Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Neuorganisation der Eisenbah-
nen des Bundes
Drucksache 16/6383
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung zu dem Antrag
der Abgeordneten Dorothée Menzner, Dr. Gesine
Lötzsch, Dr. Barbara Höll, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion DIE LINKE
Börsengang der Deutsche Bahn AG stoppen
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Redet
Drucksachen 16/3801, 16/4110
Berichterstattung:
Abgeordneter Enak Ferlemann
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-
minister Wolfgang Tiefensee.
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister fü
Bau und Stadtentwicklung:
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten D
Herren Abgeordnete! Sehr verehrte Gäste! W
ie Privatisierung der Deutschen Bundesbahn Anfang
er 90er-Jahre wurde sie formell in eine Aktiengesell-
chaft umgewandelt ist eine Erfolgsgeschichte. Die
eutsche Bahn AG ist ein starkes Dienstleistungsunter-
ehmen.
Damals hat uns das Interesse geleitet, mehr Verkehr
on der Straße auf die Schiene zu bringen. Wir wollen,
ass dieses Unternehmen wirtschaftlich arbeitet, dass
er Haushalt entlastet wird, dass wir den Wettbewerb in
uropa, aber auch in Deutschland bestehen, und wir
ollen auch das treibt uns um 230 000 Arbeitsplätze
ei der Deutschen Bahn AG sichern. Das ist eine große
ext
Verantwortung, die wir haben.
Man kann sehen, wie die Dienstleistungsqualität ge-
stiegen ist: 90 Prozent der Menschen in Deutschland ha-
ben weniger als zehn Minuten Distanz zu einer Halte-
stelle des öffentlichen Nahverkehrs zu überwinden; die
Taktfrequenzen sind gut; die Fern- und Regionalver-
kehre sind gut organisiert, jeder hat Zugriff darauf, und
die Güter werden abtransportiert. Das ist die Erfolgsge-
schichte der formellen Privatisierung der DB AG.
Jetzt stehen wir vor neuen Herausforderungen. Wir
brauchen noch besseren Service. Wir müssen rollendes
affen, unsere Bahnhöfe renovieren und
ass Lärm vermieden wird. Die Grenzen
it dem 1. Januar 2007 ist der internatio-
ehr liberalisiert. Ab dem 1. Januar 2010
r Verkehr,
amen und
ährend wir
Material ansch
dafür sorgen, d
öffnen sich. Se
nale Güterverk
11998 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
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Bundesminister Wolfgang Tiefensee
wird der internationale Personenverkehr liberalisiert
sein. Wettbewerb findet auf deutschen Schienen statt,
und wir wollen, dass die offenen Märkte des Personen-
und Güterverkehrs in den neuen und alten EU-Mitglied-
staaten auch durch den Wettbewerber Deutsche
Bahn AG bedient werden. Endlich öffnen sich die neuen
EU-Mitgliedstaaten für Partner für ihre Eisenbahnunter-
nehmen. Um diese Herausforderungen anzunehmen,
braucht die Deutsche Bahn frisches Kapital.
Es gibt zwei Wege. Zwischen diesen beiden Wegen
hat man sich in den Jahren 2003/2004 entschieden. Ent-
weder legt der Steuerzahler auf das Geld, das er bereits
investiert 2,5 Milliarden Euro pro Jahr zum Erhalt der
Schiene weiteres Geld drauf das wird in dieser Haus-
haltssituation nicht möglich sein , oder wir versichern
uns privater Partner. Wir haben den zweiten Weg ge-
wählt, weil wir uns sicher sind, dass wir mit diesen Part-
nern, mit dem Geld, das wir aus einer Teilkapitalprivati-
sierung der Deutschen Bahn AG erlösen, die Bahn in
Deutschland stärker machen.
Wir brauchen eine stärkere Bahn. Warum? Weil wir
den Wettbewerb bestehen wollen; weil wir mehr Verkehr
von der Straße auf die Schiene verlagern und damit ei-
nen Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen; weil wir
die Arbeitsplätze von 230 000 Menschen sichern wollen;
weil wir die Finanzmittel, die der Steuerzahler aufbringt,
begrenzen und effektiv einsetzen wollen. Das sind die
Ziele, die wir uns gestellt haben. Die Lösung, die wir ge-
funden haben, ist: Wir erhalten den integrierten Kon-
zern; wir erhalten ein Unternehmen, das in den letzten
Jahren in dieser Konstellation so erfolgreich gearbeitet
hat wie kein zweites dieser Größenordnung in Europa.
Darauf sind wir stolz. Deshalb erhalten wir es in dieser
Art und Weise.
Erstens. Wir werden das Netz, jeden Kilometer
Schiene, im Eigentum des Volkes behalten.
Der Bund wird weiter mit starkem Zügel Einfluss darauf
haben, was auf der Schiene passiert und wie die Qualität
gewährleistet werden kann. Das ist das Entscheidende:
Der Bund verschleudert kein Volksvermögen. Im Gegen-
teil: Das Eigentum an der Schiene, den Bahnhöfen und
Stellwerken bleibt zu 100 Prozent in der Hand des Bun-
des. Der Bund bleibt Eigentümer des Netzes.
Mit dieser Vorgehensweise erreichen wir, dass wir für
die nächsten Jahre ein stabiles, starkes Unternehmen
die Deutsche Bahn AG fortentwickeln können.
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aher rufe ich der Bevölkerung zu: Auch in der Zukunft
erden die Länder Regionalverkehre wie bisher bestel-
en können. Die Regionalverkehre bleiben unangetastet.
ie Fläche wird so wie bisher bedient. Das ist öffentli-
he Daseinsvorsorge.
Zweitens. Wir werden dafür Sorge tragen, dass die
ualität des Netzes noch besser wird. Transparenz wird
urch einen sogenannten Netzentwicklungsbericht her-
estellt. Wir wissen, dass das Netz an vielen Stellen noch
u verbessern ist. Nicht alles ist so gut, wie wir es uns
orstellen.
ir werden dafür sorgen, dass die Qualität des deut-
chen Schienennetzes verbessert wird.
Drittens. Wir werden dafür sorgen, dass wir uns auch
n unseren EU-Nachbarstaaten stark aufstellen können.
enn nur wenn wir dort Marktanteile gewinnen, werden
ir ein starkes Unternehmen mit starken Arbeitnehme-
innen und Arbeitnehmern in Deutschland haben. Nur
enn wir über Transport- und Reiseketten reden, die
uch über Deutschland hinausgehen, wenn wir unser
nternehmen also stark europäisch aufstellen, werden
ir die Zukunft meistern. Auch das steckt in diesem Ge-
etzentwurf.
Wir diskutieren darüber, was sein wird, wenn das Ge-
etz verabschiedet ist und die Aktien gehandelt werden.
n meiner Partei wird klug und heftig darüber diskutiert.
enn diese Frage ist wichtig. Wir werden eine Antwort
arauf finden. Die Länder werden im Bundesrat beraten
nd Sorge dafür tragen, dass wir starke Unternehmen ha-
en, die die regionalen Verkehre bedienen können. Ich
reue mich auf eine interessante, spannende und kon-
truktive Diskussion.
Ich bedanke mich bei Ihnen, meine sehr verehrten Da-
en und Herren, dass Sie es mit Ihren Beschlussfassun-
en, beispielsweise dem Entschließungsantrag vom No-
ember 2006 auf der Grundlage des Koalitionsvertrages,
öglich gemacht haben, dass wir ein solches Gesetz auf
olidem Fundament einbringen können, ein Gesetz, das
nsere Deutsche Bahn AG stark macht.
Vielen Dank.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 11999
)
)
Ich gebe das Wort dem Kollegen Horst Friedrich,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Minister, Sie haben recht: Eigentlich müsste man
froh sein, dass wir heute den letzten Schritt zur Voll-
endung der Bahnreform machen, die von dem Bundes-
tag, der von 1990 bis 1994 gewählt war, richtigerweise
auf den Weg gebracht worden ist. Das Wort eigentlich
bezieht sich darauf, dass Sie nach wie vor nicht begriffen
haben, dass diese Reform nur dann für alle Beteiligten
erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann, wenn
Sie an der richtigen Stelle trennen.
Der Gesetzentwurf, den die Koalitionsfraktionen vor-
legen, ist nichts weiter als die Fortführung des Status
quo eines Mischkonzerns. Die Deutsche Bahn als Akti-
engesellschaft braucht den Steuerzahler, um ihre welt-
weiten Logistiktätigkeiten zu finanzieren. In genau die-
sem Maße wird sie auf das Netz und auf die Steuerzahler
zugreifen. Was Sie vorlegen, ist ein schlechter Versuch,
Markt und Marx miteinander zu kombinieren.
Schon bei Graf Lambsdorff konnten Sie nachlesen, dass
diese Kombination auch wenn man glaubt, dadurch
eine bessere Marktwirtschaft zu erzielen bestenfalls
Murks produziert.
Das ist die Ausgangssituation, von der aus man diesen
Gesetzentwurf beurteilen muss.
Wo kommen wir her? Im Jahre 1994 haben wir eine
Bahnreform beschlossen. Das geschah zu einem Zeit-
punkt, zu dem die damalige Deutsche Bundesbahn einen
Geschäftsbericht vorgelegt hat, der auswies, dass ihre
Personalkosten höher als die Erlöse aus ihrer normalen
Geschäftstätigkeit waren. Es war zwingend notwendig,
dieses Problem zu lösen. Das war der erste Grund, aus
dem wir die Bahnreform beschlossen haben.
Der zweite Grund bestand darin, dass in Anbetracht
der damaligen Konstruktion der Deutschen Bahn im
Endeffekt jeder, auch die Politik, festlegen konnte, wel-
che Leistungen die Bahn zu erbringen hat, dass er daraus
aber keine finanziellen Konsequenzen ziehen musste.
Aus genau diesem Grund hat der damalige Gesetzgeber
Gott sei Dank und richtigerweise im Eisenbahnneu-
ordnungsgesetz festgelegt, dass die Bahn an den Stellen
entscheiden soll, an denen es für ein Wirtschaftsunter-
nehmen notwendig und sinnvoll ist, und dass die Politik
und damit die Steuerzahler dort entscheiden sollen, wo
es für sie sinnvoll ist.
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ereits jetzt steht fest, dass dann, wenn der Bewirtschaf-
ungszeitraum, den Sie für die Deutsche Bahn vorgeben,
bgelaufen ist und wir das Netz dann zurückhaben wol-
en, um es vielleicht einem anderen Unternehmen zur
ewirtschaftung zu geben,
chätzungsweise weitere 8 Milliarden Euro fällig wer-
en, um das Netz, das wir schon einmal bezahlt haben,
urückzukaufen. Das ist ein Geschäft, das ich als Kauf-
ann auch gerne machen würde. Doch als verantwortli-
her Politiker werde ich mich dieser Lösung nicht an-
chließen, Herr Minister.
ie behaupten, dadurch werde die Qualität des Netzes
esser; wir könnten auf der Basis eines nachprüfbaren
etzzustandsberichtes eine Leistungs- und Finanzie-
12000 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Horst Friedrich
rungsvereinbarung abschließen. Einen solchen Netzzu-
standsbericht verlangt der Verkehrsausschuss des Deut-
schen Bundestages seit Jahren; doch er liegt bis jetzt
nicht vor.
Schauen wir uns einmal die tatsächliche Situation an:
Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg hat im Auf-
trag des Verkehrsministers des Landes Brandenburg eine
Bestandsaufnahme vorgenommen. Die Deutsche Bahn
sagt: Im Bereich des Verkehrsverbundes Berlin-Bran-
denburg gibt es 35 Langsamfahrstellen. Der Verkehrs-
verbund Berlin-Brandenburg hat nachgezählt und festge-
stellt: Es gibt 600 Langsamfahrstellen. Das ist eine
kleine Differenz. An einer Strecke kann man beispielhaft
nachweisen, wo das Problem liegt: Laut DB Netz AG
gibt es auf der Strecke BerlinDresden keine Langsam-
fahrstelle. Dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg
nach sind es insgesamt 18 Langsamfahrstellen. Wie
kann das sein? Für die Deutsche Bahn gelten Langsam-
fahrstellen, die bereits seit mehreren Jahren existieren,
nicht mehr als Langsamfahrstellen sie sind in den
Fahrplan eingerechnet. Das mag ja optisch ganz schön
sein. Nur ist das Problem nicht gelöst. Denn Fakt ist:
Diese Strecke ist auf 160 Stundenkilometer ausgelegt.
Ein Drittel der Strecke ist jedoch nicht mit dieser Ge-
schwindigkeit zu befahren. Das ist das eigentliche Pro-
blem.
Man muss doch, bevor man Verpflichtungen eingeht,
erst einmal klarstellen, was man bekommt. Hier kneift
die Große Koalition, und das wird auch mit den Ände-
rungsanträgen, die Sie vorgelegt haben, nicht besser,
liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es ist ja bezeichnend hoffentlich ist es kein schlech-
tes Omen , dass der Gesetzentwurf der Koalition, über
den wir heute in erster Lesung beraten, vom Bundesver-
kehrsminister eingebracht wird. Das ist natürlich eins zu
eins das, was er vorgelegt hat. Die Verfassungsrechtler
zumindest die große Mehrheit: mittlerweile sieben zu
zwei
halten das, was der Bundesminister vorgelegt hat, für
verfassungswidrig. Er behauptet jetzt, er hat ein Zertifi-
kat wahrscheinlich von der Justizministerin.
Das hatten wir auch bei der Privatisierung der Deut-
schen Flugsicherung. Ich kann Ihnen nur empfehlen, in
Ihrem Büro an der Wand schon ein bisschen Platz zu ma-
chen neben dem Zertifikat, das da schon hängt. Auf die-
sen Pfad würde ich mich an Ihrer Stelle nicht begeben.
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enn weder die Länder noch der Bundespräsident befin-
en sich nach dieser Diskussion noch im Zustand der
nschuld. Alle wissen, dass es einer der entscheidenden
unkte ist, ob die Fiktion, die der damalige Gesetzgeber
ns Grundgesetz geschrieben hat dass der Bund Mehr-
eitseigentümer eines Eisenbahninfrastrukturunterneh-
ens sein muss , mit dem Gesetzesvorschlag, den Sie
orgelegt haben, erfüllt ist oder nicht. Das ist eine relativ
infache Frage.
Nun legen Sie ein abenteuerliches Konstrukt vor.
ie splitten das Eigentum: Sie nehmen die DB Netz AG
ormal aus der Deutschen Bahn AG heraus. Das juristi-
che Eigentum bleibt beim Bund, sagen Sie.
leichzeitig überlassen Sie die DB Netz AG als wirt-
chaftliches Eigentum der Deutschen Bahn AG, sie darf
ie nämlich bilanzieren. Sie behaupten, ein privater In-
estor, der sich an der Holding, an der Hauptgesellschaft
eutsche Bahn AG, beteiligt, habe dann rechtlich keinen
ugriff auf das Netz.
a muss man einmal einen Blick in das Aktiengesetz
erfen! Sie können ja Beschränkungen beschließen.
ber eines habe ich nach 25 Jahren in der freien Wirt-
chaft gelernt: Ich habe keinen Investor gesehen, der
ich an einer großen Gesellschaft beteiligt und der an ei-
er Tochtergesellschaft, die in der Bilanz konsolidiert
ird, nicht zumindest indirekt beteiligt ist. Genau das
ird weiterhin passieren. Deswegen ist das, was Sie sa-
en, vielleicht Ihr Glaube, aber wahrscheinlich nicht die
ealität. Das ist der entscheidende Punkt.
Herr Minister, Sie schneiden an der völlig falschen
telle. Es gibt eigentlich nur eine klare Lösung:
rennen Sie das Netz vom Betrieb! Machen Sie einen
auberen Schnitt!
bertragen Sie die Infrastruktur einem eigenen Unter-
ehmen,
as in Staatsbesitz bleibt! Jagen Sie den deutschen Steu-
rzahler mit Ihrer Gesetzgebung nicht in ein unkalkulier-
ares finanzielles Abenteuer, und bedenken Sie die ver-
assungsmäßigen Risiken!
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12001
)
)
Horst Friedrich
Herr Minister, auch die Volksaktie, die Ihre Partei
jetzt propagiert, wird das Problem nicht lösen. Deswe-
gen kann ich Ihnen zum Schluss nur sagen: Etwas Dum-
mes zu sagen, ist für einen Minister sogar gefährlicher,
als etwas Dummes zu tun. Denken Sie noch einmal
nach! Der Spruch stammt nicht von mir, sondern von
Kardinal de Retz. Er war im Kabinett Richelieu unter
Ludwig XIV. Was schon damals gegolten hat, gilt auch
heute noch.
Danke sehr.
Ich gebe dem Kollegen Dr. Hans-Peter Friedrich,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich glaube, der erste wichtige Erfolg, den wir
heute verkünden können, ist, dass wir verhindert haben,
dass das Schienennetz, die Infrastruktur, an die Börse
geht, was sich einige im Bahnvorstand noch vor einein-
halb Jahren vorgestellt haben. Ich bedanke mich für die
begleitende Kritik in der öffentlichen Auseinanderset-
zung auch bei der Opposition, bei den Grünen und bei
der FDP. Ich glaube, auch Ihre Argumentation war sehr
hilfreich.
Die Bahnreform vollzieht sich in mehreren Stufen.
Die erste Stufe hat der Minister beschrieben: von der Be-
hördenbahn zur betriebswirtschaftlich wirtschaftenden
Bahn. Wir gehen jetzt einen weiteren Zwischenschritt,
ohne das Ziel, das wir von Anfang an im Auge hatten,
aus den Augen zu verlieren. Das Ziel heißt: Wir wollen
eine Trennung von Betrieb und Schiene, eine Trennung
von Logistik und Infrastruktur. Sehr einleuchtend be-
gründet hat das, so glaube ich, der Kollege von der FDP.
Logistik auf der Schiene und auf der Straße die Deut-
sche Bahn AG betreibt mit ihrer Tochter Schenker Lo-
gistik auch auf der Straße findet heute schon im Wett-
bewerb statt. Das ist gut; denn nur wer sich dem
Wettbewerb stellt, bleibt wettbewerbsfähig. Das ist für
die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene
wichtig.
Dieser Teil, der Betrieb auf der Schiene es gibt viele
Bahn- und Fuhrunternehmen , kann eines Tages das
ist unser Ziel vollständig privatisiert werden. Das, was
nicht privatisiert werden kann, ist die Infrastruktur, das
sind die Schienen, die Bahnhöfe und die Energieversor-
gung, all das, was notwendig ist, um den Wirtschafts-
und Investitionsstandort Deutschland zu erschließen, um
den ländlichen Raum zu erschließen, um die Chancen
der Verkehrsdrehscheibe Deutschland, das in der Mitte
Europas liegt, wahrzunehmen. Deswegen machen wir
jetzt einen Zwischenschritt, der genau diese Trennung
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eswegen verstehe ich, dass wir jetzt bei diesem Zwi-
chenschritt dieses Zugeständnis machen. Nur, das
acht eine äußerst komplizierte juristische Konstruktion
otwendig. Aber, lieber Herr Kollege Friedrich, nicht al-
es, was kompliziert ist, ist deswegen schon schlecht.
Was erreichen wir mit dieser Konstruktion?
rstens. Das erste Mal seit 1994 wird die Infrastruktur
Schienen, Grundstücke, Energieversorgung und Bahn-
öfe in einer Gesellschaft konzentriert. Das gab es bis-
er noch nie. Bisher war die Infrastruktur irgendwo im
onzern verstreut, und man konnte es nicht über-
chauen. Jetzt wird sie in einer Gesellschaft konzentriert
nd vom übrigen Betrieb klar abgetrennt.
ir übertragen diese Infrastruktur, die heute dem Kon-
ern Deutsche Bahn AG gehört, in das Eigentum der
undesrepublik Deutschland. Wir entreißen sie dem
onzern und geben sie in die Hand der Bundesrepublik
eutschland.
Jetzt kommt der zweite Schritt, der mit der Bilanzie-
ung zusammenhängt. Damit die Bahn bilanzieren kann,
üssen wir das Recht der Ausübung der Gesellschafts-
echte für einen kurzen Zeitraum von einigen Jahren auf
ie Bahn übertragen. Wir machen das im Wege einer
ollmacht. Wir bevollmächtigen die Deutsche Bahn AG
ür einige Jahre, unsere Rechte aus der Infrastruktur-
esellschaft wahrzunehmen. Das ist der zweite wich-
ige Schritt.
12002 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Keine Zwischenfragen.
Keine Zwischenfragen. Gut.
Deswegen darf die Bahn diese Infrastruktur jetzt auch
noch eine gewisse Zeit lang bewirtschaften. Wir kontrol-
lieren aber auch die Bahn. Herr Kollege Friedrich, ich
sage Ihnen das nur.
Als Eigentümer der Infrastruktur muss der Bahnvorstand
künftig jede Verschuldung des Netzes vom Bund geneh-
migen lassen. Er muss jede Kapitalveränderung vom
Bund genehmigen lassen. Er muss eine Genehmigung
einholen, wenn er im Netz in erheblichem Umfang Per-
sonalveränderungen vornimmt. Peter Ramsauer hat mit
klarer Sprache gesagt: Wir nehmen die Bahn an die Kan-
dare. Genau das ist der entscheidende Punkt.
Drittens. Wir legen in diesem Gesetz fest, dass die
Bahn endlich einen Netzzustandsbericht vorlegen muss,
und zwar nicht nur einmal, sondern Jahr für Jahr. Es
muss Schluss sein mit der Geheimniskrämerei. Wir wol-
len wissen, wie die Qualität des Netzes in Deutschland
ist.
Wir wollen wissen, wie die Qualität in jedem einzelnen
Bundesland ist. Auch die Ministerpräsidenten der Län-
der haben ein Recht, zu wissen, welche Qualität das Netz
in ihrem Bundesland hat. Das fordern wir, und das legen
wir in diesem Gesetz fest.
Der Minister hat es richtig gesagt. Wir schließen eine
klare Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung mit der
DB ab, mit der sie verpflichtet wird, im Gegenzug für
die Zuschüsse, die sie vom Bund weiterhin haben
möchte, die Qualität zu sichern.
Viertens. Wir werden verhindern, dass die Deutsche
Bahn in Zukunft das tut, was ihr heute von vielen unter-
stellt wird; vielleicht ist da ja auch etwas mit Blick auf
die Berichte der Netzagentur sage ich das dran. Wir
verhindern, dass die Bahn die Wettbewerber diskrimi-
niert. Denn Wettbewerb ist notwendig für die Stärkung
des Verkehrsträgers Schiene. Wirtschaftsminister
Michael Glos hat in den Ressortbesprechungen durchge-
setzt, dass wir die Aufsichtsrechte der Regulierungsbe-
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Sie müssen erst einmal sehen, ob Sie in zehn Jahren
och etwas zu sagen haben. Das ist die Entscheidung
es Deutschen Bundestages am Ende der Laufzeit.
m Übrigen: Wenn der Bundestag nicht entscheidet, fällt
as wirtschaftliche Eigentum automatisch an den juristi-
chen Eigentümer, die Bundesrepublik Deutschland, zu-
ück.
ir programmieren mit diesem Gesetz die Trennung
on Netz und Betrieb. Es wird eine automatische Tren-
ung geben.
enn ich höre, dass wir das Netz zurückkaufen müssen,
ann kann ich nur sagen: Bitte erzählen Sie keine Mär-
hen!
Wenn wir den Wert des Netzes, der in der Bilanz
teht, eines Tages aus der Bilanz herausziehen, dann
üssen wir genau diesen Wert nicht mehr und nicht
eniger ersetzen, was im Übrigen kein Problem sein
ürfte, da der Finanzminister bei einer Trennung von
etz und Betrieb in der Lage sein wird, den Betrieb so-
ort komplett zu privatisieren und dadurch schöne Ein-
ahmen zu erzielen. Machen Sie sich also keine Sorgen!
as wird nicht das Problem sein.
Jetzt sage ich an die Kollegen von der SPD: Aus Ihren
eihen kommt der Vorschlag Volksaktie.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12003
)
)
Dr. Hans-Peter Friedrich
Gut, wenn Sie das so wollen, verschließen wir uns dieser
Idee nicht. Wenn das mit diesem Modell, also der Pro-
klamierung der Trennung von Netz und Betrieb durch
die entsprechende Konstruktion, kombiniert wird, kön-
nen wir im Laufe des Verfahrens über diese Dinge reden.
Ich lade Sie von der Opposition ein, jetzt keine Fun-
damentalopposition zu betreiben
ich habe Sie doch gelobt, lieber Kollege Friedrich; ich
will Sie auch künftig loben können , sondern konstruk-
tiv mitzuarbeiten, damit wir in diesem Punkt eine sau-
bere, zukunftsorientierte Lösung erreichen. Dann bin ich
ganz optimistisch, dass wir alle in diesem Hohen Hause
mit der zweiten Stufe der Bahnreform sehr zufrieden
sein werden.
Ich bedanke mich herzlich.
Nächster Redner ist der Kollege Oskar Lafontaine,
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Deregulierung, Flexibilisierung und Privatisie-
rung sind die Heilsbotschaften des Neoliberalismus,
eines Wirtschaftssystems, das ausläuft das haben noch
nicht alle gemerkt ,
das vielen Menschen auf der Welt keine Vorteile, son-
dern erhebliche Nachteile gebracht hat, das auf die Stei-
gerung der Einkommen und Vermögen einer Minderheit
gerichtet ist und im Gegenzug eine Verschlechterung der
Lebensbedingungen für viele Menschen mit sich ge-
bracht hat.
Wenn man solche Absichten hat, muss man möglichst
viele Fremdwörter gebrauchen; denn Fremdwörter sind
stets dazu da, die wahren Absichten zu verschleiern.
Beginnen wir mit der Deregulierung. Hätte man vom
Abbau des Kündigungsschutzes, von der Abschaffung
der Tarifverträge oder von der Abschaffung langfristig
gesicherter Arbeitsplätze gesprochen, dann hätte jeder
verstanden, was da eigentlich beabsichtigt ist.
Zur Flexibilisierung. Hätte man von Arbeitszeiten
rund um die Uhr ohne Rücksicht auf die Familie und auf
soziale Belange gesprochen oder zum Beispiel den Be-
schäftigten der Telekom gesagt, dass sie irgendwann
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Es ist schon erstaunlich, wie die Technik der Ver-
chleierung und der Darstellung falscher Zusammen-
änge einfach weiter angewandt wird. Der Verkehrsmi-
ister stellt sich hier hin und spricht mit blauen oder
ielleicht auch braunen Augen ich erkenne das auf die
ntfernung nicht ganz von einer Erfolgsgeschichte. Da
st man doch wirklich platt. Diejenigen, die uns jetzt zu-
ören und das gehört haben, fragen sich sicherlich, wer
a eigentlich redet.
Freuen Sie sich ein bisschen! Gleich werden Sie sich
icht mehr freuen.
Die Erfolgsgeschichte sieht so aus: Zwischen 1994
nd 2004 wurden 5 000 Kilometer Schiene stillgelegt.
st das wirklich eine Erfolgsgeschichte?
ie Zahl der Bahnhöfe ist um 400 gesunken. Ist das
irklich eine Erfolgsgeschichte? Macht sich ein Minis-
er, der hier im Deutschen Bundestag so etwas erzählt,
icht zum Narren?
00 000 Arbeitsplätze sind abgebaut worden. Hat man
irklich die Frechheit, so etwas als Erfolgsgeschichte zu
ezeichnen?
ie in den letzten Jahren aufgehäuften Schulden sind
eitaus höher als die, die vor der Privatisierung der
ahn aufgehäuft worden sind.
o etwas als Erfolgsgeschichte zu bezeichnen, ist
chlicht und einfach Volksverdummung. Die Bevölke-
ung merkt die Absicht und ist verstimmt.
12004 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Oskar Lafontaine
Wenn schon Hunderttausende von Arbeitsplätzen ver-
loren gegangen sind, dann wissen die Menschen, was es
zu bedeuten hat, wenn jemand verspricht, die Arbeits-
plätze zu sichern. Das sind die üblichen Beschwichti-
gungsformeln, die immer wieder vorgetragen werden,
wenn der Prozess so weitergehen wird. Die Bevölkerung
und die Beschäftigten der Bahn müssen wissen: Wenn
Renditedenken im Vordergrund steht, dann werden wei-
terhin Arbeitsplätze abgebaut, Strecken stillgelegt und
Bahnhöfe verkauft oder was auch immer damit ge-
schieht.
Wir haben bei der Post und bei der Telekom erlebt,
was das für die Beschäftigten bedeutet. Wie kann man
nur so blind sein und dies als großen Erfolg verkaufen?
Die Beschäftigten bei der Telekom und bei der Post ha-
ben große Nachteile in Kauf zu nehmen. Sie haben in
großem Umfang ungesicherte Arbeitsplätze in Kauf neh-
men müssen. Es kann nicht ernsthaft die Absicht beste-
hen, dies fortzusetzen.
Die Lebensbedingungen der Menschen werden
durch die Privatisierung der Bahn erheblich verschlech-
tert.
Dies gilt insbesondere für diejenigen in der Bevölke-
rung, die nicht in Ballungsgebieten wohnen. Es sind
keine tiefgehenden Kenntnisse über die Funktionsweise
des öffentlichen Nahverkehrs nötig, um zu wissen, was
passiert, wenn die Strecken privat betrieben werden.
Private betreiben Strecken, wenn sie damit wirtschaftli-
che Gewinne erzielen können. Wenn sich die Strecken
nicht rentieren, dann werden sie schlicht und einfach
aufgegeben. Das war in den vergangenen Jahrzehnten
immer der Fall und wird auch in Zukunft so sein.
Es ist eine besondere Tragik, dass Sie dieses Programm
ankündigen, Herr Bundesverkehrsminister; denn die
Stilllegung von Strecken wird in erster Linie in Ost-
deutschland erfolgen. Was Sie vorgestellt haben, ist ein
Abbauprogramm Ost, um dies in aller Klarheit zu sagen.
Diese Maßnahme ist im Grunde genommen auch ge-
gen die ökologischen Erfordernisse gerichtet. Es ist eine
Tatsache, dass das Schienensystem effizienter und auch
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iese Logik, die Sie übersehen, veranlasst uns, diese
aßnahme abzulehnen.
Wir könnten Sie zwar im Sinne der Parteienkonkur-
enz ermuntern, so weiterzumachen im Sinne der Par-
eienkonkurrenz freuen wir uns, wenn Sie einen Fehler
ach dem anderen begehen , aber leider trifft das in
roßem Umfang die Bevölkerung. Das ist der Nachteil.
arum beschließen Sie immer wieder Maßnahmen, die
on der großen Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt
erden? Sie sind doch Volksvertreter.
olksvertretung heißt, dass man den mehrheitlichen
illen der Bevölkerung respektiert, statt ihn systema-
isch zu ignorieren.
uch zwei Drittel der Anhängerschaft von Union und
PD lehnen diese Maßnahme ab. Das alles interessiert
ie aber nicht. Die Gründe, die Sie vortragen, sind mehr
ls zweifelhaft.
Diejenigen in der Bevölkerung, die sich mit der Bahn-
rivatisierung befasst haben, sind als Kunden sicherlich
enauso sachkundig wie Sie alle hier; denn sie erleben
äglich, was Bahnprivatisierung heißt. Sie erleben es als
eschäftigte und auch als Bewohnerinnen und Bewoh-
er strukturschwacher Gebiete. Die Bahnprivatisierung
st für die Menschen mit großen Nachteilen verbunden.
s ist erstaunlich, dass Sie das alles ignorieren können
nd unbeirrt einen Weg weiterverfolgen wollen, der
roße Nachteile für die Bevölkerung mit sich bringt.
Sie sagen: ohne Sachverstand. Der Zuruf zeigt Ihre
rroganz. Sie glauben, Sie hätten die Weisheit gepach-
et, und die große Mehrheit der Bevölkerung wisse nicht,
orum es geht. Aber Sie irren sich. Sie begehen die Feh-
er; die Bevölkerung hat in vielen Fragen mehr Durch-
lick als Sie.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12005
)
)
Oskar Lafontaine
Manchmal kann man auch von der Entwicklung in
anderen Ländern lernen. Es gab schon in England eine
Bahnprivatisierung
ich kenne die Differenzen , die vollständig war und
bei der man noch blauäugiger in manche Fallen getappt
ist, als Sie es nun tun. Aber Sie verkennen mit Ihrem
Verweis auf die 49-Prozent-Regelung die Wirkungs-
weise der Privatisierung, die man schon jetzt im Unter-
nehmen erkennen kann. Privatisierung bedeutet nun ein-
mal Renditesteigerung, die wiederum zur Stilllegung
von Strecken und Bahnhöfen sowie zum Abbau der Be-
dingungen für die Beschäftigten führt. Es ist doch kein
Zufall, dass beispielsweise die Lokführer in Deutschland
deutlich weniger verdienen als ihre Kollegen in anderen
europäischen Ländern. Erklären Sie das doch einmal!
Ich fasse zusammen: Wir lehnen die geplante Bahn-
privatisierung ab, weil sie schlicht und einfach gegen die
Bevölkerung und die Beschäftigten gerichtet ist.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Winfried Hermann,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zurück
zur Bahnreform.
Ich möchte an die Ziele der Bahnreform erinnern, wie
wir sie 1993 gemeinsam im Bundestag formuliert und
beschlossen haben. Der Minister hat eingangs darauf
verwiesen, aber einige vergessen. Deswegen zähle ich
sie vollständig auf: erstens mehr Verkehr auf die
Schiene, zweitens Wahrung des Gemeinwohlauftrags bei
Ausbau und Erhalt der Schieneninfrastruktur gemäß
Art. 87 e des Grundgesetzes, drittens mehr Wettbewerb,
Genosse Lafontaine, viertens Begrenzung der finanziel-
len Belastung des Bundeshaushaltes, fünftens Stärkung
der Wirtschaftlichkeit der Bahn und sechstens klare
Trennung von staatlich-hoheitlicher und unternehmeri-
scher Verantwortung.
Das sind die gemeinsamen Ziele, die der Minister zum
großen Teil vergessen hat zu erwähnen. Das ist kein
Wunder; denn mit dem vorliegenden Gesetzentwurf
werden diese Ziele gar nicht mehr verfolgt.
Im Gesetzentwurf heißt es unter Problem und Ziel:
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Wörtlich heißt es in der Begründung Ihres Gesetzent-
urfs zum wirtschaftlichen Eigentum bei der DB AG:
Voraussetzung hierfür ist die Möglichkeit des Mut-
terunternehmens,
also der DB AG
die Finanz- und Geschäftspolitik dieses Unterneh-
mens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nut-
zen zu ziehen.
as ist der eigentliche Zweck dieses Gesetzes. Reden
ie nicht drum herum! Das ist die Wahrheit. Ich bedaure,
ass Sie das schönreden wollen, Kollege Friedrich.
12006 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Winfried Hermann
Im Übrigen: Man muss nicht jedem Juristen glauben.
Wenn aber eine ganze Batterie von Juristen bei allen An-
hörungen immer wieder das Gleiche sagt, dann sollten
Sie das ernst nehmen. Mit diesem Entwurf widerspre-
chen Sie den Aufträgen des Grundgesetzes. Wenn alle
sagen, dass man es nicht so hinbiegen kann, wie Sie das
wollen, dann sollten Sie zumindest anfangen, darüber
nachzudenken. Aber das tun Sie nicht.
Zur dritten Frage: mehr Wettbewerb auf der Schiene
oder wie man inzwischen sagen muss National
Champion? Ich zitiere aus dem Interview von Minister
Tiefensee in Vanity Fair. Dort heißt es auf die Frage nach
dem Gewinn der Privatisierung wörtlich:
Es gibt
mehr Deutsche Bahn und weniger aus-
ländische Anbieter.
Da hat man doch glatt den Eindruck, dass das Ordnungs-
prinzip Wettbewerb durch Marktwirtschaft zu einem
chauvinistischen Begriff verkommt. Darum geht es doch
gar nicht. Tatsächlich geht es darum, dass wir den Schie-
nenbereich so organisieren, dass Wettbewerb möglich
ist. Genau das wird durch dieses Gesetz völlig vermie-
den. Kollege Friedrich von der CSU, die formale Ab-
trennung des Eigentums am Netz ist keine hilfreiche
Konstruktion, weil Sie dadurch das öffentliche Eigentum
nicht bewahren und weil Sie keinen Wettbewerb im
Markt organisieren. Damit führen Sie vielmehr ein ver-
quastes Konstrukt ein.
Wir Grüne stehen eindeutig zu dem Prinzip Wettbe-
werb auf der Schiene. Wir sagen klipp und klar: Die In-
frastruktur, die Schiene, muss in öffentlicher Hand blei-
ben. So will es auch das Grundgesetz.
Dort, wo es Wettbewerb gibt, ist man vorangekommen.
Das gilt im Bereich des Güterverkehrs und im Bereich
des Personennahverkehrs, aber eben genau dort und
sonst nirgends.
Kommen wir zu einem anderen Punkt, der uns allen
wichtig ist, nämlich dem Haushalt. Man ist immer wie-
der in der Versuchung, zu fragen: Warum machen ausge-
rechnet Sozialdemokraten so einen miesen Deal? Man
muss es noch einmal sagen: Ein Vermögen, das gemäß
Ihrem eigenen Änderungsantrag einen Wert von
180 Milliarden Euro hat, verkaufen Sie zur Hälfte für
gerade einmal 8 Milliarden Euro. Das reicht noch nicht
aus: Zusätzlich versprechen Sie 15 Jahre lang einen jähr-
lichen Beitrag von 2,5 Milliarden Euro.
Hinzu kommen 1 Milliarde Euro für den Ausbau sowie
weitere Milliarden Regionalisierungsmittel.
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Meine Damen und Herren Genossen,
er eine oder andere von Ihnen kennt noch das Märchen
om Hans im Glück. Wirklich aufgepasst haben Sie
chon damals nicht; denn Hans im Glück hatte das
auschwertprinzip der Marktwirtschaft nicht verstanden.
r hatte nach mehrfachem Tausch am Schluss nichts
ehr in der Hand. Das ist sozusagen die Quintessenz des
ärchens. Sie geben auf einen Schlag alles weg. Sie
auschen es weg, schieben den Privaten die Milliarden
och hinterher das hat Hans im Glück übrigens nicht
emacht und sagen, das sei ein gutes Geschäft. Wem
ollen Sie das eigentlich verkaufen?
Zum letzten Punkt, der Trennung der staatlich-hoheit-
ichen Verantwortung von der unternehmerischen Ver-
ntwortung. Was machen Sie? Statt einer Trennung ma-
hen Sie eine Vermischung. Statt Wahrnehmung der
taatlich-hoheitlichen Verantwortung im Bereich Infra-
truktur übergeben Sie die Verantwortung an Private und
bergeben dies damit der Profitlogik. Sie vermischen
onsequent unternehmerische Verantwortung und staat-
iche Verantwortung. Was ich als Politiker besonders
chlimm finde, ist, dass Sie nicht nur dieses Unterneh-
en verkaufen, sondern die Schienenverkehrspolitik
leich mit.
Fazit: Dieses Gesetz hat grundlegende, ja kapitale
ängel. Es ist ein verqueres, paradoxes, grundgesetz-
idriges Konstrukt. Es ist ökonomisch und politisch un-
innig. Dadurch wird öffentliches Vermögen verschleu-
ert und weiteres öffentliches Vermögen noch
interhergeschoben. Das alles tun Sie angeblich im
eiste der Sicherung des Gemeinwohls und der Stär-
ung des German Champions, der Deutschen Bahn. Sie
erpacken dies in schöne Worte. Tatsächlich aber ist das
in Ausverkauf von Politik und Wirtschaft.
Dieses Gesetz schadet dem Schienenverkehr, es scha-
et dem Kunden, es schadet der Wirtschaft, es schadet
en Ländern und letztendlich auch der Politik. Wir Grü-
en werden dieser Art von Privatisierung nicht zustim-
en.
Wir sehen, dass es in den Koalitionsfraktionen erheb-
ichen Widerspruch gibt. Wir freuen uns über diesen Wi-
erspruch und hätten uns mit Ihnen, Kollege Friedrich,
erne auf einen kritisch-konstruktiven Diskurs eingelas-
en. So war es übrigens auch einmal angekündigt. Dann
ber hat Minister Tiefensee mit seinem Haus in engem
chulterschluss mit Herrn Mehdorn einen Gesetzentwurf
onstruiert, der der Debatte in diesem Haus überhaupt
icht entspricht. Dieser Gesetzentwurf, dieses verquaste
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12007
)
)
Winfried Hermann
Eigentumssicherungskonzept, ist bis zum heutigen Tag
weitergeschoben und als Koalitionsentwurf in den Bun-
destag eingebracht worden, obwohl die Kritik in Ihren
Reihen groß ist, obwohl es erhebliche Bedenken gibt.
Wir sind immer noch bereit, konstruktiv mit Ihnen zu-
sammenzuarbeiten und etwas anderes zu beschließen.
Dann aber muss es substanzielle Änderungen geben.
Herr Kollege Hermann, darf ich Sie an Ihre Redezeit
erinnern?
Ich komme zum Schluss. Es muss sehr viel geändert
werden; es geht nicht nur um einige Schönheitskorrektu-
ren.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Klaas Hübner, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wenn Die Linke in diesem Haus die Erfolgsge-
schichte der Bahn platterdings nicht nur infrage stellt,
sondern schlicht verleugnet, tut sie den 230 000 Be-
schäftigten, die exzellent gearbeitet haben in den letzten
Jahren, absolut unrecht. Es ist nicht in Ordnung, was Sie
machen. Wir sind stolz auf das, was die Beschäftigten
geleistet haben. Es ist in der Tat eine Erfolgsgeschichte,
die nur zusammen mit den Beschäftigten der Deutschen
Bahn AG entstehen konnte. Wir sagen an dieser Stelle
Dank an alle Beschäftigten!
Des Weiteren wird gesagt, wir würden das Schienen-
netz verkaufen. Das ist schlicht falsch. Dieser Gesetzent-
wurf besagt etwas anderes. Momentan ist die Situation
so, dass wir Eigentum an der DB AG haben und die
DB AG Eigentümerin des Schienennetzes ist. Kurzum:
Der Bund hat mittelbares Eigentum. Mit diesem Gesetz
verschaffen wir uns unmittelbares Eigentum,
indem der Bund die Eisenbahninfrastrukturunterneh-
mungen direkt übernimmt. Da wir aber wissen, dass die
Bewirtschaftung dieses Netzes nichts ist, was der Bund
heute leisten kann, dass wir dafür Experten brauchen, die
es bewirtschaften und betreiben, überlassen wir der
DB AG die Bewirtschaftung. Das ist die Situation. Hö-
ren Sie also auf, so zu tun, als würden wir das Schienen-
netz verkaufen! Das ist schlicht nicht wahr.
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Mit der sogenannten Leistungs- und Finanzierungs-
ereinbarung leiten wir einen Paradigmenwechsel ein.
isher ist es so, dass wir kontrollieren und festlegen, wo
nstand gehalten und wo ausgebaut wird. Aber wir haben
eine Übersicht über die Qualität des Gesamtnetzes. Mit
er neuen Konzeption werden wir eine outputorientierte
etrachtung einführen. Wir legen fest, dass die Bahn die
ualität des Netzes erhalten muss. Wir überprüfen das
edes Jahr durch entsprechende Messfahrten und werden
ie Bahn, wenn sie gefehlt hat, wenn sie bei Regional-
der Fernnetzen die entsprechende Qualität nicht er-
eicht hat, pönalisieren. Das heißt, sie muss eine Strafe
afür bezahlen.
ir messen den Output, also ob die entsprechende Qua-
ität vorhanden ist, und nicht mehr den Input. Es ist ein
ositiver Paradigmenwechsel, der in diesem Gesetzent-
urf vorgesehen ist.
Herr Kollege, Frau Kollegin Menzner würde gerne
ine Zwischenfrage stellen.
Nein, vielen Dank, keine Zwischenfrage.
Außerdem war uns Sozialdemokraten ein starker, in-
egrierter Konzern sehr wichtig; denn nur so ist es mög-
ich, den konzerninternen Arbeitsmarkt zu erhalten.
as ist eine ganz wichtige Forderung, die wir im Sinne
er Beschäftigten der Deutschen Bahn AG in den Ko-
litionsverhandlungen durchgesetzt haben. Darauf sind
ir stolz.
Oft wird die Befürchtung geäußert, dass regionale
trecken stillgelegt werden könnten. Die Wahrheit ist
ber, dass die Länder mit den Regionalisierungsmitteln,
ie der Bund ihnen zur Verfügung stellt, schon heute sel-
er die Verkehre bestellen. Die regionalen Verkehre sind
ereits regionalisiert. Mit der Privatisierung hat das gar
ichts zu tun. Die Länder können selber entscheiden, wie
nd bei wem sie Verkehr bestellen: ob sie ausschreiben,
b sie sich an die DB AG oder an einen der anderen An-
ieter wenden. Hören Sie doch auf, den Leuten hier et-
as zu erzählen, was schlicht nicht wahr ist! Halten Sie
ich doch einmal an den Gesetzestext! Zu einer seriösen
olitik gehört es doch, den Gesetzestext zu lesen, oder
icht?
Ich möchte noch etwas zu den Streckenstilllegungen
agen. Schon heute ist es so, dass die DB AG selber gar
eine Möglichkeit hat, eine Strecke stillzulegen. Wenn
berhaupt etwas passiert, dann Folgendes: Wenn die
B AG eine Strecke nicht mehr befahren möchte, dann
12008 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Klaas Hübner
teilt sie das dem Eisenbahn-Bundesamt mit; sie meldet
sich dort sozusagen ab. Das Eisenbahn-Bundesamt wird
diese Strecke dann ausschreiben. Jeder Anbieter, der
diese Strecke auf eigenes Risiko befahren will, bekommt
die Möglichkeit, das zu tun. Wenn dann nur ein einziger
Anbieter sein Interesse bekundet, darf diese Strecke
das gilt schon heute gar nicht stillgelegt werden.
Kurzum: Alles, was Sie bezüglich möglicher Strecken-
stilllegungen durch die Privatisierung sagen, ist blanker
Unsinn. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts
zu tun.
Ich möchte noch auf das eingehen, was die Kollegen
von der FDP und von den Grünen, die ja die Trennung
favorisieren, gesagt haben.
Sie müssen konzedieren: Wenn man die Trennung schon
heute vornehmen würde, dann wäre sofort ein Wertaus-
gleich von 7,5 Milliarden Euro fällig.
Dabei geht es um in die Infrastruktur geflossene Gelder,
die nicht aus Steuermitteln stammen, sondern von der
DB AG erwirtschaftet worden sind; es sind also Eigen-
mittel der DB AG, die ihr ersetzt werden müssten. Auch
das ist die Wahrheit.
Selbstverständlich. Das sind die Gewinne der DB AG.
Sprechen Sie also nicht nur davon, dass nach unserem
Modell am Ende ein Wertausgleich fällig wird! Nach Ih-
rem Modell wäre er sofort fällig.
Die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn ist meines
Erachtens deswegen notwendig, weil wir es in Deutsch-
land mit enorm wachsenden Logistikmärkten zu tun ha-
ben. Das ist insgesamt ein wichtiger Schlüssel für das
wirtschaftliche Wachstum in Deutschland. Angesichts
dessen, dass die Güterverkehrsmärkte seit dem 1. Januar
dieses Jahres offen sind und dass die Personenverkehrs-
märkte ab dem 1. Oktober 2010 europaweit geöffnet
werden, sollten wir ein Interesse daran haben egal was
wir machen, wir werden immer Mehrheitseigentümer
der Bahn sein , dass die Deutsche Bahn AG in der Lage
ist, mit den anderen Wettbewerbern mitzuhalten. Dazu
muss sie investieren, auch in ihre Züge, in rollendes Ma-
terial, und dazu braucht sie Mittel. Diese Mittel wollen
wir ihr dadurch verschaffen, dass wir einen Teil der
DB AG privatisieren. Damit versetzen wir die DB AG in
die Lage, wettbewerbsfähig zu sein und mitzuwachsen.
Das ist die Grundvoraussetzung dafür, meine sehr geehr-
ten Damen und Herren von der Linken, dass die Be-
schäftigungsverhältnisse gesichert bleiben. Eine nicht
marktfähige DB AG wird ihren Beschäftigten keine Per-
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Ich glaube, wir haben eine riesige Chance, die
B AG deutlich zu stärken. Ich halte es für sinnvoll
übrigens auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ,
ass sie ein integrierter Konzern bleibt. Auf den wach-
enden Logistikmärkten werden heute zum Beispiel von
enjenigen, die Waren exportieren, Teilstrecken nicht
ehr nachgefragt. Wenn etwa eine Firma aus Hamburg
twas exportieren will, dann wird sie nicht erst einen
chienenverkehr, dann einen Schiffsverkehr und danach
inen Flugverkehr bestellen. Sie sucht sich vielmehr ei-
en Spediteur, einen Logistiker, der die Ware abholt und
um Bestimmungsort bringt, selbst wenn der in China
st.
azu wird die Bahn als integrierter Konzern in der Lage
ein. Das hat einen besonders positiven Effekt: Weil es
hr Kerngeschäft ist, wird die Bahn AG versuchen, die
are auf der Schiene zu transportieren. Das ist ökolo-
isch sinnvoll und von uns gewollt.
arum brauchen wir eine starke, integrierte Deutsche
ahn AG.
Sie wissen, dass der vorliegende Gesetzentwurf nicht
estlegt, in welcher Form private Anleger zu beteiligen
ind. Darüber gibt es auch in meiner Partei eine Diskus-
ion. Wir werden darüber diskutieren, was sinnvoll ist.
s gibt verschiedene Möglichkeiten: Wir können private
nleger zum Beispiel über Stammaktien direkt beteili-
en; uns ist auch das Modell der Volksaktie vorgelegt
orden. Über all das wird unsere Fraktion sehr offen
nd ernsthaft diskutieren. Dabei werden wir uns an fol-
enden drei Kriterien orientieren: Erstens. Es muss si-
hergestellt sein, dass der Einfluss des Bundes auf die
ahn und vor allem auf das Schienennetz gesichert ist.
weitens. Es muss gewährleistet sein, dass die Beschäf-
igten sichere Arbeitsplätze haben. Drittens. Gewährleis-
et muss auch sein, dass die DB AG finanziell gestärkt
ird.
Ich persönlich glaube, dass wir auf einem guten und
ichtigen Weg sind. Die Koalition weiß, was sie an die-
er Stelle will. Wir wollen eine starke Bahn.
ir wollen eine Bürgerbahn. Das heißt, wir wollen eine
oderne Bahn. Ich kann Sie nur bitten, daran mitzuwir-
en.
Herzlichen Dank.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12009
)
)
Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention der Kol-
legin Menzner. Sie, Herr Kollege Hübner, können dann
darauf antworten.
Kollege Hübner, Sie haben eben ausführlich darge-
legt, wieso Sie glauben, dass die Teilprivatisierung uns
als Parlament mehr Möglichkeiten gibt, zu kontrollieren,
in welchem Zustand das Schienennetz ist. Damit haben
Sie implizit auch deutlich gemacht, dass wir als Vertreter
des Eigentümers schon jetzt nur minimale Möglichkei-
ten haben, das Ganze zu kontrollieren. Ich möchte ein-
mal wissen, woher Sie die Hoffnung nehmen, dass wir
mehr Einfluss und mehr Kontrollmöglichkeiten haben,
wenn uns nur noch die Hälfte gehört.
Sie haben dann ausgeführt, dass die Bahn investieren
müsse. Insofern haben wir noch nicht einmal einen Dis-
sens. Wenn wir uns die Zahlen und die Geschäftsprakti-
ken der letzten Jahre anschauen, stellen wir fest: Die
DB AG hat im Wesentlichen nicht in Wagen, nicht in
Güterwagen, nicht ins Netz in Deutschland investiert. Zu
nennen sind statt dessen Bax Global, Aufrüstung der
Transsib, chinesische Containerterminals etc. Das ist
nicht das, was der Steuerzahler, der Bürger von der Bahn
erwartet.
Er will hier von A nach B kommen zu vernünftigen
Preisen, in einem vernünftigen Takt.
Herr Kollege Hübner.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Menzner, noch
einmal: Was Sie sagen, ist doch schlicht falsch. Das
Schienennetz wird nicht verkauft,
sondern verbleibt beim Bund. Nehmen Sie das doch ein-
fach einmal zur Kenntnis! Lesen Sie das Gesetz! Lektüre
hilft manchmal. Lesen bildet. Das macht Sinn.
Richtig ist auch, dass die DB AG in den letzten Jah-
ren sehr viel investiert hat, gerade in das rollende Mate-
rial. Denken Sie an die modernen ICE-Züge! Warum ist
die Qualität besser geworden? Warum hat sich die Quali-
tät für Fahrer und Fahrgäste verbessert?
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Ich gebe das Wort dem Kollegen Dirk Fischer, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-
en! Mit dem Gesetzentwurf zur Neuordnung der Eisen-
ahnen des Bundes wird das wichtigste verkehrspoliti-
che Gesetzgebungsvorhaben der Großen Koalition auf
en Weg gebracht. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
ill die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG,
ber unter akzeptablen Rahmenbedingungen.
Entscheidend ist, dass der Bund auf Dauer Eigen-
ümer der Infrastruktur bleibt. Dazu gehören völlig un-
treitig: Netz, Bahnhöfe und Energieversorgung. Nur so
ird der Bund seiner Infrastrukturverantwortung ge-
echt, und der Gesetzgeber behält für die Zukunft Ge-
taltungsoptionen.
Der Deutsche Bundestag hat am 24. November 2006
eschlossen, dass die Infrastruktur nicht an den Kapital-
arkt gebracht wird, sondern frei von juristischen Risi-
en dauerhaft im Eigentum des Bundes verbleibt. Der
esetzentwurf sieht nunmehr ein Modell vor, in dem das
uristische und wirtschaftliche Eigentum für einen be-
risteten Bewirtschaftungszeitraum aufgespalten wird
nd dem Bund für diesen Zeitraum die Gesellschaftsan-
eile an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Si-
herheit übereignet werden müssen.
Die Union ist bereit, das vorliegende Modell als
bergangsmodell zu akzeptieren. Dieses Sicherungsei-
entum ohne eigentumsrechtliche Gestaltungsbefugnis
es Eigentümers endet nach Ablauf des im Gesetz gere-
elten Bewirtschaftungszeitraums. Danach hat der Bund
as uneingeschränkte Eigentum und ist völlig frei, per
esetz über die weitere Zukunft der Infrastruktur zu ent-
cheiden. Der Bund ist dann verpflichtet, der DB AG ei-
12010 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Dirk Fischer
nen Wertausgleich in Höhe des bilanziellen Eigenkapi-
tals der Infrastrukturgesellschaften zu zahlen; das wären
per 31. Dezember 2006 etwa 7,5 Milliarden Euro gewe-
sen.
Aus der Sicht der CDU/CSU-Fraktion müssen im Ge-
setzgebungsverfahren aber noch einige Änderungen
und Ergänzungen im Gesetzentwurf erfolgen.
Dem Gesetzgeber dürfen keinerlei Vorgaben gemacht
werden, wie er nach Ablauf des Bewirtschaftungszeit-
raums mit seinem Eigentum verfährt. Deswegen sind die
in Art. 2 § 5 des Gesetzentwurfs enthaltenen Handlungs-
alternativen ersatzlos zu streichen.
Die Infrastrukturverantwortung des Staates muss im
Gesetzentwurf gestärkt werden. Der Bund muss für die
vom Gesetzgeber beschlossenen vordringlichen Bedarfs-
planmaßnahmen ein Durchsetzungsrecht erhalten. Das
haben wir übrigens schon im letzten November be-
schlossen; es steht nur noch nicht im Gesetzentwurf.
Hier müssen Konflikte zwischen der Infrastrukturverant-
wortung des Staates sowie den betriebswirtschaftlichen
Interessen der DB AG einerseits und ihrer Wettbewerber
andererseits verhindert werden.
Die heutige Netzqualität, für die der Bund teuer be-
zahlt, muss gesichert werden. In einem fortzuschreiben-
den Netzzustandsbericht muss diese objektiv, das heißt
extern, evaluiert werden.
Auch das haben wir übrigens im letzten November be-
schlossen; es steht aber noch nicht im Gesetzentwurf.
Vor der Verabschiedung des Gesetzes muss dem
Deutschen Bundestag eine unterschriftsreife Leistungs-
und Finanzierungsvereinbarung vorliegen.
Diese muss vor einer materiellen Privatisierung, wie
vom PRIMON-Gutachten empfohlen, in einem einjähri-
gen Echtbetrieb erprobt und gegebenenfalls an die Er-
fahrungen angepasst werden.
Denn nur so hat der Bund die nötigen Informationen und
Möglichkeiten, um Änderungen an der LuFV tatsächlich
durchzusetzen, und zwar bevor die Kapitalprivatisierung
stattfindet.
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Ich gebe das Wort dem Kollegen Uwe Beckmeyer,
PD-Fraktion.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12011
)
)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir sind mitten in der Debatte; sie hat nicht erst
gestern angefangen, sondern hat bereits einen Vorlauf
von einigen Jahren. Diejenigen, die sich mit dem Thema
Bahnreform näher beschäftigt haben, wissen, dass wir
von Positionen unterschiedlicher Art kommen, die sehr
weit auseinanderliegen. Die unterschiedlichen Positio-
nen kann man folgendermaßen kennzeichnen:
Erstens. Es gibt Kräfte in der Republik, die die Las-
ten, die bei der Bahn entstehen, möglichst der Bundes-
republik Deutschland auferlegen wollen, während sie
den anderen Teil, mit dem man Geld verdienen kann,
privatisieren möchten. Dies ist für die Sozialdemokratie
nicht akzeptabel. Daher haben wir uns in den vergange-
nen Jahren sehr intensiv darum bemüht, festzustellen, in
welcher Form es gelingen kann, einen solchen Anspruch
abzuwehren.
Als ich vorhin dazwischengerufen habe, es gebe hier
in diesem Hause einige Ackermann-Jünger, meinte ich
damit diejenigen, die genau dieses Modell praktizieren
wollen: Sie wollen bis zu 100 Prozent der Eisenbahnun-
ternehmen, die die Infrastruktur nutzen, privatisieren,
um das Geld zu verdienen, das wir dringend brauchen,
um Eisenbahn in Deutschland überhaupt möglich wer-
den zu lassen. Daher muss man aufpassen, dass man bei
der jetzigen Debatte nicht in alte Schablonen und alte
Ziele verfällt.
Warum hat dieses Gesetz einen wichtigen Teil, der
Sicherungsübertragung heißt? Mit der Sicherungs-
übertragung wird in diesem Gesetz ein wichtiges Ziel
umgesetzt, nämlich den Zugriff von privaten Investoren
auf die Infrastruktur der Eisenbahnen in Deutschland zu
verhindern. Die Sicherungsübertragung ist also das zen-
trale Element, mit dem wir ein wesentliches Ziel dieses
Gesetzes erreichen.
Zweitens. Wir haben es bei der DB AG seit der ersten
Bahnreform mit einer Aktiengesellschaft zu tun. Trotz
der hundertprozentigen Eigentümerschaft des Bundes an
den Aktien gilt für diese Gesellschaft das Aktienrecht,
und dieses Recht schlägt durch. Darum ist das, was
Klaas Hübner vorhin gesagt hat, richtig: Bei einer Tren-
nung ist sofort eine entsprechende Zahlung fällig. Wenn
Sie darauf verzichten, entsteht eine Aktiengesellschaft
ohne Eigenkapital, die sofort umfällt. Dies bedeutet, der
Finanzminister müsste sofort zahlen. Das hätte zur Kon-
sequenz, dass alle in diesem Hause bestehenden Tren-
nungsideen sofort ein enormes Haushaltsdesaster auslö-
sen würden.
Doch, das stimmt.
Drittens. Was treibt die sozialdemokratische Partei
und Fraktion aktuell in der Diskussion an? Wir müssen
und wollen den Bürgerinnen und Bürgern deutlich
machen, dass wir kein Interesse daran haben, dass
Gasproms, irgendwelche russischen Staatsbahnen,
Scheichs oder Ähnliche Zugriff auf die Deutsche Bahn
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Wir haben Diskussionen zu führen, und der Kollege
ischer von der christdemokratischen Union hat hier
benfalls deutlich gemacht, dass in dieser Angelegenheit
m Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beide Fraktio-
en der Koalition einen Diskussionsbedarf sehen. Bei
ns gibt es einen solchen Diskussionsbedarf. Sie wissen,
ass innerhalb des SPD-Parteivorstandes das Volks-
ktienmodell angesprochen worden ist. Wir müssen uns
arüber unterhalten, wie ein solches Volksaktienmodell
uszugestalten ist, ob man entsprechende Renditegaran-
ien geben kann und ob das ökonomisch sinnvoll ist.
Es gibt auch noch andere Modelle für Volksaktien, die
urchaus denkbar sind. Sie haben aber alle einen Kern,
nd zwar die Sicherung von Infrastrukturen. Ich glaube,
as ist ernst zu nehmen. Wir werden im Laufe des Bera-
ungsgangs sehr ausführlich und intensiv diskutieren, um
nser Ziel zu erreichen. Das private Kapital soll dorthin
ließen, wo es sinnvoll ist, und zwar zu den Eisenbahn-
erkehrsunternehmen, die ihren Betrieb auf der vorhan-
enen Infrastruktur vornehmen und die keinen Zugriff
uf die 130 oder 180 Milliarden Euro Volksvermögen
es Netzes haben. Die Operation ist doch deswegen zur
ahresmitte erfolgt, damit sämtliche Immobilien, die bei
er Holding lagen, auf die Eisenbahninfrastrukturunter-
ehmen konzentriert werden.
Bei der Holding ist so gut wie nichts mehr übrigge-
lieben, abgesehen vom Kaiserbahnhof in Potsdam, in
em sich eine Schulungsstätte befindet. Alles andere ist
uf die Infrastrukturunternehmen verteilt worden und in
hr Eigentum übergegangen.
as ist Inhalt des Gründungsgesetzes. Endlich ist es
ollzogen worden. Die Koalitionsfraktionen haben gro-
en Wert darauf gelegt, dass das geschieht.
Ein weiterer Punkt: In diesem Gesetz ist zum ersten
al in Deutschland eine Leistungs- und Finanzie-
ungsvereinbarung gesetzlich verankert. Der Bund
ahlt aufgrund des grundgesetzlichen Auftrags Geld an
ie Länder, und zwar 6,7 Milliarden Euro, aufwachsend
009 um 1,5 Prozent, für Regionalverkehre. Damit be-
tellen die Länder in der Fläche eigenverantwortlich, das
eißt, sie müssen den Bund nicht fragen. Darüber hinaus
eben wir jährlich 2,5 Milliarden Euro direkt für die Si-
herung und für den Unterhalt des Netzes aus. Das wird
er Bund aufgrund der grundgesetzlichen Bestimmun-
en auch zukünftig leisten müssen. Dabei handelt es sich
12012 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Uwe Beckmeyer
nicht um eine Morgengabe an die DB AG; das Grundge-
setz verpflichtet den Bund vielmehr zur Versorgung der
Schienenverkehre in Deutschland.
Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung be-
schreibt die Leistungen, die wir von der Bahn erwarten,
sowie den Finanzierungsanteil des Bundes. Dieser Fi-
nanzierungsanteil wird durch einen Netzzustandsbericht,
den wir jährlich im Plenum oder in den Ausschüssen des
Deutschen Bundestages diskutieren werden, zum ersten
Mal überprüfbar. So etwas gab es bisher nicht in
Deutschland. Eine solche Überprüfbarkeit wird zukünf-
tig aufgrund dieses Gesetzes bestehen. Das ist ein Um-
stand, der uns zum ersten Mal in die Lage versetzt, nach-
zuprüfen, was denn mit dem vielen Geld, das die DB AG
vom Bund erhält, passiert. Wir verbessern die Situation
der parlamentarischen Kontrolle von null auf hundert;
darauf muss an dieser Stelle einmal hingewiesen wer-
den.
Zum Wettbewerb: Zurzeit sind in Deutschland für die
36 000 Kilometer Netz, die es 2006 gab, 361 Eisenbahn-
verkehrsunternehmen eingetragen.
In der Tat sind nach der Wende in erheblichem Um-
fang Streckenstilllegungen erfolgt. Das lag aber auch
daran, dass es in der DDR keine andere Nahverkehrsver-
sorgung gab. Aber von 2005 auf 2006 sind in Deutsch-
land nach Absprache mit den Ländern und mit dem Ei-
senbahn-Bundesamt lediglich 100 Kilometer stillgelegt
worden. Dazu haben alle Beteiligten genickt.
Herr Kollege!
Liebe Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Herr Kollege Beckmeyer, Ihre Redezeit ist zwar über-
schritten, aber Herr Kollege Seifert hatte schon vor Ende
Ihrer Redezeit eine Zwischenfrage angemeldet. Ich
würde sie gerne zulassen, wenn Sie dazu bereit sind.
Der Kollege Seifert ist sehr geschätzt, aber ich
möchte meinen Gedanken zu Ende bringen und schlage
ihm vor, dass er mit mir im Verkehrsausschuss über sein
Anliegen spricht.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Wir haben bei
den Eisenbahnversorgungsunternehmen den Wettbewerb
klar im Auge. Gemeinsam mit der Regulierungsbehörde
und dem Netzbeirat werden wir den Wettbewerb stärken.
Vieles wird in Zukunft aufgrund dieses Gesetzes besser:
Die Sicherheit wird erhöht, es erfolgt eine Sicherungs-
übertragung der Immobilien und der entsprechenden In-
frastruktur, es wird auch zukünftig eine klare Aussage
hinsichtlich der Regionalisierungsmittel getroffen, und
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Ich erteile das Wort dem Kollegen Döring zu einer
urzintervention.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Lieber, geschätzter
ollege Beckmeyer, ich will auf zwei Punkte eingehen.
ie haben zunächst behauptet, das Trennungsmodell sei
ofort haushaltswirksam. Diese Aussage impliziert Ihre
ewertung, dass ein Teilverkauf von Schenker, Bax
lobal, Railion und anderen Unternehmensteilen all
iese sind ja zurzeit zu 100 Prozent Eigentum des Bun-
es zu geringeren Erlösen als 7,5 Milliarden Euro füh-
en würde. Wenn das Ihre Annahme ist, dann wird die
orstellung umso skurriler, dass der Bund, wenn ein An-
eil von 49 Prozent an allen Unternehmensteilen veräu-
ert würde, noch weniger dies wird im Gesetzentwurf
o angenommen erlösen wird. Deshalb werden diese
,5 Milliarden Euro bei einer sofortigen Trennung zwar
ällig, aber nicht im Rahmen des Bundeshaushaltes, son-
ern im Rahmen der Erlöse, die der Eigentümer Bund
eshalb erhalten kann, weil er bestimmte Anteile an ein-
elnen Unternehmen, die ihm heute zu 100 Prozent ge-
ören, verkauft. Das ist der Privatisierungsweg, den der
ollege Friedrich angesprochen hat.
Eine zweite Bemerkung. Sie haben gesagt: Die So-
ialdemokraten wollten verhindern, dass russische
taatsfonds und russische Staatsbahnen Teileigentümer
er DB AG werden. Sie sollten sich einmal überlegen,
as Sie wollen. Der Bundesverkehrsminister möchte
auch Herr Hübner hat dies angesprochen eine inter-
ational erfolgreiche, wettbewerbsfähige Bahn. Ich frage
ich, wie man als Mitglied dieses Hauses sagen kann:
ir wollen auf der einen Seite weiter mit 51 Prozent an
inem Unternehmen beteiligt sein, das sich bei der Bahn
n Schottland und in Slowenien einkauft und in Prag den
ahverkehr organisiert, und wir wollen auf der anderen
eite Unternehmen in der Welt verbieten, sich an unserer
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12013
)
)
Patrick Döring
Bahn zu beteiligen. Das, geschätzter Kollege, passt
nicht zusammen.
Herzlichen Dank.
Herr Kollege Beckmeyer, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin, herzlichen Dank.
Nein, sprachlos bin ich überhaupt nicht, nur ein biss-
chen nachdenklich hinsichtlich des Gehaltes dieser Kurz-
intervention.
Erstens. Bei einer entsprechenden sofortigen Aufspal-
tung des Unternehmens hätten Sie eine DB AG ohne Ei-
genkapital. Eine DB AG ohne Eigenkapital fällt sofort
um. Das bedeutet, der Bund als 100-prozentiger Gesell-
schafter ist gehalten, sofort Geld nachzuschießen. Das
bedeutet, bei einer Trennung fließt sofort Geld, und zwar
in der Höhe des Eigenkapitals, das notwendig ist, um die
Bilanz im Gleichgewicht zu halten. Das heißt,
7,5 Milliarden Euro werden fällig. Da können Sie die
Wurst drehen, wie Sie wollen. Sie bekommen das dritte
Ende nicht in die Hand.
Es gibt kein drittes Ende. Das haben jetzt auch Sie ge-
merkt. Sie sind ja ein Schnellmerker, Herr Friedrich.
Zweitens zu dem, was wir im Zusammenhang mit ei-
ner Beteiligung erreichen können. Es geht hier um einen
Börsengang entweder in Form einer Volksaktie oder in
Form einer Variante der Volksaktie; darüber muss man
nachdenken. Es geht aus meiner Sicht zum einen nicht
darum, irgendwelche Strategen zu uns zu bitten. Die
werden nämlich versuchen, uns in die Suppe zu spucken;
da kommt kein Geldfluss zustande. Zum anderen sollten
an der DB keine Unternehmen beteiligt werden, von de-
nen das deutsche Volk glaubt, dass sie am Ende die
Deutsche Bahn majorisieren und diese fremdbestimmt
wird.
Der zentrale Punkt ist: Wir wollen eine ganz normale
börsenorientierte Öffnung derjenigen Unternehmen, die
zur Bahn gehören. Dafür ist, so denke ich, die Holding
geeignet. Es gibt inzwischen börsenorientierte Gesell-
schaften, die dies durchaus im Auge haben. Insofern
sollten wir das Projekt in der Öffentlichkeit nicht mit be-
stimmten Begrifflichkeiten dämonisieren. Ein solcher
Börsengang ist ein ganz normales Geschäft. Wichtig ist
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Herr Friedrich, ich würde gerne das Wort dem Kolle-
en Enak Ferlemann geben, CDU/CSU-Fraktion.
Herzlichen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin!
iebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte den Ein-
ruck, das könnte ein recht langweiliger Vormittag wer-
en. Herr Friedrich, ich war ganz enttäuscht, wie wenig
ritik Sie für die FDP geäußert haben. Ich hatte den Ein-
ruck, die FDP könnte am Ende der Debatte noch zu-
timmen. Der Kollege Döring hat diesen Eindruck aber
in wenig aufgelockert. Von daher ist es nun doch noch
ine recht spannende Debatte geworden. Ich bin dem
ollegen Hübner dankbar dafür, dass er einiges von
em, was in den letzten Tagen an Irrungen und Wirrun-
en durch die Medien gegeistert ist, klargestellt hat.
Warum machen wir eine Privatisierung der Deutschen
ahn? Wir machen das, weil wir eine Europäisierung
es Eisenbahnverkehrs haben, und zwar schon seit
em 1. Januar dieses Jahres. Der Güterfernverkehr in
anz Europa wurde freigegeben. Die Bürgerinnen und
ürger merken, dass deutlich mehr Güterfernverkehr auf
en Gleisen ist. Das werden wir ab dem 1. Januar 2010
uch im Personenfernverkehr erleben.
Die Bahn AG braucht Geld für Investitionen, um,
err Kollege Döring, ein europäischer Player werden zu
önnen. Die Bahn AG soll auf diesem Feld nicht nur ein
lobal Player, sondern auch ein europäischer Player
ein. Darauf sind wir stolz. Wir möchten das aber nicht
it Staatskapital finanzieren, sondern mit Privatkapital.
Es stellt sich die Frage, wie man das organisiert. Ei-
ige sind für ein striktes Trennungsmodell. Sie sagen,
ass Netz und Betrieb ganz klar getrennt werden müs-
en, weil der Wettbewerb so am besten zu organisieren
ei. Dieser Auffassung bin ich dem Grundsatz nach
uch.
inige bevorzugen ein Integrationsmodell. Sie sagen,
ass nur ein integrierter Konzern das Maximum an Leis-
ung aus dem Netz herausholen kann. Der Minister hat
ns einen Kompromiss vorgeschlagen, das sogenannte
igentumssicherungsmodell: Das Netz bleibt juristisch
eim Bund das ist die Forderung derjenigen, die
12014 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Enak Ferlemann
trennen wollen , das wirtschaftliche Eigentum geht aber
auf die Bahn über, die 15 Jahre in einem integrierten Be-
trieb wirtschaften kann.
Nun müssen wir schauen, ob dieses Modell erstens
dem EU-Recht standhält darüber ist hier überhaupt
noch nicht diskutiert worden; dass die Europäische
Kommission unser Modell befürwortet, ist aber die
Grundvoraussetzung , zweitens verfassungskonform ist
und drittens das internationale Bilanzrecht einhält.
Das, was wir machen, ist ein Versuch. Das ist eine so
sage ich es einmal Rechtskonstruktion sui generis, die
es in dieser Form in Deutschland und, soweit ich weiß,
in Europa noch nicht gibt. Wir probieren hier etwas aus,
was innovativ ist; das kann man anders nicht beschrei-
ben.
Gleichwohl gibt es seitens der Bundesländer erhebli-
che Kritik. Ich kenne das Protokoll der Länderminister-
konferenz, in dem erhebliche Bedenken zu vielen ver-
schiedenen Bereichen geäußert werden. Wir werden uns
dazu äußern müssen. Es gibt Kritik von Verbänden, von
Bürgerinnen und Bürgern, und natürlich wird auf den
Parteitagen Kritik geäußert werden; da bin ich mir recht
sicher.
Aus diesen Bedenken ergibt sich ein Forderungska-
talog. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat einen sol-
chen Forderungskatalog aufgestellt. Der Kollege Dirk
Fischer hat in beeindruckender Weise die Kernvoraus-
setzungen dargestellt, die unseres Erachtens erfüllt sein
müssen, damit dieses innovative Eigentumssicherungs-
modell zum Erfolg geführt werden kann.
Sehr verehrter Herr Minister, ich kann Ihnen nicht er-
sparen, zu sagen, dass ich enttäuscht darüber bin, dass
Sie zu Beginn dieser Debatte weder einen vernünftigen
Netzzustandsbericht, geschweige denn einen Netzent-
wicklungsbericht vorgelegt haben und es keine Siche-
rungsübereignung gibt. Wir brauchen diesen Vertrag,
von dem eben schon die Rede war. Er ist die Vorausset-
zung dafür, dass wir unser Eigentum sichern können.
Außerdem das ist wohl der größte Mangel liegt keine
Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vor. Ich
weiß, dass Ihr Haus seit zweieinhalb Jahren mit der
DB AG darüber verhandelt, wie diese Vereinbarung aus-
gestaltet werden soll. Sie erwarten von uns, dass wir
diesem Gesetzentwurf zustimmen, obwohl wir einen
wesentlichen Bestandteil, die Leistungs- und Finanzie-
rungsvereinbarung, noch gar nicht kennen.
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ch freue mich auf eine engagierte Debatte. Herr Kollege
urkert, mit Ihnen Sie sind ja auch ein Fachmann
ird das wohl funktionieren.
Wir dürfen uns allerdings nicht unter Zeitdruck setzen
assen. Ich habe den Medien entnommen, dass das Ge-
etz noch in diesem Jahr im Bundestag in zweiter und
ritter Lesung beschlossen werden soll.
ngesichts dessen, was aus dem Hause des Ministers
iefensee alles noch fehlt ich habe das vorgetragen ,
ann man eine substanzielle Beratung bis zum Ende die-
es Jahres nicht abschließen. Das muss man ganz ein-
eutig sagen.
Insofern wage ich die Prognose, dass wir hier Anfang
ächsten Jahres in aller Ruhe darüber beraten werden.
ann werden wir alle Belange aus den verschiedenen
rganisationen und Verbänden, aus den verschiedenen
raktionen, aus dem Hause des Ministers und den ande-
en Ministerien berücksichtigen. Wir werden das ganz in
uhe machen und zu einer vernünftigen Bahnreform
ommen, wie Deutschland sie verdient hat und wie wir
ie brauchen.
Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
ollegen Hermann Scheer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin
em Kollegen Ferlemann sehr dankbar darauf möchte
ch mich jetzt beziehen , dass er deutlich gemacht hat,
ass innerhalb der CDU/CSU-Fraktion eine sehr inten-
ive, offen geführte Debatte stattfindet, die zeigt, dass
ine Modifizierung des vorliegenden Entwurfs der
ahnreform durch wesentliche Ergänzungen durchaus
eabsichtigt ist und eingeleitet werden soll. Ich will aus
iesem Grund darauf hinweisen, dass das Gleiche in der
PD-Fraktion stattfindet; denn das wurde in den bisheri-
en Reden nicht so deutlich.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12015
)
)
Dr. Hermann Scheer
Es ist aus nachvollziehbaren Gründen Kollegen
engagieren sich für ein bestimmtes Konzept und vertre-
ten es dann hier nicht so richtig deutlich geworden.
Es gibt in der SPD-Fraktion sehr breit vorgetragene
schwerwiegende Bedenken bezüglich eines Punktes der
Bahnreform. Eine Kapitalprivatisierung unter Einbezie-
hung privater Kapitalgruppen ist vorgesehen, und zwar
vor dem Hintergrund der sehr künstlichen Unterschei-
dung zwischen wirtschaftlichem und juristischem Eigen-
tum. Dies sehen viele aus verfassungsrechtlichen und
auch aus sachlichen Gründen sowie Praktikabilitätsgrün-
den als nicht tragbar an. Die Frage, wer Kapitaleigner
ist, ist für die Ausrichtung der Unternehmensstrategie
unter Umständen von zentraler Bedeutung.
Es ist keineswegs egal, wer Kapitaleigner ist, auch wenn
es um die private Seite geht. Deswegen gibt es eine Ab-
lehnung dieses Konzeptes, die, wie die Öffentlichkeit
weiß, in der SPD breit vertreten wird.
Es gibt den Versuch eines Brückenbaus: ein Volksak-
tienkonzept, das wir in der SPD-Fraktion ernsthaft prü-
fen werden. Ich bin dem Kollegen Friedrich sehr dank-
bar, dass er das durchaus in den Erwägungskatalog der
CDU/CSU-Fraktion einbezogen hat.
Ich glaube, dass wir ich will bestätigen, was Herr
Ferlemann gesagt hat in der Tat eine offene Diskussion
unter Prüfung aller kritischen Aspekte, die immer noch
gegeben sind, brauchen, um zu einer konsistenten Bahn-
reform kommen zu können.
Danke schön.
Herr Kollege Ferlemann, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Scheer, ich bin froh, dass ich Ihnen An-
lass zu einer Kurzintervention geben konnte, um Ihre
Position darzustellen. Auch diese wird natürlich von uns
geprüft werden müssen. Es ist nun einmal so: Über das
Gesetz entscheidet weder eine Regierung noch die DB
AG, sondern dieses Parlament.
Deswegen, glaube ich, ist es klug, dass wir, bevor wir
so eine für die Verkehrspolitik der Bundesrepublik
Deutschland sehr wesentliche Entscheidung fällen, alle
Modelle, Varianten und Ideen sammeln, um das Beste
daraus zu machen. Insofern kann es sicherlich eine
Sternstunde des Parlaments werden, wenn wir im nächs-
ten Frühjahr zu einer abschließenden Beratung kommen.
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gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Be-
kämpfung von Preismissbrauch im Bereich
der Energieversorgung und des Lebensmittel-
handels
Drucksache 16/5847
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Finanzierung der Beendigung des
subventionierten Steinkohlenbergbaus zum
Jahr 2018
Drucksache 16/6384
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul K.
Friedhoff, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Ausstieg aus der Steinkohle zügig und zu-
kunftsgerichtet gestalten RAG-Börsengang
an marktwirtschaftlichen Grundsätzen aus-
richten
Drucksache 16/5422
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss
12016 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla
Lötzer, Hans-Kurt Hill, Dr. Barbara Höll,
Dr. Gesine Lötzsch und der Fraktion DIE LINKE
Ruhrkohle AG in eine Stiftung öffentlichen
Rechts überführen Börsengang verhindern
Drucksache 16/6392
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie zu dem Antrag der Abge-
ordneten Ulla Lötzer, Hans-Kurt Hill, Eva
Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion DIE LINKE
Kein Börsengang der Ruhrkohle AG Bei der
Zukunft des Steinkohlenbergbaus soziale und
ökologische Aspekte berücksichtigen
Drucksachen 16/3695, 16/5947
Berichterstattung:
Abgeordnete Kerstin Andreae
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich gebe das Wort dem Bundesminister Michael Glos.
Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir sind uns alle einig: Wir brauchen eine Ener-
gieversorgung, die klimafreundlich, sicher und zuverläs-
sig ist und gleichzeitig wettbewerbsfähige Preise bietet.
Es geht nicht darum, ob sich die Manager einzelner
Energieunternehmen selbst den Strom leisten können,
sondern es geht um die Verbraucher und vor allen Din-
gen darum, dass unsere produzierende Wirtschaft mit
preiswertem Strom versorgt wird.
Zu diesem Zweck bringt die Bundesregierung jetzt den
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Preismiss-
brauch ein. Ich verstehe mich grundsätzlich als Minister
für Wirtschaft, also für alle Menschen, nicht als Minister
der Wirtschaft. Deswegen ist es mir immer ein Anliegen,
darauf zu achten, dass die Verbraucherinnen und Ver-
braucher nicht stärker belastet werden, als es sein muss.
Die steigenden Strom- und Energiepreise, insbeson-
dere allerdings die steigenden Preise für Strom beim
Gas hat das andere Ursachen , beweisen, dass dieses
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ieses Instrument wollen wir stärken durch Beweislast-
mkehr, durch bessere Vergleichsmöglichkeiten und
urch sofortigen Vollzug. Wir schärfen also ein vorhan-
enes Schwert. Für mich ist die Missbrauchsaufsicht der
nüppel im Sack. Dieser Knüppel muss aber nicht unbe-
ingt wie im Märchen aus dem Sack kommen. Niemand,
er sich marktgerecht verhält, muss dieses Gesetz fürch-
en.
Eine erfreuliche Wirkung zeichnet sich bereits im
orfeld ab. An den zusätzlichen Konkurrenzangeboten
ird deutlich, dass es ein gemeinsames Verständnis von
ettbewerb gibt. Manche fürchten eine ständige Kosten-
ontrolle, andere, dass die Preise so niedrig gehalten
erden, dass weniger neue Anbieter auf den Markt kom-
en. Letzteres würde aber im Umkehrschluss bedeuten,
ass ein Unternehmen nur dann neu auf den Markt
ommt und nur dann Strom produzieren will, wenn
bermäßig große Preisspannen möglich sind. Gegen
aßvolle Preisspannen haben wir überhaupt nichts ein-
uwenden. Genau hier greift dieses Instrument.
Wir haben dieses Gesetz bis zum Jahr 2012 befristet,
eil wir hoffen, dass es auf dem EU-Strommarkt zu
ehr Wettbewerb kommt. Es wird bei diesem Gesetz
lso ein Modell angewandt, das erst vor wenigen Tagen
ür die Ehe vorgeschlagen wurde: Es läuft automatisch
us.
alls man das Gesetz dann, wenn es ausläuft, noch will,
uss man gemeinsam vereinbaren, es zu verlängern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nur
enige Worte zu den Vorschlägen aus Brüssel sagen. Sie
ehen in die richtige Richtung. Wir müssen allerdings
ufpassen, dass wir unsere Energiekonzerne nicht durch
egelungen, die in Brüssel getroffen werden, so sehr
nebeln, dass sie gegenüber französischen und anderen
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12017
)
)
Bundesminister Michael Glos
europäischen Großanbietern nicht mehr wettbewerbs-
fähig sind.
Vor allen Dingen brauchen wir genug Investitionen in
die Netze. Da wir die erneuerbaren Energien stärker in-
tegrieren wollen darin sind wir uns einig , ist ein Aus-
bau der Netze notwendig. Dieser Ausbau wird uns noch
vor schwierige Aufgaben stellen. Auch hier kann es sein,
dass wir ein neues Gesetz brauchen.
Wir setzen mit dem zweiten Teil des Gesetzes das
gehört dazu die Koalitionsvereinbarung um; dazu ist
der Wirtschaftsminister beauftragt, auch wenn ihm nicht
alles dabei gefällt. Wir wollen die kleinen und mittleren
Einzelhändler vor der Marktmacht der Großen schützen.
Auch Tante-Emma-Läden gehören zur Vielfalt des
Marktes. Mit der neuen Regelung in § 20 GWB wird das
geltende Verbot von Verkäufen unter Einstandspreis er-
weitert.
Der Bundesrat hat bisher signalisiert, dass er diese
Gesetzentwürfe so, wie sie vorliegen, unterstützt.
Ich komme zu einem weiteren Gesetzentwurf, den wir
aus Rationalisierungsgründen mit einbringen und der
eine große Bedeutung für die Zukunft hat. Das ist das
Steinkohlefinanzierungsgesetz, das dazu führen soll,
dass die Subventionen für den Steinkohlenbergbau
auslaufen. Deswegen muss nicht gleichzeitig der Stein-
kohlenbergbau auslaufen. Wenn sich Kohle marktge-
recht fördern lässt in einzelnen Gruben oder wenn die
Nachfrage entsprechend steigt , dann soll das so sein.
Ich bedanke mich bei allen, insbesondere bei meinem
Kollegen Finanzminister, der neben vielen anderen wie
der IGBE daran beteiligt war, hier zu Regelungen zu
kommen, die die Grundsatzentscheidung für alle Betei-
ligten zwar nicht leicht, aber doch erträglich gemacht ha-
ben. Das war ein zähes Ringen; aber das liegt im Wesen
der Sache. Wir haben versucht, die Bedenken aus dem
parlamentarischen Raum, insbesondere aus den Koali-
tionsfraktionen, schon im Vorfeld zu berücksichtigen.
Das heißt, wenn wir die Subventionen wie geplant ab-
bauen ich bin sehr zuversichtlich, weil das gut vorbe-
sprochen worden ist , muss niemand Arbeitslosigkeit
fürchten. Der Abbau der Beschäftigten geht sozialver-
träglich vor sich. Er kann zwischenzeitlich überprüft
werden, und selbstverständlich hat jede Regierung ihre
eigene Dispositionsgewalt.
Wir zeigen damit auch in der Energiepolitik, dass uns
Zukunft vor Vergangenheit geht. Das hat mit Undank-
barkeit gegenüber all den Kumpels und den Verantwort-
lichen, die uns über viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte mit
deutscher Steinkohle versorgt haben, nichts zu tun.
Ich bin der Meinung, Politik bedeutet immer Zu-
kunftsgestaltung. Dieser Gesetzentwurf bietet große
Chancen, gerade für Nordrhein-Westfalen. Die Firma
Evonik das ist der neue Name für den verbliebenen
RAG-Konzern wird jetzt in die Freiheit der Börse ent-
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Gudrun Kopp,
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! Es
st schwierig, nachzuvollziehen, weshalb wir heute zwei
o wichtige Punkte wie die Beendigung der Subventio-
ierung des Steinkohlenbergbaus und die Novelle zum
esetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen als einen Ta-
esordnungspunkt beraten. Ich finde, beide Themen sind
o wichtig, dass sie separat diskutiert werden müssten.
ch hoffe, dass dieses Manko mit einer Trennung in der
weiten und dritten Lesung behoben wird.
Sehr geehrter Herr Minister Glos, zur GWB-Novelle
ibt es viel zu sagen. Auf der einen Seite meinen Sie, Sie
üssten in den Markt eingreifen und ein Sonderkartell-
echt für den Energiebereich schaffen. Selbstverständ-
ich sind wir uns darüber einig, Herr Minister, dass wir
lles tun müssen, um die Wettbewerbsstrukturen in
eutschland weiterzuentwickeln. Dort gibt es immer
och Defizite. Ich finde es schon bemerkenswert, dass
ie an dieser Stelle zwar einige Punkte nennen das eine
der andere ist nachvollziehbar und richtig , dass Sie
ber beispielsweise völlig vergessen, was Sie selbst zu
er Höhe der Strompreise beitragen. Sie wissen, dass
teuern und Abgaben fast 42 Prozent der Strompreise
usmachen. Das heißt, auch die Politik muss aufgefor-
ert werden, die Abgaben- und Steuerschraube nicht
eiter anzuziehen, sondern Abgaben und Steuern zu
enken.
Im Lebensmittelsektor ist es ähnlich. Sie sagen, Sie
öchten mit der GWB-Novelle dazu beitragen, dass
uch der gelegentliche Verkauf von Lebensmitteln unter
instandspreisen verboten sein soll. Sie erhoffen sich
avon einen besseren Schutz für kleine und mittelgroße
ändler vor Preisdumping der größeren Händler, und sie
rhoffen sich davon eine größere Produktqualität; Stich-
ort: Vermeidung des Verkaufs von Gammelfleisch. Ich
laube, dass Sie mit beiden Anliegen scheitern werden.
en kleinen und mittleren Händlern ist eher daran gele-
en, dass man sie von der überbordenden Bürokratie ent-
astet.
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Gudrun Kopp
Das, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf wollen, ist
nicht hilfreich. Ich zitiere aus dem Tätigkeitsbericht des
Bundeskartellamts, das zum Bereich der Lebensmittel in
der Novelle ausführt, das Gesetz
würde vielmehr den fairen Leistungswettbewerb
unter Umständen sogar zu Lasten der Verbraucher
einschränken oder wäre angesichts der zu erwarten-
den Vielzahl von Beschwerdefällen im Hinblick auf
die knappen Ressourcen des Bundeskartellamts
kaum umzusetzen.
Das Bundeskartellamt, Wettbewerbshüter Nummer
eins, fürchtet, dass das, was Sie wollen, gar nicht in die
Realität umgesetzt werden kann. Das Gesetz trägt nicht
dazu bei, dass die Qualität von Lebensmitteln in
Deutschland zunimmt. Insofern lautet das Urteil der
FDP-Bundestagsfraktion: Dieses Gesetz ist eher ein Pla-
cebogesetz, als dass es tatsächlich die Verhältnisse ver-
ändert.
Nun zur Steinkohlesubventionierung. Mit Blick auf
die Vergangenheit und fast drei Jahrzehnte Steinkohle-
förderung und Subventionierung des Steinkohlebergbaus
sind 128 Milliarden Euro tatsächlich genug. Wir als FDP
haben im Land NRW, aber auch hier im Bund seit Jahren,
zum Teil seit zwei Jahrzehnten dagegen gekämpft, dass
ein Wirtschaftsbereich, der im internationalen Vergleich
nachweislich nicht wettbewerbsfähig ist, weiterhin mit
Steuergeldern subventioniert wird. Die Förderkosten der
deutschen Steinkohle sind um etwa 200 Prozent höher als
im internationalen Vergleich. Wir wissen das alle. Es
liegt an den geologischen Gegebenheiten. Daher ist es
zwingend notwendig, zu einem Ende zu kommen.
Es gibt wenigstens einen positiven Punkt, nämlich
den, dass endlich eine Entscheidung getroffen werden
soll, die einen Schlussstrich unter die fortgesetzte Sub-
ventionierung zieht. Wenn ich Schlussstrich sage, dann
heißt das das können sich die Leute draußen wahr-
scheinlich kaum vorstellen , dass die Subventionierung
des Bergbaus trotzdem noch bis 2018 weitergehen soll.
Das ist unser Kritikpunkt Nummer eins. Vom heutigen
Zeitpunkt an bis 2018 werden noch einmal fast
40 Milliarden Euro in dunkle Schächte und nicht in helle
Köpfe investiert. Können wir uns das leisten?
In dem Sektor sind 35 000 Arbeitnehmer beschäftigt,
Techniker und Ingenieure, die sehr gut ausgebildet und
hochqualifiziert sind und die mit Sicherheit auf dem Ar-
beitsmarkt eine alternative Beschäftigung fänden bzw. in-
nerhalb des weißen Konzerns, der neu strukturiert wird,
unterkommen könnten. Umgerechnet auf 35 000 Berg-
leute betragen die Ausgaben 1,1 Millionen Euro pro
Kopf. Beim Anpassungsgeld, bei den Anreizen zur Früh-
verrentung und bei allem, was dazukommt, frage ich
mich schon, ob das noch sozial gerecht ist. Eine große Ta-
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eshalb muss man schon fragen, ob diese Förderung tat-
ächlich angebracht ist, ob sie so richtig ist. Das ist ein
usstieg de luxe, aber nicht zielführend. Wir wollen
uch einen sozial verträglichen Ausstieg, aber wir wol-
en Anreize zur Beschäftigung und nicht Anreize zur
rühverrentung geben.
Der Kritikpunkt Nummer zwei: Der Gesetzentwurf
nthält doch tatsächlich eine Revisionsklausel. Sie spre-
hen davon, dass der Beschluss, der über das Auslaufen
er Subventionierung des Steinkohlebergbaus gefasst
erden soll, 2012 noch einmal überprüft werden soll. In
einem Bundesland Nordrhein-Westfalen läuft gerade
rau Kraft von der SPD herum und sagt, es sei alles
icht so tragisch, man brauche sich nicht aufzuregen, die
ubventionierung, die jetzt zum Abschluss gebracht
erden soll, werde unter Umständen aufrechterhalten.
ch halte das für verantwortungslos.
erade aus Achtung und Respekt vor den Bergleuten ist
s unsere Pflicht, ihnen reinen Wein einzuschenken und
hnen zu sagen, wie die Lage ist, dass wir uns für die Zu-
unft ausrichten müssen und nicht länger die Vergangen-
eit finanzieren dürfen. Eine solche Ehrlichkeit sind wir
erade den Beschäftigten und deren Familien schuldig.
Der dritte Kritikpunkt richtet sich an unseren Bundes-
inanzminister Steinbrück. Ihn frage ich: Können Sie ei-
entlich beruhigt sein, wenn Sie diesen Gesetzentwurf
ehen, mit dem die Bundesregierung einen Blanko-
check für die Übernahme von etwa einem Drittel der
osten ausstellt, die sich aus den Zahlungsverpflichtun-
en der Stiftung ergeben, sofern das Stiftungsvermögen
uf Dauer nicht ausreichen sollte, um alle Risiken abzu-
ecken und alle Verpflichtungen zu erfüllen? Sie wissen,
s gibt Altlasten und Ewigkeitslasten. Sollte das Geld
afür nicht ausreichen, muss der Bund einspringen. Das
st ein Blankoscheck für die Zukunft. Das empfinde ich
ls problematisch.
Ich bin mit meiner Fraktion auch der Ansicht, dass
as Anpassungsgeld nicht zielführend ist, das dem Berg-
ann, der unter Tage gearbeitet hat, die Möglichkeit
ibt, mit 50 Jahren Übergangsgeld zu beziehen und an-
chließend in Rente zu gehen.
Den Börsengang unterstützen wir grundsätzlich. Ge-
ade im Ruhrgebiet ist ein DAX-Unternehmen ein positi-
es Zeichen für die Zukunft.
Wir halten es auch für richtig, dass ein Ende der Sub-
entionierung des Steinkohlebergbaus nun endlich in
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12019
)
)
Gudrun Kopp
Sicht ist. Ich bitte Sie aber alle, noch einmal in sich zu
gehen und umsichtig zu prüfen, ob Sie das, was jetzt im
Gesetzentwurf steht, so stehen lassen können oder ob Sie
mit Blick auf mögliche Mehrinvestitionen in Wissen-
schaft und Bildung weniger Subventionen zahlen, ob Sie
also die Subventionen nicht bis 2018, sondern nur bis
2012 weiterlaufen lassen, um 12 Milliarden Euro einspa-
ren zu können.
Frau Kollegin!
Ich komme zum Schluss. Die SPD hat sich hier
kaum bewegt, aber auch die Grünen haben in Ihrer frü-
heren Regierungszeit dazu leider keinen Beitrag geleis-
tet.
Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Rolf Hempelmann,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! In der Tat behandeln wir heute zwei wichtige The-
men in verbundener Debatte.
Ich habe keine Einwände dagegen, sie bei der abschlie-
ßenden Lesung zu trennen. Beide Themen verdienen un-
sere Aufmerksamkeit.
Schon im Koalitionsvertrag hat diese Koalition Eck-
pfeiler zum Thema Steinkohlefinanzierung verankert. Es
ging um zwei wesentliche Punkte: Zum einen ging es da-
rum das stand schon im Vertrag , den Anpassungspro-
zess weiterhin sozialverträglich zu gestalten. Damit ist
das Entscheidende zur Kritik an dem weiteren Subven-
tionsverlauf eigentlich schon gesagt. Zum Zweiten ha-
ben wir uns auf eine Unterstützung des Börsengangs des
weißen Bereichs der RAG Aktiengesellschaft verstän-
digt.
Warum haben wir das getan? Wir haben das vor allen
Dingen getan, weil wir von Anfang erkannt haben, dass
Nichthandeln, Abwarten und Weiter so keine Optio-
nen gewesen wären. Aufgrund des nordrhein-westfäli-
schen Koalitionsvertrages, in dem ein Ausstieg bis 2010
gefordert wird, hätte das bedeutet: Die RAG hätte kurz-
fristig allein für den Bergbau geradestehen müssen.
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Das zweite wichtige Thema ist die GWB-Novelle.
Mir ist es wichtig, festzustellen, dass sich diese Geset-
zesnovelle in ein ganzes Paket von Maßnahmen zur Ver-
besserung des Wettbewerbs bei den leitungsgebunde-
nen Energien Strom und Gas einordnet. Schon die rot-
grüne Bundesregierung hat diesen Weg eingeschlagen.
Sie hat im Jahr 2005 das Energiewirtschaftsgesetz novel-
liert, den Ordnungsrahmen grundlegend modernisiert
und Entflechtungsvorschriften auf der Basis einer euro-
päischen Richtlinie erlassen, die sich gerade in der Im-
plementierungsphase befinden. Das heißt, die Bundes-
netzagentur ist dabei, die rechtliche, operationelle, infor-
matorische und buchhalterische Entflechtung des Netz-
betriebs von der Erzeugung umzusetzen. Sie ist
zuversichtlich, dass sie auf diese Art und Weise den dis-
kriminierungsfreien Netzzugang sichern kann. Ich
denke, wir sollten ihr die notwendige Zeit geben, unab-
hängig davon, dass die Europäische Kommission mitt-
lerweile schon weitergehende Vorstellungen veröffent-
licht hat.
Klar ist, dass eine eigentumsrechtliche Entflechtung
nur Ultima Ratio sein kann. Klar ist auch, dass ein Inde-
pendent System Operator zwar eine prüfenswerte Option
ist, die sich aber auch die Überprüfung im Hinblick auf
das Kriterium gefallen lassen muss, dass wir eine mög-
lichst geringe Eingriffstiefe in bestehende Eigentums-
rechte sichergestellt sehen wollen.
Ich habe die Bundesnetzagentur erwähnt. Wir haben
sie vor zwei Jahren gegründet. Sie hat mittlerweile er-
hebliche Fortschritte erzielt und insgesamt im Netzbe-
reich Kosten- und Entgeltkürzungen in Höhe von
2,5 Milliarden Euro beim Strom und 600 Millionen Euro
beim Gas durchgesetzt. Ich denke, sie hat auch erhebli-
che Fortschritte bei der Durchsetzung eines diskrimi-
nierungsfreien Netzzugangs erreicht.
Die neue Bundesregierung hat auch das war schon
durch das Energiewirtschaftsgesetz 2005 vorgeprägt
eine Anreizregulierungsverordnung erlassen, mit der wir
sicherlich weitere Fortschritte im Wettbewerb in den
Netzen erreichen werden. Wichtig ist parallel dazu auch
die jetzt erlassene Kraftwerksanschlussverordnung. Da-
bei geht es letztlich um den diskriminierungsfreien Netz-
zugang für Stromerzeuger. Ich glaube, dass gerade die
temporäre Bevorzugung von Neuanbietern den Neuen
eine echte Chance bietet, Zugang zum Wettbewerb zu
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Sie verschachern die Zukunft der Menschen an der
Börse. Das bedeutet nicht nur die Gefährdung Zehntau-
sender Arbeitsplätze im Bergbau, bei den Zulieferern
und anderen, die davon leben. Vielmehr sind akut
300 Ausbildungsplätze bei der Deutschen Steinkohle
AG gefährdet. Insgesamt stehen fast 3 000 Ausbildungs-
plätze auf dem Prüfstand. Sie beklagen den Fachkräfte-
mangel und hätten die Möglichkeit gehabt, die RAG-
Stiftung zu verpflichten, diese hochwertigen Ausbil-
dungsplätze zu erhalten. Aber was haben Sie getan?
Nichts! Wir fordern Sie auf, gemeinsam mit dem Land
Nordrhein-Westfalen eine Verbundlösung zur Erhal-
tung der Ausbildungsplätze zu schaffen. RAG-Stiftung
und Evonik Industries müssen in die Pflicht genommen
werden, aber auch andere Betriebe der Region.
Gewerkschaften, Handwerkskammern, regionale Indus-
trie- und Handelskammern, die Agentur für Arbeit und
die Kommunen sind an der Entwicklung einer solchen
Lösung zu beteiligen. Auch der profitable Bereich von
Evonik Industries ist unter der Renditeerwartung von
Arbeitsplatzabbau bedroht. Einige Tausend hat schon
die Vorbereitung des Börsengangs gekostet. Nun will
sich die berüchtigte Heuschrecke Cerberus bei Evonik
einkaufen.
Was Sie hier vorhaben, ist auch ein dreistes Kapitel
der Umverteilung von öffentlichem Vermögen in die
privaten Hände von Aktionären. Dafür bitten Sie die
Steuerzahlerinnen und -zahler auch noch mehrfach zur
Kasse. Die öffentliche Hand trägt 20 Milliarden Euro
und damit 95 Prozent der Kosten bei der Beendigung des
Steinkohlenbergbaus. Ihre Entscheidungs- und Mitspra-
chemöglichkeiten dabei geben Sie an eine private Stif-
tung ab. Diese Stiftung wird für die Abwicklung des
Bergbaus zuständig sein. Im Kuratorium der Stiftung ha-
ben Bundes- und Landesregierungen nur begrenzte Mit-
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Es geht nicht darum, heimische Kohle durch billige Im-
portkohle zu ersetzen, was Sie vorhaben. Wir brauchen
eine gezielte Ansiedlungsstrategie in Richtung Anlagen-
bau und erneuerbare Energien. Hier haben die Bergbau-
regionen große Potenziale, die man nutzen muss. Für
diese Ansiedlungsstrategie müssen der Bund und das
Land Nordrhein-Westfalen finanzielle Mittel bereitstel-
len.
Der Bund und Nordrhein-Westfalen sparen bis 2019
insgesamt 8 Milliarden Euro an Subventionen ein. Wir
sagen: So lange, bis ausreichende Ersatzarbeitsplätze ge-
schaffen worden sind, fordern wir Sie auf, die frei wer-
denden Subventionen in ein Strukturprogramm für er-
neuerbare Energien, für Energieeffizienz und für
Anlagenbau zu stecken, um für die Menschen an der
Ruhr und an der Saar eine Zukunft zu schaffen.
Kolleginnen und Kollegen, Sie wollen die Gewinne
des Konzerns und die Entscheidungen privatisieren und
die Kosten sozialisieren. Wir wollen auch die Gewinne
und die Entscheidungen sozialisieren, nicht nur die Kos-
ten.
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ie 38 Milliarden Euro werden fehlen, um erneuerbare
nergien und Energieeinsparungen auszubauen und um
o auch für die letzten Kohlekumpel neue, verlässliche
nd klimaschützende Arbeitsplätze zu schaffen.
Doch wer nun glaubt, dass 2018 endgültig Schluss
ei, täuscht sich. Denn im Entwurf des Steinkohlefinan-
ierungsgesetzes ist eine erneute Begutachtung und
berprüfung des Ausstiegsbeschlusses für das Jahr 2012
estgelegt.
abei war sogar das Land Nordrhein-Westfalen in den
erhandlungen bereit, die Kohlesubventionen bereits
014 zu beenden.
ie Bundesregierung konnte die Kohleförderung bis
018 aber nur durchsetzen, indem sie den Anteil des
andes Nordrhein-Westfalen an den Subventionen von
015 bis 2018 übernommen hat. Ohne Not hat der Bund
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12023
)
)
Hans-Josef Fell
zusätzliche Belastungen übernommen, weil die SPD sich
erneut als Schutzmacht der Kohle profilieren will. Das
ist nicht akzeptabel.
Wir fordern die Große Koalition auf, in diesem Gesetz-
gebungsverfahren die gefundene Regelung noch einmal
zu überarbeiten und bis 2012 aus der Kohlesubventionie-
rung auszusteigen.
Das Festhalten der SPD und der Bundesregierung an
der Kohlenutzung
wird immer absurder. Die Kohleverstromung gehört zu
den größten Kohlendioxidschleudern in Deutschland.
Daher wäre eine Beendigung der Kohlesubventionen
gleichbedeutend mit Klimaschutz, nicht aber der Neu-
bau von Kohlekraftwerken, wie die Bundesregierung ihn
absurderweise als einen der Hauptpunkte in ihrem Kli-
maschutzpaket vorschlägt.
Die ständige Behauptung von Umweltminister
Gabriel und Wirtschaftsminister Glos, erneuerbare Ener-
gien und Energieeinsparungen könnten die zukünftige
Stromversorgung nicht gewährleisten, ist schlicht falsch.
Die Wachstumsraten der letzten Jahre bei den erneuer-
baren Energien im Strombereich zeigen dies auf. Wir
Grünen haben in unserem Konzept Energie 2.0 ein-
drucksvoll nachgewiesen, dass Atomausstieg und Kli-
maschutz ohne neue Kohlekraftwerke möglich sind.
Aber Umweltminister Gabriel und Wirtschaftsminister
Glos tun nun alles, um die notwendigen Wachstumsraten
bei den erneuerbaren Energien zurückzudrängen.
Erste scharfe Bremsspuren sind bereits erkennbar und
werden schon bald junge Unternehmen aus der Branche
der erneuerbaren Energien in den Konkurs treiben.
So sind im ersten Halbjahr 2007 in Deutschland die
neuen Investitionen in wichtigen Teilbranchen der er-
neuerbaren Energien bereits dramatisch eingebrochen.
Schuld hat die Bundesregierung, die dagegen nichts tut.
Bei der Windenergie gibt es einen Einbruch von
20 Prozent im Binnenmarkt,
bei der Biogasbranche gar von 50 Prozent. In Bezug auf
Holzpelletheizungen gibt es ebenfalls einen Einbruch
von 50 Prozent und bei Sonnenkollektoren von
35 Prozent. Wer so mit den außer bei den Bioener-
gien kostenlosen Energiequellen der erneuerbaren
Energien umgeht, treibt Stromkunden immer schneller
in eine teurer werdende konventionelle Energieversor-
gung hinein. Der aktuelle Ölpreishöchststand spricht für
sich.
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nd verteuern so die Investitionen in Kohlekraftwerke.
ie hoch die CO2-Kosten ab 2012 sein werden, kann
iemand vorhersagen. Nur eines ist klar: Aufgrund der
asant zunehmenden Klimaveränderung werden sie stei-
en und steigen.
Die Agitation der Bundesregierung gegen die Wett-
ewerbsvorschläge der EU-Kommission wird eben-
alls die Strompreise steigen lassen. Meine Kollegin
ärbel Höhn wird auf die Wettbewerbspolitik noch nä-
er eingehen. Selbst die Rohstoffpreise für Kraftwerks-
ohle sind in den letzten Jahren ständig gestiegen und
erden weiter steigen, weil Verknappungen auch bei der
raftwerkskohle bevorstehen. So warnte die deutsche
teinkohlewirtschaft im Mai dieses Jahres vor Verknap-
ungen auf dem internationalen Kraftwerkskohlemarkt
ereits ab 2009. Verschiedene wissenschaftliche Unter-
uchungen, beispielsweise die von der Energy Watch
roup, haben den Nachweis erbracht, dass die weltwei-
en Kohleressourcen viel geringer sind, als bisher ge-
laubt.
Wer, wie diese Bundesregierung, die SPD und die
roßen Energiekonzerne, heute noch am Kohleinvest-
ent festhält, wird die Bürgerinnen und Bürger in die
alle immer höherer Energiekosten stürzen und wird
ohl die nächste Finanzkrise heraufbeschwören. Schon
eute ist absehbar, dass Investitionen in neue Kohle-
raftwerke niemals mehr rentabel sein können.
Wir können nur an die Große Koalition appellieren:
eenden Sie den Irrweg der Kohlesubventionen spätes-
ens ab 2012 und werfen Sie wenigstens ab diesem Zeit-
unkt kein Steuergeld mehr für die Unterstützung der
limazerstörung aus dem Fenster!
Wir Grünen werden die vielen Bürgerinitiativen ge-
en neue Kohlekraftwerke unterstützen. Unsere Unter-
tützung gilt auch den Menschen in der Lausitz, die ge-
en den Verlust ihrer Heimat durch das Abbaggern von
3 Dörfern wegen der Braunkohlevorkommen kämpfen.
ie alle werden unsere Unterstützung bekommen.
Ich erteile das Wort Kollegen Albert Rupprecht,
DU/CSU-Fraktion.
12024 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn wir die Verbraucher kurzfristig wirksam vor Mo-
nopolpreisen schützen wollen, dann gibt es zur Ver-
schärfung der Missbrauchsaufsicht keine Alternative.
Herr Minister, deswegen war die Initiative Ihres Ministe-
riums, das Wettbewerbsrecht entsprechend zu ändern,
richtig, auch wenn es massiven Gegenwind von vielen
Interessengruppen gibt. Die Novelle wurde von exzel-
lenten Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums ge-
meinsam mit Mitarbeitern des Bundeskartellamtes vor-
bereitet; dafür vielen Dank.
Die deutschen Verbraucher zahlen im Jahr unglaubli-
che 9,5 Milliarden Euro Monopolaufschlag auf ihre
Stromrechnungen. Das sind die aktuellsten Werte der
Europäischen Kommission. Das heißt: Ein Vier-Perso-
nen-Haushalt zahlt pro Jahr im Schnitt über 400 Euro
Monopolaufschlag. Das sind eben keine Peanuts. Anders
als Herr Bernotat behauptet, ist Strom in Deutschland
eben nicht zu billig, sondern zu teuer. Solange es Mono-
polgewinne gibt, ist der Strompreis zu hoch. Unsere Vor-
stellung von Deutschland ist, dass sich Leistung lohnt.
Das heißt aber auch, dass Leistung bezahlt wird und
nicht Größe oder Macht bzw. Vermachtungsstrukturen.
Das ist soziale Marktwirtschaft.
Natürlich wollen wir einen Wettbewerb, der funktio-
niert; darüber sind wir uns in diesem Hause einig. Wir
sind mit der Anreizregulierung, mit der Kraftwerksan-
schlussverordnung und anderen Maßnahmen einen gro-
ßen Schritt vorangekommen. Jeder Realist hier im Hause
weiß aber auch: Es wird Jahre dauern, bis die Ernte ein-
gefahren wird. Wir gehen davon aus, dass es spätestens
2010 so weit ist. Bis dahin braucht es aber schnell zeit-
lich befristete Übergangslösungen.
Deswegen gibt es kurzfristig keine Alternative: Das
Kartellamt muss personell gestärkt werden, und es
braucht insbesondere schärfere Waffen. Die Vorschläge,
die nun vorliegen, kommen von Praktikern aus dem Kar-
tellamt. Die Anwender selbst wissen am besten, wieso
sie von den Konzernen an der Nase herumgeführt wer-
den.
Wie ist denn die Situation zurzeit? Zurzeit treiben die
Konzerne ein absurdes Spiel. Auf der einen Seite gibt es
sieben Mitarbeiter im Bundeskartellamt und auf der an-
deren Seite stehen international tätige und verflochtene
Konzerne. Das Kartellamt wühlt sich durch Hunderte
von Ordnern und muss überhöhte Preise nachweisen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Zeil von der FDP-Fraktion?
Gern.
Herr Kollege Rupprecht, weil Sie gerade noch einmal
über die Problematik im Kartellamt gesprochen haben,
frage ich Sie: Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
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Zurück zur Situation des Kartellamts. Das Kartellamt
ühlt sich, wie gesagt, durch die Ordner, durch die Un-
erlagen und muss überhöhte Preise nachweisen. Das Er-
ebnis ist, dass es zu jahrelangen juristischen Auseinan-
ersetzungen kommt. Am Schluss passiert überhaupt
ichts, weil sich nach solchen jahrelangen juristischen
useinandersetzungen der Sachverhalt längst geändert
at und die Preissenkung nicht mehr vollzogen wird.
Die Konzerne führen das Kartellamt, die Politik und
etztendlich auch die Verbraucher an der Nase herum.
ie Bürger erwarten von uns zu Recht, dass wir diesem
reiben ein Ende bereiten.
Die vorliegende Novelle leistet das. Im Zentrum ste-
en zwei Änderungen, zum einen die Beweislastum-
ehr künftig müssen marktmächtige Unternehmen
achweisen, dass ihre Preise gerechtfertigt sind und
um anderen der Sofortvollzug. Künftig bringt es nichts
ehr, über juristische Tricks Zeit zu schinden, weil so-
ort vollzogen wird und die Preissenkung angeordnet
ird.
Um es nochmals klarzustellen: Es geht hier nicht um
ine flächendeckende Preiskontrolle wie bei der Netz-
egulierung, es geht auch überhaupt nicht um eine staat-
iche Preissetzung, wie manche Propaganda glauben ma-
hen will, sondern es geht ausschließlich um eine
achträgliche, zügige und schlagkräftige Einzelfallprü-
ung. Es geht darum, ob Marktmacht missbraucht wurde
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12025
)
)
Albert Rupprecht
und überhöhte Preise verlangt wurden. Es geht darum,
dass wir vor internationalen Großkonzernen nicht ein-
knicken. Es geht darum, dass eine staatliche Institution
endlich in die Lage versetzt wird, ihren Auftrag zu erfül-
len. Das muss doch wohl in unser aller Interesse sein.
Es gab in der Tat, Herr Kollege Zeil, in den vergange-
nen Monaten eine rege Debatte um die Reform. Daran
waren durchaus ernst zu nehmende Institutionen und
ernst zu nehmende Personen beteiligt. So gab es unter
anderem das Gutachten, das Sie angesprochen haben, so-
wie ein Sondergutachten der Monopolkommission. Um
das Ergebnis vorwegzunehmen: Die Kritik wurde auf
der Basis des ersten Referentenentwurfs formuliert. In
dem Gesetzentwurf, der heute eingebracht wird, ist diese
berechtigte Kritik aufgenommen worden.
Im Wesentlichen betrafen die Kritikpunkte zwei Stel-
len: Es wurde kritisiert, dass Investitionen verhindert
werden, wenn die zulässigen Kosten die Investitions-
kosten nicht beinhalten. Deswegen wurde vorgeschla-
gen, klarzustellen, dass es sich bei den akzeptierten Kos-
ten um Preis gleich Grenzkosten handelt. Genau diese
Formulierung ist in der Gesetzesbegründung nun umge-
setzt.
Der zweite wesentliche Kritikpunkt betraf die Strei-
chung des Erheblichkeitszuschlages. Zum Verständ-
nis: Der Erheblichkeitszuschlag besagt, dass das Kartell-
amt bei Preisen, die um bis zu 10 Prozent höher sind als
die der Konkurrenz, nicht ermittelt. In diesem Zusam-
menhang wurde die Sorge geäußert, dass bei Streichung
des Erheblichkeitszuschlages alle Anbieter quasi dazu
verdonnert würden, in Zukunft zu denselben Preisen an-
zubieten, weil sie sonst ein Verfahren des Kartellamtes
befürchten müssten. Im Ergebnis hätte das dazu geführt,
dass der Preiswettbewerb totgemacht worden wäre. Ich
denke, diese Kritik war in der Tat berechtigt. Deswegen,
Herr Minister, ist auf die Streichung des Erheblichkeits-
zuschlages im vorliegenden Gesetzentwurf zu Recht ver-
zichtet worden. Ich glaube, dass damit den relevanten
Anliegen der Fachwelt auf konstruktive Art und Weise
Rechnung getragen wurde.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Strompreise sind
zu hoch. Wir brauchen eine zeitlich befristete Stärkung
des Kartellamtes, um gegen Machtmissbrauch vorzuge-
hen, zumindest solange der Wettbewerb noch nicht funk-
tioniert. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt, wie ich
meine, eine überzeugende Arbeit des Wirtschaftsminis-
ters und seines Teams dar und bietet uns eine gute
Grundlage für die parlamentarische Debatte in den
nächsten Wochen. Zufrieden können wir erst sein, wenn
der Monopolaufschlag in Höhe von 9,5 Milliarden Euro
jährlich wieder bei den Verbrauchern verbleibt, statt bei
Oligopolen und Monopolisten zu landen.
Herzlichen Dank.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Mi-
ister legt uns einen Gesetzentwurf vor, mit dem er den
reismissbrauch auf den Energiemärkten bekämpfen
ill. Sie, Herr Minister Glos, haben hier sehr deutlich
esagt, worum es geht, als Sie ausführten so habe ich
s jedenfalls mitgeschrieben : Der Wettbewerb funktio-
iert nicht so, wie Sie es gerne hätten. Die gleiche Be-
ründung wird ja auch, auf Beamtendeutsch, im Gesetz-
ntwurf gegeben. Auf gut Deutsch heißt das: Es gibt
einen Wettbewerb. Die vier großen Energiekonzerne
eherrschen den Markt und missbrauchen ihre Macht,
m Wirtschaft und Verbraucher mit unfairen Preisen zu
elasten. Das müssen wir stoppen, auch im Sinne der
irtschaftlichen Situation Deutschlands.
In der Situationsbeschreibung sind wir uns ja noch ei-
ig. Aber mit Ihrem Lösungsansatz, Herr Minister, wer-
en Sie dem fehlenden Wettbewerb nicht beikommen.
ine Missbrauchsaufsicht ist ein stumpfes Schwert.
amit werden Sie das Problem, das Sie hier zu Recht be-
lagen, nicht lösen können.
Ich sage Ihnen auch sehr deutlich, dass das nicht nur
eine Meinung ist. Auch Professor Basedow, Vorsitzen-
er der Monopolkommission, sagt in seiner Pressemit-
eilung ganz klar:
Sinnvoller als eine Symptombekämpfung
wie Sie es jetzt machen
ist das Ansetzen an den
Ursachen für den fehlen-
den Wettbewerb
as ist der Weg, den wir gehen müssen: Ansetzen an den
rsachen für den fehlenden Wettbewerb. Die EU-Kom-
ission tut das. Sie hat nämlich den Vorschlag gemacht,
ur Erreichung von mehr Wettbewerb eine klare eigen-
umsrechtliche Trennung von Netz und Produktion
orzunehmen. Und was machen Sie? Sie verwässern
iesen Vorschlag. Deutschland und Frankreich haben so
ange interveniert, bis die EU-Kommission als Alterna-
ive zu der eigentumsrechtlichen Trennung die zweit-
12026 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Bärbel Höhn
beste Lösung vorgeschlagen hat, nämlich die Schaffung
eines unabhängigen Systembetreibers. Das ist schon
eine Verwässerung.
Sie können nicht auf der einen Seite hier sagen, Sie
seien der Hüter des Wettbewerbs, und auf der anderen
Seite die Vorschläge der EU-Kommission verwässern,
die für mehr Wettbewerb streitet. Das funktioniert nicht.
Hinzu kommt: Erst haben Sie sich für den verwässer-
ten Vorschlag der Schaffung unabhängiger Systembe-
treiber eingesetzt. Aber jetzt, wo dieser vorgelegt wor-
den ist, sagen Sie, das sei mit zu viel Bürokratie
verbunden. Da gibt es eine ganz einfache Lösung, die
überhaupt nicht bürokratisch ist: Machen wir einen Ak-
tiensplit und sorgen wir damit dafür, dass Netzbetrieb
und Stromproduktion getrennt werden. Das wäre die ein-
fache, unbürokratische Lösung, die die EU-Kommission
vorschlägt. Unterstützen Sie die EU-Kommission in die-
sem Vorhaben. Damit würden Sie etwas für den Wettbe-
werb tun.
So einfach, wie Sie sich das vorstellen, ist es nicht.
Herr Glos, ich nehme Ihnen ab, dass Sie wirklich et-
was für den Wettbewerb tun wollen; Sie haben das an
vielen Punkten deutlich gemacht. Sie haben zu Recht ge-
sagt, Sie sind Minister für die gesamte Wirtschaft, nicht
nur für die Energiewirtschaft. Für die gesamte Wirt-
schaft aber sind zu hohe, unfaire Energiepreise nicht in
Ordnung; sie gefährden den Standort. Aber Sie haben
ein Ministerium, in das RWE und andere Energiekon-
zerne direkt hineinregieren. Am Ende sind Sie für das
verantwortlich, was die Mitarbeiter Ihres Ministeriums
Ihnen aufschreiben und Sie hier erzählen. Meines Erach-
tens müssten Sie an dieser Stelle etwas anderes tun; an-
sonsten werden Sie, gewollt oder ungewollt, zum verlän-
gerten Arm der Energiekonzerne. Das kann nicht in
Ihrem Sinne sein.
Meine Damen und Herren, als ich hier den Kollegen
Hempelmann hörte, hatte ich den Eindruck, er versuche
jetzt schon wieder, im Sinne von RWE Widerstand selbst
gegen diese zweitbeste Lösung aufzubauen.
Das ist nicht in Ordnung. Wir haben die Verpflichtung,
uns für alle Menschen in der Bundesrepublik Deutsch-
land und für die gesamte Wirtschaft in diesem Land ein-
zusetzen, nicht nur für die vier Energieriesen. Das wäre
ein Vorgehen, das wir niemals unterstützen werden.
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nd zwar sowohl im Saarland als auch in Nordrhein-
estfalen. Das ist ein ganz wichtiges Ziel, darum müs-
en wir kämpfen.
Meine Damen und Herren, wir müssen einfach über
en Tellerrand hinweg, also auch in die Zeit nach 2018,
chauen. Insofern begrüße ich den Beschluss der Bun-
esregierung zum Steinkohlefinanzierungsgesetz. Herr
empelmann hat bereits ausführlich dargestellt, dass es
öglich ist, im Kohlebereich wie auch in den Bereichen
er Chemie, der Immobilien und der Kohlekraftwerke zu
iner längerfristigen Lösung zu kommen.
Wir Politiker müssen über den Tag, also auch über
018, hinausdenken. Aufgrund der Zeitungsmeldungen
er letzten Woche konnte man die Preissprünge im Ölbe-
eich besonders deutlich wahrnehmen. In den letzten
rei Jahren ist der Ölpreis von 30 Dollar pro Barrel auf
estern 82,5 Dollar pro Barrel gestiegen, und die Exper-
en sagen, im nächsten Jahr werde die Schallgrenze von
00 Dollar pro Barrel überschritten werden.
ies muss bei der gesamten Diskussion in Betracht ge-
ogen werden, denn es ist eine Frage der Wirtschaftlich-
eit. Der Süddeutschen Zeitung konnte man unter ande-
em entnehmen: Die Schwellenländer treiben die
lpreise nach oben, aber natürlich auch das steht außer
rage die anderen Energiepreise. China und Indien
ind auf dem Markt vertreten und kämpfen um die inter-
ational angebotenen Ressourcen: Die Jagd nach Ener-
iereserven hat längst begonnen.
Eines muss man beachten, meine Damen und Herren:
ie Vorräte an Öl und Gas neigen sich in 40 bis
0 Jahren dem Ende zu. Im Zusammenhang mit der zwi-
chen Russland und China neu gebauten Pipeline müs-
en wir befürchten, dass in der kommenden Zeit Preis-
prünge stattfinden werden, und zwar nicht nur beim
as, sondern natürlich auch im Kohlebereich.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12027
)
)
Dieter Grasedieck
Die Importabhängigkeit wird von der FDP in ihren
Anträgen immer deutlich angesprochen.
Gas kommt aus Norwegen und Russland, Öl kommt aus
Saudi-Arabien und Libyen, in zehn Jahren vielleicht aus
dem Iran und dem Irak. Ganz sicher sind dies nicht alles
demokratische Staaten, ganz sicher nicht alles sichere
Staaten; das müssen wir bei der Gesamtdiskussion
ebenso berücksichtigen wie die Tatsache, dass die Koh-
lepreise bei weiterer Ressourcenverknappung selbstver-
ständlich ebenfalls nach oben gehen werden.
All dies muss man mit Blick auf das Jahr 2012 in die
Überlegung einbeziehen. Insofern ist die Überprü-
fungsklausel, die wir eingebaut haben, hervorragend.
Wir werden die Weiterentwicklung der erneuerbaren
Energien forcieren und unterstützen, aber wir brauchen
auch im Jahr 2050 noch unsere Steinkohle,
vielleicht dann in Verbindung mit CO2-freien Kraftwer-
ken, Herr Fell. Das sagt jeder Experte im Energiebe-
reich. Das ist einfach wichtig, vor allem deshalb, weil
wir die flankierenden Industrien berücksichtigen müs-
sen, zum Beispiel die Hersteller von Bergmaschinen.
Tausende von Arbeitsplätzen hängen davon ab. 40 Pro-
zent der weltweit eingesetzten Bergmaschinen wurden in
Deutschland produziert; auch in diesem Bereich ist
Deutschland Exportweltmeister. Wir brauchen daher ein
Übungsfeld, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deshalb kommt es entscheidend darauf an, dass wir die-
ses Übungsfeld in der nächsten Zeit auch nach 2018
erhalten.
Einen Punkt will ich noch ansprechen, das ist der Be-
reich Ausbildung, der gerade für das Saarland und für
Nordrhein-Westfalen ein entscheidendes Thema ist. Der
Bergbau bildet an den zwei Standorten Saarland und
Nordrhein-Westfalen in hervorragender Weise in moder-
nen Berufen aus. Dort werden Zerspanungsmechaniker
und Industriekaufleute ausbildet, ferner das gesamte
Feld der Berufe im Elektronikbereich. Das sind mo-
dernste Berufe; die darin Ausgebildeten werden vom
Markt aufgesogen.
Die jungen Leute bekommen so eine Chance, und diese
Chance sollen sie auch in den kommenden Jahren haben.
Im Jahre 2012 werden die Sozialdemokraten diese
Argumente steigende Energiekosten, Importabhängig-
keit und Arbeitsplätze gewichten. Deutschland braucht
vor Ort einen heimischen Energiesockel. Die Lichter auf
unseren wenigen Schachtanlagen dürfen auch nach 2018
nicht ausgehen.
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Ich erteile dem Kollegen Joachim Pfeiffer von der
DU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einstieg in
en Ausstieg aus dem dauersubventionierten Steinkohle-
ergbau in Deutschland, den der heute in erster Lesung
u behandelnde Gesetzentwurf und die in ihm enthaltene
ereinbarung darstellen, ist ordnungspolitisch richtig
nd wichtig und stellt den größten Subventionsabbau
ar, der bisher in der Geschichte der Bundesrepublik
eutschland erfolgt ist.
Dies ist eine wichtige Entscheidung für den Standort
eutschland; sie zeigt nämlich, dass wir in der Lage
ind, die Rahmenbedingungen für die Entwicklung mo-
erner, zukunftsgerichteter Strukturen zu schaffen, und
icht an dem festhalten, was in der Vergangenheit viel-
eicht einmal richtig war, was aber heute weder unter
eltwirtschaftlichen, noch national-volkswirtschaftli-
hen oder energiepolitischen und erst recht nicht unter
rbeitsmarkt- oder strukturpolitischen Gesichtspunkten
innvoll ist. Deswegen betone ich, dass wir mit der Ent-
cheidung über die Beendigung der Dauersubventio-
en, die im Übrigen in einem sehr breiten Konsens
einschließlich der Gewerkschaften erarbeitet wurde,
ine zukunftsorientierte Entscheidung treffen.
Im Folgenden möchte ich doch noch einmal auf die
rgumente, die heute genannt wurden, eingehen, weil
ieles nicht einfach so im Raum stehen bleiben kann.
Vielleicht sollte man sich zunächst noch einmal die
istorie vor Augen halten, um eine Antwort auf die
rage zu geben, warum sich der Bundestag überhaupt
it dem Thema Steinkohle beschäftigt. Anfang der 70er-
ahre, als das Thema Versorgungssicherheit auf einmal
uf die Tagesordnung kam, haben wir gesagt, wir brau-
hen zwecks Versorgungssicherheit eine nationale Re-
erve, um national die Produktion von Strom, Wärme,
eizung und anderer Dinge mehr aufrechterhalten zu
önnen. Das war damals, Anfang der 70er-Jahre, richtig.
Wie aber stellt sich die Situation heute dar? Heute ist
ie Situation eine andere. Das, was Sie betreiben, ist
chönfärberei der Vergangenheit; die Realitäten sind
eute andere. Das gilt zum Beispiel hinsichtlich des
ockelbergbaus, wie Sie ihn fordern. Die Aufrechterhal-
ung von 6 bis 8 Millionen Tonnen Sockelbergbau
12028 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Dr. Joachim Pfeiffer
würde angesichts der gegenwärtigen Weltmarktpreise
1,5 Milliarden Euro an staatlichen Beihilfen und Sub-
ventionen pro Jahr erfordern.
Sagen Sie den Bürgern einmal, wer dieses Geld auf-
bringt! Es wird nämlich vom Steuerzahler aufgebracht.
1,5 Milliarden Euro für 6 bis 8 Millionen Tonnen, bei ei-
nem Weltmarkt von 800 Millionen Tonnen Steinkohle,
also für nicht einmal 1 Prozent der Weltproduktion von
Steinkohle.
Auch zur Deckung unseres Primärenergiever-
brauchs trägt die nationale deutsche Steinkohleproduk-
tion heute nur noch mit einem Anteil von 5 Prozent bei.
Mit 6 bis 8 Millionen Tonnen betrüge der Anteil zur De-
ckung des Primärenergieverbrauchs nur noch 1 Pro-zent.
Die Steinkohle hätte dann mit der Gewährleistung von
Versorgungssicherheit überhaupt nichts mehr zu tun. Es
ist Augenwischerei, was Sie da betreiben; denn der
Steinkohlenbergbau ist mit dem Argument der Versor-
gungssicherheit in keiner Weise zu rechtfertigen.
Ein Sockelbergbau ist für die deutsche Bergbauin-
dustrie auch gar nicht notwendig, wie Sie teilweise ver-
suchen, uns einzureden.
Diese ist nämlich schon heute im Ausland tätig und hat
dort entsprechende Referenzen vorzuweisen. Einen
Bergbau in über 800 oder 1 000 Meter Tiefe, wie er in
Deutschland stattfindet, gibt es außer in Polen sonst nir-
gends weltweit. Das heißt, die Referenzanlagen, die man
in Deutschland vorweisen kann, werden im Ausland gar
nicht benötigt. Auch diese Argumentation läuft also ins
Leere.
Wir sollten auch noch einmal deutlich machen, wel-
cher Herausforderung der Bund sich jetzt damit stellt,
dass er sich noch einmal abschließend engagiert. Über
dieses Engagement wurde ja ein Konsens erzielt. Das
Argument der Versorgungssicherheit hat dabei keine Be-
deutung; hier geht es um eine regionalwirtschaftliche
Frage. Trotzdem haben wir uns darauf verständigt, dass
der Bund von den 39 Milliarden Euro, die für den Stein-
kohlenbergbau noch aufzubringen sind, über 20 Milliar-
den Euro zur Verfügung stellt. Das ist ein einzigartiger
Vorgang. In der gesamten Legislaturperiode wird damit,
um die Dimension einmal deutlich zu machen vorhin
haben wir bei der Bahn-Debatte ja heftig darüber gestrit-
ten, wie wir die Bahn neu ausrichten , weniger für den
Ausbau und die Instandhaltung der deutschen Schienen-
wege ausgegeben, als der Bund für die Beendigung des
subventionierten Steinkohlenbergbaus ausgibt. Diese
Größenordnung sollte man sich vor Augen führen.
Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen las-
sen. Der Bund geht insofern mit seinem Engagement
bis an die Schmerzgrenze. Trotzdem ist die gefundene
Lösung sozialverträglich. Dass sie im Konsens erzielt
wurde, ist, wie ich denke, ein wichtiges Ergebnis. Inso-
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it dem Börsengang erhält der weiße Bereich nämlich
ugang zum Kapitalmarkt und kann notwendige Innova-
ionen und Investitionen ohne das Korsett, mit dem
chwarzen Bereich verbunden zu sein, und ohne das Da-
oklesschwert, dass sich angesichts dessen kein privater
nvestor engagieren würde, angehen. In diesem Bereich
önnen damit langfristig zukunftsträchtige Arbeitsplätze
eschaffen werden.
er Umsatz in diesem Bereich betrug im letzten Jahr
5 Milliarden Euro. Dieser wird jetzt durch eine intelli-
ente und zukunftsfähige Konstruktion gestärkt.
Gleichzeitig schaffen wir eine Lösung, die die Ewig-
eitslasten wie Bergbaudauerschäden, Wasserhaltung
sw. dauerhaft und abschließend in Form eines Stif-
ungsmodells regelt.
n der Anhörung, die bevorsteht, werden wir sicher sehr
enau hinterfragen müssen, ob die vorhandenen Mittel
nd die geplante Konstruktion für die Regelung dieser
ragen ausreichen. Alle Gutachten und alle bisher vor-
iegenden Zahlen und Fakten unterstreichen dies. Inso-
ern, Frau Kopp, stellen wir keinen Blankoscheck für
en schwarzen Bereich aus, der für den Bund oder an-
ere Teile der öffentlichen Hand unbegrenzte Risiken
it sich bringen könnte.
Zum Schluss möchte ich die Grünen ansprechen. Es
st immer wieder erstaunlich, Herr Fell und Frau Höhn,
as Sie hier vortragen. Sie versuchen Ihr Versagen in
er Sache zu vertuschen. Sie waren sieben Jahre in der
egierung; da hätten Sie das Ganze doch angehen kön-
en.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12029
)
)
Dr. Joachim Pfeiffer
Dann wären wir nicht erst 2018 ausgestiegen, sondern
vielleicht 2012. Das hätten Sie machen können. Sie kön-
nen heute nicht mit schriller Rhetorik überdecken, dass
Sie als Raubkatze gestartet und als Bettvorleger gelandet
sind. In dieser Angelegenheit haben Sie rein gar nichts
erreicht. Es ist ziemlich dreist, uns heute vorzuwerfen,
diesen Schritt nicht früher erreicht zu haben.
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Ich komme jetzt definitiv zum Schluss, Herr Präsi-
dent.
Die Große Koalition hat mit diesem historischen Be-
schluss wieder einmal Handlungsfähigkeit bewiesen.
Für die betroffenen Regionen ist das der Startschuss für
einen auf die Zukunft ausgerichteten Strukturwandel.
Die Regionen können jetzt optimistisch in die Zukunft
schauen, und die Große Koalition hat deutlich gemacht,
dass sie energie- und wettbewerbspolitisch handlungsfä-
hig ist.
Vielen Dank.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich Kollegen Rolf Stöckel, SPD-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Stein-
kohlefinanzierungsgesetz ist in der Tat ein großer Erfolg
der Großen Koalition, weil damit erstmals sowohl für
das Unternehmen als auch für die betroffenen Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmern und ihre Familien Pla-
nungssicherheit geschaffen wird. Mangelnde Planungs-
sicherheit war in den letzten Jahren ein großes Problem.
Die Landesregierung von NRW, bestehend aus CDU und
FDP, hat ja in den letzten Monaten, eigentlich seit Be-
ginn ihrer Regierungstätigkeit, wesentlich zur sozialen
Verunsicherung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer in diesem Land beigetragen.
Ich komme dazu. Ich erkläre Ihnen das später.
Ich möchte mich ausdrücklich bei Wirtschaftsminister
Glos dafür bedanken, dass er in seinem Redebeitrag zur
Einbringung dieser beiden Gesetze ausdrücklich auf die
Verbraucher und die Bergleute eingegangen ist. In vielen
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Meine Partei und meine Fraktion unterstützen die
ubventionen für die Landwirtschaft. In unserer Gesell-
chaft besteht ja wahrscheinlich dahin gehend Konsens,
ass es sinnvoll ist, die Landschaft zu pflegen, und dahin
ehend, dass wir einen Beitrag dazu leisten müssen. Das
ilt sicherlich auch für den Bereich der Förderung der re-
enerativen Energien aus Gründen ökologischer Not-
endigkeiten und der Nachhaltigkeit.
Wer behauptet, dass die Subventionen völlig unnütz
ewesen seien und man besser Hartz IV hätte auszahlen
ollen, Frau Kopp, der zeigt, dass er von dem Thema
berhaupt keine Ahnung hat.
rau Kopp, Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen. Da
ollten Sie wissen, dass nicht nur Familien von dem
ohn eines Bergmanns abhängig sind, sondern auch die
ittelständische Wirtschaft; die gesamte Region und
icht nur die Bergbauzulieferindustrie lebt also davon.
Deshalb ist es gut, dass das Steinkohlefinanzie-
ungsgesetz, das ich in der Tat als Meilenstein betrachte,
ustande gekommen ist. Dafür will ich ausdrücklich
och einmal allen danken, die daran beteiligt waren, so-
ohl aufseiten der Bundesregierung, insbesondere aber
ufseiten der Gewerkschaften und des Unternehmens.
ir haben in Nordrhein-Westfalen ein vitales Interesse
aran, dass es einen geordneten Rückzug und eine ernst-
afte Überprüfung im Jahr 2012 gibt.
Nordrhein-Westfalen ist ein Industrie-, ein Energie-
and. Wir haben ein starkes Interesse an einer börsenno-
ierten RAG, die erfolgreich ist. Die Opposition ist sich
das haben wir gerade gehört in der Ablehnung dieses
eges total einig. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Früher
ab es die Haftung des weißen Bereichs für die Altlasten
us dem Abbau und für die sozialen Kosten des schwar-
en Bereichs. Was wäre gewesen, wenn wir Börsengang
nd Stiftungsgründung nicht hinbekommen hätten? Aus
eihen der FDP, vor allen Dingen aber aus Reihen der
12030 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Rolf Stöckel
CDU in Nordrhein-Westfalen wurde das ja lange Zeit
torpediert. Das meinte ich übrigens, als ich vorhin gesagt
habe, dass Sie die Bergarbeiter und die Beschäftigten im
weißen Bereich über Monate hinweg zusätzlich verunsi-
chert haben.
Wir wissen, dass mit diesem Gesetz ein verantwortba-
rer Weg beschritten wird. Das liegt im Interesse der
Steuerzahler, die weniger Risiken für Folgekosten das
sind soziale Kosten und Altlasten, die man in der Tat
noch nicht abschätzen kann tragen. Nordrhein-Westfa-
len hat aber auch ein großes Interesse an energiepoliti-
scher Sicherheit. Deswegen wollen wir den Zugang zu
den Lagerstätten wahren. In der Tat ist es so, dass über-
all auf der Welt noch lange Steinkohlevorräte vorhanden
sein werden und diese Energieform genutzt werden
wird. Wenn wir, wie das meine Kollegen Grasedieck und
Hempelmann hier deutlich gemacht haben, die Bergbau-
zulieferer und -ausrüster dabei unterstützen, wenn sie
überall auf der Welt bessere Kohlekraftwerke mit höhe-
ren Wirkungsgraden bauen, dann werden wir einen we-
sentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.
Nordrhein-Westfalen haftet nach der heutigen Rechts-
lage für die Alt- und Ewigkeitslasten, die nicht durch
den Haftungsverbund in der RAG gedeckt sind. Deswe-
gen ist es auch im Landesinteresse, dieses Risiko zu be-
grenzen. Frau Kopp, Sie und einige Vorredner haben hier
die Landesvorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD,
Hannelore Kraft, dafür kritisiert, dass sie gesagt hat, sie
stehe an der Seite der Bergleute und hoffe auf Verände-
rungen der politischen Mehrheiten. Ich kann nur sagen:
Die SPD in Nordrhein-Westfalen, aber auch im Bund
steht zu den Bergleuten, und die Mehrheitsverhältnisse
werden wir verändern.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/5847, 16/6384, 16/5422 und
16/6392 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden?
Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
schlossen.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag
der Fraktion Die Linke mit dem Titel Kein Börsengang
der Ruhrkohle AG Bei der Zukunft des Steinkohlen-
bergbaus soziale und ökologische Aspekte berücksichti-
gen. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 16/5947, den Antrag der
Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3695 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer
stimmt dagegen? Enthaltungen? Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen aller Fraktionen gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen.
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Herr Weiß, Sie können gerne eine Zwischenfrage stel-
en. Das hatten wir in diesem und im letzten Jahr bei-
es Boomjahre in Deutschland auch schon. In diesem
ahr gibt es real ein Minus von 1,2 bis 1,5 Prozent: näm-
ich bei einer geschätzten Inflationsrate von 1,7 bis
Prozent und einer Erhöhung der Rente um 0,54 Pro-
ent. 2006 gab es real keine Erhöhung und eine Infla-
ionsrate von 1,7 Prozent: Das machte ein Minus von
,7 Prozent. Diese lange Reihe von Erhöhungen und
ullrunden hatte letztlich immer dasselbe Ergebnis: Die
entnerinnen und Rentner haben real weniger Geld in
er Tasche. Das sind die Erfolge Ihrer Politik. In Anbe-
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12031
)
)
Volker Schneider
tracht des vielgefeierten Aufschwungs ist dieses Ergeb-
nis wahrlich keine überaus erfolgreiche Rentenpolitik.
Auch an anderer Stelle werden Sie nicht müde, die
Erfolge Ihrer Rentenpolitik zu feiern. Ihr Hauptargument
lautet immer: Wir haben die Rente angesichts der Heraus-
forderungen der Demografie zukunftsfest gemacht.
Aber was meinen Sie, wenn Sie von Zukunftsfestigkeit
reden, und was meinen Sie, was sich die Menschen drau-
ßen im Lande erhoffen, wenn sie an Zukunftsfestigkeit
denken? Sicherlich nicht, dass sie ihren Lebensabend am
Ende eines möglicherweise harten, hoffentlich aber lan-
gen und nicht durch Arbeitslosigkeit unterbrochenen Er-
werbslebens auf dem nicht armutsfesten Niveau der
Grundsicherung im Alter fristen müssen.
Stellen Sie sich die Situation eines jungen Menschen
vor, der heute 1 843 Euro brutto verdient und sein Ar-
beitsleben lang in dieser Gehaltsgruppe verbleibt, also
nur in den Genuss hoffentlich regelmäßiger Lohnsteige-
rungen kommt. Wo findet sich dieser Mensch im Alter
wieder? Selbst wenn ihm Arbeitslosigkeit ein Leben
lang erspart bliebe, müsste er 48 Beitragsjahre nachwei-
sen können, um sich dann auf dem Niveau der Grund-
sicherung das entspricht heute rund 670 Euro wie-
derzufinden. Ist das für Sie zukunftssicher?
Sie wollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
absichern, indem Sie sie verriestern und verrürupen.
Aber was heißt das für diesen jungen Menschen? Er be-
kommt ein Nettogehalt in Höhe von 1 200 Euro. Davon
kann man längst nicht mehr all das bezahlen, was man
braucht, wenn man gerade dabei ist, sich eine Existenz
aufzubauen, eine Wohnung einzurichten, den eigenen
Lebensunterhalt zu finanzieren und ein Auto zu unter-
halten. Aber Sie wollen, dass dieser junge Mensch von
seinem Geld noch rund 75 Euro pro Monat in die
Riester-Rente einzahlt. Selbst Ihre Minister wissen, dass
das nicht geht, und sind schnell mit schlauen Vorschlä-
gen zur Stelle. Sie sagen, für die Altersvorsorge könne
man ja auf den Urlaub oder auf das Auto verzichten.
Sind das die Erfolge Ihrer Rentenpolitik?
Immerhin lobt Sie die OECD für Ihre Erfolge. Aber
was steht tatsächlich im Bericht der OECD? Dort steht
nichts anderes, als dass ein Arbeitnehmer, der im
Jahr 2004 im Alter von 20 Jahren zu arbeiten beginnt, bei
voller Erwerbstätigkeit bis zum gesetzlichen Rentenalter
und mit konstant 50 Prozent des Durchschnittseinkom-
mens das wären aktuell 1 229 Euro brutto 39,9 Pro-
zent seines Bruttoverdienstes als Rente bekommt. Damit
nimmt Deutschland unter allen OECD-Staaten den letz-
ten Platz ein. Dafür lassen Sie sich loben?
Das ist leider kein bedauerlicher Ausreißer. Im Schnitt
befindet sich Deutschland auf dem sechstletzten Platz.
An der Spitze stehen neben Luxemburg solche Wirt-
schaftsgiganten wie Griechenland und die Türkei.
Gestern haben wir hier über den Altenbericht der
Bundesregierung diskutiert. Die große Koalition stellt in
einer von ihr eingebrachten und verabschiedeten Ent-
schließung zum Altenbericht hinsichtlich der Auswir-
kungen ihrer eigenen Rentenpolitik auf das Einkom-
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Kollege Schneider, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Spieth aus Ihrer Fraktion? Ich nehme an,
as ist hilfreich für Sie.
Ich lasse fast alle Zwischenfragen zu.
Es ist interessant, wie die Mitglieder der anderen
raktionen reagieren, wenn man einem Redner aus der
igenen Fraktion eine Frage stellen will; Sie machen das
brigens regelmäßig. Das ist aber nur eine Vorbemer-
ung.
Zu meiner Frage. Herr Kollege Schneider, können Sie
estätigen, dass Bundestagsabgeordnete, die eine volle
egislaturperiode Mitglied des Deutschen Bundestages
aren und in ihrer zweiten Legislaturperiode nach zwei
ahren ausscheiden, ab ihrem 65. Lebensjahr eine Rente
on knapp 1 700 Euro erhalten, und das, ohne jemals
eiträge gezahlt zu haben?
12032 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Wenn die zweite Legislaturperiode aufgrund der vor-
zeitigen Auflösung des Bundestages verkürzt wäre, ja.
Ansonsten muss man für diesen Anspruch beide Legisla-
turperioden vollständig haben, lieber Kollege Spieth.
Zu der Frage, ob wir den Arbeitnehmern mehr oder
weniger Geld aus der Tasche ziehen. Nach unseren Vor-
schlägen wären zurzeit 22 Prozent in die Rentenversi-
cherung einzuzahlen; das wären 11 Prozent für die Ar-
beitnehmer. Dank Ihrer Reformen gilt derzeit ein Satz
von 19,5 Prozent; der Arbeitnehmeranteil beträgt also
9,75 Prozent. Hinzu kommen selbst nach Abzug der
staatlichen Förderung die immerhin ein Drittel der
Riester-Sparer gar nicht in Anspruch nehmen noch ein-
mal 3 Prozentpunkte. Das macht 12,75 Prozent und
das bei einem niedrigeren Rentenniveau. Wollten Sie
dieses auch noch ausgleichen, brauchten Sie weitere
3 Prozentpunkte für die private Vorsorge. Das macht
15,75 Prozent. Was liegt nun höher: 15,75 Prozent oder
11 Prozent? Um das zu beurteilen, reicht wohl die be-
rühmt-berüchtigte Volksschule Sauerland. Das sind die
Erfolge Ihrer Rentenpolitik.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Weiß, CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir haben wieder einmal eine der üblichen Rentenbe-
schimpfungen und Lügenkampagnen der Linken mitbe-
kommen,
aber keine einzige Antwort an die Rentnerinnen und
Rentner und an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer in Deutschland auf die Frage, wie man es denn bes-
ser machen wollte.
Es ist festzustellen, dass die seit Mitte des vergange-
nen Jahres positive wirtschaftliche Entwicklung in
Deutschland und die Politik der Großen Koalition dazu
führen, dass in Sachen Rente endlich nicht ständig neue
Hiobsbotschaften verkündet werden müssen, sondern
dass wir endlich einmal gute Nachrichten haben. Um es
noch einmal für alle klarzustellen: Die gesetzliche
Grundlage ist das wird übrigens von den Linken nicht
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n dem vorgeschlagen wird, dass alle Rentenreformen
er vergangenen Jahre zu beseitigen sind. Dann würde
s den Menschen in Deutschland angeblich wieder bes-
er gehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das
st eine glatte Lüge. Links lügt die Menschen in diesem
ande in einer schamlosen Weise an, was die Rente an-
elangt.
Ich möchte noch einmal darauf aufmerksam machen,
arum die Rentenreformen notwendig gewesen sind.
ar das Jux und Tollerei, oder war das eine Notwendig-
eit? Wir stehen in Deutschland vor zwei wichtigen de-
ografischen Herausforderungen. Die eine ist: Die so-
enannten geburtenstarken Jahrgänge diese Menschen
ind heute zwischen 35 und 55 Jahre alt; übrigens ist der
ahrgang 1964 der geburtenstärkste im Nachkriegs-
eutschland werden in den kommenden Jahrzehnten
ukzessive in Rente gehen. Ihnen folgen Jahrgänge, die
in Drittel weniger Männer und Frauen umfassen.
Das zweite Problem ist: Die durchschnittliche Le-
enserwartung steigt noch einmal deutlich an. Im
ahr 2030 werden 50 Rentnerinnen und Rentner auf
00 Erwerbstätige kommen, während heute das Verhält-
is 32 Rentnerinnen und Rentner zu 100 Erwerbstätigen
st. Deswegen hat schon im Jahr 1987 die im Auftrag der
undesregierung verfasste Prognos-Studie festgestellt,
ass, wenn wir angesichts dieser demografischen He-
ausforderung längere Lebenserwartung, die weiter an-
teigt; mehr Ältere, die in Rente gehen; weniger Junge,
ie nachkommen nicht handeln, der Rentenversiche-
ungsbeitrag bis zum Jahr 2030 auf 36 oder sogar
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12033
)
)
Peter Weiß
41 Prozent ansteigen wird. Das ist für die Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer eine unvorstellbare Zahl. Des-
wegen ist gehandelt worden.
Von diesem Problem redet die Linke überhaupt nicht.
Sie versteckt sich vor den Tatsachen und erzählt den
Leuten schlichtweg etwas Falsches.
Worin besteht die Antwort im Zuge der Rentenreform
der vergangenen Jahre? Wir lassen den Rentenversiche-
rungsbeitrag für die jüngeren Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer nicht auf 41 Prozent hochschnellen auch
die wollen von dem leben, was sie in ihrem Beruf ver-
dienen ,
sondern wir belassen ihn auf maximal 20 oder
22 Prozent.
Dafür sinkt langsam das Rentenniveau.
Aber wir lassen die Rentnerinnen und Rentner der
Zukunft mit diesem Problem nicht alleine und haben uns
deswegen entschieden, das deutsche Alterssicherungs-
system so umzubauen, dass es künftig nicht mehr nur auf
einer Säule, der gesetzlichen Rentenversicherung, be-
ruht, sondern auf drei Säulen.
Ergänzend zur gesetzlichen Rente gibt es eine betriebli-
che Altersvorsorge und eine kapitalgedeckte Altersvor-
sorge. Diesen Systemwandel haben die Deutschen ver-
standen;
denn Sie handeln entsprechend.
Bereits heute haben 65 Prozent der Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer in Deutschland zusätzlich einen
Betriebsrentenanspruch. Die Anzahl derer, die einen sol-
chen Anspruch haben, ist in den letzten Jahren deutlich
angewachsen. Es gibt bereits heute 8,5 Millionen
Riester-Verträge in Deutschland. Allein vom letzten Jahr
auf dieses Jahr wurden über 2 Millionen Riester-Ver-
träge zusätzlich abgeschlossen. Die Menschen haben
durchaus verstanden, dass es richtig ist, die Altersvor-
sorge der Zukunft nicht nur auf ein, sondern auf drei
Standbeine zu stellen.
Was machen wir in der Politik? Wir haben die Ver-
pflichtung, die Menschen dabei zu unterstützen. Deswe-
gen werden wir zum Beispiel noch in diesem Herbst im
Deutschen Bundestag beschließen, dass die steuer- und
sozialabgabenfreie Entgeltumwandlung zugunsten der
Altersvorsorge über das Jahr 2008 hinaus verlängert
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Der Altersvorsorgebericht der Bundesregierung stellt
usammenfassend fest, dass das Gesamtversorgungs-
iveau der Rentnerinnen und Rentner der Zukunft mit
iesen drei Säulen nicht sinken und niemand in Alters-
rmut geraten wird; denn das Versorgungsniveau kann
uch in Zukunft stabil gehalten werden. Das ist die ei-
entlich gute Nachricht. Der Wechsel in der deutschen
ltersvorsorge von einer Säule auf drei Säulen funktio-
iert. Diejenigen, die noch nicht mitgemacht haben,
ann ich nur auffordern: Bitte gehen Sie diesen Weg mit.
ür die Jüngeren gilt: Nicht eine Säule, sondern drei
äulen sind notwendig, um im Alter einigermaßen aus-
ömmlich leben zu können. Dann ist Altersarmut auch
n Zukunft in Deutschland ein Fremdwort.
Nun gibt es von den Linken noch eine Idee, die sie
anz großartig finden. Sie wollen die Probleme in der
entenversicherung dadurch beseitigen, dass alle ein-
ahlen müssen. Das hört sich zunächst einmal ganz gut
n. Wenn aber alle einzahlen, bekommen auch alle etwas
eraus. Ausgerechnet Personengruppen mit einem An-
pruch auf eine hohe Rente und einer relativ hohen Le-
enserwartung, die über dem Durchschnitt liegt, sollen
n die Rentenkassen integriert werden. Das, was die Lin-
en vorschlagen, ist für die Rentenversicherung kein
lusgeschäft, sondern ein Minusgeschäft.
Deswegen hat der Deutsche Bundestag die Enquete-
ommission Demographischer Wandel eingesetzt. Pro-
inente Wissenschaftler haben untersucht, was passie-
en würde, wenn man alle in die Rentenversicherung
ufnehmen würde und es dadurch mehr Bezieher hoher
enten geben würde. Im Schlussbericht aus dem Jahre
002 wurde festgestellt:
Da sich bei einem versicherungsmäßig organisierten
Rentensystem jede Ausweitung des Versicherten-
kreises zeitversetzt in ausgeweiteten Ansprüchen
niederschlägt, ist zumal Freiberufler, Selbständige
und Beamte eine höhere ferne Lebenserwartung als
der gegenwärtige Versichertenbestand haben dürf-
ten eine Ausweitung des Versichertenkreises keine
Antwort auf das demographische Problem.
12034 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Peter Weiß
Offensichtlich können die Linken nicht lesen. Sie finden
auch keine Bundestagsdrucksachen zu diesem Thema.
Sonst müssten sie es wissen und würden hier keinen sol-
chen Unsinn beantragen.
Kollege Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Sitte von der Linksfraktion?
Ja.
Herr Kollege, zu meiner Lesekompetenz will ich
mich jetzt nicht äußern.
Wenn Sie sich mit unserem Konzept schon so aus-
einandersetzen, nehmen Sie doch bitte wenigstens zur
Kenntnis, dass wir gerade bei dem letzten Beispiel aus-
drücklich von einer Degression sprechen und davon,
dass die Leistungen nach oben gedeckelt sind. Sie wis-
sen natürlich ganz genau: Wenn es so wäre, wie Sie es
beschreiben, würde uns die Rente von Herrn Ackermann
tatsächlich nackt machen.
Frau Kollegin Sitte, ich empfehle Ihnen, einfach ein-
mal die Rentengesetzgebung insgesamt durchzulesen.
Ja, ich rede von Ihrem Vorschlag.
Selbstverständlich war es in der Rentenversicherung
schon immer so und ist es auch heute noch, dass nur bis
zur Beitragsbemessungsgrenze Rentenversicherungsbei-
träge gezahlt werden. Die Rente bemisst sich natürlich
nach den Entgeltpunkten, die gesammelt wurden und
nicht nach dem Supergehalt, das über der Beitragsbe-
messungsgrenze liegt. Das war schon immer so.
Ich wiederhole: Ihr Vorschlag bedeutet, dass Perso-
nenkreise, die zurzeit durch ein eigenes Versicherungs-
system abgesichert sind, dort relativ hohe Rentenansprü-
che erwerben, weil sie relativ gut verdienen, und die
nach den Untersuchungen der Enquete-Kommission De-
mographischer Wandel im Durchschnitt eine höhere Le-
benserwartung haben als andere und damit noch länger
Rente beziehen, in die Rentenversicherung aufgenom-
men werden. Dann müssen diese hohen Renten aber
auch relativ lange gezahlt werden. Auch Sie von der
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Ich will gern Folgendes zugeben: Bei den künftigen
eränderungen, die wir im Rentensystem sicher noch er-
eben werden, werden wir noch einmal genau prüfen
üssen, ob die Rentenversicherung auch eine Antwort
arauf geben muss, dass sich die Lebenswirklichkeit der
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland
erändert hat. Früher ist man Angestellter oder Arbeiter
eworden, und das blieb man dann auch bis zur Rente;
der man ist Selbstständiger geworden, und das blieb
an ebenfalls bis ins Alter. Heute erleben wir es, dass
mmer mehr Menschen zwischen den beiden Beschäfti-
ungsformen selbstständig und nicht selbstständig
echseln. Deshalb muss die Rentenversicherung für die
ukunft ein Angebot machen, damit wir für diese Perso-
enkreise eine durchgängige Alterssicherung aufbauen
nd auf diese sich verändernde gesellschaftliche Wirk-
ichkeit reagieren können. Dieses Reformvorhaben liegt
or uns.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, zusammen-
assend will ich noch einmal feststellen, dass die Große
oalition zu Recht stolz darauf sein kann, dass sie die
ente in Deutschland wieder auf ein sicheres Fundament
estellt hat.
Wir können stolz darauf sein, dass die Bürgerinnen
nd Bürger in unserem Land verstanden haben, dass sie
ine zweite und dritte Säule der Alterssicherung brau-
hen. Wir werden sie durch unsere Gesetzgebungsmaß-
ahmen aktiv dabei unterstützen auch mit nennenswer-
en finanziellen Förderbeträgen.
Wir sollten diesen Weg einer zukunftsfesten Alterssi-
herung in Deutschland weitergehen und uns nicht durch
ügengeschichten und Märchenstunden von links ver-
irren lassen.
Vielen Dank.
Ich erteile Kollegen Heinrich Kolb, FDP-Fraktion,
as Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute
ier zu diskutierende Antrag der Linken entspricht dem
ängigen Muster nahezu aller Anträge dieser Fraktion:
rst werden vorgeblich oder tatsächlich bestehende Pro-
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12035
)
)
Dr. Heinrich L. Kolb
bleme immer in dramatisierender Form, Herr Schneider,
angesprochen, und dann werden Geld spielt keine
Rolle allerlei Heilsversprechen zur Problemlösung an-
geboten.
Bei dem, was wir heute hier beraten, ist mein Ein-
druck, dass Wünsch dir was offensichtlich wieder der
Leitgedanke bei der Abfassung des Antrags gewesen ist.
Herr Weiß, das ist eben das Problem: Die Linken geben
Antworten, aber sie geben nur einfache Antworten und
gehen den Weg des geringsten Widerstandes.
Herr Schneider, was den Antrag besonders diskredi-
tiert, ist, dass Sie und das wider besseres Wissen; denn
eigentlich wissen Sie, wie die gesetzliche Rente funktio-
niert in der gesetzlichen Rentenversicherung, die bis-
her nach dem Äquivalenzprinzip funktioniert, künftig
das Solidaritätsprinzip zur Maxime machen wollen. Das
heißt im Klartext,
dass nicht mehr die Beitragsleistung eines Versicherten,
sondern allein sein Bedarf leistungsbegründend sein soll.
Das halten wir für falsch, und das ist auch nicht mehr die
gesetzliche Rentenversicherung, die in den letzten fünf
Jahrzehnten erfolgreich war und die Sie doch angeblich
wieder stärken wollen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Schneider?
Selbstverständlich, ja.
Herr Kollege Kolb, in unserem Antrag steht, dass wir
solidarische Elemente in dieser Rentenversicherung wol-
len, aber es ist nicht das enthalten, was Sie jetzt be-
schrieben haben. Sehe ich das richtig? Oder können Sie
das, was Sie ausgeführt haben, vielleicht anhand einer
anderen Stelle belegen?
Eine Anmerkung dazu: Es ist doch auch Ihnen be-
kannt, dass solche solidarischen Elemente in der Renten-
versicherung zumindest nicht ganz neu wären; denn das
System der Mindestentgeltpunkte hat auch früher schon
dazu gedient, die ganz niedrigen Renten anzuheben.
Ein Letztes. Spricht nach der grundgesetzlichen Aus-
legung des Äquivalenzprinzipis etwas dagegen, bei-
spielsweise bei den hohen Einkommen die Kurve der
Rente abzuflachen, um das, was man dort einspart, im
unteren Bereich zu verteilen?
Herr Kollege Schneider, ich habe mir Ihren Antrag
vorsichtshalber mit an das Rednerpult genommen. Unter
Ziffer II.1 lese ich, dass der Deutsche Bundestag die
Bundesregierung auffordern soll, die gesetzliche Ren-
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ämlich dass es nicht mehr darum geht, wer welchen
eitrag gezahlt hat, sondern dass geschaut werden soll,
er was braucht. Dann müssen alle mit ihren Beitrags-
eldern solidarisch dazu beitragen, dass dieser Bedarf
edeckt wird.
Wenn man das liest, dann kann man vielleicht auch zu
nderen Ergebnissen kommen. Ich ziehe diesen Schluss
ber für mich. Ich glaube, dass viele in diesem Hause,
ie das auch gelesen haben oder die die Debatte jetzt
um Anlass nehmen, das zu lesen, zu den gleichen Er-
ebnissen kommen werden.
Herr Kollege Schneider, da Sie von einem falschen
rundprinzip ausgehen, kommen Sie natürlich auch zu
en falschen Ergebnissen; denn das hat der Kollege
eiß schon gesagt eine Ausdehnung des Kreises der
ersicherten schafft nur kurzfristig finanziellen Spiel-
aum. Schon mittelfristig und langfristig sowieso ste-
en den zusätzlichen Beiträgen auch zusätzliche Renten-
ahlungen gegenüber.
Was meinen Sie eigentlich mit Ihrer Forderung in Zif-
er II.5 Ihres Antrages vielleicht können Sie auch dazu
ine Zwischenfrage stellen, Herr Schneider , Maßnah-
en zu ergreifen, um den solidarischen Ausgleich in der
esetzlichen Rentenversicherung zu stärken? Zwi-
chen welchen Gruppen soll denn konkret ein solidari-
cher Ausgleich gestärkt werden? Aus unserer Sicht
uss es vor allem um einen gerechten Ausgleich zwi-
chen den Generationen gehen.
enerationengerechtigkeit scheint aber für die Linken,
ie populistisch immer die nächste Wahl im Blick haben,
ein Thema zu sein.
onst könnten Sie nicht ernsthaft die Streichung der
ämpfungsfaktoren in der Rente Nachhaltigkeits-,
achhol- und Riester-Faktor fordern, durch die verhin-
12036 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Dr. Heinrich L. Kolb
dert werden soll, dass die Beiträge für die kommenden
Generationen auf ein unerträgliches Maß ansteigen.
Ich finde es im Übrigen putzig, Herr Schneider, wenn
sich die Linken jetzt um die Zukunft der Selbstständigen
in diesem Lande sorgen,
die angeblich nicht mehr genug Geld verdienen, um für
ihr Alter vorzusorgen. Wenn das so wäre, Herr
Schneider, wäre es dann nicht sinnvoller und konsequen-
ter, nach Mindestlöhnen nun auch Mindestgewinne zu
fordern?
Ich bin mir aber sicher, dass es der Linken gar nicht
um den Schutz der betroffenen Selbstständigen, sondern
um das ideologische Ziel der Gleichmacherei geht.
Die vielfältigen Formen der Altersvorsorge sollen redu-
ziert und die Entscheidungs- und Wahlmöglichkeiten
eingeschränkt werden.
Wir wollen aber keine soziale Gerechtigkeit, die darin
besteht, dass es allen gleich schlecht geht. Wer mehr für
sein Einkommen im Alter tut gerne auch im Wege ei-
ner kapitalgedeckten Vorsorge; deswegen sind wir mit
Ihnen einer Meinung, dass die Förderung bei der
Riester-Rente für alle geöffnet werden soll , der soll
und muss letzten Endes auch mehr haben.
Man darf nicht übersehen, dass die Präferenzen der
einzelnen Menschen unterschiedlich sind. Manch einer
möchte während seiner Erwerbstätigkeit lieber sparen
und in ein kleines Häuschen investieren. Er benötigt
dann im Alter eine nicht so hohe Rente wie derjenige,
der im Alter weiterhin Miete zahlen muss. Klar muss aus
meiner Sicht allerdings sein: Wer in jungen Jahren sein
Einkommen in den Konsum fließen lässt, der darf nicht
im Alter der Gemeinschaft zur Last fallen.
Nach diesen Ausführungen wird es Sie nicht überra-
schen, dass wir Ihren Antrag ablehnen.
Ich will aber da wir in einem Punkt zumindest teil-
weise übereinstimmen; auch die FDP lehnt die Anhe-
bung der starren Regelaltersgrenze auf 67, die die Koali-
tion beschlossen hat, ab
die verbleibende Redezeit dazu nutzen, das FDP-Kon-
zept zur Bewältigung der Herausforderungen, die auf die
Rentenversicherung in Zukunft zukommen, zu skizzie-
ren.
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otwendig ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel.
tatt eines möglichst frühen Ausscheidens aus dem Ar-
eitsprozess muss eine möglichst lange Teilhabe am Er-
erbsleben zum neuen gesellschaftlichen Leitbild wer-
en. Ich will dieses Leitbild mit dem Konzept eines
lexiblen Übergangs in die Rente ab 60 bei gleichzeiti-
em Wegfall aller Zuverdienstgrenzen umschreiben. Das
chafft Anreize, möglichst lange zu arbeiten und bietet
ugleich den Menschen die Möglichkeit, individueller
ls heute zu entscheiden, in welcher Lebensphase sie
elchen Lebensstandard haben wollen.
Ich denke auch, dass ein solches Konzept der Lebens-
irklichkeit besser gerecht wird als die Anhebung des
tarren Renteneintrittsalters auf 67. Heute erfolgen nur
och 22 Prozent der Rentenzugänge aus einer sozialver-
icherungspflichtigen Beschäftigung. Nur 28 Prozent der
ber 60-Jährigen sind noch erwerbstätig. Insofern glaube
ch, dass man mit den folgenden vier Punkten den Men-
chen besser gerecht werden kann:
Erstens. Wie schon gesagt, sollte für alle Versicherten
b 60 Jahren die Möglichkeit bestehen, sich zu entschei-
en, ob sie eine Voll- oder Teilrente beziehen wollen.
oraussetzung für den flexiblen Rentenzugang ist allein
ie Grundsicherungsfreiheit, also dass die Summe der
esetzlichen, betrieblichen und privaten Altersversor-
ungsansprüche ab dem Zeitpunkt des Rentenbezugs
ber dem Niveau der Grundsicherung liegt. Die Prüfung
rfolgt für die Bedarfsgemeinschaft, sodass auch Frauen
er flexible Rentenzugang ermöglicht wird. Wir gehen
avon aus, dass 90 Prozent der Versicherten diese Mög-
ichkeit nutzen könnten.
Zweitens. Die Grenzen für Zuverdienst neben dem
entenbezug werden aufgehoben. Die Versicherten ent-
cheiden selbst, ob und in welchem Umfang sie neben
inem Rentenbezug noch erwerbstätig sein wollen. Da-
it wird es möglich, den Lebensstandard auch bei einem
orzeitigen Rentenbezug zu halten. Für den Zuverdienst
ind Sozialversicherungsbeiträge mit Ausnahme der Ar-
eitslosenversicherung zu zahlen. Die durch die Renten-
eiträge neu erworbenen Entgeltpunkte können dann
on einem versicherten Arbeitnehmer zu einem von ihm
ählbaren Zeitpunkt zur Erhöhung der eigenen Rente
ingesetzt werden.
Drittens. Mit einem individuellen Zugangsfaktor wird
er Zeitpunkt des Rentenzugangs ab dem 60. Lebensjahr
erücksichtigt. Je länger der Versicherte arbeitet, desto
öher ist der Zugangsfaktor. Im aktuellen Rentenwert
ird zudem für jede Alterskohorte die zu erwartende
urchschnittliche Rentenbezugsdauer berücksichtigt.
adurch wird eine gerechte Verteilung der Lasten auf
ie verschiedenen Jahrgänge erreicht.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12037
)
)
Dr. Heinrich L. Kolb
Schließlich brauchen wir flankierende Reformen des
Arbeitsmarktes, damit die Beschäftigung älterer Arbeit-
nehmer wieder begünstigt wird. Dass heutzutage über
50-Jährige schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt ha-
ben, ist den geltenden Arbeitsmarktregelungen und -ge-
setzen geschuldet. Man kann diese Regelungen und Ge-
setze so anpassen, dass Ältere in den Unternehmen
bessere Chancen auf Wiedereinstellung haben.
Wir haben ein modernes Konzept in die Beratungen
über die Rente mit 67 eingebracht. Wir setzen damit auf
die freie Entscheidung jedes Einzelnen, statt über die
Köpfe der Menschen hinweg ein höheres Rentenein-
trittsalter anzuordnen. Mit unserem Konzept gibt es An-
reize, länger zu arbeiten und später Rente zu beziehen.
Das wird die Beschäftigungsquote bei den Älteren stei-
gern. Wir freuen uns, Herr Kollege Amann, dass die
SPD unseren Vorschlag aufgreift und über bessere Mög-
lichkeiten der Flexibilisierung und der Inanspruchnahme
einer Teilrente nachdenkt. Es wäre schön, wenn sich
auch die Kollegen der Union auf diesen Weg begäben.
Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue, liebe Kollegen von
der Linken, dann kann ich nur sagen: Bei Ihnen scheint
Hopfen und Malz verloren zu sein.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
Ich erteile das Wort Kollegin Gabriele Hiller-Ohm,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe
Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, wir
mussten ziemlich lange auf Ihren Antrag warten. Ge-
lohnt hat sich das Warten allerdings nicht. Sie wollen mit
einem Sechspunkteprogramm eine Revolution im Ren-
tensystem auslösen. Was Sie vorlegen, ist jedoch nur
Stückwerk.
Richtig ist, dass die gesetzliche Rentenversicherung
weiterentwickelt werden muss. Auch die SPD spricht
sich für eine Erwerbstätigenversicherung aus, in die
möglichst alle Beschäftigten und Arbeitslosengeldbezie-
her einbezogen werden sollen. Wir wollen das System
auf eine breitere Basis stellen und möglichst alle Er-
werbstätigen am Solidarsystem beteiligen. Uns ist aber
ganz wichtig, dass wir bei einer Umgestaltung der ge-
setzlichen Rentenversicherung mehr Gerechtigkeit im
System erreichen. Ihr Sechspunkteprogramm hilft uns
hier allerdings nicht weiter. Es enthält keinen einzigen
konkreten Vorschlag für einen solidarischen Ausgleich.
Vielleicht sollten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der Linksfraktion, Ihren Antrag einmal daraufhin
durchlesen.
Konkret hingegen fordern Sie die ersatzlose Strei-
chung der gesetzlichen Begrenzung des Beitragssatzes.
Das scheint auf den ersten Blick eine griffige Gerechtig-
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Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen eine
eelle Chance haben, bis zur Rente gesund zu arbeiten
nd diese lange zu genießen.
ir brauchen gute Arbeit.
12038 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Gabriele Hiller-Ohm
Hierzu hat die SPD in Zusammenarbeit mit den Gewerk-
schaften einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vor-
gelegt. Ein Blick darauf würde Ihnen vielleicht weiter-
helfen.
Natürlich wird es auch bei besten Arbeitsbedingun-
gen immer Menschen geben, die aus körperlichen oder
aus seelischen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben
ausscheiden müssen. Für diese Menschen wollen wir die
Übergänge in die Rente erleichtern. Hierzu hat die SPD-
Fraktion Lösungsvorschläge erarbeitet, die derzeit im
Ministerium beraten werden.
In Ihrem Antrag fordern Sie, dass der Lebensstandard
aller Rentnerinnen und Rentner durch die gesetzliche
Rentenversicherung abgesichert werden soll. Das ist
eine gute Forderung. Leider sagen Sie aber nicht, wie
sich die Umsetzung dieser Forderung auf die Beitrags-
sätze auswirken würde. Meine Fraktion hat dies einmal
errechnet. Im Jahr 2030 müssten 28 Prozent des Lohns
allein in die gesetzliche Rentenversicherung fließen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das grenzt fast schon
an Lohnenteignung, denn die Menschen müssten diese
hohe Belastung tragen, auch wenn sie sich ihre finan-
zielle Absicherung im Alter anders vorstellen. Sie haben
darauf hingewiesen.
Diese Menschen wollen vielleicht lieber ihr Wohneigen-
tum abbezahlen, damit sie im Alter mietfrei wohnen
können. Andere Menschen würden vielleicht lieber
anderweitig vorsorgen. Die hohen Rentenversicherungs-
beiträge würden ihnen diese Entscheidungsfreiheit neh-
men. Uns aber ist Entscheidungsfreiheit wichtig. Des-
halb haben wir auch die von Ihnen so bekämpfte
staatlich geförderte zusätzliche Altersvorsorge im Rah-
men der Riester-Rente und der betrieblichen Altersvor-
sorge gestärkt. Die gesetzliche Rentenversicherung ist
und bleibt für uns die wichtigste Säule der Altersab-
sicherung. Im Gegensatz zu Ihnen gehören für uns eine
weiterentwickelte gesetzliche Rente und eine eigenver-
antwortliche Vorsorge der Menschen zusammen. Um es
klar zu sagen: Unverantwortlich ist, dass Sie die private
Vorsorge und deren staatliche Förderung als riskanten
und teuren Irrweg bezeichnen. Liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Linksfraktion, damit verunsichern Sie
die Menschen.
Immerhin haben sich von 2001 bis heute über 9 Millio-
nen Bundesbürgerinnen und Bundesbürger auf diesen
Weg begeben.
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ollen Sie diesen Menschen unterstellen, sie wüssten
icht, was sie tun?
ie Riester-Rente wird von Ihnen immer wieder so dar-
estellt, als wäre sie für Arbeitslose oder Menschen mit
iedrigem Einkommen nicht finanzierbar. Das ist nicht
ur falsch, sondern geradezu heuchlerisch.
enn Ihre hier dargestellten Forderungen würden die
enschen zwingen, deutlich mehr von ihrem Einkom-
en in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen.
Ich fasse zusammen: Sie wollen mit einem 13 Zeilen
nd sechs Punkte umfassenden Forderungskatalog die
esetzliche Rentenversicherung revolutionieren. Ihre un-
usgereiften Forderungen greifen aber viel zu kurz und
elfen uns auf dem Weg zu einer solidarischen Erwerbs-
ätigenversicherung nicht weiter. Deshalb lehnen wir Ih-
en Antrag ab.
Ich erteile das Wort Kollegin Irmingard Schewe-
erigk, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Schneider, der Titel Ihres Antrages hat mich zu-
ächst neugierig gemacht. Wer nur den Titel kennt,
önnte die Erwartung haben, dass uns ein Konzept vor-
elegt wird, mit dem wir uns heute auseinandersetzen
önnen. Aber bei näherer Betrachtung ist das, was die
inkspartei vorlegt, ein erneuter rentenpolitischer Rund-
mschlag nach dem Motto: Wenn wir nur alles zurück-
ehmen und allen alles versprechen, dann ist die Welt
chon wieder in Ordnung.
Ich könnte es mir einfach machen und meine Rede,
ie ich Anfang Juli hier gehalten habe, einfach wieder-
olen. Denn bereits Anfang Juli lag uns ein ähnlicher
ntrag vor: Alle Reformen zurücknehmen, die goldenen
eiten unter Kohl und Blüm wiederbeleben und die
ente ist sicher.
as ist das, was Die Linke uns heute erneut als ihr ren-
enpolitisches Konzept verkaufen will. Das ist einfach zu
ager, und ich frage mich, was Sie mit diesem erneuten
ufguss Ihrer alten Anträge wirklich bewirken wollen.
ollen Sie nur die SPD ärgern, oder warum stellen Sie
mmer wieder die gleichen Anträge? Ein grüner Tee wird
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12039
)
)
Irmingard Schewe-Gerigk
bei erneutem Aufguss besser, von den Anträgen der Lin-
ken kann man das aber nicht behaupten.
Wir Bündnisgrünen stehen zu den Strukturreformen,
die die Nachhaltigkeit des Rentensystems wesentlich
verbessert haben. Wir stehen zur Abkehr von der Früh-
verrentungspolitik, die ältere Beschäftigte auf Kosten
der Allgemeinheit aus dem Arbeitsmarkt ausgrenzt. Wir
stehen zu den Verbesserungen für die Rentenanwart-
schaften von Frauen durch Anrechnung der Kindererzie-
hungszeiten und der Angehörigenpflege in der Rente.
Wir stehen auch zu den ersten Schritten auf dem Weg zu
einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen. Ferner
stehen wir dazu, dass sich die gesetzliche Rente, die
private und die betriebliche Altersvorsorge sinnvoll er-
gänzen. Ziel grüner Rentenpolitik ist es, jede und jeden
individuell gegen Armut zu schützen. Auch künftige
Rentnerrinnen und Rentner müssen am gesellschaftli-
chen Wohlstand teilhaben können. Deshalb wollen wir
die Koppelung der Rente an die Entwicklung der Löhne
und Gehälter beibehalten.
Aber wir brauchen dringend Nachbesserungen an den
Schwachstellen der aktuellen Arbeitsmarkt- und Renten-
politik. Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass Ge-
ringverdienende zukünftig nicht mehr vor Altersarmut
geschützt sind. Bei einer zunehmenden Zahl von Be-
schäftigten sind die Löhne so niedrig, dass sie trotz einer
Vollzeitstelle ergänzend Arbeitslosengeld II benötigen.
Nicht alle nehmen das in Anspruch, aber nach Schätzun-
gen betrifft es mindestens 1 Million Menschen. Diese
Gruppe ist schon während der Erwerbsphase arm und
wird es im Alter ebenso sein. Darum brauchen wir auch
einen Mindestlohn. Es ist wichtig, dass schon während
der Erwerbszeit eine entsprechende finanzielle Ausstat-
tung vorhanden ist.
Die OECD und das Institut für Arbeitsmarkt- und Be-
rufsforschung haben kürzlich auf ein höheres Armuts-
risiko von Geringverdienenden und Langzeitarbeitslosen
hingewiesen und ein Nachjustieren gefordert. Als ersten
wichtigen Schritt verlangen wir daher von der Bundes-
regierung und der Großen Koalition die Rücknahme der
halbierten Rentenversicherungsbeiträge für Langzeit-
arbeitslose. Ein Rentenanspruch von 2,19 Euro pro Mo-
nat ist skandalös. Ich finde es beschämend, wenn trotz
der guten Konjunktur gerade an dieser Stelle gespart
wird.
Langzeitarbeitslose dürfen auch nicht zwangsweise
mit Abschlägen vorzeitig in Rente geschickt werden.
Sie, die Große Koalition, verhindern immer wieder, dass
die vorliegenden Anträge auf die Tagesordnung kom-
men; denn das Ganze ist Ihnen peinlich. Sie wissen, dass
Sie da etwas tun müssen. Aber wir werden Ihnen nicht
ersparen, darüber zu diskutieren. Wir werden Sie immer
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lanwirtschaft ist hier nicht angesagt. Es könnte allen-
alls sinnvoll sein, die Versorgungswerke mittelfristig
nter das Dach der Rentenversicherung zu bringen, um
erwaltungskosten einzusparen.
Gegen eine universelle Rentenversicherungspflicht,
ie Sie von den Linken sie wollen, sprechen aber auch
inanzielle und demografische Argumente. Es ist vorhin
chon gesagt worden: Wir wissen, dass die Lebenserwar-
ung in dieser Gesellschaft nicht gleich ist: Beamte und
elbstständige haben im Allgemeinen eine höhere Le-
enserwartung als abhängig Beschäftigte.
Da ist es eigentlich sehr kurzfristig gedacht, die Kas-
en jetzt erst einmal prall füllen zu wollen und nicht zu
erücksichtigen, dass später eine vielfach höhere Ren-
enleistung ausgezahlt werden muss. Herr Schneider,
ollen Sie den Rentenversicherten auch die ungedeckten
asten und die hohen Kosten der Beamtenversorgung
ufbürden? Wollen Sie den gesetzlich Versicherten die
asten der fehlenden Alterssicherung von Selbstständi-
en aufhalsen?
ie versprechen doch allen eine Alterssicherung, die den
ebensstandard sichern soll.
Die Fraktion Die Linke hat mit ihrem Antrag viele
ragen aufgeworfen, aber auf die heiklen Fragen keine
berzeugenden Antworten gegeben. Deshalb finde ich,
ass Ihr Anliegen hier billiger Populismus ist. Sie wollen
s allen recht machen, drücken sich aber davor, die Kon-
equenzen beim Namen zu nennen.
12040 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
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)
Irmingard Schewe-Gerigk
Noch eines ist mir aufgefallen: Weder in Ihrer Ana-
lyse noch in Ihren vermeintlichen Lösungen kommen die
dauerhaft niedrigen Rentenanwartschaften von Frauen
vor. Diese Anwartschaften ignorieren Sie einfach. Da
liegt der Verdacht nahe, dass Sie die Frauen nur als Zu-
verdienerinnen sehen, deren eigentliche Bestimmung in
der häuslichen Sorge liegt, so wie es auch Ihr Vorsitzen-
der Lafontaine propagiert. Das werden sich die Frauen
nicht bieten lassen.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Max Straubinger, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Wir diskutieren heute wiederum einen Antrag der Frak-
tion der Linken zur Rentenpolitik. Man bemüht sich, da-
für zu sorgen, dass wir uns in einem ständigen Aus-
tausch befinden. Wie meine Vorrednerinnen und
Vorredner bereits kundgetan haben, steht in diesem An-
trag nichts Neues. Bei den Linken ist letztendlich bemer-
kenswert, dass sie, wenn sie die Begründungen ihrer An-
träge niederschreiben, die Wirklichkeit nicht mehr
wahrnehmen wollen.
Ich habe diesen Antrag da; er befindet sich auf
Drucksache 16/6440 vom 19. September 2007. Wenn
man sich die Einleitung dieses Antrags durchgelesen hat,
versteht man, warum die im Antrag gezogenen Schluss-
folgerungen falsch sein müssen. Ich möchte den zweiten
Satz dieser Einleitung zitieren:
Hohe Erwerbslosigkeit, die Ausweitung prekärer
Beschäftigung und der damit einhergehende Rück-
gang der sozialversicherungspflichtigen Beschäfti-
gungsverhältnisse, die Ausweitung prekärer Selbst-
ständigkeit und sinkende Löhne und Gehälter,
reißen Löcher in die Alterssicherung der Menschen
und senken erheblich die Einnahmebasis der ge-
setzlichen Rentenversicherung.
Was Sie schreiben, ist völlig falsch. Die Arbeitslosig-
keit sinkt. Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisse steigt.
Wir haben mittlerweile den höchsten Stand der Erwerbs-
tätigkeit in Deutschland seit der Wiedervereinigung er-
reicht. Das ist letztendlich der Erfolg der Bundesregie-
rung und darüber hinaus natürlich auch der Erfolg der
vielen wieder in Arbeit stehenden Menschen,
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ind Sie bereit, zuzugeben, dass das von Ihnen präfe-
ierte neue Modell der Rentenabsicherung neben der
esetzlichen Mindestabsicherung, die nicht mehr den
ebensstandard sichert, werden zusätzliche private Sys-
eme aufgebaut, die, wenn auch mit staatlichen Zuschüs-
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12041
)
)
Frank Spieth
sen, von den Versicherten allein bezahlt werden dazu
führt, dass der Versicherte am Ende der Entwicklung
17 Prozent zahlen muss, um seinen Lebensstandard zu
sichern, während der Arbeitgeber nur noch mit
11 Prozent beteiligt ist, oder ist das falsch?
Das muss ich zurückweisen, Herr Kollege Spieth. Es
ist Folgendes: Wir haben in staatlicher Verantwortung
Zukunftsperspektiven zur Sicherung und nachhaltigen
Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung eröff-
net, und zwar in erträglichem Rahmen, was die Belas-
tung der Generationen angeht.
Letztendlich muss alles erwirtschaftet werden, Herr
Kollege.
Wenn wir eine gute wirtschaftliche Entwicklung haben,
dann sind wir auch in der Lage, die private Vorsorge mit
staatlichen Zuschüssen zu unterstützen. Wohlgemerkt:
Das gilt für alle Bevölkerungsgruppen in unserem Land.
Sie haben sich in Ihrem Antrag auch auf Hartz IV bezo-
gen. Gerade Hartz-IV-Empfänger haben damit die Mög-
lichkeit, neu in das Rentenversicherungssystem aufge-
nommen zu werden und damit eine zusätzliche soziale
Absicherung über die Rentenversicherung zu erlangen.
Das gilt nicht nur im Alter. Zu erwähnen sind auch die
zusätzlichen Leistungen wie Rehamaßnahmen und Sons-
tiges, die die Rentenversicherung gewährt. Das ist die
Errungenschaft, die wir gemeinsam erreicht haben.
Das zeigt sehr deutlich: Die Linken in unserem Hause
wollen das bewährte Rentenversicherungssystem letzt-
endlich abschaffen.
Unter Erwerbstätigenversicherung verstehen Sie, dass
alle gezwungen werden, in ein staatliches System einzu-
zahlen; möglicherweise müssen dann alle privaten For-
men aufgelöst werden. Sie halten auch nichts von grund-
rechtlich verbürgten Ansprüchen und Ähnlichem, gerade
aus berufsständischen Versorgungswerken. Ich bin über-
zeugt, dass Sie bereit sind, auch die Rücklagen zu ver-
wenden.
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Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage,
nd zwar der Kollegin Reinke von der Fraktion Die
inke?
Nein; wir müssen ja irgendwann auch einmal weiter-
ommen.
Ich bin überzeugt, dass Sie erneut einen solchen An-
rag, den immerwährenden Antrag, stellen werden, weil
ie nicht bereit sind, wahrzunehmen, dass gerade wir in
eutschland für die Rentnerinnen und Rentner eine gute
ersorgung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten
nd der verschiedensten Systeme geschaffen haben. Es
äre gut, wenn Sie mehr Realismus einkehren lassen
nd das entsprechend aufnehmen würden.
Wir können feststellen: Wir haben in Deutschland
eine Altersarmut.
as ist eine große Errungenschaft unseres Sozialstaates.
arüber hinaus wird von der OECD bescheinigt, dass in
eutschland 11,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes
ür die Altersversorgung aufgewendet werden. Der
urchschnitt in den von der OECD verglichenen Län-
ern liegt bei 7,7 Prozent. Das zeigt sehr deutlich, dass
ir in Deutschland besonders viel für die Altersversor-
ung der Menschen tun und die entsprechende Unter-
tützung geben. Das wird mit fast 80 Milliarden Euro
undeszuschuss für die gesetzlichen Rentenversiche-
ungssysteme auch im Bundeshaushalt dokumentiert.
nser Rentenversicherungssystem ist eine große und
ute Errungenschaft.
Werte Damen und Herren, das Entscheidende ist aber,
nabhängig von dem Streit über Systeme: Wer eine gute
ltersversorgung für die Menschen in Deutschland ha-
en möchte, der braucht entsprechendes wirtschaftliches
achstum. Mit wirtschaftlichem Wachstum schaffen wir
uch eine bessere Grundlage für eine langfristige Unter-
tützung der Rentenversicherung, auch unter finanziel-
en Gesichtspunkten, sowie dafür, dass die Rücklagen
ich erhöhen und dass möglicherweise bis 2011 die volle
ücklage, die unter den gesetzlichen Vorgaben notwen-
ig ist, geschaffen worden ist. Das ist ein Erfolg dieser
undesregierung, den man nicht kleinreden, sondern im
egenteil anerkennen sollte. Ich bin überzeugt, dass die
enschen in Deutschland das erkennen.
12042 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Max Straubinger
Ich möchte aber noch eines ausführen, weil die Lin-
ken in unserem Hause mit der privaten Altersvorsorge
offensichtlich überhaupt nichts anzufangen wissen. Ge-
rade durch die Riester-Verträge können sich auch Ge-
ringstverdiener, ALG-II-Bezieher, eine privat gestützte
Altersvorsorge leisten. Mit 5 Euro Monatsaufwand, also
60 Euro Jahresaufwand, kann man die höchste staatliche
Förderung bekommen.
Das zeigt sehr deutlich, dass wir ein gutes System ge-
schaffen haben, durch das jeder in die Lage versetzt wor-
den ist, für sein Alter vorzusorgen.
Der Antrag der Linken begründet sich auch dadurch,
dass man unsere Beschlüsse zur Rente mit 67 infrage
stellen möchte.
Aber die Linken bleiben die Antwort schuldig. Wie wol-
len Sie die aus der steigenden Lebenserwartung, die zu
begrüßen ist, erwachsenden Lasten, nämlich die längere
Rentenbezugsdauer, schultern? Natürlich mit höheren
Beiträgen. Sie stellen ja den Antrag, dass die Begren-
zung des gesetzlichen Beitrags ersatzlos gestrichen wird.
Ich ersehe daraus, dass dann die Beiträge weiter steigen
sollen.
Es ist immer wieder die Politik der Linken, die Men-
schen besonders stark zu belasten, aber an Nachhaltig-
keit und die zukünftigen Generationen nicht zu denken.
Das ist letztendlich die Politik der Linken hier in diesem
Hause, und es zeigt sehr deutlich: Die Linken haben kein
Konzept, um die zukünftigen Herausforderungen an un-
sere Alterssicherungssysteme zu bewältigen. In diesem
Sinne werden wir den Antrag ablehnen.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort Kolle-
gin Reinke, Fraktion Die Linke.
Kollege Straubinger, für Sie als Versicherungsfach-
mann nur zur Information Sie haben ja keine Frage zu-
gelassen : Bei einem Regelsatz von 347 Euro für einen
Alleinstehenden sind 5 Euro eine Menge Geld. Glauben
Sie mir, die sind nicht übrig. Selbst wenn man die Mög-
lichkeit nutzen wollte, ginge es davon nicht. Auch die
Leute, die im Niedriglohnsektor arbeiten, haben diese
Möglichkeit nicht. Also erzählen Sie hier nicht, dass je-
der Bürger privat vorsorgen könne! Sie können es nicht,
selbst wenn sie wollten.
Danke schön.
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em vorliegenden Antragstext können wir jedoch nicht
ustimmen, denn er hat mit der Überschrift nichts zu tun.
Es geht Ihnen nicht um eine Erwerbstätigenversiche-
ung, sondern um das Aufwärmen von alten Ladenhü-
ern, die Rücknahme der Rente mit 67, die Abschaffung
es Nachhaltigkeitsfaktors und Ihre daraus logisch fol-
ende, aber ökonomisch irrsinnige Forderung nach einer
nhebung der Beitragssätze in der Rentenversicherung.
Sie diskutieren wieder einmal rückwärts gewandt
hemen, zu denen bereits Beschlüsse gefasst sind, an-
tatt in die Zukunft zu denken, anstatt Vorschläge zu ma-
hen, wie eine Erwerbstätigenversicherung tatsächlich
ussehen könnte. Dazu steht in Ihrem Antrag kein Wort.
ür Sie ist das Konzept der Erwerbstätigenversicherung
ur ein Vehikel, um durch die Einbeziehung von mehr
eitragszahlern die Finanzprobleme der Rentenversiche-
ung vermeintlich lösen zu können. Aber genau dafür
augt das Konzept der Erwerbstätigenversicherung nicht.
Einfach nur mehr Beitragszahler einzahlen zu lassen
darauf bezog sich der Disput vorhin zwischen Herrn
eiß und Frau Sitte , führt zwar kurzfristig zu mehr
eitragseinnahmen; aber langfristig werden sich die
usgaben dann ebenfalls erhöhen, da jede zusätzliche
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12043
)
)
Gregor Amann
Beitragszahlung natürlich auch entsprechende Renten-
ansprüche nach sich zieht. Die Einbeziehung neuer
Gruppen von Beitragszahlern wäre nur dann ein Beitrag
zur Lösung der langfristigen Finanzprobleme in der Ren-
tenversicherung, wenn Sie die Beitragsbemessungs-
grenze aufhöben und den späteren Rentenanspruch de-
ckelten, so wie Sie es vorhin gesagt hatten. Aber Sie
wissen genau oder sollten es genau wissen, dass das
Bundesverfassungsgericht dies nicht zulässt.
Nein, die Idee der Erwerbstätigenversicherung ist viel
komplexer und für uns aus ganz anderen Gründen wich-
tig. Wir wissen, dass eine wachsende Anzahl von Selbst-
ständigen nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung
versichert ist, dass aber ihre Einkünfte so gering sind,
dass sie überhaupt keine Altersvorsorge betreiben. Wenn
wir die Rentenversicherung im Sinne einer Erwerbstäti-
genversicherung für diese Menschen öffnen würden,
wäre dies ein Beitrag, um diese Menschen vor Alters-
armut zu schützen. Deshalb sprechen wir uns für einen
Umbau der gesetzlichen Rentenversicherung in eine Er-
werbstätigenversicherung aus. Dr. Herbert Rische, Präsi-
dent der Deutschen Rentenversicherung, schätzt den
Kreis der Betroffenen auf etwa 2 bis 3 Millionen zusätz-
lich Versicherte.
Ein weiterer Aspekt bei der Erwerbstätigenversiche-
rung ist die Tatsache, dass Arbeitslosigkeit heute und zu-
künftig noch zunehmend nur einer von mehreren mög-
lichen Gründen für Lücken und Brüche in der Erwerbs-
und Rentenbiografie ist. Zeiten der Kindererziehung
oder der Pflege von Angehörigen sind weitere Gründe
für eine Unterbrechung des Erwerbslebens. In unserer
Wissensgesellschaft gewinnen berufliche Auszeiten für
die berufliche Weiterbildung einen immer größeren Stel-
lenwert. Wenn wir verhindern wollen, dass Menschen
aufgrund solcher Lücken bzw. aufgrund solcher gesell-
schaftlich erwünschten Brüche in der Biografie dafür im
Alter nicht mit Altersarmut bezahlen, müssen wir selbst-
verständlich darüber nachdenken, wie wir unser heutiges
Rentenversicherungssystem weiterentwickeln.
Wir Sozialdemokraten tun das. In Ihrem Antrag steht
dazu hingegen kein Wort. Das nennt man Etiketten-
schwindel. Sie haben Ihren Antrag zwar mit dem Wort
Erwerbstätigenversicherung aufgemotzt, setzen sich
aber intellektuell überhaupt nicht mit diesem Konzept
auseinander; denn in Wirklichkeit geht es Ihnen doch gar
nicht darum. Sie haben einfach nur einen Weg gesucht,
um Ihre bereits gescheiterten politischen Parolen neu
verbreiten zu können.
Im Übrigen ist Ihr Antrag voller Fehler. In der Be-
gründung schreiben Sie, die sozialversicherungspflichti-
gen Beschäftigungsverhältnisse nähmen seit Jahren ab.
Herr Straubinger hat darauf hingewiesen: Die Zahl der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist allein im
vergangenen Jahr um etwa 600 000 gestiegen. Das ist
ein Erfolg dieser Regierung und der rot-grünen Vorgän-
gerregierung, die die Grundlagen dafür geschaffen hat.
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Wenn in dem Antrag steht, die Reduzierung der Ren-
enversicherungsbeiträge von ALG-II-Beziehern führe
ur Altersarmut, so ist das falsch. Wenn Langzeitarbeits-
osen Altersarmut droht, dann ist die Ursache dafür nicht
ie Reduzierung der Rentenversicherungsbeiträge,
ondern die Langzeitarbeitslosigkeit an sich.
Wenn Sie Menschen vor Altersarmut schützen wol-
en, müssen Sie sich in erster Linie darum kümmern,
ass sie gar nicht erst arbeitslos werden und, wenn sie
enn arbeitslos werden, dass sie wieder in Arbeit kom-
en. Genau das tut die Bundesregierung.
ie Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit mehr als
echs Jahren nicht mehr. Im vergangenen Jahr gab es
napp 700 000 Arbeitslose weniger.
Kollege Amann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte.
Herr Kollege Amann, Sie unterstellen uns unwahre
ehauptungen. Daher stelle ich an dieser Stelle eine
achfrage zu einem Entschließungsantrag, den die
roße Koalition gestellt hat und aus dem ich eben schon
itiert habe. Wie vereinbart sich das, was Sie gerade ge-
agt haben, mit Ihren folgenden Aussagen:
Berechnungen prognostizieren selbst unter An-
nahme ununterbrochener Erwerbsmöglichkeiten
wir reden also nicht von Phasen der Arbeitslosigkeit
und unter voller Ausnutzung der Fördermöglichkei-
ten
wenn also tatsächlich jemand die Fördermöglichkeiten
ei Riester bis zum Gehtnichtmehr ausschöpft
ein sinkendes Niveau des Nettoeinkommens im Al-
ter, sodass aufgrund einer zunehmenden Einkom-
12044 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Volker Schneider
mensungleichheit ein steigendes Armutsrisiko be-
fürchtet werden muss.
Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie genauso die Un-
wahrheit verbreiten wie wir, oder was unterstellen Sie
uns an dieser Stelle?
Die OECD-Studie, die Sie wiederholt zitieren, besagt
das genaue Gegenteil. Dort heißt es: Durch die Reform
der Rentenversicherung in Deutschland und durch die
zusätzliche private und betriebliche Altersversorgung
können wir die Menschen vor Altersarmut schützen. Das
halte ich für die richtige Antwort.
Ich will Ihnen an dieser Stelle nicht noch einmal er-
klären, warum die langfristige Anhebung des Renten-
alters auf 67 sinnvoll und notwendig war. Darüber haben
wir schon wiederholt diskutiert. Aber ich will alle, die
dieser Debatte zuhören, eindringlich vor der Alternative
warnen, die Sie in Ihrem Antrag propagieren, nämlich
das unkontrollierte Ansteigen des Beitragssatzes zur
Rentenversicherung. Das ist zum einen aus Gründen der
Generationengerechtigkeit abzulehnen; denn Sie lasten
damit den Beitragszahlern im erwerbsfähigen Alter eine
Bürde auf, die sie zu Sklaven der Rentnergeneration
macht. Zum anderen ist dies ökonomischer Unsinn; denn
ein zu erwartender Anstieg des Rentenversicherungsbei-
trags auf 28 Prozent würde mindestens 600 000 Arbeits-
plätze in diesem Land vernichten.
Oskar Lafontaine hatte vollkommen recht, als er in
der Münchener Abendzeitung sagte ich zitiere :
Um bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue
zu schaffen, müssen auch die Kosten für den Faktor
Arbeit sinken. Die gesetzlichen Lohnnebenkosten
müssen gesenkt werden.
Ich gebe zu: Das Zitat ist von 1993. Ihr Fraktionsvorsit-
zender wechselt nun einmal die politischen Ansichten
wie ein Chamäleon seine Farbe, immer passend zur je-
weiligen Umgebung.
Ich darf zusammenfassen: Wir Sozialdemokraten sind
für einen Umbau der gesetzlichen Rentenversicherung in
eine echte Erwerbstätigenversicherung. Der vorliegende
Antrag handelt trotz seiner Überschrift genau davon
nicht. Er ist rückwärtsgewandt, voller Fehler und Un-
wahrheiten. Deswegen können und wollen wir ihm nicht
zustimmen.
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Denn eines ist sicher: So unterschiedlich auch die ein-
zelnen Pandemien sind, sie alle sind behandelbar. Die
Bedrohung der Sicherheit und der Stabilität der wirt-
schaftlichen Entwicklung ist das eine, der Antrag mit
dem Titel Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/AIDS,
Tuberkulose und Malaria stärken, den uns die Regie-
rungsfraktionen heute vorgelegt haben, ist das andere.
SPD und Union fordern ein eindeutiges, klares und stär-
keres Engagement der deutschen Seite.
Wir haben die Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria
und Tuberkulose sowie die Stärkung von Gesundheits-
systemen zum Kernthema unserer EU- und G-8-Präsi-
dentschaft gemacht. Mit Recht wird in den verabschie-
deten Ratsschlussfolgerungen betont, wie wichtig es ist,
nicht nur punktuell zu agieren und keine Parallelstruktu-
ren zu schaffen, sondern Hilfsmöglichkeiten zu bündeln,
dabei von manchen bilateralen Gepflogenheiten Abstand
zu nehmen und stärker in multilaterale Systeme zu in-
vestieren.
Genauso wichtig ist es aber, speziell für Frauen Hil-
fen anzubieten. Frauen stark machen, heißt, die Aids-
pandemie zu schwächen. Deshalb arbeiten wir eng mit
dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Malaria
und Tuberkulose zusammen, der gemeinsam mit den
Nichtregierungsorganisationen in den beteiligten Län-
dern eine durchgehende Gender-Orientierung der Maß-
nahmen des Fonds beschlossen hat. Daran arbeiten wir
tatkräftig mit.
Auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm wurde be-
schlossen, weltweit einen umfassenden Zugang zu Prä-
vention, Behandlung und Pflege bezüglich HIV/Aids
anzustreben. In der Entwicklungszusammenarbeit be-
zeichnen wir das als universal access. Die G-8-Staaten
stehen zu diesen Verpflichtungen und sind bereit, über
ihre Bemühungen Rechenschaft abzulegen. Beschlüsse
sind das eine, die Umsetzung ist das andere. Unter der
deutschen G-8-Präsidentschaft wurde erstmals ein Be-
richt über die Bemühungen der G-8-Staaten erstellt. Der
Bericht wird nächste Woche bei der Wiederauffüllungs-
konferenz des Globalen Fonds in Berlin der Öffentlich-
keit vorgestellt.
Am 5. September wurde in London die globale Initia-
tive International Health Partnership gestartet, die eine
verbesserte Geberkoordinierung im Gesundheitssektor
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Die Bundesregierung hat ihre Mittel für Maßnahmen
m Kampf gegen HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria
ereits deutlich erhöht: von rund 20 Millionen Euro im
ahr 1998 auf jährlich 300 Millionen Euro seit 2003.
ieser lebensrettende Beitrag ist im Rahmen der Haus-
altsberatungen im Jahr 2007 auf 400 Millionen Euro er-
öht worden und soll ab 2008 insgesamt 500 Millionen
uro jährlich ausmachen. In Heiligendamm haben die
-8-Staaten beschlossen, in den nächsten Jahren 60 Mil-
iarden US-Dollar zur Bekämpfung von HIV/Aids, Ma-
aria und Tuberkulose zur Verfügung zu stellen. Die
eutsche Bundesregierung wird bis 2015 4 Milliarden
uro beisteuern.
Deutschland hat an der Gründung des Globalen Fonds
m Jahr 2001 mitgewirkt. Wir haben gesagt, dass das ein
ichtiges Instrument ist. Die Geschichte dieses Fonds ist
ittlerweile eine Erfolgsstory. Er leistet weltweit Pio-
ierarbeit auf dem Gebiet der effektiven Krankheitsbe-
ämpfung.
em Beifall setze ich gerne die Zahlen hinzu:
,8 Millionen Menschen konnte das Leben gerettet wer-
en, 3 000 kommen täglich hinzu. Das sind Zahlen, die
ür sich sprechen.
Die Konferenz wird Weichen stellen: Schafft es die
eltgemeinschaft, den schrecklichen Trend umzukeh-
en? Schafft sie es, die Infektionsverläufe von HIV/Aids,
uberkulose und Malaria zu durchbrechen? Schaffen wir
s, auch den ärmsten Kindern in Afrika Zugang zu Prä-
ention und Behandlung zu ermöglichen? Dazu bedarf
s des Engagements unserer Partnerregierungen im Sü-
en und auch der Zivilgesellschaften.
Es geht hierbei um Good Governance. Es geht um
lare Sprache. Ich greife gern auf, was Herr Addicks im-
er sagt: Wir können nicht tolerieren, dass Regierungen
ie Gesundheitsministerinnen und -minister in Afrika
ine völlig verfehlte Behandlungspolitik propagieren
nd der internationalen Standard, den wir längst aner-
annt haben, dort immer noch außen vor ist.
Das geht aber nicht ohne die gezielte Unterstützung
er Gebergemeinschaft. Bei alldem, was vorliegt, geht
12046 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Parl. Staatssekretärin Karin Kortmann
es weder um einen Kostenfaktor noch um eine milde Tat.
Es geht vielmehr darum, dass es ein Menschenrecht auf
Leben gibt, das wir unterstützen. Diese Unterstützung
wird geleistet, wenn es darum geht, die Nichtregierungs-
organisationen an der Seite zu haben. Eine Umfrage von
Oxfam zur Entwicklungszusammenarbeit hat gezeigt,
dass 61 Prozent der Befragten erklärt haben, die deut-
sche Bundesregierung solle doch bitte die Entwicklungs-
gelder im Bereich der Dienstleistungen für die Gesund-
heitsfürsorge erhöhen. Ich glaube, damit sind wichtige
Punkte genannt.
Ich will meine Redezeit nicht überstrapazieren; aber
auf eines möchte ich noch hinweisen.
Kollegin Kortmann, Sie reden langsam auf Kosten
der Redezeit Ihrer Kollegen.
Ka
Ich nehme die Mahnung entgegen; ich sage nicht,
dass ich zum letzten Satz komme.
Klären Sie das mit Ihren Kollegen.
Ka
Ich will daran erinnern, dass Willy Brandt vor circa
30 Jahren Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission der
Vereinten Nationen geworden ist. Damals ging es im
Abschlussbericht darum, zu fragen: Was können wir ei-
gentlich für das Überleben der Menschheit tun? Er hat
damals gesagt: Noch nie hat die Menschheit über so
viele Instrumente und so viele Expertisen verfügt, um
Hunger und Armut in der Welt zu bekämpfen. Allein, es
fehlt der politische Wille.
Anhand des Antrages und aufgrund der Beratungen
im AwZ weiß ich: Der politische Wille ist da. Ich weiß,
dass Sie an guter Seite sind, wenn es um die Wiederauf-
füllung des Global Fund geht.
Herzlichen Dank, und ich bitte um Verständnis bezüg-
lich der Redezeit.
Das Wort hat der Kollege Dr. Karl Addicks für die
FDP-Fraktion.
Vielen Dank Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Der Global Fund wurde vor sechs Jahren
gegründet. Mit ihm bekämpfen wir drei verheerende
Krankheiten. Zwei davon, Tuberkulose und Malaria,
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Ich halte es für einen Skandal, dass gerade solche Güter,
auf die die Menschen in diesem Land warten und auf die
sie dringend angewiesen sind, nicht vom Zoll freigege-
ben werden und dass die Moskitonetze, statt verteilt zu
werden, dort auf Halde liegen.
Da stehen mir wirklich die Haare zu Berge.
Hinzu kommt, dass diese Netze eigentlich kostenlos
abgegeben werden sollen. Kinder und Schwangere be-
kommen sie zwar kostenlos. Aber alle anderen müssen
7,50 Dollar für ein Netz bezahlen. Das ist für einen Ka-
meruner nicht gerade wenig Geld.
Was passiert mit dem eingenommenen Geld? Auch
hinter dieser Frage muss man ein großes Fragezeichen
machen. Ich finde, das darf nicht so bleiben. Statt die
Netze endlich unter das Volk zu bringen, hat man sich
dort erst einmal große Fuhrparks angeschafft und viel
Personal eingestellt. Das ist zwar auch eine Art von Ent-
wicklungszusammenarbeit, aber nicht der Sinn des Glo-
bal Fund.
Es hat nicht nur in Kamerun, sondern auch in Uganda
Fälle von Veruntreuung gegeben. In Uganda sind teure
Aids-Medikamente verfallen, weil sie nicht rechtzeitig
abgegeben worden sind. So etwas darf nicht geschehen.
An dieser Stelle kann und muss der Global Fund besser
werden. Es reicht nicht, den Ländern nur Gelder zur Ver-
fügung zu stellen, sondern es muss auch die Verwendung
der Gelder überwacht und kontrolliert werden,
und das vor allem in Ländern, in denen es bekannter-
maßen keine gute Regierungsführung gibt.
Der Global Fund arbeitet mit 136 Ländern zusam-
men. Wir wissen, dass viele von ihnen auf Good Gover-
nance keinen großen Wert legen. Die Bundesregierung
sagt selbst, dass der Global Fund, weil er vor Ort über
keine eigenen Strukturen verfügt, auf zuverlässige und
vertrauenswürdige Partner angewiesen ist. Diese haben
wir leider nicht überall.
Das zeigt sich auch daran, dass der kamerunische Ge-
sundheitsminister wenige Tage nach dem Besuch unse-
rer Delegation gefeuert wurde. Das kann ich eigentlich
nur begrüßen. Wenn die Arbeit des Global Fund aber
durch solche Fälle belastet wird, dann ist er in Gefahr,
beschädigt zu werden. Das muss unbedingt verhindert
werden.
Die USA haben den Umfang ihrer Zahlungen an den
Global Fund seit dem letzten Jahr halbiert. Ich vermute,
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r ist im Grunde ein Aufguss des interfraktionellen An-
rags, den wir vor einem halben Jahr gestellt haben. Das
inde ich sehr schön; aber dazu unsere Zustimmung zu
ignalisieren, das ginge uns ein bisschen zu weit.
er Wiederauffüllungskonferenz wünsche ich viel Er-
olg und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Für die Unionsfraktion hat nun die Kollegin Sibylle
feiffer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ill Gates hat einmal über den Global Fund gesagt: Der
lobal Fund ist eines der besten und liebenswürdigsten
inge, die Menschen für Menschen jemals geschaffen
aben. Weil wir Entwicklungspolitiker der CDU/CSU-
raktion ebenfalls finden, dass der Global Fund eine
ute Einrichtung ist, unterstützen wir seine Arbeit.
In der nächsten Woche findet in Berlin die Wiederauf-
üllungskonferenz statt. Sie soll zum einen Planungs-
icherheit für die Arbeit des Fonds gewährleisten. Zum
nderen bietet sie eine Plattform für die Diskussion über
eine Leistungsfähigkeit und -möglichkeiten sowie über
eine Effizienz.
Es ist ein großer Erfolg, dass sich die G-8-Staaten
erpflichtet haben, 44 Milliarden Euro für die Bekämp-
ung von HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose bereitzu-
tellen. Deutschland wird bis 2015 insgesamt 4 Milliar-
en Euro zur Verfügung stellen. Anerkennung an die Re-
ierung und an Angela Merkel! Das ist ein beachtlicher
eitrag.
12048 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
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)
Sibylle Pfeiffer
Der Global Fund leistet eine segensreiche Arbeit. Seit
2002 hat er insgesamt 5,5 Milliarden Euro für 450 Pro-
gramme in 136 Ländern zur Verfügung gestellt. Man
schätzt, dass durch die Arbeit des Global Fund
1,8 Millionen Menschen 3 000 jeden Tag das Leben
gerettet wurde.
Nicht zum Selbstzweck, sondern allein zum Wohle
der Menschen in den Entwicklungsländern seien mir be-
gleitend einige konstruktive kritische Worte gestattet.
Der Global Fund hat die Funktion eines Finanzierungs-
instrumentes. Überspitzt könnte man sagen, dass in den
136 Ländern eine Art Budgetfinanzierung stattfindet.
Damit sind natürlich Risiken verbunden, die wir nicht
einfach beiseite schieben können. Wir alle sind lange ge-
nug im Geschäft, um zu wissen, dass es in gewissen
Ländern eine eigenartige Interpretation von Mittelver-
wendung gibt. Die entscheidende Frage lautet: Kommt
das Geld dort an, wo es am dringendsten benötigt wird?
Wir wissen von Fällen, in denen Moskitonetze als Fi-
schernetze gebraucht werden. Wir wissen, dass Kon-
dome zu Wasserbehältern umfunktioniert werden. Wir
wissen, dass es korrupte Politiker in Entwicklungslän-
dern gibt, die sich an Spendengeldern schamlos berei-
chern. Wir wissen nicht immer, ob die Hilfsmittel die
Menschen erreichen. Deshalb, Kollege Addicks, ist es
wichtig, auch bei der Vergabe der Mittel des GFATM
einzufordern, dass Good-Governance-Kriterien erfüllt
werden.
Mein Motto lautet: Vorbeugen ist immer besser als
Heilen. Dies spiegelt sich in der Statistik der Verwen-
dung der Mittel des GFATM leider nicht immer wider.
Keine Frage: Die Behandlung von HIV/Aids ist extrem
wichtig. Tatsache ist aber auch, dass auf jeden an Aids
Erkrankten, der Zugang zu Medikamenten hat, sechs
Neuinfizierte kommen. Der Global Fund gibt fast die
Hälfte seiner Mittel für Behandlungen aus, aber nur ein
Drittel für Prävention. Auch darüber sollte nächste Wo-
che gesprochen werden.
Ich bedaure sehr, dass der Global Fund in der Wahr-
nehmung der Öffentlichkeit fast ausschließlich mit der
Bekämpfung von HIV/Aids in Verbindung gebracht
wird. Mehr als 2 Millionen Menschen sterben jährlich an
Tuberkulose, mehr als 3 Millionen Menschen an Mala-
ria. Der Fonds heißt deshalb auch: Globaler Fonds zur
Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria. Das
Teuflische ist, dass es zwischen Aids, Malaria und
Tuberkulose Wechselwirkungen gibt. Wo Aids ist, ist
Tuberkulose nicht weit: Tuberkulose ist die häufigste
Todesursache von HIV/Aids-Patienten. HIV-Positive ha-
ben ein 30-mal höheres Risiko, an Tuberkulose zu er-
kranken, als Gesunde. Genauso gibt es eine Wechselwir-
kung zwischen Aids und Malaria: HIV erhöht das
Risiko, an Malaria zu erkranken und zu sterben. Die ge-
sellschaftlichen und wirtschaftlichen Katastrophen im
Zusammenhang mit diesen verheerenden Krankheiten
sind uns Entwicklungspolitikern wohlbekannt.
Tuberkulose gilt in Westeuropa als ein Überbleibsel
aus vergangenen Zeiten. Obwohl diese Krankheit gut
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Malaria und Tuberkulose fordern mindestens so viele
pfer wie HIV/Aids. Die Verteilung der Mittel des Glo-
al Fund spiegelt dies jedoch nicht wider. Mehr als die
älfte der Gelder gibt der Fund für die Bekämpfung von
IV/Aids aus und nur 14 Prozent für die Bekämpfung
on Tuberkulose. Für mich ist das ein weiterer Diskus-
ionspunkt in der nächsten Woche.
Was mich am meisten ärgert, ist, dass, obwohl Mala-
ia relativ einfach bekämpft werden kann, nicht genug
nternommen wird. Auch hier gilt: Vorbeugen ist besser
ls Heilen. Malaria wird von Mücken übertragen, und
ie stechen nachts. Dagegen schützen Moskitonetze.
och besser schützen sie, wenn sie mit Insektiziden im-
rägniert sind. Ein behandeltes Netz bietet doppelt so
iel Schutz wie ein unbehandeltes. Was auch wichtig ist:
ine Mücke, die mit einem solchen Netz in Kontakt
ommt, stirbt. Es muss aber sichergestellt werden, dass
ie Menschen diese Netze erhalten und sachgerecht an-
enden.
Ein wirksames Mittel gegen Malariamücken ist die
erwendung von Insektengiften. Dazu gehört auch die
aßvolle Verwendung von Dichlordiphenyltrichlor-
than,
DT. Damit kein Missverständnis aufkommt, damit es
orgen nicht in der Presse heißt: Pfeiffer will uns mit
DT einnebeln, sage ich: Es geht mir um einen maß-
ollen und begrenzten Einsatz von DDT zur Bekämp-
ung der Malariamücke.
ogar die WHO spricht sich für den sachgerechten Ein-
atz von DDT, in Gebäuden wohlgemerkt, aus. Das Mit-
el soll auf die Wände und Decken der Gebäude aufge-
ragen werden. Die WHO hat in einer Pressemitteilung
rklärt: Der korrekte und rechtzeitige Einsatz von DDT
ann die Malariaübertragung um 90 Prozent senken.
ch denke, dieser Erkenntnis und dieser Empfehlung
ürfen wir uns nicht verschließen, schon gar nicht aus
deologischen Gründen.
Medikamente und präventive Maßnahmen allein
eichen im Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und Tuber-
ulose nicht aus. Die Grundvoraussetzungen sind funk-
ionierende Gesundheitseinrichtungen bzw. Gesund-
eitssysteme. Die besten Medikamente nützen nichts,
enn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind. Dies
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12049
)
)
Sibylle Pfeiffer
führt uns unter anderem zur Frage der sozialen Siche-
rungssysteme in Entwicklungsländern. Kollege Walter
Riester und ich haben vor zwei Tagen an einer Tagung
der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen
zu diesem wichtigen Thema teilgenommen. Auch dort
wurde klipp und klar deutlich: Soziale Sicherungssys-
teme, also Kranken-, Renten- und Sozialversicherung, in
Entwicklungsländern sind kein Luxus, sondern eine In-
vestition in die Zukunft.
Die besten Krankenhäuser und die besten Medika-
mente nützen wenig, wenn kein qualifiziertes Personal
vorhanden ist. Die Abwanderung von medizinischem
Personal wird immer mehr zu einem Problem in den Ent-
wicklungsländern. Die ohnehin angespannte Situation
im Gesundheitswesen der Entwicklungsländer wird
durch die Abwanderung von Ärzten, Pflegepersonal,
Krankenschwestern und Hebammen noch verschärft.
Besonders schlimm ist die Situation in Afrika. Afrika
muss 25 Prozent der weltweiten Krankheitslast tragen.
Dort arbeitet aber nur etwa 1 Prozent des weltweiten
Personalbestandes im Gesundheitswesen. Schätzungen
zufolge fehlen in Afrika 1 Million medizinische Fach-
kräfte. Andererseits wandern jedes Jahr 20 000 medizi-
nische Fachkräfte allein aus Afrika nach Europa und in
die USA. Wir haben völlig abstruse Verhältnisse. So ar-
beiten in Frankreich mehr Ärzte aus Benin als in Benin
selbst, in Manchester mehr malawische Ärzte als in Ma-
lawi. Die Situation wird sich verschärfen, da der Bedarf
an medizinischem Fachpersonal in den Industrieländern
steigen wird.
Zusammen mit den Herkunftsländern müssen die
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für medizinisches
Fachpersonal in den Herkunftsländern verbessert wer-
den. Mit anderen Worten: Ein Arzt oder eine Ärztin, eine
Hebamme oder ein Krankenpfleger müssen in der Lage
sein, sich und ihre Familie zu ernähren. Das Fachperso-
nal in den Entwicklungsländern muss zudem die Gele-
genheit bekommen, sich beruflich fortbilden zu können.
Ich bin überzeugt, dass die Lösung des sogenannten
Braindrain eine der Hauptaufgaben der deutschen und
der europäischen Entwicklungspolitik sein muss; denn
das medizinische Personal ist eine Säule nachhaltiger
Entwicklung.
Zurück zu HIV/Aids. Die Bekämpfung von HIV/Aids
ist untrennbar mit dem Thema sexuelle und reproduk-
tive Gesundheit verbunden. HIV wird nun einmal fast
ausschließlich durch Geschlechtsverkehr übertragen. Ist
ein Kondom zur Verhütung von HIV, zur Verhütung von
Schwangerschaft oder gar für beides gedacht? Wir soll-
ten die Dinge mit gesundem Menschenverstand ange-
hen; denn die Bekämpfung von HIV/Aids und reproduk-
tive Gesundheit schließen sich nicht aus, im Gegenteil:
Sie ergänzen sich.
Im vorliegenden Antrag gehen wir auch auf den
UNFPA, den United Nations Fund for Population Activi-
ties, ein. Er spielt in den Entwicklungsländern in Fragen
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Ich freue mich, dass die Wiederauffüllungskonferenz
es Global Fund uns die Möglichkeit gegeben hat, über
as Thema HIV/Aids, Tuberkulose und Malaria im Bun-
estag zu diskutieren. Ich glaube, dieses Thema ist zu
ichtig, als es in den Hintergrund geraten zu lassen.
12050 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Frank
Spieth das Wort.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine
Damen und Herren! Die Linke begrüßt es außerordent-
lich, dass Deutschland in der nächsten Woche die Geber-
konferenz des Globalen Fonds zur Bekämpfung von
Aids, Tuberkulose und Malaria ausrichtet. Dieser Fonds
ist seit seiner Gründung vor sechs Jahren zu einer großen
Hoffnung für die Kranken in den armen Ländern dieser
Welt geworden. Das Aktionsbündnis gegen Aids schätzt,
dass durch die Programme bisher knapp 2 Millionen
Menschen gerettet werden konnten. Das ist ein phäno-
menaler Erfolg. Deshalb ist es umso wichtiger, dass
Deutschland als Gastgeberland mit einem deutlichen Si-
gnal vorangeht, und zwar sowohl mit Geld als auch bei
der Auswahl der zu finanzierenden Maßnahmen.
In Ihrem Antrag, dem wir heute zustimmen werden,
werden in vielen Punkten die richtigen Themen aufge-
griffen: der Ausbau der Mutter-Kind-Programme zur
Verhütung der Übertragung von Aids, die Berücksichti-
gung der spezifischen Situation von Frauen und Mäd-
chen oder die Abwerbung von medizinischen Fachkräf-
ten durch die Industrieländer.
Gestatten Sie mir aber eine Bemerkung: Seit Beginn
der Großen Koalition das wurde eben erwähnt kom-
men von Ihnen im Halbjahresabstand wolkige und wohl-
klingende Erklärungen zur Bekämpfung von HIV, Mala-
ria und Tuberkulose. Was wir allerdings vermissen, ist,
dass Sie mit ganz konkreten Vorschlägen auf die Situa-
tion vor Ort eingehen.
So fordern Sie in Ihrem Antrag ich nenne hier nur
Stichworte verstärkte Anstrengungen, Intensivierun-
gen, eine bessere Zusammenarbeit und eine forcierte In-
tegration. Sie fordern dazu auf, wesentlich mehr Bei-
träge zu leisten, mehr Aufmerksamkeit zu schenken,
daran zu arbeiten und mitzuwirken. Ich muss Ihnen sa-
gen: Wunderbar, die pastorale Erfüllung spricht aus jeder
Zeile. Aber was steht konkret dahinter? Ein wenig klarer
dürfte es schon sein, wenn der Antrag kein Wunschzettel
an den Weihnachtsmann bleiben soll. Wie wollen Sie
konkret erreichen, dass das medizinische Fachpersonal
nicht in die Industrieländer abwandert? Wie möchten Sie
den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten gewährleis-
ten? Wie wollen Sie die Situation der Frauen und Mäd-
chen verbessern, wenn Sie mit keinem Wort auf die Ge-
walt gegen Frauen als eine Schlüsselursache für die
Ausbreitung von HIV eingehen?
Die Koalition muss sich noch klarer für die Eindäm-
mung von HIV, Malaria und Tuberkulose in den armen
Ländern einsetzen. Es ist an der Zeit, dass ein Programm
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Die Industrie hat in den vergangenen 20 Jahren nicht
in neues Arzneimittel gegen Tuberkulose und erst recht
eine Impfung gegen Malaria auf den Markt gebracht,
afür aber haufenweise überflüssige Haarwuchsmittel
nd Schlankmacher produziert.
enn Sie schon Deutschland mit Ihrem neuen For-
chungsprogramm, über das wir diskutieren, wieder zur
potheke der Welt machen wollen, dann dürfen Sie das
eld nicht einfach großflächig in die Forschung pum-
en, sondern dann müssen Sie Ihre Programme auch an
en Krankheiten ausrichten, über die wir heute reden.
Ich wünsche mir, dass Sie mehr Druck auf das ameri-
anische Unternehmen Abbott ausüben, das sich wei-
ert, wichtige Medikamente an Thailand zu verkaufen,
eil das Land es gewagt hat, das dringend benötigte
eure HIV-Mittel Kaletra von Abbott kostengünstig
achzubauen,
nd zwar für die Patienten, die auf staatliche Wohlfahrt
ngewiesen sind und bisher keine Chance auf Behand-
ung haben. So rettet man auch Menschenleben. Statt
ier konkret zu helfen, verspricht Frau Merkel vor lau-
enden Fernsehkameras auf dem G-8-Gipel in Heiligen-
amm werbewirksam milliardenschwere Hilfspro-
ramme für die Kranken in Afrika, während gleichzeitig
m Kleingedruckten der G-8-Verträge die Durchsetzung
es Patentschutzes unter Strafandrohung festgeschrieben
urde. Für Millionen Aids-, Malaria- und Tuberkulose-
ranke ist das aus meiner Sicht eine tödliche Entschei-
ung.
Wir erwarten, dass die Bundesregierung, wie vom
ktionsbündnis gegen Aids gefordert, auf der Geber-
onferenz eine deutlich höhere Zusage macht, als im
ntrag vorgesehen, und zusätzlich Mittel für die Ent-
icklungszusammenarbeit und die internationalen Be-
ämpfungsprogramme bereitstellt. Wir wünschen uns
uch mehr Unterstützung der Entwicklungshilfeministe-
in, weil wir glauben, dass noch sehr viel zu tun ist.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12051
)
)
Frank Spieth
Ich wünsche uns gemeinsam, dass wir nicht erst am
Welt-Aids-Tag wieder über Wünsche und Handlungsbe-
darfe diskutieren und ansonsten nur Prosa produzieren.
Schönen Dank.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die
Kollegin Ute Koczy das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Man kann es drehen, wie man will. Eines
ist klar: Ohne innovative Finanzierungsinstrumente wer-
den die dauerhaften Erhöhungen der Mittel für die Be-
kämpfung der Krankheiten HIV/Aids, Tuberkulose und
Malaria Eintagsfliegen bleiben;
denn ohne zum Beispiel eine Flugticketabgabe oder
die Kerosinsteuer haben wir keine Chance, frisches Geld
zu erhalten, um die Ausgaben zu verstetigen. Darauf le-
gen wir Grünen in dieser Debatte besonderen Wert.
Es geht bei der Bekämpfung dieser Krankheiten um
riesige Summen. Die UN legt Schätzungen vor, wonach
im Zeitraum von 2008 bis 2010 zwischen 84 und
90 Milliarden US-Dollar zur Erreichung der Gesund-
heitsmillenniumsziele benötigt werden. Es ist zwar gut,
wenn sich die G-8-Staaten gedrängt durch die öffentli-
che Aufmerksamkeit verpflichtet sehen, den Globalen
Fonds mit berechenbaren und langfristigen Beiträgen
aufzufüllen. Es reicht aber nicht aus, anzugeben, wie viel
Geld man zum gegenwärtigen Zeitpunkt investieren
will. Vielmehr müssen die Mittel verstetigt werden. Wir
erwarten, dass das Engagement in den nächsten Jahren
fortgesetzt wird.
Deutschland will bis 2015 4 Milliarden Euro zur Be-
kämpfung der Pandemie ausgeben. Das ist zwar gut und
richtig, aber die Bundesregierung muss an dieser Stelle
Tacheles reden und angeben, wie sie diese Zusagen
finanziell absichern will und woher die Mittel dafür
kommen; denn sonst steht das gesamte Vorhaben weiter-
hin auf tönernen Füßen.
Wir sind uns fraktionsübergreifend inhaltlich darin ei-
nig, dass viel mehr getan werden muss. Die Bedeutung
des Themas Gesundheit für die Entwicklung ist bekannt:
Von 2000 bis 2005 haben sich die Mittel von 6 Milliar-
den auf 14 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt. Es
sind schon entsprechende Erfolge im Gesundheitsbereich
zu verzeichnen, die wir sehr begrüßen. So sind zum Bei-
spiel Todesfälle durch Masern seit 1999 weltweit um
60 Prozent zurückgegangen. Immerhin 2 Millionen Men-
schen erhalten Medikamente gegen Aids.
Wir finden es ebenfalls richtig auch darin sind wir
uns einig , dass nicht nur in die Bekämpfung einer ein-
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eltweit sind 3,7 Milliarden Menschen gefährdet.
Dieser Zusammenhang wird uns in Zukunft weiter
eschäftigen. Das haben uns die Regenfälle und Über-
chwemmungen in der Sahelzone vor Augen geführt.
eue Hungerkatastrophen zeichnen sich ab. Die Ernten
ind vernichtet. Es wird von ersten Cholerafällen berich-
et. Über die Wasserfluten breiten sich Krankheiten aus.
ie gefluteten Gebiete sind ideale Brutstätten für Krank-
eitserreger. Das heißt, es ist schon in diesem Jahr ein
ramatischer Zuwachs an Gefährdungspotenzialen zu
erzeichnen, auf den wir jetzt reagieren müssen. Die
frikanischen Gesundheitssysteme sind, wie wir wissen,
afür nicht gerüstet. Diese Herausforderung müssen wir
etzt angehen. Die vagen Forderungen in Ihrem Antrag
eichen dafür nicht aus.
Ein weiterer Punkt ist schon von meinem Vorredner
ngesprochen worden, nämlich der Zugang zu preiswer-
en Medikamenten und Impfstoffen. Sie haben es bereits
ngesprochen, Frau Pfeiffer, aber man kann es nicht oft
enug wiederholen: Wir müssen Anreize für die Phar-
aindustrie schaffen, damit sie ihre Forschungstätigkeit
uch auf die Krankheiten ausdehnt, die bisher vernach-
ässigt wurden, weil diese Krankheiten nur in den Ent-
icklungsländern und hauptsächlich bei armen Men-
chen auftreten. Insofern ist dieser Bereich kein
nteressanter Markt. Inzwischen treten solche Krankhei-
en aber auch in Europa auf. Die Krankheitserreger ver-
ndern sich, und es entstehen neue Gefährdungspoten-
iale. Angesichts von Krankheiten wie Ebola, das im
ongo ausgebrochen ist, oder das Chikungunya-Fieber,
as sich zurzeit in Norditalien ausbreitet, trifft es nicht
u, dass sich Krankheiten auf ein bestimmtes Gebiet be-
chränken. Die Gefährdungspotenziale bestehen viel-
ehr weltweit.
Auch in diesem Zusammenhang stimme ich mit Ih-
em Antrag nicht überein. Mir erscheint die Formulie-
12052 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Ute Koczy
rung zu schwach. Ich meine, wir müssen darauf achten,
dass die Gesundheitsvorsorge als öffentliches Gut Priori-
tät vor den Wirtschaftsinteressen hat. Deswegen werden
wir uns in der Abstimmung der Stimme enthalten.
Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
legen! Wir können Geld geben und so etwas Gutes tun.
Wir werden in der nächsten Woche über die Höhe der
Mittel sprechen und auch darüber, wofür wir das Geld
ausgeben. Der Global Fund, der mittlerweile sechs Jahre
existiert, wurde vom G-8-Gipfel in Okinawa initiiert.
Unter Kofi Annan wurde von den VN das umgesetzt,
was dort projektiert war. Das hat sich gut entwickelt. Der
Global Fund ist eine Erfolgsgeschichte. Wir sind uns
einig, dass er ein Instrument ist, welches zuerst einmal
lokalisiert, wo auf der Welt Hilfe am dringendsten not-
wendig ist, und dann dafür sorgt, dass nur dort geholfen
wird, wo das Geld effizient eingesetzt werden kann.
Von den vielen Anträgen, die beim Global Fund ein-
gehen, werden nur 40 Prozent positiv beschieden.
60 Prozent werden abgelehnt, weil es sich um korrupte
Länder handelt, weil man den Regierungen nicht zutraut,
mit dem Geld etwas Vernünftiges für die Menschen zu
tun, weil die Strukturen nicht geeignet sind, weil die An-
träge zeigen, dass das Geld nicht vernünftig angelegt
werden kann, oder weil in den betreffenden Ländern zu
viele Geber unkoordiniert nebeneinander arbeiten; auch
das kommt vor. Darüber haben wir mit den Vertretern
des Global Fund kürzlich reden können; das war span-
nend. Dabei ist folgendes Problem deutlich geworden:
Der Global Fund muss bislang die Gründe für eine Ab-
lehnung verheimlichen; das ist ein Tabu. Bei den zuge-
sagten Geldern werden wird jedoch veröffentlicht, wa-
rum die betreffenden Länder Geld bekommen. Aber über
die Länder, die kein Geld bekommen, wird nichts ge-
sagt; darüber wird Stillschweigen bewahrt. Das geht
nicht. Wenn wir nicht nur Geld geben, sondern auch po-
litisch Einfluss nehmen wollen, damit in den betreffen-
den Ländern etwas Vernünftiges geschieht, dann müssen
wir die Gründe für eine Ablehnung kennen, damit wir
den Besuchern aus den betreffenden Ländern sagen kön-
nen: Wir würden euch gerne helfen, aber da gibt es noch
etwas zu tun; da müsst ihr in die Puschen kommen.
Wir bitten die Regierung daher, gemeinsam mit anderen
Ländern auf eine Veröffentlichung der Ablehnungs-
gründe auf der Konferenz in der nächsten Woche zu
drängen.
Wir haben ein weiteres Problem. Alle 10 Sekunden
stirbt ein Mensch an HIV/Aids und alle 20 Sekunden an
Tuberkulose.
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ählt man die vielleicht doppelt? Wir haben gehört, dass
ie meisten Menschen, die an Aids erkrankt sind, an der
nfektionskrankheit Tuberkulose sterben. Die vorhan-
ene Epidemiologie ist also völlig unzureichend. Die
enschen sind auch HIV-positiv und verhungern. Es ist
ichtig, das auseinanderzuhalten; denn mit 1 oder
Dollar, die eine Aidstherapie am Tag kostet, kann man
n vielen Ländern eine Familie vor dem Hungertod be-
ahren. Das heißt, man muss das Problem sehr differen-
iert betrachten. Es ist gut, dass nicht wir Politiker be-
timmen, wer Geld bekommt, sondern eine Institution,
ie sehr differenziert darauf achtet, was alles zusammen-
assen muss, damit es Sinn hat. Wenn wir HIV-Medika-
ente in Länder schicken, in denen die Menschen ver-
ungern, nutzt das überhaupt nichts. Daher ist es gut,
ass wir den Global Fund haben, der mit großer Fach-
enntnis versucht, vernünftige Strategien zu verfolgen.
Wir haben ein weiteres Problem. Wenn wir Infek-
ionskrankheiten wie Malaria, Tuberkulose oder HIV/
ids bekämpfen wollen, brauchen wir nicht nur eine Di-
gnose, aus der hervorgeht, wo diese Krankheiten auftre-
en, sondern auch eine Therapie. Bei der Therapie ist es
uallererst wichtig, zu wissen, was man machen kann,
b es überhaupt wirksame Medikamente gibt. Wie wir
issen das wurde schon angesprochen , sind seit 30,
0 Jahren keine neuen Medikamente gegen Tuberkulose
uf den Markt gekommen. Vielmehr versucht man neue
ombinationen. Auch das, was gerade ausprobiert wird,
ind Medikamente, die es schon gibt und die man nun
araufhin testet, ob sie bei Tuberkulose Linderung brin-
en. Es muss viel mehr geforscht werden, damit neue,
irksame Medikamente zur Bekämpfung dieser schwe-
en Seuchen entwickelt werden. Hier gibt es gute An-
ätze.
Ich bin sehr begeistert von Netzwerken, die sich in-
wischen gebildet haben und die sich zusammentun, um
eue Produkte zu entwickeln. Diese Netzwerke sind aber
ehr differenziert zu sehen. Es gibt Netzwerke, die auf
atentjagd sind. Diese Netzwerke versuchen, an Geld zu
ommen. Dort forscht man gemeinsam, was auch
chneller geht. Dann aber einigt man sich darauf, wer
as Monopol verwerten darf. Das nützt uns nicht viel.
olche Netzwerke dienen den Aktionären, um hohe Ren-
ite zu erzielen. Der Nutzen kommt also nicht bei den
enschen an, die die Medikamente brauchen.
Es gibt aber auch positive Beispiele. Ich möchte hier
as DNDi nennen; das ist die Drugs for Neglected Di-
eases Initiative. Diese Initiative hat ein phantastisches
edikament gegen Malaria entwickelt. Es bestand von
ornherein der Anspruch, dass dieses Medikament pa-
entfrei sein wird. Auch arme Länder können es also sel-
er herstellen. In Ghana haben wir eine solche Fabrik
esehen. Wir wissen, dass sich auch große Pharmaunter-
ehmen, die sonst hinter den Patenten herjagen, über
iese Möglichkeit Gedanken machen und sich dafür ein-
etzen. Dort sagt man: Das geht so nicht weiter, wir müs-
en unsere Strategie ändern. An der Entwicklung des
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12053
)
)
Dr. Wolfgang Wodarg
neuen Malaria-Medikamentes ist zum Beispiel die Firma
Sanofi-Aventis beteiligt. Sie verzichtet auf Ansprüche.
Ich erwähne diese Firma, weil dies ein positives Beispiel
ist. Das muss man auch einmal loben.
Die Medikamente, die vom DNDi-Netzwerk entwi-
ckelt worden sind das sind Artemisinin und Amodia-
quin-Kombinationen , gibt es jetzt überall. Sie sehen sie
überall: Sie werden überall verkauft und in vielen Län-
dern hergestellt. Sie sind spottbillig und sehr wirksam,
wahrscheinlich noch viel wirksamer als so manches Me-
dikament, das hier in Deutschland patentgeschützt in der
Apotheke gekauft werden kann. Dieses Medikament ist
in Deutschland nicht zugelassen. Wieso eigentlich nicht?
Darüber kann man nachdenken, aber das mache ich dann
im Gesundheitsausschuss.
Wenn wir über Entwicklungshilfe reden, dann reden
wir über Geld. Wir müssen aber aufpassen, dass wir
Geld nicht als Ablass verstehen und uns nicht freikaufen.
Wir haben eine Schuld. Wir sind auch schuld daran, dass
es den Menschen in anderen Ländern so schlecht geht.
Wir sehen die Gewaltökonomien und den Waffenhandel,
wobei ich mit wir die reichen Länder meine. Wir wis-
sen, dass sexualisierte Gewalt ausgeübt wird. Es geht
nicht um sexuelle Gewalt Karin Kortmann hat das neu-
lich sehr differenziert dargestellt , sondern um sexuali-
sierte Gewalt. Es ist Gewalt mittels Sexualität, um Men-
schen zu entwürdigen.
Das ist ein Mittel der Kriegsführung, mit dem die Men-
schenwürde mit Füßen getreten und noch Schlimmeres
angerichtet wird.
Wenn wir politische Verhältnisse tolerieren, in denen
sich Warlords ausbreiten können und Waffenhändler ihre
Geschäfte machen können, dann werden wir sehr darauf
achten müssen, dass wir dann, wenn wir Hilfe beispiels-
weise nach Darfur schicken
Herr Kollege Wodarg, das ist ein sehr wichtiges
Thema. Ich bin ein sehr geduldiger Mensch. Deshalb
habe ich Ihnen auch die zwei Minuten Redezeit der Kol-
legin Kortmann nicht abgezogen. Ich bitte Sie aber, jetzt
wirklich einen Schlusssatz zu formulieren.
Danke. Der Schluss ist: Es ist gut, dass wir Geld ge-
ben. Das darf uns aber nicht trösten. Wir bleiben an dem,
was in der Welt passiert, schuldig. Wir müssen politisch
darauf hinwirken, dass wir die Probleme ursächlich be-
kämpfen und sich die Verhältnisse ändern.
Herzlichen Dank.
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Die Verfolgung und Diskriminierung von ethnischen
und religiösen Minderheiten ist ein großes Problem in
Bezug auf die Situation in Tibet, bei den Uiguren im
Westen Chinas, aber auch der Katholiken und der An-
hänger von Falun Gong. Die Zwangsenteignungen bei
den Vorbereitungen der Olympiade sind ein Skandal und
dürfen uns nicht ruhen lassen.
Das System der Arbeits- und Umerziehungslager ha-
ben wir als Deutscher Bundestag schon offiziell gerügt,
was uns leider Gottes eine Ausladung des Menschen-
rechtsausschusses für den Oktober dieses Jahres einge-
bracht hat. Einerseits merken wir daran, dass man uns
ernst nimmt und unsere Reaktionen zur Kenntnis nimmt.
Andererseits soll man aber nicht glauben, dass man uns
durch eine Rücknahme der Einladung, sich die Lage ein-
mal anzuschauen, davon abhalten kann, das Land weiter
aufmerksam zu beobachten.
Es muss uns schon sehr misstrauisch machen, wenn man
den Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundesta-
ges und seine Besuche in diesem Land fürchtet.
Herr Kollege Leutert, wir haben uns gestern im Ob-
leutegespräch darüber unterhalten: Ich finde es richtig,
dass wir ein Thema aufgegriffen und uns als Bundestag
klar dazu verhalten haben. Ich teile Ihre Auffassung, wo-
nach man durch Leisetreterei vielleicht eine Reise mehr
gemacht hätte, ausdrücklich nicht. Gerade bei Men-
schenrechten darf sich der Deutsche Bundestag nicht
von ausländischen Staaten erpressen lassen, sondern
muss die Wahrheit aussprechen. Die Dinge beim Namen
zu nennen, ist das Einzige, was den Menschen in diesen
Ländern hilft.
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Die chinesische Regierung versucht, Frau Merkel da-
on abzuhalten, den Dalai Lama zu treffen. Ich hoffe,
rau Merkel wird bei ihrer Linie bleiben und sich da
icht hineinreden lassen.
Ausländische Medienvertreterinnen und Medienver-
reter wurden bei der Fußball-WM der Frauen beobach-
et und bespitzelt. Das sind alles Vorgänge, die uns nicht
uhen lassen und die zeigen, dass die Chinesen ihr Wort
icht halten.
China ist vor kurzem in den Menschenrechtsrat der
ereinten Nationen gewählt worden. Es hat sich bei die-
er Gelegenheit verpflichtet, den Internationalen Pakt
ber bürgerliche und politische Rechte zu unterzeichnen.
hina gehört zusammen mit Ländern wie Sudan und
audi-Arabien zu den wenigen Ländern, die diesen Pakt,
er die menschenrechtlichen Minimalstandards klärt,
och nicht unterzeichnet haben. Die Bundesregierung
ollte in allen Gesprächen möglichst viel Druck dahin
ehend machen, dass China diesem Menschenrechtspakt
ndlich beitritt. Das wäre ein klares Signal, und die Chi-
esen haben ihn ja bereits akzeptiert.
Vielleicht gelingt es uns, ein Projekt voranzubringen,
ei dem wir mit den Chinesinnen und Chinesen schon
in Stück weitergekommen sind, nämlich bei der Ab-
chaffung und Eindämmung der Todesstrafe. Die Todes-
trafe wurde von den Chinesen einem neuen Rechtsver-
ahren unterworfen; der Oberste Gerichtshof muss die
odesurteile bestätigen. Das ist ein richtiger Schritt, den
ir ausdrücklich unterstützen. Leider scheint die Imple-
entierung dieses rechtlichen Verfahrens seine Wirkung
islang nicht ausreichend zu entfalten: Amnesty Interna-
ional berichtet uns, dass in China allein im letzten Jahr,
006, 1 010 Todesurteile vollstreckt und 2 790 Todes-
rteile ausgesprochen wurden.
Wir sollten klarmachen, dass wir sehen, wo Fort-
chritte zu verzeichnen sind. Wir sollten aber auch klar-
achen, dass wir jetzt die Konsequenzen des richtigen
chritts, die Todesstrafe einem neuen Rechtsverfahren
u unterwerfen, sehen wollen. Die Unterzeichnung des
nternationalen Pakts über bürgerliche und politische
echte würde dazu führen, dass man die Todesstrafe,
enn überhaupt, nur noch bei schwersten Verbrechen
erhängen darf, und das ist in China bis heute leider
icht der Fall. Dort ist die Palette der Straftaten, die mit
er Todesstrafe geahndet werden, noch sehr groß.
Wir fordern hier kleine Schritte ein. Wir sehen uns be-
üßigt, dafür zu sorgen, dass wir hier Schritt für Schritt
orankommen.
Kollege Beck, ich habe gehofft, dass Sie einen
chlusssatz bilden können.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12055
)
)
Ich bedanke mich bei der Präsidentin, dass sie mir für
den letzten Schritt in meiner Rede noch eine Minute ge-
gönnt hat.
Für die Unionsfraktion hat der Kollege Holger
Haibach das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da wir beim
Thema China sind, möchte ich an ein schönes Sprich-
wort erinnern: Auch der längste Weg beginnt mit dem
ersten Schritt. Es ist richtig, dass wir heute über China
und die dortige Menschenrechtslage sprechen. Ich freue
mich, dass der Kollege Beck eindeutige Worte gefunden
hat.
Mir ist immer noch nicht ganz klar, warum die De-
batte über diese Große Anfrage ausgerechnet heute auf
der Tagesordnung steht. Normalerweise wird die De-
batte über eine Große Anfrage auf die Tagesordnung ge-
setzt, wenn sie eingebracht wird oder wenn die Antwort
darauf vorliegt. Darüber in der Zwischenzeit zu diskutie-
ren, ist ein eher ungewöhnliches Verfahren. Nichtsdesto-
weniger ist es sicherlich ein wichtiges Thema, und das
wollen wir natürlich mit der entsprechenden Ernsthaftig-
keit angehen.
Ich bin über die klaren Worte, die gefunden worden
sind, sehr froh. Ich kann sie in vielen Teilen durchaus
unterstützen. Ich bin auch froh, dass die Bundesregie-
rung und die Koalition, die sie trägt, klare Worte zu dem
finden, was in China vor sich geht. Ich bin ausgespro-
chen dankbar dafür, dass die Bundeskanzlerin und auch
der Außenminister bei verschiedenen Treffen klarge-
macht haben, dass die Menschenrechtslage für uns eine
ganz wichtige Angelegenheit ist und dass es nicht immer
wieder den vielzitierten Gegensatz zwischen Wirt-
schaftsinteressen und Menschenrechtsinteressen geben
muss. Man kann durchaus deutlich sagen, was man über
die Menschenrechtslage in einem Land denkt, ohne dass
das bedeutet, dass am Ende des Tages keine wirtschaftli-
chen Beziehungen mehr möglich sind.
Das sage ich auch im Namen aller Mitglieder des Ti-
bet-Gesprächskreises des Deutschen Bundestages, des-
sen Vorsitzender ich bin. Ich bin ausgesprochen froh,
dass Frau Merkel sich mit dem Dalai Lama trifft und ein
klares Zeichen setzt. Dass dieses Zeichen etwas gebracht
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Das gilt nicht nur für die Meinungsfreiheit. Das gilt
atürlich auch in besonderem Maße dafür, dass jemand
einen Glauben leben kann. Die Frage der Religionsfrei-
eit in China verfolgen wir schon sehr lange. Wir konn-
en durchaus bestimmte positive Entwicklungen feststel-
en. So gibt es sicherlich wesentlich mehr Bibeln als zur
eit der maoistischen Regierung nach der damaligen Re-
12056 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Holger Haibach
volution. Aber trotzdem ist die Lage für Gläubige immer
noch sehr schwierig, zumindest für diejenigen, die sich
nicht unter das Diktat des Staates stellen wollen und die
in ihren Kirchen unabhängig vom chinesischen Staat
weiterhin ihren eigenen Glauben leben wollen.
Der Vatikan hat da offensichtlich etwas erreicht. Vor
kurzem konnten Berufungen von Bischöfen in China tat-
sächlich im Einvernehmen zwischen Vatikan und chine-
sischer Regierung erfolgen.
Nichtsdestoweniger muss es unser Ziel sein, jedem
den Glauben zu ermöglichen, der ihm nun einmal am
nächsten ist. Das gilt für die Christen. Das gilt für die
Tibeter. Das gilt auch für die Uiguren. Das gilt für jeden
in diesem Land. Auch die Religionsfreiheit ist also ein
wichtiges Ziel, auf das wir hinarbeiten müssen.
Auf die Todesstrafe ist der Kollege Beck schon einge-
gangen. Dazu möchte ich keine längeren Ausführungen
machen. Die internationale Staatengemeinschaft spielt
bei allen diesen Fragen eine wichtige Rolle.
Um nicht nur ein schwarzes Bild zu malen, will ich
auch darauf hinweisen, dass China uns an der einen oder
anderen Stelle durchaus weitergeholfen hat. Denken wir
zum Beispiel an das Atomwaffenprogramm Nordkoreas!
Keine einzige Möglichkeit hätte es gegeben, Nordkorea
zu einem Einlenken zu bewegen, wenn die Chinesen
nicht den entsprechenden Druck ausgeübt hätten. Sosehr
man sich darüber auseinandersetzen kann, was die Wirk-
samkeit der Sicherheitsratsresolution zu Darfur betrifft,
so sehr muss aber auch klar sein: Ohne den Einfluss Chi-
nas auf die Regierung in Khartoum wäre es nicht mög-
lich gewesen, zu dieser Resolution zu kommen. Das sind
ermutigende Zeichen, die wir durchaus zur Kenntnis
nehmen sollten.
China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern wird im-
mer mehr zu einer Macht, mit der gerechnet werden
muss. Das macht sich in vielen verschiedenen Bereichen
bemerkbar. China hat auch einen größeren Einfluss auf
internationale Einrichtungen, zum Beispiel auf den Men-
schenrechtsrat und auf andere Gremien innerhalb der
UN. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir den Dialog
pflegen. Auch deshalb ist es wichtig, dass wir zwar deut-
lich sagen, was wir wollen, aber auch versuchen, China
auf unsere Seite zu ziehen und klarzumachen, dass un-
sere Ziele ehrenhaft sind und dass wir uns an dieser
Stelle wirklich für die Menschenrechte einsetzen.
Ich denke, dass wir die Entwicklung weiterhin be-
obachten müssen. Ich habe es sehr bedauert, dass wir,
aus welchen Gründen auch immer, nicht die Möglichkeit
haben, im Oktober mit einer Delegation des Menschen-
rechtsausschusses nach China zu reisen. Gleichzeitig
gab es eine Anfrage an den Auswärtigen Ausschuss des
Deutschen Bundestages, eine Delegation des Auswärti-
gen Ausschusses des chinesischen Volkskongresses zu
empfangen. Ich persönlich habe die Meinung vertreten,
dass wir die chinesischen Kolleginnen und Kollegen
empfangen sollten. Aber ich habe den Vorsitzenden des
Auswärtigen Ausschusses auch gebeten, deutlich zu ma-
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Denn was bewirkt es eigentlich, wenn keine Einla-
ung ausgesprochen wird? Es bewirkt im Wesentlichen
ines: nämlich dass bei demjenigen, der nicht kommen
arf, der Verdacht entsteht, es gebe Dinge, die nicht ge-
eigt werden dürften. Was könnte unsere Zweifel und
nsere Schwierigkeiten mit China besser entkräften als
ie Tatsache, dass wir einreisen dürfen? Dann könnten
ir uns mit eigenen Augen ein Bild machen und uns
ber das, was wir in China sehen, Gedanken machen.
anach könnten wir mit einem anderen Bild oder auch
em gleichen, aber auf jeden Fall mit klaren Empfehlun-
en, wie wir in dieser Angelegenheit weiterhin verfah-
en, zurückkommen.
Man muss versuchen, ohne Zorn sowie mit der gebo-
enen Sachlichkeit und Deutlichkeit an das Ganze heran-
ugehen. Dass das funktioniert, haben viele Beispiele in
er letzten Zeit gezeigt. Ich denke, wir werden, wenn wir
n unserem Kurs festhalten wenn wir ein deutliches
ort reden, was die Frage betrifft, ob wir miteinander
eden können und wie wir miteinander verhandeln kön-
en, aber auf der anderen Seite kooperativ sind , sicher-
ich Erfolg haben.
Herzlichen Dank.
Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Burkhardt
üller-Sönksen das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
err Kollege Haibach, Sie haben ein schönes chinesi-
ches Sprichwort bemüht: Auch der längste Weg be-
innt mit dem ersten Schritt. Aber da wir heute im Zu-
ammenhang mit den Olympischen Spielen über China
prechen, lassen Sie mich sagen, dass wir für die Chine-
en besser den Dreisprung ansetzen. Die Menschen-
echtssituation in China erfordert nicht nur einen kleinen
rippelschritt, sondern einen Ruck. Wenn es schon um
ie Olympischen Spiele geht, sollte der olympische Ehr-
eiz beim Dreisprung der Maßstab für die Menschen-
echtsdebatte sein.
Als China 2001 den Zuschlag für die Olympischen
piele 2008 erhielt, versprach die Führung der Kommu-
istischen Partei eine spürbare Verbesserung der Men-
chenrechtssituation. Es war die Hoffnung auf eine poli-
ische Öffnung, die viele Länder damals bewog, die
lympischen Spiele nach Peking zu vergeben. Knapp
in Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele am
. August 2008 müssen wir ernüchtert zur Kenntnis neh-
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12057
)
)
Burkhardt Müller-Sönksen
men, dass viele der Versprechungen bisher nicht erfüllt
worden sind. Unliebsame Kritiker, Menschenrechtsver-
teidiger und Gläubige, die sich außerhalb der staatlich
sanktionierten religiösen Gemeinden bewegen, werden
mehr denn je bedroht und inhaftiert. Nationale Minder-
heiten wie Tibeter und Uiguren werden weiterhin diskri-
miniert und sind willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt.
Nach wie vor werden in der Volksrepublik weltweit die
meisten Todesurteile vollstreckt.
Einen dieser eklatanten Missstände, den Betrieb men-
schenverachtender Arbeitslager zur Umerziehung, die
sogenannten Laogai-Lager, hat der Deutsche Bundestag
auf Initiative meiner Fraktion im Mai einhellig verur-
teilt.
Dennoch gibt es das will ich nicht verschweigen
hier und da einen kleinen Hoffnungsschimmer. Diese
reichen zwar nicht aus, gehen aber immerhin in die rich-
tige Richtung. Ein positives Beispiel ist die Anfang 2007
eingeführte Überprüfung von Todesurteilen durch den
Obersten Gerichtshof. Es ist zu hoffen, dass dadurch die
Zahl der vollstreckten Todesurteile gesenkt werden
kann. Dennoch können auch heute noch 68 Straftatbe-
stände, unter anderem Steuerhinterziehung, mit der To-
desstrafe belegt werden, was kein gutes Bild hinterlässt.
Ein weiteres positives Beispiel sind die seit Januar
2007 gelockerten Bestimmungen für die Arbeit ausländi-
scher Journalisten. Die Kollegen sind darauf eingegan-
gen. Für uns ist natürlich unerträglich, dass es eine Pres-
sefreiheit erster und zweiter Klasse gibt, damit im Falle
der ausländischen Journalisten im Ausland ein guter
Schein gewahrt werden kann. Sie dürfen ohne vorherige
Anfrage und Genehmigung Interviews führen. Für die
inländischen Journalisten gilt dies nicht; Herr Kollege
Haibach und Herr Kollege Beck wiesen darauf hin. In
diesem Bereich gibt es in China Licht und Schatten.
Die chinesische Regierung betrachtet die Austragung
der Olympischen Spiele als nationales Prestigeobjekt
ersten Ranges, denn Olympia ist aus chinesischer Sicht
kein bloßes Sportereignis; vielmehr soll es der Welt zei-
gen, dass China eine Großmacht geworden ist. Die
Olympischen Spiele werden deshalb ein sportliches wie
auch ein politisches Großereignis werden.
Das Dilemma, in das sich die chinesische Führung
durch ihren Ehrgeiz selbst hineinmanövriert hat, ist
heute unsere Chance. Einerseits will das Land agieren
und gerade auch in Europa und den USA anerkannt und
respektiert werden. Andererseits ist das Land aber kaum
bereit, nach innen oder außen eine dementsprechend ver-
antwortungsvolle Politik zu machen. Wer auf der einen
Seite zu Hause Inhaftierungslager betreibt, zensiert und
willkürlich verhaftet sowie auf internationaler Ebene um
des lieben Öls willen einen Genozid im Sudan billigend
in Kauf nimmt, der kann auf der anderen Seite nicht un-
sere uneingeschränkte Zuneigung erwarten.
Dieses Dilemma ist der chinesischen Führung offen-
sichtlich mehr und mehr bewusst, und es ist zu hoffen,
dass die Olympischen Spiele diesen Bewusstseinswan-
del noch weiter beschleunigen und im Ergebnis zu Ver-
besserungen führen, die von Dauer sind.
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Das Wort hat der Kollege Christoph Strässer für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie vor wenigen Jahren getroffene Entscheidung zur
ergabe der Olympischen Sommerspiele nach Peking ist
ich formuliere es einmal zurückhaltend in der Welt
icht auf ungeteilte Zustimmung gestoßen.
er Vizepräsident Liu Jingmin, seinerzeit Vizepräsident
es Bewerbungskomitees der Chinesen, verbrämte dies
llerdings etwas mit der Feststellung, die Vergabe der
lympischen Spiele helfe auch der Entwicklung der
enschenrechte.
Wir müssen den Wert dieser Worte heute an dem mes-
en, was tatsächlich geschehen ist, an dem, was wir
eute sehen und womit wir es heute zu tun haben. Des-
alb wähle ich auch eine etwas andere Sichtweise auf
iese Ereignisse: Das, was wir sehen und was passieren
ird, ist zwar ganz wesentlich, aber nicht nur eine Sache
er Politik, eine Sache der öffentlichen Gemeinschaft,
ondern es ist auch eine Sache derjenigen, die diese
lympischen Spiele in Peking veranstalten, die letztend-
ich die Verantwortung dafür haben, was dort vor Ort bei
iesem Fest der Jugend der Welt passiert.
Ich zitiere aus der Charta des IOC; sie besagt, sinnge-
äß übersetzt: Die olympische Idee ist neben der Freude
nd der sportlichen Leistung auch auf universelle, auf
undamentale Prinzipien zurückzuführen, auf die Wah-
ung der Würde des Menschen, auf die Ablehnung jegli-
her Form von Diskriminierung und das Ziel einer fried-
ichen und besseren Welt. Man sollte auch die Damen
12058 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
)
)
Christoph Strässer
und Herren des IOC ich werde darauf noch zurück-
kommen an diese Werte der Olympischen Spiele erin-
nern. Dann könnten wir im nächsten Jahr vielleicht auch
beruhigter nach Peking fahren.
Hierauf basiert im Übrigen auch das sollte man zi-
tieren, und auch darauf sollte man sich beziehen ein
Positionspapier des Deutschen Olympischen Sportbun-
des, ebenfalls aus dem Jahr 2001, mit der Überschrift
Die Olympischen Spiele in Peking und die Menschen-
rechte in China. Darin werden als wesentliche Ziele, die
man damit verbindet, explizit die Abschaffung der To-
desstrafe, die Ächtung der Folter, die Bewegungsfreiheit
aller Journalisten, eine Amnestie für politische Gefan-
gene sowie eine Entschädigung bei Enteignung genannt.
Wir werden demnächst eine gemeinsame Anhörung
des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre
Hilfe und des Sportausschusses zu diesem Thema durch-
führen und werden dies bei dieser Gelegenheit den offi-
ziellen Vertreterinnen und Vertretern des deutschen
Sports vorhalten. Wir würden gerne wissen, ob sie in ih-
rem Umfeld darauf hinwirken, dass diese Ziele verwirk-
licht werden.
Wir haben bereits an vielen Stellen über Menschen-
rechtsverletzungen gesprochen. Ich will das nicht alles
wiederholen, sondern möchte nur einen meiner Meinung
nach besonders zynischen Aspekt der Diskussion über
die Todesstrafe hinzufügen. Wie völlig zu Recht gesagt
wurde, sind in dieser Hinsicht Fortschritte zu erkennen.
Es gibt dort einen rechtsstaatlichen Weg der Bestätigung
der Todesurteile durch das oberste Gericht, aber es gibt
auch etwas, was ich in der letzten Woche in einem Be-
richt von Reportern von Amnesty International gelesen
habe, dass nämlich Menschen, die zum Tode verurteilt
worden sind, vor ihrer Hinrichtung zur sogenannten Vor-
bereitung auf ihre Hinrichtung unter anderem auch in
Stadien deportiert werden. Meine Damen und Herren,
wenn man über Menschenrechte spricht, dann ist das
ich glaube, da gibt es überhaupt keinen Dissens der
Gipfel des Zynismus. Das gab es in vielen Situationen,
zum Beispiel in Chile und anderswo. Wenn in solchen
Stadien Spiele der Weltjugend stattfinden, dann darf man
dazu meiner Meinung nach nicht schweigen, sondern
sollte sagen, dass das nun überhaupt nicht geht.
Die Probleme der Pressefreiheit sind bereits ange-
sprochen worden. Ich erinnere an ein Gespräch mit dem
chinesischen Botschafter vor etwa sechs Monaten, bei
dem einige der Kolleginnen und Kollegen auch anwe-
send waren. Ich will es jetzt gar nicht vertiefen, aber ich
fand eine Bemerkung des Botschafters sehr interessant,
die sinngemäß wie folgt lautete: Natürlich ist gewähr-
leistet, dass die internationalen Journalisten während der
Olympischen Spiele Zugang zu allen Informationen ha-
ben können, die sie brauchen. Ich meine, wir sollten.
diese Einschränkung während der Olympischen Spiele
sehr genau zur Kenntnis nehmen und darauf drängen,
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Ich komme zu einem letzten Punkt, der ebenfalls noch
eine Erwähnung gefunden hat. Es gibt auch unter
nderem bei dpa veröffentlicht einen Bericht des Kon-
resses der International Trade Union Congress Confede-
ation, also der internationalen Gewerkschaftsbewegung,
ezüglich der Produktionsstätten für Fanartikel in China.
as dort berichtet wird, erinnert zumindest mich an das,
as man hier vielleicht noch so nennen darf, nämlich an
ie Vorzeit des Manchesterkapitalismus: Kinderarbeit,
ein Arbeitsschutz, unerträglich lange Arbeitszeiten, und
as alles zur Produktion von Fanartikeln, die wir in den
ächsten Jahren tragen sollen. Ich glaube, auch diesbe-
üglich müssen klare Signale gesetzt werden. Wenn wir
rfahren, woher solche Produkte kommen, ist es aus
einer Sicht angemessen, diese Produkte zu boykottie-
en. Solche Produkte, die unter solchen Umständen pro-
uziert werden, brauchen wir in Deutschland und auf der
anzen Welt überhaupt nicht.
Ich möchte noch einmal auf das Thema des Verhält-
isses zwischen Sport und Politik zurückkommen, weil
ch meine, dass wir auch diesbezüglich Klarheit schaffen
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12059
)
)
Christoph Strässer
sollten. Wir wissen aus unserer eigenen Geschichte, aus
unserer eigenen Vergangenheit, dass Sport oft miss-
braucht wird, um eine Gesellschaft bzw. gesellschaftli-
che Zustände vorzustellen, die das verdecken, was hinter
den Kulissen stattfindet und was die Sportlerinnen und
Sportler und die Touristinnen und Touristen nicht sehen.
Ich glaube, dass an dieser Stelle auch eine politische
Verantwortung der Sportverbände zu sehen ist. Wenn der
Chef der IOC-Koordinierungskommission, Hein
Verbruggen, mit Hinweis auf die ich zitiere traditio-
nell entpolitisierte Rolle des Sports verlautbart, man
wolle sich nicht in politische Fragen verwickeln lassen,
dann widerspricht dies nach meiner Auffassung eklatant
dem olympischen Geist, der durch Völkerverständigung,
Frieden und Gerechtigkeit gekennzeichnet ist; auch dies
sollten wir in dieser Diskussion deutlich sagen.
Ich will nicht, dass ein Missverständnis entsteht. Man
gerät ja sehr schnell in den Verdacht, dass man den Men-
schen, insbesondere den Sportlerinnen und Sportlern,
dieses Ereignis nicht gönnt. Wir sollten klarmachen: Wir
wollen niemandem die Freude an einem glanzvollen Fest
nehmen, schon gar nicht den Sportlerinnen und Sport-
lern aus aller Welt, die sich teilweise seit Jahren unter
vielleicht höchsten Entbehrungen auf dieses sportliche
Lebensziel vorbereiten. Das ist nicht unser Ziel. Wir
wollen, dass die Olympischen Spiele so stattfinden, dass
alle etwas davon haben.
Das bedeutet aber auch das wäre sicherlich ein gu-
tes Ergebnis dieser Olympischen Spiele und würde dem
olympischen Geist entsprechen : Der Glanz dieser welt-
umspannenden Ereignisse sollte nicht nur die Teilneh-
merinnen und Teilnehmer treffen, und wir sollten nicht
nur, wie ich hoffe, mit dem Medaillenspiegel zufrieden
sein. Der Glanz der Olympischen Spiele sollte vielmehr
auch denjenigen helfen, die in China selbst unter men-
schenunwürdigen Bedingungen leben. Das ist für mich
die Verbindung von Menschenrechten und Politik.
Wenn das gelingt und wir dazu einen Beitrag leisten
können, dann ist dieses Ereignis aus meiner Sicht gelun-
gen, und dann können wir alle uns weltweit darüber
freuen.
Herzlichen Dank.
Als letzter Redner in dieser Debatte hat nun der Kol-
lege Michael Leutert für die Fraktion Die Linke das
Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Im Kern sind wir uns einig: Menschenrechte sind unteil-
bar und haben ohne Wenn und Aber überall, in jedem
Land, zu gelten.
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Nach Guantánamo kommt man ja leider nicht; darauf
omme ich gleich noch zu sprechen.
Zu den Arbeitsbedingungen. Das Straflagersystem,
as Laogai-Lagersystem, wurde angesprochen. Wir alle
ehnen dieses Lagersystem ab. Herr Strässer, Sie haben
s gerade gesagt: Es geht nicht nur um die Arbeitsbedin-
ungen in diesem Straflagersystem. Letztendlich muss
s uns generell um die Arbeitsbedingungen in China ge-
en. In diesem Zusammenhang möchte ich einen Blick
uf die Lebensumstände der Wanderarbeiterinnen und
anderarbeiter werfen. Auch sie leben zum Teil in lager-
hnlichen Einrichtungen. Die Arbeitsbedingungen dort
ind letztendlich nicht besser als die in dem Laogai-
agersystem.
Es hilft eben nicht, an die deutsche Wirtschaft einfach
ur Appelle zu richten, indem wir sagen: Wir boykottie-
en die dort hergestellten Produkte. Wir können auch
on Deutschland aus einen ganz konkreten Beitrag dazu
eisten, dass sich die Menschenrechtssituation in China
erbessert, indem man Firmen, die ihren Sitz in Deutsch-
and haben, mit Sanktionen belegt, wenn sie in be-
timmte Lieferketten eingebunden sind und damit solche
ustände dulden, oder wenn sie sogar wissen, unter wel-
hen Bedingungen ihre Produkte hergestellt werden.
Wir werden in nächster Zeit einen Antrag in das Par-
ament einbringen, der genau diese Frage thematisiert,
nd die Schaffung einer Kontrollstelle in Deutschland
12060 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
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Michael Leutert
fordern, die ein solches Vorgehen kontrolliert und not-
falls Sanktionen aussprechen kann.
Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass ich es
für verfehlt halte ich habe das schon im Zusammen-
hang mit dem Antrag zum Laogai-Lager gesagt , wenn
der US-Kongress als Kronzeuge in Sachen Menschen-
rechte herangezogen wird. Das entwertet die Druck-
sachen, egal von welcher Fraktion die Anträge stammen.
Es tut mir leid, aber die Vereinigten Staaten von Ame-
rika einige Stichwörter: Guantánamo, Abu Ghureib,
Todesstrafe und Folterdebatte sind meines Erachtens
beim besten Willen kein glaubwürdiger Zeuge in Sachen
Menschenrechte.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Bahr , Paul K. Friedhoff, Heinz
Lanfermann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Umlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall auf freiwillige Basis stellen
Drucksachen 16/2674, 16/5282
Berichterstattung:
Abgeordneter Max Straubinger
Wir nehmen den Beitrag des Kollegen Max
Straubinger für die Unionsfraktion, der Kollegin Jella
Teuchner für die SPD-Fraktion, des Kollegen Heinz
Lanfermann für die FDP-Fraktion, des Kollegen Frank
Spieth für die Fraktion Die Linke und der Kollegin
Birgitt Bender für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
zu Protokoll.1)
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Gesundheit zum Antrag der FDP mit dem
Titel Umlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfall auf freiwillige Basis stellen. Der Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/5282, den Antrag der FDP auf
Drucksache 16/2674 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? Gegenprobe! Gibt es Enthal-
tungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist diese Be-
schlussempfehlung gegen die Stimmen der Antragsteller
angenommen.
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1) Anlage 2 2)
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
icklung zum Antrag der Fraktion Die Linke mit dem
itel Für solidarische Assoziierungsabkommen der EU
it den zentralamerikanischen Staaten und den Staaten
er Andengemeinschaft. Der Ausschuss empfiehlt in sei-
er Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5983, den
ntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/5045
bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ung? Gegenprobe! Enthaltungen? Die Beschluss-
mpfehlung ist mit den Stimmen der Koalition und der
DP-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die
inke und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die
rünen angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ekin
Deligöz, Grietje Bettin, Kai Gehring, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Kinderrechte in der Verfassung stärken
Drucksache 16/5005
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Rechtsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
eratung eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die Frak-
ion Bündnis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll.
ibt es dazu Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Dann
st dies so beschlossen.
Anlage 3
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12061
)
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Vizepräsidentin Petra Pau
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Britta Haßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Kinder haben Rechte. Kinderrechte sind Men-
schenrechte. Diese Slogans, diese Aussagen sind be-
kannt. Sie wurden gestern, am Weltkindertag, wieder
einmal stark bemüht.
Über 50 Jahre ist es her, dass die Vereinten Nationen
den Kindertag ins Leben gerufen haben. Der Anlass ist
heute so aktuell wie damals, international und natürlich
auch national bei uns in Deutschland.
Denn auch hier gibt es für die Kinderrechte noch eine
Menge zu tun.
Leider konnten, Sie, meine Damen und Herren von
der Großen Koalition, sich immer noch nicht zu der
längst überfälligen Stärkung der Kinderrechte in der Ver-
fassung durchringen. Es ist aus grüner Sicht an der Zeit,
ein klares Signal zu setzen. Die Rechtsstellung von Kin-
dern sollte grundgesetzlich verankert werden.
Natürlich genießen Kinder alle in der Verfassung for-
mulierten Menschenrechte. In Art. 6 des Grundgesetzes
werden sie sogar explizit erwähnt:
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürli-
che Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen ob-
liegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die
staatliche Gemeinschaft.
Das wird Kindern bei weitem nicht gerecht. Wir müs-
sen Kinder als eigenständige Akteure mit individuellen
Interessen in den Blick nehmen. Wir sind mit unserer
Forderung nicht allein. Auch das Deutsche Kinderhilfs-
werk, UNICEF und Altbundespräsident Roman Herzog
fordern seit Jahren, Kinderrechte in der Verfassung zu
verankern. Dies fordern auch wir Grünen.
Kinder sind Wesen mit eigener Menschenwürde und
einem Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit. Häufig
wird aber vergessen, dass Kinder ihre Persönlichkeit zu-
nächst entwickeln müssen, bevor sie diese entfalten kön-
nen. Deshalb brauchen Kinder eine individuelle Förde-
rung, eine gute Bildung und eine gesunde Umwelt.
Rechtliche Dimensionen, die dieser Tatsache gerecht
werden, sind derzeit nicht in der Verfassung verankert.
Die Rechte von Kindern verwirklichen sich in vieler-
lei Hinsicht in der Familie, gehen aber weit über das fa-
miliäre Leben hinaus. Wenn wir die Kinder- und Famili-
enfreundlichkeit in allen Lebensbereichen verbessern
wollen, müssen wir den Kinderrechten einen entspre-
chenden Stellenwert einräumen und dürfen nicht nur
darüber reden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der
Großen Koalition, das sage ich ganz entschieden in Ihre
Richtung. Denn seit Monaten versuchen wir, in der Kin-
derkommission gemeinsam darüber zu diskutieren, Kin-
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Mit Verlaub: Ich schätze diese Kommission und die Kol-
leginnen und Kollegen, die in dieser Kommission sitzen,
sehr. Aber dadurch, dass eine Kommission des Deut-
schen Bundestages eine Absichtserklärung abgegeben
hat, sind die Kinderrechte noch nicht in der Verfassung
verankert. Dem Parlament liegt kein Antrag vor, der da-
rauf zielt, die Kinderrechte in der Verfassung zu veran-
kern. Denn hierzu hat die Große Koalition keine gemein-
same Auffassung; das ist ein Fakt.
Sie können gerne noch mehr Fragen stellen. Aber das,
was ich gesagt habe, ist eine Tatsache.
Es reicht nicht aus, dass sich die Kinderkommission
des Bundestages dieses Themas annimmt, eine Anhö-
rung dazu durchführt, dann aber nichts passiert. Es reicht
nicht aus, dass nur einige der Abgeordneten bereit sind,
die Kinderrechte endlich in der Verfassung zu verankern;
dass dem so ist, weiß ich, weil ich darüber viel mit den
Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichen
Fraktionen diskutiert habe. Um das zu realisieren, brau-
chen wir in diesem Hause eine Zweidrittelmehrheit. Da-
für werben wir.
Wir brauchen keine weiteren Ankündigungen und
keine weiteren Debatten. Stellen Sie sich dem Dissens in
Ihrer Koalition und beseitigen Sie ihn! Legen Sie den
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgeset-
zes vor, damit die Kinderrechte in der Verfassung veran-
kert werden und wir die Rechte der Kinder auf diesem
Wege endlich stärken.
Vielen Dank.
Nun hat die Kollegin Michaela Noll für die Unions-
fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Bevor ich mit meinem Redebeitrag beginne,
möchte ich einen lieben Gruß an unsere Kollegin Golze
senden, die ihre Rede zu Protokoll gegeben hat, weil ihr
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Im Gegensatz zum dem, was Sie, Frau Haßelmann,
ben in den Raum gestellt haben ich muss ganz ehrlich
agen, dass mich das etwas sauer gemacht hat , ist es
as erklärte Ziel der Koalition, die Kinderrechte in die
ffentlichkeit zu transportieren. Da Sie hier sehr skep-
isch sind, bitte ich Sie, unseren Antrag mit dem Titel
esundes Aufwachsen ermöglichen Kinder besser
chützen Risikofamilien helfen auf Drucksache 16/4604
u lesen; das ist relativ einfach zu machen.
Es ist nicht das erste Mal, dass wir im Bundestag da-
über sprechen, die Kinderrechte in der Verfassung zu
erankern. Bereits in der 14. Legislaturperiode wurde
in entsprechender Antrag gestellt. Auch in der Kinder-
ommission haben wir über dieses Vorhaben diskutiert;
n der letzten Wahlperiode ging es dort allerdings um
ragen des Antragsrechts und des Wahlrechts. Es wäre
ett, wenn Sie etwas genauer in den Protokollen nachle-
en würden.
Abgesehen davon war auch Bundesjustizministerin
ypries in der Kinderkommission zu Gast. Wir haben ein-
ehend mit ihr diskutiert. Sie hat die Gründe für ihre
kepsis gegenüber einer Grundgesetzänderung erläutert.
ie Befürworter einer Grundgesetzänderung glauben, da-
urch könnten wir in unserem Land ein Klima von mehr
inderfreundlichkeit erzeugen. Ich sage Ihnen ganz ehr-
ich: Ich finde, dieser Klimawandel hat bereits stattgefun-
en. Ich werde versuchen, Ihnen das zu erklären.
Wir haben bereits sehr große Fortschritte für die Kin-
er in Deutschland erzielt. Wir können zu Recht behaup-
en, dass wir auf einem guten Weg sind, eine kinder-
reundlichere Gesellschaft zu werden. Das ist allein das
erdienst unserer Ministerin.
Ich nenne Ihnen ein paar Beispiele. Stichwort Schul-
erweigerer. Wenn die Leute das Wort Schulverweigerer
ören, sagen sie immer: Das ist die Null-Bock-Genera-
ion. Das stimmt so aber nicht. Wenn Sie die Jugendli-
hen fragen, in welchen Lebensverhältnissen sie groß
eworden sind oft heißt es, die Kinder hätten keine
ust auf Leistung; um dieses Thema geht es aber nicht ,
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12063
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Michaela Noll
stellen Sie fest: Oft haben die Kinder nicht die nötige
Kraft, um Leistung zu erbringen. Ich glaube, viele von
uns haben ein falsches Bild vor Augen. Das Programm
Schulverweigerung Die 2. Chance ist für viele Ju-
gendliche die erste Chance.
Sehen wir uns einmal die Situation der Jungen an. Es
heißt immer, Jungen sind unsere Sorgenkinder, Jungen
haben schlechte Noten, und Jungen entwickeln sich
nicht so, wie sie sich entwickeln sollten. In diesem Jahr
ist es allerdings zum ersten Mal der Fall, dass im Bun-
deshaushalt Mittel nur zur Förderung von Jungen zur
Verfügung gestellt werden; auch das ist ein Zeichen.
Das kommt gleich.
Sprechen wir über eines der traurigsten Kapitel in
Deutschland: Ich meine, alle kennen noch die Namen
Jessica und Kevin. In jeder Stadt gibt es Fälle von Ver-
nachlässigung. Deswegen haben wir mit den frühen Hil-
fen eine Prävention ab Nabelschnur aufgebaut.
Jetzt komme ich zu einem der großen Schritte: Stich-
wort Ausbau der Krippenplätze. Ich glaube, noch vor
einem halben Jahr hätte keiner hier im Haus gedacht,
dass uns das gelingt. Aber diese Regierung hat es ge-
schafft. Sie hat alle an einen Tisch bekommen, und wir
haben uns geeinigt. Das ist dem Engagement und der
Hartnäckigkeit unserer Ministerin zu verdanken.
Ja, und natürlich unser Staatssekretär. Das können Sie
gerne weitergeben.
Unsere Ministerin hat nicht nur das Thema Kinder
aus dem Schattendasein herausgeholt, sondern auch die
ganze Familienpolitik. Die Familienpolitik ist in den
Mittelpunkt der Politik gerückt, Priorität number one.
Für diesen Elan ist sie von der Deutschen Public Rela-
tions Gesellschaft als Kommunikatorin des Jahres 2007
ausgezeichnet worden. In der Laudatio hieß es unter an-
derem:
Ursula von der Leyen hat es mit vorbildlichem Ein-
satz der Kommunikation geschafft, den Umden-
kungsprozess zu den familienpolitischen Themen in
unserer Gesellschaft in Gang zu setzen.
Genau so ist es. Endlich haben Kinder und Familie in
Deutschland einen höheren Stellenwert bekommen.
Jetzt ist die Frage, ob es diesen Stellenwert weiter er-
höht, wenn wir die Kinderrechte ins Grundgesetz auf-
nehmen. Meine liebe Frau Haßelmann, es tut mir leid,
dass ich jetzt sagen muss: Die Grünen waren sieben
Jahre in der Regierung. Wenn Sie davon so überzeugt
sind, warum haben Sie nicht ein bisschen mehr getrom-
melt? Was Sie eben gesagt haben, ist sachlich falsch. Es
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Zur Verfassung komme ich gleich.
Ein effektiver Schutz der Kinder verlangt nicht unbe-
ingt eine Grundgesetzänderung, es gilt vielmehr ent-
chlossen dafür einzutreten, dass der bestehende grund-
esetzliche Schutz eingehalten wird, sagen die einen.
ine sachgerechte Verfassungsänderung könnte dennoch
em Wohl der Kinder dienen, sagen die anderen. Skepti-
che Stimmen das wissen Sie gibt es in allen Frak-
ionen.
Auf der Länderebene hat sich einiges getan. Seit Juni
ibt es einen Beschluss der Jugend- und Familienminis-
erkonferenz, in dem deutlich steht: Die JFMK begrüßt
ie Diskussionen, die im Bund und in einzelnen Ländern
ber die Frage der Aufnahme von Kinderrechten in das
rundgesetz bzw. in die jeweiligen Landesverfassungen
eführt werden. Die JFMK wird die Aufnahme von Kin-
errechten in das Grundgesetz zu einem Schwer-
unktthema der nächsten JFMK im Jahr 2008 machen.
ch bin gespannt, wie diese Diskussion weitergeht. Elf
undesländer haben die Kinderrechte bereits in ihre Ver-
assung aufgenommen.
Einen kleinen Schwenk zur FDP. Im Saarland ist das
uch debattiert worden. Dort kamen Bedenken von der
DP. Ihr Kollege Baldauf sagte:
Etwas in der Verfassung zu ändern, ohne dass es in
der Praxis auch nur im Geringsten etwas an der be-
stehenden Rechtslage ändert, ist nichts Weiteres als
der Versuch, ein Loch zu stopfen, das an dieser
Stelle nicht vorhanden ist. Ich sage sogar: Das ist
Augenwischerei.
Deswegen stellt sich die Frage: Wozu wollen wir das?
rauchen wir das? Die Befürworter sagen: Im Grundge-
etz sind Kinder nicht explizit als Träger von Rechten er-
ähnt, sie werden nicht als Rechtssubjekte betrachtet,
ir bräuchten ein Signal an die Gesellschaft, dass Kin-
er als eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen
echten zu achten und in der Gesellschaft zu beteiligen
ind. Ähnliches sagt Roman Herzog.
Zur Diskussion steht zurzeit auch die Aufnahme von
ultur und Sport in das Grundgesetz. Sollte man da
icht erst recht über die Kinderrechte diskutieren? Für
ich hätten sie gegenüber all dem Priorität.
12064 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
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Michaela Noll
Wir müssen uns aber auch die Fragen stellen: Würden
durch die Kinderrechte die Elternrechte eingeschränkt?
Würden wir damit reine Symbolpolitik betreiben? Wür-
den dadurch falsche Erwartungen geweckt? Ginge es
den Kindern dann tatsächlich besser?
Ich glaube, die Abwägung von Elternrechten und Kin-
derrechten ist ein wichtiger Punkt. Aber ich möchte an
dieser Stelle keinen juristisch dezidierten Diskurs füh-
ren; das ist Aufgabe der Rechtspolitiker.
Kinder brauchen Erwachsene, die sich für sie einset-
zen, für ihre Rechte kämpfen und dafür sorgen, dass es
ihnen gut geht. Kinder brauchen aber auch politischen
Schutz. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Dialog über
Kinderrechte in der Verfassung führen. Die Bereitschaft
dazu ist in vielen Teilen der Gesellschaft vorhanden.
Aber es gibt auch viele skeptische Stimmen und Zweifel,
die wir ernst nehmen und über die wir sprechen müssen.
Eine Änderung der Verfassung das wissen Sie, Frau
Haßelmann gehört nicht zum parlamentarischen All-
tagsgeschäft. Das heißt, wir müssen viel Überzeugungs-
arbeit leisten.
Ich kann allen nur anraten: Lassen Sie uns doch in die
Beratungen gehen! Ich möchte Sie herzlich einladen, die
Diskussion um die Aufnahme von Kinderrechten in die
Verfassung weiter zu vertiefen; denn jedes Kind verdient
es, geliebt, geschätzt, geschützt und unterstützt zu wer-
den.
Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Miriam Gruß für die FDP-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Ich kenne negative Beispiele aus
Deutschland, die keine Kinderfreundlichkeit aus-
drücken. Ich kann Sie alle nur bitten, die eine oder an-
dere Reise mit mir zu unternehmen, mit der Bahn oder
mit dem Flugzeug. Wie oft erlebe ich mit meinem klei-
nen Sohn, dass sich die Leute von uns wegsetzen, weil
das Kind vielleicht zu laut redet oder vielleicht schreit!
Wie oft erleben wir, dass Spielplätze geschlossen werden
müssen oder nur zu bestimmten Zeiten öffnen dürfen,
weil sich Anwohner beschweren! Ich glaube den Stu-
dien, die besagen, Deutschland sei ein kinderentwöhntes
Land, und den Leuten, die sagen, in Deutschland gebe es
inzwischen eine Kultur der Kinderlosigkeit.
Dabei sind Kinder unsere Zukunft; diesen Satz hören
wir immer wieder. Wir sollten ihn wirklich verinnerli-
chen und ihn nicht für politische Taktierereien missbrau-
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Von den verfassungsrechtlich verbürgten Kinderrechten
würde ein ständiger Appell an die jeweils zuständigen
Organe des Bundes und der Länder ausgehen, beim Ge-
brauch ihrer Kompetenzen Kinderrechte zu berücksichti-
gen.
Dieser Ansicht hat sich auch die Kinderkommission
einstimmig angeschlossen. Sie sah sich in der Anhörung
im November letzten Jahres in ihrer Auffassung be-
stärkt, dass eine entsprechende Verfassungsänderung er-
forderlich ist und dass die Zeit dafür reif ist. Die Kinder-
kommission hatte sich auch für ein gemeinsames
Vorgehen und den Weg über einen interfraktionellen
Entwurf entschieden. Diesen Schritt unterstütze ich als
amtierende Vorsitzende der Kinderkommission natürlich
ausdrücklich.
Dieser Konsens in der Kinder- und Jugendpolitik hat die
Arbeit der Kinderkommission während der letzten Jahre
ausgezeichnet, und er hat sich bewährt. Umso bedauerli-
cher ist es, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
dieses bewährte Vorgehen mit ihrem alleinigen Vorpre-
schen durchbrochen hat,
und dies nicht etwa, weil sie sich mit ihren Vorstellungen
in der Kinderkommission nicht durchsetzen konnte, son-
dern aus rein taktischen Gründen.
Dies ist zu bedauern, denn diese Fraktion will sich hier
auf Kosten der Kinder profilieren.
Meine Damen und Herren, die Kinder müssen uns
mehr wert sein als eine taktische Masse im politischen
Geschehen. Kinder heute zu schützen, ist unsere urei-
gene Pflicht. Kinder zu fördern, ist unser oberstes Gebot.
Kinder zu achten und für ihre Zukunft zu denken, muss
eine gesamtgesellschaftliche Prämisse sein im Übrigen
nicht nur für Kinder- und Jugendpolitiker und nicht nur
am Weltkindertag.
Das Wort hat die Kollegin Marlene Rupprecht für die
SPD-Fraktion.
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enn wir alles gut machen, wird es eine tolle Persön-
ichkeit, eine tolle Demokratin oder ein toller Demokrat.
ir müssen das gemeinsam versuchen.
Für eine reife Demokratie ist es an der Zeit, dass wir
ns fragen, ob wir in unserem Grundgesetz eine Grund-
age erkennen können, mit der auch unsere Kinder als
ubjekte klar erkennbar gemeint sind. Viele Verfas-
ungsrechtler sagen uns, dass diese Subjektstellung noch
icht klar erkennbar ist. Sonst hätte es nicht so lange ge-
auert, bis das Verfassungsgericht 1968 19 Jahre nach
erabschiedung und Inkrafttreten des Grundgesetzes
eststellen musste, dass auch Kinder Grundrechtsträger
ind. 19 Jahre lang haben wir eigentlich einen Schwebe-
ustand gehabt.
Wir haben weitere Jahre gebraucht, um die Kinder,
enn wir auf sie blicken, nicht als Mangelwesen oder
efizitäre Erwachsene, sondern als eigenständige Men-
chen zu empfinden, bei denen wir Erwachsene die Ver-
12066 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
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Marlene Rupprecht
antwortung dafür übernehmen, dass sie gut aufwachsen.
Das Elternrecht ist nämlich kein Machtrecht, sondern die
große Verantwortung, die auf uns übertragen wird, die-
sen Kindern alles zu geben, damit sie gesund und gut
aufwachsen und gute Demokraten werden.
Was brauchen die Kinder dafür? Kinder brauchen da-
für erst einmal Eltern, die sie akzeptieren. Daneben müs-
sen aber auch die Lebensbedingungen so sein, dass sie
gut aufwachsen können, das heißt: Zugang zu Bildung,
Zugang zur Gesundheitsversorgung und gute Ernährung.
Sie müssen all das erhalten, was ein kleines Wesen zum
Aufwachsen braucht. Vor allem brauchen sie eine Ge-
sellschaft, die sagt: Herzlich willkommen, gut, dass Du
da bist. Genau Du hast gefehlt.
Nur dann werden sie wirklich selbstbewusst, um allen Ir-
rungen und Wirrnissen standzuhalten, denen sie im
Laufe des Lebens begegnen es werden sehr kräftige
auf sie zukommen, und manchmal werden sie kurz davor
sein, umzufallen , und nur dadurch halten sie stand und
erfahren, dass sie willkommen sind.
Genau deshalb wollen wir dies in der Verfassung zum
Ausdruck bringen. Es soll in die Verfassung aufgenom-
men werden, dass wir bereit sind, den Kindern einen be-
sonderen Schutz zu gewähren. Sie sind schutzbedürftig
nicht nur satt, sauber und still. Diesen Schutz gewähren
wir ihnen, und zwar nicht erst, wenn sie schon halbtot
geschlagen sind, sondern dieses Recht haben sie von An-
fang an gegenüber allen. Vor allem der Gesetzgeber
muss seine Gesetze daraufhin überprüfen. Auch die Be-
hörden und Institutionen müssen überprüfen, ob das, was
sie tun, immer kindgerecht ist.
Wenn das einmal nicht der Fall ist, dann doch nicht,
weil sie dem Kind schaden wollten, sondern weil viele
vergessen haben, wie es als Kind ist. Auch uns fällt es
manchmal schwer, die Beratungen unter diesem Blick-
winkel zu führen. Wir, die Mitglieder der Kinderkom-
mission, sind dazu da, den Kollegen manchmal den Kopf
genau so zu drehen, dass sie die Kinder im Blick haben.
Das sehe ich als unsere Aufgabe an. Den Schutz ge-
währleisten wir also.
Zur Förderung. Wenn ein Kind eine Sprachbehinde-
rung hat, braucht es dann Hilfe, wenn die Sprachbehin-
derung auftritt, nicht erst hinterher, wenn das Kind be-
reits massive psychische Probleme hat. Es geht um eine
frühzeitige und gute Förderung. Das soll mit aufgenom-
men werden.
Wir wollen auch, dass die Kinder an allen Angelegen-
heiten kindgerecht beteiligt werden. Das heißt nicht,
dass wir Erwachsene die Verantwortung für unsere Ent-
scheidungen abgeben. Das würde eine Erwachsenensicht
bedeuten. Die Beteiligung muss kindgerecht und in dem
Umfang erfolgen, der möglich ist. Die Öffentlichkeit
und wir haben die Verpflichtung, alles zu tun, damit die
Kinder hier bei uns gut aufwachsen.
Das schaffen nicht fünf Frauen und ein Mann, der
immer anwesend ist , sondern das schaffen wir nur mit
zwei Dritteln dieses Hauses. Wenn der Antrag der Grü-
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r wird schon dafür sorgen und ich auch , dass das
hema nicht vom Tisch fällt. Es fällt nicht der Diskonti-
uität anheim. Wir werden dafür sorgen, dass dieses
hema weiter befördert wird.
Wir haben uns eine Deadline gesetzt. Ich sage hier öf-
entlich Herr Geschäftsführer, horchen Sie zu , dass
ie Kinderkommission beschlossen hat: Am 7. No-
ember 2007 müssen wir wissen, wie wir damit umge-
en. Ansonsten gehen wir in die Vollen. Lieber Kol-
ege Scholz, ich garantiere Ihnen: Dann sind wir nicht
ehr so sanft, sondern ziemlich ungehalten und sehr
assiv. Ich bin heute ganz sanft. Merkst du es? Dann
ber werden wir uns nicht mehr darüber freuen, dass von
en Verbänden freundlich öffentlich aufgefordert wird,
ondern dann tun wir das ziemlich massiv.
Damit das nicht schiefgeht, brauchen wir Sie dort
ben auf den Tribünen, Sie an den Fernsehern und alle
ernünftigen Leute auch die Eltern, die ihre Kinder lie-
en. Denjenigen, die sie nicht lieben ich glaube, auf sie
ind wir nicht angewiesen , müssen wir helfen, damit
ie lernen, sie zu lieben.
Aber alle, die ihre Kinder lieben und Verständnis für
ie haben, werden uns unterstützen. Wir nehmen ihnen
ichts weg. Vielmehr stärken wir sie, indem wir ihre
inder stärken.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns, dass wir
m Wochenende rausgehen denn am Wochenende fin-
en noch sehr viele Veranstaltungen zum Weltkindertag
tatt , gehen Sie raus als Botschafter für unsere Kinder!
s heißt immer, Kinder seien die Zukunft. Das ist ein
hnlicher Spruch wie Im Himmel wird es einem schon
edankt. Ich meine, Kinder sind unsere Gegenwart. In
er Gegenwart müssen wir etwas tun, damit sie in der
ukunft zu vernünftigen Erwachsenen werden und ihre
inder gut aufziehen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wo-
henende.
Danke schön.
Den Beitrag der Kollegin Diana Golze nehmen wir
verbunden mit den besten Wünschen zu Protokoll.1)
Ich schließe die Aussprache.
Anlage 4
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12067
(C)
(D)
Vizepräsidentin Petra Pau
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/5005 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 10. Oktober 2007, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen alles Gute, liebe Kolleginnen und
Kollegen, und auch ein schönes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.