Gesamtes Protokol
Einen sehr schönen guten Morgen, liebe Kolleginnenund Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt es einiges mit-zuteilen.Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung verein-bart, während der Haushaltsberatungen ab dem11. September 2007 keine Befragung der Bundesregie-rung, keine Fragestunde und auch keine Aktuellen Stun-den durchzuführen. Sind Sie damit einverstanden? – Dasist der Fall. Dann wird so verfahren.Der Ältestenrat ist ebenfalls übereingekommen, beiEU-Vorlagen folgendes Verfahren im Hinblick auf eineÄnderung der Geschäftsordnung zu erproben:Erstens. Bei Unionsdokumenten, die Vorhaben imSinne der Vereinbarung zwischen dem Deutschen Bun-destag und der Bundesregierung über die Zusammen-arbeit in Angelegenheiten der Europäischen Unionentsprechen, wird bei der Vorbereitung der Überwei-sungsentscheidung die Beratungsrelevanz des Doku-ments in Abstimmung mit den Fraktionen bewertet; diesist die sogenannte Priorisierung.Zweitens. Wird die Beratungsrelevanz von keinerFraktion bejaht, unterbleibt eine Überweisung.–aAaRedetDrittens. Es ist vorgesehen, die hiernach nicht über-wiesenen Unionsdokumente nach Unterrichtung desAusschusses für die Angelegenheiten der EuropäischenUnion in der Sammelübersicht gemäß § 93 Abs. 4 unse-rer Geschäftsordnung gesondert auszuweisen.Sind Sie mit der vorgeschlagenen Erprobung einver-standen? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist das sobeschlossen.Die von der Fraktion Die Linke beantragte und heuteals letzter Tagesordnungspunkt vorgesehene AktuelleStunde zur Datenvernichtung bei der Bundeswehr sollentgegen der Ankündigung nicht mehr durchgeführtwerden und entfällt.
Vielleicht können wir ein seelsorgerischeres Gesprächnbieten, wenn es jemand heute Nachmittag ohne diesektuelle Stunde nicht aushalten kann.Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 cuf:a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen der CDU/CSU und der SPD eingebrachtenEntwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderungdes Dritten Buches Sozialgesetzbuch – Verbes-serung der Qualifizierung und Beschäfti-gungschancen von jüngeren Menschen mitVermittlungshemmnissen– Drucksache 16/5714 –Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen der CDU/CSU und der SPD eingebrachtenEntwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderungdes Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Ver-besserung der Beschäftigungschancen vonMenschen mit Vermittlungshemmnissen– Drucksache 16/5715 –extaa) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
– Drucksache 16/5933 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Ralf Brauksiepe
– Drucksache 16/5934 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Michael Lutherraud Lehnlaudia Wintersteinesine Lötzsch HajdukSPD:esineWaltDr. CDr. GAnja
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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardtb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
– zu dem Antrag der Abgeordneten KorneliaMöller, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-KENFür eine Ausweitung und eine neue Qualitätöffentlich finanzierter Beschäftigung– zu dem Antrag der Abgeordneten BrigittePothmer, Markus Kurth, Dr. Thea Dückert,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENArbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren– Drucksachen 16/2504, 16/2652, 16/5495 –Berichterstattung:Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möllerc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales
zu dem Antrag der Abgeordneten
Katrin Kunert, Roland Claus, Katja Kipping, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion der LINKENFreigabe der im Bundeshaushalt einbehalte-nen Mittel der Arbeitsmarktpolitik für dasJahr 2007– Drucksachen 16/4749, 16/5812 –Berichterstattung:Abgeordneter Jörg RohdeZu den Gesetzentwürfen zur Änderung des Zweitenund Dritten Buches Sozialgesetzbuch liegt je ein Ent-schließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.Es ist verabredet, eineinviertel Stunden zu debattie-ren. – Dazu höre ich ebenfalls keinen Widerspruch.Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem demKollegen Klaus Brandner von der SPD-Fraktion dasWort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! Angesichts der guten Arbeits-marktlage fragen sich viele, warum wir uns für eine Job-perspektive und für mehr Unterstützung Jugendlicherauf dem Weg in eine Beschäftigung starkmachen. In derTat, die Arbeitsmarktsituation ist vielversprechend.Die Arbeitslosigkeit geht deutlich zurück. In diesem Jahrgibt es gegenüber dem Vorjahr 712 000 Arbeitslose und350 000 Langzeitarbeitslose weniger. Die Zahl der Er-werbstätigen steigt, die Anzahl der offenen Stellensteigt. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es 600 000 sozial-versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr.Wie wir heute erfahren werden, ist die Bundesagenturfür Arbeit auch finanziell äußerst gut ausgestattet. An-sJsisPbbsQamaBsJIlbbbhknHHdHgdkg1GBJwlwdgkbbEcsBtb
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Auf unserem Weg haben wir viel Bestätigung erfah-ren. Die Wohlfahrtsverbände zum Beispiel, die AWO,die Diakonie, die Caritas, der Deutsche ParitätischeWohlfahrtsverband, und auch der Deutsche Gewerk-schaftsbund haben den Prozess frühzeitig begleitet unduns darin bestärkt, dass die Jobperspektive der richtigeWeg ist. Noch vor einigen Tagen hat sich der Präsidentder Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrts-pflege ausdrücklich für die Initiative bedankt. Das hatuns sehr gefreut, bestätigt und darin unterstützt, diesenWeg konsequent zu gehen.Die Anhörung in dieser Woche hat gezeigt – das willich deutlich sagen –, dass wir richtig liegen. Das steht inkrassem Widerspruch zu dem Nörgeln der Opposition andiesem Gesetzespaket in den letzten Tagen und auch imAusschuss.
Das mag den einen oder anderen enttäuschen. Mich hates nicht enttäuscht, aber es hat gezeigt, dass Sie nicht aufder Seite derjenigen sind, die eine besondere Unterstüt-zung brauchen. Teilen der Opposition geht es anschei-nend nicht darum, den Menschen zu helfen, die eineganz besondere Unterstützung und Achtung in dieserGesellschaft brauchen. Sie verhöhnen die Menschen– zumindest bei der FDP war das klar zu sehen –, indemSadiwhqnMgtGiPSztSmbqVsiwstRddsfrb
Was die Fraktion der Linken und der Grünen gebotenaben, war aus meiner Sicht einmal mehr nicht konse-uent; denn sie sind noch nicht einmal ihrer eigenen Li-ie treu geblieben. Sie mäkeln nur herum und lassen dieenschen im Stich.
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Erst rennen Sie der Re-ierung thematisch hinterher und schieben eigene An-räge nach; dann winden Sie sich durch Ablehnung desesetzes aus der Verantwortung und verabschieden sichm Ergebnis von Ihrer eigenen Initiative. – Frauothmer, es ist so.
ie sagen auf der einen Seite: Wir haben kein Vertrauenum Fallmanagement. Die finanzielle Ausstattung ist na-ürlich, wie immer, viel zu gering. – Auf der andereneite reist die Opposition übers Land und fordert: Wirüssen die Entschuldung dieses Staates schneller voran-ringen. Sie sind da nicht mutig genug und nicht konse-uent genug.
or Ort wollen Sie aber das Füllhorn ausschütten undich als Wohltäter gerieren. Das ist nicht konsequent, dasst widersprüchlich, und das muss hier deutlich gesagterden.
Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die den Men-chen hilft, selbst ihr Geschick zu lenken. Das war rich-ig, und das bleibt richtig. Die Menschen haben einecht auf Teilhabe und gerechte Entlohnung.Wir wissen, wie unsere europäischen Nachbarn mitieser Herausforderung umgegangen sind. Wenn wir unsie Statistiken dazu ansehen, dann erfahren wir ganzchnell, dass dort Erwerbsunfähigkeit völlig anders de-iniert ist. In Deutschland sind 3,1 Prozent der Bevölke-ung im erwerbsfähigen Alter erwerbsunfähig, in Groß-ritannien sind es 6,3 Prozent und in den Niederlanden
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Klaus Brandnersind es sogar 8,8 Prozent. Das heißt, man gibt diesenMenschen keine Perspektive. Man gibt den Menschennur materielle Unterstützung. Man stempelt sie ab. Wirwollen genau das Gegenteil.
Für uns ist wichtig, dass ein Arbeitsplatz und diedamit verbundene Selbstständigkeit erreicht werden.Selbstbestimmtes Leben wird aus unserer Sicht nurdurch Arbeit erreicht. Arbeit ist zentral. Sie fördert dieSelbstachtung und das Selbstwertgefühl. Deshalb wollenwir offensiv an der Initiative arbeiten, Menschen aufdem regulären Arbeitsmarkt eine Jobperspektive zu ge-ben.Wie sieht das konkret aus? Wir haben uns mit der Job-perspektive deutlich gegen den Ausbau des Niedriglohn-sektors entschieden. Das würde auch nur in die Sack-gasse führen. Deshalb wollen wir gesellschaftlichanerkannte Beschäftigungsmöglichkeiten in einer sozial-versicherungspflichtigen Beschäftigung, das heißt mitKranken-, Renten- und Pflegeversicherung. Die Drehtür-effekte, die wir aus der Vergangenheit kennen, wollenwir vermeiden. Deshalb sollen keine Arbeitslosenversi-cherungbeiträge gezahlt werden. Die öffentliche Be-schäftigung für diesen Personenkreis muss alternativlossein. Voraussetzung ist also, dass die arbeitsmarktpoliti-schen Instrumente keine Chancen auf dem Arbeitsmarkteröffnet haben. Nur dann setzen wir das neue Instrumentan.Die Entscheidung darüber, wer zu diesem Personen-kreis gehört, soll der Fallmanager vor Ort treffen. Esgeht uns um Personen, die nach realistischer Erwartunginnerhalb der nächsten 24 Monate keine Chance auf demregulären Arbeitsmarkt haben und schon zwölf Monatearbeitslos waren. Für diejenigen, die wirklich draußenvor der Tür sind, bauen wir also eine Jobperspektive auf.
Bei Handwerkern, in Betrieben, in Integrationsunter-nehmen, also in einem vielfältigen Umfeld, werden dieseBeschäftigungsmöglichkeiten gefunden werden, seienes Hausmeistertätigkeiten, seien es Reinigungsarbeitenoder sei es eine Teilefertigung, so wie sie in vielen Inte-grationsbetrieben schon heute möglich ist. Aber es gibtauch gewerbliche Unternehmen, die aufgrund einer nichtinteressanten Marktausgangssituation Tätigkeiten nichtanbieten, und auch da können für den genannten Perso-nenkreis Jobs organisiert werden.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich denke an Wäschehol- und -bringdienste, an Ein-
kaufsdienste für ältere Mitbürger, die ohne diesen Ser-
vice beispielsweise in solchen Regionen, wo keine öf-
fentliche Nahversorgung mehr gegeben ist, ins Heim
müssten. Es gibt auch im sozialen Umfeld viele Betäti-
gungsfelder, wo Arbeit geleistet werden kann.
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CDU, CSU und SPD werden daher alle arbeits-marktpolitischen Maßnahmen auf den Prüfstandstellen. Das, was sich als wirksam erweist und zurVerbesserung der Beschäftigungsfähigkeit oder zuBeschäftigung führt, wird fortgesetzt. Das, was un-wirksam und ineffizient ist, wird abgeschafft. DieseÜberprüfung soll bis Ende kommenden Jahres– das war 2006 –abgeschlossen sein.
Sie haben das völlig richtig festgestellt: eine Vielzahlunterschiedlichster arbeitsmarktpolitischer Instrumente.Derzeit gibt es einen Zuschuss für Jüngere, einen Zu-schuss für Vermittlungsgehemmte, einen Zuschuss fürLangzeitarbeitslose, es gibt die Initiative „50 plus“, eswird den Kommunalkombi geben.
Es gibt einen Blumenstrauß von Dingen, die im Endef-fekt nichts anderes bewirken, als das Geld anderer Leute,nämlich der Versicherten und Steuerzahler, herauszu-schmeißen, ohne für die Betroffenen eine Integration imersten Arbeitsmarkt zu organisieren.
Ihre Bundesregierung – da schaue ich Herrn Brandneran; denn es war die rot-grüne Bundesregierung – hat ei-nen Evaluierungsbericht in Auftrag gegeben, der vonder jetzigen Bundesregierung, der schwarz-roten, vorüber einem Jahr in Empfang genommen worden ist undseitdem in den Schubladen liegt. In diesem sogenanntenEvaluierungsbericht steht, dass die arbeitsmarktpoliti-schen Instrumente den Betroffenen weitgehend nicht nurnicht helfen, sondern ihnen auch noch schaden, weil siestigmatisiert werden.
Diejenigen, die in diesen Maßnahmen vermeintlich ge-fördert werden sollen, verharren in der Arbeitslosigkeit,wohingegen diejenigen, die nicht in den Genuss der För-derung gekommen sind, sich schon im nächsten Be-schäftigungsverhältnis befinden. Das muss Ihnen docheinmal die Augen öffnen. Hören Sie doch endlich aufmit Ihrer Arbeitsverweigerung und setzen Sie Ihren eige-nen Evaluierungsbericht um.Entzerren Sie die arbeitsmarktpolitischen Instru-mente!
Fördern Sie das, was zu einer Integration in den Arbeits-markt führt! Unterstützen Sie die Menschen, meinetwe-gen durch Garantie eines Mindesteinkommens, ohnedämliche Diskussionen über Mindestlöhne zu führen!wwSMzmrwslwdbndirswhhSdhpBwrgdtidhensb
Herr Niebel, ich wollte Sie nicht unterbrechen, weil
ie so in Fahrt waren. Jetzt tue ich das aber gerne.
öchten Sie denn die Zwischenfrage des Kollegen Weiß
ulassen?
Sehr gerne, sofern Sie die Uhr anhalten, die im Mo-
ent noch weiterläuft.
Das mache ich dann auch noch.
Herr Kollege Niebel, haben wir hier im Plenum eben
ichtig gehört, dass Sie das Wort „stigmatisieren“ ver-
andt haben? Wollten Sie nicht eher „entstigmatisieren“
agen? Bei dem Programm Jobperspektive geht es näm-
ich um die Gruppe von Menschen, denen zum Beispiel
egen psychischer Krankheit, Suchtkrankheit oder an-
erer Beschwernisse derzeit von Arbeitgebern oder Ar-
eitsvermittlern gesagt wird: Eigentlich können wir euch
icht gebrauchen. – Diese Menschen sind stigmatisiert.
Jetzt schaffen wir endlich für diesen Personenkreis,
er übrigens auf 100 000 Personen beschränkt ist – das
st angesichts von 3,6 Millionen Arbeitslosen eine ge-
inge Zahl –, ein Programm, mit dem wir diese Men-
chen von ihrer Stigmatisierung befreien wollen. Wir
ollen sie entstigmatisieren und ihnen sagen: Auch ihr
abt ein Recht und die Chance, Arbeit zu finden, und wir
elfen euch dabei.
Ich bitte Sie, Ihre Wortwahl zu ändern, also nicht von
tigmatisierung, sondern von Entstigmatisierung zu re-
en; denn um Letzteres geht es.
Herr Kollege Weiß, Sie haben völlig richtig gehört: Ichabe davon gesprochen, dass die Masse der arbeitsmarkt-olitischen Instrumente, die im Evaluierungsbericht derundesregierung – nicht der bösen Opposition – bewerteturden, die Arbeitslosen stigmatisiert. Gemäß diesem Be-icht führen die Maßnahmen nämlich nicht zu einer Inte-ration in den Arbeitsmarkt, zu einem Herauslösen auser Arbeitslosigkeit, sondern zu einer dauerhaften Verfes-gung der hohen Sockelarbeitslosigkeit. Die Tatsache,ass ein Bewerber an diesen Maßnahmen teilgenommenat, erweckt bei den Arbeitgebern, die diese Menscheninstellen sollen, das Gefühl: Bei dem stimmt doch etwasicht; denn er ist von einer Maßnahme in die nächste ge-chickt worden.Diese Stigmatisierung durch Ihre gutgemeinte Ar-eitsmarktpolitik, die zu keinem guten Ergebnis führt,
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Dirk Niebelmüssen wir verhindern, wenn wir Menschen dauerhafthelfen wollen. Deswegen sage ich: Ja, Ihre Politik stig-matisiert und grenzt aus, Ihre Politik führt zu Freiheits-beraubung;
denn Arbeitslosigkeit in einer arbeitsteiligen Gesell-schaft ist Freiheitsberaubung, weil Teilnahmechanceneingeschränkt werden. Deswegen brauchen wir eine ver-nünftige Arbeitsmarktpolitik, bei der der Mensch imMittelpunkt steht.
Nichtsdestotrotz danke ich Ihnen herzlich für IhreNachfrage.Ich möchte gerne einen weiteren Punkt herausstellen,der mir wichtig ist: Es stimmt natürlich, dass viele Bun-desländer ihrem Bildungsauftrag nicht nachgekommensind. Deswegen ist die FDP der Überzeugung, dass esnotwendig ist, diesen jungen Menschen einen besserenEinstieg zu ermöglichen. Wir werden uns bei der Ab-stimmung über diese Vorlage allerdings der Stimmeenthalten, weil das nicht die Aufgabe der Arbeitslosen-versicherung ist. Wenn die Bundesländer ihrem Bil-dungsauftrag nicht ausreichend nachkommen, ist es einegesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dassjunge Menschen Einstiegsmöglichkeiten erhalten. Es istfalsch, wieder einmal, wie hier geplant, neue Verschie-bebahnhöfe zu errichten, zulasten der Arbeitslosenversi-cherung, also zulasten der Arbeitnehmer und Arbeitge-ber, die sie zu finanzieren haben.Ich möchte eines deutlich sagen: Sie wollten das ei-gentlich auch nicht. Ich zitiere aus der letzten Rede desKollegen Göhner vom gestrigen Tage:Wir wollen die Beiträge zur Arbeitslosenversiche-rung senken, versicherungsfremde Leistungen inNürnberg durch Steuern finanzieren … Das Gegen-teil dieser richtigen Strategie wäre, Beiträge aus derKasse in Nürnberg in den Bundeshaushalt umzulen-ken – und das auch noch mit der Begründung, ein-deutig versicherungsfremde Leistungen durch lohn-bezogene Beiträge finanzieren zu wollen.Der Kollege Göhner hat völlig Recht. Es ist schade,dass mit dem Weggang des Kollegen Göhner aus diesemParlament ein großer Teil des wirtschaftspolitischenSachverstandes der Unionsfraktion verloren geht.
Wir werden versuchen, das von liberaler Seite auszuglei-chen und dafür zu sorgen, dass der Bundesfinanzminis-ter seine Hamsterbacken nicht mit den Geldern der Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer füllt, sondern dasser seinen Haushalt in Ordnung bringt. Das wird in dernächsten Zeit unsere Aufgabe sein. Darüber werden wirin der Sommerpause und danach hier in diesem Hausediskutieren.Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeord-ete des Deutschen Bundestages! Wir alle wissen, dassie Situation am Arbeitsmarkt so gut wie seit vielen Jah-en nicht mehr ist. Der Aufschwung der Wirtschaft undes Arbeitsmarktes schreitet voran. Die gute konjunktu-elle Entwicklung schafft – wir sehen das an den Ar-eitsmarktzahlen – zusätzliche sozialversicherungs-flichtige Beschäftigung. Wir alle sollten uns freuen,ass beim Abbau der Arbeitslosigkeit vor allen Dingenie sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wächst.n den vielen Jahren, in denen ich hier im Bundestag ar-eitsmarktpolitische Reden gehalten habe, hatten wir ei-entlich immer einen Abbau der sozialversicherungs-flichtigen Arbeitsplätze zu verzeichnen. Jetzt werdenie einfach wieder mehr, und das ist gut so.
Ich glaube, dass zu dieser Entwicklung sehr vieleenschen in Deutschland beigetragen haben. Das waricht nur eine Leistung der Wirtschaft. Das war vor alleningen auch eine Leistung der Arbeitnehmerinnen undrbeitnehmer, die über viele Jahre mit sehr maßvollenohnabschlüssen und mit einer Erhöhung der Arbeitszeitesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen haben.
Ich finde es schön, dass wir heute eine arbeitsmarkt-olitische Debatte führen können, während bei der Bun-esagentur für Arbeit 460 000 offene Stellen gemeldetind, die besetzt werden können. Wir haben hier ein er-ebliches Potenzial, Menschen in Arbeit zu bringen.Wir haben auf dem deutschen Arbeitsmarkt aber auchin großes strukturelles Problem: Das ist das Thema derangzeitarbeitslosigkeit. Rund 2,5 Millionen der regis-rierten Arbeitslosen sind im SGB II. Das Thema Ar-eitsmarktpolitik spielt sich im SGB II ab, nicht mehr imGB III. 68 Prozent der Arbeitslosen in Deutschlandind nicht mehr in der Arbeitslosenversicherung, son-ern sind in einem steuerfinanzierten Grundsicherungs-ystem, das wir SGB II nennen. Im Übrigen ist eseswegen gar keine so tolle Leistung, dass die Bundes-gentur für Arbeit andauernd die Beiträge senken kann;ie hat nicht einmal mehr ein Drittel der Arbeitslosen zuerwalten und zu finanzieren. Auch das ist die Wahrheit.
er Rest ist eine allein steuerfinanzierte Angelegenheit,owohl was die Arbeitsmarktpolitik angeht wie auch was
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Minister Karl-Josef Laumann
die Unterhaltssicherung für die betroffenen Menschenangeht.Das Ausmaß dieser Entwicklung sieht man daran,dass in Deutschland so viele im SGB II sind. Jeder, dersich mit Arbeitsmarktpolitik in der Administration be-schäftigt, weiß, dass es eine starke Tendenz dazu gibt,dass sich Langzeitarbeitslosigkeit insbesondere bei Men-schen, die mehrere Vermittlungshemmnisse haben,zementiert. Deswegen glaube ich, dass es eines unter-nehmensnahen Integrationsansatzes in der Arbeitsmarkt-politik bedarf.Warum ist das so? Wir haben uns damals, als wir dieHartz-Gesetze gemacht haben, nun einmal entschieden,dass wir Menschen, die drei Stunden täglich erwerbsfä-hig sein können, unter den allgemeinen Bedingungendes Arbeitsmarktes für arbeitsfähig erklären. Dies ist– das ist nachweisbar – in vielen europäischen Ländernanders. Die Niederlande haben gut 7 Prozent der Men-schen in der Erwerbsunfähigkeit, die Engländer rund7 Prozent, die Dänen 7 Prozent und bei den über 55-Jäh-rigen sogar 13 Prozent. Wir haben in Deutschland ganze4 Prozent der Menschen, die im erwerbsfähigen Altersind, in der sogenannten Erwerbsunfähigkeitsrente.Wenn man das Ausmaß der Arbeitslosigkeit in einerGesellschaft ermitteln will, dann muss man nach meinerMeinung die Quote der Erwerbsunfähigkeit plus dieQuote der Menschen, die in einer Grundsicherung sind,plus die Quote der Menschen, die arbeitslos sind, eigent-lich zusammenzählen.
Sonst kommt man zu keinem fairen Vergleich. Wennman das tut, dann sieht der Arbeitsmarkt in Deutschlandübrigens gar nicht so viel anders aus wie etwa der Ar-beitsmarkt in Holland oder in England. Das ist die Wahr-heit; das sehen Sie, wenn Sie die drei genannten Fakto-ren in diesen Ländern zusammenzählen.
Ich sage ganz offen: Ich halte die Grenze mit den dreiStunden Erwerbsfähigkeit pro Tag für problematisch,weil wir in der Rentenversicherung in der Frage, ob je-mand eine Erwerbsunfähigkeitsrente bekommt, immernoch die konkrete Betrachtungsweise haben.
Das heißt, dass nicht nur die Frage, ob jemand drei Stun-den arbeiten kann, entscheidend dafür ist, ob er eine Er-werbsunfähigkeitsrente bekommt, sondern gleichzeitigbedacht wird, ob mit seiner Behinderung eine reelle undreale Vermittlungschance besteht. Mittlerweile werdenin Deutschland über zwei Drittel der Erwerbsunfähig-keitsrenten aufgrund der konkreten Betrachtungsweiseentschieden. Diese Möglichkeit gibt es im SGB II abernicht. Deswegen gibt es einige Arbeitslose, die nach demSGB II gefördert werden und von den Argen bzw. denOptionskommunen betreut werden, für die gilt: DieKonjunktur kann laufen, wie sie will, sie haben keine re-elle Chance, in den regulären ersten Arbeitsmarkt einge-gliedert zu werden.NdsiDtsevingfkhknwadBdhsIgadabdKlsbgnWbznd
Gerne.
Bitte schön.
Herr Minister, lieber Karl-Josef, würdest du mir zu-timmen, dass die Förderung des Kindes, das du geradeeschrieben hast – wir wollen es genauso fördern –, eineesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, weil dieses Kindiemals in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat?ürdest du mir zustimmen, dass die Beiträge der Ar-eitnehmerinnen und Arbeitnehmer die falsche Finan-ierungsgrundlage sind? Würdest du bitte zur Kenntnisehmen, dass sich die FDP bei der Abstimmung überiesen Antrag enthält, weil das eine Aufgabe ist, die über
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Dirk NiebelSteuern zu finanzieren ist? Wir haben inhaltlich keineandere Überzeugung. Die Frage ist, wer das zu zahlenhat. Wir wollen die Beiträge senken. Das habt ihr im Üb-rigen in eurem Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wirwollen dafür sorgen, dass Arbeit billiger wird und dassgesamtgesellschaftliche Aufgaben auch von der gesam-ten Gesellschaft finanziert werden.
Verehrter Kollege Niebel, lieber Dirk, ich will dir nursagen: Genau das tun wir. Das Programm zur Förderungder Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen mit schwe-ren Vermittlungshemmnissen wird über Steuern finan-ziert; denn das ist Teil des SGB II und hat nichts mit derArbeitslosenversicherung zu tun.
Wir reden ausschließlich über ein Programm, das überdas SGB II geregelt wird und damit zu 100 Prozent überSteuern finanziert wird. Die Arbeitslosenversicherunghat damit nichts zu tun. Das ist die Wahrheit. Deswegenkönnen Sie sich jetzt hinsetzen und dem Gesetz zustim-men.
Sie möchten keine zweite Frage zulassen?
Nein, ich habe es ja erklärt.
– Ich rede aber jetzt über das Gesetz zur Vermittlung vonLangzeitarbeitslosen. Der Bereich, den ich angesprochenhabe, ist ausschließlich steuerfinanziert.
Ich bin fest davon überzeugt, dass wir diese Arbeits-plätze bekommen werden. Ich freue mich darüber, weildamit ein weiterer Punkt – das ist ganz wichtig – verbun-den ist: So gut ich persönlich Behindertenwerkstättenfinde, auf der anderen Seite bedeuten sie genau das Ge-genteil von Integration von Behinderten in den Ar-beitsmarkt.
Denn es sind Sondereinrichtungen. Wir können dochnicht einen großen Teil der Menschen, die Handicaps ha-bkdzvTsuswbuMgawnsaWflWsbHgfdmkS2dDvdwkwbsdgD
Deswegen ist es richtig, zu sagen: Wir versuchen,iese Menschen in ein ganz normales Arbeitsverhältnisu bringen. Das Wichtige daran ist ja nicht nur das Geld-erdienen, sondern wichtig ist auch, einen strukturiertenagesablauf und einen Grund zu haben, morgens aufzu-tehen. Wichtig ist auch, dass man Arbeitskolleginnennd Arbeitskollegen hat, die mitten in der Gesellschafttehen. Wenn man dann einmal im Dorf oder der Stadt,o man lebt, zu einem Fest geht, kennt man dort Ar-eitskollegen, mit denen man zusammenstehen und sichnterhalten kann. Darum geht es doch auch in diesemenschenleben und nicht nur darum, dass man ausge-liedert ist.
Deswegen bin ich froh, dass es durch die Änderungs-nträge der Union und der SPD möglich geworden ist,as das Arbeitsministerium – ich meine das in Berlin,icht das in Düsseldorf – leider am Anfang nicht vorge-chlagen hatte, nämlich dass diese Arbeitsplätze nichtusschließlich bei der öffentlichen Hand und bei denohlfahrtsverbänden entstehen sollen. Denn das wärealsch. Diese Arbeitsplätze müssen auch in ganz norma-en Betrieben entstehen.
enn man sich eine Schule für Lernbehinderte ansieht,tellt man fest: Nicht jeder Mensch ist für einen Sozial-eruf geboren. Es gibt auch Menschen, die mit ihrenänden einmal richtig etwas anpacken müssen. Deswe-en brauchen wir diese Arbeitsplätze schlicht und ergrei-end auch in der regulären Wirtschaft.
Ich möchte, dass wir auf Grundlage dieses Gesetzesemnächst als Arge oder als Optionskommune zu einemittelständischen überschaubaren Unternehmen sagenönnen: Wenn du denjenigen einstellst und ihm protunde 3 Euro zahlst, dann geben wir 3 Euro, oder,50 Euro oder 4 Euro dazu. Dieser Mensch arbeitetann zum Beispiel in einer Schreinerei und räumt da auf.ann hat er normale Arbeitskollegen. Ich werde ihnenoraussagen, dass dieser Mensch nach einiger Zeit auchabei sein wird, wenn an einer Maschine etwas gemachterden muss. Irgendwann wird ein Kollege fehlen, dannommt er mit auf den Bau, wo die Fenster eingesetzterden müssen. Ich sage Ihnen: Es wird Menschen ge-en, die werden nach einigen Jahren sogar Fenster ein-etzen können. Denn ich bin ganz fest davon überzeugt,ass es Menschen gibt, die die Welt nicht theoretisch be-reifen, sondern praktisch und über die Hände.
eswegen finde ich, dass wir das so machen sollten.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11279
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Minister Karl-Josef Laumann
Jetzt sagt die PDS, dass das alles viel zu wenig sei.Was seien denn 100 000 Jobs?
Eines habe ich in den letzten Jahren in der Arbeitspolitikgelernt: Man sollte im Zusammenhang mit so großenZahlen bescheiden sein. Das große Problem von PeterHartz ist ja nicht, dass er jetzt vorbestraft ist.
– Ich finde es schon ein bisschen problematisch, dass einSozialgesetz in Deutschland, das für so viele MenschenBedeutung hat, nach einem Vorbestraften benannt wor-den ist.
Das Problem von Peter Hartz ist vor allen Dingen,dass er immer sofort von Hunderttausenden von Arbeits-plätzen gesprochen hat, wenn er eine Maßnahme be-schrieben hat. Meine Erfahrung als Arbeitsmarktpoliti-ker ist, dass man viele Instrumente braucht, mit denenman immer nur Teile erreicht. Wenn wir uns im Bundvorgenommen haben, bis zum Ende der WahlperiodeHunderttausend solcher Jobs zu schaffen, dann bedeutetdas für Nordrhein-Westfalen, dass wir etwa 20 000schaffen müssen. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wirdiese 20 000 vernünftig hinbekommen wollen, dann ha-ben wir genug zu tun. Denn diese Jobs liegen nicht aufder Straße. Dabei muss eine Menge Überzeugungsarbeitgeleistet werden.
Ich möchte gerne einen zweiten Punkt ansprechen.Ich finde, die Bundesregierung und die Bundestagsfrak-tionen sollten einmal über den 1-Euro-Job nachdenken.Der 1-Euro-Job ist ein gutes Instrument, um zu testen, obein Mensch dem Arbeitsmarkt überhaupt zur Verfügungsteht. Der 1-Euro-Job, so wie ich ihn in Nordrhein-West-falen wahrnehme – wir haben 56 000 –, ist in der Regelein Angebot der Argen und der Optionskommunen anMenschen, die unbedingt eine Arbeit haben wollen. Sienehmen dann zum Beispiel eine Stelle in einer Pflege-einrichtung an und haben die Hoffnung, dass sie, wennsie sich gut verhalten, dortbleiben können. In Wahrheitsteht am ersten Arbeitstag schon fest, dass sie nicht blei-ben können.
Jetzt sagen die Träger: Wieso soll ich denn Kombi-löhne machen, wenn ihr mir diese guten 1-Euro-Jobberschickt und mir auch noch Geld gebt, damit ich sie über-haupt nehme? Damit kann kein Kombilohn konkurrie-ren, bei dem wir einen gewissen Beitrag der Arbeitge-berseite erwarten.
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eswegen ist die im Kombilohnmodell vorgeseheneegelung, dass ein Teil des Lohnes auf jeden Fall vomrbeitgeber gezahlt werden muss, richtig.
as hat mit der Wertschätzung der Arbeit zu tun.Unsere Lösung sieht vor, dass die Förderung bis zu5 Prozent ausmachen darf und über die Leistungsfähig-eit immer individuell entschieden werden kann. Ichinde, dass wir mit dieser Regelung ein ganz gutesnstrument geschaffen haben. Für einen Teil der Men-chen haben wir gemeinsam dafür gesorgt, dass nichtehr allein die wirtschaftliche Entwicklung darüber ent-cheidet, ob sie am Arbeitsleben teilhaben. Ich denke,ir werden es schaffen, sie in den ersten Arbeitsmarktu integrieren.Ich sage auch: Wenn in Kürze die Entscheidung desundesverfassungsgerichts vorliegt – der Landkreistagöchte, dass die Frage der Argen und der Optionskom-unen geprüft wird –, müssen wir uns mit der Verwal-ung des SGB II beschäftigen.
Es ist eine Zunahme der Zahl der Klagen zu verzeich-en. Bei Widersprüchen beträgt die Bearbeitungszeitier Monate. In 30 Prozent der Fälle bekommen dieenschen mit ihren Klagen voll oder teilweise recht.ine Behörde, die Bescheide erlässt, die zu 30 Prozentiner gerichtlichen Prüfung nicht standhalten, hat einroblem.
ieses Problem dürfen wir nicht ignorieren. Wenn wir esgnorieren, helfen wir damit nur der Linkspartei, aber aufeinen Fall den betroffenen Menschen.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Ich sage uns vo-aus: Wir werden, was das SGB II angeht, nie Ruhe be-ommen, wenn wir nicht für die Menschen, die gut ver-ient und Steuern und Beiträge gezahlt haben, höhereermögensfreigrenzen für die Alterssicherung ein-ühren.
ass man diesen Menschen bis auf einen Freibetrag bisu 16 000 Euro – das entspricht einer Monatsrente von0 Euro – alles wegnimmt, das ist und bleibt eine Unge-echtigkeit. Die Anträge, die die Union damals gestellt
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11280 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007
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Minister Karl-Josef Laumann
hat, zielten in eine andere Richtung. Jetzt sollten wir dieChance nutzen, dies zu revidieren.Schönen Dank.
Jetzt hat Katja Kipping das Wort für die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da dieCDU/CSU die durchaus berechtigte Kritik von HerrnLaumann an den Hartz-Gesetzen beklatscht hat,
frage ich mich, warum Sie nicht dazu beitragen, dieHartz-Gesetze rückgängig zu machen, sondern sich imGegenteil sogar an ihrer Verschärfung beteiligen.
Sie erinnern sich sicherlich noch an eine Debatte, diewir in diesem Haus Ende März dieses Jahres über einenAntrag der Linksfraktion geführt haben.
Darin ging es um innovative Arbeitsmarktprojekte. DerCDU-Redner Herr Rauen verteufelte die öffentlich ge-förderte Beschäftigung damals als Neuauflage derABM-Maßnahmen,
die – so der Redner der CDU – in Zeiten des Auf-schwungs nicht notwendig seien.
Ich nehme erfreut zur Kenntnis, dass Sie die Lagejetzt etwas anders einschätzen. Inzwischen sind wir unseinig: Der Aufschwung kann die Situation der Langzeit-erwerbslosen nicht wesentlich verbessern. Daraus folgt:Gezielte öffentlich geförderte Beschäftigung ist drin-gend notwendig.
So weit sind wir uns einig.Bei der konkreten Ausgestaltung trennen sich unsereWege jedoch:Erstens. Sie wollen nur 100 000 Stellen schaffen.Unser Antrag hingegen zielt auf die Schaffung von500 000 Stellen.cfzBkigöluVwFIvcsbLPaaeFsdctBezasdCgIWgzdd
Zweitens. Ihr Modell sieht keine Arbeitslosenversi-herung vor. Das heißt, wenn die Förderung ausläuft,allen die Leute automatisch in den Bezug von Hartz IVurück. Wir meinen jedoch, auch öffentlich geförderteeschäftigung muss sozialversicherungspflichtig sein.
Drittens. Das Modell von CDU/CSU und SPD siehteinen Mindestlohn vor. Da der Zuschuss begrenzt ist,st zu befürchten, dass vor allem Jobs zu Hungerlöhneneschaffen werden. Die Linke hingegen meint: Auch beiffentlich geförderter Beschäftigung muss ein Mindest-ohn von wenigstens 8 Euro pro Stunde gezahlt werden.
Die Koalition setzt bei der Vermittlung auf Zwangnd Sanktionen. Ich meine dagegen, eine erfolgreicheermittlung und Beratung sollte dem Prinzip der Frei-illigkeit folgen und durch gegenseitigen Respekt vonallmanager und Erwerbslosem geprägt sein. Alle neuennstrumente, auch die, die Sie in Ihrem Gesetzentwurforschlagen, sind sanktionierbar. Das heißt, wer ein sol-hes Angebot ablehnt, dem wird automatisch der Regel-atz gekürzt, in 30-Prozent-Schritten.Es kann aber gute Gründe dafür geben, mal ein Ange-ot abzulehnen: Stellen Sie sich beispielsweise vor, einangzeiterwerbsloser, der sich ehrenamtlich in einemrojekt engagiert, das für ihn sehr sinnvoll ist, bekommtusgerechnet in dem Moment, wo das Projekt in seinerrbeitsintensivsten Phase ist und er fest eingebunden ist,ine Stelle angeboten. Eine Stelle, die gar nicht seinenähigkeiten entspricht, zum Beispiel dass er mit einerpeziellen Mütze versehen jeden Tag mehrere Stundenurch die Stadt laufen soll, damit ihn Touristen anspre-hen und nach dem Weg fragen können – was im güns-igsten Fall zwei Mal die Woche passiert. Ein weitereseispiel: Stellen Sie sich vor, es wird eine Stelle beiinem örtlichen Schützenverein geschaffen, um Schüt-enfeste vorzubereiten, und derjenige, der diese Stellengeboten bekommt, ist aber überzeugter Pazifist. Dasind nur zwei Beispiele, die zeigen: Die Repressionen,ie Sie eingeführt haben, müssen weg.
Ich fasse zusammen: Wir freuen uns, dass sich auchDU/CSU und SPD endlich dem Thema der öffentlicheförderten Beschäftigung zuwenden. Wir können aberhren Gesetzentwürfen nicht zustimmen.
ir streiten nämlich für öffentlich geförderte Beschäfti-ung, die erstens sozialversicherungspflichtig ist, dieweitens dem Prinzip der Freiwilligkeit folgt und dierittens an einen Mindestlohn gekoppelt ist.
Den jungen Menschen, die verzweifelt einen Ausbil-ungsplatz suchen, ist mit den Qualifizierungsangebo-
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Katja Kippingten, die in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen sind, nichtgeholfen.
Vielmehr muss endlich eine Ausbildungsplatzabgabeeingeführt werden.
Es geht doch nicht an, dass sich ausgerechnet die großenUnternehmen vor ihrer gesellschaftlichen Verantwor-tung, auszubilden, drücken. Deswegen fordern wir Sieauf: Wenn Sie dieses Problem wirklich angehen wollen,beteiligen Sie sich mit uns daran, eine Ausbildungsplatz-abgabe einzuführen! Das hilft den jungen Menschen, dieverzweifelt einen Ausbildungsplatz suchen.Besten Dank.
Jetzt spricht Brigitte Pothmer von Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrLaumann, ich weiß nicht, ob wir es jetzt mit einem Pro-blem Ihres Kurzzeitgedächtnisses zu tun haben. Aber so-weit ich informiert bin, waren Sie doch derjenige, der dieBedingungen für das SGB II verhandelt hat, nächtelangdagesessen hat und sich insbesondere in der Frage derAltersvorsorge stur gestellt hat.
Aber so ist das wohl mit den Gedächtnisleistungen vonPolitikern; das soll ja häufiger vorkommen.
Herr Niebel, ich würde gerne ein paar Sätze an Sierichten. Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass das Pro-blem der Langzeitarbeitslosigkeit ein Problem ist, dasinzwischen seit ungefähr 30 Jahren, also auch zu ZeitenIhrer Regierungsverantwortung, gewachsen ist.
Nach jedem Konjunkturaufschwung haben wir
mehr Langzeitarbeitslosigkeit gehabt als vorher.
Deswegen – das will ich hier ganz deutlich sagen – binich froh, dass die Koalition jetzt den Weg frei macht füreinen sozialen Arbeitsmarkt. Das begrüßen wir aus-drücklich, weil damit die Anerkennung der Tatsache ver-bunden ist, dass es eben eine Gruppe von ArbeitslosengCBlCrePSfdDgEnsmpcDtJdlSEdSFgwDau
s gab die Kritik, dass dieses Programm unflexibel ist.
Die Förderhöchstgrenze von 75 Prozent ist in einzel-en Fällen einfach ein Fehler. Der Qualifizierungszu-chuss ist bei weitem zu starr.Ich komme zur Finanzierung. Warum in Gottes Na-en haben Sie nicht die Möglichkeit eröffnet, aktive undassive Leistungen gegenseitig deckungsfähig zu ma-hen?
as ist das Instrument, das wir in der Arbeitsmarktpoli-ik wirklich brauchen.
etzt soll es aus dem Integrationsbudget gefördert wer-en. Ich habe im Haushaltsentwurf nachgesehen; zusätz-iche Mittel sind dafür nicht eingestellt. Jetzt versuchenie folgenden Trick: Sie sagen, es seien 6,4 Milliardenuro eingestellt, und versprechen uns im Ausschuss,ass für 1 Milliarde Euro – so wie im Jahr 2007 – keinperrvermerk daraufgelegt werden soll. Ihr Motto ist:eiern Sie uns bitte dafür, dass wir Ihnen etwas wieder-eben, was wir Ihnen vorher weggenommen haben. Fürie blöd halten Sie uns eigentlich?
iese Feier machen wir nicht mit.
Der wirkliche arbeitsmarktpolitische Sündenfall istber, dass Sie im Nachhinein noch die jungen Menschennter 25 Jahren in dieses Programm hineingenommen
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Brigitte Pothmerhaben. Damit haben Sie das Ziel, jungen Leuten überQualifizierung und Ausbildung eine wirkliche Perspek-tive zu geben, endgültig aufgegeben.Ich will noch etwas zum Qualifizierungszuschusssagen, den Sie hier so feiern. Dieser Qualifizierungszu-schuss hat mit Qualifizierung leider herzlich wenig zutun.
Er ist nichts anderes als ein Lohnkostenzuschuss, der dieLeute in einen geförderten Arbeitsmarkt bringt – undzwar ohne eine wirkliche Qualifizierung und damit auchohne eine wirkliche Perspektive. Sehenden Auges wer-den diese jungen Leute zu einem Teil der Hochrisiko-gruppe des deutschen Arbeitsmarktes, der Ungelernten,gemacht. Ungelernte – das wissen Sie genauso gut wieich – haben um rund ein Drittel schlechtere Chancen aufdem ersten Arbeitsmarkt. Diese Politik bietet den jungenLeuten überhaupt keine Perspektive. Zwei Drittel allerALG-II-Empfänger in diesem Alter haben keine Ausbil-dung. Daran ändern Sie mit diesem Programm rein garnichts!
Wir reden in Deutschland über den Fachkräfteman-gel, und Sie sagen zur Zuwanderung: „Njet“. Wenn Siekeine Zuwanderung wollen, müssten Sie doch wenigs-tens in Qualifizierung investieren. Wenn Sie aber beidesnicht machen, laufen Sie Gefahr, den Konjunkturauf-schwung abzubremsen. Das bringt keine Perspektiven,auch nicht für die Ungelernten.
Insgesamt vermisse ich in der Arbeitsmarktpolitikeine schlüssige Strategie und ein schlüssiges Konzept.Ich finde es nicht richtig, dass Sie das Geld, das auf-grund des Aufschwungs jetzt zusätzlich zur Verfügungsteht, von einem Sonderprogramm ins nächste bewe-gen und es damit für überflüssige Arbeitgeberzuschüsseausgeben. Dahinter steht kein Plan, das hat keine Per-spektive. Mein Eindruck ist, dass alle Beteiligten dieserGroßen Koalition sich einen Skalp an ihren Gürtel hän-gen wollen und hängen müssen. Das führt dazu, dass eseine Flut von Gesetzesvorlagen gibt, die dann von denBeschäftigten in den Arbeitsagenturen umgesetzt wer-den sollen und ausgebadet werden müssen.Allein in diesen beiden Gesetzentwürfen, die Sieheute vorgelegt haben, sind – konservativ gezählt – vierneue Instrumente vorhanden. Zwei neue Instrumentesind schon wieder in der Pipeline: der Azubizuschussund der Kommunalkombi. Sie hatten sich – da hat HerrNiebel an einer Stelle einmal recht – selbst einmal aufdie Fahnen geschrieben, die Anzahl dieser Instrumentezu reduzieren. Derzeit machen Sie das genaue Gegenteil.Strukturelle Reformen wären besser als ein solcherKombilohn-Wirrwarr. Die OECD hatte Deutschland insStammbuch geschrieben, dass wir die SozialabgabenidgwbWhstdgdwsrsdwAdeIhthdnsItkanivDlC
ch will Ihnen noch etwas sagen: Wir müssen die Haus-alte des Bundes und der Bundesagentur konsequen-er voneinander trennen.Herr Laumann, nach dem, was Sie hier vorgetragenaben, würde es mich einmal interessieren, was Sie zuer Absicht des Bundesfinanzministers sagen, dort jetztoch einmal 5 Milliarden Euro als Raubritter abzukas-ieren.
ch sage es einmal so: Sie haben hier doch gerade vorge-ragen, dass die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosig-eit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und somituch steuerfinanziert werden soll. Wenn der Finanzmi-ister jetzt noch einmal 5 Milliarden Euro abgreift, dannst das doch genau das Gegenteil dessen, was Sie hierorgeschlagen haben.
ann hätten wir uns die Zusammenlegung von Arbeits-osenhilfe und Sozialhilfe doch ersparen können.
Der Finanzminister stellt sich hin und sagt: I loveash. – Ich glaube, er meint: I love Crash.
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Brigitte PothmerEr fährt hier doch einen Crashkurs. Ich würde mich je-denfalls freuen, wenn Sie sich hierüber einmal auseinan-dersetzen würden.
Ich prophezeie Ihnen: Wenn diese gute Konjunktureine Pause einlegt – und sie wird eine Pause einlegen –,dann werden Sie sich an den Kopf fassen und feststellen,dass Sie strukturell nichts verbessert haben und dass dieneuen Probleme die alten Probleme sind.
Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Ich will Ihnen sagen: Wenn Frau Merkel und Herr
Müntefering zu Tisch rufen, dann sind die Teller für die
leer, die wir hier heute in den Fokus gestellt haben.
Einmal chancenlos, immer chancenlos. Mit Ihren heuti-
gen Beschlüssen beheben Sie die Ausgrenzung der Ju-
gendlichen und Langzeitarbeitslosen nicht wirklich.
Deswegen stimmen wir auch dagegen.
Ich danke Ihnen.
Jetzt hat der Kollege Franz Thönnes für die Bundesre-
gierung das Wort.
F
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!So ist das im Leben: Die einen wollen immer mehr, dieanderen wollen es ganz anders. Dann gibt es auch nochwelche, die glauben, dass der Markt das alles ganz al-leine richtet. Das ist nicht so.
Es geht darum, etwas zu tun.Wir reden hier über Chancen. Es geht um die Chan-cen der Menschen, die bislang aus strukturellen Gründennicht am Aufschwung teilhaben. Es geht darum, diesenjetzt Chancen zu verschaffen.
Das tun wir mit beiden Gesetzentwürfen, bei derenErstellung wir uns auf die guten Ergebnisse der Arbeits-gruppe in der Koalition konzentriert haben. Wir wollenChancen für Menschen schaffen, die bislang kaum dieMöglichkeit hatten, in Arbeit zu kommen oder eine Aus-bildung zu erhalten. Ich glaube, es ist ganz wichtig, zusagen, dass die jungen Menschen hier im Mittelpunktstehen, die seit langem arbeitslos sind und bei denen esbebg6DgwzunsezdVgntSsAuurWgm3sosbz5tdwzasDspddzAKgrg
Die jüngeren Arbeitslosen profitieren von der gutenrbeitsmarktentwicklung. Die Zahl der Arbeitslosennter 25 Jahren ist im Vergleich zum Vorjahresmonatm ein Viertel – genauer gesagt um 25,2 Prozent – zu-ückgegangen. Das ist der niedrigste Stand, der seit deriedervereinigung in einem Juni erreicht wurde, undleichzeitig auch der stärkste Rückgang. Darüber darfan sich freuen. Das spornt an und macht Mut.66 000 Menschen profitieren aber noch nicht von die-er Entwicklung. Gerade weil manche von ihnen längerhne Beschäftigung sind, wollen wir auch diesen Men-chen helfen. Wir wollen versuchen, ihnen mit Arbeitge-erzuschüssen Perspektiven zu bieten, um sie zu qualifi-ieren und in Beschäftigung zu bringen.Der Eingliederungszuschuss, der 25 Prozent bis0 Prozent des Bruttolohns bis maximal 1 000 Euro be-rägt, soll Jugendliche unter 25 Jahren, die eine Ausbil-ung abgeschlossen, dann aber lange arbeitslos waren,ieder in Arbeit bringen. Dabei geht es auch um Qualifi-ierung. Insofern sollte niemand so tun, als würde dasußer Acht gelassen. Es geht uns darum, jungen Men-chen eine Basis für ihr späteres Arbeitsleben zu bieten.iesem Ziel dient der Qualifizierungszuschuss, derich an Jugendliche ohne Ausbildung und Ausbildungs-latz richtet, die bisher keinen Weg in den Beruf gefun-en haben. Damit wird ihnen eine Chance zur Ausbil-ung und zu einem beruflichen Abschluss gegeben.Wichtig ist aber zunächst einmal, in Beschäftigungu kommen und – das wurde schon angesprochen – daslltagsleben im Betrieb zu erfahren, Kolleginnen undollegen zu haben und Anerkennung und Selbstbestäti-ung zu bekommen. Deswegen wird der Qualifizie-ungszuschuss in Höhe von 50 Prozent des Bruttolohnsezahlt. Mit der im Ausschuss vereinbarten Änderung
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Parl. Staatssekretär Franz Thönneswird klar, dass mindestens 15 Prozent des Zuschusses– gerne auch mehr – für die Qualifizierung verwendetwerden müssen. Beide Zuschüsse sind Ermessensleis-tungen und bis Ende 2010 befristet.Aus meiner Sicht ist es gut, den jungen Menscheneine Chance zu bieten. Wenn es mit der ersten Chancenicht klappt, sollten sie auch eine zweite oder gegebe-nenfalls eine dritte Chance erhalten. Das Geld ist gut in-vestiert in die Zukunft dieses Landes und der Kinder.
Des Weiteren gibt es die EQJ, die Einstiegsqualifi-zierung. Auch bei diesem sehr erfolgreichen Instrumentwird für die kommenden drei Jahre sichergestellt, dasses funktioniert. Die Zahl der geförderten Plätze konntevon anfangs 25 000 auf jetzt 40 000 erhöht werden. Da-rüber sind wir sehr froh. Die guten Eingliederungswertemachen deutlich, dass fast 63 Prozent der jungen Men-schen, die mithilfe dieses Instruments Zugang zu Arbeitgefunden haben, später eine Berufsausbildung angebo-ten wurde. Deswegen ist es gut, dass die EQJ jetzt zurRegelleistung wird. Das kommt gerade jungen Men-schen mit eingeschränkten Vermittlungsperspektiven zu-gute.
Darüber hinaus werden die Möglichkeiten derBerufsorientierungsmaßnahmen verbessert. Wichtigist, dass die neuen gesetzlichen Regelungen bis zum1. Oktober in Kraft treten. Wenn die jungen Menschendie Schule verlassen und das neue Ausbildungsjahr be-ginnt, sollen sie eine Brücke in eine Berufsausbildungund ins Arbeitsleben vorfinden. Sie sollen nicht längervor einer verschlossenen Tür stehen und gesagt bekom-men, sie sollten im Wartezimmer warten, irgendwannkämen sie auch dran. Das ist in einem Sozialstaat nichtzulässig. Hier müssen Brücken gebaut und es muss ge-holfen werden. Dazu tragen die vorgesehenen Regelun-gen bei.
Es geht aber nicht nur um die jungen Menschen, son-dern auch darum, die Sockelarbeitslosigkeit abzubauen.Wir alle kennen die volkswirtschaftliche Bauernregel:„Die Konjunktur hat Berg und Tal, der Sockel steigt mitjedem Mal.“ Diese Regel gilt nicht mehr. Jetzt sinkt derSockel. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist um17,1 Prozent zurückgegangen. Aber auch hier erreichtder Aufschwung nicht alle.Deswegen wollen wir mit dem zweiten Gesetzent-wurf, den wir in diesem Zusammenhang beraten, einenBeschäftigungszuschuss einführen. Auch damit setzenwir einen Vorschlag der Koalitionsarbeitsgruppe um.Wir werden – das ist neu in der Arbeitsmarktpolitik –den Zuschuss nach einer ersten Förderphase von 24 Mo-naten unbefristet gewähren. Bis 2009 sollen damit100 000 Menschen in sozialversicherungspflichtige Ar-beitsverhältnisse kommen. Ausgenommen ist nur dieVersicherungspflicht zur Arbeitslosenversicherung, weilwtKTpFawstzLmlBeurtnbwtntbslvbHbzjlwDefMzsp3ASMrsdng
Die Entscheidung über eine Förderung treffen dieallmanager vor Ort. Sie tragen große Verantwortung,ber sie kennen sich am besten aus. Inzwischen habenir es mit Betreuungsquoten von 1:180 zu tun. Das hatich deutlich verbessert. Früher gab es Betreuungsquo-en von 1:400 oder 1:500. Die Fallmanager wissen in-wischen genau, wie man helfen muss und wer welcheeistungen beanspruchen kann.Wir wollen nicht, dass die Menschen aus dem allge-einen Arbeitsmarkt herausgedrängt werden. Wir wol-en Möglichkeiten der Integration. Deswegen kann dereschäftigungszuschuss bis zu 75 Prozent des Arbeits-ntgeltes betragen. Wir wollen darüber hinaus flankierennd helfen. Begleitende Qualifizierung und stabilisie-ende Maßnahmen wie die Schuldner- und Suchtbera-ung oder psychosoziale Betreuung sind möglich undotwendig. In Einzelfällen kann den Arbeitgebern einesonderer Aufwand erstattet werden.Wir wollen, dass der Aufschwung alle erreicht. Wirollen alle mitnehmen. Ich möchte die Gesamtkonzep-ion einmal darlegen, damit deutlich wird, dass manicht mit einer Maßnahme die sich aus den differenzier-en Strukturen der Arbeitslosigkeit ergebenden Frageneantworten kann. Es wird notwendig sein, dass Men-chen, bei denen besondere Vermittlungshemmnisse vor-iegen und die ohne Arbeit und Ausbildung sind, eineernünftige Chance bekommen. Es gibt nun 100 000 Ar-eitsplätze für Menschen mit Vermittlungshemmnissen.inzu kommt der Kommunalkombi, der helfen soll, Ar-eitsplätze in den Kommunen zu schaffen. Damit soll esusätzlich für 100 000 Menschen Chancen geben.Wenn man alles zusammennimmt, was wir für dieungen Menschen tun, bei denen erhebliche Vermitt-ungsschwierigkeiten bestehen, dann stellt man fest, dassir für diesen Personenkreis vieles getan haben und tun.a sind 40 000 Einstiegsqualifizierungsmöglichkeiten,ine Erhöhung um 15 000. Nicht vergessen werden dür-en die 7 500 zusätzlichen Ausbildungsplätze für jungeenschen, die erhebliche Defizite haben und unter so-ialer Benachteiligung leiden. Die Arbeitgeber habenich zudem verpflichtet, 60 000 neue Ausbildungsplätzero Jahr anzubieten. Zudem sollen Jahr für Jahr0 000 neue Ausbildungsbetriebe geworben werden.uch das wird das Ausbildungsplatzangebot steigern.chließlich kommen 4 000 zusätzliche Chancen fürenschen mit Behinderung aus der Initiative „job4000“.Das alles sind hervorragende Möglichkeiten, die wäh-end des Aufschwungs von allen genutzt werden müs-en: von den Arbeitsagenturen, den öffentlichen Trägern,en Arbeitgebern und den gemeinnützigen Organisatio-en. Hinzu kommt die Möglichkeit – das darf nicht ver-essen werden –, das Programm „Beschäftigungspakte
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Parl. Staatssekretär Franz Thönnesfür Ältere in den Regionen“ im Rahmen des Bundespro-gramms „Perspektive 50plus“ zu verlängern. Die gutenErfahrungen, die wir in den 62 Modellregionen gemachthaben – dafür sind 250 Millionen Euro zur Verfügunggestellt worden –, zeigen uns klar und deutlich: Es istwieder Platz für die Älteren. Die Steigerung von gut38 Prozent im Jahr 2000 auf knapp 50 Prozent im Jahr2006 bei der Beschäftigungsquote der über 55-Jährigenzeigt, dass es geht, wenn wir wollen. Aber wir müssenwollen; darauf kommt es an.Meine große Bitte an dieser Stelle lautet daher: Arbei-ten Sie alle mit, und schaffen Sie heute die rechtlichenVoraussetzungen! So nehmen wir die sozialstaatlicheVerantwortung für die Menschen im Land und für dieZukunft der deutschen Wirtschaft wahr.Herzlichen Dank.
Der Kollege Jörg Rohde spricht jetzt für die FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es gibt so viele Kritikpunkte, dass man gar nicht weiß,wo man anfangen soll.
Herr Brandner, für Jugendliche mit Ausbildung gibt eseinen Eingliederungszuschuss; das haben Sie eben aus-geführt. Glauben Sie nicht, dass es auch Fälle gebenwird, in denen dieser Zuschuss abgerufen wird, obwohldies vielleicht gar nicht notwendig ist? Wir befürchtenhier Mitnahmeeffekte.Herr Laumann, das Programm für die Jugendlichenwird über die Arbeitslosenversicherung finanziert. Daskritisieren wir. Deswegen werden wir den Änderungendes SGB III nicht zustimmen. Sie haben es einfachfalsch dargestellt.
– Nein, das glaube ich nicht.Manchmal frage ich mich allen Ernstes, welchenZweck Anhörungen im Ausschuss noch haben, wenndie dort geäußerten Anregungen der Sachverständigenvöllig ignoriert werden. Wie wäre die Kritik erst ausge-fallen, wenn die Experten Ihre Änderungsanträge gese-hen hätten?Wir sprechen heute über Arbeitsmarktgesetze. ZumArbeitsmarkt gehören Arbeitnehmer und Arbeitgeber.Manchmal brauchen wir dazwischen noch eine dritte In-stanz, eine Arbeitsvermittlung, die Brücken zwischendiesen beiden Seiten baut. Der Brückenbau klappt abernur, wenn beide Brückenköpfe auf das gleiche Ziel aus-gerichtet sind. Deshalb frage ich Sie heute, meine Kolle-ginnen und Kollegen von Schwarz-Rot, welches Ziel SiehAzdnAwmDAhmwrstHAewdndhbhRüriugbArrrnulfefseL
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komme aber nicht ganz darum herum. Die normalenKunden im Jobcenter und in den Arbeitsvermittlungenwerden darunter leiden, dass die Jobvermittler eine wei-tere aufwendige Bürokratie zunächst aufbauen und spä-ter verwalten müssen.
Ich prophezeie Ihnen: Die für die nicht geförderten Ju-gendlichen und Langzeitarbeitslosen zur Verfügung ste-hende Beratungszeit, die dringend notwendig ist, umdiese in den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, wird ab-nehmen. Völlig unklar ist auch, wie viel Geld eigentlichschlussendlich für die tatsächliche Förderung der Ar-beitsplätze zur Verfügung steht; denn für die zusätzli-chen Kosten, die durch das Coaching der Arbeitsuchen-den entstehen, werden keine zusätzlichen Mittelbereitgestellt. Sie müssen aus dem Eingliederungstopffinanziert werden.Wir Liberale wollen den guten Willen hinter denheute zur Abstimmung stehenden Gesetzentwürfen nichtschlechtreden. Wir sind uns einig, dass es Arbeitslosegibt, die ohne vielfältige zusätzliche Förderung nicht inden ersten Arbeitsmarkt integriert werden können. WirLiberale glauben aber, dass die Gesetze, die wir hier undheute beraten, dies nicht oder nur sehr eingeschränktleisten können. Wir befürchten Mitnahmeeffekte, eindauerhaftes Einmauern der Geförderten im zweiten Ar-beitsmarkt und ein Verfehlen der eigentlichen Ziel-gruppe. Deshalb lehnen wir das Gesetz zum SGB II abund enthalten uns beim SGB III.Vielen Dank.
dDesWGrmdgJsediaMjafEdbGAbwsdtdaiaaddknsssgrd
Die Bundesagentur für Arbeit beziffert diese Perso-engruppe auf circa 400 000 Menschen. Sie haben ver-chiedene Vermittlungshemmnisse, also ganz unter-chiedliche Probleme – sei es, dass sie noch nie oderchon lange nicht mehr gearbeitet haben; sei es, dass sieesundheitliche Beeinträchtigungen haben oder eine be-ufliche Qualifikation fehlt. Dies alles sind Gründe, dieie Annahme einer Arbeitsstelle außerordentlich er-
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Stefan Müller
schweren. Genau für diese Personengruppe ist der Kom-bilohn, den wir heute beschließen wollen, gedacht.Herr Niebel, Sie haben im Ausschuss ausgeführt, dassdie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – das habe die Eva-luationsstudie zu Hartz I bis Hartz III ergeben – nicht er-folgreich gewesen seien. Da haben Sie ausdrücklichrecht. Das steht dort so geschrieben. Nur, liebe Kollegenvon der FDP, der von uns geplante Kombilohn hat mitArbeitsbeschaffungsmaßnahmen überhaupt nichts zutun.
Es geht hier um einen eng begrenzten Personenkreis. Esgeht nicht darum, ein flächendeckendes Arbeitsbeschaf-fungsprogramm zu organisieren. Es geht auch nicht– auch das ist klar geworden – um eine 100-prozentigeFinanzierung. Eine ABM-Maßnahme zeichnet sich aberdurch all das aus. Darum geht es hier nicht, sondern da-rum, denjenigen Menschen, die ich gerade beschriebenhabe, eine Chance zu geben.
Nun können Sie ja – das halte ich für vertretbar – eineandere Auffassung dazu haben. Sie können sagen, dassSie das für ordnungspolitisch falsch halten; da haben wireine unterschiedliche Auffassung. Aber selbst wenn diesordnungspolitisch falsch wäre, ist es sozialpolitisch rich-tig, diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, am Er-werbsleben teilzuhaben.
Deswegen ist unser Vorhaben richtig, und deswegenwerden wir es auch umsetzen.
Herr Kollege Rohde, bemerkenswerterweise sind Siein Ihrer ersten Rede zu diesem Thema sehr viel differen-zierter an die Sache herangegangen.
Da standen Sie ja auch noch nicht unter der Beobachtungvon Herrn Kolb und Herrn Niebel. Sie sind zwar sehrvielversprechend gestartet, sind aber leider Gottes sehrenttäuschend gelandet. Es ist schade für die betroffenenMenschen, dass Sie sich der Zustimmung zu dieser Maß-nahme tatsächlich entziehen.Noch ein Wort zur Reduzierung der Zahl der Arbeits-marktinstrumente. Seien Sie ganz beruhigt, Herr Niebelund Frau Pothmer, wir werden dazu im Herbst einenVorschlag unterbreiten und eine eventuell bestehendeUnübersichtlichkeit, die Sie kritisieren, beheben.
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a ich diesen Eindruck aber habe, Herr Kollege, kannch Ihnen leider nicht zustimmen. Ich komme später aufie zurück. Vielleicht haben Sie dann noch einmal dasedürfnis, eine Zwischenfrage zu stellen.Genauso schade finde ich, dass die Grünen diesemesetzentwurf nicht zustimmen wollen. Auf Seite 13 Ih-es neuen Papiers „Grüne Marktwirtschaft“ – ich habe esir besorgt – erkennen Sie die Notwendigkeit einesozialen Arbeitsmarkts ausdrücklich an – ich zitiere –:Daneben brauchen wir aber auch Angebote für die-jenigen, die trotz Unterstützung auf unabsehbareZeit nicht in den ersten Arbeitsmarkt integrierbarsein werden. …it dem, was Sie da beschreiben, haben Sie recht. Ichiederhole: Ich finde es schade, dass Sie diesem Gesetz-ntwurf heute nicht zustimmen können.
Es wäre Ihnen unbenommen gewesen, noch Ände-ungsanträge zu stellen.
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Stefan Müller
Auch das haben Sie nicht getan. Also gilt für Sie imZweifel das Gleiche, was für die FDP gilt: Das Abstim-mungsverhalten war schon vorher festgelegt. Streuen Sieden Leuten doch keinen Sand in die Augen, und erwe-cken Sie nicht den Eindruck, als hätten Sie bei der erstenLesung noch nicht gewusst, wie Sie sich hier bei derzweiten und bei der dritten Lesung sowie bei der Ab-stimmung tatsächlich verhalten!
Wir werden mit der Verabschiedung des zweiten Ge-setzentwurfs, den wir heute zur Abstimmung stellen, dieBeschäftigungsperspektiven für jüngere Menschenverbessern. Zunächst einmal kann man – das hat derHerr Staatssekretär gerade getan – auch dort eine außer-ordentlich erfreuliche Entwicklung feststellen. Die Ar-beitslosigkeit unter 25-Jähriger ist von Juni 2006 bisJuni 2007 um über 123 000 zurückgegangen; das ent-spricht circa 30 Prozent.Diese Zahlen dürfen aber nicht darüber hinwegtäu-schen, dass immer noch über 360 000 junge Menschenunter 25 Jahren keine Arbeit haben. Das sind immernoch eindeutig zu viele. Es gibt in diesem Bereich des-halb dringenden Handlungsbedarf. Wir können es unsnicht leisten, den jungen Menschen am Anfang ihres Be-rufslebens das Gefühl zu geben, nicht gebraucht zu wer-den. Wir dürfen ihnen nicht das Gefühl geben, dass diePolitik sich nicht um sie kümmert. Genau deswegenwerden wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einenwichtigen, einen entscheidenden Schritt zur Bekämp-fung der Jugendarbeitslosigkeit machen.
Das Hauptproblem vieler junger Arbeitsloser ist tat-sächlich die mangelnde Qualifizierung. MangelndeQualifizierung führt langfristig auch zu einer verfestig-ten Langzeitarbeitslosigkeit. Es ist sehr schwer und be-darf großer finanzieller Anstrengungen, sie zu überwin-den. Wir schaffen mit dem Qualifizierungszuschuss fürJugendliche ohne Berufsausbildung eine Perspektive,eine Beschäftigung aufzunehmen. Das Gleiche gilt fürarbeitslose Jugendliche mit Berufsabschluss, denen einentsprechender Eingliederungszuschuss zusteht. Wirgreifen damit auf vorhandene Instrumente zurück. BeideInstrumente – Qualifizierungszuschuss und Eingliede-rungszuschuss – dienen ausschließlich dazu, jungen Ar-beitslosen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermögli-chen.Frau Pothmer, auch das Sammeln von Berufserfah-rung dient letztlich dazu, die Beschäftigungsperspektive,mittel- und langfristig gesehen, zu verändern. Es ist im-mer noch besser, einen jungen Menschen in eineBeschäftigung zu bringen, als ihn arbeitslos auf derStraße stehen zu lassen. Ich bitte Sie, das einfach anzuer-kennen.
Bei alledem dürfen wir aber nicht aus den Augen ver-lieren, dass es nicht nur um diejenigen geht, die heutesdmsdnzlDzongrMpg7krFwnKowFdWMatdnWedmt
Herr Kollege!
Herr Kollege Rohde, ich habe Ihnen versprochen,och einmal auf Sie zuzukommen. Als Bürger meinesahlkreises müssten Sie wissen, dass wir in Erlangenin vielversprechendes Projekt haben, das durch Mitteler Bundesagentur unterstützt wird. Ich lade Sie ein,ich bei den Gesprächen im kommenden Jahr zu beglei-en.
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Herr Kollege!
Ich bin davon überzeugt, dass auch mit Mitteln der
Bundesagentur Gutes getan werden kann.
Herzlichen Dank.
Jetzt hat das Wort die Kollegin Katrin Kunert für Die
Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr verehrte Gäste! Ständige Korrekturen an den Hartz-Gesetzen und das Auflegen zahlreicher Sonderpro-gramme sind ein klares Zeugnis für ein fehlendesGesamtkonzept zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.
Was Sie anbieten, ist ein Flickenteppich. Herr Niebel,in der Einschätzung der Maßnahmen der Bundesregie-rung sind wir sicherlich ganz dicht beieinander. Sie re-den davon, dass es das Geld der anderen ist, wir sagen,es sind eingezahlte Beiträge. Sie betreiben damit eineSpaltung zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen in die-sem Land, und das werden wir nicht unterstützen.
In den Bundesländern herrschen völlig unterschiedli-che Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Es gibt kaumKonzepte, die auf regionale Besonderheiten eingehen.So gibt es Menschen in diesem Land, die bessere Chan-cen für den Einstieg ins Arbeitsleben haben, und es gibtMenschen, die mit Hartz IV an den Rand der Gesell-schaft gestellt werden, weil sie unter anderem in einerstrukturschwachen Region leben.Die Linke macht ein Angebot zur öffentlich geför-derten Beschäftigung, die in Mecklenburg-Vorpom-mern und in Berlin unter Rot-Rot bereits praktiziertwurde und wird. Was in den Ländern geht, muss auchauf Bundesebene möglich sein. Deshalb fordern wir dieBundesregierung auf:Erstens. Schaffung der rechtlichen Grundlagen fürdauerhaft öffentlich geförderte Beschäftigung.Zweitens. Bereitstellung der erforderlichen Haus-haltsmittel mit Mindestlohnniveau.Drittens. Verteilung der Haushaltsmittel einsprechendeiner Quote gemessen an der Anzahl der Langzeit-arbeitslosen.
Zielgruppe dieser öffentlich geförderten Beschäfti-gung sind ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,Menschen mit mehrfachen VermittlungshemmnissenuhagdMdddmlHfnc14hvsndowSvhssBirmwgkdusloddUlsk
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Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-nen! Meine Damen und Herren! Wir haben eine guteStunde debattiert, und ich frage mich: War es eine guteDebatte? In der Frage kommen einige vielleicht zu ganzanderen Einschätzungen als ich.
Ich will Ihnen meine Einschätzung zunächst vorenthal-ten und werde sie Ihnen vielleicht am Ende mitteilen. Ichbin aber sicher: Wir treffen gleich eine exzellente Ent-scheidung, und das ist, finde ich, das Wesentliche;
denn wir müssen Schwächeren eine Perspektive auf Ar-beit geben. Das muss unser Ziel sein. Das steht im Mit-telpunkt dieses Gesetzgebungsvorhabens.
Ich will mit einer Lüge aufräumen, die hier grassiert.Die Große Koalition und die Sozialdemokraten sagen:Es gilt nach wie vor: erst bilden, dann ausbilden, dannweiterbilden. – Davon rücken wir keinen Millimeter ab,auch nicht mit diesem Gesetzgebungsvorhaben.
Aber wir müssen uns der Wirklichkeit stellen, dass esviele Menschen gibt, die ein Recht auf Arbeit haben,denen wir mit „bilden, ausbilden, weiterbilden“ nicht sohelfen konnten, dass sie die Chance auf Teilhabe an derArbeitswelt haben. Für die schaffen wir heute gesetzli-che Grundlagen, damit eine Integration gelingt. Ich binfhDfhbWlbieamweAfsEdCngWAMnwemeMd
irklich geärgert hat mich, dass Sie das Adjektiv „däm-ich“ im Zusammenhang mit „Mindestlohn“ genannt ha-en. Das ist unter aller Würde. Das möchte ich Ihnen sons Stammbuch schreiben.
Verehrte Kollegin Pothmer,
igentlich ist Mäkelei gar nicht Ihr Format. Ich habe Siels eine Abgeordnete kennengelernt, die das große For-at liebt und das, finde ich, gut ausfüllt. Ihre Rede heutear so klein-klein und mäkelig, dass ich ein bisschennttäuscht bin.
ber ich verstehe es ja. Sie müssen eine Begründunginden, um Nein sagen zu können, wenn wir gleich ab-timmen.
igentlich bedauere ich das, weil ich ganz sicher bin,ass es auch Ihnen darum geht, den Betroffenen einehance auf Arbeit zu geben. Es ist traurig, dass Sie de-en heute im Grunde eine Ohrfeige geben.
Ich will gerne noch etwas zu den beiden Wortbeiträ-en von Ihnen, Frau Kipping und Frau Kunert, sagen.ir kennen Ihre grundsätzliche Opposition. Sie sagen:lles, was nicht die Qualität des von Ihnen gefordertenindestlohns hat, ist abzulehnen. – Ich finde das ein we-ig billig. Ich bedauere das auch, weil wir mit dem, wasir heute verabschieden, den Menschen, die Ihnen dochigentlich so am Herzen liegen, echte Chancen einräu-en. Wenn Sie sagen: „Nein, das wollen wir nicht, weils unserer Ideologie nicht entspricht“, dann tun Sie denenschen keinen Gefallen. Das ist – das möchte ich anieser Stelle einmal so sagen – entlarvend.
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Gabriele Lösekrug-Möller
Ich komme zum Schluss. – Ich bin mir sicher, dasswir den richtigen Weg einschlagen, weil wir damit denFallmanagern vor Ort, die inzwischen eine exzellenteArbeit leisten, einen großen Entscheidungsspielraum ge-ben. Das ist richtig.Deshalb noch eine Anmerkung zum Instrumenten-kasten, der im Übrigen im Wesentlichen steuerfinanziertist. Das ist in dieser Debatte argumentativ in eine leichteSchieflage geraten. Das Steuergeld, das wir hier verwen-den, ist gut eingesetzt. Den Fallmanagern einen ordentli-chen Instrumentenkasten zur Verfügung zu stellen,macht Sinn.
Wer würde nämlich einem Chirurgen trauen, der in sei-nem Koffer nur ein Messer hat? Lassen Sie sich das ein-mal ins Stammbuch schreiben. Ich bin sehr dafür, dasswir Klarheit schaffen. Aber wenn wir meinen, es dürfeprinzipiell nur ein einziges Instrument geben, greifen wirzu kurz. Das hätte nichts mit Professionalität zu tun.
Alle, die professionell arbeiten, beherrschen ihre Instru-mente, auch wenn Frau Künast sich jetzt darüber aufregt.
Ich glaube, wir treffen gleich eine gute Entscheidung,weil wir Menschen dadurch wieder in die Mitte der Ge-sellschaft rücken, indem wir ihre Chancen auf Teilhabeüber Arbeit verbessern. Deshalb wird das für Hundert-tausende von Menschen in der Bundesrepublik Deutsch-land ein guter Tag.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denFraktionen von CDU/CSU und SPD eingebrachten Ge-setzentwurf zur Änderung des Dritten Buches Sozialge-setzbuch – Verbesserung der Qualifizierung und Be-schäftigungschancen von jüngeren Menschen mitVermittlungshemmnissen. Der Ausschuss für Arbeit undSoziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 16/5933, den Gesetzent-wurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD auf Druck-sache 16/5714 in der Ausschussfassung anzunehmen.Ich bitte diejenigen, die den Gesetzentwurf so annehmenwollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Be-ratung bei Zustimmung der Koalition und Ablehnungdurch Linke und Bündnis 90/Die Grünen sowie Enthal-tung der FDP-Fraktion angenommen.Dritte BeratunguwEBasc–slFebMssd1gihetusmdvsctEAgsBFtlBgSHlnAsDsSE
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err Minister, solche Erfolge könnten Sie nach wenigenahren ernten, wenn Sie die Vorschläge unseres grünennergiekonzeptes umsetzen würden. Stattdessen kämp-en Sie zusammen mit Bundeskanzlerin Merkel für einenergiesicherheit auf der Basis fossiler Energien. Neuerdöllieferungen, neue Erdgaspipelines, neue Kohlegru-en tragen doch nur zur weiteren Klimazerstörung beind nicht zu einer höheren Energieversorgungssicher-eit.
Anstatt konsequent und kompromisslos auf eine Nut-ung der unerschöpflichen erneuerbaren Energien, aufnergieeinsparung und -effizienz hinzuarbeiten, stütztie Große Koalition die Energiekonzerne, die auf fossilenergieträger setzen; die Union stützt sogar die Atom-onzerne. Dabei ist die Klimaerwärmung viel dramati-cher, als es noch im jüngsten IPCC-Bericht dargestellturde: Das Grünlandeis schmilzt dreimal schneller, alsoch im Februar von der IPCC prognostiziert; die Kli-aerwärmung in Deutschland war in den letzten zwölfonaten schon bei 3 Grad Celsius angelangt, obwohlie Weltgemeinschaft immer noch vom Ziel einer welt-eiten Begrenzung auf 2 Grad Celsius redet.Wir müssen die Klimagasemissionen endlich stoppennd nicht nur reduzieren. Ja, das geht: mit der kompro-
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Hans-Josef Fellmisslosen Umstellung auf erneuerbare Energien in Ver-bindung mit konsequenter Energieeinsparung. Eine Füllevon Maßnahmen im Strom-, Wärme- und Verkehrssektorstehen dafür in unserem Energiekonzept. Es ist tatsäch-lich möglich, ohne die Verlängerung der Laufzeit vonriskanten Atomkraftwerken und ohne neue Kohlekraft-werke sogar mehr als 40 Prozent CO2-Reduktion biszum Jahre 2020 zu erreichen.Die bisherigen Maßnahmen der Großen Koalitionsind mehr als dürftig.
Umweltminister Gabriel braucht weniger als eine Minute,um alles aufzuzählen, so die Aufstockung der Mittel fürdie von uns Grünen durchgesetzte Altbausanierung oderdie Netzanbindung an die Offshore-Windkraftanlagen.Alle übrigen Maßnahmen der Großen Koalition sind le-diglich Bestandsschutz der Energiekonzerne und keinKlimaschutz.
Was hat denn die Große Koalition bisher gemacht?Als Erstes wurden gleich im Dezember 2005 die steuer-lichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung er-neuerbarer Energien verschlechtert. Später wurde dieEnergieverschwendung von energiefressenden Unter-nehmen durch Privilegien bei der Ökosteuer sogar nochbelohnt.Dann haben Sie die Biokraftstoffe besteuert, wasmittelständische Biodieselproduzenten in den Konkurstreibt. Im Zuteilungsgesetz haben Sie der Kohle un-glaubliche Privilegien verschafft. Seit 592 Tagen wartenwir auf ein Wärmegesetz für erneuerbare Energien undauf ein Top-Runner-Gesetz für mehr Energieeffizienz.Den Erdgaskonzernen halten Sie die mittelständischeKonkurrenz vom Halse, indem Sie ein Biogaseinspeise-gesetz verweigern. Auf der EU-Ebene haben Sie gar dieklimaschädlichen Automobilkonzerne vor wirksamenEmissionsgrenzen in Schutz genommen.Diese Woche führen Sie Ihre Klimaerwärmungsmaß-nahmen in aller Unverfrorenheit weiter. Im Haushalts-planentwurf für 2008 kürzen Sie das Marktanreiz-programm für erneuerbare Energien gar um 45 Mil-lionen Euro. Knapp die Hälfte der Einnahmen aus derVersteigerung der Zertifikate geht in die allgemeineHaushaltssanierung statt in Klimaschutzmaßnahmen. Sowird diese Große Koalition Deutschland bald zu denSchlusslichtern beim Klimaschutz in der EU und in einegigantische Energiekrise führen.
Nicht einmal das schwache EU-Ziel von 20 Prozenterneuerbaren Energien will die Regierung Merkel fürDeutschland umsetzen. Klägliche 16 Prozent bis 2020sind das Ziel. Klimaschutzpolitik, Herr Minister Gabriel,sieht anders aus. Sie können hervorragend reden, aberSie setzen keine Maßnahmen durch. Melden Sie unsergrünes Energiekonzept als Maßnahmenpaket der Bun-desregierung nach Brüssel; dann werden Sie ein erfolg-reicher Umweltminister werden.fDdfdvdwEsArzhPriEAmdJsAtMsrugsMllg2tlABds3s
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Dazu wird sicherlich erstens der Ausbau der Strom-erzeugung durch erneuerbare Energien zählen, den auchSie, liebe Kollegen von den Grünen, in Ihrem Antragfordern. Sie wissen, dass Sie hiermit offene Türen ein-rennen; denn die Bundesregierung und die Regierungs-fraktionen handeln schon längst entsprechend. DerErfahrungsbericht der Bundesregierung über die Ent-wicklung im Bereich der erneuerbaren Energien wurdegestern vorgelegt; das haben Sie selbst erwähnt. Es istganz klar, dass wir das Erneuerbare-Energien-Gesetz mitder anstehenden Novelle fortentwickeln werden, undzwar unter der Maßgabe eines ambitionierten Ausbausder erneuerbaren Energien und einer möglichst kosten-effizienten CO2-Einsparung. Der Vorläufer dieses Geset-zes wurde übrigens von uns entwickelt. Lieber Herr Fell,auch das vergessen Sie immer wieder.
Ich nenne zweitens speziell den Bereich der Bio-kraftstoffe der ersten und der zweiten Generation. OhneZweifel sind Letztere die Hoffnungsträger unter denBiokraftstoffen, da sie aufgrund der Verwertung der gan-zen Pflanzen günstigere Ökobilanzen aufweisen und zu-gleich für hochgezüchtete Motoren verträglich sind. Dasdarf aber nicht davon ablenken, dass sie auf absehbareZeit nur in homöopathischen Mengen zur Verfügung ste-hen und deshalb Biokraftstoffe der ersten Generation,also Pflanzenöl, Bioethanol und Biodiesel, eine wichtigeRolle bei der Reduzierung der CO2-Emissionen im Ver-kehrssektor spielen.Deshalb wird die Union dafür Sorge tragen, dass derBericht gemäß des Biokraftstoffquotengesetzes spätes-tens im Oktober dieses Jahres vorgelegt wird. Ausge-hend von diesem Bericht werden wir mit unserem Koali-tionspartner und dem Bundesfinanzminister über dieFragen diskutieren, wie eine Verschiebung oder Redu-zierung der nächsten Steuerstufe möglich ist und ob wirdie nächste Stufe der Beimischungsquote um ein Jahrvorziehen.
Drittens nenne ich das riesige Klimaschutzpotenzial,das sich im Wärmebereich und in der Gebäudesanierungeröffnet. Die CDU/CSU-Fraktion setzt auf ein integrier-tes Wärmekonzept, welches mehrere Instrumente ver-eint, die den Zielen des Klimaschutzes und der Kosten-einsparung für Mieter und Vermieter entgegenkommen.Dieses Konzept soll nicht einseitig regenerative Ener-gien fördern, sondern auch weitere Klimaschutzinstru-mente berücksichtigen.AggdbH5WaNKCrJtsSuibFdetIbsImArbBndpuutssu
Die Forderung der Kolleginnen und Kollegen von derDP, über diese Maßnahmen hinaus den Emissionshan-el im Verkehr- und vor allem im Wohngebäudesektorinzuführen, halten wir allerdings für viel zu bürokra-isch. Ich plädiere dafür, nicht ein Instrument um desnstrumentes willen einzuführen, sondern die beste un-ürokratischste und zugleich effektivste Lösung anzu-treben. Deshalb werbe ich für die unbürokratischennstrumente, die Bestandteil unseres integrierten Wär-ekonzeptes sind.
Ich kann in vielen Punkten Ihren beiden gutgemeintennträgen zustimmen. Allerdings sind viele dieser Forde-ungen erfreulicherweise genau Inhalt dessen, woran wirereits erfolgreich arbeiten. Ich denke, dass wir mitlick auf die jüngsten Beschlüsse sowohl auf der inter-ationalen als auch auf der europäischen, aber auch aufer nationalen Ebene zurzeit auf einem sehr guten klima-olitischen Weg sind. Diesen Weg beschreitet die Unionmsichtig und unideologisch, dafür aber sehr zielstrebignd konsequent. Kommen Sie doch einfach mit.Vielen Dank.
Jetzt hat Michael Kauch das Wort für die FDP-Frak-
ion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Klima-chutz besteht nicht nur aus schönen Zielen und Über-chriften, die die Koalition so gerne vor sich her trägtnd die die Kollegin Flachsbarth hier so schön aufgelis-
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Michael Kauchtet hat, sondern es geht auch darum, Maßnahmen auf denWeg zu bringen. Diese Maßnahmen müssen zum eineneffektiv sein. Das heißt, sie müssen die Klimaschutzzieleerreichen. Zum anderen müssen sie effizient sein. Dasheißt, sie müssen so kostengünstig, so wettbewerblichund so technologieoffen wie möglich gestaltet werden.
Deshalb legen wir Ihnen heute ein konkretes Konzeptzur Ausweitung des Emissionshandels auf den Wärme-sektor sowie ein Modell für ein marktwirtschaftlichorientiertes regeneratives Wärmegesetz vor. Die Nut-zung erneuerbarer Energien bei der Wärmeproduktionund die möglichst energieeffiziente Nutzung dieserWärme sind zentrale Bausteine für den Klimaschutz undauch für die Versorgungssicherheit.Es ist richtig: Die Koalition unterschreibt diese Zieleauch. Aber wenn es konkret wird, schlagen Sie sich indie Büsche und verweisen darauf, dass irgendwann – eswird immer wieder von Monat zu Monat verschoben;jetzt ist es der August – ein tolles Konzept vorgelegtwird. Aber Sie haben es in mehr als einem Jahr nicht ge-schafft, ein gemeinsames Konzept zu entwerfen. Daszeigt wieder einmal, dass Sie in dieser Koalition eigent-lich nicht mehr handlungsfähig sind.
Ich will die Verantwortlichkeiten an dieser Stelle klarbenennen. Die SPD hat ein Konzept. Es ist letztendlicheine Kopie des EEG. Ich teile es nicht; aber zumindesthat die SPD ein Konzept.
Jetzt komme ich zu den Kolleginnen und Kollegenvon der Union. Sie haben es bisher nicht einmal ge-schafft, in Ihrer eigenen Fraktion die vielstimmigen Mei-nungen zu einem Konzept zusammenzubringen.Die Kanzlerin geht zwar lobenswerterweise immervoran, wenn es um die Zielverhandlungen geht. Aberwenn es konkret wird und um die Umsetzung geht, dannversagen Sie als Unionsfraktion schon konzeptionell aufganzer Linie.
Diesem schwarz-roten Chaos setzen wir Liberale einZweistufenmodell entgegen. Langfristig wollen wir denVerkehr und die Wärmeproduktion in den bestehenEmissionshandel integrieren. Frau Flachsbarth, das istnicht bürokratisch. Dabei geht es um die Frage, wie manden Emissionshandel ausgestaltet. Wenn man es auf derEbene der Brennstoffhändler macht, dann gibt es eineüberschaubare Zahl von Akteuren. Wenn Sie die Zertifi-kate nicht zuteilen, sondern versteigern, wenn Sie alsoden Emissionshandel richtig gestalten, entsteht keineBürokratie in diesem Bereich.
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ie Erzeuger erneuerbarer Wärme, etwa die Betreiberon Holzpelletheizungen und Solarthermieanlagen oderie Biogaseinspeiser, können sich diese Wärmemengeertifizieren lassen. Auf der anderen Seite müssen dieachfrager, nämlich die Händler von Brennstoffen,eizöl und Erdgas, diese Zertifikate entsprechend nach-eisen.
er dadurch entstehende Preis für die erneuerbareärme wäre ein echter Investitionsanreiz. Das wäre einffektiver, effizienter und marktwirtschaftlicher Weg, dierneuerbaren Energien zu fördern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, daie selbst kein Konzept haben, schlage ich Ihnen vor:opieren Sie unser Konzept und bringen Sie es in dieerhandlungen ein.
as wäre im Sinne des Klimaschutzes und im Interesseer Verbraucherinnen und Verbraucher.Die FDP-Fraktion hat bereits zu anderen Bereichenes Klimaschutzes Anträge ins Parlament eingebracht.abei ging es beispielsweise um die Frage: Wie könnenir unsere solare Spitzentechnologie effektiver in Ent-icklungs- und Schwellenländer exportieren? Leiderst es so, dass die verschiedenen beteiligten Ministerieneine Koordinierung vorweisen können und kein Kon-ept haben. Auch von der Koalition gibt es bisher nichtsls Überschriften.
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Michael Kauch– Ja. Aber schauen Sie sich bitte auch einmal die Realitätin den Ländern an, die nicht ohnehin schon weit sind. Inden afrikanischen Ländern zum Beispiel – ich bin Mit-glied in der Parlamentariergruppe für das südlicheAfrika – gibt es auf breiter Front Insellösungen in derStromversorgung. Obwohl dort optimale Bedingungenfür Solartechnik bestehen, ist es vielfach immer noch so,dass Strom mit Dieselgeneratoren erzeugt wird. Hier hatzumindest das Entwicklungshilfeministerium etwasfalsch gemacht.
Der Antrag, den das Bündnis 90/Die Grünen heutevorlegt, ist ein netter Versuch, letztendlich aber nichts alsein Sammelsurium bekannter Positionen: von Anti-AKW über die missionarische Verbreitung des teurenEEG in ganz Europa bis hin zu Tempolimit und Hybrid.Wir setzen nicht auf Ökosymbolik oder eine Verbots-ideologie, sondern auf marktwirtschaftliche Anreizeund technologische Optionen für die Zukunft. Deshalbwerden wir diesen Antrag ablehnen.
Wir müssen neue technologische Möglichkeiten nut-zen. Das betrifft auch die Kohle. Wir werden es nichtschaffen, gleichzeitig aus der Nutzung der Kernkraft undder Kohle auszusteigen. Deshalb müssen wir uns Gedan-ken darüber machen, wie wir die Kohle so verantwort-lich wie möglich nutzen können. Dazu gehört auch, dasswir die CO2-Abscheidungstechnologie, durch die dasCO2 abgeschieden und in der Erde eingelagert wird, tat-sächlich auf den Markt bringen.Das muss man im internationalen Kontext sehen: DieKohle wird in China in jedem Fall verbrannt. Die Frageist: mit guter oder mit schlechter Technologie? Deutsch-land muss zu dieser neuen Technologie Ja sagen, und wirmüssen sicherstellen, dass in Deutschland kein Kraft-werk mehr gebaut wird, das nicht zumindest nachrüstbarist, was diese Technologie betrifft. Schöne Worte derKanzlerin reichen nicht aus. Ich erwarte von der Koali-tion, dass sie in diesem Bereich einen klaren Rechtsrah-men schafft.Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Frank Schwabe,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! AmKlimaschutz kommt niemand vorbei. Das ist, wie ichglaube, im Rahmen der Auseinandersetzungen über denEnergiegipfel erneut deutlich geworden. Insofern warendiese Auseinandersetzungen durchaus hilfreich. Ich habeden Eindruck, dass diese Tatsache nun vielleicht auchdem letzten Vorstandsvorsitzenden bewusst gewordenist.
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Ich will ja wirklich zurückhaltend sein; aber ich bittechon herzlich – auch Frau Künast –, bei der Wahrheitu bleiben. Ich musste nämlich in der „Zeit“ lesen:abriel und die SPD mussten sich von der Europäischenommission zu einer Versteigerung der Zertifikatereiben lassen.
s gab eine intensive Debatte, und der Minister hat im-er von einer langen Lernkurve geredet, das stimmt.ber bei den Zertifikaten war das ganz anders: Da ist esirklich so, dass der Deutsche Bundestag vorangeht undass wir selbstbewusst sagen können: Deutschland istin Vorbild für ganz Europa.
n der Frage der Veräußerung der Zertifikate sind wir anie Spitze getreten. Das könnten Sie einmal würdigen,nstatt wie in der „Zeit“ falsche Behauptungen aufzu-tellen!Jetzt noch kurz zur FDP. Wir sind ja alle sommerlich-ilde gestimmt. Ich will deswegen ausdrücklich würdi-en, dass es einige in der FDP gibt, die sich bemühen,er FDP beim Klimaschutz ein Stück weit ein grünesntlitz zu geben. Nichtsdestoweniger hat die Mehrheithrer Fraktion eine andere Position. Ich habe einmalachgelesen, was Frau Kopp zum Energiegipfel gesagtat:In der Energiepolitik droht dem Land bis 2009 …vielleicht das bezieht sich auf die Zukunft –sogar aktionistischer Regelungswahn ohne Rich-tung und Ziel.ie FDP muss sich schon entscheiden, wie sie sich auf-tellen will: Wollen Sie nun, dass wir Maßnahmen er-reifen und sie entsprechend umsetzen, oder wollen Sieies „aktionistischen Regelungswahn“ nennen?
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Frank SchwabeDenn Letzteres kann sich ja nur auf die Maßnahmen be-ziehen, die angekündigt sind.Ich muss daran erinnern, dass Sie die einzige Fraktionim Deutschen Bundestag sind, die sich noch nicht aufdas Ziel verpflichtet hat, die CO2-Emissionen bis 2020gegenüber 1990 um 40 Prozent zu senken. Sie sind dieEinzigen; das muss hier immer wieder gesagt werden.
Die Bundesregierung – das kann man doch wirklich lo-ben! – geht international voran: Sie hat sich national dasambitionierte 40-Prozent-Ziel gesetzt und mit dem Ge-bäudesanierungsprogramm gehandelt, ebenso beimEmissionshandel. Noch einmal: Ich würde mir wün-schen, dass unsere Ausgestaltung des Emissionshandelsstärker gewürdigt wird. Wir haben die Versteigerung,wir haben nicht den 3-fach-Benchmark im Bereich derBraunkohle, und wir haben ein ambitioniertes Cap.
Nach langen Diskussionen haben wir miteinander einenwirklich guten Emissionshandel beschlossen. Ich glaube,es schadet nichts, wenn wir das gemeinsam feststellen,Frau Künast.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kauch?
Die gestatte ich gerne.
Herr Kollege Schwabe, die Grünen wollen offensicht-
lich zwischenrufen, aber ich möchte Sie ganz förmlich
fragen. Es ist offensichtlich – wir haben das schon ges-
tern erlebt – eine Strategie Ihrer Fraktion, darauf zu ver-
weisen, dass sich die FDP-Fraktion im Rahmen der Um-
frage von Greenpeace nicht für das 40-Prozent-Ziel
ausgesprochen hat. Ich möchte, dass Sie zur Kenntnis
nehmen – und würde Sie bitten, das bei Ihren weiteren Ar-
gumentationen aufzunehmen –, dass sich die FDP-Frak-
tion in einem einstimmigen Beschluss auf das 30-Pro-
zent-Ziel der EU verpflichtet hat, und zwar ohne Wenn
und Aber, ohne die Einschränkungen, die die Bundesre-
gierung verhandelt hat.
Wir sind jedoch – wie im Übrigen auch Ihre Regie-
rung – der Meinung, dass es Verhandlungen über die
Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union ge-
ben muss. Ich finde, es ist im deutschen Interesse, dass
wir zunächst einmal verhandeln und nicht vorher, einsei-
tig, ein für uns denkbares Verhandlungsergebnis auf den
Tisch legen. Ich finde, auch die Franzosen sollten etwas
machen. Ich würde mich freuen, wie Sie das zur Kennt-
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Aber Sie bleiben während der Beantwortung durch
en Kollegen Schwabe noch stehen!
Man lernt immer etwas dazu; dies war also eine Zwi-chenbemerkung.Herr Kauch, wir haben schon mehrfach darüber dis-utiert und wir wissen, dass es in der Tat das konditio-ierte Ziel von 30 Prozent für Europa bei 40 Prozent füreutschland gibt. Wenn wir aber in Sonntagsreden da-über sprechen, dass wir mit unseren nationalen Maß-ahmen und auf europäischer Ebene wie auch internatio-al eine Vorreiterrolle einnehmen wollen, dann finde ichs richtig, zu fragen, was wir machen müssen, wennuropa 30 Prozent als Ziel hat; wir gehen davon aus.Man muss irgendwann anfangen, Gesetzespakete zuchnüren, und das tun wir jetzt auch. Dann muss manber von einer Zahl ausgehen. Ich stelle noch einmalest, dass alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestaginter dem 40-Prozent-Beschluss stehen, wenn Europaich 30 Prozent zum Ziel setzt, einige sogar unkonditio-iert. Sie sind die einzige Fraktion, bei der das in keineminzigen Papier steht. Wenn das anders sein sollte, müss-en Sie mich eines Besseren belehren.
Insofern geht die Bundesregierung wirklich voran. Esurde Druck gemacht, indem man sich vorgenommenat, das Klimapaket in diesem Jahr zu beschließen. Dieundeskanzlerin und der Bundesumweltminister habenabei die ausdrückliche Unterstützung der SPD-Frak-ion. Die Ziele sind klar: die weitere Verbesserung desrneuerbare-Energien-Gesetzes, ein Wärme-EEG undin gutes Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz.
ll das muss dieses Jahr beschlossen werden. Die zen-ralen Maßnahmen hat Sigmar Gabriel in seiner Regie-ungserklärung in einem Acht-Punkte-Programm be-chrieben. Bei 40 Prozent liegt die Messlatte, und diecht Punkte sind der mit eindeutigen Zielen unterlegterientierungsrahmen. Wer immer in der Bundesregie-ung oder den Koalitionsfraktionen Änderungen an die-en acht Punkten vornehmen will, muss ganz genau be-ennen, welche Maßnahmen er zukünftig zusätzlicharin aufnehmen will. Das ist die klare Vorgabe für die-es Jahr.Ich freue mich darüber – will aber nicht zuviel da-über reden, weil es beim Energiegipfel zum Glück nichtie Rolle gespielt hat, wie einige Medien es danach er-cheinen lassen wollten –, dass wir die Alibidiskussion
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Frank Schwabeüber Atomkraft in dieser Legislaturperiode beenden.Das ist, glaube ich, im Rahmen des Energiegipfels deut-lich geworden. Es gibt fundamentale Gegensätze in derRegierung. Im Parlament gibt es im Übrigen eine Mehr-heit für den Atomausstieg. Das ist auch gut begründet.Wenn immer wieder gesagt wird, dass Deutschland diesichersten Atomkraftwerke der Welt hat, frage ich michnach den Vorkommnissen der letzten Wochen, wie es ei-gentlich im Rest der Welt aussieht. Es ist jedenfalls eineAlibidebatte, weil die Atomenergie bei einem weltwei-ten Anteil von 3 Prozent an der Endenergie keine rele-vanten Klimaschutzeffekte hat.
Insofern ist es gut, dass diese Alibidebatte beendet istund wir uns auf die vielen anderen Dinge, bei denen wiretwas machen können, konzentrieren können.Im Antrag der Grünen wird auch einiges zur Außen-politik gesagt. Deswegen will ich noch einmal deutlichmachen, dass es notwendig ist, bei der Klimakonferenzin Bali zu einem Kioto-Nachfolgeabkommen zu gelan-gen. Es ist notwendig, dass die Industrieländer vorweg-gehen. Solange Deutschland pro Kopf auf einen zehnmalso hohen CO2-Ausstoß wie Indien kommt, müssen wirvorweggehen. Wenn wir vorweggehen wollen, brauchenwir eine hohe Glaubwürdigkeit der nationalen Politik.Der Umweltminister hat eine hervorragende Rolle inNairobi gespielt, weil er das 40-Prozent-Ziel benannthat. Nach meiner Erinnerung war er der Einzige, dernicht nur gesagt hat, dass wir alle etwas tun wollen, son-dern für Deutschland auch ganz konkret das 40-Prozent-Ziel benannt hat.
– In der Tat, es war ein Bundestagsbeschluss, HerrGöppel.Deswegen ist es ein hervorragendes Signal, wenn wires vor Bali schaffen, dieses Klimaschutzpaket durch denDeutschen Bundestag zu bringen.
Ich will noch ganz kurz auf CCS eingehen. Die Linkeunterliegt diesbezüglich einem Denkfehler. FrauBulling-Schröter wird, glaube ich, zu diesem Themanoch etwas sagen.
Sie schließen das kategorisch aus. Wir sind ja gemein-sam auf internationalen Konferenzen und wissen, wiedas diskutiert wird. Ich halte es aber auch für falsch, zusagen, das sei das allein Seligmachende und werde aufalle Fälle funktionieren. Ich habe dazu durchaus Fragen.Wir müssen aber aus dieser „Karottensituation“ heraus-kommen, in der jemand auf einem Esel sitzt, diesem eineKarotte vor die Nase hält und sich die Karotte immerdann, wenn der Esel einen Schritt vorwärts geht, auchein Stück nach vorne bewegt. Wir brauchen also Klarheitbei der Debatte über CCS. Diese Klarheit muss ganzschnell geschaffen werden. Die rechtlichen Rahmenbe-dewkdaKzvpffEuMeedvcglulmKIIsdFKgFrw–
Das Wort hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter,
raktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Nach dem Ener-iegipfel in dieser Woche haben wir einmal mehr eineuerwerk an Ankündigungen gehört. Die Bundesregie-ung hatte sich eine Menge vorgenommen. Was irgend-ann Realität wird, steht aber noch in den Sternen.
Zudem ist ein Gesamtkonzept in der Klimapolitikhier ist sich die Opposition ausnahmsweise einmal ei-
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Eva Bulling-Schröternig – immer noch nicht zu erkennen. Es sei illusorisch,gleichzeitig aus der Atomkraft und aus der Kohle auszu-steigen, meint Umweltminister Gabriel beispielsweise.
Dabei wird durch das zum Gipfel vorgelegte Gutachten– Sie sollten das einmal lesen, Herr Kauch – das Gegen-teil bewiesen.
Immerhin erkennt auch die Bundesregierung an, dasswir die Produktion von Strom und Wärme bis zur Mittedieses Jahrhunderts ebenso auf erneuerbare Energienumgestellt haben müssen wie unsere Mobilität. Das wirdaber nicht funktionieren, wenn wir in den nächsten Jah-ren den Kraftwerkspark durch Kohlemeiler ersetzen, diedann noch 50 Jahre lang laufen. So sieht jedenfalls füruns die gegenwärtige Situation aus. Dies lehnen wir ab.
Im Übrigen gab es dazu vorgestern auch eine sehr hef-tige Debatte in der Bremer Bürgerschaft. Auch hier be-schäftigt man sich also schon damit.Die Zeichen, die mit dem europäischen Emissions-handel und mit seiner Umsetzung hierzulande gesetztwurden und werden, sind offensichtlich falsch. KollegeSchwabe, auch wenn ich ein karottenfarbenes Sakko an-habe, führt die Fixierung auf die CO2-Abscheidung aufden falschen Pfad. Sie wissen genau, dass die Technik– wenn überhaupt – nicht vor 2020 zur Verfügung stehenwird. Wohin die Millionen Tonnen Kohlendioxid dannverpresst werden sollen, ist vollkommen unklar. In dergestrigen Debatte über den Meeresschutz hat sich nie-mand dazu geäußert. Schade eigentlich! Wir sollten alsonicht auf dieses riskante Technologieversprechen setzen,nur um die Kohleära zu verlängern.Die Klimaziele werden auch nicht erreicht, wennEnergieeffizienz und Energieeinsparung weiter sostiefmütterlich behandelt werden wie bisher.
Es wird auch nicht funktionieren, wenn wir uns nichternsthaft auf den Weg machen, eine neue Mobilität jen-seits von Auto und Lkw zu organisieren.
Nach zwei Jahren schwarz-roter Koalition enthält dieBilanz der Klimapolitik vor allem Pläneschmieden. Klarist vor allem, was wir noch nicht haben, nämlich zumBeispiel das mehrfach angekündigte Regenerative-Wärme-Gesetz. Es hätte längst auf den Weg gebrachtwerden können, und die Bundesregierung hat ja auchlängst erkannt, dass hier riesige Potenziale brachliegen.Also Mut, meine Damen und Herren!
Dies gilt auch für die energetische Gebäudesanie-rung. Mit dem 1,5-Milliarden-Euro-Programm wurdezwar ein respektabler Anfang gemacht, doch die Rah-menbedingungen wurden nur halbherzig gesetzt. DerGgtvrvDkmtsemgfIwrsggDssMsBzdUsbeWgddIssG–Afnz
Hören Sie bitte zu! – Eine Hartz-IV-Familie, die vonrbeitslosengeld lebt, wird sich keinen Ökokühlschrankür einige Hundert Euro zulegen. Sie kann es leidericht, selbst wenn sich das über 15 Jahre hinweg aus-ahlen würde. Sie wird stattdessen wohl eher einen
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Eva Bulling-Schrötergebrauchten Kühlschrank für 100 Euro kaufen, wenn deralte nicht mehr funktioniert.Warum besteuern wir nicht die Extraprofite aus demEmissionshandel und gewähren die Einnahmen daraussolchen Familien als Zuschuss für Energiespargeräte?Das wäre sozial und ökologisch.
Wenn die Zertifikate hoffentlich ab 2013 zu 100 Prozentversteigert werden – dazu erwarte ich eine Aussage desUmweltministers –, dann können wir die Auktionsein-nahmen für solche Programme zur Verfügung stellen.Manches, was Ökologie und Soziales verbindenkönnte, kostet nicht einmal Geld. Deshalb ist es auch einweiteres Versäumnis, dass die Bundesregierung solcheinnovativen Ansätze wie das Top-Runner-Programmnicht längst in die Praxis überführt hat. Geben Sie denHerstellern von Elektrogeräten zwei Jahre Zeit, den je-weiligen Effizienzstandard der Besten am Markt zu er-reichen! Die unvernünftige große und teure Kluft zwi-schen Edelökogeräten und stromfressender Massenwarewürde dann weitgehend geschlossen. Auch dieser An-satz schafft Arbeitsplätze. Denn bei weltweit steigendenEnergiepreisen sind Stromspargeräte Exportschlager.
Völlig kostenlos ist auch ein Tempolimit. Ob 120 oder130 Kilometer pro Stunde, die Begrenzung der Rasereiauf unseren Autobahnen ist nicht nur aus Klimaschutz-gründen längst überfällig,
genauso wie die Besteuerung von Flugbenzin;
denn der Zuwachs im Flugverkehr wird sonst alle ande-ren Einsparungen im Verkehrsbereich zunichte machen.Wir als Linke haben in unserem Sofortprogramm etli-che Vorschläge für einen nachhaltigen Verkehr unter-breitet. Auch die Grünen haben entsprechende Vor-schläge vorgelegt, unter anderem die sympathische Ideeeiner Stiftung Fahr-Rad.Der wichtigste Bereich im Klimaschutz bleibt dieFrage der Kraftwerke. Deshalb zurück zum Strombe-reich: Die Versuche der CDU/CSU und der FDP, dieAtomkraft wieder ins Spiel zu bringen, sind irrationalund nach wie vor gefährlich.
Noch ein Argument: Weltweit decken die AKWs– das wissen viele nicht – nur 2,5 Prozent des Energiebe-darfs. 2,5 Prozent! Ungefähr um diesen Wert steigen je-des Jahr auch die weltweiten CO2-Emissionen aus fossi-len Brennstoffen. Wollten Sie nur einen Teil davon durchAtomstrom kompensieren, gingen die Uranreserven inwenigen Jahren zur Neige. Dafür wollen Sie sich zusätz-liche Risiken von Kernschmelzen, strahlendem AbfalluwEEkDtdcSpRdsrdDSkwDVzumpuagkdeanthssPZes
Das besondere Problem einer Klimaschutzpolitik istber, dass sie fachlich nicht auf ein Politikfeld einge-renzt werden kann. Klimaschutzpolitik hat Auswir-ungen auf die Städtebaupolitik, die Forschungspolitik,ie Verkehrspolitik und die Energiepolitik. Sie ist einechte Querschnittspolitik. Damit hat sie Auswirkungenuf die verschiedensten Bereiche. Wer dieses Problemicht erkennt, läuft natürlich Gefahr, trotz guter Absich-en Fehler auf anderen Politikfeldern zu machen. Des-alb muss in der Klimaschutzpolitik immer der Grund-atz beherzigt werden: Es kommt nicht auf die Masse an,ondern auf die Klasse der Vorschläge und die richtigerioritätensetzung.
Herr Kuhn, ich erlaube mir an dieser Stelle, auf Ihrenwischenruf „Kohle an den Fingern!“ während der Redeines meiner Vorredner einzugehen. Ihre Fraktion hatich in dem Antrag sehr breit zu der Frage geäußert,
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Parl. Staatssekretär Dr. Peter Paziorekwann zukünftig in Deutschland neue Kohlekraftwerkegebaut werden dürfen. Sie stellen die These auf: nurdann, wenn die Abscheidetechnik wirklich läuft. FrauKünast, ich kann mich gut an die Diskussionen in derEnquete-Kommission des Deutschen Bundestages – ichwar Mitglied der Kommission – erinnern. Vor zehn,15 Jahren ist man davon ausgegangen, dass wir höchst-wahrscheinlich gar nicht über die notwendige Filtertech-nik bzw. Abscheidetechnik verfügen werden. Die Ent-wicklung ist weitergegangen. Nun gibt es Chancen. Aberich frage Sie: Wollen Sie aufgrund eines laufenden For-schungsprozesses die These politisch aufrechterhalten,dass neue Kohlekraftwerke, die zum Beispiel Wirkungs-grade von 49 oder vielleicht sogar 51 Prozent haben,nicht gebaut werden sollen, während alte Nachkriegs-kraftwerke mit Wirkungsgraden von 34 bzw. 36 Prozentweiterlaufen sollen?
– Schauen Sie sich Ihren Antrag an. Die Diskussionmüssen Sie aushalten.
Ich sage Ihnen: Mir sind neue Kraftwerke mit einemWirkungsgrad von 50 Prozent lieber als alte Kraftwerke,die mit einem Wirkungsgrad von 35 Prozent weiterlau-fen.
Aus dem Grunde müssen wir uns sehr klug einer sol-chen Strategie stellen. Es ist sehr interessant, dass Sie inIhrem umfangreichen Papier mit dem breiten Ansatz nureinen Satz darauf verwenden, wie das Ganze internatio-nal eingebettet werden soll. Sie schreiben an einer Stelle,das Ganze müsse multilateral vereinbart werden. Super,Sie haben recht. Aber meinen Sie, mit einem solchenSatz könnten wir es tatsächlich schaffen, die Erfolge zuerzielen? Nein. Da muss ich ganz klar und deutlich sa-gen: Ich bin unserer Bundeskanzlerin dankbar, dass siees geschafft hat, endlich die internationalen Rahmen-vereinbarungen zu ermöglichen, damit eine solche na-tionale Strategie international verankert werden kann.Herzlichen Dank dafür an die Bundeskanzlerin.
Herr Kollege Paziorek, gestatten Sie eine Zwischen-
frage der Kollegin Höhn?
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Wir stehen am Anfang dieser Diskussion. Am Anfanger Diskussion muss man der Öffentlichkeit mitteilen,ass die Bundesregierung im Augenblick daran arbeitet,iesen Erfahrungsbericht vorzulegen, der jetzt die
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Parl. Staatssekretär Dr. Peter PaziorekGrundlage für einen Optimierungsprozess ist. Mit ande-ren Worten: Wir müssen der Öffentlichkeit sagen, dassdie Bundesregierung auf der ersten Stufe angelangt ist– das haben Sie immer verlangt –, nämlich eine Bilanzzu ziehen, wo wir stehen. Sie hätten eigentlich heuteMorgen in Ihren Reden sagen müssen, dass Sie der Bun-desregierung dankbar sind, dass sie gestern einen sol-chen Bericht vorgelegt hat. Warum tun Sie das nicht?
Deshalb sage ich ganz selbstbewusst: Wir sind auf demWeg, diese Ziele zu erreichen.Sie fordern pauschal die Aufstockung der For-schungsmittel. Ich bin in unserem Hause auch für dieForschungsmittel für nachwachsende Rohstoffe zustän-dig. Ich sage mit allem Selbstbewusstsein: Ich kannmich an kein einziges Gespräch erinnern, in dem mirvon der Wirtschaft oder den interessierten Verbänden,die zum Teil heute auf der Tribüne zuhören, gesagt wor-den wäre, die Forschungsmittel zum Beispiel im Bereichder nachwachsenden Rohstoffe seien zu gering. Ich kannmir auch nicht vorstellen, dass es in den letzten Monateneinen Fall gegeben hätte, wo wir wegen Finanzengpäs-sen Forschungsanträge abgelehnt hätten. Wir haben An-träge abgelehnt, weil wir zunächst belastbar prüfen woll-ten, ob das Projekt wirklich einen Fortschritt darstellt,aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir Pro-jekte zurückgewiesen hätten, nur weil Forschungsmittelgefehlt hätten.Aus diesem Grunde sage ich: Ich bin UmweltministerGabriel an dieser Stelle im Rückblick sehr dankbar fürdie guten Koalitionsverhandlungen, die wir damals ge-führt haben.
Wir haben in den Koalitionsverhandlungen ein hervor-ragendes Ergebnis im Bereich der Umweltpolitik erzielt.
Niemand kann sagen, dass wir da versagt haben.Herr Fell, Sie haben gerade dem Umweltminister Ih-ren Antrag mit großem Selbstbewusstsein übergeben.Mir ist im Hinblick auf diesen Antrag aufgefallen: An ei-nigen Stellen sind Sie weggetaucht, zum Beispiel bei derspannenden Frage, wie wir im Bereich der Energie-pflanzen weiterkommen und wie wir in diesem Bereichdie Forschung gestalten. Dazu steht in Ihrem Papiernichts Ausführliches.
– Ich habe es mir gerade noch einmal genau ange-schaut. – Ich weiß, weshalb Sie weggetaucht sind. WeilSie Angst haben, in Ihrer Klientel eine Diskussion darü-ber in Gang zu setzen, wo die Grenze zwischen Pflan-zsDsfDmgnwvssBtwabsSKmftPgmzDEWbNdtddBzSEl
ies bezieht sich auch auf die spannende Frage der For-chung.Sie sprechen zu Recht von einem Wärmekonzeptür Biogasanlagen.
enn es ist in der Tat ein bisschen bedenklich, dass manit Biogasanlagen nur Strom produziert und im Grundeenommen vergisst, die dabei entstehende Wärme zuutzen. Die spannende Frage lautet doch: Wie könnenir die Nährstoffe, die Stoffe für die Biogasanlagen, soerbessern – daran arbeiten wir gerade –, dass zum Bei-piel auch Gülle als Grundstoff für Biogasanlagen einge-etzt wird? Davon sprechen Sie nicht, weil das Ihremild von der Landwirtschaft eventuell widerspricht. Daauchen Sie weg. Aber das sind doch Punkte, über dieir diskutieren müssen. Da Sie hier mit dem Anspruchuftreten, ein Konzept vorzulegen, in dem alle Gebieteehandelt werden und das einen großen Durchbruch dar-tellt, muss ich Ihnen sagen: Es gibt Punkte, an denenie wegtauchen, weil Sie Angst haben, kritisch mit Ihrerlientel diskutieren zu müssen.
Natürlich gibt es sehr viele Punkte – darauf habeneine Vorredner hingewiesen; Maria Flachsbarth hat esür unsere Fraktion angesprochen; auch die SPD-Frak-ion hat dies betont –, bei denen wir eine gemeinsamelattform finden können; das soll an dieser Stelle heraus-estellt werden. Deshalb wird die Zeit nach der Som-erpause für die Erarbeitung eines konkreten Konzeptesur Klimaschutzpolitik sehr wichtig sein.
afür sind die Punkte der Kanzlerin, die sie nach demnergiegipfel genannt hat, die entscheidende Grundlage.ir brauchen in der Tat mehr Energieeffizienz. Wirrauchen in der Tat Förderkonzepte, um zum Beispielahwärmenetze im ländlichen Bereich zu schaffen unden Einsatz von Biomasse in Biogasanlagen umweltpoli-isch sinnvoller zu gestalten.Wir werden nach meinem jetzigen Kenntnisstand beien Haushaltsplanberatungen einen ersten Fördertopf iniesem Zusammenhang aufstellen. Ich hoffe, dass derundestag dem zustimmen wird, um in diesem Bereich,um Beispiel auch bei der Kraft-Wärme-Kopplung, eintückchen weiterzukommen.Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.
s freut mich natürlich, dass ich das anlässlich meineretzten Rede hier im Deutschen Bundestag sagen kann.
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Parl. Staatssekretär Dr. Peter PaziorekIch möchte mich an dieser Stelle bei meiner Fraktion be-danken, die mir ganz überraschend die Möglichkeit ein-geräumt hat, meine letzte Rede heute halten zu können.Ich möchte einen Blick zurückwerfen. Wir haben dasThema Klimaschutz seit 1990 sehr intensiv behandelt.Ich kann mich daran erinnern, dass vor der großen Um-welt- und Entwicklungskonferenz in Rio sehr vieleausländische Parlamentarier zum Deutschen Bundestag– damals noch in Bonn – gekommen sind, um mit unsdarüber zu reden, wie wir uns auf diese Klimakonferenzvorbereiten. Das war deshalb begründet, weil damals dieentsprechende Enquete-Kommission des DeutschenBundestages und damit Parlamentarier – ich will jetztbewusst den Bundestag ansprechen und nicht die Vorbe-reitungen auf Regierungsebene – zusammen mit Wissen-schaftlern hervorragende Vorarbeiten für diese Konfe-renz geleistet haben. Auf internationaler Ebene hat mangesagt: In dieser Beziehung ist der Deutsche Bundestagein Vorbild.Unabhängig davon, dass wir jetzt wieder einmal überden richtigen Weg gestritten haben, möchte ich Folgen-des feststellen: Beim Nachlesen in den Protokollen habeich ein Ausschussprotokoll vom 6. Mai 1992 gefunden.Darin heißt es wörtlich – ich darf zitieren –:Bei der Diskussion ergab sich weite Übereinstim-mung in der Sache, was letztlich in einen interfrak-tionell erarbeiteten Entschließungsantrag mündete.Das bezog sich auf die Vorbereitung der Konferenz inRio. Da wurde über alle Fraktionsgrenzen hinweg einEntschließungsantrag verabschiedet.Warum sage ich das? Ich möchte damit dem Eindruckin der Öffentlichkeit entgegentreten, der immer wiedernach dem Motto vorgebracht wird: Schaut euch einmaldie Politiker an, die springen jetzt auf ein solches Mode-thema wie den Klimaschutz und die Umweltpolitik.
– Frau Künast, Sie scheinen von meinen Worten sehr ge-troffen zu sein. Darüber möchte ich jetzt aber hinwegse-hen.Nein, die Realität ist anders. Dieser Bundestag hatsich nicht kurzfristig des Modethemas Klimaschutz an-genommen, sondern er hat in diesem Feld seit Jahrenverantwortungsbewusst gearbeitet, teilweise über Frak-tionsgrenzen hinweg. Es wäre sehr schön, wenn der Stilder Auseinandersetzung über das Thema Klimaschutztrotz des Streits über den richtigen Weg beibehaltenwird. Das wünsche ich mir. Als Westfale sage ich mitBlick auf Ihre weitere Arbeit in diesem Bereich: Glückauf!Herzlichen Dank.
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80 Prozent der CO2-Emissionen in diesem Sektor ent-stehen im Straßenverkehr. Daher führt kein Weg daranvorbei, dass es für die Pkws europaweit wirklich an-spruchsvolle Verbrauchsobergrenzen geben muss. Ichsage Ihnen ganz offen: Wir dürfen an dem 120-Gramm-Ziel nicht rütteln lassen. Wir treten dafür ein, dass es imJahr 2020 möglichst viele 3-Liter-Autos gibt. DiesesZiel muss europaweit und durch entsprechende Maßnah-men hier politisch abgesichert werden.
Es muss Schluss sein mit immer schnelleren Fahrzeu-gen, die immer effizientere Motoren haben. Es ist, um eseinmal plastisch zu sagen, dem Klima wurscht, ob wirmit immer schnelleren Fahrzeugen immer mehr fahren,mit immer besseren Flugzeugen immer mehr fliegen,wenn in der Summe der Ausstoß der Treibhausgase an-steigt und nicht reduziert wird.Wir müssen – ich habe es bereits gesagt – auch mehrfür die Verlagerung des Verkehrs tun. Wir haben aufder einen Seite im Bereich des Güterverkehrs auf derStraße Wachstumsraten, die absolut klimaschädlich sind.Auf der anderen Seite haben wir im SchienenverkehrEngpässe, sodass man schon heute sagen kann, das zu-künftige Verkehrswachstum kann auf der Rheintalstre-cke und den Hafenhinterlandstrecken von den großenHäfen weg nicht auf der Schiene bewältigt werden, ob-wohl sich alle einig sind, dass dort etwas geschehenmuss.Meine Damen und Herren, ich muss zum Schlusskommen. Wir sollten zukünftig in die Klimaschutzpoli-tik die Verkehrsemmissionen verstärkt mit einbeziehenund dort nicht nur Ziele formulieren, sondern ein ganzesBündel von ambitionierten Maßnahmen gemeinsamnach vorne bringen, denn Klimaschutz ohne Verkehrspo-litik muss scheitern.Danke schön.
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Ich lese einmal einen Satz vor – wir sind ja kurz voren Ferien; da muss man ja ein bisschen Spaß haben –:Bei der Steinkohle will die Linksfraktion das Aus-stiegstempo verlangsamen.as ist der Beschluss, den Sie fassen. Hier sagen Sie je-och, wir sollen nicht so viele Kohlekraftwerke bauen.er Kollege Paziorek hat absolut recht, wir müssen inoderne Kohlekraftwerke investieren, um alte stilllegenu können. Die Bundesregierung will – das müssen wirachen – damit 42 Millionen Tonnen CO2 einsparen.ie sagen dazu, dass diese Investitionen dann für 30,0 Jahre stehen. Das ist – ich weiß nicht, wie gut Ihreraktion in Mathe ist – ungefähr der Zeitraum bis 2050.enn Sie mit uns einer Meinung sind, dann halten Sieier doch auch einmal Reden, aus denen man das erken-en kann. Reden Sie hier nicht das Gegenteil von dem,as Sie den Wählern in Sachsen-Anhalt gegenüber, dieon der Braunkohle betroffen sind, öffentlich erklären.as geht so nicht. Das können wir Ihnen so nicht durch-ehen lassen.
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Bundesminister Sigmar GabrielJa, wir sind für eine 100-Prozent-Auktionierung inder dritten Handelsperiode. Aber machen Sie nicht dieAuktionierung zum Jäger 90 des Jahres 2013. In der Re-gel kann man Geld nur einmal ausgeben. Wenn wir fürinternationale und nationale KlimaschutzmaßnahmenGeld einsetzen wollen, dann ist es natürlich absoluterWahnsinn, der Öffentlichkeit zu versprechen, für einenbestimmten Teil der Bevölkerung die Elektrogerätestaatlich zu subventionieren. Ich weiß kaum noch, wasman dazu sagen soll.
– Natürlich, Sie haben vorgeschlagen, einen Fonds auf-zulegen und dann die effizienten Geräte preiswerter aneinen bestimmten Teil der Bevölkerung abzugeben. Wirmüssen hingegen Folgendes machen: Wir müssen dieGeräte dadurch preiswerter machen, dass wir sie bei-spielsweise anders besteuern oder durch Top-Runner-Programme fördern, damit mehr Geräte auf den Marktkommen. Das ist der richtige Ansatz.
Man sollte nicht am Beispiel von Hartz IV die Leute fürdumm verkaufen und ihnen sagen, Ihre Partei würde da-für sorgen, dass der Föhn im Kaufhaus und der Compu-ter im Media Markt in Zukunft bei Vorlage des Hartz-IV-Scheins preiswerter abgegeben werden und dass dieBundesregierung das aus Steuergeldern bezahlt. Ichweiß wirklich nicht, in welchem Jahrhundert Sie sind, indiesem Jahrhundert sind Sie jedenfalls nicht.
– Wenn Sie solche Zwischenrufe machen, muss ich Ih-nen sagen: Hier beantragen Sie den Stopp der Braun-kohle, und zu Hause in Sachsen-Anhalt gefährden Siedamit 1 000 Arbeitsplätze. – Das ist die Politik derLinkspartei im Deutschen Bundestag. Sie machen1 000 Leute im Land Sachsen-Anhalt arbeitslos.
Was Sie hier beantragen, ist unpopulär. Das trifft zu.Aber auch dann muss man das öffentlich sagen.
– Haben Sie nicht nur den Mut zu Zwischenrufen; habenSie auch einmal den Mut zu einer Rede, am besten vormir, damit ich danach auf Sie antworten kann!
Ich sage ganz offen: So kann man das nicht betreiben.Top-Runner, Frau Kollegin, das wollen wir.
Aber Sie wissen doch wie wir, dass Regeln im europäi-schen Binnenmarkt für alle gelten müssen. Wir könnenkmDfntkwChaibbE2SzDKzü8–szdlhfbdRmlmudaHdbagw
Herr Fell, bei der Gelegenheit: Im Haushaltsentwurftehen jetzt 45 Millionen Euro weniger. Das haben Sieitiert. Sie müssen aber auch sagen, dass gleichzeitig ausen Auktionierungsmitteln 280 Millionen Euro zusätz-ich für den nationalen Klimaschutz zur Verfügung ste-en. Davon sollen im nächsten Jahr 100 Millionen Euroür die erneuerbare Wärme eingesetzt werden. Wir ge-en deshalb nicht 45 Millionen Euro weniger aus, son-ern noch einmal 60 Millionen Euro mehr. Das ist dieealität der Politik der Bundesregierung.
Sie betreiben bei der Veranstaltung Volksverdum-ung. Wir haben die Mittel für Forschung und Entwick-ung im Bereich erneuerbarer Energien verdoppelt; un-ittelbar nach Abschluss der Koalitionsvereinbarungmgesetzt. Wir haben das Zuteilungsgesetz verabschie-et. Wir haben die Vorschriften zur Auktionierung ver-bschiedet. Wir gehen jetzt daran, im fünften Schritt imerbst ein integriertes Klimaschutz- und Energiepaket inen Bundestag einzubringen. Das heißt, zur Halbzeit-ilanz dieser Koalition haben wir entsprechend der Ko-litionsvereinbarung den Klimaschutz weit nach vorneebracht. Wir sind mit dem Paket in Europa und welt-eit führend.
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Bundesminister Sigmar Gabriel
– Sie haben nicht zugehört. Ich habe Ihnen gerade vorge-lesen, dass wir all das – –
– Sie können noch dreimal dazwischenrufen;
es bleibt dreimal falsch, Frau Kollegin. Mehr bekommenSie hier nicht heraus.
Klimaschutz und Energiepolitik gehören zu 100 Pro-zent auf die Habenseite dieser Großen Koalition.
Von daher, Herr Kollege Fell: Vielen Dank für Ihr Paket,aber es gilt Wallenstein:Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt, Graf Isolan;
der weite Weg entschuldigt Euer Säumen.Das ist das, was ich zu Ihrem Paket sagen kann.
Herr Minister, Frau Kollegin Höhn würde gern eine
Zwischenfrage an Sie richten.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Immer gern, aus persönlichen und grundsätzlichen
Gründen.
Wenn Herr Gabriel die ganze Zeit darauf gewartethat, ist es doch in Ordnung, wenn ich das auch bediene.Herr Minister, können Sie bestätigen, dass der30. Juni das Datum war, zu dem die Bundesregierung ih-ren Aktionsplan Effizienzprogramm mit konkretenMaßnahmen an die EU hätte liefern müssen? Dieses Da-tum ist verstrichen, und die Bundesregierung hat diesenMaßnahmenkatalog nicht abgeschickt.Auf eine Frage von mir hat das Wirtschaftsministe-rium am Mittwoch in der Fragestunde erklärt, man habenoch nicht einmal das Gutachten dazu, danach müsse eszur Abstimmung in der Bundesregierung kommen, undirgendwann im Herbst werde das weitergeleitet. KönnenSie bestätigen, dass das Aktionsprogramm nicht bis zum30. Juni an die EU gemeldet worden ist, wie es hätte ge-schehen müssen?sUDrrWtUweUEDsLwsK–dfsdnbhsanEdejBS–BHvdradda
Sie sagen, das hören Sie schon lange? Warum habenie Grünen es denn nicht umgesetzt? Sie haben Geld da-ür in den Haushalt eingestellt, diesen Etat mit dem For-chungsetat gegenseitig deckungsfähig gemacht, dannas Geld in die Forschung geleitet und es nicht für rege-erative Wärme zur Verfügung gestellt. Diese Politik ha-en Sie mitzuverantworten.Wir werden das so machen, wie es die Kollegin vor-in in ihrer Rede gesagt hat, nämlich über eine Mi-chung: einmal ordnungsrechtlich im Gesetz und zumnderen durch haushaltspolitische Maßnahmen, abericht in einem Modell, wie wir es bei den erneuerbarennergien im Stromsektor hatten.Die Biokraftstoffe haben wir deshalb steuerlich an-ers behandeln müssen, weil die Europäische Union unsine Überförderung vorgeworfen hat. Sie wissen, dassährlich eine Überprüfung stattfindet. Wenn es in diesemereich zu einer Unterförderung kommt, wird das miticherheit korrigiert.
Zunächst einmal haben wir erlebt, dass die Preise füriokraftstoffe analog zu den Ölpreisen gestiegen sind.ier liegt offensichtlich eine Form der Ölpreisbindungor. Von daher müssen Sie schon gestatten, dass wir unsarum bemühen, die Haushalte im Griff zu behalten.Zum Thema Kohle. Die Kollegin Höhn hat absolutecht: Wir brauchen Kraft-Wärme-Kopplung. Hier mussber auch die Kohle einbezogen werden. Sie können dieeutsche Grundstoffindustrie, beispielsweise die Stahlin-ustrie und die Aluminiumindustrie, nicht auf Energieus Gaskraftwerken verweisen, weil der so produzierte
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Bundesminister Sigmar GabrielGrundlaststrom so viel kosten würde, dass diese Indus-trie auf europäischer und internationaler Ebene nichtmehr wettbewerbsfähig wäre. Wir können uns um dieseDebatte nicht drücken. Das ist ein schwieriges Thema.Das weiß auch ich. Ich weiß, dass die beiden Grundlast-träger, die preiswert sind, Kohle und Kernenergie sind.Aus der Kernenergie wollen wir aussteigen. Ihren Wegaber, ganz aus der Kohleverstromung auszusteigen, dür-fen wir nicht gehen – Ihre Politik in Bremen ist dafür jaein Beispiel –;
denn das führt dazu, dass am Ende die Laufzeiten fürKernkraftwerke wieder verlängert werden.
Mit Ihrer Konzeption jedenfalls wird in den nächstenzehn, 15 Jahren kein Stahlwerk, kein Aluminiumwerk,weder die Deutsche Bahn noch die Zement- oder Kera-mikindustrie in Deutschland im Grundlastbereich so miterneuerbaren Energien versorgt werden können, dass sieüberhaupt noch den Hauch einer Chance hätte, im inter-nationalen Bereich wettbewerbsfähig zu sein.
Hier liegt ein Unterschied zwischen uns, auf den ichals Sozialdemokrat sehr großen Wert lege. Ich möchtenicht, dass wir am Ende die Zustimmung zu unsererEnergie- und Klimapolitik in der Bevölkerung verlieren,weil die Leute, die nicht Akademiker sind, die nicht imöffentlichen Dienst arbeiten, die nicht A 13 aufwärtsverdienen, sondern in der Stahl-, Zement- oder Keramik-industrie usw. beschäftigt sind, Angst haben, dass sie ih-ren Job verlieren und ihre Familien nicht mehr ernährenkönnen. Das ist der Grund, warum ich gegen Ihre Politikbin.
Eine letzte Bemerkung noch, weil ich die Kollegenvon der FDP nicht völlig unbeachtet lassen möchte: Ih-ren Redebeitrag, Herr Kauch, fand ich – das will ich of-fen sagen – ausgesprochen interessant. Es lohnt sichnämlich, weiter darüber zu diskutieren, wie viel Ord-nungsrecht und wie viel Markt wir brauchen. Ich habesehr wohl bemerkt, dass von Ihnen insbesondere beimThema Emissionshandel eine ganze Reihe an Vorschlä-gen gekommen sind, die dazu führen können, dass hierein Finanzmarkt entsteht, der transparent, harmonisiertund auch funktionsfähig ist. Ich würde mir wünschen,dass Sie es schaffen, die Mehrheit Ihrer Fraktion in die-sem Bereich hinter sich zu bekommen. So kämen wirdem einen Schritt näher, was Herr Paziorek am Ende sei-ner Rede geschildert hat: Dann hätten wir nämlich dieChance, eine gemeinsame Position gegenüber internatio-nalen Entwicklungen einzunehmen.Die Frage, wie wir das europäische Emissionshan-delssystem bestellen, wird uns im Deutschen Bundestagmit ziemlicher Sicherheit noch beschäftigen. Es wirdnrCnwzwalbaeFwmbmsmsgBdnNddiahUdlmPndL2eudndbwdP
Ich gebe jetzt das Wort zu einer Kurzintervention zu-
rst dem Kollegen Hill und anschließend dem Kollegen
ell. – Herr Minister, wenn Sie einverstanden sind, ant-
orten Sie dann auf beide Kurzinterventionen zusam-
en.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Herr Minister, ichitte Sie, folgende Sachverhalte zur Kenntnis zu neh-en. Sie hatten uns in der vergangenen Sitzungswocheelbst aufgefordert, zur Kohle eine Position einzuneh-en. Jetzt haben wir eine Position eingenommen; diesecheint Ihnen aber nicht zu gefallen.Ich möchte zunächst einmal auf die Braunkohle ein-ehen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es in denraunkohlerevieren genehmigte Abbaupläne gibt undass diese Abbaupläne im Rahmen des Bergrechts auchicht antastbar sind. Insbesondere in der Lausitz und inordrhein-Westfalen sind für die nächsten 40 Jahre Fel-er erschlossen, die auch abgebaut werden. Sie wissen,ass diese Kohle dort zur Verstromung geführt wird. Dasst in unserem Papier auch so festgehalten. Wir stellenlso fest, dass die Braunkohle eine Perspektive bis 2050at und dass in diesem Zeitraum, gemeinsam mit dennternehmen und den Menschen, ein Umbau nicht nurer Energiewirtschaft, sondern der gesamten wirtschaft-ichen Verhältnisse in diesem Land zu erfolgen hat. Da-it haben diese Unternehmen und diese Menschen eineerspektive.Nun möchte ich zur Steinkohle kommen. Es gibt ei-en Beschluss, den Sie so gut wie ich kennen, nach demie Steinkohle bis 2018 noch eine Zukunft in diesemande hat. Sie wissen aber ebenso gut, dass es auch nach018 einen Bedarf an Steinkohle geben wird. Es gibtine Vielzahl von Unternehmen, zum Beispiel Zuliefer-nternehmen, und Menschen in diesen Revieren, für dieie Steinkohle wichtig ist. Für sie ist es notwendig, we-igstens ein Bergwerk zu haben, damit ihre Technologie,ie wir exportieren wollen, weltweit zum Einsatz ge-racht werden kann. Nur dort, wo es ein Referenzberg-erk gibt, wird dies möglich sein. Deswegen geben wiriesen Unternehmen genauso wie den Kumpeln eineerspektive über 2018 hinaus.
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Hans-Kurt HillJetzt möchte ich noch ganz kurz auf die Diskussionzur Effizienz, die wir gestern geführt haben, zu sprechenkommen. Wir haben das Ziel der Steigerung der Effi-zienz um 3 Prozent pro Jahr. Die uns vorliegendenGutachten machen deutlich, dass aufgrund des Zertifika-tehandels voraussichtlich ab 2013 kein weiteres Kraft-werk mehr gebaut werden wird. Ich fordere Sie auf, dieGutachten einfach einmal etwas genauer zu lesen.
Herr Kollege, Sie müssen jetzt zum Ende kommen.
Sie haben Ihre drei Minuten überschritten.
Danke schön.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Fell.
Frau Präsidentin, herzlichen Dank. – Herr Umweltmi-
nister, Sie haben gerade gesagt, dass das Festhalten an
der Kohle auch aus sozialen Gründen und aus Kosten-
gründen sinnvoll sei. Haben Sie den vor kurzem gefass-
ten Beschluss des Stadtrates in München zur Kenntnis
genommen, der nach einer Anhörung über diese Frage
eine weitere Beteiligung der Stadtwerke München an
neuen Kohlekraftwerken abgelehnt hat? Die Gründe
dafür sind in einer umfangreichen Anhörung dargestellt
worden. Zum einen gibt es unkalkulierbare Finanzrisi-
ken bei neuen Kohlekraftwerken, weil eine Verknappung
der Kohle auf dem Weltmarkt droht. Das wird dargestellt
in zwei wissenschaftlichen Gutachten, des Joint Re-
search Center in Petten in Belgien und der Energy Watch
Group. Beide kommen zu dem gleichen Ergebnis, dass
die Verknappung der Kohle wesentlich näher bevor-
steht, als es bisher in wissenschaftlichen Untersuchun-
gen dargestellt wurde. Übrigens wird das von der deut-
schen Steinkohlewirtschaft selbst bestätigt, die in ihrer
Maiinformation dargelegt hat, dass ab 2009 eine Ver-
knappung der internationalen Kraftwerkskohle mit dras-
tischen Preissteigerungen zu erwarten ist. Damit wird
der Trend bestätigt, den wir in den letzten Jahren zu ver-
zeichnen hatten, nämlich eine deutliche Preissteigerung
bei der Steinkohle.
Der zweite Grund für diese unkalkulierbaren Finanz-
risiken liegt im Klimaschutz. Niemand weiß, welche
Kosten ab 2013 anfallen, wenn man bei der Verstromung
der Kohle wirklich Klimaschutzmaßnahmen anwenden
will.
Beides zusammen – das wissen Sie – führt für die
Kohle zu unkalkulierbaren Finanzrisiken. Es ist gut, dass
auch mit SPD-Beteiligung ein erster Beschluss auf
Stadtebene gefasst wurde, der feststellt, dass dies nicht
weiter tragbar ist. Zudem ist doch klar, dass die von Ih-
nen immer wieder propagierte Hoffnung, man könne mit
der Kohle auch eine CO2-freie Stromerzeugung errei-
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arauf will ich hinweisen.Ihre Fraktionssprecherin hat mich und die Regie-ungskoalition mehrfach dazu aufgefordert, im Nationa-en Allokationsplan und im Zuteilungsgesetz die Braun-ohle deutlich schlechter zu behandeln, dafür zu sorgen,ass wir gar kein neues Braunkohlekraftwerk mehr ineutschland in Betrieb nehmen, und schnellstens aus derraunkohle auszusteigen. Sie, Herr Hill, haben hier einlädoyer – das ich für sehr vernünftig halte – dafür ge-alten, dass man – Sie sagen bis 2050; ich weiß nicht, oban da Jahreszahlen festlegen kann – dafür sorgt, dasslte Kraftwerke geschlossen werden, neue Braunkohle-raftwerke, die weniger CO2 ausstoßen, die alten erset-en, und dass man den Beschäftigten dieser Kraftwerkeerspektiven eröffnet.Herr Hill, wenn Sie sich in Ihrer Fraktion einmal alsedner für eine solche Debatte durchsetzen könnten,ann würden wir nicht so viel Streit bekommen, wie die ansonsten von mir sehr geschätzte – Kollegin Bulling-chröter mit mir bekommt, wenn sie das Gegenteil des-en erzählt, was Sie erzählen. Sie werden mir gestatten,ass ich angesichts der öffentlichen Debatte, die Sie er-eugen, auf Widersprüche in Ihrer Fraktion hinweise.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11309
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Bundesminister Sigmar GabrielMan könnte das doppelzüngig nennen, aber es liegt mirnatürlich fern, einen solchen Begriff zu verwenden.
– Ich weiß, dass es unangenehm ist, wenn man vorge-führt wird, und ich gebe zu, mir ist das auch schon pas-siert; aber heute müssen Sie es einmal ertragen.Jetzt zum Kollegen Fell. Herr Fell, ich weiß nicht,welche Gründe dazu geführt haben, das in Münchennicht zu tun;
das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich kann Ihnennur sagen, dass wir in Deutschland preiswerten Grund-laststrom mit zwei Energieträgern sicherstellen können:Das eine ist die Steinkohle, und das andere ist die Braun-kohle.
Bei den erneuerbaren Energien werden wir – jetzt appel-liere ich, ein bisschen auf die Grundrechenarten zu ach-ten – bis zum Jahre 2020 – jetzt bin ich einmal ganz opti-mistisch – auf etwa 30 Prozent kommen.
Das ist ein riesiges, ambitioniertes Ziel. Sie hatten in derVergangenheit das Ziel von 20 Prozent. Wir sind mit derGroßen Koalition deutlich darüber in Richtung 30 Pro-zent. Dann bleiben 70 Prozent übrig, die sichergestelltwerden müssen.Die Effizienzgewinne können Sie nicht einfach ge-genrechnen, weil wir mit ihnen dafür sorgen wollen,dass das Wirtschaftswachstum vom Energiewachstumabgekoppelt wird. Das heißt, Sie müssen sagen, wie die70 Prozent der Stromversorgung sichergestellt werdenkönnen, die wir nicht aus erneuerbaren Energien gewin-nen können. Dafür gibt es zwei Träger: Gas und Kohle.Gas nutzen wir zu 10 Prozent im Bereich der Spitzenlastund der oberen Mittellast. Warum? Weil Gas sehr teuerist.Wenn wir das machen, was Sie wollen, verteuern wirden Strom massiv. Wir können das Gas notfalls zwar be-sorgen – obwohl das derzeit ziemlich schwierig ist –, wirbräuchten aber den Gasbestand ganz Italiens, um dieStromgewinnung aus Kohle, die Sie nicht mehr wollen,zu ersetzen. Sie können sich ungefähr vorstellen, wiefreudig Herr Putin oder Firmen wie Gazprom das zurKenntnis nehmen würden. Das wäre für die deutsche In-dustrie mit einer enormen Preissteigerung im Bereichder Grundlast verbunden. Herr Fell, das will ich nichtverantworten, das will die Große Koalition nicht verant-worten.Ihre Politik würde Herrn Hambrecht – der die Sorgehat, dass es zu einer Deindustrialisierung kommt – zumeSnrsgtwD1IddaddiSInikuSw3wrdAmndka–g–dMDga
Sie werden Regelkraftwerke brauchen. Diese Regel-raftwerke müssen Sie im Zweifel mit Gas betreiben,nd das ist eine ziemlich teure Veranstaltung.
ie wollen den Leuten vormachen, dass das möglichäre. Das geht aber nicht. Wir wollen 27 Prozent,0 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien ge-innen. Wir dagegen wollen aber auch die Modernisie-ung der Stromgewinnung aus Kohle, und wir wollen,ass diese Stromgewinnung mit einem geringeren CO2-usstoß erfolgt.Das ist der Grund, warum wir – Herr Fell, jetzt kom-en wir zu den Zahlen – bis zum Jahr 2012 den Bau voneun Kohlekraftwerken planen, sechs Steinkohle- undrei Braunkohlekraftwerken. Herr Fell, wir wollen jetzteine Entscheidung darüber treffen – das können wiruch gar nicht –, was nach 2013 passiert. Nach 2013insofern haben Sie recht – werden die Emissionsbud-ets in Europa geringer sein.
Ich habe Ihnen doch auch zugehört. Hören Sie mir jetztoch auch einmal zu; Sie müssen ja nicht der gleicheneinung sein.
arum geht es im Parlament doch gar nicht.Wir wissen, dass das dann nur noch unter zwei Bedin-ungen möglich sein wird: Entweder wir haben die CO2-rme Kohletechnik – CO2-frei wird sie nicht sein –, oder
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11310 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007
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Bundesminister Sigmar GabrielSie müssen sich auf dem internationalen Markt im Rah-men des internationalen Kohlenstoffhandels Zertifikatekaufen. Exakt das habe ich in der Regierungserklärunggesagt. Kein Unternehmen wird in Deutschland in Koh-lekraftwerke investieren – von den neun, die ich genannthabe, einmal abgesehen –, solange es nicht weiß, wie dieRegeln zum europäischen Emissionshandelssystem nach2013 aussehen werden.
Herr Minister, Ihre Zeit für die Beantwortung ist zu
Ende. Es tut mir leid.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Vielen Dank. Ich bin auch fertig.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Horst Meierhofer,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister Gabriel, Sie können sicher sein, dass dieFDP wie ein Mann hinter unseren Beschlüssen zumEmissionshandel steht, gerade hinsichtlich des Wärme-bereichs. Wir haben das einstimmig beschlossen. DieUmwelt- und die Energiepolitiker bei uns sind sich daabsolut einig.
Ich habe aber das Gefühl, dass das bei der GroßenKoalition nicht immer der Fall ist. Wenn man hört, wasvon den Umweltpolitikern einerseits und den Wirt-schaftspolitikern andererseits kommt, hat man nicht un-bedingt das Gefühl, dass das gut abgestimmt ist. Deswe-gen glaube ich auch nicht, dass das angekündigte große,allumfassende Konzept tatsächlich Wirklichkeit wird,solange man es hinausschieben kann.
Ich finde interessant, was zum Beispiel die CDU/CSUdazu sagen wird – das fand ich noch interessanter als denVorschlag von Frau Bulling-Schröter; um Sie zu unter-stützen, kam jetzt vom Minister ein anderer Vorschlag –,dass Kühlschränke anders besteuert werden sollen. Ichkann mir vorstellen, dass es spätestens hierzu in der Ko-alition die eine oder andere Unstimmigkeit geben wird.Das werden wir dann später sehen.
Heute in der Diskussion ist mir – zumindest bisher;ich glaube, es spricht noch eine Kollegin aus dem Ent-wicklungshilfeausschuss – die internationale Dimensionein bisschen zu kurz gekommen. Ich bezweifle, dass wir,Herr Fell, in Deutschland allein – so schön es auch ist,dass wir Vorreiter sind; das ist vollkommen wichtig –das Klima werden retten können. Das werden wir nichtmit Tempo 120 schaffen. Das werden wir nicht mit denahNakeDLIOWKdasmwzadhdiDsmElwEdwnvetgf
atürlich müssen wir Vorreiter sein. Aber wir müssenuch überlegen, wie wir unser Geld am besten einsetzenönnen, wie wir für den Klimaschutz, für den wir alleinstehen, international am meisten erreichen können.
a sind die Angebote, die von den Grünen und von derinken gemacht werden, sehr gering.
hnen geht es immer nur darum, die Fehler bei uns vorrt zu suchen und sich ansonsten nicht um den Rest derelt zu scheren.
Ich habe das Gefühl, dass wir uns über den Post-ioto-Zeitraum unterhalten müssen. Mir geht es darum,ass man festhalten muss, dass wir sowohl die Chinesenls auch die Inder und die USA mit ins Boot holen müs-en – diese Punkte sind heute deutlich zu kurz gekom-en –, ansonsten wird es nicht funktionieren, und wirerden keinerlei Möglichkeiten haben, dieses Problemu lösen.Wir müssen – das hat Minister Gabriel gesagt – einllumfassendes Konzept, das bisher fehlt, schaffen. Mitem Emissionshandel würde uns das gelingen. Es wäreervorragend, wenn wir da gemeinsame Positionen fin-en. Dazu gehört übrigens auch der Luftverkehr. Auchm Bereich Luftfahrt muss man sich Gedanken machen.
as ist bisher leider viel zu wenig geschehen. Wir müs-en im Bereich der Technologiezusammenarbeit vielehr tun.Wir müssen auch bei der Förderung erneuerbarernergien, beispielsweise hinsichtlich des Exports, deut-ich mehr tun. Gerade in dem Bereich, glaube ich, habenir Möglichkeiten, für die deutsche Wirtschaft – für denxport und die Erneuerbare-Energien-Industrie – und füras Klima weltweit etwas zu tun.Ich glaube, wenn wir uns darauf verständigen, dienenir dem Klimaschutz am besten. Dann besteht auchicht das Problem, dass wir uns gegenseitig immer nurorhalten, wer das bessere Konzept hat. Es geht hier umine gemeinsame Aufgabe. Wir werden sie nicht bewäl-igen, wenn jeder immer nur mit Scheuklappen seine ei-enen Ideen verfolgt. Wir sollten uns ein bisschen um-assender damit auseinandersetzen.Herzlichen Dank.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11311
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Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Ich
hätte nie gedacht, dass der Tag kommt, an dem ich mich
freue, dass die Grünen in der Bundesregierung waren.
Sie nicken. Daher weise ich Sie darauf hin, dass die Be-
tonung auf „waren“ liegt.
Außerdem freue ich mich nicht deshalb, weil Sie so
Großartiges geleistet hätten, sondern weil Sie dabei die
Unschuld der Oppositionspartei verloren haben. Sie
kämpfen hier einen Verzweiflungskampf um Ihr Profil,
das Ihnen dabei komplett abhanden kam. Der Pazifismus
war mit den ersten Kriegseinsätzen sofort erledigt. Dann
kam der sofortige Ausstieg aus der Kernenergie. Er war
dann aber nicht sofort. Ich muss Ihnen ehrlich sagen,
dass ich das nicht nachvollziehen kann. Denn angesichts
der Tatsache, dass die Grünen erzählen, wie riskant und
kritisch die Kernenergie ist, müsste man konsequent sein
und sofort aussteigen und kann nicht sagen: Das ist nicht
verantwortbar; aber für 20 Jahre können wir es natürlich
schon verantworten. Das war ausgesprochen inkonse-
quent.
Heute erleben wir, wie diese Inkonsequenz fortgesetzt
wird. Sie konzentrieren sich auf die erneuerbaren
Energien. Hier haben wir ein europäisches Ziel – feder-
führend von der Kanzlerin festgelegt –: Die erneuerba-
ren Energien sollen 20 Prozent des Primärenergiever-
brauchs ausmachen. Sie beantworten vorsichtshalber die
Frage nicht, wo die anderen 80 Prozent herkommen sol-
len.
Nun gibt es unter Ihnen den Kollegen Fell. Wenn man
lange genug nachbohrt, sagt er einfach: Den Primärener-
gieverbrauch können wir auch zu 100 Prozent mit erneu-
erbaren Energien abdecken. Lieber Kollege Fell, da leis-
ten Sie der Erneuerbare-Energien-Branche einen
Bärendienst. Sie arbeiten an dieser Stelle mit Entwick-
lungen und Erfahrungskurveneffekten, die nicht real
sind.
Wenn wir sie politisch abbilden würden, dann würden
wir all das, was sich in diesem Bereich erfreulicherweise
entwickelt, sofort abwürgen.
Vieles von dem, was in Ihrem schönen, bunten Papier,
das Ihnen allerdings auch kein Profil verleiht, steht, hät-
ten Sie in Ihrer Regierungszeit tun können. Heute haben
wir endlich erfahren, woran es lag, dass Sie das nicht ge-
tan haben: Schuld daran war nur die SPD.
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as ist das alte Lied, das Sie immer wieder anstimmen.
Ich frage Sie: Warum konnten Sie sich damals nicht
enigstens in den Bereichen durchsetzen, von denen wir
eute wissen, wie sehr sie die Wirtschaft beleben? Das
ilt zum Beispiel für das Programm zur CO2-Gebäude-
anierung. Im Jahre 2001 haben Sie dafür 360 Millio-
en Euro zur Verfügung gestellt, 2003 waren es 520 Mil-
ionen Euro, und jetzt sind es 1,4 Milliarden Euro. Das
ätten Sie doch machen können. Wie der Regierungser-
lärung des Wirtschaftsministers zu entnehmen war,
acht dieses Programm mittlerweile bis zu 1 Prozent
nseres Wirtschaftswachstums aus. An dieser Stelle ha-
en wir eindrucksvoll gezeigt, wie man Klimaschutz und
irtschaftswachstum miteinander verbinden kann. Das
eichnet unsere Politik in ganz besonderer Art und
eise aus.
Herr Kollege, ich weiß, wie sehr es Sie ärgert, dass das
hema Klimaschutz fest in schwarz-roter Hand ist. Da-
er unternehmen Sie jetzt den verzweifelten Versuch,
it der kleinen Trommel hinter dem Musikchor herzu-
aufen und so zu tun, als seien Sie der Tambourmajor.
as klappt aber leider nicht.
Nun noch eine Bemerkung zu dem, was wir heute
om Rest der Opposition gehört haben. Bei der Linken
ieß es: Staat, Staat, Staat. Das ist nichts Neues. Sie hät-
en gerne ein Fünfjahresprogramm für Ökokühl-
chränke, die verbilligt abgegeben werden sollten. Ei-
entlich hätten Sie auch fordern können, den Trabant für
lle, damit auch keine großen Limousinen mehr gefah-
en werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Bulling-Schröter?
Ausgesprochen gerne.
Danke schön, Herr Nüßlein. – Ich weiß nicht, warumie meine Rede so lächerlich gefunden haben. Versuchenie bitte einmal – ich weiß nicht, ob Sie das können –,ich in die Situation eines Hartz-IV-Empfängers oder ei-es Arbeitslosengeldempfängers zu versetzen. Auchiesen Leuten wird gesagt, dass sie Energie einsparen
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11312 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007
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Eva Bulling-Schrötersollen. Die Mehrheit in diesem Land will das auch; wirsollten niemandem das Gegenteil unterstellen. Aberviele Leute können es einfach nicht.Ich persönlich habe mir vor kurzer Zeit eine Spül-maschine gekauft.
– Ja. – Ich habe mir die energieeffizienteste Spülma-schine gekauft. Als ich einen Preisvergleich gemachthabe, stellte ich fest, dass sie ein paar Hundert Euro teu-rer als die anderen Maschinen war. Ich kann mir das leis-ten, und für mich ist das kein Problem. Für andere Men-schen ist das aber ein Problem.Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass auch sozialschwache Familien mit weniger Einkommen in Zukunftdie Möglichkeit bekommen, Energie einzusparen. Nocheinmal: Der Zuschuss zu den Energiekosten, der bei Be-ziehern von Wohngeld übernommen wird, wird aller-dings nicht erhöht. Sie müssen, wenn es im Winter kaltist – dieses Jahr war es ja nicht so kalt –,
Frau Kollegin, Sie wollten eine Zwischenfrage stel-
len.
in der kalten Wohnung sitzen, weil sie die Energie-
preise nicht mehr zahlen können. Was tun Sie dagegen?
Liebe Frau Kollegin, ich gewinne den Eindruck, dassSie versuchen, auch aus diesem Thema politisches Kapi-tal zu schlagen und Ihrer Klientel Wohltaten in Aussichtzu stellen bzw. vorzugaukeln, die es in dieser Form nichtgeben kann. Ich weiß nicht, woher es kommt und wohines führen soll, dass Sie fordern, der Staat solle Hartz-IV-Empfängern noch diesen oder jenen Zuschuss gewähren.Ich stelle Ihnen die Gegenfrage: Was sagen wir all de-nen, die über der Hartz-IV-Schwelle liegen und jedenTag für ihr Geld arbeiten gehen müssen, um sich all dasauch leisten zu können?Ich sage Ihnen noch etwas: Ich bin dafür, dass wir et-was für die Leute, die Sie angesprochen haben, tun. Siesollten allerdings unserem Weg folgen. Wir müssen dieCO2-Gebäudesanierung konsequent fortführen und über-legen, welche Änderungen wir im Mietrecht vornehmenkönnen. Hier muss ein Anreiz geschaffen werden, damitGebäude, die vermietet sind, saniert werden. Dies musssteuerlich gefördert werden. Davon wollen Sie abernichts wissen,
weil das letztendlich die Hausbesitzer betrifft.AiidGte–MdundsdswmsdVueiefgwvsgGdKbdhSElEmIsemwd–
n dieser Stelle müssen wir ansetzen. Demjenigen, dern einer unsanierten Platte wohnt, müssen sanierte undsolierte Wohnräume zur Verfügung gestellt werden. Da-urch sparen wir staatlicherseits im Übrigen sehr vieleld. Denn der Staat zahlt für diese Leute die Nebenkos-en, die andere selbst erwirtschaften müssen. Also machts Sinn, an dieser Stelle anzusetzen.
Doch.Bei der FDP das gleiche Spiel, nur umgekehrt: Markt,arkt, Markt statt Staat, Staat, Staat. Da muss man sichie Frage stellen, Herr Kauch, welcher Markt gemeint istnd wie der Markt aussieht. Ich glaube, wir haben esach der Liberalisierung 1998 versäumt, uns intensiv mitem Energiemarkt zu beschäftigen. Auch der Emis-ionshandel wird am Ende nur funktionieren, wenn aufem Strommarkt Wettbewerb herrscht; sonst schüttelnich unsere großen Konzerne, preisen ein und sagen: Dasar unser Beitrag zum Klimaschutz. Das kann es auseiner Sicht nicht sein. Deshalb muss man all das unter-tützen, was unser Wirtschaftsminister Michel Glos anieser Stelle an Sinnvollem vorbereitet.Zum Emissionshandel. Es ist uns gelungen, zu einerersteigerungslösung zu kommen, in einem sinnvollennd von der EU begrenzten Rahmen. Wir werden dientsprechenden Erlöse zielorientiert für den Klimaschutzm In- und Ausland einsetzen. Das ist ganz wichtig; denns geht nicht nur um die Abschöpfung von Windfallpro-its, sondern darum, das Geld sinnvoll einzusetzen. Eseht im Übrigen auch darum, unsere Wirtschaft auf das,as in der nächsten Handelsperiode auf uns zukommt,orzubereiten: Wir rechnen damit – der Minister hat eschon gesagt –, dass 100 Prozent der Zertifikate verstei-ert werden. Deshalb war es auch unter wirtschaftlichenesichtspunkten sinnvoll, diesen Weg zu gehen.Diese Leitschnur, Wirtschaft und Ökologie miteinan-er zu vereinen, wird uns auch bei der Kraft-Wärme-opplung und bei den erneuerbaren Energien weiter-ringen. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie manie Netzintegration auf Nachfrage- und Angebotsseiteinbekommen kann. Wir werden Anpassungen an dentellen vornehmen, wo es im Interesse der erneuerbarennergien dringend geboten ist, zum Beispiel bei der So-arenergie, bei der wir feststellen können, dass wir dierfahrungskurve mit der derzeitigen Degression subopti-al abbilden. Das müssen wir tun, und das ist auch imnteresse der Branche.
Hier ist verschiedentlich über das Wärmegesetz ge-prochen worden. Wir sind uns mittlerweile weitgehendinig, dass wir es in einen größeren Kontext einfügenüssen. Wir wollen darüber hinaus in den Bereichen,o es Sinn macht, nämlich bei Neubauten, aber auch beier Sanierung der Heizungen von großen GebäudenGebäuden mit mehr als 500 Quadratmetern Fläche –,
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Dr. Georg Nüßleindie Nutzung regenerativer Wärmequellen vorschreiben.Denn – das ist vorhin angesprochen worden, FrauBulling-Schröter – auch im Bereich der Mietwohnungenmuss sich in diesem Land etwas tun.Vielen Dank.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
Gabriele Groneberg, SPD-Fraktion.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damenund Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigent-lich müssen wir den Kollegen von den Grünen und vonder FDP dankbar sein, dass wir heute die Gelegenheithaben, ausführlich über den Klimaschutz zu debattierenund die Maßnahmen darzustellen, die die Bundesregie-rung, auch auf Initiative meiner Fraktion, zur Bekämp-fung des Klimawandels ergriffen hat.Herr Meierhofer, schönen Dank, dass Sie darauf hin-gewiesen haben, dass noch jemand aus dem Bereich derwirtschaftlichen Zusammenarbeit und Entwicklung re-den wird. Denn das zeigt, dass die Koalition dem inter-nationalen Klimaschutz und der Bekämpfung des Klima-wandels einen großen Stellenwert einräumt. Wir könnenden Klimawandel nicht allein in Deutschland bzw. inEuropa bekämpfen; wir müssen international helfen. Wirsind in der Verantwortung und in der Verpflichtung, denEntwicklungs- und den Schwellenländern dabei zuhelfen; genau darum geht es.Herr Kauch, jetzt komme ich zu Ihnen. Ich habe Siein der Zusammenarbeit bisher immer als einen realisti-schen und praktisch denkenden Menschen erlebt. Docheben haben Sie hier so getan, als sei alles ganz einfach:Nehmen wir genug Geld in die Hand, und stellen wir inSubsahara-Afrika Solaranlagen auf – dann haben wir dasProblem gelöst!
– Herr Kauch, ganz ehrlich: Ganz so einfach ist es nicht.Wenn Sie sich ein bisschen mehr damit auseinanderset-zen würden, dann wüssten Sie, dass wir schon jetzt tech-nische und finanzielle Unterstützung zum Aufbau einernachhaltigen Energiewirtschaft in Afrika und Asien leis-ten und den Transfer klimafreundlicher Technologie indie Entwicklungsländer durch marktwirtschaftliche An-reize und flankierende Instrumente fördern. Das ist seitJahren erklärtes Ziel der Bundesregierung. Das habenwir schon unter Rot-Grün so gemacht; wir werden un-sere Anstrengungen in diesem Bereich in den nächstenJahren noch verstärken.
Allein für die Region Subsahara-Afrika haben wirrund 177 Millionen Euro für die finanzielle Unterstüt-zgaUssafPkusrMBkMeSvhnpuDscIdAsmtiwDdszmdshGIsnhaSS
nd dass wir die Mittel dafür gerade aufgestockt haben.as ist eine Leistung der gegenwärtigen Koalition; dasollte man auch erwähnen.
Sie haben in den Debatten, die wir in den letzten Wo-hen hier geführt haben, offenbar nicht richtig zugehört.n Ihrem Antrag stehen Dinge, die durch Regierungshan-eln längst erledigt sind und die wir bereits in unserennträgen aufgeführt haben. Wenn Sie dies von uns abge-chrieben haben, empfinde ich es als Kompliment; dasüsste mich beruhigen. Nichtsdestotrotz bin ich ent-äuscht. Ich gebe zu, dass es in der Opposition einfachst, immer noch mehr zu fordern. Aber letztlich müssenir doch bei dem bleiben, was praktikabel ist. In dieserebatte ist durchaus deutlich zum Ausdruck gekommen,ass die gegenwärtige Bundesregierung beim Klima-chutz in Europa führend ist. Wir werden in dieser Be-iehung auch weiterhin weltweit führend sein. Ich seheomentan jedenfalls keinen ernsthaften Konkurrenten,er sich so intensiv mit Maßnahmen für den Klima-chutz in den Entwicklungsländern auseinandersetzt.Ich will ein Beispiel aus Ihrem Antrag zitieren. Sieaben auf den Tropenwaldschutz hingewiesen. Beim-8-Gipfel haben sich die beteiligten Staaten auf einenitiative der Weltbank zur Einrichtung einer Partner-chaft mit dem Ziel des Schutzes der Regenwälder geei-igt. Das wird in Ihrem Antrag nicht deutlich. Insofernat Sie die tatsächliche Politik der Bundesregierung undnderer Länder überholt. Seien Sie ehrlich, und gebenie zu, dass wir Ihnen diesbezüglich mittlerweile einenchritt voraus sind. Wir werden darüber sicherlich wei-
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Gabriele Gronebergter debattieren. Wie Sie sich heute geäußert haben, wer-den Sie wohl in Zukunft keine Schwierigkeiten damithaben, unseren Anträgen zuzustimmen.Schönen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/5895 und 16/5610 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. – Dann
ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a und 28 b auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen
Engagements
– Drucksache 16/5200 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses
– Drucksachen 16/5926, 16/5985 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Christian Freiherr von Stetten
Petra Hinz
Dr. Volker Wissing
Dr. Barbara Höll
Christine Scheel
– Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 16/5930 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Petra Hinz
Jochen-Konrad Fromme
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Volker
Wissing, Sibylle Laurischk, Frank Schäffler, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Mehr Freiheit wagen – Zivilgesellschaft stär-
ken
– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara
Höll, Dr. Axel Troost, Katrin Kunert, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN
Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements
– Drucksachen 16/5410, 16/5245, 16/5926, 16/5985 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Christian Freiherr von Stetten
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Fragen des Gemeinnützigkeitsrechts und seine Be-eutung für das bürgerschaftliche Engagement werdenon uns heute also steuer- und finanzpolitisch bewertet.Ich sage in aller Bescheidenheit: Es war ein guter Ent-urf der Bundesregierung, des Bundesfinanzministers.ie Gesetzesberatungen im Finanzausschuss und auch inen anderen Ausschüssen haben zu weiteren – und ichage: guten – Verbesserungen geführt. Die Koalition hatute Arbeit geleistet.
ass der Staat auf einen Teil seiner Einnahmen verzich-et, um in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu in-
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Eduard Oswaldvestieren, zeigt, wie sehr er das Ehrenamt unterstützt.Darum ist dies alles keine Subvention, sondern eine In-vestition in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.Mein Dank gilt den engagierten Berichterstatterinnenund Berichterstattern aller Fraktionen, die sich in denletzten Wochen intensiv mit diesem Gesetzentwurf be-schäftigt haben. Als Vorsitzender des Finanzausschussesdarf ich namentlich nennen: Petra Hinz, Christian Freiherrvon Stetten, Dr. Volker Wissing, Christine Scheel undDr. Barbara Höll. Ich danke auch den Mitgliedern desUnterausschusses „Bürgerschaftliches Engagement“ fürihren wertvollen und unverzichtbaren Einsatz, den Kol-legen Michael Bürsch und Klaus Riegert stellvertretendfür alle anderen.
Ich bedauere, dass es nicht gelungen ist, wie von mir inder ersten Lesung erhofft, zu einer einstimmigen Lösungzu kommen. Die Diskussion im Ausschuss und die An-hörung haben aber gezeigt, dass alle in unserem Parla-ment das Ehrenamt fördern und unterstützen wollen.Dass es auf dem Weg dorthin unterschiedliche Sichtwei-sen gibt, muss man letztendlich akzeptieren.
Ein wichtiger Bestandteil des Maßnahmenkatalogszur Förderung des ehrenamtlichen Engagements ist dieAnhebung des sogenannten Übungsleiterfreibetragsauf 2 100 Euro. Dadurch werden größere Gestaltungs-spielräume für alle Vereine, Übungsleiter, Ausbilder undBetreuer geschaffen. Wichtige ehrenamtliche Einsätzekönnen somit erweitert und bestehende Angebote ver-bessert werden.Mit der steuerfreien Aufwandspauschale für alle,die in Vereinen Verantwortung übernehmen, leisten wireinen weiteren Beitrag zur Entlastung aller freiwilligEngagierten. Steuerfrei bleiben damit künftig auch Ein-nahmen aus bisher nicht erfassten gemeinnützigen Tätig-keiten, zum Beispiel die Aufwandsentschädigung vonVereinsvorständen und Feuerwehrgerätewarten. Auchdie Väter oder Mütter, die ihre Sprösslinge zum Fußball-spiel fahren, und der Zeugwart, der die Trikots wäscht– ohne ihn geht es auch nicht –, leisten gemeinschafts-dienliche Aufgaben und bekommen eine Aufwandsent-schädigung. Sie müssen in Zukunft nicht mehr jedenCent einzeln gegenüber dem Finanzamt nachweisen.Fast 2 Millionen Menschen werden von diesen Erleich-terungen profitieren können.Dass es gelungen ist, die Grenze für die Vermögens-stockspende in Stiftungen auf 1 Million Euro anzuhe-ben, bedeutet, dass wir zu einer nachhaltigen Stärkungdes Stiftungswesens in Deutschland kommen werden,was sicherlich zu einer besseren Bewältigung von Ge-meinwohlaufgaben führen wird.
Der Gesetzentwurf enthält mehr als nur geeignetesteuerrechtliche Anreize, den einzelnen Bürger zu bür-gaktAEHsocrsdts–ggaDsheStdhmDmdssksBBtdF
Das kann man nur begrüßen. – Ich glaube, für uns alleilt, dass derjenige, der sich für die Gemeinschaft enga-iert, Anspruch darauf hat, mit den vielen Risiken nichtlleingelassen zu werden.
ass dies derzeit nicht der Fall ist, ist der Grund, warumich viele Menschen nicht ehrenamtlich engagieren. Wiraben mit unseren Rechtspolitikern in der Koalition ver-inbart, dass noch in diesem Jahr in einem zweitenchritt eine Verbesserung des außersteuerlichen Haf-ungsrechts auf den Weg gebracht wird. Wir werden inen Fraktionen sorgfältig darauf achten, dass dieses Vor-aben umgesetzt wird.Gemeinnützigkeit und bürgerschaftliches Engage-ent sind Fundamente unserer Demokratie insgesamt.as müssen wir in einer Debatte zu diesem Thema im-er im Blick behalten. Jeder, der sich einbringt, machten Staat zu seiner eigenen Angelegenheit und stärkt un-er Gemeinwesen. Darum glaube ich, dass wir durch un-ere heutige Entscheidung nicht nur das Gemeinnützig-eitsrecht verbessern und damit unsere Gemeinschafttärken, sondern auch gegenüber allen Bürgerinnen undürgern deutlich machen, dass das Ehrenamt auch eineereicherung für das eigene Leben ist und Lebensquali-ät bedeutet. Wer sich engagiert, gewinnt.
Ich glaube, dass wir etwas Gutes geschaffen haben,em wir sicherlich alle gemeinsam zustimmen können.Vielen herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Volker Wissing,DP-Fraktion.
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Zuerst die Begrüßung; so machen wir das, HerrBürsch. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da-men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! EineDemokratie ist ohne bürgerliches Engagement nichtdenkbar. Eine Regierung sollte sich deshalb nach Kräf-ten bemühen, das Ehrenamt zu stärken. Gleichzeitigsollte sie aber alles unterlassen oder beseitigen, was demEhrenamt schadet oder es behindert.Die Bundesregierung möchte mit ihrem Gesetzent-wurf das Ehrenamt fördern. Das ist eine gute Absicht,Herr Minister Steinbrück, die Anerkennung verdient.
In einigen Punkten enthält der Gesetzentwurf durchausbrauchbare Ansätze.
Es ist mir ein Anliegen, allen ehrenamtlich Engagier-ten, die unsere Debatte verfolgen zu versichern, dassjeder in diesem Hohen Haus größten Respekt vor IhrerArbeit hat. Wir alle wollen Sie bei Ihrer Arbeit unterstüt-zen; denn Sie alle sind Vorbilder in unserer Gesellschaft.Das betont meine Kollegin Sibylle Laurischk zu Rechtimmer wieder.
Die im Gesetzentwurf enthaltene Erhöhung der steu-erlichen Absetzbarkeit von Spenden für Unternehmenist aus Sicht der FDP begrüßenswert. Das Gleiche giltfür den vereinfachten Nachweis von Zuwendungen. Esspricht für Ihre Einsichtsfähigkeit, dass Sie die Höchst-grenze für die steuerliche Begünstigung von Spendenan Stiftungen von den ursprünglich vorgesehenen750 000 Euro auf 1 Million Euro erhöht haben. Die FDPhätte sich allerdings einen größeren Schritt gewünscht.
Mit der Vorgabe, dass die Länder künftig Schwer-punktfinanzbehörden mit Zuständigkeit für Gemeinnüt-zigkeitsfragen benennen sollen, greifen Sie eine Forde-rung aus dem FDP-Antrag auf. Das ist isoliert betrachtetzu begrüßen.Sie tun einiges; manches davon ist sogar sehr hilf-reich. Gleichzeitig unterlassen Sie aber vieles, und daswiederum ist bedauerlich.
Die FDP ist überhaupt nicht damit einverstanden,dass der Staat das bürgerschaftliche Engagement in zweiGruppen einteilt, wobei die einen gefördert werden unddie anderen nicht. Wir wollen keine ehrenamtlichen Or-ganisationen erster und zweiter Klasse. Für die FDP gilt:Das Ehrenamt ist grundsätzlich und in seiner Gesamtheitunterstützenswert. Darin unterscheiden wir uns von Ih-nen.
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Frau Kollegin, ich komme darauf zu sprechen –, ist ge-auso wenig durchdacht.
ersonen, die völlig unentgeltlich ehrenamtlich tätigind, erhalten nichts. Sie bevorzugen mit dieser Rege-ung vor allen Dingen die größeren gemeinnützigen Or-anisationen. An die vielen kleinen Vereine, die ihrenngagierten Helferinnen und Helfern keine Aufwands-ntschädigung zahlen können, haben Sie nicht gedacht.as sind sehr viele, und diese gehen bei Ihnen leer aus.
ür die FDP ist das nicht zu rechtfertigen, ganz abgese-en davon, dass Sie dem Steuerrecht mit Ihren vielenusnahmetatbeständen insgesamt keinen Gefallen tun.Ihr Gesetzentwurf ist an manchen Stellen auch wider-prüchlich. Sie wollen die Stiftungskultur in Deutsch-and befördern; das ist ein gutes Ziel. Sie erhöhen diebziehbare Höchstgrenze auf 1 Million Euro; das habech schon positiv hervorgehoben. Gleichzeitig behindernie aber die Stiftungskultur, indem Sie den pauschalier-en Sonderausgabenabzug für Zuwendungen an Stiftun-en abschaffen und die Abzugsfähigkeit von Großspen-en deutlich verschlechtern. Da fragt man sich, wie dasusammenpassen soll. Das Schlimme ist: Wiederum sind
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11317
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Dr. Volker Wissinges die kleinen Stiftungen, die von Ihnen benachteiligtwerden; denn gerade kleine Stiftungen sind in besonde-rem Maße auf Großspenden angewiesen. Aber diese ge-hen bei Ihnen leer aus. Die FDP bedauert ausdrücklich,dass die Förderung der Stiftungskultur in Deutschlandmit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur halbherzig er-folgt.
Ich finde es ebenfalls schade, dass es Ihnen nicht ge-lungen ist, die problematischen Haftungsregelungenstrukturell zu verbessern. Es wäre dringend nötig – HerrKollege Oswald, Sie haben das zu Recht betont –, dieHaftungsregelungen zu überarbeiten. Aber Sie habenuns am Mittwoch im Finanzausschuss erklärt, das gehenicht,
weil der Finanzausschuss nicht federführend sei. Das isteine tolle Begründung. Sie machen die Gesetze offenbarnach der Salamitaktik, immer ein kleines Stückchen, jenachdem, wie gerade die Zuständigkeitsverteilung ist.
Der Bürger darf sich das dann zu Hause als Puzzle zu-sammensetzen. Meine Damen und Herren von der Gro-ßen Koalition, bürgernahe Politik sieht anders aus.
Es ist schade, aber Ihr Gesetzentwurf wird dem An-spruch an ein modernes und umfassendes Regelwerk fürdie Zivilgesellschaft nicht gerecht. Wenn Sie mit diesemZiel gestartet sind, dann muss ich sagen, dass Sie ge-scheitert sind. Von einer Reform kann hier keine Redesein. Sie drehen lediglich an bekannten Stellschrauben,überarbeiten aber die Maschine nicht grundlegend.Wenn ich mich daran erinnere, was die Enquete-Kom-mission erarbeitet hat und wie wenig Sie davon in diesenGesetzentwurf übernommen haben, dann muss ich sa-gen, dass Ihnen insgesamt kein großer Wurf gelungenist.
Der Gesetzentwurf bringt an einigen Stellen Verbes-serungen,
kleine Organisationen werden aber nicht bessergestellt.Die vielen kleinen Vereine müssen weiter auf die Re-form warten. Ihr Gesetzentwurf, den Sie uns vorlegen,ist kein Meilenstein und auch keine Reform. Sie habenschon im Finanzausschuss gesagt, dass Sie selbst nichtmehr den Anspruch erheben, eine Reform vorlegen zuwollen. Es ist aber erforderlich, dass das Gemeinnützig-keitsrecht in Deutschland grundlegend reformiert wird.Wenn man bedenkt, wie lange die Große Koalition nunschon am Werk ist und wie wenig sie von dem aufgegrif-fen hat, was in Deutschland aufgegriffen werden muss,dann sieht man, dass das kein großer Wurf ist. Das müs-sen Sie sich von der Opposition heute sagen lassen.hDsrRwkkIshWIDwlburdugEhd–sfFnSsVskasbb
Ich gebe der Kollegin Petra Hinz, SPD-Fraktion, das
ort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch finde es immer sehr schön, wenn Sie, Herrr. Wissing, uns mehr oder weniger oberlehrerhaft et-as über bürgerschaftliches Engagement erzählen wol-en, aber noch nicht einmal in der Lage sind, zwischenürgerlichem und bürgerschaftlichem Engagement zunterscheiden. Sie haben selbst nach der intensiven Be-atung im Finanzausschuss immer noch nicht verstan-en, dass es hier nicht um ein Reformwerk geht, sondernm Gesetzesänderungen zur weiteren Stärkung des bür-erschaftlichen Engagements.
s nützt auch nichts, wenn Sie immer wieder Unwahr-eiten behaupten. Dadurch wird das, was Sie sagen, we-er wahrer noch intelligenter.
Herr Dr. Wissing, man versteht Sie so nicht. Wenn Sieich zu Wort melden, beantworte ich Ihre Zwischen-rage.
Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich neben Beruf undamilie – darauf kommt es heute an – zu engagieren, isticht selbstverständlich und muss sehr sorgsam vontaat, Wirtschaft und Gesellschaft gepflegt und unter-tützt werden. Meine Fraktion hat immer wieder auf dieerantwortung der Wirtschaft – damit meinen wirehr wohl den Arbeitgeber – aufmerksam gemacht. Wirönnen hier Gesetze verändern und Dinge anstoßen,ber auch die Gesellschaft hat ihre Verantwortung. Men-chen, die sich ehrenamtlich engagieren, dürfen am Ar-eitsplatz weder gemobbt werden, noch darf ihre inner-etriebliche Karriere erschwert oder verhindert werden.
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Petra Hinz
Gute Beispiele gibt es in England und Amerika. Ohnebürgerschaftliches Engagement gibt es keine Erfolgslei-ter. Das wäre eine sehr schlechte Vita. Man muss sich inder Gesellschaft engagieren, und dazu laden wir ein.
Mit der Verabschiedung des Gesetzes gehen wir einenwichtigen und richtigen Schritt zur weiteren Stärkungdes bürgerlichen Engagements. Dass dies notwendig ist,hat die Anhörung gezeigt. Der Weg von der Enquete-Kommission – die Enquete-Kommission hat letztendlichden Grundstein gelegt – über das Gutachten des Wissen-schaftlichen Beirats hin zum vorliegenden Gesetzent-wurf war ein sehr intensiver Prozess. Manche haben da-zugelernt, andere weniger, manche überhaupt nicht. Fürdie engagierten Bürgerinnen und Bürger in unserer Ge-sellschaft hat sich dieser Weg gelohnt.Wir beschließen in der heutigen zweiten und drittenLesung Steuermindereinnahmen in Höhe von 490 Mil-lionen Euro. Das sind 50 Millionen Euro mehr, als derFinanzminister veranschlagt hat. Steuermindereinnah-men – auch das möchte ich sagen – ist ein steuertechni-scher Begriff. Er bedeutet in diesem Zusammenhang,dass der Staat den ehrenamtlich Engagierten und ge-meinnützig Tätigen einen Bruchteil des Aufwandes zu-rückgibt. Ich habe bereits in der ersten Lesung auf diesenBruchteil aufmerksam gemacht. Ich möchte die Rech-nung nicht wiederholen. Unter dem Strich sind es17 Milliarden Euro im Jahr, die die ehrenamtlich und ge-sellschaftspolitisch interessierten und engagierten Men-schen in unserer Gesellschaft an Wertschöpfung undSynergien einbringen. Dafür sei an dieser Stelle Dankgesagt.
Nun zum vorliegenden Gesetzentwurf. Mit der heuti-gen Verabschiedung des Gesetzentwurfes wird eineallgemeine Aufwandspauschale in Höhe von 500 Euroim Kalenderjahr eingeführt. Herr Oswald, Sie habenmeine Beispiele bezüglich der Mütter und Väter vorweg-genommen, die ihre Kinder und deren Freunde zumSportplatz bringen.
– Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ganz im Ge-genteil: Dies zeigt mir, dass wir Finanzpolitiker wissen,worüber wir reden, nämlich nicht nur über finanzielleDinge, sondern auch über das wirkliche Leben.
– Genau. – Insofern kann ich mir dieses Beispiel erspa-ren.
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Ein weiterer Punkt, über den im Zusammenhang miter Definition gemeinnütziger Zwecke nach der Abga-enordnung immer wieder diskutiert wurde, ist dierage: Ist dieser Definitionskatalog geschlossen, oder istr nicht geschlossen? Hier hatten die Vereine, die Ver-ände und die Organisationen ein großes Anliegen. Dierage, ob dieser Katalog geöffnet werden oder geschlos-en bleiben soll, haben wir Finanzpolitiker gemeinsamit unseren ehrenamtlich und bürgerschaftlich engagier-en Kolleginnen und Kollegen sehr intensiv beraten. Wirind zu dem Ergebnis gekommen, diesen Katalog zu öff-en.In diesem Zusammenhang haben wir mit den Grünenm Finanzausschuss eine Diskussion geführt. Diese sag-en, indem wir den Katalog öffneten, entstehe mehr Bü-okratie und möglicherweise Willkür. Ich sage Ihnen,rau Haßelmann: Das ist nicht der Fall. Auch heuteuss jeder Einzelfall geprüft werden; auch heute mussie Finanzbehörde jeden einzelnen Fall prüfen. Es ändertich fast nichts, nur eines: Sollten bestimmte gemeinnüt-ige Vorhaben und Ziele nicht in diesem Katalog defi-iert sein – ich glaube eigentlich nicht, dass es solcheorhaben und Ziele gibt –, können diese überprüft undem Katalog hinzugefügt werden. Man kann jetzt – dasst neu – die Gemeinnützigkeit und gleichzeitig diependenabzugsfähigkeit anerkannt bekommen. Hier ge-en die Gemeinnützigkeit und die Spendenabzugsfähig-eit also Hand in Hand. Hier entsteht weder Willküroch Bürokratie, ganz im Gegenteil.Es gibt im Gesetzentwurf noch sehr viele gute Bei-piele dafür, dass wir dafür sorgen, dass weniger Büro-ratisierung, mehr Klarheit, eine größere Vereinfachungnd mehr Transparenz entstehen. Dies ist der erstechritt in einem weiteren Prozess.In der Tat, dies ist keine Reform;
enn bürgerschaftliches Engagement lebt von den Men-chen. Aus diesem Grunde muss man immer wieder auferänderte gesellschaftliche Bedingungen reagieren.
Lieber Herr Dr. Wissing, dies sollten Sie zur Kenntnisehmen. Kopfschütteln allein hilft nicht.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11319
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Petra Hinz
Richtig ist, dass wir während des Diskussionsprozes-ses, im Rahmen der Anhörung sowie im Austausch mitden Fachleuten und all denjenigen, die mit diesemThema zu tun haben, vieles gelernt haben. Einiges mussnoch auf den Weg gebracht werden, zum Beispiel dieKlärung der Frage: Wie können wir diejenigen errei-chen, die nicht von der Steuer erfasst werden, die nichtdie Möglichkeit haben, ihren Aufwand und ihre Kostenim Rahmen der Einkommensteuererklärung geltend zumachen?
Wir reden hier aber über ein Steuergesetz. Sie solltenwissen, dass wir damit nur den Personenkreis erfassenkönnen, der Einkommensteuer zahlt. Ich bin davon über-zeugt, dass der Unterausschuss „BürgerschaftlichesEngagement“, der Familienausschuss, der Sportaus-schuss und alle diejenigen, die damit zu tun haben, wei-ter daran arbeiten und auf dem richtigen Weg sind.
Ich möchte mich bei meinen Kolleginnen und Kolle-gen sehr herzlich bedanken für die gute Zusammenarbeitund für das, was wir hinzulernen konnten, sowie bei Ih-nen, Herr Oswald, dafür, dass Sie sich bei uns dafür be-dankt haben, dass wir gut miteinander gearbeitet haben.Danke schön.
Ich gebe das Wort der Kollegin Dr. Barbara Höll,
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frauen und Männer, erwerbstätig oder nicht, Studentin-nen und Studenten, Rentnerinnen und Rentner, Selbst-ständige – viele Menschen engagieren sich ehrenamtlichim sozialen, sportlichen und kulturellen Bereich. Sie tundies in erster Linie nicht, weil sie davon monetäre Vor-teile hätten, ein bisschen mehr Geld im Portemonnaie.Nein, sie wollen teilhaben. Sie wollen gestalten, Men-schen helfen, auch sich selbst dabei helfen und etwaszum Zusammenleben in der Gesellschaft beitragen.Wir sprechen heute über ein Gesetz zur weiteren Stär-kung des bürgerschaftlichen Engagements. Man musszur Kenntnis nehmen, dass die oftmals vorhandenenHindernisse für ehrenamtliche Tätigkeit nicht im mone-tären Bereich liegen.
Es geht also nicht darum, dass Einzelne auf mehr Geldhoffen. Deshalb glaube ich – das ist meine Hauptkritik –,dass die Bundesregierung mit diesem Gesetzentwurf ein-fach zu kurz gesprungen ist. Auch dem, was dieEnquete-Kommission erarbeitet hat, kann man entneh-men: Es ist notwendig, hier anders anzusetzen. VieleDinge, die in diesem Gesetzentwurf gemeinsam verein-bkmasePsIIudPtubdwghRnrTe3igelswbasmibEgnnlsg
Auch ich habe es als sehr positiv empfunden – dasöchte ich vermerken –, dass insbesondere im Unter-usschuss „Bürgerschaftliches Engagement“ gemein-am diskutiert wurde und dass wir dort Verbesserungenrreicht haben. Trotz der verschiedenen kritischenunkte, die die einzelnen Fraktionen zu Recht vertreten,ind wir dort zu einer gemeinsamen Position gekommen.
ch wiederhole: Das Handeln dort war gemeinschaftlich.ch glaube, dass auch das für das heutige Ergebnis nichtnwichtig war.Was ändert sich, wenn dieses Gesetz heute verabschie-et wird? Nehmen wir einmal den Verein „Paulaanke“ in Berlin-Pankow. Dieser Verein ist eine Einrich-ng, die unter anderem Angebote der flexiblen Kinder-etreuung, der sozialen und Rechtsberatung für Frauen,er Begleitung und der Nutzung von Frauenzufluchts-ohnungen macht. Dort arbeiten Frauen in Beschäfti-ungsmaßnahmen – 1-Euro-Jobberinnen, ALG-II-Bezie-erinnen – und sehr viele Ehrenamtliche, insbesondereentnerinnen.Das Gesetz, das wir heute verabschieden werden,ützt diesem Verein und den Menschen, die sich dort eh-enamtlich engagieren – Vereine wie diesen gibt es zuausenden in unserem Lande –, sehr wenig.
Seit dem 1. Januar 2007 dürfen gemeinnützige Ver-ine durch wirtschaftliche Tätigkeit steuerfrei bis zu5 000 Euro – zuvor waren es 30 000 Euro; die Grenzest also angehoben worden – erwirtschaften. Das ist eineute Maßnahme. Letztendlich ist es aber nicht mehr alsin Inflationsausgleich, also eine Anpassung an die Rea-itäten. Gleichzeitig ist es gewissermaßen ein Einge-tändnis, dass gemeinnützige Vereine immer häufigerirtschaftlich tätig sein müssen, um überhaupt überle-en zu können.Die Vereinheitlichung und Erweiterung des Katalogsnerkannt gemeinnütziger Zwecke halte ich für etwasehr Positives. Das kann man nur unterstützen. Die da-it verbundene Vereinfachung der Spendennachweisest auf alle Fälle eine Form der Entbürokratisierung.Die Frage der Kostenpauschale ist wirklich ein Pro-lem. Ein Verein wie „Paula Panke“ kann nicht zahlen.s ist daher egal, ob eine Frau ehrenamtlich oder abhän-ig beschäftigt ist. Ich wiederhole: Dieser Verein kannicht zahlen. Diese im Gesetzentwurf verankerte Maß-ahme geht an den für diesen Verein Tätigen also wirk-ich vorbei. Ja, diese Maßnahme ist begrüßenswert; aberie ändert nichts an der prekären Finanzsituation vieleremeinnützig tätiger Vereine.
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Dr. Barbara HöllIn diesem Zusammenhang möchte ich sagen – ichkann hier nicht auf alle Punkte eingehen –, dass insbe-sondere wir Linke ein großes Problem mit der Aufsto-ckung des Stiftungsbeitrags auf 1 Million Euro haben.
Ich finde, dass die zugrunde liegende Argumentationnicht schlüssig ist. Einerseits führen Sie hier an, dass dieErbschaftsteuer zu hoch sei, dass das nicht tragbar seiusw. usf. Es gibt aufgrund der immer ungleicheren Ver-teilung von Vermögen und Einkommen in unseremLande Menschen, die tatsächlich nicht wissen – ichzitierte in meiner ersten Rede über dieses Thema die„Financial Times“ –, wohin mit ihrem Geld. Für dieseMenschen ist ein Anreiz geschaffen worden, Stiftungen– steuerbegünstigt – Geld zukommen lassen zu können.Ich frage mich: Warum können diese Personen nicht ersteinmal einen ordentlichen Beitrag über die Einkommen-steuer zahlen?
Warum zahlen sie keine Vermögensteuer? Warum zahlensie keine höhere Erbschaftsteuer? Wenn sie das täten,würde es die öffentliche Hand stärken.Wir sind für private Stiftungen, wenn sie das Sahne-häubchen eines dementsprechend umgestalteten Steuer-systems sind. Diese Stiftungen tun etwas im kulturellenBereich, im Forschungsbereich usw. Auch wir wollen ih-nen das nicht absprechen. Aber es kann nicht sein, dassdie öffentliche Hand auf der einen Seite auf die genann-ten Steuermehreinnahmen verzichtet und sich auf der an-deren Seite dreimal bedankt und eine Steuerbegünsti-gung ermöglicht.Es gibt damit riesige verteilungspolitische Risiken.Sie wissen, dass es verschiedene Formen der Stiftunggibt. Wir freuen uns sicher alle gemeinsam, dass es seitEnde der 90er-Jahre eine Vielzahl von neuen Bürgerstif-tungen gibt. Das ist wirklich sehr gut. Aber es gibt auchStiftungen, die zu einem nicht unerheblichen Teil so ge-staltet werden können und gestaltet werden, dass sie zursteuerbegünstigten Versorgung der Familie dienen. Dasfinde ich vor dem Hintergrund der unzureichenden Zah-lung der eben genannten Steuern nicht in Ordnung.
Lassen Sie mich, da ja Eigenlob schlecht ist, HerrnDr. Röscheisen vom Deutschen Naturschutzring zitie-ren. Er hat im Rahmen der Anhörung gesagt:Der Antrag der Linken ist aus einer Sicht geschrie-ben, die der Zivilgesellschaft offensichtlich sehrnahe steht, weil sehr präzise die Bedürfnisse, dieder dritte Sektor in Deutschland hat, genannt wur-den. Es werden im Antrag der Fraktion DIELINKE. Dinge genannt, die ganz entscheidend sindund die in der Enquete-Kommission „Zukunft desbürgerlichen Engagements“ präzise enthalten sindund die bisher leider im Gesetzentwurf der Bundes-regierung nicht aufgegriffen werden.WautKKdadnwtFvNGdbduhuVakgadgdghd
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Britta HaßelmannIch hätte mir auch gewünscht, um das ganz deutlichzu sagen, dass die Finanzpolitikerinnen und -politikerund auch der Finanzminister, der mit den Vorschlägen jaziemlich vorgeprescht ist, an der einen oder anderenStelle den Rat der Fachpolitiker ein bisschen mehr be-rücksichtigt hätten. Die Stellungnahme des Unteraus-schusses für bürgerschaftliches Engagement weist aneinigen Stellen sehr deutlich darauf hin, wo man Stell-schrauben und Mechanismen auch im positiven Sinnefür mehr Menschen hätte berücksichtigen können. Daswissen der Kollege Bürsch, der Kollege Riegert und alleanderen Kolleginnen und Kollegen, die im Fachthemadrin sind, genauso gut wie ich. Also können wir uns teil-weise auf die Schulter klopfen, teilweise wissen wir,wäre der Finanzminister nicht so vorgeprescht, dann hät-ten wir mehr Chancen gehabt, Dinge im positiven Sinnezu verbessern.
Alle Koalitionsvertreterinnen und -vertreter werdenjetzt sagen: Es ist wunderbar; wir haben die Übungs-leiterpauschale erhöht; darüber freuen sich die Men-schen, die davon profitieren. – Wir haben aber die ganzeZeit darum gerungen, dass der Personenkreis erweitertwird. Da sind wir Grünen mit CDU/CSU, SPD, Links-fraktion und FDP einer Auffassung gewesen: Es ist ei-gentlich nicht zu vertreten, dass Rettungsdienste, Helfe-rinnen und Helfer in der Gefahrenabwehr, Aktive imUmwelt-, Natur- und Tierschutz sowie Rechtsbetreuerin-nen und Rechtsbetreuer – dazu gibt es übrigens eineEmpfehlung des Bundesrates – nicht von der Übungslei-terpauschale profitieren. Maßgeblich war die Frage derErweiterung des Personenkreises und nicht so sehr, obwir 2 100 oder 2 000 Euro steuerfrei stellen.Das Problem ist dabei: Wenn sich der Finanzministeröffentlich schon festgelegt hat und die Vereine glauben,„Oh, es gibt so viel“, dann ist es natürlich schwer, davonwieder herunterzukommen. Das hätten Sie eigentlich derFairness halber offen sagen müssen. Die Personen, diejetzt nicht einbezogen werden, haben sich Hoffnungengemacht, dass sie nicht Übungsleiter zweiter Klassesind. Das ist, finde ich, ein Problem.
Es ist mir auch unverständlich, wie Sie in der Frageder sogenannten Ehrenamtspauschale agieren. Es gingim ursprünglichen Entwurf darum, dass die Menschen,die sich freiwillig und unentgeltlich um Kranke, Alteund Behinderte kümmern, einen Pauschalbetrag von derSteuerschuld abziehen können. Da kann man schon fra-gen, warum das nur für diejenigen gilt, die sich umKranke, Alte und Behinderte kümmern, und nicht auchfür die, die Jugendarbeit oder anderes machen. In Fach-kreisen wurde heftig diskutiert, und man kam zu demSchluss: Eigentlich muss man den Personenkreis massiverweitern; man kann es nicht so beschränken.Dann haben Sie zu dem allgemeinen Pauschalbetrag,den Herr von Stetten gleich bestimmt noch sehr positivkommentieren wird,gsBAhngnrgedwdzlskFmSMBddgidtdDdtWddnWmdnsngwsL
eregelt: Es gibt keinen Abzug von der Steuerschuld,ondern nur noch einen Abzug von der steuerlichenemessungsgrundlage. – Am meisten profitiert von derufwandspauschale jetzt also, wer einen hohen Zufluss,ohe Einnahmen hat. Wer keinen solchen hat, profitierticht. Das war ein Punkt, den wir Fachabgeordnete ei-entlich anders regeln wollten. Auch Menschen, die kei-en hohen Zufluss haben, sollten entsprechend profitie-en. Das wird in der Szene derer, die sich engagieren,anz bestimmt falsch verstanden werden.Man kann das nicht positiv verstehen. Sie machen dainen Fehler, indem Sie die Aufwandspauschale nur füriejenigen vorsehen, die einen hohen Zufluss haben,ährend die anderen in die Röhre gucken. Ich glaube,ass das ein Problem ist.Der dritte Bereich, den ich ansprechen will, ist dieeitnahe Mittelverwendung. Dazu muss ich Ihnen ehr-ich sagen, Herr Finanzminister: Da habe ich Ihren Starr-inn nicht verstanden. Was spricht eigentlich dagegen,leinen und mittleren Vereinen und Initiativen in derrage der zeitnahen Mittelverwendung entgegenzukom-en? Es hätte keine müde Mark, keinen müden Euro anteuermindereinnahmen bedeutet, wenn wir die zeitnaheittelverwendung in den Katalog aufgenommen hätten.is heute fehlt aus meiner Sicht auch eine Begründungafür, dass wir das nicht getan haben. Deshalb wird anieser Stelle nach wie vor Kritik gerade von kleinen Or-anisationen geäußert.
Ich will zum Schluss kommen. – Trotzdem glaubech, dass die Gesetzesänderungen von vielen Menschen,ie sich engagieren, und von vielen Vereinen und Institu-ionen als sehr positiv empfunden werden, weil klar ist,ass sie in der Arbeit im Detail Verbesserungen bringen.eshalb wird sich unsere Fraktion enthalten. Wir habenie positiven Elemente überall zustimmend kommen-iert, auch in die Szene derer hinein, die sich engagieren.
ir werden das Gesetz nicht ablehnen, bestehen aberarauf – wir hoffen, dass das dann auch so kommt –,ass das nur ein erster Schritt ist und man sich nicht mo-atelang wechselseitig auf die Schulter klopft und sagt:ir haben im Gemeinnützigkeitsrecht etwas getan. Jetztüssen wir in den anderen Ressorts zum Thema „Leben-ige Zivilgesellschaft/Bürgerschaftliches Engagement“ichts mehr tun.Also Kritik an einigen Punkten. Sie sollten das nichtchönreden. Ich hoffe, dass die Fachkollegen das auchicht tun und vor Ort zu den Sachen, die sie nicht durch-esetzt haben, die den Menschen in Aussicht gestelltorden waren, Rede und Antwort stehen.Ich hoffe, dass wir in der Debatte in den Fachaus-chüssen das Thema „Bürgerschaftliches Engagement/ebendige Zivilgesellschaft“ befördern; denn wir haben
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Britta Haßelmannda im europäischen Vergleich noch einiges zu tun, umdie Menschen mitzunehmen und darin zu bestärken, dasses etwas bringt, in einer lebendigen Zivilgesellschaft zuleben, in der jede und jeder Lust hat, sich zu engagieren.Danke.
Ich erteile das Wort Kollegen Karl Schiewerling,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute istfür die Ehrenamtlichen in Deutschland ein guter Tag.Lange hat sich im Bereich von Ehrenamt und Gemein-nützigkeit nicht mehr so viel bewegt wie das, was wirheute beschließen. Ich will das einmal in aller Deutlich-keit an den Anfang stellen. Auch wenn wir uns, die wiruns im Unterausschuss „Bürgerschaftliches Engage-ment“ besonders hierfür einsetzen, mehr gewünscht hät-ten, so ist doch festzuhalten: Wir kommen heute einenguten Schritt voran.
Meine Damen und Herren, Verbände und Vereinesind wichtig; sie sind ein tragendes Element unserer Ge-sellschaft und unserer Demokratie. Ehrenamt macht un-sere Gesellschaft reicher. Ehrenamt stärkt den sozialenZusammenhalt. Dieses vielfältige Netz des Ehrenamtesgibt den Menschen und unserer Gesellschaft Sicherheitund Kraft und ermöglicht Verbänden und Vereinen, inSolidarität anderen Menschen zu helfen. Verbände undVereine sind Knotenpunkte in diesem sozialen Netz desbürgerschaftlichen Engagements.Vor 160 Jahren hat der damalige Sozialreformer undSeelsorger Kolping gesagt:Weil durchaus ein Mensch den anderen nötig hat,deswegen ist die Menschheit ein zusammengehöri-ges Ganzes.Er sagte dies zu einer Zeit, in der sich die Menschen zu-sammentaten, um in zahlreichen Verbänden und Organi-sationen als Selbsthilfebewegung dem Einzelnen Schutzzu geben und ihre Interessen zu vertreten. Es geht um dieBeziehungen der Menschen untereinander und damit umdie Beziehungen in der Gesellschaft. Dieses ehrenamtli-che Engagement in der Civitas, in der Bürgergesell-schaft, ist weit früher entstanden, als der Staat die Da-seinsfürsorge organisiert hat.Das ehrenamtliche Engagement schafft bis auf denheutigen Tag Identität und gibt Halt und Orientierungauch demjenigen, der mit anderen sich freiwillig für an-dere einsetzt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11323
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Was Ehrenamtliche jedoch auch brauchen, ist das öffent-lich ermutigende Wort sowie die unmittelbare Anspra-che durch ihre Mitmenschen. Manche Menschen wissengar nicht, dass es gut ist, dass es sie gibt. Es sei denn,dass wir es ihnen sagen.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Peer
Steinbrück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Mehr sehr geehrten Damen und Her-
ren! Dies ist ein sehr wichtiger Tag für das Ehrenamt, die
ehrenamtlich engagierten Menschen in Deutschland und
das Stiftungswesen. Deshalb möchte ich als Erstes all
denjenigen in allen Fraktionen des Deutschen Bundesta-
ges Dank sagen, die es ermöglicht haben, dass wir ein
solches Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftli-
chen Engagements verabschieden können. Ich bedanke
mich sehr, dass es nach der ersten Initiative – Sie wissen,
dass ich diese unter die Überschrift „Hilfe für Helfer“
gestellt habe – innerhalb eines halben Jahres möglich
wurde, dass der Deutsche Bundestag in abschließender
Lesung einen Gesetzentwurf berät, mit dem er eine sol-
che Unterstützung und massive Stärkung des Ehrenamts
in Deutschland organisiert. Deshalb mein ausdrücklicher
Dank an alle von allen Fraktionen dieses Hauses, die da-
ran beteiligt gewesen sind.
Frau Hinz hat sehr richtig darauf hingewiesen, dass es
nicht um ein riesiges Reformvorhaben geht, sondern
ganz praktisch darum, das Ehrenamt und das Stiftungs-
wesen in Deutschland zu stärken.
Das ist der Ansatz. Dass man darüber hinaus weitere Ini-
tiativen entwickeln kann, steht außer Zweifel.
Ich habe nicht ganz verstanden, Frau Haßelmann, wa-
rum es denn kritisch zu bewerten sein möge, dass der Fi-
nanzminister vorgeprescht sei. Vielleicht war es etwas
überraschend, dass ausgerechnet der Finanzminister be-
reit gewesen ist, sich dieser Frage anzunehmen; es ist
aber aus voller Überzeugung geschehen, aus einer Funk-
tion heraus, in der Sie mich bereits früher kennengelernt
haben, Frau Haßelmann. Wenn das ein Vorpreschen ge-
wesen sein soll, ist das vielleicht ein leichtes Indiz dafür,
dass Sie in dieser Fragestellung etwas langsamer waren.
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Ich nehme die Kurzform: Ein Mann geht im Frühjahr
n einem reißenden Fluss entlang und sieht am gegen-
berliegenden Ufer eine Frau mit ihrem Kind. Das Kind
pielt am Ufer und fällt in den Fluss. Es wird von den
luten unter Wasser gedrückt und droht zu ertrinken. Der
ann reißt sich den Mantel vom Leib, zieht die Schuhe
us und springt hinterher. Unter Aufbietung seiner gan-
en Kräfte bekommt er mit Mühe das Kind am Schlafitt-
hen zu fassen, reißt es aus dem Strom heraus und bringt
s zu der Mutter. Die Mutter schaut erst das Kind und
ann ihn an und sagt: „Und wo ist die Mütze?“
So kommen mir einige Einwendungen gelegentlich
or. Wir haben hier viele Elemente zusammengetragen,
nd Sie fragen quasi: „Und wo ist die Mütze?“ Könnte
s nicht zusätzlich noch das oder das sein? – Auch die
eiträge von Frau Höll waren so.
Herr Minister, Ihr Witz hat offensichtlich Kollegin
aßelmann zu einer Zwischenfrage angeregt.
rlauben Sie sie?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das erlaube ich nur, Herr Präsident, wenn auch sie ei-
en Witz erzählt. Sie kann ihn ja in Frageform vortragen.
ie Frageform, Frau Haßelmann, lautet: Kennen Sie
chon den Witz? – Dann können Sie ihn erzählen.
Nein, wahrscheinlich will sie sagen, wo die Mütze ist.
Ich sehe, viele von Ihnen kennen nicht die Phase beierrn Steinbrück, wenn er erst einmal anfängt, Witze zurzählen. Ich kenne sie, deshalb werde ich jetzt gar keinenitz erzählen; das kann er viel besser als ich. Aber auchenn wir gerade so launisch sind und Witze erzählen,
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11324 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007
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Britta Haßelmannmöchte ich noch etwas sagen, da Herr Steinbrück geradeversucht, ein bisschen in Richtung der Oppositionsfrak-tionen auszuteilen.Meine Bemerkung hinsichtlich des Vorpreschens be-zog sich auf einen ganz sachlichen Hintergrund, undzwar auf die Tatsache, dass Sie sich bei der Erhöhung derÜbungsleiterpauschale als Finanzminister so weit vor-gewagt hatten – indem Sie angekündigt haben, sie werdeerhöht –, dass die Regierungsfraktionen dahinter nichtmehr zurückkamen. Wir haben ja in den Fachausschüs-sen sehr intensiv darüber diskutiert, ob eine allgemeineAufwandspauschale, von der alle Menschen profitieren,nicht doch einer Erhöhung der Übungsleiterpauschalevorzuziehen ist. Sehr geehrter Herr Finanzminister, da-rauf bezog sich das „Vorpreschen“. Meinen Sie nichtauch, dass dadurch, dass Sie sich in der Öffentlichkeit aufdie 2 100 Euro festgelegt haben, und dadurch, dass zumBeispiel Herr von Stetten in der Begründung im Finanz-ausschuss sagte, die Vereine hätten das schon vorwegvollzogen und deshalb würde man es bei der Erhöhungauf 2 100 Euro belassen, ein gewisses Problem in derparlamentarischen Möglichkeit, dieses Thema neu zudiskutieren, entstanden ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erstens. Vielen Dank, ich habe jetzt verstanden, wasSie mit dem „Vorpreschen“ gemeint haben.Zweitens. Wenn man eine Initiative ergreift, dannmuss man konkret werden, dann prescht man vor undlegt sich fest. Das ist nun einmal nicht zu vermeiden. Ichglaube, dass das eine Möglichkeit ist, die einem Vertreterder Exekutive offensteht. Es ist dann Ihre Verantwortungals Souverän, dies im parlamentarischen Beratungspro-zess zu verändern – warum nicht? Ich habe es vor demHintergrund einer Reihe von Diskussionen über dieWertschätzung der Aktivitäten von vielen Menschen inSportvereinen für richtig gehalten, die Übungsleiter-pauschale zu erhöhen. Sie haben das an dieser Stellekorrigiert. Es gibt eine andere Korrektur, auf die ich viel-leicht noch zu sprechen komme.Wichtig ist für mich, dass das Paket insgesamt erhal-ten geblieben ist. Wir wissen, unter dem Strich sind so-gar noch 50 Millionen Euro mehr für das Ehrenamt anFörderung herausgekommen – ich hatte 440 Millio-nen Euro gesagt, jetzt sind es 490 Millionen Euro. Die-ser Prozess ist nicht immer ganz reibungslos, aber laut-los und erfolgreich verlaufen. Dafür spreche ich nocheinmal meinen Dank aus.
Ich hatte – wie selten vor Inkrafttreten eines Gesetzes –die Möglichkeit, eine Art Praxistest zu machen, weil ichsowohl am Verbandstag des Bundesverbands DeutscherStiftungen in Lübeck wie auch am zweiten Stiftertag inHamburg teilnehmen konnte. Einige von Ihnen wissen,dass ich meine Ehrenamtsfahrten und -touren fortgesetzthabe. Ich bin in Erfurt, in Köln, in München und in Ber-lin gewesen und kann nur bestätigen, dass diese Initia-tive, die jetzt dank Ihrer Hilfe verabschiedet wird, beiden ehrenamtlich engagierten Bürgern und im Stiftungs-wwdAgdVusGinnNrbWEJazMwszgesuSnRügndadwzdddrsspd
Wir reden hier im Deutschen Bundestag oft über dieotwendigkeit der gesellschaftlichen Integration. Ge-ade während meiner gezielten Besuche in eher sozialenachteiligten Stadtvierteln, nicht nur in Nordrhein-estfalen, sondern auch anderswo, habe ich erneut dierfahrung gemacht, dass es – gerade mit Blick aufugendliche, die weit davon entfernt sind, die Chanceuf einen gerechten Zugang zu Bildungseinrichtungenu haben, oder die vor dem Hintergrund ihres sozialenilieus derartig gehandicapt sind, dass sie möglicher-eise die vorprogrammierten Verlierer dieser Gesell-chaft sind – begeisterungswürdig ist, zu sehen, dassum Beispiel pensionierte Lehrer ehrenamtlich Hausauf-abenbetreuung machen, Sprachunterricht erteilen, dasss viele ehrenamtlich engagierte Menschen gibt, die die-en Jugendlichen Hilfestellung bei Bewerbungen gebennd die sich dafür engagieren, dass sozial gefährdetetadtteile wieder stabilisiert werden, wieder einen eige-en Stolz entwickeln und präsent sind im öffentlichenaum, und zwar nicht über Graffiti und Gewalt, sondernber ein gemeinsames Auftreten und gemeinsame Pro-ramme, an denen sowohl diejenigen teilnehmen, die ei-en Migrantenhintergrund haben, als auch diejenigen,ie in diesen Stadtvierteln einheimisch sind. Ich möchten dieser Stelle noch einmal sehr deutlich unterstreichen,ass dieses Engagement einen enormen Stellenwert hat,enn es darum geht, Fliehkräfte in dieser Gesellschaftu binden.
Es gibt ein Missverständnis, von dem ich weiß, dassie Menschen, die ehrenamtlich tätig sind, sehr sensibelarauf reagieren: Sie reagieren sehr sensibel, wenn wiren Eindruck vermitteln, dass wir beim Hauptamt spa-en und das Ehrenamt auf Umwegen an seine Stelleetzen wollen. Ich möchte betonen, dass das bürger-chaftliche Engagement nicht der preiswerte soziale Re-araturbetrieb für das ist, was wir seitens der Politik undes Staates nicht hinkriegen; das kann nicht sein.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11325
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Bundesminister Peer SteinbrückEine vitale Bürgergesellschaft ist für mich immerauch Ausdruck von Freiheit und einer vom Staat unab-hängigen Solidarität. Die staatlich organisierte Solidari-tät muss hinzutreten. Neben einer vitalen Bürgergesell-schaft muss es einen handlungsfähigen Staat geben.Beides ergänzt sich.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Wissing von der FDP?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte sehr.
Bitte.
Herr Minister, was Sie über das Ehrenamt gesagt ha-
ben, ist – das haben Sie sicherlich am Applaus gemerkt –
Konsens in diesem Haus. Ich will eine Frage zum Ge-
setzentwurf stellen. Sie haben ursprünglich vorgehabt,
dass 300 Euro von der Steuerschuld abgezogen werden
können, wenn man im Jahr eine bestimmte Anzahl von
Arbeitsstunden ehrenamtlich leistet. Dieser Vorschlag ist
im Gesetzentwurf gestrichen worden. Halten Sie das für
eine Verbesserung des Gesetzentwurfs oder für eine Ver-
schlechterung?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Wissing, wie Sie erstens wissen, geht diese
Streichung nicht zulasten des Gesamtvolumens des Pa-
kets. Zweitens wissen Sie aus meinen vorherigen Einlas-
sungen, dass diese 300 Euro auf den mildtätigen Bereich
zentriert waren; schlicht und einfach, weil eine Auswei-
tung auf andere Bereiche – Kultur, Sport und was sonst
noch – ins Uferlose geführt hätte. Sie wissen, dass das
mit Einnahmeverlusten in einer Größenordnung von
1,1 Milliarden Euro verbunden gewesen wäre. Das ist
Ihnen bekannt.
Insofern konnte ich die Auffassung der Koalitions-
fraktionen im Rahmen der Debatte darüber nachvollzie-
hen. Es wurde gesagt: Wenn Steinbrück das aus nach-
vollziehbaren finanziellen Gründen, weil das nicht
ausufern darf, auf den mildtätigen Bereich beschränkt,
kommt eine Unwucht hinein, der Vorwurf einer Un-
gleichbehandlung. Vor dem Hintergrund der Tatsache,
dass wir Ungleichbehandlungen vermeiden wollen,
streichen wir diesen Punkt, erhöhen aber zum Beispiel
den Freibetrag von 420 Euro auf 500 Euro, was Gegen-
stand des verbesserten, des im parlamentarischen Ver-
fahren überarbeiteten Gesetzentwurfs ist. Daran kann ich
nichts Nachteiliges erkennen. Die Formulierung, dass
ich daran gescheitert sei, scheint mir eine, wenn nicht
zwei Oktaven zu hoch zu sein.
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as ist mir bei den Verbandstagen, die ich besucht habe,
ewusst geworden. Ich will meine Ausführungen dazu
icht wiederholen.
Wir haben den Höchstbetrag für die Ausstattung von
tiftungen von 370 000 Euro erhöht, und zwar nicht nur
uf 750 000 Euro, sondern auf 1 Million Euro. Man
ann immer sagen, man hätte gerne noch mehr. Dazu
ache ich immer den Witz mit der Mütze, Herr Wissing.
atürlich kann man sagen, 1,5 Millionen wären besser.
as würde aber zu einem Überbietungswettbewerb füh-
en: Der Nächste würde 2 Millionen und der Über-
ächste 3 Millionen fordern. Diejenigen, die ich gespro-
hen habe, sind mit 1 Million sehr zufrieden.
An einem Brief, den ich vom Gelsenkirchener Ober-
ürgermeister Frank Baranowski bekommen habe, sieht
an, wie das ankommt. Er traf einen Stifter, der ihm ge-
agt hat: Ich habe davon gehört, dass Sie die Grenze von
70 000 Euro nicht nur auf 750 000 Euro, sondern auf
Million Euro erhöht haben. So spare ich ja Steuern.
ie eingesparten Steuern lege ich obendrauf.
Dieses Beispiel von dem Stifter, der mir namentlich
icht bekannt ist, den ich an dieser Stelle aber als na-
enlosen Stifter würdigen möchte, soll der Abschluss
einer heutigen Rede sein. Wenn dieses Gesetzespaket
in solches Verhalten auslöst, wenn das für die Men-
chen ein Anlass ist, noch mehr zu tun,
ann hat der Deutsche Bundestag auf Initiative der Bun-
esregierung – sie ist, wenn ich das so sagen darf, ein
enig vorgeprescht – etwas Richtiges und Gutes für das
hrenamt und das Stiftungswesen in Deutschland in
ang gebracht.
Herzlichen Dank.
Als nächster Redner hat Kollege Christian von
tetten, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-tatten Sie mir als letztem Redner der CDU/CSU-Bun-estagsfraktion die Bemerkung, dass ich im Finanzaus-chuss schon lange keine Gesetzesberatung mehr erlebt
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Christian Freiherr von Stettenhabe, die von so viel Zielorientiertheit, Offenheit undauch Respekt gegenüber den anderen Fraktionen geprägtwar wie die zum Thema Ehrenamt, das uns allen, glaubeich, ein großes Anliegen ist. Das ist ein gutes Zeichen.Denn wir zeigen dem Bürger damit, dass wir es ernstmeinen und nicht nur in Sonntagsansprachen darüber re-den. Wir zeigen, dass wir parteiübergreifend ein gemein-sames Ziel haben. Wir unterstützen gemeinsam mit un-serer generellen Arbeit im Bundestag und insbesonderemit diesem Gesetzentwurf die ehrenamtlich Tätigen, dieVereine, die mildtätigen Organisationen und die vielfäl-tigen Stiftungen in unserem Land.
Herr Finanzminister Steinbrück, Sie haben die ent-sprechenden Passagen aus unserem Koalitionsvertrag ineinen Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Stärkung desbürgerschaftlichen Engagements umgesetzt und in denBundestag eingebracht. Wir, das Parlament, haben – ge-statten Sie mir diese Bemerkung – Ihren Gesetzentwurfetwas verbessert und im Finanzausschuss, zum Teil mitZustimmung der Oppositionsfraktionen, mit Änderungs-anträgen eindrucksvoll verabschiedet.Der Staat verzichtet durch diese Gesetzesänderungen– das ist mehrfach betont worden – auf jährliche Steuer-einnahmen in Höhe von insgesamt fast einer halben Mil-liarde Euro. Aber wir sind uns, glaube ich, alle einig,dass dieses Geld gut angelegt ist. Die kulturelle und so-ziale Bedeutung der Vereine ist in den letzten Jahrennoch einmal stark gestiegen. Wer sich in unseren funk-tionierenden Vereinen aufhält, spürt eine Art Wärme,zum Teil fast schon familiäre Atmosphäre. Vereine sindin vielen Fällen schon fast eine Art Familienersatz ge-worden und leisten insbesondere zur Integration der aus-ländischen Jugendlichen in unserem Land einen enor-men Beitrag.
Es ist besonders hervorzuheben, dass die Übungslei-ter in unseren Sportvereinen schon längst mehr sind alsnur durchtrainierte Vorturner für die Kinder. Sie küm-mern sich immer mehr um die persönlichen Problemeder ihnen anvertrauten Jugendlichen. Viele Kinder erfah-ren im Verein erstmals die Wichtigkeit von Pünktlich-keit, Fairness und auch Kameradschaft untereinander.Jeden Euro, den wir in die Unterstützung der Übungslei-ter und der Ehrenamtlichen stecken, bekommt unsereGesellschaft doppelt zurück.
Da die einzelnen Gesetzesänderungen schon ausführ-lich erläutert wurden, möchte ich auf KolleginHaßelmann eingehen. Sie beklagen, dass Sie etwas mehrZeit gebraucht hätten, um zusätzliche Fortschritte beimBürokratieabbau und in Haftungsregelungen zu erzielen.Daher sind Sie alle eingeladen, nachdem wir heute diesteuerlichen Verbesserungen verabschiedet haben, ge-mducBglSVhuwiwMgbhdfDkdDFVdtfbktztrwtdzmD
Der Finanzminister hat es angesprochen: Heute ist einuter Tag für das Ehrenamt. Auch die Verbesserungenei den Spendenabzugsmöglichkeiten und die Erhö-ung des steuerlich begünstigten Vermögensstocks beien Stiftungen auf 1 Million Euro werden nach meineresten Überzeugung einen neuen Stiftungsboom ineutschland auslösen. Wir sind – das ist europaweit be-annt – schon das Land der Ehrenamtlichen. Jetzt wer-en wir auch zum Land der Stifter und der Stiftungen.as ist ein guter Tag für die ehrenamtlich Engagierten.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Michael Bürsch, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!erehrte Vertreter von gemeinnützigen Verbänden! Aus-rücklich begrüße ich Hans-Peter Kröger, den Präsiden-en des Deutschen Feuerwehrverbandes, stellvertretendür die 23 Millionen Menschen, für die wir heute etwaseschließen. Wir Engagementpolitiker lieben es kurz,ompakt und konkret. Deshalb habe ich um ein einminü-iges Schlusswort zu dieser Debatte gebeten.Mein Schlusswort lautet folgendermaßen: Als Vorsit-ender der Enquete-Kommission, die ich bis 2002 gelei-et habe, ist mir noch gewärtig, was wir damals mit unse-en 200 Empfehlungen im Auge hatten. Im Grundearen es drei Bereiche: erstens den Schutz der Engagier-en – hier haben wir in der letzten Legislaturperiode miter Unfallversicherung einen großen Schritt gemacht –,weitens den Nachteilsausgleich und drittens die allge-eine Förderung und Ermöglichung des Engagements.as, was wir heute beschließen, ist ein enormer Schritt
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Dr. Michael Bürschin Sachen Nachteilsausgleich – das sage ich aus derSicht des Unterausschusses und der früheren Enquete-Kommission – und gleichzeitig auch ein Schritt zur Er-möglichung und Förderung des Engagements.Mein Fazit lautet: Das ist ein gutes Werkstück. Esbringt uns voran. Insofern sage ich auch im Namen desUnterausschusses allen Beteiligten Dank. Es ist mit vielLeidenschaft gerungen worden. Dieser Minister nimmtnicht nur, sondern er gibt auch; das ist gewöhnlich nichtso.
Es wurden nicht alle Wünsche erfüllt. Daher bleibt aufdem Gebiet des bürgerschaftlichen Engagements nochviel zu tun. Insbesondere die Vertreter des Engagementsbitte ich, nach dem alten IKEA-Grundsatz zu handeln:Entdecke die Möglichkeiten! In diesem Paket sind vieleMaßnahmen enthalten, die ihnen nutzen können.Ich fasse zusammen. Gesetz: gut. Minister: sehr gut.Bürgerengagement: Hier bleiben wir dran. Viel Glück!
Ich möchte noch ein kurzes Nachwort sagen: Viele er-warten immer wieder Sternstunden des Parlaments.
Ich plädiere dafür: Es darf auch einmal nur eine Minutesein.Vielen Dank.
Lieber Kollege Bürsch, ich will Sie nicht enttäuschen,aber es waren zweieinhalb Minuten.
So schnell vergeht eine Minute.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zurweiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements.Der Finanzausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be-schlussempfehlung auf Drucksache 16/5926, den Gesetz-entwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/5200 inder Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-gen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damitin zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSUuauGWwvßDßDCpGmasdDgBhmtFAmmWeSds
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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierseauf Drucksache 16/6007, den genannten Antrag aufDrucksache 16/5751 in der Ausschussfassung anzuneh-men. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-fehlung ist mit den Stimmen der drei Oppositionsfraktio-nen bei Enthaltung der Koalitionsfraktionen angenom-men.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a bis 29 c auf:a) Beratung des Antrages der AbgeordnetenMichael Stübgen, Ulrich Adam, Peter Albach,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSU sowie der Abgeordneten KurtBodewig, Franz Thönnes, Dr. Lale Akgün, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der SPDOstseekooperation weiter stärken und Chan-cen nutzen– Drucksache 16/5910 –b) Beratung des Antrages der Abgeordneten KlausBrähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-PeterFriedrich , weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSU sowie der AbgeordnetenAnnette Faße, Gabriele Hiller-Ohm, Niels Annen,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDDie Tourismusregion Ostsee voranbringen– Drucksache 16/5906 –c) Beratung des Antrages der AbgeordnetenDr. Christel Happach-Kasan, Christian Ahrendt,Hans-Michael Goldmann, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der FDPZukunftschancen des Ostseeraums – Wirt-schaft, Ökologie, Kultur und Tourismus– Drucksache 16/5251 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
FinanzausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und MedienNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Damit eröffne ich die Aussprache und erteile demParlamentarischen Staatssekretär Franz Thönnes dasWort.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undKollegen! Es ist gut, dass wir nach langer Zeit im Deut-schen Bundestag wieder über Ostseepolitik debattieren.Berlin hat eigentlich schon immer einen Blick zur Ostseegehabt, wie uns das Kurt Tucholsky in einem kleinenVers seines Gedichtes „Das Ideal“ beschrieb:kBGAwnwPdUPassM3HsnsurgdetRbEtdfDgTsgabhggpWdfP
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Erfolgreiche Ostseepolitik ist nur mit Russland mög-lich. Dies ist insbesondere für die Politik der nördlichenDimension von zentraler Bedeutung. Ostseepolitik istdiesbezüglich ganz konkret praktizierte Entspannungs-und Sicherheitspolitik.Über Infrastrukturvorhaben in und auf der Ostseehat unter allen Ostseeanrainern eine gegenseitige Infor-mation hinsichtlich möglicher ökonomischer, ökologi-scher und sozialer Folgen zu geschehen. Wenn Umwelt-verträglichkeitsprüfungen im Rahmen internationalerVerpflichtungen hinzukommen, schafft das Vertrauenund Akzeptanz.Wir fordern die Bundesregierung zudem auf, dieWeiterführung des transeuropäischen Netzes über diedeutschen Ostseehäfen hinaus nach Skandinavien zu un-terstützen, um eine effiziente Verbindung von Meer zuMeer – also auch vom Mittelmeer zur Ostsee – zu ge-währleisten und damit die deutschen Seehafenhinter-landanbindungen zu fördern. Wir unterstützen ausdrück-lich die gute Vereinbarung, die zur Fehmarnbeltquerunggetroffen wurde. Auch sie ist ein Projekt, das in diesesNetz hineingehört, die Länder enger zusammenbringenwird und in Zukunft als internationales PPP-Referenz-vorhaben zu verfolgen ist.Es sind die „Motorways of the Sea“ als umwelt-freundliche Kurzstreckenverkehre in der Ostsee zu för-dSßifISBawdgwdiwdzaWdlwdstueSiLafgdFLusVT
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Veronika BellmannDas war immer eine gute Verbindung und ist es Gott seiDank auch heute wieder. Es ist zu begrüßen, dass dieDeutschen wieder ihr eigenes Land als Urlaubsland ent-decken.Die Ostsee als Meer ohne Grenzen: Das ist eineschöne Bezeichnung für etwas, das mehr verbindet alstrennt. Es ist aber auch ein schönes Wortbild für eine Re-gion, in der gute nachbarschaftliche Beziehungen herr-schen. Denn was das Baltikum betrifft, hat sich dieSituation insbesondere nach der EU-Osterweiterung inden letzten Jahren geändert, wohlgemerkt: zum Guten.Weil aber nichts so gut ist, dass es nicht noch verbessertwerden könnte, haben wir einen sehr umfangreichen An-trag vorgelegt.Der Antrag „Ostseekooperation weiter stärken undChancen nutzen“ trägt mit seinen 26 Punkten der geän-derten Situation nach der EU-Osterweiterung im Ostsee-raum Rechnung. Die inhaltlichen Punkte hat Herr Staats-sekretär Thönnes bereits ausführlich erläutert. Ichmöchte darüber hinaus auf den Rahmen der Kooperationeingehen.Die Ostseeregion gehört zu den am stärksten entwi-ckelten und integrierten transnationalen Regionen Euro-pas. Das Netzwerk der Zusammenarbeit ist beispiel-haft und einmalig in Europa. Die Integration der neuenMitgliedstaaten ist hierdurch erheblich gefördert und be-fördert worden. Denn mit der EU-Osterweiterung 2004hat sich das Kooperationsfeld erheblich verändert. Russ-land, Norwegen und Island sind nunmehr die einzigenNicht-EU-Staaten im Ostseerat. Der Ostseerat, der im-merhin auf Initiative Deutschlands und Dänemarks ge-gründet worden ist und dem mittlerweile die gesamte EUangehört, gibt Ostseeanrainern die Möglichkeit der Ko-operation auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet.Er ist Impulsgeber und Projektbegleiter für Politik dersogenannten nördlichen Dimension und bietet damit denpolitischen Rahmen für die Zusammenarbeit der EU mitihren nördlichen Nachbarn.Der Antrag der Koalitionsfraktionen soll das Ziel be-kräftigen, die Ostseekooperation weiter zu stärken unddie darin liegenden ökonomischen und politischen Chan-cen der Zusammenarbeit zu fördern. Auch hierbei kön-nen wir die Dynamik aus der deutschen Ratspräsident-schaft nach dem Motto „Deutschland bewegt Europa“durchaus nutzen. Das gilt auch für den Ostseerat mit denTreffen der Regierungschefs, der Außenminister und derFachminister auf Regierungsebene und auch für die1991 ins Leben gerufene Ostseeparlamentarierkonferenzals Zusammenschluss von elf nationalen Parlamenten,der Baltischen Versammlung, dem Nordischen Rat unddem Europäischen Parlament.Aber zunächst richten sich unsere Forderungen an dieBundesregierung, die wir mit dem vorliegenden Antragauffordern, im Ostseerat darauf hinzuwirken, dass ernicht nur zielstrebig als aktive Koordinierungsebene derZusammenarbeit fungiert, sondern sich insbesonderedem Schutz der Ökosysteme der Ostseeregion ver-pflichtet sieht.BgnuuZlmdbtnztMhdgeegsMbhDPSakWufMGbDBmneF
Das Wort hat nun Kollege Dietmar Bartsch, Fraktion
ie Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frauellmann, lassen Sie mich zuerst eine Korrektur vorneh-en. Bei uns in Vorpommern hieß „SOS“ etwas anderes,ämlich „Sommer ohne Sachsen“. Das war damals einrstrebenswertes Ziel. Aber das ist heute nicht mehr derall. Nun ist es ganz anders.
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Dr. Dietmar Bartsch
Ich will zu Beginn auf den FDP-Antrag zu sprechenkommen, mit dem die Liberalen den Finger in dieWunde legen. Dort wird festgestellt, dass es ein weiteresWest-Ost-Gefälle gibt, und zwar zum Nachteil des Os-tens. Es geht um den Salzgehalt der Ostsee. Dieser wirdgen Osten zunehmend niedriger. Aber wie so oft in derPolitik wird aus dieser Feststellung keine Schlussfolge-rung gezogen.
Ganz sachlich ist zunächst festzustellen: Der Antragder FDP, aber auch der der Großen Koalition enthältviele unterstützenswerte Vorschläge. Ich nenne alsStichworte: mehr Sicherheit auf den Seewegen, die Be-kämpfung des illegalen Dorschfangs und die Verbesse-rung des Walfangs. Die Qualitätsoffensive für den Tou-rismusstandort Ostseeküste ist ebenfalls vernünftiggenauso wie die Zurückdrängung der Meeresverschmut-zung durch Emissionen des Schiffsverkehrs. Weiterhinstelle ich fest, dass Sie die Forderung unseres damaligenUmweltministers Wolfgang Methling nach einer Lotsen-annahmepflicht in der Kadetrinne – dafür wurde er 2001auf Bundesebene noch sehr gerügt – nach dem Tanker-unglück der „Baltic Carrier“ aufgegriffen haben, ge-nauso wie seine Forderung, die sogenannten Einhül-lentanker auszumustern. Das finde ich sehr gut. Siehaben den Ratschlag „Von der Linken lernen heißt sie-gen lernen“ beherzigt. Ich kann nur sagen: Weiter so!
– Die Sowjetunion war früher; das ist nun anders. Des-halb habe ich das korrigiert.Beim Lesen des FDP-Antrags entsteht bisweilen derEindruck, als ob Sie bis zum Schluss nicht ganz sicherwaren, ob es nicht doch ein gigantisches Verkehrswege-konzept oder nur ein Ostseeraumkonzept werden sollte.Die Koalitionsfraktionen bleiben in Ihrem Antrag imKern dabei stehen – das sei klar gesagt –, zwischenstaat-lichen Handlungsbedarf, wenn auch auf wichtigen Fel-dern zu benennen. Zumindest was die Konkretheit be-trifft, ist der FDP-Antrag deutlich weiter, deutlich besser.Der Koalitionsantrag wird von uns deshalb insbeson-dere für das kritisiert und abgelehnt, was er nicht enthält.Das Entscheidende ist: Der Antrag blendet die Men-schen in der Region nahezu völlig aus. Es gibt keineVorschläge für einen wirksamen Schutz vor Lohn- undSozialdumping. Es gibt kein Wort zur Arbeits- und Be-schäftigungssituation in den Ländern der Ostseeregion.Sie, Herr Thönnes, haben mehrfach auf die Ostseeparla-mentarierkonferenz Bezug genommen. Aber gerade dieletzte, die 15., hat festgehalten, dass es eine Diskussionüber sozial- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmengeben sollte. Das aber wird leider ausgeblendet.Sie fordern in Ihrem Antrag, dass – ich darf das zitie-ren –:vor dem Hintergrund wachsender Zahlen vonGrenzpendlern an stark frequentierten Grenz-DmpAO–ElHbhrCrgdSdVSbsRuFdrHzpsmsswinZslWsg
Die Fraktionen der Großen Koalition und auch derDP betonen zu Recht den friedlichen und auch frie-ensstiftenden Charakter der wachsenden Ostseekoope-ation. Ich kann Sie nur ermuntern, im Rahmen deraushaltsberatungen, die im Herbst beginnen, ernsthaftu erwägen, im Verteidigungshaushalt ein Konversions-rogramm aufzulegen, damit es uns gelingt, die Wirt-chaftsentwicklung gerade in Mecklenburg-Vorpom-ern zu fördern und Arbeitsplätze zu schaffen.
Eine letzte Bemerkung sei mir zum Tourismus ge-tattet, gerade weil unlängst der gewaltige G-8-Gipfeltattgefunden hat. Für den Tourismus sind Tornadoflügeenig hilfreich. Zu dieser Zeit waren so wenig Touristenn Heiligendamm und Umgebung wie noch nie. Nochie wurde in Mecklenburg-Vorpommern in so kurzereit so viel Schrott – damit meine ich nicht nur den un-innigen Sicherheitszaun – produziert und wurden Mil-ionenbeträge verpulvert wie anlässlich des G-8-Gipfels.enn Sie dieses Geld für die Tourismusförderung einge-etzt hätten, dann hätten Sie eine richtige Maßnahme er-riffen.Ich bedanke mich.
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Ich erteile Kollegen Rainder Steenblock, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
haben an dieser Stelle vor zwei Wochen über das überge-
ordnete Thema, nämlich das Grünbuch der Europäischen
Union zum Meeresschutz, gesprochen. Das ist im
Grunde das Dach, unter dem die heutige Debatte stattfin-
det, obwohl die Ostseekooperation noch mehr Facetten
hat.
Ich muss schon sagen: Der Antrag, den die Koali-
tionsfraktionen heute vorlegen, zeugt von einem erhebli-
chen Lernergebnis aus der ersten Debatte. Der Antrag,
den Sie damals vorgelegt haben, war hart an der Grenze
zur Peinlichkeit. Der heutige Antrag ist schon sehr viel
umfassender, gerade was das Bemühen angeht, ökosys-
temare Zusammenhänge darzustellen, aber auch was die
politischen Implikationen der Ostseepartnerschaft an-
geht. Trotzdem – da gebe ich dem Kollegen Bartsch
recht – zeichnet sich dieser Antrag durch eine ganze
Reihe von schwarzen Löchern aus. Die Koalition kann
oder will nicht das aufschreiben, was in der Koalition
diskutiert worden ist. Deshalb werden wir diesem An-
trag nicht zustimmen.
Ich werde einige Punkte benennen, die nach unserer
Meinung zeigen, dass der Antrag zu kurz greift. Die Dik-
tion in dem Antrag ist sehr ökologisch. Das Wort Nach-
haltigkeit taucht in fast jedem Satz auf. Man muss aber
aufpassen, dass aus diesen Begriffen Konsequenzen fol-
gen, und es darf nicht bei der Wortakrobatik bleiben. Das
heißt zum Beispiel – Franz Thönnes hat es gerade gesagt –,
dass ein Ziel die nachhaltige Fischerei ist; darüber sind
wir uns alle einig. Aber wenn die Bundesregierung die
Fangquoten für diese bedrohten Tierarten entgegen den
Empfehlungen aller Sachverständigen sehr hoch ansetzt,
kann mit Recht nicht von Nachhaltigkeit gesprochen
werden; denn man tut genau das Gegenteil.
Diese Inkonsequenz gibt es auch an anderen Stellen.
An einer Stelle bedauere ich es ganz besonders, dass
Sie dazu nichts sagen: Das ist der ganze Bereich der
Energiepolitik. Die Ostseepipeline ist eines der zentralen
Projekte im Ostseeraum, was die Energiesicherheit an-
geht.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Happach-Kasan?
Ja, gerne.
Lieber Kollege Rainder Steenblock, als Schleswig-Holsteiner, die wir beide sind, haben wir doch sicherlichdOaidfnmdsgAbzstnAFeaeNzmwAdnkbVdnkgdnbfbkiEed
Nein, liebe Kollegin Happach-Kasan, die Einschät-ung, in diesen Fragen eine Priorisierung vornehmen zuüssen, teile ich nicht. Beides ist richtig, und beides istichtig.
ber das gegeneinanderzustellen, führt zu einer absur-en Situation.
Wir müssen – darin sind wir uns alle einig – zum ei-en die illegale Fischerei bekämpfen. Um das hinzube-ommen, benötigen wir ein Maßnahmenbündel im Hin-lick auf Überwachungsstrukturen. Dann brauchen wirerhandlungen bezüglich der Quoten in der Fischerei,ie zu einem Ergebnis führen. Die illegale Fischerei istatürlich ein Ausdruck dessen, dass die Fischer zurzeiteine Alternative haben; eine solche müssen wir ihneneben. Dies ist aber auch ein Zeichen kriminellen Han-elns. Das muss man sehr deutlich machen; ich will dasicht entschuldigen. Es muss also Alternativen geben.Zum anderen haben wir mit der in der Vergangenheitetriebenen Fischereipolitik und den Quoten, die wirestgelegt haben, die Substanz, von der die Fischer le-en, nämlich den Fischreichtum in Nord- und Ostsee,aputt gemacht. Durch die Art und Weise, wie die Meerem Augenblick befischt werden, wird den Fischern diexistenzgrundlage entzogen. Wenn wir auch in Zukunftine Fischerei haben wollen, dann brauchen wir eine Re-uzierung der Fangquoten. Beides gehört zusammen.
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11334 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007
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Rainder SteenblockLiebe Kolleginnen und Kollegen, im Zusammenhangmit der Ostsee ist die Energie ein zentrales Thema. Ichbedauere es sehr, dass in den vorliegenden Anträgennichts zur Ostseepipeline und zu Energiefragen steht.Die Ostseepipeline ist – als Partner der rot-grünen Re-gierung waren wir zum Schluss, im Endspurt daran be-teiligt – kein Kooperationsprojekt. So sollte man dieOstseekooperation nicht betreiben; denn man hetzt mitdiesem Projekt alle im Ostseeraum beteiligten Koopera-tionspartner gegeneinander auf.
Wenn eine Ostseekooperation so funktionieren soll,wie wir uns das wünschen, dann wäre es sinnvoll, dieFrage der Pipeline nicht bilateral, sondern innerhalb die-ses Kooperationsrahmens und mit der EU im Hinter-grund zu lösen. Wenn die EU-Staaten an dieser Stelle aneinem Strang ziehen und keine Bilateralität besteht, son-dern Kooperationsstrukturen entwickelt werden, dannwird die Ostseekooperation erfolgreich werden. Mansollte hier ein deutliches Wort sagen: So geht es nicht; sospaltet man den Ostseebereich. Wir werden darüber aufder Parlamentarierkonferenz diskutieren.Einen weiteren Punkt möchte ich ansprechen – hiergeht es um ökonomische, aber vor allen Dingen auch umökologische Aspekte –, der völlig ausgeblendet wird.Das sind die Munitionsaltlasten. Das hat auch etwasmit der Ostseepipeline zu tun. Das hat aber auch mit vie-len anderen Projekten – auch mit der Fischerei – etwaszu tun. Die Senfgasgranaten und andere Munition in derOstsee, die Fischer immer wieder herausholen, sind le-bensbedrohlich und können ökologische Katastrophenverursachen.In der Ostsee liegen 400 000 Tonnen Munition undchemische Kampfstoffe. Das wird auf allen politischenEbenen zurzeit viel zu stark verdrängt. Wir Deutsche ha-ben eine besondere historische Verpflichtung, diesesProblem zu lösen. Das werden wir nicht allein schaffen,sondern nur in Kooperation mit den anderen Ostseelän-dern. Was wäre besser, als dass sich die Ostseekoopera-tion aufgrund einer Initiative Deutschlands des ThemasMunitionsaltlasten endlich einmal annimmt? So zynisches klingen mag: Durch dieses Projekt könnten in dieserKüstenregion Arbeitsplätze geschaffen werden.
Zur Entsorgung dieser Masse an Munition sind neueTechnologien und Entsorgungsstrukturen notwendig.Zur Beseitigung der Rüstungsaltlasten in der gesam-ten Region – gerade im mittel- und osteuropäischenRaum; ich erinnere an all das, was sich in der Ukrainebefindet – bedarf es innovativer Strukturen. Wir, derDeutsche Bundestag, müssen uns dem Thema der Ent-sorgung von alter Munition, von chemischen Kampfstof-fen, in Zukunft stärker widmen.
Auf diesen Punkt sind Sie leider nicht eingegangen; derKollege Bartsch hat es angesprochen.sAmglEakziDMAWbWsajqmkhnFgddTsbrrDenfldkwM
n dieser Stellschraube muss gedreht werden.Um den Tourismus und die ganze Ostseeregion alsirtschaftsraum weiterzuentwickeln, bedarf es eineresseren Infrastruktur, auch was den Verkehr angeht.ie wir alle wissen, ist dieser Wirtschaftsraum bereitsehr erfolgreich. Das unterstützen wir auch alle.Die Koalition hat einige Projekte angedacht. Um einktuelles Beispiel zu nennen, greife ich einmal das Pro-ekt der Fehmarnbeltquerung auf. Die Fehmarnbelt-uerung ist für die Ostseeregion eine Jobvernichtungs-aschine. In Mecklenburg-Vorpommern wird vielaputt gemacht. Die Bevölkerung auf Fehmarn ist ein-ellig gegen dieses Projekt, weil es Arbeitsplätze ver-ichtet und den Tourismus dort ganz massiv bedroht.rau Happach-Kasan, Sie kennen diese Diskussion auf-rund Ihres Wohnortes sehr gut. Die ganze Region befin-et sich im Widerstand gegen dieses Projekt, weil da-urch Arbeitsplätze vernichtet werden und weil es demourismus dort schadet. Angesichts dessen kann manich doch nicht ernsthaft hier hinstellen und sagen: Wirrauchen diese Infrastrukturen. Nein, diese Infrastruktu-en brauchen wir nicht.
Natürlich brauchen wir Verkehre in der Ostsee-egion. Wir müssen die Fährverkehre weiterentwickeln.er Scandlines-Verkauf war vielleicht die Möglichkeit,in Unternehmen zu schaffen, das die Fährverkehre ver-ünftig bewirtschaften kann.Die Bahntransporte in dieser Region müssen eben-alls verbessert werden. Wenn man von Berlin nach Tal-inn mit der Bahn fast einen Tag unterwegs ist, dann istas absurd.Wir sollten unser ökologisches Wissen auf die Ver-ehrsinfrastrukturen in dieser Region anwenden. Wennir das tun, dann wird diese Region zukunftsfähig. Imoment sind wir dabei, alte Fehler zu wiederholen.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11335
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Ich erteile das Wort Kollegen Eckhardt Rehberg,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Ostseekooperation hat einen Vorgänger, und
zwar die Hanse. Herr Kollege Bartsch, das unterscheidet
vier Fraktionen im Deutschen Bundestag von der Frak-
tion Die Linke: Ostseekooperation heißt, dass wir etwas
verbinden wollen; wir wollen nicht das Trennende in den
Vordergrund schieben, sondern das Verbindende. Na-
türlich sind Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vor-
pommern unterschiedlich geprägt. Aber was uns verbin-
det, das sind die Chancen im Ostseeraum.
Sie sind eine Partei, die herummäkelt, die nur die Ri-
siken benennt, die das Trennende in den Vordergrund
stellt. Wir wollen das Gemeinsame, das Verbindende in
den Vordergrund stellen. Ich finde, hierfür ist der Antrag
der richtige Ansatz.
Zu den Chancen im Ostseeraum: Ich lebe in Meck-
lenburg-Vorpommern in einer Boomregion. In Finn-
land, Polen, Russland, den baltischen Staaten ist das
Wirtschaftswachstum größer als 6 Prozent. Die Seever-
kehrsprognose der Bundesregierung sagt für die deut-
schen Ostseehäfen wegen der Entwicklung im Ostsee-
raum, insbesondere wegen der Entwicklung in den
baltischen Ländern und in Russland, Wachstumsraten
von 5, 6, 7 Prozent voraus. Natürlich gibt es an dieser
Stelle Konkurrenzsituationen.
Das ist auch gut und richtig so. Frau Kollegin Bellmann
ist auf die Chancen eingegangen, die es bietet, wenn wir
die neuen Länder als Bindeglied zwischen dem Mittel-
meer und der Ostsee verstehen.
Lassen Sie mich nun eine kleine Anmerkung zur Feh-
marnbeltbrücke machen. Ich persönlich halte das Er-
gebnis für akzeptabel: kein deutsches Geld, kein deut-
sches Risiko für die Brücke. Ich sage Ihnen als jemand,
Herr Kollege Steenblock, der in Mecklenburg-Vorpom-
mern zu Hause ist, sehr offen und ehrlich: Wir werden
weniger Probleme mit der Brücke haben als zum Bei-
spiel die Lübecker. Wenn Sie sich die Strukturen für Gü-
terverkehre ansehen, dann stellen Sie fest, dass es aus
Richtung Mitteleuropa ein Umweg von 200 Kilometern
ist, wenn man über die Brücke fährt, was auch Auswir-
kungen auf die Ruhezeiten für Fahrer hat. Ich sage Ih-
nen: Ich sehe das mit großer Gelassenheit. Die gerade
verkaufte Reederei Scandlines sieht das ebenfalls mit
großer Ruhe und Gelassenheit.
Wir haben für uns dafür zu sorgen, Kollege Bartsch,
dass wir unsere Seehafenhinterlandanbindungen – da ist
die A 14 ein sehr guter Schritt für den westdeutschen,
aber auch für den ostdeutschen Raum – ertüchtigen. Die
Schiene nach Rostock und Stralsund wird bis 2013 er-
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Ob bei 29 angemeldeten prioritären TEN-Projektennd einem Volumen von 8 Milliarden Euro in der kom-enden Förderperiode wirklich 20 Prozent von denMilliarden Euro als Zuschuss in den Bau der Brückeineinfließen, werden wir alle in Ruhe abwarten.Was die deutschen Hinterlandanbindungen angeht,age ich Ihnen ganz offen und ehrlich: Ich glaube, dortst sowieso eine Ertüchtigung notwendig, sowohl wasie Straße als auch was die Schiene betrifft. Hier hatundesverkehrsminister Tiefensee im Auftrag der Bun-esregierung klar Kurs gehalten. Von daher sage ich:ieses Ergebnis ist zu akzeptieren, insbesondere wennan die Vorgeschichte, nämlich die Absichtserklärunges damaligen Bundesverkehrsministers Stolpe und desänischen Verkehrsministers Hansen aus dem Juni 2004,ennt.Darüber, ob das alles letztlich Realität wird, liebeolleginnen und Kollegen, werden wir uns im Zuge ei-er Debatte über die jeweiligen Staatsverträge noch ein-al in Ruhe unterhalten müssen. Für mich war dasichtigste: kein Risiko für den deutschen Steuerzahler.
Hier wurde über die Nachhaltigkeit der Fischereiart debattiert. Herr Kollege Steenblock, die illegale
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Eckhardt RehbergFischerei ist neben den Kormoranen das Hauptproblemder Fischer. Lassen Sie mich aus der größten polnischenZeitung „Gazeta Wyborcza“ zitieren, wo der Vorsitzendeder polnischen Fischereiorganisation, Herr Habulek,Folgendes ausführt: „Es existiert in Polen keine Kon-trolle der Fischerei.“ Weiter heißt es in diesem Artikel,dass die polnische Dorschfangquote im Jahr 2004 fürdie Ostsee 16 000 Tonnen betrug. Jetzt kommt es: Imgleichen Jahr wurden in Polen Dorschprodukte in einerMenge von 52 000 Tonnen exportiert. Der polnischenZeitung zufolge entspricht dies für das Jahr 2004 – neu-ere Daten liegen mir leider nicht vor – einer Anlandungvon 70 000 bis 100 000 Tonnen Dorsch in Polen, unddas bei einer Quote von 16 000 Tonnen.Die illegale Fischerei ist also eines der Hauptpro-bleme. Wir können uns über Quoten unterhalten, wie wirwollen – 100 Tonnen, 500 Tonnen –: Hier liegt dasGrundproblem, und das ist, glaube ich, nicht nur an derpolnischen Ostseeküste so, sondern auch anderswo.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Wiralle miteinander sind gut beraten, die positive Entwick-lung im Ostseeraum im Deutschen Bundestag noch vieldeutlicher darzustellen. Wir reden oft über die Kontaktevon Süddeutschland nach Oberitalien. Mit dem entspre-chenden Grünbuch zur Meerespolitik und mit der De-batte über das Thema „Maritime Wirtschaft stärken“ ha-ben wir es gemeinsam geschafft, den maritimen Raumviel stärker in den Fokus des Deutschen Bundestages zurücken. Bereichert wurde die Debatte durch Initiativenaller Fraktionen, und dafür möchte ich mich ausdrück-lich bedanken.
Das Wort hat nun Kollege Christian Ahrendt, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wir haben jetzt viel zum Thema Ostsee gehört. Daüberwiegend Abgeordnete gesprochen haben, die ausNorddeutschland kommen, haben wir uns auch ein biss-chen selbst beleuchtet. Wir vergessen an der Stelle, dasswir Partner brauchen, um unsere Vorhaben im Ostsee-raum umzusetzen und um die Chancen, die sich uns dabieten, zu nutzen. Deswegen sollte die Aufmerksamkeitnoch auf einige andere Punkte gelenkt werden.Wir alle wissen, dass der Norden das Tor zur Welt ist.Die Ostsee ist das Tor nach Skandinavien und zum Balti-kum. Die maritime Wirtschaft, die ein ganzes Stück weitüber dieses Tor funktioniert, stellt in Deutschland220 000 Arbeitsplätze. Der Umsatz, der über die mari-time Wirtschaft generiert wird, beträgt rund 54 Milliar-dKswssfDrfaHWbMWmmndSnvbdraSdskgdSnlm
Die Schnittstelle, über die die maritime Wirtschaftunktioniert, sind in erster Linie die Häfen. Es kommtlso darauf an, dass wir die Häfen vernünftig mit deminterland – dazu zählen tatsächlich Bayern und Baden-ürttemberg – verbinden.
Herr Bartsch, Sie haben mit Ihrer Partei in Mecklen-urg-Vorpommern acht Jahre Verantwortung getragen.
it einem der wichtigsten Verkehrswege, der A 14 vonismar nach Magdeburg, ist man in dieser Zeit geradeal 15 Kilometer vorangekommen. Der Bau der Feh-arnbeltquerung wird für Mecklenburg-Vorpommernur dann von Bedeutung sein, wenn zeitgleich der Bauer A 14 fertiggestellt wird.
Das Gleiche gilt auch aus schleswig-holsteinischericht. Die Fehmarnbeltquerung nützt nichts, wenn manicht parallel dazu die A 20 über Hamburg mit einerierten Elbquerung nach Stade führt. Das heißt, wirrauchen die Verkehrswege, um den Warentransport ausem Süden zur Ostsee und wieder zurück zu organisie-en.Ich nenne noch eine eindeutige Zahl. Beim Transportuf der Straße entstehen 80 Prozent der Kosten, beimeeweg sind es nur 20 Prozent. Das ist der entschei-ende Punkt, über den man nachdenken muss. Vor die-em Hintergrund brauchen wir die entsprechenden Ver-ehrswege.
Wenn man sich die Anträge anschaut, die uns vorlie-en – darin geht es auch um viele andere Fragen, etwaie Munitionsbergung in der Ostsee; Herr Steenblock,ie haben das angesprochen –, stellt man fest: Es gibtur eine Möglichkeit, um die Debatte zu einem sinnvol-en Ergebnis zu führen, nämlich die, dass wir heute ge-einsam dem Antrag der FDP zustimmen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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Ich erteile das Wort Kollegin Gabriele Hiller-Ohm,
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren! Der Ostseetourismus boomt.
Nach der Karibik und dem Mittelmeer hat sich die Ost-
see zur drittgrößten Kreuzfahrtregion der Welt gemau-
sert. Ähnlich positiv sieht es bei der Zahl der Übernach-
tungen rund um die Ostsee aus.
Mit unserem heute vorgelegten Antrag „Die Touris-
musregion Ostsee voranbringen“ wollen wir diesen Auf-
wärtstrend nachhaltig festigen und den Ostseetourismus
weiter stärken.
Potenziale hierfür sind reichlich vorhanden.
Das Mare Balticum war schon zu Zeiten der Hanse
kein trennendes, sondern ein verbindendes Meer. Es gab
erbitterte Kriege und Seeschlachten – ja –, aber es gab
auch Kaufleute, die das Meer für ihre Handelsbeziehun-
gen entdeckten und dazu beitrugen, dass sich rund um
die Ostsee eine gemeinsame Kultur entwickelte. Der
machtvolle Städtebund der Hanse, dem meine Heimat-
stadt Lübeck als „Königin der Hanse“ vorstand, prägte
über 300 Jahre das wirtschaftliche und kulturelle Leben.
Diese Identität ist bis heute spürbar und macht das Ein-
malige der Ostseeregion aus, das auch die vielen Touris-
tinnen und Touristen wie ein Magnet anzieht.
Mein Vorvorgänger im Deutschen Bundestag, der
ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
Björn Engholm, hat diese Idee schon sehr früh aufge-
nommen, ganz sicher noch vor Herrn Genscher.
Als es noch die Trennung in Ost und West gab, hat sich
Engholm bereits ganz stark und nachhaltig für ein Zu-
sammenwachsen der Ostseeregion eingesetzt.
Beispiele hierfür sind die Initiative Ars Baltica, die un-
terschiedlichste kulturelle Aktivitäten in den Ostseelän-
dern fördert und die Vielfalt und Lebendigkeit dieses
Kulturraums belegt, oder auch die Wiederbelebung der
Hansetage, die heute jährlich in einer der vielen Hanse-
städte abgehalten werden.
Diese und viele andere Initiativen haben sich insbe-
sondere auf den Kulturtourismus positiv ausgewirkt. Das
belegen die vielen Studien- und Kulturreisen von
Deutschland in die anderen Anrainerstaaten der Ostsee
und umgekehrt. All das muss sich aber noch stärker im
Tourismusmarketing niederschlagen. Wir wollen die ge-
meinsame kulturelle Identität noch sichtbarer und touris-
tisch noch erlebbarer machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr Austausch
war schon für unsere hanseatischen Vorfahren der
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Ich erteile das Wort Kollegen Jürgen Klimke, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schiffssi-herheit, Fischerei, Häfen und Werften sind das eine,as man mit der Ostsee verbindet. Aber wenn man deneutschen auf der Straße fragt, was ihm zur Ostsee ein-ällt, dann sagt er in erster Linie: Urlaub. Insofern ist esut, dass wir den touristischen Aspekt in Bezug auf diestseeregion hier noch einmal betonen können und auchn die Beratungen der Ostseeparlamentarierkonferenzinbringen werden.Die Kollegin Hiller-Ohm hat es eben schon deutlichemacht: Die Ostsee ist eine einmalige Perle, ein unge-chliffener Diamant in Bezug auf den Tourismus. Ichcheue mich nicht, das Potenzial der Ostsee mit dem desittelmeeres oder auch der Karibik zu vergleichen.
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Jürgen Klimke
Denn die Ostseeregion bietet wunderbare, unberührteNatur, herrliche Strände, historische Bäderarchitektur,die Hansestädte und viele Gebäude der berühmten Back-steingotik, die hohen touristischen Wert haben. DieSchönheit dieser Region liegt auch darin begründet, dassdie Küste nicht zugebaut ist; außerdem haben wir einganz besonderes Licht wie in den weißen Nächten inSt. Petersburg. Zudem gibt es viele Kulturveranstaltun-gen und zahlreiche Festivals.Ganz wichtig ist, dass man im Ostseeraum auch in derZeit nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs nicht dieFehler gemacht hat, die zum Beispiel am Mittelmeer ge-macht worden sind, wo die Küste zugebaut worden ist,wo aus Fischerdörfern Bettenburgen wurden und unbe-rührte Küstenabschnitte mit touristischen Anlaufstellenübersät worden sind.Die Ostsee bietet nach wie vor ein sehr großes Na-turerlebnis. Dieses sollten wir gemeinsam mit den Tou-rismuspolitikern in den anderen Ostseeanrainerstaatenbewahren. Außerdem sollten wir das Einzigartige derOstsee fördern, indem wir die Rahmenbedingungen füreine nachhaltige, qualitativ hochwertige, aber auch be-hutsame Entwicklung schaffen.
Dazu brauchen wir mehr Kooperation im Marketing,bessere und schnellere Verkehrsanbindungen – das ge-hört einfach dazu, auch wenn wir über die Fehmarn-beltbrücke noch an anderer Stelle diskutieren werden;die Verkehrsinfrastruktur muss eindeutig verbessert wer-den – und mehr Partnerschaften, also ein noch stärkeresMiteinander der Menschen.Erster Punkt. Im Rahmen eines länderübergreifen-den Marketings sind Strategien der Ostseeanrainer not-wendig, zum Beispiel im Bereich des Kreuzfahrttouris-mus. Warum sollen Südamerikaner und Asiaten nichtsehr viel mehr über die Möglichkeiten einer Kreuzfahrtauf der Ostsee statt in der Karibik oder im Mittelmeer in-formiert werden? Das wäre ein ganz wichtiger Punkt.Zweiter Punkt. Eine wichtige Voraussetzung, die bis-lang fehlt, sind verlässliche Touristenzahlen in diesemBereich. Eine Grundlage für ein gutes Marketing ist zuwissen, wie sich die Touristenströme in den letzten Jah-ren entwickelt haben; Ankunfts-, Übernachtungs- undUmsatzzahlen müssen dazu erhoben und veröffentlichtwerden.Mein dritter Punkt umfasst – ich habe es eben ange-sprochen – die Verkehrsträger. Man mag dazu stehen,wie man will; aber durch die Ostseeautobahn, KollegeRehberg, bieten sich für Mecklenburg-Vorpommernganz neue touristische Möglichkeiten. Dadurch konntenneue Quellmärkte erschlossen werden, nicht nur für den14-Tage-Urlaub, sondern auch für Wochenendreisen undTagesausflüge. Das ist mit einem Verkehrsträger wie derAutobahn besser erreichbar als mit einer einfachenLandstraße. Das wissen wir.Es geht aber nicht nur um Straßen, es geht auch umdie Schiene. Wir brauchen ein dichteres Schienennetz,uewtkdtvsAF1kttdmCdWECfnÜdsFA
Das sind die wesentlichen Punkte, die in unserem An-rag eine Rolle spielen. Ziel ist, die Ostsee noch attrakti-er und bekannter zu machen. Ich freue mich ganz be-onders, dass die FDP das auch so sieht und unseremntrag zustimmt.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag derraktionen der CDU/CSU und der SPD auf Drucksache6/5910 mit dem Titel „Ostseekooperation weiter stär-en und Chancen nutzen“. Wer stimmt für diesen An-rag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der An-rag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegenie Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenom-en.Abstimmung über den Antrag der Fraktionen derDU/CSU und der SPD auf Drucksache 16/5906 mitem Titel „Die Tourismusregion Ostsee voranbringen“.er stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –nthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen vonDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Links-raktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ange-ommen.Tagesordnungspunkt 29 c. Interfraktionell wird dieberweisung der Vorlage auf Drucksache 16/5251 anie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten VolkerSchneider , Klaus Ernst,Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der LINKENWiedereinführung der Lebensstandardsiche-rung in der gesetzlichen Rente– Drucksache 16/5903 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
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Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang ThierseFraktion Die Linke fünf Minuten erhalten soll. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenVolker Schneider, Fraktion Die Linke, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Rentenpolitik in den letzten 15 Jahren heißt im Ergebnis:zusätzliche Lasten für Arbeitnehmer und zukünftigeRentnergenerationen, Entlastung der Arbeitgeber.
Das wird langfristig einschneidende Folgen für Einkom-men und Vermögen der zukünftigen älteren Generatio-nen haben.Berechnungen prognostizieren selbst unter der An-nahme ununterbrochener Erwerbsverläufe und un-ter voller Ausnutzung der Fördermöglichkeiten einsinkendes Niveau des Nettoeinkommens im Alter,sodass aufgrund einer zunehmenden Einkommens-ungleichheit ein steigendes Armutsrisiko im Alterbefürchtet werden muss.Dieser Satz entstammt nicht etwa meiner Feder, er istdem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSUund der SPD zum Altenbericht entnommen.
Das ist ein bemerkenswerter Erkenntniszuwachs, wo-durch die Frage der Sicherheit von Renten, lieber Kol-lege Tauss, ein wenig relativiert wird.
Um die Dramatik dessen deutlich zu machen, wassich da anbahnt: Auch wer ein Leben lang gearbeitet unddabei die Riesterförderung ausgeschöpft hat, ist deshalbnoch lange nicht zwingend vor Armut im Alter ge-schützt. Wer aktuell mit 45 Beitragsjahren in Rente gehtund sein Leben lang immer Durchschnitt verdient hat– für 2007 wurde das Durchschnittsentgelt in der Ren-tenversicherung vorläufig auf 2 457 Euro festgesetzt –,würde als Mann im Westen aktuell eine Rente von im-merhin noch 1 061 Euro erhalten. Um eine Rente aufdem Niveau der Grundsicherung zu erhalten – da wären,Miet- und Heizkosten eingerechnet, aktuell 664 Euro an-zusetzen –, müsste der gleiche Rentner 28 Beitragsjahrenachweisen können. Dank fortgesetzten Reformmurk-ses werden dies künftig 37 Jahre sein.Wer von einer Dreiviertelstelle, also einem Einkom-men von 1 843 Euro leben muss, würde dieses Grundsi-cherungsniveau, selbst wenn er ununterbrochen arbeitenwürde, erst nach 48 Beitragsjahren erreichen. Nur amRande sei erwähnt, dass eine Verkäuferin im Einzelhan-del in NRW bei Vollzeitbeschäftigung zwischen 1 411und 2 006 Euro verdient. Wie es mit deren Rentenan-sprüchen aussieht, lässt sich leicht ausrechnen.Das Vertrauen der Menschen in die gesetzliche Ren-tenversicherung haben Sie mit einer solchen Politikgründlich zerstört. Im Januar dieses Jahres hatten lautAVihZmSGaüevvdbhhEAehvwdzsnvaFDSsbei1bgthfsapdGorj1es
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oder sogar auf 41,7 Prozent steigen würde.Diese Zahlen machen deutlich: Es musste gehandeltwerden. Die jungen Menschen – einige Schulklassensind auf der Besuchertribüne anwesend – werden die So-lidarität aufkündigen, wenn sie von ihren Löhnen nebender Steuer, dem Beitrag zur Krankenversicherung undanderen Sozialversicherungen 40 Prozent an die Renten-kasse zahlen müssen.
Damit die Solidarität der Generationen auch in Zu-kunft möglich ist, bauen wir zu Recht schrittweise dasSystem der deutschen Altersversorgung um. Wir habengesetzlich festgelegt – gerade um den Jungen die Lust ander Rente nicht ganz auszutreiben –, dass der Beitrags-satz nicht über 22 Prozent steigen darf und dass nebendie gesetzliche Rente eine zweite und dritte Säule derAlterssicherung treten: eine betriebliche sowie eine pri-vate kapitalgedeckte Altersvorsorge, die zusammen Le-bensstandardsicherung im Alter garantieren und das Ab-sinken in Altersarmut verhindern werden. Das ist dieklare Antwort an Die Linke, die diesen Antrag vorgelegthat. Zu diesem Reformweg gibt es, wenn man Genera-tionensolidarität ernst nimmt, keine seriöse Alternative.
Die OECD hat uns Deutsche in ihrer jüngsten Studieausdrücklich für diesen Weg gelobt. Sie schreibt:Deutschland hat in den vergangenen Jahren im Ver-gleich zu den meisten OECD-Ländern umfassendeStrukturreformen im Rentensystem beschlossenund so wichtige Fortschritte auf dem Weg zurNachhaltigkeit des Systems gemacht.Wer in der Rentenpolitik die Uhr zurückdrehen will,provoziert bewusst einen Kampf der Generationen ge-gGDnrldDmkkgfbkasridmuikslfd–wstJwtEwBrgEtiAt
Würde man dem vorliegenden Antrag folgen, würdeas für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ineutschland bedeuten, dass sie über 50 Milliarden Euroehr bezahlen müssten und dass wir aus der Bundes-asse über 10 Milliarden Euro zusätzlich in die Renten-asse geben müssten. Um es klar und eindeutig zu sa-en: Eine Umsetzung dieses Antrages würde eininanzielles Fiasko für die Arbeitnehmerinnen und Ar-eitnehmer in unserem Land wie auch für die Bundes-asse bedeuten.Der Weg, die Alterssicherung der Zukunft nicht nuruf eine, sondern auf drei starke Säulen zu stellen – ge-etzliche Rente, Betriebsrente und private Vorsorge –, istichtig und übrigens auch sicherer. Die OECD führt inhrer Studie aus, dass der Wechsel von einer Säule aufrei Säulen eine sehr gute Entscheidung ist und dass diesehr OECD-Länder machen sollten, weil so die Risikennd Lasten im System viel besser verteilt werden.Im Klartext: Der Antrag fordert eine Rolle rückwärtsn der Rente. Das würde ein Mehr an Unsicherheit fürünftige Rentnerinnen und Rentner bedeuten. Das Drei-äulenmodell sorgt für mehr Sicherheit. Die Große Koa-ition geht deswegen auch einen konsequenten und er-olgreichen Weg des weiteren Aufbaus der zweiten undritten Säule der Alterssicherung.
Herr Kollege Tauss, egal wann oder wo angefangenorden ist: Wichtig ist, dass angefangen worden ist. Wiretzen diesen erfolgreichen Weg gemeinsam fort.Der Anteil der Beschäftigten mit einer Betriebsren-enanwartschaft liegt heute bei 65 Prozent; vor etlichenahren lag er noch deutlich unter 50 Prozent. Dieser Zu-achs bei den Betriebsrentenanwartschaften in den letz-en Jahren ist wesentlich auf die steuer- und beitragsfreientgeltumwandlung zurückzuführen. Deshalb werdenir diesen erfolgreichen Weg fortsetzen. Wir fördern dieetriebsrente in einem Ausmaß, gerade auch für die Ge-ingverdiener, wie es früher nicht der Fall war. Deswe-en haben wir beim Aufwuchs der Betriebsrente diesenrfolg, und den wollen wir fortführen.
Die Inanspruchnahme der Riesterrente, also der priva-en kapitalgedeckten Vorsorge, hat sich vor allen Dingenn den letzten zwei Jahren rasant entwickelt. Allein vonpril 2006 bis März 2007 sind 2,3 Millionen Riesterver-räge abgeschlossen worden,
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Peter Weiß
sodass wir heute einen Bestand von 8,5 Millionen Ver-trägen haben.
Auch hier setzt die Große Koalition klare Akzente. Abdem nächsten Jahr wollen wir zum Beispiel den Förder-betrag, den der Staat einem Arbeitnehmer pro Kindschenkt, auf 300 Euro jährlich erhöhen, um damit mög-lich zu machen, dass gerade Familien mit Kindern einenVertrag für eine Riesterrente abschließen können.Dass die Förderung zielgerichtet wirkt, belegen übri-gens aktuelle Auswertungen des Personenkreises derZulagenempfänger. Geringverdiener, Frauen und För-derberechtigte mit Kindern sind demnach deutlich über-repräsentiert, also Personengruppen, die in der Regel erstmithilfe der Zulagenförderung durch den Staat in dieLage versetzt werden, sich eine zusätzliche Altersvor-sorge aufzubauen.Bei der Vertreterversammlung der Deutschen Renten-versicherung in der letzten Woche sind die ersten Ergeb-nisse einer Studie zur Altersvorsorge in Deutschlandvorgestellt worden.
Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung hat zuRecht zusammenfassend ausgeführt, dass die künftigenRentnerinnen und Rentner im Durchschnitt geringereAnwartschaften aus der gesetzlichen Rente haben, dassdies aber im Wesentlichen durch einen deutlichen An-stieg der Höhe ihrer Anwartschaften in anderen Syste-men, vor allem in der betrieblichen und der privaten Al-tersvorsorge, ausgeglichen wird.Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werdenin der Rentenpolitik keine Rolle rückwärts machen. WasDie Linke verspricht, ist ein nicht gedeckter Scheck aufdie Zukunft,
den die Jugendlichen künftig als Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer einlösen müssen.
Unsere Politik ist eine andere. Wir wollen in unseremLand zusammen mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern ein zukunftsfähiges System mit einer starkenstaatlichen Unterstützung und Förderung aufbauen, da-mit Altersarmut auch in Zukunft ein Fremdwort bleibt.Mit diesem Schlusswort möchte ich Ihnen allen amletzten Sitzungstag des Deutschen Bundestages vor derSommerpause gute Erholung wünschen und Ihnen sa-gen: Der Weg, den wir in den letzten Jahren in der Ren-tenpolitik beschritten haben, indem wir die Rente aufdrei starke Säulen gestellt haben, ist zukunftssicher.Wenn man diesen Weg geht, kann man auch beruhigt inden Urlaub fahren.Vielen Dank.KSnzBskansilgadtA–mscK–PaslrRdwmSrzifHs
Nächster Redner ist nun der Kollege Dr. Heinrich
olb für die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!owohl das Ziel des Antrags der Linken, ein Netto-iveau der gesetzlichen Rentenversicherung von 70 Pro-ent, als auch die damit verbundene Konsequenz, eineitragssatz der Rentenversicherung von 28 Prozent,ind als nicht mit dem aktuellen Diskussions- und Er-enntnisstand vereinbar abzulehnen. Kollege Schneider,uch die Begründung dieser Forderung der Linken, imeuesten OECD-Bericht zur Entwicklung der Renten-ysteme in der OECD werde vor künftiger Altersarmutn Deutschland gewarnt, ist bei näherem Hinsehen obso-et.Man kann an einem nicht vorbei: Die von Ihnen vor-eschlagene Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträgeuf 28 Prozent wäre trotz all Ihrer rhetorischen Versucheer Marginalisierung, die Sie unternommen haben, letz-en Endes stark wachstumshemmend und würderbeitsplätze in Deutschland vernichten.
Herr Schneider, hinzu kommt, dass auch Sie nichtehr als 100 Prozent verteilen können. Wenn wir zulas-en, dass der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversi-herung auf 28 Prozent steigt, wenn der Beitragssatz derrankenversicherung schon heute 15 Prozent beträgtTendenz: stark steigend –, wenn der Beitragssatz derflegeversicherung erhöht wird und wenn jeder Bürgerus seinem Arbeitseinkommen auch noch Steuern zahlenoll, dann wird es mit Blick auf diese 100 Prozent wirk-ich schon eng.
Herr Kollege Schneider, auf Seite 13 des OECD-Be-ichts wird ganz klar konstatiert, dass die Höhe derenten in Wirklichkeit vom Wirtschaftswachstum, voner Lohnentwicklung und von der Inflation bestimmtird. Dem ist aus meiner Sicht zuzustimmen. Die Ver-eidung von Altersarmut kann effektiv nur über diechaffung von Wachstum und mehr Arbeitsplätzen er-eicht werden. Die beliebige Anhebung des Beitragssat-es der Rentenversicherung und der Lohnersatzquote istm Kern nur eine Scheinlösung.Wenn für die Linken gilt, je mehr, desto besser, dannrage ich Sie, warum Sie nicht gleich einen Beitragssatz inöhe von 30 Prozent fordern. Dann ließen sich sogar Ver-orgungsniveaus von mehr als 70 Prozent finanzieren.
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Dr. Heinrich L. KolbIhre Forderung ist willkürlich und macht aus meinerSicht keinen Sinn.
Herr Kollege Kolb, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Schneider?
Sehr gerne. Das gibt mir die Gelegenheit, einen
Schluck Wasser zu trinken.
Herr Kollege Kolb, Sie haben gerade gesagt: Es kann
doch nicht sein, dass die Rentenbeiträge bis zum
Jahr 2040 auf 28 Prozent steigen. Würden Sie mir kon-
zedieren, dass die Arbeitnehmer schon jetzt einen Renten-
versicherungsbeitrag von 12,95 Prozent zahlen? Denn wir
müssen die 4 Prozent, die zahlt, wer einen Riestervertrag
abschließt – diese werden vermehrt um die staatliche
Förderung –, realistischerweise draufrechnen.
Wenn wir das Defizit, das wir in der zukünftigen
Rente haben werden, zusätzlich absichern wollten, zum
Beispiel durch Betriebsrenten, kämen weitere 3 Prozent-
punkte drauf. Im Jahr 2030 soll der Rentenversiche-
rungsbeitrag bei 11 Prozent liegen. Dann komme ich auf
11 Prozent plus zweimal 3 Prozent gleich 17 Prozent für
die Arbeitnehmer und 11 Prozent für die Arbeitgeber –
macht zusammen 28 Prozent. Können Sie mir erklären,
warum es des Teufels sein soll, wenn man diese
28 Prozent zu gleichen Teilen auf Arbeitgeber und Ar-
beitnehmer verteilt – dass also beide 14 Prozent zahlen –,
und warum es besser sein soll, wenn die Arbeitnehmer
17 Prozent zahlen, während die Arbeitgeber nur 11 Pro-
zent zahlen?
Das macht die Sache nicht besser. Aber Tatsache ist,dass bei einer paritätischen Belastung, wie man sie beieinem Anheben des Rentenversicherungsbeitrages hätte,die Lohnnebenkosten stiegen. Ich gehe nicht so weitwie Oskar Lafontaine, der, wenn ich mich recht erinnere,vor zwei Tagen im „Handelsblatt“ im Zusammenhangmit Lohnnebenkosten von „Wortdreck“ gesprochen hat.Ich meine, dass die Lohnnebenkosten für die Kalkula-tion der Unternehmen eine Schlüsselrolle spielen, wennes darum geht, über das Maß der Beschäftigung zu ent-scheiden, das wir in unserem Lande erreichen können.Deswegen ist der Weg, den die rot-grüne Koalition inder letzten Legislaturperiode beschritten hat, richtig.
– Klatschen Sie nicht zu früh, Herr Kollege Tauss. – Esist richtig, von der paritätischen Finanzierung abzurü-cken
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2007 11343
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Erst vor zwei oder drei Wochen haben wir hierüber fast das gleiche Thema geredet – ebenfalls auf An-trag der Linken. Heute versuchen Sie mit einem Antrag,der absolut nichts Neues enthält, die letzte Sitzungswo-che vor der Sommerpause um jeden Preis zu verlängern.
Es mag ja sein, dass Sie lieber hier im Plenum sitzen, alsin Ihren Wahlkreis zu fahren, aus Angst, Sie könntendort Kontakt mit der Realität bekommen oder gar einemBürger begegnen.
Wir Sozialdemokraten haben diese Angst nicht. Im Ge-genteil: Ich freue mich darauf, in den nächsten Wochenmit meinen Wählerinnen und Wählern Gespräche zuführen. Ehrlich gesagt zeigen die meisten Menschen inmeinem Wahlkreis mehr Verständnis und sogar Zustim-mung für die Rentenpolitik dieser Regierung als Sie.
Sie versuchen wieder einmal, den Menschen Angst undSchrecken einzujagen. Dabei gibt es kaum ein Thema,das sich für Panikmache weniger eignet als dieses. Esgeht darum, wie unsere materielle Versorgung aussieht,wenn wir alt sind und unseren Lebensunterhalt nichtmehr selbst verdienen können.usKDSriRnrvtsVvGwswgrddmAzieBrZztDqzEmNRswu
enn die Kernaussage der OECD-Studie, Herrchneider, ist ein Lob für die Rentenpolitik dieser Regie-ung,
nsbesondere für den mutigen Schritt der Anhebung desenteneintrittalters auf 67 Jahre.In der Begründung Ihres Antrags heißt es:Infolge der rot-grünen Rentenpolitik kann die ge-setzliche Rente in Zukunft den Lebensstandard derArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Alter undbei voller Erwerbsminderung nicht mehr sichern.Ich gebe Ihnen in einem Punkt recht. Das Sicherungs-iveau der gesetzlichen Rente wird in den nächsten Jah-en abnehmen. Es wäre unehrlich und unredlich, dies zuerschweigen. Aber das ist keine Folge rot-grüner Ren-enpolitik – auch nicht rot-schwarzer Rentenpolitik –,ondern eine Folge der dramatischen demografischeneränderungen in unserem Land, welche das Umlage-erfahren der gesetzlichen Rentenversicherung an seinerenzen führen. Die angesprochene demografische Ent-icklung also – das Absinken der Geburtenrate und dieteigende Lebenserwartung in unserem Land – ist dieirkliche Ursache, weshalb mein Jahrgang und nachfol-ende Altersgruppen nicht mehr die gleiche Absiche-ung durch die gesetzliche Rente erwarten können wieie heutigen Rentner. Das Umlageverfahren benötigt,amit es funktioniert, eine klassische Bevölkerungspyra-ide mit einer breiten Basis von jungen Menschen imrbeitsleben und einer schmalen Spitze von Rentenbe-iehern. Genau im Hinblick darauf greift der von Ihnenm Antrag kritisierte Nachhaltigkeitsfaktor korrigierendin. Er berücksichtigt nämlich das Zahlenverhältnis voneitragszahlern zu Rentenbeziehern durch die Einfüh-ung des sogenannten Rentnerquotienten; das ist dieahl der Rentner im Verhältnis zur Anzahl der Beitrags-ahler.Steigt der Rentnerquotient, so erhöhen sich die Ren-en in einem geringeren Ausmaß als die Bruttolöhne.iese Orientierung der Rentenanpassung am Rentner-uotienten ist sinnvoll, da die Entwicklung dieser Maß-ahl in einem umlagefinanzierten System einen direkteninfluss auf den Beitragssatz hat.
Dabei gibt es übrigens auch eine Sicherungsklausel,it der dafür gesorgt wird, dass die Anwendung desachhaltigkeitsfaktors nicht zu einer Absenkung desentenwertes führt. Der Nachhaltigkeitsfaktor ergibtich also aus der Logik des Umlageverfahrens.Wir haben sowohl im Plenum als auch im Ausschussiederholt versucht, Ihnen die Funktionsprinzipien dermlagefinanzierten Rentenversicherung zu erläutern.
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Gregor Amann
Es ist uns nicht gelungen. Ich finde, wir sollten zukünf-tig nicht noch mehr wertvolle Zeit dieses Hohen Hausesdafür verwenden. Ich habe deshalb einen Vorschlag fürSie. Die Deutsche Rentenversicherung Bund bietet inZusammenarbeit mit dem Deutschen Volkshochschul-verband bundesweit Kurse zur Altersvorsorge an. Über500 Volkshochschulen in der Bundesrepublik beteiligensich daran. Eine davon muss in Ihrer Nähe sein.
Besuchen Sie doch einen dieser Kurse. Dann können wiruns vielleicht manche Debatte hier im Plenum sparen.Die Autoren des vorliegenden Antrags schlagen eineandere Lösung vor. Sie wollen die Deckelung des Bei-tragssatzes aufheben. Mit anderen Worten: Die durch diedemografische Entwicklung entstehenden Finanzie-rungslücken sollen einfach dadurch gestopft werden,dass der Beitragssatz immer weiter angehoben wird.
Wer das ernsthaft fordert, der macht Kinder zu Leibeige-nen ihrer Eltern und Großeltern; denn die Jungen werdendann einen immer höher werdenden Anteil ihres Brutto-lohns für die Rente der Ältern ausgeben müssen undnicht mehr für sich selbst vorsorgen können, geschweigedenn eine Familie gründen, ein Haus bauen oder die Er-ziehung ihrer eigenen Kinder finanzieren können.
Darüber hinaus ist das auch ökonomischer Unsinn.Unser Ziel muss es sein, die Lohnnebenkosten inDeutschland zu senken. Wer so leichtfertig für eine Stei-gerung der Lohnnebenkosten eintritt, der darf sichanschließend nicht über die daraus resultierende Mas-senverlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland be-klagen.
Natürlich müssen wir wachsam sein und verhindern,dass die Altersarmut wieder in unser Land zurückkehrt.Da wir wissen, dass das Sicherungsniveau der gesetz-lichen Rente in den kommenden Jahrzehnten aus den ge-nannten Gründen nicht gehalten werden kann, müssenwir natürlich Anstrengungen unternehmen, um diese Lü-cke zu stopfen. Meine Vorredner haben es bereits gesagt:Wir tun das. Die gesetzliche Rentenversicherung wirddurch staatlich geförderte private Altersvorsorge undbetriebliche Altersvorsorge ergänzt.Dabei will ich betonen, dass auch für uns Sozialde-mokraten die gesetzliche Rente weiterhin die tragendeSäule bleibt. Über 8 Millionen Riester-Verträge gibt es,und die Zahl steigt weiter an. Genauso massiv fördernwir auch die betriebliche Altersvorsorge. Ich bin froh,dass die Beitragsfreiheit der Entgeltumwandlung auchüber das Jahr 2008 hinaus beibehalten wird. Deshalb be-scheinigt auch die OECD ausgerechnet in der von Ihnenzitierten Studie, dass derjenige, der in Deutschland seinegesetzliche Rente mit privater und betrieblicher Alters-vmjdztghu–dggvLWwdbdtMuvvslkKB
Wenn ich mehr Redezeit hätte, dann könnte ich Ihnenetzt noch etwas über die erfolgreiche Wirtschaftspolitikieser Regierung erzählen, durch die die Arbeitslosigkeitum Sinken gebracht wird. Dies ist ebenfalls eine wich-ige Voraussetzung für stabile Renten.
Ich könnte Ihnen auch noch etwas von der 2003 ein-eführten Grundsicherung für Ältere als letztem Sicher-eitsnetz zum Schutz vor Altersarmut
nd von unseren Anstrengungen zur FamilienpolitikStichwort: Elterngeld, Kinderbetreuung – erzählen, umen genannten demografischen Entwicklungen entge-enzuwirken.Aus Zeitgründen will ich aber nur noch einen wichti-en Punkt ansprechen – ich bitte da auch die Kollegenon der CDU/CSU, genau hinzuhören –: Nur ordentlicheöhne führen zu anständigen Renten.
er also Altersarmut verhindern will, der muss heute et-as gegen Dumpinglöhne unternehmen und einen Min-estlohn einführen.
Jetzt schlage ich aber vor, dass wir diese Debatte hiereenden und in unsere Wahlkreise fahren. Verzichten Siearauf, in den Sommerferien noch mehr unsinnige An-räge aufzuschreiben! Reden Sie stattdessen mit denenschen, besuchen Sie einen der Volkshochschulkurse,nd stellen Sie sich der Realität!Sie werden feststellen, dass die meisten Menschenon uns Politikern nicht erwarten, dass wir ihnen Dingeersprechen, von denen jeder weiß, dass sie nicht reali-ierbar sind, sondern sie erwarten, dass wir uns der Rea-ität stellen und das tun, was notwendig ist, um die Zu-unft zu meistern.
Ein bisschen muss die Sommerpause noch warten.Als letzte Rednerin in dieser Debatte spricht nun dieollegin Irmingard Schewe-Gerigk von der Fraktion desündnisses 90/Die Grünen.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Mit dem heutigen Antrag „Wiedereinführung derLebensstandardsicherung in der gesetzlichen Rente“stellt die Linke den Kern ihres rentenpolitischen Pro-gramms vor. Sie wollen, wie das „Handelsblatt“ zuRecht kommentiert, „Zurück in die Zukunft“. Um diesesZiel zu erreichen, schlagen Sie eine Rückkehr zu denRentenformeln von 1992 – aus der Regierungszeit vonBlüm und Kohl – vor. Ich frage mich, warum Sie nichtstattdessen zu dem Stand von 1989 zurückkehren wol-len. Denn am 9. November 1989 wurde eine große Ren-tenreform mit dem Übergang vom Brutto- zum Netto-lohnprinzip beschlossen. Das wäre doch ein nochbesserer Ansatzpunkt für Sie gewesen.
– Da war ich auch noch nicht hier.Sie wollen zurück zu einem Nettorentenniveau von70 Prozent des Erwerbseinkommens. Um dieses Ziel zuerreichen, schlagen Sie einen Beitragssatz für die ge-setzliche Rentenversicherung von 28 Prozent vor. Einesolche Maßnahme wird bei der jüngeren Generation si-cherlich einen Freudentaumel hervorrufen. Die mittel-ständischen Betriebe, die heute Arbeitsplätze schaffen,werden darüber bestimmt in wahre Begeisterungsstürmefallen. Übertragen auf andere soziale Sicherungssystemeerreichen Sie damit spielend ein Abgabenniveau von50 Prozent vor Steuern auf Löhne und Einkommen.Als Kronzeugen für diese unsägliche Politik bemühenSie die jüngst veröffentlichte OECD-Studie zur Renten-politik im Ländervergleich. Die OECD hat zu Recht aufdie fehlende Armutssicherung im deutschen Rentenrechtaufmerksam gemacht und entsprechende Korrekturenangemahnt.
– Dazu komme ich noch. – Sie hat keine pauschale Be-wertung vorgenommen.Was Sie – auch Herr Schneider – ansprechen, ist un-seriös. Ich zitiere eine wesentliche Aussage aus derOECD-Studie:Deutschland hat mit den Reformen der vergange-nen Jahre die finanzielle Nachhaltigkeit des Sys-tems deutlich erhöht.
Sie, Herr Schneider und Herr Lafontaine, wollen dage-gen das Rad zurückdrehen.
Mit uns ist eine solche Rattenfängerpolitik nicht zu ma-chen.Bdruh1HmDvSpSWvadsseVbttcehlsIKncngdssFDm
Wir Grünen stehen für Strukturreformen, die ältereeschäftigte nicht auf Kosten der Allgemeinheit ausem Arbeitsmarkt ausgrenzen. Wir stehen für Verbesse-ungen, die die Anrechnung von Kindererziehungszeitennd Pflege in der Rentenpolitik bewirkt haben. Wir ste-en für eine eigenständige Alterssicherung von Frauen.Es ist antiquiert, zur Rentenformel aus dem Jahre992 zurückkehren zu wollen. Mir wäre es peinlich,err Schneider, wenn ich einen solchen Vorschlag ge-acht hätte.
ie Menschen wollen nicht, dass Politik ihnen etwasorgaukelt. Wir brauchen Veränderungen an denchwachstellen der aktuellen Arbeitsmarkt- und Renten-olitik. An dieser Stelle wende ich mich zur andereneite des Hauses.
ir brauchen in der Rentenpolitik Maßnahmen, die indi-iduell vor Armut schützen, von der, wie wir wissen, vorllem die Geringverdienenden betroffen sind. Notwen-ig sind auch eine Angleichung der Rentenwerte zwi-chen Ost und West und weitere Schritte zu einer eigen-tändigen Alterssicherung von Frauen.
Wir müssen die Rentenversicherung schrittweise zuiner Erwerbstätigenversicherung weiterentwickeln.iele Selbstständige – etwa solche in unsteten Jobs – ha-en keine Alterssicherung. Sie brauchen eine Erwerbstä-igenversicherung.Als ersten Schritt erwarten wir von der Großen Koali-ion die Rücknahme der Halbierung der Rentenversi-herungsbeiträge von Langzeitarbeitslosen. Das warine katastrophale Entscheidung, die zwar dem Bundes-aushalt 2 Milliarden Euro eingebracht hat, aber dieangzeitarbeitslosen Menschen auch im Alter schlechter-tellt.
ch finde es beschämend, dass sogar bei einer gutenonjunkturlage an dieser Stelle gespart wird.Hinzu kommt ein weiterer Punkt, über den wir heuteicht gesondert diskutieren – wir haben einen entspre-henden Antrag vorgelegt –: Langzeitarbeitslose dürfenicht zwangsweise mit Abschlägen vorzeitig in Renteeschickt werden. Wenn die Große Koalition langfristigie Rente mit 67 einführen will – was wir auch unter-tützt haben –, dann darf sie nicht die Langzeitarbeitslo-en mit 63 zwangsweise in Rente schicken. Das hat zurolge, dass sie 14 Prozent weniger Rente bekommen.as ist absolut unsozial, und Sie werden es zurückneh-en müssen.
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Irmingard Schewe-GerigkIch komme zum Schluss. Meine Damen und Herrenvon der Linksfraktion, Ihre Konzepte sind rückwärtsge-wandt, nicht finanzierbar und unseriös. Sie nehmenkeine Rücksicht auf die Zukunftsperspektiven der jun-gen Generation. Die Jungen müssen durch steigende So-zialabgaben die Zeche zahlen, ohne die Sicherheit zu ha-ben, selbst später einmal eine auskömmliche Rente zuerhalten. Eine solche Politik ist billiger Populismus undrückwärtsgewandt. Das werden wir nicht akzeptieren.Ich danke Ihnen.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/5903 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist die
Überweisung so beschlossen.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 31 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neure-
gelung der Telekommunikationsüberwachung
und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnah-
men sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/
24/EG
– Drucksache 16/5846 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Alfred
Hartenbach das Wort.
A
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Vor allem liebe Rechtsfreundinnen und Rechts-freunde! Denn hier sind nur noch wirkliche Fans dabei.Der Deutsche Bundestag hat sich in den letzten Jah-ren wiederholt mit dem komplexen Thema der verdeck-ten Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren be-fasst. Einzelne Problembereiche waren immer wiederGegenstand heftiger Diskussionen. Es hat sich gezeigt:Das geltende Recht bedarf einer umfassenden Revision.Deshalb und weil es konkrete verfassungsgerichtlicheVorgaben zum Kernbereichsschutz sowie europäischeRechtsakte umzusetzen gilt, hat die Bundesregierungeine eingehende und sorgfältige Überarbeitung vorge-nwvBdBnsebtlkslsm§nsnfSR–UsgslKsUhowdElntrd
Wir verbessern die Arbeitsmöglichkeiten der Straf-erfolgungsbehörden im Interesse der Sicherheit derürgerinnen und Bürger. Das ist die eine Seite. Die an-ere nicht minder wichtige Seite stellt sicher, dass fürürgerinnen und Bürger, die von einer solchen Maß-ahme betroffen sind, ein deutlich besserer Rechts-chutz besteht als bisher und dass vor allem das Vertrau-nsverhältnis zu den Berufsgeheimnisträgern einemesonderen Schutz unterliegt.Dieses Gesamtkonzept setzt gleich beim Anlass-atenkatalog an, also bei der Liste der Delikte, die An-ass für eine Telekommunikationsüberwachung seinönnen. Wir beschränken den Katalog konsequent aufchwere Straftaten. Delikte wie die Beihilfe eines Zivi-isten zur Fahnenflucht streichen wir. Neu nehmen wirchwere Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskri-inalität auf, zum Beispiel schwere Steuerdelikte nach§ 370 ff. der Abgabenordnung. Unser Entwurf beziehticht nur die Telekommunikationsüberwachung ein,ondern erfasst auch andere heimliche Ermittlungsmaß-ahmen wie die verdeckten Ermittler, die Schleppnetz-ahndung und die längerfristige Observation.Einhergehend damit erweitern wir insbesondere denchutz von Berufsgeheimnisträgern, der im geltendenecht nur unzureichend geregelt ist.
Ihnen würde ich sowieso kein Geheimnis anvertrauen. –nter welchen Voraussetzungen beispielsweise die Ob-ervation eines Journalisten zulässig ist, können Sie demeltenden Recht nicht ohne Weiteres entnehmen. Wirchaffen dafür und für alle anderen verdeckten Ermitt-ungsmaßnahmen verbindliche Rechtsgrundlagen. Derernbereich privater Lebensgestaltung und das Ge-präch zwischen Mandant und Verteidiger, aber auch dasmfeld der Geistlichen und der Abgeordneten sind ab-örfreie Zonen, es sei denn, jene sind selbst als Täterder Teilnehmer in eine schwere Tat verstrickt. Alles,as in diesem Bereich gleichwohl mitgelauscht wird,arf nicht verwertet werden.
twa aufgenommene Gespräche sind unverzüglich zuöschen. Die Löschung ist zu dokumentieren.
Wir verstärken den Grundrechtsschutz darüber hi-aus durch Verfahrenssicherungen. Bei allen verdeck-en Ermittlungsmaßnahmen wird es in Zukunft Benach-ichtigungspflichten geben. Die Einhaltung kontrollierenie Gerichte. Hier gibt es in der Praxis noch Defizite, die
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Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbachwir abstellen können und abstellen werden. Wer von ei-ner verdeckten Ermittlungsmaßnahme betroffen ist, solldas grundsätzlich erfahren und sich dagegen nachträg-lich wehren können. Die Neuregelung wird dafür keinbesonderes Rechtsschutzinteresse mehr verlangen. Auchdas ist wichtig. Die Zuständigkeit für die Anordnung ei-ner verdeckten Ermittlungsmaßnahme konzentrieren wirbeim Ermittlungsgericht am Sitz der Staatsanwaltschaft.Das bringt spezialisierte Richter mit mehr Erfahrungs-wissen, mehr Zeit und mehr Sensibilität für die proble-matischen Fälle.Der Gesetzentwurf wird außerdem die Richtlinie zurVorratsdatenspeicherung umsetzen. Der Gesetzent-wurf beachtet die Entschließung des Deutschen Bundes-tages vom 16. Februar 2006 und setzt nicht mehr als dieMindestvorgaben der Richtlinie hinsichtlich der Spei-cherungsdauer und der zu speichernden Datenarten um.Ich will dazu nur so viel sagen: Schon heute speicherndie TK-Unternehmen Verbindungsdaten, um nachweisenzu können, dass sie die Leistungen, die sie in Rechnungstellen, auch erbracht haben. Seit jeher können die Straf-verfolgungsbehörden diese Verbindungsdaten abfragen.Die neue Speicherpflicht brauchen wir, weil viele TK-Unternehmen immer mehr zu Flatrates übergehen unddeshalb immer weniger Verbindungsdaten speichern.Anfragen der Strafverfolgungsbehörden gehen daher insLeere.Verbindungsdaten sind keine Inhaltsdaten. Ge-sprächsinhalte werden also zu keinem Zeitpunkt gespei-chert, auch keine Angaben über Websites, die jemandbesucht hat. Wir können auf die Telekommunikations-überwachung und auf andere verdeckte Ermittlungsmaß-nahmen nicht verzichten. Abgehört, beobachtet oder mitseinen Daten gespeichert zu werden, sind aber Grund-rechtseingriffe, die niemand hinnehmen muss, wenn esdafür nicht eine solide Rechtfertigung gibt. Deshalbmüssen wir an die Strafverfolgungspraxis strenge Anfor-derungen stellen.
Das bringt Belastungen für die Praxis vor allem der Län-der mit sich. Dies ist jedoch nach unserer Auffassung so-wohl notwendig als auch tragbar. Der Gesetzentwurf hatvonseiten der Opposition, aber auch von den Ländernbisher nur wenig Kritik erfahren. Herr Ströbele wird dasgleich grundsätzlich ändern.
Ich bin aber zuversichtlich, dass es uns gelingen wird,den Gesetzentwurf zügig zu verabschieden und somit zueiner rechtsstaatlich sicheren und guten Lösung zu kom-men.Vielen Dank. Ich wünsche allen einen schönen Som-mer.
FDdnpfwwmubeDvmsSdswlBbPdaBsddlsidgahmgSbsDg1wnnda
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Ein Punkt, über den wir sicherlich ganz besonders inten-siv nachdenken müssen, ist der Schutz der Berufsgeheim-nisträger. Schon im Zollfahndungsdienstgesetz haben Sieeine Lösung in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfungdurchgesetzt. Wir stehen dem außerordentlich kritischgegenüber und werden deshalb den Sachverständigen inder Anhörung, die auf uns zukommt, auch diese Fragestellen und sehen, ob das der richtige Weg ist oder nicht.Ich möchte zum Schluss ein paar Aspekte zur Vor-ratsdatenspeicherung ansprechen. Ich finde es schade,dass die Telekommunikationsüberwachung und die Vor-ratsdatenspeicherung miteinander kombiniert wordensind; denn es handelt sich eigentlich um zwei unter-schiedliche Felder. Es ist gut, dass der Rechtsausschussdie Anhörung zu diesen beiden Bereichen getrennt hat.Auch das macht deutlich, dass dies offensichtlich zweiunterschiedliche Felder sind.Wenn man sich der Frage der Vorratsdatenspeiche-rung stellt, dann hat man auf eines hinzuweisen: Es hathier im Deutschen Bundestag bei der Beratung über denTätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten fürdie Jahre 2001 und 2002 einen einstimmigen Beschlussgegeben, dass die Bundesregierung entsprechende euro-päische Vereinbarungen über eine Vorratsdatenspeiche-rung nicht unterzeichnet. Die Bundesregierung hat sichnicht daran gehalten. Ganz besonders ärgert mich, dassdie dann doch verabschiedete europäische Richtlinienicht nur eins zu eins im Gesetzentwurf umgesetzt wor-den ist, sondern darüber hinausgeht.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Verpflich-tung, die uns das Bundesverfassungsgericht auferlegthat, nämlich bei der Umsetzung besonders grundrechts-schonend vorzugehen. Auch das wird deshalb Gegen-sszPewTddAemrreedwlgVzrvdüngckfnRWsmMfh–
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Jürgen Gehb für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!m letzten Tag vor der Sommerpause hätte man auchin weicheres Thema wählen können als die Telekom-unikationsüberwachung und die Vorratsdatenspeiche-ung. Wenn man sich die Kritiker anhört und die Beiß-eflexe, die damit ausgelöst worden sind, ansieht, wirds einem ganz schwindlig; ich werde darauf gleich näheringehen.Ich mache keinen Hehl daraus, dass die CDU/CSUiesen heute in erster Lesung zu beratenden Gesetzent-urf begrüßt und ihm zustimmt. Wir beugen uns natür-ich besseren Einsichten. Deswegen haben wir schonestern quasi wie bei der Vorratsdatenspeicherung denorratsbeschluss gefasst, eine Anhörung – sie wird inwei Teilen stattfinden; Herr van Essen, Sie haben es ge-ade angesprochen – durchzuführen. Wir haben quasi inorauseilendem Gehorsam und in der Annahme, dasser Gesetzentwurf heute an die zuständigen Ausschüsseberwiesen wird, eine solche Anhörung beschlossen.Dass die bisherigen strafprozessualen Instrumenteicht mehr so gut funktioniert haben, zeigt sich an einemanz einfachen Phänomen. Verabredungen zu Verbre-hen und Terror setzen Kommunikation voraus. Ganzlar: Man muss miteinander reden. Die Indianer habenrüher über Rauchzeichen und Buschtrommeln kommu-iziert. Man konnte der Frage nachgehen, was die durchauchzeichen verursachten Wölkchen bedeuten. Ausestern ist bekannt, dass man gekabelt hat, dass manich also der Telegrafie bedient hat.Inzwischen hat die Technik natürlich Fortschritte ge-acht; das unterscheidet sie von Ihrer Auffassung, Herrontag. Die Fortschritte der Technik sind der Grund da-ür, dass die Polizei dem Verbrecher eigentlich immerinterherhechelt.
Das ist wie beim Doping, ja. –
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Dr. Jürgen Gehb
Mittlerweile gibt es Handys. Möglicherweise wird es mitder Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs nicht einmalsein Bewenden haben. Man wird auch darüber nachden-ken müssen – der Innenminister fordert es immer wieder,und zwar zu Recht –, ob Online-Überwachungen sinn-voll sind; schließlich bedienen sich Kriminelle und ins-besondere Terroristen des Internets.
Das ist ganz einfach.Nun will ich ein paar Takte zur Begrifflichkeit sagen.Wenn ein Unwissender Kritik an diesen Dingen übt,dann habe ich dafür noch Verständnis. Der Datenschutz-beauftragte hat geschrieben – Herr Kilger hat etwasÄhnliches auf dem Anwaltstag gesagt –, dass dieUnschuldsvermutung nicht mehr gilt, dass Menschenunter Generalverdacht gestellt werden. Die Begrifflich-keit wird da völlig durcheinandergeworfen.
– Herr Ströbele, ich weiß: Wer die Begriffe nicht be-herrscht, der kann auch eine Diskussion nicht beherr-schen.
Der Begriff der Unschuldsvermutung hat mit der Er-mittlung nichts zu tun. Unschuldsvermutung bedeutet ineinem strafgerichtlichen Verfahren, dass der Angeklagteerst nach rechtskräftiger Verurteilung festgesetzt werdendarf.
In unserem Rechtssystem gibt es sowieso Ausnahmendavon. Beispielsweise wird Untersuchungshaft angeord-net, wenn noch keine rechtskräftige Verurteilung stattge-funden hat. Deswegen hat der Begriff der Unschuldsver-mutung dort gar nichts zu suchen.
Ein ermittelnder Beamte muss nach dem Legalitätsprin-zip jedem Verdacht nachgehen. Die Schuld ist zu diesemZeitpunkt noch nicht bewiesen.
Etwa bei einer vermeintlichen Trunkenheitsfahrt for-dert ein Polizist den Fahrer des Autos auf, einen Alko-holtest zu machen oder sich Blut abnehmen zu lassen.Gilt die Unschuldsvermutung hier denn etwa nicht? DashhftMmlEdDzmtAKmDtka–zedmgglpnESlZgbgts–
uf diese Idee kommt doch kein Mensch.Es wurde behauptet – zumindest von vermeintlichenennern der Materie –, dass Handygespräche im Rah-en der Vorratsdatenspeicherung abgehört werden.azu muss ich sagen: Alle, die diese Auffassung vertre-en, sind von einer signifikanten Faktenabstinenz ge-ennzeichnet. Sie sind von einer signifikanten Fakten-bstinenz gekennzeichnet.
Wie heißen Sie eigentlich? Sie rufen immer wieder da-wischen. Sie sind ein interessanter Mann. Sagen Sieinmal, wie Sie eigentlich heißen.
Das ist der Kollege Schneider.
Das tapfere Schneiderlein.Wie kann man solche Behauptungen aufstellen undie Bevölkerung damit in eine Hysterie versetzen? Ichuss Ihnen ehrlich sagen: Diejenigen, die das tun, sindenauso schlimm wie diejenigen, die die Menschheitlauben machen wollen, dass man durch eine Neurege-ung der Kommunikationsüberwachung einen hundert-rozentigen Schutz schaffen kann. Das ist natürlich auchicht der Fall.
Wir bewegen uns bei Ermittlungsverfahren und beiingriffen in Freiheitsrechte der Bürger – der Herrtaatssekretär hat es gesagt – auf einem verminten Ge-ände, in einem Spannungsfeld. Das ist doch ganz klar.wei Interessen stehen einander geradezu unversöhnlichegenüber: Auf der einen Seite steht das Recht, unbeo-achtet, unabgehört zu leben, und auf der anderen Seiteilt die verfassungsrechtlich verbürgte Pflicht des Staa-es, Schutz zu gewähren. Das hat das Bundesverfas-ungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. März 2003 Seite 299 des 113. Bandes – ausdrücklich, und zwar
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Dr. Jürgen Gehbimmer und immer wieder, festgestellt. Herr KollegeStröbele, wenn Sie es nachlesen wollen: Die einschlä-gige Passage befindet sich auf Seite 316. Es geht also umdie Spannung zwischen Schutzpflicht des Staates undWahrung von Freiheitsrechten.Wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages, jeden-falls ein großer Teil – die Überwachungsexperten auf derlinken Seite des Hauses blende ich ein bisschen aus –,wir als demokratische Parteien müssen doch um diebeste Lösung ringen. Das ist doch ganz klar.
– Herr Tauss, Sie machen das immer lautstark, wennauch nicht immer mit besonderer Sachkunde.
Deswegen ist es doch gar nicht schlimm, wenn wirheute diesen Gesetzentwurf an die Ausschüsse überwei-sen. Herr Montag, ich freue mich schon, Sie lassen jakeine Gelegenheit aus, mich anzusprechen, selbst wennich Ihnen mit besonderer Aufmerksamkeit zuhöre.
Wir werden das diskutieren und auch prüfen, ob die-ser Gesetzentwurf den Notwendigkeiten nicht ein wenighinterherhinkt. Den einen ist er zu viel, den anderen zuwenig. Manche sagen, dann ist er wahrscheinlich genaurichtig. Warten wir doch einmal das Gesetzgebungsver-fahren ab.Damit möchte ich meine Rede beenden.
– Herr Ströbele, von Ihnen Applaus zu bekommen, istbesonders schön.
Auch ich möchte nicht versäumen, Ihnen schöneSommertage zu wünschen. Ich gehe heute Abend auf dasSommerfest des Bundespräsidenten. Darauf freue ichmich sehr. Wir sehen uns dann in alter Frische AnfangSeptember in diesem Hohen Hause wieder.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun die Kollegin Ulla Jelpke für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieBundesregierung will mit diesem Gesetz die Telefon-überwachung erweitern und auf die Spitze treiben. IhrGswHzsDuzsißmKvKgwwdtefdpsPlwdzd„rshrdwkwvV
as bedeutet noch mehr Beobachtung und Schnüffelei,nd zwar in einem Ausmaß, das kaum noch Kontrollenulässt. Die Linke fordert deshalb alle Demokraten auf,ich dem entschieden zu widersetzen.
Meine Damen und Herren, weil Telefonüberwachungmmer ein Eingriff in die Grundrechte ist, müssen äu-erst enge und eindeutige Bestimmungen die Verhältnis-äßigkeit der Mittel sicherstellen.
Unschuldige dürfen nicht betroffen werden. Derernbereich der privaten Lebensgestaltung muss freion Überwachung bleiben. Eine effektive richterlicheontrolle ist unverzichtbar. Aber keine dieser Forderun-en, keine einzige, erfüllt der vorliegende Gesetzent-urf, den wir deswegen als verfehlt und verfassungs-idrig ablehnen.
Die Koalition erweitert in der Strafprozessordnungen Katalog derjenigen Taten, die ein Abhören rechtfer-igen sollen. Es reicht bereits der Verdacht. Sie unterlässts aber, die richterliche Kontrolle zu stärken. Dabeiunktioniert sie schon heute nicht. In aller Regel verwen-en die Gerichte nur formelhafte Begründungen und ko-ieren häufig die fehlerhaften Anträge der Staatsanwalt-chaft in ihre Anträge. Dies hat jedenfalls das Max-lanck-Institut für Strafrecht in seiner Studie veröffent-icht und wurde hier schon einmal diskutiert. Außerdemerden Hintertürchen eingebaut, die den Abgehörtenas Recht nehmen, wenigstens im Nachhinein informiertu werden. Die Benachrichtigung unterbleibt – hier wi-erspreche ich meinen Vorrednern –, wenn – ich zitiere –anzunehmen ist, dass die abgehörte Person kein Inte-esse an einer Benachrichtigung hat“. Ich frage Sie: Wasind das eigentlich für Personen, die daran kein Interesseaben? Das ist ein Gummiparagraf, der keinen Grund-echtsschutz gibt und auf jeden Fall weiterdiskutiert wer-en muss.Bei der Vorratsdatenspeicherung wird festgehalten,er mit wem spricht, egal ob Ärzte, Anwälte oder Politi-er, wo er sich zum Zeitpunkt des Gesprächs aufhält,elche Internetseiten er besucht und welche E-Mailserschickt werden. All das wird gespeichert, ohne denerdacht genau zu begründen, einfach auf Vorrat.
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Ulla JelpkeDie Behörden, vor allem die Geheimdienste, die Zugriffdarauf haben, Herr Gehb, können daraus ein ausführli-ches Profil über die politischen, sozialen und sonstigenInteressen und Kontakte erstellen.
Im Übrigen hat der Datenschutzbeauftragte vonSchleswig-Holstein vor wenigen Tagen ein Gutachtendazu veröffentlicht. Darin heißt es, dieses Gesetz ist ein– so wörtlich – Grundrechtseingriff mit maximalerStreubreite. So hat er das bezeichnet. Ich meine, er hatrecht damit.Die Speicherfrist beträgt sechs Monate. Allein bei derTelekom fallen pro Tag rund 200 Millionen Datensätzean. Hinzu kommen mehrere hundert Millionen E-Mails,angeklickte Homepages usw. Alles ausgedruckt, würdedies Aktenordner füllen, die aneinandergereiht von Ber-lin nach München reichen würden. Das haben Daten-schutzbeauftragte ausgerechnet.
Hier kann man nur noch fragen: Wie krankhaft misstrau-isch muss eine nach Allmacht strebende Regierung sein,um so etwas zu wollen?Zum Schluss, meine Damen und Herren: Das A undO einer demokratischen Gesellschaft ist das freie Ge-spräch. Die Bürger und Bürgerinnen müssen die Garan-tie dafür haben. Deswegen werden wir die Beratungdieses Gesetzentwurfs sehr kritisch begleiten und Ge-genentwürfe vorlegen.Ich danke Ihnen.
Nächster Redner ist nun der Kollege Hans-ChristianStröbele für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Herr Kollege Gehb, wie soll man es denn nennen,wenn der Staat von den Telekommunikationsunterneh-men verlangt, in Zukunft von allen Nutzern der Tele-kommunikation die Verbindungsdaten zu speichern –zum Zweck der Strafverfolgung, zum Zweck der Fest-stellung von Gefährdern, zu geheimdienstlichen Zwe-cken? Wie soll man dies anders interpretieren, als dassder Staat in Zukunft davon ausgeht, dass alle 70 oder80 Millionen Telekommunikations- und Internetuserpotenzielle Straftäter oder potenzielle Gefährder sind?Sonst macht das doch keinen Sinn.
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iesbezüglich haben wir eine ganze Reihe von Vorschlä-en gemacht.Wir haben nicht nur als Ersatz für den Straftatenkata-og eine andere Lösung vorgeschlagen, sondern wir ha-en auch gesagt, alle Telefonkommunikation, die den
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Hans-Christian StröbeleKernbereich der privaten Lebensführung betrifft,darf nicht überwacht werden, und zwar niemals. Sie ha-ben gesagt, es müssen vorher Anhaltspunkte dafür beste-hen, dass „allein“ – so steht es im Gesetzentwurf – übersolche Inhalte gesprochen wird. Diese Anhaltspunktewerden Sie nie haben.
Natürlich wird auch einmal während eines Liebesgeflüs-ters oder während eines Ehestreits über das Wetter, überHitze oder andere Dinge gesprochen, die nicht zu diesemengsten Lebensbereich gehören. Das heißt, die Be-schränkung, die hier in den Gesetzentwurf geschriebenwurde, stellt im Ergebnis eine Placeboregelung dar.Wir wollen, dass alle Berufsgeheimnisträger vor sol-cher Überwachung sicher sind und dass alle Telefon-gespräche, die den internsten Bereich der privaten Le-bensführung betreffen, frei von solcher Überwachungbleiben.
Schließlich wollen wir auch, dass die Richter in Zu-kunft – das ist ja heute nicht der Fall – verpflichtet wer-den, die Gründe für eine Telefonüberwachung in jedemeinzelnen Fall aufzulisten,
damit nachprüfbar ist, was warum angeordnet wird, unddamit der Richter nicht einfach nur Vorlagen der Staats-anwaltschaft abhakt.
Herr Kollege, ich muss Sie an Ihre Redezeit erinnern.
Er soll sich vielmehr selber Gedanken machen und
diese Überwachung selber verantworten.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der SPD:
Lesen Sie unseren Gesetzentwurf noch einmal genau
durch und überlegen Sie sich, ob Sie nicht die Passagen
in Ihr Gesetzeswerk übernehmen können, die von Rot-
Grün stammen und zu der Zeit, als Ihnen der Bürger-
rechtspartner Die Grünen noch nicht abhanden gekom-
men war, auch für Sie selbstverständlich waren.
Letzter Redner in der Debatte ist nun der Kollege
Gert Winkelmeier.
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und nun bekommt die Bundesrepublik noch einSchlimmeres …itatende. Es war ein Zitat; hören Sie bitte zu, liebe Kol-egen!Professor Albrecht nennt es „Sicherheitsstaat“, ichenne es Überwachungsstaat. Diese Gesellschaft ist aufchnurgeradem Weg zum gläsernen Bürger. Die bürgerli-hen Freiheitsrechte werden dem Sicherheitswahn geop-ert. Den Menschen wird suggeriert, dass sie ständig undberall von Terroristen bedroht werden. Union und SPDrbeiten beharrlich an einer neuen Bedrohungslüge.
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Gert WinkelmeierDie Menschen werden außerhalb der Parlamente Wi-derstand gegen ihre Überwachung und Bevormundungleisten. Der Protest muss aus der Gesellschaft kommen.Der Linken kommt hierbei die Verantwortung zu, derBevölkerung die Fakten zu nennen und sie über die da-mit verbundenen Gefahren aufzuklären und zu informie-ren.Uns liegt hier ein Gesetz vor, das von Datenschützernund Verfassungsrechtlern gleichermaßen kritisiert wirdund das, wie so viele seiner verwandten Vorgänger, vordem Verfassungsgericht vermutlich nur schwer bestehenwird. Die bisher von Experten abgegebenen Stellung-nahmen lassen genau dies erwarten. In der jetzigen Formist dieses Gesetz auf jeden Fall ein erneuter Angriff aufdas Grundgesetz.Wie formulierte es Burkhard Hirsch so treffend: HerrMinister Schäuble „respektiert nicht den Geist der Ver-fassung, sondern testet ihre Belastbarkeit.“ Dies sollteeine demokratische Gesellschaft nicht widerstandsloshinnehmen.Vielen Dank.
Der Kollege Joachim Stünker hat seine Rede zu Pro-tokoll gegeben1). Damit sind wir am Ende der Ausspra-che zu diesem Tagesordnungspunkt.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 16/5846 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Siedamit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall. Dannist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a und 32 b so-wie Zusatzpunkt 16 auf:32 a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Dr. Rainer Stinner, Birgit Homburger, Elke Hoff,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPPlanungen für Bundeswehr-Ehrenmal amBendlerblock aussetzen – Würdigung derToten in unmittelbarer Reichstagsnähe– Drucksachen 16/5593, 16/5932 –Berichterstattung:Abgeordnete Bernd SiebertJörn ThießenDr. Rainer StinnerPaul Schäfer
Winfried Nachtweib) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Norman Paech,Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und derFraktion der LINKENZAdrBJgHtSWgwadLzvdddösHdiwst1) Anlage 2
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Für die FDP-Fraktion hat nun das Wort der Kollege
r. Rainer Stinner.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Herr Minister, Ihr Anliegen wird in diesem Hauseteilt. Dessen können Sie sicher sein. Das haben Sieuch an dem Beifall unserer Fraktion gesehen, als Sie Ihrnliegen vorgetragen haben.Die Trennungslinie, die Diskussionslinie verläuft aniner anderen Stelle. Es geht um die Frage, welche Funk-ion ein solches Ehrenmal hat. Wenn es darum geht, dassie Bundeswehr ihrer Toten gedenkt, kann man in derähe des Verteidigungsministeriums, also an dem Orter exekutiven Gewalt, ein Ehrenmal bauen, an demährlich – das meine ich gar nicht negativ – ritualisiertranzniederlegungen stattfinden. Das kann man ma-hen; dann geht es um das Gedenken der Bundeswehr.
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Dr. Rainer StinnerHerr Minister, meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen, uns geht es aber um etwas völlig anderes. Uns gehtes darum, dass die breite Öffentlichkeit mit folgendenFragestellungen konfrontiert wird – ich sage das so deut-lich –: Wie vertritt Deutschland eigentlich seine Interes-sen? Welche Rolle spielt die Bundeswehr dabei? Ist injedem Einzelfall ein Auslandseinsatz angemessen odernicht? Wir brauchen unbedingt eine breite öffentlicheDiskussion über diese Fragen. Wir brauchen eine Dis-kussion über die Rolle der Bundeswehr.Wir brauchen auch eine öffentliche Diskussion da-rüber, dass wir als Parlament Entscheidungen fällen, diemit Risiken für Leib und Leben der Soldaten verbundensind. Das muss von der breiten Öffentlichkeit getragenwerden. Herr Minister, für uns steht also die Öffentlich-keit im Vordergrund, und zwar sowohl, wenn es um denEntscheidungsprozess geht, als auch, wenn es um dasErgebnis dieses Prozesses geht.Sehr geehrter Herr Minister, ich muss Ihnen deutlichsagen: In beiden Fällen haben Sie eine völlig falscheVorgehensweise gewählt. Sie haben die Planungen aus-geschrieben, ohne eine öffentliche Anhörung durchzu-führen, also ohne öffentliche Anteilnahme. Das kannman zwar so machen, aber bedenken wir doch einmal,welche Rolle die öffentliche Diskussion über die Gestal-tung des Holocaust-Mahnmals gespielt hat. Es gibt eineVerbindung zwischen der Diskussion über die Art desGedenkens und dem Inhalt des Gedenkens. Es geht umdie Frage, wie wir etwas tun. Diese Diskussion ist ganzwichtig. Sie ist auch notwendig, wenn es um das Geden-ken an die Soldatinnen und Soldaten geht. Das wollenSie aber nicht. Das haben Sie nicht gemacht. Ich frage:Warum eigentlich?Herr Minister, Sie haben es versäumt, über das Weiß-buch – ein kleiner Einschub – eine öffentliche Debatteherbeizuführen, Öffentlichkeit herzustellen. In diesemZusammenhang versäumen Sie es ein weiteres Mal. Mankönnte fast das Gefühl haben, Sie scheuen die öffentli-che Debatte.Genauso schlimm wäre es, wenn Sie nicht in der Lagewären, zu erkennen, welche Bedeutung die öffentlicheDiskussion für Ihr eigenes Anliegen hat. Die öffentlicheDiskussion ist in Ihrem Sinne; denn sie fördert Ihr Anlie-gen. Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie das nicht be-rücksichtigen.Ich glaube übrigens, dass die öffentliche Diskussionüber den Entwurf, der jetzt vorliegt, zu einer anderen Lö-sung geführt hätte. Man kann zwar über Geschmackstreiten, aber hinsichtlich Größe und Monumentalitätwird der Entwurf von vielen in der Bevölkerung sicher-lich nicht geteilt. Also auch in dieser Beziehung wurdeÖffentlichkeit nicht hergestellt.Genauso wichtig ist aber die Öffentlichkeit für das Er-gebnis, nämlich für den Standort. Sie haben darauf hin-gewiesen, Herr Minister. Zum Glück ist der Bundestagdas weltweit am meisten besuchte Parlament. Daraufkönnen wir alle stolz sein.
WsläÖNfeMnastiD–sdAWsigNHgdDbagwMrkheDhsDdtE
Denken wir an Washington. Ist das Vietnam Veteransemorial im Pentagon angesiedelt? Ist es nicht. Ist daseue Memorial für die letzten Gefallenen im Pentagonngesiedelt? Ist es nicht. Sie sind an einem öffentlichichtbaren, deutlich plakativen Ort angesiedelt. Das soll-en wir hier auch tun.Aber auch inhaltlich ist es geboten, dieses Ehrenmaln der unmittelbaren Nähe des Bundestages anzusiedeln.enn, Herr Minister, nicht Sie, sondern letztendlich wir wir Abgeordneten, zu denen ja auch Sie gehören –chicken die Soldaten in Auslandseinsätze. Sie setzenas operativ bzw. exekutiv um; das ist gar keine Frage.ber hier im Parlament wird die Entscheidung getroffen.ir haben eine Parlamentsarmee. Das ist ein Fort-chritt. Deshalb mein Appell an die Parlamentarier hierm Raume: Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum be-eben wir uns der Chance, das Ehrenmal in unsererähe zu gestalten?Aus dem Gesagten ergibt sich ganz klar für uns alle:err Minister, stoppen Sie Ihre Planungen! Liebe Kolle-innen und Kollegen, stimmen Sie unserem Antrag zu!Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist nun der Kollege Jörn Thießen für
ie SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er Ruf nach einer breiten sicherheitspolitischen De-atte gehört zu den Lieblingsrufen dieses Parlamentes,uch wenn er am Freitagnachmittag als Dienst zu un-ünstiger Zeit erschallt. Er erschallt aber stets dann,enn darüber Klage geführt wird, dass sich nur wenigeenschen in unserem Land mit den Dimensionen unse-er Außen- und Sicherheitspolitik beschäftigen. Die Dis-ussion über ein Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin ge-ört zu dieser Debatte. Das begrüßen wir. Manchmal ists so, dass einem nicht alles passt, was in einer solchenebatte gesagt wird. Schon deswegen lohnt sie sich.Herr Minister, das Ehrenmal wird auf Ihre Initiativein in Berlin gebaut. Sie haben dazu das volle Recht; dastreiten wir nicht ab. Im Grundsatz unterstützen wir Sie.a Sie aber auf den Entwurf eingegangen sind und füren Entwurf um Unterstützung geworben haben, gestat-en Sie mir einige Bemerkungen. In der Broschüre zumhrenmal der Bundeswehr findet sich der folgende Satz:
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Jörn Thießen„Seit Gründung der Bundeswehr im Jahr 1955 sind mehrals 2 600 ihrer Soldaten im Dienst ums Leben gekom-men …“. Das sind bedrückende Zahlen, die uns allen zudenken geben. Denn jeder gefallene Soldat und jeder ge-tötete Zivilist liegt all denjenigen auf dem Gewissen, diefür die Bundeswehr Verantwortung tragen und den Ein-sätzen, besonders denen im Ausland, zugestimmt haben.Das stimmt. Denn diese Menschen zahlen einen erschüt-ternden Preis für unser Engagement in den Kriegs- undKrisengebieten dieser Welt. Es ist aller Mühen wert, unsan sie zu erinnern und uns zu mahnen.So bedrückend diese Zahl von 2 600 Toten ist, HerrMinister, so schwer ist der Satz zu verstehen, diese seienim Dienst ums Leben gekommen. Denn das sind sieeben nicht. Hier liegt ein Zahlendurcheinander vor, aufdas ich aufmerksam machen möchte, und auf das auchHans-Ulrich Jörges im „Stern“ zu Recht hinweist. Dasmag kleinlich klingen; aber das ist in diesem Zusammen-hang von großer Bedeutung. Die allermeisten dieser2 600 Menschen kamen eben nicht im Dienst ums Le-ben, sondern während der Zeit ihres Dienstes in der Bun-deswehr. Das ist ein Unterschied.Wenn in der Begründung zu lesen ist, dass unserePartner und Verbündeten ehrende Gedanken an Soldatenhaben und dass wir uns dem anschließen wollen, weil eszur kulturellen Identität gehört, dann ist das wahr. DasEhrenmal aber, über das wir heute sprechen, stellt geradedie Gefallenen nicht in sein Zentrum. Warum sonst wirdauf alle Toten der Bundeswehr verwiesen? Von den2 600 stellen die Gefallenen eine verschwindend kleineMinderheit dar. Das unterscheidet diesen Plan für einEhrenmal elementar vom Invalidendom oder vom Altaredella Patria, auf den es sich beruft. Dieses Ehrenmal istein deutscher Sonderweg.Humanität und Religion machen keinen Unterschiedzwischen Toten, keinen Unterschied zwischen Gefalle-nen und Unfallopfern, zwischen denen, die an schwerenKrankheiten gestorben sind, und denen, die sich umge-bracht haben. Das Ehrenmal aber, über das wir heute dis-kutieren, will ja kein Zeichen allgemeiner Humanitätoder Religiosität sein; hier hat sich der Staat herauszu-halten. Das Ehrenmal – das nehme ich ihm auch ab –will in würdiger Form aller Toten der Bundeswehr ge-denken, also all derjenigen, die in Ausübung ihresDienstes im Inland wie im Ausland ihr Leben verlorenhaben.Für diese Interpretation spricht auch der künstleri-sche Entwurf, auf den Sie, Herr Kollege Dr. Jung, hin-gewiesen haben: die zerbrochenen Erkennungsmarken.Hier liegt die Verwirrung. Die Hälfte der Erkennungs-marken wird nämlich den Gefallenen abgenommen, alsodenjenigen, die getötet worden sind. Sie sind im Erstenund Zweiten Weltkrieg ein Zeichen massenhaften Ster-bens gewesen. Passt das zu diesem Ehrenmal? Gedenkenwir an diesem Ort 2 600 gefallener Soldaten? Nein. FürFrieden, Recht und Freiheit sind in Ausübung ihresDienstes nur wenige gestorben, die hier geehrt werdensollen. Die anderen starben während ihrer Zeit als Ange-hörige der Bundeswehr, mehrheitlich ohne direkten Be-zedutswGDaAubcdduUenemnMeadwmPwasndnHahwHdJI
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as ist das, was wir in unserem Antrag fordern. Beden-en Sie diese Forderungen! Ich bitte um Zustimmung.
Das Wort hat nun der Kollege Winfried Nachtwei für
ie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!n Deutschland gibt es auch heute noch Tausende vonriegerdenkmälern, mit denen nicht nur der Kriegstotenedacht wird, sondern mit denen der Krieg sehr oft aucheschönigt und verherrlicht und mit denen ein verquereseldengedenken demonstriert wird. Heute muss es umen Bruch mit einer solch demokratiefernen Traditionehen.
Vor drei Jahren hatte ich die Gelegenheit, in Suchumin Abchasien vor einem Gedenkstein für neun Mitgliederer United Nations Observer Mission in Georgia zu ste-en, die am 8. Oktober 2001 im Kodori-Tal abgeschos-en worden sind. Die Umgekommenen waren Ukrainer,ussen, Georgier, Pakistani, ein Schweizer und eineutscher. Es waren vier Soldaten – vier unbewaffneteilitärbeobachter – und fünf Zivilisten, acht Männernd eine Frau. Übrigens wurde damals von diesem ers-en Bundeswehrsoldaten, der durch gegnerische Einwir-ung ums Leben gekommen ist, wenig Aufheben ge-acht; er wurde nach Deutschland regelrechturückgeschmuggelt.Seit Anfang der 90er-Jahre sind 69 Bundeswehrsolda-en in Auslandseinsätzen ums Leben gekommen – Gottei Dank bisher keiner in einer Kampfsituation. Seit996 sind zwei deutsche Diplomaten und sechs Polizistenm Ausland ums Leben gekommen. Im Rahmen vonuslandseinsätzen von Durchführungsorganisationen dereutschen Entwicklungszusammenarbeit wurden seit 19965 Todesfälle bekannt. Unbekannt ist der Bundesregie-ung bisher die Zahl der bei humanitären und internatio-alen Organisationen tätigen, nicht entsandten Deut-chen, die ums Leben gekommen sind, sowie die Zahler Nichtdeutschen, die bei deutschen humanitären Or-anisationen ums Leben gekommen sind.Wenn Menschen im Rahmen des Friedensauftragses Grundgesetzes zu Tode kommen, sind Politik undesellschaft eindeutig in der Pflicht, ihrer öffentlich undeständig zu gedenken. Das geschieht, wenn etwas pas-iert ist, bisher nur in Momenten, einige Tage danach amlughafen Köln-Bonn. Die Voraussetzung eines solchenauerhaften Gedenkens ist eine breite Debatte. Ministerung hat mit seiner Initiative einen Anstoß hierfür
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Winfried Nachtweigegeben, aber durch die Art und Weise des Vorgehenseine breitere Debatte und Initiative zunächst erschwertund damit auch eine wirklich öffentliche Erinnerung.Wir brauchen keine bloße „Ressort-Erinnerung“. Eineöffentliche und gemeinsame Erinnerung an jene, die imRahmen des Friedensauftrages des Grundgesetzes undim Dienste der Menschenwürde im Ausland ums Lebengekommen sind, ist überfällig. Das sind neben Soldatenauch Entwicklungshelfer, humanitäre Helfer, Polizistenund Diplomaten. Angemessen dafür ist in der Tat nur einOrt im Umfeld des Bundestags.Unverzichtbar für einen solchen Schritt in der deut-schen Erinnerungskultur ist eine breite öffentliche De-batte. Wir glauben, mit unserem heutigen Antrag einigegute Vorschläge gemacht zu haben. Nach meiner Ein-schätzung der heutigen Diskussion sowie der Diskussionim Ausschuss ist diese Initiative nicht nur wünschens-wert, sondern auch als gemeinsame Initiative möglich.Es wäre eine Initiative zur Fortentwicklung einer demo-kratischen Erinnerungskultur, die den Friedensauftragdes Grundgesetzes nicht ideologisch missbraucht, son-dern ernst nimmt.Ich danke Ihnen.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Gert
Winkelmeier.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Lassen Sie mich noch einmal auf das Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts vom vergangenen Dienstag zurück-
kommen. Falls die Koalitionsfraktionen und andere Be-
fürworter der Einsätze in Afghanistan noch immer
triumphieren sollten, sage ich Ihnen nur eines: Dieses
Urteil war ein klassischer Pyrrhussieg. Der Kater nach
der Euphorie wird fürchterlich sein. Nicht der Linken
wurde eine schallende Ohrfeige versetzt,
wie der Herr Kollege Kolbow gesagt hat, sondern dem
gesamten Parlament und damit uns allen – Sie haben es
nur noch nicht gemerkt –; denn im Kern wurden wir alle
mit dem Spruch des Zweiten Senats kalt entmachtet. Ich
hoffe sehr, dass dies außer Heribert Prantl von der „Süd-
deutschen Zeitung“ und Christian Bommarius von der
„Berliner Zeitung“ möglichst schnell auch andere erken-
nen. Carte Blanche für die Exekutive bei Auslandsein-
sätzen, urteilt Prantl zutreffend. Dem Parlament und dem
Volk ist der Rechtsweg versperrt, sobald die Bundesre-
gierung für das Etikett „Friedenseinsätze im euro-atlanti-
schen Raum“ hier im Hause eine Mehrheit findet.
Nun zum sogenannten Ehrenmal; ich nenne es richti-
gerweise Mahnmal. Wir Abgeordnete sollten uns nicht
weiter zu Statisten degradieren lassen. Deshalb stimme
ich den vorliegenden Anträgen der Linken und der FDP
zu, dem Bundesminister der Verteidigung die Planungen
für ein Ehrenmal an seinem Dienstsitz zu entziehen. Der
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ie bisher 69 bei Auslandseinsätzen ums Leben gekom-
enen Soldaten sind Opfer dieser fatalen Politik.
Deswegen brauchen wir ein Mahnmal in unmittelba-
er Nähe zum Reichstagsgebäude,
ort, wo – jedenfalls noch – die Entscheidungen fallen,
nd zu dem die Öffentlichkeit stets freien Zugang hat. Es
uss ein Mahnmal sein, das ausschließlich die Namen
er Gefallenen aufführt, damit die Bevölkerung sehen
ann, wie viele Opfer eine Außenpolitik fordert, die sich
uf das Instrument Bundeswehr stützt.
Danke schön. Im Übrigen wünsche ich Ihnen noch
chöne Sommerferien und gute Erholung.
Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesord-ungspunkt.Wir kommen zu den Abstimmungen. Tagesordnungs-unkt 32 a. Beschlussempfehlung des Verteidigungsaus-chusses zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit demitel „Planungen für Bundeswehr-Ehrenmal am Bend-erblock aussetzen – Würdigung der Toten in unmittelba-er Reichstagsnähe“. Der Ausschuss empfiehlt in seinereschlussempfehlung auf Drucksache 16/5932, den An-rag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/5593 abzu-ehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –er ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist die Be-chlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfrak-ionen und der Fraktion Die Linke bei Ablehnung derraktion der FDP und Enthaltung der Grünen angenom-en.
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Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtTagesordnungspunkt 32 b sowie Zusatzpunkt 16. In-terfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen aufden Drucksachen 16/5891 und 16/5894 an die in der Ta-gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.Die Vorlage auf Drucksache 16/5891 soll ebenfalls fe-derführend im Verteidigungsausschuss beraten werden.Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 33 a und 33 bauf:a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenIrmingard Schewe-Gerigk, Brigitte Pothmer,Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und derFraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENZwangsverrentung von Langzeitarbeitslosenausschließen– Drucksache 16/5429 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussb) Beratung des Antrags der Abgeordneten VolkerSchneider , Klaus Ernst, Dr. LotharBisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder LINKENZwangsverrentung stoppen – Beschäftigungs-möglichkeiten Älterer verbessern– Drucksache 16/5902 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
FinanzausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitHaushaltsausschussDie Kolleginnen und Kollegen Irmingard Schewe-Gerigk, Gerald Weiß , Heinz-Peter
punkt zu Protokoll gegeben1). Damit erübrigt sich eineAussprache.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 16/5429 und 16/5902 an die in derTagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dannsind die Überweisungen so beschlossen.Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 34:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Kultur und Medien
zu dem Antrag der Abgeordne-
ten Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping,Dr. Petra Sitte, weiterer Abgeordneter und derFraktion der LINKENAdrnFKKssElgBdSSswesrdSnDFwgww1) Anlage 3
s geht um die Rechtspflicht zur pfleglichen Behand-ung eines überlieferten und herausragenden Kultur-utes.Die Dresdner haben die umsichtige und pfleglicheehandlung ihres Erbes in all den Jahrzehnten, auch inen letzten Jahren, meisterhaft realisiert.
ie machen alles sehr gründlich, und es wird gut. Imtreit um die Waldschlösschenbrücke sind sie ebenfallsehr gründlich, und wir hoffen, dass auch er gut endenird.Die Besucher von Dresden interessieren sich zunächstinmal überhaupt nicht für das Völkerrecht und die Ent-cheidungen der Gerichte, wenn sie zum Beispiel am be-ühmten Barockufer flanieren. Sie vergleichen die anen Straßenrändern aufgestellten Bilder der zerstörtentadt nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem, was sich ih-en heute zeigt, und erfreuen sich daran.
as gesamte Ensemble rund um die wieder aufgebauterauenkirche, die Möglichkeit der Elbe, über die Elb-iesen „atmen“ zu können und nicht in Betonufern ein-ezwängt zu sein, und vieles andere mehr – das ist es,orauf die Dresdner stolz sind und was die Besucher be-undern.
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Maria MichalkNiemand bezweifelt die Tatsache, dass auch eine zu-kunftsweisende Flussquerung gebraucht wird. Die Kunstder nächsten Stunden und Tage besteht darin, den vorlie-genden Kompromiss so in das gültige Planfeststellungs-verfahren einzubringen, dass sowohl dem Bürgerent-scheid als auch der Forderung der UNESCO Rechnunggetragen wird und die Brücke endlich gebaut wird,
ohne dass noch mehr Zeit verloren geht und das Vor-haben letzten Endes wegen der Verzögerung nicht zu-stande kommt. Das würde dem Bürgerentscheid wider-sprechen. Ob das gelingt oder eine Wunschvorstellungbleibt, sollte nicht nur Völkerrechtler, Gerichte, Planerund uns Kulturpolitiker in Spannung halten, sondernauch eine Spannung hervorbringen, die zur Zusammen-arbeit zwingt.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Mücke?
Gerne.
Frau Kollegin Michalk, Sie haben gerade gesagt, es
komme auf die nächsten Stunden und Tage an, um einen
Kompromiss zu erreichen, der den vorliegenden Bürger-
entscheid mit dem Erhalt des Welterbetitels in Einklang
bringt. Sie haben dazu ausgeführt, dass es möglich sei,
eine andere Brücke zu planen, um eine Einigung mit der
UNESCO herbeizuführen. Habe ich das richtig verstan-
den?
Ich habe ausdrücklich gesagt, dass dies im Rahmen
des bestehenden, gültigen Planfeststellungsverfahrens
möglich sein muss. Ob das gelingt, ob das Realität wird
oder ob das nur eine Wunschvorstellung ist, weiß ich
nicht. An dieser Stelle geht meine Rede weiter.
Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kolle-
gen Mücke?
Gerne.
Bitte, Herr Mücke.
Ich habe selber an der Sitzung des UNESCO-Welt-
erbekomitees in Christchurch teilgenommen und habe
die Diskussion verfolgen können. Die überwiegende
Mehrzahl der dort versammelten 21 Mitgliedstaaten hat
über den vorgelegten alternativen Brückenentwurf gar
nicht diskutiert, sondern hat in einer oberflächlichen Be-
trachtung einem Tunnel den Vorzug gegeben. Nun ist
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Die oder – präziser gesagt – eine Brücke muss gebaut
werden. Dazu verpflichtet der Bürgerentscheid. Es sollte
selbstverständlich sein, dass alle Beteiligten diese
Rechtslage akzeptieren.
Allerdings steht der Bau dieser Brücke der Auffas-
sung der UNESCO entgegen, die die aktuelle Brücken-
planung mit dem Welterbestatus des Dresdner Elbtals für
unvereinbar hält. Die Bundesrepublik Deutschland hat
sich in einem völkerrechtlichen Vertrag verpflichtet, die
Welterbestätten gemäß der UNESCO-Welterbekonven-
tion zu schützen. Über das Lindauer Abkommen sind
alle Länder – das betrifft auch den Freistaat Sachsen – an
diese völkerrechtliche Verpflichtung gebunden. Auch
wenn die Gerichte eine verpflichtende Wirkung der
Welterbekonvention für die Stadt Dresden abgelehnt ha-
ben, war den Dresdnern immer klar – es sollte ihnen zu-
mindest klar gewesen sein –, dass die Eintragung einer
Region oder eines Ortes nicht nur mit einer Ehre und
Auszeichnung verbunden ist, sondern, wie in diesem
Falle, eine besondere Verpflichtung und eine Teilauf-
gabe der Planungssouveränität bedeutet.
Dass der Verlust des Welterbetitels weit über Dresden
hinaus für die Bundesrepublik ein Schaden wäre, brau-
che ich nicht zu betonen. Es sieht in dieser Konstellation
nach einem klassischen Dilemma aus: entweder die Brü-
cke oder das Weltkulturerbe. So ist es aber nicht zwangs-
läufig. Ich bin der Überzeugung, dass ein Ausweg aus
diesem Dilemma möglich ist, wenn es den politischen
Willen dazu gibt, und zwar unter drei Voraussetzungen.
Erstens. Die Brücke muss gebaut werden. Zweitens. Die
Brücke, die gebaut werden muss, muss anders sein als
die derzeit geplante. Die dritte Voraussetzung ist – das
ist wahrscheinlich die Voraussetzung, die am schwersten
zu erfüllen ist –, dass alle Beteiligten nach vorne
schauen müssen und sich nicht daran festbeißen dürfen,
wer im Vorfeld Fehler gemacht hat und wer vermeintlich
der Schuldige ist.
Meiner Ansicht nach ist es mittlerweile irrelevant,
welche Fehler in der Vergangenheit begangen wurden.
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o ein politischer Wille ist, da ist ein Weg. Wenn die
olitisch Verantwortlichen kompromissbereit sind, dann
st es möglich, eine Brücke am Dresdner Waldschlöss-
hen zu bauen und zugleich den Welterbetitel zu erhal-
en. Genau das müssen wir erreichen.
Vielen Dank.
Nun hat die Kollegin Lukrezia Jochimsen für die
raktion Die Linke das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir haben heute über einen Antrag abzustimmen, den
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Dr. Lukrezia Jochimsenmeine Fraktion vor zehn Monaten in dieses Hohe Hauseingebracht hat; leider ist er heute ganz und gar nichtüberholt. Im Gegenteil: Jetzt geht es um unsere letzteChance, durch bundespolitisches Handeln im Streit umden Brückenbau in Dresden eine nationale Blamage zuverhindern.Auf der UNESCO-Konferenz in Christchurch wurdeein Fall der Kulturnation Deutschland verhandelt. Nichtzufällig war in Neuseeland immer von Deutschland dieRede, wenn Dresden gemeint war. Insofern hat das Ko-mitee uns drei Monate Zeit gegeben, eine Alternative fürdie von der UNESCO nicht akzeptierte Wald-schlösschenbrücke vorzulegen.Im Gegensatz zu dem, was wir schon alles über dieUNESCO hören mussten, nämlich sie sei arrogant, sturund zu keinerlei Kompromissen bereit, hat sie klar si-gnalisiert: Eine Elbquerung und der Erhalt des Weltkul-turerbetitels sind möglich. Beides ist zu haben; es mussjetzt nur gewollt werden. Am 1. Oktober läuft die Fristab.Deshalb müssten Sie unserem Antrag heute eigentlichzustimmen, in dem nichts anderes gefordert wird, als un-verzüglich Gespräche zwischen Bund, Land und Kom-mune anzustreben, um eine Alternativlösung zu finden.Bedenken Sie die Wirkung, wenn Sie, das Parlament, zudieser Forderung heute einfach Nein sagen. Es kanndoch dem Rest der Republik nicht egal sein, wie in Dres-den und Sachsen bestimmte Leute – das sage ich hierganz bewusst; der Kollege von der FDP hat den Minis-terpräsidenten genannt – mit dem kostbaren Gut „Welt-kulturerbe“ umgehen.
Natürlich wissen wir, dass sich eine Mehrheit 2005 ineinem Bürgerentscheid für jenen Brückenentwurf ausge-sprochen hat, den die UNESCO als mit dem Weltkultur-erbe unvereinbar eingestuft hat. Wir wissen aber auch,dass den Bürgern damals nicht bekannt war, dass sie mitihrer Entscheidung auch für oder gegen den Erhalt desTitels „Weltkulturerbe“ für das Elbtal und das spektaku-läre Stadtpanorama stimmen würden.
Natürlich wissen wir auch, wie die Gerichte gesprochenhaben, meinen aber, dass sich derartige Probleme nichtallein vor Gericht lösen lassen.
Mediation in einer nationalen Kulturfrage muss möglichsein. Das, was der amtierende Dresdner BürgermeisterLutz Vogel dazu gesagt hat, ist gerade schon zitiert wor-den: Wenn ein politischer Wille vorhanden ist, gibt esnatürlich auch einen Weg.Denken Sie bitte an die vielen Bürgerinnen und Bür-ger Dresdens, die sich seit Monaten für eine Alternativ-lösung einsetzen. Was haben sie nicht alles gemacht: Siehaben demonstriert, Unterschriften gesammelt, öffent-lich appelliert, um Gehör gebeten, einen Architektur-wettbewerb durchgeführt, gewissermaßen alles in ihrerMnszdunuslwdGvDrUDumhvIlhbtHAmAssfn1)
as wollen wir nicht. Das wollen Sie doch alle nicht.
Frau Kollegin – –
Insofern müsste das alles dazu führen, dass Sie sich
nserem Anliegen anschließen und dem Antrag zustim-
en.
Ich danke Ihnen.
Frau Kollegin, ich wollte Sie unterbrechen; aber Sie
aben es offensichtlich nicht registriert. – Die Redezeit
on Frau Jochimsen ist allerdings zu Ende, Herr Mücke.
ch bitte um Verständnis.
Da die Kollegin Katrin Göring-Eckardt und der Kol-
ege Wolfgang Thierse ihre Reden zu Protokoll gegeben
aben1), erteile ich nun als letztem Redner in dieser De-
atte das Wort dem Kollegen Arnold Vaatz für die Frak-
ion der CDU/CSU.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Nachdem ich bei der ersten Debatte zu diesemntrag sehr temperamentvoll auftreten musste, kann ichich heute außerordentlich versöhnlich zeigen; denn diengelegenheit, über die wir hier debattieren, ist ent-chieden. Die Frist für den Einspruch gegen die Ent-cheidung der Vergabekammer ist vorgestern abgelau-en. Die Baulose sind zugeteilt – bis auf eines, für dasoch eine Entscheidung des OVG Bautzen abgewartetAnlage 4
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Arnold Vaatzwird. Die Baustellen werden unverzüglich eingerichtet.Sobald das geschehen ist, beginnt der Bau der planfest-gestellten Brücke.
Das zur gegenwärtigen Situation.Die Rechtsgrundlage für diesen Ablauf ist so sonnen-klar, wie es keine andere Rechtslage in Deutschlandüberhaupt sein kann.Unsere Rechtsgrundlage ist ein gültiger Bürgerent-scheid. Der Stadtrat von Dresden weigert sich konti-nuierlich, diesen Bürgerentscheid umzusetzen. Deshalbvollzieht das Regierungspräsidium nun eine Ersatzvor-nahme. Diese Ersatzvornahme wurde vom OVG Baut-zen, vom Sächsischen Verfassungsgericht und vomBundesverfassungsgericht als rechtmäßig bestätigt.Demzufolge ist es eine Aufforderung zum Rechtsbruch,wenn man sagt, diese Ersatzvornahme dürfe nicht ausge-führt werden.
Lassen Sie mich jetzt noch auf ein paar hier geäußerteEinwände eingehen.Frau Jochimsen, Sie sagten, den Bürgern sei bei demVolksentscheid nicht bekannt gewesen, dass sie dasWeltkulturerbe aufs Spiel setzen.
Darf ich Ihnen dazu etwas entgegnen? Ich weiß nicht, obIhnen bekannt ist, dass, als die Stadt Dresden ihre Be-werbung zur Aufnahme in die Weltkulturerbeliste abge-geben hat, bereits ein rechtskräftiger Stadtratsbeschlussvorlag, den sie auch der UNESCO mitgeteilt hat und ausdem die Absicht, genau an dieser Stelle genau diese Brü-cke zu bauen, hervorging.
Auf der Basis dieses Antrags ist 2004 die Zugehörigkeitzum Weltkulturerbe erklärt worden.Auf Intervention des New Yorker NobelpreisträgersGünter Blobel hin hat die UNESCO bei gleicher Rechts-lage – der Volksentscheid hatte die ursprünglicheRechtslage, die durch eine andere Mehrheit im Stadtratzwischenzeitlich ausgehebelt worden war, lediglich wie-derhergestellt – im Jahr 2006 der Stadt Dresden gedroht,ihr diesen Titel zu entziehen und man hat das DresdnerElbtal auf die Rote Liste gesetzt. Mit anderen Worten:Die UNESCO und niemand anders war es, wer seineMeinung geändert hat.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Mücke?
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ieses Verhalten der UNESCO ist der eigentliche Kritik-
unkt, der in Dresden so unermesslich viel Unheil ange-
ichtet hat. Das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
rage der Kollegin Jochimsen?
Ja, gerne.
Herr Abgeordneter, welchen Begriff haben Sie gerade
n Bezug auf die UNESCO angewandt?
„Treuwidriges“ Verhalten.
– „Treuwidrig“. Ich weise diesen Begriff weit zurück.
Ja, das nehme ich zur Kenntnis, Frau Jochimsen!
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Ich meine, die Kollegen der FDP haben vorhin ge-
sagt –
Frau Kollegin, Sie wollten eine Frage stellen.
Was heißt „treuwidrig“? Woher haben Sie die Be-
weise, dass sich die UNESCO „treuwidrig“ verhalten
hat?
Die UNESCO hat sich so verhalten, weil sie im
Jahre 2004 im Wissen um die Absicht der Stadt Dresden,
diese Brücke zu bauen – die Umsetzung dieses Vorha-
bens war rechtskräftig –, den Welterbetitel erteilt und
diesen Titel dann auf Intervention eines einzelnen Herrn
bei gleicher Rechtslage wieder infrage gestellt hat. Das
nenne ich „treuwidriges“ Verhalten.
Herr Kollege, die Uhr ist angehalten. – Ich frage Sie,
ob Sie eine weitere Zwischenfrage von Frau Jochimsen
zulassen?
Ausnahmsweise, Frau Präsidentin.
Sind Sie ganz sicher, dass der Grund dafür, dass man
gedroht hat, diesen Titel abzuerkennen, nicht ist, dass
der UNESCO nicht übersetzte Unterlagen, unvollstän-
dige Unterlagen oder beim falschen Gremium einge-
reichte Unterlagen vorlagen?
Sie wissen ganz genau, dass eine Person bei der
UNESCO ausgereicht hat, zu sagen: „Jetzt stellt ihr sie
auf die Rote Liste“? Das wissen Sie genau?
Jawohl, Frau Professor Jochimsen, das weiß ich ge-
nau. Ich möchte ergänzen: Natürlich ist es so, dass jede
Kommune einen Weltkulturerbeantrag stellen kann,
wenn sie meint, dass sie weltkulturerbewürdig ist. Die
UNESCO kann aber keineswegs bei der Aufnahme in
die Weltkulturerbeliste eine Automatik gelten lassen.
Das heißt: Die Denkmalschutzorganisation ICOMOS
wird in diesem Fall beauftragt, den Antrag auf Auf-
nahme in die Weltkulturerbeliste zu evaluieren. Das be-
deutet, dass jedem einzelnen Punkt, der dort angegeben
wird, auf den Grund gegangen werden muss, ob er zu-
treffend ist oder nicht. Der zuständige Gutachter von
ICOMOS, Herr Yokilehto aus Finnland, ist persönlich
vom damaligen Landeskonservator Glaser an die Stelle
geführt worden, wo die Brücke gebaut werden soll. Dort
sind ihm sämtliche Fachfragen beantwortet worden.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich würde jetzt gerne fortfahren, denn ich habe gegen-ber Herrn Waitz noch ein Thema zu klären. Lieber Herraitz, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass derNESCO-Beitritt auf eine Ratifizierung durch deneutschen Bundestag zurückzuführen ist. Sie wissenber, dass unsere Verfassung für solche Fälle ein Trans-ormationsgesetz vorsieht. Das heißt, das Ganze muss inationalstaatliches Recht umgesetzt werden. Es ist wirk-ich tragisch, dass das bisher nicht geschehen ist.
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Arnold Vaatz
– Verehrter Herr Kollege Tauss, es ist anders.
Das Problem ist Folgendes: Die Argumentation gehtdavon aus, dass mit der Antragstellung auf Aufnahme indie Weltkulturerbeliste ein Souveränitätsverzicht derStadt Dresden geleistet worden wäre.
Dieser Souveränitätsverzicht der Stadt Dresden kannnur von einer Institution geleistet werden, die diese Sou-veränität hat.
Wenn der Stadtrat lediglich, ohne das Volk zu befra-gen,
Souveränität nach außen abtritt, dann ist ein solcher An-
trag, wenn es die direkte Demokratie gibt und wenn über
diesen Sachverhalt direktdemokratisch entschieden wer-
den darf, schlichtweg nicht zulässig.
Eine weitere Zusatzfrage hat der Herr Kollege
Mücke. Lassen Sie sie zu?
Bitte.
Herr Kollege Vaatz und liebe Kollegen, das ist meine
letzte Frage. Dann bin ich auch schon fertig. Mit Ihrer
Genehmigung, Frau Präsidentin, möchte ich kurz aus
dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zum
Thema völkerrechtliche Einordnung zitieren:
Die Welterbekonvention, in der die Idee eines inter-
nationalen Kulturgüterschutzes zum Ausdruck
kommt, bietet nach Konzeption und Wortlaut kei-
nen absoluten Schutz gegen jede Veränderung der
eingetragenen Stätten des Kultur- und Naturerbes.
Die Vertragsstaaten des Übereinkommens haben
ausdrücklich die Souveränität der Staaten, in deren
Hoheitsgebiet sich die geschützten Stätten befin-
den, und die bestehenden Eigentumsrechte aner-
kannt … die Erfüllung des Schutzauftrages ist zu-
vörderst Aufgabe der Vertragsstaaten;
Herr Kollege, kommen Sie bitte zu Ihrer Frage.
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Herr Kollege, ich muss Sie unterbrechen. Sie merken,
ass viele Kollegen andere Termine haben. Sie haben
as Recht zur Frage. Aber ich bitte Sie wirklich, Ihre
rage konzentriert zu formulieren.
Für mich ist die Frage, ob die Ausführung des Bundes-
erfassungsgerichts nur belangloses Richtergeschwätz
st oder ob das eine verbindliche rechtliche Auslegung
ur völkerrechtlichen Einordnung dieser Frage ist.
Es scheint in diesem Raum Kollegen zu geben, die dieuffassung tragen, die Sie gerade als eine mögliche dar-estellt haben. Ich gehöre nicht dazu. Für mich ist dasine verbindliche Feststellung des höchsten deutschenerichts.
Letzte Bemerkung. Uns, den Brückenbefürwortern,nd der Sächsischen Landesregierung wird in aller Regelompromissunwilligkeit vorgeworfen.
ch möchte ergänzend dazu noch Folgendes sagen: Alsie UNESCO begonnen hat, Anstoß an der Brücke zuehmen, hat sie eine Befassung mit diesem Thema beihrer Vollversammlung in Vilnius in Aussicht gestellt.ie Stadt Dresden hat daraufhin, weil sie vertrauensbil-ende Maßnahmen ergreifen wollte, weil sie Kompro-iss- und Gesprächsbereitschaft zeigen wollte, den ei-entlich schon beschlossenen Baubeginn im Märzusgesetzt und gesagt: Wir warten bis zu dem Beschlussn Vilnius.Daraufhin hat die Stadt Dresden in Vilnius Gelegen-eit gehabt, ihre Vorstellungen vorzutragen. Der Bürger-eister Feßenmayr bekam ganze vier Minuten, um dieelange der Stadt vorzutragen. Daraufhin wurde be-chlossen, Dresden auf die Rote Liste zu setzen.Wer ist hier eigentlich stur?
er ist störrisch?
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Arnold VaatzWer ist nicht kompromissbereit?
Meine Damen und Herren, bitte überlegen Sie das inRuhe.Wenn die Brücke fertig ist, lade ich Sie ein, zur Ein-weihungsfeier zu kommen. Ich hoffe, wir alle erleben
und gegen den Bau dieser Brücke ausgesprochen. Damuss man schon fragen: Wer handelt hier gegen denWillen der Dresdner Bürger?
Ich wünsche allen natürlich noch eine angenehmeSommerpause, natürlich auch Ihnen, Frau Präsidentin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich spüre die Ner-
vosität und weiß, dass viele von Ihnen noch andere Ter-
mine haben, dass Züge und Flugzeuge nicht auf jeden
einzelnen warten. Gleichwohl muss ich Ihnen sagen: Es
liegt noch die Bitte einer Kollegin zu einer Kurzinter-
vention vor. Wir alle sollten ihr noch die Möglichkeit ge-
ben, diese vorzutragen, und wir sollten ihr auch zuhören.
Je konzentrierter wir die letzten Minuten sind, desto
schneller geht es.
Frau Kollegin Volkmer.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Entgegen den Darle-
gungen von Herrn Vaatz möchte ich Folgendes noch ein-
mal ganz deutlich machen: Die Dresdener haben beim
Bürgerentscheid nicht gewusst, dass durch ihre Stimme
für die Brücke der Welterbetitel für Dresden verloren
geht.
– Sie haben das in einem Satz gesagt. – Das zeigt sich
ganz klar daran, dass so bekannte Dresdner wie Ludwig
Güttler mehrfach erklärt haben, dass sie heute ein ande-
res Abstimmungsverhalten zeigen würden als damals
beim Bürgerentscheid.
65 Prozent der Dresdner haben sich in der vorigen
Woche ganz klar gegen den sofortigen Baubeginn
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er Stadtrat mit Sicherheit nicht; denn dieser Stadtrat
at die Interessen der Bürger vertreten. Gegen den Wil-
en der Dresdner Bürger handelt der Ministerpräsident
ilbradt. Gegen den Willen der Dresdner Bürger han-
elt das Regierungspräsidium in Dresden.
Das ist nicht nur gegen den Willen der Dresdner Bür-
er, sondern auch gegen die Interessen Deutschlands;
enn es ist eine Schande, dass dann, wenn von der
NESCO zum ersten Mal ein Welterbetitel aberkannt
ird, gerade eine deutsche Stadt betroffen ist, noch dazu
ine sächsische Stadt, noch dazu Dresden, da Dresden
mmer gern als die Kulturhauptstadt dastehen möchte.
Jetzt sehe ich keine Wortmeldungen mehr. Damit ist
ie Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt ge-
chlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien zu
em Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel
Schutz des Welterbes im Konflikt um die Wald-
chlösschenbrücke in den Vordergrund stellen“. Der
usschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
rucksache 16/5712, den Antrag der Fraktion Die Linke
uf Drucksache 16/4411 abzulehnen. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Ent-
altungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung mit den
timmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion
ei Ablehnung durch die Fraktion Die Linke und Enthal-
ung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen ange-
ommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit sind wir am
chluss unserer heutigen Tagesordnung. Sie haben sehr
ange ausgeharrt. Ich danke Ihnen herzlich dafür. Sie ha-
en sich eine angenehme Sommerpause verdient. Ich
ünsche Ihnen erholsame Tage.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estag auf Dienstag, den 11. September 2007, 10 Uhr,
in.
Die Sitzung ist geschlossen.