Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung zwei Mitteilungen:Der Kollege Norbert Königshofen feiert heute seinen65. Geburtstag. Im Namen des ganzen Hauses gratuliereich dazu sehr herzlich und wünsche alles Gute.
Hinsichtlich unserer heutigen Tagesordnung macheich darauf aufmerksam, dass die als letzter Punkt ange-kündigte Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion derFDP zurückgezogen worden ist und deshalb entfällt.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf:a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen der CDU/CSU und der SPD eingebrachtenEntwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderungdes Dritten Buches Sozialgesetzbuch undanderer Gesetze– Drucksache 16/7460 –– Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-neten Volker Schneider , KlausRedetErnst, Dr. Lothar Bisky, weiteren Abgeordnetenund der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent-wurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des
– Drucksache 16/7459 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschussesfür Arbeit und Soziales
– Drucksache 16/7866 –Berichterstattung:Abgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel,Dr. Heinrich L. Kolb, Dr. Karl Addicks, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der FDPBeschäftigungschancen Älterer verbessern –Reformen der Agenda 2010 nicht zurück-nehmenext– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. HeinrichL. Kolb, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derFDPArbeit statt Frühverrentung fördern– zu dem Antrag der Abgeordneten VolkerSchneider , Klaus Ernst,Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter undder Fraktion DIE LINKEBeschäftigungssituation Älterer verbessern –Übergang vom Erwerbsleben in die Rentesozial gestaltenksachen 16/6644, 16/7003, 16/6929, –rstattung:nete Irmingard Schewe-Gerigkusschuss)– Druc16/7866BerichteAbgeord
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14740 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Gibtes Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dannist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Parlamentarischen Staatssekretär Franz Thön-nes das Wort.
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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! DieLage auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ist sogünstig wie lange nicht mehr. Die Arbeitslosigkeit ist inden letzten zwei Jahren um 1,2 Millionen zurückgegan-gen. Seit Dezember 2005, als wir noch bei 11,1 Prozentlagen, ist sie auf 8,1 Prozent im Dezember 2007 gesun-ken.Zum ersten Mal seit langem kommt der Aufschwungauch den Menschen zugute, die auf dem Arbeitsmarktschwerer vermittelbar sind. Das gilt gerade für die älte-ren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutsch-land. Die Fakten sind erfreulich. Die Zahl der älterenArbeitslosen sank um 18 Prozent, um 192 000. Sie istdamit überdurchschnittlich gefallen. 35 Prozent Rück-gang verzeichnen wir in den letzten beiden Jahren imBereich der Langzeitarbeitslosen.Auf der anderen Seite ist die Zahl der Erwerbstäti-gen im gleitenden Jahresdurchschnitt 2007 um 1,7 Pro-zent auf knapp 40 Millionen gestiegen. Die Steigerungder Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigtenfällt mit einem Plus von 2,1 Prozent auf knapp 27 Mil-lionen noch deutlicher aus. Das sind gut 500 000 Jobsmehr. Das sind gute Perspektiven für 500 000 Beschäf-tigte, ihre Familien und ihre Kinder in Deutschland.
Erfreulich ist auch der verbreitete Mentalitätswechsel.In vielen Betrieben werden das Fachwissen, die Erfah-rungen, das Prozesswissen und die Kompetenzen der äl-teren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder hö-her bewertet und geschätzt. Von März 2006 bis März2007 hat sich die Zahl der über 50-jährigen Beschäf-tigten um 6,2 Prozent verbessert. 363 000 Beschäftigteüber 50 Jahre sind hinzugekommen. Das sind 54 Prozentder insgesamt Hinzugekommenen. Das ist gut so; denneine soziale Marktwirtschaft darf sich niemals damit ab-finden, dass sich die Einstellung breitmacht: Mit 50 ge-hörst du zum alten Eisen. – Nein, die Älteren gehörendazu. Wir brauchen einen gesunden Mix zwischen Jungund Alt, zwischen den Generationen, um die Stärke un-serer Volkswirtschaft bewahren zu können.
Dieser Entwicklung wollen wir weiteren Schwunggeben. Wir wollen aber auch nicht vergessen, denjenigenzu helfen, die bei der beruflichen Wiedereingliederungnicht so schnell zum Zuge kommen. Mit dem Gesetz,das wir heute beschließen, erhalten ältere Arbeitnehme-rgsgHfWbdAvlzrrnaargtbzbABeSssKttäbwvÄzpbBezwksäd5ACs
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14741
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akt ist: Die statistische Erfassung der Arbeitslosigkeitlterer Menschen wird mit dem Auslaufen der 58er-Re-elung verbessert.
iejenigen, die nach dieser Regelung bislang nicht mit-ezählt wurden, sind nun weitestgehend einbezogen.ach der Neuregelung gelten im SGB II nur diejenigenicht als arbeitslos, die der Arbeitsvermittlung faktischicht mehr zur Verfügung stehen. Dabei wird berück-ichtigt, dass in einigen Bereichen Schwierigkeiten beier Integration bestehen. Deswegen sollen diejenigenicht mehr mitgezählt werden, die nach zwölf Monatenei der Integration keinen Erfolg erzielt haben.
as sollte nicht als Gleichgültigkeit gegenüber den Be-roffenen verstanden werden; denn mit der Einfügunges Abs. 2 a in § 3 SGB II wird klar geregelt, dass er-erbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 58. Lebensjahrollendet haben, unverzüglich Angebote zur Vermittlungn Arbeit oder Arbeitsgelegenheiten zu unterbreiten sind.
Die Nachfolgeregelung zur bisherigen 58er-Regelungritt rückwirkend zum 1. Januar 2008 in Kraft. Dabei istervorzuheben, dass wir in Zusammenarbeit mit derundesagentur für Arbeit und durch Empfehlungen anie Optionskommunen sichergestellt haben, dass in derbergangsphase bis zur Verabschiedung der Neurege-ung kein Arbeitslosengeld-II-Bezieher in eine vorzei-ige Altersrente mit Abschlägen verwiesen wird.Abschließend ist festzustellen: Für Bezieherinnen undezieher von Arbeitslosengeld II, die das 58. Lebensjahrollendet haben, bleibt unsere klare Orientierung: Wirollen, dass Menschen in Arbeit kommen und die ver-esserten Chancen am Arbeitsmarkt aktiv genutzt wer-en. Die neuen Regelungen bieten hier mehr Sicherheitnd unterstützen die Integration in neue Arbeit.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel von der FDP-raktion.
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14742 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir erleben heute den Abschluss eines auspopulistischen Gründen eingeleiteten „Roll-Beck“. Esgeht darum, die Chancen für ältere Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt zu ver-schlechtern. Das muss so deutlich gesagt werden.
Vor dem Hintergrund der am Sonntag anstehendenLandtagswahlen haben sich Union und SPD Ende letz-ten Jahres in einem populistischen Wettkampf darauf ge-einigt, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das die Chan-cen von älteren Menschen auf dem Arbeitsmarktverschlechtert, die Beitragskassen der Bundesagentur fürArbeit belastet und im Ergebnis nicht einmal etwas be-wirkt, weil die Bezugsdauer im Durchschnitt schonheute nicht erreicht wird.Die Regelungen der sogenannten Agenda 2010 habendazu geführt, dass bei der Arbeitslosenversicherung dasPrinzip der Risikoversicherung wieder in den Mittel-punkt gerückt worden ist. Die Arbeitslosenversicherungist deshalb eine zutiefst solidarische Versicherung, weilalle einzahlen, aber zum Glück nicht alle arbeitslos wer-den. Deswegen muss man das solidarische Ausgleichs-prinzip der Risikoversicherung hochhalten. Es gehtebenso wie bei einer Gebäudeversicherung nicht darum,ob jemand zwei Monate oder 20 Jahre eingezahlt hat.Wenn ein Haus abbrennt, dann wird dem Versicherungs-nehmer der Schaden ersetzt, und wenn es nicht abbrennt,dann hat er Glück gehabt.Die Bundesregierung verkennt mit diesem Gesetz,dass durch die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeits-losengeldes die Beschäftigungssituation Älterer deutlichbesser geworden ist. Während noch 1998 nur 37,7 Pro-zent der über 55-Jährigen in Arbeit waren, waren Endeletzten Jahres 52 Prozent dieser Altersgruppe erwerbstä-tig. Die Beschäftigungschancen für Ältere sind durch dieVerkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldesdeutlich gestiegen. Darin sind sich alle Forschungsinsti-tute einig; erst heute hat das IAB dies festgestellt, ob-wohl es nicht gerade als FDP-nah gilt, weil wir seine Pri-vatisierung fordern.
Das ist logisch; denn das Arbeitslosengeld I bemisstsich nach dem letzten Nettoeinkommen. Je länger manarbeitslos ist, desto weniger groß ist die Chance, nocheinmal das letzte Nettoeinkommen zu erzielen. Es istalso folgerichtig, den Leistungsbezug möglichst bis zumEnde auszuschöpfen. Das führt im Ergebnis dazu, dassman noch weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz hat.Der Weg, den die Bundesregierung gehen müsste, ist,die Chancen auf einen Arbeitsplatz zu erhöhen. Es istdoch keine Frage der sozialen Gerechtigkeit, ob jemanddrei Monate länger Leistungen bezieht. Eine Frage dersozialen Gerechtigkeit ist es, ob jemand die Chance hat,ohne Leistungen vom Staat durch seiner eigenen HändeArbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
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dass Herr Clement ein Energielobbyist sei. Dabei ver-kennt er, dass der Niedersachse Schröder ein Gaslobby-ist ist.
Im Schattenkabinett von Frau Ypsilanti ist ein Solarlob-byist als potenzieller Minister vertreten. Da muss manschon sagen: Sie haben in Ihrem Portfolio für jede ener-giepolitische Frage den geeigneten Lobbyisten. Das kön-nen Sie den Menschen anbieten. Aber das ist nicht dierichtige Art und Weise, Politik zu machen.
Das Wort hat der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieGroße Koalition hat schon mit dem Fünften und demSechsten SGB -III-Änderungsgesetz das arbeitsmarkt-politische Instrumentarium so umgestaltet, dass Men-schen eine bessere Chance haben, in Beschäftigung zukommen, gerade auch ältere Menschen. Es ist uns gelun-gen, das Lissabon-Ziel der Europäischen Union einerBeschäftigungsquote von 50 Prozent für Ältere schonjetzt zu erreichen. Bereits im zweiten Quartal desJahres 2007 lag die Quote bei 52 Prozent. Das ist eingroßer beschäftigungspolitischer Erfolg dieser Bundes-regierung und der Großen Koalition. Das ist die Wahr-heit.
Weil wir diese Beschäftigungserfolge haben, konntenwir genau das machen, was wir gegen den Widerstandder gesamten Opposition durchgesetzt haben. Wir habendie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung erneut ge-senkt, und zwar in dem Wissen, dass wir für Ältere dieLeistungen ausweiten wollen. Also: Leistungsverbesse-rungen bei gleichzeitiger Beitragssatzsenkung aufgrundeiner guten wirtschaftlichen Entwicklung und zusätzli-cher Arbeitsplätze. Das ist das, was wir erreicht habenund was wir machen können. Darum geht es heute indieser Debatte.
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ch will nur einmal an das erinnern, was der Kollegeom DGB in der Anhörung gesagt hat. Stellen Sie sichen 53-jährigen Nokia-Arbeiter in Bochum vor, der jetztrbeitslos wird und nach dieser Regelung drei Monateänger Arbeitslosengeld I beziehen kann. Welche Vor-tellungen haben Sie eigentlich von den Leuten? Glau-en Sie, diese Leute legen sich erst einmal drei Monateuf die faule Haut, und wenn sie dann 54 sind, schauenie sich locker-flockig um, wie es mit Arbeit aussieht?
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Dr. Ralf BrauksiepeDas ist doch irrsinnig. Welches Menschenbild haben die,die so etwas unterstellen, überhaupt?
Sie von den Grünen wissen das ganz genau. Es gibt nureinen einzigen Grund, warum Sie darauf beharren. DieseRegelung hat Ihnen damals Herr Clement aufs Auge ge-drückt, und Sie meinen, Sie dürften jetzt nicht davon ab-weichen und zugeben, dass Sie klüger geworden sind.Deswegen halten Sie an dieser Regelung fest, mit derman das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat. UnsereRegelung bringt mehr soziale Gerechtigkeit, und sie istan den Interessen der Menschen orientiert.
Es ist nicht nur das, was wir machen. Ich verstehe,wenn sich die Menschen fragen, ob ihnen die Verlänge-rung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I umdrei Monate wirklich hilft. Wir verbinden das mit Ein-gliederungsmaßnahmen. Der 53-Jährige, der jetzt beiNokia ausscheiden muss, hat nicht nur drei Monate län-ger Anspruch auf Arbeitslosengeld I, sondern er hat auchAnspruch auf einen Eingliederungsgutschein. Das heißt,ein Arbeitgeber, der diesen Menschen einstellt, kann biszu 50 Prozent Zuschuss bekommen. Das ist es, was wirmit dem längeren Bezug des Arbeitslosengeldes verbin-den. Fördern und Fordern, die Aktivierung steht bei unsim Mittelpunkt. Das ist sozial gerecht, und das ist richtigso. Darum machen wir das.
Wir verstärken die Bemühungen, ältere Menschen inArbeit zu bringen. Da kann ich an das anknüpfen, wasStaatssekretär Franz Thönnes gesagt hat. Wir haben einevernünftige Nachfolgeregelung für die sogenannte58er-Regelung gefunden, die nebenbei dazu führt, dassdie Statistik zu unseren Ungunsten verändert wird. Bis-her war es so, dass jeder mit 58 Jahren erklären konnte,dass er dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung ste-hen will.
Damit kam er aus der Statistik heraus.Auch Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Grü-nen, wissen: Der frühere Minister für Wirtschaft und Ar-beit Clement hat darauf gedrungen, dass dieses Angebotmöglichst vielen Menschen von den Arbeitsagenturenvorgelegt wird. Da haben wir von Ihnen keinen Protestgehört. Jetzt verpflichten wir uns, über 58-Jährigen ver-stärkt Angebote zu machen, um sie wieder in Arbeit zubringen. Dezember 2007: Die Menschen konnten sichvom Arbeitsmarkt verabschieden. Januar 2008: Sie kön-nen es nicht mehr, und sie bekommen gleichzeitig ver-stärkt Angebote für den Wiedereintritt in den Arbeits-markt. Das ist der Unterschied. Was wir machen, istrichtig, und deswegen gehen wir diesen Weg.
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uf 400 Euro zu erhöhen. Wir werden weitere Maßnah-en ergreifen, um Menschen verstärkt in Arbeit zu brin-en. Dies ist erneut ein Maßnahmenpaket. Der Erfolg innserer Politik gibt uns Recht. Die älteren Menschen ha-en in großen Teilen von dem Aufwuchs an Beschäfti-ung profitiert. Eine überdurchschnittlich hohe Anzahllterer Arbeitsloser ist in Beschäftigung gekommen. Un-ere Maßnahmen dienen dazu, dass dies weiterhin derall ist.
Wir beraten dieses Gesetz heute abschließend. Imetzten Jahr hat die erste Lesung stattgefunden. Wir, dieDU/CSU-Fraktion, haben großen Wert darauf gelegt,ass wir die Regelungen zwar rückwirkend zum. Januar in Kraft setzen, dass wir uns aber auch genü-end Zeit für ein geordnetes Beratungsverfahren neh-en.Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatns noch bis Montag gute Vorschläge für Änderungen aniesem Gesetzentwurf gemacht. Wir haben das beratennd aufgegriffen. Stellen Sie sich nur einmal vor, wirätten das im letzten Jahr im Eiltempo durchgezogen!as, was dabei herausgekommen wäre, wäre ja wie beiot-Grün gewesen. Es ist also gut, dass wir uns die Zeitenommen haben, das in einem geordneten Verfahrenusführlich zu beraten. Wir haben ein geordnetes Verfah-en gewählt. Wir haben das Gesetz im parlamentarischenerfahren verbessert. Die Entscheidung ist jetzt reif. Esst ein gutes Gesetz daraus geworden, und ich bitte dafürm Zustimmung.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Oskar Lafontaine von
er Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Ich möchte mich heute für meine Fraktion mit zweihemen beschäftigen: einmal mit dem Thema derwangsverrentung und zum anderen mit dem Thema dererlängerung des Arbeitslosengeldes.Ich komme zunächst zum Thema der Zwangsverren-ung. Wir werden diesen Gesetzentwurf insgesamt ab-
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Oskar Lafontainelehnen, weil wir mit den gegenwärtigen Regelungen derZwangsverrentung nicht einverstanden sind.
Zur Begründung unserer Ablehnung möchten wir hierdie Stellungnahme des IAB vortragen. Diese Äußerungstellt im Grunde genommen eine saubere Begründungauch unseres Gesetzentwurfes dar. Die Wissenschaftlerdes IAB haben in der Sachverständigenanhörung Fol-gendes ausgeführt:Allerdings kommt nach dem Gesetzentwurf derFraktionen der CDU/CSU und SPD eine Zwangs-verrentung weiterhin ab der Vollendung des63. Lebensjahrs in Frage. Daher greift der Entwurfzu kurz. Eine Zwangsverrentung vor dem Eintritts-alter für die abschlagsfreie Altersrente sollte viel-mehr generell vermieden werden, wie es bspw. imEntwurf des Rentenabschlagsverhinderungsgeset-zes der Fraktion der Linken auch vorgesehen ist.
Etwas später kommt die für uns entscheidende Aussage:Die Begrenzung des Schutzes vor Zwangsverren-tung auf die Zeitspanne bis zur Vollendung des63. Lebensjahres trägt auch dem Ziel einer Verrin-gerung des Risikos der Altersarmut nur unzurei-chend Rechnung.Wir haben immer wieder dargestellt, dass die ganze Ren-tenpolitik der letzten Jahre Altersarmut programmiert.Auch die jetzige Regelung ist – nach der Stellungnahmeder Wissenschaftler des IAB – ein Schritt hin zu mehrAltersarmut. Man kann das nicht leugnen. Das lässt sichauch aus den Zahlen eindeutig ableiten.Ich zitiere weiter aus dieser Stellungnahme:Für die große Mehrheit der von Rentenabschlägenpotentiell Betroffenen ergeben sich jedoch keinerleiVerbesserungen gegenüber einer uneingeschränktenZwangsverrentung, da für die meisten Hilfebedürf-tigen in längerer Perspektive nur die vorgezogeneAltersrente für langjährig Versicherte in Fragekommt, die ohnehin erst ab dem vollendeten63. Lebensjahr bezogen werden kann. DieseGruppe muss demnach Rentenabschläge von zu-nächst maximal 7,2 % und nach der Anhebung derabschlagsfreien Regelaltersgrenze auf 67 Jahre Ab-schläge von bis zu 14,4 % hinnehmen.Das ist das Entscheidende. Angesichts dessen, dass inder Rentenformel ohnehin Armutsrenten programmiertsind – Sie wissen das –, sind solche Abschläge unter garkeinem Gesichtspunkt zu verantworten.
Rechnen Sie 7,2 Prozent oder 14,2 Prozent bezogenauf 600 Euro, 400 Euro oder meinetwegen auch 700 Euro,und dann wissen Sie, worüber wir hier reden.
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ass die älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerehr viel länger einen Anspruch auf Arbeitslosengeldatten. Ich wollte das nur noch einmal feststellen.
Die entscheidende Frage – das wird bei dieser Dis-ussion ja wieder ganz deutlich – ist, durch welcherille man das Thema Arbeitslosengeld betrachtet.Wenn man es aus der Sicht der Unternehmen betrach-et, dann kommt man zu all den Schlussfolgerungen, dieie hier vorgetragen haben. Diese sind dann im Grundeenommen auch nachvollziehbar. Für die Unternehmenäuft all das, was mit Arbeitslosengeld usw. verbundenst, unter der Rubrik Lohnnebenkosten; es handelt sichlso um Kosten.
enn man die Kostenbrille aufhat, dann kommt man zuiesen Schlussfolgerungen.Wenn man aber einmal die Frage stellt, was eigentlicher Sinn der Arbeitslosenversicherung ist, und zu demrgebnis kommt, dass der Sinn der Arbeitslosenversi-herung ist, das Leben derjenigen, die arbeitslos werden,u erleichtern und zu verbessern, dann kommt man zuanz anderen Schlussfolgerungen als zu denjenigen, dieie hier immer wieder vortragen.
ann kann man zum Beispiel zynisch sagen – das klingta hier durch, insbesondere natürlich bei der FDP; abera wundert es uns auch nicht mehr –: Verkürzt doch für
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Oskar Lafontainedie älteren Arbeitslosen möglichst die Bezugsdauer desArbeitslosengeldes. Dann werden sie aktiver und werdensich um einen Arbeitsplatz bemühen. Auf diese Weisesenken wir die Arbeitslosigkeit. – Sie mögen das so se-hen. Für uns ist das blanker Zynismus.
Im Übrigen will ich zur Statistik aus Zeitgründennicht viel sagen. Wenn Sie das näher betrachten, dannsehen Sie auch, dass die Interpretationen nicht stimmen.Ich verweise auf Ausführungen eines Mitglieds desSachverständigenrats. Aus Zeitgründen kann ich das hiernicht vorstellen.Wir sagen nun einmal in aller Klarheit: Die Arbeits-losenkasse enthält das Geld der Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer – das ist der entscheidende Ansatzpunkt –und nicht das Geld der Unternehmen. Das ist der Unter-schied. Darüber muss man sich Klarheit verschaffen.
Nun haben Sie entschieden. Sie haben entschieden, indiesem Jahr in die Kasse der Arbeitslosen zu greifen und25 Milliarden Euro herauszunehmen, und kommen da-durch zu einem viel geringeren Arbeitslosengeld. Wäh-rend nun um die Aufwendungen für die Verlängerungder Bezugsdauer ein riesiges Theater gemacht und dieFrage gestellt worden ist, ob das überhaupt zu finanzie-ren wäre – in Ihrem Gesetzentwurf steht: Mehraufwen-dungen in 2008 755 Millionen Euro, in 2009 1,1 Mil-liarden Euro und dann wieder 800 Millionen Euro usw.;manche hielten das ja für unverantwortlich und wolltenin keinem Fall mehr bezahlen –, haben Sie nicht die ge-ringsten Skrupel, 25 Milliarden Euro aus der Kasse zunehmen und die Hälfte davon, also 12,5 Milliarden Euro,den Unternehmen zu geben. Es ist einfach unglaublich,was Sie für eine Philosophie an den Tag legen.
Deswegen habe ich Ihnen immer wieder gesagt, dieFreiburger Schule – ich führe hier nur eine renommierteÖkonomenschule aus Deutschland an – bietet Ihnen eineAuflösung für die Summe Ihrer Fehlschlüsse an. DiesesGeld ist nicht Geld der Arbeitgeber. Es geht nur umLohn. Nur dann, wenn man endlich begreift, dass diepermanente Forderung nach Senkung der Lohnneben-kosten schlicht und einfach eine Forderung nach Sen-kung der Löhne ist, hat man wirklich einen Zugang zudem, worum es hier eigentlich geht.
– Ich weiß, Ihr Denken ist da seit vielen Jahren völligfehlgeleitet. Aber schauen Sie es sich noch einmal an.
– Die Ökonomen der Freiburger Schule, Herr Niebel, ha-ben etwas mehr drauf als Sie. Das möchte ich einmalganz leise anmerken.f2nh1dlGgZgieEiwdJipwklsBdKlgbd–LdEtauwmavm
isher haben Sie keine einzige vernünftige Begründungafür vorgetragen, warum es zu Zeiten der Regierungohl möglich war, viel länger Arbeitslosengeld zu zah-en, und es jetzt angesichts der Summen, die ich Ihnenenannt habe, nicht möglich sein soll, ähnlich lange Ar-eitslosengeld zu zahlen. Wenn Sie natürlich die Brilleer Unternehmen auf haben – –
Bei Ihnen verwundert das nicht, Herr Niebel.
etztendlich ist die FDP doch eine Vertretungsgruppeer größeren Unternehmen.
s ist ja in Ordnung, wenn Sie deren Interessen hier ver-reten. Die große Mehrheit der Bevölkerung besteht aberus Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, und es gehtm deren Geld, über das hier so nonchalant entschiedenorden ist. Dabei ist folgendes Ergebnis herausgekom-en: Brosamen für die Arbeitnehmer, und der Löwen-nteil fließt an die Unternehmen. Das ist Umverteilungon unten nach oben. Deshalb ist das kein Gesetz, dasan loben kann. Im Grunde genommen handelt es sich
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Oskar Lafontainenämlich um ein Umverteilungsgesetz; um nichts ande-res!
Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition,eine geordnete Gesetzgebung sieht anders aus. Erst leug-neten Sie das Problem der drohenden Zwangsverrentungfür über 60-jährige Langzeitarbeitslose,
auf das wir Sie mit unserem Antrag vom Mai 2007 ersteinmal hinweisen mussten. So sprach zum Beispiel derKollege Brauksiepe von einem Phantomproblem. DasCredo der CDU lautete nämlich, das betreffe ohnehinniemanden; die Opposition betreibe Panikmache.
Nun sehen Sie das Problem offensichtlich doch, abererst seitdem Sie durch die vereinigte Opposition Nach-hilfeunterricht erhalten haben und Verdi und die Sozial-verbände eine Klage angedroht haben. Trotzdem sindSie noch immer auf einem Auge blind: Zwar geben Siejetzt zu, dass das Problem, das vorher angeblich keineswar, immerhin 25 000 Personen betrifft; aber eine ange-messene Regelung, nach der kein Langzeitarbeitsloser,der arbeiten will und arbeiten kann, gegen seinen Willeneine lebenslange Rentenkürzung hinnehmen muss, legenSie nicht vor.
Sie bleiben auf halbem Wege stehen. Nach IhremVorschlag werden Arbeitslose jetzt zwar erst ab dem63. Lebensjahr zwangsweise in Rente geschickt, das be-deutet aber immerhin noch eine Rentenkürzung von7,2 Prozent bzw. von 14,4 Prozent für die späteren Jahr-gänge, die bis 67 arbeiten müssten. Sie schaffen damitquasi eine Zwangsverrentung light. Damit erhöhen Siedie Altersarmut weiter.
Das sagen nicht nur wir Grüne, sondern auch das Institutfür Arbeitsmarkt- und Berufsforschung warnt vor denRisiken der Sozialbedürftigkeit im Ruhestand.Herr Brauksiepe, an dieser Stelle möchte ich das im-mer wieder von Ihnen vorgebrachte Argument klarstel-len, die Grünen hätten die 58er-Regelung mitbeschlos-sen. Ich frage Sie: Sehen Sie wirklich keinenUeAdhaneetuuwtBAsabbDdtGPduEavDca–snDdl
Wenn Sie schließlich sagen, die Langzeitarbeitslosenätten bei Rentenbezug meist mehr Geld in der Taschels bei ALG-II-Bezug, dann werfen Sie außerdem auchoch mit Nebelkerzen; denn jemand, der 15 Jahre langine Rente von 1 000 Euro bekäme, müsste in dieser Zeitine Rentenkürzung von insgesamt 13 000 Euro verkraf-en. „Ist das nichts?“, frage ich Sie. Nein, meine Damennd Herren, wir Grüne bleiben dabei: Wer arbeiten willnd kann, darf nicht zwangsweise in Rente geschickterden.
Gerade vor dem Hintergrund der Erhöhung des Ren-enalters leisten Sie sich hier eine arbeitsmarktpolitischeankrotterklärung. Aktivierung und Integration in denrbeitsmarkt wären das Gebot der Stunde. Stattdessenetzen Sie weiterhin auf Zwangsverrentung, wenn auchls Lightprodukt. Selbst hierfür haben Sie über ein hal-es Jahr benötigt, während Sie die Erhöhung der Diäteninnen kürzester Zeit über die Bühne gebracht haben.
as hat die politische Öffentlichkeit sehr wohl verstan-en. Auf ein Gesetz, das am 1. Januar 2008 in Kraft tre-en sollte, konnten Sie sich nicht einigen. Jetzt soll dasesetz rückwirkend gelten.Ich kann Ihnen hier nicht ersparen, auf eine weitereeinlichkeit hinzuweisen: Sachverständige mussten iner Anhörung vor vier Tagen das Ministerium auf dienbedachten Folgen Ihrer Flickschusterei hinweisen.rst vor zwei Tagen haben Sie einen Änderungsantraguf den Weg gebracht, um bereits eingeleitete Renten-erfahren stoppen zu können.
as wäre sonst gar nicht möglich gewesen. Die erhebli-he Verunsicherung bei denjenigen, die Ihre Untätigkeitusbaden müssen, ist hingegen nicht korrigierbar.
Warum schreien Sie jetzt so?Ich verstehe ja, dass Teilen der Koalition und insbe-ondere der SPD das Thema Zwangsverrentung unange-ehm geworden ist.
eshalb haben Sie Ihren Murks hinter der Verlängerunges Bezugs des Arbeitslosengeldes I versteckt. Hier wol-en Sie sich als Wohltäter zugunsten der älteren Arbeits-
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Irmingard Schewe-Gerigklosen darstellen. Meine Kollegin Pothmer wird dazunoch das Entsprechende sagen.
Ich komme zum Schluss. Auch wenn ich anerkenne,dass durch das Gesetz eine Verbesserung der bestehen-den Situation erfolgt, bleibt Folgendes festzuhalten.Erstens. Auch die Zwangsverrentung light erhöht dasRisiko der Altersarmut; denn gerade Langzeitarbeitslosehaben häufig Rentenansprüche, die knapp über demGrundsicherungsniveau liegen, und benötigen jetzt auf-grund der Rentenkürzung doch wieder Fürsorgeleistun-gen, und zwar lebenslang.Zweitens. Durch das Gesetz entsteht ein Verschiebe-bahnhof der Kosten von der Rentenversicherung zu denKommunen, weil ja doch wieder Sozialleistungen ge-zahlt werden müssen.Drittens. Es ist unglaubwürdig, das Rentenalter anzu-heben und gleichzeitig Langzeitarbeitslose frühzeitig inRente zu schicken.
Kurz gesagt: Das Gesetz zur Zwangsverrentung lightverstärkt die Altersarmut, verschiebt Kosten auf dieKommunen und diskreditiert das Projekt „Rente mit 67“.Darum lehnen wir Ihre Vorschläge ab und werden demRentenabschlagsverhinderungsgesetz zustimmen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Andrea Nahles von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
gibt zwei gute Nachrichten. Die möchte ich auch für die
Menschen, die jetzt zuhören, nennen, weil es hier so
viele Mäkeleien zu hören gab.
Die erste gute Nachricht ist, dass wir den Bezug des
Arbeitslosengeldes I für Ältere verlängern, und zwar in
Schritten.
Dies geschieht nicht zulasten einer anderen Gruppe oder
einer anderen Generation.
Die zweite gute Nachricht ist, dass wir niemanden ge-
gen seinen Willen vor dem 63. Lebensjahr in Rente schi-
cken.
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as gilt nicht ab heute, sondern schon rückwirkend ab
em 1. Januar 2008. Wenn nun Sie, Frau Schewe-Ge-
igk, hier Behauptungen aufstellen,
ann bitte ich Sie, diese zu belegen. Wir haben nämlich
ie ganz klare Aussage bekommen, dass in den letzten
ochen niemand unter 63 Jahren von den Arbeitsagen-
uren gezwungen wurde, in Rente zu gehen. Dem ein-
igen Fall, der uns aus einer Optionskommune vorgetra-
en wurde, wurde nachgegangen. Der Fall wurde
eregelt.
Das heißt aus meiner Sicht, dass Sie hier versuchen,
ewusst die Menschen zu verunsichern.
as gilt im Übrigen auch für die Linkspartei. Herr
chneider hat praktisch im Stundentakt Presseerklärun-
en herausgegeben, in denen stand, dass Tausende ge-
wungen sein werden, zum frühestmöglichen Zeitpunkt
n die Rente zu gehen. Das ist Panikmache ohne Ende.
ie waren doch regelrecht enttäuscht, dass das ausge-
lieben ist, Herr Schneider.
ch muss Ihnen sagen, dass diese Art der Verunsicherung
er Menschen absolut nicht in Ordnung ist.
Herr Schneider, Sie haben gleich die Gelegenheit, hier
hre Argumente vorzutragen. Sie stehen doch auf der
ednerliste.
Frau Kollegin, er steht nicht auf der Rednerliste.
r möchte gerne eine Zwischenfrage stellen. Die Frage
st, ob Sie das genehmigen.
Natürlich. Ich dachte, er steht auf der Rednerliste; das
ut mir leid.
Bitte schön.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14749
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Frau Nahles, das ist kein Problem. Da Sie meine Zwi-
schenfrage erlaubt haben, brauchen wir uns an dieser
Stelle nicht mehr zu streiten.
Sie haben gesagt, ich würde im Stundentakt Presse-
erklärungen herausgeben, in denen von Tausenden sol-
cher Fälle die Rede sei. Ich möchte Sie an die letzte Sit-
zung des Ausschusses für Arbeit und Soziales erinnern,
in der ich nachgefragt habe, wie viele Personen genau in
den nächsten beiden Jahren davon betroffen sein werden.
Ich habe da folgende Auskunft erhalten: Im Jahre 2008
ist mit 25 000 entsprechender Fälle zu rechnen, im
Jahre 2009 mit 30 000.
Stimmen Sie mir zu, dass es durchaus berechtigt ist,
25 000 Fälle bzw. 30 000 Fälle als Tausende dieser Fälle
zu bezeichnen – es handelt sich nämlich um 25 mal
1 000 bzw. um 30 mal 1 000 Fälle –, und dass dieser
Sachverhalt in meinen Presseerklärungen demzufolge
absolut korrekt wiedergegeben wurde?
Herr Schneider, das, was Sie jetzt machen, ist einTrick.
Ich wiederhole: Sie haben in Ihren Presseerklärungenvon Tausenden solcher Fälle gesprochen. Übrigens: Na-türlich verstehe ich Ihre Rechnung. Ich war auf derGrundschule in Weiler, und auch auf dieser Zwergschulehat man das Rechnen gelernt; gar keine Frage.
Sie wissen ganz genau, dass wir für diese Tausende vonFällen eine Lösung erarbeitet haben. Sie hingegen habenversucht, Panik zu verbreiten
und den Leuten einzureden, dass es keine Lösung diesesProblems gibt. Ich sage Ihnen, Herr Schneider: Es gibtsehr wohl eine Lösung, und zwar zum 1. Januar 2008.
Demzufolge kann man ganz simpel festhalten: Das, wasSie in Ihren Presseerklärungen geschrieben haben, hatsich für die Betroffenen ganz einfach erledigt.
Da in diesem Zusammenhang vor der Wiederkehr derlten Frühverrentungspraxis gewarnt wurde – das tut dieDP ja seit geraumer Zeit –,
öchte ich diesbezüglich klarstellen, dass die Verlänge-ung der ALG-I-Regelung, die wir vorschlagen, mit denrühverrentungsprogrammen, die in der Regierungszeiton Kohl und Blüm aufgelegt wurden, nicht zu verglei-hen ist. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra-en – das sieht mittlerweile übrigens auch die Union so –ollen keinesfalls zu dieser Form der massenhaftenrühverrentung zurückkehren; denn das ist der völligalsche Weg.
Wir haben außerdem das Renteneintrittsalter für alleinheitlich angehoben. Die von uns vorgeschlagenereimonatsregelung wird so keine neue Welle der Früh-errentung zur Folge haben; das ist auch gut so. Die Ar-eitslosigkeit der Älteren ist trotzdem nicht in dem Um-ang gesunken, wie wir es uns gewünscht haben.
Wir haben die Erwerbstätigenquote der Älteren erhö-en können; das hat mein Kollege Brauksiepe eben zuecht erwähnt. Sie liegt mittlerweile über dem europäi-chen Durchschnitt. Nichtsdestotrotz – das ist bedrü-kend – ist die Arbeitslosenquote der Älteren immeroch überproportional hoch; sie beträgt 26 Prozent.enn man die Arbeitslosenquote der Älteren mit derurchschnittlichen Arbeitslosenquote vergleicht, mussan leider feststellen, dass wir es trotz vieler Bemühun-en – als ein Beispiel nenne ich die Initiative „50 plus“ –icht geschafft haben, die überproportional hohe Ar-eitslosenquote unter Älteren in dem Maße zu reduzie-en, in dem dies notwendig ist.
Deswegen ist es in dieser Situation gerechtfertigt,ass wir entsprechend auf die Realitäten reagieren.
owohl beim Arbeitslosengeld als auch beim Themawangsverrentung, wie Sie es nennen – es gibt im Übri-en gar keine Zwangsverrentung; hier ist nämlich ein Er-essensspielraum gegeben, Frau Schewe-Gerigk –,
üssen wir die Realitäten ehrlich anerkennen und fest-tellen: Hier ist noch viel zu tun.
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14750 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Andrea NahlesWir haben viele gute Programme aufgelegt. Ich willIhnen einige Beispiele nennen. Wir haben dasWeGebAU-Programm aufgelegt.
Dabei handelt es sich um ein eineinhalbjähriges Weiter-bildungsprogramm, in dessen Rahmen hier in Berlin äl-tere Mechatroniker ausgebildet werden. In der Zeit, inder sie in einem Betrieb arbeiten, bezahlt die BA ihreQualifizierung.In Mönchengladbach wurde ein Programm aufgelegt,in dessen Rahmen ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer im Bereich der Pflege bzw. der Altenbetreuungweitergebildet werden. Ziel dieser Weiterbildung istnicht in erster Linie der spätere Einsatz im harten Pflege-alltag, sondern vielmehr die Begleitung älterer Men-schen.In Berlin-Mitte werden ältere Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer im Einzelhandel mit einem speziellen Pro-gramm qualifiziert. Das alles sind Möglichkeiten zurQualifizierung, voll bezahlt im Job.Jetzt kommt die schlechte Nachricht: Der Mentalitäts-wechsel in den Unternehmen ist noch nicht so weit ge-diehen, dass dieses Programm, das wirklich eine volleFinanzierung vorsieht – diese beschwören wir in Sonn-tagsreden ja immer –, angenommen wird. Die Fallzahlenbei WeGebAU sind im Verhältnis zu dem Bedarf anQualifizierung, den wir bei Älteren in diesem Land ha-ben, nicht in Ordnung. Ich appelliere dringend, nicht nurden Blick auf die arbeitslosen Älteren zu richten. Auchdie Unternehmen müssen Bereitschaft an den Tag legen,ihnen eine Chance geben, natürlich mit unserer Hilfe.Das ist, wie gesagt, möglich, wird aber – das ist mehr alsbedauerlich – nicht ausreichend angenommen.
Wir dürfen vor diesem Hintergrund also in unserenBemühungen nicht nachlassen. Wir müssen weiterhinfür Gesundheitsprävention in den Betrieben werben. Wirmüssen altersgerechte Formen der Arbeit fördern. AuchSchichtarbeit kann man altersgerecht gestalten, zum Bei-spiel durch ein Fünf-Schichten-System. Arbeitsplätze inder Produktion kann man ergonomisch anpassen. MitTeilrentenkonzeptionen kann man versuchen, Flexibilitätund echte Altersteilzeit zu ermöglichen und nicht nur Al-tersteilzeit nach dem Blockmodell. Es gibt also eineFülle von Möglichkeiten. Diese müssen wir nutzen.Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wirheute noch nicht da sind, wo wir sein wollen. Deswegenmüssen wir den älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern entgegenkommen und ihnen helfen. Wir müs-sen aber auch alle Beteiligten bitten, weitere Anstren-gungen zu unternehmen. Ich jedenfalls bin mit derSituation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerin diesem Land noch nicht zufrieden. Lassen Sie unsdmFmtnsSMsdlWDnhHdgzdwkrTfseaeshsDmmpFs
Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichöchte zunächst auf die Ausführungen des Staatssekre-ärs Thönnes eingehen, der hier für die Bundesregierungoch einmal nicht ohne Stolz die Zahlen des Auf-chwungs referiert hat.
icherlich, Herr Thönnes, gibt es eine große Zahl vonenschen in unserem Lande, die arbeitslos gewesenind und jetzt einen Arbeitsplatz haben. Ich hoffe sehr,ass das so bleibt. Der Aufschwung nämlich, den wir er-eben durften, hat erkennbar an Kraft verloren. Dunkleolken ziehen am konjunkturellen Horizont auf.
ie Frage ist, ob sich die Regierung weiter in einer schö-en, lyrischen Beschreibung der Erfolge der Vergangen-eit ergehen kann oder ob sie sich nicht vielmehr denerausforderungen der Zukunft stellen muss. Ich habeie Befürchtung, dass Sie dabei versagen.
Die Gesetze, die Sie heute vorlegen, passen nämlichenauso wie andere Gesetze, die noch im Verfahren sind,um Teil nicht mehr in die Zeit. Sie sind geprägt vonem Geist, dass Geld da sei und man nur schauen müsse,as man mit diesem Geld macht. Gerade in Zeiten eineronjunkturpolitischen Verdunkelung muss man die Prio-itäten neu justieren. Da müssen Sie sich fragen, Herrhönnes, ob es richtig ist, die Tarifautonomie abzuschaf-en. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sprach in die-em Zusammenhang heute sogar völlig zu Recht ininem Kommentar von einem „Putsch gegen die Tarif-utonomie“. Dass Sie in diesem Jahr die Pflegebeiträgerhöhen werden, ist schon beschlossen. Dass Sie in ab-ehbarer Zeit auch die Krankenversicherungsbeiträge er-öhen werden, ist zwar noch nicht beschlossen, aber soicher wie das Amen in der Kirche.
och das ist eine Politik, die prozyklisch wirken und so-it den Konjunkturabschwung verstärken wird. Deshalbüssen Sie Ihre Prioritäten neu justieren.
Ich komme – das ist einer unserer zentralen Kritik-unkte an dem Gesetzentwurf, der heute vorliegt – zurrage der Zwangsverrentung. Frau Nahles, Sie haben ge-agt: Niemand wird gegen seinen Willen vor dem
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Dr. Heinrich L. Kolb63. Lebensjahr in Rente geschickt. – Aber danach, FrauNahles, passiert genau dieses. Das Problem ist, dass dasRisiko, von dieser Regelung betroffen zu werden, ebennicht gleich verteilt ist. Wenn man sich das genauer an-schaut, sieht man, dass bestimmte Gruppen besondersbetroffen sind. Was Sie heute vorlegen, ist, ich will dasso nennen, eine Diskriminierung langjährig Versicherter.
Das Privileg, nach langer Versicherungszeit vorzeitig inRente gehen zu können, wendet sich jetzt nämlich gegendie Begünstigten. Die gewerblichen Arbeitnehmer, derSchlosser und der Maurer, die Ihnen in Ihren Redensonst so wichtig sind, Herr Scharf, also Personen mitvergleichsweise niedrigen Renten, werden von Ihnen mitAbschlägen in die Rente geschickt.
Akademiker, die erst im Alter von 29 oder 30 Jahren vonder Hochschule kommen,
ein hohes Einkommen haben und hohe Rentenansprücheerwerben, dürfen mit Ihrer Billigung ohne Abschläge ih-rem Ruhestand entgegensehen. Ich frage Sie: Ist das ge-recht? Wollen Sie das wirklich? Wenn Sie das nicht wol-len, dann dürfen Sie dieses Gesetz heute so nichtbeschließen.
Das ist ein Aspekt. Ein weiterer Aspekt ist, dass dieFrühverrenteten auf Dauer aus dem Erwerbsleben he-rausgedrängt werden. Es gibt kein Zurück, raus ist raus.
– Natürlich, Frau Nahles. Wer das Pech hat, zu Beginneiner Rezession seinen Arbeitsplatz zu verlieren, unddann aufgrund der schlechten Konjunktur kein Angebotbekommt, muss der Zwangsverrentung entgegensehen.Er kann wegen der niedrigen Zuverdienstgrenzen dannauch in konjunkturell besseren Zeiten nicht mehr zurück.Jemand, der erst am Ende eines Abschwungs arbeitsloswird und dann im Aufschwung von neuen Arbeitsplatz-angeboten profitieren kann, würde dagegen von einemsolchen Schicksal nicht ereilt. Auch das ist ungerecht;das müssen Sie doch zugeben. Das kann man so nicht inein Gesetz hineinschreiben. Allein schon deswegen istdieses Gesetz heute abzulehnen.
Wir von der FDP-Bundestagsfraktion sind gegen eineZwangsverrentung. Wenn das Kernziel ist, wie der HerrStaatssekretär zu Beginn seiner Rede gesagt hat, ältereMenschen so lange wie möglich im Erwerbsleben zuhalten, dann muss man festhalten, dass diese Zwangsver-rentungsregeln zur Erreichung dieses Ziels ausgespro-chen kontraproduktiv sind.ViSaksrtunZtnzrAwfrP–rÜzEdrsDUdnwfsdC
Die Anhebung der Zuverdienstgrenze ist nichts ande-es als ein Reförmchen. Sie ist ebenso mutlos wie dieolitik der Großen Koalition insgesamt.Ich sage Ihnen noch einmal: Der richtige Weg wäredarin hat Herr Adamy die FDP-Fraktion bei der Anhö-ung auch ausdrücklich bestärkt und bestätigt –, denbergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibelu gestalten.
s gilt, für über 60-Jährige flexibel einen Übergang aufer Basis dessen, was diese in ihrem Erwerbsleben be-eits geleistet haben, zu suchen, und zwar unter Wegfallämtlicher Zuverdienstgrenzen.
ann kann jeder selbst entscheiden, ob und in welchemmfang er weiterhin erwerbstätig bleiben will. Das wäreer richtige Weg.Das aber, was Sie heute hier vorlegen, ist aus den ge-annten Gründen kontraproduktiv und abzulehnen. Dasird auch in der jetzigen konjunkturellen Situation dazuühren, dass sich die Probleme der Älteren eher ver-chärfen, als dass sie geringer werden. Deshalb ist daser falsche Weg. Wir lehnen das ab.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Paul Lehrieder von derDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! In den letzten Monaten hat sich der
Arbeitsmarkt in Deutschland erfreulich positiv entwi-
ckelt. Ganz besonders erfreulich war, dass gerade auch
ältere Arbeitslose von dieser Entwicklung profitiert ha-
ben.
So ist die Erwerbstätigenquote der älteren Arbeitnehmer
von 37,7 Prozent im Jahr 1998 Ende 2007 auf nunmehr
52 Prozent gestiegen.
Der Kollege Oskar Lafontaine hat hier aus der Stel-
lungnahme des IAB, des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung, zur Anhörung vom letzten Montag zi-
tiert. Herr Lafontaine, auch ich war bei dieser Anhörung.
Auch ich habe nachgefragt, wie sich die Beschäftigungs-
situation unserer älteren Mitbürger verändert hat. Herr
Präsident, mit Ihrem geschätzten Einverständnis darf ich
aus der Antwort des Herrn Walwei vom genannten Insti-
tut zitieren:
Wenn wir auf die Beschäftigungssituation Älterer
schauen, dann müssen wir sagen, sie sind nach wie
vor noch eine Problemgruppe des Arbeitsmarktes.
Wir haben – wenn man so will – eine unterpropor-
tionale Beschäftigungsquote und eine überpropor-
tionale Arbeitslosenquote. Die Situation hat sich
verbessert, das hat Herr Wuttke eben auch aus-
geführt. Es gibt noch gar keine Veranlassung zur
Euphorie. Wir haben aber – und das ist wichtig –
bei den Älteren einen leicht positiven Trend, der
geht schon über etwas längere Zeit. Der ist zuletzt
einmal sicherlich durch die Konjunktur verstärkt
worden, es sind aber auch erste Effekte der Arbeits-
marktreform.
Lieber Herr Lafontaine, wenn Sie zitieren, dann soll-
ten Sie auch sagen, dass uns das IAB recht gegeben hat.
Herr Kollege Lehrieder, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Spieth von den Linken?
Ja, bitte.
Bitte schön, Herr Spieth.
Herr Kollege Lehrieder, ich habe eine Frage.
In den Anhörungen sind auch die Statistiken und die
Erfolgsbilanz bei den Arbeitslosen – insbesondere bei
den älteren Arbeitslosen – diskutiert worden. Es wurde
auch darüber diskutiert, dass beispielsweise noch im Ok-
tober letzten Jahres 570 000 ältere Arbeitslose aufgrund
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Gegenwärtig wird mit diesem Gesetzentwurf ja er-
eut der Versuch gemacht, statistische Tricks vorzuneh-
en, um die Öffentlichkeit zu täuschen.
Herr Kollege Spieth, Sie sollen eine Frage stellen.
Ich stelle die Frage jetzt. Manchmal muss man vorher
twas erläutern, damit die Frage auch beantwortet wer-
en kann.
Selbst die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeit-
eberverbände sagt, dass dies ein Statistiktrick ist, durch
en die Problematik am Arbeitsmarkt im Grunde ge-
ommen verschleiert wird. Sehen Sie das auch so?
Lieber Kollege, zunächst einmal: Vielleicht solltenie sich darauf beschränken, eine Frage zu stellen. – Daie jetzt hier Statistiktricks erwähnen, erwidere ich mitinem guten Zitat: Ich glaube keiner Statistik, die ichicht selber gefälscht habe.Ihnen ist bekannt, dass bei diesen Expertenanhörun-en – zum Beispiel des Gesundheitsausschusses; dasurde von meinem Kollegen Brauksiepe vorhin bereitsusgeführt – jeder natürlich solche Zahlen heraussuchtnd interpretiert, die für seine Argumentation passen.
urch die Änderungen des Gesetzes, das den Bezug desLG I regelt, wollen wir hinsichtlich der 58er-Regelungine Verbesserung erreichen, um genau die von Ihnennterstellte Statistikfälschung nicht mehr entstehen zuassen.Herr Staatssekretär Thönnes hat im Eingangsreferatusgeführt, dass die Wertschätzung von älteren Arbeit-ehmern erkannt werden soll. Ich glaube, hier sind wiruf einem wichtigen und guten Weg, den Wert eines älte-en Arbeitsnehmers für einen Betrieb bzw. für ein Unter-ehmen anders als vielleicht noch vor etlichen Jahren zuewerten. Ein 50- bzw. 55-Jähriger gehört bei uns längsticht mehr zum alten Eisen. Genau dies spiegelt sichurch die verstärkten Vermittlungsbemühungen geradeür Ältere auch in dem Gesetzentwurf wider.Frau Nahles hat auf das Projekt WeGebAU hingewie-en. Genau das ist korrekt. Wir bemühen uns um die Äl-eren. Wir wollen die Älteren im Arbeitsmarkt haltennd ihnen einen Lebensinhalt geben, sofern noch einerbeitsmöglichkeit besteht.
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Paul LehriederMeine Damen und Herren, der Anstieg der Beschäfti-gungsquote Älterer ist auch eine Folge der guten Kon-junktur der vergangenen Jahre, vor allem aber auch dasResultat struktureller Verbesserungen, die wir als GroßeKoalition auf dem Arbeitsmarkt erreichen konnten, unddamit das Ergebnis einer Politik des Förderns und For-derns, die weniger auf Frühverrentung setzt. Vielmehrwollen wir gerade diejenigen unterstützen, die sonstkaum Aussichten auf einen Arbeitsplatz haben.Bei den guten Zahlen hinsichtlich der Vermittlung äl-terer Arbeitsloser sollten wir nicht vergessen, dass beider beruflichen Eingliederung Älterer in vielen Bran-chen weiterhin Probleme bestehen. Deshalb werden wirjetzt tätig und bringen das Siebte Gesetz zur Änderungdes Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Ge-setze auf den Weg, mit dem wir die soziale Absicherungälterer Arbeitnehmer und ihre Integration in den Arbeits-markt weiter verbessern wollen.Gerade auf das Erfahrungspotenzial von Arbeitneh-mern, die die 50 überschritten haben, können wir künftigallein schon aus demografischen Gründen immer weni-ger verzichten. Die demografische Entwicklung und derzunehmende Fachkräftebedarf sind nun einmal Tatsachen,an denen wir nicht vorbeikommen. Auf längere Sichtliegt deshalb in dieser Gruppe eine unserer wichtigstenArbeitskraftreserven in der Bevölkerung.Deshalb verlängern wir die Dauer des Anspruchs aufArbeitslosengeld I in drei Stufen. Dabei werden die Vor-versicherungszeiten in den letzten fünf Jahren und dasLebensalter berücksichtigt. Künftig erhalten 50-Jährigebis zu 15 Monate, 55-Jährige bis zu 18 Monate und 58-Jährige bis zu 24 Monate Arbeitslosengeld I.
Die Verlängerung gilt für alle, die nach Inkrafttretendes Gesetzes arbeitslos werden und Anspruch auf Ar-beitslosengeld haben. Sie gilt auch für diejenigen, diebereits arbeitslos sind und nach Inkrafttreten des Geset-zes ebenfalls Anspruch auf Arbeitslosengeld haben.Die Verlängerung der ALG-I-Bezugsdauer ist keinAlmosen. Es geht um unsere soziale Verantwortung de-nen gegenüber, die viele Jahre Beiträge in die Arbeits-losenversicherung eingezahlt haben.
Es ist wichtig, die Verlängerung der Bezugsdauer vonALG I nicht isoliert zu betrachten. Deshalb verbessernwir zweitens die Wiedereingliederung mit Einglie-derungsgutscheinen und Eingliederungszuschüssen.Der Eingliederungsgutschein ist an ein konkretes Ar-beitsangebot gekoppelt mit dem Auftrag, sich selbst umdie Einlösung des Gutscheins zu bemühen. Er bietet denBetroffen die Möglichkeit, mit diesem Instrument aus ei-gener Initiative auf mögliche Arbeitgeber zuzugehenund so eine Förderleistung mitzuerbringen.Zum Dritten beinhaltet der Gesetzentwurf eine Nach-folgeregelung der sogenannten 58er-Regelung. Die 58er-Regelung stand in vielen Bereichen der Beschäftigungälterer Mitarbeiter entgegen. Der neue § 3 Abs. 2 aSdbsGdubmwd5aJläAsjnDfbzrgrd–zdfmirvslknRremresbÄTs
Ich komme auf den Begriff „Zwangsverrentung“ nochurück. Ich kenne doch längst Ihre Lieblingsausdrücke.So wird eine frühzeitige Zwangsverrentung vermie-en. Dies ist notwendig, wenn tatsächlich das Ziel ver-olgt wird, erwerbsfähige Hilfsbedürftige im Alter vonindestens 58 Jahren verstärkt in den Arbeitsmarkt zuntegrieren. Bestünde die Möglichkeit einer Zwangsver-entung erwerbsfähiger Hilfsbedürftiger bereits im Alteron weniger als 63 Jahren, hätten die Träger der Grund-icherung auch einen geringeren Anreiz, ihre Vermitt-ungsbemühungen bei den über 57-Jährigen zu verstär-en; darauf habe ich bereits eingangs hingewiesen. Dieeu auf 63 Jahre festgesetzte Altersgrenze als frühestenentenzeitpunkt für ALG-II-Bezieher drängt zwar denichtigen Nachrangigkeitsgrundsatz der Fürsorgeleistungtwas zurück, wonach jeder alles ihm Mögliche tunuss, um Hilfsbedürftigkeit zu vermeiden oder zu ver-ingern. Für eine solche Regelung spricht jedoch, dassine Privilegierung im Rentenrecht für Frauen undchwerbehinderte Menschen nicht in einen Nachteileim ALG-II-Bezug umschlagen darf.
ltere Arbeitslose dürfen sich dabei allerdings nicht demrugschluss hingeben, die ersten Arbeitsangebote auszu-chlagen in der Hoffnung, es käme noch etwas Besseres.
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14754 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Paul LehriederUm „Fordern und Fördern“ effektiv umsetzen zu kön-nen, sind wir natürlich auf die Zusammenarbeit mit derBundesagentur für Arbeit angewiesen. Ich war sehr er-freut darüber, dass Herr Rudolf Knorr von der Bundes-agentur für Arbeit im Verlauf der Anhörung am vergan-genen Montag in diesem Zusammenhang noch einmalklare Worte gefunden hat. Demnach legt die Bundes-agentur für Arbeit mit „Beginn der Vermittlung fest,welche Aktivitäten der Kunde selbst unternehmen soll“.Dazu muss der, der in Arbeitslosigkeit geraten ist, natür-lich auch bereit sein. Für das Gelingen unserer Reformensind auch die Mitarbeit der Bundesagentur für Arbeitund die Initiative der Betroffenen unerlässlich.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Brigitte Pothmer vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es istheute so, wie wir es sehr häufig hier erleben: Vor demMikrofon und den Kameras zeigen sich die Vertreter derGroßen Koalition gern in tiefer Sorge um die Beschäfti-gung Älterer; aber sobald die Kameras ausgeschaltetsind, werden hinter den Kulissen die Statistiken frisiert.
Mit der Regelung, die Sie jetzt einführen, Frau Nah-les, wird die Zahl der Arbeitslosen nicht mehr von derrealen Arbeitslosigkeit abhängig gemacht. Vielmehr ma-chen Sie die Zahl der Arbeitslosen von der Arbeits-marktlage abhängig.
Das, Frau Nahles, ist ein Konzept, mit dem Sie nicht dieArbeitslosigkeit bekämpfen, sondern die Zahlen.
Vielleicht bekommen Sie damit eine bessere Bilanz,aber mit Sicherheit keine geringere Arbeitslosigkeit.Frau Nahles, auch Sie waren doch bei der Anhörungdabei. Alle, aber auch alle Sachverständigen, die da ver-treten waren, haben dieses Problem thematisiert.
Sie haben darauf hingewiesen, dass diese Manipulationreal negative Folgen für die Betroffenen haben wird. Eswaren nicht unsere Sachverständigen, die das gesagt ha-ben. Der DGB spricht zum Beispiel davon, dass Fehl-anreize geschaffen werden, die dazu führen, dass für die-sen betroffenen Personenkreis keine Angebote mehrunterbreitet werden. Das wird zur Folge haben: wenigerVtgfdMgmShfb–trrSstngvbdfddawdtKgilvgwsK
Die haben was gelernt, die Große Koalition nicht.Das IAB sagt, diese Regelung verschlechtere die Si-uation älterer Hilfebedürftiger und laufe den Zielen Ih-es Gesetzentwurfs zuwider. Die Sachverständigen wa-en wohl alle zu begriffsstutzig, um zu erkennen, dassie damit Wohltaten über ältere Beschäftigungslose aus-chütten werden.Meine Damen und Herren von der Großen Koalition,un Sie sich selbst, uns, aber auch den Steuerzahlern ei-en Gefallen, und beenden Sie die Farce von Anhörun-en, wenn die Positionen der Sachverständigen, die dortorgetragen werden, in keiner Weise in Ihre Meinungs-ildung und das, was Sie uns hier vorlegen, Eingang fin-en.
Was ich aber zusätzlich als sehr großes Problem emp-inde, ist die Botschaft, die Sie mit dieser Regelung anie älteren Arbeitslosen senden. Die Botschaft heißtoch: Wer älter ist und keinen Job findet, ist nicht mehrrbeitslos, sondern schlicht und ergreifend unbrauchbar.Meine Damen und Herren, Sie predigen hier immerieder, dass ältere Arbeitnehmer gebraucht werden, dasseren Integration in den Arbeitsmarkt für Sie eine zen-rale arbeitsmarktpolitische Aufgabe ist. Aber wenn dieirche aus ist, werden die Betroffenen schlicht und er-reifend ausgemustert. Was daran christlich oder sozialst, müssen Sie uns einmal erklären.
Schon die Verlängerung des Bezugs des Arbeits-osengeldes I ist – das wissen Sie auch – letztlich einergiftetes Geschenk. Daran ändert der Eingliederungs-utschein, von dem hier heute noch einmal die Redear, gar nichts. Der Eingliederungsgutschein ist ein In-trument, mit dem Sie versucht haben, die berechtigteritik von Herrn Müntefering beiseitezuschieben.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14755
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Brigitte PothmerIn der Sache bringt dieser Eingliederungsgutscheinnichts. Wir haben bereits zwölf Kombilöhne. Sie glau-ben doch nicht im Ernst, dass dieser 13. an irgendeinerStelle etwas ändern wird.
Bedenken Sie die Zeit, Frau Pothmer.
Ich komme zum Schluss. – Zur Eingliederung Älterer
in den Arbeitsmarkt trägt weder dieses Gesetz noch die-
ser Eingliederungsgutschein etwas bei. Das werden Sie,
wenn das Gesetz in Kraft ist, zur Kenntnis nehmen müs-
sen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Anton Schaaf von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Frau Pothmer, wenn ich Sierichtig verstanden habe, dann haben Sie eben gesagt, Siesind nicht damit einverstanden, dass wir den Bezug vonArbeitslosengeld I jetzt verlängern.
Sie halten die Systematik für falsch. So habe ich es ver-standen. Gleichzeitig lehnen Sie es ab, dass der betrof-fene Personenkreis – also ältere Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer, die arbeitslos geworden sind – ab dem63. Lebensjahr unter Umständen Rente beantragenmuss. Das heißt im Klartext: Sie wollen den Zeitraumfür den Bezug von Arbeitslosengeld II für ältere Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die keinen Job fin-den, schlichtweg verlängern.
Sie wollen sie aus der aktiven Arbeitsmarktpolitik vor-zeitig herausnehmen; denn der Bezug von Arbeitslosen-geld I ist eine Versicherungsleistung. Gleichzeitig wol-len Sie aber nicht, dass die Betroffenen frühverrentet– oder wie Sie sagen: zwangsverrentet – werden. Damitverlängern Sie schlichtweg die Bezugsdauer vonArbeitslosengeld II für ältere Arbeitslose. Sonst nichts.Das ist doch völlig klar.
Übrigens ist es mir ein absolutes Rätsel, wieso dieGrünen und die FDP – ich schaue zu Herrn Kolb herüber –das Einhalten des Nachrangigkeitsprinzips in unserensozialen Sicherungssystemen in der Art und Weise inMisskredit bringen.UnWgszeIrkwsddWSSsshMAfaw–SmsFhbeeHwADtZmh
enn man im Glashaus sitzt, sollte man aber nicht mitteinen werfen. Ihr Hinweis auf Amerika und die dortigeteuersenkung war schon bemerkenswert. Ihre klassi-che Klientel, nämlich die Manager bei Banken, Ver-icherungen und in der Maklerwirtschaft in Amerika,
at eine massive Krise verursacht, die Millionen vonenschen richtig viel Geld kosten wird. Diese haben inmerika eine Rezession heraufbeschworen. Aber Sieeiern die amerikanische Regierung, weil sie sozusagenls Notwehrreaktion die Steuern senkt. Es ist schon aber-itzig, wie Sie hier argumentieren.
Nein, Herr Niebel, ich lasse keine Zwischenfrage zu.ie haben Ihre Wahlkampfrede schon gehalten. Ichöchte Ihre Redezeit nicht noch verlängern.
Herr Kollege Lafontaine, die Altersarmut muss manicherlich auf der Agenda haben. Das ist überhaupt keinerage; ich widerspreche Ihnen da nicht. Im Wesentlichenat dieses Problem auch mit unterbrochenen Erwerbs-iografien der Menschen zu tun. Übrigens hat Rot-Grünine untere Auffanggrenze eingeführt, nämlich die steu-rfinanzierte Grundsicherung im Alter. Man kann überöhen zwar immer diskutieren, aber immerhin habenir diese untere Grenze eingeführt, um dem Problem derltersarmut auf gerechte Art und Weise zu begegnen.
ass man über die Höhe dieser Grundsicherung disku-ieren kann, ist natürlich richtig.Den Ist-Zustand bei der Altersarmut einfach in dieukunft so zu übertragen, dass es für die eigene Argu-entation passt, würde bedeuten, dass Politik nicht mehrandlungsfähig ist. Die Sozialdemokraten werden das
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14756 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Anton Schaafnicht tun. Wir werden die Zahl von 3,5 Millionen ar-beitslosen Menschen, die aufgrund ihrer Arbeitslosigkeitbefürchten müssen, im Alter arm zu sein, nicht hinneh-men. Wir werden weiter daran arbeiten, dass die Men-schen im Alter nicht arm sind, indem sie jetzt eine Arbeitbekommen. Das ist der richtige Weg.
Nun zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag. Auchüber dessen Höhe kann man miteinander streiten. Ichgebe Ihnen recht, dass die Senkung dieses Beitrags be-wirkt, das 25 Milliarden Euro bei denen bleiben, die dieBeiträge aufbringen. Aber wir nehmen dieses Geld nichtaus der Kasse der Arbeitslosenversicherung. Vielmehrbleibt es bei denen, die diese Beiträge normalerweiseaufbringen müssten.Bei dem Arbeitslosengeld I schränken wir keine Leis-tung ein. Auch das muss man einmal festhalten. Der Ein-gliederungstitel wird nicht verändert. Es ist ja nicht so,dass es keine aktive Arbeitsmarktpolitik mehr gibt. AberSie sagen, dass wir an dieser Stelle den Unternehmen imLande Geschenke machen würden. Die Hälfte dieser25 Milliarden Euro behalten die Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer in diesem Land; das muss man einmalfesthalten. Das verschweigen Sie grundsätzlich.
Die Hälfte von dem, was Sie „vorenthaltenen Lohn“nennen, bleibt bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern.
Das muss man klarmachen, wenn man sich bei allen an-deren Sachen andauernd darüber beschwert, dass Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzlich belastet wer-den. An dieser Stelle werden sie entlastet, und dieLeistungen aus der Arbeitslosenversicherung werden inkeiner Weise eingeschränkt.Man muss sich anschauen, wozu die Blüm’sche Ar-beitsmarktpolitik – 32 Monate Arbeitslosengeld-I-Bezug –geführt hat. Damals war alles in Ordnung; wir alle habenes gefeiert. Im Nachhinein muss man aber feststellen,dass diese Politik zu folgender Situation geführt hat: Dieälteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in der Re-gel in der Großindustrie und im öffentlichen Dienst, diemit zunehmendem Alter teurer werden, sind von denUnternehmen systematisch aus den Produktionsprozes-sen gedrängt worden. Systematisch! Dies geschah nur,weil sie älter und teurer und an der einen oder anderenStelle eventuell nicht mehr leistungsfähig waren.Diese Praxis, bei der den Älteren suggeriert wird,dass sie in dieser Gesellschaft nicht mehr brauchbarsind, weil sie über 50 Jahre alt sind, haben wir schlicht-weg beendet. Es ist richtig, dass wir sie beendet haben.
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hre Prognose ist aber in keiner Weise eingetreten. – Ichann das in der politischen Auseinandersetzung aushal-en. Aber bei den Menschen, die Sie mit der Androhunger Zwangsverrentung zum 1. Januar verunsichert ha-en, sollten Sie sich entschuldigen, Herr Schneider.
Herr Kollege Schaaf, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich bin schon am Schluss.
Ich kann den Menschen in Hessen und Niedersachsen
ur sagen: Wenn Sie keine Ankündigungspolitik und
eine Panikmache haben wollen, wenn Sie wollen, dass
an Ihnen seriöse Lösungen anbietet, für die man sich
insetzt und die man umsetzt, dann wählen Sie am
ochenende nicht Protest; wählen Sie SPD: Jüttner,
psilanti!
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort demollegen Dr. Heinrich Kolb.
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Herr Kollege Schaaf, es war wirklich ein beeindru-
ckendes Schauspiel, wie Sie anderen Wahlkampf vorge-
worfen haben, aber selbst in einer Art und Weise überzo-
gen haben, wie ich es in diesem Hause noch nicht erlebt
habe.
Sie sollten sich wirklich überlegen, ob das angemessen
war.
Sie haben den Grünen und uns vorgeworfen, wir hät-
ten eine seltsame Sichtweise, was den Nachrangigkeits-
grundsatz angeht. Ich frage Sie: Darf nicht auch der
Staat, darf nicht auch ein Gemeinwesen rechnen? Ist es
wirklich sinnvoll, Menschen zwei Jahre früher mit Ab-
schlägen in den Ruhestand zu schicken und dafür zu ris-
kieren, dass ihnen nach dem 65. Lebensjahr für die ge-
samte Rentenbezugsdauer aufstockende Grundsicherung
gezahlt werden muss? Wenn Sie sich das einmal genau
anschauen, werden auch Sie zu dem Ergebnis kommen,
dass das in vielen Fällen ein Nullsummenspiel sein wird.
Weil das so ist, hat aus unserer Sicht Priorität, dass die
Menschen im Erwerbsleben bleiben. Deshalb ist dies ge-
rechtfertigt.
Ein bisschen schwanger zu sein, wie Sie sich das vorstel-
len, geht außerdem nicht. Entweder gilt der Nachrangig-
keitsgrundsatz – dann hätte man die Altersgrenze nicht
von 60 auf 63 Jahre anheben dürfen –, oder er gilt nicht
in dieser Schärfe. Ich glaube, das, was wir vorgetragen
haben, entbehrt nicht eines gewissen Augenmaßes.
Ich möchte Ihnen einen weiteren Punkt vorhalten. Sie
haben gesagt, amerikanische Bankenmanager seien eine
Klientel der FDP. Ich sage Ihnen: Schauen Sie sich ein-
mal die deutschen Bankenmanager an, insbesondere die,
die für die derzeitige Finanzkrise verantwortlich sind!
Ich nenne nur die Stichworte „Sachsen Landesbank“,
„KfW“ und „IKB“. Die Leute, die dort Verantwortung
tragen, haben Parteibücher der Großen Koalition, aber
doch nicht der FDP. Das muss man hier einmal deutlich
sagen.
Am bemerkenswertesten fand ich schließlich, was Sie
nicht gesagt haben. Auf meinen Vorhalt „Der Maurer
wird zwangsverrentet, der Bauingenieur nicht“ haben
Sie sich, obwohl Sie alles andere hier schön haben Re-
vue passieren lassen, in keiner Weise bezogen. Der ei-
gentliche Skandal ist, dass Sie auf solche Vorwürfe nicht
eingehen. Das, meine ich, sollten Menschen bedenken,
wenn sie irgendwann einmal – nicht am Sonntag – vor
Wahlentscheidungen stehen.
Danke für die Aufmerksamkeit.
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ann wird von Teilen der FDP – ich habe mir da das
ine oder andere anschauen dürfen und antun müssen –
ogar noch gerechtfertigt, dass Unternehmen sozusagen
en Subventionen hinterherreisen und überall verbrannte
rde hinterlassen. Ich habe mir Argumentationen anhö-
en müssen, dass das eigentlich doch okay ist.
Aber das ist überhaupt nicht die Frage. Die Frage des
aurers oder des Dachdeckers ist eine ganz andere. Sie
üssen sich anschauen, was die Koalition da auf den
eg gebracht hat, zum Beispiel was die Frage von guter
rbeit angeht, was die Frage von Qualität von Arbeit an-
eht. Wir werden nie verhindern können, dass Menschen
ich kaputtarbeiten. Wir können aber an dieser Stelle
räventiv arbeiten. Wenn Menschen sich kaputtgearbei-
et haben, müssen wir ihnen eine vernünftige Antwort
eben. Das ist der entscheidende Punkt. Sie liefern diese
llerdings überhaupt nicht.
ie individualisieren das Lebensrisiko Arbeitslosigkeit.
ie individualisieren das Lebensrisiko Alter. Sie wollen
ar nicht die Solidarität des Staates und auch nicht die
olidarität der Arbeitgeber, die jetzt mit dazu beitragen.
aher habe ich von dem, was ich eben gesagt habe, in
einer Weise irgendetwas zurückzunehmen.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichill dem Beispiel von Herr Schaaf im Schlusssatz seinerede jetzt nicht nachkommen. Wir sind zwar irgendwom Wahlkampf; aber die Bürgerinnen und Bürger werdenchon wissen, wo sie am Sonntag ihr Kreuzchen ma-hen. Ich glaube, dass unsere Debatte das nicht groß be-influssen wird.Ich will noch einmal festhalten: Es geht heute um diemsetzung der Koalitionsbeschlüsse vom November.
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14758 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Wolfgang MeckelburgDer erste Teil, die Verringerung des Arbeitslosenver-sicherungsbeitrages, ist umgesetzt; dies haben wir be-reits im letzten Jahr beschlossen. Ich will noch einmalauf die Wirkung hinweisen: Wir haben die Arbeitslosen-versicherungsbeiträge in zwei Stufen – zum 1. Januarletzten Jahres und zum 1. Januar dieses Jahres – von6,5 Prozent auf 3,3 Prozent verringert. Das sind 25 Mil-liarden Euro, die an diejenigen zurückgehen, die Bei-träge zahlen. Das bedeutet für Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer im Schnitt 400 Euro Einkommen mehr imJahr. Ich glaube, das muss man an dieser Stelle noch ein-mal sagen, weil es Kosten senkt und dazu beiträgt, dassneue Arbeitsplätze geschaffen werden, auch wenn Sievon den Linken das ständig bezweifeln.Im zweiten Teil geht es heute darum, die Anspruchs-dauer beim Arbeitslosengeld I zu verlängern und denEingliederungsgutschein als neues Instrument einzu-führen. Ich will es deutlich sagen: Wir wissen, dass dieSituation Älterer am Arbeitsmarkt besser geworden ist.Wir wissen, dass die Zahlen eine positive Sprache spre-chen. Dennoch wissen wir auch: Ältere brauchen nachwie vor länger, um wieder in Arbeit zu kommen. Deswe-gen ist es sinnvoll, eine solche stufenweise Verlängerungvorzunehmen. Im Einzelnen steigt die Anspruchsdauerin drei Altersstufen – 50, 55 und 58 Jahre – auf 15, 18bzw. 24 Monate. Als Union sind wir der Auffassung,dass wir mit diesen Stufen vor allen Dingen diejenigenerreichen, die lange Zeit in die Sozialversicherung ein-gezahlt haben. Davon sollen sie auch profitieren, und in-sofern stellt dies ein Stück Gerechtigkeit dar. Zugleichgeht es darum, die Chance für Ältere zu erhöhen, in Ar-beit zu kommen.
Ich füge hinzu, wobei ich ein bisschen überzeichne:Mit der Verlängerung des Arbeitslosengeldes I wollenwir nicht erreichen, dass man sich länger in Arbeitslosig-keit wohlfühlen kann. Unser Ziel ist es, vermehrt auchältere Arbeitslose wieder in den Arbeitsmarkt zu brin-gen. Es ist das Ziel dieser Gesetzgebung, ältere Men-schen noch stärker in Arbeit zu bringen, als es bereitszurzeit der Fall ist.
In diesem Zusammenhang ist das Instrument des Ein-gliederungsgutscheins eine Notwendigkeit, weil erhilft, die Zeit wirklich zu nutzen, in der man unter Bezugvon Arbeitslosengeld I nach Arbeit suchen kann. Überdie Bedingungen des Eingliederungsgutscheins werdeich nicht viel sagen. Er bedeutet, dass man sich bewer-ben kann und gleichzeitig die Möglichkeit hat, ein Jahrlang gefördert zu werden. Entweder bekommt man die-sen Eingliederungsgutschein, verbunden mit einem kon-kreten Arbeitsangebot, von der Arbeitsagentur, oder manbekommt – das ist neu, und das muss in die Köpfe ältererMenschen hinein – den Auftrag, sich selbst um dessenEinlösung zu bemühen, sich also selbstständig zu bewer-ben. Es geht konkret um verstärkte Eigenbemühungen.Die Eingliederungsvereinbarung zwischen der Arbeits-agentur und dem Arbeitslosen sieht vor, dass beide Sei-ten alle drei Monate miteinander Kontakt haben. AufdCgsHfgAvnVdWldkswDbwvm––dlunurzHMmnsghRln
Sie waren es, glaube ich, Frau Schewe-Gerigk.
Okay, zumindest einer von Ihnen.Es soll also dann, wenn man nach geltendem Recht abem 1. Januar bereits im Rentenbezug wäre, die Mög-ichkeit bestehen, dies wieder rückgängig zu machennd die verlängerten Arbeitslosengeld-I-Bezugszeiten zuutzen. Dies ist vorbereitet und wird auch relativ zügigmgesetzt werden können, weil alle Partner bereits da-an arbeiten.
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Kritischesu den Anträgen der FDP sagen. Einer Ihrer Anträge,err Niebel, ist der Standardantrag, der eine Liste vonöglichkeiten enthält, wie man Wirtschaft und Arbeits-arkt verändern kann. Sie wissen, dass es hier dafürach wie vor keine Mehrheit gibt. Sie können ihn gernetellen; wir werden ihn ablehnen.Die Vorstellung der FDP, bei einer Rente mit 60 unbe-renzt hinzuverdienen zu können, ist aus meiner Sichtöchst unsozial, weil derjenige, der nur einen geringenentenanspruch hat und nicht über der Mindestmargeiegt, weiterhin arbeiten muss, da er diese Möglichkeiticht nutzen kann,
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Wolfgang Meckelburgwährend derjenige, der diese Grenze erreicht hat undüber dem Mindestarbeitslosengeldbezug liegt, in Rentegehen und tüchtig dazuverdienen kann. Das heißt, dieje-nigen, die vorher schon ordentlich verdient haben undeine ordentliche Rente mit 60 bekommen, können auchnoch ordentlich dazuverdienen. Ich halte dies für höchstungerecht; ich sage dies in aller Deutlichkeit.
Jetzt noch ein Wort zu den Anträgen und Bemerkun-gen der Linken. Herr Lafontaine, wenn Sie von Abschlä-gen in Höhe von 14,4 Prozent reden, dann wollen Siedamit den Menschen fürchterlich Bange machen. Siemüssen aber auch angeben, worauf sich diese 14,4 Pro-zent beziehen: Sie beziehen sich auf das Jahr 2029; dennerst dann kommt die Rente mit 67.Das heißt, Sie machen heute den Menschen Angst mitetwas, was erst 2029 möglicherweise ansteht.
In der Zwischenzeit wird sich der Arbeitsmarkt positiventwickeln. Das ist dringend notwendig. Ich bin sicher,dass wir beide nicht mehr dem Parlament angehören,Herr Lafontaine, wenn die entsprechenden Regelungenanstehen.
Sie wollen – das ist Ihre Alternative – lieber lange Ar-beitslosengeld zahlen. Sie wollen nicht die Menschen inArbeit bringen, sondern beschränken sich nur darauf,wie man den Menschen möglichst lange Arbeitslosen-geld zahlen kann. Konkret heißt das, dass Sie älterenArbeitslosen möglichst lange ALG I oder ALG II ge-währen wollen, und zwar – je nachdem, wie die Einzah-lungen waren – möglicherweise auf einem niedrigerenNiveau. Das ist völlig falsch.
Wir als Koalition wollen, dass möglichst viele Men-schen in Arbeit kommen und dadurch auch entsprechendhohe Renten beziehen. Wir wollen höhere Einzahlungenund höhere Renten erreichen, als mit Ihrem Modell mög-lich ist.
Das ist Almosenniveau. Sie haben dieses Wort ja ebengebraucht.Herr Präsident, gestatten Sie mir eine abschließendeBemerkung. – Der größte Vorwurf, den man Ihnen ma-chen muss, ist, dass Sie als gemischte Partei irgendwo inder Nachfolge der SED stehen.
Das müssen vor allem diejenigen wissen, die neu dazu-gekommen sind, und damit auch Sie, Herr Lafontaine.DSdDeWdFGgAssantdswhdgBsazAmdBuGG
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachtenesetzentwurf zur Änderung des Dritten Buches Sozial-esetzbuch und anderer Gesetze. Der Ausschuss fürrbeit und Soziales empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be-chlussempfehlung auf Drucksache 16/7866, den Ge-etzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPDuf Drucksache 16/7460 in der Ausschussfassung anzu-ehmen.Die Fraktion Die Linke hat Teilung der Frage bean-ragt.Ich rufe daher zunächst Art. 1 des Gesetzentwurfeser Fraktionen der CDU/CSU und der SPD in der Aus-chussfassung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmenollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-altungen? – Art. 1 ist angenommen mit den Stimmener Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke ge-en die Stimmen der FDP-Fraktion und der Fraktionündnis 90/Die Grünen.Ich rufe Art. 2 bis Art. 7 sowie Einleitung und Über-chrift des Gesetzentwurfes in der Ausschussfassunguf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, um ihr Hand-eichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Art. 2 bisrt. 7 sowie Einleitung und Überschrift sind angenom-en mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegenie Stimmen der Oppositionsfraktionen.Damit ist der Gesetzentwurf in allen Teilen in zweitereratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungnd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
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14760 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen der Oppositionsfraktionen angenommen.Abstimmung über den Gesetzentwurf der FraktionDie Linke zur Änderung des Zweiten Buches Sozialge-setzbuch. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales emp-fiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 16/7866, den Gesetzentwurf der FraktionDie Linke auf Drucksache 16/7459 abzulehnen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung gegendie Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund der FDP-Fraktion abgelehnt. Damit entfällt nach un-serer Geschäftsordnung die weitere Beratung.Wir setzen die Abstimmungen über die Beschluss-empfehlungen des Ausschusses für Arbeit und Sozialesauf Drucksache 16/7866 fort. Der Ausschuss empfiehlt un-ter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung desAntrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/6644 mitdem Titel „Beschäftigungschancen Älterer verbessern –Reformen der Agenda 2010 nicht zurücknehmen“. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung des Ausschus-ses? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-schlussempfehlung ist mit den Stimmen aller Fraktionenbei Gegenstimmen der FDP-Fraktion angenommen.Unter Nr. 4 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung desAntrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7003 mitdem Titel „Arbeit statt Frühverrentung fördern“. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung istmit den Stimmen aller Fraktionen gegen die Stimmender FDP-Fraktion angenommen.Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 5 sei-ner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antragsder Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/6929 mit demTitel „Beschäftigungssituation Älterer verbessern –Übergänge vom Erwerbsleben in die Rente sozial gestal-ten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-lung ist mit den Stimmen aller Fraktionen gegen dieStimmen der Fraktion Die Linke angenommen.Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 20 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Carl-Ludwig Thiele, Frank Schäffler, Dr. HermannOtto Solms, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der FDPKeine Steuererhöhung bei der Erbschaft-steuer – Gesetzentwurf zur Reform des Erb-schaftsteuer- und Bewertungsrechts zurück-ziehen– Drucksache 16/7765 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. GibteidwKdsRzrvslrMswndhgSspdsusDgEntsAzdsnKa
Es ist doch eine verkehrte Welt: Großunternehmen er-alten Millionensubventionen und sind nur fünf Jahreebunden, und der deutsche Mittelstand erhält keineubventionen, sondern wird nur dann steuerlich ver-chont, wenn der Betrieb 15 Jahre fortgeführt wird. Dasasst hinten und vorne nicht. Das muss diskutiert wer-en. Das soll der deutsche Mittelstand wissen.
Schon bei der Unternehmensteuerreform wurden aus-chließlich Kapitalgesellschaften entlastet. Die Lohn-nd Einkommensteuerzahler und auch die mittelständi-chen Personengesellschaften wurden nicht entlastet.ieser rote Faden des praktischen Regierungshandelnsegen den deutschen Mittelstand setzt sich bei dieserrbschaftsteuerreform fort.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14761
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Das wird überhaupt nicht berücksichtigt.
Ursprünglich ist das seitens der Großen Koalition er-kannt worden. Deshalb ist, wie von der FDP schon seitJahren gefordert, in der Koalitionsvereinbarung erklärtworden, dass für den Fall der Fortführung des Betriebesdie Erbschaftsteuer gestundet und diese bei Fortführungdes Unternehmens über zehn Jahre komplett erlassenwird.
Aber der nun vorgelegte Gesetzentwurf der Regierungsieht gänzlich anders aus.
Der Koalitionsvertrag wird gebrochen und damit auchdas Versprechen gegenüber dem deutschen Mittelstand;
denn vorab werden 15 Prozent des Wertes der Unterneh-men steuerpflichtig gestellt, ob die Begünstigung greiftoder nicht. Dabei muss man wissen, dass die Werte derUnternehmen nach der Bewertung der Regierung dasZwei- bis Dreifache – die Wirtschaft hat das Drei- bisVierfache errechnet; es gibt aber auch Fälle, die darüberhinausgehen – betragen. Auf diese erhöhten Werte sindvorab Steuern in Höhe von 15 Prozent zu zahlen. Damiterreicht man in Einzelfällen die Höhe der Steuerbelas-tung, die derzeit Unternehmen überhaupt zu tragen ha-ben. Das ist keine Entlastung des Mittelstandes, sonderneine Belastung des Mittelstandes, und die brauchen wirin unserem Lande nicht.
Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hinweisen.Der Staat macht auch ein schlechtes Geschäft. Derjenige,der wegen der Erbschaftsteuer Deutschland verlässt,zahlt Jahr für Jahr keine Steuern mehr in Deutschland.Man muss sehen, dass wir in einem internationalenWettbewerb sind. Das wird überhaupt nicht berücksich-tigt. In Österreich, unter einem sozialdemokratischenBundeskanzler, läuft die Erbschaftsteuer gerade aus undwird in Zukunft nicht mehr erhoben. In Deutschland, un-ter einer Kanzlerin von der Union, wird sie verfestigtuhpDSaGaasduEf3MtcLdgldlnVWVFwuskHIwHdwSmLE
Ferner betreiben Sie eine maßlose Steuererhöhungs-olitik gegenüber den Erben in der Steuerklasse II und III.er Freibetrag wird zwar leicht von 5 000 Euro in derteuerklasse II und 10 000 Euro in der Steuerklasse IIIuf 20 000 Euro erhöht, aber der Eingangssteuersatz füreschwister, Nichten und Neffen wird von 12 Prozentuf 30 Prozent erhöht. Das gilt in der Steuerklasse IIIuch für nichteheliche Lebensgemeinschaften. Ein Bei-piel: Wenn ein Haus erworben wurde, dieses Haus nacher neuen Bewertung einen Wert von 240 000 Euro hatnd einer der Partner verstirbt, dann erhält der andere einrbe im Wert von 120 000 Euro. 20 000 Euro sind steuer-rei, und die verbleibenden 100 000 Euro werden mit0 000 Euro besteuert. Diese 30 000 Euro sind einenonat nach Erhalt des Steuerbescheides fällig. Viele äl-ere Bürger und Rentner in unserem Lande – entspre-hende Briefe habe ich – fragen sich, wie sie an ihremebensabend das Geld überhaupt aufbringen sollen, umie Steuern zahlen zu können. Auf der einen Seite wirdefordert, zu sparen und vorzusorgen, weil die Rente al-eine den Lebensstandard im Alter nicht sichert; wennas aber geschehen ist, dann macht der Staat Kasse zu-asten dieser Personen. Ein Steuersatz von 30 Prozenticht auf die Bemessungsgrundlage, sondern auf denermögenswert geht in Richtung einer Teilenteignung.
ir halten es für abenteuerlich, dass die Menschen, dieorsorge für sich, ihre Verwandten oder auch ihrereunde getroffen haben, in der Form zur Kasse gebetenerden. Das kann überhaupt nicht richtig sein.
Das Gesetz ist kompliziert, verwaltungsaufwendignd streitanfällig. Es hat leider gute Gründe, warum eso spät auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestagsommt, nämlich damit es vor den Landtagswahlen inessen und Niedersachsen nicht diskutiert werden kann.
ch appelliere an Sie: Überarbeiten Sie den Gesetzent-urf, ziehen Sie ihn zurück! Denn so, wie er jetzt vonerrn Koch und dem stellvertretenden Parteivorsitzen-en der SPD, Herrn Steinbrück, auf den Weg gebrachturde, ist er eine reine Zumutung und bedeutet eineteuererhöhung. Mit der Erbschaftsteuer holen Sie sichehr als 4 Milliarden Euro von den Menschen, die ihreben lang gearbeitet und gespart haben. So kann derntwurf nicht bleiben.Herzlichen Dank.
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14762 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Wahlkampf lässt grüßen. Lieber KollegeThiele, schon die Überschrift Ihres Antrags ist falsch:
Der vorliegende Gesetzentwurf führt nicht zu einer Steuer-erhöhung,
sondern er ist aufkommensneutral. Das wissen Sie. Siehaben hier gegen besseres Wissen die Unwahrheit ge-sagt. Das stelle ich zunächst einmal fest.
Es ist zwar richtig, dass einige Sozialdemokratengerne einen höheren Erbschaftsteuersatz hätten. Es istauch richtig, dass einige Christdemokraten möglichst garkeine Erbschaftsteuer oder einen geringeren Steuersatzwollen.
In dieser Zwölferkommission haben wir uns auf eineaufkommensneutrale Lösung geeinigt. Wenn wir nichtsändern würden, dieses Gesetz also nicht verabschiede-ten, Herr Kollege Thiele, würden wir im nächsten Jahrgenauso viele Steuern einnehmen.Das, was Sie zum Mittelstand gesagt haben, ist genausoverkehrt wie das, was Sie zur Unternehmensteuerreformgesagt haben. Bezüglich der Unternehmensteuerreformhat das Europäische Zentrum für Wirtschaftsforschungund Strategieberatung, nicht die Union, festgestellt, dassder eigentliche Gewinner der Mittelstand ist, und zwarganz schlicht deshalb, weil der Mittelstand den Vorteilder Steuersenkung hat und all die Gegenfinanzierungs-maßnahmen den Mittelstand bekanntlich nicht treffen.Wenn Sie in dieses Gesetz jetzt einmal hineinsehen,dann stellen Sie fest – das ist politisch gar nicht so leicht;Sie werden es gleich sehen –: Die Entlastung des Mit-telstandes beim Übergang auf die nächste Generation– sie ist im Koalitionsvertrag vereinbart – kostet etwa750 Millionen Euro. Das heißt, die Neuordnung ist einGeschenk von 750 Millionen Euro an die Wirtschaft.Da wir uns geeinigt haben, dass am Ende das Gleicheherauskommt, mussten wir in der Tat andere stärker be-lasten. Folglich standen wir vor der Frage: Wen? Wir ha-ben uns in der Großen Koalition einvernehmlich ent-schieden: Die engeren Angehörigen – Ehepartner,Kinder, Enkelkinder – wollen wir trotz der höheren Be-wertung – sie ist keine Erfindung von uns, sondern eineAuflage des Bundesverfassungsgerichts – nicht stärkerbelasten. Deshalb haben wir die Freibeträge dort in er-htwdstdkSRrBdegu–dahatdvrcbgsnverAsg1ldteuseId
chauen Sie sich das Unternehmensteuergesetz an: Imahmen der Beratungen dieses Gesetzes wurden Ände-ungen in Höhe von 620 Millionen Euro beschlossen.ei der Unternehmensteuerreform ging es um 5 Milliar-en Euro, die uns zur Verfügung standen. Ich sage nochinmal: Wir haben im Rahmen der Beratungen Änderun-en in Höhe von 620 Millionen Euro beschlossen. Es istns damals sogar gelungen, eine bestimmte Maßnahme den Übergang von EBIT zu EBITDA – durchzusetzen,ie allein 400 Millionen Euro kostet.Meine Kollegen von Stetten und Fuchs werden nochuf einige Änderungswünsche meiner Fraktion einge-en. Unser Veränderungswille und unsere Wünsche sindllerdings lange nicht so umfangreich, wie es bei der Un-ernehmensteuerreform der Fall war. Dort haben wir sieurchgesetzt. Wir haben aber auch hier Wünsche; das istöllig klar. Ich bin ziemlich sicher: Wenn das Anhö-ungsverfahren durchgeführt sein wird, wird noch man-her Wunsch auf den Tisch kommen.
An zwei Dingen werden wir jedoch festhalten. Esleibt bei den 4 Milliarden Euro; darauf haben wir unseeinigt. Auch wenn mancher sagt: „Arbeitet nicht sochnell!“ – ich kenne diese Aufforderung –, sage ich ge-auso deutlich: Wir werden rechtzeitig ein neues Gesetzerabschieden.Ich gehe davon aus, dass wir schon Mitte Februar dierste Lesung haben und im März ein Anhörungsverfah-en durchführen werden. Ich hoffe, dass wir dann impril oder Mai – es gibt noch keine abschließenden Ent-cheidungen – das Gesetz verabschieden. Ich bin dage-en – um das auch deutlich zu sagen –, dass es gleich4 Tage später in Kraft tritt. Dazwischen sollten mög-ichst sechs oder acht Wochen liegen,
amit die Betroffenen sich mit der neuen Situation ver-raut machen können und nicht alle an einem Wochen-nde zum Anwalt rennen
nd dann Entscheidungen nur unter steuerlichen Ge-ichtspunkten getroffen werden, die man nachher bedau-rt. – Für Schenkungen gilt das Gleiche, Herr Kollege.ch dachte nicht an Selbstmord. Für Schenkungen geltenie gleichen Beträge.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14763
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Otto Bernhardt
Dann gibt es einen weiteren Punkt in Ihrem Antrag,Herr Kollege Thiele, bei dem Sie – was Sie sonst eigent-lich nie machen – nicht ordentlich gearbeitet haben.
Sie feiern da Frankreich und weisen darauf hin, dass dortin Zukunft 90 Prozent aller Erbschaftsfälle steuerfreisein sollen. Bei uns sind heute schon 92 Prozent steuer-frei. Ihnen liegt die Statistik vor. Nur 8 Prozent allerTodesfälle oder Schenkungen führen heute in Deutsch-land zu Erbschaftsteuerzahlungen.
Eines unserer Anliegen bei den Verhandlungen war– der Kollege Pronold, der mit von der Partie war, wirdmir recht geben –, die Zahl der Betroffenen möglichstnicht zu erhöhen. Es bleiben bei uns also 7 bis 8 Prozent.Das heißt, das, was Frankreich erreichen will, haben wirlängst verwirklicht.Natürlich weiß auch ich, dass eine Reihe von Ländernweniger Erbschaftsteuer erhebt oder sie gerade abge-schafft hat. Das stößt in meiner Fraktion durchaus aufSympathie. Nur, wir müssen natürlich darauf hinweisen:Die Amerikaner haben eine viel höhere; die Engländerhaben eine höhere. Ich habe mir den internationalen Ver-gleich angeguckt. Da liegt Deutschland im Mittelfeld.Ich sage nicht, dass das gut ist. Aber ich sage genausodeutlich: Eine ersatzlose Streichung der Erbschaftsteuerwird politisch nicht durchsetzbar sein, nicht einmal beiden Finanzministern der Union in den Ländern. Es gibtzwar den ersten Landesfinanzminister, der sagt, er könnesich das vorstellen.
Aber ich glaube nicht, dass es dafür eine Mehrheit gibt.Deshalb sage ich: Man muss darüber nachdenken – dasist eine Frage, die sich in der nächsten Legislaturperiodestellt –, ob man die Erbschaftsteuer in die Einkommen-steuer einarbeitet. Aber eine ersatzlose Streichung wer-den wir nicht hinbekommen.Lassen Sie mich abschließend feststellen: So, wie esder Großen Koalition gelungen ist, eine vernünftige Un-ternehmensteuerreform vorzulegen, werden wir unsauch – da können Sie sicher sein – auf eine vernünftigeund mittelstandsfreundliche Erbschaftsteuerreform eini-gen. Wir müssen Sie enttäuschen: Den großen Krach,den einige erwarten, wird es auch bei dieser wichtigenReform nicht geben.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Barbara Höll von der
Fraktion Die Linke.
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inem Bürgerbegehren ist es
rotz der äußerst hohen Quoren in Sachsen gelungen,ass wir am Sonntag einen Bürgerentscheid in der Stadtaben. Leipziger Bürgerinnen und Bürger werden überie Verscherbelung des städtischen Tafelsilbers entschei-en können.
tädte wie Leipzig haben zu wenig Geld, um ihre Aufga-en erfüllen zu können, und auch das Land Sachsen ver-ügt nicht über die Mittel, um diese Aufgaben überneh-en zu können.
Sie von der FDP stellen sich heute hier hin und schla-en allen Ernstes vor, der Bundestag möge mal eben aufinnahmen in Höhe von 4 Milliarden Euro verzichten,
ie den Bundesländern über die Erbschaftsteuer zuflie-en; das ist die Intention Ihres Antrages. Das ist schlichtnd einfach verantwortungslos.
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14764 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Dr. Barbara HöllZur Begründung fällt Ihnen nichts weiter ein, als aufden internationalen Steuerwettbewerb und Länder, indenen keine Erbschaftsteuer erhoben wird, zu verweisen.Sie verschweigen natürlich, dass diese Länder ganz an-dere Steuersysteme haben und einige beim Einkommenordentlich zugreifen. Sie verweisen nicht auf Länder wiedie Vereinigten Staaten von Amerika, wo den öffentli-chen Kassen über die Erbschaftsteuer jährlich immerhinrund 70 Milliarden Dollar zufließen. Sie verweisen auchnicht auf Italien, welches die Erbschaftsteuer im Jahre2006 – man höre und staune – wieder eingeführt hat.In Ihrem Antrag kritisieren Sie den Gesetzentwurf derBundesregierung und fordern letztendlich den Verzichtauf jegliche Erbschaftsbesteuerung. Sie fordern den Ver-zicht auf 4 Milliarden Euro, die wir für Kindertagesstät-ten, Schulen und Krankenhäuser brauchen.
Auch ich habe viel am Regierungsentwurf zu kritisieren;darüber werden wir zu gegebener Zeit sprechen. Hiernur so viel: Das jährlich anfallende Erbvolumen wird inden nächsten Jahren massiv ansteigen. Seriöse Schätzun-gen gehen von insgesamt 130 Milliarden Euro aus.Wenn die Regierung dabei bleibt, wie es in ihrem Ge-setzentwurf steht, über die Erbschaftsteuer nur 4 Milliar-den Euro einnehmen zu wollen, so ist das de facto schoneine Senkung; und das kritisieren wir.
Erbschaften werden in Deutschland immer häufigerzu einem wesentlichen Faktor der Vermögensbildung.Die Regierung der Großen Koalition entlässt gerade diewirtschaftlich Leistungsfähigen immer stärker aus ihrersozialen Verantwortung: Senkung des Spitzensteuersat-zes, Nichterhebung der Vermögensteuer und tenden-zielle Absenkung der Erbschaftsteuer – das ist keine so-zial gerechte Politik.
Ich muss Ihnen den Vorwurf machen, dass Sie der Öf-fentlichkeit einen Gesetzentwurf vorlegen, obwohl Sieim Dunkeln stochern. Unsere Fraktion hat nach denAuswirkungen der Reform des Erbschaftsteuer- undBewertungsrechts gefragt. Was haben Sie geantwortet?Die Fragen 5 bis 12 werden zusammenhängend wiefolgt beantwortet: Zu den erfragten Werten zurdurchschnittlichen Erbschaftsteuerbelastung liegenkeine Angaben vor.Ich frage mich, wie Sie Ihre Gesetze machen, wenn Sieuns, dem Parlament, nicht einmal sagen können, welcheAuswirkungen dieses Gesetz hätte. Das kann doch wohlnicht sein.
Werden wir konkret: Eine Erbschaft oder eine Schen-kung ist aus Sicht des Empfängers immer ein Vermö-genszuwachs. Allerdings sind die Chancen der Bürgerin-nen und Bürger, in den Genuss einer Erbschaft unddamit zu Vermögen zu kommen, äußerst ungleich ver-teilt. Zwei Drittel der Bevölkerung über 17 Jahren verfü-gekFzümm1kH51iagVSdutEmi1ddvdGdSseaPisSsbntlutdWEmME
ir sehen die Möglichkeit und die Notwendigkeit, dierbschaftsbesteuerung zu reformieren, und zwar so, dassehr Geld in die öffentlichen Kassen kommt. Unserereinung nach besteht ein Potenzial, 6 bis 8 Milliardenuro jährlich einzunehmen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14765
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Dr. Barbara HöllKlipp und klar gesagt: Auch für uns als Linke ist eswichtig, dass jeder und jede die Sicherheit hat, im Todes-fall eines Angehörigen das selbstgenutzte Eigenheimweiter nutzen zu können, ohne sich aufgrund der Erb-schaftsteuer zu verschulden. Das kann man über Freibe-träge sicherstellen. Es ist aber notwendig, endlich einmalder Lebensrealität ins Auge zu sehen. Wir müssen unsvon der absoluten Privilegierung nach Verwandtschafts-graden lösen. Es gibt nun einmal auch viele Menschen,die zusammenleben, aber nicht die Möglichkeit haben,zu heiraten, die nicht verwandt sind, aber eine ähnlicheBehandlung bei der Erbschaftsteuer brauchen. Ich findees gut, dass sich die CDU/CSU da etwas bewegt hat, zu-mindest was Partnerschaften angeht. Aber da gilt es wei-terzudenken.Auch beim Betriebsvermögen gibt es Möglichkeiten,wenn man an den sachlichen Wirtschaftsgütern im Be-trieb anknüpft und nicht einfach allgemein sagt: Der Be-trieb soll die nächsten zehn Jahre weiterbestehen. Denndas ist eine Überforderung durch das Steuerrecht.Wir haben konkret diesen Vorschlag vorgelegt: Wirmüssen das Erbschaftsteuerrecht so ändern, dass mehrsoziale Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutsch-land hergestellt wird.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun die Parlamentarische Staatssekretä-
rin Nicolette Kressl.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lassen Sie mich zunächst in Ergänzung desRedebeitrags von Herrn Bernhardt, der Herrn Thieleschon auf einige falsche Bewertungen in Sachen Unter-nehmensbesteuerung hingewiesen hat, daran erinnern,dass vor einigen Jahren die Anrechenbarkeit der Gewer-besteuer auf die Einkommensteuer eingeführt wordenist, was zu einer deutlichen Entlastung der mittelständi-schen Unternehmen, die der Einkommensteuer unterlie-gen, geführt hat. Dies war bereits ein ganz wichtigerSchritt. Ich finde, das hätten Sie beim Thema „Einkom-mensbesteuerung bzw. Unternehmensbesteuerung desMittelstandes“ nicht unterschlagen sollen.
Zur Sache selbst. Die Bundesregierung hat am11. Dezember des vergangenen Jahres den Entwurf desGesetzes zur Neuordnung des Erbschaftsteuer- und Be-wertungsrechts im Kabinett beschlossen. Derzeit liegt erdem Bundesrat zur Stellungnahme vor. Er wird zügig inden Bundestag eingebracht werden; Herr Bernhardt hatdas schon angesprochen. Auch ich gehe davon aus, dassder Gesetzentwurf den Fraktionen in der nächsten Sit-zungswoche zur Beratung vorliegen wird.jegdItnsnvWnezsldpstLvtdsWerksEfZdhtwtHtretaEed
ch lege nämlich sehr großen Wert darauf, dass die Frak-ionen im parlamentarischen Verfahren auch die Ergeb-isse der Anhörungen bewerten.Zur Zielsetzung. Die Bundesregierung hat sich zwi-chen zwei wichtigen Anforderungen bewegt. Zum ei-en war der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtsom 7. November 2006 zur Erbschaftsteuer umzusetzen.ie Sie wissen, genügt das bestehende System insoweiticht der Verfassung, als bei den Vermögensarten beiinheitlichem Steuersatz unterschiedliche Wertansätzeugrunde gelegt werden. Das bedeutet, wir müssen dafürorgen, dass sich die Bewertung in Zukunft in allen Fäl-en am gemeinen Wert orientiert. Zum anderen hat sichie Große Koalition bereits zu Beginn dieser Legislatur-eriode zum Ziel gesetzt, Unternehmensnachfolgen erb-chaftsteuerlich zu erleichtern. Da die detaillierte Bera-ung noch aussteht, will ich im Folgenden unsereeitlinien darlegen.Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, künftigom gemeinen Wert auszugehen, würde ohne anderwei-ige Veränderungen – das muss man betonen – zu einemeutlich höheren Aufkommen führen. Dieses theoreti-che Mehraufkommen soll nach unserem gemeinsamenillen bei den Erben verbleiben, indem einerseits derngste Familienkreis entlastet und andererseits die Gene-ationenfolge von Betrieben begünstigt wird.Dazu einige Details. Angehörigen, die in Steuer-lasse I sind, werden künftig kräftig angehobene per-önliche Freibeträge eingeräumt: 500 000 Euro fürhegatten, 400 000 Euro für Kinder und 200 000 Euroür Enkel. Dies gilt, wohlgemerkt, pro Erwerber. Unseriel war immer – es ist auch politisch so formuliert wor-en –, den Wert eines durchschnittlichen Einfamilien-auses abzudecken. Dass dieser Wert regional sehr un-erschiedlich sein kann, ist in der politischen Debatte,ie ich glaube, immer deutlich geworden.
Die entfernteren Verwandten und die Nichtverwand-en, die in den Steuerklassen II oder III sind, werden, wieerr Bernhardt erwähnt hat, stärker belastet; das ist rich-ig. Ich bin aber ganz sicher, dass wir in den parlamenta-ischen Beratungen noch darüber diskutieren können, obs möglich ist, eine Differenzierung zwischen verwand-en und nichtverwandten Erben vorzunehmen.Zum Betriebsvermögen. Was das Betriebsvermögenngeht, haben wir gerade für den Mittelstand wichtigerleichterungen vorgesehen. Er profitiert zunächst voninem großzügigen Verschonungsabschlag. 15 Prozenter Bemessungsgrundlage werden pauschal als nichtbe-
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Parl. Staatssekretärin Nicolette Kresslgünstigt bestimmt. Im Übrigen erfolgt eine vollständigeFreistellung. Zusätzlich ist im Gesetzentwurf vorgese-hen, einen sogenannten gleitenden Abzugsbetrag inHöhe von 150 000 Euro zu gewähren. Dies führt im Er-gebnis dazu, dass Betriebsvermögen im Gesamtwert von1 Million Euro steuerfrei gestellt wird. Bis zu einem Ge-samtwert des Betriebsvermögens in Höhe von 3 Millio-nen Euro wird der Abzugsbetrag abgeschmolzen. HerrThiele, auch diesen Hinweis habe ich in Ihrer Rede ver-misst. Sie haben nämlich unterstellt, dass jede Vererbungvon Unternehmen automatisch versteuert wird.Im Gegensatz dazu muss sichergestellt sein, dass dieVerschonung von Betriebsvermögen zielgenau ausge-staltet ist; mir ist wichtig, auch das deutlich zu machen.Diese Vorgabe entspricht nicht nur unserer politischenAuffassung, sondern erfolgt auch – das muss hinzuge-fügt werden – aus dem verfassungsrechtlichen Grund,dass Verschonungen sehr genau begründet werden müs-sen. Wenn man sich die Entscheidung des Bundesverfas-sungsgerichts genau durchliest, sieht man nämlich sehrdeutlich: Wenn verschont wird, muss diese – ich setzedas in Anführungszeichen – „Privilegierung“ begründetsein, zum Beispiel durch Nutzen für das Allgemeinwohl.Deshalb hat sich die Regierung dafür entschieden, eineLohnsummenregelung sowie eine Behaltensfrist vorzu-sehen. Ich vermute, auch darüber werden wir nach derAnhörung diskutieren. Es gilt allerdings, um das nocheinmal deutlich zu machen, der Grundsatz, dass Ver-schonungen gut begründet sein müssen, damit die Rege-lung verfassungsgemäß bleibt. Wir wollen im Parlamenteinen sauberen, verfassungsfesten Gesetzentwurf verab-schieden.
Auch bei der Bewertung werden wir den Besonder-heiten der verschiedenen Branchen Rechnung tragen. ImRegierungsentwurf wird kein bestimmtes Bewertungs-verfahren vorgeschrieben; auf diese Weise können dieBesonderheiten der maßgeblichen Wirtschaftskreise be-rücksichtigt werden.
Einzelheiten sollen – das haben Sie von der FDP in Ih-rem Antrag geschrieben, und das ist richtig – in einerRechtsverordnung geregelt werden. Ein entsprechenderEntwurf wird erstellt. Wir planen, diesen Entwurf demDeutschen Bundestag rechtzeitig vor Beginn seiner Be-ratungen zur Verfügung zu stellen.
Vorhin hat es geheißen, es gebe einen Wortbruch inBezug auf die Koalitionsvereinbarung.
– Nein, es ist kein Wortbruch. Sie haben entweder unter-schlagen oder nicht bemerkt, dass wir zu einem anderenSystem übergegangen sind.SAtVpwrudgugbephsdbFcSztAb4ddzLatGdthesgd
ie sind von einem anderen technischen Weg, von einembschmelzungsmodell ausgegangen, das nur für das un-ernehmerische Vermögen – das sogenannte produktiveermögen – gilt. Gegenstände, die typischerweise derrivaten Lebensführung dienen, waren nach diesem Ent-urf von der Begünstigung ausgeschlossen.Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsge-ichts haben wir politische Diskussionen darüber geführtnd uns für das vorliegende Konzept entschlossen, mitem wir einerseits eine sehr weit gehende und großzü-ige Lösung für Unternehmensübergänge bereitstellennd andererseits die Vorgaben des Bundesverfassungs-erichts dadurch erfüllen, dass nicht mehr zwischen deneiden Vermögensarten unterschieden werden muss. Sotwas hätte sicherlich zu schwierigen Debatten geführt.
Gestatten Sie mir einen wichtigen Hinweis – Steuer-olitik wird ja meist als sehr trockener Bereich angese-en –: In diesem Gesetzentwurf spiegeln sich auch ge-ellschaftliche Veränderungen wider. Wir erreichen mitem Regierungsentwurf auch für die eingetragenen Le-enspartnerschaften ein Stück mehr Gleichstellung.
ür eingetragene Lebenspartner gilt künftig der glei-he Freibetrag wie für Ehegatten. Es ist wichtig, dass dertaat, wenn sich zwei Menschen rechtlich gegenseitigur Übernahme von Verantwortung bekennen, dies posi-iv anerkennt.
Eine Anmerkung zur Frage des Aufkommens. Dasufkommen der Erbschaftsteuer soll – das ist mehrfachetont worden – dem derzeitigen Niveau von ungefährMilliarden Euro entsprechen. Die Berechnungen, beienen konkrete Fälle zur Erprobung herangezogen wur-en, wurden – es ist wichtig, das deutlich zu machen –usammen mit den Ländern erstellt, übrigens auch mitändern, in denen die FDP an der Regierung beteiligt ist.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Regierung hat,usgehend von den vereinbarten politischen Eckpunk-en, einen ausgewogenen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieroße Koalition hat von Anfang an deutlich gemacht,ass Erbschaften und Schenkungen in Deutschland wei-erhin besteuert werden sollen. Der Deutsche Bundestagat dies in seiner Entschließung vom 25. Mai 2007 nochinmal deutlich gemacht. Es ist für die Bundesregierungelbstverständlich, sich nun konstruktiv an den Beratun-en im Parlament zu beteiligen, und ich gehe davon aus,ass dies auch für die Oppositionsfraktionen gelten wird.Vielen Dank.
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Nun hat Kollege Gerhard Schick, Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichmöchte zu dem Thema Erbschaftsteuer und dem Antragder FDP-Fraktion drei Fragen ansprechen. Erstens. Wel-che Rolle hat die Erbschaftsteuer, und was heißt das fürdas Aufkommen, vielleicht auch für die Frage der Zu-ordnung zwischen Bund und Ländern? Zweitens. Wel-che Bürokratielasten entstehen daraus? Drittens. Washeißt dies in Bezug auf die veränderten gesellschaftli-chen Bedingungen? Frau Kressl hat diesen Punkt ebenauch angesprochen.Wenn man sich anschaut, was in den letzten Jahren inDeutschland passiert ist, dann ist eine Sache bemerkens-wert, jedoch meines Erachtens in der gesellschaftlichenDiskussion völlig unterbelichtet. Es ist das Faktum, dasssich die Zahl der überschuldeten Haushalte in den letzten15 Jahren verdoppelt hat. Es gibt also ein größeres Volu-men an Erbschaften, weil es ein größeres Geldvermögengibt und das ist auch nicht verwunderlich, wenn manweiß, dass Vermögenspositionen und Schulden aus öko-nomischer Sicht etwas miteinander zu tun haben –, esgibt eine große Anzahl von überschuldeten Haushalten,übrigens nicht nur im Osten unseres Landes, sondernauch im Westen, und zwar aus ganz unterschiedlichenGründen. Das heißt, wir haben eine Auseinanderent-wicklung zwischen Haushalten, die Vermögen akkumu-lieren können, und Haushalten, die sich immer stärkerverschulden.Es gibt eine Steuer, die versucht, hier eine Klammerzu setzen, die Erbschaftsteuer; das ist ihre Rolle im Steu-ersystem. Wir in Deutschland meinen, es uns leisten zukönnen, diese Steuer nicht weiterzuentwickeln und unterden Anteilen vermögensbezogener Steuern anderer Staa-ten zu bleiben, obwohl wir hier ein deutliches Auseinan-derklaffen haben. Ich glaube, das ist falsch.
Wir müssen auch sehen, dass es sich hierbei nicht nurum eine personenbezogene Verteilungs- und Aus-gleichswirkung handelt, also um eine Klammerwir-kung, die verhindert, dass unsere Gesellschaft auseinan-derfällt – ich fand das Eucken-Zitat von Frau Höll hiersehr gut platziert –, sondern natürlich auch um eine re-gionale Wirkung. Wir versuchen, mit der Erbschaft-steuer sicherzustellen, dass Bildung nicht nur in einigensehr reichen Bundesländern im Süden unseres Landes fi-nanziert werden kann, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern, in Niedersachsen, in Brandenburg, inSachsen etc.Ich finde es schon interessant, dass die Kolleginnenund Kollegen der FDP-Fraktion sagen: Ignorieren wirfaire Bildungschancen für die Menschen in diesen Län-dern; sie interessieren uns nicht. – Das geschieht vordem Hintergrund, dass die Studierendenzahlen in dennächsten Jahren steigen und dass der WissenschaftsratuermemwsDrSswbbadnDsedbtaehvDrSbzdngesbdjkBoeI
ie schlagen uns vor, das zu beschließen. – Nach Be-chlusslage Ihrer Partei beinhaltet Ihr Vorschlag, dassir nicht nur einen europäischen Steuerwettbewerb ha-en, sondern auch noch einen deutschlandinternen Wett-ewerb zwischen den Bundesländern, damit das Steuer-ufkommen weiter geschmälert wird. Damit schaffen Sieie Erbschaftsteuer de facto ab. Sie schaffen damit ge-au die Klammer ab, die unser Land zwingend benötigt.as ist genau der falsche Weg.
Ich komme zum zweiten Punkt, zu den bürokrati-chen Belastungen. Herr Bernhardt, Sie haben gesagt,s werde wie bei der Unternehmensteuerreform auch beier Erbschaftsteuerreform eine vernünftige Lösung ge-en. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es bei der Un-ernehmensteuerreform nur aufgrund eines großen Kraft-kts gelungen ist, die Bürokratielasten zu mildern. Ichrinnere Sie an die geringwertigen Wirtschaftsgüter. Ichoffe, dass es uns auch bei diesem Gesetzentwurf mitereinten Kräften gelingt – vor allem auch mithilfe desrucks aus der Opposition –, dass Sie nicht weitere bü-okratische Lasten aufbauen.
teuerexperten sprechen hier von einem weltfremdenürokratischen Monster. Ich glaube, das sollten Sie sichu Herzen nehmen. Ich erinnere im Zusammenhang miter Unternehmensteuerreform daran, dass wir schon we-ige Monate nach der Verabschiedung im Jahressteuer-esetz die ersten Korrekturen vornehmen mussten, weils nicht gut gemacht war. Ich hoffe, dass das bei der Erb-chaftsteuer besser läuft.
Kleinbetriebe werden natürlich begünstigt; Sie ha-en von der Entlastung gesprochen. Ich glaube aber,ass Sie sich zu Herzen nehmen müssen, dass ein 15-ähriger Zeithorizont einfach zu lang ist. Die Schwan-ungen bei der Lohnsumme führen dazu, dass sich einetrieb 15 Jahre lang Gedanken darüber machen muss,b er durch Veränderungen im Betrieb nicht plötzlich zuiner Nachzahlung gezwungen wird, zum Beispiel imnsolvenzfall. 15 Jahre sind eine sehr lange Zeit. Ich
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Dr. Gerhard Schickfrage Sie, ob die Entlastung dieser Betriebe aufgrund bü-rokratischer Lasten, verringerter Gestaltungsmöglichkei-ten und der Verkomplizierung der unternehmerischenEntscheidungen nicht sehr teuer erkauft ist. Ich glaube,dass Sie hier in die falsche Richtung gehen und dass un-ser Vorschlag, höhere Freibeträge einzuführen, damiterst gar keine Bewertung der Betriebe erfolgt, der bes-sere ist. Lassen Sie ihn sich noch einmal durch den Kopfgehen.
Eines zu Frau Kressl. Die Einzelheiten der Bewertungmüssten ja eigentlich ins Gesetz. Sie haben gesagt, dassSie die Verordnung gleichzeitig vorlegen wollen.
Das ist ein guter Vorschlag. Eines aber ist wichtig: DerNormenkontrollrat muss alles, auch das Bewertungsver-fahren, überprüfen. Dann erst wissen wir wirklich, wel-che bürokratischen Lasten damit verbunden sind. WennSie das tun und wenn wir eine ehrliche Diskussion da-rüber führen, dann lassen wir uns darauf ein. Ich glaubeaber, dass es in der Koalition ein böses Erwachen gebenwird, weil Sie merken werden, dass die bürokratischenLasten immens sind.
Letztes Stichwort: Modernisierung. Frau Kressl, Siehaben die gesellschaftliche Veränderung angespro-chen. Schauen Sie sich einmal an, wie viel sich in unse-rem Land verändert und wie sich die Familien heute zu-sammensetzen. Wahlverwandtschaften spielen eine vielgrößere Rolle. Gerade bei älteren Menschen gibt es häu-fig ein Zusammenleben ohne Trauschein. In Frankreichwurde jetzt eine interessante Zahl veröffentlicht, die dasLand bewegt hat. 2007 war die Zahl der Kinder, dienichtehelich geboren wurden, zum ersten Mal größer alsdie Zahl der Kinder, die in Ehen hineingeboren wurden.Ich habe mir daraufhin einmal die Zahl in Deutschlandangeschaut. Auch hier gab es in den letzen Jahren einedeutliche Entwicklung, nämlich ein Plus von über60 Prozent.Ich glaube, angesichts dieser Veränderungen ist IhreFixierung auf die engen Erbschaftsverhältnisse nichtüberzeugend.
Das ist ein Beispiel für die Veränderung der gesellschaft-lichen Beziehungen. Hier springen Sie insgesamt zukurz.Sie haben gesagt, dass Sie bei den Lebenspartner-schaften einen Schritt nach vorne gehen. Sie haben nurdie eine Seite der Medaille erwähnt. Sie haben gesagt,dass Sie den Freibetrag erhöhen. Bei den Steuerklassenändert sich nichts: Hier werden die Lebenspartner nachwie vor wie fremde Menschen behandelt.mznAwFwdLllddInWdMSlC1rscebsrssfnbs
llerdings habe ich sie nicht nach deutschem Recht ge-ählt, sondern nach dem Recht unseres Nachbarlandesrankreich, weil Homosexuelle dort nicht diskriminierterden.Ich glaube, man sollte sich einmal klarmachen, wieie Situation in Deutschland ist. Menschen in diesemande, die Verantwortung füreinander übernehmen wol-en, schauen mit Neid auf unsere europäischen Nachbar-änder, wo es einen diskriminierungsfreien Zugang zuiesem Recht gibt: in Spanien, in Frankreich, in den Nie-erlanden, in Dänemark und in Schweden.
n Deutschland aber schaffen wir es wegen einer bor-ierten gesellschaftlichen Diskussion und wegen desiderstandes der Ministerpräsidenten aus der Union inen Ländern – mit Unterstützung der FDP – nicht, dieseodernisierung zu erreichen. Ich fordere Sie auf: Gebenie sich einen Ruck und schaffen Sie es, dass hier end-ich Gleichberechtigung herrscht.Danke schön.
Ich erteile Kollegen Christian Freiherr von Stetten,
DU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am5. Februar 2008 werden wir den von der Bundesregie-ung erarbeiteten Entwurf eines Gesetzes zur Erbschaft-teuerreform hier im Plenarsaal beraten. Heute, drei Wo-hen vor Beginn der parlamentarischen Sacharbeit, alsoigentlich zum völlig falschen Zeitpunkt,
eraten wir diesen Antrag der FDP-Fraktion. Man darfich die Frage stellen, was die FDP damit eigentlich er-eichen will.Ihr Antrag lautet: „Keine Steuererhöhung bei der Erb-chaftsteuer – Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaft-teuer- und Bewertungsrechts zurückziehen“. Abschaf-en will die FDP die Erbschaftsteuer also scheinbaricht. Denn auf Ihrem Parteitag haben Sie etwas andereseschlossen. Auch in Ihrem Antrag ist von einer Ab-chaffung der Erbschaftsteuer keine Rede.
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Christian Freiherr von StettenWenn Sie an der Erbschaftsteuer festhalten wollen,Herr Thiele, dann bleibt von Ihrem Antrag eigentlich nurnoch die Teilüberschrift „Keine Steuererhöhung bei derErbschaftsteuer“ übrig. Damit sind Sie – der KollegeOtto Bernhardt hat das schon angesprochen – von dem,was wir wollen, gar nicht weit weg. Das steht übrigensexplizit in unserem Kabinettsbeschluss, den Sie kritisie-ren. Das Erbschaftsteueraufkommen beträgt etwa4 Milliarden Euro. Genau diese Summe ist Beschluss-lage der Großen Koalition. Was soll also Ihr Antrag kurzvor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen?Ich schlage vor – das hat die Staatssekretärin vorhin an-gemahnt –: Wir warten den ordnungsgemäßen Gesetz-gebungsprozess ab, bis der Regierungsbeschluss am15. Februar das Parlament offiziell erreicht. Nach derersten Lesung im Parlament wird es eine Anhörung mitden betroffenen Bürgern und Verbänden geben. Dannkönnen wir auch über die sachlichen Vorschläge derFDP diskutieren. Ich sage ganz deutlich an die Adressedes Finanzministeriums: Frau Staatssekretärin, es wirdÄnderungen an diesem Gesetzentwurf geben müssen.
– Genau deswegen melden wir Änderungsbedarf an,Herr Pronold. Bei diesem Gesetz gilt das Gleiche wie beiallen anderen: Laut dem nach Ihrem Fraktionsvorsitzen-den Peter Struck benannten Struck’schen Gesetz kommtkein Gesetz aus dem Bundestag so heraus, wie es vonder Regierung eingebracht wurde.
Das wird schon deswegen passieren, weil die Bundes-länder Änderungsanträge einbringen und beschließenwerden. Heute Morgen sind in meinem Büro 13 Ände-rungsanträge von unterschiedlichen Bundesländern ein-gegangen, übrigens auch von Bundesländern, in denendie FDP an der Regierung beteiligt ist. Auf Landesebenebeteiligt sich die FDP konstruktiv an der Beratung desGesetzentwurfs.
Eine Verweigerungshaltung reicht jedenfalls nicht aus.Die Kommission unter Roland Koch, dem Minister-präsidenten von Hessen,
und Bundesminister Steinbrück hat sicherlich gute Ar-beit geleistet. Aber die Beschlüsse der Koch/Steinbrück-Kommission haben für mich keinen Verfassungsrang.Herr Spiller, Sie haben die Koch/Steinbrück-Kommis-sion bestimmt noch nicht in unserem Grundgesetz ge-funden. Dort sind der Bundestag, der Bundesrat und an-dere Organe als Verfassungsorgane aufgeführt.
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Herr Thiele, wir werden in den Beratungen Ihreunkte aufgreifen. Ich bin völlig Ihrer Meinung: Eine5-jährige Haltefrist ist nicht akzeptabel. Einen ent-prechenden Änderungsantrag werden wir in die Bera-ungen einbringen. Ich sage unserem Koalitionspartneranz klar: Das steht nicht in unserem Koalitionsvertrag.
enn wir unterschiedlicher Auffassung sind, müssenir den Koalitionsvertrag zurate ziehen, Herr Pronold.
Ich weiß, dass der Urteilsspruch des Bundesverfas-ungsgerichts unsere Arbeit nicht gerade vereinfacht.ber alle am Gesetzgebungsprozess Beteiligten solltenich daran erinnern, wie die Diskussion über eine Re-orm der Erbschaftsteuer gestartet ist. Es war der7. März 2005, also vor fast genau drei Jahren, als deramalige Bundeskanzler Gerhard Schröder von derPD, der damalige Vizekanzler Joschka Fischer vomündnis 90/Die Grünen, die CDU-Vorsitzende Angelaerkel und der damalige CSU-Vorsitzende Edmundtoiber in einer gemeinsamen Sitzung zum Jobgipfeline Änderung der Erbschaftsteuergesetzgebungeschlossen haben. Es wurde beschlossen, die Unterneh-ensübertragung zu erleichtern und das Erbschaftsteuer-echt entsprechend zu ändern. Danach soll die Erbschaft-teuerschuld für jedes Jahr der Betriebsfortführungestundet und das Betriebsvermögen völlig erbschaft-teuerfrei auf die nächste Generation übertragen werden,enn der Betrieb zehn Jahre fortgeführt wird. Das ist dieusgangslage unserer Beratungen. Darüber bestand einroßer, parteiübergreifender Konsens. Herr Thiele, ob-ohl die FDP bei den damaligen Gesprächen im Kanz-eramt nicht dabei war, unterstützte sie – so habe ichumindest Ihren Parteivorsitzenden Westerwelle ver-tanden – diese Initiative. Wir wollten das gemeinsamm Bundestag verabschieden.
Dieses Ziel sollten wir bei den Beratungen nicht ausen Augen verlieren.
ie Bundesregierung hat den Betroffenen entsprechendeusagen gegeben. Wir werden es nicht zulassen, dassamilienunternehmen ins benachbarte erbschaftsteuer-reie Ausland getrieben werden.
as sind Leistungsträger unserer Gesellschaft, die wir innserem Land behalten wollen.
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Christian Freiherr von StettenZum Abschluss darf ich Ihnen als Baden-Württem-berger noch sagen: Es gibt sicherlich kein Land inDeutschland, das über diese einmalige Struktur von gro-ßen, mittleren und kleinen Familienunternehmen ver-fügt. Die außergewöhnlich positive Entwicklung, dieBaden-Württemberg in den letzten Jahrzehnten genom-men hat, hat sicherlich mit diesen erfolgreich geführtenFamilienbetrieben und ihren engagierten Mitarbeitern zutun. Unser Land wird nicht mehr wiederzuerkennen sein,wenn eine ideologisch geprägte Erbschaftsteuerreform,wie sie gerade wieder von den Linken vorgetragenwurde, die Abwanderung dieser Familienbetriebe insAusland zur Folge hat. Das werden wir nicht zulassen.Ich freue mich auf die gemeinsame Diskussion in dennächsten Wochen und Monaten im Ausschuss und binmir sicher, dass wir zur Mitte des Jahres ein vernünftigesErbschaftsteuergesetz vorlegen werden, mit dem den In-teressen der Familienunternehmen Rechnung getragenwird.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Hermann Otto Solms,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich will in der Kürze der Zeit noch auf einigeFakten hinweisen.Zunächst einmal, Herr Kollege Schick, haben wirnicht die Abschaffung der Erbschaftsteuer gefordert,sondern wir haben gefordert, dass der Gesetzentwurf desKabinetts zurückgenommen wird.
Dass wir darüber heute diskutieren, liegt daran, dass dasKabinett im Dezember darüber beschlossen hat. Es warnatürlich klar, dass wir möglichst zeitnah die Debattedazu führen wollen. Es ist auffallend, dass die Koali-tionsfraktionen den Kabinettsbeschluss bislang nichtübernommen haben.
Deswegen wollen wir als Opposition in diese Diskussioneingreifen.Das Zweite, was ich sagen will: Wir halten uns besseran die Fakten.
In den letzten zehn Jahren betrug das Erbschaftsteuer-aufkommen im Schnitt 3,2 Milliarden Euro. Sie haben4 Milliarden Euro beschlossen, ohne zu wissen, wie dieSituation im nächsten Jahr überhaupt sein wird.Dh–ndUwwssdvisScSJmUNZANDhflaLLDiEfkWw
eswegen bedeutet dieser Beschluss eine Steuererhö-ung.
Lassen Sie mich doch bitte ausreden; ich habe nur we-ig Zeit.
In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie beschlossen,ass die Erbschaftsteuer ganz entfallen soll, wenn dasnternehmen nach der Übergabe mindestens zehn Jahreeitergeführt wird. Davon ist das Kabinett jetzt in zweiesentlichen Punkten abgewichen: zum einen 15 Jahretatt 10 Jahre Haltefrist, zum anderen nicht 100 Prozent,ondern nur 85 Prozent. Wenn Sie jetzt davon ausgehen,ass die Bewertung des Betriebsvermögens sich etwaervierfachen wird, dann heißt das, dass die Erbschaftm Vergleich zu früher immer noch zu 60 Prozent be-teuert wird.
Für die Betroffenen klingt das jedenfalls so, als hättenie ihnen etwas Falsches versprochen. Dieses Verspre-hen geht noch auf die Kanzlerschaft von Gerhardchröder zurück. Die Vereinbarung ist damals auf demobgipfel getroffen worden, und Sie haben sie übernom-en.Es ist wichtig, darauf hinzuweisen; denn die älterennternehmer, gerade die Mittelständler, sind dabei, ihrenachlass zu regeln. Sie müssen wissen, woran sie sind.weieinhalb Jahre sind sie am Nasenring durch dierena geführt worden und wissen nicht, wie sie ihrenachlass regeln sollen.
as Gleiche gilt für die Notare, die unsicher sind und biseute nicht wissen, was sie machen sollen, und jetztürchten, dass sie hinter die Fichte geführt werden sol-en.
Lassen Sie mich noch etwas dazu sagen, warum wiruf unserem Parteitag beschlossen haben, daraus einandesrecht zu machen. Die Erbschaftsteuer ist eineandessteuer.
as wissen auch Sie, Herr Schick. In einem Föderalstaatst es richtig, dass man die Gebietskörperschaften beiinnahmen und Ausgaben so trennt, dass wir dem Ver-assungsauftrag, dass das Demokratieprinzip zur Wir-ung kommt, Rechnung tragen können. Die Bürger, dieähler können doch nur entscheiden, wenn sie wissen,er wofür verantwortlich ist.
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Dr. Hermann Otto SolmsDass die Landesfinanzminister das nicht wollen, ist klar.Sie wollen sich hinter dem Bundestag verstecken, aberkassieren. Deswegen stimmen auch die Berechnungen,denen die Landesfinanzminister zugestimmt haben,nicht, weil die natürlich Kasse machen wollen.
Das liegt aber in deren Verantwortung. Sie sollen selbstentscheiden, wie hoch die Erbschaftsteuer sein soll.Dass das funktioniert, zeigt das Beispiel Schweiz, woes sich um eine Kantonalsteuer handelt. Es gibt Kantone,die keine Erbschaftsteuer erheben, und es gibt Kantone,die eine Erbschaftsteuer erheben, und zwar jeweils inunterschiedlicher Höhe und in unterschiedlicher Art undWeise. Wenn man es so machen würde, hätte man einenWettbewerbsföderalismus, der dem ganzen Land nur guttäte.Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung machen.Was ist die Wirkung der Erbschaftsteuer? Mit der Erb-schaftsteuer wird das Prinzip der Nachhaltigkeit, das jadie Grünen immer im Munde führen, beschädigt. Denndie Menschen, die Vorsorge betreiben, sparen, auf Kon-sum verzichten und für sich, ihre Kinder und Enkel et-was aufbauen,
werden bestraft. Aber diejenigen, die das Geld ausgeben,verschwenden
und sich zum Schluss darauf verlassen, der Staat werdeim Alter schon für sie sorgen, werden sozusagen be-lohnt.
Wenn Sie das Prinzip der Nachhaltigkeit, das gesell-schaftspolitisch von größter Relevanz ist, nicht strapa-zieren wollen, dann müssen Sie die Erbschaftsteuer sogestalten, dass sie maßvoll ist, möglichst wenig Unter-schiede macht und nur wenige trifft. Dann brauchten sieauch weniger Freibeträge mit niedrigen Steuersätzen.Damit würden Sie dieses Prinzip erhalten.
m simple Erbfälle regeln zu können. Einen solchen Bü-okratieaufbau würde ich dem ansonsten von Ihnen im-er gelobten Normenkontrollrat vorlegen.
Natürlich, es sei denn, die Erbschaftsteuer würde kom-lett abgeschafft. Aber das wollen Sie angeblich nicht.ie müssen schon wissen, was Sie eigentlich wollen.Herr Thiele, Herr Bernhardt hat vorhin deutlich ge-acht, dass auch zukünftig 90 Prozent der Erbfälle,enn nicht sogar mehr, nicht der Besteuerung unterlie-en werden. Wir haben wie vereinbart eine Regelung füren Mittelstand getroffen.In der Koalitionsvereinbarung steht übrigens noch einaum zitierter Teilaspekt: Es ist ein Abschmelzmodellm Lichte des Bundesverfassungsgerichtsurteils umzu-etzen. Es ist von Nicolette Kressl angesprochen wor-en, dass wir – wir kommen jetzt zur Geschichte diesesntwurfs – bereits ein Abschmelzmodell hätten,
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14772 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Florian Pronold
über zehn Jahre mit der kompletten Abschmelzung.Wir saßen beim Jobgipfel zusammen. Wir waren unssogar bereits einig. Damit wäre eine komplette Ab-schmelzung erfolgt.
– Falsch. Fragen Sie den Herrn Bernhardt, der saß mitdabei.
Er kann Ihnen sagen, warum es gescheitert ist. Ers-tens. Wir haben dort die Arbeitsplatzklausel vereinbart.Es war Herr Glos, der das gestoppt hat – so viel zurWahrheit. Zweitens. Wir haben dort zwischen produkti-vem und unproduktivem Vermögen getrennt.
Dann kam überwiegend aus der Union die Kritik, dassman das nicht machen kann. Nun haben wir eine Rege-lung, und deswegen ist es keine Abweichung.
Der Professor Crezelius hat seinerzeit behauptet: Diedamals so gelobte Regelung mit der kompletten Ab-schmelzung, 100 Prozent, aber nur bei produktivem Ver-mögen, führt dazu, dass viele Unternehmen steuerlichstärker belastet werden als ohne die 100-prozentige Ent-lastung, weil es eben auch sogenanntes nichtproduktivesVermögen – Beispiel: Pachtflächen in der Landwirt-schaft – gibt. – Deswegen haben wir eine Regelung ge-troffen, die auch diesen wirtschaftlichen Gegebenheitenin den Unternehmen Rechnung trägt
und die 85 Prozent der eigentlichen Steuerschuld ab-schmelzen kann.
Darin ist auch noch sogenanntes unproduktives Vermö-gen enthalten, das sonst komplett der Besteuerung unter-worfen wird. Das ist eine wirklich mittelstandsfreundli-che und gute Regelung.
Ich darf Sie daran erinnern, was der Ausgangspunktder Debatte war: Wir wollten etwas für Familienunter-nehmen tun, die den Betrieb fortführen. Wir wolltennichts für diejenigen tun, die einen Betrieb erben, ihnmöglichst schnell weiterverkaufen, um dann steuerbe-günstigt das Erbe zu verjubeln.Wenn wir Betriebsvermögen begünstigen, gebieten esder politische Sachverstand wie auch das Urteil des Bun-dMkbmddlwvraIÄ–dIhWGeMwudDtsKenzfeGddsd
ch habe von der Länderseite heute einen ganzen Bergnderungsanträge erhalten.
Schön. – Über diese Änderungsanträge können wir re-en.
ch habe überhaupt kein Problem damit. Nur, Sie habenier mit beschlossen: 4 Milliarden Euro Aufkommen.enn man dann einen Änderungsantrag einbringt, dereld kostet, muss man zum Ausgleich einen andereninbringen, der wieder Geld einbringt.
an kann draußen nicht immer nur etwas verkünden,as den Staat Geld kostet, den Leuten also etwas bringt,m dann zu sagen: Aber die Sozis sind dafür zuständig,ass das Geld an anderer Stelle wieder hereinkommt.
as kann nicht die Arbeitsteilung in der Großen Koali-ion sein.Ich bin wirklich überrascht, Herr von Stetten, dass Sieo wenig Zutrauen zum hessischen Ministerpräsidentenoch haben. Sie haben in Ihrem Redebeitrag eine Wahl-mpfehlung für Hessen gegeben, die ich von CDU-Seiteicht erwartet hätte. Eine so große Übereinstimmungwischen uns beiden hätte ich nie vermutet. Auch ichinde, dass Andrea Ypsilanti eine bessere Erbschaftsteu-rreform aushandeln würde. Am Sonntag ist eine guteelegenheit, im Hinblick auf eventuelle Nachgefechte inieser Frage dafür zu sorgen, dass sie die Möglichkeitazu erhält. Wenn aus der CDU entsprechende Unter-tützung kommt, indem man Herrn Koch kritisiert,
ann überrascht und freut mich das.
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Florian PronoldWir haben – Herr Schick, darauf will ich gerne einge-hen – eine ganze Menge Aspekte, die Sie angesprochenhaben, in dem Verfahren behandelt, zum Beispiel auchBürokratie. Das Abschmelzmodell ist an sich bürokra-tisch, weil man 10 oder jetzt 15 Jahre lang
immer wieder überprüfen muss, ob der Betrieb fortge-führt wird. Wer auf ein solches Modell setzt, der nimmteinen Bürokratieaufwuchs bewusst in Kauf. Gerade wirals SPD waren übrigens in den Debatten schon weiterund hätten uns auch andere Modelle vorstellen können,die einfacher gewesen wären und diesen Bürokratieauf-wuchs nicht gebracht hätten.Aber in der Frage des Bewertungsrechtes, die Sieauch angesprochen haben, haben wir uns auf Maßstäbegeeinigt, die ohne große zusätzliche Bürokratie herange-zogen werden können. Maßstab bei den Grundstückensollen die Vergleichspreise sein. Wir haben einen riesi-gen Grundstücksmarkt, sodass eine ganze Menge vonVergleichswerten vorliegt, die man heranziehen kann,ohne Gutachter oder andere groß beschäftigen zu müs-sen. Beim Betriebsvermögen haben wir uns darauf ge-einigt, die in der Branche üblichen Verfahren heranzu-ziehen. Bei einem Betriebsübergang muss das Vermögenohnehin ermittelt werden. Es entsteht also kein zusätzli-cher Aufwand für die Bewertung im Rahmen der Schen-kung- bzw. Erbschaftsteuer. Das neue Bewertungsrechtsoll also zu einem Bürokratieabbau führen.Letzter Punkt. Ich bin wirklich stolz darauf, dass esuns mit dem Regierungsentwurf gelungen ist, die gleich-geschlechtlichen Lebenspartnerschaften endlich defacto den Ehen gleichzustellen.
Das ist ein großer Erfolg. Herr Schick, ich verstehe, dassSie es schön fänden – auch ich habe dafür gekämpft –,wenn man es geschafft hätte, von der Steuerklasse III aufdie Steuerklasse I umzustellen. Aber ich bitte, zu regis-trieren, dass es wirklich kein kleiner, sondern ein Rie-senschritt ist, wenn der Freibetrag von 10 200 Euro jetztauf 500 000 Euro erhöht wird und der Versorgungsfrei-betrag von 400 000 Euro im Bürgerlichen Gesetzbuchhinzukommt. Im Ergebnis werden dann 95 Prozent derLebenspartnerschaften genauso wie Ehen behandelt wer-den. 95 Prozent werden keine Erbschaftsteuer zahlen.Das ist gut so, weil die Lebenspartner füreinander Ver-antwortung übernehmen. Wer Pflichten hat, der soll auchRechte haben.
Ich gebe zu, es wäre schön gewesen, wenn wir unsauch auf eine Änderung der Steuerklasse hätten einigenkönnen. Aber ich glaube, das ist nur noch eine Frage derZeit. Moderne Entwicklungen setzen sich in den Ansich-ten politischer Gruppierungen unterschiedlich schnelldurch. Aber die Zeichen der Zeit sind eindeutig. DieMktgdhwtddbptDdlKbsGdsAbhE1dBWsdrefgtm
eil wir damit Bildung und Forschung sowie Kinderbe-reuung in den Ländern finanzieren wollen. Es hätteurchaus Möglichkeiten dazu gegeben. Die Union warazu nicht bereit. Viele wollten sogar gar nichts. Nun ha-en wir uns auf diesen Kompromiss geeinigt. Die Eck-unkte, die wir versprochen und die Sie hier im Bundes-ag mitbeschlossen haben, haben wir sehr gut umgesetzt.ie werden wir auch so vor der Sommerpause ins Bun-esgesetzblatt bringen.Herzlichen Dank.
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich Kol-
egen Michael Fuchs, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebeollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lie-er Herr Kollege Pronold, vieles von dem, was Sie ge-agt haben, findet unsere Zustimmung; wir haben dasanze ja gemeinsam vereinbart. Aber wir wollen auchie Dinge herausstellen, bei denen wir deutlich unter-chiedlicher Meinung sind. Sie wollten bei dembschmelzmodell unbedingt bei 30 Prozent und nichtei 15 Prozent landen. Gott sei Dank hat sich die Unionier durchgesetzt; denn das ist der richtige Weg.
s ist auch richtig, dass wir festgelegt haben, dass diese5 Prozent die Diskussion über produktive und unpro-uktive Vermögen überflüssig machen; denn das wäreürokratie im Quadrat gewesen.
ir wissen auch, wie so etwas abläuft. Es wäre äußerstchwierig gewesen, hier klar zu differenzieren. Das ister richtige Weg; den sollten wir weitergehen.
Ich erlaube mir eine kurze Bemerkung zu Ihren Äuße-ungen zum Kollegen Koch aus Hessen: Hier halte ichs, Herr Pronold, doch lieber mit Ihrem Kollegen, demrüheren Bundeswirtschaftsminister Clement, der unsanz klare Hinweise gegeben hat, was wir am Sonntagun sollten. Das gefällt mir schon besser. Nehmen Sie esir bitte nicht übel, dass ich das so sehen muss.
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Dr. Michael Fuchs
Wenn ich nun noch etwas zur Sache sagen darf, dannfällt mir als Erstes das Geburtstagskind von gestern ein,Herr Pronold. Ich möchte ihm auch nachträglich vondieser Stelle aus gratulieren. Peter Struck hat ja dasStruck’sche Gesetz in dieses Hohe Haus eingeführt – sowollen wir es auch bei der Erbschaftsteuerreform halten –:Kein Reformentwurf ist so in den Deutschen Bundestaghineingegangen, wie er herauskommt. Wir haben ebennoch eine Menge zu verändern.Hier halte ich es auch mit meinem lieben KollegenRamsauer, der gesagt hat: Dieses Reformpaket ist einRohling, und nun wollen wir diesen Rohling schleifen
und in die Richtung bringen, dass wir ein vernünftigesGesetz machen, das der Wirklichkeit und vor allem derSituation der Familienbetriebe gerecht wird. Es mussunsere Aufgabe sein, die Unternehmen, denen wir helfenwollen, nämlich gerade den deutschen Familienunter-nehmen, möglichst weitgehend steuerfrei zu stellen;denn sie belassen die Arbeitsplätze in Deutschland undwandern nicht so schnell ab. Viele von ihnen haben „le-benslänglich Deutschland“. Unsere Aufgabe besteht da-rin, dafür zu sorgen, dass deren Arbeitsplätze inDeutschland erhalten bleiben.
Durch das Bundesverfassungsgericht sind wir in einerrelativ schwierigen Situation, weil es uns vorgegebenhat, eine Gleichstellung hinzubekommen und eine klareBegründung vorzulegen, warum wir die Unternehmenweitgehend von der Erbschaftsteuer freistellen wollen.Aber ich denke, dass wir hier auf dem richtigen Wegesind.
Für total falsch halte ich die Haltefrist von 15 Jahren.Ich bin selber Unternehmer gewesen; ich sage Ihnen:Das muss geändert werden.
Ich will das begründen. Wir haben noch zwei Jahre vor-her eine Haltefrist; insgesamt geht es also um 17 Jahre.Das sind, auf Unternehmensebene gerechnet, zwei Ge-nerationen. Es muss möglich sein, in einer so langenFrist etwas mehr und deutlicher zu verändern.Falsch ist auch, dass in der letzten Verhandlungsrundedie Pro-rata-temporis-Abschmelzmethode herausgenom-men wurde. Es ist angebracht, dass man, wenn jemandbeispielsweise acht oder neun Jahre sein Unternehmenweitergeführt hat, dies dann aber etwa aus gesundheitli-chen Gründen nicht mehr kann, ihm entsprechend80 Prozent oder 90 Prozent erlässt.
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arin sind wir uns sicherlich einig. Ich bitte die Staats-ekretärin, uns den Verordnungsentwurf so bald wieöglich zuzuleiten, damit wir ihn diskutieren oder dientsprechenden Regelungen sogar noch in das Gesetzinbauen können. Ich halte das für sinnvoll.
Kollege Fuchs, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Thiele?
Lieber Herr Kollege, Sie ermöglichen mir eine län-
ere Redezeit. Das ist schön.
Das ist nicht primär meine Absicht. Ich habe einerage an Sie, Herr Kollege Fuchs: Wenn die Erbschaft-teuer auf dem Bewertungsrecht aufbaut, dann wäre esas Selbstverständlichste von der Welt, dies wie bishern einem Gesetz zu regeln statt in einer Verordnung.enn unabhängig davon, wie die Verordnung inhaltlichusgestaltet wird, gilt, dass der Bundestag nicht an einernderung der Verordnung beteiligt werden muss. Da esber um eine elementare Frage für die Bemessungs-rundlage der Erbschaftsteuer geht, halte ich es für rich-ig, von vornherein eine entsprechende gesetzliche Re-elung vorzusehen. Denn nur dann ist gewährleistet,ass Änderungen nur vom Gesetzgeber vorgenommen
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Carl-Ludwig Thielewerden können. Denn die Gesetzgebungskompetenzliegt nicht bei irgendeiner Verwaltung, sondern beimDeutschen Bundestag.
Verehrter Herr Kollege, manchmal hilft es, zuzuhö-
ren. Ich habe eben deutlich gemacht, dass wir das even-
tuell in das Gesetz aufnehmen,
um zu einer klaren Regelung zu kommen, über die wir
jederzeit die parlamentarische Kontrolle ausüben. Es tut
mir leid, wenn Sie das nicht mitbekommen haben, weil
Sie sich mit dem geschätzten Kollegen Solms ausge-
tauscht haben.
Ich möchte noch zwei weitere Punkte anführen. Vor
kurzem habe ich dem Kollegen Steinbrück einen Brief
geschrieben, verehrte Frau Staatssekretärin, in dem ich
ihn gebeten habe, mir mitzuteilen, welche höheren Steuer-
einnahmen er aus der Kündigung des Doppelbesteue-
rungsabkommens mit Österreich erwartet. Ich warte
noch auf eine Antwort. Ich habe ihm meinen Brief schon
vor vier Wochen geschickt; ich sollte vielleicht nachfra-
gen, ob er in dem großen Haus verloren gegangen ist. Ich
verspreche mir von Herrn Steinbrücks Maßnahme zu-
sätzliche Einnahmen, Herr Pronold, die wir dann in an-
deren Bereichen einsetzen können, um die Steuersätze
etwas zu korrigieren.
Denn wenn der Kollege Steinbrück das Doppelbesteue-
rungsabkommen mit Österreich kündigt – das kommt
fast einer Kriegserklärung gleich –, dann müssen wir da-
von ausgehen, dass er sich davon hohe Einnahmen ver-
spricht. Aber meines Wissens sind diese Einnahmen bis-
her nicht in das Aufkommen von 4 Milliarden Euro
eingerechnet. Das heißt, wir erhalten höhere Einnahmen,
die wir dann beispielsweise dafür verwenden können,
um zwischen den Steuerklassen II und III zu differenzie-
ren und Korrekturen an den Steuersätzen vorzunehmen,
was ich für richtig halte.
Lassen Sie mich zum Abschluss feststellen: Es muss
unser Ziel sein, die mittelständischen Unternehmen wei-
testgehend von der Erbschaftsteuer freizustellen. Da-
durch können Arbeitsplätze in Deutschland gesichert
werden, und wir können dafür sorgen, dass die Gemein-
wohlverpflichtung, durch die diese Arbeitsplätze in
Deutschland erhalten bleiben, auch belohnt wird. Das
war unsere gemeinsame Absprache, die im Koalitions-
vertrag festgehalten ist. Dieser gemeinsamen Absprache
wollen wir nachkommen. Das werden wir auch verwirk-
lichen.
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desregierung eingebrachten Entwurfs einesVierten Gesetzes zur Änderung des Gen-technikgesetzes– Drucksache 16/6814 –– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurfs einesErsten Gesetzes zur Änderung des EG-Gen-technik-Durchführungsgesetzes– Drucksache 16/6557 –– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-ordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Dr. Edmund Peter Geisen,weiteren Abgeordneten und der Fraktion derFDP eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzeszur Änderung des Gentechnikgesetzes– Drucksache 16/4143 –Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
– Drucksache 16/7868 –Berichterstattung:Abgeordnete Peter BleserElvira Drobinski-WeißDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannUlrike Höfkenb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz zudem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken,Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENSchutz von Mensch, Umwelt und gentechnik-freier Produktion im Gentechnikrecht bewah-ren– Drucksachen 16/6943, 16/7868 –Berichterstattung:Abgeordnete Peter BleserElvira Drobinski-WeißDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannUlrike Höfkenc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz zu
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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thiersedem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken,Bärbel Höhn, Cornelia Behm und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENEinfuhrverbot für Produkte aus dem gentech-nisch veränderten Mais MON863 anordnen– Drucksachen 16/4905, 16/5948 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Max LehmerElvira Drobinski-WeißDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannUlrike Höfkend) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz zudem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken,Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENKennzeichnung gentechnikfreier Fütterungbei tierischen Produkten ermöglichen– Drucksachen 16/6944, 16/7283 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Max LehmerElvira Drobinski-WeißDr. Christel Happach-KasanDr. Kirsten TackmannUlrike Höfkene) Beratung des Antrags der Abgeordneten UlrikeHöfken, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENEinfuhrverbot für den gentechnisch veränder-ten Mais MON810 anordnen und den Verkaufvon MON810-Saatgut stoppen– Drucksache 16/7835 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung desGentechnikgesetzes liegt ein Entschließungsantrag derFraktion Die Linke vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundes-minister Horst Seehofer das Wort.Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Zunächst einmal freue ich mich, dass wir nach lan-ggGdSmrjedmkhsdlvsWzDladbDCtdwimzsuddsfbaDPRskaBzt
Die Grüne Gentechnik ist bekanntlich eine noch sehrunge Technologie. Sie ist in vielen Bereichen der Welttabliert. Bei uns in Europa bzw. in Deutschland findetie Anwendung in eher bescheidenem Maße statt. Damitan die Dinge, die sicherlich in der nächsten Stunde dis-utiert werden, richtig einordnen kann, muss man daraufinweisen, dass es im Moment in Deutschland aus-chließlich um die Nutzung von Genmais geht und dassie Fläche, die für den Anbau von Genmais in Deutsch-and zurzeit genutzt wird, deutlich unter 1 Prozent liegt.Wie bei jeder jungen Technologie gibt es auch hieriele unerforschte Fragen. Die Aussage, es sei alleschon erforscht, ist so nicht zutreffend. Deshalb ist es derille der Koalition und auch der Regierung, dass wir Jaur Forschung vor allem in Deutschland sagen.
as betrifft die Sicherheitsforschung, um vor allem auchangfristige Entwicklungen zu erkennen. Das betrifftber auch die Entwicklungsforschung, zum Beispiel fürie nächste Generation von möglichen Nutzungen, etwaei Energiepflanzen.Wir wollen die Forschung, und wir wollen sie hier ineutschland. Wir wollen nicht, dass uns Länder wiehina oder Indien Nachhilfestunden in der Grünen Gen-echnik geben, weil die Forschung eben nicht hier, son-ern im Ausland betrieben wird. Ein Land, das so wieir in der Wissensgesellschaft lebt und hoch entwickeltst, darf sich nicht künstlich unwissend stellen. Deshalböchte ich hier noch einmal ein eindeutiges Bekenntnisur Forschung formulieren. Dabei steht auch in der For-chung das Vorsorgeprinzip, also der Schutz von Menschnd Umwelt, an vorderster Stelle. Damit machen wireutlich, dass es nicht um einen blinden Fortschritt, son-ern immer um einen ethisch verantwortlichen Fort-chritt geht.Ich stelle Wissenschaftlern in Deutschland, ob im öf-entlichen Dienst, in Universitäten oder in der Wirtschafteschäftigt, immer die Frage: Wo können Sie in Europauf diesem Feld besser als in der Bundesrepublikeutschland forschen? Nennen Sie mir bitte ein einzigesrojekt, das Sie in Deutschland wegen der rechtlichenahmenbedingungen, die wir mit dem vorliegenden Ge-etzentwurf sogar noch verbessern, nicht verwirklichenönnen. – Ich muss Ihnen sagen: Da herrscht Fehl-nzeige. Deshalb ist die ständige Behauptung, dieedingungen in Deutschland seien nicht so, um unterumutbaren Voraussetzungen forschen zu können, unzu-reffend.
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Bundesminister Horst SeehoferIch darf das Parlament davon unterrichten, dass imMoment 38 gültige Freisetzungsanträge – Freisetzung istdie Genehmigung für ein Forschungsvorhaben unterFreilandbedingungen – laufen. Meine erste Feststellungim Rahmen eines verantwortlichen Umgangs mit dieserjungen Technologie ist, dass wir die Forschung wollen,wir sie ermöglichen und unter verantwortlichen Bedin-gungen in Deutschland nutzen.
Wie jede neue Technologie wird auch die Gentechnikvon Ängsten und Ablehnungen begleitet. Es gibt darübereine sehr heterogene Diskussion. Wer im Lande unter-wegs ist, wird sie nicht ausblenden können. Deshalbmöchte ich hier für die Regierung deutlich sagen, dassdas, was die Koalition im Koalitionsvertrag vereinbarthat, in dem Gesetzespaket, das heute zur Abstimmungsteht, seinen Niederschlag gefunden hat. Trotz unseresBekenntnisses zu Forschung, Entwicklung und einerweiteren Nutzung lautet das oberste und wichtigste Prin-zip bei der Nutzung der Grünen Gentechnik: Der Schutzvon Mensch und Umwelt bleibt bestehen. Das ist hierberücksichtigt worden.
Das war für uns bei der Definition der Forschungsbe-stimmungen und bei der Aufstellung der Regeln zurKoexistenz, also der Wahlfreiheit für die Landwirte, undvor allem auch bei der Wahlfreiheit für die Verbraucherbeim Einkauf von Lebensmitteln maßgeblich.Man hört immer wieder Äußerungen wie „Die ande-ren machen das doch auch“, „Unter wirtschaftlichen Ge-sichtspunkten müssen wir in jedem Fall die Chancennutzen, unabhängig davon, wie wir die Risiken bewer-ten“ oder – das ist in den letzten Wochen besonders inden Mittelpunkt gerückt – „Wir müssen die Gentechnikschon deshalb anwenden, weil sonst die Futtermittelver-sorgung in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehrgewährleistet ist“. Ich sage hier ganz deutlich für die Re-gierung, dass wirtschaftliche Überlegungen das Vorsor-geprinzip nicht außer Kraft setzen dürfen.
Ich habe mich seit vielen Jahren auf verschiedenenFeldern mit der Gentechnik beschäftigt. Früher war aus-schließlich der Gesundheitsminister für die Gentechnikzuständig. Ich fühle mich an manche Diskussionen überdie Rote und die Weiße Gentechnik erinnert. Ich erlaubemir hier den Satz, dass die Akzeptanz einer Technologieoft mit dem Wissen um ihre fachlichen Zusammenhängewächst. Deshalb werden wir noch viel mit der Bevölke-rung, mit den Betroffenen kommunizieren müssen. Ichkann mich daran erinnern, wie die Debatte über die RoteGentechnik in der Medizin in Deutschland Anfang der90er-Jahre begonnen hat.
Viele möchten heute an diese Diskussion und die damalsgebrauchten Argumente nicht mehr erinnert werden.
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Ich möchte darauf hinweisen, dass die Regierung inen nächsten Wochen sehr nachdrücklich für eine Re-orm des Verfahrens der Zulassung von gentechnischeränderten Organismen eintreten wird. Die Zulassungrfolgt auf europäischer Ebene und ist für alle Mitglieds-änder der Europäischen Union verbindlich. Heute istas Verfahren ein politischer Vorgang, der von den Zu-älligkeiten der politischen Zusammensetzung der ver-chiedenen Räte abhängig ist. So, Wolfgang Zöller, kannas nicht bleiben. Ich mache da eine Anleihe bei der Zu-assung der Hightecharzneimittel. Deren Zulassung er-olgt durch die Arzneimittelagentur in London auf wis-enschaftlicher Basis, sie ist transparent und rechtlichberprüfbar und basiert auf allen, auch unterschiedlichenenkrichtungen der Wissenschaft. Es ist ganz wichtig,ass wir dieses Zulassungsverfahren objektivieren unduf eine wissenschaftlichere Grundlage stellen.
Ich denke, wir haben eine Reihe von guten Regeln fürie Koexistenz in der Landwirtschaft gefunden. Dasriedliche Nebeneinander von verschiedenen Nutzungs-rofilen – biologischer Anbau, konventioneller Anbaund Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen – ist gege-en. Wir haben jetzt Regeln für den Transport, für diernte und für die Lagerung gentechnisch veränderterflanzen. Die gab es vorher nicht. Es sind Regeln überie Abstände festgelegt worden. Der Abstand von Fel-ern, auf denen sich gentechnisch veränderte Organis-en befinden, zu denen, auf denen konventioneller An-au stattfindet, beträgt jetzt 150 Meter, der Abstand zueldern eines Biobauern 300 Meter.
orher betrug der Abstand mangels Regelungen null; so-it haben wir jetzt gegenüber früher 300 Meter mehr.as möchte ich hier festhalten. Ich bin froh, dass wiriese Regelungen gefunden haben. Es sind Nachbar-chutzregeln, und sie haben zum Ziel, dass derjenige, dernders anbauen möchte, im Regelfall vor der Auskreu-ung geschützt wird. Mit den Abständen, mit denen wirm europäischen Mittelfeld liegen, können wir unsurchaus präsentieren. Ich sage denjenigen, die diesesesetz besonders kritisieren, obwohl sie in den letztenahren für diesen Bereich Verantwortung getragen ha-en, dass diese Regelung deutlich klarer und strenger istls die, die ich übernommen habe.
eshalb ist die Koexistenz gewährleistet.Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zur Kenn-eichnung machen. Auch hierüber gibt es eine eigenar-ige Diskussion. Es gibt eine verpflichtende Kennzeich-
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Bundesminister Horst Seehofernung, und die gilt europaweit. Diese Kennzeichnung istdann verpflichtend, wenn ein Lebensmittel gentechnischveränderte Organismen enthält. Nun ist eigenartig, dassdiejenigen, die mir vorwerfen, dass die Kennzeichnungunklar oder sogar täuschend ist, verschweigen, dass beider jetzt gültigen Regelung zur Gentechnikkennzeich-nung Spuren von gentechnisch veränderten Organismenenthalten sein können, weil europaweit die Kennzeich-nung erst bei einem Schwellenwert von 0,9 Prozent not-wendig ist. Somit können Spuren von gentechnisch ver-änderten Organismen im Lebensmittel enthalten sein,ohne dass dieses gekennzeichnet sein muss.Wer mich – wie die FDP-Fraktion – auffordert, es beider gegenwärtigen Kennzeichnungsregelung zu belas-sen, der muss wissen, dass er dafür eintritt, dass Lebens-mittel in den Regalen stehen können, die gentechnischveränderte Spuren enthalten und nicht kennzeichnungs-pflichtig sind. Deshalb sage ich Ihnen: Wer die jetzigeKennzeichnungsregelung beibehalten möchte, der infor-miert die Verbraucher falsch. Unsere Regelung isteindeutig: Ein Produkt mit der Kennzeichnung „ohneGentechnik“ darf keine Gentechnik enthalten. „OhneGentechnik“ bedeutet, dass das Produkt – ganz gleich,ob tierischen oder nichttierischen Ursprungs, also Eier,Milch, Wurst oder anderes –, das der Verbraucher kauft,ohne jede gentechnische Substanz sein muss. Wenn dasder Fall ist, dann kann es mit der Aufschrift „ohne Gen-technik“ gekennzeichnet werden. Dies ist eine ehrlicheKennzeichnung.
Wir verabschieden heute ein Gesetzespaket, das klareund sichere Regeln für alle Anwender, auch für die Ver-braucher, beinhaltet. Damit ist die Debatte um die GrüneGentechnik nicht abgeschlossen. Was wir tun, ist ein ge-setzgeberischer Zwischenschritt. Ich empfehle uns, dieweitere Debatte in einem Dialog zu führen, auch mit derBevölkerung, mit den Verbrauchern. Niemand sollte sicheinbilden, dass er dieses Thema der Bevölkerung einfachüberstülpen kann. Wir müssen uns um diesen Dialog mitallen Pros und Kontras bemühen.Bei dieser Gelegenheit möchte ich manchen, die hierdirekt vor mir sitzen, sagen: Wenn man sich derKant’schen Empfehlung beugt, nämlich sich seines Ver-standes zu bedienen, dann ist man gut beraten. Einesgeht nicht: dass ich zum gleichen Thema am gleichenTag, sogar in der gleichen Stunde, von Frau Künast„dreistes Täuschungsmanöver“ höre, um dann von FrauHöhn, die der gleichen Fraktion angehört, „Diese Rege-lung mit der Kennzeichnung ist längst überfällig“ zu hö-ren.
Ich bitte um Sachlichkeit und Dialog.Ich bedanke mich.
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anke schön, das ist eine sehr wichtige Klarstellung. Ichin Ihrer Meinung.In einem anderen Punkt bin ich allerdings nicht Ihrereinung: Seit inzwischen elf Jahren werden weltweitentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Ich finde,in Kind, das elf Jahre alt ist, gehört nicht mehr in deninderwagen und auch nicht mehr in den Kindergarten.ch weiß ganz genau: Diese Kinder wollen in die Schulend wollen sich weiterentwickeln. Daher scheint mir,ass es sich um eine falsche Einschätzung handelt, wennan nach elfjähriger Anwendung von einer neuen Tech-ologie spricht.
Ich war mit einigen Personen auf der Grünen Woche;ir haben uns da getroffen. Es gab Veranstaltungen.um Beispiel hat der Evangelische Entwicklungsdienstine Diskussionsveranstaltung „Essen global – Produk-ion egal? Experten werfen einen Blick über den Teller-and: Welche Folgen hat unser Konsum für Kleinbauernn Nord und Süd?“ organisiert. Dort fand eine wichtigeiskussion statt.Eine Buchautorin stritt in dieser Diskussion erregt füras Verbot der Grünen Gentechnik und nebenbei auchür ihr Buch; doch keine einzige Hand regte sich. Eserrschte Stille, obwohl die Zuschauerreihen voll besetztaren. Die 70 Prozent der Bevölkerung, die angeblichegen Gentechnik sind, hatten wohl gerade Pause, oderie waren indisponiert; auf jeden Fall waren sie nicht da.as regt an zu den Fragen: Wie kommen entsprechendemfragen zustande, und welche Aussagekraft habenie? Können sie wirklich Maßstab für politisches Han-eln sein?
Ich will an Folgendes erinnern: 1978 wurde Louiserown, das erste Retortenbaby, geboren. 70 Prozentehnten die damit verbundene Technologie ab. Inzwi-chen haben wir Hunderttausende von Kindern, die dankieser Technologie geboren wurden.Im letzten Herbst fragte David Harnasch in der Fuß-ängerzone von Freiburg nach Dihydrogenmonoxid. Dieefragten Freiburger wollten den Stoff sofort verbieten.ach einer repräsentativen Umfrage, vorgetragen auf derünfjahresfeier des Bundesinstituts für Risikobewer-ung, lehnten 70 Prozent unserer Bevölkerung Dihydro-enmonoxid ab. Warum? Dihydrogenmonoxid ist Was-er.
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Dr. Christel Happach-Kasan
Wenn man etwas komisch fragt, dann will die Mehr-heit sogar Wasser verbieten, genauso wie die Gentech-nik, obwohl niemand von uns mit Produkten der GrünenGentechnik oder der Weißen Gentechnik je schlechte Er-fahrungen gemacht hat. Die Beispiele zeigen: Es ist eingravierender Politikfehler, Verbraucherumfragen zumMaßstab für politisches Handeln zu machen.
– Liebe Kollegin Tackmann, das hat im Übrigen auchnichts mit Demokratie zu tun.
Wir entscheiden im Deutschen Bundestag nicht, was aufden Tellern unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger ist,
sondern wir entscheiden, welche Voraussetzungen dieseProdukte zu erfüllen haben, und das machen wir gut.
Ich finde es bedenklich, dass auf der linken Seite desHauses ein derartig verqueres Politik- und Demokratie-verständnis vorhanden ist. Bei der Vorstellung der erstenNovelle zum Gentechnikgesetz 2004 hat Renate Künastgesagt, dass es keine Anhaltspunkte für eine Gefährdungder Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbrauchergebe.
– Natürlich, Sie haben das gesagt, und ich zitiere Sie.Das mache ich doch gerne. Das mache ich doch auchgut, wenn Sie so etwas sagen. Sie haben sich auf dieFeststellungen des Bundesinstituts für Risikobewertungberufen, und damit hatten Sie recht.
Ihr Nachfolger, Bundesminister Seehofer, folgt ihr aufdem Fuße und kopiert sie perfekt. Er erklärt vor der Ver-abschiedung des Gesetzes, er sehe keine Gefahren fürVerbraucher und Umwelt. Völlig zu Recht verbürgensich beide, die abgewählte Ministerin und ihr Nachfol-ger, für die Unbedenklichkeit der Produkte der Züch-tungsmethode Grüne Gentechnik.
Aber trotz dieser Erklärung tun beide alles, um denErfolg der Züchtungsmethode zu verhindern. Warum?Es sind ihre vordergründigen parteipolitischen Interes-sen, die sie motivieren.
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s ist der mangelnde Mut, politische Führungskraft zueweisen und den Menschen zu sagen, dass diese Pro-ukte sicher sind.Vor zwei Jahren noch hat Minister Seehofer für mehrffenheit gegenüber modernen Technologien plädiert.as ist vergessen. Jetzt schlingert er von Aussage zuussage. Im April, nach der Aussaat des Bt-Maises, er-olgte ein Betriebsverbot von MON810. Das war vor derahl zum CSU-Landesvorstand. Im Dezember wurdeer Erlass aufgehoben. Das war nach der Wahl zumSU-Landesvorstand. Diese Sorte ist sicher. Spanien istas Land in Europa, das am meisten Erfahrung mit die-er Sorte hat. Ihm können wir vertrauen.Die Bundesregierung hat mit ihrer Initiierung derightech-Strategie richtig erkannt, dass der Erhalt undie Schaffung neuer Arbeitsplätze für die Zukunft derenschen in diesem Land von entscheidender Bedeu-ung sind. Zur Umsetzung der Strategie ist ein inno-ationsfreundliches Gentechnikgesetz von Bedeutung.ie Anhörung hat ergeben, dass Max-Planck-Institut,eutsche Forschungsgemeinschaft, Bundesverbandeutscher Pflanzenzüchter und Deutsche Industrieverei-igung Biotechnologie die Gesetzesnovelle als innova-ionsfeindlich scharf kritisieren.
Herr Minister Seehofer, Ihre Aussagen zur Forschungerden durch die Realität in Deutschland konterkariert.reisetzungsversuche werden zerstört – in Gießenonnte nicht ein einziger ausgewertet werden –, sie wer-en nach wie vor abgelehnt.
as ist nicht Geschichte, sondern wir haben nach wieor die Situation, dass Gentechnikgegner mobilisieren,m Felder zu zerstören.
Es ist ungewöhnlich, dass bei einem Gesetz sowohlie Unternehmerseite als auch die Gewerkschaftsseiteine Position vertreten. Europa verliert seine Wettbe-erbsfähigkeit, so der Geschäftsführer der BASF.
ch appelliere an die Mitglieder aus Rheinland-Pfalz.Die Bundesregierung hat ihr Versprechen, die Spit-enposition in einer Zukunftstechnologie anzustreben,icht gehalten, so der Vorsitzende der DIB. Ministereehofer vollzog eine Kehrtwende und knickte vor derobby der Gentechnikgegner ein, so IG-BCE-Chefubertus Schmoldt. Eine beschämende Bilanz.
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Dr. Christel Happach-KasanDer Bt-Mais-Anbau in Deutschland im vergangenenJahr hat gezeigt, dass die Koexistenz ohne Mühe organi-siert werden kann.
Es ist schon bemerkenswert, liebe Kolleginnen undKollegen, dass Gentechnikgegner sich einen rechtskräf-tig verurteilten Landwirt aus Kanada ins Land holen,
damit er mit unwahren Geschichten die Menschen gegendie Gentechnik mobilisiert. Landwirte, die ihm wider-sprechen wollen, werden daran gehindert. Damit erwei-sen sich einige Gentechnikgegner als Mitglieder einerSekte. Und genau diese Sekte bedient die Große Koali-tion mit dem vorliegenden Gesetzentwurf.
Die CDU/CSU hat einen Wahlbetrug begangen. Sie hatsukzessive nahezu jede Position geräumt:
Rechtssicherheit? Nicht vorhanden. Förderung des An-baus und der Forschung? Nicht vorhanden. EinzigerLichtblick ist die Möglichkeit von nachbarschaftlichenAbsprachen. Mit den neuen Bestimmungen zur „Ohne-Gentechnik“-Kennzeichnung betreibt Minister Seehoferdie Aufweichung seiner eigenen Verordnung. Bauern-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Scheinheiligkeit
hoch drei“, und Renate Künast sagt: „dreistes Täu-
schungsmanöver“; aber in der Protokollerklärung sagen
die Grünen, dass sie die Kennzeichnung begrüßen.
Liebe, arme Grüne, bei Ihnen ist kein innerer Kompass
vorhanden. Sie flattern wie ein Fähnlein im Wind. Wo
sind die Verbände?
– Frau Künast, stellen Sie doch eine Zwischenfrage. –
Die in Deutschland über die Grüne Gentechnik geführte
Debatte gleicht Don Quichottes Kampf gegen die Wind-
mühlen.
– Es freut mich, dass ich den Nerv getroffen habe, Kol-
lege Kelber. Vielen Dank, das war eine Anerkennung.
Wir können in Europa keinen Sonderweg gehen. Als
Wissenschaftsstandort sind wir vielmehr gefordert, ver-
mehrt in Züchtung zu investieren und die kommenden
Herausforderungen zu meistern: den Klimawandel, die
Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung und die
energetische Nutzung von Biomasse. Dafür brauchen
wir gentechnische Züchtungsverfahren.
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D
Liebe Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede
ommen. Halten Sie das Bild also bitte nicht zu lange
och.
– Letzter Satz.
Kartoffeln, die gegen die Krautfäule resistent sind und
uch bei uns wachsen können.
ie enthalten ein Kartoffelgen, das ihnen mit gentechni-
chen Methoden eingepflanzt wurde. Das halten wir für
ut. Diese Kartoffelpflanzen sind besser als solche, die
er Phytophtora erlegen sind.
iese Krankheit hat dazu geführt hat, dass in Irland da-
als Millionen von Menschen gestorben oder ausge-
andert sind.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Die FDP-Bundestagsfraktion lehnt die Gesetze der
undesregierung als innovationsfeindlich ab, ebenso
en Entschließungsantrag der Linken und die Anträge
er Grünen. Wir verweisen auf unseren eigenen Gesetz-
ntwurf, der die Zukunft beschreibt.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegin Elvira Drobinski-Weiß,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichersuche, wieder zur Sachlichkeit bzw., wie einige Kol-eginnen und Kollegen es gerne formulieren, zur Wahr-eit und Klarheit zurückzukehren.Mit dem Gentechnikgesetz und dem dazugehörigenurchführungsgesetz bringen wir die Novellierung desentechnikrechts zu einem guten Ende. Das ist ein Er-ebnis, für das sich beide Koalitionspartner aufeinander-ubewegt haben und Kompromisse eingegangen sind.or allem die Verbraucherinnen und Verbraucher ineutschland haben dabei gewonnen. Damit meine ich
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Elvira Drobinski-Weißauch die 80 Prozent, die Kollegin Happach-Kasan auf ei-ner Veranstaltung vermisst hat, wie sie vorhin gesagt hat.Die neue „Ohne-Gentechnik“-Kennzeichnungsregelungkann einen unhaltbaren Zustand beenden; denn die Re-gelung schafft die Grundlage dafür, dass Verbraucherin-nen und Verbraucher beim Einkauf endlich die Wahl ha-ben.Ich bedanke mich bei Herrn Minister Seehofer dafür,dass wir diese Regelung gemeinsam auf den Weg brin-gen konnten. Die Kennzeichnung liegt meiner Fraktionund mir ganz besonders am Herzen; denn nach unsererAnsicht haben Verbraucher ein Recht auf Informationund ein Recht auf die Möglichkeit, zu wählen.Wer diese Wahlmöglichkeit nutzen will, muss wissen,was die „Ohne-Gentechnik“-Kennzeichnung aussagt.Herr Minister Seehofer hat das vorhin schon kurz darge-stellt. Gestatten Sie mir, dass ich etwas ausführlicherdarauf eingehe. Wenn man in den letzten Tagen die Be-richterstattung zu diesem Thema verfolgt hat, konnteman ein gewisses Durcheinander feststellen. Das eigent-liche Problem ist wohl, dass es an dieser Regelung ein-fach nichts zu kritisieren gibt. Seien wir ehrlich: Dasbringt uns alle offensichtlich ein wenig durcheinander.Die Gräben sind aufgebrochen. Nicht nur ehemalige Kri-tiker werden zu Unterstützern, sondern auch umgekehrt.Auch die Argumente wechseln die Seite. Wer sichansonsten gern der Transparenz verweigert und dieÜberlastung der Verbraucher durch ein Zuviel an Infor-mationen anprangert, fordert plötzlich brutalstmöglicheDeklaration bis ins kleine Mikrodetail. Es ist kein Wun-der, dass die Öffentlichkeit verwirrt ist.Sicher ist, dass die „Ohne-Gentechnik“-Kennzeich-nung ein enormer Fortschritt für die Verbraucher ist.Ohne diese Kennzeichnung müssen sie zurzeit damitrechnen, dass Fleisch-, Eier- und Milchprodukte vonTieren stammen, die mit gentechnisch verändertenPflanzen gefüttert wurden; denn tierische Erzeugnissesind nach EU-Recht nicht kennzeichnungspflichtig. Ein-zig bei ökologisch erzeugten Produkten ist das ausge-schlossen. Denn diese werden ohne Gentechnik erzeugt.Verbraucher, die den Anbau gentechnisch veränderterPflanzen ablehnen, sind also gezwungen, mit ihrem Ein-kauf diesen Anbau zu unterstützen. Auch die Anbieter,die auf solche Futterpflanzen verzichten, haben bisherkeine praktikable Möglichkeit, ihre Produkte auszulo-ben. Das ist ein unhaltbarer Zustand, der jetzt beendetwird.
Wer eine Regelung kritisieren will, die so eindeutigund unzweifelhaft im Interesse der Verbraucherinnenund Verbraucher ist, muss die Argumente gegen die„Ohne-Gentechnik“-Kennzeichnung schon ziemlich anden Haaren herbeiziehen. Ich möchte hier vier Punkterichtigstellen.Erster Punkt. Die neue Regelung zur „Ohne-Gentech-nik“-Kennzeichnung wird im Vergleich zur alten Kenn-zeichnungsverordnung verschärft. Denn nach der altenRegelung konnten auch Erzeugnisse mit einem Anteilgentechnisch veränderter Organismen von bis zu 0,9 Pro-zJddnes„dAsGthtidstPudnwm–nczsdgLnudnzdbEzvtMesvsn
Mein letzter Punkt. Entsprechend den EU-Vorschrif-en für ökologische Erzeugung gibt es hier allerdings dieöglichkeit einer Ausnahme: Wenn ein Zusatzstoff bzw.in Enzym unverzichtbar und nur noch durch gentechni-che Verfahren hergestellt werden kann und nur noch soerfügbar ist, dann darf dieser Stoff sowohl für ökologi-che Produkte als auch für Ohne-Gentechnik-Erzeug-isse eingesetzt werden. Ob es eine Alternative gibt,
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Elvira Drobinski-Weißwird im Einzelfall genau geprüft. Bisher gibt es keineAusnahmen.Gerade der letzte Punkt, die Ausnahme, von der wirnicht wissen, ob sie jemals eintreten wird, wird von denKritikern aufgegriffen, von denen, die unter dem Vor-wand, totale Transparenz schaffen zu wollen, nach Mög-lichkeiten suchen, die „Ohne-Gentechnik“-Kennzeich-nung zu verhindern. Sie haben jahrelang in Kaufgenommen, dass die Verbraucherinnen und Verbrauchergezwungen waren, ohne ihr Wissen mit jedem Kauf denAnbau und die Verfütterung von gentechnisch veränder-ten Pflanzen zu unterstützen. Entweder ist der plötzlicheSchrei nach totaler Transparenz scheinheilig, oder es fin-det hier tatsächlich ein Umdenken statt, und den Ver-braucherinnen und Verbrauchern soll endlich das Rechtauf mehr Information eingeräumt werden. Wir werden essehen.Wir werden das weiter kritisch beobachten: bei derDiskussion über Kennzeichnungsschwellenwerte fürSaatgut, bei der Diskussion über Toleranzwerte für inEuropa nicht zugelassene GVO, aber auch dann, wenn eszu einem neuen Verunreinigungsskandal kommen sollte.Ich hoffe sehr, dass Sie diese Unterscheidung verstan-den haben.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollegin Kirsten Tackmann, Frak-
tion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Werte Gäste! Herr Minister, Sie haben auf derGrünen Woche gesagt, die Entscheidung über die Gen-technik dürfe sich nur nach der Frage richten, ob sie zuverantworten sei. Das Zitat lautet:Es darf niemals unter dem Diktat beantwortet wer-den, weil wir wirtschaftlich dazu gezwungen sind.Diese Aussage haben Sie vorhin dankenswerterweisewiederholt. Ich verstehe bloß nicht, warum Sie den Ent-wurf eines Gentechnikgesetzes vorlegen, durch den dieAnwendung dieser Risikotechnologie noch gefährlicherwird.
Zugegeben, die Gentechnikdebatte ist nicht einfach.Verschiedene Argumente müssen gegeneinander abge-wogen werden. Gerade deshalb hat die Politik eine be-sondere Verantwortung. Es sind sehr komplexe Fragenzu beantworten: ethische Fragen, wissenschaftliche Fra-gen, Fragen nach Nutzen und Risiko und die Frage nachGewinnern und Verlierern.Dabei macht die Linke einen ganz deutlichen Unter-schied: Rote und Weiße Gentechnik werden in einemLabor oder in einer Industrieanlage angewandt; auch dasigPSahsgSwghsSrrSdwfsdeslwSwWrwftgmsVGtbtgHniAisWM
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Beispiel zwei. Nachbarn sollen sich auf einen nochgeringeren Sicherheitsabstand einigen dürfen. Das sindaus unserer Sicht Absprachen zulasten Dritter und wirdauch nicht dadurch geheilt, dass man so etwas in dasStandortregister aufnimmt.Aus der Sicht meiner Fraktion haben die Änderungendes Gentechnikgesetzes eine verheerende Wirkung. Siegefährden das gerade wieder gewachsene Vertrauen derVerbraucherinnen und Verbraucher in die Landwirtschaft.Unsere Agrarwirtschaft hat aber national wie internatio-nal nur dann eine Chance, wenn sie verbraucherorientiertproduziert. Der Verbraucherwille ist aber eindeutig: Le-bensmittel sollen bezahlbar sein, Lebensmittel sollengesund sein, sie sollen tierschutzgerecht und umwelt-schonend produziert werden. Für die Mehrheit der Ver-braucher gehört das Freisein von Agrogentechnik dazu.
Ein gesundes Image unserer Agrarwirtschaft und eineschleichende Verunreinigung durch genetisch verändertePflanzen passen nicht zusammen. Deshalb kann ich demDeutschen Bauernverband nur zustimmen, wenn er denLandwirtinnen und Landwirten rät, diese Risikotechno-logie besser nicht anzuwenden.
Die Linke hat in ihrem Entschließungsantrag zu die-sem Gesetzentwurf die dringendsten Änderungen, dienötig sind, formuliert: Erstens. Jeder Freisetzungsver-such, auch Forschungsanbau, muss für den jeweiligenStandort geprüft werden, und zwar unter demokratischerMitsprache der Betroffenen. Das heißt, dass das verein-fachte Verfahren nicht zur Regel gemacht werden darf.Zweitens. Die gentechnikfreie Imkerei muss dringendgeschützt werden.Drittens. Wir lehnen private Absprachen zur Verrin-gerung der Mindestabstände ab.
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Frau Tackmann, ich kann vieles, was Sie gesagt ha-
en, teilen. Aber das ist ein interessanter Wandel gegen-
ber dem, was wir bei den Linken in Mecklenburg-Vor-
ommern erlebt haben. Wir haben versucht, die
entechnikfreie Produktion zu schützen. Doch das war
artout nicht gewollt.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Die
ollegin Tackmann drängt es.
Nein. Ich will jetzt auf etwas anderes eingehen, undas wäre ein Nebenkriegsschauplatz.
Frau Kollegin Drobinski-Weiß hat gesagt, die Öffent-ichkeit sei verwirrt. So ein Zufall. Herr Ministereehofer kommt so soft daher. Das ist aber kein softeshema. Agrogentechnik ist eine aggressive Technologie.ens Katzek als Vertreter der Agrogentechnik sagt selbst:oexistenz ist nicht möglich. Das sagen wir auch. Agro-entechnik beinhaltet unheimliche Abhängigkeit, ist einngriff auf das Recht auf Eigentum und möglicherweiseuf die körperliche Unversehrtheit und die Gesundheit.
s handelt sich hierbei also um eine Technologie, überie die Auseinandersetzung hart geführt werden muss.
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Ulrike HöfkenMinister Seehofer macht einen auf Helden der bayeri-schen Bauern, auf Bewahrer der Schöpfung; doch hintenmacht er die Tür weit auf. Das wollen wir nicht mitma-chen.
Auch wenn das sicher nicht im Sinne der Kolleginnenund Kollegen gerade von der SPD ist, so ist es leider so,wie es die Bundesregierung auf dem Vorblatt ihres Ge-setzentwurfs schreibt: Das deutsche Gentechnikrecht istso auszugestalten, dass Forschung und Anwendung derGentechnik in Deutschland gefördert werden. So siehtdas Gesetz aus. Wir wollen den Schutz der gentechnik-freien Erzeugung. Dass Vorsorge vernünftig ist, zeigtnicht nur die Rote Gentechnik. Unsere Diskussion hatdoch dazu beigetragen, dass Gesetze erlassen wurden,die dies regeln. Alles andere wäre unverantwortlich ge-wesen.
Ich nenne hier nur Asbest, Contergan, Atomtechnik,DDT oder FCKW.
Es ist keinesfalls so, dass man sagt: Lasst doch dieVorsorge beiseite. Vielmehr haben wir die Verantwor-tung dafür und müssen sie auch wahrnehmen.
Ich will deutlich machen, dass das Gentechnikgesetzdie Schutzstandards massiv verschlechtert, die von Rot-Grün gemeinsam gesetzt wurden. Ich nenne nur die Pri-vatabsprachen, die Ausnahmeregelungen für die For-schung oder die Verwertungsmöglichkeiten. Liebe Kol-leginnen und Kollegen, Sie haben ja noch versucht,Protokollnotizen und Erklärungen zu machen. Ich habesie mir angeguckt; sie haben das leider nicht verbessert.Zusammen mit den unzureichenden Feldabständen,der ungeregelten Lagerung und dem ungeregelten Trans-port wird etwas passieren, was vielleicht nicht intendiertwar: Es wird Krieg in die Dörfer kommen.
Es ist eine Frechheit, dass sich Minister Seehofer da-mit brüstet, schärfere Regeln zu schaffen. Er hat denMais MON810 zugelassen. Dann ließ er diesen Maiszwei Jahre lang ohne die notwendigen Anbauvorschrif-ten anbauen. Damals war der Bundesrat noch massiv da-gegen, dass die gute fachliche Praxis geregelt wurde.Das heißt, er ließ ein Fahrzeug zu, doch die Verkehrs-regeln kamen erst zwei Jahre später und dann auch nochmangelhaft.
Ich komme zu den Privatabsprachen. Sie wurdenschon von verschiedenen Seiten angesprochen. Letztlichist dies trotz aller Verbesserungsaktivitäten der Sozialde-mokraten ein Freibrief zur Verunreinigung. Das hört sichnett, freiwillig und autonom an. Wenn man sich das aberkgseMbdzwePSNgtmWWwdnhdHzzgksudcwvmkUadzog
eit wann ist es in Ordnung, dass Anbauvorschläge denachbarn schon Wochen oder Monate vorher offenzule-en sind? Was ist das für eine Art und Weise freien Un-ernehmertums? Ich finde, das ist ein Skandal.Das Problem ist damit aber noch nicht zu Ende, dassan seine eigenen Anbaupläne plötzlich Gott und derelt offenlegen muss.
enn der Bauer nun doch keinen Mais anbauen will,eil zum Beispiel die Witterung nicht ganz richtig ist,ann ist die Frage, was passiert. Das ist sehr ernst zuehmen. Der Bauer hat dann plötzlich auf die Sicher-eitsabstände verzichtet. Wenn er sagt, ich will jetztoch keinen Mais anbauen, dann ist er auf einmal inaftungsregelungen verstrickt.
Das ist eine völlig praxisferne Regelung, die im Prin-ip mit der Rechtswirklichkeit nichts zu tun hat und dieu massiven Auseinandersetzungen führen wird. Übri-ens wird sie den Behörden auch die Kontrollmöglich-eiten erschweren.
Ein weiterer Punkt ist der Freifahrtschein für die For-chung. Man muss deutlich sagen, dass es sich hierbeim die Forschung mit ungenehmigten Produkten han-elt. Hier werden die Sicherheitsanforderungen ganz lo-ker einfach heruntergefahren. Die Regelungen sind soeit gehend, dass darunter sogar der Forschungsanbauon Gentechnikpflanzen auf mehr oder weniger schlechtit einem Zaun abgesicherten Institutsfeldern fallenönnte. Das heißt, der kommerzielle Anbau könnte untermständen besser geschützt sein als der Forschungs-nbau mit den ungenehmigten Produkten. Auch hier istie Überwachung durch die Behörden fast unmöglich.
Es gäbe noch einiges über die thermische Verwertungu sagen, nämlich über ein In-den-Verkehr-Bringen,hne dass die Überwachungsmöglichkeiten dieser neuenentechnischen Anlagen überprüfbar wären.
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Ulrike HöfkenGanz klar ist auch: Minister Seehofer hat in der Frageder Gentechnik ein langes Sündenregister.
– Ja, wir sind ja über die Besuche des Ministers im Klos-ter unterrichtet. – 2007 hat er im Bundestag gesagt, erhabe noch keine einzige gentechnisch veränderte Pflanzezugelassen. Das stimmt nicht. Das hat er als Gesund-heitsminister getan.
Das war keinesfalls Renate Künast. Als erste Amtshand-lung ließ er auch den Verkauf von Saatgut wieder zu –mit all den Folgen, die es heute gibt.Es geht weiter: Zu neuen Zulassungen von Gentech-nik auf der EU-Ebene hat er Ja gesagt. Es gab Verunrei-nigungsskandale mit nicht zugelassenen GVOs: Raps,Mais und Zucchini. Er sagte, es gibt keine Gefahr für dieVerbraucher; die Behörden sollen schnell reagieren. Waspassiert jetzt? Es gibt Neuregelungen, wonach nicht zu-gelassene GVOs plötzlich verwertet werden dürfen.Zu den Imkern: Es gab die Zusage, die Belange derImker sollten berücksichtigt werden. Was steht im Ge-setz? Die Probleme der Imker sind überhaupt nicht ge-löst.Eben wurde es noch einmal angesprochen: Die For-schung soll nach Minister Seehofer immer nur nach demobersten Prinzip des Schutzes von Mensch und Umweltund ohne Risiken erfolgen. Wir sehen aber ganz deutlichein ungeheures Anwachsen der Zahl problematischerFreisetzungen. Im Jahre 2007 wurden 78 Freisetzungs-experimente in Deutschland durchgeführt, 2001, in derAmtszeit von Ministerin Künast, waren es noch 46.Daneben nenne ich die problematischen Versuche inGatersleben. Ich erinnere auch an das, was in Rostockpassiert ist – Stichwort: Kartoffelpflanzen – und zukünf-tig mit dem Weizen passieren soll. Das alles sind nichtverantwortbare Versuche.
Ganz klar ist auch die weitere Aussage, dass er Raps ab-lehnt. Trotzdem soll er angebaut werden.
Nur ein Satz zur Gentechnikkennzeichnung. Wir fin-den das in Ordnung. Das ist aber nur ein Punkt in einemGesamtpaket. Es ist kein Wunder, dass man sagen muss:99 Prozent dieses Paketes sind miserabel, und wir lehnensie ab. Dieses eine kleine Prozent ist in Ordnung. Manmuss auch sagen: Dass die Futtermittelindustrie hierschäumt, zeigt ja nur, dass sie vor jeder kleinen Transpa-renz und Wahlmöglichkeit der Verbraucher Angst hat.Zum Schluss zu MON810, dem Genmais. Wir stehenwieder vor einer neuen Anbausaison. Darum müssen wiruns mit dem Gentechnikgesetz auch so beeilen. MinisterSeehofer hat das Ganze wieder zugelassen. Ich sagedreLdBngsdAKjlvnkpwdBUvdSZdnd
ind Sie auch bereit, anzuerkennen, dass während dieser
eit Rot-Grün die Bundesregierung stellte und die Bun-
esgesetzgebung zu verantworten hatte?
Ich bitte doch, das noch einmal zu kommentieren.
Kollegin Höfken.
Nur ganz kurz; das ist ja jetzt nicht das Hauptthema.Der Minister der Linken bzw. PDS, wie sie damalsoch hieß, hat diesen Aktivitäten und Zulassungen ein-eutig zugestimmt.
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Ulrike HöfkenProblematischerweise ging es dabei auch um den Raps.Gleiche Erfahrungen haben wir in Sachsen-Anhalt ge-macht.Ich werte ja jeden Erkenntnisgewinn als Fortschritt.Das gilt auch für die Tatsache, dass sich zumindest dieHaltung Ihrer Person geändert hat. Das ist vielleicht dasGute daran.Danke.
Nun hat Kollege Peter Bleser, CDU/CSU-Fraktion,
das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Mit dem heutigen Gesetz hat die Koalition einwichtiges Ziel in dieser Legislaturperiode und für unserLand erreicht. Mit diesem Gesetz bleibt Deutschland In-novationsland. Wir lösen die Blockade beim Einsatz derGrünen Gentechnik. Mit diesem Gesetz erleichtern wirdie Forschung, und wir schaffen mehr Wahlfreiheit fürdie Verbraucher. Mit diesem Gesetz regeln wir endlichden sicheren und praxisnahen Anbau von gentechnischveränderten Pflanzen. Damit haben wir das Gentechnik-gesetz der Vorgängerregierung deutlich verbessert.
Was haben wir im Einzelnen gemacht? Wir haben dieForschung erleichtert. Forschungsvorhaben mit nachge-wiesen sicheren Organismen müssen nur noch angezeigtwerden. Dann kann mit der Forschung sofort begonnenwerden. Das ist Entbürokratisierung. Das ist Kernauf-gabe dieser Koalitionsregierung.Wir haben des Weiteren die Koexistenz zwischendem Anbau von gentechnisch verändertem Mais undkonventionellem Maisanbau. Durch die Definition derguten fachlichen Praxis geben wir den Landwirten end-lich die Möglichkeit zur praxisnahen Handhabung dieserTechnologie. Die Wissenschaft empfiehlt uns: 50 MeterAbstand reichen vollkommen aus, um eine Vermischungsicher zu vermeiden. Wir haben diesen Sicherheitsab-stand um den Faktor 3 vergrößert und ihn beim konven-tionellen Anbau auf 150 Meter festgelegt. Beim Öko-landbau sieht der Koalitionskompromiss 300 MeterAbstand vor. Das hat keine große Bedeutung, weil beimMaisanbau kaum Ökolandbau stattfindet.Für uns ist entscheidend, dass die praktische Handha-bung verbessert wird. Deswegen haben wir im Gesetzdie gute fachliche Praxis aufgegriffen, wonach der Ab-stand null sein kann, wenn das eine nachbarschaftlicheVereinbarung zulässt. Voraussetzung ist aber, dass derNachbar sein Produkt als gentechnisch verändert kenn-zeichnet und diese Vereinbarung im Standortregisterangezeigt wird. Damit haben wir im Wesentlichen alleVoraussetzungen geschaffen, gentechnisch verändertePflanzen anzubauen, wenn es die ökonomischen Bedin-gungen ratsam erscheinen lassen.
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ch bin zuversichtlich, dass die Kraft dieser Leutechnell erlahmen wird, wenn die Zahl der Anbauflächenunimmt.Wir haben bei der Haftung nichts verändert. Es bleibtei der Regelung des Bürgerlichen Gesetzbuches, wo-ach die Haftung nicht eingeschränkt ist.
Das haben wir gerne gemacht, Frau Tackmann; dennir haben in Übereinstimmung mit der guten fachlichenraxis das Ganze so geregelt, dass die Technik auch iner Praxis Anwendung finden kann.
nter Rot-Grün betrug der Abstand null. Wir haben daseändert und die Abstände im Gesetz geregelt.Bei der Kennzeichnung gibt es Verwirrung. Ich willit dem Einfachsten beginnen, um es zu erklären. Jederat bislang mit seinen täglichen Mahlzeiten Stoffe oderrodukte aufgenommen, die in der Produktion mit gen-echnisch veränderten Organismen in Kontakt getretenind. Bei fast 80 Prozent der Milch- und Fleischproduktest das der Fall, weil die Futtermittel gentechnisch verän-ert sind. Das müssen wir den Menschen sagen. Wir wä-en bereit gewesen, für eine entsprechende Kennzeich-ung zu sorgen, damit der Verbraucher weiß, was er zuich nimmt. Nun haben wir uns darauf verständigt, dassach der Ökoverordnung die Kennzeichnung „Ohneentechnik“ auch dann verwendet werden darf, wennusatzstoffe in der Produktion zum Einsatz kommen, dieentechnisch verändert sind, und nichts anderes auf demarkt verfügbar ist. Bei Futtermitteln gilt das nicht. Dasst eine Änderung im Vergleich zu den bisherigen Kenn-eichnungsmöglichkeiten. Aber das ist ehrlich, weil wirie Definition von Grüner Gentechnik entsprechend vor-enommen haben. Ich sage ganz offen: Da waren nichtir die Treiber, sondern das war unser Koalitionspartner.
Es bleibt also jetzt dem Verbraucher überlassen, miter Kenntnis, was hinter der Kennzeichnung „ohne Gen-echnik“ steht, zu entscheiden, welche Produkte er kauft.
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Peter BleserDann wird sich herausstellen, welche Linien sich amMarkt durchsetzen und welche nicht. Aufgabe des Ge-setzgebers ist es, die Wahlfreiheit zu ermöglichen. Dastun wir mit diesem Gesetz in exzellenter Weise.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das gleichzu beschließende Gesetz bewerten. Ich glaube, es gibtkaum eine Technologie, die so emotional diskutiert wirdwie die Grüne Gentechnik. Aber ich hoffe sehr, dass es– das ist mehrfach angesprochen worden – gelingt, dassdie Grüne Gentechnik in der Bevölkerung genauso ak-zeptiert wird, wie es vorher die Rote und später dieWeiße erlebt hat. Ich bin der festen Überzeugung, dassdie Grüne Gentechnik viel mehr Potenzial im Sinne desUmweltschutzes und auch im Sinne der Anwendungenin der Nahrungsmittelerzeugung hat, als heute vielewahrhaben wollen.Ich will ein paar Beispiele nennen. So hat der Einsatzvon gentechnisch veränderten Pflanzen in den Vereinig-ten Staaten zu einer Rückführung des Einsatzes vonPflanzenschutzmitteln seit 2003 in Höhe von 34 Prozentbeigetragen. Ist das kein Ergebnis?
Wir werden in den nächsten Jahren neue Nutzungs-möglichkeiten für diese Pflanzen haben. Frau Happach-Kasan hat das Beispiel Kartoffel genannt, wo sechs bissieben Pflanzenschutzspritzungen eingespart werdenkönnen, wenn man die phytophthoraresistenten Sortenanbaut, wo das Gen übrigens aus der Kartoffel stammt,nicht aus irgendeiner anderen Pflanze.
Wir werden dadurch auch neue Resistenzen gegenTrockenheit haben. Das wird bei der zunehmenden Kli-maveränderung und Wasserknappheit von Bedeutungsein. Wir werden damit Möglichkeiten schaffen, diewachsende Erdbevölkerung und den durch die Änderungdes Konsumverhaltens steigenden Nahrungsmittelbedarfin Zukunft abzudecken. Dieser wird in den nächsten30 Jahren um 50 Prozent steigen, ungeachtet der Ver-wendung zur Erzeugung von Energie und als Rohstofffür die technische Anwendung.Die Grüne Gentechnik ist eine Chance, die wir unterBerücksichtigung der Risiken – die wollen wir nicht au-ßer Acht lassen – nutzen wollen. Wir haben die Ängsteaufgegriffen und sie in diesem Gesetz nach unserer Auf-fassung ausreichend berücksichtigt.Wenn 10,3 Millionen Landwirte in 22 Ländern aufüber 100 Millionen Hektar Grüne Gentechnik anwen-den, dann müssen wir uns fragen: Sind die alle dumm?Sind die alle verantwortungslos?
Oder sind sie nur zukunftsgewandter als wir? Ich meine,das Letztere ist der Fall.
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Das kriegen wir schon hin. Wenn die Mönche das ge-ört haben, werden sie Frau Happach-Kasan aufnehmen,m sie auf den richtigen Weg zu bringen.
enn das, was Sie hier gesagt haben, ist von vorne bisinten falsch. Das fängt schon damit an, dass der Deut-che Bundestag aufgerufen ist, Politik für die Bevölke-ung zu machen und sehr wohl wahrzunehmen, dassber 70 Prozent gegen Grüne Gentechnik sind.
Ihre Aufregung in diesem Haus zeigt mir, dass dasesetz, das wir hier vorlegen, ein gutes Gesetz ist. Daspricht für die heutige Verabschiedung dieses Gesetzes.
Frau Höfken, für Sie war es ein schwieriger Draht-eilakt, das rot-grüne Gesetz, das uns als Grundlageiente, mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz zuergleichen. Natürlich waren Sie während der Zeit vonot-Grün gezwungen, europarechtliche Vorgaben zu be-chten. Diesen Punkt lassen Sie aber einfach außer Acht.anz nebenbei sagen Sie, die Kennzeichnung sei in Ord-ung. Alle, die mit Grüner Gentechnik zu tun haben,issen, dass die Kennzeichnung ein Riesenfortschritt fürie Erhaltung der gentechnikfreien Landwirtschaft ist,eil sie die Nachfrage der Verbraucherinnen und Ver-raucher nach gentechnikfreien Produkten stärkt.
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Dr. Matthias MierschSie sagen, bei der Haftung habe sich viel geändert.Wenn Sie dem Kollegen Bleser zugehört hätten, dannhätten Sie einen Eindruck davon bekommen, was alleszur Disposition gestanden hat. Ich kann Ihnen sagen:Wir haben an der Haftung nichts geändert. Wir haben amStandortregister nichts geändert. Das ist ein wichtigerErfolg angesichts der Gentechniklobby, die in diesemBereich massive Veränderungen angemahnt hatte.Es ist wichtig, bei den nachbarschaftlichen Abspra-chen ein wenig die Tatsache zu berücksichtigen, dass beiall dem die Rechte Dritter zu beachten sind. Insofern ha-ben wir notwendige Vorkehrungen getroffen, die es demLandwirt unter Umständen schwer machen, eine ent-sprechende Vereinbarung zu treffen. Das ist gewollt.Wenn der Deutsche Bauernverband sagt, er rate vom An-bau gentechnisch veränderter Pflanzen ab, dann ist dasein wichtiges Signal. Damit können wir zufrieden sein.
Ich warne davor, sich zurückzulehnen und zu denken,damit sei es jetzt gelaufen. Im Gegenteil! Ich glaube, wirsind aufgerufen, dieses Thema im Deutschen Bundestagauch weiter zu beraten,
irgendwann vielleicht mit anderen Mehrheitsverhältnis-sen.Es ist auch wichtig, dass wir die Herausforderungen,die mit der Grünen Gentechnik verbunden sind, realis-tisch bewerten. Wir müssen erkennen, dass es heuteschon Pflanzenarten gibt, die schlichtweg nicht koexis-tenzfähig sind. Ich würde mir wünschen, dass wir bei-spielsweise über ein Verbot für die Ausbringung vonRaps sowohl in der Forschung wie auch im kommerziel-len Bereich nachdenken.
Ich würde mir wünschen, dass der Deutsche Bundes-tag sehr deutlich dafür eintritt, dass die sogenannte Ter-minatortechnologie, also das „Totmachen“ der Erntedurch gentechnisch veränderte Pflanzen, verboten wirdund niemals Anwendung findet.
Herr Kollege Miersch, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Happach-Kasan?
Selbstverständlich.
Bitte schön, Frau Happach-Kasan.
Herr Kollege Dr. Miersch, es ist Ihnen sicherlich be-
kannt, dass auch in Deutschland die Koexistenz beim
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Liebe Frau Kollegin Happach-Kasan, mir ist bekannt,ass gentechnisch veränderter Raps in Deutschland au-enblicklich überhaupt nicht zugelassen ist. Jeder Ver-raucher weiß, dass Raps über eine Distanz von vielenilometern auskreuzt. Wenn man in den Vegetationspe-ioden an entsprechenden Regionen mit dem Auto vor-eifährt, sieht man, was Raps anrichten kann. Daherleibe ich dabei: Ein gentechnisch veränderter Rapsuss verboten bleiben.
Es ist auch wichtig, dass wir die Imkerproblematikoch einmal sehr sorgfältig beraten. Aber auch da gehörts zur Ehrlichkeit, Frau Kollegin Höfken, anzuerkennen,ass Rot-Grün in diesem Punkt an Grenzen gestoßen ist.uch da ist Europa gefordert. Ich glaube, dass es gut ist,onitoring-Programme aufzulegen und diese Problema-ik, die eine ganz besondere ist und die unter Umständenuch die Frage der Grünen Gentechnik noch einmal ganznders aufwerfen kann, hier im Hause in den zuständi-en Gremien zu beraten.Ein letzter Punkt: Wir sind gut beraten, wenn wir derevölkerung genau zuhören und ihr die Möglichkeit ge-en, sich vor allen Dingen vor Ort zu entscheiden, ob sieentechnikfreien Anbau oder GVO-Anbau will. Dieentechnikfreien Regionen sind ein wirksames Mittel,m dem Willen der Bevölkerung Ausdruck zu verleihennd Rechtsverbindlichkeit sicherzustellen. Ich wünscheir, dass es möglich sein wird – gerade auf kommunalerbene, wo wir ja eine Bauleitplanung haben –, in denommunalparlamenten tatsächlich Beschlüsse dazu zuassen. Wir sollten daran arbeiten, dass es verbindlicheentechnikfreie Regionen in Deutschland geben kann.nsofern warne ich davor, jetzt die Hände in den Schoßu legen. Die Arbeit an den offenen Fragen, die dieseechnologie aufwirft, muss jetzt eigentlich erst anfan-en.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Dr. Matthias Miersch
Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat
der Kollege Ulrich Kelber von der SPD-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Das heute vorliegende Gesetzespaket ist vor allem
aus zwei großen Bestandteilen zusammengesetzt: der
Frage der Kennzeichnung und der Frage des Anbaus.
Ich möchte am Anfang die Einschätzung des Zusam-
menschlusses der Umwelt- und Verbraucherschutzver-
bände, Campact, zitieren, der für eine gentechnikfreie
Landwirtschaft eintritt. Dort sagt man: Die neue Kenn-
zeichnung ist ein großer Durchbruch für die gentechnik-
freie Landwirtschaft und für die Wahlfreiheit der Ver-
braucherinnen und Verbraucher. – Dem ist nichts
hinzuzufügen, und die Glaubwürdigkeit ist auch an dieser
Stelle besonders hoch.
Die Einschätzung zum restlichen Gesetzespaket ist in
den Details nicht immer von Begeisterung und zum Teil
von Widerspruch geprägt. Sie lautet: Der Durchmarsch
der Grünen Gentechnik in Deutschland wird nicht statt-
finden. – Das ist die Einschätzung der Verbraucher- und
Umweltschutzverbände.
Ich stimme Herrn Minister Seehofer zu, der gesagt
hat: Dieses Gesetz ist in diesen Fragen strenger als das
Recht, das noch aus rot-grünen Zeiten stammt. – Das ist
eine Sachfeststellung, kein Vorwurf an die damalige
Mehrheit. Sie wollte nämlich mehr erreichen, ist mit ei-
nigen zusätzlichen Vorlagen – daran muss man hier noch
einmal erinnern – aber am CDU/CSU-dominierten Bun-
desrat gescheitert.
„Ja zur Forschung – große Skepsis gegenüber der An-
wendung“, das ist die Haltung an dieser Stelle. Ich unter-
stütze da die Einschätzung des Deutschen Bauernver-
bands. Meine Bewertung der derzeit angebotenen
gentechnisch veränderten Pflanzen ist die: Sie haben kei-
nen ökologischen Vorteil. Sie haben keinen gesellschaft-
lichen Vorteil. Sie vernichten wirtschaftliche Chancen,
die wesentlich größer sind, nämlich im Bereich der kon-
ventionellen Züchtung, im Bereich der gentechnikfreien
Landwirtschaft und des Ökolandbaus, wo durch die
mangelnde Koexistenzfähigkeit sehr viel mehr Arbeits-
plätze und sehr viel mehr Geld gefährdet sind. Von da-
her: Ja zur Forschung und so viel Nein wie möglich zur
Anwendung auf den Feldern.
Sie haben gesagt, die Koalition habe sich bei der Gen-
technik auf Forschungs- und Anwendungsförderung ge-
einigt. Zur Ehrlichkeit gehört dazu: Das war eine Aus-
sage zu allen Formen, also zur Roten, Weißen und
Grünen Gentechnik, und war nicht allein auf die Grüne
Gentechnik bezogen. Selbstverständlich wollen wir die
Anwendung der Weißen und Roten Gentechnik in
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ie spanische Regierung hat zudem angekündigt, sie
eiter zu verschärfen.
Liebe Frau Happach-Kasan, bitte bringen Sie einen
ntrag ein mit dem Ziel, dass sich Deutschland bei den
bständen beim Maisanbau an Spanien orientiert, weil
an das dort besser weiß! Wir unterstützen den dann
ern.
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Happach-Kasan?
Natürlich; ich habe eine solche Bitte noch nie abge-
ehnt.
Bitte schön.
Herr Kollege Kelber, es macht doch immer wieder
paß.
Das weiß ich erst nach der Frage.
Ich dachte, das wissen Sie auch vor der Frage. Einisschen Voraussehen können Sie sich, glaube ich,urchaus leisten.Sicherlich wissen Sie wie ich, dass Spanien das Landst, das am meisten Bt-Mais anbaut. Das liegt auch da-an, dass gerade Katalonien sehr viele Erfahrungen mitem Maiszünsler hat und diese Sorten sich dort her-orragend bewährt haben. Deswegen haben wir dort
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14790 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Dr. Christel Happach-Kasanjedes Jahr sehr große Zuwächse. Im vergangenen Jahr istBt-Mais auf 75 000 Hektar angebaut worden. Das ist,glaube ich, eine ganz gute Sache. Vor diesem Hinter-grund hat der spanische Landwirtschaftsminister wohlzu Recht erklärt – ich hoffe, das haben auch Sie gele-sen –, dass sich Spanien – –
– Entschuldigen Sie bitte, Herr Minister. Sie haben völ-lig recht.
Eine sehr charmante Kollegin übrigens.
Trotzdem darf er nicht von der Regierungsbank Zwi-
schenrufe machen.
Tut mir leid, Herr Minister. Ich habe versucht, Sie zu
schützen.
Herr Kelber, Sie wissen, dass in Spanien auf
75 000 Hektar Bt-Mais angebaut wird. Sie wissen, dass
gerade Spanien sagt: Wir richten uns voll nach der
EFSA. Sie wissen, dass Spanien sagt: Wir wollen keine
Importverbote. Sicherlich wissen Sie auch, dass Koexis-
tenz in Spanien zu der Zeit, als mit dem Anbau begon-
nen wurde, überhaupt nicht organisiert wurde. Ich hoffe,
Sie haben auch das gelesen.
Frau Happach-Kasan, es gibt manchmal Augenblicke,
in denen man lieber keine Zwischenfragen stellen sollte.
Sie haben vorhin gesagt, wir sollten bei den Anbau-
regeln von Spanien lernen. Ich habe Ihnen beigebracht,
dass die gesetzlichen Regelungen in Spanien bereits
heute strenger sind und dass die Spanier sie weiter ver-
schärfen wollen. Damit, dass Sie das nicht verneint ha-
ben, haben Sie diese Aussage sozusagen bejaht. Von da-
her bedanke ich mich für die Zwischenfrage an dieser
Stelle.
Nun aber noch ein Punkt zu den Grünen. Man hat
schon die Bemühung bemerkt, das Gesetz zu kritisieren.
Originalzitat: 99 Prozent des Gesetzes sind Mist. – Das
hat Uli Höfken gerade gesagt, und das bei einem Gesetz,
das zu 99 Prozent identisch mit den Regelungen aus rot-
grüner Zeit ist.
Zu den privatrechtlichen Absprachen. Meiner Mei-
nung nach wären privatrechtliche Absprachen nicht nö-
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Bitte schön.
Ich gebe zu: Auch ich muss weg. Trotzdem will ichufmerksam bleiben und natürlich auch fragen.Erstens. Die unternehmerische Freiheit der Land-irte, vor allem derjenigen, die nicht Gentechnik an-auen wollen, wird durch die Offenlegungszwänge, dieinter dieser Regelung stehen, erheblich eingeschränkt.ragezeichen.
Zweitens. Die Haftungsanforderungen sind völlig un-eklärt. Fragezeichen natürlich.Drittens. Ebenso sind die Kontrollmöglichkeiten völ-ig ungeklärt. Auch dahinter mache ich natürlich ein Fra-ezeichen.Sie weisen auf mögliche privatrechtliche Umgehun-en durch Betriebsteilungen oder -zusammenführungenin, die heute möglich sind. Das ändert aber nichts da-an, dass Ihr Gesetzentwurf zu einer drastischen Dränge-ei und zu einer unternehmerischen Einschränkung der-enigen führt, die gentechnikfrei wirtschaften. Das findech nicht in Ordnung.
Fragezeichen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14791
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Ich nehme das als Frage. – Es sind zwei Punkte zu un-
terscheiden.
Zur Haftung. Die Einschätzung von Campact, die
Pressemitteilung des BUND von gestern und die Mittei-
lung des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft
von vor drei Tagen stimmen darin überein, dass die Haf-
tungsfragen gegenüber dem bisherigen Gesetz völlig un-
verändert bleiben – so die Expertinnen und Experten.
Bei dem anderen Punkt haben Sie zwei Sachen ver-
mischt, nämlich die privatrechtlichen Absprachen, die
freiwillig sind, und die Frage, ob man auf die Informa-
tion seines Nachbarn antwortet, der sagt: Ich will Gen-
mais anbauen; was machst du auf deinen Grundstücken,
die in dem entsprechenden Radius – 150 oder 300 Me-
ter – liegen? – Auch dort bekommt man ein Einschrei-
ben mit Rechtsfolgenhinweis, und diese Auskunft muss
zu einem Zeitpunkt gegeben werden, wo jeder Landwirt
bereits entschieden und disponiert haben muss, was er
tut. Wenn sie nicht gegeben wird, kommt etwas gegen-
über dem heutigen Recht Zusätzliches ins Spiel: Es wird
nämlich dann in das Grundstücksregister eingetragen,
dass nicht klar ist, ob die entsprechenden Abstandswerte
eingehalten worden sind. Die Kontrollbehörde kann das
dann kontrollieren. Von daher gibt es aus meiner Sicht
auch hier eine Klarstellung und eine Rechtsverbesserung
gegenüber der aktuellen Situation.
Ich freue mich, Herr Minister Seehofer, dass am Ende
die von uns vorgeschlagene Form der Kennzeichnung
sehr fair aufgenommen wurde. Sie sind ja auch in den
letzten Tagen von vielen Verbänden auf der Grünen Wo-
che für die neue Kennzeichnung öffentlich gelobt wor-
den, ebenso für die Beibehaltung des Bundesprogramms
Ökologischer Landbau, das wir von Ihnen gewollt ha-
ben. Diese Arbeitsteilung sollten wir beibehalten: Sie
übernehmen sozialdemokratische Inhalte und werden
dafür öffentlich gelobt. Ich habe für die Zukunft noch ei-
nige weitere Beispiele: die Umschichtung von Agrarsub-
ventionen, die Nährwertkennzeichnung, die Erweiterung
des Verbraucherinformationsgesetzes. Lassen Sie es uns
so machen: Sie übernehmen es und lassen sich dann in
der Öffentlichkeit dafür loben. Das reicht uns als Sozial-
demokratinnen und Sozialdemokraten.
Es gibt ein paar Punkte, die für die nationale Politik
auch nach heute wichtig sind. Erstens müssen wir uns in
der Tat um einige Fragen der Belange der Imker in unse-
rem Land kümmern, die nicht beantwortet sind und auf
die es auch noch nicht an allen Stellen Antworten gibt.
Von daher meine Bitte an Sie, Herr Seehofer: Lassen Sie
uns eine nationale Imkereikonferenz einberufen, auf der
wir über sämtliche Fragen sprechen, die die Imker in
Deutschland betreffen – dabei wird es auch um Fragen
des Nachwuchses und der Organisation gehen –, weil
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Zweitens werden wir uns um das europäische Recht
ümmern müssen; dort ist im Hinblick auf die Grüne
entechnik einiges im Argen. Es geht sowohl um die
tärkere Wissenschaftlichkeit des Zulassungsverfahrens
ls auch um eine demokratische Beurteilung. Es geht
ben nicht nur darum, ob eine Pflanze für sich genom-
en für Organismen und die menschliche Gesundheit
ngefährlich ist, sondern auch darum, ob sie Anbaukul-
uren, Formen der Wirtschaftlichkeit anderer Kulturen
efährdet. Auch dies muss geklärt werden, und das ist
ine gesellschaftliche und keine isolierte wissenschaftli-
he Entscheidung. Wir brauchen die Möglichkeit der
erbindlichkeit von gentechnikfreien Regionen. Wir
rauchen eine klare Kennzeichnung von Saatgut in der
orm, dass Saatgut nur einen besonders geringen Anteil
aben darf, der praktisch an der Nachweisbarkeitsgrenze
iegt, damit sich der Gentechnikanteil auf den Feldern
icht hochschaukelt. Die Kennzeichnung, die wir jetzt
ational auf den Weg bringen, brauchen wir europaweit
benso verbindlich. Die SPD wird bis zur Sommerpause
inen Vorschlag für eine solche gemeinsame Initiative
es Deutschen Bundestages auf den Tisch legen.
Auch mein dritter Punkt stellt eine Bitte an Sie dar,
err Seehofer. Sowohl das gültige Recht als auch das,
as wir heute verabschieden und das hoffentlich bald im
undesgesetzblatt stehen wird, erlaubt Ihnen, in der
erwaltungspraxis über das Problem mit Genmais
ON810 zu entscheiden. Die Fragen sind gewichtig ge-
ug, dass wir es nicht zulassen sollten, dass zum
eispiel in Unterfranken in der nächsten Saison auf
10 Hektar diese Sorte angebaut wird. Ich fordere Sie
uf, Ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, anderen Län-
ern in der Europäischen Union zu folgen und den An-
au von MON810 wegen der ungeklärten Fragen auf
rundlage unserer bestehenden Gesetze zu untersagen.
as ist die klare Bitte der SPD an Sie.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Bevor wir zur Abstimmung kommen, teile ich Ihnenit, dass zwei Erklärungen zur Abstimmung nach § 31er Geschäftsordnung von den Kollegen Michael Brandnd Josef Göppel aus der CDU/CSU-Fraktion vorlie-en.1)Anlage 2
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14792 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsDer Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be-schlussempfehlung auf Drucksache 16/7868, den Gesetz-entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/6814 inder Ausschussfassung anzunehmen. Die Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen hat Teilung der Frage beantragt. Ichrufe daher zunächst Art. 1, Art. 4 und Art. 5 Abs. 1 so-wie Einleitung und Überschrift des Gesetzentwurfes derBundesregierung in der Ausschussfassung auf und bittediejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Art. 1, Art. 4, Art. 5Abs. 1 sowie Einleitung und Überschrift sind angenom-men mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegendie Stimmen der Oppositionsfraktionen.Ich rufe jetzt Art. 2, Art. 3 und Art. 5 Abs. 2 des Ge-setzentwurfes in der Ausschussfassung auf. Ich bitte dieje-nigen, die zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Art. 2, Art. 3 und Art. 5Abs. 2 sind mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen dieStimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der FraktionDie Linke angenommen. Damit ist der Gesetzentwurf inallen Teilen in zweiter Beratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei einerGegenstimme aus den Reihen der CDU/CSU-Fraktionund gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen ange-nommen. Der Kollege Göppel hatte, wie ich bereits er-wähnt habe, zuvor eine persönliche Erklärung zur Ab-stimmung abgegeben.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/7887.Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen-stimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantragist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenund der FDP-Fraktion bei Zustimmung der FraktionenDie Linke und Bündnis 90/Die Grünen.Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-gebrachten Gesetzentwurfes zur Änderung des EG-Gen-technik-Durchführungsgesetzes. Der Ausschuss fürErnährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz emp-fiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 16/7868, den Gesetzentwurf der Bundesre-gierung auf Drucksache 16/6557 anzunehmen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, umihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung ange-nommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen undder Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünengegen die Stimmen der FDP-Fraktion.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –GidAcfFIwhamsrt„deDnWsintrt„äesGfhmFurt„sfsGsmmFuDfv
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14793
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regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Änderung des Bundespolizeigesetzes undanderer Gesetze– Drucksachen 16/6291, 16/6569 –Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-schusses
– Drucksache 16/7871 –Berichterstattung:Abgeordnete Ralf GöbelDr. Dieter WiefelspützGisela PiltzPetra PauSilke Stokar von Neufornb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Innenausschusses zudem Antrag der Abgeordneten Silke Stokar vonNeuforn, Volker Beck , Jerzy Montag, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNENEinrichtung einer Polizeireformkommission– Drucksachen 16/3704, 16/4837 –Berichterstattung:Abgeordnete Clemens BinningerWolfgang GunkelGisela PiltzPetra PauSilke Stokar von NeufornZu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt einEntschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Damit eröffne ich die Aussprache und erteile als ers-tem Redner dem Parlamentarischen StaatssekretärDr. Christoph Bergner von der Bundesregierung dasWort. – Bitte schön.D
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die No-velle des Bundespolizeigesetzes, die wir zu dieser nach-mittäglichen Stunde nach intensiver Beratung sowohl inden Gremien der Koalition wie auch im Fachausschussbeschließen wollen, ist ein wichtiger Bestandteil derNeuorganisation der Bundespolizei.Als Ergebnis dieser Neuorganisation wird die Bun-despolizei die wachsenden Anforderungen besser bewäl-tigen können. Wir reagieren damit nicht nur auf die Er-weiterung des Schengen-Raums. Die Neuorganisationstellt auch eine Antwort dar auf weitere veränderte si-cherheitspolitische Herausforderungen wie die zuneh-mende terroristische Bedrohung, die dynamischen Ent-wisctgBnddKsvFeHznItslGpVesduulßGamSmtwamsdpSawndRukd
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14794 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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damit den Beschäftigten auch in der Übergangsphase In-teressenvertretungen zur Verfügung stehen. Bundes-minister Schäuble hat immer wieder betont, dass mit derNeuorganisation – dies zitiere ich hier gern – nicht nurdas polizeilich Erforderliche, sondern auch das sozial-verträglich Mögliche erreicht werden muss.Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang kurz aufden ebenfalls auf der Tagesordnung stehenden Antragzur Einrichtung einer Polizeireformkommission einge-hen, der bereits in der Sitzung vom 20. März 2007 durchden Innenausschuss zu Recht abgelehnt wurde. In die-sem Zusammenhang ist nicht nur darauf zu verweisen,dass man aufpassen muss, die Zuständigkeiten der Exe-kutive und die Kontrollpflichten und die Kontrollverant-wortung des Parlaments nicht zu verwischen, sondernauch darauf, dass wir den Faktor Zeit bei den Beratun-gen im Blick haben sollten.Im Rahmen der öffentlichen Anhörungen wurden ma-teriellrechtliche Änderungen bei den Aufgaben und Be-fugnissen der Bundespolizei gefordert. Auch Grundsatz-fragen wurden gestellt. Für beides gilt: Natürlich bieteteine so weitgehende Reform breiten Diskussionsstoff,aber es gilt eben auch: Die Beschäftigten der Bundes-polizei werden dem Gesetzgeber dankbar sein, wenn derderzeit andauernde Schwebezustand bald beendet wird.Alle Beteiligten brauchen jetzt schnell Klarheit über diekünftige Struktur.Unser Dank gilt den Beschäftigten, die sich auch indieser Phase der Veränderung loyal und verlässlich ge-zeigt haben. Sie haben den Prozess der Neuorganisationaktiv beobachtet und mitgestaltet. Artikulationen eigenerInteressenlagen sind legitim. Unzählige wertvolle Anre-gungen und gute Vorschläge sind eingegangen und in dieFeinplanung eingeflossen.Selbstverständlich wird das Bundesministerium desInnern bei der Umsetzung der Neuorganisation ein be-sonderes Augenmerk auf die Sozialverträglichkeit undauch auf die anderen Punkte richten, die in dem Ent-schließungsantrag vom 23. Januar vom Innenausschussan uns herangetragen wurden.
Herr Kollege Bergner, ich bitte, zum Schluss zu kom-
men.
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Ein kontinuierlicher Evaluierungsprozess soll natür-
lich eine Reform wie diese begleiten.
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Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz von der FDP-
raktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!000 Bundespolizisten mehr im operativen Bereich –as ist ein lobenswertes Ziel, keine Frage.
Das ist aber wahrscheinlich das einzige Mal, dass ichett zu Ihnen bin.
An Ihrer Stelle wäre ich ruhig. Sie trifft es voll. –
atürlich bietet sich die Verlagerung der Schengen-renzen an, um über eine neue Aufgabenverteilungachzudenken.In der Anhörung wurde jedoch – nicht nur uns – eini-es deutlich: Es fehlt belastbares Material, zum Beispieline Bestandsanalyse. Es fehlt eine Bewertung der letz-en großen Reform, der von 1998, damit Ihre Pläne fürns voll und ganz nachvollziehbar sind. Transparenz iner Entscheidungsfindung haben Sie zwar angekündigt;ber im wirklichen Leben sieht es anders aus.Herr Staatssekretär, ich wundere mich eigentlich, dassie auf diese Hängepartie hinweisen, der die Beschäftig-en immer noch ausgesetzt sind. Sie haben doch dieseängepartie herbeigeführt. Jetzt beenden Sie sie und tunuch noch so, als ob das eine Leistung wäre. Was daserfahren angeht, hätte ich mir das wirklich anders vor-estellt.
Eine konsequente Neuorganisation, um mehr Sicher-eit für unsere Bürgerinnen und Bürger zu schaffen, hät-en wir mittragen können. Die Flughäfen werden aberur am Rande erwähnt. Die Bundespolizei im Auslandder sogenannte Auslandsverwendungspool – wird garicht erwähnt. Wir hätten uns zum Beispiel auch ge-ünscht, dass man die Ausbildung in der Akademie er-ähnt. Das alles haben Sie nicht getan.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14795
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Gisela PiltzDas Gesetz, das wir hier heute beschließen sollen, re-gelt nur den Führungsaufbau der Bundespolizei. Konse-quenzen reichen aber bis zu jeder Dienststelle. Gleich-zeitig findet damit eine Neuorganisation der gesamtenBundespolizei statt, die Konsequenzen für die Laufbahnvieler Beamtinnen und Beamter hat.Der Gesetzentwurf kann aus unserer Sicht nicht unab-hängig von der Neuorganisation betrachtet werden. Daswar in der Anhörung klar und ist in der letzten Woche,spätestens am Dienstagabend, auch den Koalitionsfrak-tionen klar geworden. Da haben sie nämlich einenEntschließungsantrag formuliert, mit dem sie – ein char-manter Vorgang – ihr eigenes Gesetz kommentieren.Wenn Sie möchten, dass die im Entschließungsantragangeführten Punkte Gesetz werden: Warum sorgen Sienicht dafür? Warum stellen Sie einen Entschließungsan-trag und bringen diesen nur in den Innenausschuss ein?Sie haben nicht den Mut, diesen Antrag heute hier zu be-raten, sondern Sie haben den Antrag klammheimlich imInnenausschuss gestellt und damit der Öffentlichkeit ent-zogen. Sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, nunMitglieder der die Regierung tragenden Fraktionen, odersind Sie es nicht? Das muss man sich angesichts dessenfragen.
Jetzt zur SPD. Herr Körper, ich habe gesehen: Heutedarf nur einer reden. Weder darf der Berichterstatternoch dürfen Sie sprechen. Das lässt schon tief blicken.Ich möchte Sie, Herr Körper, deshalb gern einmal zitie-ren:Wir möchten noch einmal grundsätzlich über dieNeuorganisation der Bundespolizei reden – dassage ich ganz deutlich –;– das haben Sie gesagt, nicht ich –denn die Auswirkungen, wie sie sich darstellenkönnen, sind unserer Auffassung nach nicht geeig-net, polizeiliche Arbeit zu effektivieren und zu for-cieren.
Was ist daraus geworden? Liebe Kolleginnen und Kolle-gen von der SPD, Sie waren es, die den Bundespolizis-tinnen und Bundespolizisten begründete Hoffnung ge-macht haben, weil Sie hier mit der CDU/CSU dieMehrheit stellen. Sie wollten sich für jeden Einzelneneinsetzen. Sie haben Versprechungen gemacht und medi-enwirksam Schlüsselübergaben verweigert. Was ist da-bei herausgekommen?
Im Prinzip überhaupt nichts!
Wenn Sie das unter „Ausübung von Regierungsverant-wortung“ und „Einsatz für die Bundespolizei“ verstehen,dmdkeDUSzkAWgvRDg1SDtnddLSwr–i
enn die Bundesregierung im Haushaltsausschuss sa-en muss, dass sie noch keine abschließende Bewertungorgenommen hat, dann frage ich mich, warum Sie dieseeform hier heute einbringen.
Besonders schön finde ich persönlich die Ziffer 6:Die Umsetzung und Ergebnisse der Neuorganisa-tion der Bundespolizei werden vom Bundesministe-rium des Innern überprüft.as kann man so machen, wenn man es aus der Handeben will. Das Schöne dabei ist aber, dass es bis zum. März 2010 einen Bericht geben soll. Ich bin sicher,ie zusammen werden da gar nicht mehr regieren.
arüber hinaus ist auch klar: Das fällt unter die Diskon-inuität des Parlaments. Das heißt, das ist das Papiericht wert, auf dem es steht. Das finde ich besonders be-auerlich.
Apropos „wert“: Was soll das Ganze kosten? Nachem Gesetzentwurf kosten die Beschilderung einzelneriegenschaften 25 000 Euro und neues Papier, neuetempel usw. 165 000 Euro. Dann steht im Gesetzent-urf: „Weiterer Vollzugsaufwand entsteht nicht.“ Da-über, glaube ich, können wir hier lang und breit streiten.
Das ist zwar kein parlamentarischer Ausdruck, aberch würde Ihnen nicht widersprechen, Herr Kollege.
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Gisela Piltz
In einem Bericht an den Haushaltsausschuss sind anKosten für Umzüge und Trennungsentschädigungen ins-gesamt knapp 100 Millionen Euro, verteilt auf die nächs-ten drei Jahre, aufgeführt worden. Ist das nichts?Sie überlegen, ein neues Bundespolizeipräsidium inPotsdam zu bauen. Sie ziehen einmal um, Sie ziehenzweimal um. Übrigens finde ich, es ist ein Unding, dasseine Schlüsselübergabe stattfindet – da gebe ich IhnenRecht; aber das ist auch das einzige Mal, Herr Körper –,bevor der Bundestag überhaupt eine Entscheidung ge-troffen hat. Sie ziehen um, bevor wir das entschiedenund genehmigt haben. Ich finde, so geht man mit demParlament nicht um.
Das kann man nicht machen. Auch dafür sind noch ein-mal mindestens 100 Millionen Euro fällig. Das ent-spricht ja wohl nicht dem, was im Gesetz steht.Dann komme ich noch auf eine hübsche Sache, näm-lich darauf, wie viele B-Stellen eigentlich neu geschaf-fen werden. Deren Zahl erhöht sich – ein Schelm, werBöses dabei denkt – von 12 auf 26.
Wenn Sie einmal den Bundesrechnungshof dazu befra-gen, dann wird er Ihnen sagen, dass es erhebliche He-bungen im Vergleich zu anderen Ämtern und einUngleichgewicht bei der Bewertung der jeweiligen Lei-tungsfunktionen gibt. Er sagt: Wir können für die regio-nalen Bundespolizeidirektionen die Notwendigkeit ei-genständiger Vizepräsidentenfunktionen nicht erkennen. –Und: Das BMI hat in dem vorliegenden Bericht die Er-forderlichkeit einer zusätzlichen Funktion „Stellvertre-ter“ zum Beispiel nicht nachgewiesen.Das ist aus meiner Sicht eine Ohrfeige für die neueStellenbewertung in Ihrem Haus. Es ist mitnichten so,dass das üblich ist, wie es uns in der Anhörung vorge-gaukelt worden ist, sondern das ist aus unserer Sicht ein-fach Geldverschwendung, nur damit Menschen beför-dert werden. Das freut mich für jeden persönlich. Aberdas hat mit Bundespolizeireform nichts zu tun.
Wir sehen diese Bundespolizeireform nicht als singu-läre Maßnahme, sondern sie bestätigt unseren Eindruck,dass es immer mehr Zentralisierung in diesem Land gibt.Das macht uns Sorge; denn eines ist doch klar: Nicht al-les, was im Bund und zentral geregelt wird, wird auchbesser geregelt. Wir haben den Eindruck, dass Sie die Si-cherheitsarchitektur komplett umbauen wollen. Dakommt Ihnen der Umbau der Bundespolizei sehr entge-gen. Für Liberale gibt es bei diesem Thema kein„Anything goes!“ Was für den Architekten eines Gebäu-des die Statik ist, ist für den Sicherheitsarchitekten dieVerfassung. So, wie die Statik nicht im Belieben des Ar-cddgSrwwwIwbBtIdfDv–rzmpDahkhdhVbg
Das Wort hat der Kollege Michael Hartmann von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Liebe Frau Piltz, ich zittere zwar immer noch einenig ob Ihrer Aussage, dass es die SPD voll treffenerde. So richtig wahrgenommen habe ich das nicht. Ichage es allerdings dennoch, hier ans Pult zu treten, umhnen wenigstens in einem Punkt zu entgegnen.
Frau Piltz, in der Opposition zu sein, ist nun einmalirklich doof: Man meckert, man mäkelt, aber manringt nicht einen Vorschlag ein, wie zum Beispiel dieundespolizei – darum geht es in diesem Fall – perspek-ivisch entwickelt werden kann. Wenn Sie glauben, dasshre Kritik berechtigt ist, dann dürfen wir auch erwarten,ass Sie einen Vorschlag machen, wie die Bundespolizeiür die Zukunft aufgestellt werden soll.
azu kam an diesem Freitagnachmittag nicht ein Satzon Ihnen; das ist sehr schade.
Lieber Herr Wieland, keine Angst, ich gehe mit unse-er Lebenszeit sorgsam um. Die Drohung, 19 Minutenu reden, werde ich nur dann wahrmachen, wenn Sieich weiter durch Zwischenrufe ärgern.
Unsere Bundespolizei bildet einen zentralen Eck-feiler der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublikeutschland. Die Zeiten ändern sich, und damit gibt esuch andere Herausforderungen für die innere Sicher-eit. Sie unterliegen dem Wandel, und diesem Wandelann und will sich auch die Bundespolizei nicht entzie-en. Mit dem Fall der Mauer, der Wiederherstellung dereutschen Einheit und dem Ende des Ost-West-Konfliktsat sie viele Veränderungen erlebt. Auch heute gibt eseränderungen: Die Grenzen des Schengen-Raums ha-en sich verschoben. Wir haben neue Herausforderun-en zu bewältigen, die sich aus dem internationalen Ter-
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Michael Hartmann
rorismus ergeben. Und unsere Flughäfen – das ist einganz wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Reformunserer Bundespolizei – werden als Grenzübergänge im-mer wichtiger.
Die rund 40 000 bei der Bundespolizei Beschäftigten,die sich nie ihrer Pflicht entzogen haben und auch jetztnicht ihrer Pflicht entziehen, wissen das. Sie sind Bun-desbeamte und wissen, dass sie davon ausgehen müssen,dass sie nicht immer und ewig an einem Standort bleibenwerden.Seit 1990 wurden bereits zwei große Reformendurchgeführt; nun steht die dritte an. Frau Piltz, die SPDhat es sich als Regierungspartei mit dieser Reform in derTat nicht leicht gemacht. Die SPD ist der Bundespolizeiund all ihren Beschäftigten spätestens seit der Ära OttoSchily in besonderem Maße verpflichtet und bleibt dasauch. Wir werden immer darauf achten, dass die Belangeder Beschäftigten der Bundespolizei angemessen be-rücksichtigt werden. Wenn es sein muss, legen wir unsda und dort auch mit dem Koalitionspartner an.
Der Bundesinnenminister hat eine Organisationsent-scheidung getroffen. Herr Staatssekretär Bergner, Sie ha-ben mit Recht – das ist der juristisch korrekte Terminus –von der Organisationsgewalt gesprochen. Aber gelegent-lich haben wir den Eindruck, dass das Wort „Gewalt“ imMinisterium sehr genau genommen wird.
Wir sprechen in diesem Zusammenhang lieber von derOrganisationshoheit des Ministers in bestimmten Berei-chen. Wie dem auch sei: Dem Ministerium sei zugestan-den, dass Organisationsentscheidungen und Reformenbei einem so großen Personalkörper nie einfach sind.Die Kritiker sind laut, die Befürworter im Regelfallleise. Die Versuchung für uns als Abgeordnete, quasi lo-kalegoistisch zu argumentieren, ist immer groß. Das magda oder dort zwar sachlich-fachlich begründet sein,grundsätzlich versucht aber jeder von uns, seine Pflichtwahrzunehmen und sich für die Interessen des eigenenWahlkreises einzusetzen, während dem Ministerium dieGesamtabwägung obliegt.Der SPD ging es bei der Kritik an den Plänen desBundesinnenministeriums nicht um lokalegoistische Be-lange. Uns ging es nicht darum, standortegoistisch zuagieren. Es ging uns aber sehr wohl darum, strukturkri-tisch die Reform anzugehen. Das wäre uns allerdingsleichter gefallen und besser möglich gewesen, wenn derDiskussion über die Reform der Bundespolizei einenachvollziehbare Aufgabenkritik vorausgegangen wäre.
Die SPD trägt gerne all das mit, was polizeifachlichgerechtfertigt ist. Wir wissen dabei sehr genau, wo dieGddsWmladgulKRtfdszlRuupwcEotnuwuhdwnNLdgPwonkg
Manches schmerzt bitter, was infolge der Änderungenes Bundespolizeigesetzes geschehen wird. Wir hättenern mehr und Besseres für diese Mannschaft, die gut istnd es verdient hätte, erreicht. Aber es war nicht mög-ich. Letztlich spielte – ich gebe dies gerne zu – auch dieoalitionsräson bei der ganzen Geschichte eine großeolle.Damit eines klar ist: Das Ziel des Bundesinnenminis-eriums, Herr Staatssekretär Dr. Bergner, nach dem Weg-all der Schengen-Grenzen für mehr Polizeipräsenz iner Fläche zu sorgen und Strukturen effizienter zu ge-talten, zu verschlanken und gewinnbringender einzuset-en, teilen wir. Da stehen wir beieinander. Wir haben al-erdings unsere Zweifel, ob dieses Ziel durch dieseeform tatsächlich überall erreicht wird. Wir erlaubenns, diese Zweifel in sachlicher Kritik
nd nicht in einem boshaften Angriff auf den Koalitions-artner zu äußern.Sie wissen – Herr Staatssekretär, Sie haben das er-ähnt –, dass die Mannschaft in hohem Maße verunsi-hert ist.
s handelt sich um persönliche Schicksale von ganzhne Zweifel guten und treuen Beamtinnen und Beam-en und weiteren Beschäftigten. Wir reden hier über ei-en Personalkörper, der wahrhaftig nicht überbezahlt istnd in dem hohe Gehalts- und Lohnstrukturen keines-egs überwiegen. Deshalb lautet unsere erste, wichtigstend dringendste Bitte an den Bundesinnenminister: Ge-en Sie sorgsam und pfleglich mit den Beschäftigten underen Interessen um, wenn diese Reform umgesetztird.
Die Sozialverträglichkeit der Entscheidungen darficht Überschrift bleiben, sondern muss Inhalt werden.ichts wäre nämlich fataler als eine Demotivation undähmung dieser im Übrigen größten Behörde im Bereicher inneren Sicherheit infolge der Standortentscheidun-en. Beamtinnen und Beamte tun dort oft mehr als ihreflicht; das wissen wir. Deshalb sind wir froh und keines-egs kleinmütig oder enttäuscht, dass wir wenigstensder immerhin – das überlasse ich Ihrer Bewertung – ei-en Entschließungsantrag mit der Union verhandelnonnten, der sechs sehr relevante Punkte enthält.Erstens. Die Sorgsamkeit in der Umsetzung wird zu-esichert. Die Sozialverträglichkeit wird garantiert. Herr
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14798 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Michael Hartmann
Staatssekretär Dr. Bergner, wir vertrauen Ihnen, demBundesinnenminister und dem ganzen Haus, dass daskeine leeren Worte sind, die zu Papier gebracht wurdenund dann einfach abgeheftet werden. Wir werden daraufachten, ob Sie den Entschließungsantrag der Koalitions-fraktionen so ernst nehmen, wie er es verdient. Wir ge-hen aber auch davon aus, dass Sie ein eigenes Interessedaran haben, dass diese Punkte so abgearbeitet werden,wie wir vereinbart haben.Zweitens geht es um den Einsatz von Verwaltungs-personal in befristet einzurichtenden Servicestellen. Dasist ein Punkt, der für die betroffenen Beschäftigten vonerheblicher Bedeutung ist und den ich hier deshalb nocheinmal hervorheben möchte.Dritter Punkt – ein wirklicher Schwerpunkt –: DiePersonalausstattung der Flughäfen muss in unserem ge-meinsamen Sicherheitsinteresse liegen. Der FrankfurterFlughafen ist mittlerweile der größte deutsche Grenz-übergang; dies bringt enorme Belastungen für das Perso-nal mit sich. Dort gibt es nämlich viele Kriminalitäts-und Deliktsfelder. Deshalb muss es dort eine gute undgescheite Personalausstattung geben. Wir wollen daraufachten, dass das tatsächlich geschieht.Viertens wollen wir darauf achten – auch das sollte imInteresse der Reform und von uns allen liegen –, dasskeine Doppelstrukturen entstehen, indem ein zentralesPolizeipräsidium geschaffen wird, aber zugleich eineBundespolizeiabteilung im Ministerium bestehen bleibt.Es kann nicht sein, dass die eine Stelle das tut, was dieandere besser täte. Die Reform wäre ad absurdum ge-führt, wenn es zu diesen Doppelstrukturen käme.
Der fünfte Punkt ist ein Punkt, der unbedingt umge-setzt werden muss. In Bayern muss die Bundespolizeibei der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben dievolle Kompetenz erhalten.
Für uns ist es ohnehin ein Anachronismus, dass sichBayern in Zeiten eines zusammenwachsenden Europaszusätzlich eine eigene Grenzpolizei hält. Hoffentlichwird das nicht schlimmer, sondern besser durch die Ver-einbarung, die jetzt zwischen dem Bundesinnenministe-rium und dem Land Bayern erzielt wurde.Sechstens fordert der Innenausschuss in dem gemein-sam vereinbarten Entschließungsantrag das Bundesin-nenministerium auf, bis Anfang 2010 festzustellen, obeines der wesentlichen Ziele, nämlich mehr Polizeiprä-senz in der Fläche, tatsächlich erreicht wurde. Wenn dasnicht geschieht, muss man offen und mutig genug sein,darüber nachzudenken, ob man die eine oder andere Ent-scheidung entweder zurücknimmt oder anders strickt.Auf jeden Fall erwarten wir, dass auch dieser Punkt nichtnur rhetorisch zugestanden, sondern auch ernsthaft ge-prüft wird.Lassen Sie mich eines am Rande sagen.–niw–ZAwmwKdEetdadlawSsBsvdbetmMlswtssbt
Nein, am Rande. Herr Kollege Wieland, ich habe Ih-en gesagt: Wenn Sie Zwischenrufe machen, dann redech länger. Zwingen Sie mich nicht dazu, meine Drohungahrzumachen.
Ich habe sogar so viel Zeit, dass ich mir in Ruhe Ihrewischenrufe anhören und eine Pause einlegen kann.
ber auch ich möchte meine Termine im Wahlkreisahrnehmen.Lassen Sie mich noch einmal den Versuch unterneh-en, eine Anmerkung am Rande zu machen – sie ist mirichtig, und sie ist ausdrücklich an die Kolleginnen undollegen der Unionsfraktion gerichtet –: Unsere Bun-espolizei leistet immer mehr und immer wichtigereinsätze im Ausland. Gemeinsam mit der Bundeswehrrfüllt sie dort eine zentrale Aufgabe, die friedensstif-end und friedenssichernd wirkt. Deshalb müssen wiriesen Sachverhalt gesetzlich genauer und besser regeln,ls es derzeit der Fall ist, und zwar sowohl im Interesseer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die im Aus-and tätig sind, als auch im Interesse der Zusammen-rbeit zwischen Bund und Ländern.Wir sollten den Mut haben, uns diesem Thema zuzu-enden, auch wenn es umstritten ist und wir von vieleneiten kritisiert werden. Die Herstellung von Planungs-icherheit und die Gewährleistung von Sicherheit für dieeamtinnen und Beamten im Ausland sollten gemein-ame Ziele der Koalition sein. Ich biete an und schlageor, dass wir uns über diese Frage unterhalten sollten;enn das ist dringend notwendig.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Polizei-eruf ist kein Beruf wie jeder andere; das wissen wir. Errfordert große Einsatzbereitschaft, die die Polizeibeam-innen und Polizeibeamten auch erbringen. Viel Idealis-us gehört dazu, diesen Beruf zu ergreifen. Er prägt dieenschen, die diesen letztlich lebensgefährlichen undebensbedrohlichen Beruf im Interesse unserer gemein-amen Sicherheit ausüben. Daher verdienen sie für das,as sie jeden Tag in komplizierten Schichtdiensten leis-en, Dank und Anerkennung, und sie haben einen An-pruch auf Fürsorge. Lassen Sie uns das bei allen Ent-cheidungen, die wir hier und anderswo treffen, immeredenken. Herr Wieland, ich schenke Ihnen sechs Minu-en meiner Redezeit.Herzlichen Dank.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14799
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Das Wort hat die Kollegin Petra Pau von der Fraktion
Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitdem Gesetzentwurf, der heute zu beschließen ist, solleine Reform der Bundespolizei legitimiert werden, dieauch ohne Gesetz bereits eifrig vorangetrieben wurde.Ich nenne diese Praxis eine grobe Missachtung desParlaments. Denn der Bundestag ist keine Vollzugsabtei-lung des Bundesinnenministeriums, und das Bundes-innenministerium schwebt nicht über den Dingen, jeden-falls nicht nach dem parlamentarischen Verständnis derFraktion die Linke.
Vor elf Tagen fand eine Expertenanhörung zum vor-liegenden Gesetzentwurf statt. Drei von fünf Experten,also die Mehrheit, kritisierten den Gesetzentwurf unddas Verfahren. Das Protokoll dieser Anhörung ist nochnicht einmal autorisiert und rechtskräftig. Trotzdem wol-len die Unionsfraktion und die SPD diesen Gesetzent-wurf heute ungeachtet aller Kritik beschließen. Ichnenne das abgehobenen Hochmut, übrigens auch gegen-über den betroffenen Bundespolizisten und Bundespoli-zistinnen.Einer der Experten kritisierte die Geheimhaltungs-politik der Bundesregierung. Wer gute Sachargumentehabe, könne sich auch Transparenz leisten, sagte er. Daswar eine höflich formulierte Ohrfeige. Es war übrigensnicht der Sachverständige, den die Linke bestellt hatte,sondern der Experte der SPD, Berlins PolizeipräsidentDieter Glietsch.
Trotzdem forciert auch die SPD das Gesetzeswirrwarr.Ich frage mich immer wieder, liebe Kolleginnen undKollegen von der SPD: Wer hat bei Ihnen eigentlich dasSagen: Ihr eigener Sachverstand, der durchaus vorhan-den ist, wie ich aus Erfahrung weiß, oder der Wille derUnion?Als wir im Dezember zum ersten Mal über den Ent-wurf dieses Reformgesetzes sprachen, kritisierte ich dasVerfahren und beschrieb die Sorgen der Bediensteten derBundespolizei. Dafür erntete ich von Bundesinnenminis-ter Schäuble von der Regierungsbank den Zwischenruf:Alles gelogen! Ich hätte diesen Zwischenruf rügen las-sen können. Nun ist er protokolliert. Das Protokoll kur-siert inzwischen bei der Bundespolizei, sodass sich diePolizistinnen und Polizisten ihren eigenen Reim daraufmachen können. So viel zum Umgang mit den Briefen,die auch Sie erreicht haben. Alles gelogen?Übrigens haben nur zwei Sachverständige das Re-formwerk grundsätzlich für gut befunden. Der eine warHerr Seeger, der Beauftragte des Bundesinnenministe-rHdfdvgpBBedsKpDrktzheenbapElrGcemMtssKkBodwwv
er Chef des Bundeskriminalamtes. Er ist als solcher of-enbar in froher Erwartung, dass für das BKA bei alle-em ordentlich etwas abfällt.Damit wäre ich beim Kern unserer Kritik. Mit demorliegenden Gesetzentwurf soll dieses und jeneseregelt werden; der Beantwortung der entscheidenden,olitischen Frage – „Wie passt diese Reform derundespolizei in die neue Sicherheitsarchitektur, dieundesinnenminister Schäuble vorschwebt?“ – weichtr jedoch verlässlich aus. Diese Frage wäre einer Bun-estagsdebatte würdig. Diese Debatte fand bisher nichttatt. Das nährt Spekulationen, für die allein die Großeoalition verantwortlich ist.Im Gesetzentwurf ist zum Beispiel von einem Stellen-ool für Auslandseinsätze der Bundespolizei die Rede.as Bundesinnenministerium bezeichnet diesen Pool alsein technische Lösung. Doch letztlich geht es um kon-rete Auslandseinsätze mit konkreten Polizeibedienste-en unter konkreten Einsatzbedingungen. Darüber wäreu sprechen, und darüber wäre nicht irgendwo, sondernier im Deutschen Bundestag zu entscheiden. Deshalbrinnere ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, anine aktuelle Forderung der Linken, die wir in Form ei-es Antrages parlamentarisch auf den Weg gebracht ha-en: Wir wollen endlich einen Parlamentsvorbehalt fürlle Auslandseinsätze der Bundespolizei und der Länder-olizeien.
s kann doch nicht sein, dass der Bundestag über Aus-andseinsätze der Bundeswehr zu entscheiden hat, wäh-end Bundespolizistinnen und Bundespolizisten nachutdünken in alle Welt geschickt werden können, mögli-herweise auch in paramilitärische Einsätze. Wir habenrst am Mittwoch im Innenausschuss über die Polizei-ission in Afghanistan debattiert. Diese Praxis ist eineissachtung des Parlaments und zugleich eine Missach-ung der Bundespolizistinnen und Bundespolizisten.Das Gleiche gilt dafür, dass der Bund und der Frei-taat Bayern klammheimlich ein Sonderabkommen ab-chließen, ohne dass der Bundestag über die Inhalte inenntnis gesetzt wird. Nach allem, was man bisher lesenonnte, muss man sich ernsthaft die Frage stellen, obayern noch zur Bundesrepublik gehört
der ob die Bundespolizistinnen und Bundespolizistenort in einen Auslandseinsatz geschickt werden. Icharte wieder auf den Zwischenruf: Alles gelogen!
Fazit: Die Fraktion Die Linke wird diesem Gesetzent-urf zur Reform der Bundespolizei nicht zustimmen,or allem weil zweierlei nicht geht: erstens, dass das
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14800 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Petra PauParlament dummgehalten wird, während Tatsachen ge-schaffen werden, und zweitens, dass zugleich an einerSicherheitsarchitektur gebastelt wird, die möglicher-weise oder wahrscheinlich dem Grundgesetz wider-spricht.Danke.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar von Neu-
forn von Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Re-
form der Bundespolizei kann von Anfang an nur als
missglückt bezeichnet werden. Ich möchte noch einmal
daran erinnern: Nicht nur wir, sondern auch die Bediens-
teten der Bundespolizei haben erst durch die Medien er-
fahren, dass im Bundesinnenministerium von Staats-
sekretär Hanning – der vom BND, wo er die
Geheimhaltung verinnerlicht hat, ins Innenministerium
gewechselt ist – ohne Beteiligung und ohne Information
der Bediensteten, wie bei einer geheimen Kommando-
sache, diese Reform erarbeitet wurde. Auch von den
Grundzügen der Reform erfuhren die Polizisten aus den
Medien.
Werter Herr Staatssekretär Bergner, hier zu behaup-
ten, die Gewerkschaften, die Bundespolizei, die Be-
diensteten seien beteiligt gewesen, ist ein schlechter
Witz. Man muss nur auf die Internetseiten der Gewerk-
schaften gehen, um die geballte Kritik an der Nichtbetei-
ligung nachlesen zu können.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich finde, es ist be-
dauerlich und es ist auch ein schlechter Stil, dass wir hier
und heute von einer Bundespolizeireform reden, die für
die Betroffenen Umzüge von Ost nach West, die Auf-
gabe der eigenen Wohnung und Gespräche in der Fami-
lie bedeutet, in denen klar wird, dass die Familie umzie-
hen wird und dass die Kinder die Schule wechseln
müssen – die Reform ist mit erheblichen Eingriffen in
das persönliche Leben der Bundespolizeibeamten ver-
bunden –, und die in Abwesenheit des Bundesinnen-
ministers verabschiedet wird. Ich finde, das ist ein ver-
dammt schlechter Stil.
Ich weiß, dass der Bundesinnenminister heute an der
Innen- und Justizministerkonferenz in Slowenien teil-
nimmt. Es ist aber an Ihnen, mit Ihrer Mehrheit die Ge-
schäftsordnung zu nutzen, diesen Tagesordnungspunkt
an einem Tag im Plenum zu behandeln, an dem der Bun-
desinnenminister selbst Zeit hat, die Inhalte der Reform
vor den Bediensteten zu vertreten und an dem er nicht
die dritte Ebene, den Staatssekretär, an die Front schickt.
Ich finde, das ist ein schlechter Stil.
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Immer gern, Herr Kollege Bosbach, ich sage auch
icht mehr „Bossbach“.
Ich wusste, dass ich Sie damit ärgere.
Deshalb habe ich mich nicht zu Wort gemeldet. –rau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,ass diese Debatte eigentlich gestern stattfinden solltend dass sie auf Ihren Wunsch hin auf heute vertagturde,
ass sich der Bundesinnenminister förmlich entschuldigtat, weil er an dem Europäischen Rat der Justiz- und dernnenminister teilnehmen muss? Sind Sie nicht der Auf-assung, dass man ihm daraus keinen Vorwurf machenann?
Herr Kollege, mir ist bekannt, dass sich Herr Bundes-nnenminister Schäuble und auch Herr Staatssekretärltmaier heute in Slowenien aufhalten. Das kritisiere ichuch gar nicht. Ich kann Ihnen aber etwas zu den Abläu-en sagen, was Ihnen eigentlich bekannt sein sollte. Ichabe – genauso wie es Frau Pau eben gesagt hat – bereitsm Innenausschuss ganz massiv kritisiert, dass plötzlichn einem Affentheater – –
Herr Körper und andere haben in der Öffentlichkeit fürie SPD verkündet: Wir lassen uns von der CDU keineltimaten setzen. Wir werden – wie auch von uns gefor-ert – in Ruhe die Stellungnahmen der Fachanhörunguswerten.Dann aber wurde sozusagen im Schnelldurchlauf einortprotokoll erstellt. Das haben wir am Freitagabendpät bekommen. Sie von der Großen Koalition habenarauf bestanden, dieses Thema in dieser Woche im In-enausschuss und sofort im Plenum zu behandeln. Esätte überhaupt nichts dagegen gesprochen, sich für diearlamentarische Beratung Zeit zu nehmen und dieseshema in der nächsten Sitzungswoche in Anwesenheit
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14801
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)Silke Stokar von Neuforndes Bundesinnenministers zu behandeln. Schieben Siedas jetzt bitte nicht auf die Linksfraktion. Sie haben dieGeschäftsordnungsmehrheit. Sie hätten einen angemes-senen Termin, an dem der Bundesinnenminister selbstseine Reform im Parlament vertreten kann, finden kön-nen. Ich denke, das reicht als Antwort aus.
– Ja, genau. Frau Kollegin, Sie erinnern mich an dasStichwort Bayern. Auch hierzu muss noch etwas gesagtwerden. Viele wissen das gar nicht. Warum hat der Bun-desinnenminister dieses Verwaltungsabkommen mitBayern nicht einfach auslaufen lassen? Warum wird die-ses Verwaltungsabkommen mit Bayern nicht gekündigt?Wir haben mittlerweile europäische Standards zurGrenzsicherung, wir haben FRONTEX. Nun gibt es dasBundesland Bayern, das meint, dass seine Grenzjägerdie eigenen Landesgrenzen schützen müssen.
Bayern weigert sich hier, Bundesrecht anzuerkennen.Bundesinnenminister Schäuble spielt sonst gern denHardliner. Hier ist er nicht konfliktfähig und nicht in derLage, Herrn Beckstein zu sagen: Die Bundespolizei hatauch in Bayern volle Kompetenz. Wem wollen Sie daserklären? Wir haben die Umsetzung einer EU-Luft-sicherheitsrichtlinie. Am Münchener Flughafen ist dieBundespolizei zuständig, in Nürnberg und in Augsburgist die bayerische Landespolizei zuständig. Das ist hierdoch eine Kleinstaaterei, die zu Sicherheitsrisiken führt.Ich bin der Meinung, hier sollte sich der Bundesinnen-minister tatsächlich einmal durchsetzen und sagen, dassdas Bundesrecht auch in Bayern gilt.
Lassen Sie mich zum Bundespolizeipräsidium kom-men. Herr Körper, Sie hatten mit Ihrer inhaltlichen Kri-tik ja recht. Ich vermisse hier den Kollegen Gunkel, derja Berichterstatter der SPD war. Aus guten Gründen hater gesagt, dass er sich das hier heute nicht antut. Er hateine schriftliche Erklärung abgegeben, wonach er dieserBundespolizeireform nicht zustimmen wird. Ich verstehediesen Kollegen sehr gut, weil Sie sich aufgrund derKoalitionsräson, wie Kollege Hartmann das hier gesagthat, wider besseres Wissen in diese Ecke haben drängenlassen und weil Sie das Ultimatum akzeptiert haben.Ein Massenumzug eines Bundespolizeipräsidiumsmit 709 Stellen nach Potsdam – die meisten werden ausKoblenz kommen – ist nicht vernünftig, zumal dieseAufgaben im BMI als Doppelaufgaben wahrgenommenwerden. Warum jetzt eine IT-Abteilung von Koblenznach Potsdam umziehen soll, ist für niemanden nachzu-vollziehen. Dahinter steckt nur die Idee von Bundes-innenminister Schäuble, sich zentrale polizeilicheMachtzentren in der Nähe des BMI zu schaffen. Das hatmit Sicherheit im Land und in der Fläche überhauptnichts zu tun.lSdOndBsdtBzgdwpncSf–ASlRajEsCesBgBlisza
ie wollten ja Inhalte hören. In den ostdeutschen Bun-esländern sind die stationären Grenzkontrollen nachsten wegfallen. In einer solchen Situation hätten wiricht gleichzeitig an die 2 000 Bundespolizeibeamte ausiesem Grenzraum abgezogen und damit eine negativeotschaft an die Bevölkerung gesendet. Das ist die fal-che Botschaft, und das ist auch die falsche Entschei-ung.Wir hätten es begrüßt, wenn es zum Beispiel eine Un-ersuchung der Aufgaben der Bereitschaftspolizeien derundesländer, die ja in Konkurrenz zu den Landespoli-eien stehen, und eine Umgruppierung des Personals ge-eben hätte. In einer Situation, in der die Bevölkerungurch den Wegfall der stationären Grenzkontrollen so-ieso schon verunsichert ist, zeitgleich mit der Bundes-olizeireform auch noch einen Massenumzug von Ostach West durchzuführen, ist genau das falsche inhaltli-he Signal.Ihre Polizeireform ist deswegen von Anfang an in denand gesetzt worden, weil Sie unserem Antrag, am An-ang der Reform eine Expertenkommission einzusetzen am Beginn einer Reform stehen die Definition derufgaben und die Aufgabenkritik –, nicht gefolgt sind.ie haben die Organisationsreform in einen inhaltlichuftleeren Raum gesetzt. Deshalb ist das eine verfehlteeform.Verfehlte Reformen sind wir unter dieser Großen Ko-lition aber gewohnt. Im Grunde genommen haben Sieedes Reformvorhaben mit Ihrem Dauerstreit und amnde mit sinnlosen Kompromissen in den Sand gesetzt –o, wie dieses.Danke.
Das Wort hat der Kollege Stephan Mayer von der
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen! Ge-hrte Kollegen! Die Novellierung des Bundespolizeige-etzes und die damit verbundene Strukturreform derundespolizei sind polizeifachlich notwendig und sach-erecht. Ich möchte an dieser Stelle insbesondere denundesinnenminister Dr. Schäuble ausdrücklich dafüroben, dass er diese Bundespolizeireform angegangent.
Natürlich ist es als Politiker immer einfacher, nichtsu tun. Damit tritt man niemandem auf die Füße. Es warber richtig, diese Strukturreform anzugehen, weil sie
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14802 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Stephan Mayer
überfällig ist. Sie ist deshalb überfällig, weil sich die Si-cherheitslage in Deutschland insbesondere nach dem11. September 2001 grundlegend geändert hat und weilam 21. Dezember letzten Jahres die stationären Grenz-kontrollen zu Tschechien und Polen wegen des Beitrittsder beiden Länder zum Schengen-Raum weggefallensind. Wir haben – analog zum deutlich angestiegenenPassagieraufkommen – einen erhöhten Bedarf an Poli-zeikräften an deutschen Flughäfen zu konstatieren. Wirsind nach wie vor im Fokus des internationalen und ins-besondere des islamistischen Terrorismus. Deswegen istes richtig, diese Strukturreform anzugehen. Mit dieserStrukturreform wird die Mittelbehördenstruktur über-wunden. Es wird eine Zentralisierung in einer Oberbe-hörde, in einem Bundespolizeipräsidium, erreicht. DieBundespolizei kann sich endlich auf ihre Kernaufgabenkonzentrieren.
Insgesamt wird die Bundespolizei effektiver und ziel-genauer an der aktuellen Sicherheits- und Gefährdungs-lage in Deutschland ausgerichtet. Als außerordentlichpositiv ist festzustellen, dass aufgrund dieser Struktur-reform zusätzlich 1 000 Polizeivollzugskräfte im opera-tiven Geschäft eingesetzt werden können.
Das Hauptziel muss eine möglichst effektive und opti-male Gewährleistung der inneren Sicherheit für die Bür-gerinnen und Bürger in Deutschland sein. Bei allerdurchaus notwendigen Kritik muss nach wie vor dieoberste Maxime sein, dass wir das hohe Sicherheits-niveau, das wir in Deutschland haben, erhalten. Dabeidürfen Animositäten zwischen unterschiedlichen Behör-den und Polizeien keine Rolle spielen.Was das Personalkonzept angeht, liegt die Struktur-reform nicht in der Hand des Parlaments, des Gesetzge-bers. Dennoch ist es eine notwendige Aufgabe, dass wiruns mit dem neuen Personalkonzept auseinandersetzen.In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem aufBayern eingehen, das schon einige Male von den Vor-rednern genannt wurde. Die Entscheidungen bezüglichder Bundespolizeiabteilung in Rosenheim und des Bun-despolizeiamtes in Schwandorf waren herbe undschmerzliche Einschnitte und waren vor Ort nur schwervermittelbar. Dennoch ist es meines Erachtens insbeson-dere durch den starken Einsatz der CSU-Landesgruppeund der Wahlkreisabgeordneten Daniela Raab und KlausHofbauer gelungen,
zu einigermaßen akzeptablen und vertretbaren Ergebnis-sen zu kommen. Ich danke dem Bundesministerium fürdie Zusage, dass es zu einer sozialverträglichen Umset-zung der Strukturreform kommen wird, dass einDienstortwechsel der betroffenen Bundespolizeibeamtennur dann ansteht, wenn er wirklich unumgänglich ist,und dass keine Verwaltungsangestellten entlassen wer-den. Außerordentlich erfreulich ist ebenfalls, dass es inZukunft befristet eingerichtete Servicestellen gebenwird, in denen die Verwaltungsangestellten unterge-bsoIiBdsgknWbßhezBvndaBZBswitdnshttLng
ch möchte festhalten: Sie können froh sein, dass Bayernn Deutschland liegt; denn insbesondere das Bundeslanderlin, das Sie hier mitvertreten, profitiert im Rahmenes Länderfinanzausgleichs von dem überproportionaltarken Steueraufkommen Bayerns. Um es klar zu sa-en: Bayern liegt nicht nur in Deutschland, sondern be-ennt sich auch zu Deutschland. Frau Kollegin Stokar,atürlich richtet sich Bayern nach dem Bundesrecht. Dieahrnehmung grenzpolizeilicher Aufgaben ist durch dieayerische Landespolizei bislang hervorragend und au-erordentlich erfolgreich gewährleistet worden.
Das Verwaltungsabkommen, das von Ihnen als Ge-eimabkommen diskreditiert wird, ist alles andere alsin Geheimabkommen, es ist ein Verwaltungsabkommenwischen der Bayerischen Staatsregierung und demundesinnenministerium. Ich bin guter Hoffnung undertraue darauf, dass dieses Verwaltungsabkommen, dasun fortgeschrieben wird, gute Rahmenbedingungen fürie Verstetigung der bislang hervorragenden Zusammen-rbeit zwischen der bayerischen Landespolizei und derundespolizei bieten wird.
Die Präsenz der Bundespolizei vor Ort wird auch inukunft entscheidend sein. Wir müssen feststellen: Dieürgerinnen und Bürger insbesondere im Grenzbereichind angesichts des Wegfalls der Grenzkontrollen teil-eise verängstigt. Da wird natürlich befürchtet, dass diellegale Migration und damit auch die Begleitkriminali-ät zunehmen. Deswegen wird es unsere Aufgabe sein –a vertraue ich wirklich auf die Zusagen des Bundesin-enministers und des Bundesinnenministeriums –, dietarke Präsenz der Bundespolizei vor Ort weiter zu er-alten.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ja, Herr Präsident, ich komme jetzt zum Ende.Ich bin zuversichtlich, dass es möglich sein wird, un-er Einbeziehung aller Beschäftigten, der Personalvertre-ungen vor Ort und des Parlaments sozialverträglicheösungen zu finden. In diesem Sinne kann ich uns allenur empfehlen, dieser Novellierung des Bundespolizei-esetzes zuzustimmen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14803
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Das Wort hat jetzt der fraktionslose Kollege Henry
Nitzsche.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grenz-
öffnung nach Osteuropa ist ein historischer Moment.
Das sagte die Bundeskanzlerin am 21. Dezember 2007
in Zittau. Recht hat sie. Ein historisch einmaliger Mo-
ment ist es allerdings auch für die Menschen, die bisher
durch die festen Grenzkontrollen zurückgehalten wur-
den. Ich meine nicht die Schnäppchenjäger, die zum
Görlitzer Weihnachtsmarkt gehen, sondern zum Beispiel
illegal Einreisende. Die Bundespolizeigewerkschaft
meldete, dass es bis zum 13. Januar 564 Fälle gab. Das
ist eine Steigerung um 150 Prozent im Vergleich zum
vorigen Jahr. Polizeiexperten gehen sogar davon aus,
dass die Dunkelziffer zehnmal so hoch liegt; denn nur je-
des 2 000. Fahrzeug wird kontrolliert.
Zum Thema Kriminalität. Im grenznahen Raum Gör-
litz sind an einem einzigen Wochenende zehn Autos ge-
stohlen worden. Die Landespolizei vermutet, dass die
Diebe die Wagen nach Polen bringen. Es könnte sich um
Auftragskriminalität handeln.
Wie ist die Lage der Bevölkerung? Ich zitiere den
Sachsenspiegel vom 22. Januar dieses Jahres:
Mit Bürgerwehr, Stacheldraht, Alarmanlagen und
einfachen Waffen sind die Bewohner der Grenz-
region … aktiv … Die Kleingärtner aus Ebersbach
meinen, jene, die früher über die grüne Grenze ka-
men, nutzen nun die Straßen an den Grenzübergän-
gen. Das geht schneller, und dort hält sie jetzt kei-
ner mehr auf.
Gestern gab es in MDR Info eine Abstimmung über
die Frage: War der Wegfall der Grenzkontrollen richtig?
54 Prozent sagen: Nein, die Grenzkontrollen haben vor
Kriminalität aus diesen Ländern geschützt.
Für den Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der
Polizei, Konrad Freiberg, kommt es ganz dick:
Es ist das eingetreten, was wir befürchtet haben.
Wir haben vor der vorzeitigen Grenzöffnung ge-
warnt. Nun gilt es gegenzusteuern, um die Men-
schen vor illegaler Einwanderung zu schützen.
Es dürften keinesfalls Kräfte der Bundespolizei aus den
Grenzregionen abgezogen werden.
Was geschieht jetzt durch diesen Gesetzentwurf?
Josef Scheuring, Vorsitzender der Gewerkschaft der
Polizei, Bezirk Bundespolizei, sagt: Dieses Gesetz be-
wirkt keine Effizienzsteigerung, weder durch die Ver-
schlankung der Behörde noch durch den fehlenden Ab-
gleich mit den anderen Sicherheitsbehörden.
Gerade an den östlichen Grenzen Deutschlands kann
nur ein enges Netz von Dienststellen die Flächenpräsenz
gewährleisten. Durch die geplanten neuen Bundespoli-
zeidirektionen und der gleichzeitigen Reduzierung von
nachgeordneten Dienststellen wird aber genau das Ge-
genteil erreicht.
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In Nordrhein-Westfalen hat Ihre Partei das Innenminis-erium. Sie könnten dort erst einmal üben, bevor Sie sichuf Bundesebene versuchen.
Kollegin Pau hat viele Experten erwähnt; das fand ichanz nett. Aber Sie haben den Experten Wimber verges-en, der im Übrigen die Ziele der Reform teilt.
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14804 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Ralf GöbelMich hat gewundert, dass Sie auf Ihren eigenen Exper-ten nicht eingegangen sind. Er hat nämlich den interes-santesten Beitrag geliefert, indem er gesagt hat: Wir lö-sen die Bundespolizei auf und verteilen alle Beamte aufdie Länder. Bei der Bahn lassen wir uns noch etwas ein-fallen. – Dann machte er den wirklich genialen Vor-schlag, der in diesem Haus eigentlich von niemandemgeteilt wird, die GSG 9 dem Bundeskriminalamt zu un-terstellen. Es wäre sehr sinnvoll gewesen, wenn Sie aufdiesen Experten, den Sie benannt haben, in Ihrer Redeeingegangen wären.
Wir sind uns darüber einig, dass für diese Reformeine Notwendigkeit besteht. Das ist auch von den Vor-rednerinnen und Vorrednern gesagt worden. Worübergestritten wird – es ist auch richtig, dass wir darüberstreiten –, ist die Frage, ob das Modell, das der Bundes-innenminister gewählt hat, von uns akzeptiert werdensollte. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Dasist völlig normal. Das gibt es in den Ländern bei jederPolizeireform, dass nämlich unterschiedliche Auffassun-gen über die Ausgestaltung der Reform bestehen.Ich bin der Auffassung, dass sich aus der Sachver-ständigenanhörung ergeben hat, dass das vorgeschlageneModell des Bundesinnenministers richtig ist. Dennochwill ich – wie im Innenausschuss auch – noch einmaldeutlich machen – es ist ja auch Publikum anwesend –,was wir im Parlament überhaupt zu entscheiden haben.
Wir entscheiden nicht über Standorte, über Dienstpläneoder über die Einrichtung von Inspektionen. All das istder parlamentarischen Entscheidung entzogen, weil diesin der Organisationsgewalt des Ministers liegt. Das Par-lament setzt nur den groben Rahmen. Das tun wir heute,indem wir entscheiden: Es gibt ein Bundespolizeipräsi-dium, es gibt Bundespolizeidirektionen, und es gibt dieBundespolizeiakademie.
Der Rest der Ausgestaltung ist Angelegenheit des Minis-ters. Dafür hat er die Verantwortung übernommen.Angesichts der Kritik der Grünen, warum der Gesetz-entwurf so grob gerastert ist, muss ich Sie ernsthaft fra-gen, warum Sie bei der letzten Änderung des Bundespo-lizeigesetzes im Jahre 2005 der Regelung zugestimmthaben, dass die Festlegung auf eine bestimmte Anzahlvon Polizeidienststellen im Gesetz gestrichen wird. Da-mals lautete die Begründung, dass der Minister eine grö-ßere Flexibilität braucht, um auf Veränderungen bei derSicherheitslage flexibel reagieren zu können.
– Das war damals eine kluge Position. Was Sie aber da-mals von diesem Rednerpult verteidigt haben, sammelnSie heute wieder ein, indem Sie sagen: Bis zur letztenDdnwndPMtBAlzgekMeitwtgttgrghpshEWsmstnSfdWsR
Aus Sicht unserer Fraktion sind die Ziele richtig defi-iert. Der Minister ist mit seiner Entscheidung darüber,ie er die Organisationsreform durchführen will, auf ei-em richtigen Weg.Ich will hier dem Eindruck widersprechen, die Be-iensteten seien nicht beteiligt gewesen. Es wurde einerojektgruppe eingerichtet, in der Mitarbeiterinnen unditarbeiter der Bundespolizei und die Personalvertre-ungen beteiligt waren. Das ist vom Vorsitzenden desezirks Bundespolizei der GdP, Herrn Scheuring, in dernhörung des Innenausschusses sogar ausdrücklich ge-obt worden.Es gab hier ein Novum; Sie erinnern sich an die Sit-ung des Innenausschusses, bei der der Minister den Ab-eordneten des Deutschen Bundestages zugesagt hat, aufine interne Homepage des Ministeriums zugreifen zuönnen. Das ist in der Tat ein Novum. Noch nie hat eininister so offen den Zutritt zum Ministerium und damitine Teilnahme an der Diskussion ermöglicht.Die Einrichtung des neuen Bundespolizeipräsidiumsst von vielen Sachverständigen als ein richtiger Weg be-rachtet worden, die Polizei zentral zu steuern. Zum Vor-urf der Zentralisierung, den Frau Piltz erhoben hat: Na-ürlich ist es richtig. Aber wer hat denn bisher zentralesteuert, wenn Angelegenheiten mehrerer Präsidien be-roffen waren? Das war das Ministerium.Jetzt wollen wir eine Behörde, die die unteren Struk-uren und Direktionen im Bundespolizeidienst strate-isch steuert und die polizeiliche Arbeit von dort vorbe-eitet. Das ist ein guter Ansatz in der Reform, weil erleichzeitig ermöglicht, dass die anderen Bundessicher-eitsbehörden mit dem Ansprechpartner Bundespolizei-räsidium noch besser zusammenarbeiten können, alsie es bisher schon tun. Herr Ziercke hat dies in der An-örung sehr eindrucksvoll bestätigt.Straffung der Organisation heißt natürlich auch, dassinschnitte gemacht werden müssen. Ich habe gesagt:ir entscheiden nicht über die Standorte, aber selbstver-tändlich kümmern wir uns um die Auswirkungen, dieit Standortentscheidungen verbunden sind.Wir kennen dieses Problem aus den Organisationsent-cheidungen des früheren Bundesverteidigungsminis-ers Dr. Struck, der die Bundeswehr ebenfalls neu geord-et hat. Dabei sind in verschiedenen Wahlkreisentandorte weggefallen, auch in meinem Wahlkreis. Ichinde es völlig legitim – das ist auch richtig –, dass sichie Kolleginnen und Kollegen aus den betroffenenahlkreisen genauso für den Erhalt dieser Standorte ein-etzen, wie dies die Kommunalpolitiker vor Ort in ihrenesolutionen getan haben.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14805
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Ralf GöbelDas ist in Ordnung. Ich bitte aber auch, zu verstehenund zu akzeptieren, dass der Minister die Gesamtverant-wortung für die Organisation trägt,
die Organisation insgesamt im Bundesgebiet stimmigsein muss und deshalb auch auf die eine oder andere ausregionaler Sicht berechtigte Kritik nicht eingegangenwerden kann. Uns ist die Sozialverträglichkeit der Um-setzung wichtig, und wir nehmen anerkennend zurKenntnis, dass mit den Personalvertretungen in diesemSinne bereits beraten worden ist.Ich will am Ende meiner Rede die Gelegenheit nut-zen, mich für meine Fraktion bei allen Beschäftigten derBundespolizei für die Arbeit zu bedanken, die sie in derZeit geleistet haben. Ich hoffe, dass wir jetzt mit dieserEntscheidung über das Gesetz wieder die notwendigeRuhe in die tägliche Arbeit bringen. Ich bin optimistisch,dass wir in zwei Jahren in diesem Hause über die erfolg-reiche Umsetzung der Bundespolizeireform debattierenkönnen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Bundespolizeigesetzes und anderer Gesetze.
Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 16/7871, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksachen 16/6291 und
16/6569 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen an-
genommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit gleichem
Stimmenverhältnis angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/7888.
Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zu-
stimmung der Oppositionsfraktionen abgelehnt.
Ich darf noch bekannt geben, dass es eine Reihe von
Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 der Geschäfts-
ordnung gegeben hat, die wir zu Protokoll nehmen. Es
handelt sich um die Erklärungen der Kollegen Michael
Brand und Dr. Eva Möllring von der CDU/CSU-Frak-
tion sowie Maik Reichel, Wolfgang Gunkel, Sabine
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Tagesordnungspunkt 4 b: Beschlussempfehlung des
nnenausschusses zu dem Antrag der Fraktion Bünd-
is 90/Die Grünen mit dem Titel „Einrichtung einer
olizeireformkommission“. Der Ausschuss empfiehlt in
einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4837,
en Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
rucksache 16/3704 abzulehnen. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen sowie der FDP-Fraktion bei
egenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und
nthaltung der Fraktion Die Linke angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul
Schäfer , Monika Knoche, Inge Höger,
Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE
Für ein sofortiges Verbot von Streumunition in
Deutschland
– Drucksache 16/7767 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. Gibt es
iderspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
s so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
erin der Kollegin Inge Höger von der Fraktion Die
inke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! 100 000 Opferat der Einsatz von Streubomben bis heute schon gefor-ert. 98 Prozent waren Zivilistinnen und Zivilisten.7 Prozent waren Kinder. Streubomben sind Waffen, mitenen angeblich militärische Ziele getroffen werden sol-en; faktisch aber wird mit Streumunition Krieg gegenie Bevölkerung geführt. Streubomben töten noch langeachdem die eigentlichen Kriegshandlungen vorbei sind.ie Blindgänger wirken wie Landminen, heimtückischnd verheerend. Der Einsatz von Streubomben muss da-er genauso wie der von Landminen geächtet und verbo-en werden.Die Linke fordert in dem hier vorliegenden Antragas vollständige Verbot der Produktion, der Lagerung,es Handels und des Einsatzes von Streumunition.
Anlage 3
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14806 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Inge HögerLeider spricht sich die Bundeswehr bis heute gegen einekonsequente Abrüstung von deutscher Streumunitionaus. Die Bundesregierung behauptet, es gebe zwei Sor-ten von Streumunition. Eine Sorte sei für die Zivilbevöl-kerung gefährlich, eine andere vermeintlich zuverlässigund dadurch ungefährlich.Als zuverlässig gilt für die Bundesregierung Streumu-nition mit einer Blindgängerrate von unter 1 Prozent. BeiHunderttausenden oder gar Millionen Stück verstreuterSubmunition stellt jedoch auch 1 Prozent noch eine be-achtliche Gefährdung dar. Vor allem aber machen Exper-tinnen und Experten regelmäßig die Erfahrung, dass dieBlindgängerraten deutlich höher liegen. Die viel geprie-senen Selbstzerstörungsmechanismen, die verhindernsollen, dass die Submunition über Jahre hinweg explo-sionsbereit bleibt, funktionieren häufig nicht. Diese Er-fahrungen von Expertinnen und Experten ignoriert dieBundesregierung standhaft.Warum schafft es die Bundesregierung nicht, sofortund vollständig auf Minen zu verzichten? Warumschließt sie sich nicht wenigstens dem Moratorium desEU-Parlaments an? Andere Länder sind hier deutlichkonsequenter: Belgien hat bereits 2006 und Österreichim Dezember 2007 auf den Einsatz, die Produktion unddie Lagerung von Streumunition verzichtet. Warumschließt sich Deutschland dem nicht an?Der Erhalt bestimmter militärischer Fähigkeiten istder Bundeswehr und der Bundesregierung offensichtlichwichtiger als humanitäre Erwägungen. Das Verteidi-gungsministerium erklärt klar, dass vor der Vernichtungvon Streumunition Alternativen mit der gleichen militä-rischen Wirkung gefunden werden müssten. Bis zu die-sem Zeitpunkt soll Streumunition weiterhin eingesetztwerden können.Wer den Ausstieg aus dieser Technologie lediglich zueinem langfristigen Ziel erklärt, der meint es nicht ernstmit einem Ausstieg.
Wer an militärisch zweckmäßigen Alternativen arbeitet,denkt nicht an den Schutz der Zivilbevölkerung. DiePosition der Bundesregierung ist aus Sicht der Linkeninkonsequent und unglaubwürdig.Die Linke begrüßt zwar, dass die Bundesregierungbei der Waffenkonferenz der Vereinten Nationen aufeine völkerrechtlich verbindliche Lösung hinwirkenwill. Doch wir verstehen nicht, warum es notwendig seinsoll, bis dahin eigene Streumunition zu behalten. Miss-trauisch macht uns, dass die Bundesregierung keineAuskünfte über die Testbedingungen gibt, nach denendie vorhandene Streumunition nur eine Blindgängerratevon 1 Prozent hat. Auch die Menge der in Deutschlandgelagerten Streumunition wird schamhaft verschwiegen.Es hilft nicht, unangenehme Wahrheiten kurzerhand zurVerschlusssache zu erklären. Nur Länder, die ihre Muni-tion weiter einsetzen wollen, schweigen. Österreich undBelgien haben die Größe ihrer Bestände offengelegt.Durch Schweigen und Ausflüchte wird die angeblicheAbrüstungsabsicht nicht glaubwürdiger.lsSatzkStanl–sCHwvSwdWTgnadEtzuWlje
Wir bitten trotz alledem um Ihre Unterstützung für die-en Antrag.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hans Raidel von der CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Der Antrag der Linken ist abzulehnen, weil erie so oft wirklichkeitsfremd ist. Damit hier keine Miss-erständnisse entstehen: Das Thema Streubomben undplitterbomben insgesamt ist für uns alle wichtig. Wirollen die Abschaffung und das Verbot erreichen. Aberie Wege sind verschieden; wir gehen einen realistischeneg.
Der Bundestag hat sich 2006 letztmalig mit dieserhematik befasst und das sogenannte Achtpunktepro-ramm der Bundesregierung ausdrücklich begrüßt. Da-ach wird Deutschland voraussichtlich bis 2015 einseitiguf Streumunition verzichten. Darüber hinaus beschafftie Bundeswehr jetzt schon keine Streumunition mehr.s wurde bereits mit der Vernichtung solcher Streumuni-ion begonnen, die über der Blindgängerrate von 1 Pro-ent liegt. Die Bundesregierung ist damit gut aufgestellt,nd sie verdient auch Lob für ihre Handlungsweise.enn Sie bedenken, dass Staaten wie die USA, Russ-and, China, Indien, Pakistan, Israel und Brasilien bisetzt internationale Regelungen verweigern und gar nichtrst an Prozessen – zum Beispiel dem Oslo-Prozess –
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Hans Raidelteilnehmen, dann sehen Sie, wie schwierig und komplexdieses international wichtige Thema ist.Wir beteiligen uns im Rahmen des Oslo-Prozesses, wieauch Sie wissen. Aber noch mehr setzen wir auf die UNO-Karte. Hier arbeiten wir sehr aktiv am Zustandekommeneines Verbots bzw. eines Beseitigungsabkommens mit.Deswegen haben wir und hat die Bundesregierung einenDreistufenplan zum UN-Waffenübereinkommen vorge-legt. Dieser Vorschlag ist mittlerweile als Gesprächs-grundlage akzeptiert. Deutschland greift mit diesem Vor-schlag auch die Initiative des EU-Parlaments aus demJahre 2006 auf – es stimmt also nicht, was Sie gesagt ha-ben –, in der gefordert wird, Maßnahmen zu verlangen,um die Herstellung, die Lagerung, die Verbreitung undden Einsatz von Streumunition und Splitterbomben jederArt zu unterbinden. Das ist die wörtliche Formulierungaus diesem Protokoll.Der deutsche Plan unterscheidet sich deutlich vomOslo-Konzept. Mit dem Dreistufenplan soll ein gangba-rer Weg aufgezeigt werden, wie mittelfristig weltweitauf Streumunition verzichtet werden kann. Kernziel istes, in einem ausgewogenen Ansatz den Schutz der Zivil-bevölkerung vor Streumunition nachhaltig zu erhöhen,ohne dabei notwendige militärische Fähigkeiten zu ver-nachlässigen.Die drei Stufen sind erstens das sofortige Verbot vonbesonders gefährlicher Streumunition und die restriktiveRegulierung des Einsatzes anderer Arten zum Schutz derZivilbevölkerung, zweitens der mittelfristige Verzichtauf alle Arten von Streumunition und drittens der Ersatzder Streumunition durch alternative Munition, durch diedie Gefährdung Dritter auf ein Minimum reduziert wird,während sie zugleich die militärisch notwendige Be-kämpfung von Punktzielen erlaubt. Im deutschen Vor-schlag werden ergänzend auch die Produktion und derExport gefährlicher Streumunition verboten und derenVernichtung gefordert.Die mit dem deutschen Entwurf klar definierte Liniezur Streumunition entspricht – das ist sehr wichtig – so-wohl den Empfehlungen des Internationalen RotenKreuzes in Genf als auch dem Grundsatz des UN-Waf-fenübereinkommens, humanitären Schutz zu gewähren,ohne militärische Notwendigkeiten zu ignorieren. Wirsind damit in bester Gesellschaft und müssen uns vonniemandem etwas vorwerfen lassen. Unser Ansatz wirdauch von EU- und NATO-Partnern mehrheitlich geteilt.Eine Vereinbarung im Rahmen der UNO würde auchStaaten mit besonders großen Beständen von Streumuni-tion einbinden und wäre sicherlich ein großer Erfolg.Der Oslo-Prozess – um auch darauf einzugehen – hateinen sehr anspruchsvollen Zeitplan. Der vor wenigenTagen – am 21. Januar 2008 – veröffentliche Entwurfsoll bis zum Jahresende 2008 in Oslo zur Zeichnung auf-gelegt werden. Das Ziel ist klar formuliert: Es wird einsofortiges, bedingungsloses und umfassendes Verbotvon Streumunition als ganze Waffenkategorie gefordert.Bei einigen EU- und NATO-Partnern gilt das jedoch alsunangemessen, weil die militärische Bedeutung vonWaffenwirksamkeit in der Fläche nicht berücksichtigtwRd–rRsddNgvmMBhfnI–cuFuVzFMvrwsnbsuTdnl
ei der Bundeswehr würde eine Fähigkeitslücke entste-en, die so nicht verantwortet werden kann. Der Dreistu-enplan der Bundesregierung ist aus meiner Sicht natio-al geboten und international wünschenswert.Wir begrüßen diese Initiative der Bundesregierung.ch glaube, wir sind auf dem richtigen Weg. Wir sindwie häufig in Abrüstungsfragen – Motor, Schrittma-her und Impulsgeber und gehen mit unserem Vorschlagnd auch, was das Verhalten der Bundeswehr in dieserrage angeht, sehr verantwortungsvoll mit dem Themam. Wir gehen auch gemessen an den internationalenorgaben mit einem guten Beispiel voran. Wir unterstüt-en diesen Weg, und ich sage: Weiter so!Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Harald Leibrecht von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Wir beraten mit dem Verboton Streumunition heute ein Thema, das aus humanitä-en Gründen von großer Bedeutung ist. Streumunitionird durch Bomben, Artillerie oder Raketen verschos-en, die über dem Ziel Hunderte von sogenannten klei-en Bomblets verteilen und großflächig zur Explosionringen.Diese Flächenwaffe unterscheidet dabei nicht zwi-chen zivilen und militärischen Zielen und tötet dahernterschiedslos. Das Problem dabei ist, dass ein großereil der Bomblets beim Aufschlag nicht detoniert, son-ern als Blindgänger am Boden liegen bleibt.Diese Blindgänger, die man durchaus mit Antiperso-enminen, die auch wir ablehnen, vergleichen kann, stel-en noch Jahre nach dem Ende von Kampfhandlungen
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Harald Leibrechtfür die dort lebenden Menschen – oftmals sind es spie-lende Kinder – eine riesige Gefahr dar. Die Rüstungs-industrie hat es bis heute nicht geschafft, die Blindgän-gerrate auf 0 Prozent zu reduzieren. Wenn zum Beispielein Bauer weiß, dass auf seinem Feld Streubomben nie-dergingen, interessiert es ihn reichlich wenig, ob dieBlindgängerrate bei 30 Prozent liegt, wie es heute beimancher Streumunition der Fall ist, ob bei 20 Prozent,5 Prozent oder bei 1 Prozent. Dieser Bauer wird aufJahre hinweg sein Feld nicht bewirtschaften und seineFamilie nicht ernähren können.Da wir die Folgen von Streumunition kennen, hat sichmeine Fraktion, die FDP-Fraktion, bereits imSeptember 2006 für die Ächtung dieser Waffe ausge-sprochen, und wir hatten seinerzeit auch eine sehr inten-sive Debatte hier im Bundestag. Neben der FDP legtendamals auch die Grünen sowie die CDU/CSU und dieSPD entsprechende Anträge vor. Seitdem finden Diskus-sionen über dieses Thema hier im Haus, in den Aus-schüssen und in den Fraktionen, statt. Die Linken hattendamals diese politische Entwicklung offensichtlich ver-schlafen, zumindest war von ihnen damals nichts zu hö-ren. Jetzt, über ein Jahr nach der entscheidenden Debatteim Bundestag, kommen sie quasi wie die alte Fastnachtmit ihrem Antrag und spielen sich als Retter der Nationauf.
Viele Kolleginnen und Kollegen im Bundestag beschäf-tigen sich aus echter Überzeugung mit der Problematikder Streubomben und setzen sich seit langem und glaub-würdig für deren Ächtung ein. Dass die Linken nun mei-nen, bei diesem Thema die Meinungsführerschaft über-nehmen zu müssen, macht sie wenig glaubhaft. Dasmuss hier deutlich gesagt werden.Aber auch inhaltlich weist der Antrag der LinkenSchwächen auf. Sicher, eine weltweite Ächtung dieserschrecklichen Waffe ist wünschenswert, und auch wirwollen, dass die Bundesregierung sich bei unseren Ver-bündeten dafür stark macht. Aber zu meinen, dass sichunsere NATO-Partner von uns vorschreiben lassen, wel-che Waffen sie zur Verteidigung ihrer Soldaten, die hierim Land stationiert sind, haben dürfen und welche nicht,ist realitätsfern. Die mit Deutschland verbündeten Staa-ten, deren Truppen bei uns im Land auf unsere Einla-dung hin hier sind und die für die Sicherheit in Europasorgen, werden auch in Zukunft selbst darüber entschei-den, ob sie auf Streumunition verzichten oder nicht.Wie gesagt, wir müssen für unsere Position der Äch-tung der Streubomben werben, wir sollten uns aber nichtals moralische Lehrmeister aufspielen. Gerade diese Artvon Arroganz gegenüber den Verbündeten würde eherdas Gegenteil erreichen. Mit unserem Antrag von 2006geht es uns, der FDP, um die Ächtung einer schreckli-chen Waffe und nicht, wie es beim Antrag der Linkender Fall ist, darum, NATO-feindlichen Ressentiments einPodium zu bieten. Glaubhafte Abrüstungspolitik siehtanders aus als der Antrag der Linken.dSdJWuhnsdzdwSdSfgwnÄWbSVn2dDidVtfz
Das Wort hat jetzt der Kollege Andreas Weigel von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auch ich wünsche mir manchmal, dass die Welteinfacher wäre, als sie es tatsächlich ist. Es ist nurleider nicht so.o hat unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier iner vergangenen Woche während der Debatte über denahresabrüstungsbericht seine Rede beendet. Dass dieelt der Abrüstung nicht so einfach gestrickt ist, wie wirns das manchmal wünschen, ist eine Einsicht, die bis-er bedauerlicherweise die Fraktion der Linken nochicht hat.Ihr Antrag, den Sie heute vorlegen, zeugt von einerehr vereinfachten Weltsicht. Er zeichnet im Übrigen einüsteres Bild. Die Bundeswehr wirft bei Auslandseinsät-en offenbar mit Streumunition wild um sich, wenn ichen Antrag richtig lese. In Wirklichkeit ist die Bundes-ehr im Rahmen ihrer Einsätze bisher noch nie in derituation gewesen, und zwar kein einziges Mal,
ass sie Streumunition eingesetzt hat.
ie unterstellen der Bundeswehr Beschaffungsvorhabenür neue Streumunition. Das ist nicht der Fall. Der Re-ierungsbeschluss von 2006 legt fest, dass die Bundes-ehr keine Neubeschaffung von Streumunition vor-immt.Sie sagen: Die internationalen Verhandlungen zurchtung von Streumunition treten auf der Stelle. Dieahrheit ist, dass durch die Verhandlungen seit Novem-er letzten Jahres große Fortschritte erzielt worden sind.ie behaupten, Deutschland verweigere sich bei diesenerhandlungen. Das stimmt ebenfalls nicht. Deutschlandimmt eine Vorreiterrolle ein.
007 hat die Bundesregierung auf internationaler Ebeneas erste Mal konkrete Handlungsvorschläge vorgelegt.er deutsche Dreistufenplan – mein Kollege Raidel hathn schon angesprochen – entspricht den Empfehlungenes Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und denorgaben des Waffenübereinkommens der Vereinten Na-ionen.Liebe Frau Höger, ich halte Ihren Antrag für ziemlichragwürdig, weil Sie, erstens, Tatsachen verdrehen,weitens, falsche Behauptungen aufstellen und, drittens,
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14809
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Andreas Weigelweltfremde Lösungen präsentieren – und das alles aufanderthalb Seiten. Ihr Antrag ist darüber hinaus respekt-los gegenüber den Soldatinnen und Soldaten der Bun-deswehr, die von Ihnen in diesem Antrag in ein, wie ichmeine, übles Licht gerückt werden, und respektlos ge-genüber den deutschen Diplomaten, die sich insbeson-dere in den vergangenen Monaten in zähen Verhandlun-gen sehr engagiert dafür eingesetzt haben, dass es zueiner Ächtung von Streumunition kommt.Im Übrigen erweisen Sie mit diesem Antrag, den Sieheute, eine Woche nachdem wir dieses Thema zu promi-nenter Stunde im Bundestag behandelt haben, in das Par-lament einbringen, dem Eintreten für die Ächtung vonStreumunition einen Bärendienst: zum einen wegen desInhalts des Antrags, zum anderen wegen des Zeitpunkts,an dem Sie diesen Antrag einbringen. Erst vor einer Wo-che haben wir hier über diesen Gegenstand diskutiert.Unter anderem hat die Fraktion der Grünen einen Antragzum Thema „Verbot von Streumunition“ vorgelegt. Fastalle Redner haben auf dieses Thema substanziellreagiert. Von Ihnen haben wir leider Gottes nichts ge-hört.
Wir haben in der letzten Woche auch gesagt, dass wirAbrüstungspolitik grundsätzlich wieder stärker in denFokus des Parlamentes rücken sollten. Aber das heißtdoch nicht, dass wir darüber nur eine Woche später er-neut diskutieren – vor fast leerem Haus –, sondern dasheißt, dass wir dieses Thema dann auf die Tagesordnungsetzen, wenn es neue Entwicklungen gibt. In der vergan-genen Woche hat es weder neue Entwicklungen gegebennoch mitteilenswerte Neuigkeiten. Wenn wir mit diesemThema so umgehen, verbessern wir auch nicht die öf-fentliche Wahrnehmung. Es ist schade, dass wir es zudieser Zeit diskutieren. Diejenigen, die uns heute zu-schauen, meinen womöglich, dass dieses Thema es nichtwert sei, zu prominenter Stunde im Bundestag diskutiertzu werden.Ich will in meiner Rede nicht noch einmal das auf-greifen, was ich vorige Woche gesagt habe. Ich will le-diglich einige wenige Dinge, die mir in diesem Zusam-menhang wichtig sind, ansprechen.Es wird behauptet, die Große Koalition betreibe mitihrer Unterscheidung zwischen gefährlicher und unge-fährlicher Streumunition Augenwischerei.
Ich will hier klarstellen: Die SPD-Fraktion ist für einumfassendes Verbot von Streumunition. Wir sind dafür,dass die Herstellung, Verbreitung und Verwendung vonStreumunition in Zukunft sanktioniert wird.
Der militärische Nutzen von Streumunition, vonBomben und Granaten, die eine Vielzahl von kleinenSprengkörpern freisetzen, ist ohnehin zweifelhaft. DiesgvfdtlnnuEdShAkhptvestAbEdnshPwdltvJiohDmtBdFdbbs
as sind insbesondere Staaten mit umfangreichen Streu-unitionsarsenalen. Dazu gehören die Vereinigten Staa-en, China, Russland, zudem Indien, Pakistan, Israel undrasilien.Wichtig ist, dass bei den Verhandlungen im Rahmener Vereinten Nationen nach langem Stillstand wiederahrt aufgenommen wurde. Das ist auch ein Verdienster deutschen Bundesregierung. Im November 2007 ha-en sich die Vertragsstaaten bei einer Beratung einhelligereit erklärt, erstmals in den Verhandlungen die Fort-chritte aufzuzählen und insbesondere Definitionen von
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14810 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008
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Andreas WeigelStreumunition vorzunehmen. Vor einer Woche sind be-merkenswerte Fortschritte erzielt worden, die an dieserStelle auch erwähnt werden sollten. Bei einem Treffenim Rahmen der UN-Verhandlungen haben sich die Ver-einigten Staaten erstmals unmissverständlich dafür aus-gesprochen, bis Ende dieses Jahres ein völkerrechtlichverbindliches Abkommen zur Ächtung von Streumuni-tion zu verabschieden. Es ist erfreulich, dass sich insbe-sondere die Amerikaner an dieser Stelle so deutlich posi-tioniert haben. Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr einkonkretes Ergebnis erzielen werden. Ich denke, wir sindauf dem richtigen Weg. Wir werden im Frühjahr, vor derKonferenz in Dublin, hier sicherlich noch einmal da-rüber diskutieren können, dann hoffentlich vor breiteremPublikum.Vielen Dank.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich dem Kollegen Thilo Hoppe vom Bündnis 90/
Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichwerde noch darauf zurückkommen, ob der Antrag realis-tisch oder unrealistisch ist. Lassen Sie mich zunächstaber noch an Folgendes erinnern: Kurz vor Weihnachtengab es im Paul-Löbe-Haus eine Ausstellung mit vielenFotos zur Streubombenproblematik. Mich haben dieseFotos, Fotos von verstümmelten Kindern, wirklich scho-ckiert. Makabererweise gibt es viele Bomblets, die wieSpielzeug aussehen und bei der leisesten Berührung de-tonieren.Bis zu 20 000 Menschen sind in einigen Jahren durchStreubomben und Landminen ums Leben gekommen.Mit Streubomben, die mit Tausenden von Bomblets, mitMinibomben, gefüllt sind, können auf einen Schlag vieleMenschen getötet und große Flächen unpassierbar ge-macht, also quasi vermint werden. Streubomben tötenunterschiedslos Soldaten und Zivilisten. Sie stellen einegroße Gefahr für die Zivilbevölkerung dar, oft nochJahre, manchmal Jahrzehnte nach den kriegerischenAuseinandersetzungen. Ich meine, Streubomben sind be-sonders brutale, grausame Waffen, die ohne Wenn undAber geächtet und aus der Welt geschafft werden müs-sen.
Ich rede heute als Entwicklungspolitiker zu diesemThema, weil weltweit 200 000 Quadratkilometer Flä-chen mit Landminen und Streubomben kontaminiertsind, in Laos beispielsweise 20 Prozent aller anbaubarenAckerflächen. Streubomben und Landminen sind einganz großer Hungerfaktor und verschärfen in sehr vielenLändern das Hungerproblem. Es gibt also sehr vieleplausible, gute Gründe – das haben mehrere Rednerin-nen und Redner heute gesagt –, sich für ein umfassendesVerbot von Streubomben einzusetzen.„KsWGrfznWSsrBdb–HtttGavÖdvsttKSbDdESEgSdhsn7blidvbzu
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 140. Sitzung. Berlin, Freitag, den 25. Januar 2008 14811
(C)
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, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/7767 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
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1)
Berichtig
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/7138 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so beschlos-
en.
Wir sind damit am Schluss unserer heuten Tagesord-
ung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 13. Februar 2008, 13 Uhr,
in.
Die Sitzung ist geschlossen.