Protokoll:
16106

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 106

  • date_rangeDatum: 22. Juni 2007

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:23 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/106 Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Kelber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . lässlichkeit – Perspektiven für eine le- benslaufbezogene Familienpolitik und Stellungnahme der Bundesregierung (Drucksachen 16/1360, 16/4211) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu der Unterrichtung durch die Bun- desregierung: Bericht der Bundesre- gierung über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren 2006 – zu dem Entschließungsantrag der Ab- geordneten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß, weiterer Ab- 10907 B 10908 C 10910 A 10911 D 10914 B 10915 D 10916 C 10918 A 10918 C 10919 D 10924 A Deutscher B Stenografisc 106. Si Berlin, Freitag, de I n h a Tagesordnungspunkt 25: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Drucksachen 16/5240, 16/5769) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshan- del im Hinblick auf die Zuteilungs- periode 2008 bis 2012 (Drucksachen 16/5617, 16/5769) . . . . . . . Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10905 B 10905 B 10905 C Gudrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 10920 D 10921 D undestag her Bericht tzung n 22. Juni 2007 l t : Sigmar Gabriel, Bundesminister BMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Siebter Familienbericht Familie zwischen Flexibilität und Ver- 10922 B 10922 C 10923 D 10927 C geordneter und der Fraktion der FD zu der Unterrichtung durch die Bu desregierung: Bericht der Bundesr gierung über den Stand des Ausbau P n- e- s II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 für ein bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren 2006 – zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze, Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Kindertages- betreuung für Kleinstkinder sofort ausbauen und Qualität verbessern (Drucksachen 16/2250, 16/4443, 16/4412, 16/5397) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der LINKEN: Elternbeitragsfreie Kinderbetreu- ung ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Volker Beck (Köln), Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Leben und Arbeiten mit Kindern möglich machen – zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Krista Sager, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Kinder fördern und Verein- barkeit von Beruf und Familie stärken – Rechtsanspruch auf Kin- dertagesbetreuung ausweiten (Drucksachen 16/453, 16/552, 16/1673, 16/3219) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Christine Scheel, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Verbindlichen Ausbau der Kindertages- betreuung jetzt regeln – Verlässlichkeit für Familien schaffen (Drucksache 16/5426) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Carl- Ludwig Thiele, Sibylle Laurischk, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sofortprogramm für mehr Kin- derbetreuung (Drucksache 16/5114) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10924 B 10924 C 10924 D 10924 D 10925 A 10926 C 10929 B 10930 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Singhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Miriam Gruß (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Humme (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) Große Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zur Situation von Roma in der Europäischen Union, in den EU- Beitrittsländern und im Kosovo (Drucksachen 16/918, 16/2197) . . . . . . . . b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD: Die Rechte der Roma in Europa stärken (Drucksache 16/5736) . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Jung (Karlsruhe) (SPD) . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, Klaus Brähmig, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gabriele Groneberg, Dr. Sascha Raabe, Stephan Hilsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klimawandel global und effizient eindäm- men – Klimaschutz und Anpassungsmaß- nahmen in Entwicklungsländern entschie- den voranbringen (Drucksache 16/5740) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 10931 D 10933 C 10935 A 10935 B 10935 D 10938 B 10938 C 10938 D 10939 B 10940 A 10941 A 10941 C 10943 C 10943 D 10943 D 10945 A 10946 B 10947 C 10949 B 10950 A 10950 B 10951 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 III Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Steuerklasse V abschaffen – Lohn- steuerabzug neu ordnen (Drucksache 16/3649) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ina Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung des von den Abgeordneten Oskar Lafontaine, Dr. Barbara Höll, Hüseyin- Kenan Aydin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Ent- wurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Drucksache 16/4659) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Mit Bioraffinerien in Deutschland die Biomasse effizienter nutzen und zusätzliche Ressourcen er- schließen (Drucksache 16/5529) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10952 D 10954 B 10954 D 10955 D 10957 A 10957 D 10958 C 10958 D 10960 A 10961 C 10961 D 10962 A 10963 A 10963 C 10964 C 10965 A 10966 A 10966 B 10967 A 10967 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Manfred Grund, Ulrich Adam, Eckhardt Rehberg und Volkmar Uwe Vogel (alle CDU/ CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingo Schmitt (Berlin), Monika Grütters, Peter Rzepka, Kai Wegner und Karl-Georg Wellmann (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zutei- lungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesordnungs- punkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rainer Fornahl, Wolfgang Grotthaus, Wolfgang Gunkel, Hans-Joachim Hacker, Stephan Hilsberg, Ernst Kranz, Steffen Reiche, Silvia Schmidt (Eisleben), Reinhard Schultz (Everswinkel), Simone Violka, Jörg Vogelsänger, Gunter Weißgerber und Engelbert Wistuba (alle SPD) zur namentli- chen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundla- gen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesord- nungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dr. Michael Luther, Michael Stübgen, Günter Baumann, Klaus Brähmig, Veronika Bellmann, Uda Carmen Freia Heller, Bernd Heynemann, Robert Hochbaum, Susanne Jaffke, Dr. Peter Jahr, Dr. Hans-Heinrich Jordan, Jens Koeppen, Manfred Kolbe, Andreas G. Lämmel, Katharina Landgraf, Maria Michalk, Andrea Astrid Voßhoff und Marco Wanderwitz (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Ände- rung der Rechtsgrundlagen zum Emissions- handel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesordnungspunkt 25) . . . . 10969 A 10969 D 10970 B 10971 A 10971 D IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Geset- zes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zutei- lungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesordnungs- punkt 25) Gabriele Frechen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hermann Gröhe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Kretschmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Tagesordnungspunkt 31) Leo Dautzenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Mit Bioraffinerien in Deutsch- land die Biomasse effizienter nutzen und zu- sätzliche Ressourcen erschließen (Tagesord- nungspunkt 32) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) . . . . . . . Marko Mühlstein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10972 C 10972 D 10973 C 10974 A 10974 D 10975 B 10976 D 10977 D 10978 D 10979 B 10980 D 10982 D 10983 B 10983 D 10984 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10905 (A) (C) (B) (D) 106. Si Berlin, Freitag, de Beginn: 9
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    BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 1) Anlage 8 (B) (D) Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10969 (A) (C) (B) (D) Meinhardt, Patrick FDP 22.06.2007 und damit den Klimaschutz weiter vorantreiben zu wol- len. Der globale Klimawandel gehört zu einer zentralenMerz, Friedrich CDU/CSU 22.06.2007 2008 bis 2012 können wir nur unter Zurückstellung von Bedenken zustimmen. Ich unterstütze ausdrücklich das Ziel, mithilfe dieses Gesetzes die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 22.06.2007 Merten, Ulrike SPD 22.06.2007 Anlage 1 Liste der entschuldi Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bartol, Sören SPD 22.06.2007 Dr. Bartsch, Dietmar DIE LINKE. 22.06.2007 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Dreibus, Werner DIE LINKE 22.06.2007 Dr. Dückert, Thea BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Glos, Michael CDU/CSU 22.06.2007 Gloser, Günter SPD 22.06.2007 Haustein, Heinz-Peter FDP 22.06.2007 Hemker, Reinhold SPD 22.06.2007 Hinsken, Ernst CDU/CSU 22.06.2007 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Hoff, Elke FDP 22.06.2007 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Hüppe, Hubert CDU/CSU 22.06.2007 von Klaeden, Eckart CDU/CSU 22.06.2007 Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 22.06.2007 Kuhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Dr. Lamers (Heidelberg), Karl CDU/CSU 22.06.2007 Löning, Markus FDP 22.06.2007 Lührmann, Anna BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Anlagen zum Stenografischen Bericht gten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Manfred Grund, Ulrich Adam, Eckhardt Rehberg und Volkmar Uwe Vogel (alle CDU/CSU) zur namentlichen Ab- stimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emis- sionshandel im Hinblick auf die Zuteilungs- periode 2008 bis 2012 (Tagesordnungspunkt 25) Dem Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode Nešković, Wolfgang DIE LINKE 22.06.2007 Pau, Petra DIE LINKE 22.06.2007 Pflug, Johannes SPD 22.06.2007 Ramelow, Bodo DIE LINKE 22.06.2007 Rawert, Mechthild SPD 22.06.2007 Röspel, René SPD 22.06.2007 Roth (Esslingen), Karin SPD 22.06.2007 Scheel, Christine BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Dr. Schick, Gerhard BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 22.06.2007 Schmidbauer, Bernd CDU/CSU 22.06.2007 Schneider (Erfurt), Carsten SPD 22.06.2007 Seehofer, Horst CDU/CSU 22.06.2007 Thönnes, Franz SPD 22.06.2007 Ulrich, Alexander DIE LINKE 22.06.2007 Weißgerber, Gunter SPD 22.06.2007 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 10970 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) Herausforderung unserer Zeit. Er gefährdet unsere Le- benswelt und die Entwicklungschancen künftiger Gene- rationen. Ich habe die Sorge, dass ein anderes wesentliches Ziel verantwortlicher Politik, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten, nicht ausreichend be- rücksichtigt wird. Die vorliegenden Regelungen zum Emissionshandel benachteiligen die deutsche Braunkoh- lewirtschaft, verhindern Investitionsentscheidungen in moderne Kraftwerkstechnologien, erhöhen die Import- abhängigkeit von anderen Energieträgern wie zum Bei- spiel Erdgas und gefährden gerade in den neuen Bundes- ländern Arbeitsplätze in einem Bereich, der von enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist und ein hohes Innova- tionspotenzial besitzt. Konkret geht es im vorliegenden Gesetz um die Zu- teilung für Energieanlagen auf der Basis von Bench- marks. Das Gesetz sieht keinen eigenständigen Braun- kohle-Benchmark vor. Durch diese Regelung wird die Braunkohle als heimischer, subventionsfreier und ver- sorgungssicherer Energieträger erheblich benachteiligt und mittelfristig gefährdet. Die deutschen Braunkohlekraftwerke sind mit einem Anteil von rund 25 Prozent an der öffentlichen Strom- versorgung ein bedeutendes Standbein in der Grundlast. Deshalb ist es äußerst bedauerlich, dass es im Gesetzge- bungsverfahren nicht gelungen ist, einen eigenen höhe- ren Benchmark für die Braunkohle oder aber andere Ver- besserungen zu erreichen. Ich befürchte dadurch eine deutliche Schwächung der Braunkohle, sehe die Gefahr eines empfindlichen Ar- beitsplatzabbaus ausgerechnet in den strukturschwächs- ten Regionen Ostdeutschlands und einer weiteren Erhö- hung der Strompreise. Weil ich die mit dem Gesetz im Übrigen erreichbaren Ziele anerkenne, stelle ich im Ergebnis diese Bedenken zurück. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingo Schmitt (Berlin), Monika Grütters, Peter Rzepka, Kai Wegner und Karl-Georg Wellmann (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrund- lagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesord- nungspunkt 25) Zur Abstimmung des Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 – Bundestags- drucksache 16/5240, 16/5617 und andere enthalten wir uns. Zwar unterstützen wir das Ziel, mithilfe dieses Geset- zes die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen und damit den Klimaschutz weiter vorantreiben zu wollen, ausdrücklich. Der globale Klimawandel gehört zu einer zentralen Herausforderung unserer Zeit. Er gefährdet un- sere Lebenswelt und die Entwicklungschancen künftiger Generationen. Jedoch wird unserer Auffassung nach ein anderes wesentliches Ziel verantwortlicher Politik, die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Wirtschaft zu er- halten, nicht ausreichend berücksichtigt. Die vorliegenden Regelungen zum Emissionshandel benachteiligen die deutsche Braunkohlewirtschaft, verhindern Investitionsentscheidungen in moderne Kraftwerkstech- nologien, erhöhen die Importabhängigkeit von anderen Energieträgern – zum Beispiel Erdgas – und gefährden gerade in den neuen Bundesländern Arbeitsplätze, in einem Bereich der von enormer wirtschaftlicher Bedeu- tung ist und ein hohes Innovationspotenzial besitzt. Konkret geht es im vorliegenden Gesetz um die Zu- teilung für Energieanlagen auf Basis von Benchmarks. Das Gesetz sieht keinen eigenständigen Braunkohle- Benchmark vor. Es wird nur ein Zwei-Benchmark-Sys- tem mit einem Gas-Benchmark von 365 Gramm pro Kilowattstunde und einem Kohle-Benchmark von 750 Gramm pro Kilowattstunde geben. Dem Kohle- Benchmark liegen die Emissionswerte der Steinkohle zugrunde, der selbst durch hochmoderne Braunkohle- kraftwerke nicht erreicht werden kann. Diese haben ei- nen Emissionswert von 950 Gramm pro Kilowattstunde. Durch diese Regelung wird die Braunkohle als heimi- scher, subventionsfreier und versorgungssicherer Ener- gieträger erheblich benachteiligt und mittelfristig gefähr- det. Die deutschen Braunkohlekraftwerke sind mit einem Anteil von rund 25 Prozent an der öffentlichen Stromversorgung ein bedeutendes Standbein in der Grundlast. Deshalb ist es äußerst bedauerlich, dass es der CDU/CSU-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren nicht gelungen ist, einen eigenen höheren Benchmark für die Braunkohle oder aber andere Verbesserungen zu errei- chen. Unser Koalitionspartner erzwingt damit eine deut- liche Schwächung der Braunkohle, nimmt bewusst die Gefahr eines empfindlichen Arbeitsplatzabbaus ausge- rechnet in den strukturschwächsten Regionen Ost- deutschlands in Kauf und trägt zu einer weiteren Erhö- hung der Strompreise – besonders in Ostdeutschland – bei. Er trifft damit unsere Bemühungen um stabile wirt- schaftliche Grundlagen ins Mark. Die politische Haupt- verantwortung hierfür wird – aufgrund seiner kompro- misslosen Haltung – allein unser Koalitionspartner zu tragen haben. Mit großer Enttäuschung ist ebenfalls zu konstatieren, dass der wichtigste Energieerzeuger Ostdeutschlands in den verschiedenen Ebenen der Konzernhierarchie kei- neswegs konsistent die Interessen der ostdeutschen Braunkohle und damit der Arbeitsplätze der dort Be- schäftigten vertreten hat. Dies trifft insbesondere auf den Vorstandsvorsitzenden selbst zu. Das Gesetz berücksich- tigt nicht, dass in den neuen Bundesländern, in denen überwiegend Braunkohle zur Verstromung abgebaut wird, bereits unmittelbar nach der Wiedervereinigung durch die Modernisierung der Braunkohle-Kraftwerks- parks – sogenannte early action – der maßgebliche Bei- trag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen Deutschlands erbracht worden ist. Auch stehen die von der EU-Ratspräsidentschaft im März 2007 beschlosse- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10971 (A) (C) (B) (D) nen Klimaschutzziele der EU im Einklang mit der hoch- modernen Verstromung heimischer Braunkohle und schließen den weiteren Ausbau regenerativer Energien nicht aus. Das ausgegebene Ziel einer 20-prozentigen Einsparung des Primärenergieverbrauchs wird – auch und gerade – getragen von beachtlichen Wirkungsgrad- steigerungen moderner Braunkohlekraftwerke. Mo- derne Braunkohlekraftwerke haben Wirkungsgrade von bis zu 46 Prozent. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rainer Fornahl, Wolfgang Grotthaus, Wolfgang Gunkel, Hans-Joachim Hacker, Stephan Hilsberg, Ernst Kranz, Steffen Reiche, Silvia Schmidt (Eisleben), Reinhard Schultz (Everswinkel), Simone Violka, Jörg Vogelsänger, Gunter Weißgerber und Engelbert Wistuba (alle SPD) zur namentlichen Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur Än- derung der Rechtsgrundlagen zum Emissions- handel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesordnungspunkt 25) Es ist unstreitig, dass es zur Fortführung einer ambi- tionierten Klimaschutzpolitik keine Alternative gibt. Deshalb muss die europäische und insbesondere auch die deutsche Energiewirtschaft einen spürbaren Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Die geplante Absenkung um 20 Prozent bis 2020 ist eine ambitionierte, aber auch not- wendige Vorgabe. Der Nationale Allokationsplan II und das darauf fu- ßende Zuteilungsgesetz 2012, ZuG, mit dem erweiterten Zertifikatehandel sind zur Erreichung der Zielvorgaben ein grundsätzlich geeigneter Rahmen. Voraussetzung wäre die angemessene Berücksichtigung strukturpoliti- scher Gegebenheiten der Primärenergieträger Gas, Stein- kohle und Braunkohle. Das vorliegende Zuteilungsgesetz leistet gerade dies aber nicht. Es untergräbt die Versorgungszuverlässigkeit und die Wirtschaftlichkeit besonders der Stromversor- gung, indem die Braunkohle aus dem Energiemix ge- drängt wird und damit 27 Prozent der Grundlaststrom- erzeugung in besonderer Weise gefährdet und belastet werden. Durch das Fehlen einer eigenen Benchmark für Braunkohle im Zuteilungsgesetz 2012 trägt die Braun- kohle den überwiegenden Teil der Kürzung des Emis- sionsbudgets gegenüber dem Entwurf des Nationalen Allokationplans II, NAP II, vom Sommer 2006, der eine Ausgewogenheit der Energieträger intendierte. Durch diese strukturpolitische Maßnahme wird die Wirtschaft- lichkeit von Braunkohlekraftwerken gegenüber anderen Kraftwerkstypen, deren Zuteilung nahezu auskömmlich, Steinkohle, oder sogar mehr als auskömmlich, Erdgas, ist, massiv verschlechtert. Die systematische Unteraus- stattung der Braunkohle ist ein marktferner politischer Eingriff in die Primärenergiestruktur der Stromversor- gung und führt letztlich zu einer Umverteilung von Finanzströmen zwischen den Marktbeteiligten. Sie trifft im Wesentlichen zwei Unternehmen und stellt damit einen höchst bedenklichen Eingriff in den Energiemarkt in Deutschland dar. Vor allem aber gefährdet sie die ost- deutsche, braunkohlebasierte Energiewirtschaft, die fast allein die Reduktion bei CO2-Emissionen seit 1990 schon mit großen Investitionen in der Kraftwerksparte getragen hat. Ein System ohne eigene Braunkohle-Benchmark führt nicht, wie oft behauptet, zu einem Abbau von Pri- vilegierungen, sondern ist eine bewusste Benachteilung der Braunkohle. Sie trägt fast die gesamte aus der Ent- scheidung der EU-Kommission sich ergebende Minde- rungslast. Durch die Auktionierung von rund 10 Prozent der Zertifikate gibt es eine nochmalige massive Belastung der braunkohlebasierten Energieerzeugung, die insbe- sondere bei Vattenfall, aber auch bei MIBRAG zu einer Mehrbelastung von insgesamt über 700 Millionen Euro führen wird führen wird – aufgrund einer fehlenden Benchmark und der Auktionierung. Eine derartige Benachteiligung ist weder aus Gründen der Versorgungssicherheit noch der Preiswürdigkeit noch des Klimaschutzes nachvollziehbar. Wir halten dies, insbesondere für Ostdeutschland, für das falsche Industrie- und energiepolitische Signal und stimmen deshalb dem Gesetzentwurf nicht zu. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dr. Michael Luther, Michael Stübgen, Günter Baumann, Klaus Brähmig, Veronika Bellmann, Uda Carmen Freia Heller, Bernd Heynemann, Robert Hochbaum, Susanne Jaffke, Dr. Peter Jahr, Dr. Hans-Heinrich Jordan, Jens Koeppen, Manfred Kolbe, Andreas G. Lämmel, Katharina Landgraf, Maria Michalk, Andrea Astrid Voßhoff und Marco Wanderwitz (alle CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Tagesordnungspunkt 25) Dem Gesetzentwurf zur Änderung der Rechts- grundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012, Drucksachen 16/5240, 16/5617 und andere, können wir nicht zustimmen. Zwar unterstützen wir das Ziel – mithilfe dieses Ge- setzes –, die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen und damit den Klimaschutz weiter vorantreiben zu wol- len, ausdrücklich. Der globale Klimawandel gehört zu einer zentralen Herausforderung unserer Zeit. Er gefähr- det unsere Lebenswelt und die Entwicklungschancen künftiger Generationen. Jedoch wird unserer Auffassung nach ein anderes we- sentliches Ziel verantwortlicher Politik, die Wettbe- 10972 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) werbsfähigkeit der Deutschen Wirtschaft zu erhalten, nicht ausreichend berücksichtigt. Die vorliegenden Regelungen zum Emissionshandel benachteiligen die deutsche Braunkohlewirtschaft, verhindern Investitions- entscheidungen in moderne Kraftwerkstechnologien, er- höhen die Importabhängigkeit von anderen Energieträ- gern, wie zum Beispiel Erdgas, und gefährden gerade in den neuen Bundesländern Arbeitsplätze in einem Be- reich, der von enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist und ein hohes Innovationspotenzial besitzt. Konkret geht es im vorliegenden Gesetzentwurf um die Zuteilung für Energieanlagen auf Basis von Bench- marks. Der Gesetzentwurf sieht keinen eigenständigen Braunkohle-Benchmark vor. Es wird nur ein Zwei- Benchmark-System mit einem Gas-Benchmark von 365 Gramm pro Kilowattstunde und einem Kohle- Benchmark von 750 Gramm pro Kilowattstunde geben. Dem Kohle-Benchmark liegen die Emissionswerte der Steinkohle zugrunde, der selbst durch hoch moderne Braunkohlekraftwerke nicht erreicht werden kann. Diese haben einen Emissionswert von 950 Gramm pro Kilo- wattstunde. Durch diese Regelung wird die Braunkohle als heimi- scher, subventionsfreier und versorgungssicherer Ener- gieträger erheblich benachteiligt und mittelfristig gefähr- det. Die deutschen Braunkohlekraftwerke sind mit einem Anteil von rund 25 Prozent an der öffentlichen Stromversorgung ein bedeutendes Standbein in der Grundlast. Deshalb ist es äußerst bedauerlich, dass es der CDU/CSU-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren nicht gelungen ist, einen eigenen höheren Benchmark für die Braunkohle oder aber andere Verbesserungen zu errei- chen. Unser Koalitionspartner erzwingt damit eine deutli- che Schwächung der Braunkohle, nimmt bewusst die Gefahr eines empfindlichen Arbeitsplatzabbaus ausge- rechnet in den strukturschwächsten Regionen Ost- deutschlands in Kauf und trägt zu einer weiteren Erhö- hung der Strompreise – besonders in Ostdeutschland – bei. Er trifft damit unsere Bemühungen um stabile wirt- schaftliche Grundlagen ins Mark. Die politische Haupt- verantwortung hierfür wird – aufgrund seiner kompro- misslosen Haltung – allein unser Koalitionspartner zu tragen haben. Mit großer Enttäuschung ist ebenfalls zu konstatieren, dass der wichtigste Energieerzeuger Ostdeutschlands in den verschiedenen Ebenen der Konzernhierarchie kei- neswegs konsistent die Interessen der ostdeutschen Braunkohle und damit der Arbeitsplätze der dort Be- schäftigten vertreten hat. Dies trifft insbesondere auf den Vorstandsvorsitzenden selbst zu. Der Gesetzentwurf berücksichtigt nicht, dass in den neuen Bundesländern, in denen überwiegend Braun- kohle zur Verstromung abgebaut wird, bereits unmittel- bar nach der Wiedervereinigung durch die Modernisie- rung der Braunkohle-Kraftwerkparks, sogenannte early action, der maßgebliche Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen Deutschlands erbracht worden ist. Auch stehen die von der EU-Ratspräsidentschaft im März 2007 beschlossenen Klimaschutzziele der EU im Einklang mit der hochmodernen Verstromung heimi- scher Braunkohle und schließen den weiteren Ausbau re- generativer Energien nicht aus. Das ausgegebene Ziel einer 20-prozentigen Einsparung des Primärenergiever- brauchs wird – auch und gerade – getragen von beacht- lichen Wirkungsgradsteigerungen moderner Braun- kohlekraftwerke. Moderne Braunkohlekraftwerke haben Wirkungsgrade von bis 46 Prozent. Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Gesetzes zur Änderung der Rechts- grundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Tages- ordnungspunkt 25) Gabriele Frechen (SPD): Es ist unstreitig, dass es zur Fortführung einer ambitionierten Klimaschutzpolitik keine Alternative gibt. Deshalb muss die europäische und insbesondere auch die deutsche Energiewirtschaft einen spürbaren Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Die geplante Absenkung um 20 Prozent bis 2020 ist eine am- bitionierte aber auch notwendige Vorgabe. Der Nationale Allokationsplan II und das darauf fu- ßende Zuteilungsgesetz 2012, ZuG, mit dem erweiterten Zertifikatehandel sind zur Erreichung der Zielvorgaben ein grundsätzlich geeigneter Rahmen. Voraussetzung wäre die angemessene Berücksichtigung strukturpoliti- scher Gegebenheiten der Primärenergieträger Gas, Stein- kohle und Braunkohle. Deshalb ist für mich das Fehlen eines eigenen Bench- mark für Braunkohle im Zuteilungsgesetz 2012 und die Veränderungen gegenüber dem Entwurf des Nationalen Allokatonsplans II ein gravierender Fehler. Auch bei den Vorschriften zu Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen gibt es in einzelnen Fällen Verwerfungen, die so von mir nicht getragen werden können. Auch wenn das vom vorliegenden ZuG gesteckte Ziel von mir unterstützt wird, kann ich aus den oben genann- ten Gründen dem Gesetz nicht zustimmen. Hermann Gröhe (CDU/CSU): Dem Gesetz zur Än- derung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 (Drucksachen 16/5240, 16/5617 und andere) kann ich nicht zustimmen. Daher werde ich in der heutigen na- mentlichen Abstimmung gegen das Gesetz stimmen. Zwar unterstütze ich das Ziel, mithilfe dieses Geset- zes die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen und damit den Klimaschutz weiter vorantreiben zu wollen, ausdrücklich. Der globale Klimawandel gehört zu einer zentralen Herausforderung unserer Zeit. Er gefährdet un- sere Lebenswelt und die Entwicklungschancen künftiger Generationen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10973 (A) (C) (B) (D) Jedoch wird meiner Auffassung nach ein anderes we- sentliches Ziel verantwortlicher Politik, die Wett- bewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten, nicht ausreichend berücksichtigt. Die vorliegenden Regelungen zum Emissionshandel benachteiligen die deutsche Braunkohlewirtschaft, erschweren Investitions- entscheidungen im Hinblick auf moderne Kraftwerks- technologien, erhöhen die Importabhängigkeit von ande- ren Energieträgern (zum Beispiel Erdgas) und gefährden Arbeitsplätze in einem Bereich, der von enormer wirt- schaftlicher Bedeutung ist und ein hohes Innovations- potenzial besitzt. Dies ist gerade aus Sicht des Rhein- Kreises Neuss mit dem Tagebau Garzweiler und dem Kraftwerksstandort Grevenbroich nicht akzeptabel. Konkret geht es im vorliegenden Gesetz unter ande- rem um die Zuteilung von Emissionszertifikaten für Energieanlagen auf Basis von Benchmarks. Das Gesetz sieht keinen eigenständigen Braunkohle-Benchmark vor. Es wird nur ein Zwei-Benchmark-System mit einem Gas-Benchmark von 365 Gramm pro Kilowattstunde und einem Kohle-Benchmark von 750 Gramm pro Kilo- wattstunde geben. Dem Kohle-Benchmark liegen die Emissionswerte der Steinkohle zugrunde, die selbst durch hochmoderne Braunkohlekraftwerke nicht erreicht werden können. Diese haben einen Emissionswert von 950 Gramm pro Kilowattstunde. Dabei muss allerdings beachtet werden: Zwar ist mit der Braunkohleverstromung eine höhere CO2-Belastung verbunden als mit der Steinkohle- oder Gasverstromung. Anderseits sind mit der Verstromung von Steinkohle und Gas aber weit höhere Methangasemissionen verbunden als mit der Verstromung von Braunkohle. Methangas ist aber für das Klima weit gefährlicher als Kohlendioxid. Kurzum: Die Braunkohle ist für das Klima nicht besser und nicht schlechter als andere fossile Energieträger. Al- lerdings findet bei der Braunkohleverstromung die ge- samte Wertschöpfung in unserem Land statt. Durch einen einheitlichen Kohle-Benchmark wird die Braunkohle als heimischer, subventionsfreier und ver- sorgungssicherer Energieträger erheblich benachteiligt und mittelfristig möglicherweise sogar insgesamt ge- fährdet. Die deutschen Braunkohlekraftwerke sind mit einem Anteil von rund 25 Prozent an der öffentlichen Stromversorgung jedoch ein bedeutendes Standbein in der Grundlast. Zwar konnten die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und das Bundeswirtschaftsministerium erreichen, dass im Gesetzentwurf der Bundesregierung gegenüber dem ers- ten Entwurf von Umweltminister Gabriel nicht unwich- tige Verbesserungen für die Braunkohleverstromung ent- halten sind. So ist nun bei der Zertifikatezuteilung für Braunkohlekraftwerke ein um 10 Prozent erhöhter Stan- dardauslastungsfaktor von 8 250 Stunden pro Jahr vor- gesehen. Notwendig wäre aber ein den spezifischen Erforder- nissen des Energieträgers Braunkohle angemessenes ei- genes Benchmark. Leider habe ich bei meinen entspre- chenden Bemühungen aufseiten des Koalitionspartners ausschließlich die Unterstützung von sozialdemokrati- schen Kollegen aus den neuen Ländern erfahren. Dies ist aus der Sicht des Rheinischen Reviers sehr bedauerlich. Gemeinsam mit anderen Kolleginnen und Kollegen werde ich mich auch weiterhin entschieden dafür einset- zen, dass hochmoderne Braunkohlekraftwerke – Ziel bleibt das CO2-freie Kraftwerk – ihren Platz in der Ener- gieversorgung in unserem Land behalten. Michael Kretschmer (CDU/CSU): Dem Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 – Drucksachen 16/5240, 16/5617 und andere – kann ich nicht zustimmen. Zwar unterstütze ich das Ziel, mithilfe dieses Geset- zes die Reduzierung von Kohlendioxidemissionen und damit den Klimaschutz weiter vorantreiben zu wollen, ausdrücklich. Der globale Klimawandel gehört zu einer zentralen Herausforderung unserer Zeit. Er gefährdet un- sere Lebenswelt und die Entwicklungschancen künftiger Generationen. Jedoch wird meiner Auffassung nach ein anderes wesentliches Ziel verantwortlicher Politik, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhal- ten, nicht ausreichend berücksichtigt. Die vorliegenden Regelungen zum Emissionshandel benachteiligen die deutsche Braunkohlewirtschaft, verhindern Investitions- entscheidungen in moderne Kraftwerkstechnologien, er- höhen die Importabhängigkeit von anderen Energieträ- gern – zum Beispiel Erdgas – und gefährden gerade in den neuen Bundesländern Arbeitsplätze in einem Be- reich, der von enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist und ein hohes Innovationspotenzial besitzt. Konkret geht es im vorliegenden Gesetz um die Zu- teilung für Energieanlagen auf Basis von Benchmarks. Das Gesetz sieht keinen eigenständigen Braunkohle- Benchmark vor. Es wird nur ein Zwei-Benchmark- System mit einem Gas-Benchmark von 365 Gramm pro Kilowattstunde und einem Kohle-Benchmark von 750 Gramm pro Kilowattstunde geben. Dem Kohle- Benchmark liegen die Emissionswerte der Steinkohle zugrunde, der selbst durch hochmoderne Braunkohle- kraftwerke nicht erreicht werden kann. Diese haben ei- nen Emissionswert von 950 Gramm pro Kilowattstunde. Durch diese Regelung wird die Braunkohle als heimi- scher, subventionsfreier und versorgungssicherer Ener- gieträger erheblich benachteiligt und mittelfristig gefähr- det. Die deutschen Braunkohlekraftwerke sind mit einem Anteil von rund 25 Prozent an der öffentlichen Stromversorgung ein bedeutendes Standbein in der Grundlast. Deshalb ist es äußerst bedauerlich, dass es der CDU/CSU-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren nicht gelungen ist, einen eigenen höheren Benchmark für die Braunkohle oder aber andere Verbesserungen zu errei- chen. Unser Koalitionspartner erzwingt damit eine deut- liche Schwächung der Braunkohle, nimmt bewusst die Gefahr eines empfindlichen Arbeitsplatzabbaus aus- gerechnet in den strukturschwächsten Regionen Ost- deutschlands in Kauf und trägt zu einer weiteren Erhöhung der Strompreise – insbesondere in Ost- deutschland – bei. Er trifft damit unsere Bemühungen um stabile wirtschaftliche Grundlagen ins Mark. Die 10974 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) politische Hauptverantwortung hierfür wird – aufgrund seiner kompromisslosen Haltung – allein unser Koali- tionspartner zu tragen haben. Mit großer Enttäuschung ist ebenfalls zu konstatieren, dass der wichtigste Energieerzeuger Ostdeutschlands in den verschiedenen Ebenen der Konzernhierarchie kei- neswegs konsistent die Interessen der ostdeutschen Braunkohle und damit der Arbeitsplätze der dort Be- schäftigten vertreten hat. Dies trifft insbesondere auf den Vorstandsvorsitzenden selbst zu. Das Gesetz berücksichtigt nicht, dass in den neuen Bundesländern, in denen überwiegend Braunkohle zur Verstromung abgebaut wird, bereits unmittelbar nach der Wiedervereinigung durch die Modernisierung der Braun- kohle-Kraftwerksparks – sogenannte early actions – der maßgebliche Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgas- emissionen Deutschlands erbracht worden ist. Auch stehen die von der EU-Ratspräsidentschaft im März 2007 beschlossenen Klimaschutzziele der EU im Einklang mit der hochmodernen Verstromung heimi- scher Braunkohle und schließen den weiteren Ausbau regenerativer Energien nicht aus. Das ausgegebene Ziel einer 20-prozentigen Einsparung des Primärenergiever- brauchs wird – auch und gerade – getragen von beachtli- chen Wirkungsgradsteigerungen moderner Braunkohle- kraftwerke. Moderne Braunkohlekraftwerke haben Wirkungsgrade von bis zu 46 Prozent. Ulrich Petzold (CDU/CSU): Dem Gesetz zur Ände- rung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012 – Drucksache 16/5240, 5617 und andere – kann ich nicht zustimmen. Zwar unterstütze ich das Ziel, mithilfe die- ses Gesetzes die Reduzierung von Kohlendioxydemis- sionen und damit den Klimaschutz weiter vorantreiben zu wollen, ausdrücklich. Der globale Klimawandel ge- hört zu einer zentralen Herausforderung unserer Zeit. Er gefährdet unsere Lebenswelt und die Entwicklungschan- cen künftiger Generationen. Jedoch wird meiner Auffas- sung nach ein anderes wesentliches Ziel verantwortli- cher Politik, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu erhalten, nicht ausreichend berücksichtigt. Die vorliegenden Regelungen zum Emissionshandel benachteiligen die deutsche Braunkohlewirtschaft, ver- hindern Investitionsentscheidungen in moderne Kraft- werkstechnologien, erhöhen die Importabhängigkeit von anderen Energieträgern, zum Beispiel Erdgas, und ge- fährden gerade in den neuen Bundesländern Arbeits- plätze in einem Bereich der von enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist und ein hohes Innovationspotenzial be- sitzt. Konkret geht es im vorliegenden Gesetz um die Zu- teilung für Energieanlagen auf Basis von Benchmarks. Das Gesetz sieht keinen eigenständigen Braunkohle- Benchmark vor. Es wird nur ein Zwei-Benchmark-Sys- tem mit einem Gas-Benchmark von 365 Gramm pro Kilowattstunde und einem Kohle-Benchmark von 750 Gramm pro Kilowattstunde geben. Dem Kohle- Benchmark liegen die Emissionswerte der Steinkohle zugrunde, der selbst durch hochmoderne Braunkohle- kraftwerke nicht erreicht werden kann. Diese haben ei- nen Emissionswert von 950 Gramm pro Kilowattstunde. Durch diese Regelung wird die Braunkohle als heimi- scher, subventionsfreier und versorgungssicherer Ener- gieträger erheblich benachteiligt und mittelfristig gefähr- det. Die deutschen Braunkohlekraftwerke sind mit einem Anteil von rund 25 Prozent an der öffentlichen Stromversorgung ein bedeutendes Standbein in der Grundlast. Deshalb ist es äußerst bedauerlich, dass es der CDU/CSU-Fraktion im Gesetzgebungsverfahren nicht gelungen ist, einen eigenen höheren Benchmark für die Braunkohle oder aber andere Verbesserungen zu errei- chen. Unser Koalitionspartner erzwingt damit eine deutli- che Schwächung der Braunkohle, nimmt bewusst die Gefahr eines empfindlichen Arbeitsplatzabbaus ausge- rechnet in den strukturschwächsten Regionen Ost- deutschlands in Kauf und trägt zu einer weiteren Erhö- hung der Strompreise, besonders in Ostdeutschland, bei. Er trifft damit unsere Bemühungen um stabile wirt- schaftliche Grundlagen ins Mark. Die politische Haupt- verantwortung hierfür wird aufgrund seiner kompro- misslosen Haltung allein unser Koalitionspartner zu tragen haben. Mit großer Enttäuschung ist ebenfalls zu konstatieren, dass der wichtigste Energieerzeuger Ostdeutschlands in den verschiedenen Ebenen der Konzernhierarchie kei- neswegs konsistent die Interessen der ostdeutschen Braunkohle und damit der Arbeitsplätze der dort Be- schäftigten vertreten hat. Dies trifft insbesondere auf den Vorstandsvorsitzenden selbst zu. Wie ich bereits in meinem Plenarredebeitrag vom 13. November 2003 zum ersten Zuteilungsgesetz ausge- führt habe, berücksichtigt auch das jetzt vorliegende Ge- setz nicht, dass in den neuen Bundesländern, in denen überwiegend Braunkohle zur Verstromung abgebaut wird, bereits unmittelbar nach der Wiedervereinigung durch die Modernisierung der Braunkohlekraftwerksparks – sogenannte early action – der maßgebliche Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen Deutschlands erbracht worden ist. Auch stehen die von der EU-Ratspräsidentschaft im März 2007 beschlossenen Klimaschutzziele der EU im Einklang mit der hochmodernen Verstromung heimi- scher Braunkohle und schließen den weiteren Ausbau re- generativer Energien nicht aus. Das ausgegebene Ziel einer 20-prozentigen Einsparung des Primärenergiever- brauchs wird auch und gerade getragen von beachtlichen Wirkungsgradsteigerungen moderner Braunkohlekraft- werke. Moderne Braunkohlekraftwerke haben Wir- kungsgrade von bis 46 Prozent. Ich befürchte, dass durch die einseitige Belastung der Braunkohle die abge- schriebenen Anlagen mit hohen Emissionswerten aus Kostengründen weiterbetrieben werden und es damit nicht zu den erforderlichen CO2-Emissionsminderungen in diesem Bereich kommt. Katherina Reiche (Potsdam) (CDU/CSU): Der durch den Menschen verursachte globale Klimawandel gefährdet unsere Lebenswelt und die Entwicklungschan- cen künftiger Generationen. Er gehört zu den zentralen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10975 (A) (C) (B) (D) Herausforderungen unserer Zeit. Wird nicht schnell ge- handelt, drohen weltweit gravierende ökologische und ökonomische Folgen, wie zunehmende Wasserknapp- heit, steigende Meeresspiegel, Hunger und Armut. Zentrales Klimaschutzinstrument in Europa ist der Emissionshandel. Vom Erfolg dieses Instruments wird auch abhängen, inwieweit es gelingen kann weltweit eine ambitionierte Klimaschutzpolitik mit verbindlichen Zielen durchzusetzen. Durch das Zuteilungsgesetz 2012 werden die Gesamt- menge an Emissionszertifikaten und die Zuteilungsregeln für die teilnehmenden Anlagen für die zweite Handelspe- riode von 2008 bis 2012 festgelegt. Für Energieanlagen erfolgt die Zuteilung nach einheitlichen Emissionsstan- dards, sogenannten Benchmarks. Das Zuteilungsgesetz 2012 sieht zwei brennstoffspezifische Benchmarks vor. Diese betragen für Gas 365 Gramm CO2 pro Kilowatt- stunde und für Kohle 750 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Beim Kohle-Benchmark erfolgt keine Differenzie- rung zwischen der Stein- und Braunkohle. Ihm liegen die Emissionswerte der Steinkohle zugrunde, die selbst durch hochmoderne Braunkohlekraftwerke nicht erreicht werden können. Diese haben einen Emissionswert von 950 Gramm CO2 pro Kilowattstunde. Hierdurch wird der heimische und subventionsfreie Energieträger Braunkohle, der zudem einen wichtigen Beitrag zur Ver- sorgungssicherheit leistet, benachteiligt. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich deshalb im Gesetzge- bungsverfahren für die Einführung einen auch unter Kli- magesichtspunkten ambitionierten Braunkohle-Bench- mark eingesetzt bzw. auch andere Vorschläge zur Verbesserung der Braunkohle unterbreitet. Der Koali- tionspartner hat sich diesen Vorschlägen bis zuletzt ver- weigert und keine Verbesserungen bei der Braunkohle zu- gelassen. Dadurch nimmt der Koalitionspartner in Kauf, dass gerade in den neuen Bundesländern, insbesondere auch im Energieland Brandenburg, Arbeitsplätze gefähr- det werden, in einem Bereich, der von enormer wirt- schaftlicher Bedeutung ist und ein hohes Innovationspo- tenzial besitzt. Ein zügiges Inkrafttreten des Zuteilungsgesetzes 2012 ist wichtig, damit die Verfahren beginnen können, um den teilnehmenden Anlagen rechtzeitig zu Beginn der zweiten Handelsperiode die Emissionszertifikate zutei- len zu können. Würde dies gefährdet, wäre der Emis- sionshandel beschädigt. Dies hätte erhebliche negative Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit der deutschen Klimaschutzpolitik. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Tagesord- nungspunkt 31) Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Es ist wieder so weit: In fast regelmäßigen Abständen „beglückt“ uns die Fraktion Die Linke mit Gesetzentwürfen und Anträgen zur Änderung des Aktiengesetzes. Zunächst wollten Sie, meine Damen und Herren der Linken, die Börsenumsatzsteuer wieder einführen, dann wollten Sie die Vorstandsgehälter in Aktiengesellschaf- ten gesetzlich beschränken – und heute wollen Sie eine gesetzliche Karenzzeit beim Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat einer AG durchsetzen. Warum fordern Sie eigentlich nicht gleich die Abschaffung der Aktien- gesellschaften? Das wäre doch die logische und ehrliche Konsequenz aus Ihren Kampfreden vom vergangenen Wochenende. Es war schon erschreckend mitzuverfolgen, wie be- setzt Ihr Gründungsparteitag war von Begriffen wie „Privatisierungswahn“ und „Raubtierkapitalismus“. Die Bedeutung der Unternehmen und Unternehmer für die Volkswirtschaft und die Menschen wurde vollkommen ausgeklammert und negiert. Lediglich Herr Gysi hat es an einer Stelle seiner Rede gewagt, die Interessen der Unternehmen anzusprechen. O-Ton Herr Gysi: „Und ich sage es ganz klar: Wir müssen auch die Interessen vieler kleiner und mittlerer Unternehmerinnen und Unterneh- mer vertreten; die leiden unter der Deutschen Bank nicht weniger als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.“ Erstens ist es blanker Hohn, zu behaupten, Die Linke habe die Interessen von kleineren und mittleren Unter- nehmen im Sinn. Dass Die Linke mitnichten die Anlie- gen der Unternehmen – auch nicht von den kleinen – vertritt, hat sie zuletzt leider bei der Verabschiedung der Unternehmensteuerreform wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Zweitens zeigt das Zitat einmal mehr das Schwarz-Weiß-Denken der Linken. Die kleinen Unternehmen mögen in ihrer Denkschule ja theoretisch noch zu den Guten gehören. Aber die Deutsche Bank steht für Sie, meine Damen und Herren der Linken, stellvertretend für alle großen Banken und Wirtschaftsunternehmen für das Böse, vor dem die Men- schen geschützt werden müssen. Aktiengesellschaften sind in Ihren Augen ein grundsätzliches Übel und eine Bedrohung für die Arbeitnehmer. Wer so denkt, wer Aktiengesellschaften grundsätzlich verteufelt und ihre positiven Beiträge für die Volkswirt- schaft leugnet, kann eigentlich nicht erwarten, dass seine Anträge zur Änderung des Aktiengesetzes ernst genom- men werden. Aber weil die Öffentlichkeit ein Recht auf eine or- dentliche Debatte hat, werde ich selbstverständlich auch zum heutigen Gesetzentwurf der Linken zur Änderung des Aktiengesetzes inhaltlich Stellung beziehen. In dem Gesetzentwurf wird eine gesetzliche Vor- schrift gefordert, wonach ehemalige Vorstandsmitglieder erst nach einer Karenzzeit von fünf Jahren in den Auf- sichtsrat desselben Unternehmens wechseln dürfen. Mangels eigener Argumente versucht Die Linke in der Begründung des Gesetzentwurfs, unseren Fraktionsvor- sitzenden Volker Kauder für ihre Forderung mit in Haf- tung zu nehmen. Meine Damen und Herren der Linken: Das ist eine ziemlich billige Masche! Es ist zwar richtig, dass Volker Kauder – als direkte Reaktion auf die 10976 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) Siemenskorruptionsaffäre – in einem Interview vor ein paar Monaten einmal zur Diskussion gestellt hat, den di- rekten Wechsel eines Vorstandsmitgliedes in den Auf- sichtsrat zu verbieten. Genauso richtig ist aber auch, dass meine Fraktion mit Volker Kauder schlussendlich aus guten Gründen zu einem anderen Ergebnis gekommen ist. Für die Entscheidung über die Aufsichtsratsbesetzung sind nach Auffassung der Union zwei Kriterien beson- ders relevant: Zunächst ist dies die Fach- und Sachkom- petenz der Kandidaten, dann aber selbstverständlich auch ihre Unabhängigkeit in der Beratung und Überwa- chung des Vorstandes. Es ist unbestritten, dass die unabhängige Beratung am leichtesten fällt, wenn die Aufsichtsratsmitglieder in kei- ner direkten Beziehung zur beaufsichtigten Gesellschaft stehen. Naturgemäß ist die Beziehung zum Unternehmen aber noch sehr eng, wenn der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat ohne zeitliche Pause erfolgt. Ich möchte auch nicht verhehlen: Wahrscheinlich ist die Korruptionsgefahr bei solchen fließenden Übergängen tatsächlich größer als bei anderen Besetzungen. Daher halte ich die Empfehlung des Deutschen Cor- porate-Governance-Kodex für richtig, wonach der Wechsel von Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat nicht die Regel sein soll und eine entsprechende Absicht auf der Hauptversammlung begründet werden muss. Diese Formulierung macht deutlich: Der direkte Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat soll in der Tat nicht die gängige Praxis sein. Aber es muss grundsätz- lich möglich sein, dass in besonderen Situationen und bei besonderer fachlicher Eignung ein Wechsel im Ein- zelfall direkt erfolgen kann. Eine gesetzliche Regelung, die auch noch eine ganz bestimmte Karenzzeit vorschreibt, wäre – davon bin ich fest überzeugt – viel zu starr und würde im Zweifel den Belangen des Unternehmens zuwiderlaufen. Es ist daher der richtige Weg, die Aufsichtsratsbeset- zung in der Eigenverantwortung der Unternehmen zu be- lassen und für die Befolgung des Corporate-Gover- nance-Kodex zu werben. Die Fraktion Die Linke beklagt in der Begründung zu ihrem Gesetzentwurf zum einen die Unverbindlichkeit des Kodex, zum anderen aber auch die mangelnde Be- folgung durch die Unternehmen. Dieser Einschätzung möchte ich eine empirische Studie des Berliner Center of Corporate Governance aus dem Frühjahr dieses Jahres entgegenhalten. Der Studie zufolge verbessert sich die Akzeptanz des im Jahre 2002 verabschiedeten Deut- schen Corporate-Governance-Kodex kontinuierlich. Mittlerweile befolgen 79,3 Prozent der DAX-Unterneh- men die Empfehlung zur Begrenzung des direkten Wechsels vom Vorstand in den Aufsichtsrat. Auch ich sage: Das sind noch zu wenige. Aber die Tendenz stimmt. Ein Vergleich mit den letzten Jahren zeigt, dass immer mehr DAX-Unternehmen sich die Empfehlung zu eigen machen. Insgesamt können wir mit dem Deutschen Corporate- Governance-Kodex sehr zufrieden sein. Im Durchschnitt befolgen die DAX-Unternehmen heute 97,3 Prozent al- ler Empfehlungen. Mich stimmen diese Zahlen optimistisch. Der Kodex scheint sich als Standard für gute Corporate Governance zunehmend in der deutschen Wirtschaft zu etablieren. Diese Entwicklung sollten wir würdigen und nicht durch zusätzliche gesetzliche Regelungen konterkarieren. Trotz dieser optimistischen Einschätzung möchte ich abschließend nicht verschweigen, dass gerade jüngste Korruptionsfälle bei großen deutschen Unternehmen das Vertrauen der Bürger in die gute Unternehmensführung geschwächt haben. Darauf aber gleich mit dem Gesetz zu antworten, halte ich für den absolut falschen Ansatz. Als Politiker müssen wir vielmehr immer wieder deutlich machen, dass jedes Unternehmen in Deutsch- land eine ganz eigene ethische und gesellschaftliche Ver- antwortung trägt, die nicht per Gesetz erzwungen wer- den kann. In Richtung der Fraktion Die Linke sage ich abschlie- ßend: Hören Sie endlich auf, durch immer wieder neue Anträge zur Änderung des Aktiengesetzes alle Aktienge- sellschaften und deren Vorstände unter den Generalver- dacht des Raubtierkapitalismus zu stellen. Wir brauchen die großen Aktiengesellschaften ebenso wie die kleine- ren und mittleren Unternehmen für die Funktionsfähig- keit unserer Volkswirtschaft. Klaus Uwe Benneter (SPD): Meine Kolleginnen und Kollegen der PDS plus Anhang: Sie fordern, den direkten Wechsel der Vorstände in den Aufsichtsrat zu verbieten. Damit fügen Sie sich ein in die Reihen derer, die meinen, jedes Problem über ein Verbot lösen zu kön- nen. Das ist nicht besonders originell. Schade, sonst ge- ben Sie sich doch mehr Mühe. Interessant ist auch, dass Sie sich mit Ihrem Antrag eine Position der CDU/CSU zu eigen machen. Herrn Kauder haben wir den Unfug bereits ausgeredet. Und nun kommen Sie als Ladenhüter um die Ecke. Sie glau- ben doch nicht im Ernst, dass die Turbulenzen bei Sie- mens und Volkswagen mit Ihrem Antrag hätten vermie- den werden können? So naiv können doch selbst Sie nicht sein. Unser Strafgesetzbuch verhindert doch auch keine Straftaten. Die Interessenvertretung der Aktionäre im Aufsichts- rat ist Sache der Aktionäre und nicht des Gesetzgebers. Das Aktiengesetz bestimmt klar und deutlich, dass die Aufsichtsräte von der Hauptversammlung gewählt wer- den. Wenn der Gesetzgeber diesen demokratischen Ent- scheidungsprozess der Eigentümer beschränken möchte, bräuchte er schon sehr gute Gründe. Vor allem aber bräuchte er konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die ange- strebte Regelung zu einer besseren Unternehmenskultur führen wird. Dies ist bei der gesetzlichen Einführung ei- ner Wechselsperre aber nicht der Fall. Die PDS geht bei ihrer Forderung von der sonderba- ren Gleichung aus, dass Erfahrung befangen macht. Da- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10977 (A) (C) (B) (D) bei verkennt sie, dass ein Vorstandsmitglied nach jahre- langer Tätigkeit über eine enorme Sachkenntnis verfügt. Wenn ein Firmenchef im Alter von 65 Jahren ausschei- det, ist wohl klar, dass er mit 70 nicht wieder einsteigen wird. Hier würde die Regelung der PDS dazu führen, dass ein großes Potenzial an Erfahrung und Wissen ver- loren ginge. Deutschland hat heute bereits einen eklatan- ten Mangel an hochqualifizierten Managern. Ein noch größeres Defizit können wir uns nicht leisten. Die PDS verkennt völlig, dass es sich bei der über- wiegenden Mehrzahl der Unternehmen, die kraft Geset- zes einen Aufsichtsrat haben müssen, nicht um anonyme börsennotierte Konzerne, sondern um Familienunterneh- men handelt. Der Vorstand der gemeinnützigen Stiftung Familienunternehmen geht sogar davon aus, dass 80 Prozent der betroffenen Aufsichtsratsunternehmen Familienunternehmen sind. Familienunternehmen und anonyme Publikumsgesellschaften sind aber nicht ver- gleichbar. Der Schutz der Aktionäre mag in einer Publi- kumsgesellschaft erforderlich und die Bestellung neutra- ler Personen in den Aufsichtsrat deshalb dort besonders sinnvoll sein. In einem Familienunternehmen ist der Schutz der Eigentümer vor den Entscheidungen des Ma- nagements nicht notwendig. Hier ist der Eigentümer aus eigennützigen Gründen daran interessiert, das Manage- ment streng zu kontrollieren. Das Verbot eines direkten Wechsels für Eigentümermanager könnte in einem Fa- milienunternehmen sogar die notwendige Generationen- folge blockieren. Denn, wer als Eigentümer nicht vom Vorstand in den Aufsichtsrat wechseln darf, wird so lange wie möglich auf seinem Vorstandsposten sitzen und daran festhalten. Außerdem steht das geforderte Verbot der langfristi- gen Orientierung eines Familienunternehmens entgegen. Anders als bei den Publikumsgesellschaften ist im Fami- lienunternehmen nicht das Quartalsergebnis entschei- dend, sondern die Einhaltung einer über Jahre angeleg- ten Strategie. Dies wird am Beispiel des Unternehmens Bosch ganz deutlich: Dort wechselt seit Jahrzehnten der Vorsitzende der Geschäftsführung an die Spitze des Auf- sichtsrates und sichert somit die Kontinuität der Unter- nehmenspolitik. Das Bosch-Modell gilt in Fachkreisen als Musterbeispiel gelungener Organbesetzung. Abgesehen davon, ist der Vorstoß auch in rechtlicher Hinsicht problematisch: Eine Karenzzeit von fünf Jahren läuft de facto auf ein temporäres Berufsverbot für Fir- menchefs hinaus. Ich habe deshalb große Bedenken, ob die Regelung vorm Bundesverfassungsgericht oder Eu- ropäischen Gerichtshof überhaupt bestehen würde. Der Vorschlag der PDS ist also alles andere als zu Ende gedacht. Tatsächlich schafft er mehr Probleme, als dass er sie löst. Natürlich sind wir uns alle darin einig, dass wir eine verantwortungsvolle Unternehmenskultur brauchen. Hierzu gehört zweifellos auch die Stärkung des Aufsichtsrats als Kontrollorgan. Mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Karenzzeit werden wir diese Stärkung nicht erreichen. Eine gute Unternehmenskultur kann nicht erzwungen werden. Gerade mit Blick auf die not- wendige Unterscheidung zwischen Familienunterneh- men und börsennotierten Konzernen muss sie auf frei- williger Basis erfolgen. Deshalb haben wir 2002 den Deutschen Corporate-Governance-Kodex verabschie- det. Der Kodex greift alle wesentlichen Kritikpunkte an der deutschen Unternehmensverfassung auf. Auch die mangelnde Unabhängigkeit der Unternehmensführung und der Aufsichtsräte. Mit der Empfehlung, dass ein Vorstandsmitglied bei seinen Entscheidungen keine persönlichen Interessen verfolgen soll, enthält der Kodex eine ganz wesentliche Bestimmung. Er empfiehlt, dass ein Vorstandsmitglied bei seinen Entscheidungen keine persönlichen Interessen verfolgen soll. Er empfiehlt, dass dem Aufsichtsrat nicht mehr als zwei ehemalige Vorstandsmitglieder angehören sollen. Er bestimmt, dass der Wechsel eines Vorstandes in den Aufsichtsrat nicht die Regel sein soll. Wenn die PDS darauf verweist, dass seit dem Jahr 2002 noch immer 16 von 21 ausgeschiedenen DAX-Vor- standsvorsitzenden einen Platz im Aufsichtsrat erhielten, dann vergisst sie, dass die Empfehlungen im Kodex erst 2005 geändert wurden. In diesem Jahr haben sich im- merhin schon knapp 80 Prozent der DAX-30-Unterneh- men an diese Bestimmung gehalten. Auch Josef Ackermann hat jetzt angekündigt, nicht in den Auf- sichtsrat gehen zu wollen. Fest steht, dass sich die Akzeptanz des Deutschen Corporate-Governance-Kodex 2007 insgesamt deutlich verbessert hat: Fast 79 aller 81 Empfehlungen des Kodex werden mittlerweile von den DAX-30-Unternehmen be- folgt. Es gibt derzeit also überhaupt keinen Grund, das Prinzip der Freiwilligkeit aufzugeben. Es hat einen ein- deutigen Vorteil, die Empfehlungen für eine gute Unter- nehmensführung in einem Kodex und gerade nicht in ei- nem Gesetz zu regeln: Der Kodex wird jedes Jahr angepasst und kann neuen Entwicklungen deshalb flexi- bel folgen. Gute Ideen lassen sich über ihn wesentlich schneller aufgreifen und umsetzen, als es bei einem förmlichen Gesetzgebungsverfahren möglich wäre. Eine einzelne Empfehlung des Kodex gesetzlich isoliert zu re- geln, ist völlig verfehlt. So würde die Funktion des frei- willigen Kodex insgesamt infrage gestellt. Dieser Antrag ist ein untauglicher Versuch, ein gele- gentlich auftauchendes Problem so zu lösen, dass das Kind gleich mit dem Bade ausgeschüttet wird. Einer gu- ten Unternehmenskultur hilft das nicht. Mechthild Dyckmans (FDP): Gerade einmal drei Wochen ist es her, dass die letzten beiden Gesetzent- würfe zur Änderung des Aktiengesetzes der Fraktion Die Linke im Rechtsausschuss abgelehnt wurden, und zwar fraktionsübergreifend. Dabei ging es zunächst um das Verbot der Entlohnung der Vorstände von Aktiengesell- schaften durch Aktienoptionen. Und im Oktober letzten Jahres diskutierten wir die gesetzliche Begrenzung der Höhe der Vorstandsgehälter. Die Linke überbietet sich hier beinahe selbst mit sozialistischen und planwirt- schaftlichen Vorstellungen in Bezug auf die Aktienge- sellschaft. Was dann letztendlich nicht nur uns, sondern sogar der SPD und den Grünen des – angeblich – Guten zu viel war. 10978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) Heute nun liegt uns ein weiterer Gesetzentwurf der Linken zur Änderung des Aktiengesetzes vor. Werden wir künftig wöchentlich mit Änderungen des Aktienge- setztes beglückt? Bemerkenswert ist, jeder dieser Gesetzentwürfe fügte nur einen einzigen Satz im Gesetz ein. Es ist nicht zu verkennen, dass die Antragsteller hier einzig und allein auf der Klaviatur des Populismus spielen. Wenn es ihnen wirklich um ernstzunehmende Änderungen des Aktien- gesetzes ginge, hätten sie doch einen alles umfassenden Gesetzentwurf dazu vorlegen können. Nach dem heute zu diskutierenden Gesetzentwurf sol- len ehemalige Vorstandsmitglieder erst nach Ablauf ei- ner Frist von fünf Jahren in den Aufsichtsrat gewählt werden dürfen. Dies geht mir deutlich zu weit. Man kann darüber diskutieren, ob man die Wählbarkeit von Vor- standsvorsitzenden zu Aufsichtsratsvorsitzenden für eine gewisse Dauer ausschließt. Dies gilt aber nur für den Vorstandsvorsitzenden. Denn er hat eine besonders he- rausragende Position und Verantwortung im Unterneh- men inne. Der von Ihnen vorlgelegte Vorschlag wird den unter- schiedlichen Ausgestaltungen von Aktiengesellschaften nicht gerecht. So gibt es nicht nur die großen Gesell- schaften, die im DAX notiert sind und an die Die Linke auf ihrem Feldzug gegen die soziale Marktwirtschaft wohl auch gedacht hat, sondern auch kleine, mittlere und insbesondere familiär geführte Unternehmen. In Deutschland gab es im Jahr 2004 tatsächlich 15 356 Aktiengesellschaften. Im DAX notiert sind je- doch gerade einmal 30 Gesellschaften. Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf würden über 15 000 Ak- tiengesellschaften unnötig in ihrer Entscheidungsfreiheit gehindert. Dazu darf es nicht kommen. Ein Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat kann im Einzelfall auch sinnvoll sein. Denken Sie etwa nur an das Interesse der Unternehmen, das Wissen und die Er- fahrungen ehemaliger Vorstandsmitglieder auch im Rah- men der Überwachungsfunktion zu nutzen. Dieses Expertenwissen ist für viele mittelständische Aktienge- sellschaften, die vielleicht auch noch familiär geführt sind, unbezahlbar. Dies erkennt auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, wenn sie ein komplettes Verbot ei- nes solchen Wechsels als nicht sinnvoll bewertet. Aber zu solchen Differenzierungen sieht sich Die Linke natür- lich nicht in der Lage. Das Verhalten und Vorgehen von Vorständen mag zwar manchmal Fragen aufwerfen. Gerade mit Blick auf die in jüngster Zeit bekannt gewordenen Probleme in Aktiengesellschaften ist hier ein wachsames Auge erfor- derlich. Dabei kann eine fehlende Kommunikation der Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit sicherlich zu Missverständnissen in der Wahrnehmung von Unterneh- mensentscheidungen führen. Auch die Verknüpfungen in der Deutschland AG sind teilweise undurchsichtig. Ergänzend zum Aktiengesetz bietet vor allem der auf Freiwilligkeit basierende Corporate-Governance-Kodex den richtigen Rahmen, um das Vertrauen der internatio- nalen und nationalen Anleger, der Kunden, der Mitarbei- ter und der Öffentlichkeit in die Leitung und Überwa- chung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften zu fördern. Dabei zeigt die ständige Weiterentwicklung des Corporate-Governance-Kodex, dass die deutsche Wirt- schaft bestrebt ist, ihre Entscheidungen transparent und verständlich zu gestalten. Im Durchschnitt befolgten im Jahre 2006 die DAX- Unternehmen bereits über 97 Prozent der Empfehlungen des Corporate-Governance-Kodex. Die Akzeptanz des Corporate-Governance-Kodex verbessert sich dabei wei- terhin kontinuierlich. Nach Ansicht der Regierungskom- mission Deutscher Corporate-Governance-Kodex wird sich das bereits erreichte hohe Niveau der Vorjahre nach den Beschlüssen der Hauptversammlungen im Jahre 2007 erneut verbessern. Der Corporate-Governance-Ko- dex hat sich als Kernbestand guter Corporate Gover- nance in der deutschen Wirtschaft fest etabliert. Die deutsche Wirtschaft zeigt hier die immer geforderte Ei- genverantwortung. Jedoch ist auch beim Corporate-Governance-Kodex zu beachten, dass Abweichungen von einzelnen Bestim- mungen des Kodex auf den Besonderheiten der Unter- nehmen beruhen können. Dazu zählt etwa auch die Größe der Gesellschaft. Das „Berlin Center of Corporate Governance“ der TU Berlin stellt insoweit fest, dass sol- che Abweichungen durchaus Sinn machen können und eben keineswegs eine schlechte Governancepraxis si- gnalisieren müssen. Unterstützen wir diese erfreulichen Entwicklungen in der deutschen Wirtschaft zur Stärkung des Corporate- Governance-Kodex! Lassen wir uns nicht auf populisti- sche, ideologische und wirtschaftsfeindliche Ideen der Linken ein. Margareta Wolf (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der direkte Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat hat sich nicht bewährt. Aus diesem Grund sieht der Corporate-Governance- Kodex den Wechsel vom Vorstand in den Spitze des Aufsichtsrat nur in besonders zu begründenden Ausnah- mefällen vor. Doch diese Regelung greift in der Praxis leider nicht. In 14 der 30 DAX-Konzernen wird der Auf- sichtsrat vom Exchef geführt. Selbst der Vorsitzende der Kommission, welche den Kodex erstellt, beachtet diese Regel nicht. Gerhard Cromme leitet den Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp, wo er zuvor Vorstandsvorsitzender war. Das heisst, die Experten der Regierungskommission empfehlen etwas, was in der Realität kaum Niederschlag findet. Ich möchte an dieser Stelle an eine andere Empfeh- lung der Kommission verweisen: die von der Kommis- sion empfohlene Offenlegung der Vorstandsgehälter. Auch diese Empfehlung bleib ungehört, was den Gesetz- geber veranlasste, entsprechend gesetzlich tätig zu wer- den, was Herr Cromme seinerzeit als folgerichtig be- zeichnete. Mein Petitum geht in dem angesprochenen Punkt des direkten Wechsels vom Vorstand in den Aufsichtsrat in die ähnliche Richtung. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10979 (A) (C) (B) (D) Wenn die Unternehmen der dringenden Empfehlung der Kommission nicht folgen, muss der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat gesetzlich geregelt werden. Im Winter hat das Herr Kauder ja auch noch so gesehen, ehe die SPD seine angekündigte Initiative kassiert hat. Schade, dass die Union in dieser Frage eingeknickt ist. Der Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat ist je- doch nicht das einzige strukturelle Problem. Ebenso be- denklich ist die zu beobachtende Häufung von Auf- sichtsratsmandaten. Man muss sich schon fragen, ob jemand tatsächlich zehn Großunternehmen gleichzeitig effektiv kontrollieren kann. Auch hier gilt: Aufsichts- ratsmandate sind keine Panini-Bildchen, von denen man möglichst viele verschiedene sammelt. Wir schlagen deshalb vor, die Zahl der möglichen Aufsichtsratsman- date auf fünf pro Person zu begrenzen. Und noch einen weiteren Punkt möchte ich hier an- sprechen. Aufsichtsräte sind immer noch Altherrenver- eine. Wir brauchen dringend mehr Frauen in den Auf- sichtsräten, ich wage einmal zu behaupten, dass Auswüchse wie bei VW mit Lustreisen und Bordellbesu- chen nur in reinen Männerclubs möglich sind. Derzeit gibt es in deutschen Aufsichtsräten eine Frau- enquote von gerade einmal 7,5 Prozent. Diese lächerlich geringe Quote ist nahezu ausschließlich der Arbeitneh- mervertretung zu verdanken. Auf Kapitalseite ist die Frau das unbekannte Wesen. Wir schlagen deshalb eine Quotierung der Aufsichtsräte vor, wie es sie beispiels- weise in Norwegen und Spanien gibt. Bis 2012 soll auch bei uns der Frauenanteil bei 40 Prozent liegen. Ich möchte betonen, dass dies nicht nur etwas mit Ge- schlechtergerechtigkeit zu tun hat. Sondern vor allem auch mit der Innovations- und Leistungskraft unserer Wirtschaft. Wir können es uns nicht länger leisten, das Wissen und Talent der Hälfte der Bevölkerung und oben- drein noch der besser ausgebildeten Hälfte – zu ver- schleudern. Als Männerclub wird die deutsche Wirt- schaft in der Globalisierung nicht bestehen. Insgesamt muss in den Aufsichtsräten endlich einmal das Fenster aufgerissen werden, um frischen Wind he- reinzulassen. Das Wechselverbot vom Vorstand in den Aufsichtsrat, eine Begrenzung der Aufsichtsratsman- date auf Fünf und eine Quotierung der Aufsichtsräte – das sind die Maßnahmen die Deutschland als Innova- tionsstandort stärken würden und die wir Grüne vor- schlagen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Mit Bioraffinerien in Deutschland die Biomasse effizienter nutzen und zusätzliche Ressourcen erschließen (Tages- ordnungspunkt 32) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Die verstärkte Nutzung von Biomasse zur Energieerzeugung ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz. Deshalb wurde im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD verein- bart, „den Biomasseanteil am Primärenergieverbrauch mittelfristig deutlich (zu) steigern“. Die energetische Nutzung von Biomasse zeichnet sich durch einen weitgehend geschlossenen CO2-Kreislauf aus. Durch die Nutzung einheimischer Rohstoffe gelingt es zudem, Wertschöpfung in ländlichen Regionen zu be- lassen und die Abhängigkeit von Energieimporten zu vermindern. Vor allem die Regelungen des Erneuerbare-Energien- Gesetzes, der steuerlichen Begünstigung von Kraftstof- fen auf Basis von Biomasse, des Beimischungszwangs des Biokraftstoffquotengesetzes sowie die Förderung durch das Marktanreizprogramm für erneuerbare Ener- gien haben zu einer deutlichen Stärkung der Biomasse- nutzung beigetragen. Ein zunehmendes Problem, vor dem die Nutzung der Biomasse steht, ist allerdings die Flächenkonkurrenz. Die Zahl der Menschen auf unserer Erde wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen; die Folge ist ein stei- gender Bedarf an Nahrungsmitteln und Futtermitteln – da sich immer mehr Menschen den Konsum von immer mehr Fleisch leisten wollen und können. Die weltweit verfügbare landwirtschaftliche Nutzfläche pro Kopf ver- ringert sich hingegen stetig. Der Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutsch- land für die stoffliche und energetische Nutzung hat sich in den letzten Jahren von etwa 246 000 Hektar im Jahre 1993 auf über 1,5 Millionen Hektar im Jahr 2006 signifi- kant erhöht; das sind derzeit etwa 13 Prozent der Acker- fläche Deutschlands. Daher gilt es, jetzt klug Rahmenbe- dingungen für die unterschiedlichen Nutzungsarten von Biomasse zu setzen und die vorhandenen Ressourcen optimal nutzen. Ein wichtiger Schritt dabei ist die Erarbeitung eines Nationalen Biomasseaktionsplans, den die Bundesregie- rung in Anknüpfung an den von der EU-Kommission im Dezember 2005 vorgestellten EU-Biomasseaktionsplan derzeit vorbereitet. Er soll eine Bestandsaufnahme und Abschätzung des verfügbaren Biomassepotenzials in Deutschland liefern, aber auch Prioritäten hinsichtlich der bestehenden Flächenkonkurrenz setzen. Ein anderer wichtiger Punkt steht bislang zu wenig im Fokus: Zur Biomasse zählen neben nachwachsenden Rohstoffen oder Energiepflanzen natürlich auch organi- sche Reststoffe, die bei der Land- und Forstwirtschaft, der Industrie und in Haushalten anfallen, zum Beispiel Abfall- und Restholz, Stroh, Gras, Laub und Dung, Klär- schlamm, Schlachtabfälle sowie organischer Hausmüll. Auch diese Ressourcen müssen wir in Zukunft stärker nutzen. Ich nenne als Beispiel die Ausweitung der Verwer- tung von Altholz, aber auch die Nutzung tierischer Fette bei der Kraftstofferzeugung. So leistet die Herstellung von Biodiesel aus Tierfetten einen Beitrag nicht nur zum Umweltschutz, sondern auch zur Kostenbegrenzung bei der Tierkörperbeseitigung. Dieses Verfahren ist derzeit leider steuerrechtlich diskriminiert. Die Unionsfraktion tritt jedoch nach wie vor für eine Nutzung dieses Roh- 10980 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) stoffs bei der Kraftstofferzeugung ein, um auch diese Reststoffe ökologisch und ökonomisch sinnvoll einzu- setzen. Der Aufforderung Ihres Antrags und des Büros für Technikfolgenabschätzung, liebe Kolleginnen und Kol- legen von den Grünen, Bioraffinerien mit ihrem interes- santen ökologischen Potenzial zu nutzen, stimme ich zu. An der Realisierung dieser Potenziale wird bereits – auch aufgrund nachhaltiger finanzieller Förderung durch die Bundesregierung – mit Nachdruck gearbeitet. Erst vor wenigen Tagen habe ich mich dessen im Helmholtz-Forschungszentrum Karlsruhe vergewissern können. Ein Projekt, an der die Wissenschaftler dort arbeiten ist „VERENA“ – eine „Versuchsanlage zur energeti- schen Nutzung agrarwirtschaftlicher Stoffe“. Mit diesem System werden aus „nasser“ Biomasse wie Maissilage, Treber oder Klärschlamm „grüner“ Wasserstoff und Me- than hergestellt. Dieses System ist die weltweit erste komplett ausgestattete kontinuierlich betriebene Anlage für Biomassevergasung in „überkritischem Wasser“. Zudem lassen sich mit Biomassereststoffen, wie zum Beispiel Getreidestroh, auch hochwertige synthetische Kraftstoffe und chemische Grundprodukte wirtschaftlich herstellen. Dies zeigt ein weiteres Zukunftsprojekt der Karlsruher Wissenschaftler zur effektiven Umwandlung von Biomasse in Biokraftstoff der II. Generation, das erst vor wenigen Tagen offiziell vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Dr. Peter Paziorek, eingeweiht wurde. Nach Aussagen der For- scher könnten allein die vorhandenen ungenutzten Men- gen an Getreidestroh über 10 Prozent des derzeitigen Kraftstoffbedarfs in Deutschland decken. Die Nutzung mit den vorhandenen Verfahren scheiterte bislang aber daran, dass Verwertung der Biomasse aufgrund der lan- gen Transportwege nicht wirtschaftlich darzustellen war. Das neu entwickelte Verfahren, ein zweistufiger „bio- mass to liquid“(BTL)-Prozess, gibt darauf eine Antwort mittels der dort entwickelten Schnellpyrolyse. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz hat in diesem Jahr außer- dem ein Bioraffinerie-Verbundvorhaben – mit einem Fördervolumen von 1,9 Millionen Euro gestartet, bei dem alle Bestandteile von Laubholz vollständig zu hoch- wertigen Ausgangsstoffen zum Beispiel für chemische Prozesse umgewandelt werden sollen. 16 Unternehmen und Forschungseinrichtungen arbeiten an diesem Projekt mit. Es sollen Inhaltsstoffe des Holzes getrennt aufberei- tet und in Kohlenhydrate zerlegt werden, die als preis- werte Rohstoffbasis für biotechnologische Verfahren und als Plattformchemikalien für die chemische Indus- trie zur Verfügung stehen sollen. Auch das Bundesministerium für Bildung und For- schung fördert beispielsweise unter dem Titel „Bioraffi- nerien und Biobasierte Industrielle Produkte“ in Berlin- Brandenburg die „Entwicklung und Herstellung von Substituten aus nachwachsenden Rohstoffen für chemi- sche Produkte fossiler Herkunft“. So, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, wird der Forderung Ihres Antrags, nun endlich Bioraffi- nerien zur effizienteren Nutzung von Biomasse zu för- dern, schon längst im Handeln der Bundesregierung Rechnung getragen. Ich kann nicht verhehlen, dass mich einige weitere Passagen Ihres Antrages zumindest verwundern. So be- haupten Sie, dass Bioraffinerie-Anlagen eine „Nutzung von gentechnisch veränderten Pflanzen wirtschaftlich uninteressant“ machen. Sie begründen diese Aussage in Ihrem Antrag damit, dass „Bioraffinerien nicht auf be- sondere Energie- und Industriepflanzen angewiesen“ seien. Ich sage: Wir brauchen gerade die Grüne Gentechnik, und zwar zur weiteren Effizienzsteigerung der Bioraffi- nerien. Wir gebrauchen Pflanzen, die für die Produktion besonderer Inhaltsstoffe gezielt (gentechnologisch) gezüchtet wurden. Ich verweise zum Beispiel auf Amy- lopektinkartoffeln, die als speziell auf den Produktions- prozess zugeschnittener Stärkelieferant in der Papierpro- duktion angewandt werden. Somit werden dort deutlich weniger energieintensive Verarbeitungsschritte nötig. Zudem liefern gentechnisch veränderte Pflanzen nachwachsende Rohstoffe für innovative Chemiepro- dukte. Dies sind zum Beispiel Kunststoffverbindungen wie Biopolymere aus Raps, die man für Verpackungs- chips, Autoinnenverkleidungen oder Catering-Geschirr verwenden kann. Es gilt, ein Spektrum vielfältiger An- wendungen zu erschließen, und das geht mittels der Grü- nen Gentechnik schneller und zielgerichteter. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, vor dem Hintergrund, dass Sie Ihre Ablehnung der Gentech- nik gerade auch in Verbindung mit der Nutzung von Bio- raffinerien betonen, hat mich ein weiterer Punkt Ihres Antrages verwundert: Sie machen nur einen Absatz zu- vor in Ihrem Dokument deutlich, dass Bioraffinerien „energetisch günstige biotechnologische Verfahren“ nut- zen, „wie zum Beispiel den Einsatz von Enzymen an- stelle aufwendiger und energieintensiver Großtechnik“. Wenn ich aber den Einsatz von Enzymen gegenüber an- deren Verfahren vorziehe, dann frage ich mich, woher Sie diese Enzyme beziehen wollen, wenn nicht von gen- technisch veränderten Organismen. Enzyme wachsen nun mal nicht auf Bäumen! Ich möchte abschließend deutlich machen: Die Nut- zung von Biomasse in den unterschiedlichsten Verwen- dungsbereichen bietet für die Zukunft große Chancen. Bioraffinerien können helfen, diese Chancen zu nutzen. Deshalb bringt die Große Koalition Gesetze auf den Weg, die die Biomassenutzung fördern; deshalb unter- stützt die Bundesregierung bereits nachdrücklich For- schungsprojekte in diesem Bereich. Eine generelle Ab- lehnung der Gentechnik führt uns dabei allerdings nicht auf den Weg in die Zukunft. Marko Mühlstein (SPD): In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten haben sich zwei Entwicklungen vollzogen, die stark miteinander verbunden sind und die Grundla- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10981 (A) (C) (B) (D) gen des menschlichen Lebens, wie wir sie bisher kann- ten, radikal infrage stellen. Da ist auf der einen Seite die durch die voranschrei- tende Industrialisierung von Schwellenländern wie China oder Indien weltweit geradezu explodierende Nachfrage nach Energie. Und ein Ende ist nicht abzu- sehen – stehen diese Staaten doch erst am Anfang ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. Um dies zu erkennen, ge- nügt ein Blick auf den Verkehrssektor: Denn wenn sich nur die Hälfte der 200 Millionen Inder, die zur kaufkräf- tigen Mittelschicht zählen, in den nächsten Jahren moto- risiert und die 1,3 Milliarden Chinesen für sich eine ähn- liche Motorisierung in Anspruch nehmen, wie wir sie in Europa wie selbstverständlich genießen, dann verdop- pelt sich allein durch diese beiden Länder der weltweite Bestand an Kraftfahrzeugen von derzeit 800 Millionen Fahrzeugen. Schon heute baut kein Land der Welt mehr Autobahnen als das Reich der Mitte, jährlich kommen 5 000 Kilometer hinzu, und bis 2010 wird das Schnell- straßennetz dort auf 70 000 Kilometer ausgebaut sein. Was dies für die Entwicklung des Kraftstoffverbrauchs bedeutet, liegt auf der Hand. Der von mir beschriebene steigende Hunger nach Energie wird vor dem Hintergrund der Endlichkeit fossi- ler Rohstoffe in naher Zukunft zu massiven Verteilungs- konflikten führen. Denn die ausreichende Bereitstellung von Energie für alle Menschen ist nicht nur eine Frage des Preises, sondern auch ein Garant für Stabilität und Frieden in der Welt. Bereits heuten werden in allen Tei- len der Erde Bohrtürme und Pipelines von schwer be- waffneten Soldaten bewacht, um die Versorgung mit Öl zu sichern – jenem Stoff, ohne den ein zivilisiertes Le- ben und eine prosperierende Wirtschaft nicht möglich scheinen. Umso wichtiger ist es, dass wir unsere Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen, insbesondere von Importen drastisch verringern. Bereits heute deckt die EU 50 Pro- zent ihres Gesamtenergiebedarfs über Importe ab. Und wenn wir nicht gegensteuern, wird diese Zahl bis zum Jahr 2030 auf 65 Prozent steigen, wobei wir dann 93 Prozent unseres Öl- und 86 Prozent unseres Gasbe- darfes importieren werden müssen. Die zweite große Herausforderung ist der Klimawan- del. Und ich bin froh, dass mittlerweile auch die große Mehrheit der Mitglieder dieses Hohen Hauses zu der Einsicht gelangt ist, dass der Mensch der Verursacher der Klimaveränderungen ist. Dies war nicht immer so. Doch spätestens seit der breiten öffentlichen und fachli- chen Diskussion, die durch den Report von Nicholas Stern und den IPCC-Bericht ausgelöst wurde, kann auch der größte Klimaskeptiker unsere Verantwortung für den Klimawandel nicht leugnen, der aus meiner Sicht die größte Bedrohung der Menschheit darstellt. So hat der Kohlendioxidgehalt der Luft durch den Verbrauch fossiler Bennstoffe seit 1750 um 35 Prozent zugenommen. Die Jahresdurchschnittstemperatur hat sich in einigen Teilen Deutschlands seit 1950 um bis zu 1,7 Prozent erhöht. Die globalen Folgen dieser Entwick- lungen sind bereits heute sichtbar und werden, wenn wir nicht gegensteuern, fatale Auswirkungen haben: So sagt die UN-Klimastudie bis zum Jahr 2100 einen Tempera- turanstieg um 6,4 Grad Celsius voraus. Schon in 25 Jah- ren wird die Arktis im Sommer eisfrei sein und der Meeresspiegel wird um 59 Zentimeter ansteigen; 100 Millionen Menschen droht deshalb die Zerstörung ihrer Lebensumwelt. Wenn wir die von mir beschriebenen Ziele – also eine größere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern so- wie den Kampf gegen den Klimawandel – nachhaltig er- reichen wollen, gibt es auf die Frage nach dem Wie nur eine Antwort: durch einen zügigen Ausbau der erneuer- baren Energien. Die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktio- nen haben hierzu einen klaren Fahrplan festgelegt. Der deutschen EU-Ratspräsidentschaft ist es zu verdanken, dass sich die EU-Länder dazu verpflichtet haben, ihren CO2-Ausstoß bis 2020 um 30 Prozent zu reduzieren. Gleichzeitig soll bis zu diesem Jahr der Anteil der erneu- erbaren Energien 20 Prozent betragen. 2035 wollen wir dann 35 Prozent unseres Energiebedarfs über die Erneu- erbaren abdecken. Deutschland spielt in diesem Prozess eine Vorreiter- rolle. So können wir dieser Tage stolz verkünden, dass wir unser Ziel für 2010, nämlich 12,5 Prozent des Strom- bedarfs aus regenerativen Energien zu gewinnen, bereits in diesem Jahr erreicht haben. Dies ist auch ein Erfolg der rot-grünen Bundesregierung und ihres Einsatzes für das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Ebenso ein Erfolg ist der Beitrag der Erneuerbaren für das Wirtschaftswachs- tum in unserem Land. Im letzten Jahr erwirtschafteten die 214 000 Beschäftigten in der Branche einen Umsatz von 21,6 Milliarden Euro. Allein 2006 wurden durch die Nutzung erneuerbarer Energie 100 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermieden – ein wichtiger Beitrag zur Be- kämpfung des Klimawandels. Wir werden diesen erfolgreichen Weg weiter fortset- zen. Mit dem Marktanreizprogramm, einem hoffentlich bald zu beschließenden regenerativen Wärmegesetz und einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes schaf- fen wir die Voraussetzungen für einen weiteren Ausbau der regenerativen Energien in Deutschland. Aus Sicht der SPD-Fraktion kommt der Biomasse im Energiemix der Zukunft eine zentrale Rolle zu. Dies liegt zum einen an ihren vielfältigen Verwendungsmög- lichkeiten. So ist der Einsatz von Biomasse sowohl in der Strom- als auch in der Wärmeerzeugung sinnvoll, wobei der Einsatz der Kraft-Wärme-Kopplung aus öko- logischer wie ökonomischer Sicht stets Priorität haben sollte. Hinzu kommt, dass die Beschäftigungsintensität und damit die unmittelbare Schaffung von Arbeitsplät- zen bei der Nutzung von Biomasse deutlich über den herkömmlichen Energiegewinnungsverfahren in der EU liegt. Im Verkehrsbereich ist die Biomasse kurz- bis mittel- fristig die einzige regenerative Alternative zu fossilen Kraftstoffen. Und nicht zuletzt die Tatsache, dass 94 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien aus Biomasse stammen, unterstreicht die Bedeutung dieses 10982 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) Rohstoffs für eine sichere und klimafreundliche Energie- versorgung. Deshalb beschäftigen wir uns innerhalb unserer Frak- tion intensiv mit diesem Thema. Seit dieser Legislatur- periode gibt es unter meiner Leitung einen Arbeitskreis Biomasse, in dessen Rahmen wir viele wertvolle Er- kenntnisse gewonnen haben und der auch künftig als Im- pulsgeber für die gesamte Fraktion fungieren wird. Die steigende Bedeutung der Biomasse birgt auch für die Landwirte und die Entwicklung der ländlichen Räume ein enormes ökonomisches Potenzial. Betrug die Anbaufläche für Biomasse im Jahr 1993 noch 200 000 Hektar, wurden 2006 bereits auf 1,6 Millionen Hektar nachwachsende Rohstoffe vorwiegend auf Still- legungsflächen angebaut. Bis 2030 wird der Flächenbe- darf für Energiepflanzenanbau auf circa 4,4 Millionen Hektar geschätzt, was 25 Prozent der landwirtschaftli- chen Nutzfläche entspricht. Da ich selbst aus einem ländlichen Wahlkreis komme, sehe ich die positiven Ent- wicklungen, die sich mit der Nutzung von Biomasse ver- binden, jeden Tag vor meiner Haustür. Denn bei der Pro- duktion von Biomasse findet die Wertschöpfung vor Ort statt, was wiederum den Menschen in der Region zugu- tekommt. Eine Möglichkeit der Verwendung von Biomasse ist der Einsatz in Bioraffinerien, wie wir ihn heute diskutie- ren. Die Chemieindustrie gewinnt ihre organischen Che- mikalien im Wesentlichen aus Erdöl. Die steigende Nachfrage und die sich verbreitende Erkenntnis der Be- grenztheit der fossilen Vorräte sowie der damit verbun- dene Anstieg des Ölpreises haben dazu geführt, dass nun verstärkt auch nach alternativen Rohstoffen in der che- mischen Industrie gesucht wird, die mittel- und langfris- tig eine ausreichende und kostengünstige Rohstoffver- sorgung gewährleisten können. Dafür stehen der Chemieindustrie nur zwei Alternativen zur Verfügung: Kohle und Biomasse, wobei aus Umweltsicht Letztere zu bevorzugen ist, wenn diese nachhaltig angebaut wird und für ihre Nutzung effiziente Verfahren eingesetzt werden. Dieses Verfahren zeichnet sich gegenüber ande- ren Einsatzmöglichkeiten hauptsächlich durch eine bes- sere Energieeffizienz sowie hervorragende Dezentralisa- tionsmöglichkeiten aus. In Bioraffinerien werden aus nachwachsenden Rohstoffen wertvolle Rohstoffe er- zeugt, die in vielen Industriezweigen anstelle von Erdöl weiterverarbeitet werden. Ein weiterer positiver Effekt von Bioraffinerien ist, und das sage ich hier ganz klar, dass aufgrund der Nut- zung von allgemeiner und kostengünstiger Biomasse – wie Rest- und Abfallstoffe, aber auch Grüngut – der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen überflüssig und wirtschaftlich unattraktiv ist. Trotz der Kenntnisse um die Bedeutung der Biomasse und der Anerkennung der Vorteile von Bioraffinerien spreche ich mich dafür aus, den vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Denn auch wenn die im Antrag angesprochenen Punkte richtig sind; die Forderungen, die Sie daraus ableiten, brauchen wir heute nicht wieder zu beschließen, da sie längst politi- sche Realität sind. Die Herstellung chemischer Erzeugnisse aus nach- wachsenden Rohstoffen stellt die energie- und ressour- ceneffizienteste Lösung dar, da alle Teile der Pflanzen genutzt werden und die Synthesevorleistung der Natur gezielt genutzt wird. Reststoffe können anschließend zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Dies ist bereits heute Schwerpunkt der Umweltpolitik der Bundesregie- rung und braucht nicht noch einmal beschlossen zu wer- den. Ein entsprechendes Vorhaben wurde in den UFOPLAN aufgenommen. Die erforderlichen Mittel in Höhe von 106 000 Euro sind in den Bundeshaushalt 2007 eingestellt. Somit kommt eine Finanzierung dieses Neuvorhabens aus dem UFOPLAN-Globalansatz für po- litisch besonders bedeutsame Vorhaben infrage. Auch Ihre Forderung, die Bundesregierung möge eine nationale Biomassestrategie vorlegen, ist längst Realität. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, erarbeitet die Bundes- regierung derzeit unter Federführung des Bundesum- weltministeriums und des Bundesministeriums für Er- nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einen Nationalen Biomasseaktionsplan, in dem die Aspekte der Biomassenutzung durch Strom, Wärme und Bio- kraftstoffe enthalten sind sowie Ziele und Instrumente vorgeschlagen werden. Und an einer Strategie für die auch aus unserer Sicht wichtige stoffliche Nutzung der Biomasse wird gerade im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Rahmen eines stofflichen Biomasseaktionsplans gearbeitet. Wie Sie sehen, steht die Verbesserung der Rahmenbe- dingungen zur energetischen und stofflichen Nutzung von Biomasse sowohl bei der Bundesregierung als auch bei den Fachpolitikern unserer Fraktion ganz oben auf der Agenda. Trotzdem bin ich froh, dass ich heute die Gelegenheit hatte, dies hier im Plenum vorzustellen, und lade Sie ein, konstruktiv an Programmen und Initiativen zur noch effizienteren Nutzung der Biomasse mitzuar- beiten. Angelika Brunkhorst (FDP): Werte Fraktion Bünd- nis 90/Die Grünen, ich habe selten erlebt, dass eine ehe- malige Regierungspartei ihr eigenes Handeln so massiv selbst in Misskredit bringt. Aber lassen Sie mich von vorne beginnen. Auch Sie müssen einsehen, dass man am natürlichen Kohlenstoff- und Vegetationskreislauf nicht beliebig schnell drehen kann. Gerade in Europa stehen uns nur die Biomassemengen einer Vegetationsperiode im Jahr zur Verfügung. Weltweit verbrauchen wir aktuell aller- dings in nur einem Jahr die fossilen Energiereserven von einer Million Jahre. Wir müssen uns endlich mit Augenmaß an die Nut- zung der nachwachsenden Rohstoffe machen. Ziel der Politik ist es – nicht nur aus Klimaschutzgründen –, den Verbrauch und die Abhängigkeit vom Erdöl zu verrin- gern. An welcher Stelle der Nutzungskette wir dies aber tun, ist per Gesetz weder fest- noch vorzuschreiben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10983 (A) (C) (B) (D) Die Substitution von Erdöl sollte dort erfolgen, wo man durch den Einsatz von Biomasse die größten Men- gen ersetzen kann. Die Forschung im Bereich der Bio- raffinerien ist dazu ein hervorragender Ansatz. Wir müs- sen hier deutlich mehr leisten. Bioraffinerien sind ein guter Weg, die Biomasse effizient zu nutzen. Aber hier soll der Markt entscheiden, welche Grundstoffe er aus Biomasse gewinnen und verwenden will. Was wir nicht brauchen, sind marktfremde, selektive Förderkonzepte wie etwa für Biokraftstoffe. Die Biodie- selbranche zahlt dieser Tage den Preis dafür, dass sie Ih- rer Politik aufgesessen ist. Und dann schreiben Sie im vorliegenden Antrag auch BTL-Kraftstoffe als schlechte Alternative gleich mit ab. Einen Königsweg, den Sie als Regierungsfraktion noch auf Händen getragen haben. Und neue Studien brauchen wir auch nicht mehr. Ich verweise auf folgende Titel: „Stoffstromanalyse zur nachhaltigen energetischen Nutzung von Biomasse“, 294 Seiten aus dem Mai 2004, „Nachhaltige Biomasse- nutzungsstrategien im europäischen Kontext“, 182 Sei- ten aus dem Dezember 2004. Alles Ihr Werk – ohne Konzept! Wir brauchen Forschung und Forschungsanwendun- gen, konkrete Projekte, die neue Nutzungsmöglichkeiten aufzeigen, und keine per Gesetz verordneten Anwendun- gen! Wir müssen uns verstärkt um die Nutzung von Bio- masseabfällen und Reststoffen kümmern. Oftmals lässt sich an eine stoffliche Nutzung eine energetische Ver- wendung anschließen. Wir brauchen integrierte Nut- zungskonzepte und regionale Stoffkreisläufe. Dazu wird es dann auch gezielte Unterstützung ge- ben, wenn das Biomasseforschungszentrum in Leipzig die Arbeit aufnimmt. Die Anbauflächen für Biomasse stehen in einer Kon- kurrenz zwischen Energieproduktion und Nahrungs- und Futtermitteln, chemischen Grundstoffen oder Baumate- rialien, aber auch Ansprüchen des Naturschutzes oder des Tourismus. Wir müssen die Anreize so setzen, dass die Biomasse dort zum Einsatz kommt, wo es wirklich gesamtökono- misch am besten ist. Maßen wir uns nicht schon wieder an, die Weisheit zu besitzen, die beste Technik per Ge- setz festlegen zu können. Insgesamt darf es nicht zu überzogenen Flächenkonkurrenzen kommen, denn dann ist zu erwarten, das die Lebensmittelpreise – über Um- wege – praktisch per Gesetz verteuert werden. Bleibt noch die Frage, warum Sie mit diesem Antrag auch die Gentechnik gleich mit erschlagen wollen. Das hat, bezogen auf die Biomasse, hier doch erst einmal gar nichts zu suchen. Allerdings freue ich mich schon jetzt auf das Enzym aus dem Stoffwechsel gentechnisch ver- änderter Bakterien, das den Aufschluss von Lignozellu- lose wesentlich erleichtert. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Notwen- digkeit der Energiewende ist unbestritten. Auch dass eine zukunftsfähige Energieversorgung auf Energieeffi- zienz und erneuerbaren Energien basieren muss, ist klar. Deshalb ist es notwendig, jetzt die entscheidenden Wei- chen zu stellen. Das ist der Bundesregierung aber offen- bar nicht bewusst. Wie sonst kann es sein, dass der Emissionshandel nach den Wünschen der Kohlelobby zurückgestutzt wird? Wir warten vergebens auf ein Er- neuerbare-Energien-Wärmegesetz und die KWK-No- velle. Und kann sich noch irgendjemand an den Energie- gipfel erinnern? Wir halten fest: Die Bundesregierung regiert den Stillstand. So ist kein Klimaschutz zu machen. Auch im Bereich Bioenergie häufen sich die Defizite. Biomasse kann zukünftig einen Teil der fossilen Brenn- stoffe ersetzen. Doch dazu braucht es eine Strategie. Alle Oppositionsparteien fordern von der Bundesregierung endlich ein Nachhaltigkeitskonzept für Biomasseim- porte. Wie die naturverträgliche Nutzung der Bioenergie in Deutschland aussehen soll, ist auch völlig offen. Statt- dessen besteuert der Bundesfinanzminister die reinen Biokraftstoffe, bis die Bauern pleite sind, und Minister Gabriel lässt Bioethanol in einem großindustriellen Stil erzeugen, der riesige Monokulturen für die nötigen Bio- energiepflanzen erzwingt. Natürlich macht es auch keinen Sinn, Biogas nur zur Stromerzeugung heranzuziehen und die Wärme verpuf- fen zu lassen. Eine Biogasförderung darf es in Zukunft deshalb nur dann geben, wenn mit Kraft-Wärme-Kopp- lung gleichermaßen Strom und Wärme produziert wer- den. Es wird Zeit, dass wir uns in der Energiepolitik von alten Denkmustern lösen. Wir müssen weg vom Groß- kraftwerksdenken und hin zu dezentralen Strukturen und regionalen Kreisläufen. Kommunen können genauso energieautark wirtschaften wie Industriebetriebe. Nur so ist es möglich, die vielfältigen Potenziale der Bioenergie auszunutzen. Umso erstaunlicher ist der Antrag der Kollegen von den Grünen, die jetzt offenbar auf den Industriekurs von Minister Gabriel einschwenken. Sie wollen industrielle Bioraffinerien als „eierlegende Wollmilchsau“. Natürlich macht es Sinn, die verfügbaren Biomasse- potenziale in Deutschland zu untersuchen, die alle Ver- wendungsbereiche mit einbezieht. Aber das fordern wir schon seit langem – und ich bezweifle mittlerweile, dass von dieser „Regierung der kleinsten Nenner“ eine Strate- gie zu erwarten ist. Ob am Ende die Lösung in Raffine- rien zu finden ist, muss aber bezweifelt werden. Wir sagen deshalb: Bioenergien müssen in der Breite gefördert werden – und in allen Bereichen: Verstromung, Wärme, Biokraftstoffe, Chemie, Baustoffe und Dämm- material. Die Fokussierung auf einzelne Technologien bremst die Entwicklung der Bioenergien, wie die Cho- ren-Fabrik zeigt. Den Antrag lehnen wir deshalb ab. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Inzwischen ist weitgehend anerkannt, dass unsere Ge- sellschaft unabhängig vom Erdöl werden muss. Diese Notwendigkeit gilt aber nicht nur für den Energiebe- 10984 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 (A) (C) (B) (D) reich, sondern selbstverständlich auch für die stoffliche Nutzung in der Chemie- und Kunststoffindustrie. Als Er- satz für das Erdöl kommt vor allem der Biomasse eine zentrale Rolle zu. Sie ist ein universeller Rohstoff und Energieträger. Aufgrund ihrer vielfältigen Eigenschaften ist sie nicht nur zur Strom- und Wärmeerzeugung und zur Herstellung von Biokraftstoffen geeignet, sondern sie kann darüber hinaus auch als Rohstoff für die Che- mie- und Kunststoffindustrie genutzt werden. Gerade wegen dieser vielfältigen Eigenschaften ist Biomasse in- zwischen ein begehrter Rohstoff und Energielieferant, der aber im Gegensatz zu Sonne, Wind und Erdwärme eine begrenzte Ressource ist. Und das ist für uns Grüne der entscheidende Punkt. Gerade weil wir um diese Be- grenztheit wissen, kommt es darauf an, rechtzeitig die notwendigen Weichen zu stellen und auch im Bereich der Biomassenutzung den Effizienzgedanken in den Vor- dergrund zu stellen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist genau der Grund, warum wir heute unseren Antrag zur Förderung von Bioraffinerien einbringen. Denn Bioraffinerien tun genau dies: Sie nutzen Biomasse effizient, indem sie diese in ihrer Gesamtheit aufschließen und neben Ener- gie und Biokraftstoffen auch wertvolle Rohstoffe für die stoffliche Nutzung in der Chemie- und Kunststoffindus- trie aus der eingesetzten Biomasse gewinnen. Aber nicht nur das, Bioraffinerien erweitern außerdem das Roh- stoffspektrum, indem sie vor allem auch Rest- und Ab- fallstoffe in hochwertige Rohstoffe umwandeln. Noch erlauben wir uns einen sehr großzügigen Umgang mit den nachwachsenden Rohstoffen, indem wir bei der Nut- zung den Substitutionsgedanken in den Vordergrund stellen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass die bisher praktizierten Verfahren zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe wenig aufeinander aufbauen, sondern weitge- hend nebeneinander arbeiten. Wenn wir aber in allen Wirtschaftbereichen unabhängig vom Erdöl werden wol- len, müssen wir viel stärker als bisher den Effizienzge- danken in den Vordergrund stellen und zwar in zwei Richtungen: sowohl hin zu niedrigerem Verbrauch als auch in Richtung einer effizienteren Nutzung der vor- handenen Biomasse in Bioraffinerien. Denn davon sind wir Grünen überzeugt: Nur im Zusammenspiel von Effi- zienz und Substitution wird eine umweltverträgliche und nachhaltige Abkehr vom Erdöl gelingen. Lassen sie mich an dieser Stelle besonders auf die Rohstoffsituation der chemischen Industrie eingehen. Wir Grüne haben immer darauf hingewiesen, dass eine Strategie „Weg vorn Erdöl“ eine Strategie sein muss, die alle Wirtschaftsbereiche – also auch die Produktion von Gütern und Waren – einschließt. Die chemische Indus- trie hat dies aber bisher immer mit dem Hinweis abge- lehnt, dass man vor allem durch Einsparungen im Ener- giebereich das Erdöl für die stoffliche Nutzung sichern kann. Doch tatsächlich ist die chemische Industrie schon längst auf der Suche nach Alternativen zum Erdöl. Sie sucht bloß an der falschen Stelle. So plant zum Beispiel die BASF die Errichtung einer Kohlevergasung, in der ein Teil des erzeugten „Syngases“ als Rohstoff für die Chemieproduktion dienen soll. Doch Kohle – das sage ich ganz klar an die Adresse der chemischen Industrie – ist keine Alternative! Abgesehen von den Umweltschä- den, die durch die Kohleförderung entstehen, ist das Ver- fahren der Kohlevergasung nicht nur uralt – also ein alter Hut von gestern –, es ist außerdem uneffizient und ener- getisch ungünstig. Es wäre außerdem – wenn über- haupt – nur mit der CCS Technologie CO2-arm zu be- treiben. Das heißt also, mit einer Technologie, von der in den Sternen steht, ob es sie überhaupt jemals geben wird. Die Lösung eines Rohstoffproblems kann doch nicht wirklich heißen: zurück in die Zeit des vorherigen Jahr- hunderts. Das wäre in etwa so, als ob man zum Beispiel im Verkehrsbereich die alte kohlegefeuerte Dampflok re- aktivieren würde, die man ja vielleicht mit CCS mal emissionsarm betreiben könnte. Wir wollen dagegen Probleme mit ökologischen Innovationen lösen und eine solche Lösung heißt hier, dass wir mit Bioraffinerien Biomasse effizienter nutzen und so neue Ressourcen – auch für die Chemie- und Kunststoffindustrie – er- schließen! Wir brauchen endlich eine Biomassestrategie, die alle Bereiche der Biomassenutzung – Verstromung, Wärme, Biokraftstoffe und Nutzung in der Chemie- und Kunst- stoffindustrie – mit einbezieht und verbindliche Zielvor- gaben formuliert und die dafür notwendigen Instrumente benennt. Dazu gilt es nun, die politischen Weichen zu stellen. Deshalb unterstützen Sie unseren Antrag. Setz- ten Sie sich mit dafür ein, dass vor allem die For- schungsanstrengungen im Bereich der Bioraffinerietech- nologie erheblich intensiviert werden und endlich Bioraffineriepilotanlagen aufgebaut werden. Anlage 9 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im ersten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2005 (vorläufige Haushaltsführung bis 8. März 2005) – Drucksachen 15/5511, 15/5634 Nr. 1.4, 16/820 Nr. 29 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im zweiten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2005 – Drucksachen 15/5969, 16/480 Nr. 1.23 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 10985 (A) (C) (B) (D) Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im dritten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2005 – Drucksachen 16/133, 16/282 Nr. 3 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2005 Über- und außerplanmäßige Ausgaben und Verpflich- tungsermächtigungen im vierten Vierteljahr des Haus- haltsjahres 2005 – Drucksachen 16/1097, 16/1476 Nr. 1.2 – Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments 2005 – Drucksache 16/528 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Finanzausschuss Drucksache 16/5199 Nr. 2.12 Drucksache 16/5199 Nr. 2.19 Drucksache 16/5199 Nr. 2.27 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drucksache 16/5199 Nr. 1.5 Drucksache 16/5199 Nr. 2.51 Drucksache 16/5329 Nr. 2.2 Drucksache 16/5329 Nr. 2.5 Drucksache 16/5505 Nr. 1.3 Drucksache 16/5505 Nr. 2.6 Drucksache 16/5505 Nr. 2.13 Drucksache 16/5505 Nr. 2.18 Drucksache 16/5505 Nr. 2.20 Drucksache 16/5505 Nr. 2.27 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 16/5199 Nr. 2.28 Drucksache 16/5329 Nr. 1.4 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 16/5199 Nr. 2.7 Drucksache 16/5199 Nr. 2.13 Drucksache 16/5199 Nr. 2.14 Drucksache 16/5199 Nr. 2.48 106. Sitzung Berlin, Freitag, den 22. Juni 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610600000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie
herzlich und wünsche Ihnen einen guten Morgen und
gute Beratungen.

Es gibt heute Morgen nicht einmal irgendetwas zu
vermelden, was uns vom unverzüglichen Eintritt in die
Tagesordnung abhalten könnte.

Ich rufe also gleich unseren Tagesordnungspunkt 25
auf:

– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-
tionen der CDU/CSU und der SPD eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel
im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008
bis 2012

– Drucksache 16/5240 –

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Änderung der Rechtsgrundlagen
zum Emissionshandel im Hinblick auf die
Zuteilungsperiode 2008 bis 2012

Rede
– Drucksache 16/5617 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (16. Ausschuss)


– Drucksache 16/5769 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)

Frank Schwabe
Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Dr. Reinhard Loske

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag
Die Linke vor. Über den Gesetzentwurf de
der CDU/CSU und der SPD werden wir sp
lich abstimmen.
tzung

n 22. Juni 2007

.00 Uhr

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
diese Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. –
Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Frank Schwabe für die SPD-Frak-
tion.


(Beifall bei der SPD)



Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1610600100

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und

Herren! Wem das bisher nicht klar war, der weiß es jetzt
nach anderthalbjähriger Diskussion über den Emissions-
handel in der zweiten Periode: Klimaschutz gibt es nicht
zum Nulltarif.

Durch den Klimaschutz werden unsere Form der Ener-
gieerzeugung und unsere Form des Wirtschaftens in
wirklich revolutionärer Weise geändert. Das bringt unter
dem Strich volkswirtschaftliche Vorteile und damit Vor-
teile für alle, und das hilft vor allem denjenigen – auch
betriebswirtschaftlich –, die die Zeichen der Zeit früh-
zeitig erkennen.

text
Immer wenn es konkret wird, gibt es aber massive
Widerstände aus nachvollziehbaren, sehr individuellen
– man könnte auch sagen: egoistischen; was ich gar
nicht abwertend meine – Gründen. Zum Teil sind es gute
Argumente, zum Teil ist es aber auch hanebüchener Un-
sinn. Es hilft aber nichts: Die Bedingungen sind gesetzt.
Wer im Rahmen internationaler Konferenzen und in Ab-
kommen A sagt, der muss national auch B sagen wollen.


(Beifall bei der SPD)


Mit dem vorliegenden Zuteilungsgesetz tun wir nichts
anderes, als unsere internationalen und insbesondere eu-
ropäischen Verpflichtungen umzusetzen. Die Vorgabe

lautete 453 Millionen Tonnen pro Jahr –
ir erreichen diese Reduktion auf 453 Mil-
. Mit diesem sehr ambitionierten Cap bzw.

h – dieser Obergrenze stellen wir sicher,
der Fraktion
r Fraktionen
äter nament-

aus Europa
nicht mehr. W
lionen Tonnen
– auf Deutsc

dass das im Kiotoprotokoll verankerte Ziel der Reduzie-






(A) (C)



(B) (D)


Frank Schwabe
rung um 21 Prozent von 1990 bis 2012 erreichbar ist und
möglicherweise sogar übererfüllt wird.

Während der langen Diskussionszeit entstand hin-
sichtlich dieses Gesetzes eine Lernkurve – Bundesminis-
ter Gabriel hat das immer wieder deutlich gemacht –:
Dass während dieser Zeit das Thema Klimaschutz in der
Bedeutung für die Menschen in unserem Land von Platz
zehn auf Platz eins geschnellt ist, hat natürlich auch ge-
holfen, den Emissionshandel besser zu machen.

Am Ende liegt uns jetzt ein Gesetz vor, mit dem im
Gegensatz zur ersten Periode eine CO2-Senkung von
rund 57 Millionen Tonnen vorgesehen ist. Uns liegt ein
Gesetz vor, das aufgrund der Abschmelzung von 58 Re-
gelkombinationen und der Einführung von Benchmarks
deutlich transparenter und einfacher ist. Uns liegt ein
Gesetz vor, durch das mit den Industrieunternehmen die-
jenigen kaum belastet werden, die im harten internatio-
nalen Wettbewerb stehen, und durch das mit den Unter-
nehmen der Energiewirtschaft diejenigen sehr wohl
belastet werden, die hohe Einsparpotenziale haben und
einem Wettbewerb kaum ausgesetzt sind.

Mit dem Emissionshandel in der zweiten Periode
wird genau das getan, was getan werden muss. Manche
wundern sich vielleicht darüber. Es werden Anreize zur
Reduzierung von CO2-Emissionen gesetzt. Je weniger
CO2-Ausstoß, desto besser. Vor allem wird der Anreiz
gesetzt, neue und effizientere Kraftwerke zu bauen.

Richtig ist, dass wir massiv in Energieeffizienz und
erneuerbare Energien investieren müssen mit dem Ziel
des vollständigen Ersatzes fossiler Energieträger in Zu-
kunft. Dieses Ziel wird allerdings weder heute noch
morgen erreicht. Wir müssen aber eine Antwort auf die
Frage geben, wo wir morgen die Energie herbekommen
werden. Deshalb werden für eine Übergangszeit auch
fossile Energieträger genutzt werden müssen. Das gilt
ausdrücklich auch für die Braunkohle. Auch wenn es
keinen gesonderten Benchmark gibt, kenne ich keine se-
riöse Untersuchung, die die Wettbewerbsfähigkeit der
heimischen Braunkohle in der Emissionshandelsperiode
2008 bis 2012 infrage stellt.

Die Gewinnmargen – sie waren in den letzten Jahren
exorbitant hoch – der Unternehmen, die den klimaschäd-
lichsten Energieträger verstromen, werden sicherlich
kleiner werden. Dieses Preissignal liegt aber durchaus in
der Logik des Emissionshandels, der im Kern ein Klima-
schutzinstrument ist.

Strukturbrüche sowohl in den Braunkohleregionen als
auch im Bereich der Energiesicherheit wollen wir aber
vermeiden. Das gelingt mit dem Gesetzentwurf. Für die
Zukunft nach 2012 bedeutet das aber, dass die Technik der
Abscheidung und Lagerung von CO2 – CCS genannt –
sehr schnell erfolgreich sein muss. Andernfalls würde die
Braunkohle bei einem notwendigerweise weiter anstei-
genden CO2-Preis zwangsläufig in eine schwierige Si-
tuation geraten. Das geschieht aber in der Emissionshan-
delsperiode 2008 bis 2012 ausdrücklich nicht.

Ich will das nicht zu sehr zuspitzen, damit noch Spiel-
räume bleiben. Aber diejenigen in den Ländern, die sich
mit dem Emissionshandel anscheinend nur sehr bedingt
auskennen – mein Heimatland NRW macht sich dabei
leider besonders bemerkbar –, sollten das Zündeln las-
sen. Das Lobbying mancher Landesregierung für zwei
nicht gerade vor der Pleite stehende Unternehmen in
Deutschland droht dann, wenn der Zeitplan für den
Emissionshandel in Verzug gerät, zu einem Hindernis
für andere viele Hundert Unternehmen zu werden.

Ich kann nur dringend zur Besinnung und sofortigen
Einkehr raten. Der Gesetzentwurf steht. Weitere Verzö-
gerungen auf Länderseite werden nichts ändern; sie wer-
den nur Unsicherheiten für die Unternehmen mit sich
bringen, die ab 1. Januar des kommenden Jahres Klar-
heit darüber erwarten dürfen, wie viele Zertifikate ihnen
zur Verfügung stehen.


(Beifall bei der SPD)


Ein Highlight des Emissionshandels ist die Veräuße-
rung von fast 10 Prozent der Zertifikate, zunächst im
Wege des Verkaufs, dann im Wege der Versteigerung.
Mit dieser Maßnahme, die in langen und umfänglichen
Diskussionen letztlich durch die Arbeit im Parlament zu-
stande gekommen ist, setzen wir uns an die europäische
Spitze. Damit überrunden wir Großbritannien, wo
7 Prozent der Emissionsrechte öffentlich versteigert wer-
den, und geben ein starkes Signal für eine umfassende
europäische Versteigerung nach 2012.

Es ist richtig, dass die Einnahmen im Hause des Bun-
desumweltministers veranschlagt und für Klimaschutz-
maßnahmen vorgesehen werden. Die Reaktionen der
Energiewirtschaft dazu sind unterirdisch. Wer jetzt einen
höheren Strompreis ankündigt, der versucht, die Men-
schen zu „vereimern“, wie wir im Ruhrgebiet sagen wür-
den.

Tatsache ist, dass aufgrund der Situation mangelnden
Wettbewerbs die Kundinnen und Kunden schon jetzt die
Zeche für die den Stromkonzernen kostenlos zugeteilten
Zertifikate gezahlt haben. Falls die Preise trotzdem er-
höht werden, kann man in einem solchen Fall von Volks-
verdummung – das lässt sich nicht anders bezeichnen –
nur auffordern, den Stromversorger zu wechseln, und
zwar am besten zu einem Ökostromanbieter.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Abschließend habe ich noch eine Bitte an den Koali-
tionspartner. Das kann ich Ihnen leider nicht ersparen.
Klären Sie mit Ihrer Bundeskanzlerin


(Dr. Georg Nüßlein keine?)


– sie ist gerade auf Reisen – Ihre gemeinsame Haltung
zum Klimaschutz. Ich will nicht verhehlen, dass wir in
der SPD-Fraktion um den richtigen Weg zu einer ausge-
wogenen Haltung gegenüber Klimaschutz und Wettbe-
werbsfähigkeit ringen. Was Sie angeht, habe ich aller-
dings den Eindruck, dass das nicht geklärt ist und dass
Sie es auch nicht klären wollen. Es gibt nämlich einen
eklatanten Widerspruch zwischen den großen Worten
der Bundeskanzlerin und der Glos’schen Union, die bei
jeder Art von Klimaschutz auf der Bremse steht und je-
dem Lobbyinteresse nachgeben will.






(A) (C)



(B) (D)


Frank Schwabe
Ich will uns die Einzelheiten aus unseren Gesprächen
ersparen – das gehört auch nicht hierher – und nur noch
einen Punkt ansprechen: Der Gesetzentwurf trägt vor al-
lem die Handschrift der SPD, und das ist auch gut so.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bitte klären Sie das, weil es in den nächsten Monaten
weitere wichtige Gesetzentwürfe zum Klimaschutz ge-
ben wird.

Die Opposition fordere ich auf: Üben Sie Kritik, aber
tun Sie das bitte differenziert, wie es dem Gesetzentwurf
gerecht wird! In den wesentlichen Punkten wie dem
Cap, der Versteigerung


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610600200

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.


Frank Schwabe (SPD):
Rede ID: ID1610600300

– ja – und der Ablehnung eines eigenen Braunkohle-

benchmarks gibt es eine große Übereinstimmung. Es
wäre schön, wenn Sie das neben Ihrer Kritik entspre-
chend würdigen würden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und dafür,
dass der Gesetzentwurf durch die namentliche Abstim-
mung die ihm gebührende Aufmerksamkeit bekommen
wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610600400

Herr Kollege, der Hinweis auf die namentliche Ab-

stimmung ist technisch zutreffend. Wir sollten aber den
Eindruck vermeiden, dass sich die Relevanz eines Geset-
zes ernsthaft nur daran testen ließe, ob es den krönenden
Abschluss einer namentlichen Abstimmung erfährt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das Wort erhält nun der Kollegen Michael Kauch für
die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1610600500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Libe-

rale sind der Überzeugung, dass der Emissionshandel
das kostengünstigste Klimaschutzinstrument ist, und
zwar dann, wenn wir die Rahmenbedingungen richtig
setzen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was die Emissionsbegrenzung angeht – da hat der
Kollege Schwabe recht –, ist ein Fortschritt gegenüber
der letzten Handelsperiode festzustellen. Dieser Fort-
schritt ist aber kein Resultat der Politik des Umwelt-
ministers; das hat einzig und allein die Europäische
Kommission gegen die Bundesregierung durchgesetzt.

(Renate Künast NEN)

ren! Nicht so schüchtern!)

Außerdem gibt es einen schweren Fehler im Detail.
Die Experten in der Ausschussanhörung waren sehr ein-
hellig der Meinung, dass die Reserve für Neuanlagen
viel zu niedrig ist. Sie reicht nämlich gerade einmal für
die zusätzlichen Kohle- und Gaskraftwerke, die Ihr
Atomausstieg erforderlich macht. Wirtschaftswachstum
ist schlichtweg nicht vorgesehen. Wenn Sie verantwortli-
che Politik machen wollen, dann müssen Sie entweder
die Reserve erhöhen oder – besser noch – die Laufzeiten
der Kernkraftwerke verlängern. Dann haben Sie mehr
Spielraum für Emissionsminderungen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kommen wir zum Streit um die Kohle. Da sage ich
zunächst ganz klar: Wenn man, wie die Grünen bzw. wie
Frau Künast es letztens gefordert hat, parallel zum
Atomausstieg auch noch aus der Kohle aussteigen
würde, hätte das die Konsequenz, dass wir noch abhän-
giger vom russischen Erdgas würden. Das können Sie
wollen – wir wollen das nicht.


(Beifall bei der FDP)

Wir meinen, wir brauchen auf mittlere Sicht auch noch
Kohlekraftwerke in Deutschland.

Eines ist auch klar: Die Kohle wird nur dann eine Zu-
kunft in Deutschland haben, wenn wir auf Kohlekraft-
werke umsteigen, die CO2 abscheiden und einlagern,
statt es in die Luft abzugeben. Diese Kraftwerke werden
niemals eine Chance haben, wenn wir die Kohlekraft-
werke mit alter Technologie auch nach 2012 weiter mit
Emissionsrechten nach Bedarf ausstatten. Das muss sich
in der nächsten Handelsperiode ändern.

Wir dürfen den fossilen Kraftwerkspark nicht auf
Dauer festschreiben. Wir dürfen aber auch keine kurz-
fristigen Verwerfungen verursachen. Deshalb wäre ein
einheitlicher Benchmark für Gas- und Kohlekraftwerke
zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal, weil es die
Versorgungssicherheit riskieren würde.

Die Versorgungssicherheit ist aber kein Argument da-
für, die Braunkohle dauerhaft gegenüber der Steinkohle
zu bevorzugen. Das kann man mit der Versorgungssi-
cherheit nicht begründen.


(Beifall bei der FDP)


Die Kohle bekommt schon doppelt so viele Zertifikate
wie Gaskraftwerke, und die Braunkohle durch die Hin-
tertür noch einen Zuschlag. Das ist schon zu viel, nicht
zu wenig; denn je mehr Emissionsrechte wir den Braun-
kohlekraftwerken schenken, desto mehr müssen wir bei
anderen Anlagen einsparen, weil sich das Volumen nicht
erhöht. Da muss ich ganz klar sagen: Wir können nicht
die Energieversorger, die mit dem Emissionshandel der
letzten Periode Milliardengewinne erzielt haben, besser-
stellen zulasten von Industrieunternehmen, die im inter-
nationalen Wettbewerb stehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(D)


Michael Kauch
Als jemand, der aus Nordrhein-Westfalen kommt,
sage ich: Auch regionalpolitisch dürfen wir nicht blauäu-
gig sein. Was ich dem Braunkohlekraftwerk der RWE im
Rheinland zusätzlich schenke, muss ich dem Steinkohle-
kraftwerk der Eon in Gelsenkirchen oder dem Chemie-
park in Marl wegnehmen. Ich würde mir wünschen, dass
auch das in der Diskussion eine Rolle spielt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch sonst sollten wir den Stromkonzernen nicht auf
den Leim gehen. Eine Zuteilung von 10 Prozent unter
Bedarf wird nicht dazu führen, dass man die Investitio-
nen, die man in den Braunkohleregionen getätigt hat,
jetzt einfach in die Tonne kloppt. Da wird natürlich wei-
ter produziert.


(Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD])


Deshalb ist nicht Angst, sondern Innovation das Gebot
der Stunde.

Der Emissionshandel braucht mehr Markt. Er braucht
– das habe ich gerade in den letzten Tagen erfahren – we-
niger Lobbyismus. Es gibt einen Kampf der Lobbyisten
um die Emissionsrechte; jedes Unternehmen, jede Bran-
che zerrt an der Politik, um möglichst viel vom Kuchen
geschenkt zu bekommen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für welche Partei halten Sie eigentlich diese Rede?)


Dann geschieht nur eines: Die vier Stromkonzerne ma-
chen sich zulasten der Verbraucher die Taschen voll.
Deshalb müssen wir zu einer Versteigerung der Emis-
sionsrechte kommen.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir begrüßen, dass die Bundesregierung nach mona-
telangem Widerstand hier endlich der Forderung der
FDP gefolgt ist. Was wir aber gar nicht begrüßen, ist die
Verwendung der Versteigerungserlöse. Der Bundesum-
weltminister, der monatelang im Plenum das Blaue vom
Himmel versprochen und uns erzählt hat, was alles
Schlimmes passiere, wenn die Versteigerung komme,
sackt nun die Versteigerungserlöse ein. Klar ist nur, dass
er sie bekommt. Aber was damit gemacht wird, hat die
Koalition nicht entschieden. Der Verteilungskampf be-
ginnt bei den Haushaltsberatungen erneut.


(Beifall bei der FDP)


Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir heute Mit-
tag auf Initiative der Entwicklungspolitiker eine Debatte
über den Klimaschutz in den Entwicklungsländern füh-
ren. Sie haben festgelegt, dass der Bundesumweltminis-
ter das Geld bekommt. Aber der Antrag der Koalition
zum Klimaschutz in den Entwicklungsländern enthält
die Forderung, dass die Mittel aus dem Versteigerungs-
erlös auch in den Entwicklungsländern investiert werden
sollen. Was denn nun? Wer soll das Geld erhalten: der
Umweltminister oder Frau Wieczorek-Zeul? Sie wissen
nicht, was Sie wollen. Die rechte Hand weiß nicht, was
die linke Hand tut. Das ist typisch für die Koalition in
diesen Tagen.


(Beifall bei der FDP)


Die FDP setzt dieser Basarpolitik eine klare Forde-
rung entgegen. Geben Sie das Geld aus dem Versteige-
rungserlös denjenigen zurück, denen es gehört: den Ver-
braucherinnen und Verbrauchern in diesem Lande, die
den Emissionshandel mit der Einpreisung der verschenk-
ten Zertifikate in der Vergangenheit bereits bezahlt ha-
ben! Denn mit dem Erlös könnte die Stromsteuer ge-
senkt werden, und damit könnten auch die Strompreise
sinken, nicht steigen. Das Geld gehört nicht dem Finanz-
minister und erst recht nicht dem Umweltminister, son-
dern den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610600600

Das Wort erhält nun die Kollegin Katherina Reiche,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1610600700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

beraten heute mit dem Entwurf eines Zuteilungsgesetzes
das zentrale klimapolitische Vorhaben der Bundesregie-
rung. Schauen wir einmal zurück, was wir vorgefunden
haben. Was hat Rot-Grün damals beschlossen? Es wur-
den – dafür ist Herr Trittin verantwortlich – zu viele
Emissionszertifikate ausgegeben. Das heißt, die Unter-
nehmen haben in der ersten Handelsperiode sehr viel
mehr Zertifikate erhalten, als sie benötigen. Die Konse-
quenzen sind heute an der Börse sichtbar: Emissionszer-
tifikate haben derzeit einen Wert von rund 10 Cent. Der
Handel ist faktisch tot.

Sie haben die Zuteilungsregeln bürokratisch, kompli-
ziert und unübersichtlich gestaltet. Sie haben 58 verschie-
dene Regelkombinationen geschaffen. Eine Vielzahl von
Ausnahmeregelungen verhinderte Modernisierungsan-
reize. Die Regelung, wonach schon damals 5 Prozent der
Zertifikate hätten versteigert werden können, ließen Sie
ungenutzt. Nun wollen Sie es besser wissen. Das halte ich
für scheinheilig. Ich glaube, dass Sie dieser Regierung
und der Bundeskanzlerin den Erfolg beim Klimaschutz
nicht gönnen. In zwei Jahren dieser Koalition ist beim
Klimaschutz mehr passiert als in sieben Jahren Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Als Fazit kann man festhalten, dass der grüne Emis-
sionshandel nicht funktioniert hat. Stattdessen hat er
dazu geführt, dass die Stromversorger die Strompreise
durch die Einpreisung der kostenlos zugeteilten Emis-
sionszertifikate in die Höhe getrieben haben und soge-
nannte Windfall-Profits erzielt wurden. Die Stromver-
braucher wurden in Milliardenhöhe zur Kasse gebeten.
Wir haben uns vorgenommen, hier Änderungen vorzu-
nehmen. Deshalb haben wir das System vereinfacht. Wir
haben Ausnahmeregelungen gestrichen und die Transpa-
renz des Systems erhöht. Wir haben zudem die Gesamt-

(B)







(A) (C)



(B) (D)


Katherina Reiche (Potsdam)

menge, die zur Verfügung steht, um 57 Millionen Ton-
nen pro Jahr deutlich reduziert und kommen damit dem
Kiotoziel ein ganzes Stück näher. Außerdem sorgt
Michael Glos mit der GWB-Novelle für mehr Wettbe-
werb auf dem Strommarkt. Auch das ist ein Fortschritt
für unser Land.

Darüber hinaus haben wir Wort gehalten, indem wir
der im Koalitionsvertrag enthaltenen Verpflichtung
nachgekommen sind, Windfall-Profits bei den Stromer-
zeugern zumindest teilweise zu verhindern.

Deshalb haben wir in den Verhandlungen festgelegt,
dass ab 2008 pro Jahr 40 Millionen Tonnen des Emis-
sionsbudgets zunächst zum Marktwert an der Börse ver-
kauft und dass spätestens ab 2010 die Zertifikate verstei-
gert werden. Auch das ist ein wichtiger Schritt, um die
Effizienz des Systems zu verbessern.

Die Emissionszertifikate für die Veräußerung werden
ausschließlich von den Stromerzeugern erbracht. Die
Industrie ist hiervon ausgenommen. Auch das hat einen
Grund: Die Stromerzeuger können den Wert der Zertifi-
kate recht einfach abwälzen. Aber eine Glasfabrik für
Spezialglas kann nicht einfach die Preise für ihre Pro-
dukte erhöhen. Diesem Umstand haben wir Rechnung
getragen. Einige Stromversorger haben bereits angekün-
digt, als Folge der Veräußerung die Strompreise zu erhö-
hen. Ich halte das für eine etwas unglückliche Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich möchte festhalten, dass der überwiegende Teil der
Zertifikate nach wie vor kostenlos zugeteilt wird. Nur
der geringere Teil muss ersteigert werden. Ich glaube,
dass das eine richtige Entscheidung war.

Inzwischen überschlagen sich die Vorschläge, wie
diese Mittel verwendet werden sollen. Herr Bundesmi-
nister, Sie haben vorgeschlagen, diese Mittel für Klima-
schutzmaßnahmen zu verwenden. Ich persönlich habe
durchaus Sympathie für diesen Vorschlag. Allerdings
hätte ich mir schon gewünscht, dass Sie deutlich ge-
macht hätten, dass es die Parlamentarier der Koalitions-
fraktionen waren, die diese Entscheidung zur Veräuße-
rung getroffen haben. Es ist noch gar nicht so lange her
– ich kann mich gut daran erinnern –, dass Sie Ihre Sym-
pathie für den jetzt gefundenen Kompromiss zumindest
nicht besonders deutlich haben erkennen lassen. Ich
freue mich, dass Sie Ihre Meinung geändert haben. Al-
lerdings hätte ich es als fair empfunden, wenn Sie er-
wähnt hätten, wer Sie dazu gebracht hat.

Herr Kauch, im Gesetz ist nicht festgeschrieben, dass
der Bundesumweltminister das Geld erhält und darüber
verfügen kann. Im Gesetz steht ganz klar, dass während
der Haushaltsverhandlungen über die Verteilung des
Geldes gesprochen wird. Wir haben uns eindeutig gegen
Vorfestlegungen ausgesprochen, und wir werden an der
Verordnung mitwirken, in der festgelegt wird, wie der
Emissionshandel im Detail gestaltet wird. Dieses wich-
tige Recht des Parlamentes haben wir hier gewahrt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Uns ist es gelungen, ein Mittelstandspaket zu verab-
schieden, von dem ich nur einige Punkte nennen möchte.
Wir haben die spezifische Härtefallregelung für mittel-
ständische Unternehmen verbessert. Die Schwelle ist
von 5 Millionen auf 8 Millionen Tonnen angehoben
worden. Dies hilft insbesondere der Zement-, Kalk- und
Glasindustrie. Die unterstellten Betriebsstunden bei der
Glasindustrie sind erhöht worden, ebenso die für Anla-
gen zur Herstellung von Propylen und Ethylen. Auch bei
Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen zur Herstellung von
Bioethanol werden die Betriebsstunden erhöht. Die Un-
ternehmen erhalten somit mehr Zertifikate. Durch diese
Maßnahmen haben wir den Mittelstand bessergestellt.
Ich finde, das ist ein Erfolg.

Darüber hinaus haben wir die Anrechenbarkeit von
Emissionsminderungen im Ausland im Rahmen von
CDM und JI von 20 auf 22 Prozent erhöht. Was heißt das
ganz konkret? Baut beispielsweise ein Unternehmen ei-
nen Windpark in Brasilien, kann es sich die erzielten
Emissionsminderungen hier anrechnen lassen. Das ist
eine klassische Win-win-Situation: für das Unternehmen
und auch für die Entwicklungs- und Schwellenländer.

Ich möchte zum Abschluss noch ein paar Worte zum
Thema Braunkohle verlieren. Herr Schwabe, es wäre
fair gewesen, wenn Sie gesagt hätten, dass es auch in Ih-
rer Fraktion unterschiedliche Auffassungen zu diesem
Thema gibt. Wir von der Unionsfraktion sind der Mei-
nung, dass die Braunkohle als heimischer und unsubven-
tionierter Energieträger einen ganz wichtigen Beitrag zur
Versorgungssicherheit in unserem Land leistet. Wir mei-
nen, dass Versorgungssicherheit und Klimaschutz zu-
sammengehören und nicht getrennt voneinander betrach-
tet werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nun ist es so, dass sich unsere Auffassung im Gesetz
nicht wiederfindet. Deshalb haben einige Abgeordnete
aus Nordrhein-Westfalen und auch aus den neuen Län-
dern ihre Bedenken hinsichtlich dieses Kompromisses
angemeldet. Ich finde das in Ordnung.

Peinlich finde ich allerdings, was die Grünen jetzt ab-
ziehen. Denn sie haben in der ersten Handelsperiode mit
der Übertragungsregel von 14 plus vier Jahren eine Re-
gelung geschaffen, die die Neuinvestitionen in Braun-
kohlekraftwerke massiv bevorzugt hat. Den Kollegen
aus den Braunkohleländern geht es jetzt nicht um eine
Bevorzugung, sondern um die Gleichbehandlung der
Braunkohle und um faire Wettbewerbsbedingungen. Das
zu erwähnen, gehört auch zur Ehrlichkeit in der Diskus-
sion.

Auch die FDP-Bundestagsfraktion verhält sich an der
Stelle nicht besser, Herr Kauch. Denn während sich die
CDU/FDP-Regierung in Nordrhein-Westfalen ganz klar
für Verbesserungen bei der Braunkohle einsetzt, haben
Sie in einer dpa-Meldung erklärt, dass Braunkohlekraft-
werke bevorteilt seien. Ich bin gespannt, wie Sie das Ih-
ren nordrhein-westfälischen Kollegen erklären wollen.

Es ist uns gelungen, beim Zuteilungsgesetz viele Ver-
besserungen zu erreichen und einen tragbaren Kompro-
miss zu finden. In der nächsten Handelsperiode wird im






(A) (C)



(B)


Katherina Reiche (Potsdam)

Vergleich zur ersten der Emissionshandel einfacher, un-
bürokratischer, transparenter und effizienter werden. Wir
werden deshalb dem Gesetzentwurf zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610600800

Die Kollegin Eva Bulling-Schröter ist die nächste

Rednerin für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610600900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Minister! Heute stimmen wir über
das zentrale Klimaschutzinstrument Deutschlands ab.
Wir entscheiden, wie der Emissionshandel bis zum
Jahr 2012 ausgestaltet werden soll. Nun meinen viele,
nach der Intervention der EU-Kommission habe sich das
Zuteilungsgesetz entscheidend verbessert. Nach der völ-
lig verbockten ersten Handelsperiode werde das Han-
delssystem nun endlich den Klimaschutz vorantreiben,
weil die Menge an Emissionsrechten deutlich abgesenkt
wird. Andere wiederum sind der Auffassung, der Emis-
sionshandel stecke nach wie vor in einer Sackgasse. Die
gewünschten Lenkungswirkungen seien Illusion.

Vielleicht sollten wir uns hier die Frage vorlegen, was
ein solches Handelssystem eigentlich leisten kann. In
der Idealwelt soll das System zweierlei garantieren, zum
einen die Einhaltung eines festgesetzten Klimaziels, weil
es feste Emissionsobergrenzen hat, zum anderen effi-
zienten Klimaschutz, weil über den Markt preiswerte
Möglichkeiten zur CO2-Einsparung gesucht werden.
Schöne heile Welt. Doch die Weisheiten der Volkswirte
haben Tücken. Zunächst einmal hat der Emissionshandel
kurzfristige und langfristige Wirkungen; kurzfristig, weil
das vorliegende Gesetz den CO2-Ausstoß tatsächlich in-
nerhalb der nächsten Handelsperiode mindern könnte.
Die Reduktion um 453 Millionen Tonnen liegt auf dem
Pfad des deutschen Kiotoziels. Natürlich gibt es auch
Schlupflöcher. Dazu komme ich später.

Prinzipiell kann die abgesenkte Obergrenze dazu
beitragen, Einspar- und Modernisierungspotenziale im
Kraftwerksbestand zu heben. Zum Beispiel könnten die
Versorger ihre Gaskraftwerke zulasten der Kohlekraft-
werke öfter hochfahren als bislang. Aber werden sie des-
halb auch beim Ersatz von Kraftwerken, also beim Bau
von neuen Anlagen, auf Gasturbinen oder anderes setzen
oder doch eher auf CO2-Schleudern, also auf neue Koh-
lemeiler? Wir denken – das ist der eigentliche Skandal –,
beim Kraftwerksneubau sind alle Weichen in Richtung
klimaschädlicher Kohle gestellt. In Bayern investieren
sogar Stadtwerke in Kohlekraftwerke. Ich würde mir et-
was anderes wünschen. Man sieht, dass hier Profite zu
machen sind.

Vielleicht haben noch nicht alle, die das Zuteilungs-
gesetz heute feiern, begriffen: Bei langfristigen Inves-
titionsberechnungen spielt es für die Entscheidung,
welches Kraftwerk gebaut wird, eine zentrale Rolle, ob
ich als Investor die Zertifikate künftig geschenkt be-
komme oder ob ich sie ersteigern muss. Genau hier hat
die Bundesregierung falsche Zeichen gesetzt. Sie hat er-
neut das CO2-Preissignal ausgeschaltet, indem 91 Pro-
zent der wertvollen Zertifikate umsonst vergeben wer-
den.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das EU-Recht erlaubt es doch nicht anders! Keine Ahnung! Sie ist so nett, aber Ahnung hat sie keine!)


Zwar ist die weitgehend kostenlose Vergabe durch die
Emissionshandelsrichtlinie von der EU vorgeschrieben
– das gestehe ich Ihnen doch zu –, aber was haben Sie
denn im Vorfeld in der EU gemacht? Sie haben doch mit
dafür gesorgt, dass sie nicht versteigert werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Dass die wertvollen Emissionsrechte verschenkt wer-
den, wirkt doppelt verheerend. Weil die Versorger den
Marktpreis der Zertifikate auf den Strompreis umschla-
gen – das haben bis jetzt alle Parteien bestätigt –, reali-
sieren sie diese Sonderprofite. Im Tagesgeschäft werden
so insbesondere die Kriegskassen der großen Stromkon-
zerne zulasten des Bundeshaushalts und der Verbrauche-
rinnen und Verbraucher gefüllt. Im Rahmen von Neuin-
vestitionen sorgen diese Subventionen dafür, dass die
Lenkungswirkung des Emissionshandels weitgehend
verpufft, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob emis-
sionsarme Gas- oder CO2-intensive Kohlekraftwerke ge-
baut werden. So ist es.

Es ist etwas bizarr: Die EU-Kommission hat dafür ge-
sorgt, dass der deutsche Zuteilungsplan deutlich verbes-
sert wurde, etwa durch ein deutlich niedrigeres Cap und
durch das Verbot, neue Kraftwerke 14 Jahre lang von al-
len Minderungspflichten zu befreien. Gleichzeitig voll-
zieht die europäische Politik mit der vorgeschriebenen
kostenlosen Vergabe von Zertifikaten beim Emissions-
handel aber exakt das Gegenteil von dem, was sie angeb-
lich bezwecken will. Statt einen Umbau des Kraftwerks-
parks zu befördern, der auf emissionsärmere Brennstoffe
setzt, werden bestehende Strukturen zementiert und sogar
für die Zukunft festgeschrieben. Statt die Macht der gro-
ßen Energieversorger zurückzudrängen, werden Lob-
byinteressen bedient und die Bürgerinnen und Bürger ab-
gezockt.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt kommt die differenzierte Kritik, die Sie sich von
mir gewünscht haben, zum Thema Windfall-Profits. Ich
erwarte von der Koalition, dass sie hier endlich etwas
tut. Ich werde es Ihnen in dieser Legislaturperiode noch
öfter sagen: Wir wollen die Profits abschöpfen. Wir
brauchen dieses Geld für den Haushalt; das wissen Sie.
Wir können uns dann darüber streiten, wohin es fließen
soll; das ist eine schöne Diskussion. Aber das Geld muss
endlich abgeschöpft werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben dem zentra-
len Problem der kostenlosen Zuteilung gibt es noch viele
Einzelregelungen, die gegen den Klimaschutz wirken:

(D)







(A) (C)



(B) (D)


Eva Bulling-Schröter
Erstens. Der Gesetzentwurf garantiert Neuanlagen
weiterhin nahezu eine Vollausstattung mit Zertifikaten.

Zweitens. Unterschiedliche Zuteilungsmaßstäbe für
Kohle und Gas anstelle eines einheitlichen Standards
machen den Brennstoffwechsel unattraktiv.

Drittens. Das Sahnehäubchen für die Braunkohle
durch die zugrunde gelegten längeren Betriebszeiten
schützt ausgerechnet den klimaschädlichsten Brennstoff.

Viertens ist schließlich die Neuanlagenreserve nur
halb so hoch, wie sie sein müsste. Deutschland wird ge-
zwungen sein, schon jetzt auf zukünftige Emissions-
rechte zurückzugreifen. Das berührt das Thema Genera-
tionengerechtigkeit. Auch das müssen wir in diesem
Zusammenhang diskutieren.

Insgesamt bewirkt die Bundesregierung mit diesen
Regelungen zum Emissionshandel nicht mehr, als wenn
es überhaupt keinen Emissionshandel gäbe. Das war
auch Tenor der Anhörung im Umweltausschuss; bitte er-
innern Sie sich noch einmal. Nun werden Sie vielleicht
einwenden, es gebe ja noch die feste Obergrenze von
453 Millionen Tonnen. Etwaige Fehler im System wür-
den durch diesen Deckel aufgefangen. Das Cap zwinge
die Firmen letztlich zur CO2-Einsparung; das sei das
Elegante am Emissionshandel. Dazu kann ich nur sagen:
Schön wär’s. Der Deckel hat nämlich ein Ventil bzw. ein
Loch so groß wie ein Scheunentor. Die Hintertür nennt
sich „flexible Mechanismen“.

Nunmehr 22 Prozent der Zuteilungsmenge – das
wurde schon gelobt – sollen in Deutschland über die In-
strumente CDM oder JI, also über preiswerte Klima-
schutzinvestitionen im Ausland abgerechnet werden
können. 22 Prozent entsprechen 90 Millionen Tonnen.
Während der Handelsperiode kann also ein ganzes Jah-
resbudget an Emissionsrechten von außen kommen. Das
entspricht ungefähr dem Dreifachen der eigentlichen
Einsparverpflichtung. Die Unternehmen können in
Deutschland also ihren Ausstoß an Treibhausgasen sogar
deutlich ausweiten, wenn sie dafür Emissionsgutschrif-
ten aus Projekten im Süden beibringen. Das alles wäre
zumindest aus Sicht des Klimaschutzes dann kein Pro-
blem, wenn alle CDM-Projekte in Asien und Südame-
rika tatsächlich zu weiterem Klimaschutz gegenüber
dem Status quo beitragen würden. Aber dem ist offen-
sichtlich nicht so, wie Studien beweisen: Untersuchun-
gen des bedeutenden und renommierten CDM-Gutach-
ters Michaelowa besagen, dass bei jedem zweiten bei der
UN registrierten CDM-Projekt in Indien nicht nachge-
wiesen werden kann, dass Treibhausgase zusätzlich re-
duziert werden.

Auch in China gibt es Unregelmäßigkeiten, insbeson-
dere in Form von manipulierten CDM-Bilanzen bei
Wasserkraftwerken.

Michaelowa ist einer der härtesten Verteidiger dieser
projektbezogenen Mechanismen. Er ist kein Linker, son-
dern ein Marktwirtschaftler aus Fleisch und Blut, Herr
Schwabe. Er ist zugleich einer der intelligentesten Be-
fürworter. Deshalb schaut er so genau hin und nicht weg.
Kommen nämlich solche CDM-Zertifikate nach Europa,
wird die ökologische Integration des gesamten Emis-
sionshandelssystems untergraben. Die Konsequenz wäre
das Ende dieses Instruments. Das wollen Sie doch alle
nicht; schließlich sind Sie sehr für dieses Instrument.

Deutschland erhöht nun also den Nachfragedruck auf
Zertifikate aus CDM-Projekten enorm. Man muss kein
Prophet oder keine Prophetin sein, um zu erahnen, dass
der Missbrauch des CDMs dadurch noch zunehmen
wird. Unter dem Strich werden dann global mehr Klima-
gase ausgestoßen; das wollen wir nicht.

Der Kohlenstoffhandel in allen seinen Facetten ist
höchst kompliziert; er ist ein kaum zu überblickender
Moloch. Analysiert man ihn sorgfältig und Schritt für
Schritt, kommt eine Menge Unfassbares zutage. In sei-
ner gegenwärtigen Ausgestaltung läuft er dem Klima-
schutz genauso wie der Gerechtigkeit zuwider. Vielleicht
wäre er reformierbar. Dafür müsste man aber die Zertifi-
kate zu 100 Prozent versteigern, Windfall-Profits besteu-
ern, –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610601000

Frau Kollegin!


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610601100

– ich komme gleich zum Ende –


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610601200

Nein, sofort!


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610601300

– die Einnahmen des Staates aus dem Emissionshan-

del für die soziale Abfederung der Energiewende ver-
wenden sowie die Anrechnung von CDM-Gutschriften
deutlich beschränken. Dazu haben wir einen entspre-
chenden Entschließungsantrag eingebracht.

Im Übrigen werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610601400

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Reinhard

Loske, Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es
könnte sein, dass das heute meine letzte Rede als Abge-
ordneter im Deutschen Bundestag ist. Ich möchte meine
Rede, was Ton und Inhalt angeht, deshalb aufteilen: In
der ersten Hälfte meiner Redezeit möchte ich eine Oppo-
sitionsrede halten und in der zweiten Hälfte möchte ich
den Blick in die Vergangenheit richten.

Zunächst aber drei Vorbemerkungen:

Erstens. Mir ist Folgendes aufgefallen: Wenn hier ein
Sozialdemokrat redet, klatscht kein Christdemokrat bzw.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Reinhard Loske
Christsozialer. Wenn hier ein Christdemokrat oder
Christsozialer redet, klatscht kein Sozialdemokrat.


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Umgekehrt stimmt das nicht!)


Der Grad der Zerrüttung in Ihrer Koalition ist wirklich
phänomenal. Das merkt man auch bei der Beratung die-
ses Gesetzes.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zweitens. Geschätzter Herr Kollege Schwabe, Sie ha-
ben gesagt, die Opposition dürfe kritisieren – danke
schön! –, aber sie müsse differenziert kritisieren. Gleich-
zeitig haben Sie darauf hingewiesen, dies sei ein im We-
sentlichen sozialdemokratisches Gesetz. Bevor ich diffe-
renzierte Kritik übe, möchte ich darauf hinweisen, dass
man daran, wie freundlich Sie mit der Kohle umsprin-
gen, in der Tat merkt, dass dies ein sozialdemokratisches
Gesetz ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Drittens. Frau Kollegin Reiche, ich bin seit 1998 Ab-
geordneter des Bundestages. Ich weiß noch, wie Ihre
Truppen seinerzeit bei den Beratungen zum Emissions-
handel, zur Ökosteuer, zum Erneuerbare-Energien-Ge-
setz, zum Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz gezetert und
den Niedergang der deutschen Industrie an die Wand ge-
malt haben. Heute treten Sie hier als Ökologin par excel-
lence auf. Das glaubt Ihnen doch kein Mensch. Das muss
man doch wirklich einmal sagen, auch wenn man den
Blick nicht zu oft zurückrichten sollte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Jetzt möchte ich aber zur Sache kommen. Dieses Ge-
setz hat mit dem, was die Bundesregierung vor ungefähr
einem Jahr vorgelegt hat, kaum noch etwas zu tun, und
das ist wirklich auch gut so. Das, was jetzt vorgelegt
wird, ist deutlich besser; aber es ist noch weit davon ent-
fernt, wirklich gut zu sein.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Mehr Lob kann man von der Opposition nicht erwarten!)


Dieses Gesetz ist erstens besser, weil die EU-Kom-
mission standhaft geblieben ist und weil sie nicht bereit
war, einen als Klimaschutzplan getarnten Plan zum Aus-
bau von Kohlekraftwerken zu akzeptieren. Da kann
man nur sagen: Danke schön, EU-Kommission, für diese
Beharrlichkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie des Abg. Michael Kauch [FDP])


Das war keineswegs selbstverständlich.

Zweitens ist dieses Gesetz besser geworden, weil die
Opposition Druck ausgeübt hat und gute konstruktive
Vorschläge gemacht hat.
Drittens ist dieses Gesetz besser geworden, weil sich
die öffentliche Meinung in dieser Angelegenheit zuguns-
ten des Klimaschutzes gedreht hat, nachdem die großen
Monopolisten bei der Einpreisung schlicht und einfach
überzogen haben. So steht die Öffentlichkeit nun mehr-
heitlich aufseiten derjenigen, die wirklich einen ambitio-
nierten Klimaschutz wollen. Die Regierung musste aber
trotzdem zum Jagen getragen werden. Das ist kein Ruh-
mesblatt. Sie hat sich nämlich sehr lange gegen diese
Einsichten gesperrt.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Ein Schmarren ist das!)


Ich erinnere noch einmal daran, dass der SPD-Vorsit-
zende Kurt Beck und der Wirtschaftsminister der Union,
Herr Glos, ernsthaft erwogen haben, wegen ebendieser
Beharrlichkeit der EU-Kommission in Sachen Klima-
schutz vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen. Das
wäre sehr peinlich geworden und hätte eine europapoliti-
sche Isolierung nach sich gezogen. Gott sei Dank ist es
so nicht gekommen. Aber gut war das nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zur Sache gehört auch, dass wir drei Kritikpunkte
immer deutlich hervorgehoben haben: Die Ziele sind zu
lasch, die Regelungen sind zu kohlefreundlich, und es ist
falsch, die Möglichkeit zur Versteigerung von 10 Pro-
zent der Zertifikate nicht zu nutzen. Wie ist der Gesetz-
entwurf im Hinblick auf diese drei Punkte zu beurteilen?

Erstens. „Die Ziele sind zu lasch“, haben wir gesagt.
Der Auffassung war auch die Kommission. Das ist abge-
räumt worden. Das ist gut. Daran gibt es kein Jota Kritik
zu üben.

Der zweite Punkt: Sind die Regelungen nach wie vor
zu kohlefreundlich? Ich würde sagen: Ja, sie sind ein-
deutig zu kohlefreundlich. Zu diesem Punkt komme ich
gleich noch einmal gesondert.

Der dritte Punkt, die bisherige Nichtnutzung der Ver-
steigerungsmöglichkeit. Sie sehen das jetzt vor. Sie nut-
zen die Möglichkeit, 10 Prozent der Zertifikate zu ver-
steigern. Das ist ein passabler Vorschlag. Wie viele
andere Kollegen erinnere ich mich noch daran, wie der
Herr Minister damals gegen unseren Vorschlag argu-
mentiert hat. Er hat seine Meinung jetzt geändert. Das ist
gut. Vor allen Dingen ist es gut, weil die Monopolrendi-
ten, die sogenannten Windfall-Profits, jetzt nicht mehr
in vollem Umfang anfallen; sie werden abgeschöpft.

Außerdem ist es gut, dass wir auf der Lernkurve wei-
ter nach oben kommen, dass wir lernen, mit diesem In-
strument besser umzugehen. Wir brauchen das Geld aus
der Versteigerung auch für Maßnahmen zur Verbesse-
rung der Energieeffizienz, damit wir bei der vergesse-
nen Säule der Energiepolitik, nämlich der Einsparung
auf der ganzen Breite, endlich vorankommen.

Unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen, dass ab 2013
100 Prozent der Zertifikate versteigert werden, und zwar
nicht nur deshalb, weil das ökologisch besser ist – die
Preise bilden dann die ökologische Wahrheit ab –, son-
dern auch deshalb, weil die derzeitige Zuteilungspraxis
dem Lobbyismus Tür und Tor öffnet. Das kam schon zur






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Reinhard Loske
Sprache. Auch das letzte Gesetz war zwar nicht ganz
rund ausformuliert, aber es musste ja überhaupt erst ein-
mal losgehen. Große Teile in der Union wollten das ja
gar nicht. Das Hauptproblem war jedoch dieses Einfalls-
tor für Lobbyismus: Da brauchte dieses Stahlwerk noch
etwas, da brauchte jenes Kraftwerk noch etwas. – Wenn
wir wirklich auf 100 Prozent Versteigerung umstellen,
wird dem Lobbyismus die Tür verschlossen. Das ist ge-
nau das, was wir brauchen. Deswegen sagen wir:
100 Prozent Versteigerung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt komme ich zu der Frage: Sind die Regelungen
für die Kohlekraftwerke zu kohlefreundlich? Ja, sie
sind eindeutig zu kohlefreundlich. Es gab bis jetzt die
Regelung, dass ein neues Kraftwerk 14 Jahre lang von
allen Minderungspflichten befreit ist. – Das hat die
Kommission zu Recht mit der Begründung kassiert:
Über 2012 hinaus dürfen keine Festlegungen getroffen
werden.

Was machen Sie jetzt? Sie geben der Kohle – ausge-
rechnet der Kohle, die besonders klimaschädlich ist –
doppelt so viele Emissionsrechte wie dem Erdgas. Das
ist klimapolitisch nicht zu verantworten,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


zumal Sie obendrein noch versuchen, der Braunkohle
über die Betriebsstunden durch die Hintertür ein Extra-
privileg zu verschaffen.

Wenn man es zusammenfassen wollte, könnte man
sagen: Es gibt in diesem Gesetz keinerlei Anreiz zum
Brennstoffwechsel, also weg von kohlenstoffintensiven
hin zu kohlenstoffarmen Brennstoffen. Sie knipsen bis
2012 das Preissignal für CO2 bei Kraftwerksneubauten
faktisch aus. Das ist falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zu den Kohlekraftwerken ganz generell – das ist ja
ein Thema, das uns alle miteinander noch lange beschäf-
tigen wird –: Herr Minister, Sie sagen immer, nicht alle
44 Projekte, die in der Liste der Bundesnetzagentur ste-
hen, würden realisiert; es seien maximal acht oder so ge-
plant. Wir haben uns das einmal genau angeschaut. Im
Moment wird tatsächlich überall geplant. Standortpla-
nungen landauf, landab; Widerstand landauf, landab.
Natürlich ist es besser, wenn ein Kohlekraftwerk bei-
spielsweise statt heute etwa 38 Prozent in Zukunft
44 Prozent Wirkungsgrad hat, aber das Problem ist, dass
diese Kohlekraftwerke dann 40, 45 Jahre laufen,


(Ulrich Kelber [SPD]: Könnten!)


damit die Energieversorgungsstrukturen bis 2050 ze-
mentieren und es den erneuerbaren Energien schwer ma-
chen. Deshalb unsere starke Kritik an der Kohle.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Es fehlt mir jetzt die Zeit, im Detail auf CCS, die
Kohlenstoffabscheidung, einzugehen. Aber zu dem,
was Sie gesagt haben, Herr Kauch, will ich klarstellen:
Ich bin überhaupt nicht gegen diese Technologie, aber
wir können doch nicht bei unserer gesamten Planung für
die nächsten 10 bis 15 Jahre – gerade jetzt, wo das Fens-
ter der Möglichkeiten offen ist – darauf setzen, dass ir-
gendwann diese Kohlenstoffabscheidetechnologie kom-
men wird. Die Technologie ist im Moment nicht da. Das
ist unser Problem. Es gibt im Moment keine CO2-freien
Kohlekraftwerke. Deswegen sehen wir mit äußerster
Skepsis, dass dieses Fenster der Möglichkeiten jetzt mit
Kohlekraftwerken vollgestellt werden soll, die vielleicht
irgendwann einmal in einer fernen Zukunft nachgerüstet
werden. Das passt nicht zusammen. Wir dürfen uns diese
Karotte nicht vorhalten lassen, sondern wir müssen auf
der Grundlage dessen, was wir heute haben, entscheiden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Es ist wichtig, noch einmal auf Folgendes hinzuwei-
sen: Wir stehen energiepolitisch jetzt an einer Weg-
scheide. Es geht nicht um die Frage, ob wir in Energie-
erzeugung investieren, sondern es geht um die Frage,
wie wir in Energieerzeugung investieren. Die Frage lau-
tet: Investieren wir CO2-intensiv oder CO2-arm?

Investieren wir eher zentral oder eher dezentral? In-
vestieren wir eher kapitalintensiv oder eher beschäfti-
gungsintensiv? Konkret gefragt: Wollen wir in Zukunft
die Nummer eins bei erneuerbaren Energien oder bei
Kohle sein? Wollen wir, dass in Zukunft in großen Koh-
lekraftwerken mit 1 000 Megawatt Leistung, die mit
Importkohle befeuert werden, noch 80 Arbeitsplätze zur
Verfügung stehen, oder wollen wir über die ganze Breite
– erneuerbare Energien, Energieeinsparung, Kraft-
Wärme-Kopplung – Arbeitsplätze in Handwerk, Indus-
trie, Landwirtschaft und im Dienstleistungsbereich
schaffen? Das ist die Alternative.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Hier plädieren wir ganz klar für den beschäftigungs-
intensiven Weg.

Ich muss zum Schluss kommen und möchte noch
zwei kurze Anmerkungen machen:

Die Klimapolitik ist endlich im Zentrum angekom-
men, da, wo sie hingehört. Das ist ganz wichtig. Klima-
politik ist aber mehr als nur ökologische Industriepolitik.
Technologisch liegt ein riesiges Feld der Möglichkeiten
vor uns: zum Beispiel bessere Häuser, bessere Transport-
systeme, bessere Geräte, bessere Anlagen. Hier muss
man mit einer gewissen Technikfreude und mit einem
gewissen Technikoptimismus herangehen.

Klimaschutzpolitik gibt aber vor allen Dingen eine
Antwort auf die Frage der Gerechtigkeit zwischen Nord
und Süd, aber auch innerhalb unserer eigenen Gesell-
schaft, und, auch wenn das nicht ganz so populär ist,
bringt mit sich, dass man den eigenen Lebensstil hinter-
fragt. An der Aufgabe, das rechte Maß zu finden, kom-
men wir als einzelne und als Gesellschaft nicht vorbei.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Reinhard Loske
Ich persönlich glaube, eine Gesellschaft, deren Funktio-
nieren nur auf einem Immer-mehr basiert, kann auf
Dauer nicht klimaverträglich sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Wenn es gut
bzw. normal läuft, dann werde ich ab nächste Woche
Freitag in einer anderen Tätigkeit sein und mein Bundes-
tagsmandat im Sommer abgeben. Ich hatte hier fast neun
sehr gute Jahre und habe mich in diesem wunderbaren
Gebäude sehr wohl gefühlt. Man hat sich mit den Kolle-
gen gestritten, aber das gehört ja dazu.

Ganz herzlichen Dank an alle für die gute Zusammen-
arbeit. Es hat mir Spaß gemacht. Wir werden uns sicher-
lich auf die eine oder andere Weise wieder begegnen;
darauf freue ich mich.

Schönen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610601500

Herr Kollege Loske, im Unterschied zu Ihrer Ein-

gangsbemerkung vermute ich, dass das nicht Ihre letzte
Rede vor dem Deutschen Bundestag war.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Als Abgeordneter!)


Es war möglicherweise Ihre letzte Rede als Mitglied des
Deutschen Bundestages. Für den Fall, dass es so kommt,
wie Sie erhoffen und viele vermuten, stelle ich Ihnen
schon jetzt meine persönlichen Glückwünsche und die
des Hauses für das neue Amt in Aussicht. Für die bislang
hier im Hause geleistete Arbeit möchte ich Ihnen ganz
herzlich danken; dies tue ich sicherlich auch im Namen
aller Mitglieder dieses Hauses. Alles Gute für die wei-
tere Arbeit.


(Beifall)


Nächster Redner ist der Kollege Ulrich Kelber für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ulrich Kelber (SPD):
Rede ID: ID1610601600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Lieber Reinhard, auch ich persönlich wünsche dir
viel Erfolg und Freude im neuen Amt. Ich werde dich
hier in den Debatten vermissen. Wir haben viele Dinge
gemeinsam gemacht, aber auch unterschiedliche Positio-
nen vertreten. Zu der unterschiedlichen Position gehört
– ich muss ja zum Thema finden –, dass ich glaube, dass
der heute vorliegende Gesetzentwurf zum Emissions-
handel gut für den Klimaschutz in Deutschland und gut
für den Klimaschutz in Europa ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Viele andere Mitgliedstaaten schauen im Augenblick
darauf, ob Deutschland wirklich die Emissionsberechti-
gungen auktionieren, ob Deutschland wirklich die
Stromkonzerne härter rannehmen wird. Alle Anzeichen
weisen darauf hin, dass weitere Staaten in den nächsten
Tagen ebenfalls zur Auktion übergehen werden und da-
mit ein klares Signal dafür setzen, dass ab 2013 die
Emissionsrechte vollständig versteigert werden.

Mit dem Zuteilungsgesetz für die Zeit bis 2012 wird
der Emissionshandel endlich zu einem wirksamen In-
strument für den Klimaschutz. Darin sind wir uns einig.
Ich erinnere mich, dass das ein bisschen anders bei der
Debatte über die erste Emissionshandelsperiode war. Die
damalige Opposition, bestehend aus unserem heutigen
Koalitionspartner und der FDP, hat da gesagt: Das, was
ihr dort hineinschreibt, ist viel zu ambitioniert. Ihr dürft
den deutschen Unternehmen nicht so viele Zertifikate
wegnehmen. Heute zu sagen, wir täten zu wenig, ohne
daran zu erinnern, dass man früher einmal etwas völlig
anderes gesagt hat, ist nicht ganz ehrlich. Herr Kauch,
ich weiß, dass Sie persönlich anderer Meinung sind; aber
Ihre Partei wechselt an dieser Stelle die Meinung wie das
Chamäleon die Farbe.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Christian Ruck [CDU/CSU] – Widerspruch bei der FDP – Jörg van Essen [FDP]: Das soll doch nur über die Uneinheitlichkeit hinwegtäuschen!)


Wir werden in der neuen Emissionshandelsperiode
50 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Alte Koh-
lekraftwerke müssen bereits 50 Prozent und mehr der
benötigten Emissionsberechtigungen kaufen. Das wird
technologische Verbesserungen und damit mehr Klima-
schutz auslösen.

In der Tat hat die Europäische Kommission noch ein-
mal Verbesserungen bei unserem Emissionshandelsplan
gefordert. Aber als Hinweis an die Grünen – auch das
muss in der Erinnerung bleiben und der Wahrheit halber
gesagt werden –: Einer der Punkte, die herausgestrichen
wurden, war die Übertragungsregelung. Diese Übertra-
gungsregelung war grüne Politik pur. Jürgen Trittin hat
sie vor den Verhandlungen mit der SPD vorgeschlagen.
Die Kommission hat sie als klimaschutzwidrig und
rechtswidrig abgelehnt. Das hätte an dieser Stelle er-
wähnt werden müssen.

Es gibt viel weniger Sonderregelungen als in der ers-
ten Emissionshandelsperiode. Damit wird das Instru-
ment schärfer; alle müssen ihren Beitrag leisten.

Was mich amüsiert: Am Montag wird die Auktionie-
rung perfekt gemacht, und schon heute kann man auf
Basis der öffentlichen Vorschläge eine vierfache Über-
zeichnung der daraus zu erwartenden Einnahmen fest-
stellen. Meiner Meinung nach müssen die Mittel ganz
eindeutig für Klimaschutz und Effizienzmaßnahmen in
Deutschland ausgegeben werden; denn nur so können
wir die Energiepreise in den Griff bekommen und damit
für weniger Belastungen bei den Bürgern sorgen. Wir
können sie nicht vor steigenden Weltmarktpreisen schüt-
zen. Wir können sie auch nur zum Teil vor monopolarti-
gen Steigerungen schützen. Aber wir können dafür sor-
gen, dass sie durch einen geringeren Verbrauch eine
niedrigere Rechnung haben. Dazu können wir mit den






(A) (C)



(B) (D)


Ulrich Kelber
Mitteln, die wir aus dieser Auktionierung gewinnen, et-
was beitragen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir brauchen auch Mittel für Maßnahmen in Ent-
wicklungs- und Schwellenländern, die zur Anpassung an
den bereits begonnenen Klimawandel beitragen. Das
erste Anzeichen des Klimawandels ist der Rückgang der
Gletscher, der sich auf das Trinkwasser auswirkt. Uns
steht eine große Katastrophe bevor, wenn die Gletscher
im Himalaya abschmelzen, denn dann werden 40 Pro-
zent der asiatischen Bevölkerung – es handelt sich um
Milliarden Menschen – von Trinkwassermangel bedroht
sein. Aktuell sind die Gletscher am Mount Kenia schon
praktisch verschwunden und die Flüsse ausgetrocknet.
Die Katastrophe für die dortige Bevölkerung ist bereits
eingetreten. Wir sind verpflichtet, vor Ort zu helfen und
Zugang zu sauberen Technologien zu ermöglichen.
Auch das können wir mit den jetzt erwarteten Mitteln ein
Stück weit leisten. Es ist unsere Verpflichtung als Indus-
trieländer, die diesen Klimawandel ausgelöst haben, den
Menschen zu helfen, die bereits heute davon betroffen
sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich möchte an dieser Stelle auch eine klare Warnung
an die Stromkonzerne aussprechen: Der Emissionshan-
del ist kein Grund, die Strompreise weiter zu erhöhen.
Die von der Gemeinschaft in der Vergangenheit erhalte-
nen kostenlosen Zertifikate – also das, was die Gemein-
schaft den Stromkonzernen geschenkt hat, um es einmal
auf gut Deutsch zu sagen – sind von den Konzernen be-
reits in die Bilanzen eingerechnet und auf die Strom-
preise aufgeschlagen worden. Dieses Geld wandert seit
drei Jahren aus den Taschen der Stromkunden direkt in
die Taschen der Stromkonzerne, die sich damit auf ihren
Bilanzpressekonferenzen brüsten. Wenn man den Kauf
der gleichen Zertifikate nun als Vorwand nimmt, die
Strompreise noch einmal zu erhöhen, dann wäre damit
der Missbrauch von Marktmacht endgültig bewiesen. In
dem Fall hoffe ich auf eine klare Antwort der Politik.
Wir haben alle Möglichkeiten, von der Anwendung des
Kartellrechts bis hin zur Zerschlagung von Konzernen.
Es muss eine klare Antwort geben, wenn dieser Miss-
brauch stattfindet und versucht wird, die eigenen Ta-
schen zu füllen und der Politik den Schwarzen Peter zu-
zuschieben. Dieses Spiel ist erkannt, meine Herren!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der Emissionshandel ist ein wichtiges Instrument für
den Klimaschutz, aber nicht das einzige. Wir werden
mehr Instrumente benötigen, um die ehrgeizigen Ziele,
die wir uns gemeinsam vorgenommen haben und die auf
dem EU-Gipfel abgestimmt worden sind, zu erreichen.
Die Treibhausgase sollen bis 2020 in Deutschland um
40 Prozent reduziert werden, in Europa um 30 Prozent.
Das sind allein in Deutschland 270 Millionen Tonnen
CO2 weniger pro Jahr. Ich freue mich, dass jetzt in der
Großen Koalition – das war bei meiner letzten Rede
noch nicht der Fall – die Verhandlungen über zwei wei-
tere Klimaschutzinstrumente, das Erneuerbare-Ener-
gien-Wärme-Gesetz und das Kraft-Wärme-Kopplungs-
gesetz, begonnen haben, wir über die Ausbauziele
bereits Einigung erreicht haben und uns jetzt über die
Details der Umsetzung unterhalten.

Man muss dazu aber auch sagen: Der Entwurf von
Bundesminister Glos zur Förderung der Kraft-Wärme-
Kopplung ist mit Blick auf das Ausbauziel unzurei-
chend. Bis zum Energiegipfel Anfang Juli muss ein
neuer Vorschlag des Ministers auf dem Tisch liegen,
weil im Sommer Entscheidungen über Investitionen ge-
troffen werden. Die Unternehmen müssen wissen, wie
die Rahmenbedingungen für die Kraft-Wärme-Koppe-
lung in Deutschland aussehen. Der Unterschied zwi-
schen dem Vorschlag des einen Koalitionspartners und
dem des Ministers darf nicht so groß sein, dass in Bezug
auf diese Rahmenbedingungen keine Sicherheit vorhan-
den ist. Wir brauchen einen Vorschlag des Ministers, der
zumindest nahe bei dem liegt, was die Koalitionsfraktio-
nen im Augenblick verhandeln. Sie sind an dieser Stelle
im Ergebnis schon bei ganz anderen Zielen angekom-
men. Meine dringende Bitte an Michael Glos ist, sich
den Entscheidungen der Großen Koalition zum Klima-
schutz anzupassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bundesminister Sigmar Gabriel hat ein Programm zur
Senkung der Treibhausgasemissionen um 40 Prozent
vorgestellt. Alle Ressorts der Bundesregierung und der
Deutsche Bundestag sind aufgerufen, dieses Programm
bis Ende 2007 umzusetzen. Klimaschutz ist ein Wettlauf
mit der Zeit. Wir müssen diesen Wettlauf gewinnen. Wir
haben alle Technologien und sehr viel Wissen, um die-
sen Wettlauf zu gewinnen. Heute beschließen wir ein
wichtiges Instrument für diesen Wettlauf. Ich hoffe auf
eine klare Mehrheit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610601700

Gudrun Kopp ist die nächste Rednerin für die FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1610601800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da-

men! Seit Mitte der 90er-Jahre ist das Instrument des
Emissionshandels Bestandteil der Programmatik der
Bundestagsfraktion und der Partei der FDP, lieber Herr
Kollege Kelber. Man muss einfach sagen: Wir mussten
Herrn Trittin, den früheren Umweltminister, an dieser
Stelle quasi zum Jagen tragen.


(Beifall bei der FDP)


Wir sind überzeugt, dass der Emissionshandel auf
längere Sicht das einzige effiziente Klimaschutzinstru-
ment sein wird, wenn man alle Sektoren in den Blick
nimmt. Wenn sich die Zahl der internationalen Teilneh-
mer eines Tages hoffentlich erweitern wird, zum Bei-
spiel um China, Indien und die USA, dann könnte es zu
einer großen Erfolgsstory werden. Das Zuteilungsgesetz,






(A) (C)



(B) (D)


Gudrun Kopp
in dem vorgesehen ist, knapp 10 Prozent der Zertifikate
zu versteigern, trifft jedenfalls auf unsere volle Zustim-
mung.


(Beifall bei der FDP)


Wir müssen uns natürlich um die Einnahmen küm-
mern. Im Zuteilungsgesetz ist geregelt, dass die rund
800 Millionen Euro, die immerhin eingenommen wer-
den sollen, in den Etat des Bundesumweltministers flie-
ßen. Das halten wir für problematisch; denn dies ist
Geld, das den Bürgern und den Unternehmen in diesem
Lande gehört. Damit könnte man beispielsweise auch
die Preise senken. Deshalb meine Bitte an die Haushalts-
politiker, doch darauf zu achten, dass der Etat des Bun-
desumweltministeriums um diese Summe gesenkt wird,
damit dieses Geld nicht automatisch in den Umlauf
kommt und Begehrlichkeiten weckt. Ich schlage vor, mit
dem Erlös von diesen rund 800 Millionen Euro die
Stromsteuer zum Nutzen aller Verbraucher zu senken.
Das wäre sinnvoll.


(Beifall bei der FDP – Ulrich Kelber [SPD]: Monopolmarkt! Was soll das denn bringen?)


Problematisch ist zudem die Situation der Betreiber
von Prozesswärmeanlagen, die dieses Zuteilungsgesetz
als eine Strafaktion empfinden müssen. Das muss man
so sehen. In diesem Bereich gibt es eine Auslastung von
90 Prozent. Das heißt, für diese Branche – dazu gehören
auch die Brauereien; das ist für manche ja eine ganz
sympathische Branche – wird es unmöglich sein, den
strengen Regeln, die für Kraftwerke gelten, gerecht zu
werden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


CO2-Einsparungen sind nicht möglich. Deshalb muss an
dieser Stelle nachgebessert werden. Das steht noch aus.

Für die FDP-Bundestagsfraktion ist es außerdem
wichtig, dass es ab 2012 eine Anschlussregelung zum
Kiotoprotokoll, also sozusagen ein Kioto-II-Abkom-
men, gibt.

Ich sagte eben schon, dass die Zahl der Teilnehmer
am Emissionshandel unbedingt ausgeweitet werden
muss.

Langfristig muss der Emissionshandel von drei Fak-
toren geprägt sein: Erstens muss er alle Sektoren umfas-
sen, zweitens muss er hinsichtlich der Anlagen und
Benchmarks brennstoff-unabhängig sein, und drittens
muss die Verteilung durch eine komplette Versteigerung
angestrebt werden.


(Beifall bei der FDP)


So ausgestaltet könnte der Emissionshandel in der Tat zu
einer Erfolgsstory werden.

Wir müssen eines immer wieder festhalten: Bei der
Evaluierung der Instrumente ist es erforderlich, genau zu
prüfen, ob die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt-
schaft innerhalb Europas und global noch gegeben ist;
das ist ein Lernprozess, mit dem wir jetzt beginnen. Es
kann nicht angehen, dass wir auf falschen Wegen weiter-
gehen und nicht korrigieren, wenn es nötig ist. Sonst ha-
ben wir irgendwann zwar eine CO2-Minderung, auf der
anderen Seite aber eine Verlagerung von Arbeitsplätzen.
Das darf nicht geschehen. Deswegen müssen wir auf-
merksam sein und dafür sorgen, dass dieses Instrument
erfolgreich ist. Das ist im Sinne des Klimaschutzes und
der Wettbewerbsfähigkeit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610601900

Ich erteile das Wort dem Kollegen Andreas Jung,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1610602000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

will zunächst etwas zu den meiner Ansicht nach etwas
hilflosen Versuchen sagen, die Klimapolitik der Bundes-
regierung infrage zu stellen oder gar einen Spalt zwi-
schen die Bundeskanzlerin und ihre Fraktion, die CDU/
CSU-Fraktion, zu treiben: Klar ist – das wurde in den
letzten Wochen offensichtlich –, dass sich niemand den
Erfolg der Bundeskanzlerin in Heiligendamm im Kampf
für den Klimaschutz so sehr gewünscht hat wie unser
Fraktion und sich niemand mehr über ihren Erfolg ge-
freut hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir unterstützen die internationalen Anstrengungen, da-
mit wir auf diesem Gebiet vorankommen. Darüber hi-
naus stellen wir uns aber auch im Inland dieser Aufgabe.
Wir bekennen uns dazu, dass Deutschland und Europa
Vorreiter im Klimaschutz sein sollen.

Wir wissen, dass sich manche gern an Worten messen
lassen. Wir hingegen stellen uns der Aufgabe: Messen
Sie uns an unseren Taten! Messen Sie die Große Koali-
tion an dem, was sie in der Klimaschutzpolitik geleistet
hat! Da gibt es kein Vertun: Wir haben all das, was unter
Rot-Grün zur Förderung regenerativer Energien auf den
Weg gebracht wurde, nicht nur fortgesetzt, sondern die
Mittel sogar aufgestockt. Weil Gebäudesanierung ein ef-
fektiver Beitrag zum Klimaschutz ist, haben wir die Mit-
tel für das Gebäudesanierungsprogramm mehr als ver-
vierfacht.

Zu den Themen Nationaler Allokationsplan und Zu-
teilungsgesetz, über das wir heute debattieren, sage ich
nur: Messen Sie uns auch hier an unseren Taten und an
den Zahlen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Für den CO2-Ausstoß haben wir die Obergrenze bei
453 Millionen Tonnen festgelegt; mehr dürfen Energie-
versorger und Industrie in dieser Handelsperiode nicht
ausstoßen. Sehr geehrter Herr Kollege Trittin, Sie wis-
sen, dass unser Plan bei weitem ehrgeiziger ist als der
Plan, den Sie zu verantworten hatten. In jedem Jahr spa-
ren wir über 50 Millionen Tonnen CO2 mehr ein, als
Rot-Grün mit dem Emissionshandel einsparen konnte.
Ich finde, das verdient Respekt und Anerkennung.






(A) (C)



(B) (D)


Andreas Jung (Konstanz)


(Beifall bei der CDU/CSU)


In Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ist unbestrit-
ten, dass wir mit dieser Vorgabe die Kiotoverpflichtung
erfüllen werden. Deutschland hat im Kiotoprotokoll eine
große Verpflichtung übernommen. Mit diesem Alloka-
tionsplan stellen wir sicher, dass wir dieser Verpflich-
tung gerecht werden. Das halte ich für wesentlich.

Ich will hinzufügen, dass der Nationale Allokations-
plan und dieses Zuteilungsgesetz auch ein Bekenntnis
zum Industriestandort Deutschland sind. Deshalb wird
der Sektor Industrie anders behandelt als der Sektor
Energie. Wir wissen, dass sich die Industrie einem harten
globalen Wettbewerb zu stellen hat, und wir wissen, dass
es in der Industrie, beispielsweise in der chemischen In-
dustrie, prozessbedingte Emissionen gibt, das heißt, dass
bei bestimmten Prozessen eine bestimmte Menge an
CO2 entsteht. Unsere klare Ansage lautet: Wir wollen,
dass diese Prozesse, dass diese wirtschaftliche Tätigkeit
auch in Zukunft in Deutschland stattfindet, dass in
Deutschland auch in Zukunft in diesem Bereich Investi-
tionen getätigt werden und damit Arbeitsplätze erhalten
und geschaffen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb haben wir selbstverständlich die Industrie in
diesen Plan einbezogen und verlangen auch von ihr Min-
derungspflichten. Aber wir haben die Latte nicht zu hoch
gelegt. Das gilt für die Minderungspflichten und vor al-
lem für das, was die Union in den Verhandlungen in den
letzten Wochen noch herausholen konnte. Wir haben im
Zuteilungsgesetz ein Mittelstandspaket durchgesetzt.
Wir haben durchgesetzt, dass das Budget für die Härte-
fallregelung für den Mittelstand deutlich erhöht wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben durchgesetzt, dass die Standardauslastungs-
faktoren in vielen Bereichen erhöht werden und dass da-
durch die mittelständische Industrie in den Bereichen
Zement, Kalk und Glas gestärkt wird. Wir haben Verbes-
serungen zur Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungs-
Anlagen zur Herstellung von Bioethanol, zur Versorgung
der Zellstoffindustrie und vieles mehr durchgesetzt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, damit zeigen wir, dass es gelingt, beides
zusammenzuführen: Klimaschutz und eine Politik für In-
dustrie und Arbeitsplätze. Das ist der Maßstab, an dem
wir uns messen lassen müssen. Wir in Deutschland müs-
sen zeigen, dass Umweltschutz und Wirtschaft zusam-
men möglich sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dann werden wir erreichen, dass andere mitmachen.
Dann können wir das erreichen, was die Bundeskanzle-
rin in Heiligendamm gesagt hat: Wir wollen einen welt-
weiten Kohlenstoffmarkt und nicht einen, der auf be-
stimmte Regionen begrenzt ist. Damit würden sich auch
viele Fragen der Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr stel-
len.
Wir haben die Industrie nicht in die Auktionierung
einbezogen, der wir jetzt nähertreten. Auch das halte ich
für richtig. Denn der Grund für diese Auktionierung ist
doch, dass wir festgestellt haben, dass es im Energiebe-
reich Mitnahmeeffekte gibt. Es hat in der letzten Han-
delsperiode bei den großen Energieversorgern Mitnah-
meeffekte in Höhe von 5 oder 6 Milliarden Euro
gegeben. Diese wollen wir abschöpfen. Wir können das
in Höhe von 10 Prozent machen. In Höhe von 90 Prozent
wird die Zuteilung weiterhin kostenlos erfolgen; auch
das muss man dazusagen. Wir haben aber keine andere
Möglichkeit, weil die Europäische Union uns das so vor-
gibt. Ich halte es für richtig, das so zu machen. Denn ich
finde, es darf nicht sein, dass manche vom Emissions-
handel profitieren und die Bürger, die Stromkunden und
die Wirtschaft letztlich durch höhere Strompreise belas-
tet werden. Deshalb wenden wir dieses Mittel jetzt an.

Herr Kauch, Sie haben die Mittelverwendung ange-
sprochen. Sie haben kritisiert, dass es noch keine klare
Festlegung gibt, wofür wir die Mittel ausgeben. Ich bin
überzeugt: Hätten wir schon eine Verwendung vorgese-
hen, dann wären wir mit Sicherheit dafür kritisiert wor-
den. Dann wäre gesagt worden: Ihr benutzt dieses Instru-
ment doch nur, weil ihr die Bürger abzocken wollt. Ihr
habt doch nur ein neues Instrument gesucht, mit dem ihr
Einnahmen generieren könnt. – Doch es ist nicht so. Es
geht uns um etwas anderes, nämlich um die Vermeidung
von Mitnahmeeffekten. Es geht uns aber auch darum,
dieses Instrument zu erproben, um in dieser Periode zu
einer Auktionierung von 10 Prozent und ab der nächsten
Periode zu bei weitem mehr – möglicherweise
100 Prozent – zu kommen. Ich halte das für richtig und
für ein gutes Instrument.

Ich freue mich darüber, und ich finde, dass es ein Ge-
winn für das Parlament ist, dass es im parlamentarischen
Prozess gelungen ist, mehr zu erreichen, als die Bundes-
regierung, als der Bundesumweltminister vorgelegt hat.
Es zeigt, dass der Parlamentarismus lebendig ist und die
Fraktionen sich hier mit Vehemenz in die Debatte ein-
bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will eine letzte Bemerkung – ich spreche hier ins-
besondere die Fraktion der Linken an – zu den Themen
CDM und JI machen. Sie waren doch dabei – wir waren
gemeinsam in Nairobi –, als der Umweltminister von
Kenia uns aufgezeigt hat, dass es in Afrika rund
20 CDM-Projekte gibt und in Kenia nur ein einziges. Er
hat eindringlich auf uns eingeredet: Schafft die Voraus-
setzungen dafür, dass mehr CDM-Projekte in Kenia ge-
schaffen werden.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Aber nachhaltig!)


Er hat gesagt: Wir brauchen diese Projekte als Beitrag
zur Entwicklungshilfe. Wir brauchen Sie, um selber Kli-
maschutz machen zu können. Deshalb schafft die Vo-
raussetzungen dafür.

Genau das haben wir in diesem Gesetzentwurf in den
letzten Tagen durchgesetzt, indem wir die Quote von






(A) (C)



(B) (D)


Andreas Jung (Konstanz)

20 auf 22 Prozent erhöht haben. Ich finde, wer für Kli-
maschutz ist und sich für internationale Solidarität aus-
spricht, darf nicht gegen CDM sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Michael Kauch [FDP])


Deshalb sind wir dafür. Ich finde, dass es ein Instrument
ist, das den globalen Ansatz, den wir in der Klimaschutz-
politik brauchen, umsetzt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610602100

Herr Kollege Jung, möchten Sie unmittelbar vor

Schluss Ihrer Rede noch eine Zwischenfrage der Kolle-
gin Bulling-Schröter annehmen?


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1610602200

Gern.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610602300

Danke schön, Herr Jung. – Stimmen Sie mit mir über-

ein, dass die CDM-Projekte zusätzlich sein sollten – es
gibt Studien, die belegen, dass viele nicht zusätzlich sind –,
dass wir in diesem Hause gemeinsam dafür sorgen soll-
ten, dass möglichst viel CO2 eingespart wird und dass
alle CDM-Kriterien eingehalten werden, und dass wir
zusätzliche Projekte, die alle Kriterien erfüllen, auf den
Weg bringen sollten?


Andreas Jung (CDU):
Rede ID: ID1610602400

Ich denke, in diesem Zusammenhang sind zwei Fra-

gen voneinander zu unterscheiden:

Erstens geht es um die Frage, die wir im Rahmen des
Zuteilungsgesetzes beraten: Wie hoch soll die Quote für
die CDM-Projekte in Deutschland sein? Wir sind der
Meinung, dass diese Quote möglichst hoch sein sollte;
denn das wäre ein Beitrag zum Klimaschutz. Was den
Klimaschutz angeht, ist es egal, ob CO2 in Deutschland,
in Mexiko oder in Kenia eingespart wird. Wir glauben,
dass eine hohe Quote ein Beitrag zu mehr Effizienz beim
Klimaschutz ist. Denn dann könnten die Unternehmen
für dasselbe Geld mehr CO2 einsparen. Darüber ent-
scheiden wir jetzt. Wir sind für eine Erhöhung der Quote
auf 22 Prozent.

Zweitens haben Sie die Frage angesprochen: Muss
man noch mehr tun, um diese Projekte wirkungsvoller
und nachhaltiger zu gestalten? In diesem Punkt stimmen
wir selbstverständlich mit Ihnen überein. Hier mag es
noch Handlungsbedarf geben. Größeren Handlungsbe-
darf sehe ich allerdings bei den Fragen: Wie können wir
dafür sorgen, dass diese Projekte wirkungsvoll bleiben
und noch wirkungsvoller werden, und wie können wir
sie von übermäßiger Bürokratie befreien, damit es für
die Unternehmen tatsächlich interessant wird, hier zu in-
vestieren?

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610602500

Das Wort hat nun der Bundesminister für Umwelt,

Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel.


(Beifall bei der SPD)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir be-
schließen heute den Entwurf eines Gesetzes zum Emis-
sionshandel im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008
bis 2012. Es geht also um die eigentliche Kiotoperiode,
in der Europa und somit auch Deutschland die Klima-
schutzziele bzw. die Senkung der Treibhausgasemissio-
nen bis zum Jahre 2012 erreichen müssen. Das ist des-
halb so wichtig, weil natürlich alle internationalen
Verhandlungen über die Zeit nach 2012 – das haben wir
gerade erst beim G-8-Gipfel in Heiligendamm erlebt; die
nächsten Verhandlungen sollen Ende dieses Jahres auf
Bali beginnen – wirkungslos bleiben, wenn es uns nicht
gelingt, in der ersten Handelsperiode deutlich zu ma-
chen, dass Deutschland und Europa tatsächlich bereit
sind, die noch relativ niedrigen Klimaschutzziele zu er-
reichen.

Deswegen ist es von sehr großer Bedeutung, dass die
Koalition heute das Zuteilungsgesetz im Hinblick auf
den Emissionshandel beschließt und damit sicherstellt,
dass Deutschland die im Kiotoprotokoll formulierte Ver-
pflichtung, seine Treibhausgasemissionen im Vergleich
zum Jahre 1990 im Zeitraum 2008 bis 2012 um
21 Prozent zu senken, wirklich erreicht. Das ist der ei-
gentliche Erfolg dieses Gesetzes, und dafür kann die
Bundesregierung den Koalitionsfraktionen nur Dank sa-
gen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben erhebliche Fortschritte gemacht – das wird
im Zuteilungsgesetz deutlich –: Gegenüber der ersten
Handelsperiode sparen wir jedes Jahr bis zu
57 Millionen Tonnen CO2 ein, während wir in der ersten
Handelsperiode lediglich 2 Millionen Tonnen pro Jahr
eingespart haben. Diejenigen, die sagen, dass wir einen
Lernprozess hinter uns haben und dass uns die EU dazu
gebracht hat, diesen Schritt zu machen, haben schlicht
und ergreifend recht. Genau so ist es.

Nur, Herr Loske, Sie sollten so fair sein, auch zu sa-
gen, dass sich die Kritik, die die EU-Kommission am
ersten Entwurf des Allokationsplans der Bundesregie-
rung geübt hat, gegen Regeln gerichtet hat, die Sie selber
in der ersten Handelsperiode geschaffen haben. Die
Kritik der EU-Kommission lautete: Deutschland hat in
der ersten Handelsperiode zu viele Zertifikate ausgege-
ben; daran waren Sie mitbeteiligt. Deutschland hat eine
14-Jahres-Regelung getroffen, die Sie nun kritisieren;
daran waren Sie allerdings mitbeteiligt. Deutschland
verfügte über eine zu geringe Reserve von nur
3 Millionen Tonnen pro Jahr – jetzt beträgt die Reserve
23 Millionen Tonnen pro Jahr –; diese geringe Reserve
haben Sie mitzuverantworten.






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Sigmar Gabriel
Herr Loske, auch uns ist klar, dass sich die Grünen
und andere mehr gewünscht hätten. Es ist doch nicht zu
kritisieren, dass wir gemeinsam einen Lernprozess
durchlaufen haben. Gott sei Dank war das so. Wenn Sie
aber jetzt so tun, als seien Sie diejenigen gewesen, die
alles richtig gemacht hätten, dann muss man feststellen,
dass das die schlichte Unwahrheit ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Der Emissionshandel gehört zu den echten Erfolgsge-
schichten der Großen Koalition. Darauf können beide
Fraktionen stolz sein.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer war eigentlich noch in der letzten Regierung?)


– Frau Künast, weil das nicht alle hören können und Sie
sich offensichtlich nicht trauen, hier zu reden – oder es
nicht dürfen; ich weiß es nicht –, wiederhole ich, was Sie
gesagt haben. Sie haben gefragt: Wer war eigentlich da-
ran beteiligt?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, jetzt ist der kleine Sigmar angefasst!)


Frau Künast, vorhin kam die Frage auf, woran es liegt,
dass das Ganze jetzt Erfolg hat. Es hat im Zentrum der
Politik gestanden, und zwar deshalb, weil die Probleme
so groß geworden sind und weil sich die beiden großen
Volksparteien dieses Themas angenommen haben. Das
ist der Grund, warum es jetzt gelingt.

Natürlich haben die Grünen auf diesem Feld weit vor
uns gearbeitet. Das ist ihr Erfolg. Jürgen Trittin hat in
diesem Bereich einiges auf den Weg gebracht.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Er hat sich bemüht!)


Aber Sie müssen doch zugeben, dass es für Sie eher ein
parteipolitisches als ein sachliches Problem ist, dass den
Durchbruch in der Klimapolitik die beiden großen
Volksparteien geschafft haben. Sie werden gestatten,
dass die Koalition auf diese Erfolge stolz sein darf.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will mich mit ein paar Argumenten, die Sie ge-
nannt haben, auseinandersetzen. Wir haben so etwas wie
die k.-u.-k.-Monarchie bei Kohle und Kernenergie.


(Lachen des Abg. Michael Kauch [FDP] und weiterer Abgeordneter)


Ich will nur auf Folgendes hinweisen: Bis zum
Jahre 2012 sind in Deutschland neun Kohlekraftwerke
– sechs Steinkohlekraftwerke und drei Braunkohlekraft-
werke – in Planung bzw. schon im Bau. Das dient der
Modernisierung des Kraftwerksparks. Die neuen Kraft-
werke sollen alte Braun- und Steinkohlenkraftwerke, die
viel CO2 emittieren, ablösen, sodass diese stillgelegt
werden können. Bis zu 42 Millionen Tonnen CO2 sollen
dabei pro Jahr eingespart werden. Was wir jetzt erleben,
Herr Loske, ist, dass Sie von den Grünen auch gegen
diese Kohlekraftwerke und sogar gegen Kraft-Wärme-
Kopplungs-Kraftwerke mobilisieren, beispielsweise in
Berlin, aber nicht nur in Berlin. Dann bleiben die alten
CO2-Schleudern am Netz. Das ist die Konsequenz Ihrer
Politik; das muss man einmal offen sagen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dann will ich etwas zur PDS sagen.


(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Linke!)


Ich weiß nicht, ob der Kollege Claus hier ist. Ich kann es
ihm aber nicht ersparen, Ihnen, Frau Kollegin, zu sagen:
Wissen Sie, eines geht nicht, nämlich dass Sie hier im
Deutschen Bundestag fordern, wir sollten noch weniger
Emissionsrechte für die Braunkohlekraftwerke vorse-
hen, aber Ihre örtlichen Abgeordneten von mir Sonder-
regelungen für die Braunkohlekraftwerke in Ostdeutsch-
land verlangen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen Folgendes: Wir machen Klimaschutz;
aber weil wir uns auch dafür verantwortlich fühlen, dass
über 1 000 Arbeitsplätze in solchen Regionen erhalten
bleiben, prüfen wir Härtefallregeln wie bei der
MIBRAG.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Sagen Sie doch den Leuten vor Ort, dass Sie als PDS
oder Linke – oder was für Abgeordnete auch immer – Ih-
nen die Jobs kaputtmachen wollen!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP] – Widerspruch bei der LINKEN)


Sie spielen ein doppeltes Spiel: Hier verlangen Sie, für
die Braunkohlekraftwerke weniger Emissionsrechte vor-
zusehen, vor Ort wollen Sie uns an die Wand nageln mit
dem Vorwurf, wir würden Arbeitsplätze kaputtmachen.
Ich glaube, das haben Sie bei Oskar Lafontaine gelernt;
das ist die Art und Weise, wie der Politik macht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610602600

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Claus?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Mit großer Freude, Herr Kollege Claus.


Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610602700

Herr Bundesminister, ich will Sie fragen: Was veran-

lasst Sie, mein Engagement für die in der Braunkohle
Beschäftigten hier in dieser Weise zu diskreditieren, wo
Sie doch am Dienstag dieser Woche maßgeblich,






(A) (C)



(B) (D)


Roland Claus
sachkundig und, wie ich fand, konstruktiv nichts anderes
gemacht haben als ich, nämlich mitzuwirken an einem
vernünftigen Kompromiss, bei dem mehr herauskommt
für die Umwelt und für die Sicherheit der Beschäftigten?
Warum regen Sie sich dann hier so künstlich auf?


(Beifall bei der LINKEN)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Das tue ich überhaupt nicht. Herr Kollege Claus, ich
finde, dass Sie die richtige Position vertreten. Aber Ihre
Fraktionsvorsitzenden oder wer immer von Ihnen hier
im Deutschen Bundestag zu diesem Thema redet, wollen
das Gegenteil. Das kritisiere ich. Das ist pharisäerhaft.
Wenn die so handeln würden wie Sie, wäre alles in Ord-
nung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen noch etwas, Frau Kollegin: Hier zu
kritisieren, dass die Bundesregierung nicht 100 Prozent
Auktionierung durchgesetzt hat, das ist wirklich aben-
teuerlich. Das europäische Emissionshandelssystem ist
im Jahre 2003 beschlossen worden. Sie sollten der ge-
schätzten deutschen Öffentlichkeit einmal sagen, dass
Deutschland mit den knapp 10 Prozent bei der Auktio-
nierung in diesem Jahr in Europa an der Spitze derer
liegt, die auktionieren. Die anderen Europäer sind froh
darüber, dass wir endlich dafür sorgen, dass ein vernünf-
tiger Preisindikator in den Markt kommt. Erzählen Sie
hier den Leuten doch kein dummes Zeug. Wir werden
mit diesem Gesetz zum Führer in der europäischen Kli-
maschutz- und Emissionshandelspolitik. Das, und nicht
der Unsinn, den Sie hier der Öffentlichkeit erzählen, ist
das tatsächliche Ergebnis, das mit diesem Gesetz er-
reicht wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, zur Kohle. Natürlich brau-
chen wir in Deutschland auch weiterhin einen preiswer-
ten Grundlaststrom aus der Stein- und der Braunkohle.
Wir können in Deutschland nicht neben den 28 Prozent
des Kernenergiestroms bis 2020 auch noch rund 50 Pro-
zent der Kohleerzeugung ausphasen. Wer das will, hat
entweder von der Lage der deutschen Industrie keine
Ahnung oder er verfolgt einen geheimen Plan zur Rück-
kehr in die Kernenergie. Es geht nur eines von beiden.


(Beifall des Abg. Michael Kauch [FDP])


Herr Kauch, dass Sie in der Sache selber noch nicht
richtig wissen, wohin Sie wollen, machen Sie durch Ihre
Redebeiträge deutlich. Einerseits fordern Sie mehr Kli-
maschutz in Deutschland, andererseits konnten Sie sich
aber in Ihrer eigenen Fraktion nicht durchsetzen, das
Geld, das wir durch die Auktionierung erhalten, auch für
den Klimaschutz einzusetzen, sondern Sie mussten sich
Ihren Wirtschaftpolitikern beugen, die das Geld letztlich
dort belassen wollen, wo Windfall-Profits abgeschöpft
worden sind, sodass höhere Steuern erhoben werden
müssen, um Klimaschutz in Deutschland bezahlbar zu
machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Sie bleiben die Antwort schuldig, wie wir in Deutsch-
land den Klimaschutz bezahlen können. Wenn die Mittel
der Auktionierung sozusagen zur Senkung der Strom-
steuer genutzt werden, dann müssen Sie hier eine Ant-
wort darauf geben, wie Sie im Bundeshaushalt die Hun-
derte von Millionen Euro aufbringen wollen, um die
Maßnahmen zum Klimaschutz in Deutschland zu finan-
zieren. Das ginge dann nur über Steuererhöhungen. Da-
mit würden Sie natürlich nicht Ihre Klientel treffen, al-
lerdings würde das die Stromrechnungen der vielen
Menschen in Deutschland erhöhen, die das alles letzt-
endlich schon über ihre Stromrechnung bezahlt haben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610602800

Herr Minister, möchten Sie noch eine weitere Zwi-

schenfrage der Kollegin Kopp zulassen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Gerne.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610602900

Ich will mir einen Hinweis erlauben: Ich bin mit sol-

chen Zwischenfragen und Kurzinterventionen nachweis-
lich eher großzügig, aber der Zweck dieser Instrumente
besteht eigentlich nicht darin, dass die von den Fraktio-
nen ohnehin gemeldeten Redner auf diese Weise zusätz-
liche Redezeiten in Anspruch nehmen können, sondern
darin, den nicht für die Debatten gemeldeten Kollegin-
nen und Kollegen aus den Fraktionen gegebenenfalls die
Möglichkeit einer gezielten Einwirkung zu geben.

Bitte schön, Frau Kollegin Kopp.


Gudrun Kopp (FDP):
Rede ID: ID1610603000

Herr Präsident, ich mache es auch sehr kurz.

Ich empfinde es so, dass Minister Gabriel uns falsch
interpretiert hat. Herr Minister, deshalb möchte ich Sie
fragen: Sind Sie bereit, sich hier zu korrigieren und un-
seren Vorschlag so darzustellen, wie wir es gesagt haben,
dass wir nämlich den Erlös aus der Versteigerung denje-
nigen zurückgeben möchten, die am Markt die hohen
Energiepreise zu bezahlen haben,


(Marco Bülow [SPD]: Wie geht denn das?)


und dass das Geld eben nicht im Haushalt verschwindet
und für irgendetwas anderes ausgegeben wird?


(Marco Bülow [SPD]: Bei einer Monopolstruktur funktioniert das nicht!)


Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Ich nehme erst einmal zur Kenntnis, dass Sie dann die
Windfall-Profits nicht richtig abschöpfen, sondern die
Stromsteuer für die Unternehmen senken wollen. Damit






(A) (C)



(B) (D)


Bundesminister Sigmar Gabriel
geben Sie es ihnen zurück. Ich nehme auch zur Kenntnis,
dass Sie keine Antwort auf die Frage haben, wie wir in
Deutschland die Klimaschutzpolitik bezahlen sollen.
Am Ende wäre dafür eine Steuererhöhung notwenig.
Das wollen Sie auch wieder nicht. In Wahrheit wollen
Sie eigentlich keine engagierte Klimaschutzpolitik, je-
denfalls dann nicht, wenn sich diejenigen in Ihrer Partei
durchsetzen, die nicht für die Umweltpolitik zuständig
sind.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der FDP)


Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung zur
Sorge derjenigen, die glauben, dass das Nichtvorhan-
densein eines Braunkohlebenchmarks die Braunkohle-
wirtschaft in Deutschland zu sehr benachteiligen würde.
Vor wenigen Wochen wurde uns eine Studie des Verban-
des der Elektrizitätswirtschaft vorgelegt. Es war also
keine Studie eines grünen Verbandes, einer NGO oder
des BMUs. In dieser Studie wird gezeigt, dass die ver-
bleibenden und die neu gebauten Braunkohlekraftwerke
in Deutschland auch weiterhin wirtschaftlich arbeiten
können und dass dies insbesondere daran liegt, dass der
Brennstoff konkurrenzlos günstig zur Verfügung steht.

Verschwiegen wird in der Debatte dabei meistens,
dass das Eintreten einiger Bundesländer und von Teilen
der Elektrizitätswirtschaft für einen eigenen Braunkohle-
benchmark nichts mit Klimaschutz zu tun hat und dass
es nur um eine Sache geht, nämlich darum, die Emis-
sionsberechtigungen in Deutschland zugunsten eines
Teils der Elektrizitätswirtschaft und zulasten eines ande-
ren Teils der Elektrizitätswirtschaft zu verteilen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Emissionsobergrenzen gelten für alle. Das Glas mit
Zertifikaten ist nicht zu vergrößern. Es geht nur um die
Frage, wie die Zertifikate verteilt werden.

Würden wir das tun, was die CDU/CSU-geführten
Bundesländer von der Bundesregierung und vom Deut-
schen Bundestag verlangen, käme es zu einer einseitigen
Umverteilung im Wesentlichen zugunsten eines deut-
schen Energieversorgers. Bis zu 300 Millionen Euro
würden zugunsten dieses Energieversorgers bzw. zulas-
ten aller anderen Energieversorger umverteilt. Das ginge
übrigens auch zulasten der ostdeutschen Braunkohle,
weil die westdeutsche Braunkohle viel stärker von der
Umverteilung profitieren würde als die ostdeutsche.

Es ginge aber vor allen Dingen zulasten der Stadt-
werke in Deutschland. Ich würde gerne wissen, wie die
Ministerpräsidenten der Länder, die von der Bundesre-
gierung verlangen, dass sie einen Braunkohlebenchmark
einführt, das den Oberbürgermeistern, Landräten, Bür-
germeistern und Bürgerinnen und Bürgern in den Städ-
ten und Gemeinden erklären.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610603100

Herr Minister, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Dieses Vorhaben bedeutet eine Umverteilung zulasten
der Stadtwerke und zulasten klimafreundlicher Energie-
träger. Deswegen kann ich davon nur abraten.

Ich bitte im Übrigen darum, nicht länger in der Öf-
fentlichkeit internationale Klimaschutzverhandlungen zu
beklatschen – und zwar zu Recht –, aber gleichzeitig im
Inland durch den Widerstand der Ministerpräsidenten im
Bundesrat all das zu torpedieren, was wir mit großer
Mühe durchzusetzen versuchen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Klimaschutz kommt nicht im Schlaf zustande, sondern
nur dann, wenn man bereit ist, intensiv zu arbeiten und
die ökonomischen wie die ökologischen Konsequenzen
zur Kenntnis zu nehmen. Das ist bei dem vorliegenden
Gesetzentwurf der Fall.

Ich bedanke mich für die Beratungen mit den Koali-
tionsfraktionen und hoffe, dass wir letzten Endes zu der
Entscheidung kommen – und zwar im Bundestag, Herr
Kollege Kauch –, wie die durch die Auktionierung er-
zielten Mittel verwendet werden. Der Bundesumweltmi-
nister steckt gar nichts ein; vielmehr setzt die Veran-
schlagung der Mittel im Bundeshaushalt voraus, dass der
Bundestag zustimmt und präzise vorgibt, wofür sie ver-
wendet werden sollen. Wir haben uns einzig und allein
darauf verständigt, dass die Mittel für nationale und in-
ternationale Klimaschutzmaßnahmen genutzt werden.
Das ist nämlich bitter nötig.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610603200

Bevor der letzte Redner zu diesem Tagesordnungs-

punkt das Wort erhält, gibt es noch eine Kurzinterven-
tion der Kollegin Bulling-Schröter.

Ich darf vor allen Dingen die Kolleginnen und Kolle-
gen, die sich liebenswürdigerweise im oberen Teil des
Plenarsaals eingefunden haben, darum bitten, von den
noch hinreichend vorhandenen Sitzmöglichkeiten Ge-
brauch zu machen, damit wir die Debatte geordnet zu
Ende führen können, bevor die namentliche Abstim-
mung stattfindet.

Bitte schön, Frau Kollegin.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610603300

Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben zum wieder-

holten Male der Linken unterstellt, wir wollten Arbeits-
plätze vernichten, weil wir gegen die Privilegierung der
Kohle sind und einen einheitlichen Benchmark wollen.


(Beifall bei Abgeordenten der LINKEN – Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte deshalb richtigstellen, dass wir keine Ar-
beitsplätze vernichten wollen. Im Gegenteil: Wir wollen






(A) (C)



(B) (D)


Eva Bulling-Schröter
mehr und existenzsichernde Arbeitsplätze in dieser Re-
publik. Wir wollen allerdings auch den Ausstieg aus der
Nutzung fossiler Rohstoffe. Dass er sozialverträglich er-
folgen muss, steht, denke ich, außer Frage.

Ihre Unterstellung trifft insofern nicht zu. Speziell mir
persönlich können Sie nicht unterstellen, für die Ver-
nichtung von Arbeitsplätzen einzutreten. Bevor ich in
den Bundestag gewählt wurde, war ich Betriebsrätin und
war auch in der Legislaturperiode 2002 bis 2005 wieder
drei Jahre im Betrieb. Ich kenne die Ängste der Men-
schen und weiß, was Hartz IV bewirkt.

Von daher müssen wir, denke ich, über Ausstiegssze-
narien und über soziale Absicherung reden. Wie wir wis-
sen, bauen die großen Konzerne zusätzlich Arbeitsplätze
ab. Dazu äußert sich die Bundesregierung nicht. Ich
kann Ihnen auch mitteilen, dass die Anzahl der Beschäf-
tigten in den neuen Kohlekraftwerken nur noch bei
20 Prozent im Vergleich zu den alten Kohlekraftwerken
liegt.

Noch eines: Wenn sich diese Bundesregierung so um
die Arbeitsplätze schert, dann frage ich Sie, warum Sie
sich nicht mehr für die Arbeitsplätze bei der Telekom
einsetzen; denn der Bund verfügt doch über einen Anteil
von 30 Prozent.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610603400

Zur Beantwortung der Kurzintervention hat der Mi-

nister das Wort.

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:

Frau Kollegin, nun haben Sie ja mit der Telekom we-
nigstens ein Thema gefunden, bei dem Sie die Diskus-
sion einigermaßen überstehen können. Aber bei der
Kohle funktioniert das nicht. Ich meine, Sie müssten
über dieses Thema nicht mit mir diskutieren, sondern
eher mit Ihrem Kollegen Claus. Er vertritt in der Sache
eine realistische Position. Sie werden verstehen, dass es
nicht geht, dass wir auf der einen Seite vor Ort – zum
Teil im Einvernehmen mit den Abgeordneten Ihrer Frak-
tion, in diesem Fall mit Ihrem Kollegen Claus – die Pro-
bleme klären und Sie auf der anderen Seite im Deut-
schen Bundestag Forderungen stellen, die – wenn sie
erfüllt würden – uns vor Ort im Ergebnis überhaupt
keine Handlungsmöglichkeiten mehr geben würden.


(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Das ist falsch!)


Sie sind in dieser Frage doppelzüngig. Würden wir
das tun, was Sie wollen, dann würden wir in Sachsen-
Anhalt über 1 000 Arbeitsplätze vernichten. Das ist die
Realität. Trauen Sie sich doch beim nächsten Mal, den
Beschäftigten vor Ort vorzurechnen, was die Durchset-
zung Ihrer Forderung für sie bedeuten würde: Sie würde
nämlich die sofortige Arbeitslosigkeit für über
1 000 Menschen in Sachsen-Anhalt bedeuten. Das ist
Ihre Politik – darauf werden wir doch wohl hinweisen
dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610603500

Der letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist

der Kollege Dr. Georg Nüßlein von der CDU/CSU-Frak-
tion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1610603600

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nach

dieser – wie ich meine – entlarvenden Rede unseres
Bundesumweltministers hätte man gute Lust, noch ein
bisschen mehr Salz in die zahlreichen Wunden aufseiten
der Linken und vielleicht auch an der einen oder anderen
Stelle aufseiten der Grünen zu streuen. Ich kann mir vor-
stellen, dass es schmerzt, wenn man Ihnen nachweisen
kann, dass Sie mit Ihrer Politik gerne zum Abbau von
Arbeitsplätzen in dieser Republik beitragen würden. Ich
kann mir auch vorstellen, dass es die Grünen nicht be-
sonders freut, zu sehen, dass wir in allen klimarelevanten
und ressourcenschonenden Bereichen Schritt für Schritt
deutlich weiter vorankommen, als es zu der Zeit, als hier
noch ein grüner Umweltminister tätig war, der Fall war.

Meine Damen und Herren, nun gibt es einen breiten
Instrumentenkasten des EEG, das wir demnächst novel-
lieren werden. Das Gleiche gilt für das Thema KWK.
Wir werden im Bereich der Gebäudesanierung feststel-
len, wie erfolgreich das ist, was wir ausgebaut haben.

Wir beschließen heute ein Instrument, das deutlich
komplexer ist, das aber doppelten Charme hat. Zum ei-
nen handelt es sich um ein marktorientiertes System.
Zum anderen ist es ein Instrument, das europäisch abge-
stimmt ist und so international wirken kann. Wenn ich
von einem marktorientierten System spreche, dann ist
für mich besonders entscheidend, wie dieser Markt funk-
tioniert. Das ist die Erfolgsvoraussetzung für den Emis-
sionshandel; da müssen wir gemeinsam noch etwas tun.
Dieses Instrument wird nur funktionieren, wie wir es uns
vorstellen, wenn wir letztendlich zu einem ausgewoge-
nen Wettbewerb im Energiebereich kommen. Deshalb
sind die Initiativen unseres Bundeswirtschaftsministers
Michael Glos so wichtig und entscheidend.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn ich sage, wir brauchen ein europäisch abge-
stimmtes und international wirksames Instrument, dann
bin ich der festen Überzeugung, dass das unsere einzige
Chance ist, im Klimawandel wirklich etwas zu bewegen.
Dieses Land emittiert 3,2 Prozent der klimarelevanten
Gase. China verzeichnet jedes Jahr einen höheren Zu-
wachs am CO2-Ausstoß, als wir in dieser Republik ins-
gesamt CO2 emittieren. Wir müssen dafür Sorge tragen,
dass sich andere an uns ein Beispiel nehmen. Das tun sie
nur dann, wenn wir an dieser Stelle glaubwürdig voran-
kommen, also den CO2-Ausstoß bei uns tatsächlich re-
duzieren. Nur dann können wir von den Schwellen- und
Entwicklungsländern erwarten, dass sie auch etwas tun.
Und sie tun nur dann etwas, wenn wir zeigen, dass unter
diesen Umständen auch Wachstum möglich ist.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Georg Nüßlein

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Zudem ist Fingerspitzengefühl bei dem, was wir hier tun
– wir greifen schließlich massiv in die Wirtschaft ein –,
ganz besonders wichtig.

Nun hat der Kollege Schwabe gesagt: Dieses Gesetz
trägt die Handschrift der SPD. Lieber Kollege, es kommt
nicht auf die Handschrift bzw. die äußere Form, sondern
auf den Inhalt an. Diesen haben wir in intensiven Ver-
handlungen gemeinsam erarbeitet. Wir sind insbeson-
dere im Bereich des Mittelstandes – Stichwort „Härte-
fallregelung“ – zu einem recht guten Ergebnis
gekommen, das verhindern wird, dass Branchen auf-
grund unserer Gesetze ins Ausland gehen und dort wei-
terhin CO2 emittieren. Das würde weder uns noch dem
Klima helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich gebe zu, dass wir von der Union uns an der einen
oder anderen Stelle etwas mehr auf die Wirtschaft zube-
wegt hätten. Im Bereich der Braunkohle hätten wir
gerne eine angepasste Benchmark gesehen. Wir hätten
uns zudem vorstellen können, dass Neuanlagen, die auf
Basis der besten Technologie arbeiten, stärker privile-
giert werden – schließlich geht es darum, die Ziele, die
man sich gesteckt hat, zu erreichen –, genauso wie
KWK-Anlagen. Aber ich sage ganz offen: Manchmal
ist es wichtig, nicht nur das Klima in dieser Republik,
sondern das Klima in der Großen Koalition zu schützen.


(Ulrich Kelber [SPD]: Bezahlbare Vorschläge zu machen, wäre auch gut!)


Heute wurde schon sehr viel über das Thema Verstei-
gerung gesprochen. Natürlich geht es dabei darum,
Windfall-Profits und Mitnahmeeffekte zu verhindern.
Aber aus unserer Sicht geht es in erster Linie darum, auf
das vorbereitet zu sein, was kommt. Wenn es funktio-
niert, wird das Instrument des Emissionshandels nach
2012 auszubauen sein. Wir müssen daher wissen, was
auf uns zukommt. Es macht mehr Sinn, erst einmal
8,8 Prozent zu versteigern und sich anzuschauen, wie es
sich entwickelt, als ins kalte Wasser geworfen zu werden
und 100 Prozent zu versteigern, obwohl man die Effekte
noch gar nicht absehen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Bei allem Vertrauen in das Bundesumweltministe-
rium ist für uns im Hinblick auf das Verfahren entschei-
dend gewesen, dass nicht die administrative Seite das
Vorgehen per Verordnung festlegt. Der Deutsche Bun-
destag bleibt mit im Boot. Das haben wir erreicht. Das
ist für unsere Rolle als Parlamentarier wichtig.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch über die Mittel und ihre Verwendung wird das
Parlament entscheiden. So weit sind wir allerdings noch
nicht. Wir haben die Mittel erst einmal dem Haushalt des
Bundesumweltministeriums zugeordnet. Wenn ich eine
persönliche Bemerkung machen darf: Dorthin gehören
sie auch. Aber wir müssen sehr wohl darüber nachden-
ken, wie wir das Geld national und international, insbe-
sondere in den Entwicklungsländern, so für den Klima-
schutz einsetzen, dass in diesem Land und auf dieser
Erde wirklich etwas bewegt wird.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610603700

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur

Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshandel
im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012.
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 16/5769, den Gesetzent-
wurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD auf
Drucksache 16/5240 in der Ausschussfassung anzuneh-
men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in die-
ser Fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? –
Das Erste war die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in
zweiter Beratung angenommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Die Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen hat hierzu namentliche Abstimmung beantragt.
Sind alle Urnen mit den Schriftführerinnen und Schrift-
führern besetzt? – Der Vorsitzende der SPD-Fraktion,
der die Situation übersieht, hat mir bestätigt, dass das so
sei. Dann eröffne ich hiermit die Abstimmung.

Ist noch jemand anwesend, der seine Stimmkarte
nicht abgegeben hat? – Kennt jemand jemanden, der
seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? – Dann schließe
ich hiermit die Abstimmung und bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung werden wir Ihnen
mitteilen, sobald es vorliegt.

Ich weise darauf hin, dass es zahlreiche persönliche
Erklärungen zur Abstimmung gibt, die zu Protokoll ge-
nommen werden.1)

Wir setzen nun die Abstimmungen zu diesem gerade
behandelten Thema fort. Dazu wäre es gut, wenn dieje-
nigen, die an diesen Abstimmungen teilnehmen möch-
ten, sich auf ihre Plätze begeben.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache
16/5781. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Das Zweite
war fraglos die Mehrheit. Der Entschließungsantrag ist
abgelehnt.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es gab Enthaltung bei der Grünen-Fraktion!)


1) Anlagen 2 bis 6






(A) (C)



(B) (D)


Präsident Dr. Norbert Lammert
– Ich habe nichts Gegenteiliges behauptet. Ich habe fest-
gestellt, dass der Antrag zweifellos keine Mehrheit ge-
funden hat.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gut!)


Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5769, den Ge-
setzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/5617
zur Änderung der Rechtsgrundlagen zum Emissionshan-
del im Hinblick auf die Zuteilungsperiode 2008 bis 2012
für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich
der Stimme? – Dies ist einstimmig angenommen. Damit
können wir diesen Tagesordnungspunkt abschließen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 e auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung
Siebter Familienbericht
Familie zwischen Flexibilität und Verlässlich-
keit – Perspektiven für eine lebenslaufbezo-
gene Familienpolitik und Stellungnahme der
Bundesregierung
– Drucksachen 16/1360, 16/4211 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Paul Lehrieder
Caren Marks
Ina Lenke
Jörn Wunderlich
Ekin Deligöz

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-

rung
Bericht der Bundesregierung über den
Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes
Angebot an Kindertagesbetreuung für Kin-
der unter drei Jahren 2006

– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-
ten Ina Lenke, Sibylle Laurischk, Miriam Gruß,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
FDP zu der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht der Bundesregierung über den
Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes
Angebot an Kindertagesbetreuung für Kin-
der unter drei Jahren 2006

– zu dem Antrag der Abgeordneten Diana Golze,
Klaus Ernst, Dr. Martina Bunge, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der LINKEN
Kindertagesbetreuung für Kleinstkinder so-
fort ausbauen und Qualität verbessern

– Drucksachen 16/2250, 16/4443, 16/4412,
16/5397 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Ingrid Fischbach
Caren Marks
Ina Lenke
Diana Golze
Ekin Deligöz

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend (13. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara
Höll, Dr. Axel Troost, Werner Dreibus, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Elternbeitragsfreie Kinderbetreuung aus-
bauen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin
Deligöz, Volker Beck (Köln), Grietje Bettin,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Leben und Arbeiten mit Kindern möglich
machen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin
Deligöz, Krista Sager, Kai Gehring, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN

Kinder fördern und Vereinbarkeit von Be-
ruf und Familie stärken – Rechtsanspruch
auf Kindertagesbetreuung ausweiten

– Drucksachen 16/453, 16/552, 16/1673, 16/3219 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Eva Möllring
Caren Marks
Ina Lenke
Diana Golze
Ekin Deligöz

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ekin
Deligöz, Christine Scheel, Volker Beck (Köln),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Verbindlichen Ausbau der Kindertagesbetreu-
ung jetzt regeln – Verlässlichkeit für Familien
schaffen
– Drucksache 16/5426 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Finanzausschuss
Haushaltsausschuss

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina
Lenke, Carl-Ludwig Thiele, Sibylle Laurischk,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Sofortprogramm für mehr Kinderbetreuung
– Drucksache 16/5114 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss






(A) (C)



(B) (D)


Präsident Dr. Norbert Lammert
Zum Siebten Familienbericht liegt je ein Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der FDP sowie der Fraktion
Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinba-
rung soll die Aussprache eine Stunde andauern. – Dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann haben wir das so
vereinbart.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
die Bundesministerin Frau Dr. Ursula von der Leyen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden
heute über den Siebten Familienbericht und über einen
Bericht zum Stand des Ausbaus der Kinderbetreuung
aus dem Jahr 2006. Zu Letzterem kann man zusammen-
gefasst sagen: Der Fortschritt beim Ausbau der Kinder-
betreuung


(Ina Lenke [FDP]: Eine Schnecke!)


war zu diesem Zeitpunkt eine Schnecke. Von 2005 bis
2006 ist das Verhältnis von Plätzen zu Kindern, die die
Plätze in Anspruch nehmen können, gestiegen. Ja, das
Verhältnis ist besser geworden, aber nur um magere
0,7 Prozentpunkte. Es zeichnet sich schon ab, dass es im
Folgejahr nur einen Zuwachs von rund 1,3 Prozentpunk-
ten geben wird. Damit liegen die Angebote in den west-
lichen Bundesländern immer noch bei unter 10 Prozent.
Das heißt, nicht einmal jedes zehnte Kind hat ein Ange-
bot für einen Tagesmutterplatz, für eine altersgemischte
Gruppe in einer Kita oder für einen Krippenplatz. Ich
denke, diese Dynamik reicht bei Weitem nicht. Wenn
wir so weitermachen würden, dann wären wir vielleicht
in einem Vierteljahrhundert so weit, dass für ein Drittel
der Kinder und ihre Eltern, die Plätze suchen, überhaupt
ein Angebot vorhanden wäre. Das muss schneller gehen.
Sie wissen, was inzwischen vereinbart worden ist. Von
2008 an wird der Bund gemeinsam mit den Ländern und
Kommunen schneller und mehr Plätze in Kindertages-
stätten und bei Tagesmüttern schaffen. Wir wollen ge-
meinsam, dass 2013 bereits für ein Drittel der Kinder ein
Angebot vorhanden ist. Der Bund beteiligt sich bis 2013
mit 4 Milliarden Euro und übernimmt auch über 2013
hinaus verlässlich finanzielle Mitverantwortung.

Damit sind wir schon bei dem großen Thema des
Siebten Familienberichts, nämlich dem Thema Zeit. Das
Thema Zeit zieht sich wie ein roter Faden durch den
Siebten Familienbericht, Zeit sowohl im Alltag der Fa-
milie als auch Zeit für Familie und Zeit für gute Arbeit,
aber auch Zeit im Lebensverlauf. Angesichts der aktuel-
len Diskussion warne ich davor, Familie in unseren De-
batten wieder in ein ganz starres Schema zu packen,
nach dem Motto: Einmal mit den Kindern zu Hause, im-
mer zu Hause; einmal mit Kindern erwerbstätig, immer
erwerbstätig; einmal Pflege zu Hause, immer zu Hause.
So ist das Leben eben nicht. Die Wirklichkeit ist wech-
selvoller, und daran sollten wir uns orientieren.

Deshalb geht es im Siebten Familienbericht vor allem
darum, die Übergänge von einer Lebensphase zur
nächsten möglich zu machen. Ob jemand mit einem
zweijährigen Kind oder mit einem zwölfjährigen Kind
einen neuen Job antreten will, die Probleme sind nicht
anders. Sie sind als Schnittstellenprobleme da, und sie
sind nicht weniger. Wir müssen uns darum kümmern,
dass diese Übergänge für Familien lebbar sind. Dasselbe
gilt, wenn erwachsene Kinder merken, dass ihre alten El-
tern nicht mehr alleine zu Hause zurechtkommen und
dass Pflege und Betreuung der alten Eltern zu Hause auf
sie zukommt. Auch hier muss es so sein, dass dies nicht
zum Lebensbruch für die Tochter oder für den Sohn füh-
ren darf. Deshalb sagt der Siebte Familienbericht auch
so deutlich, dass ein Mix an Maßnahmen notwendig ist:
Es bedarf einer unterstützenden Infrastruktur, eines Net-
zes der Hilfe für die Alltagszeit und die Arbeitszeit, und
es bedarf finanzieller Mittel, die gezielt für diese Über-
gänge zur Verfügung gestellt werden. Deshalb also ein
Elterngeld und die Partnermonate, deshalb die bessere
steuerliche Förderung der haushaltsnahen Dienstleistun-
gen.

In genau das gleiche Thema fallen sowohl der Ausbau
der Kinderbetreuung als auch der Ausbau zum Beispiel
der Pflegestützpunkte, der ambulanten Pflegedienste
oder einer Pflegezeit. Genauso wichtig sind deshalb
auch die Allianzen mit der Wirtschaft, um verlässliche
Zeit für Familie und verlässliche Zeit für die mittlere Ge-
neration für gute innovative Arbeit möglich zu machen.

In den letzten zwei Tagen wurde in den Schlagzeilen
zunächst das Szenario gezeichnet, dass zu wenig junge
Menschen in Deutschland akademisch ausgebildet wer-
den. Am Tag danach war die Mahnung der Bundesbil-
dungsministerin zu lesen, dass es zu wenige Ingenieurin-
nen und Ingenieure in Deutschland gibt. Wir müssen das
auch weiter denken und uns klarmachen, dass hinter den
Fachberufen natürlich auch Familienleben steht. Wir
dürfen nicht nur die Forderung nach besserer Ausbil-
dung in unser Land stellen, sondern wir müssen uns auch
darum kümmern, dass diese Ausbildung später nicht nur
umgesetzt werden kann, sondern dass sie auch mit Kin-
dern, mit älteren Angehörigen gelebt werden kann. Da-
für ist entscheidend, dass wir uns um die Übergänge im
Leben kümmern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In einer Zeit wie im Augenblick, in der sich so viel für
das Thema Familie bewegt, in der wir so hochspan-
nende, elektrisierende Debatten um dieses große gesell-
schaftspolitische Thema haben, sollten wir die Gunst der
Stunde nutzen, offen zu sein, neue Wege zu denken und
neue Modelle im Kopf und in der Wirklichkeit zuzulas-
sen. Warum sollten wir uns nicht einmal Hamburgs Sys-
tem der Gutscheine näher anschauen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wenn man sich das einmal näher anschaut, dann sieht
man, dass da Angebote von zwei bis zwölf Stunden
möglich sind.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist gut!)


Da kann man Kinderbetreuung für einen Vormittag oder
drei Nachmittage oder fünf Werktage finden.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist aber privat!)







(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen
Da entscheidet auch nicht irgendjemand in der Kom-
mune, welches Angebot es gibt – jeder kennt es aus sei-
nem eigenen Dorf: für die Zeit von acht bis zwölf ist ein
Angebot da; friss oder stirb –, sondern die Eltern ent-
scheiden, was sie an Bildungsangeboten für ihre Kinder
brauchen, welche Zeitkontingente sie brauchen und vor
allem, zu welcher Tagesmutter oder zu welchem Kinder-
garten sie die Bildungsgutscheine bringen wollen.

Das hat zu einer unglaublich großen Vielfalt im An-
gebot und im Wettbewerb um Qualität geführt. Wettbe-
werb um die beste Qualität in der Kinderbetreuung, das
beste Netz, das, meine Damen und Herren, muss doch
unser Ziel sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich bitte, auch noch einmal Folgendes zu bedenken:
Wenn behauptet wird, das sei kompliziert, dann kann
man ganz klar erwidern, dass das im 21. Jahrhundert ge-
nauso unkompliziert möglich ist, wie jede Bonuskarte
in einem Kaufhaus abgerechnet wird, wie bei jedem
Tanken an der Tankstelle, wenn man zum Bezahlen die
Chipkarte durch das Lesegerät zieht, an einer anderen
Stelle abgerechnet wird. Das passiert jeden Tag tausend-
fach in Deutschland. Deshalb sollte man nicht suggerie-
ren, es wäre komplizierter als das, was uns die Wirklich-
keit jeden Tag in Deutschland schon zeigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Einzige, worum ich bitte, ist Folgendes: In dieser
Zeit, in der die Fenster der Möglichkeiten wirklich weit
geöffnet sind, in der es darum geht, anzunehmen, Neues
zu denken und Offenheit zuzulassen, in dieser Zeit, in
der sich jetzt so viel bewegt, sollten wir auch einmal In-
novatives ausprobieren, prüfen und nicht gleich die Tür
zuschlagen. Es geht darum, das Bild, das ich eben mit
der Flexibilität in der Kinderbetreuung gezeichnet habe,
in das große Bild des Siebten Familienberichts zu über-
tragen, nämlich zu sagen: Es müssen Möglichkeiten für
die Übergänge, die Beweglichkeit und die Schnittstel-
len mit Kindern und mit älteren Angehörigen für die
mittlere Generation geschaffen werden, damit sie entlas-
tet wird und Zeit für ihre Familie findet. Auf diesem Ge-
biet politisch die Rahmenbedingungen zu gestalten, ist
die Aufgabe, die wir im Augenblick zu bewältigen ha-
ben. Dahinter stehen die Menschen, und das wollen wir
fördern.

Ja, wir können es schaffen, wenn wir langfristig Ver-
antwortung für andere übernehmen. Das ist der Grund-
gedanke einer Familiengründung. Wir sollten uns in der
Welt, wie sie ist, einsetzen, zum Beispiel dafür, Kinder
zu haben oder treu zu denjenigen zu stehen, die uns den
Weg ins Leben geebnet haben. Entscheidend ist das
Grundgefühl, dass die Gesellschaft hinter einem steht
und dass dadurch bestimmte Möglichkeiten geschaffen
werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1610603800

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Dr. Seifert?
Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Gerne.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610603900

Frau Ministerin, Sie sprechen die ganze Zeit davon,

wie wichtig die Übergänge in bestimmten Lebensphasen
sind. Das will ich nicht in Abrede stellen. Dennoch hätte
ich mir erhofft, dass Sie in Ihrer Rede einige Sätze zur
Lage von Menschen sagen, die ihr ganzes Leben lang
schwierige Situationen zu bewältigen haben. Ich denke
zum Beispiel an Menschen mit Behinderungen, die in
einer Familie leben, oder an behinderte Eltern, die bei
der Betreuung ihrer nichtbehinderten Kinder Elternassis-
tenz brauchen. Auch Ihr Familienbericht nimmt dazu
keine Stellung. Wenn wir Inklusion wirklich wollen,
dann müsste dieses Thema in einer so wichtigen Rede
wie der, die Sie hier halten, eine Rolle spielen. Können
Sie dazu vielleicht noch ein paar Sätze sagen?

Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend:

Das möchte ich gerne. Als Sozialministerin eines
Bundeslandes war ich unter anderem für Menschen mit
Behinderungen zuständig. Ich habe die Erfahrung ge-
macht, dass Eltern mit behinderten Kindern oder behin-
derte Eltern mit Kindern elementar darauf angewiesen
sind, dass die Gesellschaft den Alltag durch eine unter-
stützende Infrastruktur, durch helfende Netzwerke – da-
rüber reden wir – erleichtert. Für Kinder, an deren Be-
treuung besondere Anforderungen zu stellen sind, muss
es entsprechende Einrichtungen, zum Beispiel Schulen,
geben. Für Eltern mit Behinderung muss es Angebote
wie Netzwerke, Fahrdienste, besondere Ferien mit den
eigenen Kindern und besondere, in die Familien kom-
mende Hilfsdienste geben. Es geht darum, Unterstützung
dieser Art zu gewährleisten.

Ich erinnere mich sehr gut daran, wie stark das Be-
streben des Landes Niedersachsen – zu Recht – gewesen
ist, bestimmte ambulante Dienste auszubauen. Diese
ambulanten Dienste gehen in die Familien – in Familien
mit Menschen mit Behinderungen, seien es die Eltern
oder seien es die Kinder, wird Großartiges geleistet –,
um das Leben zu erleichtern und dafür zu sorgen, dass
kein Familienmitglied aufgrund der Fürsorge für andere
auf ein eigenes Leben völlig verzichten muss. Es geht
um die Schaffung eines Übergangs in ein eigenständiges
Leben und dabei – das ist das Wichtigste – Verantwor-
tung für andere zu übernehmen. Das schafft keiner ganz
allein. Wer das versucht, zerbricht an diesen großen Auf-
gaben.

Die Aufgabe des Staates und der Gesellschaft besteht
darin, so zu helfen, dass das Zusammenleben in der Fa-
milie möglich ist. Notwendig ist dabei die Hilfe von au-
ßen durch ambulante Dienste, und zwar im weitesten
Sinne.

Dem liegt im Prinzip das gleiche Gedankenmodell
zugrunde wie der Kinderbetreuung, der Unterstützung
junger Familien und den ambulanten Dienste in der
Pflege. Ich denke an die Pflegestützpunkte, also an die






(A) (C)



(B) (D)


Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen

Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert

Guttenberg
Olav Gutting

Stefan Müller (Erlangen)

Bernward Müller (Gera)


Jens Spahn
Erika Steinbach

(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Michael Brand
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Alexander Dobrindt
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust

Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Dr. Franz Josef Jung
Andreas Jung (Konstanz)

Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster
Volker Kauder
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Eckhardt Rehberg

Gero Storjohann
Andreas Storm
Max Straubinger
Thomas Strobl (Heilbronn)

Lena Strothmann
Hans Peter Thul
Antje Tillmann
Dr. Hans-Peter Uhl
Volkmar Uwe Vogel
Marcus Weinberg
Peter Weiß (Emmendingen)

Ingo Wellenreuther
Annette Widmann-Mauz
Klaus-Peter Willsch
Elisabeth Winkelmeier-

Becker
Dagmar Wöhrl
Wolfgang Börnsen Holger Haibach Bernd Neumann (Bremen) Christian Freiherr von Stetten
Unterstützung der pflegende
Grundgedanke ist: Niemand
denke an diejenigen, die mi
Aufgaben konfrontiert werde
lich sein, weil die Gesellsch
Unterstützung geleistet wird.


(Beifall bei de Wir alle wissen, dass die Wandels tickt. Aber mit dem den vergangenen Jahren er heute durchaus sagen: Die Ze unserem Land im Augenblick Vielen Dank. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 546; davon ja: 360 nein: 180 enthalten: 6 Ja CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Dorothee Bär Thomas Bareiß Dr. Wolf Bauer Ernst-Reinhard Beck Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Carl-Eduard von Bismarck Peter Bleser Antje Blumenthal n Familie zu Hause. Der wird alleingelassen. Man tten im Leben mit solchen n. Übergänge müssen mögaft geschlossen will, dass r CDU/CSU)


(Reutlingen)


Uhr des demografischen
Blick auf das, was wir in
reicht haben, können wir
it ist günstig; sie arbeitet in
für die Familien.

Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Eberhard Gienger
Ralf Göbel
Dr. Reinhard Göhner
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Ute Granold
Reinhard Grindel
Michael Grosse-Brömer
Markus Grübel
Manfred Grund
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu

(Beifall bei der CDU/CS neten de Präsident Dr. Norbert L Bevor wir die Debatte zu d fortsetzen, gebe ich das von Schriftführern ermittelte Er Abstimmung über den Ges der CDU/CSU und der SPD Hinblick auf die Zuteilung – Drucksachen 16/5240 und gebene Stimmen 546. Mit Ja Nein haben gestimmt 180, sechs Kolleginnen und Kolle entwurf angenommen. Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler Norbert Königshofen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Hermann Kues Dr. Norbert Lammert Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Patricia Lips Stephan Mayer Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Laurenz Meyer Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Eva Möllring Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Carsten Müller U sowie bei Abgeordr SPD)


(Braunschweig)


ammert:
iesem Tagesordnungspunkt
den Schriftführerinnen und
gebnis der namentlichen
etzentwurf der Fraktionen
zum Emissionshandel im
speriode 2008 bis 2012
16/5769 – bekannt: Abge-
haben gestimmt 360, mit
und enthalten haben sich
gen. Damit ist der Gesetz-

Katherina Reiche (Potsdam)

Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Johannes Röring
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)

Anita Schäfer (Saalstadt)

Hartmut Schauerte
Dr. Annette Schavan
Dr. Andreas Scheuer
Norbert Schindler
Georg Schirmbeck
Christian Schmidt (Fürth)

Andreas Schmidt (Mülheim)

Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Ole Schröder
Bernhard Schulte-Drüggelte
Uwe Schummer
Wilhelm Josef Sebastian
Kurt Segner
Bernd Siebert
Thomas Silberhorn
Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


Präsident Dr. Norbert Lammert
SPD

Dr. Lale Akgün
Gregor Amann
Gerd Andres
Niels Annen
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Ernst Bahr (Neuruppin)

Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Klaus Barthel
Sabine Bätzing
Dirk Becker
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)

Volker Blumentritt
Kurt Bodewig
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Dr. Gerhard Botz
Klaus Brandner
Willi Brase
Bernhard Brinkmann


(Hildesheim)

Edelgard Bulmahn
Marco Bülow
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Michael Bürsch
Christian Carstensen
Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Karl Diller
Martin Dörmann
Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Garrelt Duin
Detlef Dzembritzki
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Hans Eichel
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Elke Ferner
Gabriele Fograscher
Peter Friedrich
Sigmar Gabriel
Martin Gerster
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)

Monika Griefahn
Gabriele Groneberg
Achim Großmann
Bettina Hagedorn
Klaus Hagemann
Alfred Hartenbach
Michael Hartmann


(Wackernheim)

Hubertus Heil
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Petra Heß
Gabriele Hiller-Ohm
Petra Hinz (Essen)

Gerd Höfer
Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Eike Hovermann
Klaas Hübner
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Johannes Jung (Karlsruhe)

Josip Juratovic
Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Hans-Ulrich Klose
Astrid Klug
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Rolf Kramer
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Angelika Krüger-Leißner
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Dr. Uwe Küster
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)

Dr. Karl Lauterbach
Waltraud Lehn
Helga Lopez
Gabriele Lösekrug-Möller
Dirk Manzewski
Lothar Mark
Caren Marks
Hilde Mattheis
Markus Meckel
Petra Merkel (Berlin)

Dr. Matthias Miersch
Ursula Mogg
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)

Michael Müller (Düsseldorf)

Gesine Multhaupt
Franz Müntefering
Dr. Rolf Mützenich
Andrea Nahles
Thomas Oppermann
Holger Ortel
Heinz Paula
Joachim Poß
Christoph Pries
Dr. Wilhelm Priesmeier
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Maik Reichel
Gerold Reichenbach
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-

Hanewinckel
Walter Riester
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Ortwin Runde
Marlene Rupprecht


(Tuchenbach)

Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)

Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Marianne Schieder
Otto Schily
Ulla Schmidt (Aachen)

Renate Schmidt (Nürnberg)

Heinz Schmitt (Landau)

Olaf Scholz
Ottmar Schreiner
Swen Schulz (Spandau)

Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz
Rita Schwarzelühr-Sutter
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Dieter Steinecke
Andreas Steppuhn
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Jörn Thießen
Rüdiger Veit
Dr. Marlies Volkmer
Hedi Wegener
Andreas Weigel
Petra Weis
Gert Weisskirchen


(Wiesloch)

Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dr. Dieter Wiefelspütz
Dr. Wolfgang Wodarg
Waltraud Wolff


(Wolmirstedt)

Heidi Wright
Uta Zapf
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Nein

CDU/CSU

Günter Baumann
Veronika Bellmann
Klaus Brähmig

(Karlsruhe Land)

Hermann Gröhe
Uda Carmen Freia Heller
Bernd Heynemann
Robert Hochbaum
Susanne Jaffke
Dr. Peter Jahr
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Jens Koeppen
Manfred Kolbe
Michael Kretschmer
Johann-Henrich

Krummacher
Andreas G. Lämmel
Katharina Landgraf
Dr. Michael Luther
Maria Michalk
Ulrich Petzold
Hermann-Josef Scharf
Karl Schiewerling
Michael Stübgen
Arnold Vaatz
Andrea Astrid Voßhoff
Gerhard Wächter
Marco Wanderwitz
Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Willi Zylajew

SPD

Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dieter Grasedieck
Wolfgang Grotthaus
Wolfgang Gunkel
Hans-Joachim Hacker
Stephan Hilsberg
Ernst Kranz
Steffen Reiche (Cottbus)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Reinhard Schultz


(Everswinkel)

Simone Violka
Jörg Vogelsänger
Gunter Weißgerber
Engelbert Wistuba

FDP

Jens Ackermann
Dr. Karl Addicks
Christian Ahrendt
Daniel Bahr (Münster)

Uwe Barth
Angelika Brunkhorst
Ernst Burgbacher
Patrick Döring
Mechthild Dyckmans
Jörg van Essen
Otto Fricke
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)

Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)







(A) (C)



(B) (D)


Präsident Dr. Norbert Lammert

Florian Toncar Dorothée Menzner Ute Koczy Kai Wegner

Dr. Claudia Winterstein
Dr. Volker Wissing
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

Martin Zeil

Wir setzen nun die Debatt
die Kollegin Ina Lenke für di


(Beifall bei Herr Präsident! Meine Da nisterin, weniger an Pathos u tion der Bundesregierung hät (Beifall bei der FDP un DIE GRÜ Es geht Ihnen hier nur um de gibt weitere Fragen: Wie wird nisiert? Dazu habe ich heute Wochen weiter nichts als A können das gut verkaufen, Substanz. Die Opposition erw (Beifall bei der FDP un DIE GRÜ Die Fakten im Siebten Fam Familien brauchen verlässlic Wohl der Kinder ausgericht bessere Vereinbarkeit von Fa sen, es gibt großen Nachholbe anbelangt. Kersten Naumann Dr. Norman Paech Elke Reinke Paul Schäfer e fort. Nächste Rednerin ist e FDP-Fraktion. der FDP)

Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1610604000

men und Herren! Frau Mi-
nd mehr an Gesamtkonzep-
te ich von Ihnen erwartet.

d dem BÜNDNIS 90/
NEN)

n Familienbericht. Aber es
finanziert? Wie wird orga-
wie schon in den letzten
nkündigungen gehört. Sie

aber wir brauchen auch
artet wirkliche Konzepte.

d dem BÜNDNIS 90/
NEN)

ilienbericht sind eindeutig.
he Strukturen, eine auf das
ete Politik und endlich die
milie und Beruf. Wir wis-
darf, was die Vereinbarkeit
Renate Künast
Markus Kurth
Undine Kurth (Quedlinburg)

Monika Lazar

Gerade meldet das Sta
6,5 Prozent der unter Dreijäh
betreuung. Wir sind uns im
wollen dafür sorgen, dass da
nen fehlen wirklich noch
streiten sich. Seit Monaten l
stanzlose Wasserstandsmeldu
Leyen 3 Milliarden Euro v
4 Milliarden Euro. Die Krönu
der Vorschlag zur Einrichtu
Dazu haben Sie sich überha
würden Sie Kommunen, die
sungen vor Ort umsetzen wol


(Beifall bei Auch von dem SPD-Finanzi überhaupt nichts mehr. Hier s nanzieren. Auch das findet FDP. Einige Ministerpräsidente ungsgutscheins den Familien stellen. Dem haben wir als F tag gerade eine klare Absage (Christel Humme [SPD aber schw SPD Iris Gleicke tistische Bundesamt: Nur rigen haben eine GanztagsBundestag doch einig: Wir s besser wird. Aber bei Ihdie Gesamtkonzepte. Sie esen wir in der Presse subngen. Erst hat Frau von der ersprochen; jetzt sind es ng, Frau von der Leyen, ist ng einer Krippenstiftung. upt nicht geäußert. Damit individuelle Betreuungslölen, entmündigen. der FDP)


erungsvorschlag hören wir
ollen Familien Familien fi-
nicht die Zustimmung der

n wollen statt des Betreu-
mehr Geld zur Verfügung
DP auf dem Bundespartei-

erteilt.

]: Da haben Sie sich
ergetan!)
Christoph Waitz Kornelia Möller Sylvia Kotting-Uhl Karl-Georg Wellmann
Dr. Christel Happach-Kasan
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Michael Kauch
Dr. Heinrich L. Kolb
Hellmut Königshaus
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Heinz Lanfermann
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Michael Link (Heilbronn)

Horst Meierhofer
Jan Mücke
Burkhardt Müller-Sönksen
Dirk Niebel
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gisela Piltz
Jörg Rohde
Frank Schäffler
Dr. Konrad Schily
Marina Schuster
Dr. Max Stadler
Dr. Rainer Stinner
Carl-Ludwig Thiele

DIE LINKE

Hüseyin-Kenan Aydin
Karin Binder
Eva Bulling-Schröter
Dr. Martina Bunge
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Dr. Dagmar Enkelmann
Klaus Ernst
Wolfgang Gehrcke
Diana Golze
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Inge Höger
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Monika Knoche
Jan Korte
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Volker Schneider

(Saarbrücken)


Dr. Ilja Seifert
Dr. Petra Sitte
Frank Spieth
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Jörn Wunderlich
Sabine Zimmermann

BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Kerstin Andreae
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Cornelia Behm
Birgitt Bender
Grietje Bettin
Alexander Bonde
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Kai Gehring
Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Winfried Hermann
Peter Hettlich
Priska Hinz (Herborn)

Dr. Anton Hofreiter
Bärbel Höhn

Dr. Reinhard Loske
Nicole Maisch
Jerzy Montag
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Omid Nouripour
Brigitte Pothmer
Krista Sager
Elisabeth Scharfenberg
Irmingard Schewe-Gerigk
Rainder Steenblock
Silke Stokar von Neuforn
Hans-Christian Ströbele
Dr. Harald Terpe
Jürgen Trittin
Wolfgang Wieland
Josef Philip Winkler
Margareta Wolf (Frankfurt)


Fraktionslose Abgeordnete

Henry Nitzsche
Gert Winkelmeier

Enthaltung

CDU/CSU

Monika Grütters
Peter Rzepka
Ingo Schmitt (Berlin)







(A) (C)



(B) (D)


Ina Lenke
– Wir haben uns damit überhaupt nicht schwergetan. Wir
Frauen haben mit unseren Männern zusammengestan-
den. Es hat eine klare Mehrheit gegeben. Wären Sie auf
dem Parteitag gewesen, Frau Humme, hätten Sie gese-
hen, dass nur 20 von 600 Stimmen für die CSU-Lösung
waren.


(Beifall bei der FDP)


Zu dem Vorschlag, zusätzlich Geld an Familien zu ge-
ben, muss ich sagen – damit kann ich, glaube ich, zumin-
dest die weiblichen Abgeordneten von SPD und CDU/
CSU ansprechen –: Viele Kinder gehen trotz 154 Euro
Kindergeld im Monat – bei der Sozialhilfe sind es
204 Euro – ohne Frühstück aus dem Haus, und die Eltern
haben angeblich kein Geld für das warme Mittagessen in
der Schule. Das zeigt doch, dass das Geld über Bil-
dungsgutscheine den Kindern zur Verfügung gestellt
werden muss und nicht den Eltern gegeben werden darf.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren, die Zeit drängt. Am Ende
des Jahres läuft für viele Paare das Elterngeld aus.
Dann, Frau von der Leyen, fehlt die Anschlussbetreu-
ung. Ihre Strategie – das muss ich leider sagen – ist nicht
aufgegangen. Solange Sie die Eltern nach Ende des ein-
jährigen Elterngeldes – das tritt ab dem 1. Januar 2008
ein – im Regen stehen lassen und keine gesicherte Be-
treuung da ist,


(Ilse Falk [CDU/CSU]: Das war doch vorher auch nicht anders!)


ist das Elterngeld wirklich nur ein nettes Starterpaket.

Ich habe mich darüber gefreut, dass Sie heute endlich
einmal auch über Hamburg gesprochen haben. Sie wis-
sen, dass die CDU-FDP-Koalition in Hamburg an dem
Kinderbetreuungsgutschein gescheitert ist, weil die
CDU Herrn Lange nachher kein Geld gegeben hat. Dass
Frau Schnieber-Jastram dieses Konzept jetzt weiterent-
wickelt hat, auch im Sinne der FDP, finde ich sehr gut.
Ich hoffe, dass Sie daraus Ihre Schlüsse ziehen und auch
endlich dafür werben, dass mehr Kita-GmbHs und mehr
privat-gewerbliche Angebote neben die staatliche Kin-
derbetreuung treten. Es gehört meines Erachtens zur
Politik einer Familienministerin, ganz klar für solche
marktwirtschaftlichen Konzepte einzustehen.


(Beifall bei der FDP)


Das Zauberwort heißt: Bildungs- und Betreuungsgut-
schein für jedes Kind unter sechs Jahren. Damit kann die
starke Nachfrage nach mehr Kinderbetreuung schneller
und besser befriedigt werden. Sie haben gerade gesagt,
dass es heute gar nicht möglich ist, ein Kind einmal nur
zwei Tage statt fünf Tage in die Krippe zu geben; jeden-
falls muss man dann für fünf Tage zahlen.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)


Das ist nicht in Ordnung. Darüber bin ich mit Ihnen
einig. Legen Sie von SPD und CDU/CSU vor der
Sommerpause des Parlaments also endlich ein Gesamt-
konzept vor! Dazu gehören auch der Kinderbetreuungs-
gutschein und eine vernünftige Finanzierung.

(Beifall bei der FDP)


Die FDP – das will ich sehr deutlich sagen – hat be-
reits ihr Kinderbetreuungskonzept vorgelegt. Mit einem
Sofortprogramm wollen wir mit einem höheren Anteil
aus den Mehrwertsteuereinnahmen, 1,5 Milliarden Euro
jährlich, die Gemeinden direkt unterstützen, denn die
müssen ja die Kinderbetreuung organisieren. Weder die
Länder noch über die Krippenstiftung den Bund wollen
wir mit drin haben. Unser Konzept ist verfassungsrecht-
lich einwandfrei, weil es schon jetzt mit den 2,2 Prozent
läuft.

Die FDP will, dass privat-gewerbliche Einrichtungen,
Elterninitiativen, Betriebskitas und -krippen mehr Luft
zum Atmen haben. In Frankfurt, Hamburg und in vielen
kleineren Orten läuft es mit der Kita-GmbH ganz gut.
Das hat sich bewährt. Das fordern wir.

Frau von der Leyen, Ihre Aufgabe ist es also, bessere
Rahmenbedingungen im Bund und mit den Ländern zu-
sammen für diese Einrichtungen zu organisieren und den
Kinderbetreuungsgutschein hoffähig zu machen. Ergeb-
nis werden flexiblere Öffnungszeiten sowie bessere und
unterschiedliche Bildungsangebote sein. Die Verkäufe-
rin und die Krankenschwester brauchen ebenfalls unsere
Unterstützung für die Betreuung am Wochenende und in
den langen Schulferien. Sie haben nur über den Siebten
Familienbericht gesprochen, ich über alle Anträge der
Opposition.

Der Familienbericht – das ist mein letzter Satz – zeigt
auf, wie eine neue Balance zwischen Erwerbstätigkeit
und Fürsorge für die Familie gelingen kann.

Meine Damen und Herren – klatschen Sie mit mir –:
Kinderlärm ist Zukunftsmusik!


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610604100

Ich erteile das Wort der Kollegin Nicolette Kressl,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1610604200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Frau Lenke, für den letzten Satz hätte ich
gerne geklatscht,


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir auch!)


aber man kann ja nicht für einen Satz alleine klatschen.
Für den Rest klatschen wir ausdrücklich nicht.


(Ina Lenke [FDP]: Schade!)


Heute wollen wir nicht nur über Einzelfragen im Be-
reich der Familienpolitik, sondern über den Familienbe-
richt insgesamt diskutieren. Hierbei bietet sich die Gele-
genheit, miteinander zu überlegen, was Familien
brauchen. Dafür kann es eigentlich nur zwei Maßstäbe
geben, zum einen den Maßstab, dass Rahmenbedingun-
gen für Frauen und Männer in Deutschland so entwickelt
und ausgebaut werden müssen, dass sie sich für Kinder
entscheiden und ihren Kinderwunsch tatsächlich erfül-






(A) (C)



(B) (D)


Nicolette Kressl
len können. Der zweite Maßstab kann nur sein: Wir müs-
sen Kindern Rahmenbedingungen geben, damit sie auf
der einen Seite Sicherheit und auf der anderen Seite al-
lerbeste Entwicklungschancen für sich selbst haben.
Denn wir sind davon überzeugt – das sind wir sicherlich
alle –: Jedes Kind ist einzigartig. Jedes Kind verfügt
über ganz individuelle Talente und Fähigkeiten. Unsere
Aufgabe ist, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen,
dass sich diese Talente entwickeln können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In den letzten Jahren ist viel passiert, zum einen in der
gesellschaftlichen Realität. Familien haben sich viel
schneller verändert, entwickelt, als manche, die in der
Politik sind, es wahrhaben wollten. Es hat sich Gott sei
Dank aber auch viel im gesellschaftlichen Bewusstsein
verändert. Ich bin der Überzeugung, dass eine politische
Debatte dies unterstützen kann. Darüber hinaus hat sich
in den politischen Handlungen viel verändert. Hier erin-
nere ich an das Ganztagsschulprogramm und das Gesetz
zum Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige, wo-
durch hinsichtlich der Infrastruktur und der Entwick-
lungsmöglichkeiten für Kinder einige Veränderungen
auf den Weg gebracht wurden. Auf all diesen drei Fel-
dern hat es Veränderungen gegeben.

Dennoch – der Familienbericht macht es wieder deut-
lich – gibt es immer noch Defizite. Es gibt Defizite in
der Geschwindigkeit – wir haben es gerade gehört –,
aber auch bezüglich der Frage, wie sozial gerecht die
Entwicklungschancen für Kinder sind. Hier muss man
natürlich auf die gerade neu veröffentlichte Studie des
Deutschen Studentenwerks hinweisen. Die Ergebnisse
finde ich bedenklich und bedrückend: Von 100 Akade-
mikerkindern studieren 83, von 100 Nichtakademiker-
kindern studieren nur 23. Die Weichenstellung dafür er-
folgt nicht im Alter von 18 oder 19 Jahren, sondern
bereits ab einem Jahr. Auch da haben wir eine Aufgabe.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eine Erkenntnis aus dem Familienbericht ist auch:
Wir müssen Familienpolitik sehr viel mehr ganzheitlich
betrachten,


(Beifall der Abg. Ilse Falk [CDU/CSU])


sowohl was die Lebensläufe als auch was die Vernetzung
und Zusammenarbeit der Beteiligten angeht. Das ist in
einem föderalen System zugegebenermaßen etwas
schwieriger als in zentralistischen Systemen. Es bedeutet
aber nicht, dass wir diese Aufgabe nicht lösen können;
es bedarf allerdings einer sehr großen Anstrengung.

Ich bin der Überzeugung, wir brauchen mehr Vernet-
zung vor Ort in den Familien selbst. Wichtig ist die
Frage: Wie groß ist die Chance, dass Kinder mit ihren
Eltern reden können? Aber auch die Vernetzung zwi-
schen Kita und Schule muss in Deutschland noch ver-
bessert werden. Das Gleiche gilt für die Vernetzung zwi-
schen Eltern, Institutionen und Wirtschaft. Letztere will
ich hier ausdrücklich nicht ausnehmen. Ich finde, auch
die Unternehmen haben eine Verantwortung, denn sie
fordern schließlich Fachkräfte ein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Außerdem brauchen wir eine bessere Vernetzung zwi-
schen den föderalen Ebenen; auch da ist eine ganzheitli-
che Betrachtung gefragt. Ich halte es für ganz wichtig,
dass wir im Rahmen des Ausbaus der Infrastruktur in
Deutschland einfordern, dass die drei Ebenen, die im Be-
reich der Kinder- und Jugendhilfe alle auch verfassungs-
rechtliche Kompetenzen haben, Abschottungstendenzen
aufgeben, sich zusammensetzen und überlegen, wie die
besten Rahmenbedingungen für Kinder und Familien auf
den Weg gebracht werden können.


(Beifall bei der SPD)


Deshalb ist es richtig und gut, wenn auch nicht ein-
fach, jetzt einen schnelleren Ausbau der Kinderbetreu-
ung für unter Dreijährige zu fordern und diesen – das
sage ich ausdrücklich für uns Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten – mit einem Rechtsanspruch abzusi-
chern,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


nicht weil der Rechtsanspruch ein Zwangsinstrument
wäre, sondern weil er im Gegenteil ein flexibles Instru-
ment ist, mit dem auch dort, wo nur ein niedriger Bedarf
vorhanden ist, gehandelt werden kann. Das ist das Ge-
genteil von Planwirtschaft. Dieses flexible Instrument
gibt – das ist ja ein Thema, das immer wieder angespro-
chen wird – Eltern und Kommunen Sicherheit. Das muss
im Sinne der Schaffung von optimalen Rahmenbedin-
gungen ausdrücklich unser Ziel sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich halte dieses vernetzte Handeln für eine Schlüs-
selaufgabe in Deutschland. Sie bedarf durchaus einer ge-
wissen Anstrengung; diese Anstrengung sind die Kinder
aber wert. Damit schaffen wir die Rahmenbedingungen,
die erforderlich sind, um den Eltern das zu ermöglichen,
was schon Johann Wolfgang von Goethe formuliert hat
– ich finde, das ist ein schönes Zitat zum Abschluss der
Rede –:

Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekom-
men: Wurzeln und Flügel.

Es lohnt sich, dafür zu kämpfen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Ina Lenke [FDP])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610604300

Ich erteile das Wort Kollegen Jörn Wunderlich, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610604400

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Kinder und Familie – kaum ein politisches






(A) (C)



(B) (D)


Jörn Wunderlich
Thema beschäftigt uns und die Öffentlichkeit in der letz-
ten Zeit so sehr wie dieses. Noch vor wenigen Jahren
wurden familienpolitische Themen kaum behandelt, als
Gedöns abgetan und je nach Bedarf – quasi nach politi-
scher Tageslage – auf die Tagesordnung gesetzt. Inzwi-
schen ist Bewegung in die Familienpolitik gekommen,
und das ist gut so. Denn die gravierenden sozialen, öko-
nomischen und demografischen Prozesse zwingen die
Politik zum Handeln. Aus Sicht der Linken war das
schon längst überfällig.

Nun muss man natürlich hinterfragen: Entspricht die
eingeleitete Familienpolitik tatsächlich den veränderten
gesellschaftlichen Realitäten? Ist sie sozial gerecht, mo-
dern und zukunftsfähig? Was für mich noch viel wichti-
ger ist, ist die Frage: Was sind uns in diesem Zusammen-
hang Kinder wert?

Vor dem Hintergrund, dass Deutschland das Land mit
den sechsthöchsten Rüstungsausgaben im Jahr 2006 war
und beim Export von Rüstungsgütern weltweit an dritter
Stelle nach den USA und Russland steht, bei den sozia-
len Belangen aber letztlich um jeden Cent gefeilscht
wird, sind meine Fragen wohl mehr als berechtigt. Dies
alles erfüllt meine Fraktion mit großer Sorge.

Mit Selbstverständlichkeit greifen Sie mit Ihren poli-
tischen Konzepten Arbeitslosen, Kranken, Geringverdie-
nern und Alleinerziehenden in die Tasche. Familienleis-
tungen werden in der Regel durch die Familien selbst
gezahlt. Sie lassen immer wieder zu, dass in Deutschland
eine Umverteilung von unten nach oben stattfindet. Sie
lassen es zu, dass Armut in breiten Kreisen der Bevölke-
rung auf Jahre zementiert wird.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)


Ergebnis Ihrer verfehlten Politik der letzten Jahre ist
die falsch konzipierte Ausgestaltung des Sozialstaats.
Sie reden von einem vorsorgenden Sozialstaat. Wie irre-
führend! Wie lange noch, glauben Sie, werden Ihnen das
Ihre Wählerinnen und Wähler abnehmen? Ein vorsor-
gender Sozialstaat verlangt armutsfeste Konzepte und
nicht die Privatisierung der Lasten von Kindererziehung,
Pflege, Rente und Gesundheit.


(Beifall bei der LINKEN)


All das machen Sie im Wissen darum, dass nahezu jede
Privatisierung die Preisgabe politischen Einflusses und
gesellschaftlicher Gestaltung bedeutet.


(Ina Lenke [FDP]: Staatlicher Einfluss auf Kinder? Das hatten wir alles schon einmal!)


– Das ist so, Frau Lenke. – Wer in der Kommune, im Ge-
meinwesen privatisiert, hat über kurz oder lang nichts
mehr mitzuentscheiden. Das können wir aus linker Per-
spektive nicht akzeptieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, weil wir an-
ders Hunger und Armut nicht überwinden können. Wir
brauchen keinen Reichtum für eine kleine Gruppe. Viel-
mehr sind wir angehalten, zum Wohl aller Menschen
Politik zu machen.
In unserem Entschließungsantrag zeigen wir Wege für
eine sozial gerechte Familienpolitik auf. Die Neuorien-
tierung in der Familienpolitik muss aus unserer Sicht fol-
genden Anforderungen gerecht werden: Gesellschaftli-
che Solidarität für Familien bedeutet die Übernahme
öffentlicher Verantwortung. Kinder dürfen im Rahmen
der Familienpolitik keine nachgeordnete Rolle spielen
und nicht immer über die Familie definiert werden. Wir
brauchen eine Politik, die Kinder und Jugendliche als ei-
genständige Bevölkerungsgruppe mit einem eigenen An-
spruch auf einen Anteil an den gesellschaftlichen Res-
sourcen behandelt.


(Beifall bei der LINKEN – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Was ist mit den Eltern?)


Kinder haben Rechte, und diese Rechte sollen Verfas-
sungsrang erhalten. Ich finde es schön, dass die Kinder-
kommission endlich einmal einen damit übereinstim-
menden Antrag eingebracht hat,


(Beifall der Abg. Christel Humme [SPD])


auch wenn dies dem Herrn Singhammer nicht so recht
passt.

Ein verbesserter Schutz von Kindern vor Miss-
handlungen und Vernachlässigung ist durch ein Paket
aus unterstützenden Angeboten und vernetzten Hilfen zu
erreichen, die die Rahmenbedingungen für das Auf-
wachsen von Kindern letztlich nachhaltig verbessern.
Ausgangspunkt dafür ist die Vernetzung und Stärkung
der Orte, an denen sich Kinder aufhalten: von der Fami-
lie über die Kindertagesstätte und die Schule bis hin zum
Jugendhaus. Diskriminierung von Kindern und Fami-
lien mit Migrationshintergrund gehört in die Ge-
schichtsbücher. Es darf keine Familien erster und zwei-
ter Klasse mehr geben.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen im Rahmen des Bildungsanspruchs die
Bereitstellung einer qualitativ hochwertigen, auf die Be-
dürfnisse von Kindern und Eltern – Herr Singhammer –
abgestimmten ganztägigen und beitragsfreien Kinder-
betreuung als Rechtsanspruch. Das ist die wesentliche
Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf für beide Elternteile. Hier müssen den Worten
endlich einmal Taten folgen. Nach Ihrer zweijährigen
Regierungszeit hat sich in dieser Hinsicht nicht viel be-
wegt.

Im Siebten Familienbericht wird festgestellt, dass
viele Eltern die Balance zwischen Familie und Erwerbs-
arbeit als unbefriedigend empfinden. Elternschaft zu le-
ben und zugleich berufliche Integration, soziales oder
auch politisches Engagement zu verwirklichen, ist ge-
rade für junge Eltern schwierig, aber auch sehr wichtig.
Deshalb benötigen wir in der Gesellschaft, insbesondere
in der Wirtschaft, ein neues Leitbild für gelebte Eltern-
schaft, damit der Wunsch auf Kinder endlich wieder
Vorfahrt bekommt.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Jörn Wunderlich
In unserem Entschließungsantrag fordern wir eine
Verkürzung der Arbeitszeiten; denn im Moment ist Teil-
zeitarbeit entweder ein Karrierekiller oder ein Armutsri-
siko. Beides muss sich ändern. Väter und Mütter wollen
Beruf und Zeit für Familie; darauf muss sich vor allem
die Wirtschaft stärker einstellen. Aber auch der Gesetz-
geber, also wir, sind gefragt:


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Es müssen verstärkt familienbezogene Zeitrechte in
das Arbeits- und Sozialrecht integriert werden. Es muss
flexibler gestaltet und mit einem Arbeitsplatzrückkehr-
recht ausgestattet sein. Eine Inanspruchnahme muss mit
entsprechender sozialer und materieller Absicherung
einhergehen.

Jetzt höre ich schon gedanklich die Rufe – noch ruft
aber keiner –: Wer soll das alles bezahlen? Die Linke
fordert und fordert!


(Zurufe von der SPD: Sie sagen es selbst! – Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung! – Luxussteuer!)


Das ist ein Wolkenkuckucksheim! Es ist doch kein Geld
da!


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das kommt aus dem Parteivermögen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)


Wenn man Finanz- und Wirtschaftsstudien Glauben
schenken darf, setzt Deutschland 43 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts für Bildungs- und Sozialleistungen ein.
Frankreich, Schweden, Finnland oder Dänemark geben
50 Prozent und mehr aus. Wer in der Politik auf Rüs-
tung und Krieg setzt, dem fehlen natürlich die Mittel
für die Ausgestaltung des Sozialstaates, der entzieht den
wirklich Bedürftigen die Mittel; das ist doch nicht ver-
wunderlich.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Unglaublich!)


Ganz aktuell dazu: Der Haushaltsausschuss hat am Mitt-
woch die Beschaffung von vier weiteren Fregatten im
Wert von mehr als 2 Milliarden Euro bewilligt. Dafür
hätten ungefähr 1 700 Kindergärten gebaut werden kön-
nen;


(Beifall bei der LINKEN)


von den Steuergeschenken an die Unternehmen mal
ganz zu schweigen.

Noch Fragen? Sie werden nicht an Ihren Worten ge-
messen, sondern an Ihren Taten.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Immer wunderlicher!)


Das ist eine Forderung, die immer wieder aufkommt.
Frau Connemann ist nicht da. Sie hat in dieser Woche so
schön gesagt: Nicht an Ihren Worten, sondern an Ihren
Taten werden wir Sie messen. – Ich denke, das ist ein
Maßstab, der nicht nur an Frau Connemann, sondern
auch an ihre Fraktion und die Koalition angelegt werden
muss.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Johannes Singhammer [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Herr Singhammer, jetzt treiben Sie es nicht zu weit.
Sonst bedauere ich noch, dass Herr Stoiber das Parla-
ment verlassen hat.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610604500

Ich erteile das Wort Kollegin Krista Sager, Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610604600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele

junge Eltern möchten wissen, wann es endlich losgeht,
wann das Bundesprogramm zum Ausbau der Kinder-
betreuung anläuft. Die Antwort darauf sind Sie bislang
schuldig geblieben. Keiner hat diese Frage beantwortet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Den Anfang machten Sie, Frau Ministerin, im Fe-
bruar. Seitdem sind schon einige Monate ins Land ge-
gangen.


(Ina Lenke [FDP]: Genau!)


Im Mai gab es angeblich eine Verständigung in der Ko-
alition. Und was ist jetzt? Still ruht der See! Nichts pas-
siert!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Frau Ministerin, Sie haben es mit den Ihren sicherlich
nicht immer leicht. Die Ihren werden vielleicht sagen:
Wir mit ihr auch nicht. Jetzt ist es aber an der Zeit, dass
Sie endlich in die Puschen kommen; da hat Frau Lenke
recht. Das Elterngeld endet für viele in einem halben
Jahr. Die Uhr tickt. Da muss jetzt endlich etwas passie-
ren.


(Ina Lenke [FDP]: Genau!)


Aber was passiert? Das Gezerre unter der großen
Koalitionsdecke geht munter weiter: Gezerre im Unions-
lager, Gezerre zwischen SPD und CDU. Das ist aber gar
kein Wunder: Aus dem zusammengestrickten Koali-
tionskompromiss hängen jede Menge lose Fäden raus;
an denen wird jetzt natürlich gezogen. Es gibt keine
klare Gegenfinanzierung und kein Konzept für eine ver-
fassungskonforme Beteiligung des Bundes.


(Ina Lenke [FDP]: Genau!)


Es gibt äußerst windige Formulierungen zum Rechtsan-
spruch und äußerst widersprüchliche Meinungen: Will
man lieber den Ausbau der Kinderbetreuung voranbrin-
gen oder eine Prämie zahlen, wenn die Kinder nicht in
die Kinderbetreuung gehen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Ilse Falk [CDU/CSU]: Das ist doch dummes Zeug, was Sie da sagen! Das wissen Sie doch!)







(A) (C)



(B) (D)


Krista Sager
Man hat den Eindruck, dass Sie inzwischen mehr lose
Fäden in der Hand haben als klare Vorstellungen.

Nun ist es ja die vornehmste Aufgabe einer guten Op-
position, der Regierung aus ihrer Verwirrung zu helfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: Die Betonung liegt auf „gut“! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Aber man darf dann nicht selbst verwirrt sein!)


Das wollen wir gerne tun: Sie diskutieren im Moment
über ein Gutscheinsystem. Das ist im Prinzip vernünf-
tig. Sie haben offensichtlich gemerkt, dass der Vorschlag
der grünen Oppositionsfraktion zur Kinderbetreuungs-
karte – das ist ja die gleiche Richtung – ganz pfiffig ge-
wesen ist. Wozu kann ein Gutscheinsystem gut sein? Das
Geld des Bundes kann so über die Eltern tatsächlich in
die Kinderbetreuung gehen, und zwar verfassungskon-
form, was in diesem Land nicht so einfach ist. Es kann
ferner dazu beitragen, dass nicht nur die Länder profitie-
ren, die beim Ausbau der Kinderbetreuung in der Ver-
gangenheit besonders wenig gemacht haben, sondern im
Prinzip jeder Platz, der in Anspruch genommen wird,
gleich behandelt wird. Das Gutscheinsystem kann si-
cherstellen, dass das Geld des Bundes zielgenau in der
Kinderbetreuung landet. Das ist ganz gut.

Ich sage Ihnen aber auch: Vernünftig ist es nur, wenn
es mit einem Rechtsanspruch auf Betreuung und einer
guten Gegenfinanzierung verbunden wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ina Lenke [FDP])


Herr Kauder hat darüber philosophiert, dass die Eltern,
wenn sie Gutscheine haben, ihre Nachfragemacht in
Richtung mehr Qualität nutzen könnten. Das funktio-
niert aber nicht, wenn die Eltern um einen Gutschein
betteln müssen und froh sein müssen, wenn sie für ihren
Gutschein überhaupt irgendeinen Platz bekommen. Das
ist dann keine Qualitätsoffensive. Deswegen kann die
Bittstellerrolle der Eltern nur mit dem Rechtsanspruch
beseitigt werden.

Genauso verhält es sich mit der Gegenfinanzierung.
Wir haben vorgeschlagen, 5 Milliarden Euro aus den
20 Milliarden Euro für das Ehegattensplitting zu neh-
men. Dadurch wäre die Bundesfinanzierung dauerhaft
gesichert. Sorgen Sie dann aber auch dafür, dass die Län-
der und die Kommunen Mehreinnahmen haben, sodass
auch sie ihren Beitrag zur Erhöhung der Qualität und zur
Senkung der Elternbeiträge leisten können. Sonst haben
die Eltern am Ende einen Bundesgutschein, aber immer
noch keinen guten und kostengünstigen Krippenplatz für
ihr Kind. Also: Gegenfinanzierung und Rechtsanspruch
sind zwingend erforderlich.

Schauen wir uns einmal die Erfahrungen in Ham-
burg an. Daraus kann man lernen, was schiefgeht, wenn
der Gutschein ein Mittel der Mangelverwaltung wird. In
Hamburg hat man den Gutschein an die Erwerbstätigkeit
beider Eltern gebunden. Wozu hat das geführt? Das hat
dazu geführt, dass zum Beispiel Kinder aus bildungsfer-
nen Migrantenfamilien keinen Anspruch haben. Wenn
diese Kinder einen Ganztagsplatz hatten, hat man ihnen
den sogar weggenommen.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ungeheuerlich!)


Familien, in denen beide Elternteile arbeitslos sind, ha-
ben natürlich auch keinen Anspruch. Das heißt, gerade
die Kinder, für die die frühe Förderung besonders wich-
tig ist, sind massenhaft durch den Rost gefallen. Mit
welchem Ergebnis? In Hamburg ist die Ganztagsbetreu-
ung für Drei- bis Sechsjährige in den sozialen Brenn-
punkten von 2002 bis 2005 um ein Drittel zurückgegan-
gen. In den sozialen Brennpunkten sind ein Drittel
weniger Kinder in Krippenplätzen als im übrigen Ham-
burg, weil man den Eltern eingeredet hat: Wenn die Mut-
ter zu Hause ist, soll auch das Kind zu Hause sein.

In den Stadtteilen mit überwiegend sozial benachtei-
ligter Bevölkerung bekommen 20 Prozent der Kinder
vor der Schule überhaupt keine Kinderbetreuung zu se-
hen. Das sind doppelt so viele wie im übrigen Hamburg.
Das heißt, die Versorgung in den Stadtteilen mit über-
wiegend armer Bevölkerung ist schlechter als in den
Stadtteilen mit reicher Bevölkerung. So darf man es
nicht machen. Denn es geht nicht um Unterbringung von
Kindern in Gebäuden, sondern um frühe Förderung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


In diesem Kontext ein Wort zur sogenannten Herd-
prämie. Die gut ausgebildeten jungen Mütter werden
sich ihre Berufstätigkeit mit einer Herdprämie nicht ab-
kaufen lassen. Aber für eine bildungsferne Migranten-
familie mit einem niedrigen Einkommen sind 150 Euro
im Monat eine Menge Geld. Es ist doch absurd, solchen
Familien zu sagen: Wenn ihr euer Kind nicht in die Kin-
derbetreuung gebt, dann kriegt ihr Geld, aber wenn ihr
euren Zweijährigen doch in die Kinderbetreuung geben
wollt, dann bekommt ihr kein Geld.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Ja! Sie sollen noch zahlen! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau, die Gebühren!)


Das ist im Hinblick auf alle bildungspolitischen, sozial-
politischen und integrationspolitischen Ziele völlig ab-
surd.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)


Herr Singhammer, ich glaube sogar, dass Sie es nicht
böse meinen. Sie sitzen in Ihrer bayerischen mittelstän-
dischen Familienidylle und wollen den CSU-Wählern
jetzt zeigen, dass die CSU für solche Familien ein Herz
hat. Aber Sie machen das auf Kosten der schwächsten
Kinder in diesem Land.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)


Sie kommen mir vor wie ein Kleingärtner, der darauf be-
steht, seinen Rasen weiter mit dem Wasserschlauch






(A) (C)



(B) (D)


Krista Sager
sprengen zu dürfen, während nebenan das Haus brennt.
So kann man keine moderne Familienpolitik betreiben.

Ich finde es gut, dass die Frauen und die Familien-
politiker in der FDP sich durchgesetzt haben. Wir über-
schütten uns sonst nicht mit Komplimenten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich kann nur hoffen, dass Sie, Frau von der Leyen, Ihren
Leuten diesen Unsinn auch noch austreiben werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610604700

Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegen

Singhammer das Wort.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1610604800

Frau Kollegin Sager, nachdem Sie sich gerade so über

das Betreuungsgeld echauffiert haben, bitte ich freund-
lich um Kenntnisnahme folgender Zahlen und einen
Prozess des Nachdenkens. Gestern und heute kann man
beispielsweise in einer veröffentlichten Umfrage nachle-
sen – sie wurde nicht vom „Bayernkurier“ durchgeführt,


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Forsa!)


sondern von Forsa und der „Abendzeitung“ –, dass
70 Prozent – genaugenommen 71 Prozent – der Befrag-
ten gesagt haben, dass sie das Betreuungsgeld wollen,
dass sie es brauchen und dass sie es als Ausgleich der
unterschiedlichen Familienmodelle wünschen.


(Miriam Gruß [FDP]: Fragen Sie die Kinder! – Zuruf von der SPD: Wer sagt bei Geld schon Nein?)


Diesem Wunsch und Willen einer ganz großen Mehrheit
der Menschen in Deutschland wollen wir entsprechen,
weil wir davon überzeugt sind, dass das richtig ist.


(Zuruf von der SPD: Natürlich sagen die nicht Nein!)


Wenn Sie sich an einer Partei, die seit vielen Jahrzehnten
über 50 Prozent der Stimmen erhält, orientieren wollen,
dann sollten Sie sich auch mit dem Betreuungsgeld an-
freunden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610604900

Frau Kollegin Sager, Sie haben jetzt Gelegenheit zur

Reaktion.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610605000

Herr Singhammer, ich hätte mir gewünscht, dass Sie

sich, wenn Sie sich zu einer Kurzintervention melden,
argumentativ zumindest auf die Mechanismen einlassen,
die ich beschrieben habe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Diese Argumentation ist ihm zu platt!)

Wenn Sie die Menschen fragen, ob sie mehr Geld ha-
ben wollen, sagen sie immer Ja. Aber wie wirkt das in
Bezug auf den Anreiz, ein Kind, das es besonders nötig
hat, in eine frühe Förderung zu bringen?


(Miriam Gruß [FDP]: Sehr richtig!)

Auf diesen Mechanismus lassen Sie sich gar nicht ein.
Ich finde, das geht weder unter sozialpolitischen noch
unter integrationspolitischen noch unter bildungspoliti-
schen Gesichtspunkten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist nicht so, dass irgendeiner Familie in Deutsch-

land etwas weggenommen wird. Es ist auch nicht so,
dass Deutschland bei den Transferleistungen im interna-
tionalen Vergleich nicht ganz gut dasteht. Es gibt das
Ehegattensplitting,


(Ina Lenke [FDP]: Ganz genau!)

und es gibt Betreuungsfreibeträge. Mit diesen Freibeträ-
gen werden die Familien gefördert, auch die Familien,
die sich gegen die Betreuung ihrer Kinder entscheiden.


(Beifall der Abg. Miriam Gruß [FDP])

Wir stehen vor der Aufgabe, insbesondere die Fami-

lien, die bildungsfernen Schichten angehören, und Ein-
wandererfamilien davon zu überzeugen, dass es gut ist,
wenn sie ihr Kind nicht erst mit vier oder fünf Jahren in
den Kindergarten schicken, und dass es gut ist, wenn sie
es dort nicht nur für vier Stunden lassen. Das ist eine rie-
sige Aufgabe.

An dieser Stelle setzen Sie das Signal in die umge-
kehrte Richtung. Sie wollen es geradezu prämieren,
wenn diese Familien ihre Kinder zu Hause behalten. Das
heißt, wenn die Mutter zu Hause ist, muss auch das Kind
zu Hause sein. Das ist wirklich fatal. Ich glaube, das
wird in der deutschen Wirtschaft inzwischen viel besser
verstanden als in der CSU. In der deutschen Wirtschaft
wird mittlerweile anerkannt, dass eine frühe Förderung
der Kinder wichtig ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610605100

Das Wort hat nun Kollege Paul Lehrieder, CDU/CSU-

Fraktion.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1610605200

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Werte Damen und Herren! Frau Sager,
zunächst zu Ihrem Schlusswort: Die CDU/CSU-Fraktion
hat es nicht nötig, von einer Ministerin oder einem Frak-
tionsvorsitzenden auf Linie gebracht zu werden. Unsere
Fraktion besteht aus selbstbewussten und selbstständi-
gen Abgeordneten, die um eine vernünftige und gute Lö-
sung ringen. Sie dürfen uns durchaus zugestehen, dass
wir dabei ein wohlmeinendes Interesse verfolgen und
gute Absichten haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha! Na, dann!)







(A) (C)



(B) (D)


Paul Lehrieder
Der Siebte Familienbericht, über den wir heute im
Plenum diskutieren, wurde bereits im April 2006 vorge-
legt; seine Veröffentlichung liegt also schon einige Zeit
zurück. Lassen Sie mich daher zu Beginn meiner Aus-
führungen die wichtigsten Aussagen des Siebten Fami-
lienberichts in Erinnerung rufen.

Seine Kernbotschaft lautet: Familie ist nach wie vor
die attraktivste Lebensform für junge Frauen und Män-
ner. Für 80 Prozent der jungen Menschen ist Familie
auch heute noch wichtig. Die meisten von ihnen wollen
selbst einmal eine eigene Familie gründen. Allerdings
müssen die jungen Menschen zur Verwirklichung dieses
Wunsches heutzutage flexibler und vielseitiger als ihre
Elterngeneration sein.

Angesichts der demografischen Entwicklung und der
Bedeutung der Familie für unsere Gesellschaft als Gan-
zes kann die Botschaft für uns Familienpolitiker nur lau-
ten: Wir müssen alles dafür tun, damit junge Menschen
ihren Familienwunsch realisieren können. Aufgabe einer
modernen Familienpolitik muss sein, die Rahmenbedin-
gungen für Familien so zu gestalten, dass ein Leben mit
Kindern einfacher zu managen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Um den Alltag und das Leben insgesamt meistern zu
können, brauchen Familien aus Sicht der Sachverständi-
genkommission heutzutage dreierlei: erstens finanzielle
Unterstützung in den verschiedenen Lebensphasen,
zweitens Zeit für ein gemeinsames Familienleben und
drittens eine Infrastruktur, durch die familiennahe
Dienstleistungen bedarfsgerecht angeboten werden.

Bundesfamilienministerin Frau von der Leyen hat die
Kernaussagen des Siebten Familienberichts in der Ver-
gangenheit offensiv nach außen vertreten und sie auch in
der heutigen Debatte deutlich gemacht. Sehr geehrte
Frau Ministerin, Sie scheuen keine Auseinandersetzung,
um Familienpolitik zum Wohle aller Familien in unse-
rem Lande zum Topthema schlechthin zu machen. Des-
halb freue ich mich, hier und heute feststellen zu können,
dass die zentralen Empfehlungen der Sachverständigen-
kommission in den vergangenen 14 Monaten bereits
weitestgehend umgesetzt worden sind.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So ist es!)


Denken wir nur an die steuerliche Absetzbarkeit von
haushaltsnahen Dienstleistungen und an die Einführung
des Elterngeldes zum 1. Januar dieses Jahres!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Ina Lenke [FDP]: Aber nicht für Selbstständige!)


– Frau Lenke, zu Ihnen komme ich noch.

Auch was die Bündelung der Leistungen für Familien
betrifft, sind wir auf einem guten Weg. Ich selbst bin in
der Arbeitsgruppe „Familienleistungen“, die von meiner
Fraktion eingerichtet wurde, und kann bestätigen, dass
an dieser komplexen Materie intensiv gearbeitet wird.

Diese Maßnahmen haben entscheidend dazu beigetra-
gen und werden entscheidend dazu beitragen, dass die
Rahmenbedingungen für Familien in unserem Land bes-
ser werden. Die inzwischen auf 1,4 Kinder pro Frau
leicht gestiegene Geburtenrate bestätigt diese positive
Entwicklung.


(Miriam Gruß [FDP]: Das war doch aufgrund der Fußball-WM!)


– Sie reden nachher noch selber, Frau Gruß.

Um Wunsch und Wirklichkeit in unserem Land noch
weiter in Einklang zu bringen, war es besonders wichtig,
dass wir auch beim Ausbau der Betreuung für unter
Dreijährige gehandelt haben. Die ideologischen Gra-
benkämpfe, die diesen enorm wichtigen Schritt hin zur
besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf lange Zeit
blockiert haben, scheinen damit endlich überwunden zu
sein. Die Große Koalition hat beschlossen, dass bis 2013
für 35 Prozent der Kinder ein Krippenplatz bzw. ein
Platz bei einer Tagesmutter geschaffen wird.


(Ina Lenke [FDP]: Beschlossen, aber nicht eingeführt!)


Frau Sager, es geht hier nicht um ein Entweder-oder, es
geht um ein Sowohl-als-auch, es geht um das Recht auf
einen Krippenplatz, aber auch um die Möglichkeit der
Betreuung zu Hause; ich komme noch im Detail dazu.

Wir gehen davon aus, dass etwa ein Drittel der Eltern
ein entsprechendes Angebot benötigen und auch in An-
spruch nehmen wird. Die Entscheidung des Koalitions-
ausschusses vom 14. Mai 2007 wird dazu führen, dass
vor allem der steigenden Zahl von alleinerziehenden
Müttern und Vätern, aber auch all jenen Familien, die
trotz Kind arbeiten wollen – oder arbeiten müssen –, das
Leben in Zukunft erleichtert wird.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!)


Nicht zuletzt aus diesem Grund ist anzunehmen, dass
wieder mehr junge Menschen in Deutschland den Mut
finden werden, sich für ein Kind zu entscheiden. Es ist
außerdem unser politischer Wille, dass ab 2013 ein
Rechtsanspruch auf Betreuung der unter dreijährigen
Kinder eingeführt wird. Hierdurch erhalten junge Fami-
lien wie auch Alleinerziehende Planungssicherheit und
Verlässlichkeit.


(Beifall der Abg. Nicolette Kressl [SPD])


Frau Sager, Sie haben in der Überschrift Ihres An-
trags ausdrücklich „Verlässlichkeit für Familien schaf-
fen“ geschrieben. Genau das tun wir; da sind wir sogar
ein Stück weiter als die Grünen.

Frau Kressl, ich gebe Ihnen recht: Natürlich wird die
Steigerung des Angebotes an Krippenplätzen für unter
Dreijährige die Nachfrage beflügeln. Es werden mehr
Krippenplätze für unter Dreijährige nachgefragt, wenn
die Mutter weiß: Es sind Plätze da, und ich kann bewusst
und auch in der heutigen Zeit leichter Ja zum Kind sa-
gen.

Gleichzeitig ist vorgesehen, dass jene, die ihre Kinder
im Alter zwischen einem Jahr und drei Jahren nicht au-
ßer Haus betreuen lassen möchten, ab 2013 eine monat-
liche Zahlung von 150 Euro bekommen. Das sogenannte






(A) (C)



(B) (D)


Paul Lehrieder
Betreuungsgeld ist aus unserer Sicht ein weiterer Schritt
zu echter Wahlfreiheit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Miriam Gruß [FDP]: Was ist mit den Kindern?)


– Das unter dreijährige Kind wird Ihnen nicht sagen kön-
nen, ob es die 150 Euro mitnehmen oder lieber mit sei-
nen Kumpels in der Krippe spielen will. Also bitte, Frau
Gruß, ein bisschen Seriosität in der Diskussion sollte
schon sein.

Oberstes Ziel muss es sein, dass Eltern – sie haben
das Erziehungsrecht – selbst entscheiden können, wel-
che Betreuungsform sie für ihre Kinder möchten, und
dass sie, egal wie die Entscheidung ausfällt, vom Staat
Unterstützung und Anerkennung erfahren. Die CDU/
CSU-Fraktion ist der Meinung, dass jede Familie, die
Kinder erzieht, unseren Respekt und unsere Anerken-
nung unabhängig vom gewählten Lebensmodell ver-
dient.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Frau Sager, natürlich wird über das Gutschein-
modell auch bei uns kontrovers und lebhaft diskutiert;
keine Frage. Aber jetzt die bildungsfernen Schichten, die
sie angesprochen haben, oder die Migrationsfamilien un-
ter den Generalverdacht zu stellen, dass die Gelder nicht
bezogen auf die Kinder ausgegeben werden, bzw. zu be-
haupten, dass die „Herdprämie“ – Sie haben das ohne
Anführungszeichen gemeint – dazu führt, dass die Kin-
der nicht in Betreuungseinrichtungen gebracht werden –
das sind Unterstellungen, die Sie nicht ernsthaft auf-
rechterhalten werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610605300

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1610605400

Wer will sie stellen? – Frau Gruß spricht nachher. Ich

verzichte.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Sie trauen sich nicht! – Cornelia Pieper [FDP]: Unerhört!)


Auf keinen Fall wollen wir die einzelnen Lebensmo-
delle gegeneinander ausspielen. Leider sind Sie, meine
lieben Kollegen von der Opposition, über das Stadium
der Polarisierung und Diffamierung noch nicht hinaus,
wie die Aktuelle Stunde zur „Herdprämie“ im Mai ge-
zeigt hat. Ich bedauere die Bezeichnung „Herdprämie“
– Sie haben sie auch vorhin verwendet –, weil damit eine
Schärfe in die Diskussion gekommen ist, die den Fami-
lien nichts nützt und für die viele Familien kein Ver-
ständnis haben.

Das gilt gleichermaßen für die auch von Teilen von
uns verwendete Bezeichnung Fremderziehung.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Völlig falscher Begriff!)


Mein Sohn mit seinen gut zwei Jahren ist für ein paar
Stunden am Tag in einer Krippe. Ich würde mich ver-
wahren gegen die Formulierung, meine Frau und ich lie-
ßen unser Kind deswegen fremderziehen. Jede Mutter
und jeder Vater, die ihr Kind für vier Stunden am Tag in
die Krippe bringen, erziehen das Kind 20 Stunden am
Tag noch selber. Ich glaube, es ist nicht der richtige Weg,
hier von Fremderziehung zu sprechen. Wir sollten hier
beide rhetorisch abrüsten.


(Abg. Cornelia Pieper [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Sie brauchen sie nicht anzumelden; ich lasse sie nicht
zu.


(Sibylle Laurischk [FDP]: So viel zur Diskussionsfähigkeit der CSU! Das ist ja unglaublich! Ist das der Stil, den Sie auch mit dem Koalitionspartner pflegen?)


Nehmen Sie doch lieber wohlwollend zur Kenntnis,
dass den Familien in Deutschland ab 2013 durch das Be-
treuungsgeld zusätzliches Geld – wohlgemerkt: zusätz-
lich zu den 4 Milliarden Euro, die der Bund für den Aus-
bau der Kinderbetreuung zahlen wird – zur Verfügung
stehen wird. Es erschließt sich mir nicht, was an mehr
Geld für Familien schlecht sein soll.

Mit der Einführung des Betreuungsgeldes kann eine
Empfehlung der Sachverständigenkommission umge-
setzt werden, die vorgeschlagen hat, die Dauer des El-
terngeldes auf drei Jahre auszudehnen. Wir bewegen uns
in der Diskussion ja schon in die Richtung, dass wir für
die Familien über das erste Jahr hinaus mehr Leistungen
gewähren wollen. Das hatten Sie vorhin noch moniert,
Frau Lenke.

Lassen Sie uns daher doch die leidige Diskussion
über das richtige Familienbild und die Vorwürfe der Be-
vormundung beenden. Konzentrieren wir uns lieber da-
rauf, geeignete Instrumente und Wege zu finden, damit
jedes Kind von den geplanten Initiativen profitieren
kann. Maßstab jeder Überlegung kann dabei meiner
Meinung nach nur das Kindeswohl sein. Das Kindes-
wohl ist dann gewährleistet, wenn ein Kind seine Poten-
ziale frei entfalten kann. Wir alle sind uns wohl darin ei-
nig, dass in diesem Zusammenhang gerade der
frühkindlichen Bildung eine zentrale Rolle zukommt.

Ich distanziere mich aber ausdrücklich davon, dass
gute Angebote für Kinder ausschließlich durch institu-
tionelle Betreuungseinrichtungen gewährt werden kön-
nen. Ich denke, dass immer noch die Eltern am besten
entscheiden können, was der Entwicklung ihres Kindes
gut tut. Die allermeisten Eltern werden das Betreuungs-
geld auch zielgerichtet für das Wohlergehen ihres Kin-
des einsetzen, Frau Sager.

Diejenigen Eltern, die durch entsprechende Probleme
in der Familie nicht dazu in der Lage sind, brauchen bei
der Bewältigung ihrer Probleme Unterstützung. Ihnen
und ihren Kindern ist vielleicht nicht unbedingt durch
mehr Geld geholfen. Ich gebe den Kritikern des Betreu-
ungsgeldes recht, dass das Geld in manchen Fällen wohl
auch nicht bei den Kindern ankommen wird.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Sie reden sich die Welt schön, Herr Lehrieder!)







(A) (C)



(B) (D)


Paul Lehrieder
Es ist aber auch klar, dass sozial benachteiligte Familien,
auf die Sie aus der Opposition in diesem Zusammenhang
gerne abzielen, zusätzlich gezielte Hilfestellungen brau-
chen, damit sich die Situation der Eltern auch wirklich
nicht negativ auf die Entwicklung der Kinder auswirkt.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Wo bleibt die Frühförderung?)


Das soziale Frühwarnsystem der Bundesregierung ist
darüber hinaus meiner Meinung nach bereits ein wichti-
ger Schritt in die richtige Richtung, um Vernachlässi-
gung oder sogar Misshandlung von Kindern wirksam
vorzubeugen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610605500

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1610605600

Jawohl, Herr Präsident, ich bin schon kurz vorm

Ende, obwohl ich noch viel zu sagen hätte.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Es ist jetzt Schluss! Sie werden nicht mehr zugelassen, Herr Lehrieder! So viel zur Diskussionsfähigkeit!)


Der Bund stellt 10 Millionen Euro für das Programm
bereit. Im Fokus stehen dabei vor allem Kinder bis zu
drei Jahren sowie junge Familien in belasteten Lebensla-
gen.

Liebe Frau Laurischk, ich freue mich auf die Diskus-
sion im Ausschuss.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Da können wir Ihre Ausführungen leider nicht stoppen!)


Dort haben wir Zeit dafür. Ich stehe Ihnen für eine Dis-
kussion selbstverständlich gerne zur Verfügung. Ich bitte
aber um Verständnis, dass ich Schaufensterfragen hier
im Plenum aufgrund der vorgerückten Zeit nicht zuge-
lassen habe. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochen-
ende.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ina Lenke [FDP]: Das reicht jetzt aber auch!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610605700

Es wurden zwei Kurzinterventionen angemeldet. Zu-

nächst Kollegin Sager und dann Kollege Barth.


Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610605800

Herr Lehrieder, eine Sache kann ich so wirklich nicht

stehen lassen, nämlich Ihre Behauptung, ich hätte den
bildungsfernen Migrantenfamilien unterstellt, dass sie,
wenn sie eine staatliche Prämie bekämen, das Geld
nicht für ihre Kinder ausgeben würden. Das habe ich
nicht gesagt.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So ist es aber angekommen!)


Der Sachverhalt ist doch anders: Sie wollen diese Prä-
mie als Belohnung dafür gewähren, dass diese Familien
ihr Kind nicht in eine Kinderbetreuung geben.

(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ganz falsch! – Weiterer Zuruf der CDU/CSU: Was heißt hier „Belohnung“?)


In dem Moment, in dem sich eine solche Familie ent-
scheidet, zum Beispiel ein zweijähriges Kind doch wie-
der in die Kinderbetreuung zu geben – was meistens mit
zusätzlichen Kosten verbunden ist –, nehmen Sie ihnen
das Geld wieder weg, weil sie die Kriterien für diese
Prämie dann ja nicht mehr erfüllen.


(Nicolette Kressl [SPD]: So ist es!)


Das ist das völlig falsche Signal. Darauf lassen Sie
sich argumentativ aber offensichtlich nicht ein. Denken
Sie also noch einmal darüber nach!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610605900

Kollege Barth, bitte.


Uwe Barth (FDP):
Rede ID: ID1610606000

Herr Kollege Lehrieder, neben der Tatsache, dass ich

die Form und die Art Ihres Umgangs mit den Meldungen
zu Zwischenfragen nicht sehr kollegial fand, finde ich es
besonders verwunderlich, dass Sie am Ende bedauern,
dass Sie noch viel zu sagen gehabt hätten. Dabei hätten
Sie die Gelegenheit gehabt, mehr zu sagen, wenn Sie die
Zwischenfragen zugelassen hätten. Diese Chance haben
Sie nicht genutzt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte Sie nur kurz darauf hinweisen, dass es
auch in einigen ostdeutschen Ländern, in denen die CDU
meines Wissens mitregiert, einen Rechtsanspruch auf
Kinderbetreuung für Kinder von null bis 14 Jahren gibt.
Das ist in Sachsen-Anhalt zum Beispiel der Fall. Das,
was Sie vorgetragen haben, erscheint mir damit nicht
vereinbar. Vielleicht können Sie auch darauf in Ihrer
Antwort eingehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610606100

Herr Kollege Lehrieder, Sie haben Gelegenheit zur

Antwort.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1610606200

Zunächst zu Ihnen, Frau Sager: Es geht nicht um eine

Belohnung dafür, dass die Kinder zu Hause bleiben, son-
dern um einen Ausgleich.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: So ist es! – Nicolette Kressl [SPD]: Was ist mit dem Ehegattensplitting?)


Sie unterstellen, dass die Erziehungsleistung durch El-
tern, die ihre Kinder zu Hause erziehen, weniger oder
gar nichts wert ist. Wenn für die Erziehung zu Hause
– auch dort fallen schließlich Ausgaben an – ein Aus-






(A) (C)



(B) (D)


Paul Lehrieder
gleich in Höhe von 150 Euro gewährt wird, dann ist das
weder eine Diskriminierung noch eine Präferenz.


(Beifall des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/ CSU])


Mir geht es darum, dass die Eltern frei zwischen bei-
den Modellen wählen können, ohne dass eines bevorzugt
wird. Das liegt im Interesse der Eltern wie auch der Kin-
der.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihr Modell!)


Zu Ihrer Frage, Herr Barth: Ich habe kein Problem da-
mit, wenn auf Länderebene ein Rechtsanspruch auf Kin-
derbetreuung geschaffen wird. Wir haben uns mit dem
Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab 2013 bereits
in diese Richtung bewegt, was Sie auch zur Kenntnis ge-
nommen haben. Ob der Rechtsanspruch schneller einge-
führt werden kann, bleibt abzuwarten. Auch wenn wir
nicht ganz so schnell vorankommen, wie Sie es sich vor-
stellen, sind wir auf dem richtigen Weg. Wir denken über
dieses Thema nach. Das wäre vor ein paar Jahren bei uns
noch schlecht vorstellbar gewesen.

Danke schön.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610606300

Nun erteile ich das Wort Kollegin Miriam Gruß, FDP-

Fraktion.


Miriam Gruß (FDP):
Rede ID: ID1610606400

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Ich möchte auf zwei Randgruppen
hinweisen, die in der Debatte schlichtweg vergessen
wurden. Der eine oder andere lacht zwar darüber, aber
meiner Ansicht nach werden sowohl die Bedürfnisse und
Rechte der Kinder als auch die Forderungen und Anlie-
gen der Väter in der gesamten Diskussion übersehen.

Niemand aus den Reihen der CDU/CSU fragte bisher
nach dem Recht der Kinder auf Bildung, individuelle
Förderung und Unterstützung bei der Entwicklung der
eigenen Fähigkeiten.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Darauf habe ich schon hingewiesen!)


Statt von Förderung spricht der Kollege Lehrieder näm-
lich nur von einem Treffen von Kumpels, wenn es um
die Kinderkrippen geht. Sie müssen noch viel dazu-
lernen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Niemand aus den Reihen der CDU/CSU fragte bisher
nach den Wünschen, vielleicht aber auch nach den
Ängsten der Väter, wenn es um das Thema Kinderbe-
treuung ging. Im Siebten Familienbericht werden hinge-
gen in beiden Bereichen Schwerpunkte gesetzt. Darüber
freue ich mich und danke den Autoren für ihre Weitsicht.
Beim Thema Kinder steht die Trias Bildung, Betreu-
ung und Erziehung im Mittelpunkt. Insbesondere die
ersten Lebensjahre sind entscheidend für die Persönlich-
keitsbildung von Kindern. Der vorliegende Bericht ver-
weist zu Recht auf wichtige Ergebnisse neuerer For-
schungen zur frühkindlichen Sozialisation.

Demnach kommt es nicht nur auf die reine Versor-
gung in den ersten Lebensmonaten an; ebenso wichtig
sind auch der Aufbau stabiler Bindungen und die Bezie-
hungsqualität, wie es im Bericht heißt. Ein Kind begreift
ab der Geburt, ob es von einer Person nur versorgt oder
aufmerksam betreut, angeregt und gefördert wird. Wir
alle – außer der CDU/CSU – wissen, welche enormen
Effekte frühkindliche Förderung hat:


(Lachen bei der CDU/CSU)


selteneres Schulversagen, höhere und frühere Bildungs-
abschlüsse, bessere Gesundheit und Ernährung und ge-
ringere Kriminalitätsraten.


(Beifall bei der FDP)


Deshalb fordert die FDP-Fraktion, dass schon Krip-
pen und Kindergärten unter dem Aspekt der frühkindli-
chen Bildung begriffen, dass dort die kognitiven Fähig-
keiten von Kindern gezielt gefördert werden und dass
die Hilfe dort ankommt, wo sie gebraucht wird, nämlich
bei den Kindern.


(Beifall bei der FDP)


Möglich wird dies mit unserem Konzept der Subjektför-
derung durch Bildungs- und Betreuungsgutscheine.

Herr Lehrieder, Sie wollen doch eigentlich nur eine
Kindergelderhöhung durchsetzen.


(Sibylle Laurischk [FDP]: Genau!)


Wir wollen nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern
bedarfsgerecht fördern. In diesem Zusammenhang will
ich eines klarstellen: Auf Schuldenbergen können Kin-
der nicht spielen.


(Beifall bei der FDP)


Lassen Sie mich abschließend auf die zweite Minder-
heit zu sprechen kommen. Im Siebten Familienbericht
wird zu Recht an vielen Stellen darauf verwiesen, wie
unterschiedlich Frauen und Männer mit der Herausfor-
derung Familie umgehen. Es wird aber auch klargestellt,
dass junge Männer am Erziehungsprozess ihrer Kinder
beteiligt werden wollen. In dem Bericht wird deutlich
gesagt: Kinder brauchen ihre Väter. Sie sind ihnen Vor-
bild, Vertrauensperson und Hilfe zugleich. Ich fordere
mehr männliche Erzieher, vor allem in den Kindergärten,
aber auch in den Grundschulen. Die Väter sind ganz
wichtig, und es ist auch extrem wichtig, dass sie ein Vor-
bild für ihre Kinder sind.


(Beifall bei der FDP)


Im Sinne der Väter, der Kinder und der Familien ma-
chen wir von der FDP eine gute Bildungs- und Familien-
politik.


(Beifall bei der FDP)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610606500

Jetzt hat Frau Kollegin Humme von der SPD-Fraktion

das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1610606600

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen!

Etwas Erfreuliches aus Bayern: 98,5 Prozent der 3- bis
6-Jährigen gehen dort in einen Kindergarten. Das konnte
man gestern lesen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das ist richtig! Mit Ausnahme von München! Da fehlt es noch ein bisschen!)


– Das ist richtig, sagen Sie, Herr Singhammer. Das ist
eine sehr beeindruckende Zahl, keine Frage. Warum soll
ich Sie nicht auch einmal loben, wenn es wirklich ange-
bracht ist?


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Genau!)


Ich sage aber gleichzeitig: Das ist so, weil es seit elf
Jahren für die 3- bis 6-Jährigen einen Rechtsanspruch
auf einen Kindergartenplatz gibt. Der Rechtsanspruch
wirkt an dieser Stelle.

Wenn wir uns aber die Situation bei den Krippenplät-
zen anschauen, dann müssen wir feststellen – das haben
wir heute schon vielfach gehört –, dass die Zahlen wirk-
lich mager sind. In Westdeutschland werden insgesamt
nur 7,8 Prozent der Kinder unter drei Jahren entspre-
chend betreut. Ich meine, an dieser Stelle ist klar: Auch
im Krippenbereich brauchen wir unbedingt einen
Rechtsanspruch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, vor neun Monaten
haben wir zum ersten Mal über den Siebten Familienbe-
richt debattiert. Im Familienbericht legen uns die Wis-
senschaftler ein Umdenken in der Familienpolitik nahe:
weg von der bisherigen Politik der reinen Transferleis-
tungen und hin zu einem nachhaltigen familienpoliti-
schen Konzept, einem Mix aus Geld, Betreuungsangebo-
ten und Zeit. Gleichzeitig – das ist ein Aspekt, der heute
noch gar nicht richtig zum Tragen kam – legen uns die
Wissenschaftler nahe, dass gute Familienpolitik immer
auch Gleichstellungspolitik sein muss. Beides gehört zu-
sammen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wer vor anderthalb Jahren gedacht hat, dass die
Große Koalition gar nicht in der Lage sein wird, aus die-
sem Anspruch heraus etwas zu entwickeln, der wird
– das muss man ehrlicherweise sagen – eines Besseren
belehrt. Ich sage Ihnen: Sie bewegt sich doch, auch wenn
das in den letzten Tagen vielleicht nicht ganz so deutlich
war. Die Große Koalition hat in den letzten neun Mona-
ten eine ganze Menge auf den Weg gebracht. Frau Sager,
so langsam, wie Sie es beschrieben haben, war das mit
Sicherheit nicht.

Denn wer hätte gedacht, dass schon am 1. Januar
2007 – nach einem Jahr – das Elterngeld und die Eltern-
zeit in Kraft treten würden? Und wer hätte gedacht, dass
wir uns schon am 14. Mai 2007 – vor sechs Wochen –
auf einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ver-
ständigen würden?


(Beifall bei der SPD)


Wir haben uns darauf verständigt – und darauf bestehen
wir –, dass dieser Rechtsanspruch auch in dieser Legisla-
turperiode formuliert wird.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Aber nur, wenn es das Betreuungsgeld gibt!)


– Warten wir einmal ab. – Damit erfüllen wir berechtig-
terweise Schritt für Schritt die Forderungen des Siebten
Familienberichts.

Man stellt ja fest, dass das Elterngeld schon jetzt
dazu geführt hat, dass sich die Anzahl der Anträge der
Männer auf Elternzeit im Vergleich zu früher verdoppelt
hat. Diese Verhaltensänderung der Männer ist der Be-
weis dafür, dass die Annahme im Siebten Familienbe-
richt richtig ist: Die Familie hat sich verändert, aber auch
die Rollen haben sich verändert.


(Beifall bei der SPD)


Das Elterngeld und die Elternzeit geben den Müttern
und Vätern die Chance, die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie letztlich auch in die Tat umzusetzen. Das ist eine
wichtige Voraussetzung auch für das Thema Gleichstel-
lung.

Aber ich gebe Ihnen, Frau Sager, und allen, die vorher
gesprochen haben, natürlich recht: Nach einem Jahr
Elternzeit, das heißt im nächsten Jahr, wird der Druck
zunehmen, einen qualitativ guten Krippenplatz zu fin-
den.


(Ina Lenke [FDP]: Die Plätze fehlen! Der Druck nimmt nicht zu!)


– Aber der Druck erhöht sich auch, weil die Nachfrage
stärker wird, Frau Lenke. Darin werden Sie mir ja recht
geben. Sie haben das in Ihrer Rede ja deutlich gemacht.

Deshalb ist es richtig, Druck zu machen. Und Frau
von der Leyen macht ja auch Druck, um den Ausbau
der Krippenplätze zu bescheunigen.


(Uwe Barth [FDP]: Sie kann es aber nicht bezahlen! Das ist das Problem!)


Darum ist richtig, dass wir bei den Krippenplätzen bis
2013 auf 750 000 Plätze kommen wollen. Auch ist es
richtig, die Formulierung eines Rechtsanspruchs zu be-
schleunigen.


(Uwe Barth [FDP]: Sie sollten mit Herrn Steinbrück darüber reden!)


Wir dürfen keine Zeit verlieren.


(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610606700

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Lenke?


Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1610606800

Gerne.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610606900

Bitte, Frau Lenke.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1610607000

Frau Kollegin Humme, da die Ministerin nicht mit

dem Finanzierungskonzept herausgerückt ist, sagen Sie
mir doch bitte, wie Sie den Druck ohne ein Finanzie-
rungskonzept erhöhen wollen mit dem Ziel, eine ausrei-
chende Zahl an Krippenplätzen zur Verfügung zu stellen.


(Beifall bei der FDP)



Christel Humme (SPD):
Rede ID: ID1610607100

Sie haben recht: Dafür braucht man Geld. Ich bin sehr

froh und stolz darauf, dass wir in der Großen Koalition
vereinbart haben, dass der Bund die Kommunen nicht
alleine lässt, sondern sich an der Finanzierung der Krip-
penplätze beteiligt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich glaube, das ist ein Fortschritt. Das hat es vorher nicht
gegeben. Das müssen Sie anerkennen.


(Uwe Barth [FDP]: Da sind wir gespannt!)


Beim Krippenausbau geht es nicht nur um Gleichstel-
lung, sondern auch – das wurde in den zuvor gehaltenen
Reden deutlich – um die Bildungschancen unserer Kin-
der. Frau Kressl hat mit Recht darauf hingewiesen: So-
lange es Zeitungsmeldungen gibt, dass Akademikerkin-
der einen besseren Zugang zum Studium haben und eher
ein Studium abschließen, während Kinder aus Familien
mit Migrantenhintergrund noch nicht einmal einen
Hauptschulabschluss erreichen, so lange haben wir die
Pflicht, die Bildung von Anfang an in den Vordergrund
zu stellen. Herr Lehrieder, Sie tun das Konzept der Bil-
dung von Anfang an leider als Spielgruppe mit Kamera-
den ab. Das kann ich Ihnen nicht durchgehen lassen.
Bitte schauen Sie sich die Bildungsberichte an. Dann
wissen Sie, wie wichtig Bildung von Anfang an ist.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sehen, dass der Betreuungsausbau bei uns der Ta-
gesordnungspunkt eins ist. Ich sage Ihnen aber ganz
deutlich: Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
kraten steht das Betreuungsgeld nicht auf der Tagesord-
nung; denn ich stimme allen Vorrednerinnen und Vorred-
nern zu, die die Auffassung vertreten haben, dass das
Betreuungsgeld eine Geldleistung dafür ist, dass ein
Kind weniger Bildung erhält.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es wäre außerdem eine Geldleistung dafür, dass Mütter
– nicht die Väter; um die geht es in der Regel nicht – ihre
eigenen Lebensentwürfe nicht leben können. Oder soll
ich vielleicht sagen: nicht leben sollen? Das wollen wir
auf keinen Fall.

Wir danken den Verfasserinnen und Verfassern des
Siebten Familienberichts für die Anregungen, die alle
ein einziges Ziel haben, nämlich die Neuausrichtung der
Familienpolitik an der Lebenswirklichkeit. Ich garan-
tiere: Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
machen uns diese Anregungen gerne zu eigen.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Da können wir leider nicht klatschen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610607200

Nun hat als letzter Redner zu diesem Tagesordnungs-

punkt Kollege Wolfgang Spanier, SPD-Fraktion, das
Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1610607300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Bericht, über den wir heute diskutieren, hat 589 Seiten.
Es ist völlig klar, dass wir in einer Stunde Debatte nur
einzelne Punkte herausgreifen können.

Ich möchte das unterstreichen, was Frau Humme ge-
rade gesagt hat: Der Bericht ist ganz ausgezeichnet, und
zwar sowohl in der Analyse als auch in der Orientierung,
die er uns in der Familienpolitik gibt. Eines ist deutlich
– das ist glücklicherweise seit drei, vier Jahren auch in
der öffentlichen Wahrnehmung –: Familienpolitik ist ein
entscheidender Bereich der Gesellschaftspolitik für die
Entwicklung unseres Landes.

Da ich in sechs Minuten nicht alle Aspekte anspre-
chen kann, will ich mich auf zwei konzentrieren. Ich
möchte einige Anmerkungen zur Veränderung der Fami-
lienstrukturen machen und auf einen Aspekt eingehen,
der mir persönlich wichtig ist, nämlich auf die Genera-
tionensolidarität.

In dem Bericht wird im europäischen Vergleich sehr
ausführlich beschrieben – das wurde heute schon mehr-
fach angesprochen –, wie sehr sich die Familienstruk-
turen im Vergleich zu den 60er-Jahren verändert haben.
Es wird dankenswerterweise mehrfach gesagt, dass alle
Versuche, das zurückzudrehen, einen Schritt zurück in
die 60er-Jahre zu machen, scheitern werden, dass ein
solcher Schritt völlig verfehlt ist. Ich verstehe daher alle,
die das Betreuungsgeld kritisieren; denn hier wird in
der Tat übersehen, dass es im Kindergarten, in der Kin-
dertagesstätte und in der Kinderkrippe nicht nur um Be-
treuung geht. Es geht doch nicht allein darum, die Vo-
raussetzungen dafür zu schaffen, dass beide Elternteile
arbeiten können. In der Kinderkrippe geht es auch um
Bildung und Erziehung. Das ist ganz entscheidend.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Wolfgang Spanier
Viele von den Älteren, wie zum Beispiel ich, sind Groß-
eltern. Wir sehen an den Enkelkindern, welchen Ent-
wicklungsschub es bei ihnen gibt, wenn sie diese Ein-
richtungen besuchen. Kinderkrippen haben eben nicht
hauptsächlich mit Betreuung und Verwahrung zu tun.

An mehreren Stellen gibt es den Versuch – das muss
ich sagen –, zurück in die 50er-Jahre zu gelangen. Wir
müssen einfach die Lebenswirklichkeit und die Vielfalt
im Bereich Familie akzeptieren. Alles Gerede von der
Krise der Familie geht an der Lebenswirklichkeit vorbei.
Die Familie – das bestätigt dieser Bericht ausdrücklich –
ist die entscheidende Instanz, um beiden Geschlechtern
die gleiche Chance auf Lebensverwirklichung zu geben,
allen Kindern gute Entwicklungsmöglichkeiten zu ga-
rantieren und den Zusammenhalt der Generationen zu
gewährleisten. Das leistet nach wie vor die Familie.
Aber sie tut dies angesichts des gesellschaftlichen Wan-
dels unter erschwerten Bedingungen. In einem früheren
Familienbericht wurde das etwas akademisch als die
„strukturelle Rücksichtslosigkeit“ bezeichnet. Denken
Sie nur an die Veränderungen in der Arbeitswelt – Stich-
wort Arbeitszeit –, die nicht von vornherein familien-
freundlich sind.

Ich komme nun zur Generationensolidarität. Es ist
ganz wichtig, dass wir die drei Berichte, nämlich Fami-
lienbericht, Kinder- und Jugendbericht und Altenbericht,
im Zusammenhang diskutieren. Das sagen in ihrem Vor-
wort auch die Verfasser des Familienberichts. Es ist rich-
tig, dass Familie da ist, wo Kinder sind. Das trägt der
Vielfalt der Familien und der unterschiedlichen Formen
des Zusammenlebens Rechnung, die sich im Laufe der
letzten Jahrzehnte herausgebildet haben. Aber es ist auch
richtig, zu sagen – das habe ich der Antwort der Bundes-
regierung entnommen –: Familie ist noch mehr; sie ist
eine Gemeinschaft mit starken Bindungen, in der meh-
rere Generationen füreinander sorgen. – Diesen Genera-
tionenaspekt halte ich für äußerst wichtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wir sollten die Generationensolidarität nicht ideali-
sieren. Sie ist aber nach wie vor ein Stützpfeiler unserer
Gesellschaft. Bei der Diskussion über die Pflege und
Pflegeversicherung geht es auch um Generationensolida-
rität, die die Verbundenheit innerhalb der Generationen
widerspiegelt. Diese Generationensolidarität ist noch in
weiten Teilen intakt. Aber sie ist ebenfalls gefährdet. Im
Bericht taucht dazu der etwas merkwürdige, ebenfalls
akademische Begriff „multilokale Mehrgenerationenfa-
milie“ auf.


(Uwe Barth [FDP]: Ich möchte mal wissen, wer solch einen Begriff erfindet!)


Diese Entwicklung ist in der Tat festzustellen. Das zeigt,
dass wir versuchen müssen, diesen gesellschaftlichen
Veränderungen Rechnung zu tragen, wenn wir über Rah-
menbedingungen nachdenken, die der Staat setzt.

Eine kurze Bemerkung zu den Rahmenbedingungen.
Ich gebe all denjenigen, die heute gesprochen haben,
recht, dass wir bei allen Überlegungen, auch bei allen In-
strumenten, die wir in der Familienpolitik einsetzen
– das gilt auch für die unterschiedlichen Arten von Geld-
leistungen –, immer ein ganz besonderes Augenmerk auf
die sozial benachteiligten Kinder und Familien rich-
ten sollten.


(Beifall bei der SPD und der FDP)


Dazu gehören sehr viele Kinder und Familien mit Migra-
tionshintergrund und auch behinderte Kinder, die wir
ebenfalls einbeziehen sollten. Ich bin Herrn Seifert
dankbar, dass er diesen Punkt in der Debatte heute ange-
sprochen hat.

Unter uns gesagt: Ich halte diesen liebevollen Blick
auf entsprechende Maßnahmen – wie wirken sie sich ge-
nau auf diese Gruppe aus? – für besonders wichtig. Ich
will hier ehrlicherweise einräumen: Der Familienbericht
bescheinigt uns, dass wir in der Bundesrepublik in dieser
Hinsicht nicht besonders erfolgreich gewesen sind. Das
muss man leider zur Kenntnis nehmen. Ich halte gar
nichts von Dramatisierung, Skandalisierung und von ei-
nem Moralisieren vom Rednerpult aus. Aber dass es ver-
dammt wichtig ist, bei allen Maßnahmen diesen Aspekt
zu berücksichtigen, möchte ich unterstreichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Dabei geht es nicht in erster Linie um Geld. Vielmehr
sind die Verbesserung der Infrastruktur und unterstüt-
zende Maßnahmen von ganz entscheidender Bedeutung.

Ich will nur noch einen Hinweis geben, da meine Zeit
abgelaufen ist.


(Zuruf von der SPD: Nur die Redezeit!)


– Nur die Redezeit, ja. Aber mit 64 Jahren macht man
sich so langsam seine Gedanken.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Frau Kressl, mir hat das Goethe-Zitat besonders gut
gefallen: Kinder brauchen Wurzeln und Flügel. – Ich
möchte nun Goethe nicht ergänzen, aber ich will sagen:
Auch Abgeordnete brauchen Wurzeln und Flügel, ge-
rade in der Familienpolitik.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610607400

Ich dachte schon, lieber Kollege, Sie wollten Goethe

noch übertreffen.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf
Drucksache 16/4211 zu der Unterrichtung durch die
Bundesregierung auf Drucksache 16/1360 mit dem Titel
„Siebter Familienbericht – Familie zwischen Flexibilität
und Verlässlichkeit – Perspektiven für eine lebenslaufbe-
zogene Familienpolitik und Stellungnahme der Bundes-
regierung“. Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der
Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen ge-
gen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen ange-
nommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion der FDP auf Drucksache 16/5782? – Wer stimmt da-
gegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist
gegen die Stimmen der FDP-Fraktion mit den Stimmen
des übrigen Hauses abgelehnt.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 16/5783? – Gegenprobe! –
Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke mit den Stimmen des
übrigen Hauses abgelehnt.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf
Drucksache 16/5397. Der Ausschuss empfiehlt unter
Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung, in Kenntnis des Be-
richts der Bundesregierung auf Drucksache 16/2250
über den Stand des Ausbaus für ein bedarfsgerechtes
Angebot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei
Jahren 2006 den Entschließungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 16/4443 abzulehnen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Frak-
tion der FDP und der Fraktion Die Linke angenommen.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss in Kenntnis des genannten Berichts die
Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 16/4412 mit dem Titel „Kindertagesbetreu-
ung für Kleinstkinder sofort ausbauen und Qualität ver-
bessern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke mit den Stimmen des übrigen Hauses ange-
nommen.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Frak-
tion Die Linke mit dem Titel „Elternbeitragsfreie
Kinderbetreuung ausbauen“. Der Ausschuss empfiehlt
unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/3219, den Antrag der Fraktion Die Linke auf
Drucksache 16/453 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der glei-
chen Mehrheit wie zuvor angenommen.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/552
mit dem Titel „Leben und Arbeiten mit Kindern möglich
machen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der
SPD und der FDP gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-
nen angenommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3219 die
Ablehnung des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen auf Drucksache 16/1673 mit dem Titel
„Kinder fördern und Vereinbarkeit von Beruf und Fami-
lie stärken – Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung
ausweiten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der
SPD und der FDP gegen die Stimmen der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen bei Enthaltungen der Frak-
tion Die Linke angenommen.

Tagesordnungspunkte 26 d und e. Interfraktionell
wird Überweisung der Vorlagen auf den Druck-
sachen 16/5426 und 16/5114 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-
weisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a und b auf:

a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen),
Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Zur Situation von Roma in der Europäischen
Union, in den EU-Beitrittsländern und im
Kosovo

– Drucksachen 16/918, 16/2197–

b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU und der SPD

Die Rechte der Roma in Europa stärken

– Drucksache 16/5736 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Zu der Großen Anfrage liegen zwei Entschließungs-
anträge der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
erhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610607500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten

Sie mir zunächst, den Vorsitzenden des Zentralrats Deut-
scher Sinti und Roma, Herrn Romani Rose, und Herrn
Herrn Roßberg recht herzlich zu begrüßen, die auf der
Tribüne Platz genommen haben.


(Beifall)







(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

Ich glaube, die Debatte, die wir heute führen, ist
längst überfällig; denn vor unseren Augen, mitten in Eu-
ropa, ereignet sich der größte sozialpolitische Skandal
seit Ende des Zweiten Weltkriegs. In zahlreichen Staaten
der Europäischen Union entstehen Slums. Roma werden
in ihren Wohnungen entmietet. Sie sind oftmals Opfer
der Politik der Privatisierung des Wohnraums in den ost-
europäischen Ländern. Sie verlieren ihre Wohnung ohne
Chance auf eine vergleichbare Ersatzwohnung. Diese
Politik der Entmietung ist keine Politik der sanften Ent-
mietung – das wäre schon schlimm genug –; sondern sie
ist begleitet von rassistischen Maßnahmen und rassisti-
scher Politik von vielen Verantwortungsträgern in diesen
Ländern.

Dazu einige Beispiele: Im Januar 2006 findet eine
Räumung in Rumänien statt. Die Bewohner wurden nur
einen Tag zuvor über das Vorhaben unterrichtet. Schät-
zungsweise 130 Erwachsene und 70 Kinder wurden bei
einer Temperatur von minus 15 Grad praktisch obdach-
los. Ihre persönlichen Besitztümer durften sie nicht mit-
nehmen. – Der ehemalige Bürgermeister der tschechi-
schen Stadt Wesetin, Jiri Cunek, Parteivorsitzender der
Christdemokraten in der Tschechischen Republik, setzt
230 Menschen im Oktober 2006 vor die Tür und depor-
tiert sie in Container. Er begründet diese Maßnahme im
tschechischen Fernsehen mit den Worten: Ich entferne
doch nur ein Geschwür; das machen die Ärzte doch
auch. Das ist die Sprache, die wir in unserem Land aus
der Mitte des letzten Jahrhunderts kennen. Das ist die
Sprache von Rassismus und von Menschenverachtung,
die wir in Europa nicht dulden dürfen.


(Beifall im ganzen Hause)


Weitere Räumungen ohne Bereitstellung alternativer
Unterkünfte gab es auch in Patras und Athen, Griechen-
land, in Mailand, Italien, in Miercurea Ciuc, Spanien,
und Little Waltham, England. In Italien wurde vor zwei
Wochen bekannt, dass in Rom durch ein groß angelegtes
Projekt des Bürgermeisters Tausende Roma in vier La-
gern außerhalb von Rom angesiedelt werden sollen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind hier als
Europäer gemeinsam aufgefordert, gegenzusteuern.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat
Kroatien in dieser Woche wegen der Diskriminierung
von Roma und Sinti verurteilt, weil bei einer Gewalttat,
der ein Roma zum Opfer fiel, die Täter nicht strafver-
folgt wurden und den Anzeigen nicht entsprechend
nachgegangen worden ist.

Wir haben von unserer Fraktion aus im Frühjahr eine
Reise in die Tschechische Republik und die Slowakei
gemacht, und ich habe mir das vor Ort angeschaut. Es ist
wirklich erschütternd, zu sehen, unter welchen Bedin-
gungen viele Roma am Stadtrand leben, die noch vor
zehn oder 15 Jahren feste Wohnungen und Arbeit hatten
und sozial einigermaßen integriert waren. Diese Men-
schen leben dort ohne Strom- und Wasserversorgung in
zusammengezimmerten Hütten ohne Heizung. Dort gab
es den Geruch der Armut, den manche von uns aus afri-
kanischen Flüchtlingslagern kennen. Die Menschen ver-
suchen mühsam, ihre Würde zu wahren. Hier muss die
Europäische Union gemeinsam mit den osteuropäischen
Staaten Abhilfe schaffen. Wir müssen den Teufelskreis
der Segregation – Ausschluss von Bildung, Verlust des
Wohnraums und Chancenlosigkeit auf dem Arbeits-
markt – dringend gemeinsam durchbrechen.


(Beifall im ganzen Hause)


In Banská Bystrica, einer slowakischen Stadt, habe
ich mir ein Lager angeschaut. Dort leben die Roma in ei-
nem ehemaligen Frauengefängnis. Ohne dass es dafür
eine Notwendigkeit gibt, stehen um dieses ehemalige
Gefängnis herum noch die Gefängnismauern, die man an
einem Nachmittag spielend abtragen könnte. Sie sind so-
zusagen manifester Ausdruck des Ausschlusses dieser
Menschen.

80 Prozent der Romakinder in osteuropäischen Staa-
ten landen in Sonderschulklassen, zum Teil deswegen,
weil das finanziell gefördert wird. Ich habe in Banská
Bystrica ein Projekt gesehen, das Hoffnung macht – es
zeigt, wo wir ansetzen können, um wenigstens den Ro-
makindern zu helfen –: Man hat mit Kindern im Vor-
schulalter gespielt, damit sie die slowakische Sprache
lernen. Keines der Kinder, das an diesem Projekt teilge-
nommen hat, musste eine Sonderschulklasse besuchen.
Diese Kinder haben den Bildungsweg einer normalen
Schule beschritten. Das zeigt, dass wir – wenn wir uns
gemeinsam anstrengen – den Teufelskreis mit geringen
Mitteln durchbrechen können. Voraussetzung ist aber,
dass der politische Wille dazu besteht.


(Beifall im ganzen Hause)


Hier liegen verschiedene Anträge von Koalition und
Grünen vor. Wenn man über die Lage der Sinti und
Roma spricht, dann sollte man aber nicht nur auf die
Probleme in anderen Ländern verweisen. Auch in unse-
rem Land gibt es einiges zu tun. Mit Erlaubnis des Präsi-
denten möchte ich auf einen Skandal in unserem Land
hinweisen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610607600

Aber nur ganz kurz. Ihre Redezeit ist schon über-

schritten.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610607700

Der damalige stellvertretende Vorsitzende des Lan-

desverbandes Bayern des BDK, Peter Lehrieder, hat in
dem Organ des Bundes Deutscher Kriminalbeamter ge-
schrieben, Sinti und Roma seien Trickdiebe, Betrüger
und Sozialschmarotzer, „die sich als ‚Made im Speck’
der bundesrepublikanischen Wohlfahrtsgesellschaft füh-
len“. Dies hat weder zu einer Distanzierung dieses Ver-
bandes geführt noch zur Strafverfolgung wegen Beleidi-
gung oder Volksverhetzung. Ich finde, so etwas ist ein
Skandal. Das zeigt, dass auch wir in unserem Land mit
den Vorurteilen aufräumen müssen.

Mit Blick auf den Koalitionsantrag wünsche ich mir,
dass Sie noch einmal darüber nachdenken, ob es den da
suggerierten Zusammenhang zwischen traditioneller Le-
bensweise der Roma und bestimmten Problemen, die es
unbestreitbar gibt, auf die die Roma aber nicht abonniert
sind, tatsächlich gibt. Denken Sie einmal darüber nach,
ob Vorurteile und Diskriminierungen durch den Duktus






(A) (C)



(B) (D)


Volker Beck (Köln)

an manchen Stellen dieses Antrags nicht eher gefördert
als bekämpft werden.

Herr Präsident, ein letzter Satz. In unmittelbarer Nähe
zum Reichstag soll das zentrale Mahnmal für die wäh-
rend der NS-Zeit ermordeten Sinti und Roma stehen.
Wir als Bundestag sind dazu verpflichtet, dafür zu sor-
gen, dass die Entscheidung, dieses Mahnmal zu bauen,
endlich getroffen wird. Es ist ein Trauerspiel, dass wir
uns bis zum heutigen Tag nicht dazu durchringen konn-
ten, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610607800

Ich erteile das Wort jetzt Kollegin Erika Steinbach,

CDU/CSU-Fraktion.


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1610607900

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Die Volksgruppen der Sinti und Roma sind diejeni-
gen Volksgruppen, die innerhalb der Europäischen
Union bis heute die mit Abstand größten Probleme ha-
ben. Das muss man einfach konstatieren. Alle Daten
sprechen dafür.

Auschwitz ist das Symbol für die Ermordung von
Menschen in Gaskammern, nur weil sie als Sinti,
Roma oder Juden auf die Welt gekommen sind. Das
ist die härteste Anklage, das darf am wenigsten ver-
gessen werden.

Auf diese beiden Sätze hat der Publizist Hermann
Langbein das verdichtet, was uns bis heute in die Verant-
wortung nimmt.

Vor diesem Hintergrund müssen uns auch die Ergeb-
nisse einer 2006 durchgeführten repräsentativen Um-
frage des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, deren
Vertreter ich an dieser Stelle sehr herzlich begrüße, über
das Verhalten gegenüber Sinti und Roma hier in
Deutschland nachdenklich stimmen. Das Ergebnis dieser
Umfrage lautet: 76 Prozent der Befragten gaben an, dass
sie Opfer von Diskriminierung am Arbeitsplatz gewor-
den seien. In einzelnen Fällen wurden Personen auf-
grund ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit der Sinti und
Roma sogar entlassen.

Fast die Hälfte aller Befragten, nämlich knapp
46 Prozent, gab an, dass bei Behörden oder der Polizei
die Minderheitenzugehörigkeit erfasst wurde. Das ist
eine Praxis, die nach dem Rahmenübereinkommen zum
Schutz nationaler Minderheiten des Europarats sogar un-
zulässig ist. Über 90 Prozent der Befragten befürchteten
aufgrund einseitiger Berichterstattung eine Zunahme
von Vorurteilen gegenüber ihrer Gruppe.

Der Antrag von CDU/CSU und SPD macht deutlich
– das ergeben auch die Daten –, dass die größten Pro-
bleme beim Schutz von Sinti und Roma derzeit in eini-
gen osteuropäischen Ländern zu finden sind. In ver-
schiedenen Ländern werden Sinti und Roma regelmäßig
und in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens
ganz gravierender Diskriminierung vonseiten der Mehr-
heitsgesellschaft und auch des Staates ausgesetzt.

Bildung ist der Schlüssel für die Zukunftsgestaltung.
Wenn es um Bildung geht, sieht es für Sinti und Roma
nicht sehr gut aus. Die Kinder dieser Volksgruppen wer-
den häufig getrennt von den Kindern der Mehrheitsbe-
völkerung unterrichtet, und zwar an Schulen, die nur sel-
ten das Durchschnittsniveau in den jeweiligen Ländern
erreichen. Wie katastrophal die Lage der Bildungsver-
sorgung zum Teil ist, mögen folgende Zahlen verdeutli-
chen: Während zum Beispiel 90 Prozent aller ungari-
schen Kinder die Sekundarstufe beginnen, tut dies nur
ein Drittel der Kinder von Sinti und Roma. In der slowa-
kischen Republik stieg die Ausfallquote der Kinder von
Sinti und Roma im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts
sogar von 46 auf 63 Prozent. Kinder in der „Spata-
Roma“-Gemeinde in Griechenland konnten volle drei
Jahre lang überhaupt keine Schule besuchen, weil keine
Transportmöglichkeiten zur nächstgelegenen Schule zur
Verfügung standen oder zur Verfügung gestellt wurden.

Nicht zuletzt aufgrund mangelnder Bildung und Aus-
bildung ist in vielen Regionen Osteuropas und Südosteu-
ropas ein hoher Prozentsatz der Sinti und Roma arbeits-
los. Für viele gibt es kaum Möglichkeiten, ihren
Lebensunterhalt auf legalem Weg zu bestreiten. Die Fol-
gen sind Flucht in die Schattenwirtschaft oder in die Kri-
minalität. Gleichzeitig können viele Sinti und Roma
ihren Kindern kaum bessere Bildungschancen ermögli-
chen, als sie selbst erhalten haben. Es entsteht, wie in un-
serem Antrag deutlich formuliert ist, ein Teufelskreis
aus Armut und Arbeitslosigkeit, der sich nur ganz
schwer durchbrechen lässt.

Darüber hinaus – das hat der Herr Kollege Beck eben
schon sehr eindringlich geschildert – leben viele Sinti
und Roma in Behausungen, die schlicht und ergreifend
menschenunwürdig sind. Ohne Strom, ohne Wasser,
ohne Anbindung an das Abwassersystem und ohne aus-
reichende Heizmöglichkeiten leben sie häufig am Rande
der Gesellschaft – ausgegrenzt. In unserem Antrag ist
von gettoartigen Siedlungen die Rede. Das ist meiner
Meinung nach eine durchaus nicht völlig abwegige For-
mulierung.

In einigen Ländern der Europäischen Union wird den
Sinti und Roma außerdem kein ausreichender Zugang zu
Gesundheitseinrichtungen ermöglicht. Es ist deshalb
kein Wunder, dass die Lebenserwartung der Sinti und
Roma in Bulgarien zum Beispiel sechs Jahre niedriger
ist als die von anderen Bevölkerungsgruppen. Die depri-
mierende Wahrheit ist, dass die Kindersterblichkeit bei
Sinti und Roma in Rumänien etwa dreimal so hoch ist
wie im Landesdurchschnitt.

Solche Zustände im Herzen Europas können wir nicht
übergehen. Wir dürfen nicht darüber hinwegsehen. Wir
müssen helfen, diese Missstände zu beheben.


(Beifall des Abg. Holger Haibach [CDU/ CSU])


Dazu braucht es den Willen und viel Kraft. Infrastruktur,
Bildung und Gesundheitsversorgung sind die elementa-
ren Bereiche, in denen vordringlich Verbesserungen er-
reicht werden müssen.






(A) (C)



(B) (D)


Erika Steinbach
Viele dieser Punkte werden im Rahmen der „Dekade
der Roma-Integration 2005 bis 2015“ bereits aufgegrif-
fen. Es ist wichtig und gut, dass sich an diesem Pro-
gramm auch viele derjenigen Länder beteiligen, die den
größten Handlungsbedarf haben; denn gerade der Bei-
trag dieser Länder ist entscheidend für den Erfolg des
Plans. Der finanzielle Beitrag Deutschlands kann erst
dann Wirkung entfalten, wenn diese Länder mitmachen.

Geld und administrative Maßnahmen allein können
jedoch nur die gröbsten Missstände mildern. Ein
Umdenken ist wichtig. Es gehört aber zur Wahrheit,
dass auch innerhalb der Gemeinschaften der Sinti und
Roma ein Umdenken stattfinden muss. Verbesserte Rah-
menbedingungen haben keinen positiven Effekt, wenn
sie von den betroffenen Volksgruppen nicht als Chance
begriffen werden. Ein verbesserter Zugang zur Schule ist
unbedingt notwendig; darin sind wir uns alle einig. Die
Eltern müssen die Kinder aber auch zur Schule schicken
und versuchen, die Hausaufgaben zu kontrollieren. Die
Gleichstellung von Sinti und Roma in allen gesellschaft-
lichen Bereichen ist absolut wünschenswert. Solange
aber innerhalb der Familien der Sinti und Roma Frauen
unterdrückt werden, häuslicher Gewalt ausgesetzt sind
und ihr Recht auf Selbstbestimmung nicht wahrnehmen
können, kann eine tatsächliche Gleichstellung von
Frauen nicht erfolgen. Ein verbesserter Zugang zu Ge-
sundheitseinrichtungen soll ermöglicht werden. Dann
müssen aber auch patriarchalische Traditionen weichen,
die zu einer doppelten Diskriminierung der Frauen füh-
ren. Erst wenn die Frauen in die Ambulanzen gehen,
können sie von einem medizinischen Angebot profitie-
ren.

Vor diesen Wahrheiten verschließt der Antrag von
CDU/CSU und SPD nicht die Augen. Herr Kollege
Beck, man tut dem Anliegen keinen Gefallen, wenn man
das einfach verschweigt. Sie haben ja eben kritisiert,
dass man in unserem Antrag darüber besser nicht hätte
reden sollen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie Sie darüber reden!)


Man muss aber alle Facetten auf den Tisch legen, um am
Ende ein positives Ergebnis im Interesse der betroffenen
Menschen zu erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610608000

Ich erteile das Wort Kollegen Florian Toncar, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1610608100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bera-

ten heute drei Anträge und die Antwort auf eine Große
Anfrage zur Situation der Roma in Europa. Damit grei-
fen wir ein wichtiges menschenrechtspolitisches Thema
auf; denn es gehört zu den ganz traurigen Kapiteln euro-
päischer Geschichte, dass die Geschichte der Roma in
Europa über Jahrzehnte hinweg mit Unterdrückung, Dis-
kriminierung und Ausgrenzung verbunden war. Der düs-
terste Abschnitt war ihre Verfolgung während der Zeit
des Dritten Reiches, der mehrere Hunderttausend Men-
schen zum Opfer gefallen sind. Insbesondere das Doku-
mentations- und Kulturzentrum der Sinti und Roma leis-
tet einen unverzichtbaren Beitrag, um diese grausame
Zeit zu dokumentieren und aufzuarbeiten. In diesem Zu-
sammenhang bedauert die FDP die eingetretenen Verzö-
gerungen bei der Errichtung eines Mahnmals für die er-
mordeten Angehörigen der Sinti und Roma in Berlin.
Wir hoffen sehr, dass es endlich gelingt, dass sich alle
Beteiligten an dieser Stelle bewegen und eine gute Lö-
sung gefunden wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man die verschiedenen Staaten Europas be-
trachtet, kann man festhalten, dass sich die gegenwärtige
Situation der Roma sehr unterschiedlich darstellt. Doch
es fällt auf, dass insbesondere in vielen Staaten Mittel-
und Osteuropas, in denen die meisten Roma heute leben,
die Probleme für die betroffenen Menschen am deut-
lichsten, streckenweise sogar dramatisch sind. So waren
die Angehörigen der Roma besonders häufig negativ von
den wirtschaftlichen Folgen des Sozialismus betroffen.
Heute ist es so, dass sie in besonderem Umfang nicht
von der wirtschaftlichen Belebung durch die Marktwirt-
schaft profitieren können. Die häufigsten Probleme sind
schlechte Wohnverhältnisse, hohe Arbeitslosigkeit und
mangelnde Bildungschancen. Noch gravierender ist je-
doch die soziale Situation, die oft durch Ausgrenzung
und Isolation geprägt ist. Wenn die Kinder der Roma in
gesonderten Klassen, getrennt von den anderen Kindern,
unterrichtet werden, dann grenzt das an Apartheid. Wenn
die Wohnungen der Roma in räumlich getrennten Gebie-
ten oder Stadtvierteln liegen, dann werden Integrations-
probleme, die in gegenseitige Vorurteile, Aggressionen
und Missverständnisse münden, zementiert.

Diesen Teufelskreis der sozialen Ausgrenzung zu
durchbrechen und die Roma besser zu integrieren, ist
eine Herausforderung, die viele europäische Staaten
noch nicht ausreichend bewältigt haben. Wir müssen die
klare Erwartung an unsere europäischen Partnerländer in
der EU artikulieren, dass es nicht sein kann, dass Roma
in dieser Art und Weise ausgeschlossen werden. Wenn
Staaten diesen Zustand nicht nur dulden, sondern wo-
möglich sogar initiieren und befördern, dann ist das im
vereinigten Europa ein handfester Skandal.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wichtig ist allerdings auch, dass Lösungen vor allem
auf kommunaler und regionaler Ebene gesucht werden.
Dezentrale Lösungen sind erforderlich, weil entschei-
dend ist, wie eine Gemeinde oder eine Region struktu-
riert ist. Wenn zentrale Programme und breite Förderung
von oben in die Anträge hineingeschrieben werden, ist
das sicherlich von guter Absicht geprägt; aber zielfüh-
render ist es, unten anzusetzen, denn die Kommunen
sind unterschiedlich, und dort müssen die Menschen das
umsetzen, was wir uns an Zielen vornehmen.






(A) (C)



(B) (D)


Florian Toncar

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Der Antrag der Regierungskoalition fordert die Bun-
desregierung dazu auf, auf europäischer Ebene entspre-
chende Initiativen zu ergreifen. Er enthält sicherlich eine
ernsthafte und zutreffende Zustandsbeschreibung. Aller-
dings sind die Absichtserklärungen und Ziele, die in dem
Antrag enthalten sind, so allgemein gehalten, dass man
kaum ernsthaft darüber streiten kann, dass er als Umset-
zungsmaßstab in gewisser Weise an Wert verliert. Er ist
insgesamt recht wolkig formuliert. Aber zumindest hat
er die heutige Debatte ermöglicht; insofern hat er etwas
bewirkt und einen sinnvollen Beitrag geleistet.

In den Entschließungsanträgen der Grünen kann
ich dem, was im europapolitischen Teil steht, vollum-
fänglich zustimmen. Ansonsten habe ich aber das Ge-
fühl, dass man im Grunde versucht hat, allzu viel Kon-
kretes zu vermeiden – dasselbe Dilemma wie im
Koalitionsantrag –, indem man einen ziemlich umfang-
reichen Strauß an Forderungen vorgelegt hat, von denen
aus meiner Sicht nicht jede einzelne umsetzbar ist bzw.
umgesetzt werden sollte.

Beispielsweise steht die Forderung, dass geduldete
Roma generell eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23
des Aufenthaltsgesetzes bekommen, nicht unbedingt im
Zusammenhang mit möglichen Benachteiligungen in
Deutschland. Das Aufenthaltsrecht ist ein Recht, das ge-
rade im Fall von Duldungen Härten bei Abschiebungen
vermeiden soll, das insbesondere aus humanitären Grün-
den das weitere Verbleiben im Bundesgebiet ermögli-
chen soll. Aber warum das nun gerade bei der Gruppe
der Roma und nicht, wenn wir über den Kosovo spre-
chen, auch bei Serben oder Albanern der Fall sein soll,
erschließt sich mir nicht. Ich glaube, dass hier unzulässig
differenziert wird.

Interessant ist die Forderung nach der Ratifizierung
des Protokolls Nummer 12 zur Europäischen Menschen-
rechtskonvention. Diese Forderung unterstützt die FDP
voll und ganz.


(Beifall der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan [FDP])


Auffällig ist allerdings, dass es gerade einmal zwei Jahre
her ist, dass dieses Haus mit den Stimmen von Rot und
Grün ebendiese Forderung abgelehnt hat. Das ist eine
Wende in der Haltung der Grünen, die vielleicht damit
zu erklären ist, dass man jetzt in der Opposition ist und
das, was man fordert, nicht mehr unmittelbar umsetzen
muss. Es wäre zumindest konsequent gewesen, die Hal-
tung, die man früher an den Tag gelegt hat, zu vertreten.
Aber ich begrüße, dass hier ein Lernprozess stattgefun-
den hat.


(Beifall bei der FDP)


Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Die Be-
kämpfung der Diskriminierung von Sinti und Roma ist
eine europäische Aufgabe. Ich glaube, dass wir den be-
troffenen Staaten gegenüber klar artikulieren müssen,
was wir von ihnen erwarten, und dass wir auch in
Deutschland etwas tun müssen. Aber da sehe ich den
Ansatz eher im Bereich Bildung und Integration als in
den konkreten gesetzgeberischen Maßnahmen, die zum
Teil auch in dem Antrag der Grünen vorgeschlagen wor-
den sind. In diesem Sinne sollten wir uns dem Thema
weiter widmen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610608200

Ich erteile das Wort Kollegen Johannes Jung, SPD-

Fraktion.


Johannes Jung (SPD):
Rede ID: ID1610608300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Roma gelten zwar als die größte ethnische Min-
derheit in Europa; aber zuallererst sind sie genau das,
was alle anderen auch sind: Sie sind Europäer, und sie
sind Teil unserer Gesellschaften und unserer europäi-
schen Kultur. Roma sind nicht Opfer und trotz schwieri-
ger gemeinsamer Geschichte sind sie auch nicht „die an-
deren“.

Ich möchte dazu eine Aussage von Herrn Romani
Rose zitieren, die er unlängst hier in Berlin auf der
UNICEF-Konferenz gemacht hat. Sie lautet:

Wir wollen keine Musikfeste, sondern die gleichen
Rechte wie alle anderen in unseren Heimatländern.

– Ich füge hinzu: Roma und Sinti müssen diese Rechte
wahrnehmen können.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Lebenswirklichkeit von Roma in Europa ist sehr
vielfältig. Von daher ist Vorsicht vor Verallgemeinerun-
gen angebracht. Vorsicht ist auch angebracht in Bezug
auf Beispiele, die den Eindruck allgemeiner Zustände er-
wecken wollen. Ebenso ist Vorsicht im Umgang mit
Zahlen vonnöten. Denn es gibt aus verschiedenen nach-
vollziehbaren Gründen kaum gesicherte Daten über
Roma in Deutschland bzw. über Sinti und Roma in Eu-
ropa. Wir wollen und sollten nicht mit dem Finger auf
andere Länder zeigen. Die Probleme lassen sich nicht
auf bestimmte Länder oder Ländergruppen begrenzen.

Es wurden verschiedentlich Beispiele genannt; ich
möchte drei hinzufügen, die das aus meiner Sicht ein
wenig verdeutlichen. Da äußert sich beispielsweise der
tschechische Vizepremier extrem abfällig über Roma.
Diese Wortwahl hätte in unserem Land hoffentlich einen
Rücktritt erforderlich gemacht. In Slowenien, das sonst
das Musterländle der EU-Erweiterung ist und das ich oft
und gerne als Erfolgsbeispiel im Hinblick auf alle mögli-
chen Politikbereiche anführe, verhindern militante Dörf-
ler, ein bewaffneter Mob, in finsterer, geradezu mittelal-
terlicher Manier die Durchsetzung von Grundrechten der
Roma in ihren Landgemeinden. Die staatlichen Autoritä-
ten ziehen es vor, sich von der Europäischen Union rüf-
feln zu lassen, und greifen nicht durch.

Aber auch in Koblenz – es liegt bekanntlich in der
Bundesrepublik – haben Mitarbeiter der Kreisverwal-
tung laut darüber nachgedacht, ob man Roma aus dem






(A) (C)



(B) (D)


Johannes Jung (Karlsruhe)

Kosovo, die in diesem Landkreis als Flüchtlinge ihr Le-
ben fristen, einfach in die Slowakei abschieben könne,
wo schließlich viele Romagruppen lebten.

Das sind Beispiele, die klarmachen, dass sowohl indi-
viduelles Verhalten von Staatsbürgern, von Angehörigen
der sogenannten Mehrheitsgesellschaften, als auch das
Handeln von staatlichen Behörden viel Kritik geradezu
herausfordern. Hier muss Abhilfe geschaffen werden.

Die „Frankfurter Rundschau“ bringt es auf den Punkt
– Zitat –:

… in Bezug auf die jeweilige Roma-Minderheit
kann so gut wie jedes EU-Land getrost vor der eige-
nen Haustür kehren.

Dazu sage ich: Vor der eigenen Haustüre sollten wir
zwar anfangen, aber im vereinten Europa nicht damit
aufhören.

Dass wir uns in angemessener Art und Weise mit den
Schwierigkeiten der Roma in den EU-Staaten auseinan-
dersetzen, bedeutet nicht – dies kann es nicht bedeuten –,
dass wir die Augen vor den bei uns zu Hause bestehen-
den Problemen verschließen. Roma sind in Europa nach
wie vor Diskriminierungen und Benachteilungen aus-
gesetzt. Ihnen gegenüber bestehen Vorurteile. Sie begeg-
nen rassistisch motivierter Gewalt und struktureller Dis-
kriminierung durch Polizei und Behörden. Das Leben
vieler Familien ist durch soziale Probleme geprägt; auch
darüber darf man nicht hinwegsehen.

Dies darf nicht so bleiben. Wir wollen unseren Teil
dazu beitragen, dass sich das ändert. Wir haben die Ver-
pflichtung, alle Formen von Rassismus, Fremdenfeind-
lichkeit und Diskriminierung entschieden zu bekämpfen
und für den Schutz von Minderheiten einzutreten.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Rund eine halbe Million Sinti und Roma wurde
Opfer des Völkermords in der Nazizeit. Dieser Völker-
mord ist lange verdrängt, bagatellisiert oder sogar ge-
leugnet worden. Es bedarf weiterhin hartnäckiger Auf-
klärung, um die Geschichte der Verfolgung und
Vernichtung der Roma bewusst zu machen.

Ich füge hinzu: Es gibt natürlich einen unmittelbaren
Horrorzusammenhang mit der Vernichtungspolitik der
Nazizeit und weniger auffallenden Schwierigkeiten im
Umgang mit der Minderheit der Roma in der Bundesre-
publik sowie der Lage in den EU-Beitrittsländern und im
weiteren Osteuropa; das sollte man nicht vergessen. Man
trifft auch aus diesem Grund mehr Angehörige der
Romaminderheit in Osteuropa an als in der Bundesrepu-
blik Deutschland. Das ist ein Umstand, der immer unter
den Tisch fällt und in der öffentlichen Diskussion keine
Rolle spielt. Dies ist zwar ein Horrorzusammenhang,
aber eigentlich auch ein sehr einfacher und direkter Zu-
sammenhang. Ich frage mich, warum wir uns mit Ver-
weis auf die Lebensumstände in Osteuropa häufig in die
eigene Tasche lügen.

Ich begrüße, dass in der vergangenen Woche offenbar
endlich eine Einigung über die Gestaltung des Mahn-
mals für die im Zweiten Weltkrieg ermordeten Sinti und
Roma erzielt wurde. Die Bundesregierung unterstützt
den Bau dieses Mahnmals und die Arbeit des Dokumen-
tations- und Kulturzentrums direkt.

Sinti und Roma sind als eine von vier nationalen Min-
derheiten in Deutschland anerkannt und werden entspre-
chend gefördert. In Deutschland leben aber nicht nur
deutsche Sinti und Roma, sondern auch zahlreiche
Romaflüchtlinge aus anderen Ländern und Regionen,
vor allem aus dem Kosovo. Meine Vorrednerinnen und
Vorredner haben die teils sehr schlechte Lage dieser
Flüchtlinge bereits beklagt. Wir sollten uns allerdings
klarmachen, dass viele dieser Schwierigkeiten klassische
Flüchtlingsprobleme und keine klassischen Romapro-
bleme sind und dass hier keine Unterschiede bestehen;
um es einmal vereinfacht darzustellen. Das macht die Si-
tuation nicht besser. Daher sollten wir dringend etwas
ändern.

Ein weiterer Schritt im Hinblick auf die Bemühungen
der Europäischen Union und auf europäischer Ebene ins-
gesamt wäre übrigens getan, wenn sich die Staats- und
Regierungschefs auf dem jetzt tagenden EU-Gipfel auf
die Rechtsverbindlichkeit der EU-Grundrechtecharta ei-
nigen könnten. Auch aus diesem Grunde sollten wir der
Bundesregierung für die schwierigen Verhandlungen Er-
folg wünschen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


Zum Antrag der Koalitionsfraktionen möchte ich
Folgendes ausführen: Es ist mir unverständlich, wie Herr
Beck sagen kann, wir hätten eine bestimmte Konnota-
tion in diesem Antrag; die vermag ich beim besten Wil-
len nicht zu erkennen. Es gab allerdings ein monatelan-
ges Hin und Her zwischen Innenministerium und den
Innenpolitikern der Unionsfraktion – ich betone: den In-
nenpolitikern –, das mich ein bisschen ins Zweifeln ge-
bracht hat. Ich habe mich gefragt, wo eigentlich die in-
haltlichen Schwierigkeiten liegen. Ich hatte den
Eindruck, dass die Innenpolitiker die große, über allem
schwebende Sorge hatten, dass die Bundesrepublik bei
diesem Thema schlecht abschneiden könnte. Diese
Sorge ist, glaube ich, nicht begründet. Falls diese Sorge
existiert, bricht sie an der konkreten Lebenslage, die man
nicht ignorieren und wegwischen kann.

Gewiss zählen Roma in Osteuropa in der Mehrheit zu
den Verlierern der Transformation. Die Schwierigkeiten
dieser Minderheit nach Osten zu verschieben, würde den
Menschen und der Sache aber überhaupt nicht gerecht.
Auch diesbezüglich sind Aufklärung und eine intensive
Auseinandersetzung mit dem Thema offenbar notwen-
dig.

Die Probleme, denen sich Roma in Europa gegen-
übersehen, sind im Laufe dieser Aussprache bereits aus-
führlich dargestellt worden. In der Antwort der Bundes-
regierung auf Ihre Frage, Herr Beck, werden sie
ebenfalls umfassend ausgeführt. Deshalb kann ich mich
an dieser Stelle kurz fassen. Völlig außer Frage steht,
dass wir Diskriminierung und Rassismus in Europa in
keiner Form dulden wollen. Hier gilt: Null Toleranz. Die






(A) (C)



(B) (D)


Johannes Jung (Karlsruhe)

sozialen Probleme lassen sich mit vier Stichpunkten um-
reißen: Bildung, Arbeit, Wohnung und Gesundheit.
Die Bildung spielt auch hier selbstverständlich die
Schlüsselrolle. Wir müssen diesen Teufelskreis durch-
brechen.

Wir sollten nicht vergessen, dass in der Bundesrepu-
blik Deutschland diverse Studien und die allgemeine Le-
benserfahrung – in diesem Fall ist das deckungsgleich –
gezeigt haben, dass das deutsche Schulsystem kaum ge-
eignet ist, den unterschiedlichen Bildungshintergrund
von Kindern auszugleichen, sondern die Gräben vertieft.
Das Schulsystem muss drastisch geändert werden, auch,
damit es der Lebenssituation von Roma und Sinti in der
Bundesrepublik gerecht werden kann; das gilt aber nicht
nur für Romakinder.

Bei allen Bemühungen, die Situation von Roma zu
verbessern, sollten die Hürden in der Romagemeinschaft
nicht vergessen werden; auch sie müssen überwunden
werden. Das ist ein heikles Thema, über das wir in den
Ausschüssen noch weiter beraten müssen.

Ich komme zum Schluss: Der Bundestag hat zuletzt
1986 einen maßgeblichen Antrag zum Thema „Sinti und
Roma“ verabschiedet. Damals ging es – man muss sa-
gen: endlich – um die Entschädigung von Naziopfern. In
den letzten 20 Jahren ist viel geschehen, nicht zuletzt
durch die Zeitenwende in Europa von 1989/90. Wir soll-
ten in den nächsten Jahren unseren Teil dazu beitragen,
dass entscheidende Verbesserungen der Lebensverhält-
nisse und beim Umgang der Mehrheitsbevölkerung mit
der Minderheitsbevölkerung erreicht werden können.
Die Arbeitsleistung und die Sensibilität von uns Parla-
mentariern sind hierbei gefragt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610608400

Ich erteile das Wort Kollegen Michael Leutert, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610608500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-

gen Diskriminierung und Rassismus vorzugehen, ist die
eine Sache, der wir uns stellen müssen. Eine andere Sa-
che ist es, unserer historischen Verantwortung gegen-
über den Sinti und Roma gerecht zu werden.

Von allen Rednerinnen und Rednern wurde bereits er-
wähnt – auch ich erinnere noch einmal daran –, dass
500 000 Sinti und Roma dem Holocaust der Nazis zum
Opfer gefallen sind. Aus diesem Grund halte ich es für
einen Fehler, dass sich der Koalitionsantrag hauptsäch-
lich den Roma mit deutscher Staatsangehörigkeit wid-
met und nicht den Roma als ethnischen Minderheit. In
Deutschland gibt es – das ist mehrfach angesprochen
worden – 33 000 geduldete, hauptsächlich Bürgerkriegs-
flüchtlinge aus dem Balkan. Ich denke, wir sind allen
Roma und Sinti verpflichtet und nicht nur denen mit
deutscher Staatsangehörigkeit.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese geduldeten Flüchtlinge haben mit drei Diskri-
minierungen zu kämpfen: Erstens. Sie sind Menschen
ohne deutsche Staatsangehörigkeit, in dem Sinne Aus-
länder. Zweitens. Wir sprechen über spezifische Diskri-
minierungen von Roma und Sinti. Die Ressentiments in
der Bevölkerung sind bekannt: Sie sind Roma. Drittens.
Als Flüchtlinge fallen sie unter das Asylbewerberleis-
tungsgesetz. Das heißt, sie haben so gut wie keinen Zu-
gang zum Arbeitsmarkt, einen sehr schlechten Zugang
zum Bildungssystem, einen sehr schlechten Zugang zum
Gesundheitswesen, unterliegen einer Residenzpflicht,
wohnen in Massenunterkünften usw. Die Liste ist lang
fortsetzbar.

Letztendlich fallen sie nicht unter die Bleiberechts-
regelung, die die Innenministerkonferenz im November
2006 beschlossen hat – Kollegin Steinbach hat darauf
hingewiesen –, da sie faktisch davon ausgenommen sind,
weil sie ihren Lebensunterhalt meistens nicht aus eigener
Kraft bestreiten können. Das ist ein Spezifikum der Sinti
und Roma. Deshalb fallen sie nicht unter diese Bleibe-
rechtsregelung.

Ganz im Gegenteil, wie der „Zeit“ vom 24. Mai 2007
zu entnehmen ist: In Rheinland-Pfalz wurde vor einiger
Zeit versucht, 500 Sinti und Roma in ihr sogenanntes
Stammland, in die Slowakei, abzuschieben. Zu dieser
Aktion ist es dann dank der Öffentlichkeit nicht gekom-
men. Für mich stellt sich die Frage: Wie können wir in
Deutschland trotz unserer historischen Verantwortung
dulden, dass Opfer von Krieg und Terrorismus von
uns noch einmal zu Opfern, nämlich zu Vertreibungs-
opfern, gemacht werden, indem wir sie umsiedeln wol-
len? Frau Steinbach, Sie werden mir auch in diesem
Punkt zustimmen, dass diese Menschen zum zweiten
Mal in ihrem Leben Opfer werden. Das sollten wir hier
in Deutschland eigentlich nicht dulden.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben also die Chance, wenigstens diesen
33 000 Menschen im Zuge einer historischen Wiedergut-
machung ein dauerhaftes Bleiberecht zu geben und ihren
Status als Flüchtlinge – das war die dritte Diskriminie-
rungsebene – einfach zu streichen. Im Zuge dessen wür-
den wir natürlich auch etwas für die Menschenrechte
tun. Das ist völlig klar.

Ein Vorbild dafür könnte Folgendes sein: Die letzte
DDR-Regierung hat 1990 eine Aufnahmeregelung für
jüdische Flüchtlinge aus der Sowjetunion beschlossen.
Diese wurde 1991 von den Regierungschefs des Bundes
und der Länder nach Beratung durch die Innenminister-
konferenz erneut beschlossen. Heute geht es nicht um
eine Aufnahme. Heute geht es nur um den Verzicht auf
Abschiebung und um ein Bleiberecht. Zu diesem Schritt
sollten wir in der Lage sein. Wenn dieser Schritt nicht
möglich ist, sind alle anderen Maßnahmen nur Lippen-
bekenntnisse.

Ich danke.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610608600

Ich schließe die Aussprache.

Es ist beantragt worden, die Entschließungsanträge
der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck-
sachen 16/5784 und 16/5785 zu Tagesordnungspunkt 27 a
zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Men-
schenrechte und Humanitäre Hilfe und zur Mitberatung
an den Auswärtigen Ausschuss, den Innenausschuss, den
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
genabschätzung sowie an den Ausschuss für Kultur und
Medien zu überweisen. Der Entschließungsantrag auf
Drucksache 16/5785 soll zusätzlich an den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union über-
wiesen werden.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/5736 zu Tagesordnungspunkt 27 b an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen.

Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, Klaus
Brähmig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Gabriele
Groneberg, Dr. Sascha Raabe, Stephan Hilsberg,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Klimawandel global und effizient eindäm-
men – Klimaschutz und Anpassungsmaß-
nahmen in Entwicklungsländern entschieden
voranbringen
– Drucksache 16/5740 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
Gabriele Groneberg, SPD-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Gabriele Groneberg (SPD):
Rede ID: ID1610608700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrte Damen und Herren! Heute steht ein Antrag
auf der Tagesordnung, der sich mit dem Klimaschutz be-
schäftigt. Alle Welt redet über den Klimaschutz. Wir im
Bundestag tun das natürlich auch. Die Bedeutung dieses
Themas zeigt sich heute schon daran – deshalb mein
Dank an die dafür Zuständigen und Beteiligten –, dass
wir mehr Redezeit als gewöhnlich für ein solches Thema
zur Verfügung haben. Das unterstreicht, denke ich, die
Bedeutung dieses Antrages.

Wir sprechen hier nicht über ferne Zukunftsszenarien.
Wir sprechen über die Gegenwart. Nur wenn wir heute
anfangen, umzusteuern, haben wir noch eine Chance, die
schlimmsten Auswirkungen der Erderwärmung zu ver-
hindern. Klimaschutz muss unserer Meinung nach als
globale Aufgabe begriffen werden. Das heißt nichts an-
deres, als mit der ganzen Welt zusammen daran zu arbei-
ten.

Wir wissen, dass das nicht immer ganz einfach ist.
Die Industrienationen tragen die Hauptverantwortung
für den Ausstoß von CO2 und die dadurch verursachten
Folgen. Wir haben uns damit auseinandergesetzt, nicht
zuletzt im Rahmen des G-8-Gipfels und in den EU-Län-
dern. Wir haben uns mit den anderen darauf verständigt,
den Klimawandel aktiv zu bekämpfen. Wir haben uns
gerade im Rahmen der EU konkrete und ehrgeizige Ziele
gesetzt.

Es gibt natürlich auch Staaten, die sich nur mit Mühe
überhaupt darauf einlassen, die Gefahren des Klimawan-
dels zuzugeben und anzuerkennen. Von den aktiven Zie-
len einer Bekämpfung des Klimawandels sind diese weit
entfernt.

Außerdem gibt es die Schwellenländer – zum Bei-
spiel China und Indien –, in denen der wirtschaftliche
Aufbruch und die wirtschaftliche Entwicklung im Zeit-
raffer geschehen und die einen großen Energiehunger
entwickeln, der befriedigt werden will.

Die dritte Gruppe sind die Entwicklungsländer. Sie
sind in hohem Maße von der Agrarwirtschaft abhängig.
In diesen Ländern wirken sich Wetterextreme aufgrund
der schon immer schwierigen klimatischen Bedingungen
besonders gravierend aus. In den ländlichen Räumen
dieser Länder gibt es abgesehen von der Landwirtschaft
kaum andere Möglichkeiten, einer Beschäftigung nach-
zugehen und Einkommen zu erzielen. Die Menschen
und ihre Lebensgrundlagen sind akut bedroht, wenn die
wichtigste Produktionsressource, der Boden, aufgrund
des Klimawandels degradiert und zerstört wird und ein-
fach ausfällt.

Ein weiteres Problem ist die Bedrohung durch Un-
wetter. Jüngstes Beispiel ist das Unwetter, das vor ein
paar Tagen in Bangladesch gewütet hat. Diese Regen-
fälle – die heftigsten seit Jahrzehnten in Bangladesch –
haben schwere Verwüstungen angerichtet. Viele Bewoh-
ner der Hafenstadt Chittagong wurden von diesem Un-
wetter überrascht. Sie ertranken oder wurden unter Erd-
rutschen begraben. Natürlich widerfuhr das nicht den
Menschen, die in festen Häusern wohnen, sondern den-
jenigen, die in den Elendsvierteln in Stroh- und Bambus-
hütten wohnen. Nach einem heftigen Monsunregen war
ein Hügel über der Siedlung teilweise abgerutscht und






(A) (C)



(B) (D)


Gabriele Groneberg
hatte die dort lebenden Menschen mitgerissen. Solche
Ereignisse häufen sich. Unwetter machen vor keinem
Kontinent Halt, ob es Lateinamerika, Asien, Afrika oder
Europa ist.

Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur
wird die Bedrohung durch den Klimawandel weiter ver-
schärfen. Ganze Staaten, etwa die kleinen Inselstaaten
im Pazifik oder in der Karibik, werden in ihrer Existenz
bedroht. Durch den Anstieg des Meeresspiegels sind sie
der Gefahr der völligen Überflutung ausgesetzt. Sie wer-
den schlichtweg von der Landkarte gelöscht werden.

Die Vernichtung der Urwälder trägt zur Klimakata-
strophe bei. Brasilien und Indonesien sind Länder, mit
denen wir schon seit vielen Jahren Entwicklungszusam-
menarbeit betreiben. Gleichzeitig halten sie aber auch
den traurigen Rekord, was die Vernichtung von Wäldern
angeht. Die Produktion von Palmöl, das nicht zuletzt in
den Industriestaaten als Biosprit verwendet wird, und die
damit einhergehenden Brandrodungen haben dazu ge-
führt, dass Indonesien, was das Ausmaß der CO2-Emis-
sionen angeht, weltweit mittlerweile an dritter Stelle
steht. Die zunehmende Verknappung von Boden und
Trinkwasser war und ist immer auch eine Ursache politi-
scher Krisen und Konflikte. Durch die drohende Erder-
wärmung werden wir in Zukunft auch mit einer Zu-
nahme der Migrationsströme rechnen müssen.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat vor einiger
Zeit darauf hingewiesen, dass der Klimawandel seiner
Meinung nach gefährlicher als ein Krieg sei. Demnach
flüchten die Menschen in Zukunft nicht nur vor Krisen
und Konflikten, sondern vor allem auch vor dem Klima-
wandel.

Die besondere Verwundbarkeit der Entwicklungslän-
der korreliert mit einem niedrigen Prokopfeinkommen.
Diese Länder sind durch ein extrem hohes Niveau der
Armut ihrer Bevölkerungen gekennzeichnet. Sie verfü-
gen kaum über wirtschaftliche oder institutionelle Res-
sourcen. Fast zwei Drittel der Menschen in diesen Län-
dern leben von weniger als 1 Dollar pro Tag, fast
90 Prozent von weniger als 2 Dollar pro Tag. Um die
Größenordnung dieses Problems deutlich zu machen: Es
handelt sich hierbei um rund 50 Länder, und die meisten
von ihnen liegen in Afrika.

Die Industrieländer tragen die Hauptverantwortung
für den bereits eingeleiteten Klimawandel. Wir sind uns
sicherlich einig, dass wir alle aufgefordert sind, den Län-
dern, die den Klimawandel am wenigsten zu verschul-
den haben, aber am stärksten von ihm betroffen sein
werden, zu helfen. Der Verantwortung, die wir hier ha-
ben, müssen wir mit wirksamen Klimaschutzstrategien
Rechnung tragen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Für uns heißt das im Klartext: Die entwicklungspoliti-
sche Zusammenarbeit muss sich auf die neuen Erforder-
nisse einstellen. Sie muss in ein ressortübergreifendes
Klimaschutzkonzept eingebettet werden, um einen sub-
stanziellen Beitrag zur Bewältigung dieser einzigartigen
Herausforderung leisten zu können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider fehlt mir die
Zeit, auf unseren Antrag im Einzelnen einzugehen. Darin
haben wir uns umfassend mit diesem Thema auseinan-
dergesetzt. Wir haben eine Beschreibung der Situation
vorgenommen und geeignete Strategien entwickelt, um
diese Aufgabe anzugehen. Ich denke, es ist sinnvoll und
notwendig, dass wir darüber im Ausschuss diskutieren.

Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass Sie unsere Beschrei-
bung der Situation teilen und dass wir Ihre Unterstüt-
zung bekommen, was die Maßnahmen betrifft, die wir in
Zukunft durchführen wollen und die wir in Deutschland
bereits in Angriff genommen haben. Das, was hier heute
Morgen stattgefunden hat, war unserer Meinung nach
ein gutes Beispiel. Es ist schade, dass die Fraktion der
Grünen unserem Vorschlag nicht folgen konnte.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1610608800

Ich erteile das Wort Kollegen Karl Addicks, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1610608900

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der globale Klimawandel macht die Entwicklungspoli-
tik zu einer noch größeren Herausforderung, als sie es
ohnehin ist. Es ist wirklich gut, dass wir alle in diesem
Hohen Hause diese Herausforderung angenommen und
akzeptiert haben. Viel zu lange hat es gedauert, bis der
Zusammenhang zwischen den Emissionen und den glo-
balen Klimaänderungen akzeptiert worden ist. Nachdem
das endlich in den Köpfen angekommen ist, ist es aller-
höchste Zeit, die Konsequenzen zu ziehen und endlich
konkret zu handeln.


(Beifall bei der FDP)


Natürlich sind an erster Stelle die Industrienationen
gefordert. Aber eine zukunftsgerichtete Entwicklungs-
politik ist gut beraten, den Klimawandel und den Um-
weltschutz bei jeder einzelnen Maßnahme zu berück-
sichtigen und das in den Entwicklungsländern zum Teil
erst rudimentär entwickelte Umwelt- und Klimabewusst-
sein gezielt zu fördern. Fatal wäre es, wenn die Entwick-
lungsländer die Fehler wiederholen würden, die die In-
dustrienationen bei ihrer eigenen Entwicklung gemacht
haben. Aus Fehlern kann und muss man lernen. Hier ste-
hen alle Nationen in einer globalen Verantwortung.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt immer! Da klatschen wir doch!)


– Danke.

Im Moment sind die Emissionen der Entwicklungs-
länder zwar relativ gering. Aber die Schwellenländer
zeigen uns, wie schnell, geradezu exponentiell diese
Emissionen wachsen. Wenn das Maß an Entwicklung,






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Karl Addicks
das wir uns für alle Menschen auf der Welt wünschen,
erreicht wird – und es wird kommen –, wäre es verhäng-
nisvoll, diese Entwicklung verliefe ohne entsprechenden
Klimaschutz.

Die Expertenberichte zum Klimawandel haben uns
eindringlich gezeigt, dass es eigentlich schon fünf nach
zwölf ist. Denn die Auswirkungen des Klimawandels
treffen erst nach einer gewissen Latenzzeit ein. Das Sze-
nario ist mittlerweile jedem bekannt. Ich will es hier
nicht noch einmal im Einzelnen beschreiben, aber fest-
halten: Es trifft vor allem die Entwicklungsländer mit
ihren dichtbevölkerten Küstenregionen, es gibt Dürre-
perioden – wir erinnern uns an unseren Besuch in Nord-
kenia –, es gibt Flutkatastrophen wie in Mosambik. Die
Kosten der Beseitigung solcher Schäden werden die
weltweiten Ausgaben für EZ bei weitem übertreffen,
wenn wir dieses Problem nicht sofort entschieden ange-
hen. Deshalb müssen die Entwicklungsländer in jede
Klimaschutzstrategie von Anfang an einbezogen wer-
den.

Klimapolitik heißt, Energieversorgung und Um-
weltschutz gleichermaßen zu berücksichtigen. Es wäre
gut, wenn die großen Industrienationen dabei mit gutem
Beispiel vorangingen.


(Beifall bei der FDP)


Die Vereinigten Staaten sind leider bis dato kein beson-
ders gutes Beispiel. Immerhin hat Präsident Bush beim
G-8-Gipfel einen Hoffnungsschimmer erkennen lassen,
auch wenn das noch immer nicht das erforderliche kon-
zertierte Handeln ist.

Vor allen Dingen brauchen wir eine substanzielle Ver-
stärkung des Ausbaus der erneuerbaren Energien.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es kann nicht sein, dass in der Wüste bei 40 Grad Hitze
und senkrecht stehender Sonne ein Generator dröhnt, um
Strom zu erzeugen. Mir würden da ad hoc viele Maßnah-
men einfallen. Wir haben das ja bei unseren Besuchen
selber sehen können.

Natürlich muss jede Technik, die wir in die Entwick-
lungsländer bringen, angepasst sein. Es macht keinen
Sinn, ultimative, hochsensible Technik nach Afrika zu
bringen – wir brauchen eine dem dortigen Entwicklungs-
stand angepasste, einfach beherrschbare Technik, das ist
Trumpf.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sonst geht es den Projekten so wie dem im Senegal, das
wir neulich gesehen haben: Die Solaranlage der örtli-
chen Wasserversorgung war weg, und es wurde ein Die-
selgenerator hingestellt, weil die Menschen mit der
Solartechnik noch nicht zurechtkamen, vielleicht auch
weil wir sie damit alleingelassen haben. Bei jedem Pro-
jekt müssen die Folgemaßnahmen – Maintenance etc. –
berücksichtigt werden. Wir können nicht einfach Fertig-
projekte hinstellen und dann nach Hause gehen. Wir
müssen die notwendigen Maßnahmen zusammen mit
den Regierungen der Entwicklungsländer angehen.
Wichtig ist dabei, dass der Postkiotoprozess anläuft.
Das macht nur Sinn, wenn alle mitmachen. Ich rufe von
dieser Stelle aus die USA, Indien und China auf, sich
dieser Aufgabe zu stellen und sich auf verpflichtende
Maßnahmen zu verständigen. Die Zeit für Ausflüchte
und für Vogel-Strauß-Politik ist abgelaufen.


(Beifall bei der FDP)


Ich komme zu dem Antrag der Koalition. Dieser An-
trag zeigt uns leider wieder einmal, dass die Rechte nicht
weiß, was die Linke tut; mein Kollege Kauch hat das
heute Morgen schon angesprochen. Ich gebe sinngemäß
die Forderung 8 Ihres Antrages wieder: Im Rahmen der
Haushaltsaufstellung ist festzulegen, wie die Einnahmen
aus dem Emissionshandel für die Entwicklungsländer
verwendet werden könnten. – Demnach müssten diese
Einnahmen also in den Haushalt des BMZ fließen. Ich
hoffe, ich verstehe das richtig.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin GöringEckardt)


In dem Gesetzentwurf, den Sie am Mittwoch im Aus-
schuss behandelt und heute Morgen verabschiedet ha-
ben, steht sinngemäß: Die Erlöse aus der Veräußerung
der Emissionsrechte werden in den Haushalt des Bun-
desumweltministers eingestellt. – Was denn nun?


(Ute Kumpf [SPD]: Man muss abwägen!)


Lieber Herr Kollege Raabe, wir haben am Mittwoch
ja darüber gesprochen: Das ist das Ergebnis, wenn man
umfangreich geänderte Entwürfe bei laufender Sitzung
einfach einmal eben so vorlegt und abnickt, ohne dass
man wirklich Kenntnis davon nehmen konnte. So kann
man nicht mit seiner parlamentarischen Verantwortung
umgehen. Das ist nicht nur in der Sache kontraproduktiv,
sondern das ist auch kein vernünftiger Umgang mit dem
Parlament. Machen Sie das in Zukunft bitte nicht mehr
so.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Es ist doch egal, welcher Minister das Geld bekommt! Hauptsache ist, dass es in den Entwicklungsländern ankommt!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610609000

Dr. Georg Nüßlein spricht jetzt für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1610609100

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Lie-

ber Kollege Addicks, wie wir letztendlich Geld einset-
zen, das wir noch nicht einmal vereinnahmt haben, son-
dern dessen Vereinnahmung wir heute erst einmal
beschlossen haben, entscheidet, mit Verlaub, dieser
Deutsche Bundestag. Das werden wir hier mit der Gro-
ßen Koalition zu gegebener Zeit auch tun. Wahrschein-
lich werden Sie dann bemängeln, dass Sie als FDP nicht
haben mitreden dürfen. Das macht uns dann aber auch
nichts aus.






(A) (C)



(B) (D)


Dr. Georg Nüßlein

(Dr. Karl Addicks [FDP]: Aber mitlesen möchten wir schon! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Mitdenken!)


Der „Spiegel“ titelte im März dieses Jahres: „Ab-
schied vom Weltuntergang“. Wenn man diesen Artikel
liest, in dem all die Szenarien, die man bisher zum Kli-
mawandel gelesen hat, infrage gestellt werden, dann
merkt man deutlich, dass es den Journalisten jetzt wahr-
scheinlich nur darum geht, eine andere, eine neue Sau
durchs Dorf zu treiben und einen anderen journalisti-
schen Akzent zu setzen, nachdem der Klimawandel
scheinbar nicht mehr geeignet ist, die Gazetten so wie
bisher zu füllen.

Nun gipfelt dieser Artikel aber in dem Satz:

So dürfte Deutschland zweifellos zu den Gewin-
nern des Klimawandels gehören.

Unabhängig davon, dass der Konjunktiv „dürfte“ sprach-
lich nicht mit dem Wort „zweifellos“ zusammenpasst, ist
das natürlich ein Unding. Wir die Gewinner des Klima-
wandels? Da ziehe ich für mich die Schlussfolgerung:
Wenn es Gewinner gibt, dann gibt es ja offenkundig
auch Verlierer. – Bei diesem heutigen Antrag, mit dem
wir das Thema Klimawandel nicht nur vorrangig unter
Umwelt- und Wirtschaftsgesichtspunkten betrachten,
geht es uns hier im Deutschen Bundestag um genau
diese Verlierer.

Wenn man unabhängig von der Frage, was sich hier in
Deutschland tut, ein bisschen weiterdenkt, dann weiß
man, dass Krieg seit alters her Begleiter der Menschheit
ist und dass es in Kriegen immer um Verteilungs-
kämpfe geht. Wenn es durch den Klimawandel zu einer
Verstärkung dieser Verteilungskämpfe – vielleicht nicht
bei uns, aber in anderen Regionen dieser Erde – kommt,
dann werden wir erbitterte Kriege und Auseinanderset-
zungen um Wasser, um Nahrung und um den Zugang zu
Rohstoffen erleben. Das kann einen doch schon auf-
grund der christlichen Verantwortung nicht einfach kalt-
lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich sage dazu aber auch: Das kann uns auch aus ei-
nem gewissen Eigeninteresse nicht kaltlassen.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ah!)


– Es ist ja nichts Schlimmes, wenn man beide Seiten
sieht, nämlich auf der einen Seite die christliche Verant-
wortung, die Sie vielleicht nicht ganz so stark betonen
wie wir, und auf der anderen Seite das Eigeninteresse.


(Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE]: Seit wann kommt die christliche Verantwortung zum Tragen, Herr Kollege?)


– Sie kommt bei uns als Erstes zum Tragen, lieber Herr
Kollege.

Wenn ich von unserem Eigeninteresse spreche – das
ist bei einem Bundespolitiker schließlich sinnvoll; wir
müssen an die Interessen der Bundesrepublik Deutsch-
land denken –, dann habe ich vor Augen, dass Migra-
tionsströme in allergrößtem Ausmaß auf uns zukom-
men. Ich persönlich glaube im Übrigen nicht, dass das
eine Fünftel – die Reichen – auf dieser Welt in Frieden
und Wohlstand leben kann, wenn es den anderen vier
Fünfteln zunehmend schlechter geht. Dazu wird der Kli-
mawandel nämlich beitragen.

Deshalb ist es wichtig, Klimaschutz nicht nur als Teil
der Umweltpolitik zu betrachten, sondern auch als ent-
scheidenden Bestandteil der Sicherheitspolitik und der
Entwicklungspolitik. Wir haben die Gründe dafür schon
von den Vorrednern gehört. Entwicklungsländer sind in
der Regel Agrarstaaten mit extremen Klimazonen, denen
die Mittel fehlen, um sich an die Veränderungen anzu-
passen.

Gerade die Schwellenländer sind erhebliche Mitver-
ursacher dieser Veränderungen. Der jährliche Anstieg
der CO2-Emissionen Chinas ist so hoch wie die gesam-
ten CO2-Emissionen Deutschlands in einem Jahr. Des-
halb müssen wir uns aus meiner Sicht damit befassen,
wie wir international etwas bewegen können. Das ist nur
dann möglich, wenn wir in Deutschland und Europa
glaubwürdig Klimaschutz betreiben und zeigen, dass
sich etwas tut und dass wir in der Lage sind, die CO2-
Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig den Wohl-
stand zu mehren und weiter zu wachsen.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht so nicht!)


– Ich weiß, dass das den Grünen nicht gefällt. Aber glau-
ben Sie nicht, dass Sie in den Schwellenländern weiter-
kommen, wenn Sie darauf verweisen, dass kein weiteres
Wachstum möglich ist, weil wir sonst das Klima nicht
weltweit retten können!


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie schütten das Kind mit dem Bade aus!)


Wir müssen zeigen, dass wir Wachstum von Klima-
schutz und Ressourcenschonung entkoppeln können und
dass Ökologie und Ökonomie sinnvoll miteinander ver-
einbar sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie haben die Kurve gerade noch gekriegt!)


Deshalb haben wir heute den Gesetzentwurf zum Emis-
sionshandel beschlossen. Wir haben uns wohlüberlegt,
den Emissionshandel bei uns weiter zu implementieren,
und zwar auch mit Rücksicht auf bestimmte Branchen,
die wir nicht aus dem Land vertreiben dürfen, nur damit
sie woanders CO2 emittieren. Auch das muss man sich
vergegenwärtigen.

Wir haben die Versteigerung von Zertifikaten be-
schlossen. Im ersten Schritt ist der Verkauf von Zertifi-
katen für 40 Millionen Tonnen CO2 vorgesehen. Auf
Basis der derzeitigen Preise entspricht das etwa
800 Millionen Euro. Der Bundestag wird, wie gesagt,
darüber entscheiden, wie diese Einnahmen verwendet
werden. Persönlich würde ich mir wünschen, dass sie zu-
gunsten des Klimaschutzes eingesetzt werden,


(Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Dr. Georg Nüßlein
und zwar nicht nur auf nationaler, sondern auch auf in-
ternationaler Ebene, vor allem in den Entwicklungslän-
dern, weil dort die Auswirkungen des Klimawandels am
gravierendsten sind und die stärkste Wirkung erzielt
werden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)


In welchem Haushalt die Ausgaben veranschlagt wer-
den, ist insofern zunächst unwichtig. Zu gegebener Zeit
werden wir zu einer sinnvollen Entscheidung darüber
kommen.


(Zuruf des Abg. Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE])


– Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, lieber
Kollege, dann melden Sie sich bitte. Ich lasse sie gerne
zu.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Es ist ja gar keiner von der Linkspartei aus dem Umweltausschuss da!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610609200

Ich gehe davon aus, dass Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Aydin zulassen wollen.


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1610609300

Ja.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610609400

Bitte schön.


Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610609500

Sie haben vorhin gesagt, dass die Einnahmen nicht

nur auf nationaler Ebene, sondern vor allem auch in den
Entwicklungsländern für den Umweltschutz ausgegeben
werden sollen. Heißt das, dass die Bundesregierung Sie
dabei unterstützt? Ist das, was Sie gerade gesagt haben,
Gegenstand Ihrer Politik in den nächsten Jahren?


(Michael Brand [CDU/CSU]: Das verstehen Sie nicht!)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1610609600

Lieber Kollege, ich gehe davon aus, dass Sie auf-

merksam verfolgt haben, was Angela Merkel auf inter-
nationalem Parkett zu diesem Thema gesagt hat: Sie hat
klipp und klar gesagt – im Übrigen auch bei der letzten
Regierungserklärung –, dass wir uns mit diesem Geld in
den Entwicklungsländern entsprechend engagieren wer-
den.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Sehr gute Kanzlerin!)


Ich setze auf das Wort der Kanzlerin und bin davon über-
zeugt, dass wir als Koalitionsfraktionen ihr auch an die-
ser Stelle folgen werden; denn sie macht eine überzeu-
gende, gute und wohlüberlegte Klimapolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Es gibt auch noch andere Themen, über die wir uns
unterhalten sollten, zum Beispiel ist das Thema CDM
heute schon angesprochen worden. Wir müssen uns im
Ausschuss darüber Gedanken machen, ob es einen An-
satzpunkt gibt, um das eine oder andere zu entbürokrati-
sieren.

Wir müssen uns in einem nächsten Schritt überlegen,
wie man den Emissionshandel so ausbaut, dass andere
Bereiche – zum Beispiel der Luftverkehr – mit einbezo-
gen werden können.

Wir sollten uns auch Gedanken über das Thema
Waldschutz machen. Das ist ein ganz entscheidendes
Thema – gerade in den Entwicklungsländern. Mit kann
in diesem Bereich nur etwas erreichen, wenn man denje-
nigen, die jetzt Wald roden, andere Möglichkeiten auf-
zeigt, um zu überleben und ökonomisch weiterzukom-
men.

Einen letzten Aspekt halte ich für ganz entscheidend:
Wir müssen bei dem Thema erneuerbare Energien vo-
rankommen. Es ist wichtig, dass wir in diesem Land die
entsprechenden Techniken entwickeln und hier auch an-
wenden. Ich will keinen zweiten Transrapid, der dann
bei uns nicht zum Einsatz kommt, sondern ich will Tech-
nologien, bei denen man hier nachweisen kann, dass sie
funktionieren. Denn dann werden sie andernorts erst
recht funktionieren. Lassen Sie uns das in einem sinn-
vollen Technologietransfer voranbringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es gibt also viel zu tun. Wir stehen noch am Anfang.
Aber ich bin froh, dass wir das Thema Klimaschutz auch
unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten beleuch-
ten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610609700

Jetzt spricht Heike Hänsel für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610609800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Nüßlein, ich hoffe, Ihre christliche Nächstenliebe richtet
sich nicht nur auf Menschen, die in Ländern des Südens
leben, sondern auch auf diejenigen, die hierherkommen,
um hier einen Platz zu finden.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Absolut! – Michael Brand [CDU/CSU]: Sogar im Osten!)


Der sogenannte Klimawandel ist kein Phänomen,
sondern durch den Menschen verursacht. Das hat nach
langem Anlauf jetzt auch die Große Koalition erkannt.
Damit ist aber auch schon Schluss mit der Erkenntnis.
Die konkreten Ursachen der Klimazerstörung werden in
Ihrem Antrag nur unzureichend benannt; dementspre-
chend sind auch die Antworten.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Und was war in Bitterfeld?)







(A) (C)



(B) (D)


Heike Hänsel
Ganz klar ist – wir haben es analysiert –: Das Welt-
energiesystem, das immer noch auf fossile und atomare
Energien setzt, ist zerstörerisch. Der Kampf um Öl und
die militärische Nutzung der Atomkraft sind Konflikt-
ursachen und fördern Kriege. Deshalb ist es entschei-
dend, dass wir die Umstellung unserer Energiesysteme
massiv vorantreiben.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein Instrument dabei – jetzt kommt der entscheidende
Punkt, der aber in Ihrem Antrag gar nicht genannt wird –
ist die Vergabepolitik der Weltbank und anderer Ban-
ken, zum Beispiel der Europäischen Investitionsbank.
Die gesamte Vergabepolitik dieser Banken muss kriti-
siert werden. Es wird hauptsächlich immer noch auf
großdimensionierte Erdöl-, Erdgas-, Staudamm- und In-
dustrieprojekte gesetzt. Darüber liest man in Ihrem An-
trag gar nichts. Es ist klimapolitisch verantwortungslos,
in diesem großen Maße immer noch auf fossile Energien
zu setzen und damit die großen Öl- und Energiekonzerne
zu subventionieren.


(Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Bitterfeld!)


Wir fordern ganz klar den Ausstieg dieser Banken aus
der Förderung fossiler Energien und eine konsequente
Förderung regenerativer Energien. Frau Wieczorek-Zeul
hat sich ja bereits dahingehend geäußert. Ich frage mich,
warum in dem gesamten Antrag nichts darüber zu finden
ist.

Der andere für mich entscheidende Punkt ist, dass Kli-
maschutz auch eine andere Welthandelspolitik erfor-
dert. Die jetzige Weltwirtschaftsordnung führt zu einer
unverantwortlichen Ausbeutung der Natur und einem da-
mit verbundenen drastisch steigenden Rohstoff- und
Energieverbrauch, zur Abholzung der Urwälder und zu
einem stetig steigenden Transportvolumen an Waren.


(Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Sozialismus statt Freiheit!)


Mit dem Wald- und Klimaschutz verbinden sich auch
Fragen nach den Lebensperspektiven der Menschen in
den Ländern des Südens und unserer Art des Wirtschaf-
tens, dem System von Profitmaximierung auf Kosten der
Entwicklungschancen der Menschen in den Ländern des
Südens. Genau diese Handelspolitik treibt die Bundes-
regierung im Rahmen der Europäischen Union – Stich-
wort „Global Europe“ – und der aktuell geplanten Frei-
handelsabkommen mit Lateinamerika, den EPAs mit den
AKP-Staaten, voran. Davon sind die Existenzgrundlagen
von Millionen Menschen betroffen. Wenn Menschen
keine Perspektiven haben, weil ihre Existenzgrundlage
zerstört wurde, wenn beispielsweise die einheimischen
Bauern mit den Waren aus den Ländern des Nordens
nicht konkurrieren können, dann greifen sie auf andere
Ressourcen zurück und holzen zum Beispiel die Wälder
ab. Ein Beispiel von vielen ist Haiti. Eine Haupteinnah-
mequelle Haitis ist die Holzkohle. Die meisten Urwälder
in Haiti sind mittlerweile zerstört. Die Folgen sind klar;
das alles haben Sie beschrieben. Das sind Auswirkungen
der neoliberalen Handelspolitik. Wir fordern eine an-
dere, eine solidarische Handelspolitik, wenn es um die
Länder des Südens geht.


(Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Kolchose!)


Es gibt neue, interessante Vorschläge aus Latein-
amerika. Ich möchte als aktuelles Beispiel einen Vor-
schlag aus Ecuador nennen. Dieses Land hat angeboten,
auf die Erdölförderung im Amazonasgebiet zu verzich-
ten, wenn es dafür einen Ausgleich auf bilateraler Ebene
oder aus einem Kompensationsfonds, angesiedelt bei
den Vereinten Nationen, gibt. Hier könnte die Bundesre-
gierung initiativ werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Bislang gibt es vonseiten der Bundesregierung keine Re-
aktion. Sie hätte aber zum Beispiel die Möglichkeit,
Ecuador die 50 Millionen Euro, mit denen es bei der
Bundesrepublik verschuldet ist, zu erlassen und diese
Mittel in einen Fonds einzuzahlen, mit dem die Kom-
pensation für nichtgefördertes Erdöl finanziert wird.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Karl Addicks [FDP]: Sagen Sie es doch Chávez, dass er die 50 Millionen übernehmen soll!)


Das ist für mich die Zukunft und ein konkreter Beitrag
zum Klimaschutz. Wir müssen solche Initiativen unter-
stützen.

Die Vereinten Nationen müssen eine aktive Rolle
spielen, wenn es um Weltenergiefragen geht. Noch bes-
ser wäre es, statt eines undemokratischen UN-Sicher-
heitsrates einen demokratischen Weltenergierat zu
installieren – und zwar unter breiter Beteiligung der Zi-
vilgesellschaft –, der über die wichtigsten klimapoliti-
schen Fragen entscheidet. Das wäre zukunftsweisende
Politik.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn ein solcher Rat noch über die 900 Milliarden
Euro, die derzeit weltweit für Rüstung ausgegeben wer-
den, verfügen könnte, dann wären wir auf dem richtigen
Weg.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Karl Addicks [FDP]: Wer hat denn Bitterfeld und den Braunkohletagebau saniert, den Ihre Vorgänger hinterlassen haben?)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610609900

Jetzt spricht die Kollegin Ute Koczy für Bündnis 90/

Die Grünen.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610610000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Große Koalition mag mit ihrem Antrag
zufrieden sein. Aber ich sage: Dieser Antrag streut Sand
in die Augen. Zwar werden unter der Überschrift „Kli-
mawandel global und effizient eindämmen“ durchaus
ehrgeizige Maßnahmen beschrieben, die dem Schutz der






(A) (C)



(B) (D)


Ute Koczy
Entwicklungsländer und der Rettung des Klimas dienen.
Aber das ist der vielfach vereinbarte Sachstand. Liebe
Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen,
Sie wecken mit Ihrer korrekten Analyse – der Klima-
wandel hat dramatische Folgen für die Entwicklungslän-
der – große Erwartungen, weil jeder denkt: Jetzt geht es
los; jetzt wird in die Hände gespuckt; jetzt wird wirklich
etwas getan! Wenn man sich aber den Forderungsteil ge-
nau anschaut, dann stellt man fest, dass der Antrag der
Koalitionsfraktionen gerade einmal ein Stückchen über
das hinausreicht, was eigentlich schon vereinbart ist. Ich
werte das nicht als Erfolg, nicht weil ich die Fort-
schritte nicht erkennen kann, die dieser Antrag aufzeigt,
sondern weil die gigantische Aufgabe, vor der wir ste-
hen, nicht im Schneckentempo und erst recht nicht
stückchenweise angegangen werden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir den Klimawandel nicht in den nächsten
zehn Jahren abbremsen, werden das Austrocknen des
Amazonasregenwaldes und das Ausbleiben des asiati-
schen Monsuns zur Realität. Wir werden unseren Plane-
ten nicht mehr wiedererkennen. Für all das braucht man
heutzutage noch nicht einmal die Fähigkeiten einer Kas-
sandra. Uns ist klar, dass das 2-Grad-Ziel erreicht wer-
den muss. Es ist gut, dass Schwarz-Rot diese Ziellinie
als die ihre erkannt hat.

Wir Grünen fordern ein multilaterales, völkerrechtlich
verbindliches Klimaregime, das Emissionsminderungs-
verpflichtungen mit Technologiekooperation verbindet.
Wir Grünen fordern weiter ein ambitioniertes Abkom-
men Kioto-plus, und zwar unter dem Dach der UN-Kli-
marahmenkonvention. Spätestens bis 2013 muss dieses
Kioto-plus in Kraft treten.

Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, werden sich die
globalen jährlichen Emissionen bis 2050 noch einmal
verdoppeln. Weil das so ist, muss man sofort handeln. Es
zählt jeder Monat. Da müsste doch eigentlich mehr drin
sein als beispielsweise nur die schwache Formulierung
im Antrag zum Emissionshandel, es bei einem Verstei-
gerungssystem nicht zu Standortnachteilen im Bezug auf
internationale Investitionen kommen zu lassen.


(Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Richtig! Das ist doch wichtig! – Gabriele Groneberg [SPD]: Das ist Grundvoraussetzung!)


Das ist echt mager.

Zum Glück steigt die Bundesregierung endlich – so-
zusagen zum Jagen getragen – mit 10 Prozent in die Ver-
steigerung ein. Wir Grünen weisen da in die Zukunft
und fordern, dass 100 Prozent der Zertifikate ab 2013
versteigert werden. Das hätte in Ihren Antrag aufgenom-
men werden können.

Es geht darum, endlich Geld – und zwar viel Geld – in
die Hand zu nehmen, um dem Klimawandel entgegenzu-
wirken und um zu verhindern, dass er uns eines Tages so
teuer zu stehen kommt, dass kein Geld mehr ausreichen
wird, um die Schäden rückgängig zu machen.
Dass es in ganz wesentlichen Bereichen nur ganz ge-
ringe Fortschritte gibt, zeigt die G-8-Initiative zur Stär-
kung des Tropenwaldschutzes, genauer gesagt zur ver-
miedenen Entwaldung. Dass es diese Initiative gibt, ist
gut. Dass die Bundesregierung 40 Millionen Euro bei-
steuern will, ist auch gut. Das Problem werden wir aber
mit solch kleinen Beiträgen nicht lösen. Wir alle wissen,
dass die Zerstörung des Waldes die zweitwichtigste Ur-
sache von Treibhausgasen ist. 20 bis 25 Prozent der
Emissionen gehen auf die Waldzerstörung zurück.
Nicholas Stern beziffert die Kosten für einen effizienten
Waldschutz mit jährlich 15 Milliarden Dollar.

Nach Schätzungen der Weltbank wird die Anpassung
an unvermeidbare Auswirkungen des Klimawandels
jährliche Zusatzkosten von 10 bis 40 Milliarden US-Dol-
lar verursachen. Bis 2030, so die Mindestschätzung,
müssten für Energie in Entwicklungs- und Schwellen-
ländern jährlich circa 319 Milliarden US-Dollar ausge-
geben werden.

Ich habe mich gefreut, bezüglich der Frage, was die
Deutschen machen, im Antrag zu lesen, dass die Bun-
desregierung in rund 40 Partnerländern erneuerbare
Energien und eine effiziente Energienutzung mit einem
Volumen von jährlich 1,6 Milliarden Euro fördert. Aber
diese Summe hat mich stutzig gemacht; denn das wäre
ganz schön viel Geld. Da stimmt etwas nicht. Wenn ich
die Quelle richtig interpretiere, dann geht es hier um das
Gesamtvolumen laufender Vorhaben in 50 Partnerlän-
dern. Ich hoffe, Sie korrigieren das, damit dieser falsche
Eindruck nicht bestehen bleibt.

Wir brauchen eine konzertierte Aktion zur Finanzie-
rung von Maßnahmen für die Anpassung an Klimaver-
änderungen in Entwicklungsländern. Die Bundesregie-
rung muss endlich ihre internen Streitigkeiten über die
Einführung von Ticketabgabe, Kerosinsteuer und Devi-
senumsatzsteuer überwinden. Wir wollen konkrete
Schritte und keine Vertröstungen auf morgen sehen.

Es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage, Frau
Präsidentin.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610610100

Leider ist die Redezeit schon so weit überschritten,

dass die Zwischenfrage außerhalb liegen würde. Deshalb
ist meine Bitte, mit der Rede zum Ende zu kommen.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610610200

Das tue ich.

Wenn Sie nicht wollen, dass dieser Antrag auf Sand
baut, dann steht Ihnen noch gewaltig viel Arbeit bevor.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610610300

Für die SPD-Fraktion spricht nun Marco Bülow.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)


Marco Bülow (SPD):
Rede ID: ID1610610400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Gestern hat die SPD-Fraktion eine kleine Feierstunde
durchgeführt. Der Anlass war, dass wir das Ziel, das wir
mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz erreichen woll-
ten, nämlich dass die erneuerbaren Energien im Jahr
2010 einen Anteil von 12,5 Prozent haben, schon in die-
sem Jahr erreichen.

Die erneuerbaren Energien leisten den größten Bei-
trag zum Klimaschutz in Deutschland. Es handelt sich
um etwa 77 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Die Poten-
ziale der erneuerbaren Energien sind riesig. Ergänzt man
diese durch das Potenzial der Energieeffizienz, dann
wäre das der wichtigste Beitrag, den man weltweit zum
Klimaschutz leisten könnte. In diesem Zusammenhang
spielt die Entwicklungszusammenarbeit eine wichtige
Rolle, die man nicht nur deshalb nicht unterschätzen
darf, weil es im Prinzip – das wurde schon gesagt – egal
ist, wo man Klimaschutz praktiziert und CO2 einspart,
sondern auch deshalb, weil es viele Regionen auf der
Welt gibt, die auf der einen Seite den Lebensstandard er-
reichen wollen, den wir haben, denen aber auf der ande-
ren Seite bestimmte Technologien nicht zur Verfügung
stehen, weil sie sich diese nicht leisten können.

Ich bin froh, dass wir diesen Antrag auf den Weg ge-
bracht haben, der auf wichtige Punkte aufmerksam
macht. Ich möchte als Umweltpolitiker hier betonen,
dass ich es für wichtig halte, dass sich Entwicklungspoli-
tik mit dem Thema auseinandersetzt, aber auch andere
Politikfelder dies tun müssen. Wir müssten eigentlich
Klimaschutzanträge im Zusammenhang mit der Außen-
politik und der Wirtschaftspolitik diskutieren. Letztend-
lich ist das auch eine soziale Frage, und zwar internatio-
nal wie auch national. Was passiert denn, wenn die
Katastrophen über uns hereinbrechen? Der Hurrikan
über New Orleans in den USA hat gezeigt, welche Men-
schengruppen als Erste und damit auch am stärksten von
der Katastrophe betroffen sind, wer sich nicht so schnell
retten kann. Weltweit sind die Verursacher von CO2-
Emissionen nicht die Hauptopfer der Katastrophe.
Auch das wissen wir. Deshalb ist es gerade im Rahmen
der Entwicklungszusammenarbeit wichtig, Mittel zur
Verfügung zu stellen, um erneuerbare Energien und
Energieeffizienz zu fördern.

Ich will ein Beispiel nennen. Es werden oft Zahlen
genannt, die sich auf das „böse“ China und andere Län-
der beziehen, die alle so viel CO2 produzieren. Ja, es ist
wahr, wir müssen sehen, dass es auch dort nicht so wei-
tergeht. Das gelingt aber nur, wenn wir mit gutem Bei-
spiel vorangehen. In diesem Zusammenhang muss man
die Wahrheit sagen und feststellen, dass Deutschland al-
leine immer noch mehr CO2 ausstößt als alle afrikani-
schen Länder zusammen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Daran zeigt sich, welch große Vorbildfunktion wir ha-
ben. Nehmen wir den Vergleich mit China: Der Pro-
Kopf-Ausstoß von CO2 beträgt in Deutschland
10 Tonnen, in China 4 Tonnen. Das zeigt: Wenn wir wol-
len, dass Schwellenländer und Entwicklungsländer nicht
den Pfad beschreiten, den wir beschreiten, dann müssen
wir mit gutem Vorbild vorangehen.


(Beifall des Abg. Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE])


Deswegen ist Klimaschutz eine internationale, aber auch
eine nationale Aufgabe.

Das G-8-Signal ist sehr wichtig, aber es kann nur der
erste Schritt sein. Wir müssen über Ziele sprechen, wir
müssen Kioto-plus angehen, und wir müssen Vereinba-
rungen treffen. Bei all dem müssen aber auch die Instru-
mente vorhanden sein, um die Ziele umzusetzen, und
zwar sowohl national als auch international. Darauf
nimmt der Antrag Bezug. Ich will einen Punkt heraus-
greifen, über den wir auch beim Emissionshandel ge-
sprochen haben, nämlich die Mechanismen Joint Imple-
mentation und CDM, die wir verstärkt haben und die
wichtig sind. Man muss natürlich darauf achten, dass sie
wirklich funktionieren und auch kleine Projekte auf den
Weg gebracht werden können. Man muss auch nachprü-
fen können, ob wirklich CO2 eingespart wird. Dann ist
das eine gute Maßnahme, und dann sollten wir sie för-
dern.

Ich möchte Herrn Nüßlein zustimmen: Das Wich-
tigste wird für uns als Vorreiter sein, dass wir die Ent-
kopplung von Wachstum einerseits und Energiever-
brauch und CO2-Ausstoß andererseits hinbekommen.
Das wird für uns eine der größten Herausforderungen in
der Zukunft sein. An diesem Anspruch werden wir uns
international messen lassen müssen, weil viele Länder
auf Deutschland schauen.

Ich möchte zum Schluss betonen, dass die Entwick-
lungshilfe besonders wichtig ist und dass der Klimawan-
del in Zukunft dabei eine besondere Rolle spielen wird.
In diesem Zusammenhang sind die erneuerbaren Ener-
gien zu erwähnen, die ein riesiges Potenzial haben. Ich
glaube, dass wir mit ihrer Erschließung erst am Anfang
stehen. Es gibt in jedem Land Möglichkeiten, erneuer-
bare Energien in großem Umfang zu nutzen. Dazu
braucht man die entsprechenden Technologien, die wir
zum Teil liefern können und liefern sollten. Wir brau-
chen aber auch eine internationale Agentur für erneuer-
bare Energien, die das koordiniert und fördert und diese
Aufgabe mit den nationalen Parlamenten – ich hoffe, mit
Deutschland an erster Stelle – weltweit angehen wird.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610610500

Josef Göppel hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Josef Göppel (CSU):
Rede ID: ID1610610600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Mit diesem Antrag öffnen wir die Umweltpolitik in
Richtung Umwelt und Entwicklung und vor allem auch
in Richtung unseres Nachbarkontinents Afrika. Diese
Betonung ist wichtig. Da schließe ich mich dem






(A) (C)



(B) (D)


Josef Göppel
Kollegen Marco Bülow an, der ja auch gerade darüber
gesprochen hat, und danke ausdrücklich den Initiatoren
dieses Antrags, Gabriele Groneberg und Christian Ruck.

Ich möchte mich auf zwei Anliegen konzentrieren,
die in der Debatte noch nicht so ausführlich angespro-
chen worden sind, nämlich die Frage des Walderhalts auf
internationaler Ebene und auch die Frage einer klima-
gerechten Landnutzung.

Die globale Entwaldung im Jahre 2006 umfasste
7 Millionen Hektar. Das sind 1,5 Prozent des gesamten
Waldbestandes der Erde. Jährlich 1,5 Prozent – das kann
man gut hochrechnen – führen in zehn Jahren zu einem
Verlust von etwa 15 Prozent. Daran wird deutlich, dass
wir dringend ein Instrumentarium benötigen, das dem
Erhalt der weltweiten Wälder dient. Dabei liegen die
Schwerpunkte natürlich auf den tropischen Wäldern.

So zielt der Antrag darauf ab, dass wir in den Kioto-
mechanismus für nachhaltige Entwicklung eine Mög-
lichkeit für den Walderhalt einbauen. Das jetzige Kio-
toprotokoll kennt noch keinen solchen Mechanismus. Es
hat nur ein einziges CDM-Projekt zur Wiederaufforstung
auf der gesamten Erde gegeben. Das war in China. Mehr
gab es bisher nicht. Deswegen ist dies ein Schwerpunkt.

Der zweite Schwerpunkt ist der illegale Holzein-
schlag. Das gehört hier mit hinein. Es gibt auf europäi-
scher Ebene ein Aktionsprogramm namens FLEGT –
Forest Law Enforcement, Governance and Trade. Das ist
schön, hat aber einen entscheidenden Nachteil: Es gibt
keine Kontrollmechanismen. Bei der Konferenz der in-
ternationalen Parlamentariergruppen zum G-8-Gipfel,
die hier vor kurzem stattfand, sagte ein indonesischer
Abgeordneter: Sie müssen den Handel mit illegalem
Holz unterbinden, dann unterbleibt auch der Raubbau. –
Da sind wir gefordert. Wir müssen dafür sorgen, dass an
den europäischen Außengrenzen wirklich die Import-
verbote für illegal eingeschlagene Hölzer umgesetzt
werden. Wir kommen nicht darum herum, die Zertifizie-
rungen so vorzunehmen, dass sie auch Wirkung zeigen.
Ein freundschaftliches Gespräch mit dem einen oder an-
deren Holzkonzern, der international arbeitet, bringt da
wenig.

Noch einmal zu dem Mechanismus für den Wald-
erhalt. Die Weltbank hat eine Initiative gestartet – Forest
Carbon Partnership –, die mit sage und schreibe
50 Millionen US-Dollar ausgestattet ist. Das ist natürlich
international gesehen zu wenig. Aktuell hat die deutsche
Entwicklungsministerin den neuen Weltbankchef aufge-
fordert, da mehr hineinzugeben. Das heißt aber auch für
uns deutsche Abgeordnete, dass wir Haushaltsmittel be-
reitstellen müssen, weil wir die Weltbank zu einem gro-
ßen Teil mitfinanzieren. Deswegen sind alle diese Dinge
auch haushaltswirksam. Das ist unserer Fraktion be-
wusst.

Ich will noch kurz etwas zu dem Stichwort klima-
gerechte Landnutzung sagen, zu der auch etwas in die-
sem Antrag zu finden ist. Wälder binden Kohlenstoff
deutlich stärker als andere Landnutzungsformen. Eine
Wiese bindet doppelt so viel Kohlenstoff wie Ackerland.
Wir sollten uns daran erinnern, dass 80 Prozent der ter-
restrischen Kohlenstoffvorräte in der Humusschicht des
Bodens und nur 20 Prozent in der oberirdischen Pflan-
zenmasse gebunden sind. Notwendig ist also eine Land-
nutzung, die auf die Kohlenstoffspeicherung in der Hu-
musschicht Rücksicht nimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die gute alte Forderung, Humusaufbau zu betreiben
– Vertreter des alternativen Landbaus haben sie immer
wieder erhoben –, und die Forderung, beim Ackerbau
flache Bodenbearbeitungsformen zu wählen, bekom-
men eine ganz neue Bedeutung.

Die klimagerechte Landnutzung wird für unsere eige-
nen landwirtschaftlichen Produktionsverfahren eine He-
rausforderung sein. Wir sind damit am Beginn eines
Weges, der ganz neue Prioritätensetzungen von uns for-
dert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610610700

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/5740 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie ein-
verstanden. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 30 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina

(Münster)

FDP

Steuerklasse V abschaffen – Lohnsteuerabzug
neu ordnen

– Drucksache 16/3649 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Es wurde verabredet, hierüber eine halbe Stunde zu
debattieren. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann
ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erster der
Kollegin Ina Lenke für die FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1610610800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Wozu

der ganze Stress?“ – so lautet die Überschrift eines Zei-
tungsartikels, in dem es um die Behandlung von Fami-
lien und Frauen im Steuer- und Sozialversicherungsrecht
geht. Wenn Ehefrauen oder Ehemänner neben der Fami-
lienarbeit erwerbstätig sein wollen, dann bringt ihnen
der aufgrund von Steuerklasse V sehr niedrige Netto-
zweitverdienst nur Frust.

Die Benachteiligung von Arbeitnehmern und Arbeit-
nehmerinnen mit Steuerklasse V ist eklatant. Das betrifft






(A) (C)



(B) (D)


Ina Lenke
nicht nur den Lohnsteuerabzug, sondern auch die Höhe
der Transferleistungen Erziehungsgeld, Elterngeld usw.
Es sind zu 95 Prozent Frauen, die von den negativen
Auswirkungen von Steuerklasse V betroffen sind. Wenn
diese Frauen dann auch noch staatliche Leistungen bean-
spruchen – ich habe diese Leistungen gerade erwähnt –,
dann werden sie doppelt diskriminiert: einmal beim Ein-
kommen aus Erwerbsarbeit und außerdem, wenn die
Höhe staatlicher Leistungen nach dem Nettoeinkommen
berechnet wird.

Frauen mit Steuerklasse V erhalten weniger Geld als
jemand mit Steuerklasse III oder IV. Man muss ganz
deutlich sagen, dass es nicht darum geht, dass Ehepaare
weniger Steuern zahlen; vielmehr geht es darum, dass
die Steuern, die ein Ehepaar zahlt, wenn beide erwerbs-
tätig sind, anders verteilt werden, damit es Frauen wirk-
lich Spaß macht, etwas hinzuzuverdienen, um das Fami-
lieneinkommen aufzubessern.


(Beifall bei der FDP)


Seit Jahren besteht für Ehepaare das antiquierte
Steuerklassensystem III/V oder IV/IV. Ich will nur auf
Steuerklasse V eingehen. Diese Steuerklasse stammt aus
einer Zeit, in der es selbstverständlich war, dass der Ehe-
mann der Ernährer ist, während die Ehefrau die Kinder
erzieht und den Haushalt managt. In der heutigen Zeit
reicht das Einkommen eines Einzelnen oftmals nicht
aus, um eine Familie zu ernähren – das wissen wir alle –,
und daher müssen beide arbeiten gehen. Die Erwerbstä-
tigkeit einer Frau hat dann nichts mit Selbstverwirkli-
chung zu tun oder damit, dass sie eine Rabenmutter ist.
Viele Frauen – viele Männer ebenfalls – wollen nämlich
sowohl Kinder haben als auch arbeiten. Ich wiederhole:
Diese Frauen sind weder Rabenmütter, noch sind sie auf
Selbstverwirklichung aus.

Ehepaare mit einem Alleinverdiener stehen finanziell
oftmals besser da, weil diejenige Person, die nicht arbei-
tet, familienkrankenversichert ist. Auch diesen Aspekt
müssen wir sehen.

All das verfestigt die konservative Arbeitsteilung in
einer Ehe, und das wollen Liberale nicht.


(Beifall bei der FDP)


Ich möchte eine Anmerkung zum Ehegattensplitting
machen. Sie alle wissen, dass die SPD das Ehegatten-
splitting abschaffen will. SPD und CDU/CSU haben hier
im Bundestag aber auch ganz anderslautende Gesetze
verabschiedet. Ich erinnere nur an die Einführung der
sogenannten Reichensteuer. Beim normalen Ehegatten-
splitting ist es so, dass Ehepaare bei gutem Einkommen
bis zu 8 000 Euro sparen können, wenn einer der beiden
zu Hause bleibt. Durch die sogenannte Reichensteuer
wird der Vorteil für dieses Familienmodell auf bis zu
15 000 Euro jährlich angehoben. Das bedeutet: Wenn
der eine der beiden Ehepartner reich ist und der andere
zu Hause bleibt, schenkt der Staat ihnen – das ist Folge
der guten Ideen der SPD – 15 000 Euro.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Das muss mal erklärt werden! – Ute Kumpf [SPD]: Wo haben Sie das denn ausgegraben? – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das könnte ein Investorenmodell sein!)


Diese eklatante Diskrepanz durch die Kombination von
Ehegattensplitting und sogenannter Reichensteuer wer-
den Sie mir bestimmt erklären. Dass es in der Tat bis zu
15 000 Euro sind, hat Frau Hendricks mir in der Antwort
auf meine Anfrage an die Bundesregierung mitgeteilt.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Und deshalb ist die FDP gegen die Reichensteuer?)


Es ist deshalb nur logisch, dass in dem heute vorlie-
genden Antrag der FDP gefordert wird, die Steuer-
klasse V abzuschaffen und das ganze Steuerklassensys-
tem zu reformieren.


(Gabriele Frechen [SPD]: Damit schaffen wir auch die Splittingtabelle ab!)


Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass durch
das System von Ehegattensplitting und der Steuer-
klasse V die Arbeitsanreize für Zweitverdiener – das
sind gerade Frauen – vermindert werden.

Ein typisches Beispiel aus der Praxis: Die Frau will
nach der Kinderziehungspause wieder in den Beruf ein-
steigen.


(Ute Kumpf [SPD]: Das ist keine Pause, sondern Arbeit!)


Das Paar setzt sich an den Küchentisch und fragt sich, ob
sich das überhaupt lohnt, was die Frau dann netto ver-
dient. Bei Einstufung in die Steuerklasse V – das wissen
ja viele von Ihnen – bleibt sehr wenig übrig. Hinzu
kommt, dass die Berufstätigkeit vielleicht noch ein zwei-
tes Auto erfordert. Wenn Kinder da sind, ist zu berück-
sichtigen, dass wegen der Einkommensabhängigkeit der
Kindergartengebühren auch hier noch höhere Kosten an-
fallen. Das heißt, mit Steuerklasse V und den zusätzli-
chen Kosten lohnt es sich manchmal wirklich nicht
mehr, dass die Ehefrau wieder in das Berufsleben ein-
steigt. Das wollen wir alle hier im Bundestag ändern.

Die FDP hat schon in der letzten Legislaturperiode
über das Solms-Konzept eine Steuerklassenreform vor-
geschlagen. Am 29. November letzten Jahres haben wir,
weil bei Ihnen nichts passiert ist, einen Antrag dazu vor-
gelegt, den wir heute beraten. Wir fordern die Bundes-
regierung auf, das Steuerklassensystem für unbeschränkt
steuerpflichtige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen
zu überarbeiten, indem erstens das geltende System ab-
geschafft wird und zweitens unbürokratische Vorschläge
für die Neuregelung des Lohnsteuerabzugs vorgelegt
werden, die sich stärker am jeweiligen Arbeitslohn der
Ehepartner orientieren.


(Beifall bei der FDP)


Der Vorschlag der Großen Koalition, den ich in der
Zeitung gelesen habe, ist meines Erachtens falsch und
kommt zu spät. Es ist ein politischer Skandal, wie ich
finde, dass die Frauen bis 2009 durch die Steuerklasse V
weiterhin beim Elterngeld benachteiligt werden sollen.
Wenn jemand 2 000 Euro brutto verdient, würde bei
Steuerklasse V das Elterngeld monatlich um 390 Euro
geringer ausfallen als bei Steuerklasse III. Daran sieht






(A) (C)



(B) (D)


Ina Lenke
man, dass diese Steuerklasse unbedingt abgeschafft wer-
den muss. – Das kann ich Ihnen gern schriftlich geben.

Ich komme zum Schluss: So wie es sich heute dar-
stellt, bleibt es nach dem Willen von SPD und CDU/
CSU beim jetzt gültigen Steuerklassensystem. Es wird
nur auf die derzeit schlechte Regelung eine zusätzliche
draufgesetzt. Das ist keine echte Reform. Ich gehe davon
aus, dass Ihr Vorschlag in den Ausschussberatungen
noch verbessert wird und dass wir gemeinsam zu einer
besseren Steuerklassenreform kommen, die allen Frauen
und allen Familien in Deutschland nützt und Frauen Lust
auf Arbeit macht.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610610900

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin

Patricia Lips.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1610611000

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir stehen in der Tat vor der Einlösung jahre-
langer frauenpolitischer Forderungen. Ich meine das
nicht ironisch,


(Ina Lenke [FDP]: Nein, nein! Das ist richtig!)


sondern absolut im Ernst. Damit bekommt ein eher steu-
ersystematisches Thema einen gesellschaftspolitischen
Hintergrund.

Je länger Sie gesprochen haben, Frau Lenke, desto
mehr habe ich meine Rede verkürzt, weil wir – das wer-
den wir auch sehen – im Ansatz durchaus ähnliche Ziele
haben. Wer will verkennen, dass wir das Gleiche als
Ausgangspunkt, als Problem, identifiziert haben? Im
Prinzip ist Ihnen sogar dafür zu danken, dass an dieser
Stelle eine parlamentarische Debatte stattfindet, also
wieder einmal Öffentlichkeit hergestellt wird.


(Beifall des Abg. Hellmut Königshaus [FDP])


Sie passt in ihrer Grundsätzlichkeit hervorragend zu den
anderen Debatten am heutigen Tage.

Allerdings, Kolleginnen und Kollegen der FDP, sind
Sie sicherlich mit Ihrem Antrag nicht die ersten und ein-
zigen – das haben Sie auch erwähnt –, die das zugrunde-
liegende Problem erkannt haben. Worum geht es noch
einmal? – In Kürze: Wenn Ehepartner annähernd gleich-
viel verdienen, bedienen sich beide in der Regel der
Lohsteuerklasse IV. Liegen jedoch die Einkünfte weiter
auseinander, wählen sie – zurzeit sind es etwa 4 Millio-
nen Ehepaare – die Kombination aus den Steuerklas-
sen III und V. Durch einen Ausgleich im Rahmen der
Veranlagung ist es bis zu diesem Punkt vor allem die
Optik, die im Jahresverlauf und pro Monat eine Hürde
aufbaut, mit der erforderlichen Begeisterung die Berufs-
tätigkeit aufzunehmen bzw. auszuüben, und dies trifft
natürlich mehrheitlich auf Frauen zu. Viel wichtiger sind
deshalb für viele die, nennen wir es, Nebenwirkungen
– Sie beschreiben es –, nämlich die vom Nettolohn ab-
hängigen Leistungen wie Arbeitslosengeld und alles an-
dere mehr.

Dabei sollten und dürfen wir jedoch nicht den Ein-
druck hinterlassen, es sei einzig eine Aufgabe des Steuer-
systems, regulatorisch einzuwirken, um zu einer wie
auch immer gearteten erhöhten Bereitschaft, berufstätig
zu werden, zu kommen. Wenn wir an anderer Stelle – nur
ein Beispiel – über den Ausbau von Kinderbetreuung re-
den, wie auch am heutigen Vormittag, dann drehen wir ja
gesamtwirtschaftlich natürlich genauso an einem Rad,
das perspektivisch direkt Auswirkungen auf dieses tradi-
tionelle Steuerklassensystem III/V haben wird, da sich
Einkommen verändern werden oder sollen. Das dürfen
wir nicht vergessen; das müssen wir immer im Hinter-
kopf behalten.

Kehren wir nun zurück und fragen uns, was die Ziele
sein sollen, wenn Änderungen an Steuerklassen vorge-
nommen werden: erstens eine Stärkung der Anreize ins-
besondere für Frauen, eine Arbeit aufzunehmen; zwei-
tens eine ausgewogenere Verteilung der Lohnsteuerlast
zwischen den Ehepartnern. Drittens. Die Gesamtsteuer-
last beider per anno darf nicht höher sein als heute, aus
haushaltspolitischer Verantwortung allerdings auch nicht
niedriger. Viertens. Die erwähnten Lohnersatzleistun-
gen, wenn der Fall eintritt, sollen/werden dann höher
ausfallen. Fünftens soll unter Berücksichtigung des Ehe-
gattensplittings die Wahlfreiheit in der Lebensgestaltung
aufrechterhalten werden, beispielsweise könnte bei Ein-
führung eines neuen Modells ein Wahlrecht eingeräumt
werden, das bisherige beizubehalten. – Wer möchte das
nicht alles unterschreiben?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun zur Lösung: Gestatten Sie mir, dass ich zwei
Quellen bemühe, weil sie mir bei der Vorbereitung so
gut gefallen haben:

Statt der bisherigen Steuerklassen werden wir ein
Anteilssystem einführen, mit dem jeder Ehegatte
künftig soviel Lohnsteuer zahlt, wie es seinem An-
teil am gemeinsamen Bruttolohn entspricht.

Die andere Quelle besagt: Die Bundesregierung wird
aufgefordert,

möglichst unbürokratische Vorschläge für die Neu-
regelung des Lohnsteuerabzugs insgesamt vorzule-
gen, wobei die Abzugsbeträge bei Ehegatten sich
stärker am jeweiligen Anteil am Bruttoarbeitslohn
orientieren.

Die ersten Worte stammen aus dem Koalitionsvertrag,
einem Werk, mit dem man als FDP-Abgeordneter nicht
einverstanden sein muss, dessen Inhalte jedoch – das ist
unbestritten – konsequent umgesetzt werden, für manch
einen in diesem Land zu schnell. Die zweite Quelle – wir
können lange darüber diskutieren, woher was stammt –
ist ein wörtliches Zitat aus Ihrem Antrag. Ein Unter-
schied ist selbst für Steuerexperten zum Teil nur schwer
erkennbar.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)







(A) (C)



(B) (D)


Patricia Lips
Fazit bis dahin: Ein Problem wurde allgemein erkannt
und soll bzw. wird bereits einer Lösung zugeführt. Es
gibt Ihren Antrag. Es gibt Vorschläge aus dem Ministe-
rium; sie sind Ihnen bekannt. Beide verfolgen das glei-
che Ziel. Über den Weg werden wir noch diskutieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Politik immer
einfach wäre, könnten wir damit theoretisch den heutigen
Tag beschließen. Die Sache hat allerdings – natürlich –
den sprichwörtlichen Haken: Mit der Begründung, ein
einzelnes Element, nämlich die Lohnsteuerklasse V – da-
rum ging es zu 90 Prozent in Ihrem Antrag und in Ihrer
Rede – zu überarbeiten, abzuschaffen, wie auch immer
Sie es nennen wollen, oder, besser formuliert – das ist ja
das eigentliche Anliegen –, Frauen über das Steuersys-
tem einen größeren Anreiz zur Berufsaufnahme zu geben
– das ist ja das eigentliche Ziel –, kommen Sie in Ihrem
Antrag zu der Forderung, das gesamte bestehende Steu-
erklassensystem umzuarbeiten bzw. aufzulösen.


(Ina Lenke [FDP]: Genau!)


Auch wenn dem viele grundsätzlich eine gewisse Sym-
pathie entgegenbringen, ähnelt Ihr Vorgehen – gestatten
Sie mir bitte, das zu sagen – im bisher beschriebenen Zu-
sammenhang so ein bisschen der berühmten Kanone, mit
der man auf Spatzen schießt.

Wir haben nicht vergessen, dass Sie einen Gesetzent-
wurf zur Änderung des Gesamtsteuersystems vorge-
legt haben. Hierzu gab und gibt es unterschiedliche An-
sichten; so ist eben Demokratie. Dennoch war die
Vorgehensweise Ihrer Fraktion an dieser Stelle konse-
quent. Es macht aber nur bedingt Sinn, Teilelemente ei-
nes Gesamtsystems separat zu behandeln. Heute ist es
die Lohnsteuerklasse V, morgen ist es in einem anderen
Ausschuss ein anderes Thema. Bitte denken Sie darüber
nach. Diese Splitteranträge gehen an dem ordnungspoli-
tischen Anspruch, den Sie für sich selbst gerne reklamie-
ren, deutlich vorbei. Ihr ganzes Ansinnen heute wirkt da-
mit innerlich zerrissen zwischen den Anliegen der
Finanz- und denen der Familienpolitiker Ihrer Fraktion.

Lassen Sie mich noch ein Zitat aus Ihrem Antrag
bringen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610611100

Würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke

zulassen?


Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1610611200

Nein, ich bin gleich am Ende meiner Rede. – Das Zi-

tat aus Ihrem Antrag lautet:

Aber auch innerhalb des geltenden Einkommen-
steuerrechts ist die Aufteilung der insbesondere von
Ehegatten zu zahlenden Lohnsteuer … möglich.

Das heißt, Sie haben dort einen Weg aufgezeigt, in wel-
che Richtung man gemeinsam weiter diskutieren kann.

Deshalb mein Appell: Lassen Sie uns gemeinsam das
eigentliche Problem lösen! Da sind wir nicht weit aus-
einander. Aber diese Teil- bzw. Rumpfanträge, um fami-
lienpolitische Duftnoten zu setzen, helfen uns an dieser
Stelle nicht weiter. Ich freue mich auf die Auseinander-
setzung der kommenden Wochen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610611300

Die Kollegin Lenke zu einer Kurzintervention.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1610611400

Frau Kollegin, mich ärgert wirklich, dass Sie zu den

mit der Steuerklasse V zusammenhängenden Problemen
sagen, das seien Splitterprobleme bzw. es gehe um einen
Splitterantrag. Sie haben selber gesagt, 4 Millionen
Frauen würden darunter leiden. Es geht uns nicht darum,
Frauen dazu zu drängen, berufstätig zu werden, sondern
darum, dass doppelte Diskriminierung durch die Steuer-
klasse V beseitigt wird. Die Steuerklasse V ist vor 40
oder 50 Jahren eingerichtet worden, als die Verhältnisse
entsprechend waren. Heute sind die Verhältnisse anders.
Ich bitte, hier nicht von Splitteranträgen zu reden, vor al-
lem, nachdem Sie selber zu Anfang Ihrer Rede gesagt
haben, dass es hier auch um ein frauenpolitisches Anlie-
gen gehe.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610611500

Frau Lips, möchten Sie antworten?


Patricia Lips (CDU):
Rede ID: ID1610611600

Ich antworte kurz. – Sehr geehrte Kollegin, ich habe

das nicht in Bezug auf die Wichtigkeit gesagt. Ich
glaube, ich habe in meiner Rede genauso wie Sie auf die
Dringlichkeit und Wichtigkeit hingewiesen, das Thema
anzugehen. Damit spreche ich sicher für alle Fraktionen
in diesem Haus, und zwar nicht nur für die Frauen, son-
dern auch für die Männer.

Ich habe allerdings darauf verwiesen, dass es von Ih-
nen durchaus ein Gesamtkonzept gibt, wie es auch von
anderen steuerpolitische Gesamtkonzepte gibt. In dem
Zusammenhang habe ich mir erlaubt, darauf aufmerk-
sam zu machen, dass der Umgang mit der Lohnsteuer-
klasse V auch Bestandteil Ihres Gesamtkonzeptes ist, Sie
dieses Problem aber nun daraus herausgegriffen haben.
Vor diesem Hintergrund handelt es sich um den heute
vorliegenden Antrag um einen Splitterantrag.

Die Frage ist: Wie kommen wir im Rahmen des beste-
henden Systems zu einer möglichst breiten Lösung in
diesem Haus, also ohne das gesamte Steuerklassensys-
tem aufrollen zu müssen? Auch dazu haben Sie in Ihrem
Antrag einen Weg aufgezeigt und zugleich deutlich ge-
macht, dass Sie zu einer Diskussion bereit sind. Das war
der ganze Hintergrund meiner Rede am heutigen Tag.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten uns nicht sagen müssen, was Sie vorher schon einmal gesagt haben!)







(A) (C)



(B) (D)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610611700

Jetzt hat die Kollegin Dr. Barbara Höll für Die Linke

das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610611800

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Kollegin Lips,

gerade in Bezug auf die Kinderbetreuung finde ich, dass
der Worte genug gewechselt sind. Lassen Sie endlich Ta-
ten folgen, damit zumindest die Frauen, die heute
schwanger sind, die Hoffnung haben können, dass sie
eine Kinderbetreuung angeboten bekommen, und zwar
in Ost und West.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, 36,3 Prozent aller
erwerbstätigen Frauen arbeiten in Teilzeitjobs, meist
nicht freiwillig. Das ist die höchste Quote in Europa. Sie
zeigt eindeutig, wie wenig die Wertschöpfung aus weib-
licher Arbeit in Deutschland gefragt und gefördert wird.

Das konservative Familienmodell mit dem Mann als
Hauptverdiener scheint in Deutschland besonders stabil
zu sein. Gestützt wird es unter anderem durch das Steu-
errecht und ganz besonders durch das veraltete Ehegat-
tensplitting, dessen Neuausgabe in Form des Familien-
splittings nicht viel moderner und nicht viel gerechter
daherkommt.

Das deutsche Steuerrecht, insbesondere das Einkom-
mensteuerrecht, bringt, gelinde gesagt, hohe Risiken be-
züglich der Verteilungswirkung, aber vor allem auch für
gleichstellungspolitische Maßnahmen mit sich. In fast
allen europäischen Nachbarländern ist es Usus, alle indi-
viduell zu besteuern. Eine Zusammenveranlagung, wie
es in Deutschland im Rahmen des Ehegattensplittings
der Fall ist, gibt es dort nicht. Ungereimtheiten im Sys-
tem kommen zum Ausdruck, wenn man beispielsweise
an die Kombination der Steuerklassen III und V denkt.

Ich nenne dazu ein Beispiel: Eine gut ausgebildete PR-
Assistentin – verheiratet, Mutter eines Sohnes –, die Teil-
zeit arbeitet, da sie keine Kinderbetreuung hat, verdient
monatlich 1 600 Euro brutto und bekommt 800 Euro auf
die Hand. Ihr Mann – Referatsleiter im Gesundheitsamt,
natürlich in der Steuerklasse III –, der Vollzeit arbeitet,
verdient dreimal so viel und bekommt 3 000 Euro heraus.
Zusätzlich erhält er am Jahresende einen Ausgleich in
Form der Steuerrückzahlung, weil sowieso alles über sein
Konto läuft. Falls diese Frau dann krank oder arbeitslos
wird, in Mutterschaftsurlaub geht oder Elterngeld bean-
tragt, sind die in diesen Fällen zu zahlenden Leistungen
natürlich wesentlich geringer, weil sie in der Steuer-
klasse V ist. Das ist grob ungerecht.

Nicht zu unterschätzen ist – Frau Kollegin Lenke, Sie
haben das nebenbei erwähnt – die psychologische Wir-
kung;


(Ina Lenke [FDP]: So ist es!)


denn es wird durch dieses System immer wieder sugge-
riert, die Frau trage weniger zum Familieneinkommen
bei, obwohl es nicht so ist. Wir halten das nicht für eine
Nebensache.
Ich muss Ihnen allerdings sagen: Ich finde es gut,
wenn die Regierungskoalition darüber nachdenkt – sie
hat es im Koalitionsvertrag zum Ausdruck gebracht; in-
zwischen hat sich die Diskussion ein bisschen weiterent-
wickelt –, dieses System zu ändern. Sie schlägt das An-
teilsverfahren vor. Aber die Probleme wird sie damit
nicht in den Griff bekommen.

Gerade aufgrund der Aufteilung in die Steuer-
klassen III und V – ich habe es vorhin beschrieben –
flüchten viele Frauen in 400-Euro-Jobs. Sie brauchen
dann keine Steuern zu zahlen und haben das Gefühl,
dass zumindest anerkannt wird, was sie arbeiten, da sie
ein entsprechendes Einkommen dafür erhalten.

Mit dem vorgeschlagenen optionalen Anteilsverfah-
ren werden Sie diese Probleme nicht lösen.

Zum einen werden sich, wenn das Gesamteinkommen
beider insgesamt stärker besteuert wird, die Ehepartner
auf freiwilliger Basis wohl kaum für dieses Verfahren
entscheiden. Nach dem, was uns bisher aus den Medien
bekannt ist, ist dann, wenn man diese Option wählt, da-
mit der Pferdefuß verbunden, dass eine gemeinsame
Veranlagung de facto entfällt. Steuerberater gehen davon
aus, dass dies zu Mindereinnahmen bei den Familien
und damit zu Mehreinnahmen beim Staat in Höhe von
etwa 500 Millionen Euro führen wird.

Datenschützer verweisen darauf, dass dieses Verfah-
ren umstritten ist, weil die Arbeitgeber der Ehepartner
wissen, was der jeweils andere Ehepartner verdient.


(Ina Lenke [FDP]: Das stimmt!)


Das kann natürlich auch wieder gegen die Frauen ge-
nutzt werden, nach dem Motto: Dein Mann verdient
doch genug. Was kommst du jetzt hier an und möchtest
noch mehr verdienen!

Letztendlich schwenken auch Sie, Frau Lenke, mit
dem, was Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, auf die Linie
des Anteilsverfahrens ein.

Ich bin froh, dass sich Bündnis 90/Die Grünen, seit es
in der Opposition ist, wieder darauf besonnen hat, dass
die einzige konsequente Lösung der Übergang zur Indi-
vidualbesteuerung ist. Diesen Ansatz verfolgen auch wir.
Hinzu muss die Übertragbarkeit des steuerfreien Exis-
tenzminimums kommen. Es sollte uns vielleicht zu den-
ken geben, dass wir diese Woche einen Aufruf bekom-
men haben, –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610611900

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610612000

– der genau dieses vorschlägt, Frau Präsidentin. Die-

sen Aufruf haben unter anderem AWO, DGB und Deut-
scher Frauenrat, aber auch die Evangelische Aktionsge-
meinschaft für Familienfragen und die Katholische
Arbeitnehmerbewegung unterschrieben. Darüber sollte
sich die Koalition informieren und dann mit uns diesen
konsequenten Weg gehen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) (C)



(B) (D)


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610612100

Jetzt spricht Gabriele Frechen für die SPD-Fraktion.


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1610612200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Frau Lenke, Sie haben sich hier fürch-
terlich über den immensen Splittingvorteil empört und
so getan, als ob mit Abschaffung der Steuerklasse V der
Splittingvorteil verschwinden würde. Oder war das ein
Antrag, die Splittingtabelle gleich mit abzuschaffen?
Das kann ja sein; vielleicht habe ich Sie missverstanden.


(Ina Lenke [FDP]: Es geht um die Entscheidung der Großen Koalition zum Ehegattensplitting!)


In Ihrer Rede habe ich einen weiteren kleinen Wider-
spruch entdeckt, den ich gern aufklären möchte. Sie ha-
ben gesagt, dass eine Frau viel weniger Elterngeld be-
zieht, wenn sie vor der Geburt Steuerklasse V und nicht
Steuerklasse III hatte.


(Ina Lenke [FDP]: Ja!)


Wenn wir die Steuerklasse V abschaffen, gibt es die
Steuerklasse III aber auch nicht mehr. Was wollen Sie
denn nun? Wollen Sie das Elterngeld nach
Steuerklasse III berechnen oder die Steuerklasse V ab-
schaffen?


(Ina Lenke [FDP]: Also, ehrlich!)


Es ist nicht möglich, beides gleichzeitig zu machen. Le-
sen Sie das Protokoll einmal nach. Ich hoffe, dass Sie die
Widersprüche zumindest dann feststellen.


(Ina Lenke [FDP]: Da gibt es keine Widersprüche! Sie missverstehen das bewusst!)


Wir beraten heute über einen Antrag, der zu zwei
Dritteln der Antrag der Grünen ist, über den wir vor ein
paar Wochen, am 2. Februar 2007, debattiert haben. Die
Steuerklasse V wird auch in Ihrem Antrag – das ist
schon gesagt worden – als großes Beschäftigungshinder-
nis dargestellt. Sie weisen, wie ich finde, völlig zu
Recht, auf die Diskrepanz bei den Lohnersatzleistungen
hin. In den meisten Fällen haben die Ehegatten die Lö-
sung dieser beiden Probleme selbst in der Hand. Sie
müssen nicht die Steuerklassen III und V wählen. Man
kann die Steuerklassenkombination IV und IV wählen.
Da man länger als drei Monate schwanger ist, kann man
auf die Steuerklassenkombination IV und IV wechseln
und erhält dann das Elterngeld nach Steuerklasse IV
ausgezahlt.


(Ina Lenke [FDP]: Das frage ich Sie! Das ist ja wohl das Letzte!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610612300

Frau Frechen, möchten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Lenke zulassen?


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1610612400

Ja, klar.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610612500

Frau Lenke, bitte.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1610612600

Im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-

gend ist das Elterngeld federführend beraten worden.
Wenn es so wäre, wie Sie sagen, wäre eine Überlegung,
den Durchschnittsbruttoverdienst der letzten drei Mo-
nate vor der Geburt als Berechnungsgrundlage für das
Elterngeld heranzuziehen. Nach dem Elterngeldgesetz
werden jetzt aber die letzten zwölf Monate vor der Ge-
burt zur Berechnung herangezogen. Sie können mir doch
nicht erzählen, dass man weiß, dass man zwölf Monate
später schwanger wird.

Diese Regelung ist ganz bewusst so gemacht worden,
damit die Ehepartner die Lohnsteuerklassen nicht ändern
können. In der Fachpresse können Sie lesen, dass das
Ändern der Steuerklasse gefährlich ist. Wenn nämlich
derjenige, der mehr verdient, arbeitslos wird, hat er das
gleiche Problem wie die Frau mit Steuerklasse V.

Erzählen Sie hier nicht so etwas, sondern schauen Sie
sich erst einmal das Elterngeldgesetz und die Regelun-
gen, die Sie festgelegt haben, an. Ich finde es ziemlich
mies, dass hier so über diesen Antrag gesprochen wird.


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1610612700

Ich möchte sagen: Das war wieder typisch Lenke.


(Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie wollen die Steuerklasse III für beide, für die Frau,
die Elterngeld beziehen möchte, und für den Mann, der
womöglich arbeitslos wird. Ich denke, es ist am besten,
Sie nehmen die Steuerklasse IV, dann brauchen Sie sich
mit solchen Einzelproblemen nicht herumzuschlagen.


(Beifall bei der SPD)


Ich widerspreche Ihnen ja gar nicht: Bei den Lohn-
ersatzleistungen macht das wirklich etwas aus. Da
stimme ich Ihnen gerne zu. Aufgrund meiner Erfahrung
als Steuerberaterin kann ich aber sagen, dass die Men-
schen sehr viel bewusster mit der Steuerklassenkombi-
nation umgehen, als Sie uns glauben machen wollen. In
meiner langen Berufstätigkeit habe ich Ehepaare erlebt,
die ganz bewusst Steuerklasse IV gewählt haben.


(Ina Lenke [FDP]: Weil sie gleich hohe Einkommen haben! Haben sie aber nicht immer!)


Sie haben gesagt: Im Frühjahr bekommen wir etwas
Geld raus, das legen wir beiseite, das sparen wir für den
Urlaub. Andere haben gesagt: Wir können mit unserem
Geld viel besser umgehen als der Staat. Wir wählen ganz
bewusst die Steuerklassen III und V. Ich gehe zwar das
Risiko ein, nachzahlen zu müssen. Das Geld dafür legen
wir aber jeden Monat zurück. Je nachdem, wie viel wir
nachzahlen müssen, gehen wir am Ende des Jahres ein
Kölsch trinken oder Essen. Frau Lenke, Sie können mir
meine Erfahrungen nicht streitig machen. Bei aller Wert-
schätzung, ich weiß, wovon ich rede.


(Ina Lenke [FDP]: Ich weiß auch, wovon ich rede!)







(A) (C)



(B) (D)


Gabriele Frechen
Bei der Steuerklassenkombination III und V zahlt
derjenige, der Steuerklasse III hat, unverhältnismäßig
wenig Steuern und derjenige, der Steuerklasse V hat, un-
verhältnismäßig viel Steuern. Am Ende des Jahres wird
das aber ausgeglichen.

In Ihrem Antrag steht nicht – das haben Sie aber hier
in Ihrer Zwischenfrage gesagt –, dass überwiegend
Frauen die Steuerklasse V haben. Aber liegt es daran,
dass sie Frauen sind, oder liegt es nicht vielmehr daran,
dass Sie die niedrigeren Einkommen haben?


(Ute Kumpf [SPD]: Genau! Das wird in Zukunft vielleicht auch mehr Männer treffen!)


– Ja, das denke ich auch.

Wir leben mit der Vorstellung, dass Mann und Frau
sich Erwerbsarbeit und Familienarbeit gerecht unterei-
nander aufteilen müssen. Das ist sehr schön. Das wollen
wir alle. Aber es entspricht nicht den Tatsachen. Mann
und Frau teilen sich Erwerbs- und Familienarbeit meist
nur so lange, bis sie Eltern werden. Spätestens ab diesem
Zeitpunkt ändert sich die Situation schlagartig.

Warum ist das so? Diese Fragen müssen wir uns zu
Recht immer wieder stellen. Ich glaube nicht, dass das
durch eine Abschaffung der Steuerklasse V geregelt
werden kann. Es geht darum, dass Frauen für die gleiche
Arbeit weniger Lohn, weniger Gehalt bekommen und
dass sie regelmäßig mehr Teilzeit arbeiten als Männer.
Das ist kein Problem aufgrund der Steuerklasse V. Das
ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Das können
wir mit einem Herumdoktern an Steuerklassen, wie Sie
uns glauben machen wollen, nicht ändern.


(Ina Lenke [FDP]: Na ja, wenn das Ihre Meinung ist!)


Nichtsdestoweniger – das sage ich versöhnlich zum
Wochenende, Frau Lenke – gibt es auch bei uns Überle-
gungen, die Steuerlast unter den Ehegatten unterjährig
gleichmäßiger zu verteilen.


(Ina Lenke [FDP]: Traurig, dass das eine Steuerberaterin sagt!)


Aber – das betone ich ausdrücklich – das ist freiwillig.
Das ist nur für die Ehegatten, die diese Kombination
wählen wollen. Freiheit und Selbstbestimmung gelten
überall, nur nicht bei der Wahl der Steuerklassen. Die
Menschen wissen selber ganz gut, welche Steuerklassen-
kombination für sie die richtige ist. Warum müssen wir
Ehegatten vorschreiben, wie sie ihre Steuerlast, die sie
beim Familieneinkommen zu tragen haben, verteilen
sollen? Ich glaube, die Menschen sind in diesem Punkt
viel weiter als Sie, Frau Lenke. Es tut mir leid.


(Ina Lenke [FDP]: Herrlich! Da fehlen mir die Worte!)


Wir wollen, dass die Menschen die Steuerlast anders
verteilen können, nämlich so, wie sie es für richtig emp-
finden. Alle Kolleginnen und Kollegen kennen sicher-
lich den Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz
2008. Wir alle haben uns da schon sehr eingearbeitet.
Darin ist das Anteilsverfahren enthalten. Wir bieten die
Möglichkeit an, die Steuerlast freiwillig gleichmäßiger
zu verteilen.

Ob damit die Probleme gelöst werden, ob es praktika-
bel ist und ob es angenommen wird, kann ich noch nicht
sagen. Noch sind wir nicht im Geschäft. Denn das parla-
mentarische Verfahren beginnt deutlich später. Ich bin
auf die Diskussionen, die dabei entstehen, gespannt. Ich
freue mich darauf.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610612800

Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage von

Frau Dr. Höll zulassen?


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wollen wir nicht! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Können Sie das nicht im Ausschuss miteinander bereden?)



Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1610612900

Ja.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610613000

Frau Frechen, ich habe meine Position genannt. Ich

finde den konsequenten Übergang zur Individualbesteu-
erung richtig. Ich weiß, dass die Arbeitsgemeinschaft
Sozialdemokratischer Frauen dies auch so sagt bzw. so
sieht. Es erschließt sich mir daher nicht – auch nicht vor
dem Hintergrund der Ergebnisse der neuen Bertelsmann-
Studie, in der eine eindeutige Positionierung erfolgt –,
warum Sie jetzt das optionale Anteilsverfahren bevorzu-
gen.


Gabriele Frechen (SPD):
Rede ID: ID1610613100

Liebe Frau Kollegin Höll, wir können das in der Tat

auch im Ausschuss besprechen. Sie haben meine Posi-
tion dazu aber schon am 2. Februar 2007 gehört – so Sie
denn anwesend waren –, als wir über den Antrag der
Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen
zur Abschaffung der Splittingtabelle gesprochen haben;
da habe ich sie dargestellt. Ich glaube, es würde uns bei-
den keine Freude machen – und vor allen Dingen keine
Freunde –, wenn ich jetzt meine Rede vom 2. Februar
wiederholen würde.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmen Sie Frau Höll doch einfach zu!)


– Nein, ich stimme ihr nicht zu.

Ich glaube aber nicht, dass Sie so lange stehenbleiben
könnten, bis ich das erklärt habe. Es gibt da noch ganz
andere Gründe, warum ich mich in diesem Punkt etwas
anders verhalte als die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemo-
kratischer Frauen. Es ist noch nicht ausdiskutiert, wer
von uns beiden da recht hat. Lesen Sie das in meiner
Rede einfach nach. Dann erschließt es sich Ihnen mit Si-
cherheit sofort.

Ich bleibe dabei: Mit der Änderung des Steuerrechts
erreichen wir weder eine Erhöhung der Beschäftigung
von Frauen noch erreichen wir, dass die Gehälter zwi-






(A) (C)



(B) (D)


Gabriele Frechen
schen Frauen und Männern gleich hoch sind. Das wer-
den wir mithilfe des Steuerrechts nicht schaffen.

Die Kinderbetreuungskosten werden in allen Berech-
nungsmodellen vom Gehalt der Mutter abgezogen wer-
den. Ich frage Sie: Wo leben wir eigentlich?


(Ute Kumpf [SPD]: Stimmt!)


Ist der Vater nicht auch für die Kosten der Kinderbetreu-
ung verantwortlich?


(Ute Kumpf [SPD]: Genau!)


Solange es so bleibt, dass die Kinderbetreuungskosten in
allen Berechnungsmodellen vom Nettogehalt der Mutter
abgezogen werden,


(Ina Lenke [FDP]: Nein! Das ist nicht immer so!)


sind wir nicht auf einem partnerschaftlichen Weg: weder
bei der Erwerbsarbeit noch bei der Familienarbeit.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610613200

Jetzt hat das Wort die Kollegin Britta Haßelmann für

das Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610613300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau

Staatssekretärin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-
gen! Im Jahr 2001 waren von den in Lohnsteuer-
klasse III, der Steuerklasse mit dem niedrigen Lohnsteu-
erabzug, eingestuften Personen 83,1 Prozent Männer
und 16,9 Prozent Frauen. Gleichzeitig waren von den in
Lohnsteuerklasse V, der Steuerklasse mit dem hohen
Lohnsteuerabzug, eingestuften Personen 10,4 Prozent
Männer und 89,6 Prozent Frauen. Frau Frechen, ich
musste ein bisschen schmunzeln, als ich hörte, wie Sie
die Position der SPD dargestellt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Sie sagten, das sei frei gewählt, und Männer und Frauen
entschieden solidarisch miteinander, wie das innerhalb
der Familie verteilt wird. Zumindest die Frauenpolitike-
rinnen in Ihrer Fraktion wissen, dass das nicht so ist.
Deshalb setzen sie sich an anderer Stelle genauso wie ich
für die Abschaffung der Steuerklasse V ein.

Die Steuerklasse V ist antiquiert, ungerecht und leis-
tungsfeindlich, und sie benachteiligt einseitig die
Frauen. Deshalb ist es dringend an der Zeit, sie abzu-
schaffen. Dieser Diskurs wird nicht nur bei den Grünen
geführt. Auch viele Frauenpolitikerinnen und Frauen-
politiker in Vereinen und Verbänden, selbst in der Wirt-
schaft, sowie in der SPD und in anderen Fraktionen er-
heben diese Forderung seit langem.

Rund 90 Prozent derjenigen, die in diese diskriminie-
rende Steuerklasse eingestuft sind, sind Frauen. Das liegt
daran, dass Frauen in diesem Land selbst für die gleiche
Arbeit immer noch deutlich weniger verdienen als Män-
ner. Deshalb werden sie in diese Steuerklasse eingestuft.
Das gesamte System der Lohnsteuerklassen für Ehe-
paare zementiert diese Ungleichheit. Es muss dringend
an die Lebensrealität angepasst werden und darf nicht
weiter Arbeitsanreize für Zweitverdiener, in der Regel
für Frauen, vermindern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Frau Lenke, die Vorstellungen der FDP zur
Neuregelung des Lohnsteuerabzugs sind allerdings sehr
karg gehalten. Ihr Antrag bringt diese Debatte aus mei-
ner Sicht überhaupt nicht voran. Wir Grüne haben schon
vor ein paar Monaten – Frau Frechen hat das gerade an-
gesprochen – eine Alternative vorgelegt. Unser Antrag
mit dem Titel „Steuervereinfachung – Lohnsteuerklas-
sen III, IV und V abschaffen“ befindet sich schon seit
Februar dieses Jahres im parlamentarischen Verfahren.

Nun zur Großen Koalition. Welchen Beitrag leistet sie
eigentlich zur Gleichstellung von Frauen im Steuer-
recht? Die Große Koalition plant, im Lohnsteuerabzugs-
verfahren ab 2009 ein Optionsrecht einzuführen. Die
bisherigen und aus meiner Sicht antiquierten Steuerklas-
sen bleiben also bestehen, und das Optionsrecht wird zu-
sätzlich obendrauf gesattelt.


(Ina Lenke [FDP]: Genau! Das kommt noch obendrauf!)


Damit liegt die Große Koalition schon im Ansatz dane-
ben. Denn das Lohnsteuerabzugsverfahren wird dadurch
nicht etwa einfacher, sondern komplizierter. Diesen Vor-
schlag machen ausgerechnet Sie, die Sie sich an anderer
Stelle vehement für den Bürokratieabbau einsetzen.

Die Option erlaubt den Ehepartnern, sich nach ihrem
jeweiligen Anteil am gemeinsamen Gesamtbruttolohn
besteuern zu lassen. Das bedeutet letztlich nichts ande-
res, als dass die ungerechten und leistungsfeindlichen
Verteilungswirkungen des Ehegattensplittings unverän-
dert bleiben. Es wird lediglich an den Symptomen he-
rumgedoktert, letztlich aber nichts verändert. Wer für
das Anteilsverfahren optiert – Frau Lenke, dafür spricht
sich übrigens auch die FDP aus –, zahlt so viel Lohn-
steuer, wie es seinem Anteil am Familieneinkommen
entspricht.

Der hohe Lohnsteuerabzug bei Lohnsteuerklasse V ist
eine Folge des Ehegattensplittings. Deshalb wollen wir
das Ehegattensplitting in eine gerechte und zeitgemäße
Individualbesteuerung umwandeln, wobei die gegen-
seitigen Unterhaltspflichten der Partnerinnen und Part-
ner dadurch berücksichtigt werden, dass ein Höchstbei-
trag an den Ehegatten übertragbar ist. Jede Frau und
jeder Mann macht die Steuererklärung für sich – die
Steuerklassen III, IV, V können somit ersatzlos wegfal-
len.

Lassen Sie mich zuletzt noch die datenschutzrechtli-
che Krux des Anteilverfahrens ansprechen, für das sich
die Große Koalition und die FDP aussprechen: Die eige-
nen Einkünfte müssen dem Arbeitgeber des Partners
bzw. der Partnerin bekannt gemacht werden. Eine solche






(A) (C)



(B) (D)


Britta Haßelmann
weitreichende Offenlegung persönlicher Daten geht uns
zu weit. Deshalb lehnen wir dieses Verfahren ab.

Ich sehe in der Individualbesteuerung und dem Vor-
schlag, den wir Grüne gemacht haben, den Weg, der
Emanzipation der Frau im Steuerrecht ein Stückchen nä-
her zu kommen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610613400

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3649 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. – Damit sind Sie ein-
verstanden. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 31 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten Oskar
Lafontaine, Dr. Barbara Höll, Hüseyin-Kenan
Aydin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines ...
Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes

– Drucksache 16/4659 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattie-
ren. – Damit sind Sie einverstanden.

Die Reden der Kolleginnen und Kollegen Leo
Dautzenberg, Klaus Uwe Benneter, Mechthild
Dyckmans und Margareta Wolf (Frankfurt) gehen zu
Protokoll.1)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Professor Herbert
Schui für Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1610613500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Ak-

tiengesetz weist dem Aufsichtsrat die Aufgabe zu, die
Geschäftsführung zu überwachen. Das scheint nötiger
denn je zu sein. Die Konzerne Siemens, Daimler, EADS
und Telekom beispielsweise machen nicht den Eindruck,
gut geführt und hinreichend beaufsichtigt zu sein. Das
wundert auch deswegen nicht, weil die ehemaligen Vor-
stände regelmäßig Aufsichtsräte werden.

Der unternehmerische Ehrgeiz der Vorstände richtet
sich gegenwärtig weniger auf Ziele wie langfristige Pla-
nung und technischen Fortschritt – noch weniger auf
technischen Fortschritt, der der Umwelt zugute käme.
Vielmehr verlegen sie alle Energie darauf, ihren Beleg-
schaften unbezahlte Mehrarbeit und den Verzicht auf
Lohn abzupressen – dies alles vor dem Hintergrund, dass
die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermö-

1) Anlage 7
gen im vergangenen Jahr um 38 Milliarden Euro zuge-
nommen haben.

Ähnlich nachdrücklich gehen die Vorstände bei der
Erhöhung der Managementvergütung vor: Bei den
DAX-Unternehmen haben sich diese Vergütungen wäh-
rend der letzten sechs Jahre verdoppelt. Die realen Net-
tolöhne dagegen sind, wie Sie wissen, gesunken. Bei den
Managervergütungen gibt das Aktiengesetz dem Auf-
sichtsrat eine klare Verantwortung: Er hat dafür zu sor-
gen, dass die Vorstandsbezüge in einem angemessenen
Verhältnis zu den Aufgaben des Managements und zur
Lage der Gesellschaft stehen. Bei einer wesentlichen
Verschlechterung der Lage der Gesellschaft können die
Managementbezüge sogar abgesenkt werden – ich be-
zweifle allerdings, ob das je der Fall war.

Mit der unternehmerischen Dynamik sieht es schlecht
aus, daran arbeiten die Vorstände allenfalls verhalten:
Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung beispiels-
weise liegen mit 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
unter dem Richtwert des Lissabonprozesses, der bei
3 Prozent liegt.

Bei Siemens wurde der Vorstandsvorsitzende Kleinfeld
von seinem Vorgänger von Pierer, der in den Aufsichts-
rat gewechselt war, überwacht. In dieser Zeit sah sich
der Konzern nicht in der Lage, mit der Entwicklung der
Handyproduktion Schritt zu halten. Korruption grassiert.
Gelbe Gewerkschaften werden mit Konzerngeldern
hochgepäppelt, um die IG Metall zu schwächen. Zeit-
gleich mit der BenQ-Pleite kündigte der Aufsichtsrat
von Siemens an, die Vorstandsgehälter um 30 Prozent zu
erhöhen. Erst massiver öffentlicher Protest hat dafür ge-
sorgt, dass diese Vorhaben verschoben und möglicher-
weise auch ganz aufgegeben wurden.

Der Fall Siemens ist typisch für viele deutsche Unter-
nehmen: schleppende Innovation, beschleunigte Lohn-
senkung, keine Hemmungen der Vorstände und ineffi-
ziente Aufsichtsräte. Ein Grund dafür ist, dass der Auf-
sichtsrat als Versorgungsposten für ehemalige Vorstände
herhält, die die Folgen ihrer eigenen Entscheidungen
dann schließlich selbst überwachen sollen.

Von den 21 seit 2002 ausgeschiedenen Vorstandsvor-
sitzenden der im DAX vertretenen Unternehmen lande-
ten 16 im Aufsichtsrat desselben Unternehmens, zwölf
wurden sogleich Aufsichtsratsvorsitzende. Das ist ganz
offensichtlich Missbrauch. Durch das Aktienrecht wird
nicht umsonst verboten, dass ein Aufsichtsratsmitglied
zugleich Vorstandsmitglied ist. Nicht viel anders liegen
die Dinge, wenn ein direkter Übergang vom Vorstand in
den Aufsichtsrat erfolgt.

Durch das Aktienrecht wird die Beachtung des
Corporate-Governance-Kodex nahegelegt. Darin ver-
pflichten sich die Unternehmen in freiwilliger Überein-
kunft, einen unmittelbaren Wechsel des Vorstandschefs
in den Aufsichtsrat in der Regel auszuschließen. Wie die
Erfahrung aber zeigt, ist diese Selbstverpflichtung nichts
wert. Umso erstaunlicher ist, dass die Koalition so nach-
drücklich darauf setzt. Durch die freiwilligen Verhal-
tensregeln wird auch die Veröffentlichung der Vor-
standsgehälter vorgeschrieben. Befolgt wurde diese






(A) (C)

Dr. Herbert Schui

Regel jedoch erst, nachdem die entsprechenden Passa-
gen dieses Kodex Gesetz geworden sind.

Deshalb schlägt Die Linke vor, den Übergang von
Vorstandsmitgliedern in den Aufsichtsrat erst nach einer
Übergangsfrist von fünf Jahren zu erlauben. Die Forde-
rung ist Ihnen bekannt. Sie wurde so ähnlich auch von
Volker Kauder vertreten. Das Gesetz wäre also nichts
weiter als die rechtliche Normierung des freiwilligen
Corporate-Governance-Kodex.

Ich gehe davon aus, dass all diejenigen, die den Inhalt
der freiwilligen Vereinbarungen gutheißen, auch unseren
Antrag gutheißen werden. An sich sollte die überwie-
gende Mehrheit des Hauses unserem Antrag zustimmen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1610613600

Ich schließe die Aussprache.

Es ist verabredet, den Gesetzentwurf auf Druck-
sache 16/4659 an die Ausschüsse zu überweisen, die in
der Tagesordnung vorgeschlagen werden. – Damit sind
Sie einverstanden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des

Mit Bioraffinerien in Deutschland die Bio-
masse effizienter nutzen und zusätzliche Res-
sourcen erschließen

– Drucksache 16/5529 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

Die Reden der Kolleginnen und Kollegen
Flachsbarth, Mühlstein, Brunkhorst, Bulling-Schröter
und Kotting-Uhl sind zu Protokoll gegeben.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/5529 an die Ausschüsse vorgeschlagen,
die in der Tagesordnung stehen. – Auch damit sind Sie
einverstanden.

Wir sind am Schluss der heutigen Tagesordnung an-
gekommen.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages, auf Mittwoch, den 4. Juli 2007, 13 Uhr, ein.

Genießen Sie das Wochenende und die gewonnenen
Einsichten.

Die Sitzung ist geschlossen.