hermann CDU/CSU 05.12.2008 Günther (Plauen), Joachim FDP 05.12.2008 Gutting, Olav CDU/CSU 05.12.2008 Hänsel, Heike DIE LINKE 05.12.2008 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/ 05.12.2008 K K K K K L D M M M N P P R R R R D S S D S S A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten limke, Jürgen CDU/CSU 05.12.2008 olbe, Manfred CDU/CSU 05.12.2008 otting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.12.2008 richbaum, Gunther CDU/CSU 05.12.2008 unert, Katrin DIE LINKE 05.12.2008 afontaine, Oskar DIE LINKE 05.12.2008 r. Lauterbach, Karl SPD 05.12.2008 erten, Ulrike SPD 05.12.2008 ißfelder, Philipp CDU/CSU 05.12.2008 üller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 05.12.2008 itzsche, Henry fraktionslos 05.12.2008 au, Petra DIE LINKE 05.12.2008 olenz, Ruprecht CDU/CSU 05.12.2008 aidel, Hans CDU/CSU 05.12.2008* öring, Johannes CDU/CSU 05.12.2008 omer, Franz CDU/CSU 05.12.2008 oth (Esslingen), Karin SPD 05.12.2008 r. Schäuble, Wolfgang CDU/CSU 05.12.2008 chily, Otto SPD 05.12.2008 chmidbauer, Bernd CDU/CSU 05.12.2008 r. Schmidt, Frank SPD 05.12.2008 chmidt (Nürnberg), Renate SPD 05.12.2008 cholz, Olaf SPD 05.12.2008 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 21046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 (A) ) (B) ) * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der OSZE Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) zur Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung: Die Menschenrechte der Uiguren schützen (Tagesordnungspunkt 37 g) Hiermit erkläre ich im Namen der FDP-Bundestags- fraktion, dass die mögliche Aufnahme freizulassender Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager in Guántanamo Bay im Rahmen einer gemeinsam mit den Partnern in der EU zu findenden Lösung erfolgen sollte. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Wohngeldgesetzes (Tages- ordnungspunkt 40) Gero Storjohann (CDU/CSU): Der Bundestag hat eine Wohngelderhöhung zum 1. Januar 2009 beschlos- sen. Heute beraten wir über die Inkraftsetzung bereits zum 1. Oktober 2008. Damit zeigt sich erneut, dass das Wohngeldrecht bei uns in guten Händen ist. Wir wissen um die gestiegenen Energiepreise und die höheren Heizkosten. Wir wissen auch, dass diese Preis- steigerungen gerade diejenigen trifft, die einen beson- ders hohen Anteil ihres Einkommens für die unmittelba- ren Lebenshaltungskosten aufbringen müssen. Es mag dabei vielleicht irritieren, wenn die Kosten für Heizöl momentan auf dem niedrigsten Stand seit Sommer 2007 sind. Wenn die Rohölpreise sinken, dann sinken eben auch die Heizölpreise. Aber niedrige Heizölpreise al- leine machen noch keine Wohnung warm. Tatsache ist: In den überwiegenden Fällen wurden die Tanks lange vor der momentanen Preisbaisse gefüllt, als für Heizöl teilweise noch Rekordpreise gezahlt werden musste. Die meisten Verbraucherinnen und Verbraucher hatten auch keine Wahl, denn die Tanks waren zu diesem Zeitpunkt leer. Vor der Erhöhung der Mehrwertsteuer haben viele Verbraucher im Jahr 2006 die Tanks gefüllt. Die Folge: 2007 wurde kaum Heizöl nachgefragt, im Jahr 2008 dafür umso mehr und dringender. Das bedeu- tet, die gegenwärtigen niedrigen Heizölpreise nützen al- lenfalls denjenigen, die in Häusern leben, deren Tank leer ist und jetzt wieder aufgefüllt wird. Das sind aber n w g h f u a w w W d m i g f r d l i d g E r s l d M W p b s g c e n d g A i K s d b e e m d l s e b Thiele, Carl-Ludwig FDP 05.12.2008 Wicklein, Andrea SPD 05.12.2008 Dr. Wiefelspütz, Dieter SPD 05.12.2008 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich (C (D un einmal die wenigsten. Die Kosten sind also da und erden über die Mieten auch bei den Wohngeldempfän- ern wirksam. Es geht auch nicht alleine um Heizöl. Wer mit Gas eizt, ist seit längerem mit relativ hohen Preisen kon- rontiert. Gleiches gilt für Fernwärme und Strom. Es ist nd bleibt eine Tatsache: Die Energiekosten werden auf bsehbare Zeit nicht sinken, sondern steigen. Darum ist ichtig, dass wir den Wohngeldberechtigten helfen. Bereits die Wohngeldnovelle vom April diesen Jahres ar eine solche Hilfe. Schon damals haben wir im ohngeldgesetz eine Heizkomponente verankert, die en stark gestiegenen Energiekosten Rechnung trägt. So- it können Heizkosten in pauschalierter Form erstmals n die Berechnung einbezogen werden. Im neuen Wohn- eldgesetz werden damit Heizkosten im gleichen Um- ang bezuschusst wie die Bruttokaltmiete, nämlich mit und einem Drittel. Um es nochmals zu betonen: Wir haben erreicht, dass as Wohngeld pro Empfängerhaushalt von durchschnitt- ich etwa 90 Euro auf 140 Euro erhöht werden kann, also nsgesamt um fast 60 Prozent. Damit haben wir gerade enjenigen ein Stück mehr Lebensqualität gegeben, die eringe Renten beziehen oder die auch bei geringem inkommen zur Arbeit gehen. Heute können wir dafür sorgen, dass diese Verbesse- ungen den Betroffenen nun früher zugutekommen. Ge- taffelt nach der Personenzahl wird einmalig ein zusätz- icher Wohngeldbetrag ausgezahlt. Voraussetzung ist, ass in mindestens einem der Monate Oktober 2008 bis ärz 2009, also in der gegenwärtigen Heizperiode, ein ohngeldanspruch besteht. Lassen Sie mich dabei drei besonders wichtige As- ekte hervorheben. Erstens. Die pauschalierte Zahlung leibt auch bei der neuen Regelung ein notwendiges In- trument, das den sparsamen und verantwortlichen Um- ang mit Energie fördert. Damit bleibt auch die eigentli- he Funktion des Wohngeldes erhalten, nämlich nicht infach nur für die Betroffenen die Rechnung zu über- ehmen, sondern sie in die Lage zu versetzen, eigenstän- ige und ihren Präferenzen entsprechende Entscheidun- en zu treffen. Zweitens. Inhaltliche Änderungen an der bereits im pril beschlossenen Wohngeldnovelle gibt es allenfalls m „Fußnotenbereich“. Das betrifft beispielsweise eine larstellung bei der Berechnung eines Wohngeldan- pruchs. Außerdem greifen wir eine Anregung des Bun- esrates für diejenigen Fälle auf, in denen ein Wohngeld- escheid aufgehoben wird und eine Rückzahlung rfolgen muss. Im Kern handelt es sich heute also um ine zeitliche Vorverlegung bereits gefasster Beschlüsse. Drittens. Das Wohngeldrecht liegt in der gemeinsa- en Verantwortung von Bund und Ländern. Wenn also as Inkrafttreten des Wohngeldgesetzes zeitlich vorver- egt wird, bleibt es grundsätzlich auch bei dieser gemein- amen Verantwortung. Wenn der Bund Handlungsbedarf rkennt, vertrauen wir darauf, dass sich auch die Länder eteiligen. Inwieweit sich die Länder dann mit der Bun- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21047 (A) ) (B) ) desregierung auf einen Ausgleich einigen, wird sich zei- gen und muss an anderer Stelle besprochen werden. Auf die Heizölpreise bin ich bereits eingegangen. Es muss aber auch noch etwas gesagt werden zu den Ener- giepreisen im Allgemeinen. Denn 40 Prozent der End- energie in Deutschland wird für Heizwärme verbraucht. Wir müssen uns also auch fragen, was die Politik jenseits des Geldverteilens tun oder unterlassen kann, damit die Preise nicht noch weiter steigen. Sozialpolitik ist unter anderem eben auch nachhaltige Energiepolitik. Also ge- hören gute Wohngeldleistungen und Gewährleistung verlässlicher und möglichst kostengünstiger Energie zu- sammen. Darauf hinzuweisen ist wichtig, gerade wenn wir über die Einbeziehung der Heizkosten in das Wohn- geldgesetz und den richtigen Zeitpunkt für dessen Imple- mentierung sprechen. Die von CDU/CSU und SPD im April 2008 erarbei- tete und verabschiedete Wohngeldnovelle war notwen- dig. Dass diese Novelle nun früher, zum 1. Oktober 2008, in Kraft treten kann, ist immer noch richtig. Das Thema Energie- und Heizkosten ist damit nicht vom Tisch. Aber die Neujustierung des Wohngeldgesetzes ist ein wichtiger Beitrag, um den Wohngeldberechtigten zu helfen. Die CDU/CSU-Fraktion wird darum der Be- schlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ihre Zustimmung erteilen. Sören Bartol (SPD): 520 Millionen Euro haben Bund und Länder für die Wohngeldnovelle in die Hand genommen. 120 Millionen stellen der Bund und – ich er- warte – auch die Länder jetzt noch einmal bereit, um Menschen mit niedrigem Einkommen schon in diesem Winter zu entlasten. Das ist, insbesondere angesichts der Lage unserer Staatsfinanzen, viel Geld. Vor allem aber ist es gut investiertes Geld: 800 000 Haushalte entlastet es von den gestiegenen Wohnkosten, und zwar genau dort, wo es gebraucht wird: bei Rentnerinnen und Rent- nern, Alleinerziehenden und Familien mit Kindern. Das gilt auch für jene, denen es schwerfällt, die Wohnung zu finanzieren und die auf Wohngeld angewiesen sind. Da ist es gut, dass wir hier das Vorziehen der Wohngeld- erhöhung beraten. In der Sache sind wir uns ja nun offenbar alle einig. Auch die CDU/CSU-Fraktion hat sich letztlich für diese soziale Leistung ausgesprochen. Fast könnte man an ei- nen Linksrutsch bei der Koalition glauben. Die Entschei- dung, Hundertausenden nun mehr Wohngeld zu bezah- len, ist ein gutes Signal. Doch ohne Druck von links wäre das wohl nicht passiert. Wer wissen will, wie es um das Wohngeld gerade jetzt, angesichts der Wirtschaftskrise, bestellt ist, der sollte einmal die Internetpräsenz des Arbeitslosenforums Deutschland – www.arbeitslosennetz.de – ansehen. Da wendet sich jemand mit einem dramatischen Hilferuf an das Forum, der mit einer Einschränkung seines Wohn- gelds rechnen muss. Eine Sachbearbeiterin wollte die Zahlung nicht verlängern. Er solle sich doch jemanden suchen, der ihm zusätzlich Unterhalt gewähre. Glückli- cherweise habe er jemanden in seiner Familie, der ihm kurzfristig helfen könne. Allerdings, so fügt er hinzu, be- t c f r g t L a A t B 8 d R a r B c D M 5 D d t s s t g r g L W K w r U t g (C (D rage sein Einkommen nun 585 Euro. Davon werden irca 455 Euro angerechnet. Das Ergebnis ist, dass er da- ür nur noch 109 Euro Wohngeld bekommt. Grund dafür sind die Wohngeldtabellen und die ge- ade neu festgelegten Mietenstufen, auf die ich hier ein- ehen möchte. Es ist zwar erfreulich, wenn Staatssekre- ärin Karin Roth in ihrer Antwort auf eine Anfrage der inken im Bundestag antwortet: Auch im Falle einer Änderung der Mietenstufe kommen daher 90 Prozent der Wohngeldempfänger in den betroffenen Gemeinden in den vollen Genuss der durchschnittlichen Leistungsverbesserungen. Nur für die Überschreiter der Höchstbeträge fallen die Verbesserungen unterschiedlich aus. Eine Hoch- stufung der Gemeinde bedeutet für sie eine über- durchschnittliche, eine Herabstufung eine unter- durchschnittliche Verbesserung. Eine Herabsetzung führt aber nicht zu einer geringeren Wohngeldzah- lung als bisher. Aber – so füge ich hinzu – sie führt eben auch nicht in llen Fällen zu einer höheren Wohngeldzahlung. Nach ngaben der Bundesregierung haben 10 Prozent der Be- roffenen überhaupt nichts von der Wohngelderhöhung. ei rund 800 000 Betroffenen sind das immerhin rund 0 000 Menschen, für die sich nichts verbessert. Jeder avon ist einer zuviel. Wie gesagt, der Grundtenor der Antwort von Frau oth ist erfreulich. Aber 10 Prozent gehen offenbar leer us. Ist das Absicht? Im Bundesdurchschnitt geben die Haushalte übrigens und 35 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete und etriebskosten aus. Das ist ein erheblicher Teil. In man- hen Medien war daher zu lesen, dass die Miete ein rittel des Einkommens „frisst“. Besonders bei ärmeren enschen steigt dieser aufgefressene Anteil mitunter auf 0 Prozent. So beschreibt der Immobilienverband eutschland (IVD) die Belastungen für Geringverdiener, ie in Städten leben, als „besonders massiv“. Doch wie gesagt, Menschen müssen zuerst essen, rinken, wohnen und sich kleiden, ehe sie Politik, Wis- enschaft, Kunst, Religion treiben. Wohnen ist ein Men- chenrecht. Und daher ist es keine Frage: Unsere Frak- ion stimmt dem eigenen Antrag zu und erklärt leichzeitig: Es darf nicht sein, dass Menschen mit nied- igem Einkommen immer mehr Geld für die Miete aus- eben müssen. Auch wenn das Wohngeld hier lindernd wirkt: Die inke lässt sich damit noch nicht abspeisen. Jörg Vogelsänger (SPD): Wir diskutieren in dieser oche, wie der Bund die Bürger entlasten und damit den onsum und Arbeitsplätze sichern kann. Dazu haben ir gestern das Maßnahmenpaket „Beschäftigungssiche- ung durch Wachstumsstärkung“ verabschiedet. In der msetzung sind wir jetzt alle in besonderer Verantwor- ung. Die heute zu beschließende Änderung des Wohngeld- esetzes mit einer pauschalierten Einmalzahlung für die 21048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 (A) ) (B) ) Heizkostenperiode 2008/2009 ist ein weiterer Mosaik- stein zu den von Bundesregierung und Bundestag auf den Weg gebrachten Maßnahmen. Die Preisentwicklung der letzten Monate hat die Not- wendigkeit der Wohngelderhöhung noch einmal bestä- tigt. In diesem Winter kommen bei vielen Wohngeldbe- ziehern Nachzahlungen für Nebenkosten mit erhöhten monatlichen Abschlägen zusammen. Daher haben wir uns für ein Vorziehen der Reform auf den 1. Oktober dieses Jahres entschieden. Erfolgen soll dies durch eine nach Personenzahl gestaffelte Einmalzahlung als Aus- gleich für erhöhte Energiekosten in der Heizperiode 2008/2009. Für einen Einpersonenhaushalt sind das 100 Euro, für einen Zweipersonenhaushalt 130 Euro. Mit der Wohngelderhöhung haben wir die Zukunft dieses wichtigen wohnungspolitischen Instruments gesi- chert. Es ist eine staatliche Sozialleistung, wie sie sein soll: passgenau, zielgerichtet und zeitnah. Der Staat lässt die Menschen nicht allein. Er nimmt ihnen auch nicht ganze Last ab. Das kann er nicht und das soll er nicht. Er greift ergänzend dort ein, wo es nötig ist – nicht mehr und nicht weniger –, sodass das Prinzip der Eigenverant- wortung bestehen bleibt und auch der Anreiz zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Energie. Denn Ein- sparpotenziale nutzen, das ist die einzig überzeugende Antwort auf steigende Energiekosten und den Klima- wandel. Moderne Wohnungs- und Sozialpolitik agiert nach- haltig und vorausschauend, wie wir es mit unserem er- folgreichen CO2-Gebäudesanierungsprogramm – für das von 2009 bis 2011 nun zusätzliche Mittel in Höhe von 3 Milliarden Euro vorgesehen sind –, den KfW-Pro- grammen und dem Investitionspakt für die Sanierung von Schulen und Kindergärten tun. Das sind Investitio- nen, die Bürgerinnen und Bürgern in unseren Städten und Gemeinden direkt zugutekommen, die einen wichti- gen Beitrag zum Klimaschutz leisten, die Wachstum und Beschäftigung stärken und Arbeitsplätze sichern, die, wie die Wohngelderhöhung, die Kaufkraft der Menschen stärken. Genau darum muss es in der momentanen Kri- sensituation gehen. Kurz: Das ist eine Politik, die in öko- logischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht eine Ba- lance herstellt, die aber eben auch die Menschen nicht im Regen stehen lässt, die noch nicht in energetisch sa- nierten Gebäudebeständen leben. Moderne Wohnungs- und Sozialpolitik, das ist immer auch vorsorgende Politik. Der vorsorgende Sozialstaat muss alles tun, damit Menschen gar nicht erst in eine Notlage kommen. Er reagiert nicht erst, sondern handelt vorsorgend. Er investiert in Menschen, vor allem in Kin- der, in Bildung, in Qualifikation und Gesundheit, in So- zialinfrastruktur und Integration, in Lebenschancen. Im Bereich Wohnungspolitik heißt das eine noch stär- kere Entwicklung hin zu Projekten, wie sie derzeit etwa mit dem Programm Soziale Stadt gefördert werden; Pro- jekte, die einen integrativen Ansatz verfolgen, bei denen der Ausbau von Gebäuden, Grünanlagen und Sportstät- ten genauso dazugehört wie Initiativen für kindgerechte Ernährung und Bewegung, die städtebauliche Maßnah- m Q r G n v z p d g d p O E m O F S i s u w D E i h s M s n e r V w s s G H E d t o n 6 g t n A n h s a d d (C (D en mit sozialen verbinden, die die Menschen in den uartieren stärker miteinbeziehen und auf die Aktivie- ung von Nachbarschaftshilfe setzen, die Integration und emeinsinn fördern und die Lebensqualität der Bewoh- er erhöhen. Sozial, ökologisch und ökonomisch verantwortungs- oll handeln – das ist Credo und Anspruch moderner so- ialdemokratischer Stadtentwicklungs- und Wohnungs- olitik. Mit dem CO2-Gebäudesanierungsprogramm und er Wohngeldreform wird die Große Koalition beidem erecht. Patrick Döring (FDP): Es ist begrüßenswert, dass ie Koalition – nachdem bereits die Heizkosten- auschale im Frühjahr dieses Jahres auf Drängen der pposition eingeführt wurde – sich nun angesichts der nergiepreisentwicklung auch bereit findet, eine Ein- alzahlung an Wohngeldempfänger rückwirkend für ktober bis Dezember dieses Jahres auszuzahlen. Meine raktion wird diese Entscheidung gerne mit ihrer timme unterstützten. Denn so kann 800 000 Menschen n Deutschland – darunter auch 300 000 Rentner – chnell und unbürokratisch geholfen werden. Das Problem ist nicht, was Sie, verehrte Kolleginnen nd Kollegen der Koalition, hier und heute tun – sondern as Sie unterlassen. Es ist gut, dass Sie den Menschen in eutschland helfen wollen, die aufgrund ihres geringen inkommens Schwierigkeiten haben, ihre Miete und die mmer weiter steigenden Heizkosten zu bezahlen. Da elfen wir gerne mit. Doch offenbar haben Sie verges- en, dass steigende Heizkosten auch für die normalen enschen in Deutschland, für die Mitte der Gesell- chaft, ein riesiges Problem bedeuten. Hier entlasten Sie icht, sondern legen im kommenden Jahr sogar noch ine Schippe drauf: Zum 1. Januar des kommenden Jah- es steigt die Steuer auf normales Heizöl um nahezu ein iertel auf 7,6 Cent je Liter. Dabei sind die Preise für die ichtigsten Heizmittel in den letzten Jahren schon so ra- ant gestiegen. Bei leichtem Heizöl meldete das Statisti- che Bundesamt zuletzt einen Stand von 141,5 Punkten. egenüber dem Juli dieses Jahres, als der Index einen öchststand von173,9 verzeichnete, ist das zwar eine ntspannung, im Vergleich zum Januar 2000, als der In- ex noch bei 63,6 lag, ist Heizöl heute aber doppelt so euer. Und dann schlagen Sie noch eine Steuererhöhung ben drauf. Eine nachhaltige Entspannung gibt es auch icht bei den Gaspreisen, bei denen der Index von 9,3 im Januar 2000 auf 145,9 Punkte im Oktober 2008 estiegen ist. Entsprechend sind die Energieausgaben für die priva- en Haushalte in Deutschland gestiegen. Für 2008 rech- et das Statistische Bundesamt mit durchschnittlichen usgaben von 1 944 Euro. Das sind 700 Euro mehr als och vor sechs Jahren. Ein Teil der Preissteigerungen ist ier offensichtlich durch Energieeinsparungen kompen- iert worden – dennoch bleibt die Zusatzbelastung be- chtlich, vor allem wenn man die finanzielle Belastung er Bürgerinnen und Bürger durch die Politik der Bun- esregierung insgesamt in Rechnung stellt. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21049 (A) ) (B) ) Ich finde es von daher reichlich kurz gedacht, wenn Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen auf den Re- gierungsbänken, das Problem jetzt mit einer Einmalzah- lung an die 800 000 Wohngeldempfänger in Deutschland für gelöst halten. Das Gegenteil ist der Fall – Millionen Menschen in unserem Land warten nach wie vor vergeb- lich darauf, dass die Politik ihnen angesichts wachsender ökonomischer Unsicherheit und steigender Belastungen endlich hilft. Die sogenannte Große Koalition muss an dieser Stelle jedoch offenbar einen Offenbarungseid leis- ten. Sie haben bisher nicht einen einzigen Schritt unter- nommen, um strukturelle Ursachen für die zu hohen Energiepreise zu beheben. Das fängt bereits bei den Problemen mit dem deut- schen Mietrecht an. Der Anreiz für Vermieter in Deutschland, ihre Gebäude energetisch zu sanieren, ist denkbar gering: Der Eigentümer hat einen großen Auf- wand an Zeit und Geld und muss zudem Mietausfälle zwischen 50 und 100 Prozent einkalkulieren, während eine Mieterhöhung, um die Modernisierungskosten zu decken, in vielen Fällen gar nicht oder zumindest nur schwer durchzusetzen ist. Der Austausch einer Hei- zungsanlage, auch wenn sie den Mietern Energieeinspa- rungen von bis zu 30 Prozent erbringt, erfolgt zum Bei- spiel ganz auf Kosten des Vermieters. Kein Wunder, dass im Bereich von Mietwohnungen zum Beispiel der Ein- bau der energiesparenden Öl-Brennwerttechnik so gut wie gar nicht erfolgt. Zusätzliche Vorgaben für den Fall einer Gebäudesanierung – zum Beispiel eine Nutzungs- pflicht für regenerative Energien – wirken vor diesem Hintergrund als weiterer negativer Anreiz, sodass der Ei- gentümer im Zweifelsfall die Sanierung eines Objektes weiter verzögert. Es wird Zeit, dass wir hier neue Rah- menbedingungen schaffen und auch positive Anreize für den Eigentümer setzen, damit das Mietrecht nicht länger der umweltfreundlichen Sanierung im Wege steht. Dazu würde es zum Beispiel schon reichen, dem Eigentümer die Möglichkeit einzuräumen, eine Mieterhöhung mit den Mietern vertraglich vereinbaren zu können, wenn er garantiert, dass gleichzeitig eine Betriebskostenersparnis in mindestens gleicher Höhe eintritt. Auch könnte die Duldungspflicht des Mieters auf energetische Sanierun- gen ausgedehnt werden. Meine Fraktion hat zu diesem Problem einen umfangreichen Antrag vorgelegt – in der Koalition habe ich bei diesem Thema hingegen leider nur erste, übervorsichtige Bewegungen gesehen. Kein Wunder, löst allein das Wort Mietrechtsreform doch bei der SPD-Linken Beißreflexe aus – selbst wenn eine ver- nünftige Überarbeitung einzelner Bestimmungen zu ei- ner Welle energetischer Sanierungen führen würde, die auch der Umwelt und den Mietern zum Vorteil gereich- ten. Größtmögliche Untätigkeit der Großen Koalition auch bei der Deregulierung des Gasmarktes. Seit gerau- mer Zeit fordern wir Liberale, die Fehler der rot-grünen Privatisierungspolitik zu beheben. Die Monopol- und Oligopolstellungen, die durch die Überlassung der Netz- strukturen an die Energieproduzenten entstanden sind, müssen endlich durchbrochen, wettbewerbsfeindliche Machtstrukturen entflochtet werden. b f c z n d s p M m h V d P 2 e i z h u D t w f d t u W n B s s w M F L u E a w g 1 F S (C (D Und ein letztes, allerdings nicht das geringste Pro- lem: Der Kostentreiber Staat. Allein aus Energiesteuern ür die Heizmittel Öl und Gas erhält der Bund jährlich irca vier Milliarden Euro. Hinzu kommen noch 19 Pro- ent Mehrwertsteuer – grob geschätzt wahrscheinlich och einmal etwa acht Milliarden Euro. Und umso höher er Einkaufspreis, desto mehr verdient der Staat an die- er Stelle – allein im Juli 2008 bescherten die Rekord- reise dem Finanzminister nach Expertenschätzung ehreinnahmen von 44 Millionen Euro. Beim Heizöl achen die Steuern bereits heute – vor der Steuererhö- ung zu Anfang des kommenden Jahres – nahezu ein iertel des Preises aus. Der Staat hätte es also selbst in er Hand, hier zu einer Entspannung beizutragen und die reise zu senken. Der Energiepreis ist der Brotpreis des 1. Jahrhunderts – das gilt vor allem natürlich für so ein ssenzielles Bedürfnis wie das Heizen der Wohnung. Es st überfällig, hier den reduzierten Mehrwertsteuersatz ur Anwendung zu bringen. Mietrecht, Ordnungsrecht, Steuerrecht – die Koalition at die entscheidenden Hebel in der Hand, um schnell nd nachhaltig zu einer Reduzierung der Heizkosten in eutschland beizutragen. Sie müssen sich nun endlich rauen, die Schalter auch umzulegen. Nur so kommen ir zu einer langfristigen und nachhaltigen Entlastung ür alle Bürger – für Wohngeldempfänger ebenso wie für ie so lange vergessene Mitte in Deutschland. Von daher: Es ist schön, dass wir heute etwas Gutes un, die Wohngelderhöhung gemeinsam verabschieden nd damit einigen hunderttausend Menschen über den inter helfen. Es ändert jedoch nichts daran, dass wir och weit mehr tun müssen, um allen Bürgerinnen und ürgern in unserem Land ein wenig Entlastung zu ver- chaffen, damit sie es in den sich ankündigenden chwierigeren Zeiten ein wenig leichter haben. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ich darf mal et- as provozieren und fragen: Ist Karl Marx tot? Nein, arx war tot. Er starb 1883. Die Grabrede hielt sein reund Friedrich Engels, und der sagte damals: Wie Darwin das Gesetz der Entwicklung der organi- schen Natur so entdeckte Marx das Entwicklungsge- setz der menschlichen Geschichte: die bisher unter ideologischen Überwucherungen verdeckte Tatsa- che, dass die Menschen vor allen Dingen zuerst es- sen, trinken, wohnen und sich kleiden müssen, ehe sie Politik, Wissenschaft, Kunst, Religion usw. trei- ben können … Wohnen gehört zu den Grundbedürfnissen. In erster inie geht es darum, einkommensschwächere Haushalte nd Personen in dieser Heizperiode zu entlasten. Diese ntlastung ist eine sozialpolitische Maßnahme, wird sich ber auch auf den Konsum positiv auswirken. Insgesamt erden 120 Millionen Euro als Unterstützung für Wohn- eldempfänger zur Verfügung gestellt. Das sind 20 Millionen Euro, die jetzt nicht mehr aus den kleinen amilieneinkommen aufgebracht werden müssen. Deutschland hat eines der engmaschigsten sozialen icherungsnetze in Europa. Das sollte – an die Adresse 21050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 (A) ) (B) ) der Linkspartei – nicht immer schlechtgeredet werden. Das Wohngeld ist ein wichtiger Baustein in diesem Si- cherungsnetz. Diesen Baustein stärken wir nachhaltig für unsere Bürger und Bürgerinnen. Sicheres Wohnen ist und bleibt ein Grundanliegen in unserer Politik. Zum sicheren Wohnen gehören auch in Zukunft bezahlbare Nebenkosten und im Speziellen die Heizkosten. Wir haben relativ wenig Einfluss auf die Weltenergiepreise und deren Entwicklung, wie wir es gerade erleben. Der beste Schutz vor Turbulenzen und Überbelastung durch zu hohe Heizkosten ist die Redu- zierung des Energieverbrauches. Die wichtigste Maß- nahme dafür ist die energetische Gebäudesanierung. Das entsprechende Programm haben wir gestern beschlos- sen. Es wird auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockt. Dieses Programm schützt nachhaltig die Mieter und Hauseigen- tümer nicht nur vor zu hohen Heizkosten, sondern es ist eine echte Jobmaschine für unsere heimische Wirtschaft, was in der heutigen Situation von besonderer Bedeutung ist. Ein weiterer Effekt besteht darin, dass wir dadurch das Klimaschutzpaket der Bundesregierung in diesem Bereich beschleunigt realisieren. In dieser Sitzungswoche haben wir das Maßnahmen- paket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstär- kung“, das Familienleistungsgesetz, die Senkung des Beitrages zur Arbeitsförderung und das Wohngeldgesetz beschlossen. Eine gute Sitzungswoche für die Bau- und Verkehrspolitiker und damit für die Bürgerinnen und Bürger in den Wahlkreisen geht zu Ende. In diesen kön- nen Sie nun, meine Damen und Herren Abgeordnete, viele frohen Botschaften verbreiten. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schon vor einem halben Jahr habe ich hier gestanden und eine frühere Einführung des Wohngelds gefordert. Herr Minister Tiefensee, ich freue mich, dass Sie diese wichtige Forderung nun endlich erfüllen wollen. Aller- dings kann es nicht sein, dass Sie bereits im September mit Ihren Ankündigungen in die Presse gehen, die be- troffenen Wohngeldempfänger aber bis heute – es ist im- merhin schon der 5. Dezember – nicht wissen, ob sie ab Oktober mit mehr Geld rechnen können und wann sie das im September versprochene Geld endlich in den Händen halten werden. Die Situation der betroffenen einkommensschwachen Menschen sollte doch in unser aller Interesse so schnell wie möglich verbessert werden. Wir sprechen hier über Menschen, insbesondere Rentner und arbeitende, aber schlecht verdienende Menschen, die die Preisentwick- lungen bei Mieten und Nebenkosten nicht aus eigener Tasche auffangen können. Diesen Menschen müssen wir helfen und ihre Situation baldmöglichst verbessern. Es kann doch nicht sein, dass es nach so vielen Monaten immer noch Uneinigkeiten bei der Finanzierung gibt. Ich möchte hier auch an die Bundesländer appellieren, ihre Zustimmung zu dieser Gesetzesänderung im Bundesrat nicht zu verweigern. Wir alle müssen uns an den Kosten beteiligen. Auch wenn der Bund an den Kosten beteiligt ist, so sind die Kommunen als hauptsächliche Träger der Kosten der Unterkunft überproportional belastet. Es ist j W e s a d s D G L a H u a g M b w z s s d f d f e s l z l a n S f f l a h s A m w b w f s „ (C (D etzt an Bund und Ländern, sich die Kosten für das ohngeld hälftig zu teilen. Dabei sind die Kosten für ine frühere Erhöhung des Wohngelds durchaus über- chaubar. Die Länder dürfen sich hier nicht aus der Ver- ntwortung stehlen. Trotz aller Zustimmung zu einer früheren Auszahlung er verbesserten Leistungen möchte ich unsere grund- ätzliche Kritik an der Wohngeldreform wiederholen. as neue Wohngeldrecht ist kein sozialpolitisches lanzstück. Einmal ganz davon abgesehen, dass die eistungserhöhungen generell noch deutlicher hätten usfallen dürfen, gibt es keine Festlegung, wann die öhe der Wohngeldleistungen das nächste Mal überprüft nd angepasst werden soll. Wir werden in Deutschland uch zukünftig von zum Teil deutlichen Preissteigerun- en betroffen sein. Das Wohngeld ist aber weder an die ietenentwicklung noch an die Entwicklung der Le- enshaltungskosten gekoppelt. Das heißt, schon bald ird das Wohngeld wieder hinter den Preissteigerungen urückbleiben. Die Gefahr, dass viele arbeitende Men- chen trotzdem auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen ein werden, bleibt also auch weiter bestehen. Das Wohngeld kann seine Entlastungsfunktion nur auerhaft erfüllen, wenn eine dynamische Anpassungs- unktion geschaffen wird. Leider ist die Koalition auf iesen grünen Vorschlag, einer regelmäßigen Überprü- ung anhand des Wohngeld- und Mietenberichts, nicht ingegangen. Es gelingt der Bundesregierung nicht, endlich ein Ge- amtkonzept zur Vermeidung von Erwerbsarmut vorzu- egen, ein zentraler Punkt, den wir in unserem Antrag um Wohngeld gefordert haben. Nur wenn es uns ge- ingt, dafür zu sorgen, dass möglichst wenig Menschen uf Transferleistungen des Staates angewiesen sind, kön- en wir mehr soziale Gerechtigkeit schaffen und den taatshaushalt dauerhaft entlasten. Dazu brauchen wir lächendeckende Mindestlöhne und progressiv gestaf- elte Sozialabgaben bei geringen Einkommen. Bisher egt die Regierung aber nur Stückwerk vor und versucht n verschiedenen Stellen – wie jetzt mit einer Vorzie- ung der Leistungsverbesserung –, nachzubessern. Meine Damen und Herren der Großen Koalition, Sie ind aufgefordert, endlich tätig zu werden. nlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Großen Anfrage: Bessere Ver- einbarkeit von Familie und Dienst in der Bun- deswehr (Tagesordnungspunkt 42) Inge Höger (DIE LINKE): Soldat sein macht das Fa- ilienleben nicht idyllischer. Das bestätigt auch die Ant- ort der Bundesregierung auf die Frage nach der Verein- arkeit von Familie und Dienst in der Armee. Immerhin urde erkannt, dass es auch im Heer eine Geschlechter- rage gibt. Die Frage wird dann aber mit einem kategori- chen Imperativ beantwortet: Die Personalführung habe in dem Bewusstsein zu handeln, dass die Soldaten und Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21051 (A) ) (B) ) ihre Familien Anspruch auf Fürsorge haben“. Genauso unkonkret sind die Hilfsangebote an die Familien. Trotz Gleichstellungsgesetz hat sich an der Situation von Frauen in der Armee nicht viel geändert. So sind un- ter Stabsoffizieren und Offizieren Frauen mit Kindern zu 1,5 Prozent vertreten, während sie 8,6 Prozent der Ge- samtarmee stellen. Prozentual nehmen hundertmal so viele Soldatinnen wie Soldaten Elternteilzeit in An- spruch. Wie in allen anderen Bereichen sind Kinder auch in der Bundeswehr besonders für Frauen einer Karriere hinderlich. Das führt meist bei Frauen zum Rückzug aus dem Beruf. Über alleinerziehende Eltern hat man im BMVg gleich gar keine Informationen. Die potenziell am meisten betroffene Gruppe kommt also nicht vor. Besonders hoher Druck wird durch die nur dreimona- tigen Versetzungsfristen an neue Standorte aufgebaut. Wer kann sein Familienleben schon in drei Monaten ver- legen, zumal Partnerinnen von Soldaten vom Verteidi- gungsministerium keine Hilfe bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu erwarten haben? Die wichtigste Frage ist aber hier die nach der Betreu- ung der Kinder. Konfrontiert mit diesem Problem verlegt man sich im Verteidigungsministerium auf Hilfe zur Selbsthilfe und brüstet sich damit, dass die konzipierten Familienbetreuungszentren um ein Kinderspielzimmer und einen Spielplatz ohne Betreuung erweitert werden sollen. Die Peinlichkeit wird aber noch übertroffen: In Trägerschaft des BMVg befindet sich bundesweit nur eine einzige Kita. Das bedeutet, dass die Kinderbetreu- ung am jeweiligen Versetzungsort nicht einmal ansatz- weise gewährt werden kann. Ein besonderes Problem ist Sexismus in der Armee. Die an diesem Punkt wenig konkret gestellte Anfrage gibt der Bundesregierung die Gelegenheit, stolz auf ihre Programme zur Umsetzung der UN-Resolution 1325 zur gendersensiblen Konfliktbearbeitung hinzuweisen. Das bundeswehreigene Forschungsinstitut SOWI hat jedoch festgestellt, dass nur 20 Prozent der befragten Frauen den Integrationsprozess für gelungen halten, dass 58 Prozent mit sexistischen Sprüchen und 19 Prozent mit körperlichen sexuellen Übergriffen konfrontiert wur- den. Natürlich kann es uns als Linke nicht primär darum gehen, die Kriegsfähigkeit von Familien zu organisieren. Das BMVg scheint aber ebenso wenig willens, sich mit den Problemen zu befassen, die Familien aus den Aus- landseinsätzen entstehen. Die Zahl von Soldatinnen und Soldaten, die mit einer posttraumatischen Belastungsstö- rung aus dem Einsatz zurückkommen, hat sich zwischen 2003 und 2006 verdreifacht. Diese Probleme gehen über lange Trennungszeiten, Entfremdung und Angst vor Ver- lust hinaus. Davon kann man sich anhand der US-Vete- ranen ein ziemlich genaues Bild machen. Es kann einen nur wundern, dass diese Frage in der Anfrage nicht einmal am Rande auftaucht. Denn mit steigender Verwicklung in Kriegseinsätze steigt natür- lich auch die Gefahr, mit traumatisierenden Situationen konfrontiert zu werden. Während in US-Fachzeitschrif- ten davon ausgegangen wird, dass Kriegsveteranen mit S F k d S l B m d s d h S t l t u d l s D v d k s R s r d a d e F c s w m B f w V s w G D B s Ü h V g r v (C (D tresssyndrom bis zu dreimal so häufig zu Gewalt in der amilie neigen und das Syndrom lebenslang anhalten ann, sieht die Bundesregierung wenig Handlungsbe- arf. Nach ihren Erfahrungen würden Soldatinnen und oldaten durch Belastungsstörungen höchstens monate- ang dienstunfähig. Ein Anstieg der Fälle wird vom MVg nicht erwartet. Bleibt die Regierung bei dieser Haltung, steht den Fa- ilien eine neue Belastungsprobe ins Haus: Neben dem urch die langen Dienstzeiten und unregelmäßige Ver- etzungen entstehenden Druck werden sie in Zukunft mit en menschlichen Folgen der Auslandseinsätze umge- en müssen. Lange Abwesenheit von zu Hause und chwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den All- ag sind die kleinsten Probleme. Schlimmer wird die Be- astung durch die wachsende Wahrscheinlichkeit, mit iefgreifenden psychischen Störungen der Partnerinnen nd Partner konfrontiert zu werden. Alles in allem stellen wir fest: Keine Verbesserung er Vereinbarkeit von Familie und Dienst in Sicht. Petra Heß (FDP): Die FDP sorgt sich um die Fami- ienfreundlichkeit bei der Bundeswehr, die FDP sorgt ich um die bessere Vereinbarkeit von Familie und ienst, und die FDP sorgt sich um die Gleichstellung on Männern und Frauen in der Bundeswehr. Wir tun as auch. Nur wir versäumen es dann nicht, die Auswir- ungen der demografischen Entwicklung, der Globali- ierung und des sich wandelnden Geschlechter- und ollenverständnisses in konkrete Familienpolitik umzu- etzen. Ich frage mich: Wie glaubt die FDP, die sich fortwäh- end für ein Mehr an räumlicher Flexibilität ausspricht, ie gegen jede Form von Quoten wettert und die für das usschließliche Heranziehen des Leistungskriteriums bei er Auswahl eines Bewerbers oder einer Bewerberin intritt, familienpolitisch mitreden zu können? Sieht die DP nicht, dass die Bundeswehr, bedingt durch zahlrei- he Standortwechsel und Umzüge mit der Familie, chon immer in besonderem Maße von dem betroffen ar, was ein Großteil der Bevölkerung erst jetzt im Rah- en der Globalisierung zu spüren bekommt? Hat die undeswehr nicht vielmehr verschiedene familien- reundliche Maßnahmen sogar vorweggenommen, und ar sie in gewisser Weise nicht sogar gesellschaftlicher orreiter? Aber der Reihe nach. Bleiben wir zuerst bei der politi- chen Dimension. Den Mentalitätswandel und die Aus- irkungen der demografischen Entwicklung und der lobalisierung hat die SPD als erste politische Kraft in eutschland überhaupt erkannt und mit der rot-grünen undesregierung in konkrete Familienpolitik umge- etzt. In der – bereits von Max Weber formulierten – berzeugung, dass „der Einfall nicht die Arbeit ersetzt“, at sich die SPD darangemacht, die familienpolitischen ersäumnisse der CDU/CSU-FDP-Regierung zu beseiti- en. Die – zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme be- eits überfälligen – Gesetze zur besseren Vereinbarkeit on Familie und Beruf haben die erste befriedigende fa- 21052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 (A) ) (B) ) milienpolitische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung gegeben. Der Ausbau der Tagesbetreuung und das Recht auf ei- nen Platz für Kinder ab dem vollendeten dritten Lebens- jahr haben Frauen vermehrt in Arbeit gebracht und von der Sorge um den Verbleib und die Förderung ihrer Kin- der befreit. Denn die SPD hat nicht nur die Anzahl der Plätze, sondern auch die Qualität der Betreuung von An- fang an im Auge gehabt. Das Recht auf Teilzeitarbeit, die Errichtung von Telearbeitsplätzen und Eltern-Kind- Arbeitzimmern – allesamt ebenfalls Produkte der rot- grünen Bundesregierung – helfen Frauen zusätzlich, Be- rufstätigkeit und Mutterschaft zu vereinbaren. Die SPD hat damit Maßstäbe gesetzt, die sich im Fol- genden wohltuend auf weitere gesellschaftliche Bereiche und eben auch auf die Bundeswehr ausgewirkt haben. Nicht von ungefähr sind die fortschrittlichen Erlasse der Bundeswehr in die Zeit der rot-grünen Bundesregierung und der Führung des Verteidigungsministeriums durch SPD-Ministergefallen. Aber vergessen wir nicht, was ich eingangs erwähnt habe: Die Bundeswehr hat die Auswir- kungen der Globalisierung durch die ständigen berufsbe- dingten Umzüge in gewisser Hinsicht vorweggenommen und war daher gut aufgestellt. Flankierende familien- freundliche Maßnahmen spielten bei der Bundeswehr schon immer eine wichtige Rolle. Ich muss hier nicht al- les erwähnen, aber ein kurzer Hinweis auf Umzugshil- fen, Hilfen bei der Wohnungssuche etc. sei hier schon gestattet. Aber bei aller Hilfe und Rücksicht muss einmal deut- lich gesagt werden: Natürlich hat die Auftragserfüllung bei der Bundeswehr oberste Priorität. Die Bundeswehr sorgt für den Schutz und die Sicher- heit der Bürgerinnen und Bürger. Sie tut dies durch ihre Präsenz, durch Hilfe bei Katastrophen und durch Aus- landeinsätze. Katastrophenhilfe und Auslandseinsätze sind nur zwei Beispiele, die jedem deutlich vor Augen führen, dass Auftragserfüllung die oberste Pflicht in der Bundes- wehr sein muss. Das bedeutet auch: Die Bundeswehr nimmt ihren Auftrag an, sie nimmt ihn ernst und erfüllt ihn so gut wie nur irgend möglich. Dass heißt aber selbstverständlich nicht, dass die Bundeswehr die Auf- tragserfüllung als willkommenes Feigenblatt benutzen darf, um den angestrebten Verbesserungen für Soldaten und ihre Familien mit dem Hinweis auf die Notwendig- keiten des Dienstes von vornerherein eine Absage zu er- teilen. Die Bundeswehr hat vielmehr unmittelbar nach der Öffnung sämtlicher Laufbahnen für Frauen im Jahr 2001 und im Bewusstsein einer veränderten und sich weiter ändernden Rolle von Männern und Frauen in un- serer Gesellschaft mit einer Reihe von familienfreundli- chen Maßnahmen reagiert. Die Bundeswehr hat damit die Zeichen der Zeit klar erkannt. Zum Selbstverständnis junger Paare gehört heutzu- tage nicht nur, dass beide arbeiten, sondern auch die zu- nehmend paritätisch wahrgenommene Verantwortung in der Kindererziehung und im Haushalt. Väter wollen heute in zunehmendem Maße aktive Väter sein und vor a g a m n t d G d d s s w A r w b t e C s k g z n g z g b o s d d l u t j n n d d f o d k e f b m D a a n b f (C (D llem Zeit mit ihren Kindern oder ihrer Familie verbrin- en. Für diese Väter zählt neben Karriere und Gehalt vor llem die zu erwartende Lebensqualität, die ein Beruf it sich bringt. Berufszufriedenheit definiert sich eben icht mehr ausschließlich über eine anspruchsvolle Tä- igkeit, verbunden mit einem ordentlichen Gehalt, son- ern über kinder- und familienfreundliche Faktoren, wie leitarbeitszeit, Teilzeitarbeit und betriebseigene Kin- erbetreuungsmöglichkeiten. Erfüllt ein Unternehmen iese Voraussetzungen nicht, wird es sich zukünftig nur chwer am Markt behaupten können. Angesichts der demografischen Entwicklung zeichnet ich schon heute am Arbeitsmarkt eine Konkurrenz, enn nicht gar ein Wetteifern um die besten Kräfte ab. ber nicht nur die Zahl der möglichen Bewerber ist zu- ückgegangen und wird weiter zurückgehen, sondern es ird auch zunehmend notwendig und gewollt sein, dass eide Ehepartner arbeiten. Und genau vor diesem Hin- ergrund gewinnt das Kriterium Familienfreundlichkeit ine ganz neue Dimension: Sie wird zur sogenannten onditio sine qua non. Oder salopp ausgedrückt: Ohne ie läuft gar nichts. Hier muss die Bundeswehr in Zu- unft bestehen und sich am Markt behaupten. Daher war es richtig, die Umsetzung des Soldaten- leichstellungsgesetzes zügig anzugehen, Maßnahmen ur besseren Vereinbarung von Familie und Dienst in die eue Zentrale Dienstvorschrift aufzunehmen, Erhebun- en zur Familienfreundlichkeit in Auftrag zu geben, ahlreiche Pilotprojekte zur familienfreundlicheren Aus- estaltung des Dienstes in Auftrag zu geben, die Kinder- etreuung in Eigenregie zu organisieren oder über Ko- perationen mit privaten und öffentlichen Trägern zu ichern und verbesserte Regelung beim Trennungsgeld urchzusetzen. Die familienpolitischen Entscheidungen ieser Bundesregierung haben diese Maßnahmen zusätz- ich flankiert und befördert. So werden die Soldatinnen nd Soldaten mit Sicherheit vom Ausbau der Tagesbe- reuung für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebens- ahr und dem ab 2013 geltenden Rechtsanspruch auf ei- en Betreuungsplatz profitieren. Soweit die guten Nachrichten. Allein, jeder Erlass, jede Teilkonzeption und jede eue Dienstvorschrift sind nicht das Papier wert, auf em sie gedruckt wurden, wenn nicht parallel ein Wan- el in den Köpfen stattfindet. Wie sollen denn familien- ördernde Maßnahmen auf Divisions- auf Bataillons- der Kompanieebene umgesetzt und durchgesetzt wer- en, wenn diese im BMVg scheinbar gänzlich unbe- annt sind? Familie wird nämlich, besonders während iner Tätigkeit im BMVg, nicht etwa als Chance begrif- en, wie folgendes Beispiel verdeutlicht, sondern offen- ar als Bedrohung gesehen: Ein Generalstabsoffizier, der it Familie nach Berlin zog, um im BMVg als Referent ienst zu tun, wurde von seinem Vorgesetzten öffentlich ls „Problemfall“ und als „Belastung“ bezeichnet. Und n anderer Stelle wurde allein der Umstand, dass ebenje- er Soldat nach getaner Arbeit und zehn Stunden am Ar- eitsplatz nach Hause gegangen ist, als Affront aufge- asst. Ich muss Ihnen nicht erklären, dass es hier weniger Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21053 (A) ) (B) ) um Auftragserfüllung als vielmehr um reine, noch dazu häufig unbegründbare Präsenz geht. Dieses Beispiel ist besonders deshalb so problema- tisch, weil nach dem Verständnis der Bundeswehr die Offiziere, besonders die Generalsstabsoffiziere, diejeni- gen sind, die führen. Ihr Verhalten ist damit das Vorbild, dem alle anderen nacheifern sollen. Gelingt es uns nicht, hier einen Mentalitätswandel herbeizuführen, wie dies beispielsweise in den skandinavischen Armeen bereits passiert ist, so wird sich die Bundeswehr zukünftig schwertun, geeignetes Personal zu rekrutieren. Aber nicht nur die Rekrutierung dürfte problematisch werden, auch das Halten des bereits vorhandenen Personals wird zunehmend problematischer werden, wie es sich im Sa- nitätsdienst und in abgeschwächter Form auch bei der Luftwaffe bereits zeigt. Neben der als unzureichend empfundenen Bezahlung wird hier immer häufiger Überlastung und mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Dienst als Grund des Ausscheidens aus der Bundes- wehr genannt. Dies sollte uns ernsthaft zu denken geben. Denn wie sagte bereits der österreichische Schriftstel- ler Adalbert Stifter zu Recht: „Die Familie ist es, die in unseren Zeiten nottut, sie tut mehr Not als Kunst und Wissenschaft, als Verkehr, Handel, Aufschwung, Fort- schritt oder wie alles heißt, was begehrenswert erscheint. Auf der Familie ruht die Kunst, die Wissenschaft, der menschliche Fortschritt, der Staat.“ Familie darf in der Bundeswehr, angefangen im Mi- nisterium, nicht länger als Problem gesehen werden, sie muss vielmehr als Chance begriffen werden. Ich bin überzeugt, dass es weitere Fortschritte in Richtung Fa- milienfreundlichkeit erst geben kann, wenn wir ganz oben ansetzen: Weht erst einmal im Ministerium ein an- derer Wind und erreicht man dort zum Beispiel ab 19 Uhr niemanden mehr, dann wird sich dieser Umstand mittelfristig auch in den Streitkräften selbst bemerkbar machen. Dann wird es auch in zunehmendem Maße möglich sein, dass Frauen in den Offizierslaufbahnen Karriere machen, ohne dass sie dafür auf Kinder ver- zichten müssen. Allein der Umstand, dass fast 75 Pro- zent der weiblichen Offiziere kinderlos sind, aber „nur“ circa 30 Prozent der männlichen Offiziere, muss auch in- nerhalb der Bundeswehr als klarer Indikator für die wei- terhin schwierige Vereinbarkeit von Familie und Dienst besonders für Frauen gewertet werden. Es bleibt also noch viel zu tun. Es wird die Fortschritte in der Familienfreundlichkeit auch nicht ohne Reibungsverluste geben – so wie Thomas Watson gesagt hat: „Jedes Mal, wenn wir einen Fortschritt gemacht haben, dann geschah das, weil je- mand gewillt war, ein Risiko zu übernehmen, seinen Kopf hinzuhalten und etwas Neues auszuprobieren.“ Um alte, verkrustete Strukturen aufzubrechen, braucht man Mut und Rückgrat. Das müssen die in der Verantwortung Stehenden endlich einmal beweisen. Denn nur wenn wir weiter darangehen, die bestehenden Vorschriften, die gut und richtig sind, mit Leben zu füllen, wird sich die Fa- milienfreundlichkeit der Bundeswehr auch in Zukunft als ein Garant für ihren Fortbestand erweisen. D d n d F g A l o m d e A n d g v l w M n d T w g F c d b a w r t m f z d r w t r F t P b m w S t E D w r (C (D Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ie Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die Bun- eswehr von wachsender Bedeutung. Über die allgemeinen gesellschaftlichen Trends hi- aus kommen bei der Bundeswehr verschiedene Beson- erheiten hinzu: Die häufigen Versetzungen haben zur olge, dass inzwischen ein Großteil der Bundeswehran- ehörigen, 80 Prozent, pendelt. Die langen dienstlichen bwesenheiten durch Lehrgänge, Übungen und vor al- em Auslandseinsätze gehen über die Trennung hinaus ft mit besonderen psychischen Belastungen für die Fa- ilien einher. Die Vereinbarkeit von Familie und Dienst in der Bun- eswehr zu fördern, ist ein Gebot der Fürsorgepflicht, in ausschlaggebender Faktor für Dienstmotivation, ttraktivität der Streitkräfte und Nachwuchsgewinnung, icht zuletzt bedeutsam für das Binnenklima der Bun- eswehr, wo es nicht gleichgültig ist, wie weit ihre An- ehörigen noch sozial integriert oder vereinzelt sind. Das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz on 2005 und das Teilkonzept „Vereinbarkeit von Fami- ie und Dienst“ des Generalinspekteurs von 2007 sind ichtige Schritte und zugleich Verpflichtungen. Zentrale aßnahmefelder sind eine familienfreundliche Perso- alführung, Flexibilisierung der Dienstgestaltung, Kin- erbetreuung. Die Zahl der Bundeswehrangehörigen in eilzeitarbeit stieg von 197 in 2006 auf 298 in 2008; je- eils circa vier Fünftel davon sind Frauen. Allerdings musste der Wehrbeauftragte noch bei der estrigen Debatte seines Jahresberichts 2007 kritische ragen zur Realität der Kinderbetreuung stellen. Deutli- he Indizien für Umsetzungsmängel ist die Zahl steigen- er Eingaben beim Wehrbeauftragten in Sachen Verein- arkeit von Familie und Dienst. Kein gutes Zeichen ist uch, dass die Bundesregierung keinen Überblick hat, ie viele Bundeswehrangehörige Alleinerziehende sind. Damit die innerbetrieblichen Arbeitsabläufe, Struktu- en und Arbeitszeitmodelle familienfreundlicher gestal- et werden, muss aber auch die Bundeswehr selbst viel- ehr tun. Es reicht nicht aus, wenn eine amilienorientierte Personalführung oder eine Dienst- eitflexibilisierung auf dem Papier beschworen wer- en, jedoch im militärischen und administrativen Be- eich flexible Lösungen nur unzureichend realisiert erden. Deshalb ist es wichtig, die konkrete Ausgestal- ung und Umsetzung der Teilkonzeption jetzt auch vo- anzubringen. Die Bundeswehr muss sich verstärkt auf amilienfreundlichkeit ausrichten, wenn sie qualifizier- es Personal binden will. Dafür sind neben einer in der raxis auch tatsächlich angekommenen Dienstzeitflexi- ilisierung und einer auch tatsächlich praktizierten fa- ilienfreundlichen Personalführung entsprechende Ver- endungskonzepte und Werdegangsmodelle sowie die chaffung eines tragfähigen Kinderbetreuungskonzep- es für die Bundeswehr notwendig. Hierfür müssen im inzelplan 14 eigene Finanzmittel eingestellt werden. ie Einrichtung erster Eltern-Kind-Arbeitszimmer so- ie die Pilotprojekte zur Kinderbetreuung weisen in die ichtige Richtung. 21054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 (A) ) (B) ) Der Prozess der Integration von Frauen in die Bun- deswehr hatte gut begonnen. Frauen haben sich als Sol- datinnen in der Bundeswehr bewährt. Sie sind hoch mo- tiviert und qualifiziert und stehen ihren männlichen Kameraden in nichts nach. Die Integration von Frauen in die Männerdomäne Bundeswehr verläuft aber weder problemfrei noch reibungslos. Mittlerweile stagniert der Integrationsprozess. Die gesetzlich festgelegte Frauen- quote in den Laufbahnen außerhalb des Sanitätsdienstes von 15 Prozent wird klar unterschritten, und auch im Sanitätsdienst wird die festgelegte Quote von 50 Prozent längst nicht erreicht. Frauen sind zudem in den höheren Dienstgradgruppen und Verwendungen deutlich unterre- präsentiert. Nach Untersuchungen des Sozialwissen- schaftlichen Institutes der Bundeswehr halten nicht ein- mal 20 Prozent der befragten Soldatinnen und Soldaten die Integration für gelungen. Hinzu kommt, dass sich Akzeptanzprobleme in der Truppe künftig in dem Maße noch vergrößern können, in dem Frauen vermehrt in Führungspositionen auftauchen. Defizite zeigen sich immer wieder auch im Führungsver- halten und im Umgangston. Es kommt auch zu sexuellen Übergriffen. Laut Studie des Sozialwissenschaftlichen Institutes berichteten mehr als 58 Prozent der befragten Soldatinnen von sexistischen Bemerkungen, 19 Prozent von unerwünschten körperlichen Berührungen, und 5 Prozent waren Opfer eines sexuellen Übergriffs. Die Integration von Frauen in die Bundeswehr muss aktiver als bisher begleitet werden. Flexible Dienstzeit- gestaltung und verbesserte Kinderbetreuungsmöglich- keiten sind nur ein Schritt. Gleichzeitig muss in der Aus- und Weiterbildung auf allen Führungsebenen endlich ein Gender- und Integrationstraining dauerhaft eingerichtet werden. Anlage 5 Neuabdruck einer zu Protokoll gegebenen Rede zur Beratung des Antrags: Wirksamen Schutz vor Glücksspielsucht gewährleisten (193. Sit- zung, Tagesordnungspunkt 28) Detlef Parr (FDP): Glücksspiel und Glückspielsucht dürfen nicht zusam- men in einen Topf geworfen werden. Nicht jeder Glücks- spieler ist automatisch süchtig. Es gibt viele Menschen, die Freude daran haben, hin und wieder zu spielen. Sie sind weder abhängig noch süchtig. Zu Recht wird in dem Antrag die Inkonsequenz des ak- tuellen Glücksspielstaatsvertrages aufgegriffen. Auf die- sen möchte ich im Folgenden näher eingehen. Der Ver- trag stand von Anfang an auf wackligen Beinen und ist nach wie vor umstritten. Wir alle kennen die wiederholten eindeutigen Stellungnahmen der Europäischen Kommis- sion zu diesem Staatsvertrag. Er widerspricht in wesent- lichen Teilen Europarecht, er ist inkohärent und in der jetzigen Form rechtlich nicht durchsetzbar. Ende Januar hat Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland in Gang gesetzt, da weder die Bundesregie- r m G e U S A z d V 2 d t d n 8 a n w d b r A i s l t p b S d s E e P „ k b B t t F n s i k G F t S d (C (D ung noch die Bundesländer die vielen Vorwürfe ausräu- en konnten. Nach einem Jahr Erfahrungen mit und Streit um den lücksspielstaatsvertrag ist dringend eine Evaluierung rforderlich, damit dessen Wirkung klar ersichtlich wird. ntersucht werden müssen vor allem drei Bereiche: uchtverhalten, Präventionsmaßnahmen und finanzielle uswirkungen auf gesellschaftliche Gemeinwohlbelange. Gerade die finanziellen Auswirkungen sind nicht weg- ureden. Die Umsatzverluste belaufen sich im ersten Jahr es Inkrafttretens nach Aussagen des Präsidenten des erbandes Europäischer Wettunternehmer auf satte Milliarden Euro – ich wiederhole: 2 Milliarden Euro –; as ist kein Pappenstiel. So langsam sickern die Informa- ionen über Konsequenzen des Staatsvertrages auch bei en Betroffenen durch. Eine aktuelle Umfrage des Mei- ungsforschungsinstituts TNS Emnid hat ergeben, dass 5 Prozent aller Befragten mit negativen Auswirkungen uf die Erziehung von Kindern und Jugendlichen rech- en, wenn die staatlichen Förderbeträge im Sportbereich egbrechen. Parlamentarische Initiativen in den Län- ern haben bewiesen, dass es dramatische Umsatzein- rüche im Glücksspiel gibt. Was aber noch schlimmer ist: Der Schwarzmarkt flo- iert. Durch die maßlosen Verbote haben wir es dubiosen nbietern möglich gemacht, bei uns Fuß zu fassen. Und n einem Schwarzmarkt spielen Jugendschutz und Spiel- uchtbekämpfung bekanntlich keine Rolle. Glücksspiel ist ein häufig negativ belegter Begriff. Al- erdings sollte man auch nicht vergessen, dass sich dahin- er ein großer Wirtschaftsfaktor mit zahlreichen Arbeits- lätzen verbirgt. Die Unterhaltungsautomatenwirtschaft eispielsweise sichert circa 65 000 Arbeitsplätze; seit eptember 2008 gibt es spezifische Ausbildungsberufe für iesen Bereich. Und nicht zuletzt verdient auch der Staat am Glücks- piel über die Steuern jede Menge Geld, circa 1 Milliarde uro an Steuern und Sozialabgaben. Spielsucht ist nur in Feigenblatt. Heute hat dies Professor Dr. Bodo ieroth in einem Artikel in der „FAZ“ deutlich gemacht: Deshalb war auch der Begriff der Lottosucht unbe- annt, und über angeblich Lottosüchtige ist noch nichts erichtet worden“. Den Staat hat es bis zum Urteil des undesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 nicht in- eressiert, ob und wie Glücksspiel süchtig macht. Es gilt, eine angemessene Lösung zu finden, einen Mit- elweg zwischen Suchtprävention und unternehmerischer reiheit. Das Schaffen neuer Regelungen oder Verbote ist icht wünschenswert. Sinnvoller ist das parallele Be- chreiten zweier Wege: das Einbeziehen der Betroffenen n den Diskussionsprozess und das frühe, präventive Auf- lären über die Gefahren und das Suchtpotenzial von lücksspielen. Die Aufklärung über die Konsequenzen der möglichen olgen pathologischen Glücksspiels ist wichtig: Neben otalem Kontrollverlust drohen sozialer Absturz und die chuldenfalle. Durch entsprechende Erziehung kann man en jungen Menschen mit auf den Lebensweg geben, wie Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21055 (A) ) (B) ) sie vernünftig mit Abhängigkeitsgefahren umgehen und sich selbst schützen können. Im Übrigen haben wir kein Gesetzes-, sondern ein Vollzugsdefizit. Das Jugendschutzgesetz verbietet unter 18-Jährigen das Spielen an Geldautomaten. Das wird lei- der nicht immer konsequent durchgesetzt und eingehal- ten. Bevor als billige Lösung neue Regelungen oder Ver- bote geschaffen werden, gilt es zunächst dieses Defizit zu beseitigen. Natürlich sind Suchtfälle und pathologisches Glück- spiel eine Erscheinungsform in unserer Gesellschaft, die sich leider nicht verhindern lässt. Wie in anderen Berei- chen gibt es eine Minderheit, die von Suchterscheinungen betroffen ist. Die epidemiologische Datenlage ist jedoch nach wie vor dünn. Die Jahresstatistik der professionel- len Suchtkrankenhilfe gibt für das Jahr 2007 die Zahl von 2,2 Prozent für pathologisches Glücksspiel an. Über die letzten Jahre lag diese konstant bei circa 2 Prozent. Die Dunkelziffer der Betroffenen ist jedoch weit höher, da hier nur Fälle erfasst werden, die bereits eine Beratungsstelle aufgesucht haben. Wer nicht innerhalb des Suchthilfesystems behandelt wird, wird auch nicht erfasst. Um gezielt Prävention zu betreiben und auch Therapieformen anbieten zu können, ist deshalb eine Verbesserung der Datenlage dringend nötig. Sucht ist immer ein dringliches Thema, weil Einzel- schicksale damit verknüpft sind. Schnellschüsse und das Schaffen neuer Regulierungen sind jetzt jedoch nicht sinnvoll. Sonst entstehen inkohärente Vertragsgebilde wie der Glücksspielstaatsvertrag, die nicht weiterhelfen. Gefordert sind auch die Automatenhersteller und Au- tomatenaufsteller. Sie müssen Lösungen anbieten. Viele sind bereits auf dem Weg. Im Zuge der Selbstverpflich- tung wurden zum Beispiel schon Maßnahmen ergriffen, wie das automatische Abschalten der Geldspielgeräte für drei Minuten nach einer Stunde ununterbrochenen Spielens, der Aufdruck von Altersbeschränkungen, die te- lefonische Spielerberatung über eine zentrale Infotele- fonnummer der Bundeszentrale für gesundheitliche Auf- klärung, das Auslegen von Informationsflyern, die über die Risiken des übermäßigen Spielens aufklären. Eine Überprüfung der erst seit Anfang 2006 geltenden verschärften Vorschriften der Spielverordnung belegt, dass die Absichten des Verordnungsgebers von den Un- ternehmen umfassend und konsequent umgesetzt worden sind. Die Neuregelungen der Spielverordnung stellen einen effektiven Spieler- und Jugendschutz sicher und dienen auch der Kriminalitätsverhinderung. Unter diesem As- pekt haben seinerzeit die Landeskriminalämter ausdrück- lich die Novelle zur Spielverordnung unterstützt, um ei- nem unkontrollierten illegalen Spiel Einhalt zu gebieten und das gewerbliche Unterhaltungsautomatenspiel in ei- nen legalen und öffentlich-rechtlich kontrollierbaren Be- reich zu überführen. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einmal betonen: Die Forderung im vorliegenden Antrag, die Spielverordnung neu zu überarbeiten ist nicht sinnvoll. Anfang 2006 wurde diese gerade reformiert unter Betei- l m d g n L G d r b f e A v z A – – – – – – – – g s k b g s (C (D igung aller Betroffenen. Warten wird doch zunächst ein- al die Ergebnisse in Ruhe ab! Eine Neuregelung ist für ie betroffenen Unternehmen Schikane und bedeutet auch erade in Zeiten der Wirtschaftskrise eine große Pla- ungsunsicherheit. Mein abschließender Appell an Sie lautet deshalb: assen Sie uns eine grundlegende Überprüfung des lücksspielstaatsvertrages anstreben. Dieser, der gegen en Willen der Beteiligten entstanden und völlig inkohä- ent ist, muss dringend reformiert werden. Lassen Sie uns esonnen und gemeinsam mit allen Beteiligten eine trag- ähige Lösung zur Bekämpfung der Glücksspielsucht da rarbeiten, wo sie notwendig ist! nlage 6 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 851. Sitzung am 28. No- ember 2008 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen uzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 bs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: Gesetz zur Schaffung einer Nachfolgeregelung und Änderung des Investitionszulagengesetzes 2007 Viertes Gesetz zur Änderung verwaltungsverfah- rensrechtlicher Vorschriften (4. VwVfÄndG) Sechstes Gesetz zur Änderung des Urheberrechts- gesetzes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Über- führung der Anteilsrechte an der Volkswagen- werk Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand Gesetz über das Personal der Bundesagentur für Außenwirtschaft (BfAI-Personalgesetz – BfAIPG) Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen in der Gewerbeordnung Gesetz zu dem Protokoll vom 15. Oktober 2007 zur Änderung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen vom 29. Mai 1996 und des Protokolls hierzu vom 29. Mai 1996 Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- eteilt, dass sie den Antrag Ergebnisse der wissen- chaftlichen Auswertung der Hartz-Gesetze I bis III onsequent umsetzen auf Drucksache 16/547, den Antrag Zukunft der Arbeit gestalten statt Ar- eitslosigkeit verwalten auf Drucksache 16/2792 und den Antrag Individuell fördern und regional estalten – Handlungsfreiheit der Arbeitsgemein- chaften stärken auf Drucksache 16/4612 zurückzieht. 91, 1 0, T 194. Sitzung Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619400000

Nehmen Sie bitte Platz, die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich zur Behandlung der für den
heutigen Vormittag vorgesehenen Tagesordnungspunkte.

Dazu rufe ich zunächst unsere Tagesordnungspunkte
36 a bis 36 e auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Neuausrichtung der arbeits-
marktpolitischen Instrumente

– Drucksachen 16/10810, 16/11196 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(11. Ausschuss)


– Drucksache 16/11233 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Stefan Müller (Erlangen)



(8. Ausschuss)


– Drucksache 16/11237 –

Redet
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel
Carsten Schneider (Erfurt)

Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Arbeitsmarktinstrumente auf
Maßnahmen konzentrieren

– zu dem Antrag der Abgeordneten
Möller, Dr. Barbara Höll, Werner Dr

(C (D ung . Dezember 2008 0 Uhr terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Arbeitslosenversicherung stärken – Ansprüche sichern – Öffentlich geförderte Beschäftigte einbeziehen – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Irmingard ScheweGerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Lokale Entscheidungsspielräume und passgenaue Hilfen für Arbeitsuchende sichern – Drucksachen 16/9093, 16/10511, 16/8524, 16/11233 – Berichterstattung: Abgeordneter Stefan Müller c)

richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Brigitte Pothmer, Markus Kurth, Katrin Göring-
Eckardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rechte von Arbeitsuchenden stärken – Kom-
petentes Fallmanagement sicherstellen

ext
– Drucksachen 16/9599, 16/11142 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Kornelia Möller

d) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Senkung des Beitragssatzes zur
Arbeitsförderung

– Drucksache 16/10806 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(11. Ausschuss)


ksache 16/11241 –

terstattung:
rdneter Stefan Müller (Erlangen)

effiziente

Kornelia
eibus, wei-

– Druc

Berich
Abgeo

20978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
– Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 16/11242 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel
Carsten Schneider (Erfurt)

Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Kornelia Möller, Klaus Ernst, Dr. Barbara Höll,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE

Handlungsfähigkeit der Bundesagentur für
Arbeit erhalten – Auf Senkung der Beitrags-
sätze verzichten

– Drucksachen 16/10618, 16/11241 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Stefan Müller (Erlangen)


Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Sen-
kung des Beitragssatzes zur Arbeitsförderung liegt ein
Entschließungsantrag der FDP-Fraktion vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 75 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Parlamentarischen Staatssekretär Klaus
Brandner.

K
Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1619400100


Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-
nen! Liebe Kollegen! Wir beschließen heute zwei wich-
tige Gesetzentwürfe: den Gesetzentwurf zur Neuausrich-
tung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente und den
Gesetzentwurf zur Senkung des Beitragssatzes zur Ar-
beitsförderung. Beide Gesetzentwürfe sind gerade ange-
sichts der zu erwartenden Folgen der Finanzkrise für die
Entwicklung des Arbeitsmarktes wichtig. Sie werden da-
her genau zum richtigen Zeitpunkt beschlossen. Sie zei-
gen nachdrücklich, dass die Große Koalition handlungs-
fähig ist.

Die internationale Banken- und Finanzkrise fordert in
manchen Bereichen einen grundlegenden Paradigmen-
wechsel. Den Satz „Es wird nie wieder so sein wie vor
der Krise“ haben wir in den letzten Wochen des Öfteren
gehört. Auf dem Arbeitsmarkt brauchen wir einen sol-
chen tiefgreifenden Einschnitt nicht. Durch die Refor-
men, die die vorherige Bundesregierung unter Bundes-
kanzler Gerhard Schröder in die Wege geleitet hat,


(Dirk Niebel [FDP]: Die von euch rückabgewickelt wurden!)


ist der Arbeitsmarkt dynamischer geworden, und die Ar-
beitsvermittlung ist besser und leistungsfähiger gewor-

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(C (D en. Insofern sind wir beim Reformprozess auf einem uten Weg. Deshalb sollten wir selbstsicher an die Heausforderungen der Zukunft herangehen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU])


Dass wir jetzt schon zwei Monate hintereinander eine
rbeitslosenzahl von unter 3 Millionen verzeichnen konn-
n – und das, obwohl sich schon im Sommer das Klima

n der Wirtschaft merklich abgekühlt hatte –, zeigt, dass
nsere Reformen erfolgreich waren. Wir wollen, dass
ich diese Entwicklung fortsetzt. Unser Ziel bleibt: Die
rbeitsvermittlung in unserem Land muss eine der leis-

ungsfähigsten Institutionen sein und bei dem Moderni-
ierungsprozess von Institutionen an der Weltspitze ste-
en. Wir wollen das Versprechen geben und einlösen,
ass in naher Zukunft niemand mehr länger als ein Jahr
ach Arbeit suchen muss. Mit der internationalen Ban-
en- und Finanzkrise ist die Aufgabe – das wissen wir –
ewiss noch größer geworden. Statt mit Pessimismus
xistenzängste in der Bevölkerung zu verbreiten, zeigen
ir, dass wir gut aufgestellt und in der Lage sind, auf
iese Situation zu reagieren.

Genau das tun wir heute mit den beiden zu beschlie-
enden Gesetzentwürfen. Mit der Neuausrichtung der
rbeitsmarktpolitischen Instrumente verbessern wir die
eistungsfähigkeit der Arbeitsförderung angesichts der
erausforderungen einer sich hoffentlich nur vorüberge-
end abschwächenden Konjunktur. Damit mildern wir
ie Folgen für die dadurch von Arbeitslosigkeit betroffe-
en Menschen. In dieser Situation sind wir alle gefor-
ert: der Staat, die Wirtschaft und die Gewerkschaften,
um Beispiel durch Kurzarbeit, durch die Nutzung von
eschäftigungssicherungstarifverträgen, durch Qualifizie-

ungsmaßnahmen, durch Arbeitszeitkonten. Wir müssen
erantwortliches, kreatives und auch mutiges Handeln
eigen, damit die Arbeitslosigkeit in der Krisensituation
icht ansteigt. Wir alle gemeinsam müssen dafür sorgen,
ie Arbeitsplätze der Menschen zu sichern. Das muss die
otschaft des Tages sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit der Senkung des Beitragssatzes zur Arbeitsförde-
ung setzen wir auch ein beschäftigungspolitisches Si-
nal und entlasten damit die Beitragszahler.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


as trägt zur Belebung der Konjunktur bei, weil Unter-
ehmen wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr
eld zur Verfügung haben. Dennoch werden wir die
andlungsspielräume der Arbeitsmarktpolitik nicht ein-

chränken. Im Gegenteil, im kommenden Jahr werden
ür die aktive Arbeitsförderung und auch für die Einglie-
erungsleistungen in der Grundsicherung für Arbeitsu-
hende mehr Mittel zur Verfügung stehen, als wir im
aufenden Jahr voraussichtlich ausgeben werden.

Mit dem Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der ar-
eitsmarktpolitischen Instrumente führen wir die Ar-
eitsmarktreformen konsequent weiter, indem wir den
kteuren vor Ort noch mehr Verantwortung und Gestal-

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Parl. Staatssekretär Klaus Brandner
tungsspielraum geben. Ich habe in letzter Zeit immer
häufiger den Vorwurf gehört, es gebe vor Ort nicht genü-
gend Freiräume für flexibles Handeln. Der Bund bevor-
munde die lokalen Akteure. Mit der Neuausrichtung
der Instrumente würden die letzten Freiräume auf regio-
naler Ebene abgeschafft.


(Dirk Niebel [FDP]: Das stimmt! – Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Das ist mitnichten der Fall, um es deutlich zu sagen.
Im Gesetzgebungsverfahren ist genau an dieser Stelle
eine deutliche Justierung vorgenommen worden. Ich
glaube, auch das Einwirken der Koalitionsfraktionen in
dem gesamten Prozess hat gezeigt, dass gemeinsam an
einem guten Gesetzentwurf gearbeitet worden ist, sodass
Freiräume gegeben sind und genügend finanzielle Mittel
für die Akteure vor Ort zur Verfügung stehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Richtig ist: Der Einsatz der arbeitsmarktpolitischen
Instrumente und die konkrete Verteilung der Mittel erfol-
gen grundsätzlich durch die Entscheidungen in den zu-
ständigen Arbeitsagenturen und bei den Trägern der
Grundsicherung vor Ort. Alle Maßnahmen, die im Rah-
men von SGB II und SGB III erfolgreich und wirksam
sind, werden auch in Zukunft eingesetzt werden können,
und das auf fester gesetzlicher Basis. Zum Teil bekom-
men bisher vielfach erfolgreich erprobte Maßnahmen
wie zum Beispiel die Unterstützung beim Nachholen ei-
nes Hauptschulabschlusses nun eine feste Rechtsgrund-
lage.

Schon mit den Arbeitsmarktreformen haben wir kon-
sequent die Verantwortung der Akteure vor Ort gestärkt.
Wir setzen gezielt auf deren Know-how und Kompetenz.
Jetzt eröffnen wir noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten.
Wir nehmen gesetzliche Regelungen dort zurück, wo
eine passgenaue Unterstützung bei der Eingliederung er-
forderlich ist. Damit erleichtern wir wesentlich die
Handhabung der Instrumente vor Ort. Wir wissen, dass
in den Arbeitsagenturen, den Arbeitsgemeinschaften und
bei den zugelassenen kommunalen Trägern im engen
Kontakt mit den zu Fördernden am besten erkannt wer-
den kann, welche Maßnahmen und welche Abläufe im
Einzelnen zur Integration führen und bei der Integration
helfen können.

Die dafür erforderlichen gesetzlichen Regelungen
müssen so einfach und transparent wie möglich sein.
Das ist ein wichtiges Ziel dieses Gesetzentwurfs. Allein
im „Vermittlungsbudget“ und in den „Maßnahmen zur
Aktivierung und beruflichen Eingliederung“ gehen
17 bisherige Einzelinstrumente und individuelle Förder-
leistungen auf. In Zukunft steht ein Zehntel des gesam-
ten Eingliederungstitels im Bereich des SGB II für freie
und maßgeschneiderte Förderungen zur Verfügung. Wer
da noch von Gängelung spricht, meine Damen und Her-
ren, dem kann ich nun wirklich nicht mehr weiterhelfen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, parallel dazu senken wir
den Beitragssatz zur Arbeitsförderung. Damit setzen
wir einen kräftigen Impuls für die Beitragszahlenden, für

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(C (D ozialversicherungspflichtige Beschäftigung und für den rbeitsmarkt. Das ist möglich, richtig und wichtig. Das ist möglich, eil wir mit unserer Politik mehr Beschäftigung und weiger Arbeitslosigkeit erreicht haben, und das ist richtig nd wichtig, weil wir damit Arbeitnehmer und Arbeitgeer durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge ntlasten. Dieses Ziel unserer Koalition – Senkung der eiträge, ohne die Leistungen einzuschränken – haben ir besonders im Bereich der Arbeitsförderung erfüllt nd erreicht. Ich möchte daran erinnern, dass der Beitragssatz im ahre 2006 noch bei 6,5 Prozent lag. Auch 1998 lag er ei 6,5 Prozent. Er lag fast zwei Jahrzehnte in dieser rößenordnung. Die jetzige spürbare Senkung ist natür ich ein deutliches Signal, dass wir auch in einer schwieigen konjunkturellen Zeit Mittel zur Verfügung stellen, m die Kaufkraft und die Nachfrage, die in der jetzigen eit dringend gebraucht werden, zu stärken. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Schmarrn! Der Krankenversicherungsbeitrag steigt doch!)


Mit Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzentwurfes
enken wir den Beitragssatz zum 1. Januar 2009 lang-
ristig auf 3 Prozent. Gleichzeitig wird die Bundesregie-
ung den Beitragssatz durch Rechtsverordnung vom
. Januar 2009 bis zum 30. Juni 2010, wie Sie wissen,
usätzlich senken, und zwar auf 2,8 Prozent.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: In drei Monaten sprechen wir uns wieder!)


amit entlasten wir die Beitragszahler insgesamt um
und 30 Milliarden Euro.

Mit diesem Konjunkturprogramm in Höhe von
0 Milliarden Euro setzen wir ein deutliches Signal für
ehr Beschäftigung und Stabilität. Die Beschäftigten

önnen sicher sein, dass die Unternehmen, in denen sie
rbeiten, und ihre Arbeitsplätze nicht durch eine kurz-
ristige prozyklische Anhebung des Beitragssatzes ge-
ährdet werden.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


arauf kommt es uns besonders an, nicht darauf, was die
essimisten von der Linken ankündigen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Werner Dreibus [DIE LINKE]: Sie verwechseln Pessimismus mit Realismus! – Frank Spieth [DIE LINKE]: Das ist Symbolpolitik statt Verstand! Das ist das Problem!)


Meine Damen und Herren, die Menschen in unserem
and, diejenigen, die von Arbeitslosigkeit bedroht oder
etroffen sind, aber auch diejenigen, die mit ihren Steu-
rn und Beiträgen Tag für Tag dazu beitragen, dass ar-
eitsuchende Menschen in Beschäftigung kommen, sie
lle können mit Recht von uns erwarten, dass wir gute
ahmenbedingungen für eine erfolgreiche Arbeitsmarkt-
olitik schaffen.

20980 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Parl. Staatssekretär Klaus Brandner
Arbeitsmarktpolitik ist gut, wenn es gelingt, die Ar-
beitsuchenden erfolgreich und schnell zu unterstützen,
wenn es gelingt, die Menschen in den Mittelpunkt zu
stellen, und wenn es gelingt, den Menschen die Chance
zu erhalten, dass sie sich durch Arbeit beweisen können,
dass sie gebraucht werden und dass Arbeit einen Wert
hat. Deshalb sage ich zum Schluss ganz deutlich: Gute
Arbeit in Deutschland ist und bleibt unser zentrales An-
liegen. Daran arbeiten wir, und zwar in möglichst großer
Geschlossenheit.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619400200

Für die FDP-Fraktion erhält nun der Kollege Dirk

Niebel das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1619400300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die Eloquenz des Vortrags des Staatssekretärs
zeigt ziemlich deutlich, wie begeistert man von den vor-
liegenden Gesetzentwürfen ist.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt warten wir erst einmal auf Ihre Eloquenz!)


Zumindest was die Arbeitsmarktinstrumente betrifft, ist
es auch richtig,


(Andrea Nahles [SPD]: Sagten Sie gerade „richtig“? Na also, es geht doch!)


dass der Staatssekretär mit gedämpftem Schaum gespro-
chen hat.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Krawatte sitzt schief!)


Was die Beitragssenkung angeht, muss ich sagen: Sie ist
nötig. Die erste Beitragssenkung dieser Bundesregierung
ist übrigens – das wollen wir nicht vergessen – durch die
Mehrwertsteuererhöhung finanziert worden. Das war die
Merkel-Steuer, Herr Staatssekretär, die Sie wahrschein-
lich gerne vergessen möchten.


(Beifall bei der FDP)


Die Beitragssenkung ist deshalb notwendig und rich-
tig, weil seit Monaten immer wieder erzählt wird, die
Bundesagentur für Arbeit würde Überschüsse erwirt-
schaften. Die Bundesagentur kann alles Mögliche, aber
eines kann sie mit Sicherheit nicht: irgendetwas erwirt-
schaften. Das gesamte Geld, das sie eingesammelt hat
und das als Rücklage bezeichnet wird, ist den Arbeitneh-
mern und den Arbeitgebern vorher zu viel weggenom-
men worden.


(Beifall bei der FDP)


Es muss natürlich zurückgegeben werden, und zwar ge-
rade jetzt. Aus diesem Grunde unterstützen wir die Bei-
tragssenkung ausdrücklich.

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(C (D (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Aha! Das ist ja mal etwas Neues! Sonst haben Sie das immer abgelehnt!)


Wir würden uns wünschen, dass Sie die Beiträge auch
n anderen Bereichen deutlich senken. Wenn jetzt so ge-
an wird, als sei das eine Entlastung der Bürgerinnen und
ürger, wird immer wieder gerne vergessen, dass die
flegeversicherungsbeiträge gestiegen sind,


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr richtig!)


ass die Krankenversicherungsbeiträge gestiegen sind
nd dass auch die Rentenversicherungsbeiträge gestie-
en sind, seit Sie die Regierungsverantwortung tragen.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: So ist es!)


Den Beitragssatz zur Rentenversicherung könnte
an um 0,3 Prozentpunkte senken, ohne die Nachhaltig-

eitsrücklage antasten zu müssen.


(Beifall bei der FDP)


adurch könnte man eine echte Entlastung der Arbeit-
ehmer und der Arbeitgeber organisieren. Das wäre auch
innvoll. Denn die Wissenschaft geht davon aus, dass ein
eitragspunkt ungefähr 100 000 Arbeitsplätze bringt bzw.
ass ein Beitragspunkt zu viel 100 000 Arbeitsplätze
erhindert.

Die Bundesagentur geht davon aus, dass im nächsten
ahr aufgrund des konjunkturellen Abschwungs mit durch-
chnittlich 30 000 zusätzlichen Arbeitslosen gerechnet
erden muss. Wir brauchen eigentlich nur eine einfache
echnung nach Adam Riese aufzumachen: 0,3 Beitrags-

atzpunkte weniger in der Rentenversicherung machen
0 000 Arbeitslose weniger, und das ergibt ein durch-
chnittliches Arbeitslosenaufkommen, das ungefähr dem
etzigen entspricht, und das trotz einer Phase wirtschaft-
ichen Abschwungs. Daran trauen Sie sich überhaupt
icht.


(Beifall bei der FDP)


Wir als FDP wollen ausdrücklich die Entlastung der
eitragszahlerinnen und Beitragszahler. Nun werden
ier die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ent-
astet – nur sie; demgegenüber werden bei der Erhöhung
es Beitragssatzes zur Krankenversicherung alle belas-
et –, aber dazu müssen wir deutlich sagen: So wie Sie
as hier vorsehen, können wir dem, obwohl wir die Bei-
ragssenkung wollen und sie auch richtig und notwendig
st, schlichtweg nicht zustimmen; denn Sie machen wie-
er genau das, was Sie schon die ganze Zeit machen: Sie
erlagern Belastungen, die eigentlich gesamtgesell-
chaftlich, also aus dem Bundeshaushalt, getragen wer-
en müssen, auf die Kasse der Versicherten.

Es sind Belastungen in zwei Bereichen, die Sie mal
ben so en passant mit Änderungsanträgen festschrei-
en, die Sie im Ausschuss für Arbeit und Soziales nach-
eschoben haben.


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Richtig!)


ie Beitragszahler sollen jetzt für die Versicherungs-
flichtigen bezahlen, die erziehen. Das hat bisher der
und gemacht. Das ist eine Mehrbelastung von 290 Mil-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20981


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Dirk Niebel
lionen Euro Jahr für Jahr für die Arbeitnehmer und Ar-
beitgeber. Was Sie aus der Mehrwertsteuererhöhung dem
Beitragstopf bisher monatlich zuführen – daraus wollen
Sie angeblich arbeitsmarktpolitische Leistungen finan-
zieren –, wollen Sie jetzt nur noch jährlich im Nach-
hinein zuführen, damit der Bundesfinanzminister 170 Mil-
lionen Euro an zusätzlichen Zinseinnahmen hat, die
eigentlich den Beitragszahlern gehören würden.

Das sind die Gründe dafür, dass wir uns bei diesem
Gesetz, obwohl wir für die Entlastung bei der Arbeitslo-
senversicherung sind, leider nur enthalten können. Wie-
der einmal organisieren Sie hier den Verschiebebahnhof
„Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben zulas-
ten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern“.


(Beifall bei der FDP)


Was den Bereich der arbeitsmarktpolitischen In-
strumente betrifft, möchte ich noch einmal daran erin-
nern, dass Sie schon in Ihrem Koalitionsvertrag, der sin-
nigerweise am 11. 11. 2005 unterschrieben worden ist,
gesagt haben, dass spätestens bis Ende 2007 die arbeits-
marktpolitischen Instrumente neu sortiert werden sollen.
Mit dem, was Sie jetzt vorlegen, erreichen Sie nicht nur
nach unserer Meinung dieses Ziel nicht – Sie wollten
mehr Transparenz und mehr Effizienz schaffen –; auch
der Bundesrat, in dem die FDP immer noch keine Mehr-
heit hat,


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Aber es wird langsam bedrohlich! – Thomas Oppermann [SPD]: Aber Sie sind auf dem Weg dahin!)


sagt ausdrücklich, dass mit diesem Gesetz das Ziel, das
sich die Bundesregierung vorgenommen hat, nicht er-
reicht wird.

Wir bräuchten arbeitsmarktpolitische Instrumente, die
den Kriterien der Effizienz und der Zielgruppenorientie-
rung gerecht werden. Stattdessen schlagen Sie Maßnah-
men vor, die wieder zentralisieren und die Nürnberger
Anstalt in den Mittelpunkt stellen, statt die Möglichkei-
ten der freien Kräfte vor Ort und der flexiblen Instru-
mente vor Ort wirklich nachhaltig zu fördern. Die Ent-
scheidungskompetenz vor Ort ist genau das, was wir in
einer Situation brauchen, in der es wirtschaftlich schwie-
riger wird. Gerade vor Ort kann man entscheiden, ob
eine Maßnahme der Qualifizierung und Bildung oder
eine assistierte Vermittlung notwendig ist. Das kann in
Rostock ganz anders sein als in Passau. Deswegen brau-
chen wir diese flexiblen Instrumente mit möglichst viel
Entscheidungskompetenz für die Arbeitsvermittlerinnen
und Arbeitsvermittler.


(Beifall bei der FDP)


Die Bundeskanzlerin hat einen Bildungsgipfel veran-
staltet, der über Maulwurfshügelniveau nicht hinaus-
gekommen ist. Aber in dem Bereich, der ihre bundes-
politische Kompetenz ist, nämlich in der beruflichen
Bildung und Weiterbildung, hat sie überhaupt keine Ak-
zente gesetzt. Auch in der Zusammenfassung neuer ar-
beitsmarktpolitischer Instrumente ist eine Akzentsetzung
nicht erkennbar. Der Bereich, für den Sie Kompetenzen
haben, wird kläglich vernachlässigt, und in anderen Be-

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(C (D eichen tummeln Sie sich medienöffentlich, ohne im Erebnis etwas zu erreichen. Der Rechtsanspruch auf Nachholung des Hauptschulbschlusses, finanziert aus Mitteln der Beitragszahlerinen und Beitragszahler, ist mit Sicherheit das am weigsten geeignete Instrument, um Langzeitarbeitslose hne Schulabschluss wieder in Beschäftigung zu brinen. in Hauptschulabschluss kann bei jungen Leuten ein ittel sein, kann helfen, aber noch niemand hat mir er lären können, warum der 47-jährige ungelernte Areitslose mit dem Hauptschulabschluss bessere Vermittungsmöglichkeiten haben soll. Und das sollen dann die eitragszahler zahlen, obwohl das Schulsystem, also die esamtgesellschaft, versagt hat! (Andrea Nahles [SPD]: Dass Sie sich für solche Sätze nicht schämen! Unglaublich! – Katja Mast [SPD]: Nur weil Sie nichts lernen, müssen andere Leute auch nichts mehr lernen! – Andrea Nahles [SPD]: Sie lernen nichts mehr dazu! Das halten wir mal fest! Dafür wollen wir doch keine Beitragsmittel ausgeben!)


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Richtig!)


Der Bundesarbeitsminister ist angetreten – ich
omme zum Schluss, Herr Präsident – mit dem An-
pruch, die Bundesagentur für Arbeit zur weltbesten
ermittlung zu machen. Sie sind mittlerweile nicht auf
em Weg zur weltbesten Arbeitslosenverwaltung, son-
ern auf dem Weg zur weltgrößten Arbeitslosenverwal-
ung. Wenn wir heute, bei unter 3 Millionen Arbeits-
osen, über 100 000 Beschäftigte bei der Bundesagentur
ählen, während es 2003, bei noch 5 Millionen Arbeits-
osen, 87 000 Beschäftigte waren, dann zeigt das: Sie
ind auf dem falschen Weg. Sie gehen in die falsche
ichtung. Sie verschwenden das Geld der Beitragszahle-

innen und Beitragszahler. Dafür können wir unsere
and nicht reichen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619400400

Dr. Ralf Brauksiepe ist der nächste Redner für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1619400500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Kollege Niebel, Sie haben von der Eloquenz des
taatssekretärs gesprochen. Ich gebe gleich zu: Wir alle
önnen mit Ihrer Eloquenz nicht mithalten.


(Dirk Niebel [FDP]: Das habe ich schon immer gewusst!)


a sind Sie besser. Aber dafür reden wir zur Sache und
u den Menschen. Das ist der Unterschied zu dem, was
ie vorgetragen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


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Dr. Ralf Brauksiepe
Zur Sache gehört, dass die Regierung Merkel die Bei-
tragssatzsenkungsregierung ist, was die Arbeitslosenver-
sicherung angeht. Darauf hat Staatssekretär Brandner
völlig zu Recht hingewiesen. Gegenüber 2006 haben wir
den Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 3,7 Prozent-
punkte gesenkt. Das entspricht einer Entlastung von
30 Milliarden Euro für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Das ist das Ergebnis unserer Arbeit in der Großen Koali-
tion. 265 Euro Entlastung für einen Arbeitnehmer bei ei-
nem Jahresbruttoeinkommen von 30 000 Euro: Das ist
die stolze Bilanz der Entlastung der Menschen, die diese
Große Koalition vorlegen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie haben an eine Tradition angeknüpft, die Sie schon
in der ganzen Legislaturperiode in diesem Hause ver-
folgt haben. Sie haben noch keiner einzigen Beitrags-
satzsenkung in der Arbeitslosenversicherung zuge-
stimmt,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr seid zu zaghaft und zögerlich!)


obwohl es schon drei Versuche gab. Spätestens nach
dem dritten Versuch ist man üblicherweise durchgefal-
len. Sie sind also mit Ihrer Politik der Verhinderung von
Beitragssatzsenkungen durchgefallen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das Haushaltsrecht ist das Königsrecht des Parla-
ments, Herr Kollege Niebel.


(Zuruf von der FDP: Richtig!)


Wir haben in der letzten Woche einen Bundeshaushalt
beschlossen, der für die Erstattung von Beiträgen für Er-
ziehende durch den Bund an die Bundesagentur für Ar-
beit keine Mittel mehr vorsieht. Das kann man so oder so
sehen. Jeder Bundeshaushalt ist immer auch ein Kom-
promiss, den man schließen muss. Aber wenn keine Mit-
tel mehr vorgesehen sind, dann ist es auch nicht möglich,
einen entsprechenden Rechtsanspruch aufrechtzuerhal-
ten. Von daher vollziehen wir in dieser Woche rechts-
technisch das nach, was der Bundestag als Haushaltsge-
setzgeber in der letzten Woche beschlossen hat.

Das taugt ziemlich wenig, um zu begründen, dass Sie
einer Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge
nicht zustimmen wollen. Es ist eine sehr schwache Be-
gründung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben von daher als Große Koalition auch diese
Senkung wieder alleine durchführen müssen. Wir haben
mit dieser Politik der Entlastung der Beitragszahler in
den vergangenen Jahren große Erfolge erzielt. Das kön-
nen wir auch jetzt tun, weil wir nach wie vor die beste
Lage auf dem Arbeitsmarkt seit 16 Jahren haben. Allen
Unkenrufen und all denjenigen zum Trotz, die im Okto-
ber darauf hingewiesen haben, dass wir erstmals und
letztmals eine Situation mit weniger als 3 Millionen Ar-
beitslosen haben würden, kann man feststellen: Diese
positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hält auch

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(C (D ktuell an. Angesichts dieser positiven Entwicklung sind ir bereit und in der Lage, die Beiträge weiter zu senen. Wir wissen, dass die BA keine Sparkasse ist. Jetzt ist enau der richtige Zeitpunkt, um die Auswirkungen der inanzmarktkrise auf den Arbeitsmarkt gering zu halten, m auch hier zu einer weiteren Entlastung der Menschen u kommen. Deswegen gehen wir diesen Weg. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben weitere Rekordzahlen auf dem Arbeits-
arkt, die uns darin bestärken, diesen Weg zu gehen.
ir haben nicht nur die niedrigste Zahl an Arbeitslosen

eit 16 Jahren, sondern wir haben auch mit 28 Millionen
ozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die in die so-
ialen Sicherungssysteme einzahlen, und mit 41 Mil-
ionen Erwerbstätigen die höchsten Beschäftigtenzahlen
eit langer Zeit.

Auf diese Rekordzahlen können wir gemeinsam stolz
ein, und wir sind auch stolz darauf, dass wir die paritä-
isch finanzierten Beiträge zu den Sozialversicherungen
uf 39,25 Prozent und die Beiträge der Arbeitgeber auf
eutlich unter 20 Prozent gesenkt haben. Das war unser
iel, das auch erreicht wurde. Darauf sind wir stolz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war nicht euer Ziel!)


Wir wissen, dass die Bundesagentur für Arbeit
eine Sparkasse ist. Deswegen sind wir ganz klar der
uffassung, dass man jetzt auch eine Situation akzeptie-

en kann, in der die BA möglicherweise auf die Reser-
en zurückgreifen muss. Ich rate aber auch dabei zur
orsicht. Im letzten Jahr hatten wir eine um 11 Mil-

iarden Euro bessere Situation bei der Bundesagentur für
rbeit als erwartet. Wir werden auch in diesem Jahr bei
er Bundesagentur für Arbeit um rund 3,5 Milliarden
uro besser dastehen als geplant. Von daher kann man

eststellen, dass unsere Entlastungen, die wir den Bürge-
innen und Bürgern ermöglichen, gut durchkalkuliert
nd solide finanziert sind. Deswegen beschreiten wir
iesen Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will noch auf den Gesetzentwurf zur Neuausrich-
ung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente eingehen.
s war uns als CDU/CSU wichtig, dass im Koalitions-
ertrag vereinbart worden ist, zu einer deutlichen Redu-
ierung der Zahl der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
u kommen. Wir haben gesagt: Was sich als wirksam er-
iesen hat, wird fortgeführt; was nicht gebraucht wor-
en ist oder sich als unwirksam erwiesen hat, das wird
estrichen. Das ist genau der Weg, den wir gegangen
ind, wodurch wir zu einer deutlichen Reduzierung der
ahl der Instrumente gekommen sind.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben nicht ein-
ach irgendetwas weggestrichen, sondern wir haben vor
llem für mehr Flexibilität vor Ort gesorgt. Wir haben
it der Einführung des Vermittlungsbudgets dafür ge-

orgt, dass die Vermittler nicht mehr kleinkariert nach

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20983


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Dr. Ralf Brauksiepe
jeder Einzelheit gucken müssen, sondern dass sie wirk-
lich Flexibilität haben, um vor Ort zu entscheiden, was
ein Arbeitsloser braucht, der erst kurze Zeit arbeitslos
ist, und vor allem, welche möglicherweise unkonventio-
nellen Wege gegangen werden müssen, um Menschen,
bei denen das normale Instrumentarium der Arbeitsför-
derung über 12 oder 18 Monate nichts genutzt hat, in Ar-
beit zu bringen. Das haben wir getan. Wir haben das
klare Signal gesetzt: Es gibt mehr Handlungsfreiheit und
mehr Flexibilität vor Ort, um mehr konkrete und passge-
naue Hilfe für die Menschen zu ermöglichen. Das ist ein
großer arbeitsmarktpolitischer Fortschritt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben den Gesetzentwurf mit den Änderungsan-
trägen, die wir als Koalitionsfraktionen eingebracht ha-
ben, erheblich verbessert. Diese sind auf unseren Vor-
schlag hin vorgestern im Ausschuss für Arbeit und
Soziales beschlossen worden. Ich möchte mich auch bei
den Kolleginnen und Kollegen der SPD herzlich dafür
bedanken, dass wir dies mit Pragmatismus und Augen-
maß gemeinsam tun konnten.

Wir haben uns darauf verständigt, dass über die Flexi-
bilisierung hinaus, die durch das Vermittlungsbudget
entstanden ist, auch die Freie Förderung im Bereich des
Sozialgesetzbuchs III – also für diejenigen, die erst
kurze Zeit arbeitslos sind – in Höhe von 10 Prozent er-
halten bleibt. Wir haben die im Gesetzentwurf der Bun-
desregierung vorgesehenen Mittel für die Freie Förde-
rung von Langzeitarbeitslosen von 2 Prozent auf 10 Pro-
zent verfünffacht. Darüber hinaus haben wir jede Menge
zusätzliche Flexibilisierungsmöglichkeiten eingebaut.
Von daher sind jetzt ziel- und passgenaue Möglichkeiten
vorhanden, um Menschen wieder in Arbeit zu bringen.
Das ist unser Ziel gewesen.

Ich will gleichzeitig sagen, obwohl es selbstverständ-
lich ist, dass dies kein Gesetz zur Aufhebung der Gewal-
tenteilung in Deutschland ist. Das klingt selbstverständ-
licher, als es manchmal zu sein scheint, wenn man
Debatten führt. Die Kollegin Pothmer wird gleich noch
sprechen. Wir haben schon manche Runde gemeinsam
mit Landräten und Arge-Geschäftsführern gehabt, in der
ich von der Kollegin aufgefordert worden bin, dafür zu
sorgen, dass das Arbeitsministerium nicht mehr so böse
Briefe an Landräte und Arge-Geschäftsführer schreibt.
Es wird natürlich auch weiterhin so sein, dass die Abge-
ordneten ihre Briefe nicht auf Bögen des Ministeriums
schreiben. Daran wird sich nichts ändern. Die Kollegin
Pothmer weiß das auch; sie sagte nämlich dann auf den
Hinweis: Herr Brauksiepe, Sie haben ja recht. Aber ich
habe doch so viel Beifall bekommen; da musste ich das
doch einfach einmal fordern.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selber nicht! – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber den meisten Beifall habe ich immer von Ihnen aus der Fraktion bekommen!)


So machen wir nicht Politik, meine Damen und Her-
ren. Ich will nur klar sagen: Die Briefe des Ministeriums

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(C (D n die Geschäftsführer der Argen und an die Landräte erden weiterhin im Ministerium geschrieben werden. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss Sie ja sehr verletzt haben!)


ber auf den Gesetzgeber kann sich niemand berufen,
er im Geiste des Misstrauens und der Nichtkooperation
gieren will. Dies ist ein Gesetzentwurf, der auf Ver-
rauen, Kooperation und gleiche Augenhöhe setzt. Das
st der klare Rahmen, den wir als Gesetzgeber heute
chaffen.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619400600

Werner Dreibus ist der nächste Redner für die Frak-

ion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Werner Dreibus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619400700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
ir sind mitten in einer schweren Wirtschaftskrise. Je-

es vierte Unternehmen denkt über Entlassungen nach.
ie OECD befürchtet, dass es Ende nächsten Jahres be-

eits 700 000 Arbeitslose mehr sein könnten. Immer
ehr Kurzarbeit und deutlich mehr Arbeitslose werden
ag für Tag – das gilt im wörtlichen Sinne – zur bitteren
ealität. Schon allein deshalb sind die heute von der
roßen Koalition vorgelegten Gesetzentwürfe absolut
aneben.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie nur einen Funken Mut und Verantwortung
ätten, dann hätten Sie angesichts der aktuellen Lage mit
hrer Mehrheit beide Gesetzentwürfe von der heutigen
agesordnung abgesetzt.


(Beifall bei der LINKEN)


Schauen wir uns die Ausgangslage am Arbeitsmarkt
och einmal genauer an! Es gibt offiziell knapp
Millionen Arbeitslose. Hinzukommen mehr als
Million Menschen, die nur deshalb nicht als arbeitslos

elten, weil sie in Maßnahmen der Arbeitsförderung
ind, sowie mindestens 600 000 Menschen in der stillen
eserve. Das sind die Zahlen am Ende des Auf-

chwungs. Ich denke, das ist genau das Gegenteil einer
rfolgreichen Arbeitsmarktpolitik.


(Beifall bei der LINKEN)


Weiter: Zwischen 2003 und 2007 wurden fast 1 Mil-
ion Vollzeitarbeitsplätze abgebaut. Dafür boomen pre-
äre Beschäftigungsverhältnisse wie Leiharbeit, Mini-
nd Midijobs oder Befristungen. Die Beschäftigten sind
enau diejenigen, die nun als Allererste ihre Arbeits-
lätze verlieren. Das passiert bereits täglich. Hinzu
ommt: Millionen Menschen arbeiten zu Niedriglöhnen.
elch eine katastrophale Bilanz, und das am Ende einer
ufschwungperiode, bevor die Krise auf dem Arbeits-
arkt überhaupt angekommen ist!

20984 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Werner Dreibus
Was wir jetzt dringender denn je brauchen, ist mehr
und bessere Arbeitsmarktpolitik. Deshalb ist das Aller-
letzte, was man in einer solchen Situation machen kann,
eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversiche-
rung.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Bundesagentur für Arbeit muss doch in der Lage
sein, eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, und
zwar angesichts der steigenden Arbeitslosenzahlen mehr
denn je.


(Thomas Oppermann [SPD]: Das kann sie doch! Wo leben Sie eigentlich? Wissen Sie nicht, welche Rücklagen sie hat?)


Dafür braucht sie eine angemessene finanzielle Ausstat-
tung und nicht reduzierte Einnahmen.

Die Bundesagentur für Arbeit selbst rechnet bei einer
Senkung des Beitragssatzes auf 2,8 Prozent für 2009
mit einem Defizit von fast 6 Milliarden Euro, vorausge-
setzt, die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt stagniert.
Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, hat
es im Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgerechnet:
Sollte es im nächsten Jahr durchschnittlich nur
130 000 Arbeitslose mehr geben, dann müsste die BA
allein im Jahr 2009 mit 700 Millionen Euro Mehrausga-
ben rechnen, und das bei nur 130 000 Arbeitslosen mehr,
eine Zahl, die wahrscheinlich weit untertrieben ist und
die weit weg von der zu befürchtenden Realität ist. Um
es deutlich zu sagen: Wenn Sie in der aktuellen Lage auf
Beitragssatzsenkungen bestehen – teilweise wider besse-
res Wissen, wie ich aufgrund dessen, was ich aus der
Koalition höre, vermute –, dann fahren Sie die BA und
damit auch die Wirksamkeit und die Legitimation der
Arbeitslosenversicherung insgesamt an die Wand.


(Andrea Nahles [SPD]: Haben Sie nicht zugehört, dass der Herr Weise im Ausschuss das Gegenteil gesagt hat? Sie waren bei der entscheidenden Sitzung nicht dabei! Halten wir das mal fest!)


Auch mit dem Gesetzentwurf zur Neuausrichtung der
arbeitsmarktpolitischen Instrumente werden Sie das
Steuer in der Arbeitsmarktpolitik nicht herumreißen.
Sie setzen damit – im Grunde ist das in der Rede des
Staatssekretärs deutlich geworden – die Linie der
Agenda 2010 und der Hartz-Reformen konsequent fort,
konsequent in die falsche Richtung. Der repressive Cha-
rakter der Arbeitsmarktpolitik wird weiter verschärft.
Arbeitslose werden weiter entrechtet. Die Daumen-
schraube der Sanktionen wird noch fester angezogen.
Die Zumutbarkeitskriterien werden weiter verschlech-
tert.

Die Bundesregierung strafft und flexibilisiert den
Instrumentenkasten. Sie gehen dabei allerdings fast
ausschließlich von quantitativen Aspekten aus. „Sparen
vor Verbessern“ heißt offensichtlich Ihr Motto.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: So ist es! – Wolfgang Grotthaus [SPD]: So ein dummes Zeug! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/ CSU]: Quatsch!)


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(C (D ie für eine sinnvolle Arbeitsmarktpolitik zentralen Fraen, ob und unter welchen Bedingungen Instrumente icht nur eine schnelle, sondern tatsächlich auch eine achhaltige Eingliederung in den Arbeitsmarkt ermöglihen, spielen in qualitativer Hinsicht offensichtlich eine Rolle. Deshalb werden Instrumente wie beschäftiungsbegleitende Eingliederungshilfen oder die Weiterildung durch Vertretung ersatzlos gestrichen, während -Euro-Jobs nicht abgeschafft werden, obwohl alle Unersuchungen die Nichtwirksamkeit der 1-Euro-Jobs hinichtlich einer nachhaltigen Arbeitsmarktpolitik längst elegt haben. Die Bundesregierung setzt weiterhin vor allem auf urzfristige Qualifizierung, statt die berufliche Weiterildung insgesamt wirklich zu stärken. inzu kommt: Wer erst einmal in Hartz IV drin ist, ommt nicht mehr heraus; denn ALG-II-Beziehende haen weiterhin nicht zu allen arbeitsmarktpolitischen Intrumenten Zugang. Jetzt wird auch noch die Möglicheit der Förderung durch ABM für ALG-II-Beziehende bgeschafft. Eine aktive Arbeitsmarktpolitik, die alle Areitslosen gleichermaßen gut fördert, sieht anders aus. Stolz ist die Koalition darauf, dass der Handlungspielraum der Arbeitsvermittler und Fallmanager vor rt erhöht wird. raglich bleibt nur, Herr Brauksiepe, ob und wie der einelne Erwerbslose davon profitiert; das ist der Maßstab. enn Erwerbslose haben nur auf äußerst wenige Förderaßnahmen einen Rechtsanspruch, auch nach Inkrafttre en Ihres Gesetzes. (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sie wissen doch, dass das nicht stimmt!)


(Andrea Nahles [SPD]: Hallo?!)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Genau!)


(Beifall bei der LINKEN)


Für die Vermittler bedeutet mehr Handlungsspielraum
unächst mehr Flexibilität. Das ist gut. Es bedeutet aber
uch mehr Verantwortung für den Vermittler,


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das gestehen wir ihm auch zu!)


nd es wird, Herr Brauksiepe, für den Vermittler mehr
pardruck von oben bedeuten. Das ist angesichts kom-
ender Defizite – Sie senken ja gleichzeitig die Bei-

ragssätze – doch vollkommen absehbar.


(Katja Mast [SPD]: Das Budget für aktive Arbeitsmarktpolitik bleibt gleich!)


as Gesetz macht insofern das Tor für weitere Einspa-
ungen und weiteren Druck auf Arbeitslose weit auf. Die
öcher im sozialen Netz werden immer größer.

Arbeitsmarktpolitik muss eine ausreichende soziale
bsicherung bieten und die nachhaltige Integration in
ute Arbeit tatsächlich fördern, nicht nur in Sonntags-
eden, Herr Staatssekretär, sondern in der Praxis.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20985


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Werner Dreibus

(Beifall bei der LINKEN)


Verstärkt gefördert werden müssen gerade in der Krise
Langzeitarbeitslose, Geringqualifizierte und andere be-
sonders Benachteiligte. Wir, die Linke, fordern deshalb
ein sofortiges Umsteuern in der Arbeitsmarktpolitik.
Dazu gehören – ich will sie nur stichwortartig nennen –
mindestens die folgenden Punkte: Wir brauchen eine
Verlängerung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I.
Wir brauchen eine sofortige Anhebung der Hartz-IV-Re-
gelsätze auf mindestens 435 Euro, verbunden mit der
Einführung eines bedarfsdeckenden Satzes für Kinder –
und das alles nur als ersten Schritt zur tatsächlichen
Überwindung von Hartz IV. Wir brauchen die Einfüh-
rung eines individuellen Rechtsanspruchs auf Teilhabe an
den Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung für alle
Erwerbslosen. Wir brauchen die Abschaffung der 1-Euro-
Jobs zugunsten von öffentlich geförderten Beschäfti-
gungsverhältnissen, die nach Tarif bezahlt werden. So
würden endlich wieder brachliegende Aufgaben ange-
gangen und Langzeitarbeitslosigkeit effektiv bekämpft.
Ganz wichtig ist: Arbeit und arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen müssen existenzsichernd und voll sozial-
versicherungspflichtig sein,


(Beifall bei der LINKEN)


der individuellen Qualifikation entsprechen, sie dürfen
keine extremen Anforderungen an Flexibilität und Mobi-
lität stellen, und sie müssen die politische und religiöse
Gewissensfreiheit berücksichtigen. Das sind Mindestan-
forderungen aus der Sicht der Linken. Notwendig sind
darüber hinaus wirksame Maßnahmen gegen den wach-
senden Niedriglohnsektor und gegen die Zunahme
prekärer Beschäftigungsverhältnisse, um gute Arbeit tat-
sächlich zu stärken. Dazu gehört als wichtigste Maß-
nahme endlich die Einführung eines gesetzlichen Min-
destlohns von mindestens 8,71 Euro wie in Frankreich.


(Beifall bei der LINKEN – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie in Berlin!)


Zusammengefasst: Wer ausgerechnet in der Krise die
Beiträge kürzt und damit notwendige und sinnvolle Ar-
beitsmarktpolitik weiter demontiert, ist entweder zy-
nisch oder betätigt sich als Geisterfahrer. Jedenfalls ist er
weder christlich noch sozial.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine solche Politik haben die Menschen, die jetzt Angst
um ihren Arbeitsplatz haben, und die Arbeitslosen wirk-
lich nicht verdient.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619400800

Das Wort erhält die Kollegin Brigitte Pothmer,

Bündnis 90/Die Grünen.


(Dirk Niebel [FDP]: Wo ist denn Ihr Regenschirm, Frau Pothmer?)



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(C (D Den hätte ich eingesammelt, und das hat sich wohl orher herumgesprochen. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will arauf verzichten, den gesamten Kanon der arbeitsarktpolitischen Debatten, die wir hier immer wieder ühren, zum Thema zu machen, sondern ich will mich uf die hier zur Beratung stehenden Gesetzentwürfe konentrieren; denn ich meine, dass sie wichtig sind und ass sie es verdient hätten, dass wir uns in der Debatte uf sie konzentrieren. Die Anhörung zur Neuordnung der arbeitsmarktpoliischen Instrumente war – das wissen alle, die dabei waen – ein echtes Desaster für diese Regierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ach, Frau Pothmer, Sie haben so gut angefangen!)

Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619400900

as ist an den Koalitionsfraktionen nicht vorbeigegan-
en – offensichtlich auch nicht an Ihnen, Herr Müller –,
nd das ist auch gut so. Ich finde es richtig, dass Sie die
Prozent, die im Gesetzentwurf für die Freie Förde-

ung vorgesehen waren, auf 10 Prozent heraufgesetzt
aben.


(Dirk Niebel [FDP]: Ist viel zu wenig!)


ut so, sage ich – aber das ist noch zu wenig –, und das
ann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir dadurch
eder quantitativ noch qualitativ das erreichen, was wir
orher mit dem Instrument der weiteren Leistungen hat-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


as fällt immer noch weit hinter den Status quo zurück.


(Andrea Nahles [SPD]: Nein, das ist einfach falsch!)


Liebe Frau Nahles, das wissen Sie wirklich ganz ge-
au.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrea Nahles [SPD]: Sie verstehen es immer noch nicht, Frau Pothmer! Wir haben es Ihnen schon zweimal erklärt!)


Wenn es tatsächlich nur darum gegangen wäre, auf
ie Kritik des Bundesrechnungshofes an den weiteren
eistungen einzugehen, dann hätte man einfach nur für
in Aufstockungs- und Umgehungsverbot für weitere
eistungen bei Arbeitgebern sorgen können. Dann hät-

en wir dieses Instrument beibehalten können, das im
inzelfall vor Ort so gute Wirkungen erzielt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stattdessen haben Sie die vorhandene Handlungsfrei-
eit und Flexibilität im großen Stil rasiert. Seit mittler-
eile über einem Jahr beschäftigen sich die Argen und
ie Kommunen mit den Folgen dieser Entscheidung.
as ist wirklich schlecht für die Arbeitslosen. Das ist das

20986 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Brigitte Pothmer
Ergebnis Ihrer Politik. Das ist kein Zufall; das ist offen-
bar regelrecht gewollt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Andrea Nahles [SPD]: Sie behaupten dies wider besseres Wissen!)


– Nein, Frau Nahles. Ich mache Ihnen jetzt einmal fol-
genden Vorschlag: Lassen Sie uns das hier nicht nur
theoretisch im Streit ausfechten; wir treffen uns in einem
Jahr wieder. Dann werden wir ganz genau wissen, wo
die Probleme dieses neuen Instruments sind.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Dann trefft ihr beiden euch in der Opposition! – Dirk Niebel [FDP]: Es gibt doch keine Koalition in der Opposition, Frau Pothmer! Das wissen Sie doch!)


Ich will Ihnen sagen: Das Problem liegt im Wesentli-
chen darin, dass dieses Instrument erst angewendet wer-
den darf, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen
ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Arbeitslosen müssen erst zu Langzeitarbeitslosen
werden, damit die Flexibilität, die wir brauchen, tatsäch-
lich vorhanden ist.


(Katja Mast [SPD]: Das ist falsch! – Wolfgang Grotthaus [SPD]: Zwei Tage Zeit zum Lernen gehabt, und es hat nichts genützt!)


Vorher werden Instrumente von der Stange angewendet,
die überhaupt nicht zielführend sind. Das ist das zentrale
Problem Ihrer Neuregelung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Davon ganz besonders negativ betroffen sind die
Jugendlichen. Mittlerweile hat uns das IAB ein Gutach-
ten vorgelegt, aus dem hervorgeht – das muss man sich
einmal vorstellen –, dass nur 40 Prozent der jungen
Menschen unter 30 Jahren, die abhängig von Leistungen
aus dem Bereich Hartz IV geworden sind, einen dauer-
haften Ausstieg daraus schaffen. Das wissen Sie sehr ge-
nau; trotzdem beschränken Sie die Möglichkeit, hier
Hilfe zu leisten, mit Ihrem Instrumentenkasten noch ein-
mal ganz deutlich.


(Andrea Nahles [SPD]: Das ist Oberunsinn!)


Wir brauchen Herrn Scheele mit seinem Drahtverhau von
Verordnungen überhaupt nicht. Sie haben doch schon da-
für gesorgt, dass dieses Instrument wahrlich nicht pass-
genau eingesetzt werden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Brauksiepe, jetzt komme ich noch zu dem von
Ihnen so hochgelobten Vermittlungsbudget. Sie sagen:
Gut, wenn da nicht kleinkariert vorgegangen werden
muss, wenn nicht jede Leistung en détail abgerechnet
werden muss, wenn das vielmehr budgetiert werden
kann. Stimmt, das sieht der Gesetzentwurf tatsächlich so
vor. Aber parallel dazu überlegt sich die BA, wie sie die-
ses Instrument in ihrem Statistikwahn zerstückeln kann.
Haben Sie sich einmal den Entwurf angeschaut, den die
BA vorgelegt hat? Darin ist Folgendes vorgesehen:

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(C (D achdem das Geld dem Arbeitslosen pauschal gegeben orden ist, muss sich der Sachbearbeiter hinsetzen und enau diese Pauschale – in 36 Einzelpunkten aufgeglieert – abrechnen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch kann Ihnen nur sagen: Sie pauschalisieren. In der
raxis bringt das für die einzelnen Arbeitsagenturen und
ür die Vermittler rein gar nichts. Sorgen Sie dafür, dass
as nicht Wirklichkeit wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das qualitativ wirklich einzig Neue in diesem Gesetz-
ntwurf ist die Verordnungsermächtigung. Sie sagen
etzt hier: Es geht um mehr Flexibilität vor Ort und um

ehr Vertrauen in die einzelnen Jobcenter. Parallel dazu
tellen Sie in dieses Gesetz eine Verordnungsermächti-
ung ein, die es dem Ministerium jeden Tag, den Gott
erden lässt, ermöglicht, in das operative Geschäft vor
rt unmittelbar einzugreifen.


(Dirk Niebel [FDP]: Zentralisten!)


ass Sie überhaupt nicht schüchtern sind, von so etwas
ebrauch zu machen, wissen wir aus den Erfahrungen
aus schmerzhaften Erfahrungen, kann ich dazu nur sa-

en – mit den weiteren Leistungen.

Was ich als weiteren Punkt wirklich tragisch finde,
st, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf – ich möchte es
inmal so sagen – die Architektur, die Idee dieser Ge-
etze völlig verkehren. Wir sind immer davon ausgegan-
en, dass Arbeitsmarktpolitik nur dann erfolgreich sein
ann, wenn Arbeitsuchender und Fallmanager tatsäch-
ich auf Augenhöhe miteinander in Kontakt treten und
ereinbaren, was für den Arbeitsuchenden gut ist. Was
ie jetzt machen, ist, dieses Machtgefälle zwischen Fall-
anager bzw. der Institution zulasten des Arbeitsuchen-

en noch einmal zu verschärfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wie kommen Sie denn darauf?)


Wenn es so ist, dass eine Eingliederungsvereinba-
ung keine gemeinsame Vereinbarung ist, sondern qua
erordnung gesetzt wird, und wenn sich dann der Ar-
eitsuchende darin nicht wiederfindet und diese Verein-
arung nicht eingehalten wird, dann gibt es sofort Sank-
ionen. Ich frage Sie: Was hat denn das mit Augenhöhe
u tun? Das ist wieder Ausdruck des tiefen Misstrauens,
as Sie gegenüber den Arbeitsuchenden haben. Sie brin-
en damit die Idee dieses Gesetzes wirklich zu Fall. Das
erfe ich Ihnen vor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf nicht nur Aus-
ruck des Misstrauens gegenüber den Arbeitslosen, son-
ern nach wie vor auch gegenüber den Akteuren vor Ort,
egenüber den Vermittlern und den Maßnahmenträgern.
ie sitzen hier in Berlin und sind von der Idee verfolgt,
ass diese Menschen Sie alle übers Ohr hauen und mit
teuer- und Beitragsmitteln Schindluder treiben wollen.
ber Sie sehen nicht, dass mit dieser kleinteiligen Über-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20987


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Brigitte Pothmer
prüfungstechnik viel mehr Geld verschwendet wird, als
das andersherum möglicherweise der Fall sein könnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Katja Mast [SPD]: Sie wissen, dass das nicht stimmt!)


Ich muss leider zum Schluss kommen.


(Andrea Nahles [SPD]: Das ist gut!)


Lassen Sie mich noch einen Satz zu der Frage der Ab-
senkung der Beitragssätze sagen. Herr Weiß rechnet
uns im Ausschuss jedes Mal neu vor – ich höre ihm auch
jedes Mal wieder gerne zu –, dass die Absenkung eines
Beitragssatzpunktes hunderttausend Arbeitsplätze bringt.
Aber, lieber Herr Weiß, das geht nur, wenn es tatsächlich
auch unter dem Strich 1 Prozentpunkt weniger ist.


(Dirk Niebel [FDP]: Das stimmt!)


Das geht nicht, wenn Sie auf der einen Seite wie bei der
Krankenversicherung den Beitragssatz um 1 Prozent-
punkt erhöhen und auf der anderen Seite bei der Arbeits-
losenversicherung um 1 Prozentpunkt reduzieren. So
funktioniert das in der Praxis nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Das ist eine Milchjungenrechnung, Herr Weiß. Die
Beitragssatzsenkung bei der Arbeitslosenversicherung
hat mit den Bedürfnissen in diesem Bereich nichts zu tun.
Sie kompensiert Fehler, die bei der Reform der Kranken-
versicherung gemacht worden sind. Das werden bei stei-
gender Arbeitslosigkeit die Arbeitslosen noch bitter be-
zahlen müssen. Schließlich brauchen wir gerade in dieser
Zeit eines: langfristige und gute Qualifizierung. Dies
wird mehr Geld kosten, als derzeit zur Verfügung steht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619401000

Frau Kollegin, Sie müssen nun wirklich zum Schluss

kommen.


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619401100

Ich komme zum Schluss. – Ich will nur noch darauf

hinweisen, dass all das noch dadurch verschärft wird,
dass es mal wieder ein Verschiebemanöver gibt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619401200

Nein, jetzt gibt es keine neue Abteilung einer längst

überschrittenen Redezeit.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Genug mit den Manövern!)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619401300

Dann lassen Sie mich sagen: Ich fürchte,


(Wolfgang Grotthaus [SPD]: Entscheidend ist nicht, was Sie fürchten, sondern was kommt! Das ist der Punkt!)


dass im nächsten Jahr die angeblichen Verbesserungen in
der Arbeitsmarktpolitik nur auf rein statistische Effekte

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(C (D urückzuführen sein werden. Der Minister ist sehr gut arin, in diesem Bereich Verschiebungen vorzunehmen. nsonsten wird die Situation für die Arbeitslosen mit iesen Instrumenten jedenfalls nicht besser. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Grotthaus [SPD]: Was ich nach Ihrer Rede alles fürchte!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619401400

Katja Mast ist die nächste Rednerin für die SPD-Frak-

ion.


(Beifall bei der SPD)



Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1619401500

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

m liebsten würde ich Ihnen, Frau Pothmer, einen Bil-
ungsgutschein anbieten, damit Ihnen das vorliegende
esetz noch einmal erläutert wird. Vielleicht hören Sie
ir einfach zu. Dann verstehen Sie es besser.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das doppelte „V“ ist aus meiner Sicht die Überschrift
ür das heute zu verabschiedende Gesetz. Das doppelte
V“ steht für Vertrauen und Verantwortung in die Kraft
er Gestaltung vor Ort. Die Neuorganisation der arbeits-
arktpolitischen Instrumente setzt Vertrauen in dezen-

rale Entscheidungsspielräume und innovative Möglich-
eiten, auch wenn es einige meiner Vorrednerinnen und
orredner nicht so sehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dieses Gesetz ist ein kraftvolles Signal für Vor-Ort-
ösungen. Wir als Gesetzgeber eröffnen bewusst Hand-

ungsspielräume. Unsere Erwartung ist: Wir wollen, dass
iese Möglichkeiten verantwortlich genutzt werden. Un-
ere Hoffnung geht weit darüber hinaus. Wir setzen da-
it auch ein Signal für eine gute Lösung bei der Neu-

rganisation der Argen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch wenn man sich über das eine oder andere Detail
treiten kann, ist doch die zentrale Frage: Wo finden wir
iese Handlungsspielräume im heute zu verabschieden-
en Gesetz?

Erstens. Wir haben es geschafft: Wir reduzieren die
nzahl der Einzelgesetze für Arbeitsvermittler vor Ort
nd schaffen durch Budgets Spielräume für passgenaue
ösungen, auch wenn Sie, Herr Niebel, das noch nicht

ichtig erkannt haben.


(Andrea Nahles [SPD]: Er war vor einigen Jahren bei der BA!)


iese Budgets sind sowohl nach dem SGB III als auch
em SGB II möglich. Sie finden sich als Vermittlungs-
udget in § 45 und als Aktivierungsbudget in § 46.


(Dirk Niebel [FDP]: Haben Sie sich einmal die Höhe angeguckt? Verschiebebahnhof!)


20988 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Katja Mast
Zweitens. Noch nie gab es eine Freie Förderung für
dezentrale Projekte im SGB II. Diese schaffen wir jetzt.
Das ist erklärter Wille sowohl der Bundesregierung als
auch des Parlaments.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Uns Volksvertretern ist es gelungen, den Ansatz der Re-
gierung von 2 Prozent auf das Fünffache – ich betone:
das Fünffache –, also auf 10 Prozent, anzuheben. Unser
sozialdemokratischer Fraktionsvorsitzender Peter Struck
hatte recht mit dem von ihm vielbeschworenen Grund-
satz: Kein Gesetz verlässt den Bundestag, wie es einge-
bracht wurde. Eine Steigerung von 2 auf 10 Prozent für
die Freie Förderung ist ein Durchbruch in der bundes-
deutschen Arbeitsmarkt- und Vertrauenspolitik.


(Beifall bei der SPD)


Doch damit nicht genug:

Drittens. Wir schaffen weitere Möglichkeiten für de-
zentrales Handeln. Das Aufstockungs- und Umge-
hungsverbot wird für Langzeitarbeitslose gelockert.
Das ist Ergebnis vieler Gespräche mit Experten vor Ort
und mit Fachverbänden. Das ist größtmögliches Ver-
trauen in die Akteure vor Ort. Dieses Vertrauen fordert
auch Verantwortung. Im Gesetz steht klar:

Bei Leistungen an Arbeitgeber ist darauf zu achten,
Wettbewerbsverfälschungen zu vermeiden.

Das meinen wir sehr ernst. Wir wollen keine vollfinan-
zierten Lohnkostenzuschüsse und keine vollfinanzierten
betrieblichen Ausbildungen – um extreme Beispiele für
solche Verfälschungen am Arbeitsmarkt zu nennen. Es
gilt natürlich geltendes Recht, zum Beispiel das europäi-
sche Beihilferecht. Unser Vertrauen steht: Die Akteure
vor Ort können mit dieser Verantwortung umgehen.

Viertens. Mit dem Recht auf die Vorbereitung eines
Hauptschulabschlusses im SGB III setzen wir auf vor-
sorgende Arbeitsmarktpolitik. Wir wollen jedem eine
zweite Chance geben. Aufstieg durch Bildung ist seit
145 Jahren sozialdemokratisches Kernanliegen. Das ist
gut so.


(Beifall bei der SPD)


Wir übernehmen damit Verantwortung da, wo die Bun-
desländer bei jährlich 70 000 Schulabgängern ohne
Hauptschulabschluss versagen. Denn jedem Sozialpoliti-
ker ist doch klar: Ohne Schulabschluss keine Ausbildung
und ohne beides ist die Wahrscheinlichkeit für Langzeit-
arbeitslosigkeit hoch.

Wir sind froh, dass wir mit der Union einen Partner
haben, der unseren Argumenten an dieser Stelle nicht
widerstehen konnte. Handlungsspielräume vor Ort ent-
stehen hierdurch, weil jetzt absolut klar ist: Der Haupt-
schulabschluss ist Sache des SGB III.

Ich bin froh, dass die Bundesagentur für Arbeit in un-
serer Expertenanhörung zugesagt hat, das Fachkonzept
für die berufsvorbereitenden Maßnahmen zu überarbei-
ten. Nur in der Verbindung von Begleitung durch berufs-
vorbereitende Maßnahmen und Vorbereitung auf den

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(C (D auptschulabschluss machen wir es schulmüden Juendlichen möglich, ihren Schulabschluss nachzuholen. Mit diesem Gesetz und seinen Budgets stärken wir ie Vermittler. Dies ist wichtig, da sie der Partner der rbeitsuchenden sind. Durch sie wird Arbeitsmarktpoli ik jeden Tag konkret. Deshalb stellen wir weitere Verittler ein (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie sollten sich mehr um das Angebot an Arbeitsplätzen kümmern! Das wäre vernünftiger!)


nd werden mehrere Tausend befristete Arbeitsverträge
ei der Bundesagentur für Arbeit entfristen.

So weit nun zu den abstrakten Möglichkeiten der
euen Handlungsspielräume. Aber wie geht eigentlich
ilvia Müller, Vermittlerin bei der Agentur für Arbeit in
einer Heimat Pforzheim, damit um?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schöne Grüße auch! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ist Frau Müller SPD-Mitglied?)


or ein paar Tagen hat sie erfahren, dass ihr befristeter
rbeitsvertrag jetzt unbefristet weiterlaufen kann. Sie
at nun endlich einen dauerhaften Arbeitsvertrag. Peter
ühn, ein ehemaliger Lagerarbeiter von 45 Jahren, der

eit ein paar Wochen arbeitslos ist, sitzt heute vor ihr.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und John, der Klempner?)


r ist zum Vorstellungsgespräch in Düsseldorf eingela-
en. Im Bewerbungskurs wurde ihm empfohlen, mit
chlips und Kragen zum Gespräch zu gehen. Sowohl
ahrtkosten als auch Schlips und Kragen kann er sich
icht leisten. Er wollte den Termin zum Vorstellungsge-
präch deshalb absagen. Frau Müller motiviert ihn, hin-
ugehen, und sagt ihm zu, die Kosten zu übernehmen.
is vor einigen Wochen hatte sie immer aus verschiede-
en Töpfen genauestens berechnen müssen, wie sie
errn Kühn helfen kann. Doch mit unserem Gesetz ist
as anders: Sie hat jetzt ein Budget, Verwaltungskosten
erden gespart – eine passgenaue Lösung also. Dieses
esetz verändert das Verhältnis zwischen Vermittler und
rbeitsuchendem. Das wollen wir so.


(Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wunschdenken ist das! Die Praxis sieht doch anders aus!)


Lassen Sie mich zusammenfassen: Der Gesetzent-
urf trägt eine deutliche Handschrift. Wir haben er-

eicht, dass jeder und jede künftig das Recht hat, sich auf
en Hauptschulabschluss vorzubereiten. Das ist ein gro-
er Erfolg und wieder ein Beleg dafür, dass Sozialdemo-
raten den Aufstieg durch Bildung gestalten, auch ge-
einsam mit der Union.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619401600

Frau Kollegin.


Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1619401700

Ich bin gleich fertig. – Die Budgets werden die not-

endigen Spielräume geben, um Menschen individuell

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20989


(A) )



(B) )


Katja Mast
und bedarfsgerecht zu fördern, und die Freie Förderung
ermöglicht passgenaue Lösungen vor Ort. Das ist Poli-
tik, die verantwortungsvoll mit den Mitteln der Beitrags-
zahler und der Steuerzahler haushaltet.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie müssen aber verantwortungsvoll mit der Redezeit umgehen!)


Das ist Politik mit und für die Menschen. Das ist Politik
mit doppeltem „V“: Vertrauen und Verantwortung für
maßgeschneiderte Lösungen vor Ort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619401800

Dr. Erwin Lotter ist der nächste Redner für die FDP-

Fraktion.

(Beifall bei der FDP)



Dr. Erwin Lotter (FDP):
Rede ID: ID1619401900

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Herr Kollege Brauksiepe, eines haben die heutige
Debatte und die zurückliegenden Beratungen im Aus-
schuss ganz klar bewiesen: Die Regierungsfraktionen
lernen nicht aus ihren Fehlern.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Wir machen doch gar keine Fehler!)


– Das denken Sie!

(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Aus Fehlern, die man nicht macht, kann man nicht lernen!)


Sie haben in drei langen Jahren der Bedenkzeit seit Un-
terzeichnung des Koalitionsvertrages nicht viel zustande
gebracht. Anders kann man Ihren Gesetzentwurf zur
Neuregelung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente
nicht bewerten.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Ich erzähle das alles dem Horst Seehofer!)


Sie haben einige wenige Instrumente gestrichen; aber
viel zu viele bleiben bestehen. Der Instrumentenkasten
der Arbeitsvermittlung ist immer noch so vollgestopft,
dass kein Jobvermittler alle Instrumente kennen, ge-
schweige denn beherrschen kann.


(Dirk Niebel [FDP]: Selbst die Regierung kennt die nicht alle!)


Manchmal ist eben weniger mehr.

(Beifall bei der FDP)


Bei den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten gilt dies
mit Sicherheit.

Aber es kommt noch schlimmer. Ohne jeden Grund
deckeln Sie die Freie Förderung auf einem viel zu nied-
rigen Niveau.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Unverschämt!)


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(C (D arum gestehen Sie kreativen Argen und Optionskomunen nur 10 Prozent Freie Förderung zu? (Dirk Niebel [FDP]: Die haben Angst vor der Freiheit!)


iele Kommunen haben großen Erfolg bei der Jobver-
ittlung, gerade weil sie sich nicht aus dem Standardin-

trumentenkasten bedienen, sondern eigene, passgenaue
nd individuelle Fördermöglichkeiten für ihre Kunden
ntwickeln. Das aber geht Ihnen von CDU/CSU und
PD gegen den Strich. Wenn es nach Ihnen geht, dann
oll sich der Jobsuchende an den Bedürfnissen der Arge
nd nicht die Jobvermittlung an der Persönlichkeit des
rbeitslosen orientieren.


(Beifall bei der FDP)


ier verschenken Sie viel Potenzial, sowohl bei den Ar-
eitslosen als auch bei den Jobvermittlern. Als auch
ommunalpolitisch aktiver Bundespolitiker kann ich
icht das geringste Verständnis für Ihr Handeln aufbrin-
en. Anstatt richtigerweise kommunale Handlungsspiel-
äume auszuweiten, schränken Sie diese ein und gehen
amit genau in die falsche Richtung.


(Beifall bei der FDP)


Auch in der Frage des Rechtsanspruchs auf einen
auptschulabschluss haben Sie ordnungspolitisch lei-

er völlig die Orientierung verloren.


(Dirk Niebel [FDP]: Völlig versagt! – Wolfgang Grotthaus [SPD]: Hauptsache geschwätzt!)


in Schulabschluss ist für die meisten Arbeitsuchenden
weifellos wichtig. Die Frage ist jedoch, ob dies tatsäch-
ich für alle gilt. Wer nicht mehr zur jungen Generation
ehört, wird nicht wegen seines nachgeholten Haupt-
chulabschlusses eingestellt, sondern wegen seiner Le-
ens- und Arbeitserfahrung.


(Beifall bei der FDP – Andrea Nahles [SPD]: Bildungsverweigerer!)


as Nachholen des Hauptschulabschlusses ist vielleicht
ür viele, aber eben nicht für jeden der direkteste Weg
us der Arbeitslosigkeit.


(Dirk Niebel [FDP]: Wie wahr!)


Vor allem: Ein fehlender Hauptschulabschluss resul-
iert in den allermeisten Fällen aus einem Versagen des
ildungssystems. Insofern ist dies eine gesamtgesell-

chaftliche Aufgabe, die nicht durch die Beitragszahler
u leisten ist.


(Beifall bei der FDP – Gerd Andres [SPD]: Ein Versagen der Bildungspolitik! Das ist Ländersache, Herr Kollege!)


enn wir Fehler in der Bildungspolitik korrigieren wol-
en, dann müssen wir Steuergelder dafür einsetzen und
ürfen nicht die Bundesagentur für Arbeit mit diesen
osten belasten.


(Beifall bei der FDP – Wolfgang Grotthaus [SPD]: Ihr seid in Bayern an der Regierung! Da könnt ihr das ja machen!)


20990 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Dr. Erwin Lotter
Meine Damen und Herren von der Koalition, ich habe
Ihnen jetzt nur drei von etlichen Versäumnissen in Ihrem
Gesetzentwurf vorgehalten. Allein diese reichen aber
schon aus, um Ihren viel zu kurz greifenden Gesetzent-
wurf abzulehnen.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist doch nur Ihr schlechtes Gewissen!)


Aus diesem Grund haben wir, die FDP, einen eigenen
Antrag und einen eigenen Entschließungsantrag vorge-
legt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619402000

Das Wort erhält nun der Kollege Stefan Müller für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Wie ist das mit der Gesamtbelastung der Steuerzahler?)



Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1619402100

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Dr. Lotter,


(Dr. Erwin Lotter [FDP]: Herr Müller!)


vorweggeschickt: Man hat bei der FDP gelegentlich den
Eindruck, als gebe es einen zentralen Redenschreiber oder
als ob jede Rede, die Sie sich zusammenschreiben, zu-
nächst durch die Zensur von Herrn Niebel muss. – Herr
Dr. Lotter, Sie haben jedenfalls die Chance vertan, hier
ausnahmsweise einmal einen konstruktiven Beitrag der
FDP abzuliefern.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist jammerschade!)


Sie werden ja noch ein paar Chancen dazu haben.
Schade eigentlich! Es wäre nicht schlecht, wenn neue
Abgeordnete auch einmal neue Reden halten würden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist recycelt worden!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ja
wohl unstrittig, dass in den vergangenen Jahren ein be-
eindruckender Umbau in der deutschen Arbeitsmarkt-
verwaltung und Arbeitsvermittlung stattgefunden hat.
Dazu beigetragen haben die Arbeitsmarktreformen der
vergangenen Jahre, eine Geschäftspolitik, die an Effi-
zienz und Effektivität ausgerichtet war, und der Fleiß
und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
ter der Bundesagentur für Arbeit, die es gemeinsam ge-
schafft haben, aus einer Behörde einen leistungsfähigen
Dienstleister am Arbeitsmarkt zu machen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


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(C (D ir werden diesen Erfolgskurs mit dem Gesetzentwurf, en wir heute beschließen werden, fortsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Katja Mast [SPD])


Mit der Reform der Arbeitsmarktinstrumente werden
ir einen weiteren Schritt machen, um die Bundesagentur

ür Arbeit noch schlagkräftiger und dynamischer aufzu-
tellen und die Arbeitsvermittlung noch besser zu gestal-
en. Wir werden mit diesem Gesetzentwurf vorhandene
nstrumente, sofern sie unwirksam sind, abschaffen und
ndere, die wirksam sind, fortentwickeln und zusammen-
assen.

Es ist heute schon des Öfteren von der Zahl der
nstrumente die Rede gewesen. Es ist in der Tat nicht
inzusehen, warum die Bundesagentur einen ganzen
auchladen voller Arbeitsmarktinstrumente hat, am
nde aber nur ein Bruchteil dieser Arbeitsmarktinstru-
ente tatsächlich genutzt wird. Deswegen ist richtig,
as wir hier tun: Wir reduzieren den Arbeitsmarktinstru-
entenkasten, wir machen ihn übersichtlicher und trans-

arenter. Damit helfen wir nicht nur den Vermittlern, de-
en es leichter gemacht wird, vor Ort zu arbeiten,
ondern auch denjenigen, die Arbeit suchen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wichtig ist, einen Punkt noch einmal herauszuarbei-
en: Mit dem Vermittlungsbudget lassen wir mehr In-
ovation bei der Vermittlung zu. Der Kreativität sind zu-
ächst einmal keine Grenzen gesetzt. Jedenfalls ist es
rklärter Wille der Koalitionsfraktionen, aber wohl des
esetzgebers insgesamt – davon gehe ich einfach mal

us –, dass alle Möglichkeiten genutzt werden, um an
en Stellen, wo der Instrumentenkasten nicht eingesetzt
erden kann, im Rahmen dieses Vermittlungsbudgets
em einzelnen Arbeitsuchenden etwas anbieten zu kön-
en, was genau zu ihm passt.

Zudem wollen wir den Praktikern vor Ort damit er-
öglichen, etwas Neues auszuprobieren. Wir wollen

ber nicht, dass das, was da vor Ort ausprobiert wird, nur
ort angewendet wird. Vielmehr streben wir einen ler-
enden Prozess an, in dessen Rahmen Neues, das in ein-
elnen Regionen gut funktioniert, auf andere übertragen
ird. Ich verspreche mir durchaus, dass gerade mit dem
ermittlungsbudget und dem Experimentierkasten in der
rbeitsvermittlung neue Ideen entwickelt werden, die
ann in ganz Deutschland angewendet werden können.

Herr Staatssekretär, wir haben schon etwas Vergleich-
ares im Zusammenhang mit der Initiative „50 plus“, ei-
em Bundesprogramm, in dessen Rahmen etliche Regio-
en gefördert werden und bei dem wir genau diesen
nsatz des Experimentierens und Ausprobierens bereits
raktizieren. Die Ergebnisse dieses Bundesprogramms
eben uns recht. Diesen Weg werden wir mit dem, was
ir heute beschließen werden, weiter beschreiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Darüber hinaus werden wir die Entscheidungsspiel-
äume vor Ort erhöhen. Das bedeutet natürlich für den
ermittler dort zunächst einmal mehr Verantwortung;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20991


(A) )



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Stefan Müller (Erlangen)

das ist überhaupt keine Frage. Aber es ist ja richtig, dem-
jenigen, der die Stärken und Schwächen des Arbeit-
suchenden kennt, dieses Maß an Verantwortung zu ge-
ben, weil er dies am besten einschätzen kann. Im
Mittelpunkt muss stehen, dass dadurch nur noch solche
Maßnahmen finanziert werden, die dazu beitragen, eine
Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen.

Eines darf meines Erachtens jedoch nicht unerwähnt
bleiben: Erfolgreich wird jedes Bemühen des Vermittlers
vor Ort nur dann sein, wenn auch der Arbeitsuchende
selber bereit ist, eigene Anstrengungen zu unternehmen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und vor allem, wenn es ein Angebot an Arbeitsplätzen gibt, Herr Kollege!)


Das beste Instrument hilft ja nichts, wenn die eigenen
Bemühungen dem im Wege stehen. Deswegen wird För-
dern und Fordern auch in Zukunft an dieser Stelle, bei
den Arbeitsmarktinstrumenten und in der Arbeitsmarkt-
politik, ein wichtiges Prinzip bleiben müssen.

Wir werden auch langfristig eine schlagkräftige Ar-
beitsvermittlung brauchen, weil uns der demografische
Wandel vor große Herausforderungen stellen wird. Eine
Prognos-Studie sagt voraus, dass uns in rund 20 Jahren
etwa 5,5 Millionen Arbeitskräfte fehlen werden. Das
heißt, die Arbeitsmarktpolitik wird eine Dauerbaustelle
bleiben, weil der Fachkräftemangel letztlich auch dazu
führt, unsere wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten
einzuschränken. Insofern brauchen wir, langfristig gese-
hen, eine funktionierende Arbeitsvermittlung. Wir benö-
tigen sie aber auch kurzfristig, um die Auswirkungen der
Finanzmarktkrise auf die Realwirtschaft und den Ar-
beitsmarkt abschwächen bzw. ihnen entgegenwirken zu
können.

Alles, was wir dazu hören, ist sicherlich kein Grund
zur Panikmache. Die Beschäftigungsentwicklung wird
im nächsten Jahr sicherlich weitaus weniger dynamisch
sein, vielleicht sogar ein negatives Vorzeichen aufwei-
sen; diese Prognose der Bundesagentur mussten wir im
Ausschuss vernehmen. Wir müssen also mit einem ge-
wissen Anstieg der Arbeitslosigkeit rechnen. Deshalb
müssen wir auch mit Mitteln der Arbeitsmarktpolitik
versuchen, hier Schlimmstes zu verhindern. Genau des-
wegen werden wir die Bezugsdauer des Kurzarbeitergel-
des verlängern; genau deswegen hat die Bundesagentur
den Ansatz für das Kurzarbeitergeld im Haushalt noch
einmal aufgestockt. Alles das wird dazu beitragen, ein
wichtiges Signal zu geben und den Abbau von Arbeits-
plätzen möglichst zu verhindern bzw. zumindest die
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zu dämpfen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Noch eine Bemerkung zur Senkung des Arbeits-
losenversicherungsbeitrages: Wir setzen mit der
Beitragssatzsenkung, die wir heute beschließen werden,
den konsequenten Kurs der Reduzierung der Sozialversi-
cherungsbeiträge, der Arbeitslosenversicherungsbeiträge
fort. Wir haben den Beitrag zur Arbeitslosenversiche-
rung gesenkt: von 6,5 Prozent auf jetzt 2,8 Prozent, aber

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(C (D egrenzt auf höchstens 3,0 Prozent. Das ist eine Entlasung um 27 Milliarden Euro. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Mehrwertsteuer!)


Herr Kolb, selbst wenn Sie alle Erhöhungen gegen-
echnen, bleibt unterm Strich immer noch eine Entlas-
ung übrig.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ne, ne, ne! Ich bin kurz vor einer Zwischenfrage!)


Mit dieser Politik der Beitragssatzsenkung haben wir
inen wesentlichen Beitrag geleistet, um Einstellungs-
emmnisse und damit Arbeitslosigkeit in diesem Land
bzubauen und sozialversicherungspflichtige Beschäfti-
ungsverhältnisse aufzubauen. Das ist nicht nur die
onjunktur, sondern das ist die Politik der Großen
oalition.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich halte diese Beitragssatzsenkung für verantwort-
ar. Manchmal hilft es, sich einfach die Zahlen anzu-
chauen, Herr Dreibus: Die Rücklagen der Bundesagen-
ur zum Jahresende 2008 betragen 16 Milliarden Euro.
ie BA geht davon aus, dass sie – die Senkung des Bei-

ragssatzes auf 2,8 Prozent eingerechnet – im nächsten
ahr ein operatives Defizit von 6 Milliarden Euro ma-
hen wird. Ich stelle fest: Nach Adam Riese bleiben
ann immer noch knapp 10 Milliarden Euro Rücklagen
brig.


(Werner Dreibus [DIE LINKE]: Nur wenn es nicht mehr Arbeitslose gibt!)


as zeigt doch, dass das solide finanziert ist. Der Beitrag
ann stabil gehalten werden, und zwar auch dann, wenn
ie Arbeitslosigkeit ansteigt, Herr Dreibus. Ich glaube,
ie waren gestern im Ausschuss nicht dabei, als Herr
eise das vorgetragen hat. Auch die Bundesagentur geht

avon aus, dass, selbst wenn die schlimmsten Befürch-
ungen eintreten, der Beitragssatz stabil gehalten und die
ücklagen nicht komplett aufgebraucht werden. Neh-
en Sie doch einfach einmal zur Kenntnis, was Exper-

en dazu sagen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Herr Dreibus, ich halte es für unredlich, dass Sie sich
ier hinstellen und sagen, aufgrund dieser Beitragssatz-
enkungen würde bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik
eld gespart werden. Das ist schlichtweg falsch. Der
ittelansatz für die aktive Arbeitsmarktpolitik bleibt im
aushalt der Bundesagentur unverändert. Es wird dort
ichts eingespart.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich will deutlich machen, dass wir den Beitragszah-
ern nicht gnädigerweise irgendetwas zurückgeben. Wir
eben den Beitragszahlern in der Tat das Geld zurück,
as wir ihnen vorher abgenommen, aber nicht gebraucht
aben. Es scheint wichtig zu sein, darauf hinzuweisen.

Wichtig ist aber auch, dass wir auch künftig darauf
chten, dass mit den Mitteln der Beitragszahler verant-
ortungsvoll umgegangen wird. Auch dem wird Rech-

20992 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Stefan Müller (Erlangen)

nung getragen. Mit den beiden Gesetzentwürfen leisten
wir einen wesentlichen Beitrag, um Einstellungshemm-
nisse abzubauen und die BA noch besser aufzustellen.

Ich hätte jetzt gerne noch etwas Unfreundliches zu
den Oppositionsanträgen gesagt.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Da kann man auch wenig Freundliches zu sagen!)


Herr Präsident, ich fürchte, Sie werden mir das nicht
mehr genehmigen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619402200

Das ist eine zutreffende Vermutung.


Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1619402300

Ich bitte deshalb abschließend um Zustimmung zu

den beiden Gesetzentwürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619402400

Andrea Nahles ist die nächste Rednerin für die SPD-

Fraktion.


Andrea Nahles (SPD):
Rede ID: ID1619402500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeits-
marktpolitischen Instrumente trägt den Stempel der Par-
lamentarierinnen und Parlamentarier in diesem Haus, die
sich dafür stark gemacht haben – das waren übrigens
auch Oppositionspolitiker –, dass wir mehr Verhand-
lungs- und Gestaltungsspielraum für die Vermittler vor
Ort organisieren. Das lösen wir mit diesem Gesetz ein.


(Dirk Niebel [FDP]: Nicht wirklich!)


Vergessen Sie die sonstigen weiteren Leistungen.
Das, was wir hier haben, ist viel besser.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das sieht die Praxis aber anders!)


Das werde ich Ihnen jetzt gerne beweisen. Wir haben
– das ist hier schon ausgeführt worden – die Mittel für
die Freie Förderung ausgehend vom ursprünglichen
Gesetzentwurf von 2 Prozent auf 10 Prozent angehoben.
Das war übrigens eine Forderung, die von allen Opposi-
tionsparteien in diesem Haus erhoben wurde, deren Um-
setzung heute aber mit keinem Wort lobend erwähnt
wurde.


(Beifall bei der SPD – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, von mir!)


Das halte ich hier einfach einmal so fest.

Das ist aber nicht der einzige Punkt. Wir haben zum
Zweiten dafür gesorgt, dass die Freie Förderung nicht
länger befristet ist. Es gibt kein Verfallsdatum mehr. Das
schafft mehr Planungssicherheit für die Akteure vor Ort.
Meines Erachtens ist es besonders wichtig, dass wir für
die Projekte der Freien Förderung rechtlich abgesicherte
Spielräume geschaffen haben, die es vorher nicht gab.
Das wurde zwar unter der Hand gemacht, war aber

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(C (D echtlich nicht sauber. Das geschah nicht auf Basis einer esetzlichen Grundlage. Deswegen gab es die Mahnriefe, von denen hier die Rede war. Jetzt sorgen wir für echtsklarheit. Aber auch darüber hört man kein posities Wort. Noch wichtiger ist, dass wir zusätzlich – das erhöht brigens auch das Volumen – das Vermittlungsbudget ls ein ganz neues Momentum einführen. Es ist ganz lar: Das Vermittlungsbudget ist etwas sehr Individueles, etwas sehr Persönliches, etwas, was vor Ort zwichen dem Arbeitsvermittler und dem jeweiligen Areitslosen ausgehandelt werden kann. Ich kann Ihnen ur recht geben: Wir werden unsererseits darauf achten, ass die Spielräume, die wir als Gesetzgeber einräumen ollen, auch durch die BA ermöglicht werden. Ich habe errn Weise, der in dieser Woche bei uns im Ausschuss ar, an dieser Stelle so verstanden, dass er unseren so ialpolitischen Auftrag bzw. die Spielräume, die wir einäumen wollen, bejaht. Wir nehmen ihn schlichtweg eim Wort. a werden wir in den nächsten Monaten nachfassen. Ich denke, dass wir darüber hinaus eine Chance gechaffen haben. Die arbeitsmarktpolitischen Gesetze ind Ihnen allen ja als bürokratisch und nicht funktionieend vorgekommen. Das war bei dieser Reform nie das hema. Wir haben gesagt, wir wollen weniger Gesetze, eil dies zu mehr Übersichtlichkeit führt. Wir sind aber icht der Meinung, dass alle unsere Instrumente nichts augen. (Dirk Niebel [FDP]: Das haben aber Ihre Sachverständigen gesagt!)


(Beifall bei der SPD)


rotzdem sagen wir: Es kann sein, dass sich am Ende,
achdem versucht wurde, alle möglichen regulären In-
trumente anzuwenden, für einzelne Personen, die vor
inem Arbeitsvermittler sitzen, dadurch keine Lösung
rgibt. Das kann vorkommen. Genau für diesen Fall,
iebe Frau Pothmer, ist in unserem Gesetzentwurf die

öglichkeit vorgesehen, durch eine Modifikation der ar-
eitsmarktpolitischen Instrumente, so wie sie vorgege-
en sind, einen individuellen Instrumentenkatalog zu er-
tellen. Das heißt, wir haben an dieser Stelle das
mgehungs- und Aufstockungsverbot gelockert. Das ist

uch richtig so, weil hier passgenaue Lösungen nötig
ind.

Insoweit kann ich nur sagen: Die sonstigen weiteren
eistungen waren bisher in einem solchen Fächer von
öglichkeiten, die wir jetzt gesetzlich verankern, nicht

m Entferntesten vorgesehen. Ich bitte, diese Botschaft
n alle Skeptiker und Briefeschreiber weiterzugeben.
ier gibt es nämlich nur ein Problem: Diese haben noch
icht gesehen, welches Potenzial und welche Verhand-
ungs- und Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort in dem
orliegenden Gesetzentwurf stecken.


(Beifall bei der SPD)


Ein weiterer Punkt ist: Wir haben die Möglichkeit des
achträglichen Erwerbs eines Schulabschlusses als
echtsanspruch verankert. Ich sage Ihnen ganz offen: Es

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20993


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Andrea Nahles
ist eigentlich nicht unser Job, nicht der Job der Bundes-
ebene, dies vorzusehen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das stimmt!)


Ich bin 1998 in das Parlament gekommen. Seit dieser
Zeit haben wir immer wieder festgestellt, dass 500 000
der Langzeitarbeitslosen keinen Schulabschluss haben.
Das ist ein erhebliches Vermittlungshemmnis; da können
wir nichts schönreden, meine Damen und Herren von
der FDP. Jetzt ging es um entsprechende Appelle an die
Länder. Wir haben diese 1999, 2000, 2001, 2002, 2003,
2004, 2005, 2006 formuliert. Gerd Andres,


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Ist ein guter Mann, der Andres!)


der damals Staatssekretär war, hat das immer besonders
laut gemacht, weil er natürlich nicht wollte, dass der
Bund am Ende diese Aufgabe übernehmen muss. Ich
frage aber an dieser Stelle: Wie lange wollen wir denn
noch warten, bis die Länder ihre Hausaufgaben machen?
Sollen die Arbeitslosen, die keine Chance auf Bildung
bekommen, weitere zehn Jahre schmoren? Das wollen
wir nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen haben wir an dieser Stelle den Rechtsan-
spruch auf den Erwerb eines Schulabschlusses geschaf-
fen.

Jetzt gibt es ganz spitzfindige Kritiker, die feststellen:
Wir sehen einen solchen Rechtsanspruch nur aus Grün-
den der Berufsvorbereitung vor. Natürlich ist das so; das
ist ja unsere Aufgabe. Wir sehen diesen Rechtsanspruch
doch nicht zum Spaß vor, sondern deshalb, damit die
Leute einen Beruf bekommen. Das ist unser Ziel; das ist
der Witz der ganzen Sache. Wenn diese Vorgabe nicht
reicht, haben wir immer noch die Freie Förderung, die
auch in Zukunft die Möglichkeit eröffnet, im Einzelfall
andere Maßnahmen zu ergreifen. Das ist wirklich eine
tolle Sache.

Ich warne die Länder: Das machen wir nicht sehr
oft. – Es ist peinlich, dass sie entsprechende Volkshoch-
schulkurse, all die Angebote, die es in diesem Zusam-
menhang gegeben hat, zurückgefahren haben. Das ist
wirklich ein Armutszeugnis. Diejenigen Länder, die im-
mer laut schreien, wenn es darum geht, Bildungskompe-
tenz zu bekommen, haben ihre Leistungen an dieser
Stelle weitestgehend zurückgefahren. Das muss von uns
heute ganz scharf kritisiert werden.


(Beifall bei der SPD – Gerd Andres [SPD]: Die haben an dieser Stelle voll versagt!)


Ein letzter Punkt. Wir sorgen vor, Herr Dreibus, in-
dem wir 1 000 zusätzliche Vermittler bei der Job-to-Job-
Vermittlung im Rahmen des SGB III und 1 900 Ver-
mittler im ALG-II-Bereich einstellen. Wir haben es ge-
schafft, die Befristungen zurückzuführen; sie werden bis
2011 auf 10 Prozent heruntergefahren. Das alles wirkt
neben den ganzen Instrumenten.

Lassen Sie uns ehrlich sagen: Es ist wunderbar, wenn
man ganz tolle Instrumente hat

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(C (D (Dirk Niebel [FDP]: Schön, wenn man damit spielen kann!)


nd einige davon noch bessere Gestaltungsmöglichkei-
en vor Ort bieten. Aber ganz wichtig ist, dass der Ver-

ittler vor Ort Zeit hat,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ich mit den individuellen Problemen der Arbeitslosen
u beschäftigen. Dafür haben wir in diesem Jahr eine
ichtige Grundlage gelegt.

Besten Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619402600

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der

ollege Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1619402700

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Die Kern-

rage lautet: Wie schaffen wir es, dass Menschen, die er-
erbslos sind bzw. von Erwerbslosigkeit bedroht sind,
ieder in Beschäftigung kommen bzw. erst gar nicht er-
erbslos werden? Die gesamte Diskussion über den In-

trumentenkasten und über das SGB II und das SGB III
ühren wir in der Politik gelegentlich technisch und stel-
en sie oft auch technisch nach außen dar. Im Kern geht
s um die Aufgabe, Menschen zu helfen und sie wieder
n der Lage zu versetzen, mit ihrer eigenen Hände und
hres eigenen Kopfes Arbeit den Lebensunterhalt für
ich und ihre Familien zu verdienen.

Die Idee der arbeitsmarktpolitischen Instrumente hat
un einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Über fast vier
ahrzehnte hinweg haben sich alle Bundesregierungen
arum bemüht, Menschen vor Erwerbslosigkeit zu be-
ahren oder sie wieder in Beschäftigung zu bringen.
iese Instrumente wurden als Bundesgesetz geschaffen,

ie wurden zentral eingerichtet und sollten möglichst im
leichschritt in der gesamten Bundesrepublik über die
amaligen Arbeitsamtstrukturen umgesetzt werden.

Allerdings hat es immer wieder neue Herausforderun-
en und veränderte Problemlagen gegeben. Das große
roblem, vor dem wir stehen, ist die zunehmende Indivi-
ualisierung der Probleme der Menschen. Wir tun uns
chwer, mit bundeszentral gestalteten Instrumenten vor
rt flexibel zu reagieren; denn die Verwaltung macht es
ns oft schwer, vor Ort flexibel zu handeln.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das sind im Kern die Auseinandersetzung und die
roblemlage, um die wir uns kümmern. Ein weiteres
roblem ist dazugekommen. Als wir, der Gesetzgeber,
ieses Parlament, in den Jahren 2004 und 2005 beschlos-
en haben, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammen-
ulegen und damit ein neues Instrument für die Men-
chen zu schaffen, die besonders lange arbeitslos sind
nd besonders viele Vermittlungshemmnisse aufweisen,

20994 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Karl Schiewerling
hatte man nicht geahnt, dass gerade für diese Zielgruppe
besonders intensive und individuelle Hilfen zwingend
notwendig sind und angegangen werden müssen.

Die Probleme, die wir heute haben, hängen damit zu-
sammen, dass die Instrumentarien für die Menschen, die
in der Kurzzeitarbeitslosigkeit sind, auch bei den Men-
schen angewandt werden sollen, die in der Langzeitar-
beitslosigkeit sind. Hinter diesen Instrumentarien stehen
Finanzierungssysteme – und auch die Fragen, was bei-
tragsfinanziert und was steuerfinanziert ist. Folgerichtig
haben viele Träger vor Ort die sonstigen weiteren Leis-
tungen, die das Instrumentarium des SGB II vorsieht,
genutzt, um flexibel handeln zu können. Das war kein
böser Wille, keine Faulheit, auch keine Hinterhältigkeit;


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Notwendigkeit!)


das war schlicht eine Notwendigkeit, um Menschen fle-
xibel zu helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass das nicht im Rahmen des Gesetzes erfolgte, wis-
sen wir. Deswegen wurde § 16 f SGB II eingeführt; da-
durch ermöglichen wir diese Flexibilisierung. Ich bin
außerordentlich dankbar, dass wir die Mittel für die Freie
Förderung nun auf 10 Prozent aufstocken konnten und
dass wir den Helfern und Fallmanagern vor Ort mit den
unterschiedlichen Instrumentarien, die vorhanden sind,
unmittelbare Hilfen an die Hand geben und sie daraus
eine passgenaue Hilfe für die Betroffenen organisieren
können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, ich möchte auf den neu
eingeführten § 45 SGB III kurz eingehen, auf das soge-
nannte Vermittlungsbudget. Erklärter Wille der Politik
ist, dass dieses Vermittlungsbudget ebenfalls flexibel
eingesetzt werden kann. Wir müssen sicherstellen, dass
dies durch Verwaltungshandeln nicht wieder konterka-
riert wird. Es ist erklärter Wille der Koalitionsfraktionen,
dass diese Mittel durch die Argen eingesetzt, verwaltet,
verantwortet und gestaltet werden, das heißt: sowohl
durch die BA als auch durch die Kommunen. Das ist
deswegen an dieser Stelle wichtig, weil es im Kern um
die Frage geht, wer die Verantwortung für die Integra-
tion der Langzeitarbeitslosen trägt. Die spannende
Frage, die sich in dieser Diskussion stellt, lautet: Wie
wird die Grundsicherung für Arbeitsuchende in Zukunft
organisiert?

Sie wissen alle, dass das Bundesverfassungsgerichts-
urteil umgesetzt werden muss. Ich sage Ihnen: Die
Frage, die beantwortet werden muss, damit wir den
Menschen helfen können, ist, wie wir die Entschei-
dungshoheit über die arbeitsmarktpolitischen Instru-
mente organisieren. Das ist der Kern des SGB II. Im
Zentrum des SGB II steht dies deswegen, weil es nicht
darum geht, möglichst viele Leistungen auszuschütten,
sondern darum, Menschen effizient zu helfen, damit sie

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(C (D ieder in Beschäftigung kommen. Das ist die große Heausforderung. Ich glaube, dass das, was wir mit dem heutigen Geetzentwurf an Flexibilität auf den Weg bringen, in der erantwortungshoheit der Grundsicherungsträger der rgen und der optierenden Gemeinden ein wichtiger chritt zu mehr Flexibilität ist. Ich bitte sehr nachdrück ich darum, dass sowohl die Verwaltung des Bundesareitsministeriums als auch die Verwaltung der BA alles aransetzen, dass sich die dahinterstehenden Gedanken uch im Verwaltungshandeln deutlich niederschlagen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die letzte kurze Bemerkung will ich an dieser Stelle
n aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen. Hinter die-
em Gedanken steht, dass die Fallmanager selbst ent-
cheiden und eigenverantwortlich vor Ort ihre Verant-
ortung wahrnehmen. Das wollen wir alle. Wir wollen,
ass vor Ort Freiheit herrscht, um passgenau helfen zu
önnen. Der Freiheit steht die Verantwortung gegenüber,
ie man natürlich für die verausgabten Mittel trägt. Auf-
abe des Parlaments und der Regierung muss es aber
och sein, den Menschen in aller Deutlichkeit zu sagen:
hr dürft bei diesen Schritten, die ihr oft in einer hoch-
omplizierten Situation geht, auch einmal Fehler ma-
hen, ohne dass sich sofort die Kameras dieser Welt dar-
uf richten. Aus den Erfahrungen, die ihr dabei macht,
önnen wir lernen, wie wir die nächsten Schritte gehen. –
ie Integration von Arbeitslosen, insbesondere von
angzeitarbeitslosen, ist und bleibt ein lernendes Sys-

em. Ich freue mich sehr, dass wir mit diesem Schritt des
ernprozesses, mit dem heute vorliegenden Gesetzent-
urf ein gutes Stück weiterkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619402800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über den
on der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf
ur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instru-
ente. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt

nter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf der Druck-
ache 16/11233, den Gesetzentwurf der Bundesregie-
ung auf den Drucksachen 16/10810 und 16/11196 in der
usschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
er enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zwei-

er Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
egen die Stimmen der Opposition angenommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? –
ei gleichen Mehrheitsverhältnissen ist der Gesetzent-
urf damit angenommen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20995


(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
Wir setzen die Abstimmung zur Beschlussempfeh-
lung des Ausschusses auf Drucksache 16/11233 fort.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung geht es um die
Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Druck-
sache 16/9093 mit dem Titel „Arbeitsmarktinstrumente
auf effiziente Maßnahmen konzentrieren“. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Beschlussemp-
fehlung mit breiter Mehrheit angenommen.

Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 seiner
Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/10511 mit dem
Titel „Arbeitslosenversicherung stärken – Ansprüche si-
chern – Öffentlich geförderte Beschäftigte einbeziehen“.
Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Bei spiegelbildli-
chen Mehrheitsverhältnissen ist auch diese Beschluss-
empfehlung angenommen.

Unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen auf Drucksache 16/8524 mit dem Titel „Lokale
Entscheidungsspielräume und passgenaue Hilfen für
Arbeitsuchende sichern“ ebenfalls abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Auch diese Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalition ange-
nommen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 36 c.
Hier geht es um die Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales
zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit
dem Titel „Rechte von Arbeitsuchenden stärken – Kom-
petentes Fallmanagement sicherstellen“. Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Druck-
sache 16/11142, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf der Drucksache 16/9599 abzulehnen.
Wer stimmt dieser Beschlussempfehlung zu? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die
Beschlussempfehlung, wiederum mit den Stimmen der
Koalition, angenommen.

Bei der Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 36 d
geht es um den von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurf eines Gesetzes zur Senkung des Beitragssatzes
zur Arbeitsförderung. Der Ausschuss für Arbeit und So-
ziales empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung
auf der Drucksache 16/11241, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 16/10806 in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Damit ist der Gesetzentwurf in zwei-
ter Beratung angenommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der

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(C (D esetzentwurf in dritter Lesung mit der Mehrheit der oalition angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlieungsantrag der Fraktion der FDP auf der Drucksache 6/11296. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist er Entschließungsantrag abgelehnt. Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 36 e. Hier eht es um die Beschlussempfehlung des Ausschusses ür Arbeit und Soziales zum Antrag der Fraktion Die inke mit dem Titel „Handlungsfähigkeit der Bundesgentur für Arbeit erhalten – Auf Senkung der Beitragsätze verzichten“. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11241, en Antrag der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 6/10618 abzulehnen. Wer stimmt dieser Beschlussempehlung zu? – Wer möchte dagegen stimmen oder sich er Stimme enthalten? – Damit ist die Beschlussempfehung mit Mehrheit angenommen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 37 a bis 37 h owie die Zusatzpunkte 9 und 10 auf: 37 a)

SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Allgemeine Erklärung der Menschen-
rechte – Grundlage für 60 Jahre Menschen-
rechtsschutz

– Drucksache 16/11215 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika
Knoche, Ulla Jelpke, Hüseyin-Kenan Aydin, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Die Allgemeine Erklärung der Menschen-
rechte, der Zivil- und Sozialpakt – Grundla-
gen für einen unteilbaren und universellen
Menschenrechtsschutz

– Drucksache 16/11189 –

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt
Müller-Sönksen, Jens Ackermann, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP

Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur Eu-
ropäischen Menschenrechtskonvention

– Drucksachen 16/3145, 16/4647 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Christoph Strässer
Florian Toncar
Michael Leutert
Volker Beck (Köln)


d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt

20996 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Präsident Dr. Norbert Lammert
Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP

Rechtsstaatskonforme Behandlung von Ver-
hafteten nach der Übergabe durch deutsche
Stellen im Ausland sicherstellen

– Drucksachen 16/2096, 16/5315 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ute Granold
Christoph Strässer
Florian Toncar
Michael Leutert
Volker Beck (Köln)


e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker
Beck (Köln), Thilo Hoppe, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Rechtsschutzlücken bei der Terrorbekämp-
fung schließen

– Drucksachen 16/821, 16/8032 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Steinbach
Christoph Strässer
Burkhardt Müller-Sönksen
Michael Leutert
Volker Beck (Köln)


f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Omid Nouripour, Josef Philip
Winkler, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

UN-Wanderarbeiterkonvention endlich ratifi-
zieren

– Drucksachen 16/6787, 16/10208 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Christoph Strässer
Florian Toncar
Michael Leutert
Volker Beck (Köln)


g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise
Beck (Bremen), Dr. Uschi Eid, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Die Menschenrechte der Uiguren schützen

– Drucksachen 16/7411, 16/10283 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach

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(C (D Dr. Herta Däubler-Gmelin Florian Toncar Michael Leutert Volker Beck h)

Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen,
Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Ergebnisse der Menschenrechtspolitik der
Bundesregierung im Rahmen der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft
– Drucksachen 16/6370, 16/8595 –

P 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Florian Toncar,
Dr. Max Stadler, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Rechtsstaatlichkeit sichern – Effektiven Rechts-
schutz bei Terrorismusbekämpfung schaffen
– Drucksache 16/8903 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss

P 10 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

Toncar, Harald Leibrecht, Burkhardt Müller-
Sönksen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Das Verhalten von Birmas Junta muss Konse-
quenzen haben
– Drucksachen 16/9340, 16/10392 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Johannes Pflug
Harald Leibrecht
Dr. Norman Paech
Kerstin Müller (Köln)


Zum Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD,
er FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen liegt ein
nderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
or.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
ussprache eine Stunde dauern. – Das ist offenkundig

invernehmlich und damit so vereinbart.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
ächst der Kollegin Erika Steinbach für die CDU/CSU-
raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1619402900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 10. Dezem-
er dieses Jahres jährt sich die Annahme der Allgemeinen
rklärung der Menschenrechte durch die Generalver-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20997


(A) )



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Erika Steinbach
sammlung der Vereinten Nationen zum sechzigsten Mal.
An diesem Tage vor 60 Jahren wurde im Pariser Palais
de Chaillot Geschichte geschrieben.

Man führe sich den historischen Kontext der Verab-
schiedung vor Augen. 1948 waren die Wunden des
Krieges noch immer nicht richtig verheilt. Der Zweite
Weltkrieg und seine Folgejahre hatten der Staatenge-
meinschaft auf drastische Weise vor Augen geführt, dass
die Menschheit zu Grausamkeiten unvorstellbaren Aus-
maßes in der Lage ist. Das Verhältnis vieler Staaten zu-
einander war zerrüttet.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war
ein Zeugnis für den Konsens, den man in der Nach-
kriegszeit suchte. Nie wieder wollten viele zulassen,
dass Diktatoren Menschen ihrer individuellen Freiheits-
rechte berauben. Der Pferdefuß, meine lieben Kollegin-
nen und Kollegen, allerdings war, dass die Sowjetunion,
die anderen Ostblockstaaten, Saudi-Arabien und Süd-
afrika nicht zugestimmt haben. Wer die Gulags der So-
wjetunion, wer Stalins Handeln heute wirklich durch-
leuchtet, weiß auch genau, warum.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte be-
nennt individuelle Rechte eines jeden Bürgers gegenüber
seinem Staat. Sie benennt politisch-bürgerliche Rechte
genauso wie wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte. Viele rechtliche Fragestellungen mussten im
Vorfeld erst geklärt werden. Viele Sichtweisen mussten
miteinander versöhnt werden. Sehr viele Kompromisse
mussten gefunden werden. Die Fronten in den Debatten
verliefen entlang der Linie zwischen armen und reichen
Staaten genauso wie entlang der Linie zwischen sozialis-
tischen und marktwirtschaftlich orientierten Ländern.

Soll die Erklärung rechtlich verbindlich sein oder
nicht? Wie konkret können die einzelnen Artikel formu-
liert werden, ohne die Souveränität des einzelnen Staates
zu gefährden? Fragen wie diese bewegten die Vorbe-
reitungskommission unter dem Vorsitz von Eleanor
Roosevelt über Wochen und Monate hinweg.

Die Aufnahme von wirtschaftlichen, sozialen und
kulturellen Rechten wurde sehr heftig debattiert.

Schließlich war auch der Anspruch der Universalität
der Rechte stark umstritten. So sah beispielsweise
Saudi-Arabien die Rechtsgleichheit von Männern und
Frauen bei der Eheschließung, so wie sie in Art. 16 vor-
gesehen ist, sowie das Recht auf Religionswechsel als
rein westliche Werte an. Leider müssen wir feststellen,
dass sich an dieser Einstellung in einigen Ländern bis
heute nicht viel geändert hat, auch nicht in Saudi-Ara-
bien; im Gegenteil. Die Universalität der Menschen-
rechte wird von vielen islamischen Staaten verstärkt in-
frage gestellt oder schlicht negiert.

So fortschrittlich die Allgemeine Erklärung der Men-
schenrechte war, so problematisch war von Anbeginn
der fehlende Überwachungs- und Durchsetzungsmecha-
nismus. Hier hat es erfreuliche Fortschritte gegeben. Ein
Meilenstein dabei ist, wie ich meine, der 1998 geschaf-
fene Internationale Strafgerichtshof. Damit ist endlich
deutlich gemacht: Wir wollen Menschenrechte nicht nur
postulieren, auf den Lippen tragen, auf dem Papier ge-

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(C (D chrieben sehen, sondern wir wollen sie am Ende auch o weit wie möglich durchsetzen. eshalb ist es gut und richtig, dass wir mit dem Euroäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf euroäischer Ebene eine eigene Menschenrechtsgerichtsbareit etabliert haben. Wie steht es nun heute um die Menschenrechte in der lltäglichen Realität? Ich stelle fest: Zwischen den hehen Worten und dem Wollen vieler auf der einen Seite nd dem praktischen Handeln auf der anderen Seite klafen leider immer noch Welten. Nahezu hilflos sehen wir twa die afrikanischen Menschenrechtstragödien, die ertriebenenströme, die sexuelle Gewalt oder die chineischen Repressalien gegen Uiguren und Tibeter. Die Siuation in Birma ist ein einziger Albtraum. An zwei Vokabeln in unserem Wortschatz, die wir eientlich längst vergangenen Jahrhunderten zuschreiben, ird deutlich, dass archaisches Denken und archaisches andeln auch heute noch dramatische Praxis sind. Sklavenhandel“ und „Christenverfolgung“ sind heute ealität; die Worte stammen nicht aus vorigen Jahrhunerten. Das Recht auf Gedanken-, Gewissensund Religionsreiheit schließt die Freiheit ein, seine Religion oder eine Weltanschauung zu wechseln, und auch die Freieit, seine Religion, seine Weltanschauung allein oder in emeinschaft mit anderen öffentlich und privat durch ehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu ekennen. In einer Vielzahl von Ländern werden Christen daran ehindert, ihr Menschenrecht auf freie Religionswahl uszuüben. Im Iran, in Saudi-Arabien oder im Sudan um Beispiel wartet auf christliche Missionare oder onvertiten das Beil oder die Steinigung. Die Experten von „Kirche in Not“, von der Internatioalen Gesellschaft für Menschenrechte und des Instituts ür Religionsfreiheit stellen übereinstimmend fest, dass eltweit etwa 75 Prozent der aus religiösen Gründen erfolgten und 80 Prozent der aus religiösen Gründen erordeten Menschen Christen sind. Keine andere Reli ionsgemeinschaft auf der Welt wird heute stärker verolgt. Wir sind nicht im alten Rom: Das ist heute. Ein brennendes Problem ist die Situation der irakichen Christen. Eine bewegende Reportage in der taz om 27. November titelte, dass niemand in Europa die eschichte der irakischen Christen glaube. In dieser Reortage ist ein Zitat zu finden: Jeden Tag Blut, Tod, zerstörte Kirchen. Jeden Tag Zettel vor der Wohnung: „Verschwindet!“ Flüchtlinge, die in Zirndorf leben – so berichtet die az weiter –, haben mit angesehen, wie die Haut von eiem Christen wegrasiert wurde oder wie ein Christ gewungen wurde, über das Bild Jesu zu treten, und als ieser sagte, er könne das nicht, wurde der Mann entauptet. So der Bericht in der taz, ein ganzseitiger großer okumentationsbericht. 20998 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Erika Steinbach Im Irak gehören Morde an Minderheiten wie Christen, aber auch an Mandäern zum Alltag. Damit gehen Begleitverbrechen wie Zwangskonversion, Vergewaltigungen und Vertreibungen einher. Schätzungen von kirchlichen Organisationen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Christen im Irak seit Beginn des Krieges halbiert hat. In weiten Teilen des Irak droht die 2 000jährige Geschichte des Christentums ganz zu erlöschen. Angesichts der massiven Gewalt hat die große Mehrheit der geflohenen Christen keine Hoffnung mehr, in ihr Heimatland zurückzukehren. Letzte Woche haben die europäischen Justizund Innenminister beschlossen, die am schlimmsten verfolgten irakischen Flüchtlinge in Europa aufzunehmen. Das ist ein Verdienst von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, dem ich ausdrücklich danke, und ein großer Erfolg für die Menschenrechtspolitiker der Großen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(A) )


(B) )


Ein weiteres Thema der Schande ist der Sklavenhan-
del. Der Handel mit der Ware Mensch bringt den Betrei-
bern auf dem globalen Markt hohen Gewinn. Er ist ein
profitables Geschäft des internationalen organisierten
Verbrechens, vergleichbar nur noch mit Drogen- und
Waffenhandel. Dabei ist die Ware, von der hier die Rede
ist, immer wieder verwendbar und mit geringem Auf-
wand zu beschaffen. Dieser Gedankengang zeigt, wie
abgrundtief menschenverachtend das Geschäft mit Men-
schen weltweit betrieben wird. Ich betone: heute und
weltweit. Auch Deutschland ist ein Zielland dieses Han-
dels.

Am 2. Dezember wird alljährlich der Internationale
Tag für die Abschaffung der Sklaverei begangen. Skla-
verei bzw. der Besitz von Menschen und der Handel mit
Menschen sind auch hier wiederum keine leeren Be-
griffe der Geschichte. Sie sind Synonym einer Vielzahl
entsetzlicher Tragödien, und zwar auch wiederum heute.

Ein wesentliches Feld des Sklavenhandels betrifft
Frauen. Ihrer Würde und Selbstbestimmung beraubt
und mit falschen Versprechungen gelockt, um ihrer Ar-
mut zu entkommen, erreichen zumeist junge Frauen den
verheißungsvollen Westen. Sie sehen sich statt eines
wirtschaftlichen Aufstiegs jedoch der grauenvollen Tat-
sache von Vergewaltigung, des Zwangs zur Prostitution
oder der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft ausgesetzt.

12,3 Millionen Sklaven weltweit: Von dieser Zahl
geht Terre des Hommes heute aus. Namhafte Autoren
wie Benjamin Skinner oder Becky Cornell sprechen so-
gar von 27 Millionen versklavten Menschen. Eines ist si-
cher: Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit
gab es mehr Sklaven als heute. Jeder von ihnen ist zu-
tiefst in seinen Menschenrechten verletzt. Die meisten
können sich aus ihrer Zwangslage nicht selbst befreien.
Deshalb müssen wir nicht nur über dieses Problem re-
den, sondern versuchen, es aus der Welt zu schaffen.

Auch in Deutschland leben zahllose Zwangsprostitu-
ierte, die den Menschenhändlern hilflos ausgeliefert
sind. Wir müssen Mittel und Wege finden, um diesen
barbarischen Geschäftemachern das Handwerk zu legen.

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(C (D ch bitte unsere Innenpolitiker – ich weiß, sie arbeiten aran –, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die sind nicht hier, Frau Steinbach! Wo ist Herr Grindel?)


öglichkeiten zu schaffen und Maßnahmen zu ergrei-
en, damit das machbar ist. Wir müssen der Sklaverei ein
nde bereiten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619403000

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1619403100

Ich bin gleich zu Ende; danke schön.

In diesem Jubiläumsjahr für Menschenrechte können
ir feststellen: Es ist gut, dass die Allgemeine Erklärung
er Menschenrechte vor 60 Jahren aus der Taufe geho-
en wurde, damit das Bewusstsein für Menschenrechte
eschärft wird. Wir müssen aber auch feststellen, dass
enschenrechte auf diesem Erdball immer noch nicht

elbstverständlich sind. Vor uns liegt noch ein weiter
eg. Aber wir wollen und wir müssen diesen Weg auch

ehen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619403200

Das Wort erhält nun der Kollege Burkhardt Müller-

önksen für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Burkhardt Müller-Sönksen (FDP):
Rede ID: ID1619403300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und

ollegen! Menschenrechte, die universellen und unteil-
aren Rechte eines jeden Menschen, verbinden uns welt-
eit. Menschenrechte sind kein Luxus, nein, sie haben
öchste Priorität. Um es noch deutlicher zu sagen: Men-
chenrechte sind die Grundlage all unseres politischen,
irtschaftlichen und sozialen Handelns. Zumindest soll-

en sie das sein.


(Beifall bei der FDP)


Wir sind uns sicherlich darin einig, dass die Men-
chenrechte einer der größten Erfolge sind und gleich-
eitig eine diffizile Herausforderung der Menschheit
arstellen. Insbesondere der 60. Jahrestag der Allgemei-
en Erklärung der Menschenrechte erinnert uns wieder
aran.

Nach der globalen Katastrophe des Zweiten Weltkrie-
es einigten sich die Länder in einem harten Ringen auf
ine rechtliche Wertebasis, die Allgemeine Erklärung
er Menschenrechte. Heute, 60 Jahre später, kommt mit
ieser Großen Koalition, auch nach langem und hartem
ingen, ein interfraktioneller Antrag „Die Allgemeine
rklärung der Menschenrechte – Grundlage für 60 Jahre

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 20999


(A) )



(B) )


Burkhardt Müller-Sönksen
Menschenrechtsschutz“ – zustande. Es ist bedauerlich,
dass dieser so wichtige Antrag nach internen Streitereien
der Koalition fast nicht zustande gekommen wäre.


(Beifall bei der FDP – Christoph Strässer [SPD]: Dank Ihrer Hilfe hat es noch geklappt!)


Es ist leider symptomatisch, dass mit dieser Regie-
rung nur der kleinste gemeinsame Nenner möglich ist


(Erika Steinbach [CDU/CSU]: Aber nicht mit der Linken zusammen!)


und die wichtige große Linie aus den Augen verloren
wird.

Die SPD vertrat die Position, dass etwaige Vorbehalte
in den Menschenrechtsverträgen national wie internatio-
nal zurückgenommen werden sollten. Unionspolitiker
haben darauf sehr aufgeregt reagiert. Schließlich könnte
die Bundesregierung auf ihr Wort festgenagelt werden
und am wunden Punkt, den Vorbehalten gegenüber der
VN-Kinderrechtskonvention, kritisiert werden. Wo
aber bleiben in diesem Gezerre der Mensch und die
Rechte eines jeden Menschen?


(Beifall bei der FDP – Christoph Strässer [SPD]: Lesen Sie mal den Antragstext!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir als FDP-Bun-
destagsfraktion sind enttäuscht über die Defizite, die die
Menschenrechtspolitik dieser Großen Koalition hat.


(Beifall bei der FDP)


Diese zeigen sich unter anderem im Mangel am politi-
schen Willen zur Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls
zur Europäischen Menschenrechtskonvention.


(Christoph Strässer [SPD]: Das sagt die FDP!)


Wie die FDP-Bundestagsfraktion in ihrem Antrag bereits
vor mehr als zwei Jahren forderte, muss Deutschland das
12. Zusatzprotokoll zur EMRK auch ratifizieren. Nur als
Erstunterzeichner zu glänzen, ist Augenwischerei. Eine
Neugestaltung des Diskriminierungsverbotes, wie es
das 12. Zusatzprotokoll explizit fordert, ist die zeitge-
mäße politische Antwort – ich zitiere, Herr Kollege
Strässer, aus dem FDP-Antrag auf Drucksache 16/3145 –
„im Kampf gegen Rassismus und Intoleranz und bei der
Gleichstellung von Mann und Frau“.


(Christoph Strässer [SPD]: Dann stimmen Sie demnächst also auch dem Antidiskriminierungsgesetz zu, Herr Kollege? Machen Sie das mal!)


Der Menschenrechtsbericht der Bundesregierung zeigt
zwar, dass im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft eine
beeindruckende Bandbreite von Menschenrechtsthemen
angesprochen worden ist. Aber der Bericht strotzt nur so
vor Lücken.

Ein prägnantes Beispiel ist die Zentralasienstrategie
vom 8. Januar 2007. Selbstverständlich ist der Ausbau
des politischen Dialogs mit der Region, insbesondere zu
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten,
zu begrüßen. Aber wie ist dies mit dem skandalösen po-
litischen Verhalten der Bundesregierung zur Menschen-

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(C (D echtssituation in Usbekistan in Einklang zu bringen? ie Repressionen hören nicht auf. Die Rücknahme der U-Sanktionen gegen Usbekistan – auch dank Ihrer Un erstützung – ist ein völlig falsches Zeichen: (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


in falsches Zeichen für die Menschen – denn deren Leid
leibt unerkannt und unbeachtet –, für die usbekische
egierung – denn sie ist in ihrer menschenverachtenden
olitik bestärkt worden – und weiterhin für alle, die an
enschenrechte glauben; denn die Bundesregierung und

ie EU haben sich erneut in ihrer Machtlosigkeit und
idersprüchlichkeit gegenüber dem usbekischen Re-

ime selbst entkräftet.

In schriftlichen Fragen an die Bundesregierung for-
erten wir zur Aufklärung auf, warum ein mutmaßlicher
erantwortlicher für das Massaker in Andischan von of-

izieller Seite nach Deutschland eingeladen wurde. Man-
he Quellen vermuteten sogar eine Einladung durch den
undesnachrichtendienst. Die Antwort der Bundesregie-

ung ist substanzfrei.


(Dirk Niebel [FDP]: Wie fast immer!)


eitgleich wurden Regimekritiker nach Folterungen zu
ahrelangen Haftstrafen verurteilt. Wie konnte die
hance, auf das Regime in Taschkent einzuwirken, auf
iese Weise durch die Politik der Großen Koalition zu-
ichtegemacht werden?! Es ist ein – zumeist ist das so-
ar wörtlich zu nehmen – Schlag in die Gesichter der
enschenrechtsverteidiger, zum Beispiel der Menschen-

echtsverteidigerin Frau Umida Niazova. In einem per-
önlichen Gespräch berichtete mir die usbekische Jour-
alistin, wie sie und weitere Aktivistinnen unter Druck
esetzt und gefoltert wurden. Sie wollte nur wissen, wa-
um am 13. Mai 2005 in Andischan Hunderte Unschul-
ige von der Regierung ermordet wurden. Nehmen Sie
hre eigenen Versprechen in der Menschenrechtspolitik
rnst und machen Sie es uns als Opposition nicht so ein-
ach, Ihre Wortblasen wie in der Antwort auf die Große
nfrage zur Menschenrechtsbilanz zu entlarven!


(Beifall bei der FDP)


Ein weiteres Thema, das uns als FDP-Bundestags-
raktion am Herzen liegt, ist die Herausforderung der
echtsstaatlichkeit in Zeiten des Terrorismus. Lassen
ie uns nicht immer auf andere Länder schauen und de-
en vorschreiben, wie sie Menschenrechte und Rechts-
taatlichkeit zu achten haben,


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das haben Sie bisher die ganze Zeit gemacht!)


ondern lassen Sie uns schauen, was wir selbst tun kön-
en! Wir haben als Erste gefordert, dass bei Überstel-
ung von Verhafteten im Ausland eine rechtsstaatskon-
orme Behandlung durchgeführt werden soll. Dass dies
in wichtiges und drängendes Problem darstellt, zeigt
ie sofortige Umsetzung unserer Forderungen in einen
efehl der Bundeswehr. Leider hat dieser ein wesentli-
hes Manko: Nach der Übergabe der Gefangenen sind
eine Kontrollen über eine rechtsstaatskonforme Be-
andlung mehr vorgesehen. Wir fordern Kontrollen auch

21000 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Burkhardt Müller-Sönksen
nach der Übergabe, um die rechtsstaatliche Behandlung
von Gefangenen zu gewährleisten; denn bei internationa-
len Friedenmissionen kommt es in einer Übergangsphase
auch zu Verhaftungen von Personen durch internationale
Streitkräfte. Im Rahmen der deutschen Beteiligung an
solchen Missionen wie etwa im Kosovo oder in Afgha-
nistan werden solche Verhaftungen auch von Angehöri-
gen der Bundeswehr vorgenommen. Zudem wirkt die
Bundeswehr an Verhaftungen durch Stellen anderer Na-
tionen mit. Von der Bundeswehr festgenommene Perso-
nen werden anschließend regelmäßig den zuständigen
örtlichen Behörden überstellt. An Informationen über
deren weiteren Verbleib oder deren weitere Behandlung
fehlt es bisher. Entscheidend ist, welchen Sicherungen
diejenigen Menschen unterliegen, die deutsche Stellen in
den Gewahrsam anderer Staaten überstellen bzw. an de-
ren Ingewahrsamnahme oder Inhaftierung deutsche Stel-
len maßgeblich beteiligt sind.

An dieser Stelle möchte ich auf einen anderen wichti-
gen Aspekt zu sprechen kommen: die Achtung rechts-
staatlicher Verfahren in der Terrorismusbekämpfung.
Der internationale Terrorismus stellt eine ernste Bedro-
hung für die Sicherheit dar, auch in Deutschland. Der
Rechtsstaat muss dem Terrorismus mit aller Konsequenz
entgegentreten. Jedoch muss sich der Rechtsstaat treu
bleiben und die eigenen rechtsstaatlichen Grundsätze be-
achten. Auf der Ebene der Vereinten Nationen wird zur
Terrorismusbekämpfung ein Listungsverfahren durch-
geführt, welches sich gegen Organisationen wie al-Qaida
oder die Taliban richtet. Die EU übernimmt die Listung
der UNO. Dabei besteht für Personen, die von diesem
Listungsverfahren erfasst werden, keinerlei Rechts-
schutz. Leider sind in der Vergangenheit aufgrund von
Namensverwechslungen auch unbescholtene Bürger auf-
gelistet worden und mussten unter den Sanktionen lei-
den. Deutschland muss daher gemeinsam mit den euro-
päischen Partnern auf UNO-Ebene darauf drängen, dass
diese Defizite im Rechtsschutz beseitigt werden. Die EU
hat daneben ein eigenes Listungsverfahren, von dem Or-
ganisationen wie die ETA oder die IRA erfasst werden.
Bei diesem europäischen Listungsverfahren existiert je-
doch ein funktionierender Rechtsschutz. Dies belegt,
dass effektive Terrorbekämpfung auch mit den Mitteln
des Rechtsstaats möglich ist.


(Christoph Strässer [SPD]: „Nur“, nicht „auch“! Das machen wir die ganze Zeit!)


– Ich übernehme das gerne: nur mit den Mitteln des
Rechtsstaates. – Es ist dringend erforderlich, auf UNO-
Ebene die bestehenden Mängel abzustellen. Die FDP hat
dazu einen konstruktiven Antrag vorgelegt, Herr Außen-
minister.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619403400

Für die Bundesregierung spricht nun der Bundes-

minister des Auswärtigen, Frank-Walter Steinmeier.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des uswärtigen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeord eten! Die Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung er Menschenrechte vor 60 Jahren war in der Tat ein Sinal der Hoffnung für eine Welt, die nach dem Zweiten eltkrieg in Trümmern lag und deren Zukunft im Zei hen des Kalten Krieges ungewiss war. Heute leben wir n einer anderen Welt. Nicht nur Europa ist politisch geint und friedlich wie nie zuvor, sondern auch viele Läner, die 1948 noch unter kolonialer Herrschaft standen nd die von Armut und Unterentwicklung gekennzeichet waren. Viele von diesen Ländern haben einen eitsprung in die Moderne gemacht. Besonders in Asien aben Hunderte Millionen Menschen Zugang zu Wohltand – auf bescheidenem Niveau, aber immerhin – geunden. Wissen ist heute verfügbar, jederzeit und fast berall. Ich weiß natürlich, dass das noch keinen Schutz on Rechten garantiert, aber gleichwohl verändert das esellschaften; denn auch wo Zensur und Unterdrü kung nicht verschwunden sind – die gibt es in der Tat, rau Steinbach, in vielen Staaten –, leben die Menschen m Bewusstsein ihrer Möglichkeiten und klagen an, dass hnen Rechte verweigert werden. Mobilität, Information nd politische Aktion sind heute keine Privilegien mehr on Europäern und Nordamerikanern. Das ist die Veränerung, die ich meine. Nicht nur die Märkte der Welt wachsen zusammen, ondern auch die sozialen Schicksale der Menschen achsen zusammen. Vieles bedrängt uns, was vor 0 Jahren noch weit jenseits unseres Wahrnehmungsorizonts lag. Regionale Krisen finden globale Auferksamkeit, weil wir wissen, dass die Risiken kaum och Grenzen kennen und am Ende uns alle treffen. Die onsequenz daraus ist klar, es kann nur eine sein: Auf ie Globalisierung der Märkte muss eine echte politiche Globalisierung unter Einschluss der Durchsetzung er Menschenrechte folgen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619403500

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Beck?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
uswärtigen:
Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1619403600

Frau Beck.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Minister, sind Sie bereit, die Verpflichtung, die

ie eben formuliert haben, ernst zu nehmen und nach al-
en Kräften in Ihrem eigenen Haus durchzusetzen, und
nerkennen Sie die Verpflichtung gerade für ein weitent-
ickeltes Land wie Deutschland? Ich möchte erklären,
eshalb ich diese Frage stelle.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21001


(A) )



(B) )


Marieluise Beck (Bremen)


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Das ist auch dringend nötig!)


Ich habe mich in den vergangenen Monaten bemüht,
drei minderjährigen Kindern, deren Eltern als nach der
Genfer Konvention anerkannte Flüchtlinge seit sieben
Jahren in meinem Wahlkreis in Bremen leben, zu helfen,
das Recht der Familienzusammenführung, das ihnen
nach der Genfer Konvention zusteht, durchzusetzen.
Diese drei Kinder sind von deutschen Konsulaten inner-
halb von vier Jahren dreimal in das Kriegsgebiet Irak zu-
rückgeschickt worden, ohne dass ihnen auf irgendeine
Weise ein Weg aufgezeigt worden wäre, wie vielleicht
zu Recht offene Fragen hätten geklärt werden können.
Ich habe mich an die Leitung Ihres Hauses gewandt. Das
hat zunächst keine Folgen gehabt. Ich bin der festen
Auffassung, dass so etwas in unserem eigenen Land
– das müsste eine Selbstverpflichtung sein – nicht pas-
sieren darf und dass der Geist des Hauses, in dieser Ab-
teilung und auf der Leitungsebene, ein anderer sein
müsste.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Frau Abgeordnete, die in dem ersten Teil Ihrer Frage
enthaltene Unterstellung, dass sich das Auswärtige Amt
oder der Minister persönlich nicht ausreichend engagiert
um Menschenrechtsfälle kümmern, weise ich mit Ent-
schiedenheit zurück, und Sie wissen das.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir sind über Einzelfälle oft genug im Gespräch. Sie
wissen, dass wir in vielen Fällen Lösungen gefunden ha-
ben. Den besonderen Fall in Bremen werde ich ihn mir
gern persönlich noch einmal anschauen. Aber Rechts-
auskünfte kann ich von diesem Mikrofon aus nicht ge-
ben; das wissen Sie.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die internationalen Institutionen werden den Anfor-
derungen dieser Aufgabe – das ist meine Auffassung –
noch nicht gerecht. Das gilt insbesondere für den Men-
schenrechtsrat, über den wir in diesem Hohen Hause
schon verschiedene Male gesprochen haben. Es gibt ei-
nige hoffnungsvolle Ansätze. Immerhin hat sich am ver-
gangenen Dienstag gezeigt, dass der Menschenrechtsrat
in der Lage war, eine Resolution zur Situation im Ost-
kongo zu verabschieden. Damit hat der Menschenrechts-
rat in der vergangenen Woche gezeigt – was nicht oft ge-
nug geschieht –, dass er in der Lage ist, auch auf
tagesaktuelle Situationen wie die Menschenrechtsverlet-
zungen in Kivu schnell zu reagieren.

Wir brauchen Grundnormen, die uns für unsere Ar-
beit in der globalen Verantwortungspartnerschaft Orien-
tierung geben. Wir brauchen einen normativen Kom-
pass. Die universellen Menschenrechte sind für mich
– ich habe das an anderer Stelle gesagt – ein solcher
Kompass. Er gibt uns die Richtung an; aber er erspart
uns eben nicht die politischen Anstrengungen, dem Ziel

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(C (D leicher Rechte Schritt für Schritt näherzukommen. icht die Deklaration der Ansprüche ist unsere schwie igste Aufgabe, sondern die Arbeit daran, die Lücke zwichen Anspruch und Wirklichkeit zu schließen. Das war on Anfang an so, und das bleibt so. Unsere Erfahrung, die Erfahrung in Deutschland, ehrt uns: Menschenrechte sind notwendig. Aber sie ehrt uns auch: Bürgerrechte sind die härtere Währung er Menschenrechte. Der demokratische Rechtsstaat ist nentbehrlich, damit die Menschenrechte nicht nur Posulat sind, sondern unmittelbar einklagbares Recht weren. Deshalb will ich auch hier daran erinnern: Fünf onate nach der Allgemeinen Erklärung der Menschen echte erhoben die Mütter und Väter unserer Verfassung en Schutz der Grundrechte zum Auftrag staatlichen andelns. Wenn wir bald den 60. Geburtstag des Grundesetzes begehen, sollten wir nicht nur Geschichte feirn, sondern auch an die Gegenwart denken: Wir brauhen einen handlungsfähigen Staat, um gleiche Rechte urchzusetzen. Soziale Spaltung bedroht die Geltung on Menschenrechten. Die bürgerlichen Freiheitsrechte ind nur dann für alle erreichbar, wenn soziale Teilhabeechte hinzutreten. Dafür zu sorgen, ist unser gemeinsaer Auftrag in Europa. Europa darf nicht nur Markt ein; es muss auch ein soziales Europa sein, um seinen ürgerinnen und Bürgern gerecht zu werden. Respekt vor jedem einzelnen Menschen, Schutz seier unveräußerlichen Rechte, das ist ein elementarer feiler deutscher Politik. In den vergangenen zehn Jahen haben wir gemeinsam den Menschenrechtsschutz in iesem Land weiterentwickelt. Wir haben in der Tat die ertretung menschenrechtlicher Prinzipien in Deutsch and gestärkt: mit dem Beauftragten der Bundesregieung für Menschenrechte, mit dem Deutschen Institut für enschenrechte, mit der Vorlage eines nationalen ktionsplans für Menschenrechte. Außerdem haben wir das sollten wir nicht ganz vergessen – gemeinsam die uropäische Grundrechte-Charta auf den Weg geracht. Wir waren für den Vertrag über eine Verfassung ür Europa, der diese Charta enthält. uch wenn es am Ende nicht ganz so weit, also nicht zur uropäischen Verfassung, gekommen ist: Die Charta jeenfalls behält ihre Bedeutung. Wir stehen zu ihr. Sie ormuliert die politischen und sozialen Rechte, die Teil er europäischen Identität geworden sind. Mit unseren Partnern in der Europäischen Union treen wir im Übrigen auch für die weltweite Abschaffung er Todesstrafe ein. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


a Sie Usbekistan angesprochen haben, ein Land, in
em unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten zwei-
ellos unendlich viel zu tun ist: Ich persönlich habe mich
n Usbekistan intensiv für die Abschaffung der Todes-
trafe eingesetzt. Sie wissen, dass sie seit zwei Jahren

21002 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
nicht mehr vollstreckt wird und inzwischen auch recht-
lich abgeschafft ist.

Die Tatsache, dass wir gegenüber Usbekistan die
Sanktionen gelockert haben – diesen Vorwurf werden
wir sicherlich gleich von der grünen Seite hören –, hängt
schlicht und ergreifend damit zusammen, dass wir auf
Benchmarks gesetzt haben. Die Abschaffung der Todes-
strafe gehört dazu ebenso wie die Kontaktaufnahme mit
dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, um Zu-
gang zu den Gefangenen zu erreichen. Das ist in be-
grenztem Maße geschehen. Insofern verstehen Sie bitte
die europäischen Entscheidungsfindungen gegenüber
Usbekistan.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich komme zum Ende. Wir setzen uns nicht nur für
die rechtliche Abschaffung der Todesstrafe ein – das ist
unter Menschenrechtsgesichtspunkten wichtig –, son-
dern wir haben uns gemeinsam mit Italien und anderen
auch dafür eingesetzt, dass sich in diesem Jahr die
Vereinten Nationen zum ersten Mal für ein Hinrich-
tungsmoratorium einsetzen. Das ist der Erfolg der star-
ken gemeinsamen Stimme Europas, ohne die das nicht
gelungen wäre.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum allerletzten Punkt. Natürlich gilt es auch, den
politischen Druck zur Anerkennung und Durchsetzung
von Frauen- und Kinderrechten zu erhöhen; Frau
Steinbach hat darauf schon hingewiesen. Die Rück-
nahme des deutschen Vorbehalts gegen die UN-Kinder-
rechtskonvention ist aus meiner Sicht überfällig.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb appelliere ich an alle, die im Bundesrat die
Möglichkeit haben, dazu ihre Stimme zu erheben. Ich
finde, der 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der
Menschenrechte wäre ein guter Anlass, diesen Schritt
jetzt zu tun.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619403700

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Wolfgang

Gehrcke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619403800

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte war
wie die Gründung der Vereinten Nationen selbst eine
Antwort auf den deutschen Faschismus, auf den Völ-
kermord an den europäischen Jüdinnen und Juden, auf

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(C (D en Vernichtungskrieg der Wehrmacht, auf die Verfolung auch der eigenen Bevölkerung. Der Satz „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ st der Geist der Allgemeinen Erklärung der Menschenechte. Deswegen darf man hier nicht nur allgemein von riegsende oder Nachkriegszeit sprechen, sondern muss uch präzise sagen: Der deutsche Faschismus und der rieg, den er verantwortet, waren der Ausgangspunkt afür; das möchte ich hier klarstellen. Ich bitte Sie sehr: Es lohnt sich, insbesondere die roßartige Präambel der Allgemeinen Erklärung noch inmal zu lesen. Ich darf einige Sätze daraus zitieren, zuächst diesen: … da die Nichtanerkennung und Verachtung der Menschenrechte zu Akten der Barbarei geführt haben, die das Gewissen der Menschheit mit Empörung erfüllen … ie wahr, kann man heute nur dazu sagen. Ich möchte eiter aus der Präambel zitieren, wo es um den Schutz urch die Stärke des Rechtes geht: … die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen … ine wunderbare Formulierung: Hier beruft man sich auf ie Gemeinschaft der Menschen, nicht auf die Gemeinchaft der Staaten. Das ist eine großartige Vision, für die s sich lohnt, zu arbeiten und zu kämpfen. Das ist auch ötig, denn die Menschenrechte sind vielfach und draatisch noch uneingelöst: in der Welt und auch in unse em eigenen Land. Ich möchte gerne, dass wir auch über nser eigenes Land reden und nicht nur auf die Welt bliken, obwohl das sehr notwendig ist. Es ist ein schwerer Verstoß gegen das Recht auf Leen, wenn Menschen in der Welt hungern und hundertausendfach verhungern, wenn sie von Massenkrankheien dahingerafft werden. Es ist die Ungerechtigkeit der etzigen Weltwirtschaftsordnung, die Teile unserer geeinsamen Welt verarmen und verhungern lässt. Wir als inke nehmen nicht hin, dass das Brot der Armen zum raftstoff für die Autos der Reichen wird. ir nehmen nicht hin, dass saubere Luft und sauberes asser privatisiert und – was das Wasser angeht – zum uxusgut gemacht werden. Auch das gehört zu den Menchenrechten, und auch darüber müssen wir hier reden. Wenn Menschenrechte universell gelten und, wie wir lauben, unteilbar sind, dann müssen wir gegen diese ngerechte Weltordnung kämpfen. Nicht nur wir als inke, sondern viele Gruppen, Initiativen, Kirchen und ewerkschaften setzen sich engagiert für eine gerechtere erteilung der Güter und für gleiche Teilhabe ein. Wir einen deshalb, die wirtschaftlichen Machtzentren die er Welt dürfen nicht in den Händen der G 8 oder der Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21003 Wolfgang Gehrcke G 20 liegen und die militärischen Machtzentren nicht in den Händen der NATO, sondern sie müssen wieder in die Vereinten Nationen und ihre Unterorganisationen zurückverlagert werden. Menschenrechte und Krieg sind Gegensätze. Im Frieden haben Menschenrechte eine Chance; im Krieg verkümmern sie. Bereits die Drohung mit Krieg und die Existenz von Massenvernichtungswaffen wie Atombomben gefährden das Menschenrecht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Das gilt für den Einzelnen wie auch für die gesamte Menschheit. Das hat Willy Brandt prägnant mit dem Satz beschrieben: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“ Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Die Kriege in Afghanistan und im Irak belegen: Es gibt keine humanitären Militärinterventionen. Um der Menschenrechte willen müssen diese Kriege beendet werden. Auch das muss man einmal ganz deutlich sagen. Wenn wir über Menschenrechte und über die Geschichte der Menschenrechte nachdenken, lohnt es sich, auf die ersten Initiativen während der Französischen Revolution aufmerksam zu machen. Damals waren Sklaven und Frauen ausgeschlossen. Heute sind alle eingeschlossen. Das ist ein bedeutsamer, ein ganz wichtiger Fortschritt. Wir wissen aber auch, dass Anspruch und Realität noch weit auseinanderklaffen. Nehmen wir zum Beispiel die Frauenrechte. Ich denke, dass Frauenrechte Menschenrechte sind. (Christoph Strässer [SPD]: Das ist aber eine gute Erkenntnis!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


– Lassen Sie uns doch einmal sehr konkret darüber re-
den!


(Zuruf von der SPD: Alle Achtung!)


Wenn in unserem Land jede fünfte Frau Gewalt erleidet,
dann muss der Deutsche Bundestag feststellen, dass hier
Menschenrechte verletzt werden. Das muss Konsequen-
zen haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist doch furchtbar, dass Vergewaltigungen heute nicht
mehr nur individuelle Verbrechen sind. Sie werden im
Krieg wie Bomben und Gewehre als Kriegsmittel einge-
setzt. Auch hier muss es einen großen Protest geben und
eine harte Haltung dagegen durchgesetzt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Krieg verrohen Menschen. Das müssen wir begrei-
fen.

Ich denke auch, dass wir darüber reden müssen, dass
oftmals soziale und politische Menschenrechte gegen-
einander abgewogen und hierarisch gewichtet werden.
Das trifft auch auf mich zu; ich sage das sehr offen. Die
Schale Reis für den Hungernden und der Arzt, der die
Kranken behandelt, standen und stehen mir besonders

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(C (D ah. Aber ich habe gelernt und sage mir: Der Hungernde raucht die Schale Reis zum Überleben, und er braucht emokratie und Pressefreiheit, um für sein Überleben zu ämpfen. eswegen gehören individuelle, kollektive, soziale und reiheitsrechte zusammen. Sie bilden einen politischen omplex, für den man kämpfen muss. Ein großer Gedanke über die Menschenrechte findet ich in unserem Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. s heißt „die Würde des Menschen“ und nicht „die ürde des Deutschen“. Ich bitte Sie, darüber nachzu enken. Dieses Recht muss also auch für Flüchtlinge nd Asylbewerber in unserem Land gelten, die vielfach iskriminiert werden. In unserem Land müssen soziale Rechte und das echt auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit auch für rauen gelten. 23 Prozent der Frauen erhalten einen eringeren Lohn im Vergleich zu ihren männlichen Kolegen. Existenzsichernde Löhne sind bereits in der Allemeinen Erklärung der Menschenrechte enthalten. indestlöhne und soziale Absicherung gehören also n unserem Land durchgesetzt. e besser wir in unserem Land Menschenrechte in dieem umfassenden Sinne verwirklichen, desto glaubwüriger können wir in der Welt für Menschenrechte agieen. Zum Abschluss noch eine Bitte. Ich würde mich reuen, wenn wir das gemeinsam herüberbringen können. Der vorliegende Antrag der vier Fraktionen enthält iel Wichtiges; aber er schweigt auch zu wichtigen unkten. Das habe ich hier angesprochen. Deswegen haen wir einen eigenen Antrag eingebracht. Ich würde ich sehr freuen, wenn diese Bundestagssitzung dem euen Präsidenten der USA deutlich machte, dass uantánamo schnellstens aufgelöst und die Menschen reigelassen werden müssen. (Christoph Strässer [SPD]: Das haben wir schon gesagt!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Man kann das nicht oft genug sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


an kann nicht über Menschenrechte diskutieren, ohne
uf diese Wunde aufmerksam zu machen.

Ebenso müssen wir uns klar zur Todesstrafe, egal wo
n der Welt sie angewandt wird, äußern. Wir müssen
eutlich machen, dass wir sie ablehnen und verurteilen.


(Holger Haibach [CDU/CSU]: Der Außenminister hat es eben gesagt! – Hartwig Fischer 21004 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Wolfgang Gehrcke [Göttingen] [CDU/CSU]: Das ist doch längst beschlossen im Bundestag als Anregung!)


(A) )


(B) )


Wir wollen, dass die Todesstrafe nicht nur ausgesetzt,
sondern abgeschafft wird. Man kann einige Normen – –


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619403900

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619404000

Herzlichen Dank für Ihre Geduld.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619404100

Das Wort hat der Kollege Volker Beck für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619404200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einer

Debatte über 60 Jahre Allgemeine Erklärung der Men-
schenrechte sollten wir nicht so sehr in den Vordergrund
stellen, was wir beklagen können, oder uns mit großarti-
gen Worten aufhalten, sondern wir sollten uns in erster
Linie damit befassen, was wir in der Bundesrepublik
Deutschland in den verschiedenen Politikbereichen kon-
kret tun können, um die Menschenrechte zu stärken.

Ich beginne mit der Diskussion über den Antrag. Zu-
nächst hatten wir unter den Menschenrechtspolitikern ei-
nen gemeinsamen Text. Dann kam jedoch ein Abgeord-
neter aus der Arbeitsgruppe der Innenpolitik der CDU/
CSU, Herr Grindel,


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist der eigentlich?)


und plötzlich war der gemeinsame Text nicht mehr auf-
rechtzuerhalten. Worum ging es? Es ging allein um die
Vorbehalte zur Kinderrechtskonvention. Das zeigt
deutlich, dass es an diesem Tag nicht nur um große
Worte geht, sondern auch um ganz konkrete Taten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christoph Strässer [SPD]: Sie müssen mal den Antrag lesen!)


Bei den Vorbehalten zur UN-Kinderrechtskonvention
geht es letztendlich um die Rechte der 16- bis 18-jähri-
gen Flüchtlinge, die von uns wie Erwachsene behandelt
werden mit der Folge, dass sie in Gemeinschaftsunter-
künften untergebracht werden, dass sie in Abschiebehaft
kommen und dergleichen mehr. Das würde die Kinder-
rechtskonvention eigentlich verbieten, wenn sie bei uns
ohne Vorbehalte gelten würde. Dazu sollten wir uns
heute bekennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde es paradigmatisch, dass die Integrations-
und Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung an die-
ser Debatte nicht teilnimmt. Sowohl die Diskussion über
den Antrag als auch die Präsenz der Bundesregierung bei
dieser Debatte machen deutlich, was die Menschen-
rechte der Flüchtlinge manchen Leuten, die dafür zu-
ständig sind, tatsächlich wert sind.


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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Aber der Menschenrechtsbeauftragte ist doch da!)


Ja. Aber die Flüchtlingsbeauftragte hat bei einer sol-
hen Debatte ebenfalls anwesend zu sein, weil es ganz
onkret um die Menschenrechte von Flüchtlingen in
eutschland geht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber ich will an dem Antrag nicht nur mäkeln; denn
ir haben auch etwas erreicht, und das ist ein Fortschritt,
en wir gemeinsam hinbekommen haben. Erstmals be-
ennt ein Dokument der Mehrheit des Deutschen Bundes-
ges auch die Yogyakarta-Prinzipien, die die Menschen-

echte im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung
ahren. Da das keine Selbstverständlichkeit ist, will ich
as würdigen. Wie hochaktuell das ist, sieht man daran,
ass der UN-Nuntius, der Botschafter des Vatikans bei
en Vereinten Nationen, Erzbischof Celestino Migliore,
n dieser Woche die französische Regierung dafür kriti-
iert, dass sie mit Unterstützung aller Nationen, die Mit-
lied der Europäischen Union sind, einen Antrag vorbe-
eitet hat, in dem gefordert wird, dass endlich auch die

enschenrechte von Homosexuellen zu wahren sind,
ass Homosexuelle zu schützen sind vor gewalttätigen
bergriffen, vor strafrechtlicher Verfolgung und vor der
odesstrafe. Und was fällt dem Nuntius dazu ein? Er
agt, wenn das verabschiedet würde, würden neue, uner-
ittliche Diskriminierungen geschaffen. Zu Recht sind
ie Schwulen und Lesben in der Welt darüber aufge-
racht. Am Samstag wird es in Rom eine große Demon-
tration gegen den Vatikan geben. Denn es ist an der
eit, dass die Menschenrechte von Homosexuellen auch
urch den Vatikan anerkannt werden. Wer für Glaubens-
reiheit ist, muss auch die negative Glaubensfreiheit re-
pektieren; das heißt, man muss sein Leben auch anders
ühren können, als es der Vatikan für von Gott gewollt
ält. Deshalb muss man sich gegen Diskriminierung, ge-
en Gewalt und gegen strafrechtliche Verfolgung in die-
en Fällen wenden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


Einen weiteren Punkt möchte ich konkret ansprechen;
uch damit haben wir uns heute zu befassen. Der Men-
chenrechtsbeauftragte der Bundesregierung hat zum
hema Guantánamo – wir alle hier im Hause sind uns
arin einig, dass Guantánamo geschlossen werden
uss – gesagt: Die Schließung Guantánamos darf nicht

aran scheitern, dass niemand die Häftlinge aufnimmt.


(Christoph Strässer [SPD]: Richtig!)


s gibt in Guantánamo eine Reihe von Häftlingen, über
ie die US-Regierung sagt: Sie sind unschuldig; sie ha-
en nichts getan. Wir haben uns geirrt. Wir haben sie
estgenommen und die Falschen erwischt. Sie gehören
igentlich auf freien Fuß. Wir wissen aber nicht, wohin
it ihnen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21005


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Volker Beck (Köln)

Dazu gehört zum Beispiel die Gruppe der Uiguren
aus China, die in China verfolgt werden. Ich meine, im
Sinne der Meinung des Menschenrechtsbeauftragten der
Bundesregierung sollten wir heute beschließen, dass sich
Deutschland bereit erklärt, die uigurischen Gefangenen
aus Guantánamo aufzunehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619404300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Steinbach?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619404400

Mit großem Vergnügen.


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1619404500

Herr Kollege Beck, sind Sie nicht mit mir der Auffas-

sung, dass das Land, das die Menschen unschuldig ein-
gesperrt hat, auch dafür zu sorgen hat, dass diese Men-
schen, wenn sie nicht in ihre Heimat zurückkönnen, in
den Vereinigten Staaten aufgenommen werden und nicht
in alle Welt abgeschoben werden?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619404600

Frau Kollegin Steinbach-Hermann, ich bin ausdrück-

lich nicht mit Ihnen dieser Auffassung, sondern ich bin
der Auffassung des Menschenrechtsbeauftragten der
Bundesregierung, der meines Wissens auch der CDU an-
gehört, dass Deutschland und Europa, wenn sie es ernst
damit meinen, dass Guantánamo geschlossen werden
muss, auch einen Beitrag dazu leisten müssen. Gu-
antánamo wird nicht geschlossen werden können, wenn
wir nicht bereit sind, hier gemeinsam zu handeln.

Frau Merkel, Ihre Bundeskanzlerin, hat seit Monaten
eine Liste mit diesen Gefangenen auf dem Tisch. Ich er-
warte, dass die Bundesregierung diese Prüfung voran-
treibt und gemeinsam mit anderen europäischen Natio-
nen hier einen aktiven Beitrag leistet; denn ansonsten ist
es verlogen, wenn wir nicht bereit sind, an diesem Punkt
auch zu helfen.

Frau Steinbach, was machen 10 oder 20 Gefangene
aus, die wir hier aufnehmen? Das verändert nichts, aber
wenn es hilft, Guantánamo zu schließen, dann ist das für
den Westen und seine Menschenrechtspolitik von ganz ent-
scheidender Bedeutung. Abu Ghureib und Guantánamo:
Das ist die Achillesferse des Westens in der weltweiten
Diskussion über die Menschenrechtspolitik,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


weil der Eindruck erweckt wird, wir würden das, was
wir von anderen – von Russland, von China, von Usbe-
kistan – jederzeit zu Recht erwarten, selber nicht umset-
zen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Herr Kollege, Frau Steinbach-Hermann möchte gerne achfragen. Erlauben Sie das? Natürlich, der Frau Steinbach-Hermann kann ich in er Regel nichts abschlagen. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Erika Steinbach [CDU/CSU]: Ach, Herr Beck! Meine Güte! – Burkhardt MüllerSönksen [FDP]: Das steht jetzt im Protokoll!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619404700
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619404800


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619404900

Sehr großzügig. – Frau Steinbach.


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1619405000

Herr Kollege Beck, halten Sie es für richtig, dass ein

and, das Unrecht begangen und Menschen unschuldig
ingesperrt hat, am Ende davonkommt? Natürlich haben
ie recht: Es ist überhaupt kein Problem, dass wir 10
der 14 Menschen aufnehmen. Die Vereinigten Staaten
aben sie aber eingesperrt, und sie sollen sie bitte schön
uch aufnehmen. Für sie ist das auch kein Problem.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619405100

Frau Steinbach, geschätzte Frau Kollegin, ich finde,

ir sollten nicht den Fehler machen, auf dem Rücken
er Gefangenen, auf dem Rücken unschuldiger Men-
chen, die dort seit Jahren einsitzen, ihre Gefangenschaft
u verlängern, indem wir jetzt auf hartherzige Recht-
aberei setzen,


(Erika Steinbach [CDU/CSU]: Das ist keine Rechthaberei)


ondern wir müssen an einer Entspannung der Situation
nteressiert sein und dazu einen entsprechenden Beitrag
eisten.

Ich bin über die antiamerikanischen Töne aus dem
und einer CDU-Politikerin erstaunt.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das ist nicht antiamerikanisch!)


ch nehme das mit Interesse zur Kenntnis. Die Welt be-
indet sich ja stetig im Wandel. Ich finde aber, Sie sollten
ich einmal überlegen, was Ihre Position im Ergebnis
eißt: Das bedeutet nicht, dass Amerika sie aufnimmt,
ondern dass sie weiter in Guantánamo einsitzen. – Sie
üssen auch bedenken: Wenn Sie unseren Antrag heute

blehnen und damit auch Ihren Menschenrechtsbeauf-
ragten desavouieren sollten, dann tragen Sie damit
erantwortung dafür, dass diese Leute länger in Gu-
ntánamo einsitzen. Das sind dann auch Ihre Gefan-
enen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Jetzt ist er ein bisschen arrogant!)


Nächster Punkt. Herr Steinmeier hat sich ja ge-
ünscht, dass wir auch über Usbekistan reden. Ich er-
enne an, dass Usbekistan die Todesstrafe abgeschafft

21006 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Volker Beck (Köln)

hat. Wir waren mit einer Delegation des Menschen-
rechtsausschusses dort und haben uns genauso wie das
Auswärtige Amt und die Bundesregierung nachhaltig
dafür eingesetzt. Aber nach den Massakern von Andi-
schan hat die internationale Staatengemeinschaft Forde-
rungen an Usbekistan gestellt. Dazu gehören, wie Sie
richtig erwähnten, der Zugang des Internationalen Roten
Kreuzes zu den Gefangenen, aber auch der Zugang von
Menschenrechtsorganisationen in das Land, und dazu
zählt insbesondere, dass in Usbekistan eine Untersu-
chung der Vorfälle von Andischan vorgenommen wird.
Diese Untersuchung hat bis heute nicht stattgefunden.
Im Zusammenhang mit der letzten Resolution vor der
endgültigen Aufhebung der Sanktionen hat die Europäi-
sche Union in Brüssel erklärt, die Wiedereröffnung des
Büros zum Beispiel von Human Rights Watch sei eine
Conditio sine qua non für die Lockerung bzw. Aufhe-
bung der Sanktionen. Nichts ist geschehen; bis heute
durfte niemand hinein. Ebenso ist bei der Aufklärung
nichts geschehen.

Wenn wir, die europäischen Staaten, uns so an der
Nase herumführen lassen, dann erlangen wir nicht die
Achtung dieser Regime und deren Respekt; vielmehr
wissen sie, dass sie uns auf der Nase herumtanzen kön-
nen. Der Hintergrund dieser Geschichte ist doch klar:
Deutschland hat Interessen in Usbekistan, energiepoliti-
sche, aber auch militärpolitische, weil wir in Termes ei-
nen Militärflughafen haben, von dem aus wir unsere
Einsätze nach Afghanistan fliegen. Dieser Preis ist aber
zu hoch, zumal die Burschen in Usbekistan – da bin ich
mir sicher – auf das Geld von unserem Militärflughafen
in solchem Maße angewiesen sind, dass sie auch eine et-
was strengere Diskussion mit uns aushalten. Die Sank-
tionen zu liften, ist eine Sache; aber dann am nächsten
Tag, nachdem die Sanktionen aufgehoben sind, einen der
mutmaßlichen Schlächter von Andischan, den usbeki-
schen Minister für Staatssicherheit, Rustam Inojatow,
seitens des Bundeskanzleramtes in die Bundesrepublik
Deutschland einzuladen, das ist noch eine zweite Sache.
Meines Erachtens sind wir in solchen Punkten inkonsis-
tent. Ebenso frage ich mich, warum unsere Kleine An-
frage zu den Hintergründen dieses Besuchs seit Anfang
November von der Bundesregierung nicht beantwortet
ist. Da scheinen wir offensichtlich ins Schwarze getrof-
fen zu haben.

Meine Damen und Herren, ich nenne noch zwei
Punkte, an denen wir in der Menschenrechtspolitik kon-
kret etwas machen können. Es geht zum einen um fol-
gende Frage: Was machen wirtschaftliche Unternehmen,
transnationale Unternehmen weltweit? Wir sollten wie
die USA, die das in ihrem Recht haben, dafür sorgen,
dass derjenige, der Menschenrechte im Ausland verletzt,
von den Geschädigten hier, vor deutschen Gerichten, für
Schadenersatz in Anspruch genommen werden kann.


(Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE]: Das gilt aber auch für Deutsche!)


– Ja, das soll auch für Deutschland gelten.

Hätten Sie sich doch in Ihrem Antrag tatsächlich mit
den aktuellen menschenrechtspolitischen Fragen be-
schäftigt! Angesichts dessen, was Sie da aufgeschrieben

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(C (D aben – das möchte ich zum Schluss noch sagen –, achte ich gestern, Titanic hätte mir einen Antrag auf en Tisch gespült. Diese Art der Kombination rein binenpolitischer Anliegen ohne jedes Engagement für die enschenrechte im Ausland – 8,71 Euro Mindestlohn, bzug aller deutschen Militärbeobachter aus dem Aus and – zeigt, dass Sie mit Menschenrechten, mit der enschenrechtspolitik allein so umgehen, dass Sie sie ach folgendem Motto instrumentalisieren: Wo kann ich as Argument Menschenrechte in der innenpolitischen ebatte einsetzen? Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit. Hätten Sie nur für 0,71 Euro Gehirnschmalz für Ihren ntrag verwendet, dann wäre es ein guter Beitrag zu dieer Debatte gewesen. Ich bin für viele Punkte, die Sie dain aufgeschrieben haben, – Herr Kollege, die Redezeit ist schon lange überschrit en. – aber da fehlt das ehrliche Engagement, sich für enschenrechte einzusetzen, und das verlangt einfach uch Konsistenz, zum Beispiel beim Thema der Menchenrechte in Guantánamo (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann doch nicht wahr sein!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619405200
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619405300

(Zuruf von der CDU/CSU: Redezeit!)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619405400
Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619405500

nd um Guantánamo herum.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt ist es aber gut!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619405600

Nächster Redner ist der Kollege Christoph Strässer

ür die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1619405700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch halte es für sehr gut, dass wir hier so engagiert über
ieses Thema debattieren, denn das ist es wert. Aller-
ings gehört es auch zur Wahrheit, ein paar Dinge rich-
igzustellen, die hier gesagt worden sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Erste, lieber Kollege Gehrcke, will ich Ihnen ein-
ach nur einmal mit auf den Weg geben: Ich würde es be-
rüßen, wenn die Fraktion Die Linke ihre Mitarbeit im
usschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
ieder aufnähme.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21007


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Christoph Strässer
Sie weigern sich seit einiger Zeit, Sie sind nicht mehr da,
erklären aber dann dem Hohen Hause, dass Frauenrechte
Menschenrechte seien. Ich halte das für einen einigerma-
ßen zynischen Beitrag.


(Beifall bei der FDP)


Nachdem wir uns mehrfach und im Dutzend mit Resolu-
tionen des Europarats und mit VN-Resolutionen zur Ge-
walt gegen Frauen befasst haben, erklären Sie hier im
Jahre 2008, dass Frauenrechte Menschenrechte sind.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis! Sie ist
bei uns schon sehr, sehr lange vorhanden.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zwei Bemerkungen zum Kollegen Volker Beck: Ich
glaube, der Bundesaußenminister hat zur Kinderrechts-
konvention das politisch Nötige gesagt. Dafür herzli-
chen Dank. Das war aus unserer Sicht eine nötige politi-
sche Klarstellung.


(Beifall bei der SPD)


Ich gebe ja zu, dass auch ich erst später festgestellt
habe, dass das, was Sie mit Ihrem Änderungsantrag er-
reichen wollen, genau das Gegenteil von dem ist, was
Sie hier vorgetragen haben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unser vereinbarter Text!)


– Lieber Kollege Beck, zuhören und den Antrag lesen! –
Dieser Änderungsantrag beschäftigt sich nämlich gerade
nicht mit Vorbehaltserklärungen und der Umsetzungssi-
tuation im eigenen Land. Sie fordern vielmehr die Bun-
desregierung auf, die Umsetzung von Konventionen und
Zusatzprotokollen in bilateralen und multilateralen Ge-
sprächen mit anderen Regierungen voranzutreiben. Da-
mit würden wir genau das tun, was Sie eigentlich verhin-
dern wollen. Wir würden nämlich anderen Ländern
sagen: Ihr müsst bitte schön das, was wir bei uns nicht
umsetzen, tun. Das ist das Gegenteil von glaubwürdiger
Menschenrechtspolitik. Ich lehne deshalb diesen Antrag
nicht nur aus Koalitionsdisziplin, sondern auch, weil ich
davon überzeugt bin, dass er inhaltlich falsch ist, ab. Das
werden wir gleich tun. Ich glaube, das ist richtig.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619405800

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Beck?


Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1619405900

Aber immer doch.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619406000

Herr Kollege Beck, bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619406100

Damit wir hier bei der Textexegese wenigstens eine

gemeinsame Grundlage haben, frage ich Sie: Wären Sie
bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass in dem Änderungs-

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(C (D ntrag steht, dass die Bundesregierung beispielgebend orangehen soll, was voraussetzt, dass wir unsere Vorbealte zurücknehmen? Wörtlich heißt es: … die menschenrechtliche Normsetzung voranzutreiben, dabei selbst beispielgebend voranzugehen sowie in biund multilateralen Beziehungen auf die Ratifikation, die Rücknahme etwaiger Vorbehalte und die Umsetzung von Menschenrechtskonventionen und Zusatzprotokollen zu drängen; Das heißt: Zuerst sollen wir etwas tun, und nachdem ir es getan haben, sollen wir zu den anderen gehen und agen: Seht, wir haben es auch getan; schließt euch dieem Beispiel an. Wir wollen nicht, dass sich andere Länern dem schlechten Beispiel Deutschlands anschließen nd die Vorbehalte gegen die Kinderrechtskonvention ufrechterhalten. Ihr Vorgehen ist logisch nicht nachvollziehbar. Wir agen der Bundesregierung – dem stimmt die Koalition a zu –, sie soll beispielgebend vorangehen. Das ist Konens. Aber dann sagen Sie: Unabhängig davon, ob unkte in Deutschland umgesetzt worden sind oder icht, sollen wir nach außen gehen und sagen: Ihr müsst rotz alledem auch die Punkte umsetzen, die wir noch icht bearbeitet haben. Lieber Kollege Beck, das ist doch enau das Gegenteil von dem, was Sie eigentlich erreihen wollen. Ich bitte Sie dringend: Nehmen Sie den ntrag einfach zurück. Dann sind wir auf demselben iveau. Dann wird das eine gute Veranstaltung. Dabei leibt es. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Erika Steinbach [CDU/CSU] – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben schlichtweg nur Vorbehalte herausgestrichen!)

Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1619406200

Ein Weiteres will ich noch sagen: Lieber Kollege
eck, in der nächsten Sitzungswoche findet auf Antrag
er SPD-Fraktion eine große Anhörung zur extraterrito-
ialen Verpflichtung von Staaten in Konfliktsituationen
tatt. Wir haben gegen Ihre Stimme durchsetzen müssen,
ass in dieser Anhörung auch die Verpflichtungen von
nternehmen eine Rolle spielen. Diesen Antrag der SPD
aben Sie erst nicht unterstützt. Wir werden in dieser
nhörung genau dieses Thema, das Sie jetzt auch aufge-
riffen haben, ganz massiv betreiben und in den Vorder-
rund stellen. Da können Sie sicher sein. Es ist schön,
ass Sie sich jetzt unserem Antrag anschließen. Herzli-
hen Dank dafür. Das ist eine gute Entwicklung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben vorgeschlagen, dazu eine eigene Anhörung zu machen!)


Ich habe mir eigentlich etwas ganz Anderes aufge-
chrieben. Aber so ist das nun einmal in einer Debatte.
enn eine Debatte läuft, halte ich es für richtig, die
inge offen auszusprechen. Ich möchte allerdings noch

wei Dinge ansprechen, die mir sehr wichtig sind.

21008 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Christoph Strässer
Mehrfach ist angesprochen worden, dass die Umset-
zung der Menschenrechte, insbesondere in ihrer Univer-
salität, auf Probleme stößt; ich sage das einmal ganz zu-
rückhaltend. Ich will das aber auch mit einer Zahl
belegen: World Vision, eine der größeren international
arbeitenden Menschenrechtsorganisationen im Bereich
des Schutzes von Kinderrechten, hat im letzten Report
eine Zahl veröffentlicht, die erschreckt, nämlich dass
9,7 Millionen Kinder weltweit nicht älter als fünf Jahre
werden. Wenn man sich diese Dimension vor Augen
führt, dann wird aus meiner Sicht klar, und zwar auch
60 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Men-
schenrechte, was ein ganz wesentlicher Bestandteil un-
serer Forderungen sein muss: Da diese Kinder unter Ar-
mut und Krankheiten, die wir mit relativ geringen
Mitteln bekämpfen könnten, leiden, ist eine der ganz we-
sentlichen menschenrechtspolitischen Forderungen des
Deutschen Bundestages die Bekämpfung von Armut in
der Welt. Ich glaube, das ist ein ganz zentraler Punkt,
wenn man den Menschen in Afrika, in großen Teilen
Asiens und anderen Teilen der Welt ein menschenwürdi-
ges Leben unter der Herrschaft der Allgemeinen Erklä-
rung der Menschenrechte bereiten will. Das ist unsere
Kernforderung. Ich sage der Bundesregierung bzw. dem
BMZ ganz herzlichen Dank dafür, dass man diese Er-
kenntnis aufgenommen hat. Der Bundestag, dieses Hohe
Haus, sollte an dieser Stelle seine Absicht erklären, die
Bundesregierung dabei zu unterstützen und sie notfalls
auch anzutreiben, die Millennium Development Goals
auch wirklich bis 2015 umzusetzen. Das ist eine ganz
wichtige Aufgabe für uns in diesem Hause.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, der mir
sehr wichtig ist. Er betrifft die Umsetzung der indi-
viduellen Menschenrechte in ihrem Verhältnis zum
Völkerrecht. Die Allgemeine Erklärung der Menschen-
rechte war insofern ein Quantensprung, als darin nicht
nur festgestellt wurde, dass das Völkerrecht Staaten und
völkerrechtliche Subjekte bindet, sondern auch, dass die
individuellen Rechte der Menschen in den Ländern eine
Rolle spielen. Dies verändert ein Stück weit – dieser
Punkt ist in der aktuellen Debatte sehr wichtig – die Vor-
stellung von der absolut geltenden Souveränität der Staa-
ten.

Ein Punkt missfällt mir in Ihrem Antrag sehr, Herr
Gehrcke.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das verstehe ich!)


Ich stelle meine Ausführungen unter die Überschrift:
Responsibility to protect. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, keiner in diesem Hohen Hause ist der Auffassung,
dass man militärische Gewalt – wo auch immer – leicht-
fertig einsetzen darf. An erster Stelle müssen ohne jeden
Zweifel – das geschieht auch; ich bin der Bundesregie-
rung, dem Auswärtigen Amt und dem BMZ, auch dafür
dankbar – Pläne zur zivilen Krisenprävention und zur zi-
vilen Konfliktprävention stehen. Das alles ist auf dem
Weg; das muss noch ausgebaut werden. Aber ich glaube,

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(C (D s hat noch keine Bundesregierung geschafft, dies so zu räzisieren und Benchmarks dafür aufzustellen, wo dies ichtig ist, wie diese Bundesregierung. Nichtsdestotrotz ibt es Situationen auf dieser Welt – schauen Sie in den stkongo; schauen Sie nach Darfur –, in denen diese risenprävention versagt hat: Da wurden Menschen assakriert, vergewaltigt, ermordet. Lieber Kollege Gehrcke – wir kennen uns ja schon iemlich lange –, in diesem Zusammenhang kann ich die inlassungen der Linken nicht verstehen. Ich kann nicht erstehen, dass man sagt: Auch in solchen Situationen st der Einsatz von Militär eine Instrumentalisierung der enschenrechte. Ich halte diese Einlassungen für total ynisch und menschenverachtend. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


ch sage im Gegenteil: Wer angesichts dessen, was dort
assiert, den betroffenen Menschen sagt, man habe eine
deologie und die besage, nie und nimmer Militär einzu-
etzen, instrumentalisiert diese Menschen, deren Leben,
eren Menschenwürde für eine Ideologie, die ihnen
icht weiterhilft, sondern schadet, und die sie der grund-
egenden Prinzipien der Menschenwürde beraubt, näm-
ich des Schutzes des Lebens und der persönlichen Ehre.
as kann nicht die Botschaft einer Menschenrechtsde-
atte in diesem Hohen Hause sein.

Ich werbe ganz massiv dafür, für die Durchsetzung
er Menschenrechte zu kämpfen, dafür, dass die Men-
chen ausreichend zu essen haben, dass sie Zugang zu
esundheitsleistungen haben, und dafür, dass man dafür
öglichst keine militärischen Mittel einsetzt. Ich sage es

ber noch einmal: Wenn all das versagt, vergehen wir
ns an den Menschenrechten, wenn wir diese Menschen
icht schützen – notfalls auch mit Gewalt, so bitter das
st. Diese Erkenntnis sollte sich 60 Jahre nach Verab-
chiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschen-
echte durchgesetzt haben. Ich werbe dafür, dass wir bei
iesem Kurs bleiben – im Sinne des Schutzes der Men-
chenrechte weltweit.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619406300

Nächster Redner ist der Kollege Holger Haibach für

ie CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619406400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatte

nd die Anträge, die wir heute beraten, zeigen ganz deut-
ich, dass das Thema Menschenrechte 60 Jahre nach Ver-
bschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschen-
echte hochaktuell ist und die Spannbreite der Themen
ewaltig ist. All dem kann man wahrscheinlich in einer
ebatte von einer Stunde nicht in vernünftiger Art und
eise Rechnung tragen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21009


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Holger Haibach
Einen Fehler dürfen wir nicht machen: Wenn wir den
Begriff der Menschenrechte überdehnen, dann tun wir
unserer Sache keinen Gefallen. Deswegen, lieber Herr
Gehrcke, halte ich den Antrag, den Sie vorgelegt haben,
für ziemlich bemerkenswert. Sie fordern darin, die Ein-
führung eines gesetzlichen Mindestlohns von mindes-
tens 8,71 Euro pro Stunde – warum nicht 8,72 Euro,
8,73 Euro, 9 Euro oder 10 Euro? – in Deutschland zur
Grundlage menschenrechtlicher Standards zu machen.
Damit tut man dem Anliegen der Menschenrechte kei-
nen Gefallen. Sie überdehnen den Begriff und diskredi-
tieren ihn damit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dabei geht es mir nicht um die Frage, ob wir einen ge-
setzlichen Mindestlohn brauchen oder nicht. Das ist eine
Frage, über die wir anderswo diskutieren können. Ich
finde es aber bemerkenswert, dass man die Fragen, um
die es hier geht, an einer Summe festmachen will.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nein, kann man nicht!)


Ich bitte Sie auch, mit der Rhetorik des Kalten Krie-
ges aufzuhören. Ich darf einmal ein bisschen aus Ihrem
Antrag zitieren:

Im System des Menschenrechtsschutzes haben sich
Schutzmechanismen im Rahmen einzelner UN-
Konventionen herausgebildet. Hierbei wendet sich
der Bundestag entschieden gegen alle Bestrebun-
gen, die Forderung nach Gültigkeit der Menschen-
rechte als Vorwand zu nutzen, um weltweit kapita-
listische Verhältnisse zu erzwingen, multinationalen
Konzernen den Zugang zu Rohstoffen und Energie-
quellen zu sichern oder völkerrechtswidrige An-
griffskriege gegen missliebige Staaten zu legitimie-
ren.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Stimmt doch alles!)


Genau darum geht es eben nicht. Menschenrechte und
internationale Schutzsysteme sind dazu da, genau das zu
verhindern.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wäre schön, wenn es so wäre!)


Wenn Sie das internationale System durch diese Äuße-
rungen diskreditieren, tun Sie den Menschenrechten
wiederum keinen Gefallen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619406500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Strässer?


Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619406600

Ja, mit großer Freunde.

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(C (D Lieber Kollege Haibach, sind Sie mit mir der Mei ung, dass die Annahme des Antrages der Linkspartei ur Konsequenz hätte, die Bundesregierung aufgrund er Geltung von Kap. VII der UN-Charta und darin insesondere Art. 43 aufzufordern, aus den Vereinten Naionen auszutreten? Ja, das ist zweifelsohne zumindest eine denkbare Al ernative. Insofern kann ich Ihnen da recht geben. Damit haben wir einen weiteren Wunsch nach einer wischenfrage von Herrn Gehrcke. Auch gerne. Bitte sehr. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Stellen Sie das jetzt mal richtig!)

Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1619406700

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Quatsch!)

Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619406800
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619406900
Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619407000
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619407100


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619407200

Ich wollte ja eigentlich keine Zwischenfrage stellen,

ber es bleibt nicht aus. Ich muss einmal schauen, wie
ch alles in einer Frage zusammenbinde; das wird mir
chon gelingen.

Erst einmal möchte ich Sie auf einige Artikel aus der
llgemeinen Erklärung der Menschenrechte hinweisen,
ie sich sehr detailliert mit sozialen Fragen und sozialer
erechtigkeit beschäftigen: Art. 22, 23, 24 und andere.


(Erika Steinbach [CDU/CSU]: Alle vorlesen!)


ir empfanden es als einen Mangel – vielleicht können
ie uns da verstehen –, dass diese in Ihrem Antrag und in
er Bundestagsdebatte keine Rolle spielen.

Können Sie auch verstehen, dass wir davon ausgehen,
ass man die Charta der Vereinten Nationen nur als Gan-
es sehen kann?


(Christoph Strässer [SPD]: Ja! – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kap. VII gehört dazu. Dann muss man sich überlegen,
b man eine Entscheidung der Vereinten Nationen nach
ap. VII politisch für richtig oder falsch hält.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!)


enn man sie für falsch hält, muss man das auch aus-
rücken können.


(Christoph Strässer [SPD]: Das steht aber nicht in Ihrem Antrag, Herr Kollege!)


as ist immer die Position der Linken gewesen, und da-
it sind wir sehr gut gefahren.

21010 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619407300

Wenn ich Ihre gerade getroffene Aussage in die Frage

ummünze, ob ich die Allgemeinheit der Erklärung der
Menschenrechte in all ihren Facetten bis hin zu den so-
zialen Rechten sehe, dann kann ich die Frage eindeutig
mit Ja beantworten. Ich finde nur, dass man nicht denje-
nigen auf den Leim gehen darf, die versuchen, die Men-
schenrechte gegeneinander aufzuwiegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Davon sprachen wir!)


Ich finde, das geht nicht.


(Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Entschuldigung, vielleicht darf ich den Satz noch zu
Ende bringen, Herr Kollege Beck! Sie, lieber Herr Kol-
lege Gehrcke, dürfen nicht das Spiel von Staaten wie
zum Beispiel Kuba mitspielen, die sagen: Okay, bei uns
darf vielleicht nicht jeder alles sagen, aber dafür haben
die Menschen etwas zu essen. Das ist nicht mein Ver-
ständnis von Menschenrechten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE)

gesagt!)


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619407400

Herr Kollege Haibach, lassen Sie noch eine weitere

Zwischenfrage des Kollegen Beck zu?


Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619407500

Auch das mit großer Freunde.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619407600

Bitte sehr.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619407700

Wenn Sie die erste Seite des Antrags der Linken und

insbesondere die erste Forderung betrachten, würden Sie
mir dann womöglich zustimmen, dass man die Frage
von militärischem Engagement nicht allein unter dem
Gesichtspunkt betrachten sollte, ob die PDS damit gut
fährt, sondern auch unter dem Gesichtspunkt, ob die
Menschen vor Ort damit gut fahren?


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Könnte man also sagen, dass jemand, der aus dem Sudan
sogar unbewaffnete Militärbeobachter abziehen will, die
einen vereinbarten Friedensvertrag überwachen, wozu
beide Seiten die UN und damit auch die deutsche Betei-
ligung eingeladen haben,


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Unverantwortlich!)


letztendlich Völkerrecht, Menschenrechte und Vereinte
Nationen im Regen stehen lässt?

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Mit Füßen tritt!)



Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619407800

Ich würde Ihnen auf jeden Fall recht geben, wenn Sie

ir diese Frage stellen würden, Herr Kollege Beck, und
abe sie hiermit beantwortet.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das hat mich jetzt überrascht!)


Ich will aber dazu noch sagen: Ob die PDS oder die
inke – das ist ja auch bezeichnend – damit gut fährt
der nicht, ist nicht meine Frage. Gerade Entscheidun-
en über Auslandseinsätze sind Gewissensentscheidun-
en, die sich nicht an Fraktionsgrenzen festmachen las-
en, sondern diese muss jeder für sich selbst treffen.
eshalb gibt es an dieser Stelle nicht die PDS oder die
inke.

Es gibt aber eine internationale Verantwortung,
nd diese internationale Verantwortung – das hat Herr
ollege Strässer aus meiner Sicht zu Recht gesagt – be-
eutet im Notfall auch militärisches Eingreifen. Das ist
ie Ultima Ratio, aber dass das möglich ist, ist zwingend
otwendig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


s gibt eben keine Entwicklung ohne Sicherheit und
eine Sicherheit ohne Entwicklung. So einfach ist die
elt an dieser Stelle.

Ich will ein Weiteres hinzufügen, weil Herr Kollege
trässer es angesprochen hat. Es ist diese Bundesregie-
ung gewesen, die die Mittel für die zivile Krisenprä-
ention innerhalb eines Haushaltsjahres mit der Zustim-
ung des Deutschen Bundestags von 12 Millionen Euro

uf 60 Millionen Euro nach oben geschraubt hat. Wenn
ir den zur Verfügung stehenden Betrag betrachten – ich
eiß, dass hierfür weniger als für Auslandseinsätze der
undeswehr ausgegeben wird, aber der Betrag ist fünf-
al so groß wie vorher –, dann kann man tatsächlich sa-

en, dass wir unseren Worten Taten folgen lassen. Das
uss man in einer solchen Debatte auch anerkennen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Jetzt würde ich mich gern liebevoll dem Kollegen
eck und seinen Einwendungen widmen.


(Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Das gehört auch zu den Menschenrechten!)


Das gehört allerdings auch zu den Menschenrechten.

Noch einmal zum Thema Kinderrechtskonvention.
ie wissen ganz genau, dass die Problematik sehr viel
ehr aufseiten des Bundesrates als aufseiten des Deut-

chen Bundestages liegt. Ich glaube, darüber sind wir
ns alle einig. In der vergangenen Wahlperiode des
eutschen Bundestages gab es einen Antrag der FDP zur
urücknahme der Vorbehalte. Die FDP regiert ja auch in
em einen oder anderen Bundesland mit. Deshalb hat die
DP an dieser Stelle auch eine Aufgabe wie wir alle an-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21011


(A) )



(B) )


Holger Haibach
deren auch in diesem Hohen Hause. Wie auch immer. Je-
denfalls wollte die damalige Regierungskoalition aus
Gründen der Koalitionsraison – das ist ja nun einmal so
üblich; das kennen wir alle – nicht zustimmen und hat
einen eigenen Antrag zu diesem Thema eingebracht und
diesem Antrag zugestimmt. Ich kritisiere das nicht. Ich
will nur sagen, dass wir in jeder Konstellation an der ei-
nen oder anderen Stelle parlamentarischen Regeln und
auch Koalitionsgepflogenheiten unterworfen sind. Ich
finde, daraus sollte keiner dem anderen einen Strick dre-
hen.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619407900

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage

des Kollegen Beck?


Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619408000

Bitte.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619408100

Wären Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die

damalige Koalition beschlossen hat, dass sie für die
Rücknahme der Vorbehalte zur Kinderrechtskonvention
ist, und das es deshalb nur um unterschiedliche Antrags-
texte, aber nicht um eine Differenz in der Substanz geht,
und dass wir heute die Situation haben, dass die Auffas-
sung eines Abgeordneten der Arbeitsgruppe Innenpolitik
der CDU/CSU-Fraktion dazu führt, dass eine Einigung
unter den Menschenrechtspolitikern aufgehoben wird
und schlichtweg das Wort „Vorbehalte“ aus dem Antrags-
text herausgestrichen wird? Um mehr geht es nicht.


(Christoph Strässer [SPD]: Nein, es geht um etwas anderes!)


Ich finde, daran zeigt sich, dass etwas schiefläuft. Ich
denke, nicht die Innenpolitik sollte die Menschenrechts-
politik bestimmen, sondern die Menschenrechtspolitik
sollte die Innenpolitik und die Außenpolitik bestimmen.


Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1619408200

Lieber Herr Kollege Beck, ich bin gern bereit, zur

Kenntnis zu nehmen, dass Sie das damals beschlossen
haben. Ich bitte Sie, aber auch zur Kenntnis zu nehmen,
dass, wenn wir Ihrem Antrag heute nicht zustimmen, das
nicht heißt, dass wir nicht für die Rücknahme der Vorbe-
halte sind. Darum geht es nicht. Ich glaube, das hat Herr
Kollege Strässer vorhin relativ deutlich gesagt.


(Christoph Strässer [SPD]: Sehr richtig!)


Momentan befinden wir uns aber in einer Situation, in
der wir nicht allein Herr des Verfahrens sind. Solange
wir nicht allein Herr des Verfahrens sind, muss man sich
überlegen, ob eine solche Beschlussfassung tatsächlich
sinnvoll ist.

Zur Frage der Uiguren. Ich glaube, die Aussagen der
Bundesregierung zu dieser Frage sind mehr als deutlich
gewesen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hindert Sie doch nicht, das zu beschließen!)


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(C (D an sollte an dieser Stelle keine Spielchen machen; enn damit tut man den Menschenrechten keinen Gefalen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Steinbach sieht das aber anders!)


Wir sprachen über die Frage der Verantwortung. Es
st wichtig, dass wir als Bundesrepublik Deutschland
eispielgebend vorangehen, wie es auch in unserem ge-
einsamen Antrag heißt. Das bedeutet aber auch, dass
ir unsere Verantwortung international wahrnehmen
üssen.

Ich möchte gerne noch auf einen Punkt zu sprechen
ommen, der in der Debatte bisher keine große Rolle ge-
pielt hat. Deutschland hat – ich glaube, das hat gute
ründe – einen guten Ruf, wenn es darum geht, interna-

ional Menschenrechte zu schützen. Wir engagieren uns
n vielen Gremien. Darauf hat der Bundesaußenminister
ingewiesen.

Deutschland hat – ich finde, so viel Eigenlob darf in
ieser Debatte auch einmal sein – einen eigenständigen
ollausschuss zum Thema Menschenrechte, der über
arteigrenzen hinweg meines Erachtens gute Arbeit leis-

et und der in dieser Wahlperiode – das will ich zur Eh-
enrettung des Deutschen Bundestages sagen – viel mehr
ebattenzeit zu einer guten Tageszeit bekommen hat, als
ies früher üblich gewesen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Christoph Strässer [SPD]: Da arbeiten aber leider nicht alle mit!)


Darauf komme ich gleich noch zu sprechen.

Auch wenn man mit dem Außenminister nicht in je-
er einzelnen Formulierung einer Meinung ist, muss
an anerkennen, dass dieser Bundesaußenminister in

er Zeit der Großen Koalition in Menschenrechtsdebat-
en zweimal das Wort ergriffen hat. Ich kann mich noch
n die letzte Legislaturperiode erinnern. Der damalige
undesaußenminister hat bei Menschenrechtsdebatten

m Allgemeinen durch Abwesenheit geglänzt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Wie hieß der noch gleich? – Erika Steinbach [CDU/CSU]: Der Joseph! Das war der Fischer!)


Mir fällt sein Name bedauerlicherweise nicht mehr ein.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)


Da wir gerade über fehlende Namen sprechen, möchte
ch Ihnen sagen, was mir am Antrag der Linken noch auf-
efallen ist. Auch die Linken haben einen Vertreter im
enschenrechtsausschuss, den Kollegen Leutert. Viel-

eicht ist er es jetzt nicht mehr. Es gibt momentan näm-
ich ein paar Unstimmigkeiten bezüglich der Frage, ob er

itglied des Ausschusses ist oder nicht.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


21012 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Holger Haibach
Der Kollege Leutert jedenfalls hat den Antrag der Lin-
ken nicht unterzeichnet. Sein Name steht nicht auf dem
Rubrum dieses Antrags.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Ich finde, es ist bemerkenswert, dass Ihr Fachpolitiker
offensichtlich nicht bereit ist, Ihren Antrag mit zu unter-
zeichnen.


(Zuruf des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/ CSU])


Das sollte Ihnen zu denken geben. Vielleicht bedeutet
das nämlich, dass Sie mit alledem, was Sie fordern, gar
nicht richtig liegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Koschyk [CDU/ CSU]: Hört! Hört! Na ja, vielleicht ist der Leutert ja inzwischen geläutert! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Ich möchte meinen Gedanken gerne zu Ende führen:
Das Wirken Deutschlands in internationalen Organi-
sationen hat für mich mehrere Komponenten.

Der erste Punkt ist, dass wir beispielgebend vorange-
hen müssen. Das bedeutet, die Menschenrechte überall,
wo es möglich ist, zu fördern. Hierzu hat Deutschland
verschiedene Möglichkeiten. Wir wirken unter anderem
aktiv in den UN-Gremien mit. Der Menschenrechtsrat
ist ein Gremium, das dringend unserer Unterstützung be-
darf. Hier gibt es nämlich viele Probleme. Der Außen-
minister hat als Beispiel die Situation im Kongo er-
wähnt. So war es ein wichtiger Fortschritt, dass der
Menschenrechtsrat eine Resolution zum Kongo verab-
schiedet hat. Man hätte sich allerdings durchaus eine
schärfere Formulierung vorstellen können; denn bei die-
sem Thema geht es um nicht mehr und nicht weniger als
darum, dass Menschen umgebracht bzw. geschlachtet
und Frauen vergewaltigt werden. Das verdient, wie ich
finde, eine scharfe Missbilligung. Wenn ein Gremium
wie der Menschenrechtsrat dazu nicht in der Lage ist,
muss uns das zu denken geben. Auch hier haben wir also
eine Aufgabe.

Der andere Punkt ist: Wir haben im Rahmen der Eu-
ropäischen Union und auch im Rahmen des Europara-
tes – viele von uns sind Mitglied der Parlamentarischen
Versammlung – viele Möglichkeiten, über die verschie-
denen Konventionen Einfluss zu nehmen. Darauf sollten
wir an dieser Stelle in aller Deutlichkeit hinweisen und
das auch tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Im Rahmen dieser zugegebenermaßen nicht immer
sehr pressewirksamen Arbeiten ergeben sich mehr Hand-
lungsmöglichkeiten, als wenn lediglich Schaufensteran-
träge in den Deutschen Bundestag eingebracht werden,
über die wir dann diskutieren. Denn indem wir ein Anlie-
gen in den Rang einer Konvention erheben, können wir
Allgemeingültigkeit schaffen. Das ist auf jeden Fall ein
Fortschritt.

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(C (D Ich will noch eine letzte Bemerkung machen – wie ch sehe, ist meine Redezeit bald zu Ende; ich bedanke ich für die vielen Zwischenfragen, die mir noch viel usätzliche Redezeit ermöglicht haben –: (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Christoph Strässer [SPD]: Willst du noch mehr haben? Wir machen das!)


an kann sich aus verschiedenen philosophischen Per-
pektiven der Frage nähern: Was sind eigentlich Men-
chenrechte? Die christliche Interpretation ist die der
ottesebenbildlichkeit. Daraus erwächst eine Men-

chenwürde, die dem Menschen nicht genommen wer-
en kann. Daraus erwächst aber auch die Pflicht des
enschen, diese Würde anzunehmen. Das bedeutet,

ass der Mensch das Recht hat, sein Leben selbst in die
and zu nehmen, dass er aber auch die Pflicht hat, sein
eben selbst in die Hand zu nehmen. Wenn wir eine gute
enschenrechtspolitik machen wollen, müssen wir die
enschen überall auf der Welt in die Lage versetzen, ihr

chicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Danke sehr.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gilt zum Beispiel für den Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619408300

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

ohannes Jung für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Jung (SPD):
Rede ID: ID1619408400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Lassen Sie mich zu Beginn feststellen, dass mich
er Verlauf dieser Debatte ein wenig irritiert. Wir disku-
ieren eigentlich über einen Antrag, den die Koalitions-
raktionen von CDU/CSU und SPD gemeinsam mit FDP
nd Grünen eingebracht haben. Wenn man den Verlauf
ieser Debatte verfolgt, hat man allerdings den Eindruck,
ass einige der Versuchung erlegen sind, sich gegenüber
en anderen antragstellenden Fraktionen parteipolitisch
u profilieren. Ich werde darauf gleich noch einmal zu
prechen kommen.

Wir haben hier in einigen Bereichen große Einigkeit.
as betrifft die Abschaffung der Todesstrafe, die Frau-

nrechte – beim Thema „gleicher Lohn für gleichwertige
rbeit“ sieht es schon ein bisschen anders aus; wir wer-
en uns zukünftig noch stärker einsetzen, um andere von
er Notwendigkeit zu überzeugen –, die Kinderrechte,
as Recht auf Bildung usw.

Einen Bereich will ich, wenn auch kurz, besonders
ennen, nämlich die Rechte von Arbeitnehmerinnen und
rbeitnehmern, und zwar im internationalen Maßstab;
enn nach wie vor ist weltweit ein klassisches Problem
ei den Menschenrechten die Verfolgung von Gewerk-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21013


(A) )



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Johannes Jung (Karlsruhe)

schafterinnen und Gewerkschaftern. Das dürfen wir
nicht aus dem Blick verlieren, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt nicht nur eine Menge von Institutionen, die
sich mit Menschenrechten befassen und dazu aufgerufen
sind, Menschenrechte zu sichern und weiterzuentwi-
ckeln; es gibt hierzulande Hunderttausende von Bürge-
rinnen und Bürgern, aber auch Menschen ohne deut-
schen Pass, die sich tagtäglich insbesondere für die
Verwirklichung und die Durchsetzung von Menschen-
rechten einsetzen, individuell, persönlich und in größe-
ren Organisationen. Ihnen gebührt unser Dank. Ohne
diesen Einsatz wäre es um die Menschenrechte schlecht
bestellt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Die Aufgaben in Europa sind schnell beschrieben.
Sie betreffen im Wesentlichen nicht die Verhältnisse in
der Bundesrepublik. Darüber diskutieren wir häufig an
anderer Stelle; ich erinnere beispielsweise an die Rechte
der Sinti und Roma hierzulande und anderer Minderhei-
ten, sexueller Minderheiten, Menschen in Deutschland
ohne deutschen Pass. Aber es gibt natürlich Staaten in
Europa, in denen die Lage wesentlich schwieriger ist.
Das sind insbesondere die Staaten, die wir als Transfor-
mationsstaaten bezeichnen. Das sind solche, die die
Herrschaft einer Partei erst seit kurzer Zeit hinter sich
haben oder eben noch nicht richtig hinter sich haben. Zu
nennen sind ein paar Spezialfälle, nämlich Staaten, die
eigentlich noch gar keine richtigen Staaten sind und de-
ren Zukunft ungewiss ist. Das gilt für Bosnien-Herzego-
wina, den Kosovo, Moldawien, Transnistrien, Ukraine,
Staaten des Kaukasus, Weißrussland. Betroffen davon ist
damit natürlich auch das große Russland. Hier haben wir
genug zu tun. Darauf müssen wir in der Menschen-
rechtspolitik des Deutschen Bundestages und der Bun-
desregierung unser Augenmerk richten.

Die Regierung des Kosovo hat gerade unter Beweis
gestellt, wie notwendig das neue Instrument von Rechts-
staatsmissionen à la EULEX ist. Wer davon noch nicht
überzeugt war, wird in diesen Tagen überzeugt worden
sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Kollege Weisskirchen ist davon nicht sehr überzeugt, wie man gestern in der Debatte hören konnte! – Gegenruf von der SPD: Das kriegen wir noch hin!)


Hoffnung gibt uns, dass das eingetreten ist, was ich
von dieser Stelle schon prophezeit hatte, nämlich dass
nur das amerikanische Volk selbst das Problem Gu-
antánamo lösen kann: Mit einer Neuwahl, mit einer De-
facto-Abwahl der Bush-Administration ist ein Ende der
Politik der sogenannten Extraordinary Renditions mög-

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(C (D ich. Dafür noch einmal Respekt! Mein Glückwunsch an ie Bürgerinnen und Bürger, die damit Schluss machen! Wir haben heute den Versuch erlebt, sich ein bisschen arteipolitisch zu inszenieren. Das ist bedauerlich. Das ilt insbesondere für Beck und Beck, meine Lieblingsreunde – das ist übrigens aufrichtig gemeint – von der rünen Partei. Es ist durchaus schade, dass das Thema isaerteilung auf diese Art hier instrumentalisiert wird. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber man muss so etwas doch zur Sprache bringen können, Herr Kollege! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir können nicht großartige Reden schwingen und konkrete Probleme außen vor lassen!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619408500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Beck?


Johannes Jung (SPD):
Rede ID: ID1619408600

Erst dann, wenn ich den Sachverhalt erläutert habe.

as wird etwa zehn Sekunden in Anspruch nehmen.

Frau Beck, Ihnen liegt doch auch vor, was mir vor-
iegt. Sie sind nämlich am 10. November vom Außenmi-
isterium darüber informiert worden, dass die drei frag-
ichen Visa an diesem Tag erteilt worden sind.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Zurufe von der FDP: Aha!)


amit müsste doch das Thema für Sie im Grunde erle-
igt sein.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619408700

Gestatten Sie nun die Zwischenfrage?


Johannes Jung (SPD):
Rede ID: ID1619408800

Ja.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619408900

Ich bitte Sie, die Antwort in Ihre Schlussbemerkung

inzubeziehen. – Frau Kollegin.


(Christel Riemann-Hanewinckel [SPD]: Das ist wirklich Showgeschäft, Marieluise!)


Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Kollege Jung, darf ich Ihnen den Vorgang noch

inmal kurz erklären, damit das nicht so im Raum stehen
leibt?


(Zurufe von der FDP: Nein! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Wenn die Visa doch erteilt sind!)


s kann nicht angehen, dass nur deshalb, weil ein An-
alt zufällig eine Wahlkreisabgeordnete hat, die über
onate hinweg im Austausch mit dem Auswärtigen
mt noch einmal und noch einmal nachsetzt, etwas er-

eicht wird. Nach dem vierten Anlauf können die Kinder

21014 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Marieluise Beck (Bremen)

nun nach vier Jahren zu ihren Eltern, die in Deutschland
anerkannte Flüchtlinge sind, kommen. So darf von den
Visastellen des Auswärtigen Amtes nicht verfahren wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine Parlamentarierin, die auch die Aufgabe hat, das
Handeln der Regierung zu beobachten, muss in diesem
Haus das Recht haben, solche Missstände zu thematisie-
ren. Ich habe das sehr vorsichtig getan.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist unredlich!)


Ich habe darauf Bezug genommen, dass die dreimalige
Abweisung unter menschenrechtlichen Gesichtspunkten
schwerwiegend war und unendlich viel Leid erzeugt hat.
So etwas darf im Auswärtigen Amt in Deutschland nicht
passieren.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber dann würdigen Sie auch, dass der Minister sich darum gekümmert hat!)


– Entschuldigung, vielleicht hätte ich den Satz hinzufü-
gen sollen, wenn Sie ihn hätten hören wollen: Letztlich
ist das Visum erteilt worden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)


Ich finde es gut, dass das Visum erteilt worden ist, und
bedanke mich dafür. Es kann aber nicht sein, dass
Flüchtlinge davon abhängig sind, ob sie zufällig Abge-
ordnete im Rücken haben, die in dieser beharrlichen
Form immer wieder gegen die Türen des Auswärtigen
Amts rennen.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Jung (SPD):
Rede ID: ID1619409000

Frau Kollegin Beck, da mir ähnliche Vorgänge aus

meiner eigenen Arbeit sehr gut vertraut sind, kann ich
nachempfinden, dass Sie das empört. Ich hätte Sie aller-
dings auch darum gebeten, uns das gute Ende zu berich-
ten,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP])


das nämlich deutlich macht, dass das Auswärtige Amt
gerade auch unter Leitung von Außenminister Steinmeier
solche Fälle zu einem guten Abschluss bringt.

Das gibt mir zum Ende der Debatte zu diesem Tages-
ordnungspunkt Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass es
gerade bei diesen Sachverhalten immer wieder zwischen
den kommunalen Behörden und dem Auswärtigen Amt
– sprich: zwischen Innen- und Außenpolitik – Probleme
gibt. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es hochinte-
ressant, wer in der heutigen Debatte auf der Regierungs-
bank anwesend war.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619409100

Ich schließe die Aussprache.

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(C (D Bezüglich des Tagesordnungspunktes 37 a kommen ir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der DU/CSU, SPD, FDP und des Bündnisses 90/Die Grüen auf Drucksache 16/11215 mit dem Titel „Die Allgeeine Erklärung der Menschenrechte – Grundlage für 0 Jahre Menschenrechtsschutz“. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen. er stimmt für den Änderungsantrag auf Druck ache 16/11228? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – er Änderungsantrag ist damit abgelehnt mit den Stimen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der FDPraktion und gegen die Stimmen der Fraktion Bündis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 16/11215? Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Antrag st damit angenommen mit den Stimmen der Koalitionsraktionen, der FDP-Fraktion und der Fraktion Bündis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die inke. Tagesordnungspunkt 37 b. Abstimmung über den Anrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/11189 it dem Titel „Die Allgemeine Erklärung der Menchenrechte, der Zivilund Sozialpakt – Grundlagen für inen unteilbaren und universellen Menschenrechtschutz“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer ist dageen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist damit abgelehnt it den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion er FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen ie Stimmen der Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 37 c. Beschlussempfehlung des usschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe u dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Ratiikation des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menchenrechtskonvention“. Der Ausschuss empfiehlt in seier Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4647, den ntrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/3145 ab ulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss mpfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen der oalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion er FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei nthaltung der Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 37 d. Beschlussempfehlung des usschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe u dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel Rechtsstaatskonforme Behandlung von Verhafteten ach der Übergabe durch deutsche Stellen im Ausland icherstellen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Bechlussempfehlung auf Drucksache 16/5315, den Antrag er Fraktion der FDP auf Drucksache 16/2096 abzulehen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer st dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehung ist damit angenommen mit den Stimmen der Koaliionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfrakionen. Tagesordnungspunkt 37 e. Beschlussempfehlung des usschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe u dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21015 Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt dem Titel „Rechtsschutzlücken bei der Terrorbekämpfung schließen“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/8032, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/821 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 37 f. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „UN-Wanderarbeiterkonvention endlich ratifizieren“. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/10208, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/6787 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 37 g. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Die Menschenrechte der Uiguren schützen“. Dazu liegt eine persönliche Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung des Kollegen Müller-Sönksen vor, die dem Protokoll beigefügt wird.1)


(A) )


(B) )


Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-
lung auf Drucksache 16/10283, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/7411 abzu-
lehnen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat bean-
tragt, dass über die Ziffern I bis II Nr. 15 einerseits und
über Ziffer II Nr. 16 des Antrags andererseits getrennt
abgestimmt werden soll.

Wir stimmen daher zunächst über die Ziffern I bis II
Nr. 15 des Antrags auf Drucksache 16/7411 ab. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Die Ziffern I bis II Nr. 15 des Antrags sind damit abge-
lehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei
Enthaltung der Fraktionen der FDP und der Linken.

Wer stimmt für die Ziffer II Nr. 16 des Antrags auf
Drucksache 16/7411? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Ziffer II Nr. 16 des Antrags ist damit abge-
lehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen
die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion der
FDP. Damit ist auch der Antrag insgesamt abgelehnt.

Wir kommen zum Zusatzpunkt 9. Interfraktionell wird
die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/8903 an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das
ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

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d1) Anlage 2

(C (D Zusatzpunkt 10. Beschlussempfehlung des Auswärtien Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP it dem Titel „Das Verhalten von Birmas Junta muss onsequenzen haben“. Der Ausschuss empfiehlt in seier Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/10392, den ntrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/9340 bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Bechlussempfehlung ist damit angenommen mit den Stimen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die inke gegen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthal ung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 38 a und 38 b owie den Zusatzpunkt 11 auf: 38 a)

Binder, Ulrich Maurer, Dr. Gesine Lötzsch, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Verbesserung des Verbraucherschutzes beim
Erwerb von Kapitalanlagen

– Drucksache 16/11185 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole
Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten
stärken

– Drucksache 16/11205 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

P 11 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu
dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard
Schick, Christine Scheel, Bärbel Höhn, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Schutz der Anlegerinnen und Anleger bei Zer-
tifikaten stärken

– Drucksachen 16/5290, 16/11226, 16/11279 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Leo Dautzenberg
Ortwin Runde
Dr. Gerhard Schick

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich sehe, Sie sind
amit einverstanden. Dann werden wir so verfahren.

21016 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Kollegin Karin Binder für die Frak-
tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Karin Binder (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619409200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Viele Menschen in Deutsch-
land haben in der aktuellen Finanzmarktkrise ihre Er-
sparnisse bereits verloren, das Geld, das sie für Notlagen
oder für das Alter zurückgelegt hatten. Viele der Betrof-
fenen haben ihr Geld auf Empfehlung geschulter Ver-
käufer zum Beispiel der Citibank, der Dresdner Bank,
der Volksbank oder einer Sparkasse in vermeintlich si-
chere Anlagen gesteckt. Zigtausende wurden so Opfer
der Finanzmarktkrise. Allein durch Lehman-Brothers-
Zertifikate wurden vermutlich zwischen 40 000 und
80 000 Menschen in Deutschland geschädigt. Eine ge-
nauere Zahl ist bisher leider nicht bekannt. Aber offen-
sichtlich waren die Verkäufer keine qualifizierten
Finanzberater oder Finanzberaterinnen, was auch in ei-
ner Pressemitteilung der Verbraucherzentrale Baden-
Württemberg vom 26. August dieses Jahres deutlich
wird. Ich zitiere:

Viel zu oft werden falsche Produkte empfohlen.
„Die Berater verkaufen nicht das, was zur Situation
des Sparers passt, sondern das, was Provision
bringt.“

Solche Erfahrungen sammeln gerade die Verbraucher-
verbände, der Anlegerschutzverein oder spezialisierte
Rechtsanwälte. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen,
können Berichte dazu auch auf Internetseiten nachlesen,
die inzwischen von Interessengruppen geschaltet wur-
den.

Betroffen sind vor allem viele ältere Menschen, die
keine Chance haben werden, jemals das verlorene Geld
wieder anzusparen. Ansprüche gegenüber den Finanz-
instituten geltend zu machen, ist eine teure Angelegen-
heit. Hohe Streitwerte ergeben hohe Kosten für Anwälte
und Gerichte. Das Geld dafür müssen die Betroffenen
erst einmal aufbringen, bevor nach langer Prozessdauer
vielleicht irgendwann etwas zurückfließen kann. Des-
halb haben engagierte Menschen eine öffentliche Peti-
tion zu einem Prozesskostensicherungsfonds auf den
Weg gebracht. Auf der Seite des Petitionsausschusses
des Bundestages kann man diese Petition unterstützen.
Es darf einfach nicht sein, dass Herr Minister Steinbrück
als oberster Feuerwehrmann die Sprinkleranlage in Gang
setzt und die Regierung für die Banken Rettungsschirme
aufspannt, damit die Häupter der Manager in den oberen
Etagen der Finanzinstitute nicht nass werden, während
gleichzeitig die Menschen im Keller des Hauses, in der
Hausmeisterwohnung, bereits bis zum Hals im Wasser
stehen. Hier muss dringend etwas geschehen. Deshalb
halte ich die Forderung der Petition für sehr gerechtfer-
tigt.

Ich komme nun zum vorsorgenden Brandschutz – wie
ihn Herr Steinbrück bezeichnet hat –, der dringend gebo-

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(C (D en ist und den wir mit unserem Antrag erreichen wollen. er Antrag der Linken umfasst sechs Punkte. Erstens. Wir wollen eine Prospektpflicht für Kapitalnlagen ohne Ausnahmeregelung. Das bedeutet, dass lle Angaben in den Prospekten vollständig und richtig ein müssen. Außerdem soll ein sogenannter FinanzÜV eine Zertifizierung der Produkte vornehmen, damit nlegerinnen und Anleger von vornherein wissen, ob sie s mit einer sicheren Geldanlage oder einem risikobehafeten Papier zu tun haben. Zweitens. Wir wollen, dass die Beweislast bei der Anageberatung umgekehrt wird. Verbraucherinnen und erbraucher, die einen finanziellen Schaden erlitten haen, müssen nicht mehr beweisen, dass sie falsch oder ireführend beraten wurden, sondern die Finanzinstitute üssen belegen, dass sie ordnungsgemäß und richtig be aten haben. Dies soll mit einheitlichen und verständlichen Beraungsprotokollen belegt werden. Drittens sollen die Unternehmen, die Finanzprodukte nd Kapitalanlagen auf den Markt bringen, künftig viel tärker in Haftung genommen werden können. Die sogeannten Emittenten und deren Aufsichtsorgane müssen ur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie falsche Anaben zu den von ihnen angebotenen Produkten machen. Wir wollen viertens die Verjährungsfristen für Ersatznsprüche, also Entschädigungszahlungen für falsch beatene Anlegerinnen und Anleger, gegenüber den Fianzdienstleistern verlängern. Eine fehlerhafte Beratung der die Verletzung der Informationspflicht darf nicht ereits nach drei Jahren verjähren. Das ist viel zu kurz. ir wollen, dass die Frist von zehn Jahren, wie sie im GB auch für andere Schadenersatzansprüche gilt, zum ragen kommt. Wir wollen fünftens, dass eine unabhängige Finanzeratung bei den Verbraucherzentralen aufgebaut wird. ie muss so gestaltet werden, dass langfristig innerhalb on zehn Jahren wenigstens 10 Prozent der Haushalte in eutschland mindestens einmal beraten werden können. ie unabhängige Finanzberatung soll umfassend und ranchenübergreifend sein und folgende Schwerpunkte bdecken: Altersvorsorge, Versicherungen und Kapitalnlagen. Im Augenblick können Menschen über die von er Regierung unterstützte Telefonhotline beraten weren, so sie denn das Glück haben, durchzukommen. ber auch diese Hotline soll zum Jahresende eingestellt erden. Danach sind die Verbraucherinnen und Verbrau her bei Problemen mit der privaten Altersvorsorge oder ei anderen Geldanlagen wieder der unzulänglichen Beatung der Finanzinstitute ausgeliefert. Sechstens wollen wir eine weitaus bessere Ausbilung und Qualifizierung der Verkäuferinnen und Veräufer bei den Finanzinstituten. Finanzund Anlagebeater sollen ähnlich wie im Versicherungsbereich ihre Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21017 Karin Binder Befähigung zum Beispiel durch eine spezielle IHK-Prüfung nachweisen. Aufgrund der derzeitigen Politik, die die staatlichen Sicherungssysteme abbaut und immer mehr private Vorsorge von den Menschen erwartet, werden langfristige Geldanlagen gerade für Menschen mit niedrigen Einkommen eine immer größere Rolle spielen. Wenn die Politikerinnen und Politiker nicht zusehen wollen, wie diese Menschen ihre private Vorsorge auf den Geldmärkten dieser Welt verlieren, dann müssen sie jetzt handeln. Nur wenn solche Maßnahmen, wie wir sie vorschlagen, rasch umgesetzt werden, haben Verbraucherinnen und Verbraucher in Zukunft tatsächlich mehr Rechte und damit mehr Schutz. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und hoffe auf eine konstruktive Beratung unseres Antrags. Das Wort hat nun der Kollege Leo Dautzenberg für die CDU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzkrise hält uns weiter in Atem. Nach dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz haben wir gestern ein Paket zur Wachstumsstärkung verabschiedet. Die Große Koalition hat diese Maßnahmen nicht ergriffen, um einzelne Banken zu retten, und auch nicht, um Weihnachtsgeschenke an bestimmte Wirtschaftszweige zu verteilen; wir haben diese Maßnahmen vielmehr ergriffen, um die deutsche Volkswirtschaft zu schützen und zu stützen und damit das gesamtgesellschaftliche System zu stabilisieren. Zu dieser Volkswirtschaft gehören auch die Verbraucherinnen und Verbraucher. Es ist falsch, wenn Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen und von der Linken, mit Ihren Anträgen den Eindruck erwecken, als habe der Verbraucherschutz in der politischen Aufarbeitung der Finanzkrise bisher keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ich bin überzeugt davon, dass in dieser Krise der beste Verbraucherschutz darin besteht, die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft schnellstens und vollständig wiederherzustellen und die negativen Auswirkungen auf die Konjunktur zu begrenzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619409300

(Beifall bei der CDU/CSU)

Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1619409400

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dennoch – da sind wir uns wahrscheinlich fraktions-
übergreifend einig in diesem Haus –: Die aktuelle Finanz-
krise hat auch ganz spezifische verbraucherpolitische
Probleme offengelegt. Ein zentraler Punkt ist die teils
mangelhafte Beratung. Hierüber müssen wir diskutieren,

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(C (D nd daraus müssen wir gegebenenfalls Konsequenzen iehen. Meine Fraktion ist da im Übrigen nicht untätig. ls Finanzpolitiker sind wir mit unseren Verbraucher chutzpolitikern, mit Verbraucherschutzorganisationen, ankenverbänden und Produktanbietern im Gespräch. Diskussionswürdig erscheinen uns zum Beispiel folende Punkte: Erstens: Prüfung zusätzlicher Regelungen für den rauen Kapitalmarkt. Mit der Einführung der Anlageveraltung in das KWG im Rahmen der anstehenden Noelle zum Pfandbriefgesetz macht die Große Koalition ier bereits einen Anfang. Zweitens: Verlängerung der Verjährungsfrist für chadensersatzansprüche im Falle einer Falschbera ung. Hier ist in der Tat zu fragen, ob drei Jahre ein auseichender Zeitraum sind, innerhalb dessen Verbraucher hre berechtigten Interessen durchsetzen können. Drittens – das ist ein zentraler Punkt –: Gewährleisung der Qualifizierung von freien Finanzberatern durch efähigungsnachweis, ähnlich des gesetzlich geforder en Qualifikationsnachweises im Versicherungsbereich ach dem Versicherungsvertragsgesetz. Lassen Sie mich auf die Probleme der Beratung etwas enauer eingehen. In den letzten Tagen und Wochen sind iele Fälle von offensichtlicher Falschberatung an uns erangetragen worden. Uns beschäftigt nun die Frage, ie sich derartige Beratungsfehler künftig vermeiden assen. Brauchen wir neue Gesetze mit mehr Informaionsund Dokumentationspflichten? Meine Antwort ist: ein. Wir haben nämlich das Wertpapierprospektgesetz, as Verkaufsprospektgesetz, das Wertpapierhandelsgeetz und seit November 2007 das Finanzmarktrichtliniemsetzungsgesetz, dem die sogenannte MiFID vorausing. Damit sind genügend rechtliche Grundlagen gegeen, auch was die Beratung angeht. Bereits seit 1994 ist im Wertpapierhandelsgesetz geegelt, dass Produkte nach den Risikoklassen 1 bis 5 einuordnen sind. Mit der Umsetzung der MiFID geht die okumentationspflicht einher. Da stellt sich die Frage: elcher Handlungsbedarf leitet sich aus Ihrer Forderung ach Umkehr der Beweislast ab? Vielleicht kann man ich dazu durchringen, dass dieses Beratungsprotokoll em Anleger ausgehändigt wird; bei manchen ist dies chon Standard. Wenn die Aushändigung überall Stanard wird, sind wir schon ein Stückchen weiter. Eine zuätzliche gesetzliche Regelung wäre dann nicht notwenig. Bereits mit diesen Gesetzen haben wir ausreichende orkehrungen für eine umfassende Information und Doumentation der Beratung getroffen. Das gilt auch für ertifikate. Das Problem ist nicht ein Mangel an Inforationen. Wenn man sich ansieht, was im Versiche ungsbereich dokumentiert wird und welche Informatioen dort herausgegeben werden, dann stellt man fest: chriftliche Auskünfte haben oft einen Umfang von 50 Seiten. Durch eine Erweiterung würde der Informaionsstand des Verbrauchers nicht besser. Vielmehr muss 21018 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Leo Dautzenberg man sich im Grunde auf die wichtigsten Punkte konzentrieren, damit der Verbraucher überblicken kann, was mit dem Produkt tatsächlich verbunden ist. Das muss von den Beratern auch kommuniziert werden. Ich möchte auf folgenden Fall eingehen – Frau Kollegin Binder, Sie haben einige Fälle angedeutet –: Wenn die Auszahlung eines Anlageplans eines Rentnerehepaares – die Eheleute sind etwa 75 Jahre alt – erst nach 10 oder 15 Jahren beginnt, dann ging dem offensichtlich ein Beratungsfehler voraus. Wir brauchen hier keine anderen gesetzlichen Grundlagen; schließlich schreit es hier förmlich zum Himmel, dass falsch beraten worden ist. Wir sollten mit der Forderung, dass der Gesetzgeber handeln soll, keine falschen Richtungen einschlagen. Ich sehe die Geschäftsführung von Banken und Maklerpools selbst in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass ihre Berater kompetenter werden. Was die Produkte anbelangt, muss der Fokus stärker auf eine längere Kundenbindung ausgerichtet werden. Das muss wieder wichtiger sein als die Erreichung eines bestimmten Vertriebsziels. Nehmen wir die Beispiele Lehman Brothers oder Kaupthing-Bank in Island. Bezüglich der Festgeldanlagen war genügend Information da, auch über die Risikoklassen. Es ist menschlich und durchaus nachvollziehbar, dass der Anleger selber nach dem etwas höher verzinslichen Produkt greift, obwohl er die Risiken kennen müsste. Aber es ist nun einmal so: Die Chancen auf höhere Rendite sind immer mit mehr Risiko verbunden. Das sollte im Grunde auch den Verbrauchern klar sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(A) )


(B) )


(Beifall der Abg. Julia Klöckner [CDU/CSU])


Es kommt auf den Kern an, nämlich eine bessere Be-
ratung. Hier befinden wir uns mit den Verbänden in einer
konstruktiven Diskussion. Dabei wird ersichtlich, dass
viele diesen Punkt schon zu ihrem eigenen Maßstab ent-
wickelt haben. Auf der anderen Seite muss das Wissen
über Finanzmärkte und Wirtschaft über das Bildungssys-
tem besser vermittelt werden, damit sich die Beteiligten
auf Augenhöhe begegnen können.

Ich komme zu den Forderungen der Linken zur Ver-
besserung des Einlagensicherungssystems. Sie beschrei-
ben die Probleme sehr schön, aber Sie geben keine Ant-
wort darauf, was Sie sich als Lösung vorstellen. Ihr
Antrag ist eine Zustandsbeschreibung. Aber was Sie
wollen, geben Sie in keiner Weise an. Von daher müssen
wir die Grundlagen sehen, die wir jetzt haben. Auf euro-
päischer Ebene wird eine Änderung der Einlagensiche-
rungsrichtlinie in zwei Stufen vorbereitet, nach der die
Deckungssumme der gesetzlichen Einlagensicherung
demnächst auf 50 000 Euro und 2011 in der Endstufe auf
100 000 Euro festgelegt werden soll. Das ist die gesetzli-
che Einlagensicherung.

Darüber hinaus gibt es in den drei Säulen unseres
Bankensystems jeweils eigene freiwillige Sicherungs-
systeme: Die Deckungssummen bei den Privatbanken
sind an dem Anteil des haftenden Eigenkapitals ausge-
richtet und gehen so über die Summe von 100 000 Euro

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(C (D inaus. Bei den Genossenschaftsbanken und den öffentich-rechtlichen Sparkassen greift sogar eine Institutssiherung, die an sich weitestgehende Absicherung für inlagen. Sie müssen mir wirklich erklären, wo Sie zuätzlichen Bedarf sehen, es sei denn, Sie sprechen sich afür aus, alles zusammenzuwerfen. Dazu sind wir nicht ereit, sondern wir sehen in der Effizienz der einzelnen rme auch in Zukunft die zielgerichtete Einlagensiche ung in Deutschland, die auch Maßstab für andere Läner sein kann. Dann kommt die Forderung, der BaFin den Schutz er Verbraucher als zentraler Aufgabe zu übertragen. ie BaFin soll durchaus auch Verbraucherschutzinteres en berücksichtigen und sich um den Verbraucherschutz ümmern, aber wir brauchen die BaFin überwiegend als ufsicht für die Stabilisierung des Finanzmarktes. Herr chick, wenn Sie dann auch noch fordern, die zentrale ankenaufsicht zusätzlich auf die BaFin zu übertragen, ann sage ich Ihnen für meine Fraktion: Wir wollen den mgekehrten Weg. Ohne Bundesbank ist die Bankenauficht im Grunde nicht zu gewährleisten; denn schließlich rauchen wir eine Liquiditätskontrolle. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Dr. Schick? Ich darf diese Ausführungen noch beenden. – Für Sol enz ist die BaFin zuständig, für Liquidität die Bundesank. In dieser Bankenund Finanzkrise war diese Eränzung für uns sinnvoll. Angesichts Ihrer Forderung ach Zentralisierung verweise ich auf den von uns verolgten Weg, nämlich diese Aufgaben bei der Bundesank anzusiedeln. Herr Kollege, bitte. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Hat er keine Redezeit bekommen?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619409500
Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1619409600
Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619409700


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Kollege, ich möchte kurz zum Thema Verbrau-

herschutz und BaFin nachfragen. Es ist heute so, dass
ie Aufgabe Verbraucherschutz von der BaFin etwa in
orm eines Verbrauchertelefons wahrgenommen wird,
ieser aber nicht Teil ihres gesetzlichen Auftrags ist. Da
ie aber sagen, dass die BaFin auch Elemente des Ver-
raucherschutzes gewährleisten soll, frage ich Sie: Sind
ie dann nicht mit mir der Auffassung, dass sie dafür
inen gesetzlichen Auftrag braucht und das nicht nur
reiwillig nebenher machen kann?


Leo Dautzenberg (CDU):
Rede ID: ID1619409800

Herr Kollege Schick, das kann die BaFin schon über

hre Aufsichtskompetenz. Wenn Sie als Verbraucher be-
timmte Vorgaben haben und bei den Banken Fehlent-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21019


(A) )



(B) )


Leo Dautzenberg
wicklungen beobachten, dann können Sie sich schon
heute mit einer Eingabe an die BaFin wenden. Darüber
hinaus stehen auch in den jeweiligen Bankenarmen Om-
budsleute zur Verfügung, die den Interessen der Verbrau-
cher und damit der Anleger nachgehen.

In Ihrem Antrag stand ganz klar, dass Sie den Ver-
braucherschutz mit zur Hauptaufgabe der BaFin machen
wollen. Das weisen wir im Grunde zurück, weil das
nicht Hauptaufgabe der BaFin sein kann. Hauptaufgabe
der BaFin ist, die Solvenz für den Finanzmarkt zu ge-
währleisten, ergänzt durch die Bundesbank, die für Li-
quiditätskontrolle sorgen muss.

Wenn wir in einem stabilisierten Finanzmarkt für
mündige Bürger auf der einen Seite und ein differenzier-
tes Angebot auf der anderen Seite sorgen, tun wir für den
Verbraucher das Beste. Kollege Schick, das, was in Ih-
rem Antrag zu den Zertifikaten gefordert wird, ist zu-
sätzlich in die Beratungen einbezogen worden. Wir ha-
ben im Finanzausschuss sehr ausführlich darüber
beraten, dass wir mit der bestehenden Gesetzgebung aus
Wertpapierhandelsgesetz, MiFID und weiteren gesetzli-
chen Regelungen für den Finanzmarkt die Grundlage da-
für haben, auch den Bereich der Zertifikate abzudecken,
sodass wir auch da keinen zusätzlichen Handlungsbedarf
sehen.

Insofern werden wir diesen Antrag ablehnen. Darüber
hinaus werden wir aber der Überweisung der beiden an-
deren Anträge in den Finanzausschuss zur weiteren
Fachberatung zustimmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619409900

Nächster Redner ist der Kollege Hans-Michael

Goldmann für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1619410000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich will zunächst einmal betonen: Ich bin Mit-
glied des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz. Mein Vorredner ist Mitglied des
Finanzausschusses. Federführend in diesem Bereich ist
auch der Finanzausschuss.

Wir müssen einfach einmal darüber reden – damit
können wir heute beginnen –, ob die Trennung – hier die
Finanzpolitiker, da die Verbraucherschutzpolitiker – ein
kluger Weg ist. Der Kernansatz der heutigen Debatte
sollte sein, dass wir uns aufeinander zubewegen und
dass wir nicht sagen: Bei den Banken ist zwar etwas
Schlimmes passiert, aber eigentlich ist das nur ein be-
dauerlicher Zwischenfall. Wir sollten uns vielmehr die
Frage stellen: Welche Konsequenz hat dieser bedauerli-
che Zwischenfall für die Verbraucherinnen und Verbrau-
cher?

In diesem Zusammenhang taucht immer ein unklarer
Verbraucherbegriff auf. Verbraucher sind auch Mittel-

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(C (D tändler, Handwerker, Einzelhändler und Menschen, die ine Alterssicherung angespart haben. Da ich auch Komunalpolitiker bin, bin ich manchmal bei diesen Leuten, enn sie Goldene Hochzeit oder ihren 85. Geburtstag eiern. (Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das sind wir auch!)


ei ihnen gibt es im Moment nur ein Thema: Sie haben
ngst um ihre Alterssicherung.

Herr Dautzenberg, Sie haben in Ihrem Beitrag eine
anze Reihe von Punkten erwähnt, bei denen wir auf-
inander zugehen können. Aber ich warne davor, zu
lauben, dass das Finanzmarktstabilisierungsgesetz aus-
eicht. Wir haben eine Menge für die Banken gemacht.

ir müssen aber auch eine Menge Konkretes in den
anken für die Verbraucher machen.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Wenn Sie mir doch zugehört hätten!)


Herr Dautzenberg, unterstellen Sie mir nicht auf diese
rimitive Weise, dass ich Ihnen nicht zugehört hätte!
uch Finanzpolitiker sollten es sich nicht so einfach ma-

hen. Sie können davon ausgehen, dass ich Ihnen zuge-
ört habe. Sonst würde ich nicht auf Ihren Beitrag rea-
ieren.

Es gibt da einen Versagensstrang, Herr Dautzenberg
Sie kennen ihn auch –: Das Versagen begann in Ame-

ika und wurde von den Ratingagenturen und von den
eutschen Banken mitgemacht. Ich bin Mitglied im Ver-
altungsrat einer Bank. Als ich vor kurzem einmal da-
ach gefragt habe, wie es in Niedersachsen mit der
ord/LB ausschaut, wurde mir gesagt: Alles prima! Als

ch nach dem Kreditwesen fragte, wurde mir gesagt: Al-
es prima! Gleichzeitig wurde mir aber eine Statistik vor-
elegt, aus der hervorgeht, dass ab Juni 2007 diese Pro-
lematiken eindeutig abzusehen waren. Ich habe dann
ie vier Leute im Vorstand dieser Kreissparkasse ge-
ragt: Warum haben Sie uns das eigentlich nicht gesagt?

arum haben Sie die Verbraucher auf die Problemati-
en, die darin stecken, nicht offensiv aufmerksam ge-
acht? Da ist eine Menge Vertrauen in der Beziehung

wischen der Bank und dem Kunden verloren gegangen.
s geht jetzt entscheidend darum, dass dieses Vertrauen
iederhergestellt wird. In diesem Punkt sollten wir uns
irklich einig sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die FDP hat entsprechende Vorschläge gemacht.
azu gehört zum Beispiel ein Vorschlag zur Verbesse-

ung der Finanzaufsicht. Ich glaube, dass Sie vom Bünd-
is 90/Die Grünen da wirklich falsch liegen. Mit der Ba-
in ist das nicht zu machen; diese Aufsicht gehört in die
undesbank.

Wir schlagen eine Art Stiftung Warentest für Finanz-
rodukte vor. Wir machen auch einen emotionalen Vor-
chlag, indem wir sagen: Wir brauchen ein neues System

21020 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Hans-Michael Goldmann
der Vorstandsvergütung. Ich bin davon überzeugt, dass
wir wieder zu einer Aussöhnung zwischen Anstand und
Markt kommen müssen.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Da gibt es doch keinen gesetzlichen Handlungsbedarf!)


In diesem Bereich ist die Vorbildfunktion der Bosse der
Banken verloren gegangen. Das müssen wir gemeinsam
zurückgewinnen. Es muss in diesem Bereich Korrektu-
ren geben. Die Branche hat jede Menge Porzellan zer-
schlagen.

Wenn die Zeitschrift Die Wirtschaftswoche schreibt,
dass in vielen Filialen deutscher Banken Zustände wie in
einer Drückerkolonne herrschen, dann ist das nicht ein-
fach dahingeplappert, sondern dann ist da etwas dran.
Wir müssen uns mit dem Wechselspiel zwischen dem
Kunden und demjenigen, der ihm etwas verkauft, be-
schäftigen.

Für mich war es früher ganz einfach. Ich bin zu mei-
ner Aschendorfer Bank gegangen; da saß mein Freund.
Den habe ich gefragt: Was mache ich mit meinem Ange-
sparten? Ich habe ihm vertraut. Aber heute ist in vielen
Bereichen dieser direkte Kommunikationsprozess auf
eine ganz andere Basis gestellt. Auch die Arbeit der
Banken ist auf eine andere Basis gestellt. Das bringt zum
Teil Veränderungen mit sich, die wir nicht einfach hin-
nehmen dürfen. Stattdessen müssen wir Verbesserungen
erkämpfen.

Ich bin ebenfalls hundertprozentig der Meinung, dass
es in erster Linie um Eigenverantwortung, um den sich
um Mündigkeit bemühenden Verbraucher gehen muss.
Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass sehr
viele Verbraucher nicht in der Lage sind, bestimmte
Dinge zu durchblicken, weil sie einer anderen Tätigkeit
nachgehen und sich mit diesen Dingen nicht so intensiv
beschäftigen. Deswegen müssen wir die Verbraucherbe-
ratung substanziell verbessern. Das müssen wir deutlich
zum Ausdruck bringen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


In dieser Krisensituation sind Hunderttausende von An-
rufen bei den Banken und Verbraucherzentralen einge-
gangen. Die Verbraucherzentralen waren auf diese He-
rausforderung nicht vorbereitet. Deswegen muss man
hier sehr konkret sagen, dass Verbesserungen notwendig
sind.

Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir die
richtigen Gesetze machen. Das Verbraucherinforma-
tionsgesetz ist in der Form entstanden, weil es einen
Gammelfleischskandal gab. Das war eine Lappalie im
Verhältnis zu dem momentanen Finanzskandal auf dem
Markt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Leo Dautzenberg [CDU/CSU])


– Am Gammelfleisch ist keiner – ich sage es in An-
führungsstrichen – „kaputtgegangen“. Aber an dem Ver-

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(C (D ust von finanzieller Perspektive im Alter leiden eine enge Menschen, und viele zerbrechen daran. Herr autzenberg, ich will ja nicht das eine ausschließen und as andere an dessen Stelle setzen. Vielmehr will ich daür plädieren, dass wir die Dinge, die uns im Moment eschäftigen, zum Beispiel in ein Verbraucherinformaionsgesetz aufnehmen, dass wir sie nicht nur mit Blick uf die Lebensmittelwirtschaft behandeln, sondern auch it Blick auf die Verbraucher. Das kann zusammenge asst werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich möchte ein Beispiel nennen, das deutlich macht,
o es im Grunde genommen um den Kampf in der Sa-

he geht. Ich habe hier die Kopie eines ausgefüllten Be-
atungsbogens einer Bank. Auch Sie bekommen ja
chreiben von Menschen, die sich bei den Banken haben
eraten lassen. Die Banken haben von 100-prozentiger
icherheit gesprochen. In diesem Wertpapiersammelord-
er ist die Einstufung des Kunden vermerkt; Sie kennen
as sicherlich.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Citibank!)


a steht: konservativ. Dennoch hat der Kunde am Ende
uf ausdrücklichen Wunsch ein hochriskantes Papier ge-
auft. Das hat nichts mit Eigenverantwortung zu tun.
as ist Fehlberatung.


(Beifall bei der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


as fällt in die Verantwortung derjenigen, die die bes-
ere Kenntnis haben. Deren Verhalten finde ich unmora-
isch. Die Banken sollten schleunigst selbst dafür sorgen,
ass sie nicht mehr solchen Vorwürfen ausgesetzt sein
üssen. Banken sind die Oberinstitutionen des Vertrau-

ns in unserer Gesellschaft. Deswegen müssen wir mit
uhe und konsequentem Durcharbeiten Lösungen ent-
ickeln.

Ich halte die Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und
er Linken für nicht sehr erfolgsorientiert. Aber wir
üssen ganz generell darüber diskutieren und entschei-

en, wie wir hier zu Verbesserungen kommen, und dann
ie entsprechenden Weichen stellen. Parteipolitische
useinandersetzungen finde ich in dem Zusammenhang
berflüssig. Es geht um das Zurückgewinnen von Ver-
rauen in unser Gesamtsystem. Wir sollten die Interessen
er Verbraucher angemessen – nicht überzogen – im
uge haben. Aber wir sollten auch deutlich machen,
ass sich in diesen Bereichen etwas tun muss. Wir haben
azu Vorschläge gemacht, und wir hoffen, dass wir zu
iner gemeinsamen Lösung und guten Ergebnissen kom-
en.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619410100

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Ortwin

unde.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21021


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Ortwin Runde (SPD):
Rede ID: ID1619410200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Goldmann hat völlig zu Recht von Vertrauen ge-
sprochen. Das wiederherzustellen, ist im Interesse der
Verbraucher. Dass das kein einfacher Prozess ist, wissen
die Finanzer so gut wie die Verbraucherschützer. Die
Hohepriester der Finanzindustrie trauen sich gegenseitig
nicht mehr und handeln nicht mehr miteinander. Das ha-
ben wir gespürt. Der Interbankenhandel ist zusammen-
gebrochen.

Wenn es um die Herstellung von Vertrauen geht, muss
man aber auch sagen: Politik darf nicht in die Rolle ge-
drängt werden, die Verantwortung für all das zu über-
nehmen, was andere angerichtet haben.


(Beifall bei der SPD)


Das halte ich für einen fundamentalen Fehler. Vielmehr
muss Politik sehen, welche Rolle sie bei der Wiederher-
stellung des Vertrauens zu spielen hat. Dabei halte ich
das, was die Kanzlerin und der Finanzminister zu einer
politischen Garantieerklärung gegenüber den Verbrau-
chern gesagt haben, für einen wichtigen Schritt.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!)


Ich erwarte von den Banken, Sparkassen und Finanz-
instituten aber, dass sie zu den Fehlern, die sie gemacht
haben, stehen und sie korrigieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich finde es richtig mannhaft, dass Herr Seehofer die
Verantwortung von Vorgängern deutlich benannt und
sich dafür mit entschuldigt hat. Noch mannhafter finde
ich das, was Herr Faltlhauser getan hat. Er hat dort ja
selbst Verantwortung getragen.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie ist das denn mit den CDU-Ministerpräsidenten?)


Ich sehe es bezogen auf Beratungsfehler als notwen-
dig an, dass die Sparkassen, Banken und Finanzinstitute,
die mit ihren Kunden so umgegangen sind, an die Kun-
den herantreten und sagen: Wir prüfen, ob wir dort Bera-
tungsfehler gemacht haben. – Das halte ich für notwen-
dig und richtig.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Richtig!)


In Härtefällen müssen sie den Kunden dann auch ent-
sprechend entgegenkommen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe natürlich mit großem Interesse wahrgenom-
men, dass die Linke eine neue Zielgruppe hat, nämlich
die Lehman-Geschädigten. Wenn man daran denkt,
kommt man bei dem gesamten Thema auch zu einer an-
deren Verantwortung und einem anderem Aspekt:

Wir haben uns über die Renditegier der Ackermänner
und anderer beklagt.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Die gibt es auch bei den Verbrauchern!)


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(C (D ier muss man aber doch auch sehen: Menschen, deren öhne und Gehälter in den letzten Jahren nicht gewachen sind, gehen an die Kapitalmärkte – auch als kleine apitalisten – und erwarten, dass sie nicht Zinsen von bis 4 Prozent, sondern von 5 bis 6 Prozent bekommen. enn man sieht, welche Auswirkungen das insgesamt uf die Verteilung des Volkseinkommens hat – es geht m das Einkommen der abhängig Beschäftigten und eren Lohnquote und das Einkommen aus Unternehmerätigkeit und Vermögen –, dann muss man einfach festtellen: Auch das Spiel am einarmigen Banditen ist usdruck einer falschen Geisteshaltung. Das ist ein Ka inobesuch für die Kleinen. Hier gilt einfach, dass der Besuch dieses Kasinos für ie Kleinen auch durch bestimmte Geisteshaltungen beördert worden ist. Es muss sich auch an den Einstellunen etwas ändern. Jeder weiß aufgrund alter Volksweiseiten: Wer hohe Renditen haben will, der muss hohe isiken eingehen. – Von dieser Grundregel können wir uch niemanden befreien – bei allen Schutzmaßnahmen, ie wir dort vorhaben. Für uns als Finanzpolitiker und Verbraucherschützer teht jetzt die Prüfung an, welche Maßnahmen die Verraucher am besten gegen Risiken schützen. Ich habe die arantieerklärung als eine wichtige Maßnahme zur Ver rauenswiederherstellung angesehen. Ich halte die Richtinie zur europaweiten Einlagensicherung, die die EU etzt sehr schnell auf den Weg bringt, für einen weiteren ichtigen Schritt. iese europäische Richtlinie wird wahrscheinlich noch n diesem Monat vorliegen, und wir werden sie dann in eutschland umsetzen müssen. Bei der Umsetzung in eutschland werden wir die 50 000 Euro, die dann ein agengesichert sind, atürlich in Verbindung mit dem Einlagensicherungsonds sehen müssen. Hierbei ist die Frage, was die Banken garantieren, das ine, das andere ist nach den Erfahrungen mit der Krise ber die Frage, zu was sie in der Lage sind. Mit aupthing in Island haben wir ja die Erfahrung gemacht, ass selbst Einlagerungssicherungszusagen nicht eingealten werden können. as heißt also, die Fragen, ob die entsprechende Liquidiät vorhanden ist und ob dieses Versprechen eingelöst erden kann, sind von entscheidender Bedeutung. Eines muss ich dazusagen: Es geht nicht – das habe ch von einigen gehört –, dass am Ende Staatsgarantien tehen sollen. Vielmehr müssen diejenigen für die Produkte haften, ie sie vertreiben und im Normalfall damit viel Geld verienen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Gesetzlich!)


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Gesetzlich!)


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Tja!)


21022 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Ortwin Runde
Wenn dann argumentiert wird, das koste aber etwas,
muss ich sagen: Exakt das ist es. Wir müssen die Diffe-
renz zwischen Renditen im Bereich der Finanzwirtschaft
und den Renditen, die es ganz normal gibt, abbauen. Wir
brauchen auch wieder ein neues Verhältnis von Einkom-
men aus Arbeit zu Einnahmen aus Finanzanlagen. Das
sage ich wegen Lehman noch einmal in Richtung der
Linken. Ich halte also diese Regelung beim Einlagen-
sicherungsfonds für etwas sehr Wichtiges, weil dies die
Stabilität der Finanzmärkte erhöht.

Wir müssen jedoch auch prüfen, welche Instrumente
und Produkte geeignet sind, die Stabilität des Gesamt-
systems zu gefährden. Damit bin ich bei den Leerver-
käufen. Diese gehören für mich auf den Prüfstand, auf
europäischer Ebene diskutiert und im besten Falle verbo-
ten.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Dauerhaft!)


Wir können ja nicht noch eine Einlagensicherung für
Herrn Merckle wirken lassen, der mit entsprechenden
Spekulationen auf sinkende Kurse der VW-Aktie nicht
nur sein eigenes Vermögen, sondern auch seine Firmen
und somit die an ihnen hängenden Arbeitsplätze gefähr-
det. So weit kann das Ganze nicht gehen.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Porsche!)


In diesem Punkt halte ich es für zentral, dass wir die
Aufsichtsmöglichkeiten verbessern. In dieser Krise ha-
ben wir gesehen, dass in Europa in der Aufsicht vieles
noch verbesserungsfähig und -bedürftig ist, auch im In-
teresse der Verbraucherinnen und Verbraucher. Deswe-
gen spreche ich mich sehr deutlich für eine Stärkung der
Regelwerke, für eine Verstärkung der Regelbeachtung
und für eine Beobachtung durch die BaFin sowie für eu-
ropäische aufsichtsrechtliche Regelungen aus. All dies
ist dringend erforderlich.


(Beifall bei der SPD)


Ich wundere mich ein bisschen über die Diskussion
über das Verhältnis zwischen BaFin und Bundesbank.
Dazu haben wir eine sehr dezidierte Auffassung. Es gab
eine Verständigung zwischen Bundesbank und BaFin.
Überall da, wo sie auftreten, erklären sie, sie kooperier-
ten hervorragend. Das sollte man dann auch nicht stören,
wobei man feststellen muss: Alle hoheitlichen Aufgaben
und hoheitliche Funktionen können nur durch die BaFin
wahrgenommen werden. Das Unabhängigkeitsmantra
der Bundesbank hat uns schon vor kurzem bei anderen
Gelegenheiten beschäftigt. Hierzu muss man feststellen:
Der Steuerzahler, der Verbraucher, hat ein Anrecht da-
rauf, dass es politisch Verantwortliche für solche auf-
sichtsrechtlichen Maßnahmen und Regulierungen gibt.
Deswegen lautet hier die deutliche Ansage: An dieser
Stelle ist die BaFin in ihrer Funktionsfähigkeit gefragt.

Darüber, ob es klug ist, der BaFin das Thema Ver-
braucherschutz als weiteren Schwerpunkt zuzuweisen,
muss man intensiv nachdenken. In diesem Zusammen-
hang sind mir Vorschläge, hier eine Art Stiftung Waren-
test zu schaffen, sehr viel näher und lieber. Ich bin der
Meinung, dass wir, bezogen auf den Verbraucherschutz
im engeren Sinne, in einer Reihe von Punkten überein-

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(C (D timmen, beispielsweise hinsichtlich der Fragen, wann erjährungsfristen zu laufen beginnen und ob es für unden die Möglichkeit gibt, den entstandenen Schaden uch wirklich geltend zu machen. Ich stimme auch mit Herrn Goldmann voll und ganz berein, dass wir überprüfen müssen: Ist das, was wir it der MiFID an Dokumentationspflichten eingeführt aben, etwas, das auch vom Geiste des Vertrauens gelebt ird? Die Aussage, eine höhere Risikoklasse sei auf eienen Wunsch gewählt worden, ist hierbei in der Tat icht der richtige Ansatz. Das ist ein Beratungsfehler. ber die Beratungen müssen jeweils Protokolle gefertigt erden, die beide Seiten unterschreiben müssen. (Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


as halte ich für einen wichtigen Punkt, den wir hierbei
inführen müssen.

Wir haben eine Reihe von Anträgen vorliegen. In der
ächsten Zeit werden wir die europäischen Richtlinien
ur Einlagensicherung umzusetzen haben. Wir werden
ns in diesem Zusammenhang auch mit diesen Anträgen
eschäftigen. Ich glaube, wir werden eine konstruktive
iskussion führen und zu guten Ergebnissen auf diesem
eld kommen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619410300

Nächste Rednerin ist die Kollegin Nicole Maisch für

ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619410400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Wir haben eine ganze Menge über Vertrauen als
chmierstoff auf den Finanzmärkten und als Vorausset-
ung für das Funktionieren der Finanzmärkte gehört. Ich
eile ausdrücklich die Analyse des Kollegen Goldmann,
ass dieses Vertrauen erschüttert ist. Ich teile auch Ihre
oralische Empörung. Es hätte mich aber interessiert,
elche konkreten Maßnahmen zur strukturellen Verbes-

erung des Verbraucherschutzes auf den Finanzmärkten
ich die FDP traut.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Die habe ich genannt, Frau Maisch!)


s wäre sehr interessant gewesen, das zu erfahren. Noch
nteressanter wäre es gewesen, wenn das in Antragsform
orliegen würde. Von Ihnen haben wir bisher nämlich
eine besonders aggressiven verbraucherpolitischen Vor-
chläge, die auch einmal gegen die Banken gerichtet
ind, gehört. Das hätte mich sehr interessiert.

Wir von Bündnis 90/Die Grünen haben Ihnen Vor-
chläge vorgelegt:

Wir wollen die Rechte der Kundinnen und Kunden
urch das Instrument der Sammelklage stärken. Men-
chen, die falsch beraten wurden, die betrogen wurden,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21023


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Nicole Maisch
sollen bessere Möglichkeiten zur kollektiven Rechts-
durchsetzung haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir fordern – das ist von den Vertretern der Regie-
rung dankenswerter Weise positiv bewertet worden –
eine Verlängerung der Verjährungsfrist bei Schadener-
satzansprüchen.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Die Lehman-Brothers-Geschädigten hätten von einer
solchen Regelung profitiert.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Richtig!)


Für sie ist das jetzt zu spät. Um zukünftige Schadensfälle
vermeiden zu können, ist das aber zentral.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen eine starke Finanzmarktaufsicht. Die
Vorschläge der Grünen hierzu wurden hart kritisiert. Ich
möchte aber noch einmal betonen, dass es für die BaFin
gut wäre, wenn der Verbraucherschutz eine ihrer Kern-
aufgaben, natürlich nicht die alleinige Aufgabe, wäre.

Wir wollen ein sektorspezifisches Instrument einfüh-
ren. Wir nennen es „Watchdog“, die SPD nennt es
„Marktwächter“ – das ist vielleicht besser verständlich –,
damit man sektorspezifisch Verbraucherschutzarbeit auf
den Finanzmärkten in einer progressiveren Weise gestal-
ten kann und damit die BaFin als Regulierungsbehörde
einen Gegenspieler hat, der sie bei deutlichen Missstän-
den auf den Finanzmärkten anrufen und aktivieren kann.

Weiterhin wollen wir ein einheitliches Schutzniveau
für alle Verbraucherinnen und Verbraucher. Dazu gehö-
ren strengere Regeln für den sogenannten grauen Kapi-
talmarkt. Wir sind diesem grauen Kapitalmarkt gegen-
über nicht grundsätzlich negativ eingestellt – wir wissen,
dass zum Beispiel im Bereich der erneuerbaren Energien
viel darüber finanziert wurde –, aber es kann nicht sein,
dass das Schutzniveau auf diesem Markt so schlecht ist,
wie es im Moment ist. Wir wollen eine Vereinheitli-
chung, damit auch die Menschen, die ihr Geld auf die-
sem Markt anlegen, sich sicher sein können, dass ihr
Geld in guten Händen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen die Beratungsqualität insgesamt verbes-
sern. Eine ehrliche Beratung im Sinne der Kundinnen
und Kunden und nicht im Sinne der Provisionsmaximie-
rung ist das A und O bei Finanzgeschäften. Ich muss
doch darauf vertrauen, dass mich mein Sparkassenbera-
ter, mein Bankberater ehrlich berät und nicht so, dass er
die größtmögliche Provision kassiert. Wir Grüne fordern
in diesem Zusammenhang einen Finanzvorsorgecheck
bei einer unabhängigen Beratungsstelle. Das können
zum Beispiel die Verbraucherzentralen sein. Dazu gehört
aber auch, dass man die Finanzierung einer solchen Be-
ratung klärt und sichert. Im Zweifelsfall müssen auch die
Banken ihren Beitrag dazu leisten. Ich freue mich schon
jetzt, wenn der Kollege Goldmann an unserer Seite die-
sen Wunsch gegenüber den Banken äußern wird.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Dann habe ich ja doch einen Vorschlag gemacht, Frau Maisch!)


Mein letzter Punkt ist die Hilfe für Menschen in der
ot. Auch das hat mit den Finanzmärkten zu tun. Wir
lauben, dass das längst überfällige Recht auf ein Giro-
onto für alle endlich realisiert werden muss.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch Blabla! Das bringt doch nichts!)


ir wollen – Stichwort Privatinsolvenz – eine Kultur der
weiten Chance; denn die Menschen, die reingefallen
ind, brauchen eine zweite Chance.

Ich finde es gut, dass unsere Anträge jetzt zur Bera-
ung in die Ausschüsse überwiesen werden. Ich erwarte
om Verbraucherausschuss, dass er sich ähnlich wie die
inanzpolitiker mit diesen Themen beschäftigen wird.
ie Bundesregierung kann ich nur auffordern: Sorgen
ie für mehr Sicherheit der Anleger! Dann funktionieren
uch die Finanzmärkte wieder besser.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1619410500

Das Wort hat die Kollegin Julia Klöckner für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1619410600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Es gibt genauso wenig die Banken und die
ankberater, wie es die Verbraucherinnen und Verbrau-
her gibt. Nicht alle Bankberater haben ihre Kunden
ber den Tisch gezogen. Es war auch nicht jeder Ver-
raucher ganz frei von dem Wunsch, möglichst noch
ehr Zinsen zu bekommen. Auch beim Hinterherhe-

heln von einem Zehntel mehr Zins zu einem weiteren
ehntel mehr Zins ist sicherlich vieles auf der Strecke
eblieben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte mich heute denjenigen Bürgerinnen und
ürgern zuwenden – ihr Anteil beträgt etwa 80 Prozent –,
ie ihr Geld nicht angelegt haben, um zu zocken, son-
ern die ihr Geld im Rahmen der Altersvorsorge bei ei-
er sicheren Bank anlegen wollten. Ich meine diejeni-
en, denen es ähnlich erging wie zum Beispiel einem
etenten in meinem Wahlkreisbüro, der aufgrund seiner
rühverrentung seine Abfindung bis zum Eintritt in die
ente anlegen wollte und dieses Geld verloren, aber
icht verspielt hat.

Zusammen mit meinen Kollegen aus dem Finanzaus-
chuss war ich, als wir eine Expertenrunde einberufen
aben, etwas erstaunt darüber, dass viele der geladenen
erbandsvertreter unterschiedlicher Sparten uns den
indruck vermittelt haben, es sei alles ganz in Ordnung,
an müsse nur etwas mehr aufklären und dann gehe

chon alles seinen Weg. Dem ist nicht so. Deshalb danke

21024 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Julia Klöckner
ich meinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Finanz-
ausschuss sehr. Wir haben uns nämlich zusammen auf
den Weg gemacht und wollen sinnvolle Vorschläge ma-
chen. Deswegen debattieren heute sowohl die Finanz-
wie auch die Verbraucherpolitiker von der CDU/CSU-
Fraktion. Denn beides gehört zusammen: Gute Finanz-
politik ist guter Verbraucherschutz,


(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


aber auch eine gute Wirtschaftspolitik für unseren Stand-
ort in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Umgekehrt auch: Gute Verbraucherpolitik ist auch gute Wirtschaftspolitik!)


Über den Hinweis, wir sollten als Verbraucherpoliti-
ker keine Schnellschüsse machen, den ich vom Banken-
verband bekam, war ich etwas erstaunt. Es stimmt:
Schnellschüsse sind immer ein schlechter Ratgeber. Nur,
diesen Hinweis habe ich nicht gehört, als es darum ging,
innerhalb einer Woche einen Bankenrettungsschirm auf-
zuspannen. Es war relativ zackig, was wir da hinbekom-
men haben.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: War aber auch qualitativ gut!)


Es war sehr gut und auch notwendig. Dazu höre ich von
der Opposition nichts; denn wir könnten heute nicht über
mögliche Schutzfunktionen für den Verbraucher reden,
wenn wir diesen ersten Schritt nicht gemacht hätten. An-
sonsten wäre alles den Bach hinuntergegangen. Dann
hätte auch die Notwendigkeit von Beratungsprotokollen
überhaupt nicht mehr auf der Tagesordnung gestanden.


(Beifall bei der CDU/CSU und SPD – HansMichael Goldmann [FDP]: Du musst aber sagen: Teile der Opposition!)


Interessant ist natürlich die Betrachtung derjenigen
Zahlen, die zum Ausdruck bringen, wie sich die Geld-
vermögensbildung der privaten Haushalte in den vergan-
genen zehn Jahren in Deutschland entwickelt hat. 1997
hatten noch etwa 41 Prozent der privaten Haushalte ihr
Geld in Geldanlagen bei der Bank. Zehn Jahre später
sind es etwa noch 35 Prozent. Etwa ein Drittel der Anla-
gen sind in Wertpapieren, in Aktien, Anleihen, Invest-
mentfonds und in anderen Beteiligungen, investiert. Das
einmal wahrzunehmen, ist ganz interessant, vor allen
Dingen vor dem Hintergrund, dass trotz dieser breiten
Streuung – es wird ja immer geraten, das Vermögen auf
mehrere Beine zu stellen – die Rendite bzw. die Kapital-
erträge mitnichten gestiegen sind. Im Gegenteil! Bei ei-
ner repräsentativen Umfrage war auffallend – da setzen
wir als Verbraucherpolitiker und Finanzpolitiker an –,
dass die Deutschen nach wie vor konservativ anlegende
Sparer sind, dass das Anlageverhalten eher risikoarm ist.
Es gibt aber einen wachsenden Anteil risikobehafteter
Anlagen und Depots von privaten Haushalten. Dieses
Chancen-Risiko-Raster ist von diesen aber mitnichten so
wahrgenommen oder verstanden worden.

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(C (D Das lässt mich fragen, ob die Beratung bei der Ausahl solcher Produkte falsch oder zumindest unzurei hend war. Wir wissen auch: Ganz viele Verbraucherinnen und erbraucher, die eben keine studierten Ökonomen sind, reffen ihre Entscheidungen natürlich nicht alleine, sonern sie holen sich Rat von ihrem Bankberater und verassen sich auf seine Empfehlungen; denn letztlich sind as die Profis. Besinnen wir uns einmal darauf, was Kredit“ eigentlich heißt. Kredit kommt von „credere“, ommt also von Vertrauen und Glauben. Genau das üssen wir wieder hinbekommen: Wir müssen diesen chmierstoff wiederherstellen. Das ist auch im Sinne erjenigen, die sich bei der Beratung in der Vorkrisenzeit rdentlich verhalten haben. Nichtsdestotrotz zeigen die Erfahrungen – wir wissen as –, dass Banken gute wie auch schlechte Produkte im ngebot haben. Sowohl die guten als auch die schlechten rodukte werden empfohlen. Auch das ist Tatsache. Im üngsten Frontal-Bericht des ZDF wurden aktuell Testersonen losgeschickt. Eine Testperson, die 70 000 Euro ür die Altersvorsorge anlegen wollte, war bei acht Banen, und immer wurden risikoreiche und nicht sichere rodukte angeboten. Es ist ärgerlich – ich betone noch inmal, dass das nicht für alle Banken gilt –, dass just in ieser Situation, in der die Sensibilität für diese Dinge estiegen ist, so etwas noch vorkommt. Deshalb habe ich weifel an der Qualität der Beratungen. In der Wirtchaftswoche wird eine Bankmitarbeiterin zitiert, die naentlich natürlich nicht genannt werden möchte: Sie können sich nicht sicher sein, ob sie ein Produkt empfohlen bekommen, weil es wirklich gut ist oder weil es in dieser Woche noch verkauft werden muss. Oder weil die Rendite oder die Provision dementsprehend attraktiv sind. Es geht darum, dem Kunden die Produkte anzubieten, ie er wirklich braucht, und sie auch dann anzubieten, enn er sie braucht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Richtig!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Peter Bleser [CDU/CSU]: Oder die Rendite!)


Ich komme noch einmal auf die Diskrepanz zwischen
em Wunsch nach Sicherheit hier in Deutschland bei
tto Normalverbraucher, dem Durchschnittsanleger und
ichtzocker, und der Risikosteigerung zurück. Relativ
eue Anlageformen sind zum Beispiel die Zertifikate.
ei einem Drittel aller Beratungen spielen diese Zertifi-
ate nach Angaben von Bankberatern eine entschei-
ende Rolle. Ob aber Verbraucher das mit diesen Zertifi-
aten verbundene Risiko wirklich einschätzen können,
st fraglich.

Laut einer Marktstudie des Deutschen Aktieninstitu-
es wird der Kenntnisstand der Kunden über Zertifikate

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21025


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Julia Klöckner
von den Bankberatern durchweg als defizitär einge-
schätzt. 83 Prozent der Bankberater schätzen das Risiko
als sehr hoch ein, aber sie geben an, privaten Anlegern
einen Zertifikateanteil von durchschnittlich 38 Prozent
im Depot empfohlen zu haben. Da geht etwas auseinan-
der.

Das Hauptkriterium der Anlageempfehlung war zu-
dem keinesfalls die Aussicht auf hohe Wertentwicklung.
Etwa 23 Prozent der Bankberater gaben als Kriterium
für die Empfehlung von Zertifikaten eine konservative,
sichere Ausrichtung der Anlage an. 13 Prozent nannten
sogar eine absolute Absicherung gegen Risiko als Krite-
rium für die Empfehlung. Rund die Hälfte aller Bankbe-
rater meinte zudem, die Papiere hätten unter der Berück-
sichtigung des Anlageziels und der Risikostruktur zum
jeweiligen Kunden gepasst. Ich denke, das passt nicht
zusammen.

Diese Beschreibungen passen auch zu den Angaben
der Lehman-Geschädigten. Es gibt jetzt ein Urteil aus
Leipzig. Dort wurde einem Ehepaar recht gegeben, das
sein Geld für die Ausbildung der Tochter absolut sicher
anlegen wollte. Es wurden auch noch im Mai und Juni
dieses Jahres Lehman-Zertifikate angeboten, als schon
klar war oder sich zumindest abzeichnete, dass dort eine
Zahlungsunfähigkeit anstehen würde.

Was sind die Forderungen bzw. die Vorschläge der
CDU/CSU-Fraktion? Diese sind zwischen Finanzpoliti-
kern und Verbraucherschutzpolitikern abgestimmt. Denn
es bringt wenig, hier jetzt Forderungen aufzustellen, die
weder unserem Finanzmarktstandort helfen noch dem
Verbraucher nützen. Es bringt nichts, Protokolle auszu-
händigen, die nicht zu verstehen sind. Deshalb sind wir
dafür, dass Protokolle verständlich abgefasst werden, so-
dass der Verbraucher nachvollziehen kann, was er er-
wirbt, und wir sind dafür, dass innere Logiken geschaf-
fen werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619410700

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1619410800

Denn es kann nicht sein, dass ein Protokoll ausgehän-

digt wird, auf dem vorne „risikoarm“ steht, aber „risiko-
behaftet“ hinten herauskommt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit den Gelddingen ist es so wie mit der Gesundheit:
Man sollte sich am Anfang beraten lassen, weil man da
noch etwas unbedarft ist. Wir wissen auch, dass Bäume
nicht in den Himmel wachsen. Das hat meine Oma im-
mer gesagt. Deshalb sollten wir Maß halten, auch bei
den Zinsen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619410900

Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Gerhard Schick,

Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Frau Klöckner, ich bin Ihnen sehr dankbar für ie Ausführungen, die Sie zu dem Bereich gemacht haen, den ich jetzt ins Zentrum rücken will, nämlich den ertifikatemarkt. Sie haben völlig richtig dargestellt, dass selbst nach er Einschätzung derjenigen, die beraten sollen, viele enschen überhaupt nicht verstehen, was sie kaufen, nd dass das „vorne“ abgefragte Anlagenprofil und das, as den Menschen nachher verkauft wird, nicht zusamenpassen. Vor dem Hintergrund Ihrer Analyse, die ich teile und er ich viele einzelne Beispiele von Fehlentwicklungen inzufügen könnte, stellt sich jedoch die Frage, weshalb eit eineinhalb Jahren dem Finanzausschuss ein Antrag on Bündnis 90/Die Grünen vorliegt, der darauf abzielt, m Zertifikatemarkt etwas zu verändern, und der in der ereitschaft formuliert worden ist, gemeinsam einen al ernativen Antrag zu erarbeiten, der Ihre Erwägungen ufgreift, und es stellt sich die Frage, weshalb Ihre Frakion nicht in der Lage war, eineinhalb Jahre lang etwas u tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht!)

Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619411000

Sie haben bei der MiFID-Umsetzung erklärt, Sie
eien bereit, sich das anzuschauen. Es gab aber keinen
inzigen Vorschlag, der darauf abzielte, diesen Markt zu
erändern. Ich finde es gut, dass wir uns heute im Ple-
um diesen Aspekt genauer anschauen; denn es gibt
wei Finanzmarktkrisen. Es gibt die große Finanzmarkt-
rise, über die in den Schlagzeilen berichtet wird, bei der
s um Milliardenabschreibungen geht, und es gibt die
äglich andauernde Finanzmarktkrise, bei der Anlegerin-
en und Anleger in Deutschland schlecht beraten und
ber den Tisch gezogen werden. Sie werden provisions-
rientiert beraten; denn der Markt setzt die falschen Ak-
ente.

Wir müssen uns in diesem Parlament mehr mit der an-
auernden kleinen Finanzmarktkrise der Anlegerinnen
nd Anleger beschäftigen. Heute ist ein Anlass dazu ge-
eben. Ich hoffe, dass es nicht nur bei Ankündigungen
nd Prüfaufträgen bleibt, sondern dass endlich etwas bei
en Beratungen herauskommt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben im Ausschuss über die Zertifikate disku-
iert. Herr Runde pflegt eine gute antikapitalistische
rundhaltung. Er schimpft aber dann auf die Kleinkapi-

alisten. Das sind die Sparerinnen und Sparer, das sind
hre Wählerinnen und Wähler, das sind die kleinen Leute,
ie Sie meinen zu vertreten. Das von Ihnen geführte Fi-
anzministerium tut für diese Menschen im Zweifelsfall
ar nichts. Ich möchte, dass die SPD-Fraktion nicht nur
roße Ankündigungen macht, sondern wirklich etwas un-
ernimmt. Jetzt haben Sie Zeit dazu, etwas zu tun. Ich for-
ere Sie auf, konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Dazu
abe ich von Ihnen heute nicht viel gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


21026 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Dr. Gerhard Schick
Der Zertifikatemarkt, der in den vergangenen Jahren
stark gewachsen ist, ist ein ganz besonderes Beispiel.
Daran sieht man wieder, dass es wichtig wäre, dass die
BaFin etwas unternimmt. Herr Dautzenberg, da habe ich
jetzt die Gelegenheit, auf Ihren Beitrag einzugehen. Es
wäre wichtig, die entsprechenden Grundlagen zu schaf-
fen, damit die BaFin die Prospekte auch inhaltlich prüft.
All diese Punkte sind in unserem Antrag enthalten. Ich
meine, es gibt die Spitze des Eisbergs; das sind die
Leute, die konkret durch die Pleite etwa von Lehman
Brothers geschädigt worden sind. Darüber hinaus müs-
sen wir uns aber auch mit den laufenden Verlusten der
Leute beschäftigen, die schlecht beraten worden sind
und zu denen die Zertifikate, die ihnen aufgedrückt wor-
den sind, nicht gepasst haben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619411100

Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit bereits eine

halbe Minute überschritten.


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619411200

Ich hoffe, dass das nächstes Mal gelingt. Sie werden

unseren Antrag heute ablehnen, aber die Verantwortung,
etwas in diesem Bereich zu unternehmen, werden Sie
nicht los.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619411300

Das Wort hat die Kollegin Marianne Schieder, SPD-

Fraktion.


Marianne Schieder (SPD):
Rede ID: ID1619411400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Herr Dr. Schick, ich möchte zunächst
einmal feststellen, dass die Bundesregierung auf die Fi-
nanzmarktkrise nicht nur schnell und effizient reagiert
hat, sondern mit den getroffenen Maßnahmen gerade im
Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher bereits
Wesentliches auf den Weg gebracht hat.

Ich meine, dass die Garantieerklärung zugunsten der
Sparerinnen und Sparer zum richtigen Zeitpunkt abgege-
ben worden ist. Damit wurden nicht nur Panikreaktionen
verhindert, sondern damit wurde auch neues Vertrauen
aufgebaut. Nun steht für alle Inhaberinnen und Inhaber
von Spar- und Girokonten, von Sparbriefen und von Ta-
ges- und Festgeldanlagen bei Banken mit Sitz in
Deutschland fest, dass ihnen kein Euro verloren geht.
Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz und die Finanz-
marktstabilisierungsfonds-Verordnung, liebe Frau Binder,
dienen eben nicht nur den Banken, sondern gerade auch
den Verbraucherinnen und Verbrauchern.


(Beifall bei der SPD)


Sie wissen doch, dass damit im Interesse aller nicht nur
die Funktionsfähigkeit des Finanzmarktes stabilisiert
wurde, sondern auch der Wirtschaftskreislauf aufrecht-
erhalten und Arbeitsplätze gesichert werden konnten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Auch auf EU-Ebene und auf internationaler Ebene urden und werden Maßnahmen beraten, um die Finanzarktkrise einzudämmen und dem künftigen Entstehen on Finanzmarktkrisen vorzubeugen. Aus verbraucherolitischer Sicht ist besonders der Beschluss der EUinanzminister hervorzuheben, nach dem die Deckungsumme der gesetzlichen Einlagensicherung zum 30. Juni 009 auf 50 000 Euro angehoben werden soll; ab dem 1. Dezember 2011 sollen dann sogar 100 000 Euro gechützt sein. Ganz hervorragend angenommen wurde von sehr vieen verunsicherten Verbraucherinnen und Verbrauchern ie vom BMELV finanzierte und für die Nachfragenden ostenlose Telefonhotline der Verbraucherzentralen. ntsprechend dem Bedarf wird sie auch über den zuächst geplanten Zeitraum von vier Wochen hinaus weierhin zur Verfügung stehen. Mithilfe dieser Hotline önnen wir genau herausfinden, wo es hakt, wo im Sinne es Verbraucherschutzes nachgebessert werden muss nd wo Information und Beratung nicht gut funktionieen. Die Bundesregierung ist, über dieses Krisenmanageent hinaus, inzwischen auch auf dem Wege, zusätzli he verbraucherpolitische Maßnahmen einzuleiten und orzubereiten. Heute ist schon angesprochen worden, ass die kurzen kapitalmarktrechtlichen Verjährungsvorchriften an die Verjährungsvorschriften des Allgemeien Schuldrechts angepasst werden sollen. Derzeit verjähren Ansprüche wegen fehlerhafter Anageberatung, falscher oder unterlassener Mitteilung von nsiderinformationen und unrichtiger Verkaufsprospekte ereits ein Jahr nach Kenntnis und spätestens drei Jahre ach dem Pflichtenverstoß. Anleger erhalten häufig jeoch erst später Kenntnis von ihren berechtigten Anprüchen; das ist übrigens auch im Zusammenhang mit en Lehman-Anlagen zu beobachten. Deshalb sollen die urzen kapitalmarktrechtlichen Verjährungsvorschriften m Sinne des Schuldrechts so verändert werden, dass an ab Kenntnis drei Jahre, höchstens aber zehn Jahre eit hat, um Ansprüche durchzusetzen. Dies halten wir eitens der SPD-Fraktion für absolut geboten. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Otto Bernhardt [CDU/CSU])


Intensiv geprüft wird auch, ob die Beweislast, dass
ber die Risiken einer Kapitalanlage ordentlich und rich-
ig aufgeklärt wurde, im Sinne einer Beweislastumkehr
uf den Anlageberater verlagert werden kann. Auch dies
ird seitens der SPD-Verbraucherpolitikerinnen und

Verbraucherpolitiker nachhaltig unterstützt.

Es geht uns um eine wesentliche Verbesserung der In-
ormations- und Dokumentationspflichten von Banken
nd Beratern. Diese sollen ihre Kunden deutlich darauf
inweisen müssen, wenn bestimmte Produkte nicht ih-
em Risikoprofil entsprechen. Sie sollen begründen und
okumentieren müssen, weshalb eine bestimmte Anla-
eempfehlung ausgesprochen wurde. Treffen die Kun-
en Entscheidungen entgegen dem Rat des Beraters,
uss auch darauf deutlich hingewiesen werden, zum
eispiel in Form einer gesonderten Unterschrift; es

eicht nicht aus, lediglich ein Häkchen hinter einem

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21027


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Marianne Schieder
Kästchen zu machen, in dem „besonderer Kunden-
wunsch“ steht. Die Informationen müssen verständlich
und vergleichbar formuliert werden, sind vom Kunden
zu unterschreiben und müssen ihm auch ausgehändigt
werden.

Wir wollen die Regelung treffen, dass alle Finanzver-
mittler zukünftig einen Mindeststandard an Befähi-
gungsnachweisen erbringen und eine Berufshaftpflicht-
versicherung nachweisen müssen. Es wird intensiv
geprüft, wie die Verbraucherberatung und die Arbeit der
Verbraucherzentralen gestärkt werden können. Denn es
ist natürlich klar, dass gut informierte und gut beratene
Verbraucherinnen und Verbraucher sicherlich besser da-
vor geschützt sind, riskante Anlagen zu tätigen oder
überteuerte Kreditverträge zu unterschreiben, und dass
gut beratene Verbraucherinnen und Verbraucher auch
ihre Rechte besser geltend machen können.

Uns gefällt der Vorschlag der Verbraucherzentrale
Bundesverband gut, einen Finanzmarktwächter einzu-
setzen, weil mit einem solchen Instrumentarium der Fi-
nanzmarkt sicherlich gut in den Blick genommen wer-
den kann und dort auftauchende Produkte kritisch
beleuchtet werden können. So kann rechtzeitig auf pro-
blematische Entwicklungen hingewiesen werden.

Wir brauchen gerade in diesem Bereich nicht nur gute
Vorschläge, sondern auch realistische Finanzierungskon-
zepte; denn ohne zusätzliche Mittel wird die Verbrau-
cherberatung diesen zusätzlichen Aufgaben nicht ge-
recht werden können. Die Länder sind einmal mehr
gefordert, die nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu
stellen, damit Schuldnerberatungsstellen ihre Dienste
zeitnah und flächendeckend anbieten können. Es bedarf
auch einer Stärkung der Allgemeinbildung in Sachen
Finanzen – so möchte ich es einmal zusammenfassen –,
insbesondere an den Schulen und in der Erwachsenenbil-
dung.

Sie sehen also, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen und von der Linken: All das, was an Sinn-
vollem in Ihren Anträgen steht, ist entweder bereits auf
den Weg gebracht


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na! Das halte ich für ein Gerücht! – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Alte Hüte!)


oder wird intensiv geprüft, und das wissen Sie auch;
denn wir haben darüber im Verbraucherschutzausschuss
schon ausführlich diskutiert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben dort bereits am 12. November eine Anhörung
dazu beschlossen.


(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Genau!)


Wegen der Komplexität der Materie und der nicht un-
erheblichen finanziellen Folgen, die bei den meisten
Vorschlägen zu berücksichtigen sind, gilt für uns in die-
sem Bereich der Grundsatz: Gründlichkeit vor Eile.
Schnellschüsse, Populismus und Aktionismus werden
uns da nicht weiterhelfen.

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(C (D Ich habe eine herzliche Bitte: Nutzen wir die Anhöung, die wir gemeinsam beschlossen haben, um mit alen Beteiligten die aufgeworfenen Fragen und Forderunen in der gebotenen Sorgfalt zu diskutieren! Ich bin mir icher, dass wir dabei sowohl für die Verbraucherinnen nd Verbraucher als auch für das Finanzwesen zu verünftigen und realisierbaren Lösungen kommen können. Jetzt danke ich für die Aufmerksamkeit. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 16/11185 – Tagesordnungspunkt 38 a – an ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse sowie n den Rechtsausschuss und an den Ausschuss für Wirtchaft und Technologie vorgeschlagen, wobei der Fianzausschuss in der Beratung federführend sein soll. ie Vorlage auf Drucksache 16/11205 – Tagesordnungsunkt 38 b – soll an dieselben Ausschüsse überwiesen erden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. ann sind die Überweisungen so beschlossen. Zusatzpunkt 11: Beschlussempfehlung des Finanzauschusses zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die rünen mit dem Titel „Schutz der Anlegerinnen und An eger bei Zertifikaten stärken“. Der Ausschuss empfiehlt seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/11226 die Drucksache 16/11279 enthält den Bericht des Fi anzausschusses –, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/ ie Grünen auf Drucksache 16/5290 abzulehnen. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt agegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung st bei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grüen mit den Stimmen des Hauses im Übrigen angenomen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 40 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes – Drucksachen 16/10812, 16/10999 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung – Drucksache 16/11229 – Berichterstattung: Abgeordneter Patrick Döring – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung – Drucksache 16/11235 – Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Königshofen Dr. Frank Schmidt Dr. Claudia Winterstein Roland Claus Anna Lührmann 21028 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Die Kolleginnen und Kollegen haben ihre Reden zu Protokoll gegeben. Es sind dies Sören Bartol, SPD, Patrick Döring, FDP, Gero Storjohann, CDU/CSU, Dorothée Menzner, Die Linke, Jörg Vogelsänger, SPD, Bettina Herlitzius, Bündnis 90/Die Grünen.1)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619411500

(15. Ausschuss)


(A) )


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Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
des Wohngeldgesetzes. Der Ausschuss für Verkehr, Bau
und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/11229, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung – das sind die Drucksachen 16/10812 und
16/10999 – in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des
ganzen Hauses angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in
dritter Beratung ebenfalls mit den Stimmen des ganzen
Hauses angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 41 a und 41 b auf:

a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Dr. Uschi Eid, Nicole Maisch, Rainder
Steenblock, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Internationales Jahr für sanitäre Grundver-
sorgung 2008 der Vereinten Nationen – Chan-
cen und Potentiale der Sanitärversorgung

– Drucksachen 16/9387, 16/10922 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck (Bremen), Volker
Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sanitäre Grundversorgung international ver-
bessern

– Drucksache 16/11204 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten
soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Dr. Uschi Eid, Bündnis 90/Die Grünen.

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z1) Anlage 3

(C (D Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und erren! Es ist gut, dass sich der Deutsche Bundestag am nde des Internationalen Jahres der sanitären Grundverorgung heute mit dem Problem befasst. Es geht um die robleme, die zu lösen sind, um der Verknappung des assers als einer zukünftigen Herausforderung des lauen Planeten entgegenzuwirken. Der Deutsche Bundestag hat mit seiner gemeinsamen ntschließung vom September 2006 dieses Internatioale Jahr unterstützt und damit klargemacht, dass wir bgeordneten nicht bereit sind, hinzunehmen, dass imer noch 2,5 Milliarden Menschen ohne ordentliche oiletten und Abwasserentsorgung leben. ir erwarten von den betroffenen nationalen Regierunen und von der Bundesregierung im Rahmen ihrer inernationalen Kooperation entschlossenes Handeln. Daür sind vier Gründe zu nennen. Erstens. Sanitärversorgung ist unerlässlich für die enschliche Gesundheit und ein gesundes Wohnumfeld. edes Jahr werden mehr als 200 Millionen Tonnen enschlicher Ausscheidungen unbehandelt in die Umelt entlassen und setzen Millionen Menschen Krankeitserregern aus. Besonders für Kinder sind die Folgen erheerend. Täglich sterben circa 4 000 Kinder an urchfallerkrankungen, die hauptsächlich auf verunreiigtes Trinkwasser und mangelnde Hygiene zurückzuühren sind. Zweitens. Sanitärversorgung ist eine wichtige Vorausetzung für Geschlechtergerechtigkeit und Bildung. Aufrund von fehlenden, nicht abschließbaren oder nicht gechlechtergetrennten Toiletten verlassen viele Mädchen ereits bei Erreichen der Pubertät die Schule und erlanen keinen Schulabschluss. UNICEF hat zum Beispiel in angladesch eine Kampagne durchgeführt und alle chulen mit getrenntgeschlechtlichen Toiletten versorgt. iehe da: Innerhalb kurzer Zeit ist die Quote der Schüleinnen um 10 Prozent gestiegen, die in der Schule gelieben sind und ihren Abschluss gemacht haben. Drittens. Sanitärversorgung trägt zur Würde und Siherheit von Menschen bei. Ein Leben in Würde ist aum möglich, wenn man sich in der Öffentlichkeit ereichtern muss, halb hinter einem Busch oder in einer unklen Häuserecke verborgen. Ein stilles Örtchen zu aben, bedeutet gerade für Frauen und Mädchen auch ehr Sicherheit. Es schützt sie vor sexueller Gewalt, der ie häufig ausgesetzt sind, wenn sie im Dunkeln teils eite Strecken zu entlegenen Stellen laufen, um ihre otdurft zu verrichten. Vor diesem Problem dürfen wir icht länger die Augen verschließen. Wir müssen Abilfe schaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1619411600

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Viertens. Sanitärversorgung schützt wichtige Trink-
asserressourcen. In Entwicklungsländern werden 90 Pro-

ent der Abwässer ungeklärt in den Boden, in Flüsse und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21029


(A) )



(B) )


Dr. Uschi Eid
ins Meer geleitet. Dass dadurch Trinkwasserquellen und
das Grundwasser verschmutzt werden und die nachhal-
tige Verfügbarkeit von sauberem Trinkwasser gefährdet
ist, bedeutet schlichtweg den schleichenden Tod für
Menschen und Natur.

Es wird oft übersehen, dass Sanitärversorgung wirt-
schaftliche Vorteile bringt. Alle Finanzminister in den
Entwicklungsländern müssen hiervon überzeugt werden.
Denn jeder in die Wasser- und Sanitärversorgung inves-
tierte Dollar erbringt nach Angaben der Weltgesund-
heitsorganisation und von UNICEF einen im Durch-
schnitt achtfachen volkswirtschaftlichen Gewinn. Von
einer solchen Rendite können Unternehmen nur träu-
men.

Umso wichtiger ist es, das Thema international voran-
zutreiben. Deutschland fällt eine besondere Verantwor-
tung zu. Denn schließlich war die damalige rot-grüne
Bundesregierung als Gastgeber und Initiator der Interna-
tionalen Süßwasserkonferenz in Bonn 2001 eine trei-
bende Kraft dafür, dass das Millenniumsentwicklungs-
ziel zur Sanitärversorgung auf dem Weltgipfel für
Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg 2002 nach-
träglich in den Katalog der Millenniumsentwicklungs-
ziele aufgenommen wurde.

Auch die jetzige Bundesregierung hat in ihrer Ant-
wort auf die Große Anfrage meiner Fraktion die Trink-
wasser- und Sanitärversorgung als wichtigen Faktor für
die Armutsbekämpfung anerkannt und die Hauptursa-
chen für die Vernachlässigung des Sanitärbereiches rich-
tig identifiziert. Dabei ist die Tabuisierung des Themas
ein ganz wichtiger Punkt. Jedoch hat die Bundesregie-
rung selbst zu wenig getan, um diesen Ursachen zu be-
gegnen. Mit dem von uns eingebrachten Antrag fordern
wir die Bundesregierung auf, ihren Kurs zu korrigieren
und der sanitären Grundversorgung einen neuen Impuls
in ihrer internationalen Politik zu geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619411700

Ich gebe das Wort der Kollegin Sibylle Pfeiffer, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1619411800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auf Cocktailpartys redet jeder über Aids. Aber kei-
ner will etwas über Durchfallerkrankungen hören.

Dies, liebe Freunde, ist ein Zitat von John Oldfield,
Vizepräsident der US-Kampagne „water advocates“.
Worüber reden wir hier? Wir reden tatsächlich über ein
Tabuthema. Deshalb ist es wunderbar, dass wir das tun,
was, glaube ich, zwingend notwendig ist, nämlich Öf-
fentlichkeit herstellen. Uns ist es gelungen, das Thema
Aids gesellschaftsfähig zu machen, weil wir es in die Öf-
fentlichkeit gebracht haben, weil wir uns trauen, es hier
im Parlament zu diskutieren. Deshalb, glaube ich, ist es

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(C (D llerhöchste Zeit, dass wir über die in Rede stehende hematik sprechen; denn hier besteht Handlungsbedarf. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nicht nur in der Entwicklungszusammenarbeit an
ich hat das Thema „sanitäre Grundversorgung“ nicht
nbedingt die erste Priorität. Die NGOs kümmern sich
elativ wenig darum. In Regierungsverhandlungen pas-
iert insoweit eigentlich eher nichts. Auch unsere Durch-
ührungsorganisationen sehen in der sanitären Grundver-
orgung nicht die erste Priorität.


(Hellmut Königshaus [FDP]: Leider ja!)


Deshalb wiederhole ich: Was wir hier tun, ist uner-
ässlich. Wir stellen Öffentlichkeit her. Das heißt, wir
ecken auch Interesse.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wir brechen das Tabu!)


Über eines, liebe Freunde, müssen wir ab und zu
achdenken. Baden, Duschen, Händewaschen, Zähne-
utzen, das ist für uns etwas völlig Normales und Selbst-
erständliches; es ist jederzeit möglich. Es ist für uns
icht nachvollziehbar, dass das nicht auf der ganzen
elt der Fall ist. Es gibt 1,1 Milliarden Menschen ohne
asserversorgung. 2,5 Milliarden Menschen sind ohne

anitäre Grundversorgung, davon sind im Übrigen min-
estens 1,5 Milliarden Kinder. Was machen diese Men-
chen? Uschi Eid hat es eben schon gesagt: offene Latri-
en, Eimer oder einfach gar nichts.

Stellen Sie sich einmal das Zusammenleben in den
lums der Megacitys ohne Wasserversorgung, ohne sa-
itäre Grundversorgung vor. Das ist eine Katastrophe für
lle Beteiligten.

Eigentlich sollten wir doch wissen, worüber wir re-
en; denn auch bei uns waren Typhus und Cholera an der
agesordnung, solange wir keine Kanalisation hatten.
ls wir geboren wurden, gab es bei uns eine Kanali-

ation. Aber das war viele Jahrhunderte lang nicht so.
yphus und Cholera waren an der Tagesordnung. Die
ebenserwartung der Menschen ist, seitdem es eine Ka-
alisation bei uns gibt, um 30 Jahre gestiegen. Davon
ehen mindestens 25 Jahre auf die vorhandene sanitäre
rundversorgung zurück.

Es geht hier um das Thema Prävention. Prävention ist
igentlich genau unser entwicklungspolitischer Ansatz:
ir müssen handeln, bevor irgendetwas passiert.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Baden, Duschen, Händewaschen und Zähneputzen zu
eder Zeit, wann immer man will – ich finde, das ist kein
uxus; vielmehr ist das die Grundvoraussetzung für ein
esundes, lebenswertes Leben.

Es geht auch um Armutsbekämpfung. Nicht umsonst
st dieses Thema, die Halbierung der Armut, auch Ge-
enstand der MDGs.

21030 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


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Sibylle Pfeiffer
Es geht ferner darum, die Kindersterblichkeit zu ver-
ringern, und es geht um die Müttergesundheit. Liebe
Kolleginnen, ich war im Fistola-Krankenhaus in Äthio-
pien. Glücklich sind die Frauen, die in diesem Fis-
tola-Krankenhaus behandelt und operiert werden kön-
nen. Aber wehe denen, die diese Möglichkeit nicht
haben. Welch Elend ist es für eine Frau, wenn es keine
Grundversorgung im sanitären Bereich für sie gibt. Das
ist fürchterlich für sie. Auch das, denke ich, sollte uns
daran erinnern, wie wichtig es für die Menschen ist, über
bestimmte Voraussetzungen zu verfügen, um mit ihren
Krankheiten umzugehen.

Deutschland engagiert sich. Wir haben gemeinsam
die Initiative zur Ausrufung des Jahres 2008 zum Inter-
nationalen Jahr der sanitären Grundversorgung unter-
stützt. Auch für unsere Fraktion ist das eine wichtige
Forderung. Die Bundesregierung erfüllt bereits einen
Großteil der im Antrag enthaltenen Forderungen. Circa
350 Millionen Euro werden jedes Jahr vom BMZ für
Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zur Verfü-
gung gestellt. Wir müssen in Zukunft darauf achten
– vielleicht ist das eine wichtige Voraussetzung für künf-
tige Verhandlungen –, dass parallel zu Trinkwasserpro-
jekten Abwasserprojekte realisiert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Genauso wie in allen anderen Bereichen der Entwick-
lungspolitik können wir das alles nicht ohne unsere Part-
ner machen. Wir reden ständig von den Prioritäten – was
hat erste, zweite und dritte Priorität? – in der Entwick-
lungspolitik. Wir selber wissen aber manchmal nicht,
was Priorität hat. Es ist auf jeden Fall unsere Aufgabe,
gemeinsam mit unseren Partnern über dieses Thema zu
diskutieren und sie darauf aufmerksam zu machen, dass
wir uns hier im Bereich der Prävention und zum Glück
nicht unbedingt im Bereich der Therapie befinden.

Ich möchte mit einem Zitat schließen: „Welcher Poli-
tiker lässt sich schon bei der Einweihung einer Latrine
von der Presse begleiten?“ Alle dürfen raten, von wem
dieses Zitat stammt. – Dieses Zitat stammt von unserer
lieben Kollegin Uschi Eid. Das gilt nicht nur für die
Politiker in den Entwicklungsländern, sondern auch
– man möge mir das verzeihen – für uns. Ich gebe zu:
Eine Schule oder ein Kindergarten für Aidswaisen ist
mir hundertmal lieber als irgendeine Latrine. Trotzdem
ist die sanitäre Grundversorgung ein wichtiges Thema.
Wir sollten uns dessen annehmen.

Ich bin mir nicht sicher, wie wir mit dem vorliegen-
den Antrag weiter verfahren sollen.


(Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE]: Zustimmen, Frau Pfeiffer!)


Ich bin aber durchaus bereit, in konstruktive Diskussio-
nen einzutreten, um es vorsichtig zu formulieren.


(Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schön!)


Herzlichen Dank.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619411900

Das Wort hat der Kollege Hellmut Königshaus, FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1619412000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir fällt gerade ein, dass auch ich schon einmal eine

oilettenanlage in Indien eingeweiht habe, und zwar mit
resse, aber ohne praktischen Gebrauch. Ich habe ledig-

ich ein Band durchschnitten. Damals haben wir darüber
ewitzelt. In der Tat ist dieses Thema weitestgehend ta-
uisiert. Deshalb sage ich ganz offen: Wir sind den Grü-
en und insbesondere Ihnen, Frau Dr. Eid, sehr dankbar,
ass sie das Thema aufgegriffen haben.

Dieses Thema ist uns in Deutschland nicht mehr so
ehr im Bewusstsein. Ich erinnere mich an Freiburg, wo
ch studiert habe. Dort gibt es Bächle, kleine Kanäle,
urch die früher das Abwasser entsorgt wurde. Heute
ind sie eine Touristenattraktion, weil durch sie klares
asser fließt. Aber solche Bedingungen haben wir auch

ei uns teilweise erst seit wenigen Jahrzehnten. Wir ha-
en uns so sehr an eine funktionierende Sanitärversor-
ung gewöhnt, dass wir die Probleme in anderen Län-
ern aus den Augen verloren haben.

Dabei betrifft dieses Problem ein Drittel der Mensch-
eit. Laut WHO sind es nicht 2,5 Milliarden Menschen,
ie es im Antrag der Grünen steht, sondern 2,6 Milliar-
en. Natürlich kann man sagen, dass diese Zahl fast ge-
auso hoch ist. Aber das ist ein Unterschied von
00 Millionen Einzelschicksalen. Das ist die Dimension,
m die es hier geht.

Ich will die richtigen Begründungen sowohl von Frau
r. Eid als auch der Kollegin Pfeiffer nicht wiederholen.
s ist völlig klar: Wir brauchen dringend eine Aufklä-

ungskampagne, damit ein entsprechendes Bewusstsein
or Ort überhaupt erst geschaffen wird. Ein Problem in
nserer Entwicklungszusammenarbeit ist, dass wir das,
as wir vor Ort tun wollen, im Wesentlichen auf der Ba-

is von Regierungsverhandlungen sowie Forderungen
nd Vorstellungen unserer Partner entwickeln. Die Part-
er vor Ort entwickeln leider nur sehr selten eine Fanta-
ie dafür, wie die Mehrheit der Menschen in diesen Län-
ern tatsächlich lebt. Die Führungscrew in diesen
ändern ist oftmals ein bisschen abgehoben und über-
ieht die wirklichen und ernsthaften Probleme.

Dieses Thema berührt uns selbst; denn die Krankhei-
en, die in diesen Ländern immer wieder ausbrechen
das wurde eben schon gesagt –, kommen zu uns zu-

ück. Viele weltweite Seuchen, die uns unmittelbar be-
rohen – sei es im Urlaub oder sei es dadurch, dass Be-
ucher oder Touristen zu uns kommen –, haben ihre
rsachen in den genannten Problemen. Deshalb ist, wie
esagt, dort eine Aufklärungskampagne notwendig.

Aber auch wir müssen sehen, dass wir bei der Imple-
entierung unserer eigenen Entwicklungsprojekte da-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21031


(A) )



(B) )


Hellmut Königshaus
rauf Rücksicht nehmen. Ich erinnere an das Projekt in
Herat, Afghanistan. Dort haben wir sehr viel für die
Wasserversorgung getan. Man hat die Brunnengalerien
aus der Stadt herausgelegt, weil das sonst in der Innen-
stadt zu ungünstigen Verhältnissen geführt hätte. Außer-
halb der Stadt sind aber jetzt Hunderttausende von
Flüchtlingen, die sich in Zelten und in Bruchbuden ohne
Sanitärversorgung über den Brunnengalerien niederge-
lassen haben. Jetzt haben wir genau das Problem, das wir
mit unserem Projekt vermeiden wollten. Die Anlagen
müssen jetzt mit hohem finanziellen Aufwand verlegt
werden. Wir müssen also auch dort Fantasie entwickeln.
Wir müssen uns eines immer wieder vor Augen führen,
wenn wir irgendwo, wie in Herat, solche Brunnen bauen:
Wir müssen den örtlich Verantwortlichen klarmachen,
dass diese Brunnen freigehalten werden müssen, weil
sonst nur die eigenen Fäkalien wieder hochgepumpt und
die Probleme produziert werden, die eigentlich vermie-
den werden sollen.

Dass Wasserversorgung auch etwas mit Hygiene zu
tun hat, ist vollkommen klar. Deshalb sind alle Akteure
gefragt. Ich sagte, dass die Probleme der Entwicklungs-
länder und der sich entwickelnden Länder aus unserem
Bewusstsein geschwunden sind. Aber auch wir in
Deutschland übersehen manchmal, was an unseren
Schulen los ist. Wer in Berlin eine Schultoilette besucht,
wird manchmal an Verhältnisse erinnert, die er an ande-
ren Orten gesehen hat, und wird kaum glauben, dass
diese Toilette hier bei uns steht.


(Beifall der Abg. Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber sie ist wenigstens da!)


Wir sollten das also von allen Seiten betrachten.

Ich will noch ein Beispiel herausgreifen, an dem sich
zeigt, dass wir massiv tätig werden müssen und dass
auch das BMZ, Frau Staatssekretärin, gefordert ist. Sim-
babwe hat viele Probleme; das wissen wir. Es gibt aber
ein ganz konkretes Problem: Anstatt die zur Wasserauf-
bereitung erforderlichen Chemikalien, nämlich Alumi-
niumsulfat – das hat mir der Kollege Addicks gesagt –,
zu kaufen, was Devisen erfordert, hat man die Wasser-
versorgung eingestellt. Die logische Konsequenz waren
all die Probleme, die hier geschildert worden sind. Die
simbabwische Regierung verteilt jetzt als Gabe an die
„dankbare“ Bevölkerung kostenlos Särge. So darf dieses
Problem nicht gelöst werden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619412100

Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort der Kollegin

Gabriele Groneberg.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Groneberg (SPD):
Rede ID: ID1619412200

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolle-

ginnen und Kollegen! In der Tat, Herr Königshaus, ist

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(C (D as letzte Beispiel gravierend. Zurzeit wütet die Cholera n Simbabwe. Mindestens 500 Menschen sind daran chon gestorben. Die Nichtregierungsorganisationen geen sogar schon von über tausend Toten aus. Man empindet Trauer und Wut, wenn man sich das im Fernsehen nschauen muss und wenn man die Berichte darüber ört. Die Probleme, die aus dem Umgang mit dieser Epiemie resultieren, sind hausgemacht. Wir wissen, dass imbabwe unter dem seit 1980 regierenden Präsidenten ugabe restlos zusammengebrochen ist. In dem eheals reichen Land ist jetzt die Krankheit zum Ausbruch ekommen, die ein sicheres Zeichen für Armut und Verachlässigung ist. Die Trinkwasserversorgung und das Kanalisationsystem in der Hauptstadt Harare sind komplett kollaiert – und das nicht erst seit gestern. Mich hat eigentlich ewundert, dass die Cholera erst jetzt so massiv zum usbruch kommt. Eine sanitäre Grundversorgung gibt s nicht. Die Menschen trinken das Wasser, woher auch mmer sie es bekommen: aus verseuchten Brunnen, Waserlöchern und Flüssen. Das ist deshalb so gefährlich, eil die Erreger nicht einzudämmen sind und nicht vor renzen haltmachen. Sie breiten sich schon jetzt in ichtung Südafrika, Botswana und Sambia aus. Die Er eger der Krankheit, die in den Fäkalien zu finden sind nd die in die Flüsse und in das Meerwasser gelangen owie Fische und andere Nahrungsmittel kontaminieren, ühren zu vielen anderen Begleiterscheinungen, die sich uch in anderen Ländern in der nächsten Zeit zeigen erden. Damit möchte ich zur Antwort der Bundesregierung uf die Große Anfrage zum Thema sanitäre Grundverorgung überleiten. Auf Seite 2 der Vorbemerkung heißt s, dass Entwicklungspolitik Hilfe zur Selbsthilfe leistet. ichtig sei die Stärkung der nationalen Handlungskapa itäten durch Strukturreformen; dies sei mittelund langristig der einzige Weg, diese Ziele nachhaltig zu erreihen. Bei sogenannten Failed States wie Simbabwe gibt s diese Handlungskapazitäten nicht. Auch Bad Goverance können wir als einen Grund identifizieren, warum enschen der Zugang zu sanitärer Grundversorgung ersagt ist. Die Millenniumsentwicklungsziele sind bereits erähnt worden – darauf brauche ich jetzt nicht weiter ein ugehen –: Es ist in der Tat mangelndes Bewusstsein uch bei uns, was uns den Umgang mit diesem Thema so chwer macht. Warum ist das eigentlich so? Wie die Kollegen schon eutlich gesagt haben, sind Toiletten für uns eine Selbsterständlichkeit – selbst wenn wir uns manchmal schöere wünschen –; 42 Prozent der Menschen weltweit haen aber keine angemessene Toilette. Ich frage Sie, liebe uhörerinnen und Zuhörer: Können Sie sich ein Leben hne Toilette eigentlich noch vorstellen? Ist Ihnen schon inmal aufgefallen, dass Sie mehr als sechsmal am Tag ur Toilette gehen? 21032 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 Gabriele Groneberg Haben Sie schon einmal überlegt, wie viel Zeit Sie auf dem stillen Örtchen verbringen? – Der Kollege Hilsberg schüttelt sich vor Lachen. – Es ist doch in der Tat so, dass man darüber erst dann nachdenkt, wenn die Probleme so gravierend sind, dass man dazu gezwungen wird. Es sind mehr als drei Jahre des Lebens – auch deines Lebens, lieber Kollege Hilsberg –, die man auf der Toilette zubringt. Allein das zeigt uns, wie wichtig diese Angelegenheit ist. Wenn wir uns bewusst machen, dass die Menschen bei uns zum Wegspülen von Fäkalien, also mit ihrer Toilettenspülung, im Laufe ihres Lebens ungefähr 50 000 Liter Trinkwasser verschmutzen, dann ist klar: Auch für uns wird sanitäre Grundversorgung letztendlich immer ein Thema bleiben, und zwar in dem Maße, in dem Wasser teuer und knapp ist. Dass das Ganze auch etwas mit der Ungleichheit der Geschlechter zu tun hat, fällt uns auf, wenn wir auf Reisen sind und kein stilles Örtchen in der Nähe ist. Die von Sibylle Pfeiffer geschilderten Probleme betreffen vor allen Dingen die jeweiligen Frauen und Mädchen, und das in einer Art und Weise, die wirklich gravierend ist, weil die menschliche Würde verletzt wird. Die Einsicht in die Notwendigkeit haben wir auch international zum Ausdruck gebracht; ich verweise auf das, was in den MDGs festgelegt ist. Ich muss sagen: Uschi Eid, da gebührt auch dir Dank. Die deutsche entwicklungspolitische Zusammenarbeit ist in diesem Bereich sehr gut aufgestellt. Liebe Sibylle Pfeiffer, ich möchte dir ein bisschen widersprechen: Es ist durchaus so, dass unsere Durchführungsorganisationen dafür ein Bewusstsein haben. (Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber es ist nicht prioritär!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein!)


(A) )


(B) )


(Heiterkeit des Abg. Stephan Hilsberg [SPD])


– Okay, es ist nicht prioritär.

Im Rahmen meiner Beschäftigung mit diesem Thema
habe ich mir erst einmal angeschaut, was wir in diesem
Bereich machen. Es ist natürlich eine gute Idee, eine
Verbindung zwischen Trinkwasserversorgung und sani-
tärer Ver- bzw. Entsorgung herzustellen. Ich wiederhole:
Uschi Eid gebührt Dank dafür, dass sie sich in diesem
Bereich seit Jahren massiv engagiert.

Unsere Konzepte im Bereich der sanitären Grundver-
sorgung überschneiden sich mittlerweile mit Konzepten
im Bereich der erneuerbaren Energien. Die Konzepte in
beiden Bereichen müssen nachhaltig, ressourcenscho-
nend und zielgruppenorientiert ausgerichtet sein, um ei-
nen dauerhaften Nutzen erzielen zu können. Wichtig ist
vor allen Dingen ihre dezentrale Einsetzbarkeit, die wir
hier immer wieder im Hinblick auf die ländliche Ent-
wicklung fordern.

Es gibt weitere Punkte, an denen sich diese beiden
Bereiche berühren: Man kann Fäkalien, etwa Urin, nicht
nur als Abfall, sondern auch als Biomasse zum Betrei-
ben von Biogasanlagen ansehen.

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(C (D (Beifall der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU] sowie der Abg. Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


a setzt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in
orbildlicher Art und Weise an: Wir setzen auf ökolo-
isch nachhaltige Kreislaufsysteme.


(Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


em wird auch mit dem Sektorkonzept „ecosan“ Rech-
ung getragen.


(Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorbildlich, weltweit!)


Richtig: vorbildlich, weltweit. – Das ist einfach ein
ennzeichen einer neuen Ausrichtung der sanitären
rundversorgung, die man in den Entwicklungsländern
bernehmen sollte.

Der Ansatz, den wir dort verfolgen, berücksichtigt die
okalen Gegebenheiten und trägt dazu bei, die Sanitär-
ysteme bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen. Der
ereich Biomasse wird einen großen Teil des künftigen
onzepts ausmachen; denn die Versorgung mit Energie

st heute wichtiger denn je. Viele Projekte sehen mittler-
eile die Nutzung von Gas aus der Klärgrube zum Hei-

en oder Kochen vor.

Wir haben gerade über Entwicklungsorganisationen
eredet. Ein gutes Beispiel ist BORDA in Bremen. Diese
rganisation leistet eine hervorragende Arbeit; ich habe
ir das bei verschiedenen Gelegenheiten anschauen

önnen. Was BORDA erreicht, sollten wir im Hinter-
opf behalten.

Ich halte fest: Kreislaufsysteme erscheinen als eine
erfekte Möglichkeit, die Lösung zweier Probleme zu
erbinden.

Wir müssen uns trotzdem kritisch fragen, ob unsere
ösungsansätze im Sanitärbereich für unsere Partner in
er Entwicklungszusammenarbeit richtig sind, ob wir die
ultur und die Eigenarten der Länder und der Bewohner
irklich ausreichend berücksichtigen. Viele Konzepte

ind in der Vergangenheit genau daran gescheitert. An-
ere Länder – andere Standards, kann ich da nur sagen.
nsere Konzepte sind offensichtlich nicht so einfach auf

ndere Länder zu übertragen. Es fehlt an Infrastruktur
nd an Wissen zum Betrieb und zur Abrechnung sowie
ieles andere.

Wenn wir leitungs- und nicht leitungsgebundene Was-
erversorgungs- und Basissanitärsysteme ausbauen und
rneuern, ist es auch wichtig, beim Aufbau von Verwal-
ungsstrukturen mitzuhelfen,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Uschi Eid [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


artungs- und Reparatursysteme einzuführen, die Men-
chen vor Ort einzubinden und ihnen zu sagen, warum
ir das machen und warum das wichtig ist, damit sie das

nnehmen. Was nutzt eine tolle Sanitäranlage in ir-
endeinem Slum, die von den Menschen nicht benutzt

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21033


(A) )



(B) )


Gabriele Groneberg
wird, weil sie nicht wissen, wie sie damit umzugehen ha-
ben? Darum ist die Aufklärung und die Bewusstseinsbil-
dung der Bevölkerung ein ganz wichtiger Punkt.

Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen, dass Sie mir mit Ihrer Großen Anfrage an
die Bundesregierung Gelegenheit gegeben haben, aufzu-
zeigen, welchen Stellenwert mittlerweile für uns die
Trinkwasser- und Sanitärversorgung gerade im Zusam-
menhang mit der Armutsbekämpfung hat. Ich muss al-
lerdings auch sagen: Dass Sie nach Vorlage der Antwor-
ten in Ihrem Antrag schreiben, die Bundesregierung
habe zu wenige Maßnahmen zur Beseitigung der Ursa-
chen ergriffen, ist nicht wirklich überzeugend.

Wir sind dabei. Die Umsetzung – das wissen Sie sel-
ber – dauert selbst bei Vorlage eines Konzepts ein paar
Jahre, bis man die Mittel vor Ort in Projekte einbinden
kann. Wir werden natürlich die Zeit haben, uns bei der
Beratung des Antrages im Ausschuss noch darüber zu
verständigen, wie wir damit umgehen. Ich würde es
wirklich begrüßen, wenn wir hier fraktionsübergreifend
zu einer Einigung kommen könnten und wenn wir hier
öfter darüber reden könnten, gerade auch zu einer guten
Zeit wie heute Mittag. Ich glaube, unsere Bevölkerung
ist in vielen Fällen nicht unbedingt informiert, weil die
sanitäre Grundversorgung in der Tat ein Tabuthema ist.
Insofern ist es schön, dass wir darüber geredet haben,
aber wir sollten nicht nur darüber reden, sondern auch
eine Menge tun.


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Ich wollte gerade sagen!)


Insofern danke ich für Ihr Interesse.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619412300

Das Wort hat der Kollege Hüseyin Aydin, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619412400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sim-

babwe ruft den Notstand aus, Tausende Menschen seien
bereits an Cholera gestorben, mehr als 12 000 Menschen
seien infiziert. Der Grund: kein sauberes Wasser.

Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht. Welt-
weit steht genügend Wasser zur Verfügung. Ob es jedoch
sauber und trinkbar ist und wie es verteilt wird, hat mit
dem sozialen Gefälle in der Gesellschaft zu tun, aber
auch mit dem Handeln der Regierungen. Das Recht auf
Wasser ist unteilbar mit dem Recht auf sanitäre Grund-
versorgung verbunden. Was würden wir tun, wenn wir
erst einmal eine halbe Stunde aus dem Dorf herauslaufen
müssten, um uns hinter irgendeinen Busch zu hocken?


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Das war bei uns auch so!)


Im subsaharischen Afrika sind es zwei von drei Men-
schen, die unter solch menschenunwürdigen Bedingun-
gen leben.

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(C (D Alle 20 Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren an infachen Erkrankungen wie Durchfall. Bei schlechter bwasserbehandlung kommt es zu Choleraund Ruhr pidemien, wie in Simbabwe. In Lusaka, der Hauptstadt on Sambia, leben 70 Prozent der Bevölkerung in inforellen Siedlungen am Stadtrand. Hier greifen die Men chen auf die einfachsten Mittel zurück, wie die der fliegenden Toiletten“: Man macht in eine Plastiktüte nd wirft sie dann auf der Straße weg. Die Gefahr der nsteckung ist enorm. Die Probleme der sanitären Grundversorgung betrefen vor allem Mädchen und Frauen. Mangelnde Privatphäre und Scham führen oft zu einer langen Verschlepung von Klogängen und so zu Erkrankungen. Viele ädchen besuchen mangels Toiletten keine Schulen; rau Eid wies bereits darauf hin. Ein Teufelskreis aus chlechten sanitären Verhältnissen, mangelnder Bildung, rankheit und Armut! Von der Erreichung des UN-Millenniumsziels, die ahl der Menschen ohne Zugang zu Wasser und Abwaserentsorgung zu halbieren, sind wir weit entfernt. Pro ekunde muss mehr als eine Toilette gebaut werden. Nur twa 10 Prozent der Abwässer werden in den Entwickungsländern geklärt. Es gibt kaum Kanalisation. Die rünen sprechen also mit ihrem Antrag ein notwendiges hema an. Viele von den dargelegten Forderungen könen wir nur unterstützen. Ich möchte jedoch noch auf einige Punkte hinweisen: er von Ihnen angesprochene Evian Actions Plan der 8 von 2003 setzt bei Wasserverund -entsorgung auch uf private Versorger. Private Versorger und Investitioen im Wassersektor haben in vielen Entwicklungslänern bereits zu katastrophalen Verhältnissen geführt. Es ibt Beispiele von unbezahlbaren Wasserund Anchlusspreisen, was in Cochabamba in Bolivien zum ufstand geführt hat. Wir brauchen dezentrale und technisch einfache Löungen. Sanitärkonzepte müssen, wie auch Sie ganz ichtig sagen, mit Konzepten in der Landwirtschaft und m Energiebereich zusammengeführt werden. Hier ist iel Potenzial für Biogasanlagen und für Düngeversorung. Der Bedarf ist enorm. Diese Konzepte bringen ein Geld. Aber sie bedeuten Lebensqualität und Würde ür die Menschen vor Ort. Darum geht es uns. Wir unterstützen den Antrag der Grünen, und wir erden die Umsetzung der Bundesregierung sehr genau eobachten, weil der Zugang zu Wasser ein Menschenecht ist. Auch wenn die Bundesregierung mit 50 Millionen Euro im Rahmen der Entwicklungszuammenarbeit die Verhältnisse zu verbessern versucht uns wurden bei unseren Besuchen bereits positive Bei piele gezeigt –, bedarf es hier vermehrter Anstrengunen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


21034 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619412500

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/11204 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 42 auf:

Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Bessere Vereinbarkeit von Familie und Dienst
in der Bundeswehr

– Drucksachen 16/8241, 16/10376 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Ina Lenke, FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1619412600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2005 ist

das Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz in
Kraft getreten mit der Forderung nach familiengerechten
Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen und natürlich
mit dem Benachteiligungsverbot bei Teilzeitbeschäfti-
gung. Das muss seit dieser Zeit von der Bundeswehr um-
gesetzt werden.

2001 hat Tanja Kreil vor dem Europäischen Gerichts-
hof das Recht erstritten, die erste Soldatin der Bundes-
wehr zu sein. Schon damals hätte sich die rot-grüne Bun-
desregierung auf den Weg machen können, Soldatinnen
mit attraktiven Angeboten anzuwerben. Das war aber
von der damaligen Bundesregierung nicht gewollt. Alle
Anträge der FDP-Bundestagsfraktion auf Öffnung der
Bundeswehr für Frauen wurden abgelehnt.

Nun haben wir sie seit Jahren, die qualifizierten
Frauen in der Bundeswehr. Doch die Bundeswehr hat bis
heute nicht die notwendigen Rahmenbedingungen zur
Vereinbarkeit von Familie und Dienst umgesetzt. Das
kritisieren wir Liberale. Mit erheblicher zeitlicher Verzö-
gerung hat erst im Mai 2007 der Generalinspekteur der
Bundeswehr, Schneiderhan, eine Teilkonzeption Verein-
barkeit von Familie und Dienst in den Streitkräften erlas-
sen. Um es gleich vorwegzusagen: Die Teilkonzeption
ist bis jetzt nicht in die Praxis umgesetzt worden. Kein
Wunder! Denn in ihr ist zu lesen: Es wird „angestrebt“,
„Hilfe zur Selbsthilfe“, es wird „entwickelt“, „geplant“.
Es wird also geprüft, geprüft und nochmals geprüft. So
sieht es aus. Für Pilotprojekte muss sogar das Geld aus
dem Topf für Familienmaßnahmen genommen werden.
Das heißt, bestehende Maßnahmen für Familien werden
dafür gekürzt.

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(C (D Der Wehrbeauftragte der Bundeswehr, Reinhold obbe, hat wiederholt und auch in diesem Jahr die manelnde Unterstützung von Soldatinnen bei der Vereinbareit von Dienst und Familie öffentlich kritisiert. Er hat as Bundesverteidigungsministerium und die Bundesreierung aufgefordert, die Verhältnisse endlich zu verbesern. Das sind die Schwerpunkte der Großen Anfrage der DP, die wir heute beraten: zum einen die Vereinbarkeit on Familie und Dienst und zum anderen die Gleichstelung von Frauen in den Streitkräften. Was sind nun die ntworten der Bundesregierung zur Vereinbarkeit von amilie und Dienst? Bereits im Bericht des Wehrbeauftragten 2005 wurde usgeführt: Kinderbetreuung ist für Soldatinnen und Soldaten ein dringendes Problem. Und was antwortet die Bundesregierung auf unsere roße Anfrage? Kommunale Kinderbetreuungseinrich ungen sollen den abweichenden zeitlichen Bedarf an etreuungsplätzen abdecken. – So werden die Familien er Soldatinnen und Soldaten von dieser Bundesregieung im Regen stehen gelassen. Warum – das ist ine Idee, die ich Ihnen gerne weitergeben würde – könen die 31 Familienzentren der Bundeswehr, die schon etzt für Familien von Soldaten, die im Auslandseinsatz ind, zur Verfügung stehen, nicht für die Kinderbetreung geöffnet werden? Das wäre eine gute Sache. as wären 31 Modellversuche. Hier könnte man sehr chnell etwas machen. Ich habe gehört, dass in manchen inrichtungen schon Außenanlagen für Kinderbetreuung ebaut worden sind. Hier wäre also Platz für zielgenaue ilfe. Liebe Kollegen und Kolleginnen, der Bundeswehr aufen im Sanitätsdienst die Ärzte und Ärztinnen davon, o die Presse in dieser Woche. Der Bundeswehr-Verband ennt als Gründe unter anderem schlechte Bezahlung nd auch schlechte Vereinbarkeit von Familie und ienst. Nun soll es eine Gehaltserhöhung von monatlich 00 Euro geben, die, glaube ich, zeitlich befristet ist. ber, Herr Kossendey, ich frage Sie: Was will der Bunesverteidigungsminister gegen die Familienunfreundichkeit in der Truppe tun? Ich zitiere dazu die Aussagen es Bundesverteidigungsministeriums: Familienfreundliche Strukturen sind Ausdruck praktizierter Fürsorge. as werden Sie sicher unterschreiben, Herr van Essen. Sie erhöhen die Motivation und stärken die Bindung zwischen dem Dienstherrn und seinen Soldatinnen und Soldaten. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21035 Ina Lenke Ich kann nur sagen: Viel Lärm um nichts! Papier ist geduldig. Die Bundesregierung erweckt den Eindruck, als sei alles bestens. In ihren Antworten auf unsere Große Anfrage wird behauptet, dass „nahezu an allen Standorten der Bundeswehr eine ausreichende Grundversorgung mit Kinderbetreuung sichergestellt ist“. Wie diese ausreichende Grundversorgung aussieht und wie die Soldatinnen davon wirklich profitieren könnten, darauf gibt die Bundesregierung jedoch keine Antwort. Es wird auf die Zentrale Dienstvorschrift und die Teilkonzeption zu Vereinbarkeit von Familie und Dienst verwiesen und angemerkt, dass jetzt weiter an dieser Teilkonzeption gearbeitet werde. Was bedeutet das, Herr Kossendey? Das bedeutet doch nichts anderes, als dass es auf den SanktNimmerleins-Tag verschoben wird. Vor der Wahl wird da wahrscheinlich nichts mehr geschehen. Damit hat diese Bundesregierung den Schwarzen Peter. Im Fall einer Versetzung zum Beispiel – das ist an mich herangetragen worden – erfahren Familien erst drei Tage vor Dienstantritt, wohin es geht. Es gibt einige wenige positive Antworten vonseiten der Bundesregierung: Das Eltern-Kind-Arbeitszimmer gibt es an fast 40 Standorten. Außerdem bemüht sich die Bundeswehr, die durchschnittliche Entfernung zwischen den Dienstorten von Ehepartnern geringer zu halten. Es gibt 114 weibliche Offiziere, die in Teilzeit arbeiten; davon sind jedoch – das ist die Krux – 113 im Sanitätsdienst. Wir sehen also, dass da nichts geschieht. Bei der Gleichstellung von Frauen in Streitkräften geschieht nur sehr wenig. Im Zusammenhang mit der Umsetzung der Sicherheitsresolution 1325 wurde gesagt, das könne sich nur auf der Zeitschiene verändern. Frau Kollegin Lenke. Ich komme gleich zum Schluss. Ich bitte darum. Auf Deutsch gesagt: Unbestimmter geht es nicht. Die Gleichstellung von Frauen in den Streitkräften und der Gender-Aspekt spielen eine untergeordnete Rolle. Ich komme jetzt – leider – zum Schluss. Diese Bundesregierung gefährdet die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr, wenn sie nichts tut. Frau Kollegin, Sie hatten bereits sieben Minuten, und Sie überziehen gerade um eine weitere Minute. Ich wollte meinen Schlusssatz sagen. Darf ich? G u m k d W e a a L Z F F r S – g b t D k l F b d s V d b g N m g f A v (C (D Ja. Die FDP wird sehr aufmerksam beobachten, was die roße Koalition im Sinne der Vereinbarkeit von Familie nd Dienst noch vor der Bundestagswahl in dieses Parlaent einbringen wird. Ich gebe das Wort dem Parlamentarischen Staatsse retär der Verteidigung, Thomas Kossendey. T Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! enn wir vor 20 Jahren den Tagesordnungspunkt „Ver inbarkeit von Familie und Dienst in der Bundeswehr“ ufgesetzt hätten, dann wäre uns die Öffentlichkeit, aber uch das Parlament wahrscheinlich mit einem gewissen ächeln begegnet. Ich glaube, damals war noch nicht die eit dafür. Heute, in einer Zeit, in der wir Frau von der Leyen als amilienministerin haben, ist die Situation anders. Die amilie ist in den Fokus des öffentlichen Interesses geückt und damit auch innerhalb der Bundeswehr ein chwerpunkt geworden. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was hat sie damit zu tun? Hat sie gedient? – Ina Lenke [FDP]: Ist sie bei der Bundeswehr?)


(Beifall bei der FDP)


(Hellmut Königshaus [FDP]: Unglaublich!)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1619412700

(Beifall bei der FDP)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619412800
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1619412900
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619413000
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1619413100
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619413200
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1619413300
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619413400
Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1619413500

(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619413600

(Beifall bei der CDU/CSU)

Thomas Kossendey (CDU):
Rede ID: ID1619413700

Frau Lenke, Sie haben ja gerade hier so engagiert vor-
etragen. Ich darf Ihnen eine Zahl nennen: Heute sind
ereits 800 Soldaten – männliche Soldaten – in der El-
ernzeit.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Darum geht es doch gar nicht!)


as ist eine Situation, die wir uns vor einigen Jahren
aum vorstellen konnten. Dadurch zeigt sich, dass dort
angsam, aber sicher ein Bewusstseinswechsel eintritt.
ür uns im Ministerium ist es ganz wichtig, die Verein-
arkeit von Familie und Beruf herzustellen. Sie hat gera-
ezu eine strategische Bedeutung. Ich will Ihnen gerne
agen, was wir in diesem Bereich tun.

Natürlich ist es nicht immer ganz leicht, das, was zur
ereinbarkeit von Familie und Dienst beiträgt, mit den
ienstlichen Anforderungen in Übereinstimmung zu
ringen. Hier liegt auch die Schwierigkeit, auf die Sie,
laube ich, mit keinem einzigen Wort eingegangen sind.
atürlich sehen auch wir, dass wir durch den Arbeits-
arkt gezwungen werden, viel mehr als in der Vergan-

enheit zu tun, und ich hätte mir gewünscht, dass wir
rüher damit angefangen hätten; auch das ist richtig.
ber für uns gibt es keine Alternative zur Vereinbarkeit
on Familie und Dienst.

21036 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Thomas Kossendey
Wir müssen allerdings darauf achten – das will ich
wiederholen –, dass wir den Besonderheiten des Diens-
tes dabei Rechnung tragen. Damit Sie einige zusätzliche
Informationen bekommen, will ich Ihnen sagen, was
passiert ist.

Im Frühjahr 2007 haben wir das Konzept beschlos-
sen, durch das die Verbesserung der Vereinbarkeit von
Familie und Dienst erreicht werden soll.


(Ina Lenke [FDP]: Beschlossen!)


Mittlerweile haben wir es Schritt für Schritt umgesetzt.
Der Wehrbeauftragte Robbe, der gestern hier gesprochen
hat, hat gesagt, das sei nur bedrucktes Papier.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist richtig!)


Möglicherweise sollte er sich etwas intensiver in der
Truppe umtun, dann würde er einige Beispiele sehen.


(Ina Lenke [FDP]: Nein, das, was Herr Robbe sagt, ist richtig! Das tun wir! Ich tue das, Herr Kossendey! Das ist ein Vorwurf! Ich kümmere mich darum! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Er fehlt heute!)


– Nein, Herr Goldmann, der Kollege Robbe ist da; ma-
chen Sie sich keine Sorgen.

Ich sage Ihnen aber sehr deutlich: Langfristig wird es
hier keine wesentlichen Fortschritte geben, wenn wir
nicht zusätzliches Geld dafür in die Hand nehmen. Das
ist eine Sache, bei der auch das Parlament mitbestimmen
muss.


(Ina Lenke [FDP]: Aber Sie haben noch nicht einmal einen Vorschlag gemacht!)


– Ich komme ja dazu. – Pauschale Lösungen wird es
nicht geben.

Wir sind in einigen Bereichen weiter, als Sie glauben
machen wollen.


(Ina Lenke [FDP]: Dann müssen Sie antworten!)


– Ich nenne Ihnen gleich die Standorte. – Im Bereich der
Kinderbetreuung und im Bereich der Pendlerunterkünfte
haben wir einiges ins Werk gesetzt. Im Bereich der Kin-
derbetreuung haben wir Pilotstandorte ausgesucht, an de-
nen wir sehr präzise prüfen wollen, welche Bedürfnisse
vorhanden sind. Frau Lenke, es gibt Standorte – das wis-
sen wir alle –, an denen der Betreuungsbedarf durch die
kommunalen Träger gut abgedeckt ist. Es gibt aber auch
Standorte, an denen wir das nachbessern müssen. Deswe-
gen haben wir an vier großen Standorten sehr präzise Un-
tersuchungen darüber angestellt, wo und wie wir die Kin-
derbetreuung besser organisieren können. Das müssen
wir als Bundeswehr nicht alleine machen, sondern das
können wir in Kooperation mit den kommunalen und
freien Trägern tun. An den Standorten Wilhelmshaven,
Koblenz-Lahnstein, Westerstede und Seedorf haben wir
sehr konkrete Dinge ins Werk gesetzt. Sie werden das bei
Ihren Besuchen vor Ort erfahren.

Ihre Idee, das an die Familienbetreuungszentren anzu-
gliedern, mag aufs Erste verheißungsvoll erscheinen.

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(C (D enn man das nachprüft, sieht man aber, dass das chwierig würde; denn diese Familienbetreuungszentren ind doch sehr weit von den Wohnorten der Menschen ntfernt, die wir damit – ich sage das in diesem Falle einal so – beglücken wollen. Das wird uns nicht weiter elfen. Ich will auf die Teilzeitbeschäftigung eingehen. Im ahre 2007 waren mehrere Hundert Soldatinnen und Solaten teilzeitbeschäftigt. Wir können dort natürlich achbessern. Wir brauchen auch mehr Geld für Teleareitsplätze. Mit der Einrichtung dieser Plätze haben wir ngefangen. Die ersten Erfolge zeigen sich. Ich denke, ass die modernen Arbeitszeitmodelle bei uns in Anpruch genommen werden. Auch das geht aus der Antort auf Ihre Große Anfrage hervor. – Ich will ergänzen, ass wir mittlerweile an 37 Standorten Eltern-Kinderimmer eingerichtet haben. (Ina Lenke [FDP]: Ja, das habe ich doch gesagt!)


er Kollege Robbe, der gestern sagte, das stehe alles nur
uf Papier, ist herzlich eingeladen, diese Standorte zu be-
uchen.

Allerdings wird es wahrscheinlich kein flächende-
kendes Netz geben; das werden wir nicht schaffen.
ber überall dort, wo wir in guter Kooperation und in
nterschiedlicher Art und Weise Lösungen schaffen,
ind wir dabei, und zwar allein schon deswegen, weil
ittlerweile 62 000 Soldatinnen und Soldaten Kinder

aben. Das ist eine Verpflichtung, durch die wir auch an-
etrieben werden, auch unter dem Gesichtspunkt, dass
ir auch bei einer etwas angespannten Situation am Ar-
eitsmarkt guten Nachwuchs wollen. Auch das ist für
ns ein Thema, das wir nicht außer Acht lassen sollten.

Wenn Sie noch ein konkretes Beispiel wissen wollen:
ch habe vor einem halben Jahr in Koblenz-Lahnstein ei-
en Kindergarten mit ins Leben gerufen, bei dem die
atholische Kirche besondere Öffnungszeiten für die
undeswehrangehörigen aus dem nahe gelegenen Bun-
eswehrkrankenhaus eingerichtet hat. Ich bin der katho-
ischen Kirche dankbar, dass sie für das erste – für dieses
Jahr die Kosten dafür übernommen hat. Wir werden im
ächsten Jahr zu prüfen haben, ob wir diese Mittel aus
em Verteidigungshaushalt ergänzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Walter Kolbow [SPD])


ch bin dafür, das zu tun. Dass entsprechender Bedarf
esteht, zeigt allein schon der Umstand, dass wir für die-
en Kindergarten für das nächste Jahr bereits eine Warte-
iste haben.

Wir sind dabei, ein Kinderbetreuungsportal einzurich-
en; das mag Ihnen nicht entgangen sein. Dieses Portal
oll insbesondere die negativen Aspekte vermeiden, die
ir häufig dadurch erleben, dass Familien, die vor einer
ersetzung im Rahmen der Bundeswehr stehen, häufig
icht genau wissen, wie die Kinderbetreuungssituation
n den Gemeinden ist, in die sie kommen. Über das Kin-
erbetreuungsportal wollen wir aufklären und es ermög-
ichen, frühzeitig entsprechende Informationen zu erhal-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21037


(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Thomas Kossendey
ten. Ebenso wollen wir eine Chat-Ecke einrichten, in der
sich Eltern aus Kreisen der Bundeswehr über die am Ort
vorhandenen Kinderbetreuungsmöglichkeiten austau-
schen können, und zwar weit vor dem tatsächlichen Um-
zug im Rahmen einer Versetzung.

Ich spreche als weiteren Punkt die Pendlerunterkünfte
an. Wir werden an verschiedenen Standorten – zunächst
insbesondere in Laupheim und Seedorf, aber auch in Au-
gustdorf, wo es schon in Gang ist – für diejenigen Solda-
tinnen und Soldaten, die nach einer Versetzung nicht an
den neuen Standort umziehen, geeignete Möglichkeiten
der Unterbringung anbieten. Das halte ich für sehr wich-
tig.

Nach wie vor werden wir prüfen, wie wir mit famili-
enbedingten Abwesenheitszeiten im Dienstbetrieb um-
gehen, zum Beispiel beim Elternurlaub.


(Ina Lenke [FDP]: Nicht prüfen, machen!)


– Wir sind doch dabei. Sonst wären nicht schon
800 Männer in Elternzeit. – Wir werden diese Abwesen-
heiten durch eine weitere Flexibilisierung des Laufbahn-
rechts auffangen.

Sie sind herzlich eingeladen, mit mir durch die Stand-
orte zu fahren, um sich das anzusehen. Auf der letzten
Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten in Mann-
heim hat der Minister durchweg von allen Damen, die
dort vertreten waren, Lob dafür bekommen, dass wir die-
ses Thema anpacken, nachdem lange Zeit nichts passiert
ist. Im Moment wird ein Handbuch zur Vereinbarkeit
von Familie und Dienst erarbeitet, damit jeder Komman-
deur vor Ort weiß, was er zu tun hat.

Allerdings wiederhole ich: Perspektivisch werden wir
nicht weiterkommen, wenn es uns nicht gelingt, dafür
Geld im Haushalt bereitzustellen.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist richtig!)


Da sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen im Parla-
ment, natürlich gefordert. Ich bin sehr froh darüber, dass
der Minister entschieden hat, die Ausgaben, die mit Fa-
milie und Dienst zu tun haben, demnächst im Haushalt
gesondert auszuweisen, damit wir präzise nachprüfen
können, was uns diese Angelegenheit wert ist; denn lei-
der ist das Geld häufig das wichtigere Thema.

Lassen Sie mich noch einiges zur Frage der Gleich-
stellung sagen. Die Zahl der Soldatinnen innerhalb der
Bundeswehr hat sich in den letzten Jahren verdreifacht.
Mit 15 200 Soldatinnen und einer Quote von 8,5 Prozent
liegen wir durchaus im NATO-Mittel, und wir bleiben
auch dabei, dass wir im Sanitätswesen 50 Prozent und in
den übrigen Bereichen 15 Prozent erreichen wollen. Das
ist eine wichtige strategische Aufgabe für uns.


(Beifall der Abg. Ina Lenke [FDP])


Ergänzend sei gesagt: Wir sind dankbar, wenn der Druck
aus dem Parlament, diese Aufgabe noch intensiver anzu-
packen, nicht nachlässt; denn dabei geht es häufig um
das Bewusstsein im politischen sowie im administrati-
ven Raum. So war es in diesem Ministerium, das män-

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(C (D erdominiert ist, nicht leicht, für dieses Thema eine geisse Akzeptanz zu finden. ir dürfen dies allerdings nicht isoliert nur für den Beeich der Bundeswehr betrachten. Das ist ein Problem, as wir im gesamtgesellschaftlichen Kontext sehen müsen. Ich kann Sie eigentlich nur ermutigen, in Ihrem Verangen nicht nachzulassen, uns hierzu zur Rechenschaft u bitten. Die Bundesregierung hat einiges mehr getan, begonen beim Tagesbetreuungsausbaugesetz bis hin zum Kinerförderungsgesetz. Diese Gesetze sind selbstverständich auch für die Bundeswehr gut. Aber ich ermutige Sie usdrücklich, mit uns gemeinsam daran zu arbeiten, dass ieses Thema in der Öffentlichkeit und insbesondere der undeswehröffentlichkeit stärker verankert wird, damit s uns umso leichter fällt, die Zukunftsfähigkeit der Buneswehr auch durch eine verbesserte Vereinbarkeit von amilie und Dienst nachhaltig zu sichern. Herzlichen Dank. Die Kolleginnen Inge Höger, Fraktion Die Linke, und etra Heß, SPD-Fraktion, sowie der Kollege Winfried achtwei, Bündnis 90/Die Grünen, haben ihre Reden zu rotokoll gegeben.1)


(Ina Lenke [FDP]: Genauso ist es!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619413800
he.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 43 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion
DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Zwei-
ten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über
die Bildung eines Sachverständigenrates zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent-
wicklung

– Drucksache 16/8980 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(9. Ausschuss)


– Drucksache 16/10507 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
laus Ernst, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619413900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

amen und Herren! Wir haben im April 2008 einen Ge-

Anlage 4

21038 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



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Klaus Ernst
setzentwurf vorgelegt, um die Neutralität des Sachver-
ständigenrates zu gewährleisten. Wir wollten und wollen
mit diesem Gesetz erreichen, dass die Mitglieder des
Sachverständigenrates ihre Einkünfte offenlegen, wenn
Interessenverbindungen, also andere Tätigkeiten, das er-
forderlich machen. Wir wollen, dass diese Einkünfte und
Tätigkeiten veröffentlicht werden, und wir wollen, dass,
wenn das nicht geschieht, eine Rückzahlung der Ent-
schädigung durch diese Sachverständige erfolgt.

Zum Zeitpunkt der Vorlage des Gesetzentwurfs im
April war uns noch nicht klar, welche Aktualität er ge-
winnen würde. Fakt ist, dass der oberste Wirtschaftsbe-
rater der Bundesrepublik, Herr Rürup, jetzt, noch wäh-
rend er als Sachverständiger im Amt ist, bekannt
gegeben hat, dass er demnächst zum Finanzberater AWD
wechseln wird. AWD ist nicht irgendein Unternehmen.
AWD macht 80 Prozent seines Umsatzes in Deutschland
mit dem Verkauf von Vorsorgeprodukten für das Alter.

Herr Rürup hat der Regierung Kürzungen bei der ge-
setzlichen Rentenversicherung vorgeschlagen. Er hat
Millionen Menschen dazu gebracht, ihr Geld in Hoff-
nung auf eine hohe Rendite auf die Finanzmärkte zu tra-
gen. Seinen Namen tragen Altersvorsorgeprodukte. Die
Aufzählung der Ämter, die er schon heute bei Finanz-
dienstleistern und Versicherungskonzernen innehat, füllt
die Rückseiten von Einladungen zu Veranstaltungen mit
ihm. Und jetzt wechselt Herr Rürup, pünktlich zu seiner
eigenen Pensionierung, zu einem der Profiteure der Ren-
tenprivatisierung. Fakt ist: Jemand, der die Bundesregie-
rung, die Öffentlichkeit und das Parlament in einer be-
stimmten Weise beraten hat, wird nun Profiteur seiner
eigenen Beratung, weil er in einem Unternehmen, das
von dieser Politik profitiert, tätig wird. Dazu könnte man
sagen: Das ist in der freien Marktwirtschaft üblich; dage-
gen kann man nichts machen – möglich.

Mit unserem Gesetzentwurf schlagen wir vor, dass
zumindest die Interessenverbindungen bei Mitgliedern
des Sachverständigenrates schon zum Zeitpunkt ihrer
Tätigkeit offengelegt werden müssen, damit wir, die
Bürger, das Parlament und auch die Regierung, wissen,
woran wir sind, wenn wir „unabhängig“ beraten werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates
ist die Neutralität des Sachverständigenrates festge-
schrieben. Es heißt wörtlich:

Der Sachverständigenrat ist nur an den durch dieses
Gesetz begründeten Auftrag gebunden und in seiner
Tätigkeit unabhängig.

Diese Neutralität wird durch Herrn Rürup mehr als nur
infrage gestellt. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf
zur Wahrung der Neutralität beitragen. Das kostet nichts,
das ist auch nicht populistisch. Es ist schlichtweg ein
Gebot der Stunde, wenn wir auf bestimmte Vorgänge po-
litisch reagieren wollen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie winken ab. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass
Gerhard Schröder als Kanzler den Weg für die Ostsee-
Pipeline geebnet hat und heute bei Gazprom im Auf-

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(C (D ichtsrat sitzt. Wolfgang Clement hat die Leiharbeitsverältnisse geradezu gefördert und leitet jetzt das Adecconstitut zur Erforschung der Arbeit beim Adecco-Konern, einem der größten Leiharbeitskonzerne Europas. (Jörg van Essen [FDP]: Was ist denn mit den Gewerkschaftsfunktionären? Warum vergessen Sie immer die Gewerkschafter?)


uch Herr Riester, der bekanntlich die Riester-Rente
ingeführt hat, verdient am meisten als Vortragsreisender
ür die Versicherungsbranche. – Wenn wir das so lassen
ollen und so dazu beitragen wollen, dass der Ruf der
olitik weiter beschädigt wird, dann können wir so wei-

ermachen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! Sie schädigen den Ruf!)


ir können es aber auch ändern, indem wir ein Gesetz
eschließen, nach dem diese Dinge offengelegt werden
üssen. Dann würde so etwas deutlich.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619414000

Nächster Redner ist der Kollege Ernst Hinsken, CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1619414100

Verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen

nd Kollegen! Herr Kollege Ernst, Sie haben wieder die
lte Platte aufgelegt: Neid, Neid, Neid!


(Jörg van Essen [FDP]: Genau! – Widerspruch bei der LINKEN)


ie appellieren an die niedrigsten Instinkte des Men-
chen. Ohne auf die Problemstellung im Besonderen ein-
ugehen, haben Sie die eine oder andere Person verun-
limpft und an den Pranger gestellt.

Lassen Sie mich aber zunächst darauf verweisen, was
as eigentliche Thema ist, nämlich über den Sachver-
tändigenrat insgesamt gesehen zu sprechen. Dieser
achverständigenrat gehört seit 1963 zum wissenschaft-

ichen Tafelsilber der sozialen Marktwirtschaft. Seine
itglieder sind die Vordenker unserer Wirtschaftspoli-

ik. Hauptaufgabe ist die jährliche Begutachtung der ge-
amtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepu-
lik Deutschland. Dabei soll untersucht werden, wie die
iele des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes, die Stabi-

ität des Preisniveaus, ein hoher Beschäftigungsstand
nd außenwirtschaftliches Gleichgewicht – und dies al-
es bei einem stetigen Wirtschaftswachstum –, erreicht
erden können.

Politik und Wirtschaft verdanken dem Sachverständi-
enrat seit sage und schreibe 43 Jahren wertvolle Im-
ulse. Über 49 Gutachten wurden in der Zwischenzeit
rstellt. Sondergutachten bestimmten und beflügelten
nsere Wirtschaftspolitik. Ich möchte besonders erwäh-
en und herausheben: Unvergessen und herausragend

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21039


(A) )



(B) )


Ernst Hinsken
sind beispielsweise das Gutachten zur Ölkrise im Jahre
1973 und das Gutachten zu den Wirtschaftsreformen in
der ehemaligen DDR 1990.

Jetzt kommen Sie von den Linken und wollen diese
Gutachter und Gutachten madigmachen.


(Lachen des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])


Gerade Sie, Herr Ernst, tun so, als wüssten Sie alles bes-
ser.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Das machen die alle!)


Sie argumentieren populistisch, stellen den Zusammen-
hang nicht dar und sprechen nur an, was Ihnen passt. Wir
brauchen aber harte Fakten und das Darstellen logisch
zwingender Zusammenhänge, wie sie gerade der Sach-
verständigenrat liefert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir brauchen diese ganz konkreten, an der aktuellen
politischen Situation orientierten Vorschläge. Daran wol-
len gerade wir von der Unionsfraktion festhalten.

Deutschland ist ein starkes und erfolgreiches Land.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Vielen Dank, Kollege Meyer. – Der Sachverständigen-
rat hat diese Entwicklung hervorragend wissenschaftlich
begleitet und gibt mit dem neuesten Gutachten vom
12. November 2008 mit dem Titel Die Finanzkrise meis-
tern – Wachstumskräfte stärken weitere Impulse.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619414200

Herr Kollege Hinsken, der Kollege Ernst würde gern

eine Zwischenfrage stellen.


(Jörg van Essen [FDP]: Bei dieser fortgeschrittenen Zeit doch nicht!)



Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1619414300

Wenn es kurz geht, bitte.


(Franz Obermeier [CDU/CSU]: Aber nicht wieder Neid!)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619414400

Herr Hinsken, ich habe eine sehr kurze Frage. Ich

habe mit unserem Gesetzentwurf deutlich machen wol-
len, dass wir die Qualität des Sachverständigenrats und
seine Ausführungen, die er bisher gemacht hat, nicht da-
durch entwerten wollen, dass es bei einzelnen Mitglie-
dern des Sachverständigenrats für die Öffentlichkeit
nicht zugängliche Interessenkonflikte aufgrund anderer
Tätigkeiten gibt. Könnten Sie sich vorstellen, dass es die
Bedeutung des Sachverständigenrats erhöhen würde,
wenn die Bevölkerung, das Parlament und die Regierung
jeweils wüssten, welche Gehälter das jeweilige Mitglied
des Sachverständigenrats noch bezieht? Könnten Sie
sich vorstellen, dass damit genau das, was Sie wollen,
nämlich eine höhere Akzeptanz des Sachverständigen-
rats, gefördert werden kann?

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(C (D Werter Herr Kollege Ernst, Sie betreiben wieder ein al das Spiel mit dem Neid. (Beifall des Abg. Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU] – Jörg van Essen [FDP]: So ist es!)

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1619414500

ie Gelder, die den Sachverständigen zur Verfügung ge-
tellt werden, sind Peanuts im Vergleich zu vielen ande-
en Zuwendungen, die in der Bundesrepublik Deutsch-
and diesbezüglich gezahlt werden. – Eines möchte ich
inzufügen: Ich kann mir einen guten Sachverständigen-
at allemal vorstellen. Aber Sie würde ich für nicht befä-
igt halten.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/ CSU]: Ziemlich deutlich, aber wahr! – Klaus Ernst [DIE LINKE]: Diesen Antrag haben wir auch nicht gestellt, Herr Kollege!)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich meine, dass
ir uns den Sachverständigenrat von Ihnen, den Linken,
icht schlechtreden lassen dürfen. Gerade in der jetzigen
ituation, angesichts der internationalen Finanzkrise und
er sich eintrübenden Konjunktur, ist es unverzichtbar,
ie Ratschläge des Sachverständigenrates einzuholen
nd so weit wie möglich umzusetzen.


(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine gute Idee! Das sollten Sie auch mal machen!)


ir von der Union haben eine Empfehlung aufgegriffen:
ir legen eine konjunkturgerechte Wachstumspolitik

uf; Kollege Meyer hat vor wenigen Tagen hierzu eine
emerkenswerte Rede gehalten. Diese Maßnahmen ge-
en Impulse für öffentliche und private Investitionen;
ies geschieht auch durch unser gestern beschlossenes
eschäftigungssicherungsprogramm. Wir stärken den
ittelstand und das Handwerk; Bürger und Unterneh-
er werden entlastet. Der Konsum und die Binnenwirt-

chaft werden belebt. Unsere Bundeskanzlerin und unser
undeswirtschaftsminister, Michael Glos, haben auf den
at der Weisen gehört und entscheidende Weichenstel-

ungen vorgenommen. Herr Staatssekretär Schauerte,
ie sind Kronzeuge in dieser Angelegenheit.

Das sind Fakten und keine Wolkenkuckucksheime
ie bei Ihnen von den Linken.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Sind Sie sicher, dass das zu diesem Tagesordnungspunkt gehört?)


hnen, den Neokommunisten, ist doch ins Stammbuch zu
chreiben: Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaft
ürfen nicht ignoriert werden. Statt den Sachverständi-
enrat zu kritisieren, sollten Sie sich einmal vom Sach-
erständigenrat selbst Nachhilfeunterricht geben lassen;
err Ernst, ich meine Sie. Dann würden Sie endlich auch
ie wichtigen Zusammenhänge begreifen und könnten
ier konstruktiv mitarbeiten.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Das glauben Sie doch nicht wirklich!)


21040 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Ernst Hinsken
Mit Ihrem Populismus und Ihrer Umverteilungsrhetorik
kommen wir nicht weiter. Das führt nicht aus der Krise
heraus, sondern erst richtig hinein. Dieser Gesetzentwurf
von Ihnen, den Linken, beweist erneut, dass Sie niemals
an einer Regierung der Bundesrepublik Deutschland be-
teiligt sein dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Werner Dreibus [DIE LINKE]: Das ist verfassungswidrig!)


Da Sie von der Linken bei den gegenwärtig zu bewäl-
tigenden Herausforderungen mit Ihrem Latein am Ende
sind,


(Lachen bei der LINKEN)


fällt Ihnen nichts anderes ein, als den Sachverständigen-
rat, wie man so schön im Volksmund sagt, durch den
Dreck zu ziehen. Dies tun Sie wohl auch deshalb, weil
Ihnen die Empfehlungen und der wirtschaftliche Sach-
verstand, der hier gebündelt ist, ein Dorn im Auge sind.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Haben Sie auch eine Riester-Rente?)


Unabhängig ist in Ihren Augen wohl nur jemand, der Ih-
nen nach dem Mund redet und Sie nicht von Ihrer dun-
kelroten Wolke herunterholt. Weil Sie keine Argumente
haben und Ihnen jedes Verständnis für eine vernünftige
Wirtschaftspolitik abgeht, versuchen Sie es auf diese fast
hinterhältig zu nennende Weise.


(Lachen bei der LINKEN)


Sie wollen nicht nur diese herausragenden Wissenschaft-
ler treffen, sondern durch diese Persönlichkeiten auch
unsere ganze soziale Marktwirtschaft.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Ja, ja!)


Das lassen wir unter keinen Umständen zu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir von der CDU/CSU werden dafür sorgen, dass die
Mitglieder des Sachverständigenrats weiter hervorra-
gende Arbeit leisten können. Ich fordere alle anderen
Fraktionen auf: Lassen Sie uns gemeinsam über Par-
teigrenzen hinweg den Sachverständigenrat stärken statt
ihn zu schwächen oder abzuschaffen!


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)


Lassen Sie uns gemeinsam gegen die linke Neiddebatte
vorgehen! Wir dürfen nicht zulassen, dass den Menschen
etwas vorgegaukelt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN)


Im Großen und Ganzen ist es wichtig, das Folgende
festzustellen: Eine hauptberufliche Tätigkeit im Sach-
verständigenrat wurde vom Gesetzgeber nicht festgelegt.
Die Sachverständigen müssen unabhängig sein


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Ja! Allerdings!)


vom Staat, von Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden
und von den Gewerkschaften.

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(C (D (Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Ja!)


islang waren alle Räte Hochschulprofessoren. Im
achverständigenrat sind Unabhängigkeit und wirt-
chaftlicher Sachverstand in besonderer und herausra-
ender Weise repräsentiert. Die jetzt bestehenden Rege-
ungen stellen sicher, dass dies künftig so bleibt. Sie
aben sich bewährt und wesentlich zur hervorragenden
rbeit des Sachverständigenrates beigetragen. Hier
rauchen wir von Ihnen, den Linken, keine vergifteten
erbesserungsvorschläge.


(Lachen bei der LINKEN)


Sie lachen über sich selbst, Herr Ernst. Dafür sind Sie
a bekannt. – Ihr Gesetzentwurf ist auch deshalb entbehr-
ich, weil die besondere Sorgfalt bei der Auswahl der

itglieder des Sachverständigenrates sicherstellt, dass
ie Mitglieder dieses Gremiums nicht nur qualifizierte,
ondern auch integere Persönlichkeiten sind.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Er könnte es schon deshalb nicht sein!)


Ich meine, abschließend feststellen zu dürfen und zu
üssen: Auch in Zukunft brauchen wir in diesem Gre-
ium die besten Köpfe.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Jawohl!)


er von Ihnen, den Linken, geforderte Zwang zur Offen-
egung der Tätigkeiten und Einkünfte ist kontraproduk-
iv, da der Anreiz, nebenberuflich zeitintensiv im Sach-
erständigenrat mitzuarbeiten, ganz stark zurückgehen
ürde. Die geringen Kosten, die die Tätigkeiten der
achverständigen verursachen, kommen durch deren
atschläge vielfach wieder rein. Wir brauchen auch in
ukunft einen starken Sachverständigenrat. Deshalb
erden wir ihn weiterhin unterstützen und gegenüber Ih-
en, den Neokommunisten, auch in Schutz nehmen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619414600

Herr Kollege!


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1619414700

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619414800

Das Wort erhält der Kollege Ernst Burgbacher, FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1619414900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ie Linke wirft ihre üblichen Nebelkerzen und versucht,
inge in die Welt zu setzen, die völlig an den Tatsachen
orbeigehen. Deshalb will ich einen Teil meiner Rede-
eit darauf verwenden, das noch einmal klarzustellen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21041


(A) )



(B) )


Ernst Hinsken
Herr Ernst, Sie sprechen sich für die Offenlegung von
Interessenverbindungen aus. Das ist völlig richtig, aber
das ist längst der Fall. Dafür brauchen wir diese Debatte
nicht.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)


Über das Verhalten gibt es tatsächlich immer wieder Dis-
kussionen. Auch wir haben uns darüber unterhalten, ob
das Verhalten von Schröder, Müller oder Tacke in Ord-
nung war. Auch wir fragen uns manchmal, ob es in Ord-
nung ist, wenn Linke in bestimmten Gremien vertreten
sind. Uns geht es hier im Parlament aber doch um die
Voraussetzungen.

Lassen Sie sich einmal in aller Kürze sagen, dass es
bereits bestehende Regelungen zur Offenlegungspflicht
von Nebeneinkünften aller Ratsmitglieder gibt; denn alle
Ratsmitglieder sind Hochschulprofessoren. Jedes Hoch-
schulgesetz der Länder schreibt klipp und klar die Offen-
legung von Nebeneinkünften vor, aber noch viel mehr.


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)


Alle Hochschulgesetze schreiben vor, dass Nebentätig-
keiten durch den Dienstherrn genehmigt werden müssen.
Die Landesbeamtengesetze, die Hochschulgesetze der
Länder und die Satzungen der deutschen Universitäten
sehen vor, dass Nebentätigkeiten genehmigungspflichtig
und die Einkünfte offenzulegen sind.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Ernst, bevor Sie Anträge stellen und eine De-
batte vom Zaun brechen, sollten Sie vielleicht ab und zu
ins Internet gehen. Ich empfehle Ihnen die Internetseiten
der Universitäten in Würzburg, in Regensburg, in Mainz,
in Darmstadt und in Mannheim. Dort können Sie ganz
genau sehen, welche Nebentätigkeiten die Mitglieder
des Sachverständigenrates ausüben.

Das Gesetz über die Bildung eines Sachverständigen-
rates schreibt in § 1 Abs. 3 klar und unmissverständlich
vor, dass die Mitglieder des Sachverständigenrates

… weder der Regierung oder einer gesetzgebenden
Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch
dem öffentlichen Dienst des Bundes, eines Landes
oder einer sonstigen juristischen Person des öffent-
lichen Rechts, es sei denn als Hochschullehrer oder
als Mitarbeiter eines wirtschafts- oder sozialwissen-
schaftlichen Institutes, angehören …

dürfen. Weiter heißt es:

Sie dürfen ferner nicht Repräsentant eines Wirt-
schaftsverbandes oder einer Organisation der Ar-
beitgeber oder Arbeitnehmer sein …

Offener kann man das doch gar nicht legen. Sie sollten
davor nicht die Augen verschließen und der Öffentlich-
keit irgendetwas vorlügen, was überhaupt nicht stimmt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Um was es Ihnen wirklich geht, das erfahren wir am esten, wenn wir die Rede von Gysi in der ersten Lesung achlesen: Es geht darum, die Arbeit des Sachverständienrates zu diskreditieren. Es geht darum, unser ganzes ystem zu diskreditieren. Das wird Ihnen aber nicht ge ingen, da Sie völlig falsche Dinge in die Welt setzen. chauen Sie doch einmal ins Internet, schauen Sie sich inmal die Gesetze an, dann ist alles geregelt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619415000

Für die SPD-Fraktion gebe ich das Wort dem Kolle-

en Reinhard Schultz.


Reinhard Schultz (SPD):
Rede ID: ID1619415100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

s ist wirklich nicht ganz einfach, sich zum zweiten Mal
u diesem „wegweisenden“ Gesetzentwurf Gedanken zu
achen und dazu etwas Sinnvolles auszuführen. Trotz-

em will ich mich dieser Mühe unterziehen.

Ich hätte eigentlich gedacht, dass die Linken nach der
orlage des aktuellen Gutachtens ihren Gesetzentwurf
urückziehen, weil die Sachverständigen, die eigentlich
ür angebotsorientierte und staatsferne Wirtschaftsstrate-
ien bekannt sind, zur Überraschung aller dieses Mal
ichtig zugelangt und ein Keynesianisches Modell in

illiardenhöhe vorgeschlagen haben, was den Vorschlag
er Bundesregierung und der Koalition noch um Längen
etoppt hat und eigentlich zu dem passt, was man aus
em Bereich der Linkspartei an Forderungen gehört hat.

Da habe ich mir gedacht: Jetzt passt das zusammen.
etzt werden sie ihren Frieden mit dem Sachverständi-
enrat machen. – Aber nein, Ihr überschäumender Eifer
ar einfach nicht zu bremsen. Daher müssen wir uns
eute mit diesem Gesetzentwurf auseinandersetzen.

Zur Unabhängigkeit ist von Herrn Burgbacher schon
iniges Treffendes gesagt worden. Bei den Sachverstän-
igen handelt es sich in der Regel um Hochschullehrer,
eren Nebentätigkeiten genehmigungsbedürftig sind und
ie inzwischen auch an allen Hochschulen veröffentlicht
erden; dort gibt es lange Veröffentlichungsregister.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Ja! So ist es!)


Es ist nicht so, dass zum Beispiel Bert Rürup zufällig
uf der Straße entdeckt


(Jörg van Essen [FDP]: Ja, genau!)


nd dann von der Bundesregierung aufgefordert worden
st: Mein lieber Junge, jetzt befass dich einmal in unse-
em Auftrag mit Fragen der Altersvorsorge. Vielmehr
ar es so, dass er als Sachverständiger genommen
urde, weil er von diesem Thema schon vorher Ahnung
atte und weil er schon vorher strategische Hinweise ge-
eben hat, die für die Politik so interessant waren, dass
an sagte: Lasst den mal zusammen mit anderen Vor-

chläge erarbeiten, wie die gesetzliche Rente um ein ka-
italgedecktes privates Element ergänzt werden kann. –

21042 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) )



(B) )


Ernst Hinsken
Es war so, dass er genommen wurde, weil er sich vorher
Gedanken über dieses Thema gemacht hat. Er war doch
nicht völlig unbefleckt und ist dann von den langen Kra-
kenarmen derjenigen, die private Altersvorsorgepro-
dukte auflegen, sozusagen an Land gezogen worden.

Ich finde es anständig, was Herr Rürup tut: dass er,
weil er bei einem privaten Unternehmen eine zweite
oder sogar dritte Karriere starten will, postwendend
seine Tätigkeit im Sachverständigenrat – die ihn ja nicht
gerade ernährt – aufgegeben hat. Das finde ich in Ord-
nung. Daran könnten sich manch andere ein Beispiel
nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gerade dieses Beispiel macht deutlich, was zu tun ist.
Man kann von Leuten, die erfolgreich gearbeitet haben
– das gilt für Sachverständige wie für Politiker –, doch
nicht verlangen, dass sie sich nach dieser Tätigkeit sofort
an Ort und Stelle öffentlich erschießen, damit sie bloß
nicht in Versuchung geraten, noch einer anderen sinnstif-
tenden Verwendung zugeführt zu werden. Das kann man
doch nicht ernsthaft verlangen. Das ist völlig blödsinnig
und fernab der Realität.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Ich glaube, wir müssen das Waffenrecht ändern! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Ernst, ich würde nie auf die Idee kommen, mit
Ihnen eine ernsthafte Debatte darüber zu führen, ob es
eigentlich legitim ist, dass Sie einen großen Teil von Ge-
werkschaftern, insbesondere von IG-Metallern, hinter
die Fichte geführt haben, weil Sie jetzt ständig im Na-
men der Linkspartei für sie sprechen. Das dürfen Sie ma-
chen. Das ist transparent und völlig in Ordnung. Kein
Mensch wird das ernsthaft kritisieren.

Unabhängigkeit ist immer relativ. In der ersten Debatte
über dieses Thema habe ich mir eine ganz interessante
Auseinandersetzung mit dem Kollegen Schui geliefert,
der selber Wissenschaftler ist, der dem Sachverständi-
genrat sicherlich auch gerne angehören würde – dieses
Schicksal war ihm allerdings nicht beschieden –


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Woran liegt das wohl?)


und der sich hier über die geistige Unabhängigkeit ver-
breitet hat.

Im wissenschaftlichen Bereich, vor allen Dingen in
den Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaf-
ten, gibt es überhaupt keine komplette Unabhängigkeit.
Jeder Mensch kommt irgendwoher, und jeder hat ein be-
stimmtes Weltbild; wenn man einen Lebenslauf liest,
weiß man meistens auch ungefähr, aus welcher Richtung
jemand kommt.

Es gab in allen Zeiten Sachverständige. Mal waren sie
stärker angebotsorientiert, mal stärker nachfrageorien-
tiert. Mal lehnten die Sachverständigen den Keynesia-
nismus ab, mal befürworteten sie ihn. Dabei spielten na-
türlich auch Zeitströmungen eine Rolle. Dadurch, dass

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(C (D ich der Sachverständigenrat auf der Basis eines Rotaionssystems rekrutiert, sind Innovationen zwangsläufig. iemand bleibt auf ewig Mitglied des Sachverständigen ates; es kommen immer neue hinzu. Dieses System ist ehr gut angelegt. Das ist auch der Grund, warum die neue amerikaniche Regierung unter Präsident Obama angekündigt hat, n den USA nach deutschem Vorbild einen unabhängien Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtirtschaftlichen Entwicklung einzusetzen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Hört! Hört!)


m Gegensatz dazu haben die früheren amerikanischen
räsidenten, zum Beispiel Reagan und Bush, Wissen-
chaftler nur beauftragt, genau das wissenschaftlich ver-
rämt zu verarbeiten bzw. zu produzieren, was ihnen
orgegeben worden ist. Das ist ein Riesenunterschied.
ch finde es gut, dass sich das jetzt ändert.

Auch andere europäischen Regierungen haben Sach-
erständigengremien. Diese Gremien sind allerdings
urch die Bank nicht so unabhängig wie der deutsche
achverständigenrat. Entweder unterstehen sie direkt
em Präsidenten – in Frankreich ist das zum Beispiel der
all – oder dem Wirtschaftsminister. Sie haben eher den
harakter eines Beirats und denken nicht unabhängig.

Was uns mit Blick auf die Sachverständigen ärgert,
t, dass sie § 2 des Sachverständigenratsgesetzes manch-
al nicht ernst nehmen. Darin heißt es, dass sie die Lage

nalysieren, aber keine Empfehlungen für wirtschafts-
nd sozialpolitische Maßnahmen abgeben sollen, weil
ie dadurch oftmals die Regierung, die Handelnden, vor-
ühren.


(Jörg van Essen [FDP]: Ja! Das wäre im Augenblick aber dringend notwendig!)


Wir Politiker müssen bei der politischen Entscheidungs-
indung nämlich noch andere Gesichtspunkte berücksich-
gen als nur die einer bestimmten wirtschaftswissen-
chaftlichen Schule oder die der reinen ökonomischen
ogik. Es gehört natürlich dazu, auch das Weiße im
uge des Wählers zu sehen.

Die Wirklichkeit ist vielfältiger, als es die verengte
irtschaftswissenschaftliche Sicht zulässt. Deswegen
ommen wir manchmal zu anderen Ergebnissen, um
icht zu sagen: Eigentlich sind die Kollegen, seit es den
achverständigenrat gibt, seit 1963, fast immer zu ande-
en Ergebnissen gekommen als der Sachverständigenrat,
ber wir alle haben die Analysen mit großem Interesse
nd hohem Genuss gelesen, für die eigene Erkenntnis
enutzt, aber unterschiedliche Schlüsse daraus gezogen,
o wie es sich eigentlich auch gehört.

Insofern gibt es keinen Bedarf für ein solches Gesetz.
ie Transparenz ist gegeben. Es bestehen keine verknö-

herten Strukturen, weil die Besetzung des Sachverstän-
igenrats regelmäßig wechselt. Professor Rürup ist das
este Beispiel dafür, wie die Unabhängigkeit gewahrt
ird: durch ein charakterstarkes Verhalten. Nachdem er

inen anderen Job hat, scheidet er aus.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008 21043


(A) )



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Ernst Hinsken

(Jörg van Essen [FDP]: Sie meinen, er ist ein vorbildlicher Sozialdemokrat!)


Insofern: Es besteht kein Bedarf, den Gesetzentwurf
weiterzuverfolgen. Wir lehnen ihn ab.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619415200

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Wolfgang Strengmann-Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Meine Lehrveranstaltungen an der Universität Frankfurt
zu Makroökonomie und Wirtschaftspolitik habe ich häu-
fig mit einem Zitat von Terry Pratchett eingeleitet:

Wissenschaft: Eine Möglichkeit, um Dinge heraus-
zufinden und sie funktionieren zu lassen. Die Wis-
senschaft erklärt, was die ganze Zeit über um uns
herum geschieht, ebenso wie die Religion. Doch die
Wissenschaft ist besser, weil sie glaubwürdigere
Ausreden bietet, wenn etwas nicht klappt.

Damit wollte ich den Studentinnen und Studenten
deutlich machen, dass die Volkswirtschaftslehre keine
objektive Naturwissenschaft ist, sondern dass hinter den
Modellen und vertretenen Positionen immer Ideologien
stecken, die durchaus Religionen ähneln.

Nun ist es traditionell so, dass der Sachverständigen-
rat einer dieser „Religionen“ nahesteht. So vertrat er in
der Vergangenheit vor allem eine angebotsorientierte
und marktliberale Position, auch bezüglich der Reform
der sozialen Sicherungssysteme – eine Ideologie, die of-
fensichtlich nicht der der Linkspartei nahesteht, wie wir
alle wissen. Aber zu unterstellen, dass die einzelnen Mit-
glieder des Sachverständigenrats eine inhaltliche Posi-
tion deshalb vertreten, weil sie auch Gutachten für be-
stimmte Auftraggeber erstellen, halte ich für aberwitzig.
Das ist absurd. Wenn überhaupt, bekommen die Mitglie-
der des Sachverständigenrats Aufträge, weil sie eine be-
stimmte inhaltliche Positionierung haben, und nicht um-
gekehrt.


(Beifall des Abg. Christian Lange [Backnang] [SPD] – Jörg van Essen Ich gebe zu, dass der Wechsel des Vorsitzenden des Sachverständigenrats, Bert Rürup, zum Finanzdienstleister AWD scheinbar für den Gesetzentwurf der Linken spricht. Aber ich kenne Bert Rürup lange genug – für viele von Ihnen gilt das sicherlich auch –, um sagen zu können, dass er Politik bestimmt nicht für irgendeine Gruppierung oder politische Strömung macht, sondern aus Überzeugung. Ich gehe davon aus, dass das ebenfalls für die anderen Mitglieder des Sachverständigenrats – einige kenne ich auch – gilt. s m d S n d d z f i t n w j n n – s r K D b m i n m K s d e e w w W s W f b d s (C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Für sich selber!)


Das sieht man nicht zuletzt daran, dass der Sachver-
tändigenrat im neuesten Gutachten seine Position, zu-
indest bei konjunkturpolitischen Fragen, geändert hat;

as hat der Kollege Schultz gerade schon gesagt. Der
achverständigenrat fordert jetzt fiskalpolitische Maß-
ahmen und eine konjunkturgerechte Wachstumspolitik
urch öffentliche Investitionen in Höhe von 1 Prozent
es Bruttoinlandsprodukts, also 25 Milliarden Euro, die
umindest zum Teil durch eine höhere Neuverschuldung
inanziert werden sollen. Diese Forderungen gehen sehr
n Richtung dessen, was die Linkspartei konjunkturpoli-
isch vertritt. Okay, es geht wahrscheinlich nicht weit ge-
ug. Es ist eher die Position der Grünen, die da vertreten
ird. Aber was denken Sie, Herr Ernst: Wer hat denn

etzt den Sachverständigenrat beeinflusst? Ich kann Ih-
en sagen: die grüne Bundestagsfraktion sicherlich
icht.


(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist gar nicht die Frage, Kollege!)


Sie unterstellen aber doch, dass der Herr Rürup be-
timmte Positionen vertritt, weil er mit der Versiche-
ungswirtschaft zusammenarbeitet.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619415300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Schneider?


(Jörg van Essen [FDP]: Keine Zwischenfragen mehr, Frau Präsidentin! – Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)



(BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN)

Ich habe jetzt nur noch einen Aspekt vorzutragen. Da-

ei gehe ich auch auf die Frage ein, die der Kollege ver-
utlich stellen will. Er kann dann ja noch eine Kurz-

ntervention machen.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Die brauchen wir auch nicht!)


Der Sachverständigenrat bestimmt seine Positionen
ach meiner festen Überzeugung danach, was er ökono-
isch für richtig hält, wobei ökonomische Theorien,
enntnisse, aber natürlich immer auch Ideologien – des-

en sollte man sich bewusst sein; das sage ich einmal
en Kolleginnen und Kollegen auf der rechten Seite –
ine Rolle spielen. Dennoch bin ich der Auffassung, dass
s völlig überzogen ist, zu fordern, dass die Wirtschafts-
eisen denselben Regeln wie Abgeordnete unterworfen
erden.

Die fünf Wirtschaftsweisen sind Gott sei dank keine
irtschaftsregierung und auch keine Abgeordneten,

ondern ein Sachverständigenrat. Sie sind unabhängige
issenschaftler, die sich der Wissenschaft verpflichtet

ühlen. Sie müssen – darauf wurde schon hingewiesen –
ereits heute als Beamte gegenüber ihrem Arbeitgeber,
er Universität, ihre Nebeneinkünfte offenlegen. Sie
ind also bekannt. Insofern obliegt die Prüfung der Un-

21044 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 194. Sitzung. Berlin, Freitag, den 5. Dezember 2008


(A) (C)



(B) )


Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn

abhängigkeit der Professoren der Universität. Das ist gut
so und reicht nach unserer Auffassung völlig aus.

Insofern ist der Gesetzentwurf überflüssig. Wir wer-
den dagegen stimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619415400

Zu einer Kurzintervention gebe ich das Wort dem

Kollegen Schneider.


Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1619415500



(BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Kollege, ich antworte ganz kurz: Es geht nicht
um einen Heiligenschein, sondern darum, dass der
Mensch nicht in eine bestimmte Ecke gestellt werden
soll. Ich bin weiß Gott nicht immer einer Meinung mit
Bert Rürup, aber es geht darum, sich mit ihm und dem
Sachverständigenrat inhaltlich auseinanderzusetzen,
statt ihm irgendetwas zu unterstellen.

Es geht hierbei um objektive wissenschaftliche Posi-
tionen. Mit diesen kann man sich auseinandersetzen, ge-
nauso wie ich mich mit Herrn Schui auseinandersetze.
Ihm unterstelle ich auch nicht irgendetwas. Darum geht
es, nicht um einen Heiligenschein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute war mehr-
fach zu hören, wie unbedenklich all das ist, was Herr
Rürup tut, und welche Begeisterung in Bezug auf seine
Person herrscht. Er hat fast einen Heiligenschein verlie-
hen bekommen.

Ich darf aber in diesem Zusammenhang auf eines hin-
weisen, was mich als rentenpolitischen Sprecher meiner
Fraktion sehr berührt hat. Mir ist auf einmal aufgefallen,
dass Herr Rürup – es war übrigens noch nicht die Rede
davon, dass er wechselt – Riester-Produkte eines ganz
bestimmten Anbieters empfohlen hat, nämlich Swiss
Life. Ich war darüber etwas erstaunt, weil dieser Anbie-
ter weder von Finanztest noch von Öko-Test, die regel-
mäßig die Riester-Produkte testen, in irgendeiner Form
herausgehoben genannt wurde.

Als dann die Mitteilung kam, dass Herr Rürup zu
AWD wechselt, habe ich mich nicht mehr gewundert,
weil nämlich der Hauptanteilseigner von AWD Swiss
Life ist. Diese Zusammenhänge machen mich etwas
skeptisch. Insofern kann ich Ihr unendliches Vertrauen in
Herrn Rürup wahrhaftig so nicht teilen.

Auch dass er als edle Geste am 31. März ausscheidet,
weil er ab 1. April für AWD arbeitet, kann ich nicht
nachvollziehen. Eine wirklich edle Geste wäre es gewe-
sen, sofort zurückzutreten, weil er wegen seiner Tätig-
keit für AWD nicht mehr unabhängig ist.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619415600

Herr Kollege Strengmann-Kuhn, Sie können antwor-

ten.

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(D (Beifall beim BÜNDNIS/90 DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1619415700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf ei-
es Gesetzes der Fraktion Die Linke zur Änderung des
esetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates

ur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-
ung. Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
ache 16/10507, den Gesetzentwurf der Fraktion Die
inke auf Drucksache 16/8980 abzulehnen. Ich bitte die-

enigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um
as Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
en? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
ei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die
eitere Beratung.

Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 17. Dezember 2008, 13 Uhr,
in.

Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, allen
itarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den Besu-

herinnen und Besuchern auf der Tribüne ein schönes
ochenende.

Die Sitzung ist geschlossen.