Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Verbraucherpolitischer
Bericht 2008.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft
und Verbraucherschutz, Horst Seehofer.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Wir haben heute im Kabinett den Verbraucher-
politischen Bericht 2008 behandelt. Auf Wunsch des
Parlaments wird ein solcher Bericht einmal pro Legisla-
turperiode vorgelegt. Auf den Bericht aus dem Jahr 2004
folgt daher nun, im Jahre 2008, eine weitere Darstellung
der verbraucherpolitischen Situation in der Bundes-
republik Deutschland. Sie werden bei der Lektüre des
Berichts möglicherweise ebenfalls zu dem Urteil kom-
men, dass die Verbraucherrechte und der Verbraucher-
schutz in Deutschland sehr hoch entwickelt sind, dass in
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den letzten Jahren viel geschehen ist und in dieser Legis-
laturperiode noch einiges folgen soll.
Der Verbraucherpolitische Bericht 2008 umfasst eine
solche Fülle von Punkten – von der Lebensmittelsicher-
heit über den Schutz der Verbraucher im Zusammenhang
mit Versicherungen und Finanzdienstleistungen bis hin
zu den Punkten Verkauf unter Einstandspreisen und Al-
lergieinformation und -beratung –, dass es mir im Rah-
men dieses einleitenden fünfminütigen Berichtes nicht
möglich ist, auf all diese Punkte einzugehen. Zusam-
menfassend möchte ich aber sagen: Dieser Bericht bringt
klar zum Ausdruck, dass der Verbraucherschutz in
Deutschland einen sehr hohen Stellenwert hat. Ich kenne
kein Land in Europa – und ich kenne die e
Situation –, in dem der Verbraucherschutz stä
prägt ist als in der Bundesrepublik Deuts
genießt diesen Stellenwert zu Recht; denn in
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16392 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Wir sind gerade damit beschäftigt. Ein solcher Ge-setzentwurf wird mit Sicherheit noch in diesem Jahr inden Bundestag eingebracht, und zwar für alle drei Berei-che.Was die Telefonwerbung angeht, sind wir uns inner-halb der Regierung einig. Im Hinblick auf die Fahrgast-rechte werten wir noch Zahlen zur Betroffenheit derBevölkerung von Verspätungen aus, die uns die Bahnzur Verfügung gestellt hat. Das Scoring wird, wie Siewissen, im Bundesinnenministerium behandelt; auch fürdiesen Bereich gilt das, was ich Ihnen gerade gesagthabe.Eines möchte ich zum Verbraucherpolitischen Berichtinsgesamt noch sagen: Es geht nicht nur um die Aufga-ben des Verbraucherschutzes, die in meinem Ministe-rium ressortieren. Der Verbraucherpolitische Bericht istumfassend. Beinahe jedes Bundesressort ist in irgend-einer Weise für den Verbraucherschutz zuständig, sei esin wirtschaftspolitischer, juristischer oder gesundheits-politischer Hinsicht. All dies wurde in diesem Berichtzusammengetragen.
Darf ich eine Nachfrage stellen?
Ja, gut. Stellen Sie eine Nachfrage.
Danke. – Hinsichtlich der Fahrgastrechte und der Te-
lefonwerbung war bereits für Ende letzten Jahres ein Ge-
setzentwurf angekündigt. Was wird in diesem Jahr an-
ders sein, sodass tatsächlich ein Gesetzentwurf vorgelegt
wird?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Dass es stattfindet.
Die nächste Frage stellt der Kollege Blumentritt.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gerade gesagt,dass die endgültige Entscheidung im Hinblick auf dieFahrgastrechte in diesem Jahr getroffen werden soll. ImAusschuss haben wir darüber bereits sehr viel diskutiert.Das ist nämlich ein ressortübergreifendes Thema.TsFwnsidtzmAncMzsVudgLlcAcEscdlitelmtzBVgvV–idghVaBw
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16393
)
)
Herr Kollege Blumentritt, könnten Sie Ihre Frage
vielleicht noch einmal anmelden? Mir liegt nämlich be-
reits eine Reihe weiterer Anmeldungen vor. – Frau Kol-
legin Happach-Kasan.
Herr Minister, Sie haben den Verbraucherpolitischen
Bericht der gesamten Bundesregierung vorgestellt, also
einen Bericht, der über Ihr Haus hinausreicht. Die Große
Koalition hat vereinbart, die Förderung von Biokraft-
stoffen von der Befreiung von der Mineralölsteuer auf
einen Beimischungszwang umzustellen. Wir haben in
der Vergangenheit gesehen, dass diese Verordnungen
nicht so ganz einfach auf den Weg zu bringen sind und
dass sich nicht alles so realisieren lässt, wie man sich das
vorgestellt hat.
Ich frage Sie konkret: Erwarten Sie durch den B7 ne-
gative Auswirkungen für die Autofahrer?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Obwohl ich dafür nicht zuständig bin, möchte ich
nach allen Informationen, die mir vorliegen, sagen, dass
ich sie nicht erwarte. Aber ich möchte darauf hinweisen,
dass es dafür hochrangig besetzte Normungsausschüsse
gibt, die die technische Umsetzbarkeit diskutieren, und
dass man sich als Politiker, wenn es um die technische
Machbarkeit geht, darauf verlassen muss, was einem die
dafür ausgebildeten Fachleute sagen.
Ich glaube, dass das, was bei E10 passiert ist, sich bei
B7 nicht wiederholen wird. An E10 hat nicht nur die
Politik mitgewirkt. Vielmehr stellen sich hier viele Fra-
gen an die Wirtschaft, die an all diesen Prozessen sehr
eng beteiligt war. Ich war Augen- und Ohrenzeuge der
Aussagen der Wirtschaft.
Frau Kollegin Höhn, bitte.
Herr Minister, die Kollegin Maisch hat eben auf drei
Initiativen hingewiesen, und zwar erstens auf eine zu
den Fahrgastrechten, zweitens auf eine zur Telefonwer-
bung und drittens auf eine zum Scoring. Habe ich Sie
richtig verstanden, dass zu diesen drei Initiativen noch
dieses Jahr je ein Gesetzentwurf vorliegen wird? Gilt das
auch in Bezug auf Fahrgastrechte? Beschränken Sie sich
dabei nicht allein auf die Umsetzung der EU-Verord-
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Nein, ich bleibe dabei, sonst hätte ich etwas anderes
esagt.
Ja.
Frau Kollegin, Sie müssen schon das Mikrofon ein-
chalten, wenn Sie eine Frage stellen.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Ich habe es verstanden.
Frau Kollegin Binder, bitte.
Herr Minister, Sie betonen den hohen Stellenwert deserbraucherschutzes in Deutschland. In wenigen Tagenird das Verbraucherinformationsgesetz in Kraft treten,as ein originärer Bestandteil der Arbeit Ihres Ministe-iums ist. Ich frage Sie: Wie wird die Bundesregierung
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16394 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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)
Karin Binderdie Verbraucherinnen und Verbraucher über den Um-gang mit diesem neuen Gesetz informieren? Wann wer-den Sie welche Informationen in diesem Zusammenhangan die Bevölkerung weitergeben?Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Zunächst bin ich froh, dass nach sechsjähriger Dis-kussion dieses Verbraucherinformationsgesetz mit sei-nem wechselhaften Schicksal in Kraft tritt. Ich glaube, eswird für die Bevölkerung viele Möglichkeiten geben, anInformationen zu gelangen, und zwar mehr, als die Geg-ner dieses Gesetzes vermuten.Wir machen in den nächsten Tagen zeitnah zum In-krafttreten natürlich entsprechende Öffentlichkeitsarbeit,um die Bürger auf ihre Rechte hinzuweisen, die aber imRegelfall nicht gegenüber Bundesbehörden, sondern ge-genüber Landes- und Kommunalbehörden sowie gegen-über Fachbehörden eingefordert werden. Ich vermute,dass am 1. Mai und danach viele testen werden, was daszuständige Ministerium zu sagen hat. Wir werden des-halb Spezialisten bei uns im Ministerium platzieren, da-mit die Anrufer einen kompetenten Ansprechpartner be-kommen, der ihnen sagen kann, an wen sie sich wendenkönnen; wir wollen das auch der Öffentlichkeit mittei-len.
Frau Kollegin Mortler.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gesagt, dass
die letzten Gammelfleischskandale keine waren. Auf der
anderen Seite wissen wir, dass in diesem Bereich Hand-
lungsbedarf bestand, im Sinne einer Modernisierung der
Lebensmittelüberwachung. Meine Frage: Können Sie
das Ganze noch einmal zusammenfassend konkretisie-
ren? Danke.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Die Frage ist, wie viel Zeit ich dazu habe.
Denn es handelt sich um ein Bündel von Maßnahmen,
von Rechtsänderungen bis hin zu organisatorischen Ver-
änderungen auf Länderebene und zu allgemeinen Ver-
waltungsvorschriften, die für die Länder Anhaltspunkte
sind, wie eine Lebensmittelkontrolle organisiert sein
soll. Es geht dabei zum Beispiel um die Fragen: Was ist
mit dem Vieraugenprinzip? Was ist mit dem Rotations-
prinzip? Müssen bei tiefgekühlten Räumen entspre-
chende Schutzanzüge für die Lebensmittelkontrolleure
vorhanden sein? All das sind Dinge, die ich eigentlich
für selbstverständlich halte, die in Deutschland aber of-
fensichtlich in Richtlinien aufgenommen werden müs-
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Frau Kollegin Klöckner.
Herr Minister, ich möchte einen anderen Bereich an-prechen, der insbesondere ältere Menschen, aber auchenschen mittleren Alters bewegt. Es geht um dastichwort „digitaler Verbraucherschutz“. Zurzeit be-ommt mancher, der im Internet unterwegs ist, eine Ab-ahnung, obwohl er keinen Vertrag abgeschlossen hat.Es ist gut, dass es weniger Barrieren gibt, die esrschweren, am digitalen Zeitalter teilzuhaben; aber esibt anscheinend schwarze Schafe. Was gedenkt das Mi-isterium dagegen zu tun? Gibt es Ihrer Meinung nachandlungsbedarf?Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz:Ja, es gibt gewaltigen Handlungsbedarf. Der digitaleerbraucherschutz ist das Megathema, wenn es um denerbraucherschutz der Zukunft geht. Wir haben im Rah-en der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vor einemahr eine Charta für digitalen Verbraucherschutz verab-chiedet, die einheitlich in Europa gelten soll.Wir sind im Moment dabei, die eine oder anderechwachstelle in Deutschland zu beheben. Ich habe ausiesem Grunde zum Beispiel auf der CeBIT in Hannoverit den Chefredakteuren der Computerzeitschriften ge-prochen. Die Computerzeitschriften bekommen ja vonhren Lesern das Feedback, wo es noch hakt. Ein Pro-lem ist zum Beispiel, dass man im Internet immer nochus Versehen einen Klick machen kann und dann zu sei-er Überraschung feststellen muss, dass man sich für einahr vertraglich gebunden hat. Wir haben mit Fachleutenber dieses Problem gesprochen. Im Moment scheint esie beste Prävention zu sein, wenn wir das so organisie-en, dass in solchen Fällen künftig ein Fenster auf-pringt, das davor warnt, dass man eine vertragliche Bin-ung eingeht, und man in diesem Fenster auf einenutton klicken muss, wenn man diese vertragliche Bin-ung eingehen möchte. Wir wollen ja die Möglichkeiten,ie das Internet bietet – zu shoppen und Ähnliches zu
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16395
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Bundesminister Horst Seehofertun –, nicht nehmen. Wir müssen das allerdings so ge-stalten, dass niemand aus Versehen langfristige vertragli-che Bindungen eingeht. Daran arbeiten wir.
Frau Kollegin Höfken.
Aktuell erleben wir, dass drei große Lebensmittelkon-
zerne ihre Preise parallel senken. In anderen Fällen erhö-
hen sie sie.
Sie haben sich ja groß gerühmt, dass Sie mit der Än-
derung des Kartellgesetzes etwas ganz Tolles für die
Verbraucher und die Landwirtschaft getan haben. Nun
erweist sich das als ziemlicher Papiertiger. Welches In-
strument wollen Sie nutzen, um die Ziele zu erreichen,
die Sie vertreten und bei deren Verwirklichung wir Sie
auch unterstützen?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Wie Sie wissen, haben wir bereits das Verbot verab-
schiedet – mit eng begrenzten Ausnahmen –, unter den
Einstandspreisen zu verkaufen. Daneben wurde auf Ini-
tiative des Wirtschaftsministers die Regelung verab-
schiedet, dass nicht ausschließlich das Kartellamt etwas
beweisen muss, sondern dass es die Möglichkeit hat,
sich die Fakten umgekehrt auch darlegen zu lassen. Das
Kartellamt hat jetzt im Energiemarkt und in diesem
Markt entschieden mehr Möglichkeiten als früher.
Ich bitte Sie, nicht jede Preiserhöhung in der deut-
schen Wirtschaft unter Generalverdacht zu stellen. Das
Kartellamt wird sich das sicher ansehen. Es hat jetzt
auch die Möglichkeit, sich darlegen zu lassen, ob Ab-
sprachen bestanden. Ich glaube, das ist gegenüber dem,
was vorher galt und was wir aus Ihrer Regierungszeit
übernommen haben, ein wesentlicher Fortschritt.
Eine Nachfrage, ja.
Ich habe eine Nachfrage hinsichtlich der Tierfette und
Tiermehle. Angesichts der Todesfälle in Spanien, wo
Menschen jetzt qualvoll an der Creutzfeldt-Jakob-
Krankheit in Form der BSE-bedingten Erkrankung ge-
storben sind, frage ich Sie, ob Sie die Tierfette und Tier-
mehle tatsächlich wie geplant wieder in die Nahrungs-
mittelkette einführen werden oder ob die Verbraucher
darauf vertrauen können, dass das nicht passiert.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Mir ist nicht bekannt, dass die Bundesregierung beab-
sichtigt, Tiermehl an Wiederkäuer – – Ich muss meine
Beamten anschauen. –
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ir wird gesagt, dass dies nicht beabsichtigt ist.
Herr Kollege Goldmann.
Herr Minister, ich habe eine Frage zur Nährwertkenn-eichnung. Leider sind wir eben im Ausschuss nicht zureratung über diesen Punkt gekommen, weil wir unsufgrund eines Geschäftsordnungsantrages der SPD-ollegin Wolff nicht damit beschäftigen konnten. Hängtas damit zusammen, dass das von Ihnen favorisierteennzeichnungssystem aufgrund des Abfrageergebnis-es, wodurch signalisiert wird, dass es von 50 Prozenter Bürger im Grunde genommen nicht verstanden unduch nicht angenommen wird, gescheitert ist, oder ma-hen Sie in diesem Bereich jetzt einen weiteren Versuch,m zu der Ampel zu kommen?Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz:Ich muss Ihnen sagen: Das Umfrageergebnis ist sen-ationell gut. Ich kenne solche Umfrageergebnisse ei-entlich nur noch hinsichtlich der Bundeskanzler undundespräsidenten.Es bleibt dabei – man kann es gar nicht oft genugagen –: Bei der Nährwertkennzeichnung in Deutschland wenn wir es also national machen – wird es bei freiwil-igen Lösungen bleiben, weil es keinen Sinn macht, dieeutsche Wirtschaft zu etwas zu verpflichten, was aus-ändische Produzenten, die uns Lebensmittel verkaufen,icht beachten müssen. Das würde niemand verstehen.Parallel dazu gibt es Anstrengungen der Bundesregie-ung bei der Europäischen Union, die Nährwertkenn-eichnung europaweit zu reformieren, weil sie heute eu-opaweit unzureichend ist. Die Europäische Union hatinen Vorschlag gemacht, der im Grunde genommenem Vorschlag der deutschen Regierung entspricht.
Es ist so.Wir haben eine Umfrage in Auftrag gegeben, bei ders um die Nährwertkennzeichnung, die von mir mit derebensmittelwirtschaft vereinbart worden ist, und umine farbliche Unterlegung geht. Wenn ich das jetzt rich-ig im Kopf habe – ich bitte Sie, mir sofort zu widerspre-hen, falls das nicht stimmt, Frau Staatssekretärin –,ann haben 82 Prozent der Bevölkerung auf die Frage,b das eine Information ist, mit der sie etwas anfangenönnen, Ja gesagt. Die Zusatzfrage, ob über die Farbeine zusätzliche Information vermittelt werde, wurdeon mehr als 50 Prozent der Verbraucher bejaht. Die
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16396 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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Bundesminister Horst SeehoferUmfrage ist also ein wichtiges Indiz: Die Leute wollennicht nur mit schönen Farbklecksen abgespeist werden;sie wollen eine Information. Eine solche Information er-halten sie, wenn angegeben wird: Pro Portion dieses Pro-dukts nehmen Sie folgenden Anteil der empfohlenen Ta-gesration kritischer Nährwerte zu sich. Damit kann dieBevölkerung etwas anfangen.Es gab Leute, die in Fernsehdiskussionen mit mir dieBehauptung aufgestellt haben, in Deutschland müsseman grüne, gelbe und rote Punkte aufdrucken, weil dasProzentrechnen in Deutschland traditionell unterentwi-ckelt sei. Die Umfrage hat nun das Gegenteil ergeben.Wir werden die Umfrage auswerten und danach im Aus-schuss über die politischen Schlussfolgerungen diskutie-ren. Es gibt noch keine politische Entscheidung. Es gingdarum, ein Meinungsbild zu einer für die Verbrauchernicht unwichtigen Frage einzuholen.
Herr Kollege Goldmann, ich glaube, Sie wollten noch
eine Frage stellen.
Gerne. – Ich bin der Meinung, dass Ihr Modell nicht
mit dem europäischen Modell kompatibel ist. Ich
möchte eine Verständnisfrage stellen. Habe ich Sie rich-
tig verstanden: Soll es eine nationale Kennzeichnung für
nationale Produkte geben und eine europäische Kenn-
zeichnung für Produkte, die von deutschen Herstellern
auf dem europäischen Markt angeboten werden?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Ich bin enttäuscht, dass Sie mir so etwas überhaupt
zutrauen.
Ich habe gesagt: Wir reformieren in Deutschland auf
freiwilliger Basis die Lebensmittelkennzeichnung. Eine
solche Kennzeichnung ist vor über einem Jahr in Köln
vorgestellt worden. Es handelt sich um eine freiwillige
Regelung, weil es keinen Sinn macht, den deutschen Le-
bensmittelherstellern durch Gesetz etwas aufzuzwingen,
das der Franzose oder der Italiener, der Lebensmittel
nach Deutschland liefert, nicht tun muss.
Ich glaube, es ist logisch, dass man so etwas auf nationa-
ler Ebene nur freiwillig einführen kann.
Trotzdem möchten wir eine Kennzeichnung errei-
chen, die europaweit möglichst einheitlich ist; denn wir
fahren ins Ausland und andere kommen zu uns. Wir wir-
ken deshalb auf europäischer Ebene darauf hin, dass die
Kennzeichnung europaweit geregelt wird. Wir diskutie-
ren auf europäischer Ebene darüber, ob es zu einer obli-
gatorischen oder zu einer freiwilligen Regelung kommen
soll. In Deutschland, auf nationaler Ebene, macht eine
obligatorische Regelung keinen Sinn.
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as deutsche Phänomen, dass man außerhalb der deut-chen Grenzen nur als gebildet gilt, wenn man sofortnglisch spricht, tritt in den meisten anderen Staaten inuropa nicht auf. Sie pflegen ihre Muttersprache.)
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16397
)
)
Sie dürfen eine Nachfrage stellen.
Herr Minister, wir stimmen in der Analyse des Pro-
blems überein. Aber Sie sind der verantwortliche Minis-
ter. Stimmen Sie mir zu, dass der Aufruf „Wir alle kön-
nen etwas tun“ nicht reicht, sondern dass von Ihrer Seite
gehandelt werden muss? Was haben Sie vor?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Man kann für Information und Aufklärung sorgen so-
wie mit Vertretern von Medien und Fernsehanstalten re-
den. Ich bin aber dagegen – ich bitte Sie um Verständnis –,
dass man bei jeder Frage, die unser Alltagsleben betrifft,
sofort die gesetzliche Keule herausholt und ruft: Wir
brauchen einen Paragrafen.
Wenn es erst einen Paragrafen gibt, dann stellen sich fol-
gende Fragen – ich formuliere es ein bisschen ironisch –:
Was ist, wenn jemand den Paragrafen nicht beachtet?
Brauchen wir Kontrollen und Bußgelder? – Wir können
kulturelle Dinge auch durch unser eigenes Tun und Be-
mühen verändern. Natürlich werde ich auch mit Chef-
redakteuren und anderen Medienvertretern reden; Sie
können das ebenfalls und werden das sicherlich tun.
Aber bitte rufen Sie nicht gleich wieder nach einem Ge-
setz! Wir ersticken noch in Vorschriften, wenn wir auf
Schritt und Tritt dem Ruf nach einem Gesetz folgen.
Herr Kollege Bleser.
Herr Minister, Sie haben einen Aktionsplan für Er-
nährung und Bewegung angekündigt. Wie ist der Stand
der Entwicklung? Beinhaltet dieser Aktionsplan auch
Maßnahmen, die insbesondere Kindern das gesunde
Nahrungsmittel Milch näherbringen sollen?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
In den meisten Bereichen haben wir diesen Aktions-
plan bereits voll umgesetzt. Ein Beispiel: In Nordrhein-
Westfalen gibt es an insgesamt 400 Schulen einen zwei-
jährigen Modellversuch, mit dem getestet wird, was für
Eltern und Kinder bei der Schulverpflegung maßgebend
ist: Ist es der Preis? Sind es Modegetränke? Könnte man
das Verhalten verändern, wenn man die Schulverpfle-
gung zu einem ermäßigten Preis oder sogar umsonst an-
bietet? Das alles wird in Nordrhein-Westfalen zwei Jahre
lang auf wissenschaftlicher Grundlage getestet. Gemein-
sam mit dem Land Nordrhein-Westfalen wird viel Geld
aufgewandt, um beurteilen zu können, welche Motiva-
tion Eltern und Kinder bei der Schulverpflegung und der
Entscheidung für Milch, Cola oder ein Fruchtsaftgetränk
haben. Ist der Preis, die Mode, also was gerade schick
ist, für das Angebot der Schule maßgebend, oder ist das
entscheidend, was man vom Elternhaus mitbekommen
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Ich lasse keine Zusatzfragen mehr zu, weil die Zeit
ür die Regierungsbefragung schon fast vorbei ist und
ir noch vier Wortmeldungen vorliegen.
Frau Kollegin Höhn.
Herr Minister, bei Aldi und Lidl sind die Milchpreiseulasten der Bauern massiv gesenkt worden. Es ist sozu-agen ein Schnäppchenpreis, der die Menschen in denaden locken und von den anderen Preiserhöhungen ab-enken soll. Sie haben damals gesagt, Sie wollten denerkauf unter Einstandspreis verhindern. Sind die ge-enwärtigen Milchpreise nicht unter Einstandspreis,der warum haben Sie diese Preissenkungen nicht ver-indern können?Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz:Weil ich nicht die Preise festlege und wir nicht in derlanwirtschaft leben.
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16398 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
)
)
Bundesminister Horst Seehofer– Nein, ich bedauere diese Entwicklung, weil ich großesInteresse daran habe, dass es gerade vor dem Hinter-grund der sich weltweit abzeichnenden Nahrungsmittel-knappheit bei uns im Lande eine funktionierende Land-wirtschaft gibt. Sie kann nur funktionieren, wenn dieProduzenten, die Bauern, einen fairen und kostende-ckenden Preis bekommen. Nach Meinung aller Fach-leute liegt dieser faire und kostendeckende Preis fürMilch bei etwa 40 Cent pro Kilogramm. Diesen Preishatten wir erreicht, worüber ich sehr froh war. Jetzt ent-wickelt er sich zurück, was übrigens in völligem Kon-trast zur allgemeinen öffentlichen Diskussion über dieEntwicklung der Nahrungsmittelpreise steht; beiSchweinefleisch ist es ähnlich. Deshalb ist dies für dieBauern schon ein berechtigter Grund, ihre Sorgen so zuartikulieren, wie sie es in den letzten Tagen getan haben.Hier haben sie meine Unterstützung.
– Ich sage das allen, den Konzernen und anderen. Ichverhehle nicht, dass ich über die Entscheidung der Euro-päischen Union unglücklich bin, die Milchquote zu einemdenkbar ungünstigen Zeitpunkt, nämlich zum 1. April, zuerhöhen, ohne für die Milchbauern, die in schwierigenRegionen – Grünland, benachteiligte Gebiete, Alpen-und Mittelgebirgsregionen – tätig sind, ein Begleitpro-gramm zu ihrer Existenzsicherung in Aussicht zu stellen.Das war ein Fehler. Die deutsche Regierung hat dagegengestimmt, weil sich abgezeichnet hat, dass die Preisewieder zu bröckeln beginnen, wenn die Milchquote er-höht wird.
Nein, Frau Kollegin Höhn, das Wort hat jetzt Herr
Kollege Jordan.
Sehr geehrter Herr Minister, ich spreche noch einmal
das Problem der Telefonwerbung an, über das im Au-
genblick eine Diskussion im Gange ist. Erst vor wenigen
Tagen habe ich im MDR eine Problemdiskussion ver-
folgt. Es zeigt sich, dass die Stellung des Verbrauchers in
dieser Frage ziemlich schwach ist. Ist geplant, die Sache
rechtlich so festzuzurren, dass eine schriftliche Bestäti-
gung für Erstverträge erfolgen muss? Eine Strafbeweh-
rung gibt es zum Teil jetzt schon. Reicht die jetzige
Strafbewehrung aus, oder sollen im Hinblick auf die
Strafbewehrung neue Standards geschaffen werden?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Telefonwerbung ist auch heute schon verboten, wenn
sie zu Werbezwecken von Dritten an Endverbraucher
ausgeht, also nicht, wenn ich selbst jemanden anrufe,
sondern wenn ich angerufen und beworben werde. Das
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16399
)
)
– Wir können doch jetzt kein Programm für die Produ-zenten auflegen. Das wollen Sie doch nicht im Ernst hierfordern. Wenn es die Notwendigkeit struktureller Hilfengibt, dann läuft das über die Europäische Union undnicht über die Nationalstaaten. Das haben wir zum Bei-spiel mit Subventionen für den Export von Schweine-fleisch und privaten Lagerhilfen gemacht. Die Export-subventionen, die europaweit zur Existenzsicherung derSchweinehalter bitter notwendig waren, werden jetztwieder, unter anderem von Ihrer Fraktion, kritisiert, weilsie der Ernährung der Bevölkerung in den Entwicklungs-ländern entgegenstünden, was überhaupt nicht stimmt.Das wird immer instrumentalisiert, wie man es geradebraucht.
Jetzt kommt der Herr Kollege Winkler.
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Herr Bundesminister, ich möchte auf einen Punkt zu-
ückkommen, bei dem Sie es sich meiner Meinung nach
u leicht gemacht haben, und zwar auf die Verwendung
er englischen Sprache bei der Deutschen Bahn AG; die
ollegin Behm hat es eben angesprochen. Dazu wurde
in konkretes Beispiel genannt. Sie haben gesagt, Sie
ollten über Interviews usw. die Einstellung verändern
nd ein Problembewusstsein schaffen. Das ist aber ein
isschen wenig, wenn man bedenkt, dass Sie als Ver-
raucherschutzminister zuständig sind.
Dieses Problem ist schon bekannt; die Seniorenver-
ände beschweren sich bereits. Viele Senioren kommen
it ihrem E-Ticket nicht zurecht, wenn sie den Barcode
icht kennen. Man findet den Infopoint nicht. Am Info-
oint wird man wiederum vom Touchpoint an den Ser-
icecounter verwiesen. Wenn man das alles geschafft
at, darf man zum Ausgleich nicht einmal in die Lounge.
ch finde, Sie könnten mir einmal konkret sagen, was Sie
orhaben. Haben Sie wirklich vor, Maßnahmen zu er-
reifen? Haben Sie zum Beispiel vor, mit Herrn
ehdorn einmal einen Kaffee zu trinken und dafür zu sor-
en, dass bundeseigene Unternehmen wie die Bahn AG
it den Bürgerinnen und Bürgern wieder verständlich
ommunizieren?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz:
Ich bin gern bereit, mit Herrn Mehdorn ein Brainstor-
ing zu machen.
Sie haben recht – ich habe auch der Kollegin Behm
echt gegeben –: Natürlich gehört es zu meinen Aufga-
en, mit Bahnvorständen über dieses Thema zu spre-
hen. Dieses Vorgehen hat noch mehr Wucht, wenn die
ahnvorstände wissen, dass dies die Haltung des ganzen
arlaments ist.
ch habe den Eindruck, dass das der Fall ist. Ein Ertrag
iner Befragung der Bundesregierung kann sein, dass ein
olches Signal gesendet wird. Schauen wir, dass wir bei
ervicepoints, Touchpoints und Infopoints etwas errei-
hen! Ich strebe also ein Brainstorming an.
Ich beende damit die Behandlung der Themenberei-
he der heutigen Kabinettssitzung.
Mir liegt eine Wortmeldung für eine weitere Frage an
ie Bundesregierung vor. Das Wort hat Hakki Keskin.
Herr Minister, ich möchte Ihnen eine Frage zu einemeltpolitisch aktuellen Thema stellen. Hat sich die Bun-
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16400 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
)
)
Dr. Hakki Keskindesregierung mit der drohenden Hungerkatastrophe, ins-besondere in sehr vielen Entwicklungsländern, befasst?Inwieweit finden Sie es richtig, dass die EU etwa dieHälfte ihres Etats, ungefähr 50 Milliarden Euro, fürAgrarsubventionen ausgibt und somit die landwirtschaft-liche Konkurrenzfähigkeit der Entwicklungsländer er-schwert? Wir können unsere Industrieprodukte in diesenLändern durchaus absetzen, verhindern aber somit, dassdiese Länder ihre Agrarprodukte bei uns absetzen kön-nen.Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Lieber Kollege, wir haben dazu heute Nachmittageine Aktuelle Stunde. Deshalb möchte ich in der Sacheheute Nachmittag auf den angeblichen Zusammenhangzwischen Subventionen und Nahrungsmittelknappheiteingehen.Alle betroffenen Ressorts haben schon in der letztenWoche eine Gruppe gebildet. Diese Gruppe ist im Mo-ment dabei, die Analyse dieser sehr vielschichtigen, glo-balen, differenzierten und auch sehr ernst zu nehmendenThematik vernünftig vorzubereiten und Schlussfolgerun-gen für das Regierungshandeln insgesamt zu ziehen. Ichnehme an, dass wir das Parlament in wenigen Wochenüber die Konsequenzen der Regierung unterrichten kön-nen.
Ich beende die Befragung der Bundesregierung.
Vielen Dank, Herr Minister, für die humorvolle Be-
antwortung der Fragen.
Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2:
Fragestunde
– Drucksachen 16/8841, 16/8866 –
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß Nr. 10 der
Richtlinien für die Fragestunde die dringlichen Fragen
auf Drucksache 16/8866 auf.
Die Fragen beantwortet Herr Staatsminister Dr. h. c.
Gernot Erler.
Ich rufe zunächst die dringliche Frage 1 auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung zur
Nichteinladung des Dalai-Lamas durch die EU-Außenminis-
ter, und hat sie diese Entscheidung aktiv beeinflusst und her-
D
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Die Antwort der
Bundesregierung lautet: Die vom französischen Außen-
minister Bernard Kouchner am 1. April 2008 im Radio-
sender RTL angedachte Idee, den Dalai-Lama zu einem
Treffen mit den Außenministern der EU einzuladen, ist
weder von Frankreich selbst noch von der slowenischen
Ratspräsidentschaft noch von einzelnen Mitgliedstaaten
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Das kann man kaum glauben. Ich zitiere Pressemel-
ungen. Darin wird sehr klar gesagt: So machten insbe-
ondere deutsche Diplomaten klar, dass Bundesaußen-
inister Frank-Walter Steinmeier eine Zusammenkunft
ls unnötige Provokation Chinas nicht wolle. – Dies ist
us mehreren Quellen ersichtlich.
Da Sie sagen, es sei nicht beraten worden, habe ich
ie Nachfrage: Gab es informelle Gespräche des Außen-
inisteriums – man weiß ja, wie das funktioniert –, in
enen von der deutschen Seite an die Präsidentschaft si-
nalisiert wurde, dass man so etwas nicht befürworten
erde?
D
Ich kann jetzt hier nicht darüber Auskunft geben, ob
n irgendwelchen informellen Treffen auch über diese
rage „Einladung des Dalai-Lama“ geredet worden ist.
ch kann nur wiederholen: Es hat überhaupt keinen Ent-
cheidungsprozess dazu gegeben. Einen solchen hätte es
ofort gegeben, wenn irgendjemand, zum Beispiel Herr
ouchner, dieses Thema zum Gegenstand von Beratun-
en der EU-Gremien gemacht hätte. Das ist aber nicht
er Fall gewesen. So kann es höchstens sein, dass in Ge-
prächen, die uns nicht bekannt sind, das zum Thema ge-
acht worden ist. Offiziell war so etwas nicht.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Wenn es nicht zum Thema gemacht wurde, frage ich
och einmal nach. Wie steht denn die Bundesregierung
rundsätzlich zu einer solchen Einladung des Dalai-
ama – er beabsichtigt ja im Mai einen Deutschland-
nd Europabesuch – vonseiten der Bundesregierung
der auch der EU-Außenminister? Sie könnten es ja
uch von Ihrer Seite aus vorschlagen.
D
Zunächst einmal darf ich festhalten, dass der Dalai-ama eine Einladung vom EU-Parlament hat und dass erußerdem vom Auswärtigen Ausschuss des Deutschenundestages nach Deutschland eingeladen worden ist;as wird am 19. Mai stattfinden.Die Bundesregierung hält Gespräche für sinnvoll, al-erdings mit beiden Seiten. Wir erachten es also fürbenso sinnvoll, Gespräche mit Peking zu führen. Vorllen Dingen ist uns ein ganz besonders wichtiges Anlie-en – darauf hat die Bundesregierung mehrfach hinge-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16401
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Dr. h. c. Staatsminister Gernot Erlerwiesen –, dass ein sino-tibetischer Dialog, also ein Dia-log zwischen der chinesischen Führung und denTibetern, ganz besonders dem Dalai-Lama, stattfindet.
Ich rufe die dringliche Frage 2 der Abgeordneten
Kerstin Müller auf:
Welche EU-Länder, einschließlich der Bundesrepublik,
haben ein Treffen mit dem Dalai-Lama abgelehnt, und welche
haben sich für ein solches Treffen ausgesprochen?
D
Meine Antwort lautet: Da die Anregung zu einem
Treffen der EU-Außenminister mit dem Dalai-Lama
nicht Gegenstand von Beratungen in den EU-Gremien
war, gab es dazu seitens der EU-Mitgliedstaaten auch
kein Votum.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Da die Einladung vom Auswärtigen Ausschuss – sie
ist auf meinen Vorschlag erfolgt – eine Einladung von
der Bundesregierung nicht ersetzt und die Bundeskanz-
lerin gesagt hat, sie könne den Dalai-Lama diesmal nicht
empfangen, da sie in Lateinamerika sein werde, von
meiner Seite die Nachfrage, warum denn dann der Au-
ßenminister den Dalai-Lama nicht einlädt, wenn dieser
im Mai in Deutschland ist. Oder ist der Außenminister
dann auch in Lateinamerika?
D
Ich habe schon dargelegt, dass vom Außenministe-
rium Gespräche in beide Richtungen, sowohl was den
Dalai-Lama angeht, als auch was die chinesische Seite
angeht, unterstützt werden. Ich möchte wiederholen: Un-
ser Hauptanliegen ist – ich glaube, das wäre auch ganz
im Sinne Ihrer Interessen –, dass es zu einem Dialog
zwischen dem Dalai-Lama und der chinesischen Füh-
rung kommt. Wir überlegen uns bei allen Initiativen, die
wir selber ergreifen, ob sie zur Erreichung dieses Ziels
beitragen oder nicht.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Wenn denn das Außenministerium und der Außen-
minister nicht der Meinung sind, dass eine Einladung
des Dalai-Lama einen solchen Dialog befördern könnte,
die Frage: Was tut denn der Außenminister, um den Dia-
log zwischen den moderaten Kräften um den Dalai-
Lama und der chinesischen Regierung zu befördern?
Von einer Dialogbereitschaft seitens Chinas ist zurzeit ja
überhaupt nichts erkennbar.
D
Zunächst einmal: Der deutsche Außenminister Frank-
Walter Steinmeier hat nach Ausbruch der aktuellen
Tibet-Krise im März dreimal mit seinem chinesischen
Kollegen telefoniert und bei jeder dieser Gelegenheiten
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– Wir reden hier über theoretische Annahmen. Aufgrund
der allgemeinen Erfahrungen mit Impfungen gehen wir
alle davon aus, dass die Impfung nicht zu dramatischen
Schäden führen wird. Wenn es vereinzelt zu Verwerfun-
gen, Aborten oder Verendungen kommt, wird das über
das Tierseuchenrecht gelöst; dann wird die Tierseuchen-
kasse die Schäden begleichen.
– Wir belassen es bei der Frage.
Wir werden die Impfungen jetzt anlaufen lassen und
ein Monitoring durchführen. Über den Fortlauf des Ge-
schehens können Sie jederzeit Informationen erhalten.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. –
Herr Staatssekretär, herzlichen Dank für die Beantwor-
tung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums der Verteidigung auf. Die Fragen beantwortet der
Herr Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt.
Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Lydia Westrich auf:
Ist das Bundesministerium der Verteidigung vor dem Hin-
tergrund, dass im März dieses Jahres die Bundeswehr bei
Übungsflügen über der Westpfalz Übungsmunition, soge-
nannte Düppel, über bewohntem bzw. landwirtschaftlich ge-
nutztem Gebiet abgeworfen hat, bereit, den berechtigten Sor-
gen der betroffenen Anwohner über eine mögliche
Gesundheitsgefährdung durch diese Übungsmunition inso-
weit Rechnung zu tragen, als es ein unabhängiges Prüfinstitut
mit einem Gutachten zu möglichen gesundheitlichen Risiken
durch die Düppel beauftragt und die Ergebnisse des Gutach-
tens den betroffenen Bewohnern bekannt macht?
C
Frau Kollegin, meine Antwort orientiert sich natürlich
an dem Schreiben des Kollegen Kossendey vom
3. April, in dem er auf Ihre Fragen gleichen Inhalts ge-
antwortet hat.
Zur Begrifflichkeit will ich vorweg sagen: Düppel
sind Munition darstellende Übungsgegenstände, keine
Explosivstoffe. Der Einsatz des von der Bundeswehr ge-
nutzten Düppelmaterials bringt keinerlei Gesundheitsge-
fährdungen oder Gefährdungen für die Umwelt mit sich.
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Parl. Staatssekretär Christian Schmidthandelt es sich um den Abschlussbericht des WIWEB,des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Werk-, Explo-siv- und Betriebsstoffe der Bundeswehr, also unseres ei-genen Instituts. Diese Studie datiert vom 10. Juli 1998und hat den Titel „Bewertung der Umweltverträglichkeitvon Düppelmaterial“.Die dritte Studie ist eine Untersuchung des Wehrwis-senschaftlichen Instituts für Schutztechnologien vom8. Juni 1998 mit dem Titel „Toxikologische Bewertungvon Düppelmaterial“.Wir werden dafür Sorge tragen, dass diese Informa-tionen an die Betroffenen weitergeleitet werden. Ichwäre sehr dankbar, wenn dies in Abstimmung mit denKolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestagesgeschehen könnte.Den Ergebnissen dieser Studien ist zu entnehmen,dass das von der Bundeswehr verwandte Düppelmaterialausschließlich aus nicht lungengängigen, aluminiumbe-schichteten Glasfäden besteht und keine Gefährdung fürExponierte oder Umwelt darstellt. Glas als Werkstoff isteine unterkühlte Schmelze aus Quarz und Silikaten, dieauch in der Natur vorkommt; ich denke, das ist uns allenbekannt. – Ich erinnere mich noch an den Satz: Feldspat,Quarz und Glimmer, die vergess ich nimmer. – DieseVerbindungen zählen zu den häufigsten auf der Erd-kruste. Die Fasern sind chemisch reaktionsträge.Ein weiteres Ergebnis dieser Untersuchungen ist: Dieim Düppelmaterial verwendeten Fasern können auf-grund ihrer Länge nicht inhaliert werden. Selbst beiBruch der Faser entstehen allein aufgrund des Faser-durchmessers nur Fragmente. Daher kann ein inhalativesRisiko ausgeschlossen werden.Mit der Nahrung aufgenommenes Düppelmaterialdurchwandert ungehindert den Magen-Darm-Trakt undwird dann – das sage ich, weil Sie auch Tiere erwähnthaben – wieder ausgeschieden. Bei den Düppelfädenhandelt es sich um Stoffe, die natürlichen Mineralien äh-neln. Die Glasfasern werden in der Umwelt mechanischzerkleinert, und das Aluminium wird in unlösliche Alu-miniumoxide und -salze umgewandelt.
Sie haben noch eine weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Natürlich geht es
nicht nur um Tiere, sondern auch um Kinder. Eine Erzie-
herin hat nämlich ein Kind gefunden, das den Mund vol-
ler Aluminiumsplitter hatte. Ob die Eltern davon begeis-
tert waren, will ich einmal dahingestellt sein lassen.
Jetzt möchte ich noch eine Nachfrage stellen: In
Deutschland wird ja besonders viel von dieser Übungs-
munition abgeworfen, weil es hierzulande – das ist in
Europa einzigartig, bei uns ist es allerdings nicht sehr
beliebt – eine Polygone-Übungsanlage gibt. Dabei han-
delt es sich um eine Zone, in der der Luftkampf geübt
werden kann und die gerade bei schönem Wetter sehr
gerne genutzt wird, allerdings nicht nur von deutschen
Fliegern, sondern natürlich auch von unseren NATO-
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, Sie haben ein Gutachten aus dem
Jahre 1989 zitiert. In dem Zusammenhang würde mich
zum einen interessieren, ob sich die Art der verwendeten
Übungsmunition seitdem nicht geändert hat, und zum
anderen, ob Sie uns hier versichern können, dass die Mu-
nition, die dort von alliierten Einsatzkräften abgeworfen
wird, den gleichen Standards unterliegt und dass die Ein-
schränkung, die Sie gemacht haben, dass nämlich ein
entsprechender Abwurf nur im absoluten Ausnahmefall
und mit vorheriger Ankündigung getätigt wird, auch für
diese gilt.
C
Die Grundsubstanz und -struktur der Düppel hat sich
seit dieser Untersuchung nicht geändert. Es liegt auch
eine amerikanische Studie über die Munition bzw. eine
Darstellung der Munition anderer Streitkräfte vor.
Ich werde Ihre Zusatzfrage zum Anlass nehmen, zu
überprüfen, inwieweit dort andere Substanzen, von de-
nen mir gegenwärtig nichts bekannt ist, vorkommen. Der
Redlichkeit halber sollten wir dem nachgehen. Ich
glaube, das Ergebnis wird sein, dass keine solchen ver-
wendet werden. Wenn es aber doch so sein sollte, dann
sind sie unter den gleichen Kriterien zu bewerten. Das
heißt, sie müssen ausgeschlossen sein, wenn sie zu einer
gesundheitlichen Gefährdung führen könnten.
Ich bin gerne bereit, der Fragestellerin und Ihnen als
Steller der Zusatzfrage die entsprechende Auskunft auf
dem schriftlichen Wege zukommen zu lassen.
Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
auf:
Trifft das zu, was in der ARD-Sendung Monitor vom
3. April 2008 behauptet wurde, dass externe Mitarbeiter auch
bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mitgewirkt haben, und,
wenn ja, welche Unternehmen, die Mitarbeiter in das Bundes-
ministerium der Verteidigung delegieren konnten, hatten in
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Ich bitte um Entschuldigung, Frau Präsidentin. Ich
abe mich jetzt so sehr mit den Düppeln beschäftigt.
Frau Kollegin Lötzsch, Ihre Frage beantworte ich wie
olgt: Nein, es trifft nicht zu. Von Entscheidungen in ei-
em Vergabeverfahren sind solche Personen gemäß § 16
er Vergabeverordnung allein schon aus präventiven
ründen ausgeschlossen.
Ihre Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
achdem Sie sich wieder in das Thema eingefunden ha-
en, möchte ich eine kurze Vorbemerkung machen. In
er letzten Fragestunde haben wir sehr ausführlich das
hema Lobbyismus besprochen; meine Frage ordnet
ich in diesen Themenkomplex ein. Auf Grundlage des
nformationsfreiheitsgesetzes hat Ihr Ministerium zum
eispiel gegenüber Journalisten Auskünfte darüber er-
eilt, welche Vertreter welcher Unternehmen in Ihrem
inisterium tätig waren. Ich habe mir das also nicht aus-
edacht; Ihr Ministerium selbst hat es der Öffentlichkeit
undgetan.
Ich möchte gerne wissen, welche externen Beschäftig-
n welcher Unternehmen in die Entwicklung des 7-Mil-
arden-Euro-Projektes Herkules eingebunden waren. –
as war jetzt die Nachfrage.
C
In die Vergabe von Herkules waren keine Externen
ingebunden.
Ich bitte darum, das schriftlich beantworten zu können.
Das wäre sehr nett; darüber würde ich mich freuen.Darf ich eine zweite Nachfrage stellen? – In der Über-icht Ihres Ministeriums, die auf Grundlage des Informa-ionsfreiheitsgesetzes für Journalisten angefertigt wurde darauf beziehe ich mich –, haben Sie Mitarbeiter wei-erer Unternehmen aufgezählt. Sie haben mitgeteilt, dassie in Ihrem Ministerium externe Mitarbeiter von IBM
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Dr. Gesine Lötzschbeschäftigt haben. Welche Aufgaben hatten diese Mit-arbeiter?C
Auch dies würde ich Ihnen gerne schriftlich beant-
worten, weil ich die entsprechenden Unterlagen jetzt
nicht zur Verfügung habe.
Eine Zusatzfrage der Kollegin Höll.
Danke, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, dürfte
ich Sie bitten, ebenfalls – sicher auch schriftlich – die
Frage zu beantworten, welche Aufgabe der externe Mit-
arbeiter von Roland Berger hatte?
C
Ja, sehr gern.
Frau Kollegin Höll, Sie haben nur eine Zusatzfrage.
Frau Kollegin Enkelmann.
Unabhängig davon, dass Sie die gestellten Fragen
nicht beantworten können und sie möglicherweise
schriftlich beantworten, stellt sich die Frage: Wie sorgen
Sie dafür, dass externe Mitarbeiter nicht zu einem
Sicherheitsrisiko im Hinblick auf die vom Ministerium
vergebenen Aufträge werden?
C
Indem sie nicht mit sicherheitsrelevanten Fragen in
Berührung gebracht werden und indem eine ständige – –
Frau Präsidentin, ich habe jetzt nicht verstanden, was
die Kollegin sagen wollte.
Es war sicher nicht so wichtig, Herr Staatssekretär.
C
Das mag sein. Insofern halte ich die Frage für beant-
wortet.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.
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Herr Staatsminister, ich habe das Ganze nicht richtigachvollziehen können. Der Präsident hat geschrieben,
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16413
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Josef Philip Winklerer garantiere gleichen Schutz für alle Gäste, die kom-men. Nun liegt aber – Frau Kollegin Dr. Höll hat daskorrekt angesprochen – nicht die gleiche Gefährdungs-lage für alle Gäste vor, sondern bestimmte Gruppen, ins-besondere Schwule und Lesben, waren in den letztenWochen Bedrohungen ausgesetzt, und es wurde ihnenangekündigt, dass man ihnen – auf gut Deutsch gesagt –zeigt, wo der Hammer hängt. Insofern ist diese generelleZusage nicht ausreichend, weil eine neue Situation ein-getreten ist, die darin besteht, dass bestimmte Gruppengezielt bedroht werden. Aus meiner Sicht stellt sich dieFrage, ob die Bundesregierung in diesem Zusammen-hang nochmals eine Initiative ergreift und mit der serbi-schen Regierung über diese spezielle Lage in ein Ge-spräch eintritt.D
Herr Kollege Winkler, wenn Sie sich einmal den Text
der Erklärung vom 17. März des serbischen Präsidenten
Boris Tadić, die auch im Internet zugänglich ist, an-
schauen, dann stellen Sie fest, dass das eine umfassende
Garantie ist, die ausdrücklich alle Gruppen aller Orien-
tierungen einschließt. Ich habe eben schon zitiert, dass es
obendrein an den Veranstalter, die EBU, eine Sicher-
heitsgarantie von serbischer Seite gibt, die ausdrücklich
für alle, ohne Unterscheidung nach Religion, Rasse, se-
xueller Orientierung oder anderen Kriterien, gilt. Eine
umfassendere Zusage kann man nicht erhalten. Ich
wüsste nicht, wie solche ausdrücklichen Sicherheitsga-
rantien, die gegenüber dem Veranstalter ausgesprochen
worden sind, noch zu steigern wären. Welche höhere
Autorität als den Staatspräsidenten, der diese öffentlich
zugängliche Erklärung abgegeben hat, sollten wir denn
noch bemühen?
Eine weitere Zusatzfrage ist jetzt nicht möglich, Kol-
lege Winkler.
Die Frage 21 des Kollegen Hans-Christian Ströbele
wird schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 22 und
23 der Kollegin Marieluise Beck .
Herzlichen Dank, Herr Staatsminister.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der
Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Ver-
fügung.
Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Josef Philip Winkler
auf:
Umfasst das von der Bundesregierung angestrebte Auf-
nahmekontingent irakischer Christen auch Angehörige der
Minderheitenreligion der Mandäer und der Jesiden, und wie
begegnet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang dem
Eindruck der Diskriminierung anderer schutzbedürftiger ira-
kischer Flüchtlingsgruppen?
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Ich kann Ihre Frage wie folgt beantworten: Der Bun-
desinnenminister hat die Frage des Flüchtlingsschutzes
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Trifft die Annahme zu, dass es bereits bei diesem In-
enministerrat zu einer Einigung im europäischen Rah-
en gekommen wäre, wenn Herr Schäuble einen Vor-
chlag gemacht hätte, der über die ausschließliche
erücksichtigung christlicher Flüchtlinge hinausgegan-
en wäre? Oder ist die Debatte anders abgelaufen? War
on vornherein klar, dass erst im Juni entschieden wer-
en soll?
P
Diese Einschätzung ist ausdrücklich nicht richtig. Es
ar so, dass dieses Thema zum ersten Mal seit dem letz-
en Jahr auf der politischen Ebene behandelt worden ist,
nd zwar auf Initiative des deutschen Innenministers. Es
st allgemein üblich, dass Entscheidungen nicht sofort
etroffen werden, sondern dass sie unter Mitarbeit der
ommission und der Mitgliedstaaten auf der Arbeits-
bene vorbereitet werden. Das ist ein Prozess, der im
ugenblick abläuft. Deshalb wäre eine solche Entschei-
ung auch bei einem anderen Vorgehen noch nicht ge-
roffen worden.
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Danke, Frau Präsidentin. – Ist die Bundesregierung
ereit, auf europäischer Ebene auf eine Lösung hinzu-
irken, die vorsieht – wir haben darüber heute schon im
nnenausschuss debattiert; dort wurde unser Antrag zur
ufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak, insbesondere
on christlichen, von den Koalitionsfraktionen abge-
ehnt, was ich sehr bedauere –, auch Angehörige anderer
ruppen, die vom UNHCR als besonders schutzbedürf-
ig bezeichnet wurden, etwa traumatisierte Kinder und
lleinstehende Frauen, aufzunehmen? Oder beharrt die
undesregierung auf ihrer Auffassung – sie wurde, zu-
indest der Presse nach, von Herrn Schäuble vertreten –,
ass diese Aufnahmeregelung ausschließlich oder fast
usschließlich für Christen gelten soll?
P
Herr Kollege Winkler, auch hier werden Sie verste-en, dass ich den Verhandlungen nicht vorgreifen kann.
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16414 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
)
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Ich glaube, wir sind
uns alle einig, dass es darum geht, irakischen Flüchtlin-
gen zu helfen, die besonders schutzwürdig sind oder zu
besonders schutzwürdigen Personengruppen gehören.
Darüber gibt es auch Gespräche mit dem UNHCR. Bei
allen unterschiedlichen Auffassungen, die es auch in die-
sem Haus geben mag, kann man mit vernünftigen Argu-
menten nicht bestreiten, dass die Angehörigen religiöser
Minderheiten im Irak, insbesondere die Angehörigen der
christlichen Minderheit, zu solchen besonders schutz-
würdigen Gruppen gehören und dass es deshalb legitim
ist, dass die Bundesregierung darüber nachdenkt, wie
diesen Gruppen zu helfen ist.
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Müller das Wort.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Staatssekretär, mich interessiert einmal die Linie
der Bundesregierung. Diesen Vorstoß hat Innenminister
Schäuble unternommen. Die Justizministerin Zypries hat
sehr deutlich erklärt, dass sie mit dem Kriterium „Auf-
nahme irakischer Flüchtlinge entsprechend ihrer Glau-
benszugehörigkeit“ nicht einverstanden ist. Die SPD hat
sich heute im Auswärtigen Ausschuss bereit erklärt, mit
uns, den Grünen, und den anderen Oppositionsfraktio-
nen über einen entsprechenden interfraktionellen Antrag
zu diskutieren, während die CDU/CSU das abgelehnt
hat. Insofern ist die Linie der Bundesregierung nicht
klar. Können Sie sie hier bitte einmal erläutern?
P
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundesregierung wird eine klare Linie vertreten,
wenn es im Juni im Rat der europäischen Innen- und
Justizminister zu entsprechenden Entscheidungen
kommt.
Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege Grund
das Wort.
Vielen Dank. – Von wie vielen Angehörigen der
christlichen Minderheit im Irak geht die Bundesregie-
rung bei ihren Überlegungen aus?
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Es gibt selbstverständlich keine genauen und verläss-
lichen Zahlen. Tatsache ist, dass sich beim Ausbruch der
Kämpfe im Irak wohl noch einige Hunderttausend Ange-
hörige christlicher Minderheiten im Lande aufgehalten
haben. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Personengrup-
pen befindet sich innerhalb und außerhalb des Iraks auf
der Flucht. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass insbeson-
dere Angehörige christlicher Minderheiten es schwerer
haben als andere, wenn sie sich in Nachbarstaaten des
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Nun hat der Hohe Flüchtlingskommissar bereits
napp 14 000 Personen als besonders schutzbedürftig
efiniert. Sie alle müssen jetzt bis Juni warten, bis die
I-Minister-Konferenz einen Beschluss fasst, so sie das
ann tut. Denkt die Bundesregierung nicht darüber nach,
ie vom UNHCR bereits als besonders schutzbedürftig
ezeichneten Personen in einer Resettlement-Aktion von
eutscher Seite, unilateral, aufzunehmen? Eine Vertei-
ung auf andere europäische Staaten könnte dann auch
päter erfolgen, etwa nach der Konferenz im Juni.
P
Herr Kollege Winkler, es ist grundsätzlich nicht rich-ig, dass alle diese Personen bis zum Juni warten müs-en. Eine Reihe von Mitgliedstaaten haben bereits in derergangenheit Resettlement-Programme im nationalenaßstab durchgeführt und tun dies auch gegenwärtigoch. Es ist ferner so, dass in Deutschland die Anerken-ungsquote bei irakischen Flüchtlingen aufgrund dererschärften Verfolgungssituation in den letzten Mona-en signifikant gestiegen ist.Deshalb, Herr Kollege, ist aus unserer Sicht jetzt dierage zu beantworten, ob wir einen nationalen Allein-ang machen wollen, weil es auch um die Aufnahme ei-er größeren Zahl von Personen geht – so etwas wird imugenblick in anderen europäischen Ländern noch nichtiskutiert –, oder ob wir glauben, dass wir mehr Men-chen helfen können, wenn es zu einem abgestimmten
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16415
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)
Parl. Staatssekretär Peter Altmaiereuropäischen Vorgehen kommt. Die Bundesregierungund auch die Innenministerkonferenz, die in der letztenWoche getagt hat, sind der Auffassung, dass man zu-nächst einmal versuchen soll, ein solch abgestimmtesVorgehen zustande zu bringen. Die Bundesregierungwird daran selbstverständlich nach Kräften mitwirkenund sich aktiv am Zustandekommen einer europäischenLösung beteiligen.
Sie haben das Wort zur zweiten Zusatzfrage.
Auch vor dem Hintergrund dessen, dass wir alle Post
von den Kirchen bekommen haben, will ich durchaus
einräumen, dass die Gruppe der christlichen Minderheit
im Irak natürlich besonders bedroht und verfolgt ist; das
habe ich auch nie bestritten. Daneben gibt es aber Jesi-
den, Mandäer, Sabäer und andere nicht muslimische
Minderheiten, die auch verfolgt sind.
Weil ich es eben nicht ganz klar verstanden habe,
frage ich noch einmal: Wird sich die Bundesregierung
querstellen, wenn es darum geht, über die Christen hi-
naus auch diese Gruppen und andere vom UNHCR als
besonders schutzbedürftig deklarierte Personen aufzu-
nehmen, wenn im Juni im JI-Rat oder bis dahin entschie-
den wird, welche Flüchtlinge aus dem Irak aufgenom-
men werden?
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Herr Kollege Winkler, wie ich schon vorhin gesagt
habe, ist eine formelle Entscheidung noch nicht getrof-
fen. Ich teile ausdrücklich Ihre Auffassung, dass auch
die Jesiden und Mandäer zu den schutzbedürftigen reli-
giösen Minderheiten im Irak gehören. Dies wird auch
von den großen Kirchen so gesehen. Der Bundesinnen-
minister teilt diese Auffassung ebenfalls.
Zu einer Nachfrage hat die Kollegin Müller das Wort.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Staatssekretär, es ist vielmehr so, dass man
schon zu einer Entscheidung auf europäischer Ebene
hätte kommen können, wenn die konfuse oder blockie-
rende Haltung der Bundesregierung nicht bestünde. Es
gab bereits einen Vorstoß von Großbritannien, den Nie-
derlanden und Schweden zur Zeit der deutschen Ratsprä-
sidentschaft, der unverantwortlicherweise im vergange-
nen Jahr nicht aufgegriffen wurde. Jetzt gibt es
Bereitschaft im Rahmen der EU-Ministerkollegen,
Flüchtlinge aus dem Irak aufzunehmen, ohne dabei nach
der Glaubenszugehörigkeit zu selektieren; der Ratspräsi-
dent hat sich dazu ganz klar geäußert.
Ich frage Sie deshalb noch einmal: Bleibt die CDU/
CSU im Gegensatz zur SPD bei ihrer Haltung, man
müsse bei der Aufnahme entsprechend der Glaubens-
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Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-esministeriums für Wirtschaft und Technologie. ZurDie Antwort zu Frage 31 lag bei Redaktionsschluss nicht vor.
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16416 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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Vizepräsidentin Petra PauBeantwortung der Fragen steht der ParlamentarischeStaatssekretär Hartmut Schauerte zur Verfügung.Ich rufe die Frage 32 der Kollegin Bärbel Höhn auf:Hat sich der Bundesminister für Wirtschaft und Technolo-gie, Michael Glos, bei der Besichtigung des AtomkraftwerksOlkiluoto in Finnland am 15. April 2008 über die zweijährigeVerzögerung des Kraftwerksbaus und die dadurch entstehen-den Mehrkosten von bis zu 1,5 Milliarden Euro informierenlassen, und welche Rückschlüsse zieht er aus den Erfahrungenmit dem „finnischen Millionengrab“ für die Energie-politik der Bundesregierung?H
Frau Kollegin Höhn, Sie fragen danach, welche Ein-
drücke Wirtschaftsminister Glos bei seinem Besuch auf
der großen Baustelle des Kraftwerks Olkiluoto in Finn-
land gewonnen hat. Hier wird ja erstmals in Europa ein
Atomkraftwerk der dritten Generation errichtet.
Bundesminister Glos hat sich bei seinem Besuch auf
der Baustelle des ersten Europäischen Druckwasserreak-
tors – das ist ja ein ganz neuer Reaktortyp – umfassend
über technische und wirtschaftliche Fragen unterrichten
lassen. Dabei machte Bundesminister Glos deutlich, dass
Europa sichere Energiequellen benötigt, die das Klima
schonen. Hierzu gehört seiner Auffassung nach auch die
Kernenergie, die als Brückentechnologie einen wichti-
gen Beitrag leisten kann, bis Alternativen technisch und
wirtschaftlich ausgereift sind.
Ihre erste Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich habe nach vielen anderen Sa-
chen gefragt, auf die Sie gar nicht eingegangen sind. Ich
habe zum Beispiel gefragt, ob Herr Glos auch über die
entstehenden Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro infor-
miert worden ist, und danach, welche Rückschlüsse er
aus den Erfahrungen mit dem „finnischen Millionen-
grab“ – so titelte die FAZ – für die Energiepolitik der
Bundesregierung zieht. Ich würde doch bitten, dass ich
jetzt nicht eine Zusatzfrage für die Beantwortung dieser
Fragen aufwenden muss, sondern der Staatssekretär auch
diese Teile der Frage, die ich gestellt habe, im ersten
Aufschlag beantwortet.
H
Bundesminister Glos hat sich auf der Baustelle über
alle infrage stehenden Punkte unterrichten lassen, unter
anderem auch über die zeitliche Verzögerung. Statt 2009
soll das Kraftwerk jetzt 2011 an das Netz gehen. So sieht
jetzt die Planung der Bauunternehmen auf der finnischen
Seite aus. Die Mehrkosten von 1,5 Milliarden Euro sind
im Einzelnen nicht dargestellt worden, und Konsequen-
zen für die deutsche Energiewirtschaft sind aus diesem
Großprojekt nicht zu ziehen.
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Herr Staatssekretär, Sie haben ausgeführt, dass es der
rste Reaktor eines solches Konsortiums ist. Ist die Bun-
esregierung der Auffassung, dass, wenn schon beim
rsten Bau eines solches Reaktors eine solche massive
erzögerung eintritt und es gleichzeitig einen enormen
ostenaufwuchs gibt, das ein guter Start für diese Bau-
eihe ist? Wird die Bundesregierung diese weiterhin un-
erstützen, oder hat sie eine andere Auffassung dazu?
H
Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei Dingen, die zum
rsten Mal gemacht werden – das gilt insbesondere für
roßprojekte, aber auch für kleinere Projekte –, nicht al-
es von Anfang an so läuft, wie man das geplant hat.
eswegen bin ich überhaupt nicht unruhig. Das, was
errn Glos während seines Besuchs mitgeteilt worden
st, zeugt davon, dass die Dinge jetzt auf einem guten
eg sind und die Fortschritte in den jetzt festgestellten
eitplänen eintreten.
Die Kollegin Dückert hat eine weitere Zusatzfrage,itte.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16417
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Herr Staatssekretär, muss ich Ihrer Antwort entneh-
men, dass Mehrkosten von hier in Rede stehenden
1,5 Milliarden Euro von Ihnen eher als normale anfäng-
liche Kinderkrankheiten bei neuen Projekten bewertet
werden?
H
Frau Kollegin, es handelt sich um ein Großprojekt
von leistungsstarken europäischen Unternehmen, näm-
lich einem französischen und einem deutschen Unter-
nehmen, zum Beispiel Siemens, und einem absolut leis-
tungsstarken Wirtschaftspartner in Finnland. Wenn drei
solche Wirtschaftsunternehmen miteinander Verträge
schließen – egal für welches Projekt, ob es nun eine be-
sondere Verkehrsverbindung, ein gewaltiges Brücken-
bauwerk oder ein neuer Reaktortyp ist –, dann kann es
sein, dass Abweichungen von den ursprünglichen Plänen
entstehen. Das ist sogar ziemlich normal. Erstprojekte in
diesen Größenordnungen haben noch nie wirklich sofort
funktioniert. Das hat für die Bundesregierung in ihrer
Beurteilung von Energiepolitik und dem, was wir für die
Klimapolitik brauchen, keine unmittelbare Auswirkung.
Wir kommen damit zur Frage 33 der Kollegin Bärbel
Höhn:
Welche Schwächen des integrierten Klima- und Energie-
pakets der Bundesregierung veranlassen den Bundesminister
für Wirtschaft und Technologie, Michael Glos, zu der in der
Wirtschaftswoche vom 12. April 2008 getätigten Aussage, er
halte die Erreichung des Effizienzziels der Bundesregierung,
den Stromverbrauch bis 2020 um 11 Prozent zu senken, sowie
des in Meseberg beschlossenen Ziels, den Anteil der erneuer-
baren Energien im Strombereich bis 2020 auf 25 Prozent zu
steigern, für „längst nicht sicher“, und welche Nachbesserun-
gen plant die Bundesregierung, um die betreffenden Ziele
dennoch zu erreichen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
H
Die Antwort lautet: Die im integrierten Energie- und
Klimaprogramm vereinbarten Ziele zum Ausbau der er-
neuerbaren Energien und zur Steigerung der Energiepro-
duktivität sind ehrgeizige Vorhaben für die Energie- und
Klimapolitik bis 2020. Ob die Maßnahmen des integrier-
ten Energie- und Klimaprogramms hinsichtlich der
Zielerreichung in den jeweiligen Bereichen zu befriedi-
genden Ergebnissen führen und welche zusätzlichen
Maßnahmen gegebenenfalls ergriffen werden müssen,
wird im Rahmen des beabsichtigten Monitoring-Prozes-
ses regelmäßig überprüft. Jede Zielvorgabe hat unge-
wisse Elemente, sonst wäre sie bereits Realität. Das ist
denknotwendig so. Der Minister wollte mit der Aussage
„längst nicht sicher“ deutlich machen, dass in besonde-
rer Weise Anstrengungen unternommen werden müssen,
sowohl in der Beobachtung der Zielerreichung auf der
Zeitschiene wie auch hinsichtlich der Maßnahmenkata-
loge. Wir erleben ja gerade eine Diskussion über das
Thema Biokraftstoffe, wo im Maßnahmenkatalog plötz-
lich eine Neujustierung erfolgen muss. Solche Erkennt-
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as ist bei dieser Art des Dialogs zwischen Parlamentnd Regierung nach meinem Dafürhalten jetzt nicht
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16418 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerteleistbar. Ich bin gerne bereit, Ihre Fragen schriftlich zubeantworten,
damit Sie die Zahlen in Ihre weiteren Überprüfungenund Überlegungen einbeziehen können.
Der Kollege Winkler hat das Wort zu einer weiteren
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Ihre Aussage von eben, was das
„längst nicht sicher“ angeht, veranlasst mich doch zu der
Nachfrage: Gibt es denn irgendein Ziel, das das Bundes-
wirtschaftsministerium bzw. der Minister sich vorge-
nommen hat, bei dem die Bundesregierung bzw. der
Bundeswirtschaftsminister das Erreichen für sicher hält?
Oder sind Sie, was Ihre eigenen Beschlüsse angeht, so
pessimistisch veranlagt, dass Sie sagen, das, was Sie be-
schlossen haben, könne längst nicht sicher sein?
H
Herr Kollege Winkler, zunächst einmal: Alle Ziele
beziehen sich auf die Zukunft; das wissen Sie. Außer-
dem gibt es unterschiedliche Probleme bei der Errei-
chung der Ziele. Es gibt einfache Ziele, deren Errei-
chung man ziemlich sicher voraussetzen kann; bei
diesen Zielen braucht man nicht zu betonen, dass es pro-
blematisch werden kann. Es gibt aber auch Ziele, die
sehr komplex sind, bei denen sehr unterschiedliche
Wege gegangen werden können und sehr viele Mitwir-
kende erforderlich sind. Es ist ja nicht die Bundesregie-
rung allein, die handelt; vielmehr setzt die Bundes-
regierung einen Rahmen, der von vielen Partizipanten
ausgefüllt werden muss. Da können wir nicht präzise
vorschreiben, was zu tun ist. Wir arbeiten in vielen Fäl-
len mit Anreizen und indirekter Steuerung. Aber die
Zielsicherheit ist in diesem Prozess mit Recht zu hinter-
fragen.
Wahrscheinlich ist es eines unserer Probleme, dass
wir den Menschen immer wieder suggerieren, etwas
werde so sein. Wenn es dann nicht genau so eintritt, ist
wieder einmal ein großes Stück Vertrauen verloren ge-
gangen. Deswegen ist es wertvoll, wenn man im Laufe
solcher komplexen Prozesse hin und wieder daran erin-
nert, dass die künftige Entwicklung nur sehr schwer ein-
geschätzt werden kann und keineswegs sicher ist.
Wir kommen damit zur Frage 34 des Kollegen
Manfred Kolbe:
Steht die Bundesregierung noch zu den Vorgaben der
Ministererlaubnis aus dem Jahr 2002, in der für die Über-
nahme der Ruhrgas AG durch die Eon AG festgeschrieben
wurde, dass die Verbundnetz Gas AG, VNG, als unabhängiges
Unternehmen in Ostdeutschland weitergeführt werden soll?
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Eine dritte Nachfrage ist möglich.
Ist Ihnen bekannt, dass die EWE AG Oldenburg ver-
sucht, einzelne Anteile ostdeutscher Kommunen zu
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16420 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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Wir sind damit am Ende
er Fragestunde.
Die übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Überfällige Strategien der Bundesregierung
zur Lösung der Welternährungskrise
Bevor ich die Aussprache eröffnen kann, kommen wir
u einem Geschäftsordnungsantrag der Kollegin
ückert.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir haben das Thema Welternährungskrise für heute ak-
uell aufgesetzt. Eines ist ganz klar: Das ist ein Thema,
as nicht nur uns angeht, sondern auch den zuständigen
inister Horst Seehofer. Deswegen möchte ich namens
einer Fraktion –
ihn herzlich begrüßen.
Kollegin Dückert, Ihrem Anliegen wurde umgehend
ntsprochen. Der Minister ist eingetroffen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
in Renate Künast.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Offen-ichtlich brauchte es diesen GO-Antrag, damit derinister, der heute nicht gut bei Fuß ist – wir wünschenhm gute Besserung –, den Plenarsaal pünktlich betretenonnte. Das hat ja geklappt.Zur Sache: Weltweit hungern mehr als 850 Millionenenschen. International hatten wir einmal das Ziel, dieahl der Hungernden bis 2015 zu halbieren. Obwohl das)
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16421
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Renate Künastunser Ziel war, sind jetzt weitere 100 Millionen Men-schen bedroht, weil laufende UN-Programme im Augen-blick nicht mehr finanziert werden können, da die Le-bensmittelpreise so horrend gestiegen sind.In den letzten Tagen haben sich einige hier und da inInterviews geäußert. Ich glaube, dass manches von dem,was gesagt wurde, zu dünn ist.
Man muss sagen: Die Gründe für die Welternährungs-krise sind vielfältig, und sie liegen tief. Die Ursachendieser Krise sind nicht mit einer Maßnahme allein zu be-heben.
– Ich will Ihnen, Herr Bleser, sagen: Es reicht nicht aus,dass Frau Merkel heute in Ägypten sagt, die internatio-nale Staatengemeinschaft solle sich demnächst einmalmit den Lebensmittelpreisen beschäftigen. Als könneman Preise festlegen! Hier wird es wohl anderer Maß-nahmen bedürfen.Es reicht auch nicht aus, dass Frau Wieczorek-Zeulsagt, wir brauchten ein Moratorium für Agrarkraftstoffe.Ich meine, auch das wäre eine Verkürzung des Problems.Ein Moratorium allein hilft uns nicht. Es könnte allen-falls ein Schritt sein. Ich glaube, mittlerweile besteht zu-mindest Konsens darüber, dass kein Import von Bio-kraftstoffen mehr stattfinden sollte, wenn nicht klar ist,dass sie entwicklungspolitisch und umweltpolitisch vonNutzen und nicht von Schaden sind.
Herr Sonnleitner hat behauptet, dass der falsch pro-gnostizierte und immens gestiegene Fleischkonsum unddie veränderten Ernährungsgewohnheiten in China, inIndien und sogar in Afrika an dieser Krise schuld seien.
Das ist nicht richtig. Nein, die wahren Gründe liegen zu-nächst einmal in einer seit Jahrzehnten betriebenen fal-schen Agrarpolitik und falschen Welthandelspolitik.
Wegen der Zwischenrufe aus den Reihen der CDU/CSU möchte ich sagen: Bei den Wenigen aus der Union,die mich bei der Agrarwende im Jahre 2003 unterstützthaben, bedanke ich mich ausdrücklich; mir fällt im Au-genblick allerdings kein Name ein.EHfasWdhgIwwseUskfiDtUhBwAurNheHz
s war nämlich keiner dabei.
alten Sie sich also mit Ihren Zwischenrufen zurück!Ich sage Ihnen ganz klar: Die größte Verantwortungür diese Katastrophe haben die europäische und diemerikanische Landwirtschaftspolitik und die unterlas-ene Klimapolitik.
enn Sie sich ansehen, wie Landwirtschaftspolitik iner Vergangenheit funktioniert hat, stellen Sie fest: Wiraben die Entwicklungsländer seit Jahrzehnten gezwun-en, eine exportorientierte Agrarwirtschaft zu betreiben.n den Entwicklungsländern wurde das angebaut, wasir essen, während dort für Hungerlöhne gearbeiteturde.
Wir haben unsere eigenen Märkte abgeschottet undie zusätzlich belebt, indem wir die Preise durch Agrar-xportsubventionen verschoben haben.
nsere Importregelungen, Zölle und Tarife sind so ge-taltet, dass die Rohstoffe einfacher eingeführt werdenönnen als die verarbeiteten Produkte. Die Wertschöp-ung durch Verarbeitung, beispielsweise bei Kaffee, liegtn Deutschland und nicht in den Kaffeeanbauländern.eshalb muss man sagen: Die internationale Agrarpoli-ik, auch die Deutschlands und die der Europäischennion, ist immer noch falsch und schädlich.
Wir müssen auch unsere eigenen Ernährungsgewohn-eiten auf den Prüfstand stellen. So richtig es ist, deniosprit in seine Grenzen zu weisen, damit er nachhaltigirken kann, so richtig ist es auch, dass ein viel größerernteil der Agrarfläche für Futtermittel verwendet wird,m in Deutschland bzw. in Europa Fleisch zu produzie-en. Auch hier besteht nämlich eine Fehlentwicklung.
Wir Grünen sagen: Das Menschenrecht auf adäquateahrung muss oberste Priorität haben. Es geht um nach-altige Landwirtschaft und um Menschenrechte. Dem-ntsprechend muss man die Produktion organisieren.err Seehofer, es reicht nicht aus, der BamS Interviewsu geben und darin eine weitere Intensivierung anzukün-
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16422 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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Renate Künastdigen. Ich sage Ihnen ganz klar: Man muss auch Konse-quenzen ziehen.Da Sie gesagt haben, die internationalen Saatgutkon-zerne würden die Verantwortung tragen, sage ich Ihnen:Fangen Sie in Deutschland an! Nehmen Sie die Geneh-migung für MON 810 zurück!
Sorgen Sie dafür, dass die Menschen das Recht auffreien Zugang zu Saatgut haben, das sie vermehren dür-fen! Geben Sie endlich Ihre Blockade gegenüber einerweiteren Agrarreform in Brüssel auf, durch die der Um-fang der Direktinvestitionen gesenkt und neue Schwer-punkte bei Klimaschutz und Wassermanagementmaß-nahmen gesetzt werden sollen! Das wäre eine faktischeHilfe, auch für die hungernden Menschen in den Ent-wicklungsländern, weil ihnen dadurch die Möglichkeitgegeben würde, bei sich zu Hause eine bäuerliche Land-wirtschaft aufzubauen.
Wir wissen: Die FAO –
Kollegin Künast, kommen Sie bitte zum Schluss.
– mein letzter Satz – spricht von einem stillen Tsu-
nami. Ich sage Ihnen: Die Menschen werden nicht still
bleiben. Es wird riesige Wanderungsbewegungen geben.
Es wird Kriege um Wasser, Land und Lebensmittel ge-
ben.
Es ist unsere Verantwortung, weder bei der Klima- noch
bei der Agrarpolitik auf Kosten der anderen zu leben.
Das heißt, dass wir den Mut zu Reformen und zu einem
anderen Verhalten aufbringen müssen. Anfangen muss
damit Herr Minister Seehofer in Brüssel.
Das Wort hat der Bundesminister für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft, Horst Seehofer.Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es ist bei der Kollegin Künast immer das Glei-che: Weltmeisterin in der Formulierung schwülstigerZiele, Reclamausgabe beim Anbieten konkreter Lösun-gen.Ich bin jetzt schon lange im Parlament, aber ich habees selten erlebt, dass jemand seine eigene Politik so starkkritisiert;
dnsDwehuIUPsDvduFDIth–emisdgnkmirdtuW
eshalb kann man manchmal nur den Kopf schütteln,enn man in der Früh liest, dass die Grünen jetzt fürine Veränderung der Agrarpolitik sind, die sie selbererbeigeführt haben. Die Förderung der Biokraftstoffend der Biomasse, das EEG: All diese Dinge sind unterhrer Federführung gemacht worden. Der wesentlichenterschied zwischen uns beiden ist: Ich stehe zu dieserolitik – das habe ich x-mal gesagt –, und Sie verab-chieden sich von Ihrer eigenen Politik.
as ist die Heuchelei Ihrer Politik.
Schauen Sie: Das Thema ist viel zu ernst und viel zuielschichtig, um so abzudriften, wie Sie das heute wie-er getan haben. Was MON 810 mit der Problematik, diens im Moment beschäftigt, zu tun hat, kann nur einerau Künast nachvollziehen.
as interessiert uns auch nicht.
Tatsache ist, dass dies ein vielschichtiges Problem ist.ch beginne damit, dass an erster Stelle immer die sofor-ige und die Nothilfe für die hungernden Menschen ste-en muss. Hier tut die Bundesregierung das Notwendige dazu werden wir von Frau Kollegin Wieczorek-Zeultwas hören –, und auch die internationale Staatenge-einschaft tut das Notwendige. Aber genauso wichtigst, dass wir den Strukturen zu Leibe rücken, die die Ur-ache für die heutigen Probleme sind.
Frau Künast, Sie können das Ganze drehen und wen-en, wie Sie wollen: Es gibt zwei Kernherausforderun-en, bei deren Bewältigung wir eher am Anfang stehen,ämlich die wachsende Weltbevölkerung – jährlichommen 80 Millionen Menschen hinzu – und die dyna-isch zunehmende Kaufkraft der Schwellenländer, etwan Indien oder China, mit ihrem hohen Bedarf an Nah-ungsmitteln. Beides zusammen führt zu der Schätzunger Welternährungsorganisation, dass der Nahrungsmit-elbedarf in der Welt in den nächsten beiden Jahrzehntenm 60 Prozent zunehmen wird.Wenn in einer so dynamischen und umfassendeneise der Bedarf an Nahrungsmitteln in der Welt steigt
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16423
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Bundesminister Horst Seehofer– um das zu verstehen, muss man nicht unbedingt Volks-wirtschaft studiert haben –, dann muss die erste Antwortdarauf sein, genügend Nahrungsmittel zu produzieren,damit wir den Bedarf weltweit decken können.
Ich füge ausdrücklich hinzu, dass nach meiner tiefenÜberzeugung die Produktion zusätzlicher Nahrungsmit-tel in erster Linie dort erfolgen muss, wo der Hungerherrscht oder wo die Menschen von Hunger bedrohtsind. Hier dürfen nicht die internationalen Konzernezum Zuge kommen, sondern der Bedarf muss durch einebäuerlich strukturierte Landwirtschaft gedeckt werden.Mein erster Akzent bei der Neuausrichtung einer welt-weiten Entwicklungspolitik ist, dass wir das Problem dessich abzeichnenden Kampfes um Nahrungsmittel unddes Bedarfs daran durch zusätzliche Nahrungsmitteler-zeugung lösen, und zwar vor allem dort, wo die Men-schen leben, die von Hunger bedroht sind.
Ich möchte auf einige Argumente eingehen, die zuNebenkriegsschauplätzen aufgebaut wurden. Es heißtbeispielsweise, die Exportsubventionen der Europäi-schen Union hätten zu dieser aktuellen Situation beige-tragen.
Die Exportsubventionen spielen aufgrund der Welt-marktpreise im Moment keine Rolle. Außerdem istohnehin vorgesehen, sie abzuschaffen, und zwar nichtdeshalb, weil sie einen Beitrag zur Nahrungsmittel-knappheit in der Welt leisteten, sondern weil sie bei derWeltmarktentwicklung in der Sache nicht mehr notwen-dig sind.
Deshalb sage ich an dieser Stelle: Die deutsche Regie-rung hat über die Europäische Kommission bei denLiberalisierungsverhandlungen in vollem Einverneh-men mit der WTO festgelegt, dass wir die Exportsub-ventionen spätestens bis 2013 abschaffen. Bis zum Jahre2010 muss mehr als die Hälfte der Subventionen abge-schafft sein.Was wichtig ist für die Öffentlichkeit: Wir reduzierendie Subventionen nicht etwa deswegen, weil sie die Ur-sache für die Probleme der Welt wären, sondern weil dasMittel der Exportsubvention angesichts der Entwicklungdes Weltmarktes keine Berechtigung mehr hat.
Zweitens. Es wird immer gesagt: Wir müssen dieMärkte öffnen. – Ich bin dankbar, dass diese Regierung –da habe ich von Frau Künast nichts gehört – das Pro-gwäjl–g–DnprEVwzUzEAdafJwlzddcdtT
Es ist schon in Kraft; ich sage das auch an Herrn Raabeerichtet.
Jetzt, Frau Künast, kommt der entscheidende Punkt:ie Liberalisierung der Weltmärkte allein nutzt so langeichts, solange in den Entwicklungsländern nicht genugroduziert werden kann, dass es für die eigene Bevölke-ung wie für den Export reicht.
Drittens. Jetzt soll plötzlich die Agrarpolitik inuropa verändert werden.
or zwei Jahren haben Sie richtigerweise gesagt: Wirollen weg von der Förderung der Produktion und hinur Förderung der Einhaltung der Standards, die beimmweltschutz, beim Tierschutz, beim Gewässerschutzu erfüllen sind.
Ich will ausdrücklich sagen: Die Direktzahlungen deruropäischen Union an die Bauern in Europa sind wederlmosen noch Geschenk, sie sind die Gegenleistung fürie Umweltstandards, die die Gesellschaft den Bauernuferlegt hat. Das ist die richtige Reihenfolge; in der Öf-entlichkeit wird das leider kaum wahrgenommen.
e stärker die Umweltstandards in Europa harmonisierterden und je stärker die Bauern von ihrem eigenen Tuneben können, desto mehr können wir Direktzahlungenurückfahren. So ist der Zusammenhang.
Machen wir nicht den Fehler, zu glauben, dass wiren Menschen in den Entwicklungsländern helfen, in-em wir Starke schwächen; denn das nutzt den Schwa-hen nicht. Wir müssen im Gegenteil darauf achten, dassie Landwirtschaft in Deutschland bzw. in Europa leis-ungsfähig und stark bleibt. Andernfalls wären wir einesages gezwungen, Nahrungsmittel aus dem Ausland zu
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Bundesminister Horst Seehoferimportieren, würden vom Ausland abhängig. Wir müs-sen uns selbst versorgen, und wir müssen helfen, dassandere ernährt werden.
Eines kapiere ich nicht: Erst soll auf die Atomkraftverzichtet werden, dann soll auf die Kohle verzichtetwerden, jetzt soll auf Biokraftstoffe verzichtet werden.Soll demnächst auch auf Biomasse verzichtet werden?Ich weiß nicht, wie wir unter diesen Umständen denMenschen eine glaubwürdige Antwort geben sollen, wiewir Ernährung und Energieversorgung – das hängt ja di-rekt zusammen – gewährleisten wollen.
Ich bin entschieden dafür, dass wir mit Biomasse, Bio-kraftstoffen, nachwachsenden Rohstoffen nachhaltigwirtschaften – aber mit Augenmaß und Vernunft.
– Das ist bei uns in Europa der Fall: Der Anbau vonnachwachsenden Rohstoffen erfolgt nach den gleichenRegeln der guten fachlichen Praxis wie der Anbau vonLebensmitteln.
Wir müssen schauen, dass diese Vernunftargumenteauch weltweit im Anbau gelten.
Es ist ein Skandal, dass für die Erzeugung von Bio-kraftstoffen und für den Anbau von Nahrungsmitteln dieTropenwälder und Urwälder gerodet werden. Die inter-nationale Staatengemeinschaft muss dafür sorgen, dassdies eingestellt wird.
Das Naheliegendste ist, dass diese Palmöle, wenn sie inEuropa zum Einsatz kommen, nicht mehr auf die Bio-kraftstoffquote angerechnet werden und nicht mehr steu-erlich begünstigt werden; das ist die stärkste Antwort.
Auch da hat die Regierung gehandelt. Wir haben eineNachhaltigkeitsverordnung verabschiedet – das müssenwir nach dem europäischen Recht – und haben sie notifi-ziert. Die Europäische Kommission hat gesagt, siemöchte für ganz Europa die Nachhaltigkeit definieren.Dies zwingt uns dazu, stillzuhalten, bis die EuropäischeKommission gehandelt hat, was spätestens Ende diesesJahres der Fall sein wird. Das ist die Wahrheit.Es war nicht so, dass der Kollege Gabriel untätig warund keine Zertifizierung sowie nichts hinsichtlich derNachhaltigkeit vorgelegt hat, sondern die EuropäischeKommission möchte das für ganz Europa lösen. Trotz-dem empfehle ich uns als Bundesregierung und Parla-mLfeukUmsdÖd2dJimDcwdlfKjcuNliSFadhgg
Ich glaube, dass man mit dieser Vorgehensweise diersache klar identifiziert und bekämpfen kann. Dassan auch die anderen Dinge vernünftig und nachhaltigowie unter Wahrung unserer Schöpfung begleitet, istie richtige Antwort. Ich bitte dringend darum, in derffentlichkeit jetzt nicht über Lösungen zu diskutieren,ie mit der Ursache überhaupt nichts zu tun haben.Der erste Welthungergipfel fand 1996 statt, der zweite002. Auf beiden Welthungergipfeln wurde beschlossen,ass der Anteil der Hungernden in der Welt bis zumahre 2015 halbiert werden soll. Eine gleiche Bilanz wien den Jahren seit 2002 können wir uns nicht noch ein-al leisten.
arum werbe ich dafür, dass wir endlich an die Ursa-hen herangehen und die Nahrungsmittelproblematik so-ohl durch die Soforthilfe und die Nothilfe als auchurch eine Veränderung der Strukturen in der Entwick-ungszusammenarbeit lösen.
Das Wort hat der Kollege Hans-Michael Goldmann
ür die FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Natürlich sind wir aufgrund der Probleme, dieetzt gerade in den Entwicklungsländern und den schwa-hen Ländern besonders stark auftreten, tief betroffennd berührt. Die Menschen hungern; es herrscht großeot. Es ist überhaupt keine Frage, dass wir das zum An-ass nehmen müssen, etwas zu tun. Deswegen begrüßech es, dass wir uns hier im Rahmen der Aktuellentunde dazu äußern und darüber austauschen können.rau Künast, ich bitte aber darum, dass wir uns wirklichustauschen, und zwar gründlich und nicht so, wie Sieas gemacht haben.
Die Ursachen für das Phänomen, mit dem wir unseute beschäftigen, sind sehr vielfältig und auch schonenannt worden. Ich will auch nicht ablenken, sondernanz klar sagen: Die Kernursache ist darin zu sehen,
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Hans-Michael Goldmanndass es in der Welt einen zu wenig freien und vor allenDingen auch zu wenig fairen Markt und Wettbewerbgibt.
Wir haben uns mit unseren eigenen Interessen viel zulange abgeschottet. Wir haben Schutzzölle aufgebautund die Marktverzerrung vorangetrieben. Die Europäerwaren dabei nicht die Vorreiter, aber sie sind mitge-laufen. Es gibt andere Länder in der Welt, wie Amerika– allerdings auch asiatische Länder –, die das viel inten-siver praktizieren. Dabei war uns das, was sich in denEntwicklungsländern abspielt und als Tragik darstellt,häufig viel zu sehr egal. Wir waren in dieser Frage vielzu egoistisch. Mit den Problemen, die wir haben, müssenwir uns intensiv beschäftigen, und wir müssen Lösungenfinden.Mein Kollege Dr. Geisen hat uns eben mit auf denWeg gegeben, dass wir das schaffen können. Ich will Ih-nen aus meiner Sicht sagen, wie wir das schaffen kön-nen. Wir können es ganz bestimmt nicht schaffen, indemwir das, was auch Sie, Herr Seehofer, manchmal fordern,dass es nämlich eine Agrarwende geben muss, inhaltlichirgendwie ausgestalten. Nein, es muss in Europa keineAgrarwende geben, sondern es muss einen Agrarschubin Richtung von noch mehr Markt geben. Wir müssenunsere Stärken im Agrarbereich ausbauen und pflegen,damit wir in diesem Bereich in unserem super Land– Deutschland ist im Bereich der Agrarproduktion einsuper Land – stark sind und weiteres Können entwi-ckeln.Wir müssen nicht mit den Produkten, sondern mit die-sem Können und Wissen hinsichtlich der Zucht, derTiere, der Techniken und der Landmaschinen in die Ent-wicklungsländer gehen und ihnen helfen, um dort eineEntwicklung voranzutreiben, die dazu beiträgt, dass dieWelternährung nicht nur auf eine europäische oder natio-nale, sondern auf eine globale Säule gestellt wird. Ichglaube, das ist der Kernauftrag, den wir in diesem Be-reich haben.
Herr Seehofer, ich habe es schon angesprochen: Kon-zernschelte und Agrarwende sind im Grunde genommennicht hilfreich. Es ist auch nicht hilfreich, dass sehr un-terschiedliche Botschaften aus der Bundesregierungkommen. Frau Wieczorek-Zeul hat wohl ein Moratoriumgefordert. Heute Morgen im Agrarausschuss ist hinsicht-lich des Biosprits genau das Gegenteil gesagt worden.Wir müssen uns schon irgendwie darüber einigen undverständigen, was wir dort vorantreiben wollen.Ich glaube, wir können uns sehr schnell darauf eini-gen, dass der entscheidende Beitrag zur Verbesserungder Situation in den angesprochenen Ländern Hilfe zurSelbsthilfe ist. Wir müssen kleinbäuerliche Strukturen,wo es sie gibt, weiterentwickeln und die Kleinbauern indie Lage versetzen, einen eigenen Beitrag zur Ernährungder Menschen vor Ort zu leisten. Ich bin mir mit RupertNeudeck völlig einig – am Montag hatte ich die Freude,längere Zeit mit ihm zu diskutieren –: Wo kleinbäuerli-celwtzlieV–wWddAwlgzmdFwsmzFBsEAfdeWZkdwZWwIdn
Ja, lieber Kollege Zöllmer, wir machen das anders. Wiraren in dieser Frage im Grunde genommen immer fürettbewerb; denn wir definieren Wettbewerb als etwas,as Chancen eröffnet. Wir sind gegen Subventionen, dieen Wettbewerb verzerren. Das habe ich soeben zumusdruck gebracht.Lassen Sie mich die besonderen Chancen der Ent-icklung in den ländlichen Räumen der Entwicklungs-änder ansprechen. Ich glaube, dass das dortige Potenzialenutzt werden muss. Kollege Addicks hat hundertpro-entig recht, wenn er sagt: Die vorhandenen Brachenüssen wir genauso auf den Markt zurückbringen wieie stillgelegten Flächen in Europa. Die stillgelegtenlächen in Europa dürfen schon in diesem Jahr genutzterden. Herr Seehofer, in diesem Punkt waren Sie nichto gut informiert, wie es notwendig gewesen wäre. Sieeinen, man dürfe die Flächen nur in diesem Jahr nut-en. Wir werden aber darauf hinarbeiten, dass wir dielächen langfristig nutzen dürfen, damit wir in diesemereich vorankommen.Es ist überhaupt keine Frage: Die Entwicklungshilfetellt eine moralische, eine christliche Verpflichtung dar.s kann keine Frage sein, dass wir in diesem Bereichkzente setzen müssen. Für mich ist völlig klar: Vorrangür den Teller und nicht für den Tank. Lassen Sie uns iniesem Bereich Nägel mit Köpfen machen. Dabei solltes Vorrang haben, einen Beitrag dazu zu leisten, dieelternährung insgesamt zu verbessern, damit wir denielen, die wir uns selbst gesetzt haben, ein Stück näherommen. Gemeinsam werden wir es schaffen. Wenn wirie Aufgaben auf mehrere Schultern verteilen, werdenir erfolgreich sein.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Bundesministerin für wirtschaftlicheusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarieieczorek-Zeul.Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin fürirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch bin Herrn Kollegen Goldmann sehr dankbar, dass erie Diskussion auf diese Art geführt hat. Ich glaubeämlich, das Drama einer möglichen Hungerkrise ist für
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeuluns alle, für die Menschheit insgesamt, so bedrohlich,dass sich in dieser Situation kleinliches parteipolitischesGezänk verbietet.Wenn es stimmt, dass es sich, wie das Welternäh-rungsprogramm meint, um einen „stillen Tsunami“ han-delt, dann sollten wir gemeinsam alle Kräfte mobilisie-ren, um dazu beizutragen, dass diese Katastrophe nichteintritt.
Dabei sollten wir zu gemeinsamen Schlussfolgerungenkommen.
– Wir müssen trotzdem handeln.Ich muss Ihnen sagen: Es ist ein Skandal, dass es ineiner Welt, die unter vielerlei Gesichtspunkten reich ist,dazu kommt, dass Mütter ihren Kindern nichts zu essenkaufen können, weil sie nur 50 Cent pro Tag zur Verfü-gung haben. Es ist für mich und für uns alle von Bedeu-tung, dass wahrscheinlich 100 Millionen Menschenmehr in Hunger und Armut fallen können. Wir alle ha-ben uns doch gemeinsam vorgenommen, die Entwick-lungsziele der Millenniumserklärung zu erreichen. Wirmüssen Kräfte mobilisieren, damit wir bei der Errei-chung dieses Zieles nicht zurückfallen.Die aktuelle Krise – das muss man sagen – kann dieStabilität und den Frieden in vielen Ländern der Weltganz real gefährden; die Weltbank hat auf 33 solcher ge-fährdeten Länder verwiesen. Deshalb geht es zuallererstdarum, den betroffenen Menschen unmittelbar zu helfen.Daher hat die Bundesregierung dem Welternährungspro-gramm zusätzlich zum vorgesehenen Betrag von 23 Mil-lionen Euro bereits eine Summe von 13 Millionen Eurozur Verfügung gestellt. Angesichts der Not und des ge-stiegenen Bedarfs werden wir mit Unterstützung desFinanzministers der Hungernothilfe jetzt weitere 10 Mil-lionen Euro zur Verfügung stellen.
Nach Rücksprache mit den Obleuten der Fraktionenwird der Haushaltsausschuss noch heute Nachmittagdarüber entscheiden. Es geht um ganz praktische Hilfewie Lebensmittelcoupons, damit die betroffenen Men-schen Nahrungsmittel kaufen können und damit insbe-sondere Kinder und Frauen vor Hunger bewahrt werden.Es geht aber nicht nur um unmittelbare Hilfe, sondernauch um eine ganze Reihe struktureller Fragen, insbe-sondere um die Nachfrage auf den Weltmärkten. Einerder stärksten Preistreiber ist die Produktion von Bio-masse für Agrarenergie. Wir müssen zur Kenntnis neh-men, was wissenschaftliche Institute sagen. Das IFPRIin Washington sagt, dass die Agrarenergieproduktion– je nachdem, welches Szenario man zugrunde legt – bis2020 zum Beispiel bei Mais zu Preissteigerungen zwi-sdlarwiswLs–mIUESEsmmmGMhfwsm––wpMdnwdE
Ich möchte auch die Spekulationen an den Waren-ärkten nennen. Auf der Suche nach lukrativen Anlage-öglichkeiten haben sich manche wieder auf die Agrar-ärkte konzentriert. Wer den Hunger auf der Welt zumegenstand von Spekulationen macht, handelt gegen dieenschlichkeit. Wir alle sollten immer wieder daraufinweisen und entsprechende Schlussfolgerungen ein-ordern.
Wenn die strukturellen Ursachen tatsächlich bekämpfterden sollen, gilt es, die Produktivität in der Landwirt-chaft zu steigern, und zwar mit einem Crashprogrammit Zugang zu Krediten und Saatgut.
Ich bin davon absolut überzeugt.
Sie kennen mich nicht gut genug.Wir müssen des Weiteren die Reformen in den Ent-icklungsländern voranbringen. Einer unserer Schwer-unkte ist, für den Zugang zu Land, Wasser, Krediten,ärkten und Beratung zu sorgen. Das sollte insbeson-ere für Frauen verwirklicht werden; denn sie sind dieje-igen, die die ländliche Entwicklung voranbringen. Hierollen wir verstärkt tätig werden. Die Entwicklungslän-er selbst müssen mehr in ihre nachhaltige ländlichentwicklung investieren; das ist völlig klar.
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-ZeulWir werden in diesem Sinne unsere bilateralen Pro-gramme zur Förderung der ländlichen Entwicklung – diejährlich ein Volumen von 577 Millionen Euro haben –ausrichten. Die Weltbank hat zugesagt, das Gleiche zutun und die dafür zur Verfügung stehenden Mittel biszum Jahr 2011 zu verdoppeln.Lassen Sie mich noch ein Wort zu den Agrarkraftstof-fen sagen. Hier besteht Handlungsnotwendigkeit. Diegeplante Pflicht zur Beimischung von Agrarkraftstoffenin den Industrieländern hat – hier geht es auch um Sub-ventionen; das konnte man auf der Klimakonferenz aufBali feststellen – zu einem massiven Run auf Mais, Ge-treide und Ölfrüchte für die Produktion von Energie zumZweck des Exports geführt. Ich weiß, das Argument lau-tet, es gehe dabei um 1 Prozent der Landfläche. Aber beiPreissteigerungen wirken sich auch solche Margen ent-sprechend aus. Nehmen Sie doch zur Kenntnis, welcheInformationen wir jedenfalls vonseiten der einschlägigenwissenschaftlichen Institute haben. Deshalb müssen fürAgrartreibstoffe dringend geeignete Zertifizierungssys-teme entwickelt werden. Dort, wo es notwendig ist,brauchen wir dann auch entsprechende Korrekturen.Ich appelliere an dieser Stelle aber auch an Länderwie Indien und Vietnam, die Exportstopps für Lebens-mittel verhängt haben, zur Entschärfung der Lage beizu-tragen und den Export wieder freizugeben, weil durchsolche Exportstopps die Länder in ihrem Umfeld, dieschlechter dran sind – ganz besonders denke ich hier anBangladesch –, benachteiligt sind. Wir brauchen auf al-len Märkten bessere Voraussetzungen für die Versorgungvon Menschen.Letztlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, könnenwir es schaffen. Lassen Sie uns unsere Kräfte mobilisie-ren! Die sich anbahnende Katastrophe ist kein Natur-ereignis; wir können sie verhindern, und zwar mit jenersolidarischen Haltung, mit der wir dies in anderen Fällenauch geschafft haben. Es geht um das Schicksal vonMenschen. Die gegenwärtige Krise ist ein Beleg dafür,wie eng die Länder der Welt miteinander verflochtensind. Niemand kann sich aus der Globalisierung zurück-ziehen; die Krise macht uns deutlich, dass wir als Teildieser globalisierten Welt unsere Verantwortung bei al-len Veränderungen und möglichen Schwierigkeitenwahrnehmen müssen.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. LassenSie uns gemeinsam vorankommen!
Das Wort hat die Kollegin Heike Hänsel für die Frak-
tion Die Linke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Die jetzige Welternährungssituation zeigt einesganz deutlich: den Wahnsinn des herrschenden kapitalis-tischen Weltwirtschaftssystems,dzesAmsMbssudamDglfrtbbWnbKAdt
as alles zur Ware macht und in dem der Markt allesählt und die Menschen nichts zählen. Das muss auchinmal deutlich angesprochen werden, wenn Sie hiertändig von Strukturen sprechen.
Ein rohstoffhungriges System, in dem das Brot derrmen im Tank der Reichen landet und Grundnahrungs-ittel mittlerweile Spekulationsobjekte an der Börseind,
illionen hungriger Menschen – nicht erst jetzt, wir le-en seit Jahrzehnten mit Millionen hungernder Men-chen –, die Klimaerwärmung, der Krieg um die Roh-toffe
nd der Einbruch der Finanzmärkte zeigen eines ganzeutlich: das Versagen der neoliberalen Globalisierung.
Jean Ziegler, der UN-Sonderbeauftragte für das Rechtuf Nahrung, sprach ganz klar vom „stillen Massen-ord“ aufgrund der Strukturen des Weltmarktes.
eshalb fordern wir schon seit langem eine grundle-ende Änderung dieses Weltwirtschaftssystems; andersassen sich Hunger und Armut nicht ernsthaft bekämp-en.
Zu den Finanzmärkten, Frau Wieczorek-Zeul: Es istichtig, die Spekulationen wurden durch Gewinnerwar-ungen bei Böden und Agrotreibstoffen massiv angetrie-en. Aber da langt eben kein Appell an die Moral. Wirrauchen eine Regulierung der Finanzmärkte.
ir halten eine Eindämmung dieser Spekulationen fürotwendig und setzen uns schon seit langem für ein Ver-ot der hoch spekulativen Hedgefonds ein, die, Frauünast, unter Rot-Grün zugelassen wurden.
uch diese Strukturen müssen Sie einmal ansprechen;enn damit sind wir tagtäglich konfrontiert.Was die Agrarwirtschaft angeht, so setzen wir uns na-ürlich – ich glaube, das ist überfällig, Herr Seehofer –
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Heike Hänselfür ein Moratorium bezüglich der Beimischungsquotenvon Biosprit ein. Aber auch wir wissen, dass das nichtausreicht, sondern dass wir mittelfristig an unsere Ver-bräuche heranmüssen. Wir müssen den Verbrauch derfossilen Rohstoffe in Europa massiv senken. Das betrifftdie Automobilindustrie und viele andere Bereiche. Da-ran müssen wir glaubhaft herangehen, wenn wir etwas inden Ländern des Südens verändern wollen.
Herr Seehofer, Sie haben die Nahrungsmittelkonzernekritisiert. Aber gerade die EU-Agrarpolitik, der Sie im-mer zugestimmt haben, hat mit massiven Agrarsubven-tionen gerade diese Konzerne stark gemacht. An wen ge-hen denn Agrarsubventionen? An Nestlé, an PhilipMorris; zum Teil ist gar nicht bekannt, wer alles subven-tioniert wird.
Deswegen setzen wir uns für einen Stopp bzw. eine Ver-änderung dieser Subventionen ein.
Das betrifft auch die Exportsubventionen. In vielenLändern des Südens konnten die Bäuerinnen und Bauernmit den billigen Produkten aus der EU nicht mehr kon-kurrieren. Das ist seit Jahrzehnten so; das ist keine Ent-wicklung, die es erst seit kurzem gibt. Natürlich sind sienicht für die jetzigen Preissteigerungen verantwortlich,aber sie haben diese Strukturen lange Zeit massiv beein-flusst. Wir müssen von diesen Strukturen weg.
Das gilt auch für die Handelspolitik. Auch die Han-delspolitik hat in Jahrzehnten systematisch die Ernäh-rungsgrundlage von Ländern des Südens kaputt ge-macht. Ein Beispiel ist Haiti, wo es jetzt enormeHungerunruhen gibt. Haiti ist Mitte der 80er-Jahre durchdie Freihandelspolitik gezwungen worden, massiv dieZölle zu senken; Haiti hat Billigimporte ins Land gelas-sen, und die eigene Produktion wurde zerstört. Jetzt istHaiti zu 80 Prozent von Nahrungsmittelimporten abhän-gig. Vor allem die Länder, die von Nahrungsmittelimpor-ten abhängig sind, werden jetzt von den Weltmarktprei-sen voll getroffen. Wir brauchen eine Veränderungdieser Freihandelspolitik und einen Schutz der Märkte,um eine eigenständige Entwicklung überhaupt erst zu er-möglichen.
Wenn wir hier von ländlicher Entwicklung sprechen,dann bedeutet das auch, dass wir diese Bereiche schüt-zen müssen, damit eine solche Entwicklung möglichwird.
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Dazu trägt die Handelspolitik, Frau Wieczorek-Zeul,nsbesondere was die Wirtschaftspartnerschaftsabkom-en anbetrifft, in unseren Augen nicht bei.
iese Politik wird mittelfristig zu einer massiven Ver-chärfung von solchen Hungerkrisen führen, weil Sieeiterhin die Märkte öffnen wollen. Ich kann Sie nuruffordern: Setzen Sie sich dafür ein, dass die EPAs, dieie nach wie vor unterstützen, gestoppt werden und wireue Verhandlungen aufnehmen; denn die EPAs werdenen Freihandel massiv befördern.
Zum Schluss möchte ich noch ein Thema ansprechen,as überhaupt noch nicht zur Sprache kam. Wenn wirchon von Geldern sprechen
nd mehr Finanzmittel in die ländliche Entwicklung ste-ken wollen, dann müssen wir auch den 500 Millionenollar der Weltbank die Milliarden und Billionen anüstungsausgaben gegenüberstellen. Das ist nämlich einegelrechter Skandal.
,2 Billionen Dollar werden jährlich für die Rüstungusgegeben,
ährend wir nur 500 Millionen Dollar für die Hungerbe-ämpfung haben.
ie Bundesregierung zahlt jetzt 23 Millionen in dasorld Food Programme ein, was zu begrüßen ist, aberllein 40 Millionen Euro standen für die Tornados in Af-hanistan sofort zur Verfügung.
Kollegin Hänsel, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss. – Das ist ein Widerspruch,en wir hier deutlich formulieren müssen. Für uns ist
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Heike Hänselganz klar: Wir wollen ein Ende dieser Militarisierungund der weltweiten Rüstungsspirale, um ernsthaft Hun-ger und Armut in der Welt zu bekämpfen.
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Dr. Wolf
Bauer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wir alle kennen die jüngstenBilder aus Haiti und anderen Regionen dieser Welt.Menschen schlagen sich nahezu und sind gezwungen,um ihre Nahrungsmittel zu kämpfen. Das macht uns allesehr betroffen, das schockiert uns.Was mich auch persönlich betroffen macht – das kannich Ihnen nicht vorenthalten –, ist die Art und Weise, wiewir diese Debatte jetzt führen. Wir alle wissen, dass wirein Problem haben. Wir alle kennen auch viele Ursachendieses Problems. Aber dass wir jetzt mit Polemik und ir-gendwelchen Anschuldigungen an die Sache herange-hen, bringt uns nicht weiter. Wenn gerade diejenigen, dielange Zeit in Regierungsverantwortung und in führenderPosition waren, von einer falschen Agrarpolitik spre-chen, dann muss man natürlich darauf aufmerksam ma-chen, dass das nicht ein Problem ist, das erst in den letz-ten Jahren entstanden ist.Es ist einfach gut, dass wir uns dieses Millenniums-ziel gesteckt haben und wir die Anzahl der Hungerndenhalbieren wollen. Das ist doch richtig und gut. Dass dieAnzahl der Hungernden heute noch viel zu hoch ist, istauch richtig. Lassen Sie uns doch gemeinsam alle An-strengungen unternehmen, dass wir da weiterkommen!
Die FAO hat mitgeteilt, dass die Lebensmittelpreisezum Teil gewaltig in die Höhe gegangen sind; beispiels-weise sind der Preis von Reis um 75 Prozent und derPreis von Weizen um 120 Prozent gestiegen. Was dieFrau Ministerin gesagt hat, ist richtig: Man muss einmalnach den Ursachen dafür fragen und versuchen, dieseUrsachen zu bekämpfen. Ich glaube, das sind die richti-gen Ansatzpunkte. Wir sollten versuchen, auf diesemWeg voranzukommen.Man sollte auch einmal Positives herausstellen: So-forthilfen sind zur Verfügung gestellt worden; das Welt-ernährungsprogramm ist aufgestockt worden; geradeDeutschland hat hier einiges getan. Man sollte nicht im-mer nur kritisieren, sondern auch darauf hinweisen, wiewir weiterkommen.Soforthilfen sind nichts, womit wir uns begnügenkönnen. Wir müssen Ausschau halten, was mittel- undlangfristig getan werden kann. Auch hier kennen wir dieProbleme, die diese Katastrophe letztendlich verursachthaben. Herr Minister Seehofer hat einige dieser Pro-bjtImhCd–wSndtlbndwesgbzfusdWKVmsSWaIzatü
Wir sollten niemandem diktieren, was er zu tun undas er zu lassen hat.
ie wollten auch einmal erreichen, dass jeder pro Jahrur einmal fliegen darf und Ähnliches. Lassen Sie unsoch versuchen, die Probleme anders als durch Restrik-ionen zu lösen!Desertifikation ist ein riesiges Problem. Wahrschein-ich hat sich jeder von Ihnen schon einmal mit der Pro-lematik Aralsee beschäftigt. Das, was da passiert, mussicht sein. Auch hier könnten wir gemeinsam versuchen,urch mehr Druck weiterzukommen.Ich möchte noch einige Möglichkeiten ansprechen,ie man auf die vorhandenen Probleme noch intensiveringehen kann. Für mich ist ein ganz wesentlicher An-atzpunkt – wir können ihn vielleicht noch stärken – dasesamte Mikrofinanzwesen. Ich glaube, hier haben wirisher schon Erfolge gehabt. Auf diesem Gebiet weiter-uarbeiten, wäre ein unheimlich positiver Ansatz. Ichordere uns alle auf, hier noch mehr Anstrengungen zunternehmen.Die kleinen Bauern können Saatgut oder Landma-chinen erwerben, wenn man ihnen durch Kleinkrediteas entsprechende Geld zur Verfügung stellt.
ichtig ist natürlich auch, dass wir versuchen, denleinbauern durch direkte Hilfen noch mehr Land zurerfügung zu stellen. Hier müssen wir vielleicht nochehr Anstrengungen unternehmen.Wie bereits angesprochen, müssen wir für eine bes-ere Infrastruktur in ländlichen Gebieten sorgen: mehrtraßen, mehr Märkte, besseres Wassermanagement.as nützen Produkte, wenn sie nicht zu Verkaufsstellen,lso auf Märkte, gebracht werden können? Eine besserenfrastruktur ist ein ganz wesentlicher Punkt.Ich möchte nicht versäumen, auf die Bioenergie ein-ugehen. Unser Problem war, dass wir uns zu voreiliguf konkrete Vorgaben festgelegt haben. Vielleicht hät-en wir das Ganze global betrachten müssen. Wir hättenberlegen sollen, wie wir geschickter vorgehen können.
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)
)Dr. Wolf BauerEs ist immer wieder von den 1,5 Milliarden HektarAckerfläche die Rede gewesen. Beängstigend sind ei-gentlich Zahlen, die Folgendes besagen: Wenn wirwollen, dass die vorhandene Bevölkerung unser Ernäh-rungsniveau bekommt, dann müsste es zusätzlich 2,5 Mil-liarden Hektar Ackerfläche geben. Dabei ist die demo-grafische Entwicklung gar nicht berücksichtigt. DieseProbleme müssen wir mit neuen Technologien, mit Effi-zienzsteigerungen und anderem zu lösen versuchen.
Wenn wir über Biomasse usw. reden, ist für mich un-heimlich wichtig, das ganze Zertifizierungsproblem an-zusprechen. Vor allem geht es darum, dass Sozialstan-dards eingebaut werden. Das sollte geschehen, ohne dassdie Bevölkerung in Lateinamerika oder anderswo darun-ter leidet, dass wir berechtigterweise versuchen, etwasfür unsere Umwelt zu tun, indem wir Biomasse umwelt-schützend einsetzen.Ich habe Ihnen einige Probleme aufgezeigt. Schade,dass man in einer solchen Aktuellen Stunde nur so wenigZeit hat. Wir haben viele gute Ansatzpunkte, die wir he-rausarbeiten müssen. Wir müssen gemeinsam daran ar-beiten, dass wir weiterkommen. Wenn wir das tun, dannkönnen wir dieses Problem – viele haben es vorher ge-sagt – lösen. Davon bin ich überzeugt.Herzlichen Dank.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der
Kollege Thilo Hoppe das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Ministerin, es geht hier nicht um parteipolitischesGezänk. Ich will Ihrem Aufruf gern folgen, aber wirkommen nicht darum herum, sehr kritisch und auchselbstkritisch zu fragen: Was ist eigentlich schiefgelau-fen?
Im Jahr 2000 wurde von allen Staatsoberhäuptern derWelt feierlich das Ziel proklamiert, die Zahl der Hun-gernden bis 2015 zu halbieren. Wir machen aber über-haupt keine Fortschritte in der Richtung. Es geht in dievöllig falsche Richtung. Kontinuierlich steigt der Zahlder Hungernden.Morgen Nacht gibt es im ZDF einen Dokumentarfilmmit dem Titel „Hunger und Wut“. Darin wird die Fragegestellt: Was hat sich eigentlich geändert? Was ist Neuespassiert? Seit Jahrzehnten hungern etwa 850 MillionenMenschen still vor sich hin. Das Problem ist kaum wahr-genommen worden – außer in den Abenddebatten desAWZ. Was also ist passiert, dass plötzlich das Themaüberall auf der ersten Seite steht und diskutiert wird?Mehrere Faktoren sind zusammengekommen und ha-ben das Problem eskalieren lassen. Zum ersten Mal er-rakdswtktamlhmifdbrsAddbssmvDhgsddzDshdzRits
ber auch in der Entwicklungspolitik.In den Zielen sind wir uns einig. Wir haben im AWZehrere Anhörungen mit Jean Ziegler, mit internationa-en Wirtschafts- und Agrarexperten durchgeführt, wiraben mehrere Anträge diskutiert – immer mit dem Ziel,ehr im Bereich der ländlichen Entwicklung zu tun. Esst aber nicht geschehen. Ganze 3,1 Prozent der Mittelür die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit gehenirekt in den ländlichen Sektor, kommen direkt Klein-äuerinnen und Kleinbauern zugute, die Grundnah-ungsmittel anbauen, um die eigene Bevölkerung zu ver-orgen. Es sind dort falsche Strategien gefahren worden.uch die Afrika-Strategie des BMZ ist ganz stark aufas Exportgeschäft ausgerichtet – bei Vernachlässigunges Anbaus von Grundnahrungsmitteln für die dort le-enden Menschen. Ich bin froh, wenn es jetzt zur Ein-icht und zu Kurskorrekturen kommt; denn die sind ab-olut bitter notwendig – überlebensnotwendig.
In der Diskussion heute sind viele Argumente zusam-engemixt worden. Oft wurde Ursache und Wirkungerwechselt. In einigen Interviews wurde sogar gesagt:adurch, dass wir die Agrarexportsubventionen senken,aben die Menschen nichts mehr zu essen; in Haiti etwaibt es jetzt keine billigen Lebensmittel mehr. – Das isto wie im folgenden Fall: Wenn man einen Menschenrogenabhängig macht und der Dealer dann plötzlichen Stoff verweigert, dann führt das natürlich zunächstu einer Krise.
a wird doch wirklich Ursache und Wirkung verwech-elt!Was ist durch die Agrarexportsubventionen gesche-en? Wir haben nicht nur die Kleinbauern entmutigt, wieas hier schon gesagt wurde; wir haben ganze Märkteerstört. Wir haben Tausende von Kleinbauern in denuin getrieben,
ndem Hähnchenteile, Tomatenmark, Milchpulver, Ge-reide – alles hoch subventioniert! – auf den Märkten derogenannten Dritten Welt abgekippt wurden.
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Thilo HoppeAuch bei der Tortillakrise, die originellerweise stän-dig zitiert wird, geht einiges durcheinander. Was ist pas-siert? Mexiko war einst ein Land, das Mais sogar expor-tieren konnte, war das Heimatland vom Mais. Dann gabes die Freihandelszone NAFTA – Herrn Goldmann sageich: Freihandel löst nicht alle Probleme, sondern schafftauch manche Probleme –,
und der Markt ist mit hochsubventioniertem US-ameri-kanischen Mais überschwemmt worden. Das hat dieLandwirtschaft in Mexiko in den Ruin getrieben und einExportland plötzlich zum Importland gemacht.Neuerdings kippen die Amerikaner ihren Mais lieberin den Tank.
Das führt zu einem starken Anstieg der Preise, und diearmen Mexikaner können sich die Tortilla nicht mehrleisten.Für den Übergang ist das ein großes Problem, aberauch darin liegt eine Chance. Jetzt könnte die Agrarpro-duktion in Mexiko wieder angekurbelt werden.
Es gibt neue Chancen für die Landwirtschaft in Mexiko,diesen Sektor wieder aufzubauen.
– Nicht nur in Mexiko, sondern auch – das haben schoneinige Vorredner gesagt – in vielen anderen Ländern.Jetzt kommt es nicht darauf an, alle unsere stillgeleg-ten Flächen wieder zu aktivieren, Herr Seehofer. Wirkönnen nicht mit Nahrungsmittellieferungen von Europaaus das Problem des Hungers in anderen Teilen der Weltlösen.
Es kommt jetzt darauf an, die Agrarproduktion in denLändern, die vom Hunger betroffen sind, wieder anzu-kurbeln, aber bitte schön mit Methoden, wie sie jetzt imWeltagrarbericht vorgestellt wurden, also nicht mit mas-sivem Einsatz von Pestiziden und Insektiziden, Gentech-nik, Chemiedünger usw. Das schafft nämlich wiederweitere Umweltprobleme, mergelt die Böden aus undheizt das Klima an.
Jetzt ist es wirklich notwendig, mit angepassten, nach-haltigen Methoden die Kleinbäuerinnen und Kleinbau-ern zu unterstützen, also den Agrarproduzenten in denLändern, in denen Hunger herrscht, wirklich Hilfe zurSelbsthilfe zu geben. Dies darf nicht durch eine verfehlteAgrar- und Subventionspolitik torpediert werden.mnbs1a3wlufRudgkzntbRftfglndadggs
Ich habe jetzt leider einige wichtige andere Argu-ente in der Kürze der Zeit nicht mehr aufgreifen kön-en, diese seien nur ganz kurz im Stakkato genannt:Das, was momentan passiert, ist auch die Folge vonodenloser Spekulation. Viele Entwicklungen lassenich eigentlich gar nicht nachvollziehen. Nur auf,9 Prozent der Anbaufläche werden Energiepflanzenngebaut. Trotzdem sei diese Produktion nach IFPRI für0, 40 oder gar 50 Prozent der Preisentwicklung verant-ortlich.
Kollege Hoppe, trotz dieses Tricks ist die Zeit wirk-
ich abgelaufen.
Diese Entwicklung kann also nur die Folge von aus-
fernden Spekulationen sein. Das ist eine große Heraus-
orderung, der wir uns stellen müssen.
Ich danke Ihnen.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Sascha
aabe das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Herr Hoppe, Sie haben gesagt, dass beier bilateralen Entwicklungszusammenarbeit in der Ver-angenheit ein Fehler gemacht wurde, indem nur einleiner Anteil für den Kern der ländlichen Entwicklungur Verfügung gestellt worden sei. Wenn man die ge-annten 3,1 Prozent umrechnet, käme man auf einen Be-rag, der bei ungefähr 60 Millionen Euro liegt. Wir ge-en aber in Wirklichkeit fast 600 Millionen Euro imahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeitür die ländliche Entwicklung aus. Wir verstehen darun-er nämlich nicht nur die Lieferung von ein paar Schau-eln, sondern etwas viel Umfassenderes.Es hätte ja auch in den letzten Jahren angesichts deranz geringen Preise, die Landwirte in den Entwick-ungsländern für ihre Produkte erzielen konnten, nur we-ig Sinn gemacht, wenn wir angefangen hätten, sie fürie Bebauung ihrer kleinen Schollen mit Gerätschaftenuszurüsten.Ihrer Aussage, Herr Bundesminister Seehofer, dassie Exportsubventionen nicht die Ursache für die jetzi-en Probleme sind, kann ich nur entgegenhalten: Da lie-en Sie wirklich falsch. Das haben wir aber in der politi-chen Auseinandersetzung schon vor Jahren gesagt.
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Dr. Sascha Raabe
Es ist schon so, dass aufgrund der Subventionspolitik derIndustrieländer, für die immerhin 370 Milliarden US-Dollar pro Jahr aufgewendet werden – die OECD-Län-der geben also pro Tag mehr als 1 Milliarde US-Dollarfür den Agrarsektor aus –, in Entwicklungsländern, indenen aufgrund der klimatischen Bedingungen Produkteeigentlich bestens angebaut werden könnten, kaum nochAnbau stattfindet. Vorhin wurde zu Recht das BeispielHaiti genannt. Hier herrschen hervorragende klimatischeBedingungen für den Anbau, aber auf Haiti werden nurnoch 10 Prozent der benötigten Nahrungsmittel selbstangebaut, während 90 Prozent importiert werden, so ins-besondere subventionierter Reis aus den USA. Genausoverhält es sich auch in Ghana und anderen Teilen Afri-kas, wo Geflügel- und Milchprodukte aus Europa denMarkt überschwemmen.Vor diesem Hintergrund könnte man einem Bauernnoch so viele Traktoren geben, seine Produktionskostenwürden trotz der niedrigen Arbeits- und Lohnkosten im-mer über den Erträgen liegen, die er für seine Produkteauf den Märkten erzielen könnte, weil Produkte zu Dum-pingpreisen in den lokalen Supermärkten verkauft wur-den. So paradox stellte sich die Situation in den letztenJahren dar. Deswegen ist eine Importabhängigkeit ent-standen, die diese Länder verwundbar machte. Deshalbleiden dort jetzt so viele Menschen.Wir müssen jetzt die Chance ergreifen und die Bauerndort wieder in die Lage versetzen, mehr Produkte anzu-bauen. Jetzt ist nämlich der Zeitpunkt, massiv Mittel indie Hand zu nehmen, um Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.Das Ministerium hat ja auch angekündigt, dies tun zuwollen.
Wir müssen also den Landwirten Anreize geben, wiedermehr in die landwirtschaftliche Produktion zu investie-ren.Es hat mich deshalb schon ein wenig erzürnt, als derPräsident des Deutschen Bauernverbandes, HerrSonnleitner, vor zwei Tagen im „Morgenmagazin“ ge-sagt hat, die Ursache für die Misere liege darin, dass dieBauern in den Entwicklungsländern ihre Höfe verlassenhätten, statt in die landwirtschaftliche Produktion zu in-vestieren. Gerade Herr Sonnleitner ist doch einer derje-nigen, die da an der Spitze stehen, was die Forderungnach Agrarsubventionen angeht. Und die horrend hohenAgrarsubventionen sind daran schuld, dass in den Ent-wicklungsländern die Bauern ihre Höfe verlassen muss-ten, weil sie ihre Familien nicht mehr ernähren konnten.Ich halte es für sehr bedenklich, wenn denen quasi einTäter vorwirft, dass sie nichts investiert hätten. Auch dasgehört zur Ehrlichkeit in der Debatte.
vldMbPAbstahksAnAvfdtTugbwgAaztddoSz–zgztwgD
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008 16433
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Dr. Sascha RaabeAbschottung hilft nicht, aber es hilft auch nichts, dieMärkte zu öffnen, wenn man mit dumpingsubventionier-ten Gütern konkurrieren muss. Von daher brauchen wirein faires Welthandelssystem und vor allem Geld, –
Herr Kollege Raabe, achten Sie bitte auf die Redezeit.
– um Menschen zu helfen, sich selbst zu helfen. In
dem Sinne glaube ich, dass wir ein gemeinsames Ziel
haben und vorankommen werden.
Danke.
Das Wort hat die Kollegin Sibylle Pfeiffer für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Mein Kollege Thilo Hoppe hat dazu aufgefordert, kri-tisch zu hinterfragen. Ich möchte zunächst ganz kurz dasThema dieser Aktuellen Stunde kritisch hinterfragen. Eslautet:Überfällige Strategien der Bundesregierung zur Lö-sung der Welternährungskrise.Liebe Freunde, ich finde, wir Deutsche sind ein biss-chen anmaßend und überheblich. Bilden wir uns dochbitte nicht ein, dass wir als Deutsche die Welternäh-rungskrise lösen können. Das geht nur gemeinsam. Wiralle unterliegen internationalen Mechanismen. Diesesind bereits genannt worden; ich brauche sie daher nichtzu wiederholen. Deutschland ist natürlich daran beteiligtund muss mitmachen. Wir müssen aber gemeinsamMaßnahmen ergreifen, um das Problem zu lösen.
Insbesondere gefallen mir nicht die Worte „überfäl-lige Strategien“. Ich rede hier von ländlicher Entwick-lung. Strategie ist immer etwas Mittel- oder sogar Lang-fristiges. Hier fehlt mir ein bisschen dieVerantwortlichkeit von Ihnen, liebe Kolleginnen undKollegen, die das Thema ländliche Entwicklung im Be-reich der Entwicklungspolitik über Jahre hinweg über-haupt nicht beachtet haben.
Ich komme auf das Thema Entwicklungspolitik zusprechen, weil ich glaube, wir als Entwicklungspolitikerhaben eine besondere Verantwortung, aber wir sind auchdiejenigen, die sehr wohl dazu beitragen können, zu hel-fen. Wir Entwicklungspolitiker haben eine Verantwor-tung, können das aber nicht alleine. Wir müssen auchuDmGffrdddmvheTdkGsuUGLdKwMFrFümShDuGvmblEAfT
nd mit Good Governance zu tun. Dort, wo zurzeitnruhen stattfinden – ich nenne nur Haiti –, ist Goodovernance ein sehr wichtiges Thema.
Liebe Freunde, im Zusammenhang mit dem Themaandbesitz bin ich – da finde ich mich unterstützt vonen Kollegen in meiner Fraktion, aber auch von allenollegen in meinem Ausschuss –
ieder einmal beim Thema Frauen. Nicht einmal dieänner haben Landbesitz, und das gilt erst recht für dierauen. 80 Prozent der Frauen sind für die Ernährung ih-er Familien verantwortlich; aber nur 2 Prozent derrauen haben Landbesitz.Wir reden in diesem Zusammenhang im Übrigen auchber Erbrecht. All das hat etwas mit Good Governance,it politischem Willen und auch mit kommunalerelbstverwaltung zu tun. Kommunale Selbstverwaltungeißt nämlich, dass wir von oben nach unten verteilen.as heißt auch, dass wir Verantwortung von oben nachnten verteilen. Dafür zählen wir aber nicht nur in denemeinden die Einwohner und erstellen Wählerlisten;ielmehr bedeutet das auch, sich Gedanken darüber zuachen, wie in den Ländern ein Kataster und ein Grund-uch eingeführt werden kann, um die eigene Verantwort-ichkeit für den Landbesitz zu dokumentieren und umrbbaurecht möglich zu machen.
ll das hängt mit der Frage zusammen, wie ein Land ge-ührt wird. Da ist Good Governance immer noch dashema Nummer eins.
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Sibylle PfeifferIn all diesen Bereichen helfen wir mit unseren NGOs,aber auch mit unseren Durchführungsorganisationen wieder GTZ, vor allen Dingen wenn es darum geht, kommu-nale Strukturen aufzubauen. Ich glaube, wir sind da er-folgreich und gut. Wenn wir auf diese Art und Weiseweiterarbeiten, bekommen wir das Bevölkerungspro-blem und parallel dazu das Welternährungsproblem inden Griff. Aber dazu brauchen wir die Mitwirkung derPartnerländer; deren Verantwortung müssen wir einfor-dern.
Das Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Noch nie wurde so viel geerntet wie 2007. Gegenüber2006 haben wir ein Plus von 4,7 Prozent bei Getreide,und in diesem Jahr wird ein weiterer Zuwachs erwartet.Dies prognostiziert jedenfalls die FAO. Gleichzeitigwurde in Ägypten nach Protesten der Bevölkerung dieArmee zum Brotbacken abkommandiert, in Bangladeschgab es Straßenschlachten, in Kamerun starben 24 Men-schen bei Unruhen, in Haiti gab es Straßenschlachten,und in Paraguay wurde die Regierungspartei abgewählt,die über 60 Jahre an der Macht war. Liebe Kolleginnenund Kollegen, dieser Widerspruch ist Ausdruck derKomplexität dieses Themas.Zu den Ursachen ist heute hier schon viel gesagt wor-den. Für mich gibt es einen Punkt, den ich am Randeeinmal erwähnen möchte. Es geht um das – ich will eseinmal so formulieren – „Lebensmittel kommen aus demSupermarkt“-Syndrom. Landwirtschaft gilt vielfach als„uncool“. Landwirtschaft ist häufig ein politischesRandthema – auch bei uns –
und wird bestenfalls im Rahmen der TV-Serie „Bauersucht Frau“ mit großer medialer Aufmerksamkeit regis-triert. Dieses „Landwirtschaft ist nicht cool“-Syndromgibt es auch in abgewandelter Form in vielen Entwick-lungsländern. Da entstehen Wohnsiedlungen, Fabriken,Einzelhandelszentren und Golfplätze. Für Industrieför-derung und moderne Dienstleistungen stehen Mittel zurVerfügung. Aber einheimische Nahrungsmittelpflanzenund bäuerliche Landwirtschaft müssen hingegen sehen,wo sie bleiben.Biotreibstoff gilt vielfach als Zukunft, was die Siche-rung der Mobilität angeht. Die „Treibstoffe des Alltags“für die Menschen, die Grundnahrungsmittel, werden ver-nachlässigt. Die Folgen dieser weltweit falschen Prio-ritätensetzung holen uns jetzt ein. Viele Länder, beson-ders in der Dritten Welt, sind in den letzten Jahrzehntenvon Selbstversorgern zu Importeuren von Grundnah-rungsmitteln geworden.taegsNdCsmpGeaezddeBDkbserdNsEmllw–nddGtb
Der Prozess weltweit ständig sinkender Nahrungsmit-elpreise bei wachsenden Produktionsmengen hat sichbrupt umgekehrt. Explodierende Energiepreise, Wetter-xtreme und Spekulanten, die neue und lukrative Anla-emöglichkeiten entdecken, haben diese Prozesse mas-iv verstärkt.Hinzu kommen deutliche Veränderungen auf derachfrageseite. Die Nachfrage an Lebensmitteln istank der Steigerungen der Einkommen von Indern undhinesen deutlich gestiegen. Das Stichwort Fleischkon-um ist bereits gefallen. Das bedeutet aber: Mehr Futter-ittel und größere Anbauflächen müssen für die Fleisch-roduktion bereitgestellt werden. Aus 100 Kalorienetreide werden 10 Kalorien Fleisch. 90 Prozent der ge-rnteten Nahrungskalorien gehen dadurch verloren.Rein rechnerisch wird genug Getreide produziert, umlle Menschen ausreichend zu ernähren. Aber das giltben nur rein rechnerisch. In manchen Ländern geht bisu einem Drittel der Ernte durch falsche Lagerung undurch Schädlinge verloren. In vielen Entwicklungslän-ern ist die Transportinfrastruktur völlig marode, wasntsprechende Auswirkungen auf die Versorgung derevölkerung hat.
er Klimawandel und der Wassermangel werden in Zu-unft die Produktion von Grundnahrungsmitteln weitereeinträchtigen. Die Konkurrenz von Tank und Tellerteht erst am Anfang.Zur Steigerung der Weltbevölkerungszahl ist schontwas gesagt worden. Jede Sekunde wächst die Bevölke-ung auf der Erde um einen Menschen. In 40 Jahren wer-en über 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Dieachfrage nach Nahrungsmitteln wird weiter ganz starkteigen.Was ist zu tun? In welche Richtung muss es gehen?s ist heute schon viel Richtiges gesagt worden. Wirüssen – das muss an erster Stelle stehen – verstärkt dieändliche Entwicklung fördern. Der Fokus der bilatera-en Entwicklungszusammenarbeit muss darauf gerichteterden.
Danke. – Wir brauchen darüber hinaus – das ist ge-auso wichtig – Investitionen in landwirtschaftliche Pro-uktivität in den Entwicklungsländern. Gentechnik istabei ein Irrweg.
erade einheimische und gut angepasste Nahrungsmit-elpflanzen müssen gefördert werden. In diesem Bereichrauchen wir verstärkt eine Förderung.
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Manfred Zöllmer
– Wir haben überhaupt nichts gegen Biotechnologie. Ichhabe von Gentechnik gesprochen. Wenn Sie sich einmalanschauen, wie weit die Forschung ist, dann werden Siefeststellen: Die Gentechnik leistet zurzeit überhaupt kei-nen Beitrag zur Lösung der Probleme.
Wir brauchen verbesserte Anbaumethoden. Wir brau-chen Programme zur Expansion der Produktion. DieVermarktung der Produkte muss verbessert werden. Esmuss in die ländliche Infrastruktur investiert werden, umErnteverluste zu verringern.Für Biotreibstoffe brauchen wir Zertifizierungssys-teme. Wir brauchen natürlich auch faire Handelsbedin-gungen – ich sage das ausdrücklich – für Agrarprodukte.Agrarexportsubventionen gehören dabei in die Müll-tonne für überlebte handelspolitische Instrumente.
Handelspolitik muss aber auch ein Geben und Neh-men sein.
Kollege Zöllmer, achten Sie bitte auf die Redezeit.
Der Präsident der Weltbank, Robert Zoellick, hat zu
Recht einen „new deal for global food policy“ gefordert.
Die wichtigste Voraussetzung dafür ist es allerdings, der
Landwirtschaft wieder einen höheren Stellenwert zu ge-
ben. Lebensmittel kommen nicht aus dem Supermarkt.
Sie müssen produziert werden. Dafür müssen die Bedin-
gungen stimmen.
Vielen Dank.
Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Peter
Bleser das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeFrau Künast, ich war enttäuscht von Ihrer Rede; dennSie haben sich an Details abgearbeitet. Sie haben keineAnalyse vorgenommen und – das ist noch schlimmer –keine Lösung angeboten. Sie haben hier zehn Minuten–dadzdwdhwmiabftlNWWwEtlwamRlMwVw1Gw
ber keine Linie erkennen lassen, wie man ein Problem,as wirklich drängend ist, löst.
Deswegen liegt mir daran, einmal die Fakten aufzu-eigen. Wir haben heute 6,7 Milliarden Menschen aufem Globus. 80 Millionen kommen jährlich hinzu; 2025erden es 8 Milliarden sein. Es gibt Veränderungen beien Verzehrgewohnheiten; Kollege Zöllmer hat es vor-in gesagt. In den Schwellenländern China und Indienerden mehr Fleisch und Milch verbraucht. Das bedarfehr Fläche, weil für die Erzeugung auch Getreide nötigst. Wir haben die Erderwärmung; dies ist noch gar nichtngesprochen worden. Der Faktor Wasser ist im Hin-lick auf die Ausdehnung der Produktion ein Mangel-aktor. Auch deswegen gab es in den letzten Jahren Ern-eausfälle.
Frau Künast, es gab Extensivierungs- bzw. Still-egungsprogramme. Auch damit werden wir nicht mehrahrungsmittel erzeugen.
enn die 1,5 Milliarden Hektar Ackerflächen auf derelt ohne Dünger und Pflanzenschutz genutzt würden,ürden die Menschen an Hunger sterben.
s geht nicht ohne diese Form der effizienten Produk-ion.Wir haben auch nationale Probleme, die wir nicht ge-öst haben. Wir verbrauchen pro Tag 110 Hektar land-irtschaftliche Nutzfläche. Das muss reduziert werden –uch in Form von weniger Ausgleichsflächen. Daranüssen wir arbeiten, und dazu stehen wir.
Frau Ministerin Wieczorek-Zeul, Sie haben es zuecht angesprochen: Wir müssen die ländliche Entwick-ung in den einzelnen Ländern stärken. Dort, wo dieenschen hungern, müssen Nahrungsmittel produzierterden. Deswegen ist es nicht gut gewesen, dass dieorgängerregierung die Ausgaben für die ländliche Ent-icklung und Welternährung von 648 Millionen Euro in998 auf 360 Millionen Euro in 2004 zurückgeführt hat.
ott sei Dank werden diese Mittel, Frau Ministerin, jetztieder auf 577 Millionen Euro erhöht. Ich werbe sehr
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Peter Bleserdafür, dass wir sie innerhalb des Etats weiter aufstocken;denn das ist sehr sinnvoll ausgegebenes Geld.
Aber auch nach dieser Analyse ist nicht zu übersehen,dass es eine Parallelentwicklung gibt: Ein Barrel Erdölhat 1998 zu seinem Tiefstand 10 Dollar gekostet. Heutesind wir bei 114 Dollar. Das hat Konsequenzen. Dasführt dazu, dass Ackerflächen in den Ländern, in denendie Erträge höher sind, in Südamerika und in Nordame-rika, natürlich ohne staatliche Hilfen zur Energieerzeu-gung genutzt werden können. Auch das ist eine Konkur-renzsituation, die wir nicht verkennen dürfen.Meine Damen und Herren, wir müssen auch erkennen– das ist ein Vorwurf, den ich keiner einzelnen Fraktionmachen möchte –: Wir haben übersehen, dass seit 1999mit Ausnahme eines Jahres die Ernte nie so hoch warwie der Bedarf. Es gab einen Abbau der Bestände vonknapp 600 Millionen Tonnen in 1999 auf 335 MillionenTonnen in 2007. Für die Ernte 2008 haben wir nur nocheinen Vorrat von 50 Tagen.Dass dies irgendwann zu einem Anreiz für Spekulan-ten wird, die sich dann auf die Nahrungsmittel und dieRohstoffe insgesamt stürzen, ist völlig klar. Deswegenmüssen wir jetzt darangehen, die Effizienz in der land-wirtschaftlichen Produktion zu steigern, und zwar welt-weit und auch bei uns.
Dabei dürfen wir keine Scheuklappen haben: keine tech-nologischen, keine wissenschaftlichen und auch keinesonstigen.
– Dazu gehört selbstverständlich auch die Grüne Gen-technik.Aber bei all diesen Bestrebungen, die Effizienz zusteigern, müssen wir natürlich die Nachhaltigkeit immerim Blick behalten. Das ist die erste Voraussetzung; siedarf auf keinen Fall infrage gestellt werden.
Dies gilt auch für den Tierschutz und den Umweltschutz.Ich bin sogar der Meinung: Mit diesen technologi-schen Möglichkeiten kommen wir weiter als über denWeg zurück, den viele beschreiten wollen.
– Natürlich ist die Steigerung der Produktion die Lö-sung. So kann man das Ziel erreichen. Das muss mandoch in aller Klarheit sagen.
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Es täte Ihrer Fraktion gut – das will ich Ihnen einmalagen –, wenn Sie von den alten marxistischen Mustern,ie in der Vergangenheit über viele Jahre und Jahrzehnteinweg weltweit zu Hungersnöten geführt haben, weg-ämen. Ich muss das immer wieder sagen.
as unkritische Selbstbewusstsein, das Sie an den Tagegen, ist durch die Realität an keiner Stelle zu rechtferti-en. Das wollte ich Ihnen gesagt haben.
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Dr. Ditmar StaffeltSeien Sie einmal ein bisschen vorsichtiger und nach-denklicher. Dann diskutieren wir auch gerne mit Ihnenüber solche Fragen, aber nicht auf die Tour.Ich komme zum zweiten Punkt, den ich ansprechenwollte, zu den Finanzmärkten. Auch das ist ein Thema,das Sie völlig ignorieren. Sie sollten eigentlich honorie-ren, dass sich die Bundesregierung, insbesondere derBundesfinanzminister,
in den internationalen Gremien für die Schaffung vonmehr Transparenz und Kontrollmechanismen stark ge-macht hat, um Krisen auf den Weltfinanzmärkten undSpekulationen bestimmten Ausmaßes in Zukunft verhin-dern zu können.Sie haben hier gesagt: Wir schaffen das ab! Das hörtsich zwar wunderbar an, nur leider werden Sie das nichtdurchsetzen.
Das ist reiner, klassischer Populismus der Linksparteiund nichts anderes.
Ich füge hinzu: Die Debatte hat mir gezeigt, dass wirsehr viel mehr Zeit in die Debatten über die Globalisie-rung investieren müssen. Wir müssen deutlich machen,dass es notwendig ist, die globalen Institutionen zu stär-ken.
Jeder weiß doch – das ist hier zu Recht schon gesagtworden –, dass auch wir nur ein Mosaikstein des Ganzensind. Wir brauchen die von der Linken bekämpften glo-balen Institutionen wie die Weltbank, den IWF und dieOECD,
damit wir in viel breiterem Umfange dafür sorgen kön-nen, dass diejenigen, die in dieser Welt hungern müssen,denen es schlecht geht, unterstützt werden. Das muss unsklar sein. Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen– ich finde es gut, dass das hier gefordert wurde –, dassdie bäuerlichen Strukturen in den betroffenen Ländernüber Landreformen – Stichwort: Good Governance – ge-stärkt werden. Das muss die Priorität sein, weil das eineOption für eine bessere Zukunft birgt.Sie müssen mich gar nicht überzeugen; denn ich habedie europäische Landwirtschaftspolitik über Jahrzehntehinweg kaum verstanden. Ich bin zwar nie Landwirt-schaftspolitiker gewesen, doch ich finde, es liegt auf derHand und in unserem eigenen Interesse, dass Deutsch-land weiterhin seinen Einfluss geltend machen will, da-mit unsinnige Subventionen abgebaut werden.–iL–eameaiwSMsl–WgsddstnFveDbWsSb
Das ist kein Populismus. Das ist reale Politik, die wirn den letzten Jahren von Rot-Grün mit Frau Künast alsandwirtschaftsministerin bereits praktiziert haben.
Meine Damen und Herren, ich darf doch wohl auchinmal etwas Lobenswertes über unseren früheren Ko-litionspartner sagen, oder?
Da ich nur noch wenige Sekunden Redezeit habe,öchte ich noch darauf hinweisen, dass dies nicht nurine Aufgabe der Industrieländer ist. Wir haben geradeuch über Spekulationen gesprochen, deshalb möchtech sagen: Ich stelle mir zum Beispiel die Frage, warumir nicht einmal versuchen, die großen staatlichenchwellenländerfonds dazu zu motivieren, in dieseärkte beruhigend zu intervenieren. Solche marktwirt-chaftlichen Möglichkeiten bestehen nämlich auch. Viel-eicht wäre ein solches Vorgehen viel erfolgreicher, alsdas ist Ihr Vorschlag – mit der roten Karte durch dieelt zu laufen, obwohl sie niemand sehen will.
Ich denke, wir brauchen mehr Fantasie und mehr En-agement. Im Übrigen wünschte ich mir, wenn ich dasagen darf, dass sich der nächste Deutsche Bundestagazu durchringt, einen Parlamentsausschuss einzusetzen,er sich mit Fragen der globalen Welt und der Weltwirt-chaft beschäftigt. Denn diese Herausforderungen be-reffen uns alle. Wenn wir diese Herausforderungenicht bewältigen, wird es uns nicht gelingen, in der Weltrieden zu schaffen und eine Politik zu realisieren, dieerhindert, dass uns Extremismus und Terrorismus zurheblichen finanziellen Aufwendungen veranlassen.ieses Geld würde an einer anderen Stelle, an der es vielesser aufgehoben wäre, fehlen.
ir wollen eine Welt, in der die Menschen genug zu es-en haben, in der sie sich entwickeln können und –
Kollege Staffelt, das ist keine rote Karte. Beachten
ie aber bitte die rote Lampe vor Ihnen.
– das ist meine letzte Bemerkung – in der sie ihr Le-en menschenwürdig gestalten können.
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Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege Johannes
Röring das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren!Im Jahr 2025 werden 83 Prozent der Weltbevölke-rung, die bis dahin auf voraussichtlich 8,5 Milliar-den gestiegen sein wird, in den Entwicklungs-ländern leben. Es ist allerdings fraglich, ob dieKapazität der vorhandenen Ressourcen und Tech-nologien ausreichen wird, um die Bedürfnisse die-ser ständig weiter wachsenden Bevölkerung inbezug auf Nahrungsmittel und andere landwirt-schaftliche Produkte zu befriedigen.
Die Landwirtschaft muß dieser Herausforderung inerster Linie dadurch begegnen, daß sie die Produk-tion auf bereits bewirtschafteten Flächen steigert,
gleichzeitig aber ein weiteres Vordringen auf nurbegrenzt für eine landwirtschaftliche Nutzung ge-eignete Standorte unterläßt.Dies, meine Damen und Herren, ist der Originaltext derAgenda 21 der Konferenz der Vereinten Nationen fürUmwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro aus demJahre 1992.
In Kapital 14 der Agenda 21 werden unter der Über-schrift „Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaftund ländlichen Entwicklung“ bedeutende Themen imHinblick auf die Zukunftsfähigkeit der Agrarwirtschaftinsbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländerngenannt, unter anderem: Bodenordnung, Eigentumsfra-gen und Bodenerhaltung, nachhaltige Pflanzenernährungmit organischem und mineralischem Dünger
sowie integrierter Pflanzenschutz mit chemischen undbiologischen Maßnahmen.
Diese vor mehr als 15 Jahren formulierten Ziele bein-halten keinen Hinweis auf eine Extensivierung der Land-wirtschaft, keine Absichtserklärung und keine Forde-rung nach weltweitem Ökoanbau. Sie sind dereindeutige und unmissverständliche Auftrag an dieLandwirtschaft, ihre Erträge zu steigern, effizient zu ar-beiten und Potenziale auszuschöpfen. Dies soll mit denInstrumenten einer modernen, wissensbasierten Land-wifsPdLtdwDnMkwSlndDwLfbNlemfdwvgsbSkzGenudrr
ie konventionelle Landwirtschaft wurde in nicht an-ehmbarer Weise diffamiert, beschädigt, anstatt denenschen in der Dritten Welt mit den Möglichkeiten deronventionellen Landwirtschaft zu helfen.
Diese ideologiegeprägte Politik, Frau Künast, habenir zusammen mit Bundeslandwirtschaftsministereehofer beendet. Die Landwirtschaft, die Bauernfami-ien, die gesamte Agrarwirtschaft mit ihren 4,5 Millio-en Beschäftigten in Deutschland wurden endlich wie-er in die Mitte der Gesellschaft geholt.
iese Entwicklung muss überall in der Welt angestoßenerden; denn nur auf der Basis einer funktionierendenandwirtschaft lassen sich eine staatliche Ordnung, eineunktionierende Infrastruktur und auch Sicherheit auf-auen. Die hungernden Menschen dieser Welt brauchenahrung, brauchen Möglichkeiten, sich und ihre Fami-ien selbst zu ernähren – sie brauchen keine Nachhilfe ininer überflüssigen grünen Weltverbesserungsidee, dieehr schadet als nutzt.
Wir müssen Maßnahmen ergreifen und Instrumenteinden, die sofort wirken. Dazu gehören unter anderemer Zugang zu ertragssteigernden Produktionsmittelnie Pflanzenschutz- und Düngemitteln, die Schaffungon breit gestreutem Eigentum sowie ein besserer Zu-ang zu Bildung und Beratung. Die moderne Landwirt-chaft wird mit ihren vielfältigen Möglichkeiten im Hin-lick auf Ertragssteigerung und Ertragssicherheit einechlüsselrolle bei der Bewältigung der Welternährungs-rise einnehmen.
So notwendig die Diskussion über faire Handelsbe-iehungen ist und so sinnvoll die Debatte über dieründe für die Verteuerung der Nahrungsmittel ist, aninem Fakt kommen wir nicht vorbei: Die Nachfrageach Agrarrohstoffen – nach Getreide, nach Ölsaatennd vielem mehr – wird sich in absehbarer Zeit fast ver-oppeln. Um diese auf uns zukommende Herausforde-ung meistern zu können, müssen wir jetzt die Weichenichtig stellen. Dieses Mehr an Nachfrage müssen wir
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Johannes Röringdurch Produktion auf den vorhandenen Flächen befriedi-gen; das verfügbare Ackerland ist nämlich beschränkt.Wenn wir die Urwälder unangetastet lassen wollen,brauchen wir eine intensive, moderne Landwirtschaft.Ich glaube, dass eine moderne, verantwortungsvolleLandwirtschaft in bäuerlicher Hand ein Segen für dieMenschheit sein kann.
Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin
Gabriele Groneberg.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Ich bin den Grünen durchaus dankbar fürdiese Aktuelle Stunde. Das Problem ist derart akut, dasswir darüber reden müssen; insofern ist es gut, dass wirdie Möglichkeit dazu haben. Es gibt in der Tat Hand-lungsbedarf.Zu den Gründen ist eine Menge gesagt worden. Ichbin dem Kollegen Staffelt dankbar dafür, dass er deutlichdarauf hingewiesen hat, dass es nicht den Grund gibt,sondern dass verschiedene Faktoren – die sich nicht im-mer auf die Schnelle erklären lassen – zu dieser Ernäh-rungskrise geführt haben.Es stört mich allerdings, Herr Goldmann, dass hierwie in der Presse Schlagworte wie „Teller vor Tank“ be-nutzt werden. Das ist nicht hilfreich, wenn es darum ge-hen soll, die Probleme zu lösen.
– Unsere Ministerin hat durchaus differenziert dazu Stel-lung genommen, und auch ich gehe auf diesen Punktnoch einmal ein.Es gibt, wie gesagt, viele Faktoren. 30 Prozent derGetreideproduktion – das sind FAO-Zahlen – stehen fürFuttermittel zur Verfügung. Allein daran ist ersichtlich,dass Biomasse und Biokraftstoffe eben nicht die Buh-männer sein können. Worum geht es mir? Wir haben hierim Hause eine eindeutige Mehrheit, die sich von derAtomkraft verabschieden möchte. Wir haben den Aus-stieg beschlossen, und das ist auch gut so. Wir führen inder Republik – und natürlich auch in diesem Hause –eine Diskussion über die Kohlekraftwerke und insbeson-dere über den Bau von neuen Kohlekraftwerken. Dane-ben wollen wir raus aus der Abhängigkeit vom Öl. Dassind drei Gründe.Was machen wir aber? Gleichzeitig verteufeln wir dieBiomasse. Wir wissen ganz genau, dass wir mit der Bio-masse natürlich auch eine Chance haben – auch für dieEntwicklung in den Entwicklungsländern –, die wirnicht vernachlässigen dürfen. Ich habe an dieser StelleoEwniIDLvwAduFTngtmisvdtHdrmdtNwmgbkMdGmgut
n Deutschland gibt es die Nachhaltigkeitsverordnung.amit sind wir auf einem guten Wege. Wir sind das ersteand, das so etwas gemacht hat. Diese Nachhaltigkeits-erordnung soll jetzt auch auf EU-Ebene übertragenerden.Wir legen in dieser Nachhaltigkeitsverordnung dienforderungen an Biokraftstoffe dar, wir beschreibenie Bedingungen für die Erzeugung von Biokraftstoffen,nd wir weisen auf die nachhaltige Bewirtschaftung vonlächen, den Schutz natürlicher Lebensräume und dasreibhausgasverminderungspotenzial hin. Das gilt nichtur für uns, sondern ebenso für die internationale Erzeu-ung. Wir stellen uns vor, dass dieses Zertifizierungssys-em auch international implementiert wird, um zu ver-eiden, dass damit Schindluder getrieben wird.Die Kollegen haben teilweise auch auf das Abholzenn den Entwicklungsländern, zum Beispiel in Indone-ien, und auf die Erzeugung von Palmöl mit den damiterbundenen Problemen hingewiesen. Herr Goldmann,ie Ministerin hat ganz deutlich gesagt, dass wir jetzt na-ürlich auch ein Moratorium beschlossen haben.
err Seehofer hat gesagt, welche Maßnahmen wir iniesem Zusammenhang noch durchführen wollen. Es istichtig und notwendig, dass wir jetzt einmal einen Mo-ent innehalten und schauen, welche Entwicklung esort gab und wie wir damit umgehen.Herr Goldmann, Sie sagen jetzt, die Entwicklung hät-en wir vorhersehen können. Das stimmt einfach nicht.och vor einem Jahr hat niemand diese massive Ent-icklung absehen können. Eines will ich auch noch ein-al sagen: Es ist unverantwortlich, dass jetzt immer soetan wird, als ob wir das alles gewusst hätten. Wir ha-en nicht alles gewusst. Wir müssen uns jetzt darumümmern, und das tun wir auch.Natürlich tragen auch die Entwicklungsländer eineitverantwortung. Sie müssen nämlich dafür sorgen,ass eine Vorratshaltung betrieben wird. Die Goodovernance ist von Sibylle Pfeiffer genannt worden. Wirüssen auch schauen, wie mit der Bevorratung umge-angen wird.
Es gibt Projekte der Caritas – zum Beispiel in Niger –,m Getreidespeicher zu bauen. So wird dafür Sorge ge-ragen, dass dort Getreide eingelagert wird; denn wegen
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16440 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. April 2008
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Gabriele GronebergDürren und aus anderen Gründen – weiß der Teufel,weswegen noch – hat es immer wieder Nahrungsmittel-krisen gegeben und wird es auch immer wieder welchegeben. Die Menschen erleben dort nicht die erste Krise.Wenn man Getreide bevorratet, kann man auch eineentsprechende Preisregulierung erreichen. Wenn es fürbestimmte Teile der Bevölkerung nicht mehr möglichist, Getreide zu kaufen, um damit Brot zu backen, dannkann man mit diesen Bevorratungen auch preisregulie-rend eingreifen.Ich habe noch heute Morgen mit der Botschafterinvon Mali reden können. Die Malier hatten vor ein paarJahren eine große Nahrungsmittelkrise. Sie haben darausgelernt. Die Botschafterin hat gesagt: Wir müssen damitumgehen. – Sie sprach davon, dass sie von der Nah-rungsmittelkrise und den Preissteigerungen im Momentnicht in dem großen Maße betroffen sind, weil sie ebenvorgesorgt haben und durch eine Bevorratung und ent-sprechende Regularien mit dieser Krise anders umgehenkönnen.Wir können damit also verantwortungsvoll umgehen.Wir müssen uns auf allen Seiten überlegen, mit welchenInstrumenten man der Problematik begegnen kann. Ichbin absolut dagegen, die Biomasse zu verteufeln. Sie istnicht der Buhmann bei diesen Dingen. Wir müssen aberaufpassen, dass sie aus nachhaltiger Produktion stammt,und wir werden zumindest für uns in Deutschland dafürsorgen, dass das auch so geschieht.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 24. April 2008,
9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Tag.
Die Sitzung ist geschlossen.