Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Guten Morgen, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen.
Wir können heute ohne jede Vorbemerkung oder Be-
kanntgabe zusätzlicher Tagesordnungspunkte – welcher
Komplikationen auch immer – in unsere Tagesordnung
eintreten.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur verbesserten Einbeziehung der
selbst genutzten Wohnimmobilie in die geför-
– Drucksache 16/8869 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für
diese Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist es so vereinbart.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Dr. Hans-Ulrich Krüger für die SPD-Frak-
tion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Riester-Rente ist ein Erfolgsmodell ohneWenn und Aber.
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In die Förderung einbezogen werden dabei ausdrücklichauch die vielfach von den Bausparkassen angebotenentilgungsfreien Vorfinanzierungsdarlehen mit anschlie-ßender Ablösung durch einen Bausparvertrag.Diese im Eigenheimrentengesetz vorgesehene Förde-rung bietet ein Höchstmaß an Flexibilität. Wer einen Al-tersvorsorgevertrag abschließt, muss eben noch keineVorfestlegung auf die Bildung steuerlich gefördertenWohneigentums treffen. Er behält die Wahlmöglichkeit,ob er sich das angesparte Kapital im Alter als Rente aus-zahlen lassen will oder aber es für die Anschaffung einerWohnimmobilie nutzt. Er kann aber auch, wenn er sichsicher ist, gleich zu Beginn sagen: Jawohl, ich möchtemit einem zertifizierten Bausparvertrag ganz gezielt aufeine Wohnimmobilie zusteuern.Wie attraktiv das Ganze ist und sein kann, lassen Siemich bitte anhand eines Beispiels kurz aufzeigen, einesBeispiels, bei dem ich das Jahresfamilieneinkommen mit50 000 Euro bewusst relativ hoch angesetzt habe. EineFamilie mit zwei Kindern, die bei diesem Jahreseinkom-men ein Darlehen über 40 000 Euro aufnimmt, wird die-ses Darlehen nach circa 20 Jahren getilgt haben. Wennsie dann diese 40 000 Euro Schulden getilgt hat – ichmuss hinzufügen: ein Kind ist vor und ein Kind ist nachdem 1. Januar 2008 geboren –, dann bedeutet das, dassdiese Familie von dem getilgten Darlehen in Höhe von40 000 Euro lediglich 24 140 Euro selbst aufgebrachthat und der Rest, nämlich 15 860 Euro, durch staatlicheZulagen abgedeckt wurde. Das heißt also, fast40 Prozent dieses Darlehens werden vom Staat in Formeiner Zulage abgedeckt, damit diese Familie für das Al-ter vorsorgen kann. Das ist unschlagbar.
Die SPD hat ferner erreicht – es gab da unterschiedli-che Sichtweisen –, dass bei der Einbeziehung derWohnimmobilie in die staatliche Förderung die Syste-matik der Riester-Rente – das war uns ganz wichtig –erhalten blieb. Nur bei einer systematischen Gleichbe-handlung der Immobilie mit anderen Anlageprodukten– Banksparplan, Fondssparplan usw. – gibt es die so oftbeschriebene und beschworene echte Wahlfreiheit. Inder Ansparphase erfolgt daher wie bislang eine Steuer-freistellung der Beiträge; in der Auszahlungsphase wer-den die sich aus Beiträgen, Zulagen und Erträgen erge-benden Leistungen nachgelagert besteuert. Das Ganzegeschieht unter Zuhilfenahme eines sogenannten Wohn-förderkontos. Auf diesem Konto werden die in der Im-mobilie gebundenen steuerlich geförderten Beiträge er-fasst und nachgelagert besteuert.Die Steuerpflichtigen erhalten jedoch – das ist neu –zu Beginn der Auszahlungsphase ein einmaliges Wahl-rls7eDhbvttdndnddwHnSnmwRn–elskTkEdisWSsBwzvenc
as ist gut und richtig.Entgegen manchen Befürchtungen wird die Einbezie-ung der Wohnimmobilien kein Monster der Bürokratieedeuten. Nein, die Führung des Wohnförderkontosollzieht sich ganz unspektakulär bei der Finanzverwal-ung. Über die Entwicklung der geförderten Beiträge un-errichtet ebenso unspektakulär der Anbieter.Da wir nun die Einbeziehung des Wohneigentums inie Riester-Rente und damit eine Neuausrichtung vorge-ommen haben, ergab und ergibt sich folgerichtig, dassiese Neujustierung auch auf die Ausrichtung der Woh-ungsbauprämie Konsequenzen haben wird und sichiese Prämie ganz fokussiert auf die Anschaffung bzw.en Kauf einer Immobilie richten muss.Das Eigenheimrentengesetz enthält außerdem zweieitere, wie ich denke, erwähnenswerte Einzelpunkte:Zum Ersten ist das der Berufseinsteigerbonus inöhe von 100 Euro. Diese Summe mag gering erschei-en; diese Förderung ist aber eine gute Möglichkeit,parerinnen und Sparer, die das 21. Lebensjahr nochicht vollendet haben, die also in besonderem Maße dieit der Langfristigkeit der Verträge verbundene Hebel-irkung zu ihren Gunsten nutzen können, auf dieiester-Möglichkeiten aufmerksam zu machen und ih-en den Zugang zu Riester-Modellen zu erleichtern.Zum Zweiten haben wir eine Möglichkeit gefundenauch das ist interessant und gut –, dass diejenigen, dieine Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen – das gilt ana-og auch für Beamte –, sich im Rahmen der Altersvor-orge zusätzlich versichern können. Diese Personenonnten während ihrer sozialversicherungspflichtigenätigkeit bzw. während ihrer Beamtentätigkeit nämlicheine Anwartschaften aufbauen.Die mit dem Eigenheimrentengesetz vorgeseheneinbeziehung der Bildung von Wohneigentum ist durch-acht. In langen Beratungen mit dem Koalitionspartnerst das eine runde Sache geworden. Daher können wiragen: Ja, die Erfolgsstory Riester-Rente wird zumohle der Menschen in unserem Land fortgesetzt. DiePD-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass dieses Ge-etz im Anschluss an diese erste Lesung nach zügigereratung noch vor der Sommerpause verabschiedetird, damit sich alle Menschen in diesem Land in derweiten Jahreshälfte exakt informieren können, ob sieon dieser neu geschaffenen Möglichkeit der Förderungines Altersvorsorgeproduktes Gebrauch machen kön-en. Das ist gut, richtig und vor allen Dingen eine Si-herheit für die Menschen in diesem Land.Ich danke Ihnen.
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Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele,
FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenKolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Krüger,ich glaube, dieses Gesetz ist mehr Schein als Sein. Eswird der Eindruck erweckt, dass mit dem heute vorge-legten Gesetzentwurf der Weg zu mehr Wohneigentumin Deutschland geebnet wird.Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Re-gierungsfraktionen, Sie wissen selbst, dass das nicht soist. Im ersten Jahr beträgt das Fördervolumen gerade ein-mal 20 Millionen Euro, und die volle Wirkung tritt erstnach 25 Jahren ein. Diese Regelung ist kein Ersatz fürdie weggefallene Eigenheimzulage. Sie ist unzurei-chend und ungeeignet, nennenswert mehr Wohneigen-tum zu schaffen. Die eingeplanten Mittel sind einfach zugering.
Außerdem verschweigen Sie, dass das Sparen von Ih-nen in Zukunft an anderer Stelle schlechter gefördertwird. Das Wohnungsbauprämiengesetz soll geändertwerden. Die angesparten Gelder sind zukünftig „nurnoch bei wohnungswirtschaftlicher Verwendung prämi-enbegünstigt“. Dadurch wird das Ansparen zum einenweniger attraktiv. Das gilt insbesondere für jüngereMenschen, die sich nicht in jungen Jahren darauf festle-gen wollen, Wohneigentum zu erwerben.
Zum anderen müsste dieser Punkt eigentlich imFinanztableau aufgeführt werden – für mich ist es eineÜberraschung, dass das nicht so ist –: Die derzeitigenPrämien belasten den Bundeshaushalt mit circa442 Millionen Euro; wenn das weniger wird, müsste dasim Finanztableau erscheinen. Insofern kann ich nur sa-gen: Sie geben wenig, nehmen dafür aber etwas. DiesesGesetz hat die Wirkung eines Potemkinschen Dorfes. Ichhabe erhebliche Zweifel, ob mit diesem Gesetz tatsäch-lich mehr Wohneigentum in Deutschland entstehenkann.Wir brauchen Sparvorgänge. Wenn wir vergleichen,wie Immobilien in den Vereinigten Staaten und inDeutschland finanziert werden, stellen wir fest, dass wirfroh darüber sein können, dass die Eigenkapitalquotebeim Erwerb von Wohneigentum in Deutschland durch-schnittlich 30 Prozent beträgt. Insofern müssen wir dieKapitalbildung erleichtern. Mit der Reduzierung derBausparförderung wird das leider nicht erreicht, sonderndas Gegenteil.
Dieses Gesetz enthält ein beinahe unglaubliches Aus-maß an Bürokratie. Das Folgende müsste viele nach-denklich werden lassen: Die Zehn Gebote enthalten2rdutHswBeAgrukVankdeTsWraddHnpMbWdMirTLcsw
ier ist in einer Komplexität und in einem bürokrati-chen Überwahn etwas auf den Weg gebracht worden,as sämtlichen Bemühungen der Bundesregierung umürokratieabbau und Ähnliches absolut Hohn spricht.
Man muss sich schon fragen: Warum einfach, wenns auch kompliziert geht? Warum sollen die Nutzer undnbieter dieser Regelung mit klaren und einfachen Re-eln arbeiten, wenn es auch kompliziert geht? Deshalbichte ich an Union und SPD die Frage, ob es sinnvollnd nötig ist, die Förderung des Wohneigentums derartompliziert auszugestalten. Es sollen acht Gesetze underordnungen geändert bzw. ergänzt werden, darunterllein das Einkommensteuergesetz an zehn verschiede-en Stellen. Auf Bürger, Verwaltung und Unternehmenommen 21 neue Informationspflichten zu. Deshalb ister von der Koalition versprochene Bürokratieabbauine einzige Leerformel.Wir als FDP setzen uns schon seit Jahren für mehreilhabe der Bevölkerung an den Werten unserer Gesell-chaft ein. Deshalb haben wir die Erhöhung derohneigentumsquote betrieben und freuen uns da-über, dass sie von 1992 bis 2003 von knapp 39 Prozentuf 43 Prozent gestiegen ist, also um circa 10 Prozent, inen neuen Bundesländern sogar um 30 Prozent. Das be-eutet, dass in dieser Zeit etwa 1,5 Millionen zusätzlicheaushalte Eigentum erworben haben. Geht man von ei-er durchschnittlichen Haushaltsgröße von 2,2 Personenro Haushalt aus, bedeutet dies, dass jetzt 3,3 Millionenenschen mehr in selbst genutztem Wohneigentum le-en und nicht mehr zur Miete wohnen.Dennoch bilden die Deutschen im Hinblick auf dieohneigentumsquote im europäischen Vergleich nahezuas Schlusslicht. In Spanien wohnen 86 Prozent derenschen in den eigenen vier Wänden,
n Irland 83 Prozent, in Frankreich 56 Prozent, in Öster-eich 57 Prozent und in Großbritannien 70 Prozent. Derrend, dass sich die Wohneigentumsquote in unseremand erhöht, darf nach Auffassung der FDP nicht abbre-hen. Hier müssen wir etwas tun.
Insofern ist es beängstigend, dass die Zahl der in die-em Jahr fertiggestellten Wohnungen inklusive des Miet-ohnungsbaus unter 200 000 liegt.
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Carl-Ludwig Thiele
Es besteht die Gefahr, dass es langfristig zu einem Woh-nungsmangel kommt – in einigen Bereichen ist er be-reits zu verzeichnen –, der dazu führen wird, dass in vie-len Gegenden unseres Landes zusätzlich zu den drastischgestiegenen Warmmieten auch die Kaltmieten steigenwerden.Die FDP begrüßt, dass der Anlagenkatalog des vomStaat geförderten Altersvorsorgesparens, der bisher dasLebensversicherungssparen, das Sparen nach Bankspar-plänen und das Sparen in Investmentfonds umfasst, nunum die Baufinanzierung ergänzt werden soll.Zwischen den anderen Anlageformen und der Förde-rung des selbst genutzten Wohneigentums gibt es aller-dings einen grundsätzlichen Unterschied: Im Gegensatzzu den bisherigen Anlageformen fließen einem Mieterbei Erreichen der Altersgrenze keine Geldbeträge zu, aufdie Steuern zu zahlen sind. Insofern handelt es sich beider Förderung von Wohneigentum um einen anderenWeg, der aus unserer Sicht auch anders behandelt wer-den sollte.Die Förderung von Wohneigentum sollte praktikabelausgestaltet werden. Sie sollte einfach, verständlich undflexibel sein. Anstatt die Zulage bei der Entnahme zu be-steuern, wäre es denkbar, den Förderbetrag um die späterentstehende Steuerschuld zu reduzieren. Dies würdezwar zu einer Verringerung der Zulagenförderung füh-ren, würde aber gleichzeitig den Haushalt entlasten undwäre erheblich einfacher und praktikabler.
Im Namen der FDP begrüße ich, dass gerade die SPDideologischen Ballast abgeworfen hat. Das war vermut-lich einer der Gründe dafür, dass die Diskussion überdieses Gesetz so lange gedauert hat. Wir befinden unsbereits in der zweiten Hälfte dieser Wahlperiode. Eigent-lich sollte dieses Vorhaben schon im Jahre 2007 Gesetzwerden.Wohneigentum ist ein Eckpfeiler einer liberalen Ge-sellschaftsordnung. Ich freue mich und hoffe, dass auchdie Mehrzahl der Sozialdemokraten dies inzwischen sosieht und nicht mehr an dem Eindruck festhält, dass ins-besondere Mieter treue sozialdemokratische Wählersind. Wohneigentum verschafft den Bürgerinnen undBürgern Freiheit und Unabhängigkeit im privaten Be-reich. Die Bürger erwerben Eigentum und damit Sicher-heit. Wohneigentum ist aber auch ein wichtiges Instru-ment der Altersvorsorge. Im Durchschnitt vermeidenRentnerhaushalte, die über selbst genutztes Wohneigen-tum verfügen, pro Monat Mietaufwendungen in Höhevon über 500 Euro oder 20 Prozent ihres Bruttoeinkom-mens. Da wird es verständlich, dass Umfragen zufolgefür 82 Prozent der Deutschen eigener Wohnraum zu denidealen Formen der Absicherung fürs Alter gehört.gjrdvsbdkfdACssdhbiGrvWftkeIwstrwtsis
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wis-en aus Umfragen, dass die Immobilie bei den Men-chen, wenn es darum geht, was die richtige Vorsorge füras Alter ist, an zweiter Stelle steht. Mit dem Eigen-eimrentengesetz, über das wir heute in erster Lesungeraten, wollen wir die Bevölkerung bei der Erfüllunghres Wunsches, Eigentum zu erwerben, unterstützen.
Bisher wurde die Immobilie diskriminiert. Mit diesemesetz wird die selbst genutzte Immobilie der Geld-ente gleichgestellt. Das ist ein gewaltiger Schritt nachorne.
ir verbinden damit die Hoffnung, dass die Akzeptanzür die private Altersvorsorge insgesamt wächst.Wir gewähren mit diesem Gesetz keine neue Leis-ung, wir schaffen lediglich eine neue Anlagemöglich-eit. Deshalb sind die Mehrausgaben, die im Haushaltntstehen werden, rein dadurch begründet, dass über diemmobilie mehr Menschen zur Altersvorsorge findenerden. Wir erliegen nicht staatlichen Allmachtsfanta-ien, glauben nicht, dass der Staat eine hinreichende Al-ersvorsorge garantieren kann. Deshalb setzen wir da-auf, die Menschen zu motivieren, in jungen Jahren,enn sie im Erwerbsleben stehen, Eigenvorsorge zu be-reiben. Wir verbinden mit diesem Eigenheimrentenge-etz die Hoffnung, dass die Menschen im Alter selbst fürhr Auskommen sorgen können.
Wer ein Haus baut, zeigt Verantwortung, nicht nur fürich selbst, sondern auch für seine Familie und für die
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Dr. Michael MeisterGesellschaft, ist bereit, ein Risiko einzugehen. Eigentumzu schaffen, ist in unserer Gesellschafts- und Wirt-schaftsordnung gleichzeitig Voraussetzung und Ziel. Wirwollen mit diesem Gesetz die Eigentumsbildung unter-stützen. Wir sind eine Partei, die glaubt, dass unsere Ge-sellschaft stabiler wird, wenn die Menschen über Eigen-tum verfügen. Auch deshalb wollen wir die Schaffungvon Eigentum unterstützen.
Wir haben in den vergangenen Jahren viel getan, umdie private Eigenvorsorge zu stärken. Ich bin fest davonüberzeugt, dass der Ansatz richtig ist, auf Subsidiaritätzu setzen, die Menschen zu animieren, Eigenvorsorge zubetreiben, und dies als Staat zu unterstützen. Wir habenzum letzten Jahreswechsel die betriebliche Altersvor-sorge gestärkt, indem wir sie weiterhin von Steuern undSozialabgaben freigestellt haben.
– Ja, aber es war bis zum 31. Dezember 2007 befristet,Herr Kollege. Wir haben diese Befristung aufgehobenund damit die Förderung weiterhin möglich gemacht.
Wir haben durch die nachgelagerte Besteuerung da-für gesorgt, dass das Ansparen für Eigentum und Vor-sorge steuerlich begünstigt wird. Die Besteuerung findetjetzt erst in der Auszahlungsphase statt; die Menschenhaben dann in der Regel einen viel niedrigeren Steuer-satz. Wir haben ferner mit der Riester-Geldrente und derRürup-Unterstützung geeignete Instrumente gefunden.Ich glaube, all das sind Anreize dafür, das aufzufan-gen, was durch die gesetzliche Rente in Zukunft nichtmehr geleistet werden kann, weil das Verhältnis zwi-schen den Erwerbstätigen und den Beziehern von Leis-tungen immer schlechter wird. Vor 40 Jahren betrug dasVerhältnis vier zu eins – vier Arbeitnehmer kamen aufeinen Leistungsbezieher –, heute beträgt das Verhältniszwei zu eins, und in 25 Jahren wird das Verhältnis einszu eins betragen.
Deshalb ist es zwingend notwendig, dass wir die Men-schen zu mehr Eigenvorsorge animieren.Wer den Menschen heute suggeriert, dass der Staatdas alles leisten kann, der täuscht sie und führt sie in dieIrre. Irgendwann werden sie erkennen, dass dies einFehlglaube war, und dann ohne Vorsorge dastehen. Da-vor wollen wir die Menschen in diesem Lande schützen.
Was geschieht durch dieses Gesetz? Zum einen wer-den wir während der Tilgungsphase eine Förderung ge-währen. Das heißt, dann, wenn die Menschen aufgrunddlsdhepnaglgwDaztdslSnDdnhrDdddzdlgRkhsuüwu
Ich sage aber auch: Nichts ist so einfach, dass es nichtoch einfacher werden könnte.
eshalb werden wir als Fraktion uns darum bemühen,ass das, was wir hier beschließen werden, in Zukunftoch einfacher wird.
Dennoch bin ich der Meinung, dass man einen Schrittin zu mehr Einfachheit nicht im Vorhinein diskreditie-en, sondern auch einmal anerkennen sollte.
as habe ich in allen Redebeiträgen bisher – ich nehmeen Kollegen Krüger aus – ein Stück weit vermisst; dennas wurde leider nicht entsprechend angesprochen.Ich komme zur Rendite. Auch hinsichtlich der Ren-ite wird ein Stück weit versucht, diese Eigenheimrenteu diskreditieren. Ich bin der Meinung, dass die Renditeieser Eigenheimrente sehr gut ist. Es wird zwar nachge-agert besteuert – wir haben dort ein Optionsmodell ein-efügt –, aber dennoch bin ich der Meinung, dass dieendite für denjenigen, der ein entsprechendes Objektauft, hervorragend ist. Er profitiert einerseits vom vor-in angesprochenen und in der Regel niedrigeren Steuer-atz während der Phase, in der er Leistungsbezieher ist,nd andererseits natürlich davon, dass ihm die Mittelber den entsprechenden Zeitraum hinweg gestundetorden sind. Deshalb glaube ich, dass das Ganze auchnter Renditeaspekte vernünftig ist.
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Dr. Michael MeisterIch möchte einen weiteren Punkt ansprechen, nämlichdie Wohnungsbauprämie. Wir sind fest davon über-zeugt, dass die Wohnungsbauprämie zwar ein ganz klei-ner, aber sehr wichtiger Anreiz für die Menschen zumSparen ist.
Deshalb wollen wir die Wohnungsbauprämie auch inZukunft erhalten.Es gibt viele, die daran zweifeln, dass der Anreiz hilft,weil er sehr klein ist. Wenn man sich die Zahlen darüberanschaut, wie viele Menschen sich durch diesen kleinenAnreiz animieren lassen, dann sieht man, dass wir andieser Stelle einen riesigen Hebel haben.Wir schaffen die Wohnungsbauprämie jetzt nicht ab,
sondern in Zukunft wird es bei der Gewährung der Woh-nungsbauprämie eine Zweckbindung geben, wonach dasGeld, mit dem gefördert worden ist, tatsächlich in eineImmobilie fließen muss.
An dieser Stelle will ich auch erwähnen, dass wir imparlamentarischen Verfahren darüber sprechen werden,inwieweit es möglich ist, insbesondere für junge Men-schen, die vielleicht erst einmal ein Stück weit zum Spa-ren angeleitet werden müssen, noch zu anderen Regelnzu kommen. Das steht noch nicht im Gesetzentwurf,aber über diese Frage wollen wir miteinander reden. Wirwollen schauen, ob wir hier einen besonderen Anreiz fürJugendliche setzen können, weil wir glauben, dass diesein wichtiger Punkt ist.Letzte Bemerkung. Wir ermöglichen es, dass mehrAkteure solche Produkte anbieten können. Bisher war esden Bausparkassen – ich nenne sie beispielhaft – ledig-lich möglich, Geschäfte im Bereich des Bausparens zutätigen. Das Gesetz ermöglicht es auch Bausparkassen,Produkte für die Altersvorsorge anzubieten. Das ist einSchritt hin zu mehr Wettbewerb und sorgt für einen wei-teren Anreiz, der der Altersvorsorge in Deutschland gut-tun kann.Ich hoffe, dass wir zu guten Beratungen über den vor-liegenden Gesetzentwurf im Ausschuss und im Bundes-tag kommen werden und dass mit diesem Gesetz einFortschritt für die Bürger in unserem Land verbundenist.Vielen Dank.
Volker Schneider ist der nächste Redner für die Frak-
tion Die Linke.
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Das ist hinsichtlich der Renditeversprechungen auchkein Wunder: Wenn man von dem eingezahlten Kapitalzuerst bis zu 20 Prozent für Verwaltungskosten abzieht,dann müsste man schon sensationell wirtschaften, ummit den verbleibenden 80 Prozent Kapital noch tolle Er-folge zu erzielen.Wo werden diese Renditen erzielt? Auch die Lebens-versicherer investieren am internationalen Finanzmarkt,und was dort im Moment passiert, brauche ich wohlnicht mehr zu sagen. 1 000 Milliarden Dollar lösen sichim Moment in Luft auf. Die Menschen in Südamerika, inden USA und in Großbritannien mussten erleben, wieihre betriebliche und private Vorsorge in der Vergangen-heit katastrophale Einbrüche erlebte. Das stand am10. März 2004 auch in der Frankfurter Rundschau zu le-sen:Drei Jahre sinkender Börsenkurse und niedrigerZinssätze haben den Wert des nichtstaatlichen Ren-tenvolumens drastisch gesenkt.In derselben Woche hat der Deutsche Bundestag ein Ge-setz beschlossen, das die private Vorsorge eindeutig stär-ker fördert. Kurz zuvor – auch das hat als Mahnung nichtgereicht – war mit der Mannheimer Lebensversicherungerstmals auch in Deutschland ein Versicherungskonzernin die Knie gegangen. Die Risiken waren und sind alsobekannt.Und als Letztes: Während die gesetzliche Rentenver-sicherung vor ihrer Absenkung durch die Einführungvon Dämpfungsfaktoren der Lohnentwicklung folgte, er-hSDllwtAc36VsEUdzgWrvrAbdBVKßdavwb–wr
ieser Betrag ist aber während der gesamten Vertrags-aufzeit der Inflation ausgesetzt. Deshalb wird es manchanges Gesicht geben, wenn den Versicherten klar wird,ie viel die versprochene Rente, deren Höhe bei Ver-ragsabschluss noch so vielversprechend klang, bei deruszahlung tatsächlich wert ist. 100 000 Euro entspre-hen bei einer Inflationsrate von 1,5 Prozent nach5 Vertragsjahren real noch nicht einmal mehr0 000 Euro. Das sind die Fakten.Ein Gewinner dieses Systems steht jedoch fest: dieersicherungsunternehmen, denen Sie durch die Privati-ierung der Altersvorsorge mindestens 12 Milliardenuro zusätzlichen Umsatz beschert haben. Damit derenmsatz weiter steigt, übernehmen Sie jetzt auch nochie Kosten für die Werbegeschenke an Jugendliche bisum 21. Lebensjahr, auch wenn Sie das Berufseinstei-erbonus nennen.
eil das Geschäft so toll läuft, sollen nach den Versiche-ungsunternehmen auch die Bausparkassen von der Pri-atisierung profitieren. Sollten Sie in den nächsten Jah-en nicht wieder ihre 60 000 Euro Spenden vomllianzkonzern bekommen, ahne ich, woher das Geldeim nächsten Mal kommen wird.
Den Menschen draußen im Land hilft das nichts. Aberas kümmert Sie ja offensichtlich nicht.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel,
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!orab nur ganz kurz eine Bemerkung zu dem, was derollege von der Linken, Herr Schneider, gerade geäu-ert hat.
Er tut so, als ob der Staat ungeachtet unserer heutigenemografischen Entwicklung in Zukunft für eine Renteufkommen könnte, die die Rentner und Rentnerinnenon staatlicher Seite aus so weit schützt, dass sie nichteniger haben als heute, auch wenn sie nicht privat oderetrieblich vorsorgen. Er sagt nicht, dass wir damitman muss ja über die Legislaturperiode hinaus konkreteiterdenken – bis zum Jahr 2030 in eine Situation ge-ieten, in der die Rentenversicherungsbeiträge der ab-
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Christine Scheelhängig Beschäftigten und der Arbeitgeber 40 Prozentbetrügen.
Das ist genau der Punkt, an dem ich sage: Sie haben keinKonzept, und Sie suggerieren den Leuten, dass man,ohne selbst in der privaten bzw. betrieblichen Vorsorgeaktiv zu werden, einen Schutz im Alter hat. Und das istvöllig falsch.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der GroßenKoalition, nicht alles, was lange währt, wird unbedingtrichtig gut.
Wir haben leider schon oft in der Regierungszeit erlebt,dass der Gedanke, der am Anfang steht, zwar ganz gutist, aber man dann, wenn die Gesetzentwürfe vorgelegtwerden, relativ schnell feststellt, dass es nicht geradeGeniestreiche sind, die Sie hier präsentieren.
Das gilt auch für das Eigenheimrentengesetz. Es ist we-nig verwunderlich: Die SPD wollte eigentlich gar keineÄnderungen, die Union wollte eigentlich einen Ersatzfür die abgeschaffte Eigenheimzulage, und deshalb istwohl auch der Name Eigenheimrente zustande gekom-men.
Da sieht man einmal, wie solche Kompromisse Begriffs-form annehmen.Aber wie ist die Situation? Wir haben heute etwa11 Millionen Menschen, die für eine Riester-Rente spa-ren. Wir wissen, dass es etwa 33 Millionen Menschengibt, die bei uns in Deutschland einen Anspruch haben,einen Riester-Vertrag abschließen zu können. Wir wis-sen, dass die private Altersvorsorge eine tragendeSäule für die Sicherung des Lebensstandards im Alterist. Wir sagen auch, dass eine attraktive, einfache undverständliche Förderung Sinn macht, damit noch mehrBürgerinnen und Bürger die Chance nutzen, ihre späte-ren Altersbezüge aufzubessern. Aber so, wie Sie von derGroßen Koalition es anfangen, wird es nichts werden;denn die Vorschläge sind hochkomplex, sie sind verwal-tungsaufwendig, und sie sind kostenintensiv.So zeigen zum Beispiel die fiktiven Wohnförderkon-ten, die die Anbieter für ihre Exkunden weiterführenmüssen, die Komplexität. Das verkompliziert das ge-samte Förderverfahren enorm. Herr Thiele hat zu Rechtdarauf hingewiesen, dass 21 neue Informationspflichtenkommen. Auch wir haben das schon gemerkt. Wir brau-chen vielfältige gesetzliche Änderungen, worauf Sie hin-gewiesen haben. Herr Dr. Meister hat die Ziele beschrie-brWemcgPft8DewShhwiScuvstLzrkefnvWuMcsghwwGdt
Sie haben die Chance verspielt, den Gesamtförderrah-en flexibler auszugestalten. Erstens müsste die staatli-he Einmischung zurückgenommen werden. Viele Bür-erinnen und Bürger sparen übrigens nicht in Riester-rodukte, weil sie sich gegängelt fühlen. So gibt es dieormale Begrenzung der Produkte, es gibt ein Mindestal-er beim Renteneintritt, es gibt die Zwangsverrentung ab5, und es gibt die formalen Auszahlungsvorschriften.as sind komplizierte Bestimmungen, die manche Leuteinfach nicht wollen. Eine private Altersvorsorge, die,ie bei uns, nicht obligatorisch ist, muss den Sparendenelbstbestimmung einräumen.
Das ist das Prinzip, das wir von den Grünen immerochgehalten haben. Wir haben auch in der Vergangen-eit, als die Gesetze entwickelt worden sind, gesagt, dassir ein Stück mehr Selbstbestimmung wollen und nichtmmer nur das Versicherungsdenken im klassischeninne. Dann kann man nämlich auch eine Lebensversi-herung abschließen, was völlig in Ordnung ist.Zweitens wäre es an der Zeit, dass alle Bürgerinnennd Bürger gefördert werden, und zwar unabhängig da-on, ob sie in der Ausbildung sind, ob sie abhängig be-chäftigt sind oder ob sie selbstständig sind. Nur so bie-et die Förderung genug Flexibilität für individuelleebenskonzepte.Drittens brauchen wir ein einheitliches Dach für dieusätzliche Altersvorsorge; denn sonst drohen die Spa-enden den Überblick zu verlieren. Das ist das Problem.Von all dem steht nichts in dem Gesetzentwurf. Es istaum nachvollziehbar, wie so die Attraktivität der steu-rlich geförderten Altersvorsorge erhöht werden soll. Ichrage mich auch, wie die Große Koalition den Bürgerin-en und Bürgern vermitteln will, dass im Alter Beträgeersteuert werden müssen, die in der selbst genutztenohnung oder im selbst genutzten Haus gebunden sindnd gar nicht fließen. Ich bezweifle, dass sich sehr vieleenschen darauf einlassen werden.Wir kritisieren bestimmte Punkte. Es gibt verbrau-herfeindliche Produkte, gegen die die Verbraucher-chutzverbände übrigens schon heute Sturm laufen. Esibt Verträge, die vorsehen, dass Darlehen zu einemohen Zinssatz aufgenommen und nicht getilgt werden,ährend gleichzeitig zu einem niedrigen Zins angespartird und die jeweilige Bank damit einen entsprechendenewinn auf Kosten der Kunden erwirtschaftet. Ich finde,er Staat sollte die Sparenden nicht noch locken, unat-raktive Produkte zu erwerben.
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Christine ScheelDas muss man auch unter Verbraucherschutzgesichts-punkten so sehen.Aus diesem Grund haben die Grünen das Altersvor-sorgekonto entwickelt. Es ist ein einfacher, verständli-cher Weg. Das Finanzierungskapital für selbst genutztesWohneigentum soll dem Altersvorsorgekonto steuerfreientnommen werden können. Das ist ein sehr pragmati-scher Ansatz. Wir werden diesen Ansatz in die Diskus-sion einbringen.Ich bin auf die Anhörung gespannt, die wir habenwerden. Ich habe aus der Gesellschaft großen Zuspruchfür das von den Grünen vorgeschlagene Altersvorsorge-konto erfahren. Dieses Konto ist wesentlich attraktiverals das, was die Große Koalition hier macht.Danke schön.
Das Wort erhält nun die Kollegin Petra Weis, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Wohn-Riester – ich gestehe freimütig, dass mir dieser Begriffleichter über die Lippen kommt als der der Eigenheim-rente; der Mensch ist ein Gewohnheitstier – ist der Ko-alition nach langen und, wie wir wissen, durchaus kon-troversen Verhandlungen und Diskussionen eine nach-haltige Ausweitung der privaten Altersvorsorge gelun-gen. Diese Aussage gilt auch im Angesicht der vielfachgeäußerten Kritik von interessierter Seite. Ich sage dasmit einem nicht übertriebenen, aber durchaus gesundenSelbstbewusstsein im Hinblick auf das erzielte Ergebnis.Man mag uns sicherlich vorhalten – das ist schon zurSprache gekommen –, dass es viel zu lange gedauert hat,bis dieser Kompromiss auf dem Tisch lag. Frau KolleginScheel, gut Ding braucht manchmal Weile. Ich schätzedie Bedeutung und die Qualität des Kompromisses deut-lich positiver ein, als Sie es tun. Man mag uns vorwer-fen, dass die Regelungen zu kompliziert und zu bürokra-tisch sind. Ich habe manchmal das Gefühl, dass das fastschon ein Totschlagargument ist. Gelegentlich frage ichmich auch: Woher wissen wir eigentlich, ob die Sache inder Praxis funktioniert oder nicht? Man mag uns vorhal-ten, dass der Wohn-Riester kein gleichwertiger Ersatzfür die abgeschaffte Eigenheimzulage ist. Das war aberauch nie die Absicht.Man muss neidlos anerkennen, dass es uns gelungenist, das selbst genutzte Wohneigentum nun als gleichbe-rechtigtes Element der Riester-Rente zu etablieren. Dasunterstützt den Wunsch vieler Menschen, Wohneigen-tum zu erwerben. Der Kollege Meister hat das schonvorhin erwähnt. Wir wissen, Kollege Thiele, dass sienicht alle die FDP wählen – welch ein Glück!„Ein Haus, zwei Bier“ titelte unlängst ein Nachrich-tenmagazin und rechnete mithilfe eines Verbraucher-sZnlRzümmaPeThvdduefwcrswzABgavusuimwdadsjdhwnsGahekg
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Nun erhält der Kollege Eduard Oswald das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Kritik der Opposition an dem Gesetzentwurf der Koali-
tion ändert nichts daran: Das Eigenheimrentengesetz
– das ist der richtige Name, Frau Kollegin Petra Weis –
stellt eine wegweisende wohnungspolitische Weichen-
stellung dar.
Wir nehmen jetzt die Integration des Wohnungseigen-
tums in die staatliche Altersvorsorge vor.
Natürlich ist dieser Entwurf ein Kompromiss aus un-
terschiedlichen Ansätzen,
aber so ist es nun einmal in einer Koalition, besonders
wenn sie groß ist. Das weiß Frau Kollegin Christine
Scheel aus früheren Koalitionen, das weiß Carl-Ludwig
Thiele aus früheren Koalitionen.
Es geht immer um den Versuch, gemeinsam etwas zu ge-
stalten. Wir kamen ja aus ganz unterschiedlichen Rich-
tungen. Aber ich glaube, das Ergebnis kann sich sehen
lassen.
Mit diesem Gesetz wird – das ist der Punkt – die Dis-
kriminierung der Wohnimmobilie im System der staatli-
chen Altersvorsorge beseitigt.
Diese stellt ja die beliebteste Form der privaten Alters-
vorsorge dar. Sie wird nun in dieser Funktion auch staat-
lich anerkannt. Eine aktuelle Umfrage hat jetzt wieder
bestätigt, dass 61 Prozent der Deutschen eine eigene Im-
mobilie für die beste Form der Altersvorsorge halten.
Diesem eindeutigen Votum wird nun Rechnung getra-
gen.
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Im Kern geht es bei dem vorliegenden Entwurf desigenheimrentengesetzes darum, dass Spar- und Til-ungsleistungen für selbst genutztes Wohneigentum dieleiche steuerliche Förderung erhalten sollen wie die be-tehenden Riester-Produkte, also wie Rentenversiche-ungen sowie Bank- und Fondssparpläne, mit deneneldvermögen für zusätzliche Rentenbezüge im Alterebildet wird. Darüber haben wir ja schon einiges ge-ört.
Das geförderte Kapital soll nachgelagert, also mit Be-inn des Ruhestandes, versteuert werden. Klar, dass dienion bei dem Thema einen anderen Ansatz hatte. Ichinde aber, dass mit dem Kompromiss, dass einerseitsie volle Förderung in der Ansparphase und eine nach-elagerte Besteuerung vorgesehen sind sowie anderer-eits Regelungen enthalten sind, die auf die Besonder-eiten der Wohnimmobilie eingehen, eine richtigentscheidung getroffen worden ist.Es ist höchste Zeit, dass der Eigenheimbau wieder inchwung kommt. Dieses Eigenheimrentengesetz kannelebend wirken.
Vor allem wird es einen positiven psychologischenffekt haben. Die Wohneigentumsbildung erhält kräfti-en Rückenwind. Das sollte Mut machen und die Inves-itionsbereitschaft stärken. Die geplante Riester-Förde-ung für Tilgungsbeiträge kann sogar schon kurzfristigum Bau oder Kauf eigener vier Wände animieren. Dasst ein ganz wichtiger Punkt.
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Eduard OswaldIch bin zuversichtlich, dass sich Deutschland mit derneuen Altersvorsorgeförderung für Wohneigentum aufden Weg machen kann. Es wird höchste Zeit – KollegeThiele hat es angedeutet –, dass wir endlich die rote La-terne bei der Wohneigentumsquote in Deutschland abge-ben.
Das, was wir für den Wohnungsbau tun, reicht alleinenicht. Wir müssen weitere Akzente setzen.
Die gegenwärtigen Zahlen zeigen, dass dringenderHandlungsbedarf besteht. Dies können wir an den drasti-schen Genehmigungszahlen für das Jahr 2007 ablesen.Insgesamt gingen sie im Wohnungsbau um 27 Prozentgegenüber 2006 zurück. Damit ist ein historisch niedri-ges Niveau erreicht. Bei Eigenheimen betrug der Ein-bruch sogar 35 Prozent. Das sind 95 000 Einheiten inEin- und Zweifamilienhäusern.
Dies ist im Jahre 2007 nicht einmal die Hälfte dessen ge-wesen, was vier Jahre zuvor genehmigt wurde.
Aus vielen Teilen unseres Landes, nicht nur aus denZentren Bayerns und Baden-Württembergs, sondernauch aus der Rheinschiene in Nordrhein-Westfalen, er-reichen uns die Klagen von Experten und Verbänden.Alle haben einen Tenor: Bezahlbarer Wohnraum wirdbereits knapp. Trotz der demografischen Entwicklungsteigt die Zahl der Haushalte weiter, mindestens nochzehn Jahre. Das heißt, junge Menschen bekommen beider familiengerechten Wohnungsversorgung Probleme.Die Berechnungen liegen ja auf dem Tisch. Für dienächsten Jahre ist immerhin ein jährlicher Neubaubedarfvon knapp 280 000 Wohneinheiten errechnet. Oder mitanderen Worten: Wir bräuchten 50 Prozent mehr Neu-bau, als 2007 genehmigt wurde.Für mich und meine Fraktion ist Wohneigentum einTeil der Gesellschaftspolitik,
weil es Vermögensbildung voraussetzt und das öffentli-che wie persönliche Denken und Handeln in langfristi-gen Zeiträumen fördert. Sparen und investieren, bewah-ren und vererben sind Verhaltensweisen, die Wohlstandermöglichen.
Die Förderung des Wohneigentums liegt daher im Inte-resse des Gemeinwesens. Das ist ein ganz wichtigerPunkt für meine Fraktion.
Mit dieser Form der Wohneigentumsbildung setzenwir unsere traditionell konservative deutsche Baufinan-zierungskultur fort. All diejenigen – es ist ja noch nichtsfDTatWWngedvrjpsbIwlladwuWgnsvhVItste
Ich hoffe, dass es im laufenden Gesetzgebungsverfah-en noch möglich sein wird, eine Ausnahmeregelung fürunge Menschen gerade im Bereich der Wohnungsbau-rämie zu treffen. Denn die Wohnungsbauprämie hatich als sehr wirksame Sparmotivation für junge Leuteewährt und damit als Initialzündung für umfangreichenvestitionen in Wohneigentum gewirkt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, für meine Fraktionar es das grundlegende Ziel, den Erwerb von Immobi-ien zu fördern. Wir wollten ein einfaches und verständ-iches Fördersystem. Vielleicht kann man das eine oderndere noch einfacher machen. Das ist immer eine For-erung.
Im Regelfall machen wir vieles kompliziert; das istohl wahr. Dieser Gesetzentwurf kann aber – das ist fürns das Entscheidende – ein wichtiger Impuls für mehrohneigentum in Deutschland sein.Vielen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kolle-
in Höll.
Sehr geehrter Herr Oswald, ich bedaure, dass Sie miricht die Möglichkeit gegeben haben, eine Frage grund-ätzlicher Art zu stellen. Ich kann mir vorstellen, dassiele Handwerker oder Bauunternehmer dieselbe Frageaben, wenn sie Ihre Rede gehört haben. Sie haben mitehemenz die Ansicht vertreten, dass der Erwerb vonmmobilien das Nonplusultra, die ideale Form der Al-ersvorsorge ist. Darüber möchte ich nicht inhaltlichprechen. Ich möchte Sie nur fragen, warum Ihre Koali-ion dann die Eigenheimzulage abgeschafft hat. Dasrschließt sich mir nicht ganz, vor allem vor dem
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Dr. Barbara HöllHintergrund, dass die Eigenheimzulage als direkte Zah-lung von allen Menschen gleichermaßen in Anspruchgenommen werden konnte und die Höhe der Geldleis-tung vom Einkommen unabhängig war. Das, was Sie inIhrem neuen Gesetzentwurf vorschlagen, führt hingegendazu, dass Menschen mit einem höheren Einkommeneine höhere Steuerersparnis haben, also eine höhere Sub-vention erhalten und wesentlich stärker als Menschenmit mittlerem Einkommen gefördert werden, die dieseMöglichkeit nutzen wollen. Vor dem Hintergrund, dassdie Eigenheimzulage abgeschafft wurde, frage ich: Wa-rum soll diese Förderung jetzt so toll sein? Das er-schließt sich mir wirklich nicht.
Zur Erwiderung Herr Kollege Oswald.
Frau Kollegin Dr. Höll, es ist schade, dass Sie den
Gesamtzusammenhang meiner Rede nicht aufgenom-
men haben. Der Gesamtzusammenhang war: Wir wollen
die Menschen, die den Wunsch nach einer Immobilie ha-
ben, unterstützen, und das ist Teil eines ganzen Paketes
von Maßnahmen – Riester-Rente, Rürup-Rente –, mit
dem wir die Menschen fördern. Für jeden Einzelnen ist
etwas dabei. Jetzt schließen wir eine Lücke – das ist eine
richtige Maßnahme – und verhelfen den Menschen zu
mehr Wohneigentum.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Jörg Vogelsänger, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen
und Herren! Im Jahr 2001 haben Bundestag und Bundes-
rat dem Altersvermögensgesetz zugestimmt. Eine breite
gesellschaftliche Mehrheit in Deutschland erkennt zu-
nehmend die Notwendigkeit der privaten Altersvor-
sorge; Eigentumsbildung gehört selbstverständlich dazu.
Hier sind die Anstrengungen zu verstärken, und das tut
die Große Koalition. Die Linkspartei schürt Ängste; das
nutzt den Menschen in Deutschland überhaupt nichts.
Im Sommer 2006 hat die SPD-Fraktion ein Wohn-
Riester-Modell entwickelt. Nun liegt ein Gesetzentwurf
der Koalition vor. Es ist ein besonders bedeutendes Ge-
setzesvorhaben, das – so ist es nun einmal bei der Eigen-
tumsbildung – weit über diese Legislaturperiode hinaus
wirken wird. Wir gehen dabei neue Wege. Das Eigen-
heimrentengesetz wird ein weiterer wichtiger Baustein
der Altersvorsorge sein: Die Riester-Rente soll auf selbst
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as ist ein mutiger Schritt. Mit dem neuen Gesetz zeigen
ir neue Wege auf. Wir zwingen niemanden; aber wir
ollten den Menschen Mut machen, denn Wohneigentum
tellt eine gute Altersvorsorge dar.
Mehr noch: Auch der Erwerb von Genossenschafts-
nteilen wird förderfähig. Das ist ein weiterer wichtiger
nd richtiger Schritt, der keineswegs selbstverständlich
st. Man hätte das auch anders regeln können. Ich denke,
ir gehen auch hier einen richtigen Weg.
Häufig geben Genossenschaften gerade Kleinverdie-
ern die Möglichkeit, für das Alter vorzusorgen. So bie-
en sie Haushalten mit geringen Einkommen hohe
ohnqualität und solidarisches Eigentum. 2,2 Millionen
enossenschaftswohnungen sichern immerhin deutlich
ehr als 5 Millionen Menschen Wohnraum. Wohnungs-
enossenschaften stehen für Wohnsicherheit im solida-
ischen Eigentum ohne belastende Kapitalbindung.
Das Gemeinschaftseigentum schließt nutzungsfremde
apitalinteressen aus. Sie sind ein Wohnmodell zwi-
chen Miete und Eigentum, das substanzerhaltend an die
ächste Generation weitergegeben werden kann. Schon
etzt bieten Genossenschaften ihren Mitgliedern spe-
ielle genossenschaftliche Altersvorsorgeprodukte wie
en zusätzlichen Erwerb von Geschäftsanteilen an. Mit
em Eigenheimrentengesetz können wir das noch weiter
ördern. Gerade junge Menschen erhalten durch das Ge-
etz die Möglichkeit, während der Erwerbstätigkeit da-
ür zu sorgen, dass sie auch im Alter zu angemessenen
osten wohnen können. Das wird auch durch genossen-
chaftliche Wohnungen ermöglicht.
Deshalb ist es richtig und wichtig, dass das Eigen-
eimrentengesetz beschlossen wird. Damit wird auch
as genossenschaftliche Eigentum gestärkt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-urfes auf der Drucksache 16/8869 an die in der Tages-rdnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt
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Präsident Dr. Norbert Lammertes dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht derFall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 27 a bis 27 c:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten JürgenKoppelin, Frank Schäffler, Martin Zeil, weitererAbgeordneter und der Fraktion der FDPKeine Sozialisierung von Spekulationsverlus-ten – Voraussetzungen für eine grundlegendeReform des öffentlich-rechtlichen Finanzsek-tors schaffen– Drucksache 16/8771 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologieb) Beratung des Antrags der Abgeordneten FrankSchäffler, Martin Zeil, Dr. Hermann Otto Solms,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPReaktion auf die Krise der staatlichen Banken– Drucksache 16/6998 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologiec) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Herbert Schui, Dr. Barbara Höll, Ulla Lötzer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKESozialisierung der Verluste verhindern – Siche-rungsfonds für privaten Finanzsektor schaffen– Drucksache 16/8888 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdiese Aussprache 90 Minuten vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächstder Kollege Martin Zeil für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! „Banken sind gefährlicher als stehende Ar-meen“, wie Thomas Jefferson einmal sagte. Große Teileder Finanzwirtschaft haben die Welt in den vergangenenMonaten das Fürchten gelehrt. Auf der Jagd nach maxi-malen Renditen wurden bei hochriskanten GeschäftenMilliarden verzockt.
Der Internationale Währungsfonds geht davon aus,dass weltweit ein Schaden von mindestens 1 BillionDollar entstehen wird. Diese kaum vorstellbare Summeoffenbart nicht nur eine verantwortungslose Spielkasino-mentalität; erschreckend ist vor allem, dass interne undemdUaltfDaDlHeKgDwtlEDansseddniHuKgkmssgG
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Martin ZeilHier stellt sich auch die Frage der Verantwortlichkeitund der Überwachung. Die Zusammensetzung der Auf-sichtsgremien staatlicher Banken beruht natürlich aufihrem öffentlichen Auftrag. Im Fall der BayerischenLandesbank drückt sich das dadurch aus, dass im zehn-köpfigen Verwaltungsrat fünf Vertreter der Regierung,ein Landrat und ein Oberbürgermeister sitzen. Man trittden Herrschaften sicher nicht zu nahe, wenn man davonausgeht, dass sie bei der Einschätzung von Risiken einerinternational tätigen Geschäftsbank völlig überfordertwaren. Wie das Beispiel IKB zeigt, ist nicht einmal all-gemeiner wirtschaftlicher Sachverstand eine Garantiefür qualifizierte Kontrolle.Der Verwaltungsrat der Landesbank beschließt dieRichtlinien für die Geschäftspolitik und überwacht denVorstand. Nach den Erfahrungen der letzten Monate gibtes in einem solchen Fall nur zwei Möglichkeiten: Entwe-der hat der Verwaltungsrat eine Geschäftspolitik gebil-ligt, die von den gesetzlichen Bestimmungen nicht ge-deckt war, oder die Geschäftspolitik wurde an ihmvorbei gemacht; dann hat er bei der Überwachung ver-sagt.
Das Ergebnis – wieder am Beispiel Bayern – ist: Risi-kopapiere in Höhe von 24 Milliarden Euro. Die Zahlmuss man sich auf der Zunge zergehen lassen:24 Milliarden Euro! Jetzt wird allein dort eine Garantievon 6 Milliarden Euro erforderlich. Steuerzahler undSparkassen sollen für Missmanagement und mangelndeÜberwachung in Haftung genommen werden, ohne dasssie sich dagegen wehren können.
Darum geht es in unserem Antrag: Diese Sozialisie-rung von Spekulationsverlusten muss verhindert wer-den.
Sie führt dazu, dass der Staat Leistungen nicht mehr er-bringen kann, und sie engt den Spielraum für notwen-dige Investitionen ein. Kurzum: Die Sozialisierung vonSpekulationsverlusten ist unsozial.
Ich will es noch einmal verdeutlichen: Auf jeden ein-zelnen Bürger kommt ein verbrannter 100-Euro-Schein.Was hätte man mit diesen Milliarden machen können!Mit nur 1 Milliarde Euro könnte der Staat zum Beispieleine Kindergelderhöhung von 5 Euro im Monat finanzie-ren. Mit 1 Milliarde Euro könnte vielerorts der drin-gendste Bedarf an zusätzlichem Personal für unsereSchulen gedeckt werden.„Bankraub ist eine Unternehmung von Dilettanten.Wahre Profis gründen eine Bank“, hat der DichterBertolt Brecht einmal gesagt.
Für den Bürger ist dieses Zitat durch die fahrlässige Aus-weitung der Geschäfte öffentlicher Banken und wegendPCKuFgndldEvmEFRgsuagsDSPFBnsküswaddi
ann ich zur Strukturfrage nur sagen: Ich bin davonberzeugt, dass sich die breit aufgestellte Bankenland-chaft in Deutschland gerade in Krisenzeiten bewährt,
eil sie Risiken besser verteilt und Probleme so besserbfedern kann. Vorgänge in europäischen Nachbarlän-ern haben gezeigt, wie wichtig es ist, eine solche Abfe-erung zu haben, sodass es nicht zu Panik kommt, wie esn England teilweise der Fall war.
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Leo Dautzenberg
Gleiches gilt für die Struktur der deutschen Banken-aufsicht. In den letzten Wochen hat sich gezeigt, wiewertvoll die Zusammenarbeit von Deutscher Bundes-bank und BaFin auch in diesem Bereich war. Grundsätz-liche Debatten über das deutsche Bankensystem undseine Aufsicht scheinen mir als Reaktion auf die Finanz-marktkrise unangebracht zu sein.
Wichtiger ist es, konkrete Probleme anzugehen. Wennwir das tun wollen, führt auf nationaler Ebene kein Wegdaran vorbei, auch über die Situation der Landesbankenzu sprechen; darin gebe ich der FDP recht. Es ist ebensorichtig, dass wir darüber auch im Deutschen Bundestagdiskutieren; denn es geht dabei um den FinanzstandortDeutschland insgesamt.
Ich gebe aber zu bedenken: Sämtliche Maßnahmen,die wir uns für die Landesbanken vorstellen könnten, lie-gen nicht in der Entscheidungskompetenz des Bundes-tages und nicht in der Entscheidungskompetenz desBundes.
In der Pflicht stehen allein die Eigentümer der Landes-banken, das heißt die Länder und die Sparkassenver-bände.
Verehrter Kollege Zeil, alles das, was Sie hier gefor-dert haben, hätten Sie zumindest in Niedersachsen,Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, wo Sieals FDP an der Regierung beteiligt sind und damit auchMiteigentümerrechte an diesen Banken wahrnehmenkönnen, schon umsetzen können.
Die von Ihnen gefürchtete – ich zitiere – „interventionis-tische Industriepolitik zur Konsolidierung von Landes-banken“ können Sie dort selber verhindern. Sie habender Risikoabschirmung der West-LB mit 5 MilliardenEuro aber zugestimmt;
sonst hätte das von der Regierung gar nicht auf den Weggebracht werden können. Also: Setzen Sie es da um, woes angebracht ist, statt hier Wolkenkuckucksheime auf-zubauen; denn hier können wir im Endeffekt nichts da-ran ändern!
Vor allen Dingen ist festzustellen, dass Sie damit schonden Wahlkampf in Bayern eröffnet haben.
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Wir müssen aber auch darauf achten, dass diese Maß-nahmen von angloamerikanischer Seite nachhaltig unter-stützt werden. Die Zustimmung von dieser Seite darfnicht nur aufgrund der aktuellen Ereignisse erfolgen. Esmuss vielmehr eine nachhaltige Einbeziehung in diesenProzess stattfinden.Es ist wichtig, dass die G-7-Staaten alle Finanzinsti-tute aufgefordert haben, sehr zeitnah sämtliche Risiko-positionen offenzulegen. Nur so lässt sich die notwen-dige Klarheit über das Ausmaß der Krise erzielen.Ebenso wichtig ist auch, dass die Finanzminister der G 7eindeutig aufgezeigt haben, in welchen Bereichen mit-telfristig Lehren aus der Krise zu ziehen sind. Dazu ge-hören ohne Zweifel der Ratingprozess, die Zusammenar-beit der Aufsichtsbehörden ebenso wie das Kapital-,Liquiditäts- und Risikomanagement der Kreditinstitute.Auch bei manchen Bankprodukten und Bankgeschäftenist im Hinblick auf die Eigenkapitalunterlegung neu dieFrage zu stellen, ob da nicht mehr erforderlich ist.Es werden jetzt auch Stimmen laut, von der Bewer-tung im Rahmen von IFRS abzugehen. Es wäre falsch,jetzt in der Krise zu wechseln; denn das würde nicht zumehr Vertrauen, sondern zu mehr Misstrauen führen.Man kann feststellen, dass wir mit dem, was vonsei-ten der Politik unternommen worden ist, auf gutemWtfzLated„idmdDIlDvndmktSlwddAdwssWdlw–
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Keine So-ialisierung der Spekulationsverluste der IKB und derandesbanken – das fordert die FDP. Nun müssen wirber eines wissen: Der allergrößte Teil dieser Spekula-ionsverluste ist bereits sozialisiert. Er ist über das Steu-raufkommen, respektive über die Kreditanstalt für Wie-eraufbau, finanziert worden. Jetzt „zeitnah“ undunverzüglich“ zu verkaufen, wie Sie fordern, bedeutet,m allerschlechtesten Augenblick zu verkaufen, nämlichann, wenn die Preise für Banken gering sind. Das kannan fordern, wenn man das Interesse von Käufern, voneutschen Großbanken, im Auge hat.
ann bekommt das Hand und Fuß. Aber wenn man dasnteresse des Verkäufers beachtet, dann wäre „unverzüg-ich“ und „zeitnah“ genau der falsche Punkt.
ie Sanierungskosten sollten, wenn man denn schonerkauft – im Falle der Landesbanken bin ich sicherlichicht dafür –, möglichst hereinkommen.Ein weiterer Punkt. Insgesamt hat die Debatte überiese Bankenkrise einige kuriose Züge. Halten wir ein-al fest: Die privaten Banken haben sich ebenso verspe-uliert wie die Landesbanken. Bei den privaten Bankenrägt der Aktionär, der Eigentümer, die Kosten – und derteuerzahler deswegen, weil wegen der Spekulationsver-uste weniger Gewinn angefallen ist und infolgedesseneniger Steuern gezahlt werden.Halten wir weiter fest: Die falsche Geschäftsführunger Landesbanken ist nicht allein die Ursache der Kriseieser Banken. Ein anderer wesentlicher Grund ist diebschaffung der staatlichen Gewährträgerhaftung fürie öffentlichen Institute. Das ist von der EU so gemachtorden. Die Bundesregierung hat sich dem nicht wider-etzt; allenfalls hat sie so getan, als ob sie sich wider-etzte.
eil die staatliche Haftung nun fehlt, müssen die Lan-esbanken bei ihrer Refinanzierung höhere Zinsen zah-en. Das vermindert den möglichen Gewinn. Wenn sieenig Gewinn haben, dann können sie Verluste auswenngleich kritisierenswerten – Geschäften nicht so
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Dr. Herbert Schuileicht wegstecken, wie das bei den großen deutschen Ge-schäftsbanken der Fall ist. Das ist einfach der Dreh.Kurios ist auch, wenn die FDP die Privatisierung dernun mit viel Geld und Mühe sanierten öffentlichen Insti-tute verlangt, während man an anderer Stelle – beispiels-weise Sarrazin, Finanzsenator in Berlin – die Verstaatli-chung gefährdeter privater Institute fordert.
Alles zusammen heißt das dann: sanierte Landesbankenprivatisieren und gefährdete private Institute verstaatli-chen.
– Das weiß ich.
– Auch das weiß ich.Überhaupt Ackermann: Der zweifelt an den Selbst-heilungskräften, und das Kabinett hat das natürlich alsordnungspolitische Irrfahrt kritisiert. Nun setzt er nocheinen drauf und spricht sich gegen die Verbriefung vonKrediten aus. Das ist absolute Ketzerei gegenüber ei-nem Bankendogma; denn bis dahin war ein Ketzer, wergesagt hat, dass die Verbriefung und der Weiterverkaufvon Krediten nicht einfach eine Risikostreuung und da-mit eine Risikominimierung für den einzelnen Marktteil-nehmer darstellen, sondern eine beschleunigte Verbrei-tung des Risikos. Das sagte Ackermann jetzt auch, undBerufserfahrung darf man ihm, glaube ich, nicht abspre-chen.
Also, statt Ordnungspolitik und Anrufung heiliger Na-men im Krisenfall: Lieber Ordnung im Finanzsektor, da-mit er stabil bleiben kann. Dazu gehört eine bessere Re-gulierung.
Es gibt noch etwas Kurioses: Im Dezember schlugMinister Steinbrück im Verwaltungsrat der KfW die Ein-richtung eines Prüfungsausschusses mit Fachleuten ausdem Finanzdienstleistungssektor vor, die sich – Zitat –auch in den Niederungen der Bilanz sehr genau bewegenkönnen.
Was bedeutet das zum Beispiel für den Vizevorsitzen-den des Aufsichtsrates der IKB, Detlef Leinberger, dergleichzeitig Mitglied des Vorstandes der KfW ist? Kennter sich mit Bilanzen nicht so genau aus? Ähnliches giltfür die Nachfolge von Frau Matthäus-Maier. HerrSteinbrück, Sie sagen, da brauchen wir den Sachverstandvon Profis. Profis haben nach Schätzungen des Interna-tionalen Währungsfonds weltweit aber 1 000 MilliardenDollar Verluste gemacht.
–nKdswsMwdgFfh–rz––naavAgpeedgGdnBbfDP
Das ordnungspolitische Kartell hat offenbar keinonzept. Was will die FDP denn unternehmen, wennen privaten Banken ein Serienbankrott droht? Privati-ieren geht nicht, die sind nämlich schon privat. Wasollen Sie denn dann machen?Herr Dautzenberg, so sehr ich Ihnen im Grundsatz zu-timme:
it dem Antrag verbreiten wir keine Panik; das wollenir auch gar nicht. Das Einzige, was wir wollen, ist, dasser Staat Vorkehrungen trifft, damit wir für eine Kriseerüstet sind. Das verhindert Panik.
Um für eine Krise gerüstet zu sein, muss der privateinanzsektor aus eigenen Mitteln einen Sicherungs-onds gründen, der über den Einlagensicherungsfondsinausgeht.
Man muss einen Schritt weiter gehen. Dieser Fondseicht nicht aus, weil er nur für private Anleger und bisu einer bestimmten Höhe greift.
Das ist schon ganz gut.
Na gut. – Missverstehen Sie mich nicht: Ich habeichts gegen den Einlagensicherungsfonds. Ich glaubeber, dass das Volumen bei großen Gefährdungen nichtusreicht.Die Bundesregierung muss die Bildung dieses Fondseranlassen. Dieser Fonds übernimmt nicht werthaltigektiva der gefährdeten Institute und gibt ihnen im Ge-enzug Liquidität, soweit sie sie brauchen, oder Wert-apiere, die der Fonds herausgegeben hat, und das mitinem angemessenen Abschlag. Wenn die Institute nachiner gewissen Zeit wieder Gewinne erwirtschaften,ann kaufen sie ihre Aktiva wieder zurück. Im Grundeenommen ist das ein Pensionsgeschäft mit allfälligerarantie des Staates.Die ganze Sache hat Sinn; denn, so Bundesbankpräsi-ent Weber, bei der Lösung der Schwierigkeiten sind zu-ächst die Banken gefordert. Das finde ich auch. Dieanken sind übrigens zu gemeinschaftlichem Handelnereit. Ich erinnere daran, dass der Einlagensicherungs-onds die Düsseldorfer Hypothekenbank gekauft hat.as war eine sehr vernünftige Geschichte, weil derfandbriefmarkt so in Lot und Waage blieb.
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16676 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Dr. Herbert SchuiEin letzter Punkt, den ich ansprechen möchte, ist deröffentliche Bankensektor. Halten wir einmal fest: HerrBeckstein hat gestern hier gesagt, dass die kommunaleWasserversorgung von Brüssel nicht in Gefahr gebrachtwerden dürfe. Ähnlich müssen wir die Sache mit derVersorgung mit Finanzdienstleistungen beurteilen;
denn wenn der private Sektor Finanzkrisen auslöst – dieverbrieften Hypothekenkredite stammen ja aus dem pri-vaten Sektor – und Weltmeister im Versenken von Mil-liarden ist, dann ist ein stabiler öffentlicher Bankensek-tor, auf den stets Verlass ist, notwendig. Das ist wichtig.
Herr Kollege Schui, Sie müssten jetzt doch zum Ende
kommen.
Deswegen muss die Gewährsträgerhaftung wieder
her. Dafür sollte sich die Bundesregierung einsetzen. Ich
bin sicher, dass sie dafür in Brüssel nicht allein kämpfen
würde.
Vielen Dank.
Jörg-Otto Spiller ist der nächste Redner für die SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Schui, es ist erfrischend, zu hören,
dass Ihre Fraktion vorschlägt, den unvermeidlichen Zu-sammenbruch des Kapitalismus, der schon eine Weileauf sich warten lässt,
durch einen Sicherungsfonds aufzufangen.
Das ist eine Bereicherung der politischen Debatte.
Den Kollegen von der FDP möchte ich sagen: Ichwünschte mir, Herr Kollege Zeil, die FDP hätte mit ihrerAnalyse recht, dass es sich bei der gegenwärtigen inter-nationalen Krise der Banken um eine Krise der öffent-lich-rechtlichen Banken handelte;dDdSrbwn–bsBbouDtdrSddESrktRtBErG
enn das würde vieles wesentlich leichter machen.
ann hätten Sie – der Kollege Dautzenberg hat schonarauf hingewiesen – ein richtig gutes Betätigungsfeld.ie könnten nämlich in der Düsseldorfer Landesregie-ung für saubere Verhältnisse sorgen.
Wahrscheinlich wäre es sogar relativ leicht, die Pro-leme einiger Landesbanken – wenn das wirklich allesäre – zu lösen. Das Schlimme aber ist: Es handelt sichicht um eine Krise der öffentlich-rechtlichen Bankendie Sparkassen beispielsweise sind so gut wie gar nichtetroffen –,
ondern es handelt sich um eine weltweite Krise derankenwelt insgesamt.
In Europa sind die Schweizer Banken am stärkstenetroffen,
bwohl sie weit entfernt sind von staatlichem Dirigismusnd von Staatskapitalismus.
ie Bank, die auf dem europäischen Kontinent die größ-en Wertberichtigungen angekündigt hat, ist die UBS,ie größte Schweizer Bank. Inzwischen beziffert sie ih-en Wertberichtigungsbedarf auf rund 40 Milliardenchweizer Franken; das sind Pi mal Daumen 25 Milliar-en Euro. Die UBS hat vor kurzem den Bericht, den sieer Schweizer Bankenaufsicht vorgelegt hat, publiziert.r umfasst 50 Seiten, ist sehr detailliert und kritisch.ein Ergebnis ist, wie ich glaube, für sehr viele Bankenepräsentativ.Wie konnte es bei der UBS zu dieser Katastropheommen? Die Gründe liegen erstens in einer mangelhaf-en Risikoerfassung und zweitens in einem mangelhaftenisikomanagement, einer Bevorzugung hochkomplizier-er Anlageprodukte, die selbst die Geschäftsleitung derank nicht verstanden hat.
in weiterer Grund sind unklare Verantwortungsstruktu-en. Ich sage es einmal so: Für das Risiko ist immer dieeschäftsleitung verantwortlich.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16677
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Jörg-Otto Spiller
Diese Verantwortung kann man nicht an irgendwelcheAbteilungen oder an Ratingagenturen delegieren.
Vertreter von Ratingagenturen haben wir übrigens imFinanzausschuss angehört. Wir haben sie befragt, wie siedie jetzige Situation und ihre eigene Rolle darin ein-schätzen. Die Antwort war ebenso unbedarft wie kess.Im Kern sagten sie, sie könnten nichts dafür, dass dieBankvorstände
die Ratingnoten falsch bewertet haben; diese dürfe manschließlich nicht so ernst nehmen.
Diese Krise ist vor allem durch unklare Verantwor-tungsstrukturen und mangelhaftes Risikomanagementverursacht worden. Es stellt sich die Frage: Wie gehtman damit um? Ich glaube, am Anfang dieser Analysedarf nicht nur die Frage stehen: Warum haben US-ameri-kanische Banken zu großzügig Hypothekenkredite ge-währt? Vielmehr muss man sich auch fragen: Warum ha-ben europäische Banken amerikanischen Bankenunüberschaubare Produkte und Forderungen abgekauft,und das zu einem Preis, den sie nicht richtig bewertenkonnten? Hier muss man ansetzen.
– Auch die IKB hat das gemacht. Das war ein Fehler.
– Sie hat so gehandelt wie viele andere Banken auch.Die staatliche Bank KfW war die Bank, die die Kriseder IKB aufgefangen hat.
Ohne das Engagement der KfW hätten wir größere Pro-bleme.
Im Aufsichtsrat der IKB – das will ich auch sagen – sa-ßen nicht nur Mitglieder der KfW-Geschäftsführung,dort saßen hochangesehene Persönlichkeiten der deut-schen Wirtschaft. Die IKB kann nicht mit den Landes-banken in einen Topf geworfen werden: Sie ist eine pri-vate Bank, und sie spiegelt wider, dass die strukturellenProbleme mit den Produkten und mit der mangelhaftenSteuerung zu tun haben.Die Deutsche Bundesbank gibt seit ein paar Jahren ei-nen Bericht zur Stabilität des deutschen FinanzsystemshDsShBsFBdhEkmgoPkmgmbfnNUnsiGsghStABf
Der Kollege Dr. Gerhard Schick ist der nächste Red-er für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ns liegen Anträge der FDP und der Linken vor, mit de-en in der internationalen Finanzmarktkrise der Blicktärker auf Deutschland gelenkt werden soll. Dafür binch dankbar. Wir haben ja schon auf der Grundlage einesrünen-Antrags im Finanzausschuss darüber diskutiert.Eines zieht sich wie ein roter Faden durch die Diskus-ionen: Die Regierung spricht groß über die Verhandlun-en auf internationaler Ebene: Wir hören von G 7, wirören von OECD, wir hören vom FSF, dem Financialtability Forum, wir hören von allem Möglichen, was in-ernational passiert. Fragen wir aber im Plenum oder imusschuss nach, was eigentlich im Geschäftsbereich desundesministers der Finanzen passiert, werden die Aus-ührungen ausgesprochen schmallippig.
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Dr. Gerhard SchickWir müssen endlich darüber reden, was in Deutsch-land schiefgelaufen ist; nur wenn wir das wissen, kön-nen wir sagen, was in Deutschland zu tun ist. Von denRednern der Großen Koalition habe ich bisher wenigdazu gehört; aber vielleicht kommt da noch etwas. HerrDautzenberg, Sie haben gesagt: Es gibt Sachen, die aufLandesebene zu tun sind. Dazu will ich sagen: Es gibtaber auch Sachen, die auf Bundesebene zu tun sind.
Im Vorgriff auf die weiteren Reden möchte ich ganzklar sagen: Herr Steinbrück, für uns sind Sie nicht nurder Finanzaußenminister, der auf der internationalenEbene groß verhandelt, Sie sind auch der Finanzinnen-minister, der sich um die Deutschland betreffenden Fra-gen kümmern muss. Wir erwarten, dass wir darüberheute etwas von Ihnen hören.
Herr Spiller, ich fand es interessant, dass Sie den FallUBS angesprochen haben, bei dem es eine kritische unddetaillierte Analyse gab, wie Sie das ja auch geschilderthaben. Ich finde den Fall sehr bemerkenswert, weil dieEidgenössische Bankenkommission, das Pendant zu un-serer Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht,die Schweizer Großbank auffordert, einen wirklich de-taillierten Bericht darüber vorzulegen, was schiefgelau-fen ist, und Teile daraus zu veröffentlichen.Warum geht das in Deutschland nicht? Das könnte jaaus der Regierung heraus an die BaFin herangetragenwerden. Die Aufsicht über die BaFin liegt ja beim Hausedes Bundesfinanzministers. Warum fordern Sie dieBaFin denn nicht auf, eine klare Analyse der Problemeder deutschen Großbanken abzugeben und zu sagen, wasbei ihnen schiefgelaufen ist, damit wir für die Zukunftdie entsprechenden Rückschlüsse ziehen können? Daskönnte man in Deutschland einmal tun. Bisher: Fehlan-zeige.
Ich will hier noch einen Schritt weiter gehen. Die Eid-genössische Bankenkommission fordert die UBS auf, ih-ren Aktionären zu sagen, warum dort Geld verbratenworden ist. Wir wissen, dass die Krise auch in Deutsch-land das Geld der Steuerzahler kosten wird. Wir wissenaber noch nicht, wie viel. Noch ist nichts kassenwirksamgeworden. Es geht dabei um Bürgschaften usw.Ich glaube, eine Sache sollte sich der Deutsche Bun-destag einmal überlegen: Ist nicht etwas, was für die Ak-tionäre einer börsennotierten Großbank recht ist, für dieBürger in einem demokratischen Staat mehr als billig?Es geht darum, dass angesichts der Lasten in Milliarden-höhe, die auf den Fiskus zukommen, wirklich einmal of-fengelegt wird, was in unseren Systemen schiefgelaufenist.Wir wissen nicht, wie hoch die Lasten sind, aber ge-nau das, was die Aktionäre der Schweizer UBS erhaltenddiWGKDgnEdgkrrsglwpVekkdaaskdPwBASsssghadE
Ich spreche damit ganz gezielt auch die Regierungs-oalition an. Eine unserer Aufgaben als Parlamenta-ierinnen und Parlamentarier ist es – auch aus der Regie-ungskoalition heraus –, nicht nur den großen Mantelchützend um das Finanzministerium zu legen. Sie tra-en die Verantwortung dafür, dass in Deutschland end-ich einmal die Wahrheit darüber auf den Tisch kommt,as schiefgelaufen ist. Damit spreche ich Sie auch ganzersönlich an.
Vertreter der BaFin und der Bundesbank saßen imerwaltungsrat der Sachsen LB mit am Tisch. Das heißt,s reicht nicht aus, im Ausschuss zu sagen, die BaFinönne ja nicht das Geschäftsmodell der Sachsen LBontrollieren, wie Herr Steinbrück und andere Mitglie-er der Regierungskoalition das getan haben. Es gibt jauch noch andere Möglichkeiten, Erfahrungen, die manufgrund der Kontrolle gewonnen hat, einfließen zu las-en, sodass im Verwaltungsrat die entsprechenden Dis-ussionen geführt werden. Ich habe noch keine Antwortarauf gefunden – nicht im Ausschuss und nicht hier imlenum –, warum diese Möglichkeiten nicht genutztorden sind.
Nächster Punkt. Wir wissen inzwischen – das hat dasundesfinanzministerium in einer sehr knapp gehaltenenntwort auf meine Fragen hin zugestanden –, dass inpanien die entsprechenden außerbilanziellen Zweckge-ellschaften von der Finanzaufsicht untersagt wordenind. In Deutschland war das nicht der Fall. Man könnteich fragen, was die Spanier besser gewusst und schlaueremacht haben als wir in Deutschland. Auf diese Frageabe ich bis heute keine Antwort gefunden. Ich erwarteber eine Antwort auf diese Frage.
Der Vorstand der UBS wird von der Finanzaufsicht iner Schweiz gezwungen, zuzugeben, was geschehen ist:s gab intern Warner, also Leute, die darauf hingewiesen
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Dr. Gerhard Schickhaben, dass Risiken bestanden. Wir haben aber nicht aufsie gehört. – Genau so ist es wahrscheinlich auch in derdeutschen Finanzaufsicht – wahrscheinlich auch imBundesfinanzministerium – gewesen.Da wir bei der Bankenaufsicht sind: Wir müssen unsdie Frage stellen – das ist unsere Aufgabe –, warum dieBaFin jeden Kleinunternehmerkredit, den eine Genos-senschaftsbank oder Sparkasse vor Ort gewährt, endétail, bis hin zur Unterschrift und zum Datum auf derletzten Seite des Formulars – dieser Kleckerleskram be-deutet eine riesige bürokratische Belastung –, prüft,während bei den großen Risiken versagt wird. Ichglaube, eine grundlegende Veränderung der Aufsichts-kultur ist notwendig. Dazu haben wir bislang nichts ge-hört, weder von der Regierungskoalition noch vom Fi-nanzminister. Ich fordere Sie auf, darauf Antworten zugeben.
Wir werden diese Liste in der Öffentlichkeit und im Aus-schuss fortsetzen. So ist zu fragen, ob die Reduzierungdes Personalbestandes im Bereich des Bundesministeri-ums der Finanzen in den letzten Jahren zu korrigierenist. Es ist keine Katastrophe, Fehler einzuräumen. Es istdoch notwendig, zu sehen, wo es Fehlentwicklungengibt, damit wir reagieren können.Ich will nun auf die konkreten Punkte eingehen, diedie FDP im Zusammenhang mit den Landesbanken an-gesprochen hat. Ich teile die Kritik von HerrnDautzenberg und Herrn Spiller an der starken Betonungder Probleme im öffentlich-rechtlichen Bankensektor.Gerade bei der IKB hat die Verquickung von öffentli-chem und privatem Bereich dafür gesorgt, dass wederdie einen noch die anderen Kontrollmechanismen funk-tioniert haben. Man muss in der Analyse sauber sein.Wir brauchen aber auf jeden Fall eine Strukturverände-rung bei den Landesbanken, um die Zukunft des öffent-lich-rechtlichen Bankensektors zu sichern. Wir Grünemachen das Spiel nicht mit und schließen uns den altenForderungen, die nun in der Krise aus der Schublade ge-holt werden, nach weiteren Verstaatlichungen und mehrEinfluss des Staates oder den lauten Rufen nach mehrPrivatisierung nicht an. Wir wollen einen zukunftsfähi-gen öffentlich-rechtlichen Bankensektor. Das bedeutet,tiefgreifende Reformen voranzutreiben.
Man muss ehrlich sein und zugeben: Die Landes-regierungen waren in der Vergangenheit lausige Bank-eigentümer. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, dassdie Landesregierungen im öffentlich-rechtlichen Ban-kensektor nichts zu suchen haben. Sie haben ihre Auf-gabe schlecht erfüllt. Meine Damen und Herren von derUnion, vor allem Sie müssen die Konsequenzen ziehen.Herr Dautzenberg, Sie haben zwar ganz vernünftige Vor-schläge gemacht. Aber schauen Sie sich die Liste derVerfehlungen an, die belegen, dass die Union zum Sarg-nagel des öffentlich-rechtlichen Bankensektors gewor-den ist. Landowsky und Co. haben das Bundesland Ber-lin auf Jahre hinaus mit Milliarden belastet. Aber Siehaben keine Konsequenzen daraus gezogen.WWPtwpvrAqIbWchdbstCllihsed„d„üvswgdMsd
enn man das Brecht-Zitat von Herrn Zeil ernst nimmt:as bedeutet das für die CDU in Sachsen, die in ihremrovinzmief sozusagen eine Staatsbankphilosophie ver-reten hat und einen Finanzplatz vor Ort fördern musste,as aberwitzig war? Das Gleiche gilt für den Finanz-latz Düsseldorf. Reden Sie in New York doch einmalom Finanzplatz Düsseldorf! Hier handelt es sich umeine Provinzpolitik, um die eigenen Pfründe zu sichern.ber Sie von der Union haben bis heute keine Konse-uenzen daraus gezogen.
n Nordrhein-Westfalen hat Herr Rüttgers die Reformei der West-LB zum richtigen Zeitpunkt verhindert.eiter im Süden, in Bayern, gibt es nun einen Untersu-hungsausschuss zur Bayern-LB. Angesichts all dessenat sich die Wirtschaftskompetenz der Union im Bereicher Landesbanken deutlich überholt. Ich glaube, Sie ha-en großen Bedarf, sich neu zu positionieren. Wir müs-en uns in Zukunft im öffentlich-rechtlichen Bankensek-or gut aufstellen und den Provinzmief hinter uns lassen.Danke schön.
Bartholomäus Kalb ist der nächste Redner für die
DU/CSU.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-egen! Mit dem Antrag der Linken kann man sich eigent-ich nicht befassen. Er ist der Widerspruch in sich, wennn der Überschrift steht „Sozialisierung der Verluste ver-indern – Sicherungsfonds für privaten Finanzsektorchaffen“ und es dann unter II. Nr. 3 des Antrages heißt,s solle ein Sicherungsfonds eingerichtet werden, denie öffentliche Hand steuert. Dieser Sicherungsfonds sollauf Zeit … nicht werthaltige Aktiva“ übernehmen undamit den Instituten Liquidität zur Verfügung stellen.Die Aktiva werden mit einem angemessenen Abschlagbernommen“, soweit die betroffenen Institute die damiterbundenen Wertberichtigungen verkraften können. Siechlagen den Tausch von nicht werthaltigen Papieren miterthaltigen Papieren aus dem Sicherungsfonds vor.Kollege Spiller hat meines Erachtens sehr zutreffendesagt, auf welche Weise Sie die letzte Rettungsaktiones von Ihnen bekämpften Systems vornehmen wollen.eine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Soziali-ierung pur, aber die Sozialisten können das nicht an-ers.
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Herr Kollege Kalb, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Schui?
Ja.
Ist Ihnen bekannt, dass dieser Fonds ausschließlich
von Bankengeld gebildet wird und dass, falls Probleme
zwischen den mit Abschlag gekauften nicht werthaltigen
Aktiva einerseits und der Hergabe von durch den Fonds
emittierten Wertpapieren andererseits auftreten, das ei-
gene Kapital des Fonds, das heißt Bankengeld, haftet,
nicht aber öffentliches Geld? Da wird also nicht soziali-
siert, ehrlich nicht.
Herr Kollege, ich habe Ihren Antrag und auch diesePassage selbstverständlich ganz genau gelesen. Aberwer würde diese Verluste dann tragen, die Sparer mit ih-ren Einlagen oder die Kreditnehmer? Sie sozialisierenauch dann.
Genau so ist es. Daran führt kein Weg vorbei.Auch die FDP, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, fordert in ihrem Antrag fast wortgleich wie dieLinke „Keine Sozialisierung von Spekulationsverlusten“und verlangt eine „Reform des öffentlich-rechtlichen Fi-nanzsektors.“
Ich betone: Keiner will eine Übernahme eingetreteneroder zu erwartender Verluste durch die öffentliche Hand.
Das Bundesfinanzministerium hat dies ebenso wie dasBundeswirtschaftsministerium wiederholt kategorischabgelehnt.Unberührt davon bleibt es aber Aufgabe der Politik,dafür zu sorgen – das ist schon dargestellt worden –, dassdie Auswirkungen der globalen Krise der Finanzwirt-schaft in Grenzen gehalten werden. Negative oder garzerstörerische Wirkungen auf das deutsche Bankenwe-sen mussten und müssen vermieden werden. Das warund ist notwendig, um negative Einflüsse auf die wirt-schaftliche Entwicklung zu verhindern und somit auchdie soziale Stabilität im Lande nicht zu gefährden. Sogesehen, war die Rettung der IKB zumindest aus dama-liger Sicht richtig, aber sie ist es wohl auch aus heutigerSicht. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, HerrProfessor Weber, hat diese Einschätzung erst kürzlich ineinem Interview in der Welt am Sonntag bestätigt.Wir in Deutschland sorgen uns um die mittelbarenWirkungen der von den USA ausgehenden Hypothe-kenkrise, die stoßwellenartig die Finanzwirtschaft nichtntMsvglsimSsdralwdBendEIDDcsHbgdfpgaLlhsrdodgwwdu
Die Krise zeigt auch, dass die in Deutschland gelten-en Regeln und Maßstäbe für eine Kreditgewährungichtig sind, und es hat sich bewährt, dass Immobilien,ber auch Mittelstandsfinanzierungen mit mittel- undangfristigen Krediten zu festen Zinssätzen finanzierterden.Zu Beginn der Verhandlungen über Basel II wollteie angloamerikansiche Seite eine deutlich schlechtereewertung langfristiger Kredite durchsetzen, was einerheblich höhere Eigenkapitalunterlegung und damitatürlich auch eine erhebliche Verteuerung dieser Kre-ite zur Folge gehabt hätte. Dank des nachdrücklicheninsatzes der deutschen Delegation und der Mitstreiterhres Hauses, Herr Minister Steinbrück, konnte dieseiskriminierung abgewendet werden. Herr Kollegeautzenberg, ich erinnere mich noch gut an die Gesprä-he und Verhandlungen, die seinerzeit im Finanzaus-chuss des Bundestages in sehr zielgerichteter Weise miterrn Sanio geführt wurden. Er und seine Mitstreiter ha-en es dann auch geschafft, dem Willen des Bundesta-es, insbesondere dem Willen des Finanzausschusses, iner Kommission für Basel II zum Durchbruch zu verhel-en.Eines lehrt uns die aktuelle Krise auch: Viele Finanz-rodukte, die heute auf den internationalen Märkten an-eboten werden, können selbst von Fachleuten nichtusreichend beurteilt werden. Jetzt rede ich nicht voneichtgläubigkeit, Leichtfertigkeit oder gar grober Fahr-ässigkeit, ich rede nur davon, dass offensichtlich auchochqualifizierte Experten nicht immer alles durch-chauen. Leider – auch das gehört zu den bitteren Erfah-ungen dieser Krise – sind das Urteil und die Bewertunger Ratingagenturen, wenn es darauf ankommt, nichtsder zumindest nicht viel wert. Wie sonst könnte es sein,ass sowohl Institute als auch Produkte innerhalb weni-er Tage von Triple-A bis nach ganz unten durchgestellterden? Dass im konkreten Fall die Ratingagenturen so-ohl bei der Strukturierung der Produkte als auch beieren Bewertung mitgewirkt haben, ist besonders pikantnd nicht akzeptabel.
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Bartholomäus KalbBedauerlicherweise sind wir auf diesem Gebiet vollkom-men auf die amerikanischen Agenturen angewiesen.Versuche, in Europa eine oder mehrere eigenständigeRatingagenturen zu schaffen, waren nicht erfolgreich,und ich fürchte, sie werden es auch in Zukunft nichtsein.Erschwerend kommt hinzu, dass die IFRS-Regelndie prozyklischen Effekte, wie der Finanzminister diesausdrückt, noch verstärken. Es wäre aber jetzt falsch,wieder die Abkehr von dieser IFRS-Rechnungslegungzu fordern. Richtig ist aber auch, dass, wie Sie, HerrBundesfinanzminister, es im Haushaltsausschuss vorge-schlagen haben, Elemente eingebaut werden müssen, diegeeignet sind, diese extremen Ausschläge nach oben undunten zu vermeiden. Im Übrigen sind die nach diesenRechnungslegungsstandards ausgewiesenen Risikenzum Glück noch keine realisierten Verluste. Auch dasmuss festgestellt werden.
Allerdings können aus Risiken bei anhaltend schlechterMarktlage Verluste werden.Zu dem in den Anträgen angesprochenen ThemaLandesbanken – Vorredner haben sich dazu schon brei-ter geäußert – will ich nicht viel sagen. Diese Debattegehört eigentlich in die Landtage und in die zuständigenGremien der Sparkassenorganisationen. Niemand hierhat die Absicht, etwaige Risiken der Landesbankendurch den Bund übernehmen zu lassen. Das ist wieder-holt deutlich gemacht worden. Herr Kollege Zeil, da Sievorhin etwas plakativ dargestellt haben, was man miteiner Milliarde alles machen könnte, darf ich in Erinne-rung rufen, dass die Bayerische Landesbank in den letz-ten Jahren Gewinne in Höhe von einer Milliarde Euro andie Gesellschafter, den Freistaat Bayern und die Spar-kassenorganisation, ausgeschüttet hat. Die werden wohldamit gut gewirtschaftet haben, so darf ich zumindestunterstellen.
Die weiteren Fragen nach möglichen oder notwendigenFusionen müssen ebenfalls in den zuständigen Gremienbesprochen und entschieden werden. Dabei müssen na-türlich auch die Aspekte der Förderkompetenz und derZentralinstitutsfunktion berücksichtigt werden. Dazu hatsicherlich jeder von uns eine Meinung, aber zuständigsind wir dafür nicht.Lassen Sie mich noch eines sagen. Sowohl die derzei-tige Krise als auch die Krise der Kreditwirtschaft, diewir im Jahr 2002 gesehen haben, zeigen uns eines: DasDreisäulenmodell – Kollege Dautzenberg hat es schondargestellt –, das wir in der deutschen Bank- und Kredit-wirtschaft haben, hat sich bewährt. Es ist geeignet, dieSchockwellen und Erschütterungen abzufedern, jeden-falls besser, als wir das in anderen Ländern beobachtenkönnen. Das ist wichtig, und zwar sowohl im Interesseder Anleger als auch im Interesse der Wirtschaft, insbe-sondere des Mittelstandes, im Hinblick auf die Kredit-versorgung. Das Dreisäulensystem hat sich in Deutsch-lgSHblsMwrhsdiafdsMAIdgWshAvgdbtAPlfd
An den Kollegen Schick gerichtet, sage ich: Da müs-en die Grünen springen. Wir stellen fest, dass die Bun-esregierung hier im Parlament nicht zur Auskunft bereitst. Wir haben in verschiedenen Anhörungen im Finanz-usschuss, aber auch im Plenum immer wieder um um-assende Aufklärung gebeten. Bisher ist uns der Bun-esfinanzminister dies schuldig geblieben. Deshalb stelltich die Frage, inwieweit wir andere parlamentarischeittel nutzen, um die Bundesregierung zu zwingen,uskunft zu geben.
ch will daran erinnern, dass die Grünen bisher verhin-ern, einen Untersuchungsausschuss in dieser Angele-enheit einzurichten.Die Losung vonseiten der Regierung lautet bisher:ir haben nichts falsch gemacht. Dass der IKB-Auf-ichtsrat einschließlich des BMF nichts falsch gemachtabe, ergebe sich schließlich aus einem Gutachten desufsichtsrates. Parallel redet der Finanzminister gerneon Transparenz. Doch wenn es beispielsweise darumeht, das Gutachten zu veröffentlichen, dann ist es miter Transparenz wieder einmal vorbei.Nun soll es immerhin noch ein Sondergutachten ge-en, ganz so wie wir es hier vor ein paar Wochen bean-ragt haben. Außerdem wurde die Entlastung des IKB-ufsichtsrates verschoben. Auch das haben wir hier imarlament gefordert.
Die Frage ist, warum Sie auf solche Selbstverständ-ichkeiten nicht selbst kommen. Warum hat das Bundes-inanzministerium nicht von Anfang an dafür gesorgt,ass erst alle Vorwürfe aufgeklärt werden und erst
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Frank Schäffleranschließend die Entlastung erfolgt? Stattdessen gab esein unwürdiges öffentliches Gezerre, auch zwischen denMinistern Glos und Steinbrück, bei dem sich am Endeder Finanzminister dem öffentlichen Druck beugenmusste.Wir wollen den Finanzminister daran erinnern: Esgilt, hier Ihre Hausaufgaben zu machen. Sie müssen hierin Deutschland Ihren Laden in Ordnung bringen. Es hilftnichts, mit dem Finger auf andere Länder zu zeigen, diesich ordnungspolitisch noch schlechter verhalten als wir,sondern es geht darum, dass wir uns selbst an unserePrinzipien halten.
Eines dieser Prinzipien muss sein, den staatlichenEinfluss im Bankenmarkt ganz deutlich zu reduzieren.Es stimmt, dass auch private Banken von der Krise be-troffen sind. Aber die dort Verantwortlichen werden vonihren Investoren zur Verantwortung gezogen.
– Nein, die IKB ist keine private Bank. Der Bundes-finanzminister hat mir gerade in einer Kleinen Anfragemitgeteilt, dass die Präsenz auf der Hauptversammlungder IKB vonseiten der KfW immer mehr als 50 Prozentbetragen hat. Die IKB war zu jedem Zeitpunkt einestaatliche Bank,
auf deren Entscheidungen der Bundesfinanzminister un-mittelbar Einfluss genommen hat.Es stimmt, dass auch private Banken von der Krisebetroffen sind; das habe ich gesagt. Bei den vielen Stüt-zungsaktionen zugunsten der Landesbanken und derIKB wird der Steuerzahler aber direkt in Haftung ge-nommen. Das ist der fundamentale Unterschied. Die Lö-sung kann nicht sein, Landesbanken zu fusionieren. Auszwei Absteigern wird nicht automatisch ein Aufsteiger.
Es hilft auch nichts, aus vielen kleinen Problemen eingroßes Problem mit kumulierten Risiken zu machen,nach dem Motto: Wenn es schiefgeht, ist wieder derSteuerzahler an der Reihe. Deshalb halten wir es für ge-rechtfertigt, an diese Institute künftig höhere Eigenkapi-talanforderungen zu stellen. Es hat kein Bürger Ver-ständnis dafür, dass Sie staatliche Milliarden in dieBanken pumpen; dies muss aus unserer Sicht endlich einEnde haben.
Auch die IKB hat und hatte kein tragfähiges Ge-schäftsmodell. Das Mittelstandsgeschäft der IKB waranscheinend nie ertragreich. Aber dank der KfW imRücken war die IKB nicht gezwungen, sich dem Marktanzupassen. Stattdessen hat man über Jahre die wirkli-che Situation verschleiert. Die Zeche zahlen die Steuer-zahler – das akzeptieren wir als FDP nicht –,
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Die IKB-Krise schlägt nun entgegen anderen Beteue-ungen auch voll auf das Fördergeschäft der KfW durch,ie man an der aktuellen Zinserhöhung der KfW deut-ich sehen kann.
Kollege Schäffler, achten Sie bitte auf die Zeit.
Ich komme zum Schluss.
Sie haben sich in der IKB-Krise zu langsam, zu zö-
erlich und zu halbherzig verhalten. Der entstandene
chaden ist riesig und hat katastrophale Auswirkungen
uf die Wirtschaft und den Bundeshaushalt.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Peerteinbrück.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16683
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Ich will auf den Feldzug von Herrn Schäffler
und seine Versuche, mir irgendetwas anzuhängen, nur
kursorisch eingehen.
Erstens. Ich gebe dem Hause gerne bekannt, dass dem
Ministerium inzwischen insbesondere von Herrn
Schäffler und Herrn Wissing insgesamt etwa 180 bis 200
Einzelfragen gestellt wurden.
Insofern ist der Eindruck, der hier verbreitet wird, wir
seien überhaupt nicht auskunftsfreudig, schlicht und ein-
fach falsch. Hier wird ein Popanz aufgebaut. Inzwischen
ist eine ganze Abteilung mit der Beantwortung der Fra-
gen beschäftigt.
Deshalb freue ich mich sehr, Herr Schick, dass Sie sich
dafür einsetzen, dass ich mehr Personal bekomme, damit
die entsprechende Abteilung auch noch ihre eigentlichen
Aufgaben erledigen kann.
Zweitens. Es ist nicht die Aufgabe des BMF, irgendje-
manden zur IKB zu schicken. Sie wissen genau, dass das
überhaupt nicht unsere Aufgabe ist.
Drittens. Es ist auch nichts verschleiert worden. Ich
lehne eine solche Unterstellung schlicht ab, und zwar
vor dem Hintergrund von vier oder fünf Prüfungsberich-
ten, die Ihnen allen geläufig sind und bis in den Juni
letzten Jahres hinein auf der Basis der vorliegenden In-
formationen, die nicht von den mir vorliegenden Infor-
mationen abweichen, Auskunft über die Lage der IKB
gegeben haben.
Schließlich ist festzuhalten, dass ich nicht den IKB-
Verkauf zu leiten habe. Das kann ich gar nicht. Dafür
sind andere Gremien zuständig.
Herr Minister, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, danke sehr. Ich habe Herrn Schäffler und HerrnWissing schon so viele Fragen beantwortet.
Sie können aber gerne noch einmal schriftlich nachha-ken.
– Regen Sie sich nicht auf!Wir haben es mit einer sehr ernsthaften Finanz-marktkrise zu tun, die eine Reihe von Banken buch-sBdbzugimadbnisDwdaabsltVhhnqrmkwADwöksunHEbmgduf
ie vollständige Analyse, durchaus auf der Spur dessen,as auch Redner der FDP gesagt haben, lautet, dass esffentlich-rechtliche Banken, vornehmlich Landesban-en, gibt, die sich aufgrund eines nicht tragfähigen Ge-chäftsmodells in einem Missverhältnis zu ihrer Kapital-nd Ertragskraft in Produkten engagiert haben, von de-en sie nichts verstehen. Da treffen wir uns.
Dies hat Rückwirkungen – da stimme ich Ihnen zu,err Zeil – mit Blick auf eine Konsolidierung auf derbene der Landesbanken, auf die eigentlichen Aufga-en der Landesbanken und darauf, wie ihre Geschäfts-odelle aussehen. Ich stehe auch nicht lange an, zu sa-en, viele Landesbanken – nicht alle – haben es nachem Wegfall der beiden Staatsgarantien – Anstaltslastnd Gewährträgerhaftung – im Juli 2005 versäumt, trag-ähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.
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16684 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Bundesminister Peer SteinbrückAber noch einmal: Es ist kein Spezifikum. Ich rateinsbesondere mit Blick auf den Stellenwert der Sparkas-sen dazu, ihrer Bedeutung in den Kommunen, für denMittelstand und für den Wettbewerb und damit auch imInteresse der Kunden – versuchen Sie einmal, in Großbri-tannien ein Girokonto zu eröffnen; versuchen Sie einmal,in Großbritannien eine Bankfiliale innerhalb von 40 Mei-len zu finden – gerecht zu werden und mit diesen Spar-kassen vorsichtig umzugehen.
Zweitens. Mit Blick auf exorbitant hohe Zahlen, wodie ganze deutsche Öffentlichkeit aufgemischt wird,wenn sie von einer Risikoabschirmung in Höhe von8 Milliarden Euro hört – eine unfassbare Summe –, rateich sehr dazu, sehr viel stärker zwischen Risiken undWertberichtigungen und tatsächlich eingetretenen Ver-lusten zu unterscheiden. Das müssten Sie als National-ökonom, Herr Schui, nachvollziehen können. Bei diesenSummen, die zum öffentlichen Ärgernis werden, redenwir im Augenblick über Wertberichtigungen, über Risi-ken und nicht über real eingetretene Verluste. Ich habekeine präzisen Zahlen vorliegen, aber der Bundesbank-präsident und andere schätzen, dass der Wertberichti-gungsbedarf in Deutschland ungefähr 10 Prozent dessenbeträgt, was die OECD geschätzt hat, also 10 Prozentvon 350 bis 420 Milliarden Euro weltweit. Ich vermute,dass bezogen auf diesen Wertberichtigungsbedarf in derGrößenordnung von 35 bis 42 Milliarden Euro – odernehmen wir vorsichtshalber 45 Milliarden – der bisherreal eingetretene Verlust unterhalb von 5 Prozent dieserSumme liegt. Damit schließe ich nicht aus, dass weitereVerluste eintreten. Ich rate nur, hier sehr vorsichtig unddifferenziert zu argumentieren und nicht in der Weise,wie man jemandem Kaugummi unter die Sohle klebt.Das sind Dinge, die zur Lösung wenig beitragen.Drittens. Insbesondere Herr Schick, aber auch HerrSchui tun so, als ob es einen sehr spezifischen und alleinauf der nationalstaatlichen Ebene zu erfüllenden Hand-lungsbedarf gäbe. Dieses Haus stimmt doch über alleFlügel hinweg darin überein, es gibt nichts Mobileres alsKapital, es gibt keine größere Vernetzung als die im Fi-nanzdienstleistungssektor. Und nun fragen Sie mich, wasich auf der nationalen Ebene mache. Herr Schick, sollich in Deutschland die Eigenkapitalunterlegungen spezi-fisch verändern, wenn es alle um mich herum nichtmachen? Erwarten Sie von mir, dass ich deutschlandspe-zifische Liquiditätsstandards festlege, dass ich Rech-nungslegungsstandards verändere? Sie wissen doch ge-nau, welche Folgen das hätte. Es würde zu einer totalenSchwächung des deutschen Finanzdienstleistungssektorsführen.
Ich komme hier nur weiter, wenn ich mich mit meinemImpetus in die dafür vorgesehenen Organisationen ein-bringe. Da sage ich mit einem gewissen Stolz: Das istdieser Bundesregierung in den letzten zehn bis zwölfMonaten gut gelungen.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Minister, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-
en, dass ich nicht gesagt habe – das wurde auch im
usschuss deutlich –, wir sollten Regelungen, die über-
instimmend auf internationaler Ebene gefunden werden
üssen, in Deutschland vorwegnehmen? Ich habe in
einem Redebeitrag ausschließlich Punkte benannt, die
ich auf den nationalen Hoheitsbereich beziehen, bei-
pielsweise die Organisation der Finanzaufsicht, die
nternen Arbeitsabläufe der Finanzaufsicht und die Ver-
eilung der Aufgaben bei der Überprüfung von Kleinst-
nstituten und Großbanken. Das von mir genannte Bei-
piel der Eidgenössischen Bankenkommission bezog
ich auf ein Vorgehen auf nationaler Ebene. Man kann
icht einfach so tun, als hätte ich irrationale Forderungen
ach einer Regulierung von Hedgefonds oder nach Ei-
enkapitalunterlegung nur in Deutschland geäußert. Ich
timme Ihnen ausdrücklich zu, dass wir so etwas auf na-
ionaler Ebene nicht regeln können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe das wohl verstanden. Nur ist das bei derankenaufsicht ein kleines Segment. Sie wissen, dass esei der BaFin gerade zu organisatorischen und struktu-ellen Veränderungen gekommen ist. Sie wissen, dassine neue Arbeitsteilung zwischen den beiden Aufsichts-ehörden, der Bundesbank und der BaFin, einmütig fest-elegt wurde. Sie müssten mir also schon sehr viel kon-reter sagen, was Sie darüber hinaus wünschen.Im Übrigen geht es bei den Bemühungen, unsereankenaufsicht zu stärken, darum, bei grenzüberschrei-enden Versicherungsgruppen und Bankengruppen einetärkere Kooperation und Konvergenz herzustellen.ementsprechend habe ich in der slowenischen Stadtjubljana gerade an der Erstellung eines Memorandumf Understanding mitgewirkt. Darüber hinaus habe ichm Kreis der G 7 auf Vorschlag des Financial Stabilityorum die Einrichtung von sogenannten Colleges, vonberwachungsvertretungen, verabredet. Sie müssten mirchon konkreter sagen, was im Augenblick darüberinaus bei der Bankenaufsicht zu tun ist, und nicht nurrgendwelche Mahnungen in die Welt setzen.Außerdem haben Sie einen Hinweis gemacht, den ichür abwegig halte. Die BaFin ist nicht dafür da, die Ge-chäftsmodelle von Banken zu kontrollieren;
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Bundesminister Peer Steinbrückdas haben Sie aber in Ihrem Redebeitrag gefordert. Miteinem solchen Verständnis können Sie garantiert nichtsbewirken.
Ich komme zu einem weiteren Punkt, bei dem ichbitte, genau zu unterscheiden. Angesichts des hohen Mo-bilitätsgrades bei Kapital und der hochgradigen Vernet-zung im Finanzdienstleistungssektor ist die Bundesrepu-blik Deutschland darauf angewiesen, ihre Vorstellungenbei der Frage, wie die Widerstandsfähigkeit des Finanz-dienstleistungssektors verbessert werden kann, in derEurogruppe, in der Europäischen Union, im G-7-Kreisund im Financial Stability Forum durchzusetzen. Ichfinde, wir haben aus Washington einiges mitgebracht,das sich sehen lassen kann.Im vierten Punkt möchte ich auf die Frage eingehen,ob Steuergelder verbrannt werden. Der Bundesregie-rung ist die Entscheidung, über eine Art Zuweisungsge-schäft über die KfW der IKB 1,2 Milliarden Euro zu-nächst als Darlehen zur Verfügung zu stellen, nicht leichtgefallen. Dieses Darlehen ist noch nicht verbrannt. Wirhatten abzuwägen – das war die Entscheidung –, ob wirdie IKB – umgangssprachlich formuliert – an die Wandfahren lassen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen,dass die Erschütterungsdynamik – der Knall, der auf ei-nen Bankrott dieser Bank folgen würde – andere so starkin Mitleidenschaft ziehen könnte, dass der Schaden nochgrößer wäre; Herr Dautzenberg hat das richtigerweise alsKettenreaktion bezeichnet.Wenn Sie mich fragen, ob dort Steuergelder verbranntwerden, müssen Sie eigentlich ehrlicherweise hinzufü-gen, wie viel mehr Steuergelder im Alternativszenario,das sehr viel größere Risiken birgt, verbrannt würden.Das tun Sie aber nicht. Vielmehr fokussiert sich alles aufdie Forderung, so mit der IKB umzugehen, dass derSteuerzahler nicht in eine Mithaftung gezogen wird– bisher haftet der Steuerzahler nicht mit –, wobei Siedie Frage nicht interessiert, was die Konsequenzen da-raus wären. Ich bitte, zur Kenntnis zu nehmen, dass einegute Gesinnung nicht reicht, um Politik zu machen; auchVerantwortungsbereitschaft und Verantwortungsbe-wusstsein sind nötig. Die Bundesregierung musste hierVerantwortungsbereitschaft zeigen.
Der letzte Punkt. Wir befinden uns in Deutschlandkeineswegs in einer Situation, in der wir den Eindruckvermitteln sollten, die deutschen Steuerzahler würden ingroßem Umfang und in nachhaltiger Form durch dieFinanzmarktkrise in Mitleidenschaft gezogen. Ja, inallen betroffenen Ländern wird es allein durch die Ein-trübung der Konjunktur zu Verlusten an Steuereinnah-men kommen; das ist schlicht und einfach ein unspezifi-sches Resultat der Wirtschaftsentwicklung. In welchemAusmaß wir wegen der Finanzmarktkrise bzw. für Stüt-zungsmaßnahmen des Staates aufgrund von Garantie-positionen wirklich Haushaltsmittel und damit Steuer-gelder in Anspruch nehmen müssen, weiß zurzeitniemand. In Deutschland hält sich das im Gegensatz zuGroßbritannien erkennbar in Maßen.vvgsKdnurDDalEahsssHdrluFslRsfsbtvdhGinSDlD
Das passt nicht ganz zu unserem ordnungspolitischenrundsatz, der dem deutschen Idealismus entsprechendmmer sehr strikt verfolgt wird nach dem Motto „Es gehticht um Leben und Tod, es geht um mehr als das“.
o kommen wir pragmatischen Lösungen nicht näher.ie Amerikaner und die Briten machen das: Sie verstaat-ichen eine Bank.
as hat es seitens der Fed vorher noch nie gegeben.
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16686 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Bundesminister Peer SteinbrückIch will darauf hinaus, dass uns bezogen auf die fol-genden Kernprobleme, um die es geht, viel gelungen ist:Erstens geht es um die Frage, wie wir die Eigenkapi-talstandards verändern, damit die verbrieften hochkom-plizierten Produkte in den Knalltüten – wie ich sie nen-nen möchte –, bei denen niemand weiß, wo die Risikenliegen, endlich in die Bilanzen mitaufgenommen wer-den. Sie müssen mit Eigenkapital unterlegt werden, wasdas Risikoverhalten von Managern nachhaltig beeinflus-sen würde.
Zweitens brauchen wir – das ist sehr wichtig – Liqui-ditätsstandards. Denn die mangelnde Liquidität ist der-zeit eines der Hauptprobleme im Interbankenverkehr.Wir haben es mit einem Vertrauensbruch zu tun. DieBanken mit ausreichender Liquidität sitzen wie Gluckendarauf. Diejenigen, denen es an Liquidität mangelt, be-schweren sich, weil die anderen Banken ihnen nichts ab-geben.Insofern ist die Politik der EZB und der Fed, denMarkt mit Liquidität zu versorgen, richtig. Bei einerBank in Großbritannien, wo das nicht so war, hat das da-für gesorgt, dass die Menschen anschließend in langenSchlangen vor den Filialen gestanden haben. Stellen Siesich die Debatte vor, wenn es solche Bilder in Deutsch-land gegeben hätte, die stark an die 20er-Jahre erinnern!Drittens geht es um Transparenz. Die deutschenInstitute werden von mir und dem Bundesbankpräsiden-ten massiv aufgefordert, offenzulegen, was sie an Risi-ken erkannt haben und an Wertberichtigungen vorneh-men müssen, weil dies zur Vertrauensbildung beiträgt.Das alleine reicht aber nicht. Wir müssen uns auchüber klar benannte Adressaten – ich kann sie aus Zeit-gründen nicht alle auflisten – darum kümmern, dass wirschon in einem 100-Tage-Programm vorankommen.Viertens geht es um die grenzüberschreitende Zusam-menarbeit bzw. Konvergenz der Aufsichtsbehörden. Ichkann derzeit keinen nationalen Handlungsbedarf erken-nen, aber grenzüberschreitend muss gehandelt werden.Die Colleges of Supervisors, wie es in den Kommuniquesheißt – also die Arbeitsgruppen aus Aufsichtsvertreternsowohl der Ministerien als auch der Aufsichtsbehördenund der Notenbanken –, haben in diesem Zusammen-hang die ersten 25 solcher grenzüberschreitenden Ban-ken- oder Versicherungsgruppen identifiziert.Das fünfte Problem sind die Ratingagenturen.Unter dem Strich: Am Anfang steht ein Versagen vonMärkten und Managern, nicht von Politik. Das ist dasUrteil, das Sie überall hören: Es war nicht die Politik.Also drehen Sie die Debatte nicht um. Ich bin in beidenAusschüssen immer wieder darauf hingewiesen worden,dass in der Öffentlichkeit ausschließlich die Politik fürdiese Entwicklung verantwortlich gemacht wird, nichtder Markt oder die beteiligten Manager. Ich meine: Zie-hen wir uns den Schuh doch nicht so an, wie Sie das hierversuchen.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
nter Rot-Grün ist allerdings der Anteil der KfW als
igentümer so erhöht worden, dass die KfW der wesent-
iche Eigentümer der IKB geworden ist. Unser Ansatz
ls FDP ist: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, Eigen-
ümer einer Privatbank zu werden, auch nicht über die
fW. Das ist der Unterschied. Das werfen wir Ihnen vor.
ir sagen: Die Banken sollen privat organisiert sein.
enn es zu einem Fehlverhalten kommt, können die
igentümer dafür die Vorstände zur Rechenschaft zie-
en. Aber wenn sich der Staat an Privatbanken beteiligt
nd Risiken und Verluste entstehen, schlagen sie sich im
aushalt und bei der KfW nieder und müssen damit
etztlich vom Steuerzahler getragen werden. Das ist der
unkt, den wir kritisieren.
Ich bitte Sie um Ihre Einschätzung dazu, ob Sie das
nders sehen. Der Erwerb ist nicht in Ihrer Zeit als
inister erfolgt, aber als Sie das Amt angetreten haben,
aben Sie nicht dafür Sorge getragen, dass sich der Staat
ber die KfW von diesen Anteilen wieder trennt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie sind viel zu sehr mit der Geschichte vertraut, Herrhiele, um nicht zu wissen, dass sich die KfW seinerzeitm die Anteile an der IKB nicht gerissen hat.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16687
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– Aber aufgrund des Drängens der deutschen Wirtschaft,damit diese deutsche Mittelstandsfinanzierungsbanknicht von der Royal Bank of Scotland übernommenwurde. Das wissen Sie doch. Versuchen Sie doch nicht,mich und vor allem das Publikum in die Irre zu führen.
Das war doch seinerzeit keine Strategie der KfW. Ichweiß gar nicht, wer damals im Amt gewesen ist.
– Herr Waigel, aber das ist völlig wurscht. Es ist dochdamals nicht das Ansinnen des Bundes gewesen, sich ineiner quasi imperialistischen Armbewegung eine Ak-tiengesellschaft unter den Nagel zu reißen. Das stimmtdoch einfach nicht. Die Frage war, ob dieser Anteil mög-licherweise in das Eigentum ganz anderer Banken geht,deren Interessen nicht mit denen dieses Mittelstands-finanzierers übereinstimmen.Eine weitere Anmerkung. Die KfW hat niemals dieMehrheit im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlungder IKB gehabt. Schauen Sie sich doch an, wie dieserAufsichtsrat besetzt ist! Dann kommen Sie nämlich zueinem ganz anderen Ergebnis als diesen offenkundigenund sehr durchsichtigen Versuchen, hier irgendwelcheBonbons anzukleben. Das gilt nicht für Sie, aber für an-dere Beiträge aus Ihrer Fraktion. Noch einmal: Ich habedamals, als ich ins Amt kam, keine Veranlassung gese-hen, den IKB-Anteil zu verkaufen. Durch die Problemesind wir alle aufmerksamer geworden. Sie wissen, dassdie Bundesregierung ein massives Interesse daran hat,den KfW-Anteil an der IKB zu veräußern.Jetzt allerdings mache ich eine Bemerkung, und zwarin Übereinstimmung mit anderen wichtigen Verwal-tungsratsmitgliedern: Wir verkaufen nicht zu einemschlechten Preis.
Für uns gilt nicht das Motto: Der Verkauf an sich ist dasZiel. Nein, ein günstiger Verkauf ist das Ziel, sonst wür-den Sie mich dafür ans Brett nageln.
Herr Minister, auch die Verlängerung Ihrer Redezeit
ist nun abgelaufen. Deshalb lasse ich jetzt keine weiteren
Zwischenfragen mehr zu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich halte mich gerne an die Spielregeln, Frau Präsi-
dentin. – Ich bedanke mich sehr, dass Sie mir zugehört
haben.
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Meine Fraktion hat bei der Ausübung des parlamenta-
ischen Fragerechts niemals die rechtlichen und gesetzli-
hen Grenzen überschritten. Deswegen weise ich Ihre
orwürfe mit allem Nachdruck zurück. Ich bin sicher,
ass ich dabei auch die Unterstützung der Kolleginnen
nd Kollegen des Hauses habe.
Ich bin ganz sicher, dass Sie, Herr Minister, angeneh-
er regieren könnten, wenn Ihnen insbesondere von der
pposition nicht so viele Fragen gestellt würden. Es ist
llerdings ein Widerspruch, wenn Sie für sich in An-
pruch nehmen, hier Transparenz schaffen zu wollen,
ich aber gleichzeitig darüber beschweren, Fragen der
pposition beantworten zu müssen.
Ich möchte Ihnen sagen: Wir werden auch weiterhin
on unseren parlamentarischen Rechten Gebrauch ma-
hen. Davon lassen wir uns insbesondere nicht von ei-
em Minister einer Großen Koalition abhalten. Wäre
hre Finanzpolitik nicht so fragwürdig, müssten wir
icht so viele Fragen stellen.
Sie haben das Wort zu einer Erwiderung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie gehen von einer falschen Lage aus. Ich habe michicht beschwert.
as bitte ich im Protokoll nachzulesen.Der Zusammenhang, den ich hergestellt habe, warolgender: Herr Schäffler hat sich über die mangelndeuskunftsfreudigkeit des Ministeriums beschwert. Da-ach habe ich darauf hingewiesen, dass wir nach Lage
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16688 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Bundesminister Peer Steinbrückder Dinge allein von Herrn Schäffler und Herrn Wissinginzwischen mehr als 180 einzelne Fragen beantwortethaben. Ich habe in meinen Darlegungen mit keiner einzi-gen Silbe das Fragerecht des Parlaments berührt. Dasbitte ich im Protokoll genau nachzulesen. Ich glaube, esist eine künstliche Aufregung, die Sie hier herbeiführen.
Nun hat der Kollege Dr. Axel Troost für die Fraktion
Die Linke das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Uns liegen heute zwei Anträge der FDP vor, die sich ingewisser Weise widersprechen. In dem einen Antragwird gesagt, es gehe darum, das Geschäftsmodell vonBanken mit staatlicher Beteiligung zu ändern – Konzen-tration auf das Kerngeschäft und Umstellung auf tragfä-hige Strukturen –, und in dem anderen wird gleich diePrivatisierung gefordert. Wir lehnen die Privatisierungder Landesbanken ab. Wir als Linke meinen, dass Lan-desbanken notwendig sind, aber wir stimmen in vollemUmfang dem zu, was der Kollege Schick gesagt hat:Was an Fehlern geschehen ist, muss aufgearbeitet wer-den. Da ist der Hinweis auf die „CDU-Bank“ völlig rich-tig, weil dort erhebliche Fehler gemacht worden sind;ich verweise auf Berlin – das war früher –, Sachsen,Nordrhein-Westfalen und Bayern.
Landesbanken rechtfertigen sich nicht dadurch, dasses schicke Gästehäuser gibt, in die die Ministerpräsiden-ten auswärtige Gäste einladen, Landesbanken rechtferti-gen sich nicht dadurch, dass sie eigene Flugzeuge haben,die sie der Landesregierung zur Verfügung stellen,
sondern sie rechtfertigen sich nur, wenn sie in struktur-relevanten Bereichen arbeiten, Kredite an Unternehmenvergeben und das Dreisäulensystem insgesamt stärken.Daran muss gearbeitet werden. Insoweit muss eine Ver-änderung stattfinden.
Sicherlich verurteilen wir alle die Vergabe der Hypo-thekendarlehen an einkommensschwache Kreditnehmerin den USA. Aber ohne die Verbriefungsmöglichkeitenhätten die amerikanischen Hypothekenbanken die Darle-hen gar nicht erst vergeben können, weil sie auf denAusfallrisiken selbst sitzen geblieben wären. Durchkomplizierteste Verbriefungstechniken wurde es mög-lich, mit unverantwortlicher Kreditvergabe viel Geld zuverdienen und die eingegangenen Risiken nicht selbsttragen zu müssen. Hier liegt klares Marktversagen vor.ksushwswapcgGgDaHlPdWiinrwVwwkadfrmhmnkm
An der Verbriefung haben die Banken und Zweckge-ellschaften vor der Krise gut verdient. Statt Risiken be-errschbar zu machen, hat die Verbriefung die gesamt-irtschaftliche Effektivität und Stabilität nicht befördert,ondern ihr sogar geschadet.In der Vergangenheit wurden Finanzinnovationen,ie man das so schön nennt, von den Neoliberalen gernls Beitrag zur Effizienzsteigerung der Finanzmärkte ge-riesen. Aber kein Banker hat Finanzprodukte entwi-kelt, um Märkte effizienter zu machen. In Wirklichkeiting es natürlich, wie überall im Kapitalismus, umseldverdienen. Nun mag es vereinzelt Finanzprodukteegeben haben, die gesamtwirtschaftlich effizient sind.as bleibt aber dem Zufall überlassen. Das muss sichus unserer Sicht radikal ändern.
In der Debatte wurde schon von Herrn Spiller, vonerrn Kalb und anderen gefragt: Wie konnte es eigent-ich passieren, dass die Banken solche unüberschaubarenrodukte gekauft haben? Wie konnte es passieren, dassie Banker und Vorstände nicht durchgeblickt haben?as soll man davon halten, dass selbst Herr Ackermannnzwischen Zweifel hat? Unserer Ansicht nach muss esn Zukunft so sein, dass riskante neue Finanzprodukte ei-er Zulassungspflicht unterworfen sein müssen.
Als Zulassungsstelle schlagen wir einen neu einzu-ichtenden Finanz-TÜV vor. Nur wenn die privaten Ge-innmöglichkeiten von Finanzprodukten nicht mit einererringerung der allgemeinen Finanzstabilität erkaufterden, dürfen solche Produkte überhaupt zugelassenerden.
Lassen Sie mich noch ganz kurz eine letzte Bemer-ung machen. Die aktuellen Turbulenzen sind nicht nuruf eine unzureichende Regulierung, sondern auch aufen immer stärker werdenden Anlagedruck zurückzu-ühren. Dieser hängt mit der internationalen Privatisie-ung der Altersvorsorge zusammen. Diesen Zusam-enhang, den wir schon in der Debatte zuvor aufgezeigtatten, was Riester-Rente und Wohn-Riester angeht,uss man herstellen. Nur wenn wir wieder zu einer ver-ünftigen Umlagefinanzierung der Renten kommen,önnen wir auch die Anlageprobleme auf den Finanz-ärkten in den Griff bekommen.Danke schön.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16689
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Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Eckhardt
Rehberg das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abge-
ordneten! Trotz schwerwiegender Probleme, verursacht
durch die internationale Finanzkrise, steigender Energie-
preise und einer Spreizung zwischen Dollar und Euro,
wie wir sie in diesem Ausmaß bislang nicht gekannt ha-
ben, ist die deutsche Wirtschaft stabil und robust. Hätten
wir vor fünf oder zehn Jahren auch nur eines dieser Pro-
bleme gehabt, wären die Auswirkungen damals viel gra-
vierender gewesen. Ich glaube, dass die Struktur unseres
Finanzmarktes zur Stabilität beiträgt.
Meine Damen und Herren von der FDP, widersprüch-
licher als Sie heute kann man gar nicht argumentieren.
Der Kollege Schäffler beschwert sich, dass sich für die
IKB das Mittelstandsgeschäft nicht lohnen würde. Herr
Zeil hingegen beklagt die Mittelstandsfinanzierung
durch die IKB.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der FDP,
sind Sie sich eigentlich darüber im Klaren, was in der
Vertikalstruktur aus den Sparkassen vor Ort wird, die
doch ganz überwiegend Träger der Finanzierung des
Klein- und Mittelstandes sind, wenn die Landesbanken
gemäß Ihrer Forderung zügig privatisiert werden?
Sind Sie sich darüber im Klaren, wie das Kreditgeschäft
für den Klein- und Mittelstand in Deutschland aussieht,
wenn es zur der von Ihnen geforderten Privatisierung,
die Sie für das Nonplusultra halten, kommt?
Kollege Rehberg, lassen Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schäffler zu?
Ich lasse sie sehr gerne zu.
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie zur
Kenntnis nehmen, dass ich mich nicht gegen das Mittel-
standsgeschäft der IKB ausgesprochen habe. Ich habe
vielmehr gesagt, dass das Mittelstandsgeschäft der IKB
zu keinem Zeitpunkt ertragreich für die IKB selbst ge-
wesen ist.
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Es sind oftmals Probleme bei der Durchreichung vonfW-Darlehen und von Krediten im ERP-Bereich iminblick auf die Margen der Hausbanken beklagt wor-en. Wir hatten lange Jahre Debatten darüber, dassausbanken Kredite der KfW und aus dem ERP-Sonder-ermögen nicht hinreichend durchgereicht haben. Erstls neue Zinsstrukturen geschaffen wurden, erst als imahmen des ERP-Sondervermögens, sprich: durch diefW, Margen mit übernommen wurden, war dieseshema verschwunden.
Meine feste Überzeugung ist: Wenn wir an die The-atik der Landesbanken überhastet herangehen wür-en, so wie Sie es vorschlagen, dann würden wir Kolla-eralschäden ohne Ende haben. Ich sage nicht, dass wirei den Landesbanken nicht das eine oder andere ma-hen müssen. Es gibt aber Landesbanken, die sich nacheiner Auffassung spezialisiert haben: Nehmen wir dieSH Nordbank beim Thema Schiffsfinanzierungen;ehmen wir aber auch die Nord-LB beim Thema Flug-eugfinanzierungen. Meine Damen und Herren von derDP, ich will Ihnen sagen – es ist schwer, hier über diesehematik zu reden; denn es geht ein Stück weit in dieertraulichkeit –: Meine Erfahrung gerade seit 1990 ist:anches heute höchst erfolgreiche Investitionsprojekt inecklenburg-Vorpommern wäre ohne die Nord-LBicht möglich gewesen; ich könnte Ihnen zig Beispieleennen.
In diesem Fall haben Landesbanken die Konsortial-ührung und Bürgschaften in den Bereichen übernom-en, aus denen sich Privatbanken lange herausgezogenaben. Ich sage nicht, dass alle Projekte gut verlaufenind. Natürlich waren Risiken dabei. Aber gerade derufbau der neuen Bundesländer wäre ohne den öffent-ich-rechtlichen Bankensektor, wie wir ihn heute haben,icht möglich gewesen. Natürlich muss es hier zu Ver-esserungen kommen. Das ist nicht Aufgabe der Bun-espolitik, das ist Aufgabe der Länder. Zum Beispiel las-en die Sparkassengesetze der allermeisten Länder keineemeinsame Beteiligung von Genossenschaftsbanken
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16690 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Eckhardt Rehbergund Sparkassen an einem Geldinstitut zu. Wenn wir dieSozialfunktion von Sparkassen und Genossenschafts-banken in der Zukunft hinreichend ausfüllen wollen,dann muss eine Beteiligung der einen zusammen mit deranderen Seite möglich sein. Hier sind wir alle – übrigensüber die Parteigrenzen hinweg – gefordert, dass dieseBeteiligungen möglich werden.
Herr Minister Steinbrück, Sie haben darauf hingewie-sen, dass seitens der Linken und der FDP der Eindruckerweckt wird, schuld an dieser Problematik sei allein diePolitik. Was mich massiv ärgert, ist, dass die Rolle derRatingagenturen und der Wirtschaftsprüfungsgesell-schaften überhaupt nicht hinterfragt wird. Sie solltensich einmal den Konzerngeschäftsbericht der IKB vom28. Juni 2007 und den korrigierten Bericht vom Februardieses Jahres zu Gemüte führen. Da hat sich eineRatingagentur einiges geleistet; ich lasse den Nameneinmal weg. Diese Ratingagentur hat die IKB imFebruar 2008 noch genauso gut bewertet wie im Juni2007. Da frage ich mich ganz besorgt, wofür sie ihr Geldbekommen hat. Nach Basel II waren wir ja an der einenoder anderen Stelle bei einem gewissen Ratingfetischis-mus.Ich will einen zweiten Aspekt nennen: Konzernge-schäftsberichte sind immer eine Anlage zur Bilanz. Siewerden von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tes-tiert. Ich darf jetzt einmal aus dem Konzerngeschäftsbe-richt der IKB vom 28. Juni 2007 zitieren – schon EndeMai/Anfang Juni 2007 sind in Amerika die ersten mehrals dunklen Wolken zum Thema Subprime-Krise aufge-zogen; ich betone ausdrücklich: Anlage zur Bilanz, tes-tiert von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft –:Unsere Investments konzentrieren sich zu zweiDritteln auf mindestens Investmentgrade-geratete
europäische Portfolios mit ähnlichen Strukturen.Jetzt kommt es:Wir nutzen unsere große Expertise in diesem Be-reich aber auch, um auf Provisionsbasis externe Ge-sellschaften bei deren Investments in internationaleKreditportfolien zu beraten. Dies bezieht sich ins-besondere auf das Conduit „Rhineland Funding Ca-pital Corporation“ in den USA. Aufgrund unsererBeratung investiert diese Gesellschaft in vergleich-bare Portfolien wie die IKB. Auf diese Weise stel-len wir sicher, dass für Dritte die gleichen Quali-tätsstandards wie für unser Haus gelten.
– Kollege Dautzenberg, Sie bemerken zu Recht: Dasspricht für sich.Wenn wir die Verantwortung der Politik anmahnen,müssen wir gleichzeitig die Verantwortung derer anmah-nen, die mit solchen Bilanzen, solchen Geschäftsberich-ten und solchen Ratings Geld verdienen. Es ist richtig,dtsSwGtdgtnmHg–WvaBOadtdkuIwdSwFInetgJwdg
Herr Kollege, ich habe im ERP-Unterausschuss und imirtschaftsausschuss an Befragungen – unter anderemon Frau Matthäus-Maier – teilgenommen. Ich habeuch die Berichte gelesen, die uns vom BMF und vomMWi vorgelegt wurden. Wie Sie war auch ich in derpposition, und ich verstehe etwas von Oppositions-rbeit. Ich glaube, wir stehen hier an einer Stelle, an derer kurzfristige politische Effekt hinter dem Verantwor-ungsbewusstsein zurücktreten sollte. Das gilt gerade fürie Finanz- und die Geldpolitik. Denken Sie bitte an denleinen Sparer, die kleine Sparerin, den älteren Sparernd die ältere Sparerin.Eine letzte Bemerkung. Überlegen Sie einmal, wo dieKB stünde, wenn Ihre Forderungen umgesetzt wordenären. Dann wäre die IKB gegen die Wand gefahren;ann hätten wir die Schlangen vor den Banken, die Herrteinbrück beschrieben hat; dann wäre der Schadeneitaus größer.Danke.
Das Wort hat der Kollege Ortwin Runde für die SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch fand es richtig mutig, wie Herr Zeil seine Rede eröff-et hat. Ich habe mich gefragt, wo er rauskommt, wennr so in das Thema einsteigt. Er hat Thomas Jefferson zi-iert, der sagte: Eine Bank ist, was die Gefährlichkeit an-eht, nur mit einer stehenden Armee zu vergleichen.efferson wusste, was eine stehende Armee ist, erusste, was sie tut, um sich zu versorgen, wusste, wasas für die betroffene Bevölkerung und das Wirtschafts-eschehen bedeutet. Jeder von uns, der Wallenstein gele-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16691
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Ortwin Rundesen hat, weiß auch, was solche Heere bedeuten. Ich habemich gefragt, ob Herr Zeil dieses Bild auf die Neuzeitübertragen und damit sagen wollte, dass diese Banken-krise – das wäre ein richtig kapitalismuskritischer An-satz – Auswirkungen auf Rohstoff-, Nahrungsmittel-und Energiepreise hat, also weltweit großen Schaden an-richtet, unter dem die Bevölkerung leiden muss. Dasdachte ich.Dann merkte ich aber, dass er dieses Bild als Ramm-bock gegen die öffentlich-rechtlichen Sparkassen be-nutzen und ihren Beitrag zur weltweiten Finanzkrise he-rausstreichen will.
Da war ich intellektuell ein bisschen enttäuscht von Ih-nen, Herr Zeil.
Wenn man sich diese Krise der Finanzmärkte ansieht,muss man sich doch fragen, worin sie ihren Ursprunghat. Der Ursprung ist eigentlich nicht die Immobilien-krise, sondern die Erwartung, man könnte im Finanz-bereich die Renditemöglichkeiten von denen der Real-wirtschaft abkoppeln. Die Realwirtschaft liefert beilangfristiger Anlage Renditemöglichkeiten von durch-schnittlich 8 bis 12 Prozent.Die Finanzwirtschaft hingegen versuchte, sich vonden Renditemöglichkeiten der Realwirtschaft abzukop-peln und ein Vielfaches dieser Rendite zu erzielen. Dasist Renditegier. Dazu haben auch Sie, Herr Zeil, etwasgesagt und von Kasinokapitalismus gesprochen.
Die Finanzwirtschaft hat den Mechanismus der Ver-briefung nicht zur Risikostreuung, sondern zur Risiko-verschleierung eingesetzt. Das hätte fast zu einer krebs-artigen Wucherung der Risiken in den verschiedenenVolkswirtschaften geführt. Das ist ein wichtiger Ansatz-punkt.Ich dache, jetzt machen Sie alle möglichen Vor-schläge, wie man der Abkopplung der Finanzindustrievon der Realwirtschaft begegnen kann. Das ist natürlichnur auf internationaler Ebene möglich. Die Eigenkapital-unterlegung muss sich nach der Risikohöhe richten.
Die bekannten Probleme im Hinblick auf Ratingagentu-ren, Wirtschaftsprüfer usw., die bereits angesprochenworden sind, müssen aufgedeckt und gelöst werden.Was die Ursachen dieser Krise angeht, muss man fest-stellen: Diese Krise war nur unter Beteiligung von Profismöglich, und zwar von Profis, die in großen Privatban-ken und in international operierenden Banken tätig sind.Ohne sie wäre diese Krise nicht möglich gewesen.BhinuHstEMgisnAAwdemerstIwdJuseSdw
Es stellt sich die Frage: Wie können Menschen imirn so krank werden, dass sie die Risiken ihrer Ge-chäfte nicht mehr richtig einschätzen können, sich aberrotzdem darauf einlassen?
ine andere zentrale Frage lautet: Wie können wir dieseenschen von ihrer Krankheit heilen?
Solange sie hohes Fieber haben, das sie auch spüren,ibt es ein Zeitfenster, in dem sie sagen: Wir sind bereit,m Hinblick auf das Verhältnis von Politik und Wirt-chaft mitzuwirken. – Diese Einstellung ist auf den inter-ationalen Finanzmärkten inzwischen auch bei denngloamerikanern, bei den Engländern und bei denmerikanern, angekommen. Das ist eine Chance, dieir ergreifen müssen.Herr Schick, bei aller Anerkennung Ihrer Aussage,ass man untersuchen muss, was in Deutschland in deninzelnen Instituten schiefgegangen ist: Ein Finanz-inister, der die von mir genannte Chance nicht ergreift,rfüllt seinen Auftrag nicht.Für mich war es nach all der Kritik und all den Forde-ungen im Zusammenhang mit Hedgefonds wirklich er-taunlich, welche Entwicklung wir in den letzten Mona-en auf den internationalen Finanzmärkten erlebt haben.ch hätte es nicht für möglich gehalten, dass das FSF soeitreichende Vorschläge entwickelt. Hier müssen wirranbleiben.
etzt gilt es, schnell zu reagieren und das Zeitfenster, dasns zur Verfügung steht, zu nutzen, bevor es sichchließt. Diese Gelegenheit müssen wir ergreifen.Ausgerechnet Sie, Herr Zeil, haben diese Problematikben als eine Art Rammbock benutzt.
elbst ein Juso wäre nur in seinen allerbesten Zeiten iner Lage, eine solch antikapitalistische Rede zu halten,ie Sie es getan haben.
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16692 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Ortwin RundeWenn Sie diesen Rammbock dazu nutzen wollen, auf dieöffentlichen Banken bzw. auf den öffentlich-rechtlichenSektor zu schießen, muss ich Ihnen sagen: Thema ver-fehlt!
Das dreigliedrige System aus öffentlich-rechtlichenSparkassen und Landesbanken, Genossenschaftsbankenund privaten Geschäftsbanken ist eine wichtige Infra-struktur. Dieses System ist erhaltenswert; darüber solltenwir uns alle einig sein. Dass Sie, damit Ihr Feindbildpasst, auch die IKB zu einer öffentlich-rechtlichen Bankerklären, ist ein Griff der besonderen Art.
Jeder, der die Geschichte kennt, weiß, was imJahre 2001 geschehen ist, als die Allianz aussteigenwollte und ausländische Investoren einsteigen wollten.
Damals hat der gesamte Mittelstand bzw. die deutscheWirtschaft die Auffassung vertreten:
Die KfW soll sich beteiligen, sie hat einen bestimmtenAuftrag. – Dieses Vorgehen im Nachhinein zu diskredi-tieren, halte ich für intellektuell nicht redlich.
Zum Schluss. Sie müssen sich über eines klar werden:Wie stehen Sie zu den Anstrengungen zur Sanierung derIKB? Sind Sie dafür gewesen – im Interesse sowohl derStabilität des Finanzsystems in Deutschland als auch dermittelständischen Kreditnehmer –, oder sind Sie dage-gen? Ich weiß nicht, was Ihr Ausgangspunkt ist. Ist dasdiese Beliebigkeit, die man manchmal hat, wenn man inder Opposition ist und Kritik übt, diese Art von Opportu-nismus? Welchen Standpunkt vertreten Sie? Das müssenSie uns einmal erklären.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufden Drucksachen 16/8771, 16/6998 und 16/8888 an diein der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a und 28 b auf:a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Neuregelung des Wohngeldrechts und zurzßAhmWBDnB
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt-entwicklung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill,Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, weitererAbgeordneter und der Fraktion DIE LINKEHeizkostenzuschüsse für einkommensschwa-che Privathaushalte ermöglichen– zu dem Antrag der Abgeordneten BettinaHerlitzius, Markus Kurth, Cornelia Behm, weite-rer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENErwerbsarmut verhindern – Einkommen stär-ken – Wohngeld jetzt verbessern– Drucksachen 16/3351, 16/8053, 16/8922 –Berichterstattung:Abgeordneter Sören BartolZu dem Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierungur Neuregelung des Wohngeldrechts liegt ein Entschlie-ungsantrag der Fraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichöre dazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-inister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,olfgang Tiefensee.
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,au und Stadtentwicklung:Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Wohnen ist ei-es der elementarsten Grundrechte der Bürgerinnen undürger. Die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16693
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseehängt ganz wesentlich davon ab, dass sie über Wohn-raum verfügen, der sicher ist, der bezahlbar ist, der ihnenstabil und angemessen zur Verfügung steht. Es ist insbe-sondere eine Aufgabe der Politik, wenn auch nicht nurder Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es er-möglichen, dass das Wohnen in Deutschland für jeder-mann erschwinglich und sicher ist.
Der vorliegende Gesetzentwurf beschäftigt sich imengeren Sinne mit dieser Problematik. Sie werden ver-stehen, dass ein Stadtentwicklungsminister kurz denKontext darstellt, in dem das Wohnen steht: Wohnen fin-det in Städten, in Gemeinden, auf dem flachen Landestatt. Wir werden uns neben dem, worüber wir heute zuberaten haben, immer wieder darum kümmern müssen,dass es keine großen Unterschiede zwischen den Stadt-teilen, zwischen den Städten gibt, dass man in allenStadtteilen sicher wohnen kann. Dabei müssen wir denHerausforderungen des demografischen Wandels ge-nauso gerecht werden wie den Fragen der Integration.Unser Ziel muss sein, zu ermöglichen, dass man inDeutschland weiterhin in lebenswerten Stadtteilen, Städ-ten und Gemeinden wohnen kann.Neben dem vorgesehenen Kinderzuschlag und derRentenerhöhung wollen wir auch eine Verbesserung desWohngeldes auf den Weg bringen. Wir haben dabei un-terschiedlichste Gruppen von Menschen im Blick: Jungund Alt, Singles und Familien genauso wie Erwerbstä-tige und Nichterwerbstätige. Das Wohngeldrecht ist zu-letzt im Jahre 2001 novelliert worden. Seit dieser Zeitsind die Kaltmieten um durchschnittlich 8 bis 10 Prozentgestiegen, die Heizkosten sogar um etwa 50 Prozent.Das hat dazu geführt, dass es insbesondere für diejeni-gen mit einem schmalen Portemonnaie schwieriger ge-worden ist, ihre Wohnung zu bezahlen. Deshalb richtetsich diese Novelle zum Wohngeldrecht insbesondere andrei Gruppen: Die erste Gruppe sind die einkommens-schwachen erwerbstätigen Bürgerinnen und Bürger. Diezweite Gruppe sind die Rentnerinnen und Rentner. Diedritte Gruppe sind diejenigen, die aus sachfremdenGründen von der Bundesagentur für Arbeit Mittel für dieKosten der Unterkunft erhalten. Insbesondere diesendrei Gruppen kommt das Gesetz zugute; hier kommt eszu einer Leistungsverbesserung.Mit vier Komponenten erreichen wir die Leistungs-verbesserungen. Erstens wollen wir die Baualtersklassenauf Neubauniveau zusammenfassen. Zweitens wollenwir die Tabellenwerte um 8 Prozent erhöhen. Drittenssollen die Miethöchstbeträge um 10 Prozent erhöht wer-den. Viertens führen wir erstmals eine Heizkostenkom-ponente von 50 Cent pro Quadratmeter ein. Aufgrunddieser vier Komponenten ist es möglich, die durch-schnittliche Auszahlungshöhe, die bisher etwa 90 Europro Monat beträgt, auf etwa 140 Euro pro Monat an-zuheben. Das ist ein deutlicher Zuwachs in den Porte-monnaies der Bürgerinnen und Bürger, und zwar insbe-sondere der Klientel, die wir hier im Blick behaltenmüssen. Das ist ein Riesenerfolg.
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Wir haben eine Heizkostenkomponente eingeführt,eil uns eine Heizkostensteigerung um 50 Prozent zuenken geben muss. Wir schließen damit an andere Pro-ramme an, die der Bund aufgelegt hat. Ich erinnere anas CO2-Gebäudesanierungsprogramm und seine segens-eichen Wirkungen. Wir unterstützen die Eigentümeron Gebäuden und Wohnungen dabei, den Mieterinnennd Mietern Wohnraum zur Verfügung zu stellen, derlimaverträglich und bezahlbar ist, sodass das Porte-onnaie geschont wird.Ich möchte noch ein Wort an die Länder richten.eute tagt der Bundesrat, und der Bundesrat wird sich inürze auch mit diesem Gesetz beschäftigen. Mir ist be-usst, dass wir noch einen Punkt zu klären haben, undwar die Grundsicherung bei Altersarmut bzw. Erwerbs-inderung. Für die Öffentlichkeit sei noch einmal deut-ich gesagt: Hier besteht kein direkter Sachzusammen-ang. Die Grundsicherung steht nur in diesemesetzentwurf, weil sie seinerzeit im Rahmen eines Ver-ittlungsverfahrens in das Wohngeldgesetz aufgenom-en worden ist. Ich appelliere an die Länder, dass wirns über die Grundsicherung, die Unterstützung desundes gegenüber den Ländern, verständigen. Das soll-en wir aber zügig tun, damit die Regelungen zumohngeld verabschiedet werden können.
Es ist ein guter Tag für all diejenigen, die nicht vieleld im Portemonnaie haben und einen sicheren, be-ahlbaren und angemessenen Wohnraum haben wollen.ie Bundesregierung unterstützt mit den deutlich
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16694 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseeverbesserten Wohngeldleistungen, dem erhöhten Kinder-zuschlag und der Rentenerhöhung gerade diese Bürge-rinnen und Bürger und betreibt mit ihrer Wohnungspoli-tik Sozialpolitik erster Güte. Ich bitte um Unterstützung.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich für die
FDP-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Herr Minister, wer Sie so reden hört und dieHintergründe nicht kennt, der meint tatsächlich, dass Sieaufgrund der Erkenntnisse, die in Ihrem Hause gewon-nen werden, an der Erarbeitung des vorliegenden Ge-setzentwurfs mannhaft, stark und intensiv mitgewirkthaben. Die Realität sieht leider ein bisschen anders aus,Herr Minister. Es ist richtig: Seit 2001 wurde das Wohn-geld nicht mehr erhöht. Wir haben mehrfach darauf hin-gewiesen, dass das zwei Probleme verursacht. Sie stellenzunehmend mehr Wohngeldempfänger aus den unterenEinkommensgruppen vor den Zwiespalt, weiterhinWohngeld zu beziehen und damit einen zu geringen Zu-schuss zu den warmen Nebenkosten zu bekommen oderzu Aufstockern nach dem SGB II zu werden, weil dasunter dem Strich finanziell interessanter ist.Ihr Ministerium hat im Juni 2007 einen Wohngeldbe-richt vorgelegt. Wer nun geglaubt hat, dass Ihr erster Ge-setzentwurf, der im August 2007 vorgelegt wurde, eineAntwort auf die Fragen betreffend das Wohngeld gebenwird, muss sich auf den Arm genommen vorgekommensein, wenn er gelesen hat, was RegierungssprecherThomas Steg damals zum Gesetzentwurf erklärt hat. Erhat gesagt, das Gesetz sei in Zusammenarbeit mit derGesellschaft für deutsche Sprache in einen verständli-cheren Duktus gebracht worden; hinzu kämen noch ei-nige verwaltungstechnische Vereinfachungen. Von einerWohngelderhöhung war im August 2007 noch gar keineRede. Sie haben weder die Anregungen der Oppositionnoch die Vorschläge des GdW, des BFW, der Sozialver-bände und anderer aufgegriffen. Die Opposition musstemit vereinten Kräften eine Anhörung durchsetzen.
– Lieber Herr Kollege Bartol, wenn es die Anhörung imDezember 2007 nicht gegeben hätte, dann gäbe es wahr-scheinlich noch immer keine Wohngelderhöhung. Da-rüber hätten Sie nachdenken sollen, bevor Sie solche we-nig sensiblen Zurufe machen. Darüber kann man sichschon aufregen.
Sie sind erst im Dezember 2007 aufgewacht und ha-ben dann einen Gesetzentwurf vorgelegt. Angesichts derFakten, die der Minister genannt hat, müssen Sie sichablhkDnWaevwn1dlMttVrhbs1gAnwDdglsng–Dvhbcznhtü
Herr Minister, Ihr Haus hat sensationelle Arbeit ge-eistet. Wir haben während der Ausschussberatungen amittwoch über einen Punkt diskutiert, der zwar ein De-ail sein mag, der aber sehr bezeichnend ist. Bislang hat-en wohngeldzahlende Institutionen das Recht, beimersterben des Mieters vom Vermieter Wohngeld zu-ückzufordern. Das muss man sich auf der Zunge zerge-en lassen: Ein Vermieter, der berechtigterweise Mieteekommt, wird in Haftung genommen, wenn ein Mietertirbt, wofür er nichts kann. Gestern Abend um9.38 Uhr hatten wir dann einen Gesetzentwurf vorlie-en, in dem diese Passage gestrichen war.
ls wir dies im Ausschuss beantragt haben, sind wiroch milde belächelt worden. Das zeigt auch die Hand-erkskunst, die hinter diesem Gesetz steht.
eswegen ist es ja verständlich, Herr Kollege Fischer,ass sich der Herr Minister heute nicht über das Wohn-eld auslässt, sondern über andere Themen, die sicher-ich wichtig sind, das eigentliche Problem aber nicht lö-en.Mit keiner dieser noch so intelligenten Lösungen – auchicht über das notwendige CO2-Gebäudesanierungspro-ramm – werden wir es erreichen, diesen ZielkonfliktWohngeld oder aufstockendes ALG II? – zu lösen.ies betrifft insbesondere junge Paare, die noch nichterheiratet sind und am Anfang der Berufstätigkeit ste-en. Im Jahr 2005 waren es immerhin 127 000 Vollzeit-eschäftigte, die länger als neun Monate im Jahr aufsto-ken mussten, um die warmen Nebenkosten finanzierenu können.All das, Herr Minister, wird in diesem Gesetzentwurficht geregelt. Da wir allerdings sehen, dass die Erhö-ung des Wohngeldes zumindest ein Schritt in die rich-ige Richtung ist, werden wir uns bei der Abstimmungber diesen Gesetzentwurf enthalten.Danke schön.
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Das Wort hat der Kollege Gero Storjohann für die
Unionsfraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Wir beraten heute hinsichtlich desWohngeldes über eine Vereinfachungsnovelle und übereine Leistungsnovelle. Herr Minister Tiefensee hat dieshier schon sehr kompetent vorgestellt. Selbstverständlichhätte ich mir gewünscht, dass die Opposition mit HerrnFriedrich ein bisschen mehr Optimismus in die Sache hi-neingebracht hätte.
Er hat seine Ausführungen mit einer solchen Leidens-miene vorgetragen, dass man sich schon langsam Sorgenmacht.
Gemeinsam haben die Bundesregierung und die Ko-alitionsfraktionen hier im Deutschen Bundestag beimWohngeld eine echte Leistungsverbesserung auf denWeg gebracht, insbesondere für Geringverdiener und Se-nioren mit niedrigen Renten. Herr Friedrich hat es schonangesprochen: Es gab auch eine Initiative aus dem Parla-ment heraus. Die Initiative der Regierung bezog sich aufdie Vereinfachungen; wir als Parlament haben uns dasErgebnis der Anhörung zu eigen gemacht, dass nach2001 eine Leistungsverbesserung beim Wohngeld drin-gend erforderlich sei. Diesbezüglich waren unisono alleFraktionen gleicher Meinung. Meines Erachtens könnenwir auch ein bisschen stolz sein, dass wir als Parlamentdies aufgegriffen und durchgesetzt haben.
Auch vor dem Hintergrund der Finanzdebatte derletzten zwei, drei Wochen ist es uns gelungen, das erfor-derliche Finanzvolumen von 520 Millionen Euro haus-haltsmäßig darzustellen und abzusichern. Wir sind hieralso auf einem guten Weg.40 Prozent der Wohngeldberechtigten sind Arbeitneh-mer mit geringem Einkommen, Menschen, die morgensaufstehen, ihren Beruf ausüben und eine starke Stützefür unser Staatswesen sind. Weitere 40 Prozent sindRentner, die diese Unterstützung nachweislich brauchen.Bei diesen Menschen geht es um mehr als um reine Kos-tenerstattung. Das Wohngeld hilft ihnen bei der Erfül-lung des Wunsches, ein eigenständiges Leben zu führen.Die steigenden Energiekosten, die in allen Haushaltenfestzustellen sind, und die allgemeine Teuerungsrate ha-ben jedoch in der Vergangenheit zu einer schleichendenEntwertung von Wohngeldleistungen geführt. Deswegenist es regelmäßige Aufgabe von uns Abgeordneten, dieWohngeldleistungen zu überprüfen. Wir wirken der an-gtahtwFDstvshbfidwWPdMgbSwwAHdnFsKMn2zdfdhditRehfdVvAu
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einer Fraktion liegt diese Problematik auch deshalbesonders am Herzen, weil – der Minister hat es bereitsesagt –, wenn es um Armutsthemen geht, die Menschenn den neuen Bundesländern überproportional betroffenind.Erst der massive Protest der Mietervereine und Woh-ungsverbände und eine von der Opposition initiiertenhörung zur Wohngeldnovelle führten dazu, dass dieundesregierung einen grundlegend überarbeitetenweiten Entwurf der Novelle eingebracht hat, übrigensrst vor drei Tagen.
iese Regelungen bringen nicht einen Cent Verbesse-ung der Situation der Betroffenen.Zurück zur vorgelegten Wohngeldnovelle.Deutschland läuft ungebremst auf eine neue Wohn-armut zu. Einkommensschwache Haushalte, egalob selbstnutzende Eigentümer oder Mieter, könnendie Explosion der Wohnkosten nicht mehr schul-tern. Die Politik ist gefordert, sofort ein wirksamesProgramm gegen drohende Wohnarmut zu entwi-ckeln.o die Einschätzung des Mieterbundes bereits im Som-er des letzten Jahres. Die nun vorgelegte überarbeiteteovelle ist in diesem Sinne ein kleiner Schritt in dieichtige Richtung.Die Linke fordert seit langem, dass das Wohngeldieder einen verlässlichen und wirksamen Beitrag zurntlastung einkommensschwacher Haushalte leistenuss. Wir sollten uns darüber klar sein: Menschen, dieinen überproportionalen Anteil ihres Einkommens füras Wohnen ausgeben müssen, sind von der sozialeneilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen. Haushalte,ie nur knapp oberhalb der zulässigen Einkommens-renze für den Wohngeldbezug liegen, zahlen heute be-eits bis zu 50 Prozent ihres Gesamteinkommens füriete und Nebenkosten. Deshalb stellt sich auch dierage, warum die Erhöhung des Wohngeldes erst am. Januar 2009 wirksam werden soll. Eine schnellerentlastung ist dringend geboten, zumal es gerade iminne von Familien mit geringem Einkommen erforder-ich ist, die Wohngelderhöhung zeitgleich mit der Ein-ührung des Kinderzuschlags, was für den 1. Oktober008 angekündigt wurde, einzuführen. Wir haben denerdacht, dass mit dieser Wohngeldnovelle Geschenkeür die Wahlkämpfe im Jahr 2009 vorbereitet werdenollen.Minister Tiefensee hat rechtzeitig vor der Landtags-ahl in Hamburg die Wohngelderhöhung mit beeindru-kenden Zahlen angekündigt: Der durchschnittliche Be-rag soll von 90 auf 150 Euro steigen. Wenn man sichies aber genauer anschaut, muss man feststellen, dassas im Einzelfall häufig nicht zutreffen wird. Mit dieser
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Heidrun BluhmErhöhung will man die Zahl der sogenannten Aufsto-cker, die innerhalb des SGB II Leistungen für Miete undHeizkosten beziehen, reduzieren und das Wohngeld alseine Alternative zum Arbeitslosengeld II attraktiver ma-chen. Die Zielrichtung ist richtig. Herr Storjohann, Siehaben hier gesagt, Sie wollten damit einen Fehler inHartz IV wiedergutmachen. Es ist schön, dass Sie einenFehler bei Hartz IV zugegeben haben.
Es ist aus unserer Sicht aber absolut kein Fehler, hier diePosition, die im SGB II verankert ist, zu übernehmenund Wohn- und Heizkosten komplett zu ersetzen.Wenn wir uns den seit drei Tagen vorliegenden Ge-setzentwurf genau schauen, erkennen wir, dass dort diealte Formel zur Wohngeldberechnung angewandt wird,mithilfe derer sich das Wohngeld um 8 Prozent erhöht.Danach erhält zum Beispiel ein Fünfpersonenhaushalteinen Zuschuss von 49 Euro. Insgesamt werden diestaatlichen Leistungen zur Deckung der Wohnkostennicht um 60 oder 70 Prozent erhöht, sondern maximalum 49 Prozent. Das ist schon ein kleiner Unterschied.Wir fordern mit unserem Antrag die Erstattung dertatsächlichen Kosten für Heizung und Warmwasser, so-dass der Preisentwicklung in diesem Bereich auch zu-künftig Rechnung getragen werden kann.
Gerade Geringverdiener müssen oftmals in schlecht sa-nierten Wohnungen wohnen und überproportional vielfür Heizung und Warmwasser ausgeben. Ein Umzug ingut sanierte Wohnungen kann sich diese Personengruppefinanziell nicht leisten.Die Einkommensgrenzen der Wohngeldberechtigtenzu erhöhen, findet unsere Zustimmung und war überfäl-lig. Damit wird sich die Zahl der sogenannten Aufsto-ckerhaushalte reduzieren; das begrüßen wir. Die Linkewill Hartz IV nicht zuletzt durch den Ausbau vorgela-gerter Sozialsysteme überwinden.
Kollegin Bluhm, achten Sie bitte auf die Zeit.
Danke. – Darüber hinaus fordert die Linke eine Dyna-
misierung des Wohngeldes. Wir wollen eine jährliche
Anpassung des Wohngeldes an die allgemeine Preisent-
wicklung. Das würde ganz sicherlich auch zu etwas
mehr Entbürokratisierung beitragen.
Wir als Opposition hätten zwar noch viel mehr zu sa-
gen, aber da meine Redezeit um ist, muss ich leider an
dieser Stelle abbrechen.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Bettina Herlitzius für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
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ber das Pferd ist noch ein bisschen lahm, Herr Minis-er. Sie könnten da ruhig noch ein wenig anschieben.rst nach der von uns beantragten Anhörung wurde deresetzentwurf nämlich entsprechend verändert. Soöchte ich darauf hinweisen, dass die Koalition ohneen Druck der Opposition eine Wohngeldreform ohneeistungsverbesserungen und mit einer deutlichen recht-ichen Schlechterstellung moderner Wohnformen verab-chiedet hätte.
an muss es einfach noch einmal deutlich sagen: Dierisanz war offensichtlich allen Beteiligten, vor allemem Ministerium, nicht klar.Trotz aller Verbesserungen ist aber das neue Wohn-eldrecht noch kein sozialpolitisches Glanzstück. Malanz davon abgesehen, dass die Leistungserhöhungenenerell noch deutlicher hätten ausfallen können, gibt eseine Festlegung, wann die Wohngeldanpassung erfolgt.ie Kollegin Bluhm hat das sehr deutlich ausgeführt.Meine Damen und Herren, wir werden in Deutsch-and auch zukünftig deutliche Preissteigerungen, insbe-ondere im Energiebereich, haben. Dadurch werden diealt- und besonders die Warmmieten weiterhin steigen.n Ihrem Vorschlag zum Wohngeldgesetz findet sichber weder eine Koppelung der Wohngeldhöhe an dieietentwicklung noch an die Entwicklung der Lebens-altungskosten. Das heißt, schon bald wird die Anpas-ung des Wohngeldes wieder hinter der Preissteige-ungsrate zurückbleiben. Die Gefahr bleibt, dass immerehr arbeitende Menschen in Hartz-IV-Leistungen rut-chen.Verschärfend – lassen Sie mich diese Bemerkung anieser Stelle machen – kommt natürlich noch der Rück-ug der Kommunen und damit von Unternehmen in öf-entlicher Hand aus dem kommunalem Wohnungsbauinzu. Auch das führt zu eklatanten Verschlechterungen;
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Bettina Herlitziusdenn der Markt an preisgünstigen, sanierten Wohnungenist äußerst eng geworden. Die Aktivitäten der Länderund der Kommunen im sozialen Wohnungsbau sindnämlich seit Jahren rückläufig.Dem Wohngeld kann nur dauerhaft eine Entlastungs-funktion zukommen, wenn es dynamisch angepasstwird.
Leider enthält der Gesetzesvorschlag dazu nichts.Auch gelingt es der Bundesregierung nicht, endlichein Gesamtkonzept zur Vermeidung von Erwerbsarmutvorzulegen. Das ist deswegen der zentrale Punkt in unse-rem Antrag. Nur wenn es uns gelingt, dafür zu sorgen,dass möglichst viele Menschen von ihrem eigenen Ein-kommen leben können, erreichen wir mehr soziale Ge-rechtigkeit und entlasten gleichzeitig den Staatshaushalt.
Dazu brauchen wir, Herr Minister, flächendeckendeMindestlöhne und progressiv gestaffelte Sozialabgabenbei geringen Einkommen.Was Sie hier machen, ist politisches Stückwerk. An-statt wenigstens die wenigen sozialpolitischen Gesetzes-initiativen aufeinander abzustimmen, werden Reformen,die eigentlich zusammenwirken müssten, wie die Erhö-hung des Wohngelds und die des Kinderzuschlags auswahltaktischen Gründen zeitlich auseinandergezogen.
Herr Minister Tiefensee, warum soll der erhöhte Kinder-zuschlag bereits im Herbst 2008, aber die Wohngeld-reform erst 2009 in Kraft treten?
Es sollte doch ein Regierungsziel sein, die Situation dereinkommensschwachen Menschen möglichst schnell zuverbessern.Meine Damen und Herren, wir werden uns in der Ab-stimmung über den Regierungsentwurf mit den Ände-rungen der Koalition der Stimme enthalten. Wir begrü-ßen die vorgesehenen Änderungen und sind froh, dassSie sich durch Learning by Doing weiterentwickelt ha-ben. Wir sehen aber noch deutlichen Verbesserungsbe-darf. Von daher bitten wir um Unterstützung für unsereneigenen Antrag, der wesentlich bessere und weiterge-hende Vorschläge enthält.Danke schön.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Sören
Bartol das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Mit der Novelle des Wohngeldrechts ist eingLKatbdmwzvgPdswt–InszhtMDligHGWszshdgd
Die Erhöhung des Wohngeldes um rund 60 Prozentird zusammen mit der Weiterentwicklung des Kinder-uschlags dazu beitragen, dass gerade Familien und auchiele ältere Menschen keine ergänzenden Sozialleistun-en mehr beantragen müssen. Diesem erklärten Ziel derolitik der Bundesregierung sind wir mit dem vorliegen-en Gesetzentwurf ein ganzes Stück näher gekommen.Wohngeld ist eines der zielgenauesten sozialpoliti-chen Instrumente, die wir haben. Auch für die Stadtent-icklung hat es eine nicht zu unterschätzende Bedeu-ung.
Danke, Kollege Storjohann.
ndem es dazu beiträgt, dass Menschen nicht ihre Woh-ung aufgeben und in günstigere Viertel umziehen müs-en, hilft es mit, eine Abwärtsspirale einzelner Stadtteileu verhindern. Die Wirksamkeit des Wohngeldes aberängt von seiner Höhe ab. Anders als viele Sozialleis-ungen ist es nicht dynamisch ausgestaltet. Steigendeieten führen hier also nicht zu einer Erhöhung.
ie letzte Erhöhung – das ist bereits gesagt worden –iegt sieben Jahre zurück. In diesem Zeitraum – auch dasst gesagt worden – sind die Mieten und auch die Ener-iekosten stark gestiegen. Viele einkommensschwacheaushalte sind angesichts dieser Belastung an ihrerenze gestoßen.
ir reden von 550 000 erwerbstätigen Menschen, dieich gezwungen sehen, zu ihrem Einkommen ergän-ende Leistungen nach SGB II zu beantragen, aus-chließlich oder überwiegend zur Deckung ihrer Unter-altskosten. Dies unterstreicht für uns alle noch einmalen Handlungsbedarf beim Wohngeld.Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD fest-elegt, das Wohngeld zeitnah und mit dem Ziel einereutlichen Vereinfachung zu überarbeiten.
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Sören BartolVor dem Hintergrund der beschriebenen Entwicklung istseine Stärkung ebenso erforderlich wie sinnvoll. DieWohnungspolitiker der SPD-Bundestagsfraktion hattendaher schon während der Anhörung gefordert, neben derVereinfachung eine Leistungsverbesserung vorzusehen.Das haben also nicht Sie gemacht, sondern das habenwir in der Koalition zusammen mit unserem Ministerdurchgesetzt.
Nicht zuletzt die hohe Zahl der Aufstocker machtdeutlich, dass wir dem SGB II vorgelagerte Leistungenbrauchen, die verhindern, dass Menschen in die unters-ten Netze unseres Sozialsystems fallen. Das Wohngeldist eine solche Leistung. Diese wird mit diesem Gesetzerheblich gestärkt.Mit der Einführung einer Heizkostenpauschale von50 Cent pro Quadratmeter stellen wir uns dem Problemder sogenannten zweiten Miete. Dabei verfolgen wirzwei Ziele: Wir lassen die Menschen mit den Heizkostennicht alleine und bieten dennoch einen Anreiz, mit Ener-gie sparsam umzugehen.Von der Novelle des Wohngeldrechts werden rund800 000 Haushalte profitieren. Darunter sind allein300 000 Rentnerhaushalte. Dazu kommt noch der wei-terentwickelte Kinderzuschlag. Damit entspricht unserGesetzentwurf in weiten Teilen den Forderungen IhresAntrages, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grü-nen; von dem weniger schlüssigen Antrag der Partei DieLinke kann man das leider nicht sagen. Insofern wäre esrichtig, wenn Sie, anstatt sich der Stimme zu enthalten,unserem Gesetzentwurf zustimmen würden.
Mit der auf dem überzeugenden Konzept vonWolfgang Tiefensee basierenden Novelle wird dasWohngeld seinem Anspruch auch in Zukunft gerecht.Menschen, die ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraftbestreiten, aber angesichts hoher Mietbelastung finan-ziell überfordert sind, ermöglichen wir ein angemesse-nes und familiengerechtes Wohnen. Dies ist ein großerErfolg und damit ein guter Tag für die Koalition.Bei aller Freude über diesen Gesetzentwurf möchteich dennoch klar sagen: Den Skandal, dass es Menschenin Deutschland gibt, die nicht von ihrer Arbeit lebenkönnen, obwohl wir uns wohlgemerkt in einem derreichsten Länder der Welt befinden, wird dieses Gesetznicht lösen.
Deshalb bleibt die Forderung nach Mindestlöhnen zurVerhinderung von Erwerbsarmut und Altersarmut inDeutschland ein zentrales Element sozialdemokratischerPolitik.AdmrrbgHdgwsgwUSgdBvnpfS
nders als bei der Novelle des Wohngeldrechts ist iniesem Punkt im Moment leider noch keine Einigungit unserem Koalitionspartner möglich. Wir arbeiten da-an; irgendwann wird die Union mitmachen.Jetzt aber von den im Moment noch unüberbrückba-en Gegensätzen zu dem, was uns in der Koalition ver-indet. Mit der Anhebung des Wohngelds gelingt uns einroßer Schritt hin zu mehr sozialer Sicherheit. Liebererr Kollege Storjohann, ich möchte Ihnen und allen an-eren Kollegen, die daran mitgearbeitet haben, für dieute Zusammenarbeit danken. Ich glaube, wir haben einichtiges Gesetz auf den Weg gebracht.Wohnen darf nicht zum Luxus werden. Deshalb müs-en die staatlichen Hilfen für bedürftige Menschen pass-enau und auf der Höhe der Zeit sein. Genau das habenir mit dem vorliegenden Gesetz erreicht.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Renate Blank für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassenie mich zum Schluss der Debatte mit einem Zitat be-innen:Staatliches Handeln, das den Sozialstaatsauftragernst nimmt, muss das Ziel haben, dass es mög-lichst wenig Arbeitslose gibt und nicht möglichstviel Arbeitslosengeld, dass es möglichst wenig So-zialhilfeempfänger gibt und nicht möglichst vielSozialhilfe, dass es möglichst wenige gibt, dieWohngeld nötig haben und nicht möglichst vielWohngeld.Dieses Zitat stammt aus der Rede von Bundespräsi-ent Johannes Rau anlässlich der Verleihung des Hans-öckler-Preises 2000; er hat recht.Der entsprechende Maßstab findet sich im Koalitions-ertrag zwischen CDU, CSU und SPD wieder:Bund und Länder werden das Wohngeld gerechtund zügig mit dem Ziel einer deutlichen Vereinfa-chung überprüfen.Alle Kritik daran, dass wir das Thema Wohngeldicht anpacken, läuft ins Leere; denn wir haben es ange-ackt. Das Ergebnis haben wir heute diskutiert.
Der Gesetzentwurf hat das Ziel, das Wohngeldrechtortzuentwickeln und seinen Vollzug zu vereinfachen.eit über 40 Jahren werden die Wohnkosten einkom-
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Renate Blankmensschwacher Mieter mit dem Wohngeld bezuschusst.Diese Leistung unseres Sozialstaats hat sich bewährt; sieist für sozial schwache Bürger und Familien unverzicht-bar. Die Wohngeldberichte der Bundesregierung belegendas. Teilweise wurden darin erhebliche Vollzugspro-bleme bei der Bewilligung von Wohngeldleistungen of-fenbart. Die Betroffenen sowohl aufseiten der Wohn-geldempfänger als auch aufseiten der Mitarbeiter derBewilligungsstellen haben sich über lange Bearbeitungs-zeiten und komplizierte Berechnungsverfahren beklagt.Hinsichtlich der Struktur der Wohngeldempfänger istvor allem ein starker Rückgang der Erwerbstätigen umfast 40 Prozent zu verzeichnen; die Zahl der kleinenHaushalte unter den Empfängern hat sich fast halbiert.Ursache hierfür – darauf wurde schon hingewiesen – istdie unterschiedliche Ausgestaltung des ALG II und desWohngeldes. Es bestand die Gefahr, dass das Wohngeldseine Rolle als zielgenaues und gerechtes Instrument dereinkommensbezogenen Förderung des Wohnens verliert.Für uns war es wichtig, ein Konzept zu entwickeln, dasauf das Gesamtgefüge staatlicher Sozialleistungen, dieHaushaltslage und die klimapolitischen Zielsetzungender Bundesregierung abgestimmt ist.Dieser Gesetzentwurf wird den Entwicklungen auchinsoweit gerecht, als durch den Wegfall der Baual-tersklassen materielle Verbesserungen eintreten; das istschon ausgeführt worden, darauf brauche ich nicht mehreinzugehen. Zudem bewirkt die neue Regelung, dasskeine verwaltungsaufwendigen Prüfungen der verwandt-schaftlichen Verhältnisse vorgenommen werden müssen.Das ist besonders wichtig; denn zuletzt gab es das Pro-blem, dass verstärkt Missbrauch betrieben wurde. Durchdie Neuregelung können Missbrauchstatbestände besseraufgedeckt werden. Das könnte dazu führen, dass derAufwand für Wohngeld insgesamt reduziert wird, wo-durch der Spielraum für Leistungsverbesserungen ausge-weitet würde. Die verstärkte Bekämpfung des Miss-brauchs ist also ein durchaus legitimes Argument für dieNeuregelung. Ich halte es für richtig, dass Länder undKommunen die Angaben derjenigen Menschen überprü-fen, die Geld vom Staat beziehen.Es bestand Handlungsbedarf; aber wir wollten nichtblindlings weiter Leistungen ausbauen. Wir müssen viel-mehr berücksichtigen, dass ein materieller Anreiz zumArbeiten gewahrt bleiben muss. Das sind wir den vielenBürgerinnen und Bürgern schuldig, die kein Wohngeldbeziehen, weil sie mit ihren Einkommen vielleicht nurknapp über der Wohngeldgrenze liegen, und die über dieSteuern diese Leistungen mitfinanzieren. Der Abstandvon sozialen Hilfen zu einem Einkommen aus Arbeitdarf nicht noch stärker schrumpfen.Über 800 000 Haushalte in Deutschland werden vomneuen Wohngeld profitieren, darunter circa 300 000 Rent-nerhaushalte. Das ist aus unserer Sicht dringend notwen-dig.Lassen Sie mich noch eine kurze Anmerkung zumsozialen Wohnungsbau bzw. der sozialen Wohnraumför-derung machen. Die Verantwortung dafür wurde denLändern übertragen, der Bund gibt aber dafür 518 Mil-lionen Euro aus. In diesem Zusammenhang stellt sich dieFdJuLMbtR–aLtDvw„edMhsssu–DvWßdtdnbadudW
eines Wissens haben Hamburg und Baden-Württem-erg salopp gesagt von Bayern abgeschrieben. Es könn-en sich aber auch noch weitere Länder, zum Beispielheinland-Pfalz, anschließen.
Auch Berlin. Vielen Dank für den Hinweis!Der Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke istus unserer Sicht wirklichkeitsfremd. Man kann deneuten nicht nach dem Mund reden und Wohltaten ver-eilen, sondern man muss auch Missbrauch verhindern.as gilt vor allen Dingen für den Missbrauch im Bereichon Energie. Mit dem Entschließungsantrag der Linkenird dieser Missbrauch keinesfalls verhindert.Die neue Formulierung „Haushaltsmitglied“ stattFamilienmitglied“ ist völlig richtig. Wir wissen, dassin Zusammenleben nicht unbedingt mit Familie verbun-en ist. Um Missbrauch zu vermeiden, ist die Pflicht vonitgliedern einer Wohngemeinschaft gegenüber der Be-örde, über ihre Lebensverhältnisse und die gesamt-chuldnerische Haftung Auskunft zu geben, notwendig.Die vorgesehene Neuregelung des Wohngeldrechtstärkt die Familie und verhindert Missbrauch. Ich ver-tehe die Linken nicht, die meinen, dem Missbrauch Türnd Tor öffnen zu müssen.
Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu, weil sich dieebatte ihrem Ende nähert.Für die CDU/CSU-Fraktion ist das Wohngeld ein un-erzichtbarer Bestandteil einer familienorientiertenohnungs- und Baupolitik in Deutschland. Wir begrü-en deshalb die vorgesehenen Neuregelungen, insbeson-ere die deutliche Wohngelderhöhung. Sie hilft Haushal-en mit geringen Einkommen.Ich danke auch den Experten, die im Rahmen der voner Opposition beantragten Anhörung – warum sollteicht auch einmal die Opposition gute Anregungen ein-ringen? –
usführlich, geduldig und gut Rede und Antwort gestan-en haben. Ich danke aber auch allen Beratungsstellennd Wohlfahrtsverbänden im Land, die die Bürger überas neue Wohngeld aufklären und informieren. Denn dasichtigste ist, dass es bei denen ankommt, die es brau-
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Renate Blankchen, denen es zusteht und die es zu Recht in Anspruchnehmen. Der Mensch und nicht die Rendite steht für unsim Mittelpunkt einer verantwortungsbewussten Woh-nungs- und Stadtentwicklungspolitik.
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Hans-Kurt
Hill das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin
Blank, ich fand alle heutigen Redebeiträge sehr kon-
struktiv, wenn wir auch inhaltlich nicht in allen Punkten
übereinstimmen. Ich finde es aber unmöglich, dass ge-
rade Sie von der CDU/CSU den Missbrauch so in den
Vordergrund stellen. Betrachten Sie einmal die Verhält-
nisse derjenigen, die Wohngeld beantragen! Sie verfügen
nicht über ausreichende Mittel, um sich wie wir, die wir
uns eine 10-prozentige Diätenerhöhung angeeignet ha-
ben, den Kauf hocheffizienter Geräte leisten zu können.
Ich sage das ganz einfach im Sinne dieser Menschen.
Ich finde es unmöglich, dass Sie in Ihrer Rede den
Missbrauch so sehr in den Vordergrund gestellt haben.
Das ist ein Mit-dem-Finger-Zeigen auf diejenigen, die
Wohngeld beantragen. Schließlich muss dieses Geld erst
beantragt werden. Dann heißt es sofort: Wie sieht es
denn mit Missbrauch aus? Ich glaube, es war das Ziel Ih-
rer Rede, dass viele Menschen das Wohngeld erst gar
nicht beantragen. Das finde ich einfach unmöglich.
Danke.
Frau Blank, Sie haben das Wort.
Herr Kollege, eigentlich wollte ich Ihnen nicht ant-
worten. Aber beim Thema Missbrauch muss ich Ihnen
doch sagen: Wenn jemand zu Recht Wohngeld bezieht,
dann ist dies kein Missbrauch, damit ich richtig verstan-
den werde.
Das Wohngeld als einen sozialen Anspruch haben wir
erhöht, weil seit 2001 keine Erhöhung mehr stattgefun-
den hat.
Sie wollten mir unterstellen, dass ich einen Wohn-
geldempfänger als Missbrauchstäter bezeichne. Das ist
nicht der Fall. Wir wollen, dass das Wohngeld sozial ge-
recht ausgezahlt wird. Uns ist wichtig, dass mit Heizung
und Energie sparsam umgegangen wird. Deswegen habe
ich einen Unterschied zwischen Einzelpersonen und Fa-
milien in einem Haushalt gemacht. Auch derjenige, der
in einem Haushalt ohne Familie wohnt, hat Anspruch
auf Wohngeld. Aber die Vermögensverhältnisse müssen
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Ich korrigiere mich: Der Gesetzentwurf ist mit dentimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung derppositionsfraktionen angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-ntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/8955.er stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wertimmt dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nichter Fall. Der Entschließungsantrag ist gegen die Stim-en der antragstellenden Fraktion abgelehnt.Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 28 b,eschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Baund Stadtentwicklung auf Drucksache 16/8922. Derusschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussemp-ehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Dieinke auf Drucksache 16/3351 mit dem Titel „Heizkos-enzuschüsse für einkommensschwache Privathaushaltermöglichen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-ung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dieeschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Unions-raktion, der SPD-Fraktion, der FDP-Fraktion und derraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen derraktion Die Linke angenommen.Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlter Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktionündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/8053 mit
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16702 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Vizepräsidentin Petra Paudem Titel „Erwerbsarmut verhindern – Einkommen stär-ken – Wohngeld jetzt verbessern“. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit denStimmen der Unionsfraktion, der SPD-Fraktion, derFDP-Fraktion gegen die Stimmen der FraktionBündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion DieLinke angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Neuregelung des Verbots der Vereinba-rung von Erfolgshonoraren– Drucksache 16/8384 –Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 16/8916 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Jürgen GehbChristoph SträsserJoachim StünkerMechthild DyckmansWolfgang NeškovićWolfgang WielandNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höredazu keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-mentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.A
Frau Präsidentin, ich bedanke mich für die Wortertei-lung. – Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Eigentlichmüsste das Gesetz heißen: Gesetz zur Ermöglichung ei-nes Erfolgshonorars. Warum es anders heißt, wird HerrGehb nachher erläutern; er hat mehr Redezeit als ich.Wir eröffnen mit diesem Gesetz für die Angehörigender rechtsberatenden Berufe in Deutschland und auch fürdie Rechtsuchenden neue Gestaltungsmöglichkeiten beider Vereinbarung der Vergütung. Anlass für die Neure-gelung war, wie immer mal wieder, eine Entscheidungdes Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Diese Ent-scheidung von Ende 2006 hat uns aufgegeben, bis Mittedieses Jahres eine Neuregelung zu schaffen.Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dassdas ausnahmslose Verbot – deswegen der Name – an-waltlicher Erfolgshonorare gegen die im Grundgesetzverankerte Berufsfreiheit verstößt. Es lässt nämlich eineAusnahme noch nicht einmal für den Fall zu, dass be-sondere Umstände in der Person des Mandanten vorlie-gen, und zwar selbst dann nicht, wenn diese Umständedazu führen, dass der Mandant ohne die Vereinbarungeines Erfolgshonorars davon abgehalten wird, seineRechte zu verfolgen.dEvbembbZghvwIRÄc„flrrdvasneduAddadwr–
Die Gefahr, dass Prozesse provoziert und Gerichtennötig belastet werden, besteht meines Erachtens nicht.
ußerdem ist das auch die ausdrückliche Feststellunges Bundesverfassungsgerichts. Ich glaube, wir könnenas Vorhandensein einer Gefahr vor allem unter Hinweisuf die Unterschiede in den Rechtsordnungen verneinen.Ich hätte mir vor dem Hintergrund der Entscheidunges Bundesverfassungsgerichts allerdings schon ge-ünscht – ich sage „ich“ und nicht „das Justizministe-ium“ –
ja, es ist so –,
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Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbachdass wir das ein bisschen weiter öffnen. Die Diskussionum die Neuregelung hat gezeigt, dass es Konstellationengibt, in denen der Bedarf für die Vereinbarung von Er-folgshonoraren weit über das hinausgeht, was wir jetztregeln.
Das gilt vor allen Dingen für international tätige deut-sche Rechtsanwälte, die mit ausländischen Anwälten umein Mandat konkurrieren, etwa im Bereich des Gesell-schaftsrechts, und die anders als ihre ausländischen Kol-legen daran gehindert sind, eine erfolgsbasierte Vergü-tung zu vereinbaren, wenn nicht die enge Ausnahmevorliegt. Die Law Society of England and Wales wirbtzum Beispiel ganz ausführlich damit, dass es möglichist, Rechtsstreitigkeiten aus aller Welt dort zu regeln.
Obwohl wir heute nur eine kleine Lösung beschlie-ßen, ist es gleichwohl ein guter Weg. Wir alle sind aufge-rufen, in der Zukunft zu beobachten – wir werden das si-cherlich tun –, wie es weitergeht. Es kann also sein, liebeKolleginnen und Kollegen, dass wir uns vielleicht in einpaar Jahren wieder zusammensetzen und eine andere Lö-sung finden.Mir verbleiben noch 18 Sekunden Redezeit, die ichnutzen möchte, mich noch einmal sehr herzlich für dieZusammenarbeit zu bedanken. Ich glaube, die Beratun-gen sind sehr gut und fair gelaufen. Die Rechtsuchendenwerden große Vorteile von diesem Gesetz haben.Vielen Dank und ein schönes Wochenende.
Jetzt hat die Kollegin Mechthild Dyckmans von der
FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Ganze 30 Werktage dauerte die parlamentarischeBeratung zu diesem Gesetzentwurf; davon fielen nur12 Werktage in die Sitzungswochen. Im Gegensatzhierzu steht ein Jahr, also etwa 250 Werktage, regie-rungsinterne Beratungen seit der Entscheidung des Bun-desverfassungsgerichts, die der Herr Staatssekretärschon erwähnt hat.
– Ja, wir waren noch besser. Aber eben hat der HerrStaatssekretär ein paar Sekunden eingespart, weil erseine Redezeit nicht ganz ausgenutzt hat.
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Auch den Damen und Herren aus dem Ministeriumpreche ich unseren Dank aus. Sie haben unsere Ände-ungswünsche zügig umgesetzt, sodass wir heute einenuten Gesetzentwurf verabschieden können.Der Anwaltschaft, die ja in besonderer Weise von die-em Gesetz betroffen ist, ist es ebenfalls gelungen, eineemeinsame Stellungnahme abzugeben. Man muss aberehen, dass es viele Anwälte gibt, die sich für Erfolgsho-orare aussprechen und daher auch die Möglichkeit zurereinbarung solcher Honorare haben wollen. Auf dernderen Seite gibt es natürlich Anwälte, die – ebensoie wir im Rechtsausschuss – grundsätzlich eine Gefahrn der Zulassung von Erfolgshonoraren sehen.Nun zum Inhalt des Entwurfs. Der Kollegeartenbach hat ihn schon vorgestellt. Ich sage ganz klar:em Entwurf in der jetzt vorliegenden Form stimme ichieber zu als dem in der ursprünglich vorgelegten Fas-ung.
ür uns Liberale – das habe ich schon in der Debatte imahmen der ersten Lesung deutlich gemacht – kommtngesichts der Auswüchse der US-amerikanischen Kla-eindustrie eine vollständige Freigabe von Erfolgshono-aren in Deutschland nicht in Betracht. Zwar hätte dasundesverfassungsgericht eine solche Möglichkeiturchaus zugelassen. Aber es hat auf der anderen Seiteuch deutlich gemacht, wo das verfassungsrechtlich ge-otene Minimum liegt. Ich bin froh, dass wir uns schluss-ndlich für diese kleine Lösung entschieden haben.Machen wir uns nichts vor: Amerikanische Rechts-erhältnisse drohen uns auch weiterhin. Die EU-Kom-ission ist gerade dabei, uns auch in Deutschland dieon mir strikt abgelehnte Sammelklage zu bescheren.ch bin mir sicher, weitere amerikanisierende Schritte innderen Bereichen stehen vor der Tür.Parallel hierzu wird – dessen bin ich mir ebenfalls si-her – die Debatte um eine weitere Freigabe von Er-olgshonoraren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nichteendet sein. Der Trend in Europa geht nun einmal inichtung Erfolgshonorare. Beispielsweise sind in1 Mitgliedstaaten der Europäischen Union Erfolgsho-orare mehr oder weniger erlaubt. Daher wird die Dis-ussion darüber in Deutschland weitergehen.
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Mechthild DyckmansEs gibt bereits heute renommierte Juristen – ich erin-nere nur an Professor Henssler –, die diese Freigabe for-dern. Umso wichtiger ist es, dass wir uns im Bundestagfraktionsübergreifend ganz klar für die kleine Lösungausgesprochen haben und deutlich machen, wo wir Ge-fahren für eine Freigabe von Erfolgshonoraren sehen.
Positiv werte ich inhaltlich den Verzicht auf dieSchriftform. Es ist gut, dass die Voraussetzung der Un-terschrift beider Vertragspartner weggefallen ist und wirnun zur Textform übergegangen sind. Das Erfolgshono-rar kann jetzt auch per Telefax oder in elektronischerForm vereinbart werden.Wichtig ist auch – darauf habe ich schon in den Bera-tungen im Rechtsausschuss hingewiesen – die Abkehrvon der Darstellung der tatsächlichen und rechtlichenErwägungen. In der Vereinbarung müssen also nur nochdie wesentlichen Gründe dargestellt werden. Das ermög-licht gerade bei der Erfolgshonorarvereinbarung im Zu-sammenhang mit strafrechtlichen Mandaten eine prakti-kable Lösung. Denn wenn wir gefordert hätten, dass dietatsächlichen und rechtlichen Erwägungen dargestelltwürden, dann hätten wir das Schweigerecht des Ange-klagten mehr oder weniger ausgehöhlt.Obwohl uns das Bundesverfassungsgericht die Mög-lichkeit gegeben hätte, gerade in familienrechtlichenoder auch in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten auf dieZulassung von Erfolgshonoraren zu verzichten, glaubeich, dass wir mit Recht davon ausgegangen sind, dassauch hier in einem engen Rahmen ein Bedürfnis für dieVereinbarung von Erfolgshonoraren besteht.Die FDP stimmt diesem Gesetzentwurf zu. Aberebenso, wie der Kollege Hartenbach schon gesagt hat,sind wir der Meinung, dass wir die Folgen des Gesetzessorgfältig zu beobachten haben werden. Ich bin sicher:Das werden wir tun.Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Jürgen Gehb von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als dasBundesverfassungsgericht am 12. Dezember 2006 uns,dem Gesetzgeber, aufgegeben hat, dass wir von Verfas-sung wegen von dem rigorosen Verbot der Vereinbarungvon Erfolgshonoraren absehen müssten, habe ich gleicham ersten Tag, als mich die Presse anrief, gesagt: Damitmüssen wir behutsam, mit Augenmaß, eng und restriktivumgehen, weil wir in Deutschland weder auf demRechtsgebiet noch sonst wo amerikanische Verhältnissehaben wollen.
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Sie auch, Herr Montag. Ich hatte eigentlich gedacht, esei eine schöne Veranstaltung gewesen. Aber Sie warenuch mit.
Was ist mit den Erfolgshonoraren in Amerika? Dieind nicht zu verwechseln mit dem, was wir hier wollen.as amerikanische Recht ist durch das sogenannte Pri-ate Law Enforcement geprägt. Das heißt, es gibt keineffentlich-rechtlichen Anfechtungsmöglichkeiten gegenbrigkeiten, sondern man muss sich alles über Anwälterstreiten. Da gibt es Contingency Fees; das sind Er-olgshonorare, die bis zu 60 Prozent der erstrittenenummen ausmachen.In Amerika suchen die Anwälte zunächst nach haf-ungsrelevanten und lukrativen Schadensfällen. Erst imweiten und dritten Schritt suchen sie sich die dazu pas-enden Kläger. Sie fliegen mit Privathubschraubern undlugzeugen, auf deren Tragflächen „Wings of Justice“teht, durch die Gegend und sagen: Hier ist ein Fall; dapringen Millionen heraus.Das ist bei uns nicht zu erwarten, weil wir auch diebrigen Voraussetzungen nicht haben, nämlich die Ame-ican Rule, bei der nicht wie bei uns derjenige die Kos-en trägt, der verliert, sondern derjenige, der als Beklag-er in Anspruch genommen wird. Er bleibt auf seinenosten sitzen, selbst wenn die Klage abgewiesen wird.Dort haben wir das Phänomen der Punitive Damages.as heißt, der Strafschadensersatz wird nicht wie bei unseregelt. Man wird nicht so gestellt, wie man vorher imerhältnis zu nachher stand; dies bezieht sich auf die be-ühmte Differenzhypothese. Allerdings haben wir bereitsngefangen, da Mist zu machen. Ich nenne nur allgemeinas Gleichbehandlungsgesetz.
uch da haben wir erste Punitive Damages. Oder beden-en Sie, was Frau Dyckmans gerade zu den Sammelkla-en gesagt hat. Diese berühmten Class Actions gibt esnsatzweise auch bei uns im Verbraucherrecht. Alsoage ich: Wehret den Anfängen!
ennoch muss ich sagen: Unsere Erfolgshonorare sindtwas anders ausgestattet.Wie sind sie ausgestattet? Ich will das nicht in einemlippklappschema abhandeln. Es ist schon gesagt wor-en: Wir haben eine moderne Form gewählt. Es gilticht mehr die klassische Schriftform, sondern E-Mail
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Dr. Jürgen Gehbund Telefax, also die Textform. Wir haben auch die Fälleberücksichtigt, in denen man bei vernünftiger Betrach-tungsweise einen Prozess nicht führen würde, weil er ei-nen in den wirtschaftlichen Ruin treiben könnte. DasBundesverfassungsgericht hatte noch den Fall im Auge,dass der völlig Mittellose seine Anwaltskosten nur dannbezahlen kann, wenn ihm das, was er will, erstrittenwird. Wir haben gesagt: Es geht nicht nur um den völligMittellosen, sondern auch um den sogenannten Stino.Der Stino – diesen Begriff habe ich kennengelernt –
ist der Stinknormale. Herr Kollege Stünker, das sindMenschen wie Sie und ich, die wir uns unser Einfamili-enhaus lange vom Mund abgespart haben.
Viele von uns Stinos sehen nur deshalb von einem Pro-zess ab, weil wir am Ende möglicherweise unser schönesHäuschen verspielen und die Kinder nicht mehr studie-ren lassen könnten.Die Frage des finanziellen Prozessrisikos ist immereine Frage der Verhältnismäßigkeit; denn jeder überlegt,was ihm im Falle der Niederlage blüht. Das gilt nicht nurfür den völlig Mittellosen. Wir wenden uns auch denje-nigen zu, die sich mit eigener Kopf- oder Handarbeit et-was geschaffen haben und nicht das Risiko eingehenwollen, dessen verlustig zu gehen.Wir haben dafür gesorgt, dass die Anwälte nicht mehrwie früher sagen können: Wir vereinbaren ein Honorarin Höhe von 1 000 Euro – dahinter steckt natürlich einegewisse Erfolgsabhängigkeit –, deklarieren das abernicht als Vorschuss, sondern lassen uns den Betrag vorabzahlen. – Am Ende wurde die Erfolgshonorarvereinba-rung zwar nichtig, aber der Mandant hat sein Geld nichtwiederbekommen; wir alle kennen die Vorschrift des§ 814 BGB. Das ist für sich genommen schon schlimm.
Besonders schlimm ist es aber, wenn der Vorsitzende desBerufsrechtsausschusses im Deutschen Anwaltsvereinauf Seite 34 im Anwaltsblatt 1/2008 diesen Tipp gibtund sagt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf diese Artund Weise haben wir es in der Hand, ob wir die Erfolgs-honorare behalten oder nicht. Es ist zwar nicht in Ord-nung, das zu verlangen, aber derjenige, der freiwilligund vorbehaltlos bezahlt hat, bekommt das Geld nichtzurück.Nun müssen sich die Anwälte nicht wundern, dass dieRegierung das bemerkt hat; obwohl man sich darübervielleicht sogar noch wundern könnte. Aber die Abge-ordneten haben es schließlich auch bemerkt.
Sie haben gesagt: Nein, alter Freund, so nicht.lAawndnMggAgV–brmMkrWfneOlWusagDlIrgtghegwnsD
er das meint, irrt freilich. Sie ist nicht darauf zurückzu-ühren. Sie haben vielmehr klaglos zugestimmt. Nur ei-er wird gleich wahrscheinlich vorlesen, dass es dochin Haar in der Suppe gibt – cum grano salis; für dieberrealschüler: mit einem Fünkchen Wahrheit.
Sinn der Erfolgshonorare ist natürlich – das ist eigent-iche Ratio legis –, dass das Risiko beim Anwalt liegt.enn der Erfolg nicht eintritt, hat er umsonst gearbeitet,msonst und kostenlos – das ist ja ein großer Unter-chied. Manche gehen, wie ich, kostenlos in die Schule,ber nicht umsonst. Andere sind umsonst in die Schuleegangen.
er Sinn dieser Regelung ist, dass man gar nichts bezah-en muss, wenn der Erfolg nicht eintritt.Es gibt eine versteckte Regelung, bei der man auf diedee kommen könnte, dass, wenn die Erfolgsvereinba-ung nichtig ist – wir haben gesagt, dass es dann bei deresetzlichen Vergütung bleibt –, die eigentlich beabsich-igte Risikoaustarierung konterkariert und auf den Kopfestellt wird. Das wird Herr Nešković, wie gesagt, nach-er vorlesen. Aber es ist natürlich nicht so, weil in derigentlichen Überschrift und auch in den tragenden Para-rafen dieses Gesetzes ganz klipp und klar geregelt ist,ie es sein soll.Ein anderer Aspekt ist: Beim Erfolg geht es nichtach dem Prinzip „alles oder nichts“. Es kann auch pas-ieren, dass der Anwalt, zu dem man geht, einem sagt:as ist ein schwieriger Fall. – Dann ist es durchaus
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16706 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Dr. Jürgen Gehbmöglich, dass man auf die gesetzliche Gebühr noch einSahnehäubchen drauflegen muss. Wenn dann die Er-folgsvereinbarung nicht in Ordnung ist, bleibt es auf je-den Fall bei der gesetzlichen Gebühr; denn der Anwaltsoll nicht für die Katz gearbeitet haben. Das ist übrigensständige Rechtsprechung. Lieber Alfred, dass man aller-dings in einem Gesetzentwurf eine Entscheidung an-führt, die aus einem Jahrgang stammt, der schon fast alsprähistorisch zu bezeichnen ist, das hätte nicht sein müs-sen.Noch eine Bemerkung. Frau Kollegin Dyckmans, Siehaben unterschwellig kritisiert, dass das alles sehr langegedauert hat. Sie wissen selbst, dass wir Rechtspolitikeruns nicht von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mitnur einer einzigen Materie beschäftigen, sondern dasswir viel zu tun haben.Ich möchte Ihnen am heutigen Freitagnachmittag nurnoch sagen:
– Na ja. – Ich freue mich, dass wir das jetzt gewuppt ha-ben. Du hast gesagt, ich würde etwas anderes erklärenals du; denn du wärst gerne weitergegangen, sogar nochweiter als die Anwälte. Ich finde es immer schön, wennsich jemand zum Sachwalter von Forderungen macht,die noch nicht einmal von den Interessenvertretern selbsterhoben werden.Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Freitagnach-mittag und ein schönes Wochenende. Wir sehen uns inder übernächsten Sitzungswoche wieder.
Dann werden wir sicherlich ein anderes sehr wichtigesrechtspolitisches Thema behandeln. Ich würde michübrigens freuen, wenn die rechtspolitischen Themennicht immer erst nach 18 oder 20 Uhr debattiert würden,
sondern auch einmal zu einer Zeit, zu der die Bürger underst recht die Betroffenen die Gelegenheit haben, dieseDebatte im Fernsehen zu verfolgen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Da bleibt mir nur noch, zu erwähnen, dass es jetzt
13.16 Uhr ist. Es ist also mitten am Tage, Herr Kollege
Gehb.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Gesetzentwurf, über den wir heute abstimmen,ässt Erfolgshonorare ausschließlich dann zu, wenn diesie wirtschaftliche Lage des Rechtsuchenden erfordert.as hat die Linke von Anfang an gefordert. Der Entwurfchien wie ein Haus zu sein, an dem alle Handwerkerute Arbeit geleistet haben. Aber, Herr Dr. Gehb, eininziges Loch im Dach schmälert bekanntlich den Wertes ganzen Hauses.Ein Kümmernis – Sie haben es angesprochen – bleibt4 b des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes. Bei dieserorschrift geht es um die Rechtsfolgen einer fehlerhaf-en Vergütungsvereinbarung. Ein Rechtsanwalt schließtit einem wirtschaftlich schlechtgestellten Mandantenine fehlerhafte Erfolgshonorarvereinbarung. Die Sacheeht jedoch ungünstig aus, und der Prozess geht verlo-en. Der Mandant schuldet seinem Anwalt nun eigent-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16707
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Wolfgang NeškoviæWolfgang Neškovićlich nichts bzw. zumindest weniger als die gesetzlicheGebühr. Dieser macht aber plötzlich die Fehlerhaftigkeitder Erfolgshonorarvereinbarung geltend, die er, derRechtskundige, selbst aufgesetzt hatte, und verlangt vonseinem rechtsunkundigen Mandanten die übliche gesetz-liche Gebühr. Der Mandant trägt also genau das Risiko,das er vermeiden wollte und das wir ihm mit diesem Ge-setz abnehmen wollten. Wie befremdlich! Das ist dasLoch im Dach, von dem ich eingangs gesprochen habe.In der Begründung zu § 4 b des Rechtsanwaltsvergü-tungsgesetzes wird einem erläutert, dass hier der Grund-satz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB Abhilfeschaffen kann. Herr Dr. Gehb, wir wissen, dass es sichbei diesem Grundsatz um die juristische Notbremse, umdie Ultima Ratio unserer Rechtsordnung handelt, derenAnwendung von einer Vielzahl einzelfallbezogener, sehrunterschiedlicher Umstände abhängig ist. Ob und wiedie Gerichte in einer Konstellation wie der eben geschil-derten diese Vorschrift anwenden, ist für die Parteiennicht absehbar.Wünschen würden sich die Gerichte und die Beteilig-ten, dass ein Rückgriff auf diese Vorschrift nicht erfor-derlich wird, weil der Gesetzgeber für die erforderlicheKlarheit sorgt; das ist die originäre Aufgabe, die wir ha-ben. Die haben wir nicht wahrgenommen.Herr Dr. Gehb hat die im Entwurf zitierte BGH-Ent-scheidung angesprochen. Diese Entscheidung hilft unsnicht weiter. Sie ist prähistorisch, wie Herr Dr. Gehb esgenannt hat: Die Rechtslage war damals eine ganz an-dere.Für ein Haus mit einem Loch im Dach gibt es keineErfolgsprämie, gibt es nicht die Zustimmung des ganzenHauses: Meine Fraktion wird sich der Stimme enthalten.Wenn Sie in dieses Haus einziehen möchten, dann tunSie das! Wir haben Sie auf das Loch im Dach hingewie-sen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Jerzy Montag von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wolltemich Ihnen eigentlich anschließen, Herr Kollege Gehb,dachte, diesmal könnte ich das tun.
Doch schon wieder sind Sie beim Antidiskriminierungs-gesetz ausgeglitten. Deswegen geht es schon wiedernicht.wliggscNssisaWkgmudblddwwdRsrDvwVGnmdDwWtRzlles
Aus unserer Sicht ist eine Stärkung des Verbraucher-chutzes notwendig, durch ein effektives Lauterkeits-echt und durch eine kollektive Rechtsdurchsetzung.azu brauchen wir eine Verbesserung der Abschöpfungon Unrechtsgewinnen und eine Verbesserung und Aus-eitung von Musterverfahren. Wir brauchen auch eineerbesserung der Möglichkeiten gemeinsamer Klage inruppenklagen, aber nach einem Opt-in-Verfahren,icht nach einem Opt-out-Verfahren.Grundsätzlich wollen wir keine Erfolgshonorare – da-it kommen wir zum Thema des Gesetzentwurfes, umen es heute geht –; denn wir wollen nicht, dass ineutschland der Rechtsanwalt ein Gewerbetreibenderie jeder andere wird.
ir sind der Auffassung, dass der Rechtsanwalt als Ver-reter der Interessen seiner Mandanten ein Teil gelebterechtsstaatlichkeit ist und ein Vollmitglied in dem Kon-ert, das die rechtsstaatliche Kultur ausmacht. Wir wol-en nicht, dass Rechtsanwälte in Zukunft einzig und al-ein dem Gewinnstreben verpflichtet sind. Sie sollen anrster Stelle den Interessen ihrer Mandanten verpflichtetein.
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16708 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Jerzy MontagIn der Debatte über eine große Lösung – das heißt: völ-lige Freigabe – und eine kleine Lösung – entsprechenddem Vorschlag des Bundesjustizministeriums – habenwir deswegen weder die eine noch die andere, sonderndie kleinstmögliche Lösung gewählt. Ich finde, das istauch richtig so.Auch bei den anderen Punkten haben wir eine enge,rechtstaatliche und klare Formulierung gefunden. Nurdann, wenn es uns gelingt, die Wege zum Recht auch inZukunft für möglichst alle Menschen in unserem Landoptimal offenzuhalten, werden wir vermeiden, dass unsdas Bundesverfassungsgericht in Zukunft eine neue Ent-scheidung vorlegt, sodass dann Herr StaatssekretärHartenbach recht bekäme. Ich hoffe, in diesem Falle be-kommt er nicht recht.Die Grünen stimmen dem Gesetzentwurf zu und wer-den die paar Tropfen, die durch das kleine Loch in die-sem Dach fallen, durchaus ertragen können, Herr Kol-lege Nešković.
Das Wort hat der Kollege Christoph Strässer von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Lieber Kollege Gehb, auch ich wollte Ihnen eigentlichvollumfänglich zustimmen. Ich relativiere das an einerStelle, die aber nicht kriegsentscheidend war. Es warengute Beratungen morgens um 7 Uhr, aber ich sage Ihnenganz offen: Es muss nicht jedes Mal morgens um 7 Uhrsein. Zu anderen Tageszeiten können wir auch vernünf-tige Ergebnisse finden. Vielleicht sollten wir uns daraufdemnächst verständigen.
In der Tradition unserer rechtspolitischen Debattenhabe ich natürlich wieder versucht, einen humanisti-schen Bezug herzustellen. Mein Gang in die Römerzeitist leider ohne Ergebnis geblieben. Ich bin aber aufWilhelm Busch gestoßen. Er hat das, worüber wir heutediskutieren, eigentlich auch ganz gut auf den Punkt ge-bracht:Der Rechtsanwalt ist hochverehrlich, obwohl dieKosten oft beschwerlich.
Ich glaube, das ist eine Erkenntnis, die die ganzen Dis-kussionen, die wir geführt haben, ein Stück weit beglei-tet.givktbidulRsignkdwvszldmcmrRnnNwwMeewtDIwfkewd
Ich möchte noch einmal das Loch im Dach von Herrnešković ansprechen, weil ich glaube, dass das keinirklich objektiv vorhandener Schaden am Gesetzent-urf ist.
an kann ja auch so vorgehen und sagen: Ich schaueinmal. Ich nehme den Bohrer mit und bohre von untenin Stück ins Dach hinein. Dann warte ich, ob irgend-ann ein Loch entsteht, durch das es hineinregnet. – Esut mir leid, aber ich habe das jetzt etwas platt gesagt.iesen Eindruck habe ich aber bei Ihrer Argumentation.ch will auch begründen, warum ich glaube, dass das,as Sie sagen, nicht richtig ist.Ich glaube, wenn Sie sich § 4 unseres Gesetzentwur-es anschauen, dann wird sehr deutlich, dass darin klare,lar definierte Voraussetzungen für die wirksame Ver-inbarung eines Erfolgshonorars enthalten sind. Als An-alt sage ich Ihnen ganz offen: Bei den Gesprächen, dieort zu führen sind – das kann man ja auch dokumentieren,
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Christoph Strässerwas wir zum Glück auch in den Gesetzentwurf aufge-nommen haben –, muss durch eine vernünftige Ge-sprächsführung vor der Schließung solcher Vereinbarun-gen klar werden, dass es, wenn eine entsprechendeVereinbarung tatsächlich nicht wirksam sein sollte, sehrwohl darauf ankommt, dass der Anwalt richtig beratenhat. Ich bin der Auffassung: Wenn er richtig beraten hat,soll er nicht schlechter gestellt werden als andere Dienst-leister in dieser Gesellschaft. Deshalb ist die Bezug-nahme auf das Verbot der ungerechtfertigten Bereiche-rung an dieser Stelle vollkommen richtig. Im Übrigenwird dadurch die bisher in § 4 Abs. 5 vorhandene Bes-serstellung der Anwälte gegenüber anderen Dienstleis-tern beseitigt.Ich glaube, dass das Gesetz für einen guten und ver-nünftigen Interessenausgleich zwischen allen Beteiligtensorgt. Es verbessert die Situation der Rechtsuchenden indieser Gesellschaft. Deshalb sollten wir alle dem Gesetz-entwurf zustimmen.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zurNeuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgs-honoraren. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Be-schlussempfehlung auf Drucksache 16/8916, den Gesetz-entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/8384 inder Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-men wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? –Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiterBeratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, derFDP-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünenbei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor ange-nommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 a bis 30 q auf:a) Erste Beratung des von den AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIELINKE eingebrachten Entwurfs eines ZweitenGesetzes zur Änderung des Anspruchs- und
– Drucksache 16/7035 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungHaushaltsausschuss
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEKeine Diskriminierungen und Ungerechtigkei-ten gegenüber Älteren in den neuen Bundes-ländern bei der Überleitung von DDR-Alters-sicherungen in bundesdeutsches Recht– Drucksache 16/7019 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungc) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEGerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte imGesundheits- und Sozialwesen der DDR– Drucksache 16/7020 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungd) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEGerechte Lösung für die rentenrechtliche Si-tuation von in der DDR Geschiedenen– Drucksache 16/7021 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklunge) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKESchaffung einer gerechten Versorgungslösungfür die vormalige berufsbezogene Zuwendungfür Ballettmitglieder in der DDR– Drucksache 16/7022 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungf) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKERegelung der Ansprüche der Bergleute derBraunkohleveredlung– Drucksache 16/7023 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
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16710 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsg) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEBeseitigung von Rentennachteilen für Zeitender Pflege von Angehörigen in der DDR– Drucksache 16/7024 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungh) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKERentenrechtliche Anerkennung für fehlendeZeiten von Land- und Forstwirten, Handwer-kern und anderen Selbständigen sowie derenmithelfenden Familienangehörigen aus derDDR– Drucksache 16/7025 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungi) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKERentenrechtliche Anerkennung von zweitenBildungswegen und Aspiranturen in der DDR– Drucksache 16/7026 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungj) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKERentenrechtliche Anerkennung von DDR-So-zialversicherungsregelungen für ins Auslandmitreisende Ehepartnerinnen und Ehepartnersowie von im Ausland erworbenen renten-rechtlichen Zeiten– Drucksache 16/7027 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungk) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKERentenrechtliche Anerkennung aller freiwilli-gen Beiträge aus DDR-Zeiten– Drucksache 16/7028 –
Dr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEKein Versorgungsunrecht bei den Zusatz- undSonderversorgungen der DDR– Drucksache 16/7029 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungm) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKERegelung der Ansprüche und Anwartschaftenauf Alterssicherung für Angehörige der Deut-schen Reichsbahn– Drucksache 16/7030 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungn) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEAngemessene Altersversorgung für Profes-sorinnen und Professoren neuen Rechts, Ärz-tinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst,Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer,Beschäftigte universitärer und anderer wis-senschaftlicher außeruniversitärer Einrich-tungen in den neuen Bundesländern– Drucksache 16/7031 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungo) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKESchaffung einer angemessenen Altersversor-gung für Beschäftigte des öffentlichen Diens-tes, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt ha-ben– Drucksache 16/7032 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
InnenausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16711
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsp) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKESchaffung einer angemessenen Altersversor-gung für Angehörige von Bundeswehr, Zollund Polizei, die nach 1990 ihre Tätigkeit fort-gesetzt haben– Drucksache 16/7033 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
InnenausschussFinanzausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklungq) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Martina Bunge, Dr. Gregor Gysi, Klaus Ernst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEEinheitliche Regelung der Altersversorgungfür Angehörige der technischen Intelligenz derDDR– Drucksache 16/7034 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei dieFraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. Gibt esWiderspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahrenwir so.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Dr. Gregor Gysi von der Fraktion DieLinke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der
Überleitung der Anwartschaften und der Renten in Ost-
deutschland auf die Bundesrepublik Deutschland ist viel
geleistet worden. Sehr viele Menschen in den neuen
Bundesländern bekommen aufgrund der gesetzlichen
Bestimmungen eine durchaus angemessene Rente und
können davon in Würde leben.
Es gab allerdings beachtliche Ausnahmen im Straf-
recht, Ungerechtigkeiten und Lücken im Rentenrecht.
Mich stört besonders die Tatsache, dass der Bundestag
immer nur auf Beschluss des Bundesverfassungsgerichts
Korrekturen vorgenommen hat.
Die Mehrheit des Bundestages war nie der Meinung,
dass an der einen oder anderen Stelle Korrekturen not-
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Jetzt kommen wir zur Frage des Strafrechts; dabeieht es um die Staatsnahen. Sie wissen, wie viele Jahreies das Parlament beschäftigt hat. Ich kenne alle diesbe-üglichen Angriffe aus der CDU/CSU, die ich übrigenseshalb für so falsch halte, weil sie nach unvergleichlichchlimmeren Verbrechen nach 1945 nicht eine einzigeentenkürzung vorgenommen, hier aber plötzlich ganznderes gespielt hat.Im Übrigen ist das Rentenrecht dafür überhaupt nichteeignet. Man kann Biographien unterschiedlich beur-eilen und kann Menschen auch strafrechtlich zur Ver-ntwortung ziehen; das kann man alles machen, aber dasat mit der Höhe der Rente, auf die jemand Anspruchat, nichts zu tun.
Im Übrigen erwarte ich von der SPD, dass sie zu ih-em Antrag steht, den sie in der Opposition gestellt hat.arin haben Sie verlangt, dass alle entsprechend ihreminkommen eine Rente beziehen sollten. Es darf dochicht wieder das passieren, was wir aus Wahlkämpfenennen: Die SPD verspricht das eine, und wenn sie dannegiert, macht sie das Gegenteil. Hier beantragen Sie dasine in der Opposition, und wenn Sie in der Regierung
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16712 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Dr. Gregor Gysisitzen, setzen Sie davon nichts um. Auch das darf nichtpassieren.
– Geben Sie mir eine Viertelminute Redezeitverlänge-rung;
dann sage ich euch gern etwas zu Tempelhof. Sie habenunterschrieben, dass Tempelhof geschlossen wird, IhreRegierung, getragen von CDU und FDP, Ihr RegierenderBürgermeister, Herr Diepgen.
Sie haben die Tatsachen geschaffen, und heute wollenSie das Volk vorführen, indem Sie einen Volksentscheidorganisieren,
von dem Sie wissen, dass er gar nicht funktionierenkann. Nein, Sie sind in diesem Punkt am unglaubwür-digsten, um das ganz klar zu sagen.
Herr Kollege Gysi, Ihre Redezeit würde verlängert,
wenn Sie dem Kollegen Niebel die Chance gäben, eine
Zwischenfrage zu stellen.
Na gut, dann machen wir das so. Aber die Uhr läuft ja
noch, Herr Präsident. – Nein, jetzt steht sie.
Bitte schön, Herr Niebel.
Sehr geehrter Kollege Gysi, ich freue mich, Ihre Re-
dezeit ein Stück weit verlängern zu dürfen, denn das
könnte ja Erhellung für die Menschen in diesem Land
mit sich bringen.
Sie haben den Sozialdemokraten gerade vorgeworfen,
dass sie in der Opposition Dinge sagen, die sie in der Re-
gierung nicht machen. Nun haben Sie sich persönlich
medienöffentlich und hat sich Ihr Parteivorsitzender ges-
tern in diesem Hause hinsichtlich der Bewertung von
Volksentscheiden geäußert; Ihr Parteivorsitzender sehr
klar, Sie eher unklar. Deswegen gebe ich Ihnen gern die
Gelegenheit, uns allen zu sagen, was denn Ihre Position
ist.
Sie haben hier in der Opposition mehrfach – meines
Erachtens völlig zu Recht – mehr plebiszitäre Elemente
gefordert, also mehr Möglichkeiten der Menschen in
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Herr Niebel, wenn wir jetzt den Gegenstand der De-atte verändern, wogegen ich gar nichts habe, dann un-erhalten wir uns darüber.Erstens. Dass es in Berlin Volksentscheide gibt, liegtn der Linken. Sie hat das durchgesetzt, und wir musstenuch die SPD davon erst überzeugen.
as darf man doch einmal erwähnen.Zweitens stimme ich Ihnen völlig zu, dass die Ergeb-isse von Volksentscheiden selbstverständlich bindendein müssen; anderenfalls muss man sie nicht durchfüh-en.
Nun gibt es zwei Arten von Volksentscheiden: Es gibtolche, die empfehlenden Charakter haben, und solche,ie Gesetzgebungscharakter haben.
Ja, die evangelische Kirche mit Bischof Huber machtas in Berlin jetzt klüger: Sie unterbreitet gleich einenesetzentwurf, und deswegen wäre das Ergebnis dannuch verbindlich.
Das Problem ist, dass ich auch bei den anderen dafürin, dass man sich danach richtet, es sei denn, dass zwin-ende rechtliche Gründe dagegen sprechen. Dies sindier ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, eine Un-erschrift der Bundesregierung von CDU/CSU und FDP
owie eine Unterschrift des ehemaligen Regierendenürgermeisters Eberhard Diepgen. Dies alles spricht da-egen.Was Herr Pflüger hier macht, ist wirklich übel. Herrflüger weiß, dass Herr Diepgen das Gegenteil beschlos-en hat, und sagt, jetzt sei die Situation ein bisschen an-
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Dr. Gregor Gysiders, und führt einen Volksentscheid durch, bei dem erweiß, dass das Ergebnis rechtlich gar nicht umsetzbar ist.Das ist ein Betrug am Volk, den nicht der Senat begeht.Das ist meine Antwort.
Jetzt möchte ich aber zu den Renten zurückkommen,weil es ja eigentlich um sie geht.
Herr Kollege Gysi, würden Sie noch eine Zwischen-
frage erlauben, und zwar des Kollegen Mücke?
Herr Präsident, Sie müssen das entscheiden. Ich ant-
worte gern noch einmal zu Tempelhof, aber eigentlich
sind wir in einer anderen Debatte.
Ich gebe Ihnen die Gelegenheit dazu.
Gut.
Bitte, Herr Mücke.
Die Frage sollte durch einen Volksentscheid entschie-
den werden, meint Herr Benneter. Das wäre spannend.
Herr Kollege Gysi, Sie haben gerade freundlicher-
weise festgestellt, dass Sie selbstverständlich Bürgerent-
scheide und Volksentscheide für rechtlich bindend anse-
hen und sich die Linke entsprechend verhalten werde.
Wie erklären Sie sich dann, dass sich Ihre Partei in der
sächsischen Landeshauptstadt Dresden bei der Frage der
Waldschlösschenbrücke anders verhalten
und drei Jahre lang einen rechtlich bindenden Bürgerent-
scheid nach Strich und Faden hintertrieben und ausgehe-
belt hat?
Da hätten Sie sagen müssen: die Hälfte der Fraktion;
denn die andere Hälfte der Fraktion hat eine gänzlich an-
dere Auffassung.
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Da müssen wir noch bestimmte Prozesse durchma-
hen. Aber in Berlin ist die Situation eine andere. In
resden hätte man so verfahren können.
In Berlin ist die Sache eine andere, weil hier Bedin-
ungen durch die CDU, die FDP und vor allen Dingen
ie Landesregierung unter der CDU geschaffen worden
ind, an denen wir nicht vorbeikommen. Ich bin dafür,
ass wir Dresden als Kulturstadt erhalten. Man muss die
rohungen, die von den entsprechenden Institutionen
us Europa kommen, ernst nehmen. Deshalb bin ich da-
ür, dass sich alle Politikerinnen und Politiker in Dresden
edanken darüber machen, wie man vielleicht beides
inbekommt, also die Verkehrsprobleme löst und gleich-
eitig Dresden als Kulturstadt erhält.
ir greift die Aussage „Entweder das eine oder das an-
ere“, diese Kompromisslosigkeit einfach zu kurz.
Ich bin gerne bereit, Ihnen weiter zu antworten, wenn
er Herr Präsident es mir erlaubt.
Ich war sehr großzügig, Herr Gysi, das müssen Sie
ugeben.
Sie müssen zugeben, dass ich daran unschuldig war
der höchstens halbschuldig.
Jetzt lasse ich keine Zwischenfragen mehr zu.
Das ist sehr freundlich.Dann komme ich jetzt auf die Renten zurück. Ichöchte Ihnen sagen, welche Gruppen vor allem benach-eiligt sind. Es sind die Frauen, zum Beispiel die ge-chiedenen Frauen, weil es in der DDR ein ganz anderesecht als das gab, das heute gilt. Dadurch haben sieeine Ansprüche auf Rentenanteile. Damit muss manich einmal beschäftigen. Es gibt aber noch weitereachverhalte, die es in der DDR gab und die es heuteicht gibt. Die Bundesregierung reagierte darauf nur da-urch, dass sie sagte: Sachverhalte, die wir nicht kennen,
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16714 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Dr. Gregor Gysikönnen wir nicht akzeptieren. Ich nenne Ihnen nur zweiBeispiele.Die privaten Handwerker, Selbstständige, hatten mit-helfende Familienmitglieder. So etwas gab es in dieserForm im Bundesrecht nicht. Diese mithelfenden Fami-lienmitglieder waren nicht selbst versichert, aber siewaren automatisch mitversichert und erwarben einenRentenanspruch. Diese Zeiten werden einfach nicht an-erkannt. Vorwiegend Frauen haben dadurch keine Ren-tenanwartschaft erworben. Das können wir doch nicht sobelassen. Das ist einfach nicht hinnehmbar.
Ein zweites Beispiel: Es gab bei uns in der DDR dieMöglichkeit, freiwillig Beiträge zu leisten. Die warengering und betrugen etwa 2, 3 Mark. Aber die Höhe derBeiträge war für die Höhe der Renten nicht entschei-dend, sondern die Jahre der Beitragszahlungen warenentscheidend. Diese Jahre werden jetzt nicht anerkannt.Dadurch sind wiederum überwiegend Frauen ganz er-heblich benachteiligt. Das ist nicht hinnehmbar.
Deshalb haben wir hier Anträge auch zu Gruppen ge-stellt, bei denen man sich das am wenigsten vorstellenkann. Ich meine die Polizisten und die NVA-Angehöri-gen, an deren Biografie man gar nichts auszusetzen hatteund die man deshalb in die Polizei und die Bundeswehrübernommen hat. Auch die sind rentenrechtlich benach-teiligt, weil ihre Zeiten nicht anerkannt werden. Auchdie, die ausgeschieden sind, sind benachteiligt. Somitsind beide Gruppen benachteiligt. Deshalb mussten wir16 Anträge stellen und einen Gesetzentwurf einbringen.Ich wollte jetzt eigentlich alle Gruppen nennen, aberSie haben mir ja die Zeit restlos versaut. Deshalb sageich nur noch Folgendes zum Schluss: Es wäre schonwichtig gewesen, aufzuzählen, um welche Gruppen esgeht. Es geht um private Handwerker und Selbststän-dige. Nie haben Sie von der FDP einen Antrag zu diesenGruppen gestellt. Sie behaupten immer, Sie würdendiese Leute vertreten, aber nur wir haben Anträge ge-stellt, damit deren Rentenansprüche endlich anerkanntwerden.
– Ich weiß, das ist Ihr Lieblingsthema. Sie werden gleichdazu kommen.Lassen Sie mich noch etwas zu Ost-West sagen. Dennin einer großen, sehr bebilderten Zeitung steht immer,dass die Ostrentnerinnen und Ostrentner mehr Geld alsdie Westrentnerinnen und Westrentner bekämen. DieseZeitung vergleicht jedoch Ehepaare miteinander. Das isthöchst ungerecht, weil bei Ehepaaren im Osten beidePartner Renten beziehen und bei Ehepaaren im Westennur der Mann und nicht die Frau. Das ist völlig indisku-tabel. Das kann man nicht miteinander vergleichen.Zweitens vergessen Sie zwei Dinge, die ich durchauszum Nachteil der DDR anführe. Es gab dort so gut wiekmDFkmRsdHdsSfHSwhrrdMWbZsl–VDhVrRNhg
as heißt, die Altersversorgung im Westen steht auf dreiüßen, aber die Leute aus den neuen Bundesländern be-ommen nur die gesetzliche Rente.Deshalb müssen wir eines endlich erreichen: dassan für die gleiche Lebensleistung auch die gleicheente bezieht. Sie sollten sich dem nicht länger ver-chließen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Maria Michalk von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Gysi, mit Ihren wortgewaltigen und gestikulieren-en Darlegungen werden Sie die Probleme, die wir be-prechen, nicht lösen. Ich will an Folgendes erinnern:eit 115 Jahren steht die gesetzliche Rentenversicherungür die soziale Sicherheit in Deutschland. Sie hat vieleöhen und Tiefen erlebt. Sie ist und bleibt die stärksteäule der Alterssicherung.
1990 ist die Volkskammer angetreten – Herr Gysi, Siearen damals dabei –, die deutsche Einheit zu vollzie-en; das hat Sie nicht gefreut. Man wusste, dass es ge-ade im sozialen Bereich, vor allem in der Alterssiche-ung, große Herausforderungen zu meistern galt. Schonamals war es unstrittig, zuerst an diejenigen Frauen undänner zu denken, die unser Land nach dem Zweiteneltkrieg unter schwierigen Bedingungen aufgebaut ha-en, die vieles auf sich genommen haben und die dasiel hatten, dass es ihren Kindern, also uns, besser gehenollte als ihnen.Wer vergessen hat, wie viele Rentner damals freiwil-ig über das Renteneintrittsalter hinaus gearbeitet haben ich verweise auf die aktuelle Diskussion –, weil dererdienst dann nicht versteuert werden musste – das warDR-Recht – und so ein paar Mark mehr in der Haus-altskasse oder auf dem Konto waren, der darf keinenergleich zur heutigen Situation der Rentner anstellen.
Viele mussten feststellen, dass sie um die Früchte ih-er Arbeit betrogen wurden und im Alter mit sehr wenigente auskommen mussten. Zum Beispiel bekam meineachbarin, die 45 Jahre schwer gearbeitet hatte – sie lebteute leider nicht mehr –, eine DDR-Rente in Höhe vonenau 300 Mark.
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Maria Michalk
Das wären heute unter 100 Euro.Die Rentenausgaben haben vor der Einführung derSozialunion, also am 30. Juni 1990, für dieses Gebiet inder Summe 16,7 Milliarden DDR-Mark betragen. Schonzweieinhalb Jahre später, nach Einführung der Wirt-schafts-, Währungs- und Sozialunion, nach Wiederher-stellung der deutschen Einheit und nach den ersten An-passungen, waren für den gleichen Personenkreis nichtetwa 16,7 Milliarden West-Mark, im Wert also etwa dasDoppelte, für die Rentenzahlung gebucht, sondern53,5 Milliarden DM.
Allein das verdeutlicht die gewaltige Leistung, die imRahmen der Rentenüberleitungsgesetze vollbrachtwurde.
Man muss heute sagen: Selbstverständlich war dasnicht. Es ist Ausdruck des gemeinsamen Willens des ge-samtdeutschen Parlaments gewesen. Man wusste, dassdiese Generation nicht die Zeit hat, auf Ergebnisse desAufschwungs und der endgültigen Angleichung zu war-ten. Die meisten Rentnerinnen und Rentner haben sichselbst als Gewinner der deutschen Einheit bezeichnet.Eine japanische Weisheit besagt, dass die größte Kul-turleistung eines Volkes die zufriedenen Alten sind.Wenn wir dieser Weisheit folgen, dann müssen wir fest-stellen, dass wir in dieser Zeit gemeinsam eine großar-tige kulturelle Leistung vollbracht haben. Das ist auchein Grund zur Dankbarkeit.
Das äußerst zergliederte, zum Teil in Berufsbranchenaufgeteilte und mit Sonderversorgungssystemen angerei-cherte Rentenrecht der DDR in das bundesdeutsche Ren-tenversicherungssystem zu überführen, das sich an Ar-beitsjahren und tatsächlichem persönlichen Einkommenorientiert, das ist ein komplizierter Vorgang – das leug-net niemand –, und an vielen Stellen war die Kompro-missfähigkeit entscheidend. Auch das verschweigen wirheute nicht.Das deutsche Rentensystem setzt auf den Gleichheits-grundsatz: Derjenige, der viel einzahlt, bekommt mehrals derjenige, der wenig einzahlt. Das ist die eigentlicheLogik unseres Generationenvertrages. Wir wollen daranfesthalten. Auch die Bürgerinnen und Bürger in derDDR haben adäquat zu ihrem Einkommen in die Ren-tenkassen eingezahlt; das ist unstrittig. Klar gab es daauch wieder Ausnahmen. Doch die damaligen Einzahl-beträge stehen in keinem Verhältnis zur Höhe der Aus-zahlungen, die heute vorgenommen werden. Für dieseUmbewertung gab es auf der ganzen Welt kein Patentre-zept.Ich nenne beispielhaft eine Leistung im bundesdeut-schen Rentenrecht, die heute zur Selbstverständlichkeitgeworden ist. Wer erinnert sich denn noch daran, dassw1üvDntwRgSLdgsSnwlnnßbrrbwnfDeKE
o haben eben viele keine Beiträge gezahlt. Könnte man
un nicht sagen: Okay, das war damals so geregelt, und
ir suchen nun für die Betroffenen eine gerechte Rege-
ung?
Ich gebe Ihnen recht, dass verlorene Jahre niemandachholen kann. Das ist ja gerade die Krux für die Rent-er, über die ich gerade gesprochen habe.
Es stimmt auch, dass es bestimmte Möglichkeiten au-erhalb der Rentenkassen in der Bundesrepublik gibt:erufsständische Versorgungssysteme und andere. Wireden hier aber von der gesetzlichen Rentenversiche-ung.Auf den weiteren Aspekt, den Sie angesprochen ha-en, dass nämlich eine Einzelbetrachtung sinnvoll sei,erde ich noch eingehen. Zunächst geht es jetzt abericht um Bundestagsabgeordnete, sondern um die Über-ührung des Rentenrechts Ost in das Rentenrecht West.arauf möchte ich jetzt eingehen.
Es bestreitet niemand, dass die Statistik, die auch ichtwas bemüht habe – das gebe ich zu –, immer etwasaltes an sich hat. Durchschnittszahlen treffen niemalsinzelschicksale. Es gab schon viele Termine, an denen
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Maria Michalkdie Ostrenten immer mehr den Westrenten angepasstwurden. Wir werden auf diesem Weg in geordnetenSchritten weitergehen.Das Grundsystem stellt nun niemand außer den Lin-ken infrage, die mit ihren heute vorliegenden 16 populis-tischen Anträgen und ihrem Gesetzentwurf versuchen,Dinge auf den Weg zu bringen, von denen sie selber wis-sen, dass sie so niemals eintreten werden.
– Ich komme noch darauf, Herr Gysi.In den meisten Punkten hat das Bundessozialgerichtbzw. das Bundesverfassungsgericht die Grundlagen un-serer Gesetzgebung zur Rentenüberführung ja auch be-stätigt. Ich bestätige aber auch, dass uns bestimmte Ein-zelschicksale immer und immer wieder beschäftigen,weil hierbei das Gerechtigkeitsempfinden angesprochenwird.Weil unsere sozialrechtlichen Regelungen im Rechts-staat nicht so einfach über Bord geworfen werden kön-nen, wie das im sozialistischen Kollektivismus möglichwar, haben wir selbstverständlich akzeptiert, wenn ge-rade zum Bereich der systemnahen Versorgungsregelun-gen Urteile ergangen sind, die unter den nicht betroffe-nen Rentnergruppen Unverständnis, manchmal sogarFrust hervorriefen und bestimmte materielle Verwerfun-gen mit sich brachten. Viele wissen, dass wir erheblicheNachzahlungssummen im Rahmen unserer Haushalts-führung aufbringen mussten. Gerade im letzten Jahrhaben wir so 23 Millionen Euro zusätzlich für die Über-führung von Zusatzversorgungssystemen in die Renten-versicherung im Nachhinein bereitstellen müssen. Die-ses Geld fällt ja auch nicht vom Himmel.Grundlage für eine vertrauenserhaltende Rentenpoli-tik ist nach unserer Auffassung in jedem Fall, das Ren-tengerechtigkeit und Rentenstabilität nicht an statisti-schen Durchschnittszahlen festgemacht werden, sonderndaran, inwieweit ein System in der Lage ist, Verwerfun-gen zu korrigieren und neu entstandene Ungerechtigkei-ten zu beseitigen. Mehrfach hat das Parlament dies ge-tan. Herr Grund hat das noch einmal in eindrucksvollerWeise in Erinnerung gerufen. Gerade der Petitionsaus-schuss des Deutschen Bundestages ist ein Sensor, deruns hier im Hohen Haus durch seine Berichterstattungimmer wieder aufs Neue anzeigt, wo möglicherweiseHandlungsbedarf besteht.Die permanente Diskussion zu unterschiedlichen Fra-gen des Rentenrechts ist für die CDU/CSU-Bundestags-fraktion selbstverständlich ein ständiger Begleiter. Auchdas möchte ich noch einmal sagen.Komischerweise just zu dem Zeitpunkt, als öffentlichwurde, dass wir Kollegen aus den neuen Bundesländernmit unserer Bundeskanzlerin zu diesem Themenkomplexeine Meinungsbildung verabredet haben und uns mit denDetailfragen befassten, setzte sich die Fraktion DieLinke auf den fahrenden ZuguüZnAsbzwdFukVDwvswMKsnFdkvWviwTp
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inen wenigen Minuten, die mir zur Verfügung stehen,ann ich nicht alle Einzelfragen besprechen, die in denorgelegten Anträgen behandelt werden. Alleine dieiederholung der Überschriften der Anträge, die Sieorgelegt haben, Herr Gysi, würde meine Redezeit volln Anspruch nehmen. Ich hatte kurz erwogen, das zu tun,ill mich aber auf die systematischen Grundfragen deshemenkomplexes konzentrieren, den Sie heute hierräsentieren.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16717
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Dr. Heinrich L. KolbEs geht im Kern um 16 Anträge betreffend 16 ver-schiedene Berufs- und Bevölkerungsgruppen in denneuen Bundesländern. Sie wollen für die Beitragszeitenin der ehemaligen DDR zusätzliche Rentenansprüche er-öffnen. Die mit den meisten dieser Anträge aufgewor-fene Grundfrage lässt sich so zusammenfassen: Sollenund können Besonderheiten des DDR-Rentenrechts auchim SGB VI, also dem gesamtdeutschen Rentenrecht,explizit Berücksichtigung finden, oder bleibt der 1991gewählte Weg der Rentenüberleitung richtig, wonach inder DDR erworbene Anwartschaften in das einheitlichegesamtdeutsche System des SGB VI mit all seinen Vor-teilen überführt wurden, bestimmte Einzelregelungendes DDR-Rechts, die dem SGB VI fremd waren, abernicht übertragen wurden?Das ist eine Frage der Abwägung, die man auch heutewieder vornehmen kann und darf. Denn einerseits führtder mit dem Rentenüberleitungsgesetz gewählte Wegdazu, dass Besonderheiten, zum Beispiel besondere Stei-gerungssätze betreffend Beschäftigte im Gesundheits-und Sozialwesen der DDR oder Sonderansprüche auffrühe Rente für Mitglieder des Balletts der ehemaligenDDR, nicht übernommen wurden. Andererseits kamenmit dem Konzept der Rentenüberleitung den Bürgern inden neuen Bundesländern alle Vorteile des SGB VI vollzugute, auch solche – das muss man auch einmal sagen –,die es nach DDR-Recht nicht gab, zum Beispiel Anrech-nungs- und Zurechnungszeiten für Ausbildung und Kin-dererziehung, weitgehende Frühverrentungsmöglichkei-ten, teilweise ohne Abschläge, wovon in den neuenBundesländern zu Beginn der 90er-Jahre vielfach Ge-brauch gemacht wurde.Zusätzlich – das ist auch ein wichtiger Punkt – wurdefür Versicherte mit Entgeltpunkten Ost über die Hoch-wertung von Entgeltpunkten ein System geschaffen, dasbis heute dazu führt, dass man für jeden Euro, den manin den neuen Bundesländern einzahlt, einen höherenRentenanspruch erhält als für den gleichen Eurobetrag,den man in den alten Ländern einzahlt. Von dieser Hö-herbewertung profitieren auch alle Bestandsrentner.Nicht zu vergessen ist auch, dass die Bürger der ehemali-gen DDR ihre Rentenansprüche in einem Gesellschafts-und Wirtschaftssystem erworben haben, das am Randeder Insolvenz stand. Frau Bunge, auch daran muss manerinnern.
– Ja, ich habe es nur ein bisschen vornehmer ausge-drückt.
Die DDR-Rentenansprüche werden nun von einem fi-nanziell starken und verlässlichen System, nämlich dergesamtdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung, ein-gelöst.ddFbkdbdePaZbdasdGnssJmBszdlsdPkaddlzbug
eben Sie mir recht, dass eine Höherbewertung gar
icht nötig wäre, wenn man vom ostdeutschen Durch-
chnitt ausginge, dass es sich dabei also nicht um ein Ge-
chenk handelt?
Frau Kollegin Bunge, wir führen diese Diskussion imahre 18 nach der deutschen Einheit. Deswegen kannan Entwicklungen rückblickend bewerten, die bei dereantwortung Ihrer Frage berücksichtigt werden müs-en. In der Tat gibt es Einkommensunterschiedewischen den alten Bundesländern und den neuen Bun-esländern. Natürlich gibt es auch in den alten Bundes-ändern erhebliche Einkommensunterschiede, etwa zwi-chen dem Rhein-Main-Gebiet und Ostfriesland oderem Bayerischen Wald. Daraus ergibt sich immer eineroblematik bei der Betrachtung des Durchschnittsein-ommens, wie Sie sie hier angestellt haben. Man kannber heute sagen: Es gibt in den neuen Bundesländernurchaus sehr einkommensstarke Gebiete, die sich je-enfalls mit schwächeren Gebieten in den alten Bundes-ändern mehr als nur messen können; ich denke dabeium Beispiel an den Raum Leipzig/Halle.
Frau Kollegin Bunge, man kann sagen, dass die Kom-ination aus Höherbewertung bei den Entgeltpunktennd einem niedrigeren Rentenwert im Osten im Saldoleichwohl zu einem Vorteil für die Rentner in den
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Dr. Heinrich L. Kolbneuen Bundesländern, zu etwa 4 Prozent mehr Rente,führt. Das ist ein Fakt, der heute mehr denn je gilt. Des-wegen glaube ich, dass man zu Recht darauf hinweisendarf, dass die Höherbewertung im Osten ein Vorteil fürdie Rentner, auch für die Bestandsrentner, in den neuenBundesländern darstellt.
Ich habe gesagt, dass die Rentenansprüche heute voneinem sehr starken, verlässlichen Rentensystem einge-löst werden. Man darf auch nicht vergessen, dass es inder DDR offiziell keine Arbeitslosigkeit gab. Die Be-standsrentner in den neuen Bundesländern profitierenseit 1991 bis heute von diesem Vorteil scheinbarer Voll-beschäftigung im System der Planwirtschaft über diedaraus resultierenden langen Versicherungszeiten. ImErgebnis führt all das dazu, dass heute die gesetzlichenRenten in den neuen Bundesländern – das gilt besondersfür Frauen – höher als in den alten Bundesländern lie-gen.
Es spricht also einiges dafür, dass die Kombination vonlanger Beitragszahlungsdauer und Finanzierungsstärkedes gesamtdeutschen Systems eventuell entstehendeNachteile auszugleichen vermag.
Herr Gysi, man kann bei einer Systemvereinigungnicht erwarten, dass man die Vorteile aus zwei Systemenmitnehmen kann. Eine solche Rosinenpickerei kannnicht die Grundlage eines Gesetzes zur Vereinigung vonSozialsystemen sein. Genau das macht aber die Essenzder Anträge der Linken aus: Sie fokussieren sich auf dieBesonderheiten, die weggefallen sind, unterschlagenaber die Vorteile, die den Menschen durch das gesamt-deutsche System zugute kommen.
Sie schaffen ein Zerrbild, das – es ist hier schon erwähntworden – auch vor der Gerichtsbarkeit keinen Bestandhat. Trotzdem muss man die einzelnen Fälle genau prü-fen. Das wollen wir mit Ihnen gemeinsam tun: jeden der16 Fälle, einen nach dem anderen.Es stimmt nicht, Herr Gysi, dass die FDP hier nichtinitiativ geworden wäre. Ich verweise nur auf unserenAntrag aus der letzten Legislaturperiode – Bundestags-drucksache 15/842 – zugunsten einer Versorgungsrege-lung für das mittlere medizinische Personal.
Wir sind sehr daran interessiert, durch parlamentarischeInitiativen problematische Sachverhalte aufzuklären undnotfalls auch sozialpolitisch nicht erwünschte Lücken zuschließen. In diesem Sinne werden wir uns ganz objektivmit Ihren Anträgen befassen. Falsch ist aber der von denLinken vorgeschlagene Weg, generell alle Vorteile ausdem DDR-System und dem gesamtdeutschen System zukombinieren.jvskzHfeFlSkLswdsmdr4eRAefddsSwg–d
Das Wort hat der Kollege Anton Schaaf von der SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-ege Gysi, ich bin Ihnen zunächst einmal dankbar, dassie darauf hingewiesen haben – das ist besonders bemer-enswert –, welche herausragend große gesellschaftlicheeistung es war, das Rentensystem West auf das Renten-ystem Ost zu übertragen.Dass das eine enorme gesellschaftliche Leistung war,ird besonders deutlich, wenn man sich die Grundlagenes Rentensystems der DDR in Erinnerung ruft. Bei-pielsweise betrug die Beitragsbemessungsgrenze da-als 600 Ostmark, obwohl die Menschen Anfang/Mitteer 80er-Jahre schon das Doppelte verdient haben. Da-aus ergab sich ein durchschnittlicher Anspruch von50 Ostmark Rente. Wenn wir diesen Anspruch eins zuins übertragen hätten, dann lebten heute im Osten derepublik Millionen von Rentnerinnen und Rentnern inrmut.
Wir haben es geschafft, das zu verhindern. Das istine herausragende gesellschaftliche Leistung, wie ichinde. Jenseits der Frage, wie das finanziert worden ist,arf man festhalten, dass das eine riesige Leistung ist,ie von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu-ammen mit den Arbeitgebern als Beitragszahler undteuerzahler in diesem Land gemeinschaftlich vollbrachtorden ist.
Den Ost-West-Vergleich, der immer wieder gerne an-estellt wird, Herr Gysi, um eine bestimmte Klienteleventuell auch als Wählerpotenzial – im Osten zu be-ienen, halte ich für falsch.
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Anton SchaafSie sind auf die Rentenhöhe in Ost und West eingegan-gen. Man darf das durchaus differenziert betrachten. Ichargumentiere nicht mit den Familienrenteneinkommenim Osten und im Westen. Es gibt sicherlich einen Unter-schied bei den Alterseinkünften – also den gesamtenEinkünften – und den Renten. Er beruht darauf, dass esin der ehemaligen DDR und in der früheren Bundesrepu-blik verschiedene Vorsorgesysteme gab. Das ist in derTat richtig.Aber wenn man die Rente isoliert betrachtet, dannwird deutlich, dass die Renten bei Männern und Frauenim Osten der Republik im Durchschnitt höher sind alsim Westen, was vor dem Hintergrund der Erwerbsbio-grafien berechtigt ist. Das hat zunächst einmal nichts mitden Familieneinkommen und den Alterseinkünften zutun, Herr Gysi.Wenn man das differenziert betrachtet, dann mussman schon genau sein und nicht das Familieneinkom-men, sondern den Anspruch des Einzelnen zugrunde le-gen.
Die Berechnungsgrundlage ist die Erwerbstätigkeit.Frauen waren in der DDR im Durchschnitt wesentlichhäufiger und länger erwerbstätig als im Westen. Das isteine Tatsache. Deswegen ist Altersarmut ein Problem,das wir zurzeit im Wesentlichen im Westen konstatieren.Altersarmut ist in der Tat überwiegend westlich undweiblich, weil die Frauen im Westen andere Erwerbsbio-grafien haben, als es früher bei den Frauen im Osten derFall war.
Herr Kollege Schaaf, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Gysi?
Gerne, bitte. Aber nicht zum Flughafen, Herr Gysi.
– Nein, ich bleibe beim Thema. – Ich begrüße Ihre
Feststellung, dass man nicht das Familienrenteneinkom-
men zugrunde legen kann, sondern vom Einkommen des
Einzelnen ausgehen muss. Ich weise Sie aber über den
von mir erwähnten Unterschied zwischen Betriebsrenten
und Vermögen hinaus noch auf einen weiteren Unter-
schied hin: Im Osten gibt es nur die gesetzliche Rente.
Es sind ja keine Pensionsansprüche entstanden.
– Nun warten Sie doch mal! – Dadurch geschieht bei der
Ermittlung des Durchschnitts etwas, was an folgendem
Beispiel deutlich wird: Ein berühmter Gerichtsmediziner
der DDR von der Charité, ein Österreicher, Herr Prokop,
hat bis zum Bundesverfassungsgericht geklagt und be-
kam dann eine deutlich höhere Rente zugebilligt. Diese
höhere Rente geht in den Durchschnitt der Rente Ost ein.
Ein solcher Professor für Gerichtsmedizin bekäme in
den alten Bundesländern immer eine Pension, die nicht
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Sie haben eben in Ihrer Rede darauf hingewiesen,ass Politik nicht immer – dazu hat der Kollege Kolbchon etwas gesagt – allen gerecht werden kann, dass dieolitik aber, was die Privilegien besonderer Gruppen iner DDR angeht, sozusagen gerichtlich gezwungen war,iese nachzuvollziehen. An dieser Stelle gebe ich Ihnenusdrücklich recht: Diejenigen, die sich in der DDRelbst die Pfründe zugestanden haben, wollten diese inie Bundesrepublik Deutschland hinüberretten und ha-en dann oft erfolgreich geklagt. Das führt natürlichazu, dass der Rentenschnitt insgesamt angehoben wird.Eine Forderung, die Sie gestellt haben, ist völligalsch. Es geht um Hochschulprofessoren aus der DDR,eren Rente so berechnet werden soll, als hätten sie ihreben lang auf Westniveau gearbeitet, also eine Höher-ewertung ihrer Tätigkeit. Das halte ich für falsch. Dienträge zu diesem Thema würde ich ablehnen, weil sieedeuten würden, alte Privilegien, die man sich in derDR selber zugestanden hat, nach neuem Recht fortzu-ühren.
Lassen Sie mich das aufgreifen, worauf Frau Michalku Recht hingewiesen hat. Man muss Ihre Anträge diffe-enziert betrachten. Es geht um die Menschen, die zuDR-Zeiten hart und schwer gearbeitet haben und denenersprechungen gemacht worden sind. Ihnen wurdenngedeckte Schecks auf die Zukunft ausgestellt, die na-ürlich nicht eingelöst werden konnten. Diese Menschenühlen sich jetzt, wie ich finde, zu Recht benachteiligt.ber diese Schecks sind nicht vom jetzt gültigen Ren-ensystem ausgestellt worden, sondern sie wurden vonem System ausgestellt, das kaputt gegangen ist. Diesechecks sollen jetzt eingelöst werden.
In einzelnen Bereichen müssen, sollten und werdenir uns sicherlich ganz genau anschauen, wo es Unge-echtigkeiten gibt, die man beseitigen muss. Da bin ichurchaus bei Ihnen. Das gilt aber nicht für alle Punkte.n Ihren Anträgen geht es auch um die alten Parteikader,ie den Menschen in der DDR diese Schecks ausgestelltaben, wohl wissend, dass sie diese nie einlösen können.iese Parteikader wollen nun ihre Pfründe und Privile-ien, die sie in der DDR hatten, einklagen und habenber Sie einen Anwalt dafür gefunden, diese in die
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Anton SchaafNeuzeit zu retten. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, dasswir hier sicher nicht mitmachen werden.
– Nein, ich lasse keine Zwischenfragen mehr zu.
Also keine Zwischenfrage.
Lassen Sie mich vor dem Hintergrund der aktuellenDiskussion noch ein paar andere Dinge ansprechen. ZumThema ungedeckte Schecks aus alten Zeiten habe icheben ein paar Sätze verloren. Schauen wir uns an, wasSie – das ist hoch spannend – zum Thema Renten undOstrenten fordern, gerade in den letzten Tagen – mankann sich das ja jenseits der Frage von einzelnen Berech-tigungen einfach mal nüchtern ansehen –: Sie forderneine Angleichung der Ostrenten. Die Höherbewertung,die Herr Kolb angesprochen hat, wird dabei aber nichtinfrage gestellt, sondern bleibt schlichtweg bestehen. Siefordern darüber hinaus, dass das, was Sie mit Ihren16 Anträgen und einem Gesetzentwurf vorgelegt haben,für die ehemaligen Bürgerinnen und Bürger der DDRverwirklicht wird. Sie fordern eine Rentenerhöhung– das werden wir in der nächsten Sitzungswoche disku-tieren – von 4 Prozent.Das, was Sie da machen, ist schon einmal gescheitert,und darüber beklagen sich die Menschen im Osten: Siewollen den Menschen ungedeckte Schecks ausstellen.Diese Schecks müssen ausgezahlt werden; aber Sie blei-ben jede Antwort schuldig, wer diese Schecks bezahlt.Sie formulieren sogar selber, dass die finanziellen Fra-gen, die sich aus Ihren Anträgen ergeben, nachrangigsind.
– Nein, so kann man nicht ernsthaft Politik machen!Ernsthaft kann man Politik nur machen, indem man se-riöse Angebote unterbreitet und sagt, wer diese Ange-bote finanziert. Das haben Sie aber nicht getan.
Zu den wichtigen Punkten in dieser Debatte gehörtnoch etwas. Es gibt nach wie vor Bereiche, die man sichgenau anschauen sollte. Es geht beispielsweise um dieMenschen, die im Gesundheitswesen gearbeitet haben.
Es geht beispielsweise um den Bereich Tagebau. Das istaber immer mit der Frage zu verbinden, welche Wechsel-wirkungen bestehen. Herr Gysi, Sie haben die Geschiede-nen angesprochen. Das hätte, wenn man es konsequentdurchzieht, durchaus Wechselwirkungen; es käme zuAuswirkungen auf die Westrentnerinnen und -rentner.Man muss aufpassen, was man da im Einzelnen macht,uDdnsmsdnDüsesAgjeasSisdDSDAcRSgwilutSidmsTsrzc
urch Ihre Aussage mit, dass es wiedergefunden wird!ie Erfolgsprämie für die SED-Kader bezahlen dannie, und wir kümmern uns um die Menschen, die in derDR gearbeitet haben. Das wäre doch eine vernünftigeufteilung. Dann kämen wir einen Schritt weiter.Lassen Sie mich noch einen letzten Aspekt anspre-hen. Heute Morgen hat es eine Debatte um Wohn-iester gegeben. In dieser Debatte hat der Kollegechneider von Ihrer Fraktion mehrere Beispiele dafürenannt, dass Wohn-Riester den Menschen nicht helfenürde. Ich gebe ihm ausdrücklich recht: Wohn-Riesterst ein Angebot; selbstverständlich.Dann hat er den Solo-Selbstständigen aus dem Saar-and erwähnt. Natürlich kenne ich Solo-Selbstständigend ihre Probleme, auch die Probleme, die mit der Al-ersversorgung zusammenhängen. Den besonderen Solo-elbstständigen aus dem Saarland, den er meinte, kanntech nicht. Aber ich kenne einen Solo-Selbstständigen ausem Saarland. Der ist deshalb solo-selbstständig, weil erachen kann, was er will – in einer Beliebigkeit, diechon unglaublich ist; von Woche zu Woche ein andereshema. Der braucht den Wohn-Riester nicht. Aber erollte vielleicht zugestehen, dass dieses Instrument ande-en helfen würde, auch so ein wunderschönes Anwesenu bekommen, wie er es im Saarland hat.In dem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wo-henende.
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Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der
Kollegin Dr. Martina Bunge.
Ich wollte eigentlich eine Frage stellen; aber das war
nicht möglich. Ich möchte nicht zu Tempelhof sprechen,
dadurch aber vielleicht ein bisschen Zeit für das Thema
Rente gewinnen.
Mit Wohlwollen nehme ich auf, dass fast alle Fraktio-
nen – eine Fraktion haben wir noch nicht gehört – nach-
denken wollen. Damit wir im Ausschuss konstruktiv
nachdenken können, rate ich, schon einmal zu überle-
gen, was man hier als Pfründe und als Privilegien ein-
ordnet, und nachzulesen, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Wenn Sie in Bezug auf alle Ärztinnen und Ärzte, Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftler, überhaupt alle
Akademikerinnen und Akademiker – Herr Dr. Gysi hat
das Beispiel von Professor Prokop genannt – sagen, dass
sie vor Gericht gehen, um ihre alten Pfründe zu sichern,
dann müssen Sie doch einmal überlegen, auf welcher
Grundlage das geschieht. Die Grundlage ist: Da war je-
mand in einem Zusatzversorgungsystem, das den Syste-
men der Beamtenversorgung in der Bundesrepublik
nachgebildet war, und hat dafür Beiträge gezahlt. Die
Beiträge sind jetzt null und nichtig, weil er, brutal ge-
sagt, in die Rente gestopft wurde.
Ist es denn ein Privileg, wenn eine Frau mit freiwilli-
gen Beiträgen ihre Anwartschaften sichert, damit bei
Pflege von Angehörigen ihre Rentenanwartschaft ge-
wahrt wird? Das ist für mich eine sehr eigentümliche
Einschätzung.
Ich bitte Sie, das noch einmal nachzulesen, bevor wir
in eine – hoffentlich konstruktive – Debatte einsteigen.
Danke.
Herr Kollege Schaaf zur Erwiderung.
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich bleibe bei dem, was
ich eben gesagt habe. Wenn man so vorgeht, wie Sie das
tun, vernachlässigt man die Differenzierung. Ich halte es
bei der Masse Ihrer Anträge aus Gründen der Differen-
zierung für angemessen, darauf hinzuweisen, dass sich
hinter denen, die vielleicht berechtigterweise Ansprüche
geltend machen, auch die alten Kader der SED und die
alten Kader aus dem Staatsapparat verstecken.
– Ja, deswegen stellen Sie Einzelanträge. Aber in der
Masse der Anträge geht das letzten Endes unter; deshalb
sind ja so massenhaft Anträge gestellt worden. Aus die-
sem Grund habe ich noch einmal darauf hingewiesen.
Man sollte mit der Frage, ob Ansprüche jenseits von
Einzelinteressen berechtigt sind, sensibel umgehen. Da
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Stellen Sie uns einmal Ihr differenziertes Rentenkon-
ept vor! Wir werden diese Differenziertheit dann mit
icherheit bei der Beurteilung Ihrer Vorschläge ebenfalls
n den Tag legen.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunktat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk vom Bünd-is 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Icheiß nicht, ob es an den Landtagswahlen im kommen-en Jahr in einigen neuen Bundesländern liegt, dass dieinke heute knapp 18 Jahre nach dem Einigungsvertragnd mehr als 16 Jahre nach Inkrafttreten des Renten-berleitungsgesetzes 17 Anträge präsentiert, bei denens ausschließlich um Ostrenten geht.
Ich habe mir die Mühe gemacht, das Ergebnis Ihrerleißarbeit einmal genauer zu studieren. Ich muss sagen,ass Sie den Menschen Sand in die Augen streuen.
ie machen eine Reihe von Vorschlägen, die schonurch mehrere Urteile des Bundesverfassungsgerichtszw. der Bundessozialgerichte und durch die UN-Men-chenrechtskonvention abgelehnt wurden. Allein inwölf Anträgen wollen Sie überwiegend eine Weiteran-endung des DDR-Rentenrechts. Man muss sich schonntscheiden, ob man das alte oder das neue Systemöchte. Denn beides zusammen geht nicht.
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Irmingard Schewe-GerigkIn einem Antrag wollen Sie Defizite im DDR-Recht ausden 50er-Jahren zugunsten der ehemals Selbstständigenin der DDR im Nachhinein korrigieren – mehr als einhalbes Jahrhundert später. Wer soll das eigentlich ernstnehmen? Bei sechs Anträgen ist der Bundestag der völ-lig falsche Adressat. Mindestens in zwei Anträgen wol-len Sie bei vergleichbaren Sachverhalten die Rentnerin-nen und Rentner in den neuen Ländern besser stellen, alsdas nach dem geltenden Recht überhaupt möglich ist.Außer bei den in der DDR Geschiedenen wären die Be-günstigten ausschließlich Menschen, die nicht gerade zuden Verlierern und Verliererinnen der deutschen Einheitzählen.Bei den vor 1992 Geschiedenen gibt es in der Tat si-cherlich viele, zumeist Frauen, bei denen die Zusam-menführung der beiden Rechtssysteme zu sozialen Här-ten geführt hat, die bis heute, auch trotz Versuchen derGrünen, nicht aufgelöst werden konnten. Aber da stehtdie Verfassung wegen der nicht möglichen Anwendungdes Versorgungsrechts im Nachhinein davor. Eine Härte-fallregelung wäre das Einzige, was man hier machenkönnte, um das Problem zu lösen.Meine Damen und Herren von der Linken, Sie setzendie Prioritäten falsch. Wer heute in den neuen Ländernbereits eine Rente bezieht oder aber im öffentlichenDienst einen sicheren Arbeitsplatz hat, braucht keineNachbesserung. Ich will Ihnen eine Zahl nennen: EinVersicherter hat nach 18 Jahren im Westen eine Rentevon 473 Euro und im Osten von 555 Euro; also 82 Euromehr für den Ostrentner.
Dies ist nachzulesen in einer Antwort der Bundesregie-rung. Das verschweigen Sie den Menschen. Sie wiegelndie Menschen im Osten gegen die im Westen auf. Das istKlientelpolitik pur.
Wir Grüne stehen zu einer Gesamtverantwortung. Daverläuft die Grenze nicht zwischen Ost und West, son-dern zwischen Arm und Reich. Darum sehen wir alsGrüne einen erheblichen Nachbesserungsbedarf zur Ver-meidung von Armutsrisiken bei den kommenden Gene-rationen in Ost und in West; denn die massive Auswei-tung des Niedriglohnbereichs und die Freisetzung vonArbeitskräften fanden ja in großem Ausmaß auch in denneuen Ländern statt.
Das bedeutet aber auch: Wir müssen die begrenztenfinanziellen Möglichkeiten zielgenau auf Maßnahmender Rentenpolitik konzentrieren, die Geringverdienendeindividuell vor Armut im Alter schützen. Wir brauchenLösungen, die verhindern, dass derjenige, der wenig ver-dzAkSdttsraADsiwsneiInddsFw3
ch finde, das ist eine Politik, die mit Verantwortungichts zu tun hat.Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufen Drucksachen 16/7035 und 16/7019 bis 16/7034 anie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b so-ie Zusatzpunkt 8 auf:1 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demFakultativprotokoll vom 18. Dezember 2002zum Übereinkommen gegen Folter und anderegrausame, unmenschliche oder erniedrigendeBehandlung oder Strafe– Drucksache 16/8249 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
InnenausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16723
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsb) Beratung des Antrags der Abgeordneten VolkerBeck , Marieluise Beck (Bremen),Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFür eine effektive Umsetzung des Zusatzproto-kolls zur VN-Anti-Folter-Konvention– Drucksache 16/8760 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
InnenausschussRechtsausschussZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Menschenrechte undHumanitäre Hilfe
– zu dem Antrag der Abgeordneten FlorianToncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. WernerHoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPFür eine zügige Zeichnung, Ratifizierungund Umsetzung des Zusatzprotokolls zurAnti-Folter-Konvention der Vereinten Na-tionen– zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck
, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Uschi
Eid, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFür eine unverzügliche Zeichnung und Rati-fizierung des Zusatzprotokolls zur Anti-Fol-ter-Konvention der Vereinten Nationen– Drucksachen 16/455, 16/360, 16/8790 –Berichterstattung:Abgeordnete Holger HaibachChristoph SträsserFlorian ToncarMichael LeutertVolker Beck
Es ist vereinbart, dass die Reden der folgenden Kolle-gin und Kollegen zu Protokoll gegeben werden: UteGranold, CDU/CSU, Christoph Strässer, SPD, FlorianToncar, FDP, Dr. Hakki Keskin, Die Linke, Volker Beck,Bündnis 90/Die Grünen, und für die Bundesregierungder Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.1)Tagesordnungspunkte 31 a und 31 b. Interfraktionellwird Überweisung der Vorlagen auf den Druck-sachen 16/8249 und 16/8760 an die in der Tagesordnungaufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damiteinverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-weisungen so beschlossen.Zusatzpunkt 8. Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Menschenrechte und Humanitäre Hilfe auf Druck-sache 16/8790. Der Ausschuss empfiehlt unter Buch-stabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung desAntrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/455mit dem Titel: „Für eine zügige Zeichnung, Ratifizie-rtdtmOlnuptGfbnaAFsinnhsmrbHaruelmlz1) Anlage 2
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gesagt, dass man an diesem Projekt nicht mehr festhalte,weil die Bundesregierung eine Blockadepolitik betreibe.Die Kommission hat das Verfahren fallen gelassen. Siewird allenfalls noch eine Richtlinie zum Kriterium Be-hinderung machen – das erinnert sehr an die deutscheDebatte –, weil die Bundesregierung blockiert. Das, wasdie Bundesregierung gegenwärtig in Brüssel betreibt, istKaczyński-Politik.
– Frau Kollegin, Sie müssten es eigentlich besser wissenund eigentlich auch etwas Besseres wollen. HerrMüntefering, Ihr ehemaliger Minister, hat noch vor zweiJahren in Köln bei der Entgegennahme eines Preises an-gekündigt, er wolle sich als Arbeits- und Sozialministerder Bundesrepublik Deutschland für einen gleichen Dis-kriminierungsschutz bei allen Kriterien einsetzen.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dieSie offensichtlich die Verantwortung für diese Politiktragen – ich glaube, die SPD trägt sie allenfalls grum-melnd mit –, Sie behaupten, das Allgemeine Gleichbe-handlungsgesetz sei eine Belastung für die deutscheWirtschaft. Wenn das wahr wäre, müssten wir im Rah-men unseres Engagements für die deutsche Wirtschaftdoch dafür sorgen, dass der Schutz, den wir in Deutsch-land, also auf nationaler Ebene, schon erreicht und im-plantiert haben, europaweit gilt, damit die anderenVolkswirtschaften nicht besser dastehen als die unsere.
Sie machen eine irrationale und ideologische Politik.Wie wollen Sie es rechtfertigen, dass man aufgrund vonRasse und ethnischer Herkunft zwar nicht benachteiligtwerden darf, es in Europa aber weiterhin möglich seinsoll, beispielsweise Indien aufgrund der Religionszuge-hörigkeit zivilrechtlich zu diskriminieren? Diese Anti-diskriminierungspolitik kann sich nicht sehen lassen!Dafür muss man sich doch schämen – insbesondere an-gesichts des Problems, das wir in Deutschland undEuropa mit dem Antisemitismus leider haben.
Ich bin sehr froh über das große Engagement der Li-beralen in Europa. Ich war, wie gesagt, bei dieser Konfe-renz.DUE„LBbfaDdpsDrlHurakdEBdhnmVdwsHnsmd
ie Kollegin Liz Lynne, eine britische Liberale, hat zurnterstützung dieser Antidiskriminierungsrichtlinie imuropäischen Parlament eine Kampagne mit dem Titelsigntostopdiscrimination.org“ gestartet. Ich habe denink der Kampagne gestern allen Abgeordneten mit deritte um Unterzeichnung geschickt. Ich finde, dieses li-erale Engagement für die freie Marktwirtschaft, fürreien und vor allem diskriminierungsfreien Zugang fürlle Bürgerinnen und Bürger zum Markt von Waren undienstleistungen verdient unser aller Unterstützung. Lei-er können die Liberalen in Brüssel und in allen euro-äischen Ländern über die deutsche FDP nur den Kopfchütteln.
enn die FDP ist die einzige Gruppe innerhalb der libe-alen Fraktion im Europäischen Parlament, die diese Po-itik nicht mitmacht. Wenn Sie Ihre ideologisch borniertealtung in diesen Fragen aufgeben
nd für einen gleichen und allgemeinen Diskriminie-
ungsschutz eintreten würden, dann würde vielleicht
uch die Union weniger ängstlich sein und endlich eine
onsequente und vernünftige Politik machen.
Die Menschen in Europa haben es nicht nur verdient,
ass sich Arbeit und Kapital diskriminierungsfrei in
uropa bewegen können, sondern die Bürgerinnen und
ürger haben es auch verdient, dass wir dafür sorgen,
ass derjenige, der einer benachteiligten Gruppe ange-
ört, beim Abschluss von Versicherungen, bei der Woh-
ungssuche und beim Kauf von Gütern nicht entweder
ehr bezahlen muss oder dass ihm ein entsprechender
ertragsabschluss sogar verweigert wird.
Eine moderne Gesellschaft ist darauf angewiesen,
ass alle Menschen freien Marktzugang haben. Das ist
ahre Liberalität! Dafür wollen wir heute einen Auf-
chlag machen. Ich hoffe, dass diejenigen, die in diesem
ause und damit indirekt auch auf europäischer Ebene
och blockieren, zu einer besseren Erkenntnis kommen,
odass wir sagen können: Deutschland ist dabei, und wir
achen keine Kaczyński-Politik.
Das Wort hat die Kollegin Christine Lambrecht voner SPD-Fraktion.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16725
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Lieber Kollege Volker Beck, wie wichtig der SPD dieses
Anliegen ist, können Sie daran erkennen, dass wir selbst
zu dieser fortgeschrittenen Stunde selbstverständlich
noch zu diesem Thema sprechen.
Bevor ich auf Ihren Antrag eingehe, möchte ich noch
ganz kurz zwei Bemerkungen zu der Rede machen, die
Sie gerade gehaltenen haben:
Erstens. Es hat mich ein bisschen überrascht, dass die
Grünen offensichtlich nur noch für die freie Marktwirt-
schaft eintreten; auch das lässt tief blicken. Für uns aller-
dings ist immer noch die soziale Marktwirtschaft das,
wofür wir kämpfen.
Vielleicht hat das aber auch etwas mit gewissen Koali-
tionsgelüsten oder -formierungen zu tun.
Zweitens – jetzt wird es spannend; denn mit diesem
Thema beschäftigen wir uns schon seit vielen Jahren –:
Ich bin auf den Antrag zum Lebenspartnerschaftsergän-
zungsgesetz gespannt, der uns demnächst wahrschein-
lich aus Hamburg über den Bundesrat erreichen wird.
Mit diesem Gesetz wollen Sie die Gleichstellung an vie-
len Stellen verbessern.
Wir sind gespannt, wie offensiv Sie das vertreten werden
und wie die Koalition damit umgehen wird.
Jetzt möchte ich kurz auf Ihren Antrag zu sprechen
kommen. Dieser Antrag hat nicht nur eine europäische
Komponente. In seinem ersten Teil fordern die Grünen
den Deutschen Bundestag auf, festzustellen, dass nie-
mand aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft,
des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, ei-
ner Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität
benachteiligt werden darf.
Das ist für mich an und für sich eine Selbstverständ-
lichkeit, die man im Deutschen Bundestag nicht betonen
muss. Das ist nämlich im Grundgesetz geregelt. Manch-
mal hilft der Blick ins Gesetz tatsächlich. In diesem Fall
müsste man Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes lesen. Dort
ist das normiert.
Da wir alle wissen, dass das keine Drittwirkung hat,
haben wir in mühsamen, schleppenden, langen und zä-
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Mittlerweile gibt es sowohl eine grundgesetzliche Re-
elung als auch das Allgemeine Gleichbehandlungsge-
etz. Deswegen ist es eigentlich nicht mehr notwendig,
iese Feststellung zu treffen. Wenn Sie aber meinen,
an müsse das immer wieder tun, bitte schön. Wir wer-
en Ihren Antrag beraten.
Außerdem fordern Sie die Bundesregierung auf, sich
n der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass der
ohe Level, den wir in Deutschland hinsichtlich des Dis-
riminierungsverbots erreicht haben, auch auf europäi-
cher Ebene zum Standard wird. Ich muss Ihnen sagen:
as kann ich mir sehr gut vorstellen. Ich würde mir
ünschen, Europa würde in diesem Bereich von
eutschland lernen. Denn all die Befürchtungen, die im
orfeld des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes
eäußert wurden, wurden mittlerweile ad absurdum ge-
ührt.
Jetzt, ein Jahr nach Inkrafttreten des AGG, gibt es ei-
en Bericht, und es gab eine Pressekonferenz, auf der die
erantwortliche der Kommission, die eingerichtet wor-
en ist, festgestellt hat, dass die Klageflut, die befürchtet
urde, nicht gekommen ist und dass Missbrauch des Ge-
etzes eine absolute Randerscheinung ist. Von daher
ann ich mir nicht vorstellen, warum ein Gesetz mit so
uten Inhalten nicht auch auf der europäischen Ebene
urchgesetzt werden könnte.
umindest ein Teil der Bundesregierung wird sich dafür
insetzen; ich glaube, da erwarte ich nicht zu viel.
Frau Kollegin Lambrecht, erlauben Sie eine Zwi-
chenfrage des Kollegen Ströbele?
Ja.
Bitte schön.
Frau Kollegin, ich habe mit Interesse zur Kenntnis ge-ommen, dass Sie unser Anliegen teilen. Was hindert Sieersönlich, was hindert Ihre Fraktion, was hindert dieoalition, der Sie angehören, daran, in nächster Zeitinen Antrag einzubringen, mit dem Sie dieses
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16726 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Hans-Christian Ströbelegemeinsame Anliegen unterstützen und die Bemühun-gen endlich zu einem Erfolg führen?
Herr Ströbele, uns liegt der von Ihnen eingebrachte
Antrag vor. Er wird heute wohlwollend in die Aus-
schüsse überwiesen. Man muss nun die Beratung abwar-
ten. Als wir zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung zu-
sammengearbeitet haben, waren wir uns doch einig, dass
in dieser Frage dicke Bretter zu bohren sind, dass es
keine Schnellschüsse geben darf.
Ein Antrag reicht jedoch; es muss nicht sein, dass an-
dere Fraktionen einen nahezu wortgleichen Antrag ein-
bringen.
– Was ist in diesem Hohen Hause schon sicher, Herr
Beck?
Ich verwehre mich allerdings dagegen, dass behauptet
wird, die Bundesregierung oder Teile der Bundesregie-
rung, insbesondere die Justizministerin, trete in
Kaczyński-Manier auf; ich glaube, das ist nicht ange-
bracht.
Vielen Dank.
Die Reden der Kolleginnen Mechthild Dyckmans von
der FDP und Daniela Raab von der CDU/CSU nehmen
wir zu Protokoll.1)
Jetzt hat der Kollege Dr. Ilja Seifert von der Fraktion
Die Linke das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Meine Damen und Herren auf den Tribünen! Wir
können feststellen, dass sich alle in diesem Hause da-
rüber einig sind, dass Benachteiligungen aufgrund ir-
gendeines der Merkmale, über die wir hier reden, indis-
kutabel sind. Das ist immerhin mehr als nichts.
Dennoch bleibt die Frage, wie das rechtlich ausgestal-
tet wird. Herr Beck, ich bin wirklich kein Vertreter der
freien Marktwirtschaft; aber ich unterstütze Ihren Vor-
stoß. Sie können mich gerne in die Liste aufnehmen. Ich
finde, dass man so etwas international verankern muss,
insbesondere auf der europäischen Ebene.
– Ich unterstütze den Antrag, der damit verbunden ist,
nicht den ganzen Kontext. Ich kann ja nicht immer
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t1) Anlage 3
enn wir dieses Gegeneinanderausspielen zulassen
egal, ob es von der Bundesregierung, der Europäischen
nion oder auch nur von einem einzigen Menschen be-
rieben wird –, dann werden wir immer verlieren.
Deshalb kann ich Ihren Antrag nur unterstützen. Ich
enke, er muss noch ein bisschen ausgebaut werden. Da-
ür arbeiten wir in den Ausschüssen zusammen. Der
rundtenor dessen, was Sie beantragen, ist aber so wich-
ig, dass wir uns hier nicht gegeneinanderstellen dürfen
nd dass wir die Regierung drängen sollten, in Brüssel
icht die Bremser zu sein.
Herzlichen Dank.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunktat jetzt die Kollegin Angelika Graf von der SPD-Frak-ion das Wort.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Dr. Seifert, ich denke, niemand hier im Hause will
Diskriminierungen gegeneinander ausspielen. Auch in
dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz der Bundes-
regierung, das wir ja schon verabschiedet haben, werden
Diskriminierungen in keiner Form gegeneinander ausge-
spielt. Im Gegenteil: Wir haben uns bemüht, alle Diskri-
minierungsmerkmale in dieses Gesetz aufzunehmen, um
sowohl im arbeitsrechtlichen als auch im zivilrechtlichen
Teil die Bekämpfung von Diskriminierung in allen Be-
reichen voranzubringen.
Sie wissen, dass die SPD lange für dieses Gesetz ge-
kämpft hat. Es gab sehr unterschiedliche und langwie-
rige Entwicklungen, insbesondere auch deshalb, weil wir
mit dem Gesetz bewusst über die Vorgaben der EU hi-
nausgegangen sind. Wir haben zum Beispiel sehr wohl
dafür gesorgt, dass Ältere, Menschen mit Behinderungen
sowie Schwule und Lesben nicht nur im arbeitsrechtli-
chen, sondern eben auch im zivilrechtlichen Bereich ge-
schützt werden.
Ich denke, der Abbau der Benachteiligungen ist gut
für Deutschland und für Europa; denn obwohl wir euro-
paweit in einer älter werdenden Gesellschaft leben, wer-
den gerade Ältere bei Stellenausschreibungen oft grund-
los ausgeschlossen und bei Vertragsabschlüssen mit
Hinweis auf das Alter ausgegrenzt. Mit dem Allgemei-
nen Gleichbehandlungsgesetz werden Diskriminierun-
gen nach und nach beseitigt.
Inzwischen dürfen die Hotels eine Reisegruppe von
Menschen mit Behinderungen eben nicht mehr abwei-
sen, weil andere Gäste sich gestört fühlen könnten. Auch
das bisherige Recht – in Anführungszeichen gesprochen –
von Versicherungen, schwul mit aidsinfiziert gleichzu-
setzen und schwulen Männern eine Lebens- bzw. eine
Krankenversicherung zu versagen, wurde beseitigt.
Ich denke, der Abbau von Benachteiligungen ist nicht
nur gut für die Gesellschaft und die Chancengleichheit in
der Gesellschaft, er ist – das sage ich auch ganz klar in
Richtung der FDP und der CDU/CSU – auch gut für die
Wirtschaft; denn gerade größere Unternehmen haben ja
schon lange vor dem Gesetz mit dem Diversity-Ansatz
gearbeitet, weil sie sich davon wirtschaftliche Vorteile
versprochen haben. Dabei hatten sie immer im Hinter-
kopf, dass zufriedene Beschäftigte, die so akzeptiert
werden, wie sie sind – mit all den Fehlern, aber auch all
den Möglichkeiten, die sie haben –, bessere Leistungen
erbringen, seltener krank werden und sich besser mit
dem Unternehmen identifizieren. Diesen klugen Ansatz
der Unternehmen müssen wir bei der Diskussion, die wir
auch innerhalb Europas führen, weiter befördern.
Nun befassen wir uns zurzeit auch mit der Frage, in
welchen Punkten das Gleichbehandlungsrecht in Europa
und insbesondere in Deutschland ausgebaut bzw. nach-
gebessert werden muss. Was Deutschland betrifft, müs-
sen wir eine Stellungnahme der Bundesregierung abwar-
ten. Mein Kollege Siegmund Ehrmann hat schon in der
ersten Lesung des Entwurfs eines Dienstrechtsneuord-
nungsgesetzes gefordert, dass Bundesbeamte finanziell
nicht schlechter behandelt werden dürfen, nur weil sie
schwul oder lesbisch sind. Dazu muss ich nichts weiter
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seitem 17. April hat Kenia endlich eine neue Regierung.
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16728 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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Kerstin Müller
Leider erst vier Monate nach den Parlaments- und Präsi-dentschaftswahlen, bei denen Kenias Bevölkerung in be-eindruckender Weise Disziplin und Willen nach Demo-kratie unter Beweis gestellt hat, konnte die erste großeKoalitionsregierung vereidigt werden. Sie wird von deneinst erbitterten Widersachern Präsident Kibaki und demneuen Premierminister Odinga angeführt. Kenia ver-sucht damit, einen Schlusspunkt unter die jüngste politi-sche Krise zu setzen, die im Nachgang der Wahlen aus-gebrochen und leider von massiven Gewaltexzessenbegleitet war. Die Bilanz ist ziemlich düster: 1 500 Toteund über 300 000 Vertriebene, die Wirtschaft nachhaltigbeschädigt. Misstrauen wurde von verantwortungslosenPolitikern zwischen den verschiedenen Volksgruppengesät, um sie für ihre politischen Ziele zu instrumentali-sieren. Dennoch markiert diese Regierungsbildung einneues Kapitel in Kenias Geschichte. Die einstigen politi-schen Gegner wollen künftig nicht mehr gegeneinander,sondern miteinander arbeiten. Das ist eine Pionierleis-tung, die hoffentlich Vorbild für ganz Afrika wird.
Für Kenia eröffnet sich damit die Chance auf einefriedliche Zukunft, wenn, ja wenn die neue Regierungs-koalition tatsächlich halten kann, was sie verspricht, undvor allem wenn die tiefer liegenden Ursachen der Krisewirklich angegangen werden. Das heißt aus meinerSicht: Erstens muss sich die Regierung nach den Gewalt-exzessen und der ethnischen Polarisierung entschiedenfür einen Versöhnungsprozess im Land einsetzen. Ichbin der festen Überzeugung: Ohne Versöhnung wird eskeinen dauerhaften Frieden geben. Die Schlägertruppsauf beiden Seiten versuchen immer noch, den Konfliktanzuheizen.Zweitens muss sie endlich die überbordende Korrup-tion und den jahrelangen Klientelismus ernsthaft be-kämpfen, und zwar auf allen Ebenen: Verwaltung, Poli-zei und Justiz, aber auch auf Regierungsebene selbst.Kibaki hat einmal eine „Null-Toleranz-Politik“ zum Ab-bau der Korruption proklamiert. Das ist eine leere Phrasegeblieben. Unter anderem deshalb hat er die Wahlen ver-loren. Szenen wie einst die Vertreibung des eigenenstaatlichen Korruptionsbeauftragten John Githongo, demwir hier einmal genau deshalb den Afrikapreis verliehenhaben, dürfen sich nicht wiederholen.
Man kann jedoch sehr große Zweifel bekommen, obes sich wirklich nicht wiederholt, wenn man sich bei-spielsweise das Kabinett aus mehr als 90 Ministern undVizeministern anschaut. Fast die Hälfte der über200 Abgeordneten ist Teil der Regierung. Man schätzt,dass allein dieses Mammutkabinett mehr als 1 MilliardeDollar verschlingen wird, das heißt ein Achtel derStaatseinnahmen. Das ist natürlich nicht gerade ein Zei-chen dafür, dass man dieses Problem anpacken will.Gerade deshalb, weil es jetzt im Parlament keine Op-position mehr gibt, bin ich der festen Überzeugung: Eswird eine Hauptaufgabe der internationalen Geberge-meinschaft sein, darüber zu wachen, dass die Korruptionauf allen Ebenen bekämpft wird. Ich meine, die interna-tsruJsttKbnHvdnPmsüadsolwpEwHnatgUnemmfDhsi
Drittens. Die Ursachen anzugehen, bedeutet auch, diengerechte Ressourcen- und Landverteilung, die enormeugendarbeitslosigkeit und die Massenarmut durchchwierige Reformen anzupacken.Viertens. Unklar und schwierig ist auch die Machtver-eilung zwischen dem neuen Premier und dem Präsiden-en; auch dies birgt Unsicherheiten.Dieser Friedensprozess steht also auf tönernen Füßen.ofi Annan hat das mehrfach beanstandet. Die Krise istei weitem noch nicht ausgestanden, und ich glaubeicht, dass bereits der Zeitpunkt gekommen ist, um dieände in den Schoß zu legen.Wenn man „Kibaki und die 40 Räuber“ – das ist nichton mir, sondern so wird diese neue Regierung wegener Zahl der Minister im kenianischen Volksmund ge-annt – einfach machen lässt, dann wird dieses ganzerojekt sehr schnell scheitern. Das darf nicht noch ein-al passieren. Deshalb muss die internationale Gemein-chaft wachsam bleiben und den Prozess dort weiterhinberwachen, damit es wirklich zur Bekämpfung unternderem der Korruption kommt.
Genau darum geht es in unserem Antrag. Wir wollen,ass die jüngste Krise nicht einfach von der außenpoliti-chen Bühne verdrängt wird. Wir wollen aber auch, dassffenkundig gewordene Versäumnisse und Schwachstel-en auf unserer Ebene angegangen werden. So kritisierenir und sagen ganz klar, dass es völlig falsch und kontra-roduktiv war, dass Entwicklungsgelder der EU aus demEF nur einen Tag nach der jüngsten Wahl ausgezahlturden. Das darf nicht wieder passieren.
ier haben offensichtlich die Kontrollmechanismenicht funktioniert.Zum Schluss spreche ich einen Aspekt an, den ich anll den Vorgängen in Kenia als positiv bewerte: Die in-ernationale Gemeinschaft hat hierbei an einem Strangezogen: die Europäische Union, die Afrikanischenion, die UNO. Es gab einen international angesehe-en, erfahrenen Krisenmanager. Es wurde rechtzeitigingegriffen. Das lehrt: Multilaterales Krisenmanage-ent kann funktionieren, wenn die internationale Ge-einschaft es wirklich will. Ich wünschte mir das auchür andere Krisenherde in Afrika wie Ostkongo oderarfur. Wenn wir dort auch so rechtzeitig eingegriffenätten, dann ginge es den Menschen dort nicht sochlecht wie zurzeit. Ich hoffe, dass das Beispiel Keniasnsofern Schule macht.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16729
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Das Wort hat die Kollegin Anke Eymer von der CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Die Ereignisse nach der Präsident-schaftswahl in Kenia trafen die internationale Gemein-schaft weitestgehend unerwartet. Kenia zählte – dies be-tone ich – zu jenen afrikanischen Staaten, in denen sichdemokratische und rechtstaatliche Strukturen entwi-ckeln. Kenia ist ein Transformationsland, eines, das – fürviele Beobachter beispielhaft – nach der Diktatur unterarap Moi eine unglaubliche Entwicklung vollbracht hat.Dies gilt es nicht zu vergessen. Jene, die meinen, Keniasei nun schon fast so etwas wie ein Failing State, gewis-sermaßen ein Sumpf aus Gewalt, Korruption und Recht-losigkeit, sollten auch daran erinnert werden; denn soeinseitig ist es nicht.Aber Kenia ist auch nicht die herrliche Idylle, dieviele Deutsche oder andere Europäer – braungebranntwährend ihres isolierten Hotelurlaubs – in Erinnerunghaben. Alles andere als eine Idylle sind die bürgerkriegs-ähnlichen Ausschreitungen und die schweren Spannun-gen zwischen den einzelnen Stämmen. Wie ein Rissziehen sich die ethnischen Spannungen durch die Bevöl-kerung und drohen Kenia zu teilen. Korruption, im-mense soziale Unterschiede, Armut, Gewalt, Tribalis-mus und Klientelismus waren vor den Wahlen und sindimmer noch eine Bedrohung des zivilen Friedens imLand. Kenia ist ein Vielvölkerstaat und seit vielen Jahrenein Einwanderungsland. Mehr als 40 verschiedeneEthnien leben in Kenia und sprechen mehr als 50 ver-schiedene Sprachen. Auch danach muss sich die Weiter-entwicklung eines demokratischen Gesellschaftsgefügesausrichten. Das ist eine Situation wie nirgends inEuropa, wie sie aber in Afrika nicht selten vorkommt.Kenia gehört zu den Staaten mit einer sogenanntendefekten Demokratie. Davon gibt es in Afrika viele. Dasheißt aber vor allem, dass der demokratische Aufbruchnoch nicht vollendet ist. Die demokratischen Aufbrüchein Afrika sind – und dazu zählt auch der in Kenia – Hoff-nungszeichen für den gesamten Kontinent. Daran knüp-fen sich auch viele Erwartungen der Nachbarn und dergesamten Region. Die massiven Manipulationen bei denPräsidentschaftswahlen, das Verhalten vieler Verant-wortlicher in Kenia und die Gewalt, die wie ein Busch-feuer aufflammte, waren für viele, auch und gerade fürinternationale und afrikanische Beobachter, ein Schock.Was dort in wenigen Wochen geschehen ist, war in die-ser Härte nicht vorauszusehen. Hier hat sich ein Krisen-potenzial gezeigt, das weit über Kenia hinaus die ganzeRegion politisch und auch wirtschaftlich bedroht hat.Nun aber hier im Hause mangelnde Frühwarnsystemeanzumahnen oder eine Nachlässigkeit auch auf der Seiteeiner europäischen oder deutschen Afrikapolitik ableitenzu wollen, ist überzogen. Das wäre auch der falsche An-satz. Der vorliegende Antrag geht hier teilweise deutlichzu weit. Aus dieser Krise aber Erkenntnisse für die Zu-kunft und unsere weitere Zusammenarbeit mit Kenia zuzduALNDpkzamswoActKbPuwefewdbnuDgdswjnTALtnOsgnOcgDdUtsd
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16730 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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– Entschuldigung, ich bin durch den Auftritt der beiden
Kollegen hier oben abgelenkt worden. Marina Schuster,
FDP-Fraktion, ist zunächst an der Reihe.
Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! – LiebeKolleginnen und Kollegen! Die Vorrednerinnen haben esbereits angesprochen: Kenia galt lange als stabiles afri-kanisches Land. Die Ereignisse vom Wahltag am 27. De-zember 2007 und den folgenden Tagen haben uns jedochgezeigt, wie fragil und wie trügerisch die Lage dort war.Ich finde es gut, dass wir die Lage in Kenia endlichheute hier im Plenum debattieren.Die Ereignisse nach der Wahl waren für uns alle einWeckruf: Mehr als 1 000 Menschen sind bei den Kämp-fen umgekommen; mehr als 300 000 wurden vertrieben.Die Wirtschaft des Landes ist in der Tat schwer ange-schlagen, vor allem der so wichtige Tourismussektor. Eszeigt sich: Der eigentliche Wahlverlierer ist das keniani-sche Volk selbst,
nämlich die vielen Menschen, die sich geduldig stunden-lang in langen Schlangen vor die Wahllokale gestellt undauf eine faire und freie Wahl gehofft haben.Der vorliegende Antrag beschreibt die Entwicklungentreffend; denn der Wahlbetrug Kibakis war nur der ent-scheidende Funke, der diese schwere Krise ausgelösthat. Die eigentlichen Ursachen liegen in der Tat viel tie-fer: Korruption, ungerechte Verteilung von Land undRessourcen, hohe Jugendarbeitslosigkeit und auch dieethnische Vielfalt, die in Kibakis Staatsapparat nur sehrungleich repräsentiert wurde.
Ich muss an dieser Stelle auf den Antrag der FDP-Fraktion hinweisen, den wir bereits vor zwei Jahren ein-gkKklnürzednkEwnwwsEhadw9QbnkWKWrstwEscWURsVdKt
s kann nicht sein, dass Geld kurz nach der Wahl über-iesen wird und damit so getan wird, als wäre überhauptichts passiert. Ich frage deswegen die Bundesregierung,elche Konsequenzen sie daraus gezogen hat und überelche Kontrollmechanismen sie sicherstellen will, dasso etwas zukünftig nicht wieder vorkommt.
ines ist klar: Es darf kein Business as usual geben. Dasätte es im Dezember nicht geben dürfen und das darf esuch heute nicht geben; wir müssen jetzt darauf achten,ass entsprechende Kontrollmechanismen greifen.Wichtig ist auch, dass wir uns jetzt genau anschauen,ie die neue Regierung mit 42 Ministern und über0 Kabinettsmitgliedern ihre Arbeit macht. Ich habeuellen gefunden, die die Kosten für dieses Mammutka-inett auf 5 Milliarden Dollar schätzen, bezahlt von Ke-ias Steuerzahlern und westlichen Gebernationen. Dieenianische Regierung ist daher aufgefordert, sich zumohle Kenias mehr am Geiste als am Wortlaut des vonofi Annan vermittelten Kompromisses zu orientieren.ir sind froh, dass Kofi Annan diesen Kompromiss er-eicht hat, aber die Lage ist nach wie vor sehr ange-pannt. Mir ist es daher besonders wichtig, dass die in-ernationale Gemeinschaft, allen voran AU und EU,eiter an einem Strang zieht und damit diese friedlichentwicklung hin zu mehr Stabilität unterstützt.Eines ist auch klar: Die Verantwortlichen für die Aus-chreitungen und für die vielen Toten müssen zur Re-henschaft gezogen werden.
ir setzen dabei auf die Arbeit der kürzlich eingesetztenntersuchungskommission, die vom südafrikanischenichter Johann Kriegler geleitet wird. Diese Kommis-ion hat sich auch zum Ziel gesetzt, die Gewalt und dieerbrechen an der Bevölkerung aufzuklären. Ich denke,ass es auch in Ihrem Sinne ist, wenn ich sage: Johannriegler hat unsere Unterstützung für diese verantwor-ungsvolle Aufgabe.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16731
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Marina SchusterKeinesfalls darf es passieren, dass Kenia die interna-tionale Gemeinschaft spaltet. Sollte die neue Regierunggemachte Zusagen und Vereinbarungen brechen, müssenwir entschlossen reagieren und geeignete Maßnahmenprüfen. Einerseits ist es ja erforderlich, dass die Afrika-ner mehr und mehr die Lösung ihrer eigenen Problemein die Hand nehmen, ihre in der Gründungscharta derAU verbrieften Rechte wahrnehmen, ihre Stimme erhe-ben und sich einmischen. Andererseits sind wir gefor-dert, unsere Zusagen, die wir im EU-Afrika-Aktionsplangegeben haben, einzuhalten und weiterhin beim Auf-und Ausbau der Afrikanischen Union und ihrer Institu-tionen mitzuwirken.
Das gilt vor allem für die afrikanische Sicherheitsarchi-tektur.Eines ist aber klar: Wahlbetrug, rechtsfreie Räumeoder auch Diktatoren wie Robert Mugabe in Simbabwemüssen endlich der Vergangenheit angehören!
Nun hat Kollegin Herta Däubler-Gmelin, SPD-Frak-
tion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,jetzt komme ich dran, und ich finde es, auch wenn esjetzt schon etwas später ist, sehr gut, dass wir über Keniareden. Es handelt sich um ein wunderschönes Land. Eshat, wie Hunderttausende von Touristen, darunter auchviele deutsche, wissen, eine ausgesprochen freundliche,liebenswürdige und sehr fleißige Bevölkerung. InDeutschland lebt – lassen Sie mich das auch noch einmalerwähnen – eine große Zahl von kenianischen Staatsbür-gern, die zum einen mit ihren Überweisungen zur Ent-wicklung Kenias beitragen, zum anderen aber mit ihrerTätigkeit hier dafür sorgen, dass das Verständnis für Ke-nia, sowohl für seine Schönheiten als auch für seine Pro-bleme, zunimmt. Das sollten wir einfach einmal aner-kennen.Kenia unterscheidet sich in vielfältiger Weise von an-deren Staaten Afrikas. Bewunderungswürdig ist, dass esdort eine sehr lebendige Zivilgesellschaft gibt. Das heißt,die Kirchen und die bürgerschaftlichen Institutionen dortkritisieren all die Missstände, die hier zu Recht ange-führt worden sind, zum Beispiel die schreckliche Armutund die Korruption in diesem Land sowie die Diskre-panz zwischen dem armen Norden und dem starken Sü-den. Wir sollten also – da sehe ich eine der Schwächendieses Antrages; lassen Sie mich das so deutlich sagen –nicht meinen, wir müssten nun mit dem erhobenen Zei-gefinger Kenia sagen, was es zu tun habe. Wir sollten– da wende ich mich auch an die Kollegin Müller, weilich hoffe, dass wir diese Diskussion im Ausschuss fort-setzen können – die Zivilgesellschaft bei dem, was siesueewshaAAIdzwsgtwudhbmssenaelNsvshvsacmvjSftLtkuKBgWcm
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16732 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008
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auch die Staatssekretärin hat das bestätigt. Frau Schuster,
Sie könnten wissen, dass die Bundesregierung bereits
veranlasst hat, dass solche Vorratsbeschlüsse nicht mehr
auf diese Weise umgesetzt werden. Ich finde es lieb, dass
Sie gefragt haben; wenn Sie das nächste Mal auch mei-
nen Zusatz erwähnten, entspräche das vielleicht weniger
der Oppositionsrolle, wäre aber der Sache angemessener.
Die AU und Kofi Annan, aber auch das Auswärtige Amt
haben Hilfe geleistet; das kann auch die Opposition
durchaus anerkennen. Wir werden weiterhin bei der Sta-
bilisierung Hilfe leisten.
Die Kollegin Eymer hat schon darauf hingewiesen,
dass der kenianische Parlamentspräsident im Moment
hier zu Besuch ist. Heute Morgen waren wir mit ihm zu-
sammen. Ich habe die letzten fünf Stunden mit ihm da-
rüber gesprochen, welche Hilfe dieses Haus in seiner
unterschiedlichen Zusammensetzung tatsächlich leisten
könnte. Daraufhin wurde eine ganze Menge genannt.
Zunächst einmal wurde darauf hingewiesen, dass die
Entscheidung, gemeinsam einen neuen Anfang zu ma-
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Der Kollege Hüseyin-Kenan Aydin von der Fraktionie Linke hat seine Rede zu Protokoll gegeben1). Damitchließe ich die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 16/8403 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungo beschlossen.Anlage 4
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 158. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. April 2008 16733
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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang ThierseIch rufe Tagesordnungspunkt 34 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten VolkerBeck , Birgitt Bender, Alexander Bonde,weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENTransparenz herstellen – Empfehlungen desBundesrechnungshofes zur Mitarbeit von Be-schäftigten aus Verbänden und Unternehmenin obersten Bundesbehörden zügig umsetzen– Drucksache 16/8762 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschussEs ist vereinbart, dass die Reden der folgenden Kol-leginnen und Kollegen zu Protokoll gegeben werden:Dr. Hans-Peter Uhl , Michael Hartmann
(SPD), Gisela Piltz (FDP), Dr. Gesine
Lötzsch , Volker Beck (Köln) (BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)1).Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 16/8762 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist so. Dann ist die Überweisung sobeschlossen.Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-ordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf Mittwoch, den 7. Mai 2008, 13 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen eineangenehme Heimfahrt und ein freundliches Wochen-ende.