Berichtigung
115. Sitzung, Seite 11929, (D) letzter Absatz, der
zweite Satz ist wie folgt zu lesen: Ich habe hier die
Pressemitteilung eines Biodieselherstellers, der in Bran-
denburg eine mittelgroße Anlage mit einer Kapazität von
etwa 130 000 Jahrestonnen betreibt.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12069
(A) )
(B) )
Christian
lende Arbeit durch andere Mitarbeiter des Betriebes mit
Die FDP spricht in ihrem Antrag davon, dass eine
zwingende Kollektivabsicherung nicht notwendig sei.
Ihre Begründung fußt darauf, dass für die Zeit der
Erkrankung eines Mitarbeiters des Betriebes die anfal-
Lämmel, Andreas G. CDU/CSU 21.09.2007
Lange (Backnang), SPD 21.09.2007
Anlage 1
Liste der entschuldigt
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Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Ahrendt, Christian FDP 21.09.2007
Becker, Dirk SPD 21.09.2007
Blank, Renate CSU/CSU 21.09.2007
Bulmahn, Edelgard SPD 21.09.2007
Burchardt, Ulla SPD 21.09.2007
Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.09.2007
Eichel, Hans SPD 21.09.2007
Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.09.2007
Ernst, Klaus DIE LINKE 21.09.2007
Friedhoff, Paul K. FDP 21.09.2007
Gehring, Kai BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.09.2007
Gleicke, Iris SPD 21.09.2007
Götz, Peter CDU/CSU 21.09.2007
Golze, Diana DIE LINKE 21.09.2007
Griese, Kerstin SPD 21.09.2007
Gröhe, Hermann CDU/CSU 21.09.2007
Dr. Happach-Kasan,
Christel
FDP 21.09.2007
Hintze, Peter CDU/CSU 21.09.2007
Dr. Hofreiter, Anton BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.09.2007
Jung (Karlsruhe),
Johannes
SPD 21.09.2007
Karl, Alois CDU/CSU 21.09.2007
Kressl, Nicolette SPD 21.09.2007
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
nlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Umlageverfahren U1 zur Entgeltfort-
zahlung im Krankheitsfall auf freiwillige Basis
stellen (Tagesordnungspunkt 29)
Max Straubinger (CDU/CSU): Wir befassen uns
eute in zweiter Lesung mit einem Antrag der FDP. Die
DP fordert in ihrem Antrag das Umlageverfahren U1
ur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwillige
asis zu stellen und somit die Abschaffung der gegen-
ärtigen Regelung.
ehn, Waltraud SPD 21.09.2007
üller (Gera), Bernward CDU/CSU 21.09.2007
olenz, Ruprecht CDU/CSU 21.09.2007
achel, Thomas CDU/CSU 21.09.2007
chmidt (Nürnberg),
Renate
SPD 21.09.2007
chwarzelühr-Sutter,
Rita
SPD 21.09.2007
eehofer, Horst CDU/CSU 21.09.2007
r. Solms, Hermann
Otto
FDP 21.09.2007
trothmann, Lena CDU/CSU 21.09.2007
r. Tabillion, Rainer SPD 21.09.2007
auss, Jörg SPD 21.09.2007
hönnes, Franz SPD 21.09.2007
ieczorek-Zeul,
Heidemarie
SPD 21.09.2007
immermann, Sabine DIE LINKE 21.09.2007
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
12070 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
(A) )
(B) )
erledigt wird, so dass keine zusätzlichen Ausgaben an-
fallen. Somit sollte nach Ansicht der Antragsteller jedem
Arbeitgeber freigestellt werden, ob er das Krankheits-
risiko und die damit verbundene Lohnfortzahlung seiner
Mitarbeiter individuell tragen oder hierfür eine Versiche-
rung abschließen möchte.
Die jetzige Regelung, das Krankheitsrisiko der Mit-
arbeiter eines Betriebes kollektiv zu tragen, wird nach
meiner Meinung von der Großzahl der kleinen und mitt-
leren Betriebe akzeptiert und sogar gewünscht. Dies
wird unter anderem dadurch dokumentiert, dass der
Großteil der Betriebe sich trotz der Möglichkeit, einen
Erstattungssatz von 40 Prozent zu wählen, für den hohen
Erstattungssatz von 80 Prozent entscheidet.
Würde es zur vorgeschlagenen freiwilligen Teilnahme
kommen, könnte es zu einer Entmischung der Risiken
führen. Die Betriebe mit einem geringeren Krankheits-
risiko, zum Beispiel Bürobetriebe, würden sich dann aus
dem Umlageverfahren verabschieden. Dies hätte zur
Folge, dass nun wiederum die Betriebe mit einem höhe-
ren Krankheitsrisiko, zum Beispiel im Baugewerbe, eine
stärkere Beitragslast schultern müssten.
Zudem kritisiert die FDP die zum 1. Januar 2006 er-
folgte Ausweitung des U1-Umlageverfahrens auf Be-
triebe mit bis zu 30 Beschäftigten und auf Angestellte
sowie die Ausdehnung auf weitere Krankenkassen. Da-
mit würden nach Ihrer Ansicht die Probleme noch ver-
stärkt werden. Im Folgenden gehe ich auf diese Kritik-
punkte ein:
Mit der Neugestaltung des Lohnfortzahlungsgesetzes
ist die Bundesregierung, einem Urteil des Bundesverfas-
sungsgerichts vom 18. November 2003 nachgekommen.
Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass der Ar-
beitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14
Mutterschutzgesetz jedenfalls dann nicht mehr verfas-
sungsmäßig ist, wenn im Rahmen des Umlageverfahrens
nach dem Lohnfortzahlungsgesetz diese Kosten nur
Kleinbetrieben von bis zu 20 Arbeitnehmern erstattet
werden. Da mittlere und größere Unternehmen mit bis
zu 30 Beschäftigten nicht an diesem Verfahren teilnah-
men, bestand nach den Feststellungen des Bundesverfas-
sungsgerichts die Möglichkeit, dass die Frauen bei der
Einstellung benachteiligt werden. Hierin lag ein Verstoß
gegen das Gleichberechtigungsgebot aus Art. 3 Abs. 2
des Grundgesetzes. Somit wurde mit der Ausweitung
des Umlageverfahrens für die Mutterschaftsleistungen
(U2) auf Unternehmen mit bis zu 30 Beschäftigten nur
die festgestellte Verfassungswidrigkeit beseitigt. Im
Zuge dieser Ausweitung wurde das Umlageverfahren
U1 auch auf Betriebe mit bis zu 30 Arbeitnehmern
ausgedehnt.
Das Umlageverfahren U1, was von der FDP kriti-
siert wird, wurde den aktuellen Strukturen in der Sozial-
versicherung angeglichen und weiterentwickelt, sodass
insgesamt eine gerechtere Verteilung der Belastung er-
reicht wurde.
Auch den Vorwurf, das Umlageverfahren U1 auf
die Angestellten ausgedehnt zu haben, erscheint mir
nicht gerechtfertigt zu sein. Die Bundesregierung hat mit
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ieser Ausweitung endlich die Ungleichbehandlung von
rbeitern und Angestellten aufgehoben. Mit diesem
egfall wurde das Umlageverfahren vereinfacht und
rägt zum Abbau der Bürokratie bei.
Aufgrund der aus verfassungsrechtlichen Gründen er-
orderlichen Ausweitung des Erstattungsverfahrens für
utterschaftsleistungen auf Betriebe mit bis zu 30 Ar-
eitnehmern konnte die Durchführung nicht auf die vier
m Gesetz genannten Kassenarten beschränkt bleiben.
aher war es erforderlich, auch die Ersatz- und Betriebs-
assen in das Umlageverfahren U2 einzubeziehen.
äre die Teilnahme nur auf das Umlageverfahren U2
egrenzt geblieben, hätte es zu einem unnötigen Verwal-
ungsmehraufwand geführt.
Des Weiteren erhalten die Krankenkassen die Mög-
ichkeit, die Durchführung des Umlageverfahrens U1
uch auf eine andere Kasse oder einen Landes- oder
undesverband zu übertragen. Bislang sahen die Rege-
ungen des Lohnfortzahlungsgesetzes vor, dass jede
rankenkasse das Umlageverfahren eigenverantwortlich
urchführt.
Auch kann ich die Befürchtung, dass Arbeitgeber auf-
rund des Umlagesystems U1 keine gesundheitsför-
ernden Arbeitsbedingungen schaffen wollen, die zu
inem niedrigen Krankheitsstand führen, nicht nachvoll-
iehen. Jeder Arbeitgeber habe ein Interesse daran, leis-
ungsfähige Arbeitnehmer zu haben, die pünktlich und
esund zur Arbeit erscheinen, damit die anfallenden
ufträge und Arbeiten zeitgerecht und für die Kunden
ufrieden stellend erledigt werden können.
Nach dieser Betrachtung und Bewertung kann festge-
tellt werden, dass die Betriebe eine hohe Akzeptanz
em Umlageverfahren U1 entgegenbringen, und des-
alb ist es geboten, am bewährten System festzuhalten.
aher schließt sich die CDU/CSU dem Votum des feder-
ührenden Ausschusses, dem Ausschuss für Gesundheit,
n und lehnt Ihren Antrag ab.
Jella Teuchner (SPD): Wir werden heute über einen
ntrag der FDP-Fraktion abstimmen, den man im
runde auf zweierlei Weise deuten kann. Meine sehr ge-
hrten Damen und Herren Freie Demokraten, ich muss
ugeben, dass ich mir deshalb momentan im Unklaren
arüber bin, welche der infrage kommenden Verfehlun-
en man Ihnen in erster Linie unterstellen muss: ideolo-
ische Starrköpfigkeit oder schamlose Klientelpolitik?
der gar etwa beides? Bis jetzt steht nur eines ganz si-
her fest: Egal, welches Motiv Ihrem Antrag zugrunde
iegt, es wird Ihnen hier und heute keinen Erfolg besche-
en.
Es ist nicht zufällig so eingerichtet, dass sich die klei-
eren und mittleren Unternehmen in Deutschland
emeinsam, und somit solidarisch, gegen womöglich
xistenzbedrohende Planungsrisiken absichern. Das
mlageverfahren zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
tellt sicher, dass unvorhersehbare wirtschaftliche Belas-
ungen gleichmäßig und verträglich verteilt werden. Aus
ieser Tatsache ergeben sich entscheidende Vorteile:
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12071
(A) )
(B) )
Erstens. Unsicherheiten für besonders personalschwa-
che Betriebe werden beträchtlich abgemildert. Niemand
hier im Saal kann ernsthaft bestreiten wollen, dass es ei-
nen massiven Unterschied macht, ob ein kleines Hand-
werksunternehmen mit, sagen wir, einer Handvoll Mit-
arbeiter die Lohnfortzahlung für einen oder gar zwei
kranke Angestellte über einen längeren Zeitraum von
mehreren Wochen selbst schultern muss oder ob es le-
diglich laufende, und damit berechenbare Beiträge in das
Umlageverfahren einzahlt. Ersteres wäre akut exis-
tenzbedrohend, Zweiteres dagegen eine finanzierbare
Absicherung. Da müssen Sie von der FDP mir schon er-
klären, wo hier angeblich die unternehmerische Selbst-
bestimmung beschnitten wird. Ganz im Gegenteil: Wenn
Ihre Vorstellung von wirtschaftlicher Freiheit beinhaltet,
dass kleinen Unternehmen die Freiheit zu einem unnöti-
gen finanziellen Niedergang eröffnet wird, dann ist dies
schlicht und ergreifend abstrus. Auf eine solche Schein-
freiheit können die kleinen Unternehmer in diesem Land
getrost verzichten.
Zweitens. Kein Betrieb kann sich auf Kosten anderer
aus seiner gesamtwohlfahrtlichen Verantwortung steh-
len, auch wenn es sich nun um ein größeres Unterneh-
men, dessen Strukturen weniger risikoanfällig sind,
handelt. Sie alle unterstützen im Rahmen des Umlage-
verfahrens diejenigen Firmen, die weniger vorteilhaft
aufgestellt sind. Auf diese Weise bleiben die Beiträge für
alle erträglich. Nicht auszudenken, wie die Belastungen
für besonders risikoanfällige Unternehmen zwangsläufig
ansteigen müssten, wenn sich die Marktteilnehmer, die
eine Risikoabsicherung ablehnen, einfach aus dem soli-
darischen Versicherungssystem verabschieden könnten.
Sehr geehrte Kollegen von der FDP, ihre Forderungen
begünstigen wie so oft die besser Aufgestellten, während
die restlichen Unternehmen nur verlieren können. Seien
Sie sicher, dass wir nicht zulassen werden, dass in die-
sem Zusammenhang die Interessen von verschiedenen
Betrieben gegeneinander ausgespielt werden.
Nicht nur der Solidargedanke auf Unternehmens-
ebene wird von der FDP infrage gestellt. Nein, ihre
Politik zielt nebenher auch auf die Unterminierung der
Lohnfortzahlung im Allgemeinen ab. Eine Beschnei-
dung dieses genauso wichtigen wie richtigen Arbeitneh-
merrechts wäre ihr wohl am liebsten. Gleichzeitig weiß
sie aber, dass sie hierfür keine ausreichende Unterstüt-
zung gewinnen kann, vor allem nicht gegen die solidari-
sche Mehrheit in unserem Land. Darum nähern Sie sich,
meine Damen und Herren von der neoliberalen Fraktion,
dem Thema durch die Hintertür. Geschickt wie Sie sind,
wollen Sie zunächst einmal die gesicherte solidarische
Finanzierungsgrundlage aus dem Gleichgewicht brin-
gen. Sollte dies Ihre Absicht sein, so ist der Versuch
mehr als fadenscheinig und wird im Übrigen scheitern.
Dafür werden wir sorgen.
Stellvertretend für die Sozialdemokratie im Ganzen
unterstreiche ich unser klares Ja zum Solidarprinzip.
Und das nicht nur auf der Ebene der Angestellten, son-
dern auch im Rahmen der Politik für kleinere und mitt-
lere Unternehmen. Aus diesem Grunde lehnen wir Ihre
Forderungen rundweg ab. Zum einen, weil sie nur so vor
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erfehlter wirtschaftsliberaler Ideologie strotzen. Zum
nderen, weil sie eine unternehmerische Freiheit fordern,
ie für die Selbstbestimmung kleinerer Unternehmen nur
on Nachteil sein kann: Freiheit zu mehr Unsicherheit,
reiheit zu höheren Versicherungskosten für die Be-
riebe, die eine Risikoabsicherung besonders nötig ha-
en.
Darüber hinaus lehnen wir Ihre Politik auch deswe-
en ab, weil sie unverhohlene Klientelförderung bein-
altet. Sie spielen den Anwalt der privaten Versiche-
ungswirtschaft und wollen dafür das Solidarprinzip
pfern. Sie möchten den risikoanfälligen Unternehmen
ie bezahlbare solidarische Absicherung nehmen, um sie
n teurere Eigenvorsorgeprogramme zu zwingen, die den
rivaten Assekuranzen neue Geschäftsfelder eröffnen
ollen. Das Ganze verpacken Sie unter dem Etikett von
ehr Effizienz, mehr Freiheit, mehr Flexibilität. Das
inzig Flexible an dieser Lösung wären jedoch lediglich
ie finanziellen Belastungen für diejenigen Betriebe, de-
en die jetzigen Regelungen eine zuverlässige Versiche-
ung bieten. Flexibel nach oben nämlich würden sich die
rivaten Beiträge präsentieren, wenn Sie die Risiken von
esser und schlechter aufgestellten Unternehmen ent-
ischen.
Doch die Realitäten werden sich nicht Ihren faden-
cheinigen Wünschen anpassen. Wir werden das bishe-
ige Umlageverfahren beibehalten, da können Sie ganz
icher sein. Die Risiken der Lohnfortzahlung werden
eiterhin von allen Unternehmen für alle Unternehmen
etragen. Für uns Sozialdemokraten trägt dies zu wahrer
irtschaftlicher Freiheit bei. Wenn sich niemand seiner
olidarischen Verantwortung entziehen kann, können die
etriebe sicherer und berechenbarer wirtschaften. Ihr
ntrag widerspricht diesem Ziel voll und ganz. Deshalb
ird er an uns scheitern.
Heinz Lanfermann (FDP): Beinahe zehn Monate
ind inzwischen vergangen, seit die Große Koalition mit
irkung zum 1. Januar 2007 auf die Entscheidung des
undesverfassungsgerichts zum Mutterschaftsgeld hin
ie Voraussetzungen für die sogenannte U1-Umlage ge-
ndert hat. Seither zahlt jeder Betrieb an eine Umlage-
asse einen bruttolohnabhängigen prozentual berechne-
en Betrag für jeden Mitarbeiter, gleich ob Arbeiter oder
ngestellter. Damit soll im Falle der Krankheit eines
itarbeiters verhindert werden, dass kleinere Betriebe
urch Arbeitsausfall und Entgeltfortzahlung finanziell
berlastet werden. Die bisher gewonnen Erfahrungen
it dieser Regelung zeigen wieder einmal, dass gut ge-
eint noch lange nicht richtig bedeutet.
Obwohl der krankheitsbedingte Arbeitsausfall eines
eschäftigten zum originären Risiko eines Unterneh-
ers gehört, müssen Firmen mit bis zu 30 Beschäftigten
ich nunmehr dagegen versichern. Dabei wird ihnen
och nicht einmal die Wahl des Versicherers erlaubt, mit
enen sie einen für den jeweiligen Betrieb passenden
ersicherungsschutz aushandeln könnten.
Vielmehr schreibt man ihnen vor, dass sie die Umla-
eversicherung bei einer gesetzlichen Krankenversiche-
ung vorzunehmen haben. So müssen sie an die jewei-
12072 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
(A) )
(B) )
lige gesetzliche Krankenkasse der Beschäftigten einen
Umlagebetrag zahlen, um im Krankheitsfall einen Teil
der Aufwendungen, die ihnen aufgrund der Entgeltfort-
zahlung entstehen, erstattet zu bekommen. Dabei wird
die abzuführende Umlage nach einem bestimmten Pro-
zentsatz vom Bruttolohn bestimmt.
Die Folge ist nicht nur eine weitere Verteuerung der
Lohnzusatzkosten für den zweifelhaften Gegenwert ei-
ner Risikodämpfung von einigen wenigen Prozentpunk-
ten, sondern insbesondere auch für Kleinunternehmer
eine bürokratische Zumutung, zeitaufwendig und letzt-
lich mit hohen Verwaltungskosten für die betroffenen
Betriebe als auch die beteiligten kostentragenden Kran-
kenkassen verbunden.
In der Praxis zwingt das Umlageverfahren U1 seit
dem 1. Januar 2007 Kleinunternehmer, für jeden ihrer
Mitarbeiter unabhängig davon, ob ein Ausfallrisiko im
Krankheitsfalle für die Entgeltfortzahlung überhaupt be-
steht eine Zwangsumlage an die jeweilige gesetzliche
Krankenkasse mit jeweils anderen Umlagesätzen abzu-
führen. Diese werden dann zu allem Überfluss nach je-
weils anderen Erstattungssätzen abgerechnet. Und weil
die Unternehmer damit noch nicht genügend Beschäfti-
gung haben, müssen die betroffenen Betriebe dank Vor-
ziehung der Sozialabgaben um einen halben Monat häu-
fig auch noch zwei Lohnabrechnungen anfertigen.
Dieser von Ihnen verantwortete und vom Verfas-
sungsgericht keineswegs so geforderte Bürokratieauf-
wand bewirkt für kleinere Unternehmen Kostensteige-
rungen von bis zu 3 Prozent der Bruttolohnsumme.
Die Folgen dieser rot-schwarzen Umverteilungspoli-
tik liegen auf der Hand:
Zum einen reduziert sich weil das finanzielle
Engagement im Falle des krankheitsbedingten Ausfalls
des Arbeitnehmers gering ist durch die U1-Umlage die
Notwendigkeit für Unternehmen, eigenverantwortlich
und präventiv für ihre Mitarbeiter zu sorgen. Diese ge-
setzliche Fehlleitung wird von Ihnen in Kauf genom-
men, obwohl die positiven Auswirkungen einer voraus-
blickenden Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen auf
den Krankenstand der engagierten Unternehmen bekannt
sind.
Darüber hinaus eröffnet die Regelung die Möglichkeit
des Missbrauchs. Unternehmen werden im schlimmsten
Fall ihre Mitarbeiter dazu anregen, in den Krankenstand
zu gehen, um Kosten zu reduzieren. Die U1-Umlage
kann durchaus vom Unternehmen durch die Hintertür zu
einem Instrument zur Insolvenzvermeidung umgewid-
met werden, statt den gewünschten Sicherungseffekt für
Leistungsansprüche des Arbeitnehmers zu entfalten. Die
Zeche zahlen dann alle pflichtigen Unternehmen.
Ihr im Ausschuss vorgebrachtes Argument, meine
Damen und Herren von der Großen Koalition, die Um-
lage müsse bleiben, weil eine Zurücknahme der Zwangs-
versicherung zu einer Entmischung der Risiken führe,
wird von der Realität widerlegt. Tatsächlich werden die
Unternehmen mit niedrigem Krankenstand und gutem
Betriebsklima durch die U1-Umlage benachteiligt und
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estraft, weil sie für die nicht vorsorgenden Unterneh-
en das Krankheitsrisiko mitfinanzieren.
Diese Regelung spiegelt das offensichtlich tief-
itzende Misstrauen der Großen Koalition in den Mit-
elstand und die Regulative des Marktes wider. Der
ittelstand jedoch bildet trotz all Ihrer Bemühungen,
en Regelrahmen immer engmaschiger zu ziehen, noch
mmer das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die
roße Koalition sollte sich endlich daran erinnern, dass
er Mittelstand drei Viertel der sozialversicherungs-
flichtigen Arbeitsplätze und über 80 Prozent der Aus-
ildungsplätze stellt.
Wie übereilt und wenig sorgfältig Sie dieses Gesetz
onstruiert haben, zeigt die Erfassung von Bundestags-
bgeordneten als Arbeitgeber im Sinne dieser Regelung.
ei diesen fehlt, darauf habe ich namens der FDP-Frak-
ion bereits im März diesen Jahres hingewiesen, jegli-
hes Ausfallrisiko im Falle der Entgeltfortzahlung im
rankheitsfalle. Doch dieser Koalition fehlt sogar die
raft, zumindest offenkundige gesetzgeberische Fehl-
eistungen zu korrigieren.
Deswegen fordert die FDP-Fraktion, die U1-Umlage
m Arbeitgeberausgleichsgesetz abzuschaffen, das Um-
ageverfahren auf eine freiwillige Basis zu stellen und
amit einen sinnvollen Beitrag zum Bürokratieabbau zu
eisten.
Frank Spieth (DIE LINKE): Die FDP macht mit die-
em Antrag das, was sie fast immer macht: Sie lehnt ein
olidarisches System ohne Not, diesmal mit dem Ver-
eis auf angeblich unnötige Bürokratie ab. Ich habe bei
er AOK einmal nachgefragt: Die bürokratischen Kos-
en des Verfahrens sind sehr gering und begründen die-
en Antrag nicht. Der Kampf um den Bürokratieabbau
st, wie so oft, auch hier ein Ablenkungsmanöver. Mit
iel Tamtam soll in diesem Fall eine auch aus Sicht der
irtschaft sinnvolle Regelung abgeschafft werden.
Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das
mlageverfahren U1, um das es heute geht, eine Versi-
herung ist, die kleine Arbeitgeber mit weniger als
0 Beschäftigten abschließen müssen. Diese Arbeitgeber
ahlen einen Beitrag und sind im Krankheitsfall ihrer
itarbeiter versichert im Regelfall zahlt die Umlage-
asse 80 Prozent der Lohnfortzahlung; 20 Prozent muss
lso der Arbeitgeber dann noch selbst leisten. Es gibt
ber auch Unternehmer, die diese Versicherung nicht
ollen und sich gegenüber anderen Betrieben mit höhe-
em Krankenstand nicht solidarisch erweisen wollen.
iese hatten bis ins Jahr 2006 hinein bei einigen Kran-
enkassen die Möglichkeit, Billig-Tarife von nur 10 Pro-
ent der Umlage zu wählen und 90 Prozent aus eigener
asche im Krankheitsfall zu zahlen. Für diese Tarife wa-
en entsprechend niedrige Beiträge zu entrichten. Dies
am de facto einer Aushebelung des U1-Verfahrens
leich; die Arbeitgeber konnten sich je nach Kranken-
tand aussuchen, ob sie die Versicherung wollen oder
icht.
Das Bundessozialgericht hatte entschieden, dass diese
raxis so nicht in Ordnung ist. Mindestens zu 50 Prozent
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12073
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muss ein Arbeitgeber sich absichern, so urteilte das
Gericht. Die Koalition ist hinter dieses Urteil zurückge-
gangen und hat den Mindestumlagesatz im Zuge des
Gesundheitsreform genannten GKV-Wettbewerbsstär-
kungsgesetzes erst kürzlich von 50 Prozent auf 40 Pro-
zent gesenkt. Aber immerhin: Die Koalition hat sich
dazu entschließen können, eine Mindestgrenze gesetz-
lich festzuschreiben.
Die Beratung im Ausschuss hat bezüglich des FDP-
Antrags keine neuen Erkenntnisse gebracht ganz im
Gegenteil. Ich frage mich, warum die FDP diesen Antrag
nicht einfach zurückzieht. Dieser Antrag hat doch offen-
kundig nur eine einzige Zielstellung; die solidarischen
Sicherungssysteme auf dem Altar privatwirtschaftlicher
Interessen zu opfern.
Die FDP ist der Auffassung, dass die private Absiche-
rung der Risiken besser ist als das bisherige System. Sie
will deshalb auch die Überwindung der Gesetzlichen
Krankenkassen zugunsten der Privaten. Bei privaten
Versicherungen muss der Umfang der Leistungen über
Mindeststandards hinaus gekauft werden. Damit wird
der Umfang der Leistungen über den Inhalt des Geld-
beutels bestimmt. Menschen mit geringem Einkommen
wären die Dummen. Wer Rosinenpickerei will, will
keine Solidarität. Die solidarische Absicherung ist aber
gerade für Menschen mit geringem Einkommen, die
ohne eigenes Verschulden in eine Notsituation geraten,
unverzichtbar.
Eine Krankenversicherung, die wie private Kran-
kenversicherungen das tun müssen eine ordentliche
Gewinnausschüttung an ihre Eigentümer machen müs-
sen, ist außerdem zu teuer. Eine soziale Auslese nach
Einkommen und Gesundheitszustand lehnen wir ab. Da-
mit sind wir uns mit der überwiegenden Mehrheit der
Bevölkerung einig.
Wir lehnen deshalb die von der FDP gewünschte Aus-
lese auch in Bezug auf die bestehende Solidarität der Ar-
beitgeber untereinander ab. Es geht dabei nicht um
Rundum-Sorglos-Pakete des Staates, die die Antrag-
steller in der ersten Lesung ansprachen. Es geht dabei
um eine faire und sichere Kalkulationsgrundlage insbe-
sondere für die kleinen Unternehmen.
Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er-
neut beschäftigen wir uns im Plenum mit der Entgeltfort-
zahlung im Krankheitsfall. Debatten über Themen, die
innerhalb kurzer Zeit wiederholt diskutiert wurden, ma-
chen nur dann Sinn, wenn neue Argumente abzuwägen
sind. Diese habe ich vonseiten der FDP jedoch weder in
der Debatte im März noch während der Ausschussbera-
tungen gehört. Bereits im Dezember 2005 wurde bei den
grundlegenden Debatten um die Fortzahlung des Ar-
beitsentgeltes im Fall von Krankheit und Mutterschaft,
nicht nur ausführlich über den Abbau unnötiger Büro-
kratie diskutiert, sondern es wurden auch entsprechende
Regelungen verabschiedet. Das Umlageverfahren wurde
damals mit übergroßer Mehrheit bestätigt. Genauso ei-
nig war man sich, das Prozedere zu vereinfachen. Un-
strittig war auch die Ausweitung des Personenkreises,
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m die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Ange-
tellten abzuschaffen.
Wiederholend muss ich feststellen, dass das plötzli-
he Interesse der FDP an der Entgeltfortzahlung im
rankheitsfall verwundert. Sowohl in den Ausschussbe-
atungen als auch im Plenum war Ende 2005 von der
DP keinerlei Kritik an genau diesem Umlageverfahren
eäußert worden. Die FDP beschäftigte ausschließlich
ie Lohnfortzahlung bei Mutterschaft und die Frage, ob
iese von der Allgemeinheit, das heißt den Steuerzahle-
innen und Steuerzahlern, oder von den Arbeitgebern
nd Arbeitgeberinnen zu zahlen sei.
Oder ist dieser Sinneswandel vielleicht doch nicht so
erwunderlich? Etwa zeitgleich mit der FDP änderte die
undesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
hre Position. Während der Beratungen im Jahr 2005 kri-
isierte der BDA einzelne Teilaspekte und machte den
orschlag, Arbeitgebern zu ermöglichen, gemeinsam für
lle Beschäftigten bei einer Krankenkasse die Umlage-
erfahren durchzuführen. Im September 2006 schwenkte
er BDA um und fordert seither die Abschaffung beider
mlageverfahren. Wenn die FDP sich bemüßigt fühlt,
iese Forderungen jeweils so in die Politik einzubringen,
ag sie das tun gute Argumente in der Sache haben je-
och gefehlt.
Für Bündnis 90/Die Grünen gilt: Wir sind gegen die
on der FDP vorgeschlagene Abschaffung des Umlage-
erfahrens zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für
nternehmen mit bis zu 30 Beschäftigten.
Für uns stehen die positiven Effekte und die Grund-
dee des Umlageverfahrens im Vordergrund. Kleine Un-
ernehmen werden davor geschützt, alleine durch die
rankheit von einem oder mehreren Mitarbeiterinnen
der Mitarbeitern ins wirtschaftliche Aus katapultiert zu
erden. Dies ist Förderung des Klein- und Mittelstandes
m besten Sinn. Denn gerade Kleinstunternehmen, die in
erartige Situationen kommen können, stricken ihre
udgets oft sehr eng. Kurzfristig würden sie auf notwen-
ige Rücklagen für solche Fälle verzichten. Das hätte im
all der Fälle dann extreme Auswirkungen auf sie und
hre Beschäftigten. Dem gilt es vorzubeugen und die ge-
etzlich vorgeschriebene Umlage beizubehalten.
nlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Beschlussempfehlung und des
Berichts: Für solidarische Assoziierungsabkom-
men der EU mit den zentralamerikanischen
Staaten und den Staaten der Andengemein-
schaft (Tagesordnungspunkt 30)
Anette Hübinger (CDU/CSU): Seit Donnerstag letz-
er Woche verhandeln die Europäische Gemeinschaft
nd die Andengemeinschaft zu der Bolivien, Kolum-
ien, Ecuador und Peru zählen über ein Assoziierungs-
bkommen. Bereits im Juli dieses Jahres trafen sich die
eiden Verhandlungspartner in Brüssel, um die Modali-
äten und den Zeitplan für die gemeinsamen Gespräche
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über ein Assoziierungsabkommen zu vereinbaren. Ne-
ben den sonst üblichen Unterarbeitsgruppen für die Ver-
handlungen über den Handelsteil des Abkommens gibt
es eine weitere, die sich mit den Asymmetrien innerhalb
der Andengemeinschaft befassen werden.
Mit den zentralamerikanischen Staaten ist die erste
Verhandlungsrunde ebenfalls noch für diesen Herbst ge-
plant. Teilnehmen werden El Salvador, Guatemala, Hon-
duras und Nicaragua.
Die laufenden Gespräche sind von dem Wunsch ge-
tragen, die bilateralen Beziehungen beider Regionen La-
teinamerikas und der EU weiter zu vertiefen. Beim Wie-
ner Gipfel im letzten Jahr wurde der Wunsch geäußert,
schnell mit diesen Verhandlungen zu beginnen, die einen
verstärkten politischen Dialog beinhalten sowie die wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und die Handelsbeziehun-
gen neu gestalten sollen.
Die europäische Gemeinschaft ist sich bewusst, dass
zu einer guten Partnerschaft zwischen wirtschaftlich un-
gleich starken Gemeinschaften Hilfestellungen an die
Schwächeren nötig sind, damit diese ihren Herausforde-
rungen gerecht werden können. Daher hat die Europäi-
sche Gemeinschaft schon vor Abschluss der neuen Ab-
kommen für den Zeitraum von 2007 bis 2013 für die
Andengemeinschaft ein Hilfspaket von 713 Millionen
Euro und für die zentralamerikanischen Staaten ein
Hilfspaket von 840 Millionen Euro geschnürt.
Diese Unterstützung soll den lateinamerikanischen
Staaten helfen, die doppelte Herausforderung, das heißt
die regionale Integration einerseits und den sozialen Zu-
sammenhalt andererseits, zu meistern. Der Aufbau re-
gionaler Märkte wird durch diese Hilfe gefördert, Inves-
titionen werden erleichtert, und die für eine nachhaltige
wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Staaten
benötigten institutionellen Reformen werden beschleu-
nigt.
Durch die Festlegung eines gemeinsamen Außenzolls
und die Errichtung eines gemeinsamen Zollsystems in
der Andengemeinschaft sind gute Fortschritte als
wichtige Voraussetzungen für einen gemeinsamen
Markt zu verzeichnen.
Aber auch der Markt zwischen der Europäischen
Union, der Andengemeinschaft und den zentralamerika-
nischen Staaten soll durch dieses Assoziierungsabkom-
men gefördert und schrittweise in eine Freihandelszone
überführt werden.
Diesen von den Verhandlungspartnern gewollten Zie-
len steht der Antrag der Fraktion Die Linke entgegen.
Wir debattieren heute einen Antrag, der diese Verhand-
lungen in eine andere Richtung als die zwischen den
Verhandlungspartnern verabredete lenken soll.
Ihre Argumente, meine Damen und Herren der Frak-
tion Die Linke, überzeugten im April, als wir uns das
erste Mal mit diesem Antrag beschäftigten, nicht und tun
es heute angesichts der begonnenen partnerschaftlichen
Verhandlungen umso weniger.
Das von Venezuela kreierte und von der Fraktion Die
Linke favorisierte Modell ALBA fußt auf Komplemen-
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arität und Austausch statt auf Wettbewerb und freiem
andel. Diese Vereinbarung, die ursprünglich zwischen
enezuela und Kuba geschlossen wurde und der mittler-
eile auch Bolivien und Nicaragua beigetreten sind,
ieht die Fraktion Die Linke durch die Verhandlungen
it der Europäischen Gemeinschaft als gefährdet an.
LBA bedeutet Abschottung, Stagnation und Entwick-
ungshindernis in einer globalisierten Welt. Die begon-
enen Verhandlungen zum Assoziierungsabkommen zei-
en, dass die Staaten der Andengemeinschaft und die
entralamerikanischen Staaten genau dies nicht wollen,
ohl wissend, dass die wichtigsten Exportmärkte außer-
alb der ALBA liegen. Sie erkennen, dass Wettbewerb
nd Handelsliberalisierung wesentliche Elemente einer
achhaltigen Entwicklung sind, die helfen, die Armut zu
berwinden.
Sie, meine Damen und Herren der Fraktion Die
inke, betrachten Lateinamerika durch eine ideologisch
elektierende Brille und preisen Länder wie Kuba, Vene-
uela und Nicaragua als Musterschüler Lateinamerikas.
erletzung von Menschenrechten, Abbau demokrati-
cher Strukturen, gravierende Mängel in der sozialen
eilhabe blenden Sie dabei völlig aus!
Die begonnenen Verhandlungen zeigen auch, dass die
ndengemeinschaft und die zentralamerikanischen Staa-
en auf die gleichen Werte setzen wie die Europäische
nion: Werte wie Demokratie, Wahrung der Menschen-
echte, soziale Teilhabe, gute Regierungsführung und Si-
herheit. Denn diese Werte sind die Basis europäischer
olitik, und ohne sie gibt es mit der EU keine Partner-
chaft.
Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass
ie Zusammenarbeit der EU mit den Ländern Latein-
merikas durch die angestrebten Abkommen neuen Auf-
chwung und festere Bindung erhält.
Den Antrag der Fraktion Die Linke lehnt die CDU/
SU-Fraktion ab.
Dr. Sascha Raabe (SPD): Im Juni dieses Jahres
urden die Verhandlungen über Assoziierungsabkom-
en der EU sowohl mit den Staaten Zentralamerikas als
uch mit der Andengemeinschaft aufgenommen. Die
etonung dieses Zeitpunktes ist mir wichtig; denn er
eigt, dass es die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und
amit der deutsche Außenminister und die deutsche Ent-
icklungsministerin waren, die einer Vertiefung der
artnerschaft Europas mit Zentralamerika sowie der
ndengemeinschaft Comunidad Andina de Naciones,
AN, maßgeblich den Weg bereitet haben.
Ich begrüße ausdrücklich, dass die Verhandlungen
ber die Assoziierungsabkommen jetzt in Gang gesetzt
orden sind, bin mir aber gleichwohl darüber im Klaren,
ass es noch einige Hürden zu überwinden gibt. Ziel
uss es sein, umfassende biregionale Partnerschaften zu
ereinbaren, die über bloße Freihandelsabkommen hi-
ausgehen. Der Wille dazu ist vorhanden auf beiden
eiten. Bei zahlreichen Reisen in die Region konnte ich
rfahren, dass sich viele Menschen in Zentral- und Süd-
merika eine engere Zusammenarbeit mit uns Europäern
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wünschen und dass insbesondere in uns Deutsche große
Erwartungen in dieser Hinsicht gesetzt werden.
Diese Hoffnungen und Erwartungen dürfen wir nicht
enttäuschen. Wir müssen alles daransetzen, dass am
Ende faire Abkommen stehen, die Menschenrechtsfra-
gen, Aspekte verantwortlichen Regierungshandelns so-
wie die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindest-
standards genauso in den Mittelpunkt rücken wie Fragen
der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Es müssen Ab-
kommen im Sinne der Menschen sein; nur dann finden
sie die nötige Akzeptanz in der Bevölkerung.
Dabei müssen wir die unterschiedlichen Befindlich-
keiten in den einzelnen Ländern genau beachten, wenn
wir die Verhandlungen zu einem Erfolg führen wollen.
Die Interessen der an den Verhandlungen beteiligten
Staaten sind zum Teil sehr unterschiedlich, was man bis
zu einem gewissen Grad respektieren muss. Gleichzeitig
müssen wir aber unsere Verhandlungspartner in die
Pflicht nehmen, sich mehr auf die Gemeinsamkeiten zu
besinnen. Man muss dort lernen, mit einer Stimme zu
sprechen, denn die hat mehr Kraft, als wenn alle durch-
einanderreden. Wenn das gelingt, werden die Abkom-
men eine große integrative Wirkung auch in der Region
selbst entfalten können.
In der Vergangenheit wurden erfolgreiche Verhand-
lungsergebnisse allzu oft dadurch verhindert, dass sich
die betreffenden Länder untereinander nicht einigen
konnten. So mancher Schatten wird daher in den nächs-
ten Monaten und Jahren noch übersprungen werden
müssen. Bei allem Respekt für die kulturellen und wirt-
schaftlichen Interessen eines jeden beteiligten Landes ist
es letztlich bei den Verhandlungen ein wenig so wie
beim Formel-1-Rennen: Unterschiedliche Geschwindig-
keiten sind möglich, unterschiedliche Richtungen aber
sind gefährlich.
Ein entscheidender Ansatz, der helfen könnte, Diffe-
renzen zwischen einzelnen Regierungen zu überwinden,
ist, dass ein größeres Maß an Transparenz bei den Ver-
handlungen gewährleistet werden muss, als dies bisher
der Fall war. Ich habe von meinen lateinamerikanischen
Parlamentskollegen oft gehört, dass die Regierungen in
diesen Ländern abgehoben ohne jede Rückkoppelung an
die parlamentarische Ebene verhandeln. Das muss bes-
ser werden. Die Parlamente müssen in den Verhand-
lungsprozess einbezogen werden, brauchen echte Mit-
wirkungsrechte. Es macht keinen Sinn, abstrakte
Abkommen mit Regierungen ohne den Rückhalt der
Volksvertreter und der Zivilgesellschaft abzuschließen.
Offenheit und Transparenz das ist das Gebot der
Stunde, auch wenn das für so manche der betroffenen
Regierungen eine neue Erfahrung sein mag.
Wir werden also von unseren Partnern auf der ande-
ren Seite des Atlantiks Bewegung und in mancherlei
Hinsicht vielleicht sogar ein neues Denken einfordern.
Wir werden uns aber natürlich auch selbst bewegen müs-
sen. Die Zusammenarbeit mit den Ländern Zentral- und
Südamerikas kann dauerhaft nur tragen, wenn sie mit
fairen Handelsbedingungen einhergeht. Noch immer er-
schweren Zölle und Agrarsubventionen den Zugang von
Produkten aus diesen Ländern auf den europäischen
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arkt und behindern deren eigene wirtschaftliche Ent-
icklung. Wir werden uns in den Verhandlungen also
afür einsetzen, dass in Zukunft ein weitgehend quoten-
nd zollfreier Zugang der Waren in die EU möglich wird
und das nicht nur für Rohwaren, sondern auch für be-
eits weiterverarbeitete Produkte. Darüber hinaus müs-
en wir in Europa endlich dahin kommen, handelsver-
errende Subventionen insbesondere im Agrarbereich
bzuschaffen. Nur so ist fairer Handel möglich und nur
o haben auch wirtschaftlich weniger stark entwickelte
egionen, wie die Staaten der Andengemeinschaft oder
er überwiegende Teil der Staaten Zentralamerikas, die
hance, von der Globalisierung zu profitieren.
Wie ich oben bereits erwähnt hatte, dürfen wir unser
ugenmerk aber nicht nur auf die Wirtschaftsfragen
ichten. Für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit min-
estens ebenso wichtig sind die Fragen von Demokratie
nd Menschenrechten. Im Antrag der Fraktion Die
inke, den wir hier heute ablehnen werden, werden die
taaten Kuba, Venezuela und Bolivien für die Gründung
er Bolívarschen Alternative für die Völker unseres
merikas gelobt. Nach Ansicht der Fraktion Die Linke
etzt diese Vereinbarung Zitat konkret an den jewei-
igen Bedürfnissen der Bevölkerung an. Wenn ich mir
un aber die Lage zum Beispiel in Kuba anschaue, kann
ch nicht erkennen, dass sich die Politik der dortigen
achthaber an den Bedürfnissen der Menschen ausrich-
et. Das gilt weder für die wirtschaftlichen Lebensver-
ältnisse noch für die Beachtung von Menschen- und
ürgerrechten, die aus meiner Sicht eben ganz beson-
ers zu den Bedürfnissen der Menschen zählen. Die
raktion Die Linke mag das anders sehen. Gerade Kuba
nd Venezuela, die von der Fraktion Die Linke hier so
obend erwähnt werden, kann man nach objektiven Maß-
täben wohl nicht zu den Vorreitern zählen, wenn es bei-
pielsweise um die Verteidigung der Meinungs- und
ressefreiheit geht. Die Verhandlungen zu den Assoziie-
ungsabkommen geben uns auch die Chance, Staaten
ie Bolivien und Nicaragua, die der Politik Kubas und
enezuelas offen gegenüberstehen, stärker in die Ge-
einschaft der demokratischen Staaten einzubinden.
Europa darf hier in Ansätzen durchaus als Vorbild
ienen. Europa hat es geschafft, eine Staatengemein-
chaft zu werden, die erkannt hat, dass es mehr gibt, als
ur gemeinsame wirtschaftliche Interessen. Heute profi-
ieren wir alle davon, dass wir uns überall in Europa frei
ewegen können und ungestraft unsere Meinung sagen
ürfen. Inzwischen gibt es so etwas wie eine europäische
dentität, und bei aller Vielfalt die ja auch erhalten
leiben soll ist die europäische Integration weit fortge-
chritten. Das Modell ist natürlich nicht direkt zu über-
ragen, darf in Teilen aber Schule machen. Gräben kön-
en überwunden werden.
Ich hoffe, dass die Verhandlungen über die Assoziie-
ungsabkommen mit den Staaten Zentralamerikas und
er Andengemeinschaft zügig voranschreiten und zu ei-
em erfolgreichen Abschluss gebracht werden können.
s wäre ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung,
ur Unterstützung der begonnenen Demokratisierungs-
nd Reformprozesse und letztlich auch zur nachhaltigen
ewirtschaftung der natürlichen Ressourcen.
12076 Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007
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Von einer guten Partnerschaft werden sowohl die
Menschen in Zentralamerika, aber auch die Menschen in
Europa profitieren.
Dr. Karl Addicks (FDP): Meine Damen und Herren
von der Fraktion Die Linke, Ihr erneuter Antrag zu La-
teinamerika hat mich nicht verwundert. Ebenso haben
mich Ihre Forderungen nicht verwundert. Da unterschei-
den sich Ihre Anträge nicht wesentlich. Schade nur, dass
Sie nicht lernen. Unterhalten Sie sich doch einmal mit
einer Bolivianerin oder einem Venezolaner, die werden
Ihnen erzählen können, wie sich das Leben unter
Morales oder Chavez gestaltet.
Die finden die Idee des Sozialismus des 21. Jahrhun-
derts, wie sie Chavez oder Morales oder all die anderen
Jünger der neuen linken Bewegung propagieren, nicht
erstrebenswert. Denn die Auswirkungen sind jetzt für
viele nicht mehr ertragbar. Immer mehr Bolivianer emi-
grieren, die Spannungen innerhalb des Landes steigen.
Von einem Aufschwung, geschweige denn von einer in-
neren Einigung des Landes kann keine Rede sein. Die
angekündigte Verfassung stockt und einige Provinzen
drohen mit einem Generalstreik. Kein anderes Bild
zeichnet sich in Venezuela ab. Dort ist Chavez mit seiner
Politik schon so weit gegangen, dass man Venezuela nur
noch als Diktatur bezeichnen kann. Nach Ermächti-
gungsgesetz, Gleichschaltung der Medien und Parteien
will Chavez nun auch das Bildungssystem des Landes
auf Linie bringen. Doch die Auswirkungen sind schon
jetzt verheerend und es wird nicht besser werden. Die
Landeswährung verliert an Wert. Die Menschen versu-
chen, ihr Erspartes in Sicherheit zu bringen. Kapital-
flucht war schon immer ein guter Indikator für die Stim-
mung in einem Land. Und die, meine Damen und
Herren, ist auf dem Tiefpunkt!
Doch nicht nur die venezolanische Bevölkerung lei-
det unter den Allüren ihres Präsidenten, sondern auch
außenpolitisch ist Chavez unberechenbar. Waffen und
militärisches Gerät kauft er im großen Stil. Kontakte mit
dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad oder auch
die antiamerikanischen Äußerungen zeigen, wie ernst
Chavez es meint.
Und Sie, meine Damen und Herren von der Linken,
haben nichts anderes zu tun, als diese Entwicklungen
noch zu unterstützen. Öffnen Sie die Augen! Haben Sie
nicht aus der Geschichte gelernt? Nur Werte wie Demo-
kratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit sind unabding-
bare Elemente einer beständigen Entwicklung. Das soll-
ten Sie in Ihren Anträgen fordern und auch bei Ihren
Besuchen einfordern.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Ihr Vorsitzender reist
lieber nach Kuba und betont die gute Entwicklung
Kubas. Das Thema Menschenrechte erwähnt er mit kei-
ner Silbe. Im Gegenteil, Lafontaine tut die Kritik an der
kubanischen Menschenrechtspolitik noch als wichtigtu-
erisch ab. Diese Äußerung ist ein Skandal! In Kuba
werden politisch Andersdenkende verhaftetet und unter
menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert. Das sollte
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ich Herr Lafontaine bei seinem nächsten Besuch einmal
nschauen.
Doch lassen Sie mich zu dem Antrag kommen. Keine
iberalisierung öffentlicher Güter, so lautet eine Ihrer
orderungen. Allein bei dieser Forderung frage ich
ich, ob sie wirklich im Interesse der lateinamerikani-
chen Bevölkerung ist. Warum soll der Staat Dienste
bernehmen, die er gar nicht übernehmen kann oder bei
enen er es nur schlecht kann? Ein privates Unterneh-
en kann viel besser und oft auch kostengünstiger
estimmte Dienstleistungen übernehmen. Haben Sie
igentlich aus den Erfahrungen mit dem real existieren-
en Sozialismus überhaupt nichts gelernt?
Eine weitere Forderung Ihres Antrages lautet, dass
em Ausbau der Basisgesundheitsdienste sowie der Be-
ahrung der Ernährungssicherheit eine hohe Priorität
ingeräumt werden soll. Ja, ich glaube, das macht die
U schon. Denn sie ist mit 500 Millionen Euro der
rößte Geldgeber in Lateinamerika. Und ich darf Sie
och einmal daran erinnern: Es sind die nationalen Re-
ierungen selbst, die ihre Bevölkerungen in den Ruin
reiben, ob nun durch enorme Waffenkäufe und Ver-
chwendung der staatlichen Öleinnahmen oder durch
orruption. Das Ergebnis ist das gleiche; in Venezuela
um Beispiel sind die Regale leer, trotz enormer Einnah-
en aus Rohstoffverkäufen. Und so ist es nur eine Frage
er Zeit, bis die Menschen von der Politik wieder einmal
nttäuscht sind und Politiker ihr Land an den Rand eines
ürgerkrieges bringen. Ich verweise da nur auf Bolivien.
ort sind bereits erste Entwicklungen in diese Richtung
u erkennen.
Lesen Sie die Geschichte des real existierenden So-
ialismus einfach mal zu Ende, wenn Sie sich schon
icht erinnern wollen.
Heike Hänsel (DIE LINKE): Auf der Suche nach al-
ernativen Modellen wirtschaftlicher Zusammenarbeit
chauen viele, auch Die Linke, hoffnungsvoll nach La-
einamerika. Jahrzehnte neoliberale Handels- und Wirt-
chaftspolitik haben dort die sozialen Unterschiede zu-
espitzt und die Gesellschaften zerrüttet. Heute streben
eue linke Regierungen, getragen von einer breiten Mo-
ilisierung in der Bevölkerung, sozialen Ausgleich an
urch mehr regionale Integration und eine stärker auf die
innenwirtschaft und breitere Teilhabe orientierte Wirt-
chaftspolitik.
Die neuen politischen Kräfteverhältnisse ändern auch
ie Beziehungen zwischen den lateinamerikanischen
ändern untereinander und ihr Verhältnis zum Norden.
it dem regionalen Integrationsprojekt ALBA
Bolìvarsche Alternative für Amerika) bietet sich eine
olidarische Alternative zu den ungleichen Nord-Süd-
eziehungen an. Die Vereinbarung, die ursprünglich von
enezuela, Kuba und Bolivien getroffen wurde, umfasst
in Handelsabkommen, das nicht auf Wettbewerb be-
uht, sondern auf bedarfsorientiertem Austausch und
mfangreichen Verabredungen zur Entwicklungszusam-
enarbeit. ALBA wächst: Mittlerweile ist auch Nicara-
ua beigetreten, die neue Regierung von Ecuador hat
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12077
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den baldigen Beitritt angekündigt, Dominica prüft die-
sen Schritt. Argentinien und Haiti sind über etliche
Kooperationsabkommen mit ALBA verbunden. Ergänzt
wird ALBA durch weitere regionale Abkommen, wie
das Energieabkommen Petro-Caribe.
Wir fordern in unserem Antrag von der Bundesregie-
rung, diese Form der solidarischen Globalisierung als
Chance für Lateinamerika und als Inspiration auch für
die europäische Handelspolitik zu begreifen und unsere
Politik gegenüber Lateinamerika so zu gestalten, dass sie
diese Bestrebungen unterstützt und nicht behindert.
Doch die EU unterstützt diese Entwicklung nicht etwa,
sondern sieht in ihnen ein Störmanöver gegen ihre
Freihandelspolitik. In dieser Woche beginnen die Ver-
handlungen der EU mit Zentralamerika und der Anden-
gemeinschaft. Die EU trifft dort auf drei ALBA-Mitglie-
der bzw. -Anwärter. Die Verhandlungsmandate, die die
Kommission vom Rat erhalten hat, lassen nicht darauf
schließen, dass die EU diesen Umstand berücksichtigen
will. Im Gegenteil stehen die Verhandlungsziele der EU
der eigenständigen regionalen Integration in Lateiname-
rika genau entgegen. Die von der EU angestrebte Libera-
lisierung sämtlicher Märkte, auch des öffentlichen Be-
schaffungsmarkts und der Dienstleistungen generell,
untergräbt die souveräne Entscheidung der lateinameri-
kanischen Partner über ihren Entwicklungsweg.
Apropos Verhandlungsmandate: In ihnen ist viel von
Good Governance die Rede, die von den Verhandlungs-
partnern eingefordert wird. Aber wer, wie ich, diese
Mandate einsehen wollte, war schnell mit den Grenzen
von Good Governance in der EU konfrontiert. Transpa-
renz? Fehlanzeige. Bis zur vertraulichen Einsicht waren
etliche bürokratische Hürden zu nehmen. Ebenso Fehl-
anzeige, wenn es um Partizipation geht: Die Verhand-
lungsmandate wurden ohne die Einbeziehung zivilge-
sellschaftlicher Gruppen vorbereitet.
Die EU versucht, das Scheitern der USA mit ihrem
Projekt einer gesamtamerikanischen Freihandelszone am
Widerstand der sozialen Bewegungen und neuen linken
Regierungen auszunutzen und selbst mit Freihandels-
abkommen in die Offensive zu kommen. Aber die Zei-
ten, in denen die EU in Lateinamerika als die freundliche
Alternative zu den USA auftreten konnte, sind vorbei.
Das bekamen auch die EU-Außenkommissarin Ferrero-
Waldner und Außenminister Steinmeier auf ihren La-
teinamerikareisen zu spüren. Soziale Bewegungen und
linke Regierungen entwickeln dort andere Vorstellungen
von wirtschaftlicher Zusammenarbeit und Entwicklung.
Sie akzeptieren die neoliberalen Vorgaben aus dem Nor-
den nicht länger. Sie fordern Abkommen, die das Ent-
wicklungsgefälle zwischen den Partnern in Rechnung
stellen, Handel, der nicht auf Wettbewerb, sondern auf
Ergänzung ausgerichtet ist. Sie fordern Unterstützung
für ihre regionalen Integrationsprozesse, sie fordern die
aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft an den Verhand-
lungen. Die EU muss von ihrer Liberalisierungsoffen-
sive abrücken und den Partnern überlassen, welchen
Entwicklungsweg sie gehen wollen, und sie dabei unter-
stützen.
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Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die
eziehungen der Europäischen Union zu den Staaten
ateinamerikas haben in den vergangenen Jahren an In-
ensität verloren, was dem mangelnden Interesse der eu-
opäischen Seite geschuldet ist. Deutlich wurde dies
eim EU-Lateinamerika-Gipfel im Mai 2006 in Wien.
ier gab es zum Beispiel keine Fortschritte bei den Ver-
andlungen über ein Assoziierungsabkommen mit dem
ercosur, obwohl gerade dieses Abkommen aufgrund
es ökonomischen Gewichts des Mercosur eine beson-
ere politische Signalwirkung in Richtung Lateiname-
ika hätte.
Nach dem Scheitern der Verhandlungen zur gesamt-
merikanischen Freihandelszone ALCA verhandeln
ehrere Staaten der Region über bilaterale Handels-
bkommen mit den USA. Gerade in dieser Situation ist
s wichtig, eine stärkere Differenzierung der Außenbe-
iehungen dieser Staaten zu unterstützen. Die Assozia-
ionsabkommen mit der EU können dabei wichtige Bau-
teine für eine echte strategische Partnerschaft zwischen
en Regionen sein.
Selbstverständlich muss eine solche Kooperation ei-
er Entwicklungslogik folgen und darf die regionale In-
egration nicht torpedieren. Große Potenziale liegen für
ns vor allem in der umwelt- und energiepolitischen Zu-
ammenarbeit, beim Schutz der Biodiversität, bei der
örderung der demokratischen Konsolidierung und der
enschenrechte. Assoziierungsabkommen sollten diese
otenziale fördern.
Der Antrag der Linken weist dasselbe Problem auf
ie die vorherigen Lateinamerikainitiativen dieser Frak-
ion: Sie wollen das Schreckgespenst des europäischen
ggressors in Lateinamerika bändigen. Hierbei wird
icht erkannt, dass Europa immer weniger Interesse an
ateinamerika zeigt. Die Linke igelt sich außerdem in
er Bolívarschen Revolution ein. Dabei muss es gerade
as Ziel sein, die strategischen Optionen der Staaten zu
rweitern. Hierzu gehört neben einer verstärkten Part-
erschaft mit der EU auch eine Stärkung und Unterstüt-
ung der regionalen Integration über ALBA hinaus. Die
erhandlungen mit der Andengemeinschaft sowie mit
en zentralamerikanischen Staaten als regionale Blöcke
ann dabei zur Stärkung dieser Bündnisse nach innen
nd nach außen beitragen.
Meine Fraktion geht bei allen Handelsverhandlungen,
ie sich vor allem an Entwicklungsländer richten ob in
er WTO, bei bilateralen oder biregionalen Abkommen
on der Maxime aus: Entwicklungsverträglichkeit first!
ir stimmen daher mit dem Antrag der Linken dahin ge-
end überein, dass bei diesen Verhandlungen zwischen
ehr ungleichen Partnern die Prinzipien des Special and
ifferential Treatments und einer nicht reziproken
arktöffnung respektiert werden müssen. Nur so wird
em unterschiedlichen Entwicklungsstand der Verhand-
ungspartner Rechnung getragen. Transparenz und zivil-
esellschaftliche Begleitung der Verhandlungsprozesse
üssen gewährleistet sein genauso wie die Respektie-
ung grundlegender internationaler Abkommen und Re-
eln. Ganz besonders relevant sind hier der Schutz der
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indigenen Völker siehe die ILO-Konvention 169 , be-
stehende Umweltabkommen und selbstverständlich auch
die ILO-Kernarbeitsnormen.
Aufgrund dieser Übereinstimmung lehnen wir den
Antrag nicht ab. Da wir jedoch die Fixierung auf die
Bolívarsche Revolution und ALBA, wie sie von der
Linken betrieben wird, nicht mittragen, enthalten wir uns
der Stimme.
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Antrags: Kinderrechte in der
Verfassung stärken (Tagesordnungspunkt 31)
Diana Golze (DIE LINKE): Ich weiß nicht so recht,
ob ich mich über die heutige Debatte freuen soll oder
nicht. Zum einen ist es mir und meiner Faktion wichtig,
dass über Kinderrechte diskutiert wird, und noch wichti-
ger wäre es uns, wenn sie endlich eine gesetzliche
Grundlage bekämen. Zum anderen bleibt aber die Frage,
ob wir mit der Kommission zur Wahrnehmung der Be-
lange der Kinder nicht einen von allen Fraktionen getra-
genen Antrag hätten einbringen und damit deutlicher
machen können, welche Bedeutung die Aufnahme von
Kinderrechten in das Grundgesetz für die Mitglieder des
Deutschen Bundestages hat. Vielleicht haben ja unsere
Kollegen von der Fraktion Die Grünen ein wenig die
Geduld verloren. Die jahrelangen Debatten um die
Rücknahme der Vorbehalte gegenüber den UN-Kinder-
rechtskonventionen und die zuweilen schon taschen-
spielertrickartigen Verrenkungen um die Verschiebung
der Debatte darum, die immer wieder zu einer Nichtbe-
handlung geführt haben, lassen auch mich diese Unge-
duld ein wenig verstehen. Schade hingegen ist, dass die
Fraktion den Druck nicht über die Kinderkommission
des Bundestages mit ausübt und intensiver um einen in-
terfraktionellen Antrag gerungen hat.
Nicht verstehen aber kann ich, warum man mit die-
sem Antrag soweit hinter dem zurückbleibt, was bereits
von Deutschland ratifiziert wurde die UN-Kinder-
rechtskonvention , und dass man in diesem Antrag
nicht auch die Rücknahme der Vorbehalte als eine
grundlegende Voraussetzung für die Verankerung der
Kinderrechte im Grundgesetz einfordert.
Es sind viele Dinge, die mir in diesem Antrag fehlen,
und an manchen Stellen wirkt er auf mich, als wollten
die Kolleginnen und Kollegen die Rolle der Kinderkom-
mission übernehmen und unterbreiten hier einen von
mehreren Fraktionen ausgearbeiteten und ausgehandel-
ten Kompromissvorschlag. Da dem leider nicht so
ist, frage ich mich, warum Sie dann nicht die politischen
Vorstellungen Ihrer Fraktion mit dem Antrag einbringen
oder sind sie das etwa schon? Dann hätten Sie wohl doch
besser auf einen Antrag der Kinderkommission warten
sollen! Denn dass sich in einem Antrag der Fraktion der
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rünen die elementaren Forderungen aus der Kinder-
echtscharta nicht konkret und deutlich wiederfinden, ist
ehr als traurig. Stattdessen finden Sie Formulierungen,
ei denen die Bundesregierung unheimlich viel Spiel-
aum in der Ausgestaltung bekommt. Und Sie fordern
inge, die sich dieses Parlament hat aus der Hand neh-
en lassen, nämlich mit der Föderalismusreform I, die
nter anderem die Handlungsmöglichkeiten des Kinder-
nd Jugendhilfegesetzes stark beschneidet und die Kom-
etenzen des Bundes weiterhin schwächt.
In einem anderen Antrag, den Sie auch im Frühjahr
ieses Jahres verfasst haben und in dem es um ein ele-
entares Recht geht, kann man nachlesen: Politik für
inder und Jugendliche kann nur wirksam und glaubhaft
ein, wenn sie eine Politik mit ihnen ist. Dass setzt vo-
aus, dass man das Recht auf Gleichheit und das Recht
uf Partizipation klar und deutlich formuliert. Ich kann
ber leider genau diesen Ansatz in der nötigen Klarheit
ormuliert in Ihrem Antrag zu den Kinderrechten nicht
inden.
Es ist aber genau das Recht auf Teilhabe und Mitbe-
timmung, was diese Grundgesetzänderung so wichtig
acht. Es ist eben genau diese Forderung, die Kindern
rmöglich soll, ihre Bedürfnisse und Forderungen klar
nd deutlich formulieren zu können und die sie in die
age versetzen kann, diesen auch Nachdruck zu verlei-
en. Dies in der Feststellung Ihres Antrags deutlich he-
auszustellen, wäre eine Grunderwartung an die Grünen
on mir gewesen. Es wäre auch eine Grunderwartung
ewesen, dass man der Bundesregierung klar die Aus-
ichtung dessen zeigt, was im Grundgesetz verankert
ein soll. Doch hier bleibt der Antrag verschwommen.
ine klare Position wäre doch gewesen, die konkreten
inderrechte, die Sie verfassungsrechtlich geschützt
issen möchten, im Antrag zu benennen. Stattdessen
olgen Sie der Regierungslogik und werden einzig an ei-
er Stelle konkret, nämlich beim Kindesschutz. Diese
ogik ist aber zu kurz gegriffen. Kinder brauchen ein
emeinwesen, das aktiv Verantwortung für ihr Auf-
achsen übernimmt, das ihre Bedürfnisse erfüllt. Dazu
ber müssen Kinder das Recht auf die Teilhabe an allen
essourcen haben, die dieses Gemeinwesen bietet: also
echt auf Gleichheit! Dazu müssen Kinder und Jugend-
iche auch die Möglichkeit haben, ihre Bedürfnisse zu
rtikulieren und dies an den Orten und Stellen, wo die
ie betreffenden Entscheidungen getroffen werden: also
echt auf Partizipation und Mitbestimmung! Der Antrag
ur Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz ist
in wichtiger und richtiger Ansatz, weil er dem nach-
ommt, was die Kinder in der Bundesrepublik brauchen.
eine Hoffnung ist, dass der Gesetzentwurf den Cha-
akter bekommt, der die Realität der Kinder in unserem
and wirklich zu einer kinderfreundlichen werden lässt.
eine Hoffnung ist, dass es ein Gesetzentwurf im Sinne
er UN-Kinderrechtskonventionen wird. Meine Hoff-
ung ist, dass es in diesem Hause eine Mehrheit gibt,
inder nicht nur als kleine Erwachsene, sondern als ei-
enständige Persönlichkeiten zu betrachten.
Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode 116. Sitzung. Berlin, Freitag, den 21. September 2007 12079
(A) (C)
(B) (D)
Anlage 5
Amtliche Mitteilungen
Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft und
Technologie hat mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß
§ 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Be-
richterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht:
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Tätigkeitsbericht 2004/2005 der Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisen-
bahnen
Bericht nach § 121 Abs. 1 Telekommunikationsgesetz
und § 47 Abs. 1 Postgesetz
und
Sondergutachten der Monopolkommission gemäß § 121
Abs. 2 Telekommunikationsgesetz und gemäß § 44 Post-
gesetz in Verbindung mit § 81 Abs. 3 Telekommunika-
tionsgesetz a. F.
Drucksachen 16/300, 16/413 Nr. 1.5
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung
zu dem Tätigkeitsbericht 2004/2005 der Bundesnetz-
agentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post
und Eisenbahnen
und zu den Sondergutachten der Monopolkommission
Wettbewerbsentwicklung bei der Telekommunikation
2005: Dynamik unter neuen Rahmenbedingungen
sowie
Wettbewerbsentwicklung bei der Post 2005: Beharren
auf alten Privilegien
Drucksache 16/300
Drucksachen 16/1600, 16/1941 Nr. 1.3
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Fünfunddreißigster Rahmenplan der Gemeinschafts-
aufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschafts-
struktur für den Zeitraum 2006 bis 2009
Drucksachen 16/1790, 16/1941 Nr. 1.4
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zum Stand der Doha-
Runde der Welthandelsorganisation
Drucksachen 16/2410, 16/2548 Nr. 1.9
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Dreiunddreißigster Rahmenplan der Gemeinschafts-
aufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschafts-
struktur (GA) für den Zeitraum 2004 bis 2007
Drucksachen 15/2961, 16/480 Nr. 1.4
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Achter Bericht der Bundesregierung über die Aktivitä-
ten des Gemeinsamen Fonds für Rohstoffe und der ein-
zelnen Rohstoffabkommen
Drucksachen 16/3083, 16/3375 Nr. 1.1
Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über neue Entwicklungen
in den Ratsverhandlungen zum Vorschlag für eine Ver-
ordnung des Europäischen Parlaments und des Rates
über die strukturelle Unternehmensstatistik
Drucksachen 16/3959, 16/4248 Nr. 1.2
116. Sitzung
Berlin, Freitag, den 21. September 2007
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5