Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Vor Eintritt in die Tagesordnung will ich einige amt-liche Mitteilungen bekannt geben. Interfraktionell istvereinbart worden, in der laufenden Sitzungswochekeine Befragung der Bundesregierung durchzuführen.Außerdem ist vorgesehen, die verbundene Tagesord-nung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführtenPunkte zu erweitern:ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN:Haltung der Bundesregierung zur drohenden Altersarmutin Deutschland aufgrund des zu geringen RentenniveausZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-wärtigen Ausschusses
– zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zu der zweiten Beratung des Antragsder BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte andem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunter-stützungstruppe in Afghanistan unter Führung derNATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 ,1413 , 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004),1623 und 1707 (2006) des Sicherheitsrates derVereinten NationenRedet– zu dem Entschließungsantrag der AbgeordnetenDr. Werner Hoyer, Birgit Homburger, HellmutKönigshaus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derFDP zu der Beratung des Antrags der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte andem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunter-stützungstruppe in Afghanistan unter Führung derNATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 ,1413 , 1444 (2002), 1510 (2003), 1563 (2004),1623 und 1707 (2006) des Sicherheitsrates derVereinten Nationen– Drucksachen 16/4298, 16/4571, 16/4620, 16/4621,16/5636 –Berichterstattung:Abgeordnete Eckart von KlaedenDetlef DzembritzkiDr. Wolfgang GerhardtWolfgang GehrckeJürgen Trittin
, Dr. Martina Krogmann, Hans-Joachim Fuchtel,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSUsowie der Abgeordneten Dr. Uwe Küster, Dr. RainerWend, Dr. h. c. Susanne Kastner, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der SPDDen Wettbewerb stärken, den Einsatz offener Doku-mentenstandards und offener Dokumentenaustausch-formate fördern– Drucksache 16/5602 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzextAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten derEuropäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussb) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. RainerStinner, Birgit Homburger, Elke Hoff, weiterer Abgeord-neter und der Fraktion der FDPPlanungen für Bundeswehr-Ehrenmal am Bendler-block aussetzen – Würdigung der Toten in unmittel-barer Reichstagsnähe– Drucksache 16/5593 –Überweisungsvorschlag:digungsausschuss
usschussärtiger Ausschusshuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undcklungVerteiInnenaAuswAusscEntwi
Metadaten/Kopzeile:
10444 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussVon der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-weit erforderlich, abgewichen werden.Der Tagesordnungspunkt 8 – Änderung des Bundes-naturschutzgesetzes – wird abgesetzt. In der Folge wer-den die Tagesordnungspunkte 9 und 10 sowie 11 und 12jeweils getauscht.Schließlich mache ich auf einige nachträgliche Aus-schussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktlisteaufmerksam:Der in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestagesüberwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätz-lich dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz zur Mitberatungüberwiesen werden.Gesetzentwurf der Bundesregierung zur wei-teren Stärkung des bürgerschaftlichen En-gagements– Drucksache 16/5200 –überwiesen:Finanzausschuss
InnenausschussSportausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss gemäß § 96 GODer in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestagesüberwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich demAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz zur Mitberatung überwie-sen werden.Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll,Dr. Axel Troost, Katrin Kunert, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der LINKENStärkung des bürgerschaftlichen Engagements– Drucksache 16/5245 –überwiesen:Finanzausschuss
InnenausschussSportausschussAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitAusschuss für Kultur und MedienDer in der 97. Sitzung des Deutschen Bundestagesüberwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich demAusschuss für Arbeit und Soziales zurMitberatung überwiesen werden.Antrag der Abgeordneten Peter Bleser, JuliaKlöckner, Ursula Heinen, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-ordneten Volker Blumentritt, Mechthild Rawert,ülJwDs
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10445
)
)
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staats-sekretär Alfred Hartenbach zur Verfügung. – HerrHartenbach, ich bitte um Beantwortung.A
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau
Lötzsch, ich gebe Ihnen folgende Antwort: Der Bundes-
regierung sind entsprechende Medienberichte bekannt.
Strafanzeigen als Reaktion auf öffentliche Berichterstat-
tungen sind nicht ungewöhnlich. Für die Bundesregie-
rung ergibt sich aus dem Vorliegen einer Strafanzeige al-
lein allerdings keine Notwendigkeit für Konsequenzen.
Nachfragen?
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,
Informationen weisen darauf hin, dass die Stadt Leipzig
der wichtigste Knotenpunkt der organisierten Kriminali-
tät war. Darum würde es mich interessieren, ob die Bun-
deskanzlerin oder ein anderes Mitglied der Bundesregie-
rung mit Minister Tiefensee, der ja zum damaligen
Zeitpunkt Bürgermeister von Leipzig war, bereits über
diesen Fall gesprochen hat und ob Sie ausschließen kön-
nen, dass hier eine Verbindung zum System der organi-
sierten Kriminalität besteht.
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rzählen, was ich als Staatsanwalt und Richter früher er-
ebt habe; das gehört aber nicht hierher. Ich lade Sie
erzlich ein: Rotwein oder Weißwein, wie Sie möchten.
Es gibt eine weitere Frage des Kollegen Volker Beck.
Metadaten/Kopzeile:
10446 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
)
)
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass das nicht die persönliche Meinung der
Kollegin Lötzsch ist? Wie bewerten Sie den Umstand,
dass der Vorsitzende der Parlamentarischen Kontroll-
kommission des Sächsischen Landtages – ich glaube, er
gehört sogar der gleichen Partei an wie der geschätzte
Chef des Bundeskanzleramtes – im Zusammenhang mit
der Art, wie die Parlamentarische Kontrollkommission
des Sächsischen Landtages informiert worden ist, von
glattem Rechtsbruch gesprochen hat, und meinen Sie
nicht auch, dass dieser Vorfall deshalb ernster zu neh-
men ist? Auch ich bin gegen Vorverurteilung; das ist ein
wichtiges Prinzip im Rechtsstaat. Gibt es in der Bundes-
regierung Diskussionen über die Amtsauffassung von
Herrn de Maizière, und meinen Sie, dass sich die Amts-
auffassung von Herrn de Maizière gegenüber den Parla-
mentarischen Kontrollgremien – damals in Sachsen und
heute als Mitglied der Bundesregierung gegenüber dem
Bundestag – womöglich geändert hat?
A
Herr Präsident, würden Sie Herrn Beck bitten, mir zu
sagen, welche seiner drei Fragen ich beantworten soll.
Denn ich glaube, er hat nur eine Zusatzfrage.
Ich glaube, das war ein grammatikalisch verbundener
Satz, der mit einem Fragezeichen endet.
A
Aber es waren drei Fragen.
Kollege Beck hat ja noch eine schriftliche Frage zum
gleichen Themenkomplex gestellt. Deswegen hat er
noch genügend Gelegenheit, Nachfragen zu stellen. Sie
können sich aussuchen, welche Frage Sie jetzt beantwor-
ten wollen.
A
Die erste Frage beantworte ich gerne. Herr Kollege
Beck, ich habe Frau Kollegin Lötzsch so verstanden,
dass sie kein Vertrauen mehr in Herrn de Maizière hat.
Darauf habe ich meine Antwort gegeben.
Im Übrigen teile ich ihre Auffassung nicht.
Dann geht das Fragerecht an den Kollegen Hans-
Christian Ströbele.
Herr Staatssekretär Hartenbach, bei mir kommen Sie
mit dem Glas Wein nicht weiter,
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eil Sie mich mit Rotwein nicht locken können.
A
Sie würde ich auch nicht einladen, Herr Ströbele.
Das ist der Vorteil, wenn man drogenfrei lebt; dann
ann das keine Versuchung sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ist die Bun-
esregierung bereit, dem deutschen Parlament in ir-
endeiner Weise mitzuteilen, welche Erkenntnisse Herr
e Maizière seinerzeit als Innenminister in Sachsen
atte, die er der dortigen Parlamentarischen Kontroll-
ommission nicht mitgeteilt hat, damit wir uns ein Bild
avon machen können, ob er seine Amtspflichten, so wie
ir sie im Deutschen Bundestag verstehen, erfüllt hat
nd ihnen nachgekommen ist oder nicht?
A
Herr Ströbele, Sie wissen, dass die Bundesregierung
ffen ist, wenn es darum geht, die Abgeordneten auf de-
okratischen Wegen zu informieren. Ich glaube, sofern
ich aus den Ihnen bekannten Gerüchten und Berichten
twas ergeben sollte, was für die Bundesregierung ein
nlass wäre, zu berichten – sofern dies Auswirkungen
uf die Arbeit der Bundesregierung und des Bundestages
aben sollte –, würde sich die Bundesregierung einem
olchen Bericht nicht verschließen. Eine Ausnahme ist
egeben, wenn ein Thema der Geheimhaltungspflicht
nterliegt; darüber darf nur in den entsprechenden Gre-
ien, denen Vertreter aller Fraktionen angehören, be-
ichtet werden.
Eine weitere Frage hat die Kollegin Dr. Barbara Höll.
Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie ha-en in Ihrer Antwort zu Recht darauf hingewiesen, dassir uns im Prinzip nur auf Medienberichte stützen kön-en, was zur Folge hat, dass sehr viele Gerüchte kursie-en. Allerdings gibt es nicht nur Printmedien, sondernuch Fernsehen und Rundfunk. Herr Minister deaizière hat im MDR selbst kundgetan, dass er von derxistenz der Akten wusste. Ich glaube, vor diesem Hin-ergrund wäre es durchaus angebracht, eine Würdigungieses Faktums vorzunehmen.Darüber hinaus würde mich interessieren, wie Sie esewerten, dass der derzeitige Innenminister des Freistaa-es Sachsen, Herr Buttolo, in einer Sondersitzung des
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10447
)
)
Dr. Barbara HöllSächsischen Landtages davor gewarnt hat, dass die orga-nisierte Kriminalität zurückschlagen wird.A
Das waren erneut zwei Fragen. Darf ich beide beant-
worten?
Bitte, Herr Staatssekretär. Das liegt in Ihrer Hand.
A
Natürlich, gerne. – Wenn sich Herr de Maizière dazu
geäußert hat, dann ist Ihrer Forderung doch Genüge ge-
tan. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Vor allem habe
ich diese Aussage nicht zu bewerten; das werden Sie
vielleicht verstehen.
Ihre zweite Frage zielte darauf, wie ich es werte, dass
der sächsische Innenminister, Herr Buttolo, gesagt hat,
die organisierte Kriminalität wird zurückschlagen. Diese
Äußerung kann ich im Moment nicht nachvollziehen.
Ich könnte sie erst dann nachvollziehen, wenn mir Akten
vorlägen, aus denen das hervorginge. Aber solche Akten
liegen mir nicht vor, und ich werde sie vermutlich auch
nicht bekommen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich der Bundes-
kanzlerin und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwor-
tung der Fragen steht der Staatssekretär Dr. Hans
Bernhard Beus zur Verfügung.
Wir kommen zur dringlichen Frage 2 des Kollegen
Volker Beck:
Aufgrund welcher Informationen wie Erklärungen des
Kanzleramtsministers Dr. Thomas de Maizière gegenüber der
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel oder in welcher anderen
Form hat die Bundesregierung nach den wochenlangen Er-
mittlungen und Berichten über die Korruptionsaffäre in Sach-
sen beschlossen, ihn in seiner Funktion als Beauftragter für
mentarischen Kontrollkommission des Sächsischen Landta-
ges „glatter Rechtsbruch“ vorge-
worfen wird und die Staatsanwaltschaft Dresden eine
Strafanzeige gegen ihn prüft ?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr
Abgeordneter, in der Frage, die Sie gestellt haben, geht
es um denselben Komplex, der gerade erörtert worden
ist.
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesre-
gierung hat die öffentliche Berichterstattung über For-
men der organisierten Kriminalität in Sachsen zur
Kenntnis genommen. Sie geht davon aus, dass die zu-
ständigen Behörden den erhobenen Vorwürfen mit
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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10448 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
)
)
Ich frage, ob es weitere Wortmeldungen zu diesem
Geschäftsordnungsantrag gibt. – Das ist nicht der Fall.
Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer für den Antrag
des Kollegen Beck ist, Herrn Bundesminister de
Maizière herbeizuzitieren, den bitte ich um sein Hand-
zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das
Zweite war offenkundig die Mehrheit. Damit ist der An-
trag abgelehnt, und wir setzen die Fragestunde fort.
Kollege Beck, Sie haben das Recht zu einer weiteren
Nachfrage.
Ich muss dann leider Ihnen, Herr Staatssekretär, noch
einmal auf den Zahn fühlen. Die Bundesregierung hat
sich offiziell zu diesem Sachverhalt geäußert und erklärt,
sie habe nach einer Prüfung festgestellt, dass die Dichte
der Informationen noch keinen Anlass gab, die Parla-
mentarische Kontrollkommission in Sachsen zu unter-
richten. Ich möchte von Ihnen wissen, wer innerhalb der
Bundesregierung diese Aussage stützt und auf welche
Faktenlage sich die verantwortlichen Stellen dabei stüt-
zen.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Beck, ich muss zunächst Ihrer
Fragestellung insofern widersprechen, als die Bundes-
regierung sich nicht zu den Vorgängen in Sachsen geäu-
ßert hat. Die Sprecherin hat eine Äußerung von Herrn de
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
möglicher Entsprechungen bei der derzeitigen Amtsführungdes nunmehrigen Chefs des Bundeskanzleramtes, und waswird die Bundesregierung unternehmen, um auszuschließen,dass Kanzleramtsminister Dr. Thomas de Maizière nunmehr– insbesondere im Umgang mit Geheimdienstangelegenheitensowie bei der diesbezüglichen geschuldeten umgehenden Un-terrichtung der Kontrollgremien des Deutschen Bundestages –Anlass zu ähnlichen Vorwürfen wegen Missachtung rechtli-cher Vorgaben gibt?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10449
)
)
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sehr geehrter Herr Abgeordneter, auch Ihre Frage be-
trifft den gleichen Komplex. Ich beantworte sie wie
folgt: Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Äuße-
rungen des Vorsitzenden eines Gremiums des Sächsi-
schen Landtages, die in der Presse wiedergegeben wor-
den sind, zu kommentieren. Bundesminister de Maizière
kennt die gesetzlichen Regelungen über die Unterrich-
tung der für die Nachrichtendienste des Bundes zustän-
digen Gremien des Deutschen Bundestages und ist sich
der damit verbundenen Verpflichtungen bewusst.
Zusatzfrage, Herr Ströbele?
Ja. – Können Sie mir die Frage beantworten, wer
Herrn Minister de Maizière als Bundesminister kontrol-
liert?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Geheimdienste des Bundes werden von den dafür
zuständigen parlamentarischen Gremien kontrolliert.
Dann frage ich hinsichtlich dieses Sachverhalts noch
einmal andersherum: Es trifft zwar zu, dass die Vorgänge
in Sachsen spielen und dass sie das Parlament in Sach-
sen, den Landtag, wahrscheinlich beschäftigen werden.
Gibt die Bundesregierung mir aber Recht, wenn ich
sage, dass es selbstverständlich erhebliche Auswirkun-
gen auf die Frage hat, ob dieser Herr Bundesminister de
Maizière heute der für die Unterrichtung des Parlamen-
tarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages
zuständige Minister sein kann, wenn er sich in Sachsen
als zuständiger Innenminister für die Unterrichtung des
dortigen Parlamentarischen Kontrollgremiums falsch
verhalten hat?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, Sie wissen, dass Sie hier eine hy-
pothetische Frage gestellt haben. Ich weiß, dass Sie sie
so stellen müssen. Ich glaube aber, dass Sie ebenso gut
wissen, dass die Bundesregierung auf solche hypotheti-
schen Fragen keine hypothetischen Antworten gibt, son-
dern darauf hinweist, dass auf hypothetische Fragen im
Augenblick keine Antworten gegeben werden können.
Weitere Frage des Kollegen Volker Beck.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Frage des Kollegen Jürgen Koppelin.
Sie haben eben erklärt, dass die Bundesregierung
urch Pressemeldungen usw. über den Sachstand infor-
iert wurde. Das heißt für mich, dass auch die Bundes-
anzlerin auf diese Weise informiert wurde. Oder ist sie
uch schon auf andere Weise über die Vorgänge in Sach-
en informiert worden bzw. nimmt sie diesen Vorgang
rundsätzlich nicht zur Kenntnis?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Bundeskanzlerin ist über die Pressemeldungen
nd damit auch über den Konkretisierungsgrad, den
iese Pressemeldungen enthalten, informiert worden. Sie
issen, wie dieser Konkretisierungsgrad aussieht.
Eine weitere Frage des Kollegen Wolfgang Wieland.
Herr Staatssekretär, ich komme auf eine Frage zu-
ück, die mein Kollege Beck eben schon angeschnitten
at, die aber offenbar außerhalb seines Fragekontingents
ewesen ist. Hat die Bundeskanzlerin nach diesen Veröf-
entlichungen mit Herrn de Maizière über diese Angele-
enheit geredet und, wenn ja, mit welcher Zielsetzung
nd mit welchem Ergebnis?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich habe, wie ich glaube, über dennformationsstand der Bundesregierung in dieser Ange-
Metadaten/Kopzeile:
10450 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Dr. Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im Bundeskanzleramtlegenheit hinlänglich berichtet. Im Übrigen ist es einegute Übung dieses Hauses, dass in der Fragestunde überinterne Gespräche von Regierungsmitgliedern generellnicht berichtet wird.
Vielen Dank. – Damit unterbreche ich die Bespre-
chung der dringlichen Fragen und rufe zum selben Fra-
genkreis die Fragen 17 und 18 auf Drucksache 16/5561,
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz,
auf, da diese nach Ziff. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die
Fragestunde ebenfalls vorgezogen werden. Zur Beant-
wortung steht wiederum der Kollege Alfred Hartenbach
als Parlamentarischer Staatssekretär zur Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 17 des Kollegen Peter
Hettlich auf:
In welcher Weise ist die Bundesregierung in die Ermittlun-
gen zur sächsischen Affäre um organisierte Kriminalität und
Korruption involviert, und in welcher Weise sind Personen
bzw. Institutionen der Bundesregierung darin verwickelt?
A
Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Hettlich, ich be-
antworte Ihre Frage wie folgt: Das Bundesministerium
der Justiz ist als zuständige Aufsichtsbehörde für die Ge-
neralbundesanwältin beim Bundesgerichtshof darüber
informiert, dass das Landesamt für Verfassungsschutz
Sachsen dieser mit Schreiben vom 25. Mai 2007 Unter-
lagen zu den von Ihnen als „sächsische Affäre“ be-
zeichneten Vorgängen mit der Bitte um Übernahme der
Strafverfolgung übersandt hat. Die mittlerweile abge-
schlossene Prüfung dieser Unterlagen hat keine zurei-
chenden Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben, die in
die Strafverfolgungszuständigkeit der Generalbundes-
anwältin fielen.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2007 wurden der General-
bundesanwältin vom Landesamt für Verfassungsschutz
Sachsen weitere Unterlagen übermittelt. Ob diese Unter-
lagen zu einer abweichenden Beurteilung der Frage der
Zuständigkeit für die Strafverfolgung Anlass geben,
wird gegenwärtig noch geprüft. Eine Verwicklung der
Bundesregierung oder von Personen bzw. Institutionen
der Bundesregierung in Ermittlungen gibt es nicht.
Eine Nachfrage, Herr Kollege Hettlich? – Bitte.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir hatten eben
schon ein lustiges Rätselraten dazu, wie die Bundes-
regierung bzw. ihre Institutionen über dieses Verfahren
informiert wurden. Sie haben gesagt, Sie hätten die
meisten Kenntnisse aus der Presse und den sonstigen
Medien. Deshalb an dieser Stelle die ganz konkrete
Frage: Sind neben der Generalbundesanwältin auch an-
dere Institutionen des Bundes, beispielsweise Ihr Haus
oder das Bundeskanzleramt, informiert worden und,
wenn ja, in welcher Form?
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10451
)
)
Eine weitere Nachfrage, bitte.
A
Moment, der Kollege Wieland hat noch eine Frage.
Wir wollen in der Ordnung der Fragestunde bleiben,
enn es erlaubt ist. – Sie bekommen gleich das Wort.
Jetzt hat der Kollege Peter Hettlich eine weitere
achfrage.
Mir geht es vor allem um Folgendes: Kann man
analog zum Bund, für den Sie sprechen – in Bezug auf
as Landesamt für Verfassungsschutz eigentlich von
trafvereitelung im Amt sprechen, wenn es solche Er-
enntnisse hatte und sie nicht weitergegeben hat?
A
Ich weiß nicht, ob hier eine Strafvereitelung im Amt
orliegt, aber wenn es einen entsprechenden Verdacht
ibt, dann ist dies kein Tatbestand, der gemäß § 120 Ge-
ichtsverfassungsgesetz die Zuständigkeit der General-
undesanwältin begründen würde. Ich habe eben gesagt,
ch äußere mich nicht zu Verfahren, für die ausschließ-
ich das jeweilige Land – der Justizminister bzw. der Ge-
eralstaatsanwalt oder gegebenenfalls der Innenminister –
uständig ist. Das verstehen Sie sicherlich auch.
Eine weitere Frage des Kollegen Wolfgang Wieland.
Her
Ist es richtig, dass es auch auf Landes-bene eine derartige Verpflichtung zur Weitermeldungon Erkenntnissen gibt, die Straftaten im Bereich der or-anisierten Kriminalität betreffen? Haben Sie sich beienntnisnahme der Materialien aus Sachsen ein eigenesachliches Urteil über die Dichte dieser Hinweise gebil-et?
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10452 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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A
Herr Kollege Wieland, die Generalbundesanwältin
hatte zu prüfen, ob eine Zuständigkeit ihrer Behörde ge-
geben ist. Diese Prüfung hat sie vorgenommen. Sie hat
die Akten an das Landesamt für Verfassungsschutz zu-
rückgesandt und eine eigene Zuständigkeit verneint. Ich
glaube, ich muss Sie nicht weiter belehren. Sie waren
selbst Justizsenator und hätten sich sicherlich mit einem
lauten Paukenschlag gewehrt, wenn sich seinerzeit die
Bundesjustizministerin in Ihre Angelegenheiten einge-
mischt hätte. Habe ich recht, Herr Wieland?
– Wunderbar, dann sind wir uns ja einig.
Vielen Dank. – Eine weitere Frage des Kollegen
Jürgen Koppelin.
– Das stimmt, Herr Staatssekretär, und zwar deshalb,
weil die Bundesregierung, wie ich finde, bei der Beant-
wortung der Fragen unglaublich mauert.
Deshalb müssen wir vielleicht versuchen, anders zu fra-
gen.
Da ich immer wieder feststelle, dass sich die Justizmi-
nisterin, seitdem sie dieses Amt innehat, zu allen mögli-
chen Themen auch öffentlich äußert – was im Übrigen
ihr gutes Recht ist –, darf ich Sie fragen, ob die Justizmi-
nisterin zu der Affäre in Sachsen eine Meinung hat, ob
wir diese Meinung erfahren können oder ob das auch
Verschlusssache ist.
A
Herr Koppelin, Ihnen steht auf die Stirn geschrieben,
wie ernst Sie diese Frage nehmen.
Das wird Ihnen die Justizministerin selbst mitteilen,
wenn sie vom JI-Rat zurückgekehrt ist.
Vielen Dank. – Wir kommen dann zurück zu zwei
weiteren dringlichen Fragen auf Drucksache 16/5581. Es
handelt sich um den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parla-
mentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfü-
gung.
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Über die Fragen nach Beteiligungen von Verfassungs-
schutzmitarbeitern ist im Parlamentarischen Kontroll-
gremium zu diskutieren; insofern wiederhole ich mich.
Mir ist außerdem nicht bekannt, dass Beamte der Bun-
despolizei in diesem Zusammenhang in irgendeiner
Weise tätig geworden sind.
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Das Fragerecht geht jetzt an die Kollegin Ulla Jelpke
on der Linkspartei.
Herr Staatssekretär, wie Sie wissen, gab es einen Poli-
eieinsatzstab aus Landespolizei und Bundespolizei.
ie ich bei meinem Besuch in Heiligendamm erfahren
abe, war auch die Bundeswehr in diesem Polizeistab
ertreten. Mich interessiert, wer die Zusage gemacht hat,
ass Panzerspähfahrzeuge bzw. Tornados eingesetzt
erden. Darüber hinaus interessiert mich im Zusammen-
ang mit der Frage von Frau Hirsch Folgendes: Sie ha-
en auf meine Frage im Rahmen einer Kleinen Anfrage,
b Zivilpolizisten unter den Demonstranten eingesetzt
erden, deutlich mit Nein geantwortet. Finden Sie nicht,
ass es eine Lüge ist, wenn man jetzt so tut, als wäre das
icht Sache des Parlaments?
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Ich kann nur darauf verweisen, dass der Einsatz der
undeswehr – das betrifft nicht nur den Einsatz der Tor-
ados, sondern auch den Transport von Gipfelteilneh-
ern und andere logistische Aufgaben – ordnungsgemäß
m Rahmen der Amtshilfe erfolgt ist. Ich bitte um Ver-
tändnis, dass ich die Einzelheiten des Verfahrens nicht
childern kann, weil dies nicht mein Haus betrifft. Wir
ind aber selbstverständlich gerne bereit, Ihnen Ihre
rage schriftlich zu beantworten.
Das Fragerecht geht nun an die Kollegin Silke Stokaron Neuforn, bitte.
Ich möchte die Frage nach den Spähpanzern und deneldjägern konkretisieren. Da es in die Zuständigkeit Ih-es Hauses fällt, werden Sie mir die Frage beantwortenönnen, ob der Bundespolizei von Feldjägern und Späh-anzern Aufklärungserkenntnisse über das Demonstra-ionsgeschehen geliefert wurden. Der Hintergrund ist: Esar ganz offensichtlich, dass Spähpanzer Demonstratio-en wie feindliche Truppen beobachtet und Bilder ge-acht haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieseilder an die NATO geliefert worden sind. Wir befandenns nicht im Bürgerkrieg oder im Kriegszustand. Ichlaube, dass diese Bilder an die Bundespolizei oder dieinsatzleitung weitergegeben worden sind. Ich bitte Siem eine konkrete Auskunft, welche Aufklärung Späh-anzer und Feldjäger über das Demonstrationsgeschehenetrieben haben und an wen diese Aufklärungsergeb-isse weitergeleitet wurden, weil dies über die techni-che Amtshilfe, die zulässig ist, weit hinausgeht.
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10454 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Silke Stokar von NeufornMeine zweite Frage betrifft den Vorfall mit Green-peace. Ich hätte gern die Auffassung der Bundesregie-rung darüber gewusst, ganz gleich, ob das ein Boot derWasserschutzpolizei oder der Bundespolizei war. Offen-sichtlich haben beide im selben Seeraum agiert, wasnach der Rechtslage fragwürdig ist. Wie bewertet dieBundesregierung, dass mit dem Überfahren der Green-peacemitglieder in Kauf genommen wurde, dass esSchwerverletzte bis hin zu Toten hätte geben können?Halten Sie solche Aktionen auf See noch für verhältnis-mäßig? Die Aktivisten von Greenpeace sind dafür be-kannt, dass sie ihre Aktionen absolut gewaltfrei durch-führen.P
Frau Kollegin Stokar, ich darf darauf hinweisen, dass
Ihre Zusatzfragen in gar keinem Zusammenhang mit der
ursprünglichen dringlichen Frage der Frau Kollegin
Cornelia Hirsch stehen.
Deshalb bitte ich um Verständnis, wenn ich mich jetzt
auf das beschränke, was mir an konkreten Erkenntnissen
vorliegt. Es gab den Vorwurf, dass die Tornadoflugzeuge
bei ihren Einsätzen beispielsweise Camps von G-8-Geg-
nern ausgespäht hatten. Dazu kann ich ganz eindeutig
sagen, dass die Beobachtung dieser Camps und die Aus-
wertung nicht der Auftrag der Tornadoflugzeuge war
und dass der Umstand, dass eines von diesen Camps bei
einem der Einsätze überflogen worden ist, mit dem Ein-
satz zu tun hatte, dies aber nicht das Ziel des Einsatzes
war, und dass die entsprechenden Informationen nicht
ausgewertet und verwertet wurden.
Ich bitte um Verständnis, dass ich die anderen Fragen
schriftlich beantworten möchte.
Jetzt hat der Kollege Jerzy Montag das Fragerecht.
Herr Staatssekretär, Sie waren so freundlich, auf die
Zusatzfrage nach dem Einsatz der Tornados selber zu
antworten. Ich werte Ihre Bereitschaft und Freude zur
Antwort so, dass das Bundesinnenministerium gerne die
Zuständigkeit dafür hätte.
Sie haben auch gesagt, dass die Tornados im Wege
der Amtshilfe eingesetzt worden sind, um Manipulatio-
nen an Straßen und an der Landschaft festzustellen. In
diesem Zusammenhang frage ich Sie, ob es die Bundes-
regierung als einen Erfolg des Einsatzes der Tornados
bewertet, dass die Tornados tatsächlich eine Manipula-
tion festgestellt und weitergemeldet haben. Es wurde
nämlich – so die Berichterstattung über den Erfolg des
Tornadoeinsatzes – eine Manipulation am Landschafts-
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uch in dieser Beziehung haben wir in Heiligendamm
inige Erfahrungen machen müssen. Ich denke daran,
ass beispielsweise Menschen festgenommen wurden,
ur weil sie Walkie-Talkies bei sich trugen, oder dass sie
itgenommen wurden, weil sie mit einem Edding-Stift
ine Nummer des Ermittlungsausschusses auf ihren Arm
eschrieben haben oder eben weil sie den erwähnten Ka-
uzenpullover trugen. Ich frage Sie, ob Sie die Befürch-
ung teilen, dass damit ein pauschaler Generalverdacht
orangetrieben wird, der rechtsstaatliche Grundsätze
iemlich weit aushebelt.
P
Nach meiner Einschätzung haben die Sicherheitsbe-
örden keine pauschalen Verurteilungen oder Vorverur-
eilungen vorgenommen. Sie sind im Gegenteil ausge-
prochen umsichtig vorgegangen mit dem klaren Ziel,
ur Deeskalation der Lage in Rostock beizutragen. Diese
trategie war im Übrigen im Großen und Ganzen sehr
rfolgreich.
Ich darf allerdings darauf hinweisen, dass der Staat es
icht zulassen darf, inhaltlich notwendige Debatten zu
nterlassen und etwa über die Frage der Beobachtung
estimmter Gruppen nicht mehr zu diskutieren, nur weil
amit unter Umständen aus der Sicht einiger eine Provo-
ation verbunden sein könnte. Der demokratische
echtsstaat ist ein starker Staat, und das muss er auch in
einer Arbeit zum Ausdruck bringen.
Die nächste Frage hat der Kollege Volker Beck.
Zu dieser Stärke gehört auch, dass wir uns an die ge-etzlichen Regeln halten. Sie haben vorher mehrere Fra-en mit dem Hinweis abgewiegelt, zu Sachverhalten imusammenhang mit den Geheimdiensten würden Sie le-iglich im Parlamentarischen Kontrollgremium Aus-unft geben. Im Gesetz über das Parlamentarische Kon-rollgremium steht ausdrücklich, dass dieses eineusätzliche Informationsmöglichkeit für das Parlamentarstellt, aber im Übrigen die Fragerechte des Parlamen-es in keiner Weise abschneidet.Wären Sie bereit, uns im Lichte dieser Rechtslagentweder die Informationen von vorhin nachzuliefernder zumindest darzulegen, worin bei der jeweiligen
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10456 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Volker Beck
Frage im Einzelnen das aktuell bestehende Geheim-schutzbedürfnis besteht, angesichts dessen, dass es sichausnahmslos um abgeschlossene Vorgänge handelt, beidenen ich nicht erkennen kann, wie die Arbeit der Ge-heimdienste durch eine offene Beantwortung der Fragendes Parlamentes gefährdet werden könnte?P
Herr Kollege Beck, ich habe nicht den geringsten An-
lass, irgendeine meiner Aussagen, die ich vorhin ge-
macht habe, zu korrigieren oder zu relativieren. Sofern
Sie es wünschen, können wir gerne auch noch einmal
schriftlich im Einzelnen darlegen, wieso bestimmte In-
formationen nur in den dafür vorgesehenen Gremien des
Deutschen Bundestages diskutiert werden. Dies hat der
Deutsche Bundestag im Übrigen selbst so gewollt, weil
er selbst diese Regelung getroffen hat.
Die nächste Frage hat die Kollegin Ulla Jelpke.
Herr Staatssekretär, ich glaube, Sie widersprechen
mir nicht, wenn ich sage, dass laut Verfassungsschutzbe-
richt die sogenannten autonomen Gruppen, wie sie bei
Ihnen heißen, bereits beobachtet werden. Nun haben Sie
ja schon vor dieser Demonstration in Heiligendamm
Razzien mit 900 Beamten gegen mehr als 40 Projekte
durchgeführt, meines Wissens ohne Ergebnisse. Ich
frage Sie: Welche Kriterien wollen Sie jetzt zusätzlich
aufnehmen – bitte benennen Sie sie einmal konkret –,
und was soll diese Ankündigung einer Verschärfung von
Überwachung letztendlich bedeuten?
P
Frau Kollegin Jelpke, wir sollten die Dinge nicht
durcheinanderbringen; das sind wir diesem Hohen
Hause und auch der Öffentlichkeit schuldig. Wir haben
eben über präventive Beobachtungen durch die Nach-
richtendienste des Bundes und der Länder in bestimmten
Fällen gesprochen. Das, was Sie jetzt angesprochen ha-
ben, hat mit Prävention nichts zu tun; denn Sie wissen so
gut wie ich, dass die Durchsuchungen im Vorfeld des
Gipfels von Heiligendamm ausschließlich repressiven
Charakter hatten. Das heißt, es ging um die Aufklärung
von Straftaten, die bereits begangen worden waren.
Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, dass im
Vorfeld des Gipfels von Heiligendamm über
21 Brandanschläge zu verzeichnen waren und dass es
die Verpflichtung der entsprechenden Behörden und
Stellen ist, diese Straftaten aufzuklären. Diesem Zweck
– und keinem anderen – dienten die Durchsuchungen.
Das habe ich auch im Innenausschuss des Deutschen
Bundestages in der letzten Sitzungswoche – in Ihrer An-
wesenheit, wenn mich nicht alles täuscht – eindeutig
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Das Recht zur nächsten Frage geht an den Kollegen
osef Winkler.
Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Überraschung
arüber, dass sich neben den bereits eben erwähnten
gents provocateurs, die sich offensichtlich aus den Rei-
en der Sicherheitsorgane im schwarzen Block befunden
aben, offensichtlich auch Agents provocateurs aus den
eihen der Linksfraktion, die sich mit schwarzen Kapu-
enpullovern getarnt haben, in diesem autonomen Block
efunden haben, und meinen Sie nicht auch, dass sich
iese Anbiederung beim autonomen Block, bei den auto-
omen Gruppen in die Relativierung der Gewaltbereit-
chaft dieser speziellen Gruppe einreiht, die – auch nach
en Zwischenfällen an dem Samstag – von Kollegen aus
iesem Hause, insbesondere aus den Reihen der PDS,
on sich gegeben wurde?
P
Herr Kollege Winkler, bitte sehen Sie es mir nach,
enn ich Ihre Feststellung nicht en détail kommentieren
öchte. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass alle
raktionen in diesem Hohen Hause sich so klar und ein-
eutig von der Gewaltanwendung in Rostock distanziert
ätten, wie dies beispielsweise von Attac geschehen ist,
ie die große Demonstration organisiert hatte, die sich in
usammenarbeit mit der Bundespolizei und mit der Son-
ereinheit „Kavala“ vor Ort um einen friedlichen Verlauf
emüht hat und die anschließend den Umstand, dass es
eilweise aus dem Ruder gelaufen ist, sehr eindeutig ver-
rteilt und bedauert hat.
Das Recht zur nächsten Frage geht an die Kollegin
evim Dağdelen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär,ie haben im Zusammenhang mit der vorangegangenenrage meiner Kollegin Ulla Jelpke behauptet, dass sichie Durchsuchungen auf bereits begangene Straftatenezogen haben. Im Zusammenhang mit einer Be-chwerde gibt es einen Brief, den die Generalbundesan-ältin an mich gerichtet hat. Hintergrund ist, dass bei ei-er Razzia bei der Werbe- und Kommunikationsagenturarenform hier in Berlin – sie war unter den 40 durch-uchten Objekten – Informationen mit beschlagnahmtorden sind. In dem Brief der Generalbundesanwältineißt es, dass es sich um Ermittlungsverfahren wegenes Verdachts einer Straftat nach § 129 a StGB handelt.er Verdacht des Vorliegens einer Straftat ist aber etwas
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Sevim DaðdelenSevim Dağdelenanderes als eine ausgeführte Straftat. Mich würde inte-ressieren, inwieweit jetzt eigentlich Gründe, Rechtferti-gungsgründe für diese Verfahren bzw. für die Durchsu-chungen vorliegen; bis vor einer Woche waren sie nochimmer nicht vorhanden.P
Frau Kollegin Dağdelen, Sie versuchen schon wieder,
die Dinge zu verwischen und zu vermischen. Es geht um
Straftaten, die nachweislich begangen worden sind. Es
sind nicht nur Brandanschläge, sondern in erheblichem
Umfang auch Sachbeschädigungen in den letzten andert-
halb Jahren vor dem G-8-Gipfel verübt worden. Es geht
bei den Ermittlungsverfahren selbstverständlich um den
Verdacht gegen unbekannt; denn schuldig ist jemand erst
dann, wenn er von den Gerichten verurteilt worden ist.
Es ging bei all den Maßnahmen und Durchsuchungen
immer ganz konkret darum, Straftaten, die bereits began-
gen worden waren, aufzuklären. In dem von Ihnen ange-
sprochenen Fall gab es den Verdacht der Bildung einer
terroristischen Vereinigung. Auch dies vollzieht sich im
Rahmen der repressiven Zuständigkeiten, wie sie von
der Generalbundesanwältin ausgeübt werden.
Die Zeit für die Fragestunde ist nun eigentlich abge-
laufen. Ich lasse aber die eine Frage von dem Kollegen
Omid Nouripour noch zu, weitere Fragen dann nicht
mehr. – Bitte schön.
Herr Staatssekretär Altmaier, jenseits der aus unserer
Sicht nicht bestrittenen Unrechtmäßigkeit des Einsatzes
von Agents provocateurs wurde uns berichtet, diese
seien vermummt gewesen und entlarvt worden, weil sie
die Demonstranten gesiezt hätten, was in dem Milieu
nun einmal nicht gang und gäbe ist. Meine Frage ist
– wenn man solche Menschen einsetzt, jenseits des Ge-
setzes, bringt man sie auch in Gefahr –: Gab es denn
keine Schulung? Hat man ihnen vorher nicht gesagt,
dass sie die Leute duzen sollen?
P
Herr Kollege Nouripour, es ist ehrenvoll, dass Sie
zum dritten Mal versuchen, mir eine Antwort zu entlo-
cken. Aber es handelt sich hier nach wie vor um Zustän-
digkeiten der Landespolizei, und deshalb kann ich dazu
nicht Stellung nehmen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.dga
tionen der CDU/CSU und der SPD einge-brachten Entwurfs eines Dritten Gesetzeszur Verbesserung rehabilitierungsrechtli-cher Vorschriften für Opfer der politischenVerfolgung in der ehemaligen DDR– Drucksache 16/4842 –– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-ordneten Volker Schneider ,Petra Pau, Dr. Gesine Lötzsch, weiteren Ab-geordneten und der Fraktion der LINKENeingebrachten Entwurfs eines Dritten Geset-zes zur Verbesserung rehabilitierungs-rechtlicher Vorschriften für politisch Ver-folgte im Beitrittsgebiet und zur
– Drucksache 16/4846 –aa) Beschlussempfehlung und Bericht desRechtsausschusses
– Drucksache 16/5532 –Berichterstattung:Abgeordnete Andrea Astrid VoßhoffDr. Carl-Christian DresselSabine Leutheusser-SchnarrenbergerPetra PauWolfgang Wieland
– Drucksachen 16/5540, 16/5541 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Ole SchröderLothar Binding
Otto FrickeRoland ClausAlexander Bondeb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Rechtsausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten SabineLeutheusser-Schnarrenberger, Jens Ackermann,Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der FDPGerechtigkeit für die Opfer der SED-Dikta-tur– zu dem Antrag der Abgeordneten WolfgangWieland, Cornelia Behm, Katrin Göring-
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsEckardt, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENWirksame Unterstützung für die Verfolgtendes DDR-Regimes– Drucksachen 16/4409, 16/4404, 16/5532 –Berichterstattung:Abgeordnete Andrea Astrid VoßhoffDr. Carl-Christian DresselSabine Leutheusser-SchnarrenbergerPetra PauWolfgang WielandZu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSUund der SPD liegt ein Änderungsantrag der Fraktion derFDP vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. Gibt es Wider-spruch? – Nein. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Klaas Hübner von der SPD-Fraktiondas Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wir gehen heute einen großen Schritt bei der weite-ren Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Regelungenfür die Opfer von Unterdrückung und Unrecht durchden SED-Staat. Auch 17 Jahre nach der Wiedervereini-gung haben wir uns mit solchen Fragen auseinanderzu-setzen. Dabei ist uns allen klar, dass wir einmal gesche-henes Unrecht nicht wiedergutmachen können. Was wiraber können und auch wollen, ist, den Opfern das Gefühlgeben, dass sie nicht vergessen sind und dass ihr Leidennicht umsonst war.Es hat eine Weile gedauert, bis wir zu tragfähigen Re-gelungen gefunden haben. Auch ich weiß, dass das Er-gebnis nicht bei allen Beteiligten nur Freude hervorruft.Trotzdem denke ich, dass es sich sehen lassen kann.
Wir haben den für die erste Lesung vorgelegten Ent-wurf noch einmal entscheidend verbessert und dabei An-regungen aus der vom Rechtsausschuss durchgeführtenAnhörung aufgenommen. Der Kollege Vaatz hat in derDebatte zur ersten Lesung ausgeführt, warum wir dieviele Betroffene irritierende Bedürftigkeitsklausel nichtvermeiden können. De facto ist sie aber für die größteGruppe, nämlich die Rentner, ohne Belang. Alle Rentenund rentenähnlichen Zahlungen werden nicht angerech-net. Dadurch ist es uns gelungen, den Kreis der An-spruchsberechtigten auf circa 42 000 auszuweiten.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz aus-drücklich an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen vonder FDP und auch von den Grünen, wenden. Einige derin Ihren Anträgen formulierten zusätzlichen Wünschenimmt die uns vorliegende Beschlussempfehlung desAkdfAlshulwdItwInsfarbiwnrbPhDEEsfgZVDmvfemk
hr Gesetzentwurf verbindet alles Gute und Schöne in ei-er Maximalvariante aller bisherigen Vorschläge in die-em Zusammenhang. Nur der entscheidende Passusehlt: das Sich-Stellen der eigenen Verantwortung alsusdrückliche Nachfolgepartei der Partei, die das Un-echt für die Menschen verursacht hat. Das findet sichei Ihnen überhaupt nicht wieder. Insofern ist Ihr Antragn meinen Augen höchst zynisch.
Ich bin mir sicher, dass die Opfer von einst sehr genauissen, wer ihr Leiden zu verantworten hat. Sie könnenatürlich politisch alles fordern, was Sie wollen; in mo-alischer Hinsicht aber wäre es, glaube ich, heute ange-racht, an dieser Stelle zu schweigen und Ihre Rede zurotokoll zu geben.
Auch bisher schon hat der deutsche Staat nicht uner-ebliche Leistungen für die Opfer der zweiten deutscheniktatur aufgebracht. Es wurden rund 600 Millionenuro als Haftentschädigung und weitere 100 Millionenuro als Unterstützungsleistungen gezahlt.Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz verbes-ert sich die Lage der überwältigenden Mehrheit der Op-er, vor allem der älteren Opfer, willkürlicher Verfol-ung. Wir gehen davon aus, dass die Gesamtsumme derahlungen sogar höher sein wird, als es die von einigenerbänden und der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-iktatur vorgeschlagene Zahlung eines Sockelbetragsit der Möglichkeit zur Aufstockung gewesen wäre.Ich habe in der Vergangenheit viele hundert Briefeon Betroffenen bekommen. Viele waren von Verbands-unktionären vorformuliert und recht rüde im Ton. Abers gab auch sehr persönliche Briefe und Anrufe, dieich sehr berührt haben. Für die Vielzahl der Bezieherleiner Renten ist die jetzt vereinbarte Leistung eine
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Klaas Hübnerechte Hilfe; das wissen sie auch. Mich rief unlängst einRentner aus Chemnitz an und sagte, dass es ihm mit die-ser Opferrente wieder möglich ist, in den Urlaub zu fah-ren. Diese Hilfe zu ermöglichen, ist es doch, wofür wirarbeiten.
Wir wollen eine spürbare Verbesserung der Lebensum-stände der einzelnen Menschen erreichen. Deshalb istdas Gesetz, das wir heute verabschieden, ein gutes Ge-setz.
Ich möchte noch zwei Gedanken anführen.Ein in Gesprächen mit politisch Verfolgten immerwieder begegnendes Moment ist der Wunsch nach einerfühlbaren Würdigung ihres Schicksals, die sich nichtunbedingt finanziell auswirken muss. Wir sollten daheralle miteinander darüber nachdenken – damit spreche ichvor allem die Länder an –, ob es nicht möglich ist, durchbesondere Ehrungen zu bestimmten Anlässen oder durchbesondere Benefits – Freifahrten mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln oder Ähnliches – die Schicksale der Opferzu würdigen. Es geht nicht nur um das Finanzielle, son-dern auch um die Würdigung durch die Gesellschaft. Indiesem Bereich können wir eine Menge tun. Ich hoffe,dass die Länder entsprechende Gesetze verabschiedenwerden. Der Freistaat Thüringen und das Land Berlinhaben dies bereits getan.
Gleichfalls Änderungsbedarf sehe ich noch bei derAnerkennungspraxis verfolgungsbedingter Gesund-heitsschäden nach dem Bundesversorgungsgesetz. Die-sen Punkt nennt bereits der Koalitionsvertrag als eineHandlungsmöglichkeit. Bisher sind wir dabei leidernoch nicht zu einem tragfähigen Ergebnis gekommen.Wir wissen, dass der legislative Spielraum in diesem Zu-sammenhang sehr eng ist. Wir wissen auch, dass die Ge-setzgebungskompetenz in der Hoheit der Länder liegt.Deswegen fordern wir die Länder ausdrücklich auf, andieser Stelle nachzujustieren. Das soll nicht unter denTisch fallen.
Naturgemäß ist – abhängig von der Entfernung zumGeschehen – das historische Wissen und die Bereitschaftzu emotionaler Einfühlung bei den Gutachtern sehr un-terschiedlich ausgeprägt. Eine zentrale Begutachtungdurch entsprechend qualifiziertes Personal könnte diePraxis vereinheitlichen und unnötige Verletzungen derBetroffenen vermeiden helfen. Mit etwas gutem Willensollten wir auch dieses Problem in der Zukunft lösenkönnen.Insgesamt gesehen verabschieden wir heute ein gutesGesetz. Es soll kein Schlussgesetz sein. Einige der Bau-stellen habe ich gerade aufgezeigt. Wir mussten aber zueinem Ende kommen. Denn wir dürfen die Opfer nichtlänger vertrösten, und wir können die in der Öffentlich-kAMdsdeGFgtsfledrebwSvtwejaeswkvamdtdtGeDniPmwB
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Unser Ansatz ist ein eindeutig anderer. Die Argumen-tation, die von Ihnen vorgebracht worden ist, nämlichdass man zu einer Bedürftigkeitsprüfung gezwungen sei,ist spätestens nach der Anhörung, die wir im Bundestagdurchgeführt haben, nicht mehr haltbar.
Von acht Sachverständigen haben sieben klar und ein-deutig ausgeführt, dass es dafür keine Notwendigkeitgibt. Deshalb ist das für uns kein Ansatz für eine Lö-sung.Wir haben den Vorschlag, den die Beauftragte desLandes Thüringen für die Stasiunterlagen gemacht hat,aufgegriffen, nämlich für alle Betroffenen einen Sockel-betrag vorzusehen, der niedriger ist als die jetzt vorge-sehene Zuwendung, und einen Aufstockungsbetrag fürdiejenigen, die bedürftig sind. Das ist aus unserer Sichtder einzig gangbare und richtige Weg.
Deshalb haben wir einen entsprechenden Änderungsan-trag in den Deutschen Bundestag eingebracht.Ich bin Ihnen, Herr Kollege Meckel, übrigens sehrdankbar, dass auch Sie gerade geklatscht haben; denn ichweiß, dass Sie an diesem Prozess in besonderer Weisebeteiligt sind und sich besondere Verdienste erworbenhaben. Ich finde es ganz wichtig, dass Sie Ihre Unterstüt-zung hier deutlich machen.Wir haben einen entsprechenden Änderungsantragauch deshalb eingebracht, weil es einige weitere Grup-pen gibt, die in Ihrem Gesetzentwurf nicht berücksich-tigt werden: Zwangsumgesiedelte, Schüler. Das, was wireigentlich wollen, nämlich zu einer vernünftigen Rege-lung für alle diejenigen zu kommen, die unter dem sozia-listischen Unrechtsstaat auf deutschem Boden gelittenhaben, wird leider nicht erreicht. Deshalb ist es weiterunsere Aufgabe, uns um alle Betroffenen zu kümmern.Meine letzte Bemerkung für heute: Wenn man sichdie Bestrebungen in den letzten Jahren anschaut, kannman feststellen, dass es einen wohltuenden Unterschiedgegeben hat: Wir erleben auf der einen Seite immer fre-cher auftretende Täter, die sich insbesondere in den Ge-denkstätten in einer Weise aufführen, dass es unerträg-lich ist.
Wir haben zum anderen die Opferverbände erlebt, diesehr vernünftig auf uns zugegangen sind, sehr gute Ge-spräche mit uns geführt und keine überzogenen Forde-rungen gestellt haben. Dies macht nach meiner Auffas-sung mehr als alles andere deutlich: Die Opfer habenEhre verdient. Wir sollten dafür sorgen, dass das auchmateriell seinen Niederschlag findet.uFDWdH15EtSgHb1gwwpD5nidg1VWn1GguadGhH
Das Wort hat jetzt die Kollegin Andrea Voßhoff von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!eute, wenige Tage vor dem nationalen Gedenktag des7. Juni 1953, der sich am kommenden Sonntag zum4. Mal jährt, entscheiden wir in diesem Hause über dieinführung einer Opferpension für Opfer der kommunis-ischen Diktatur und der SED-Willkürherrschaft. Ausicht der CDU/CSU, die bekanntermaßen lange dafürekämpft hat, ist dies ein wichtiger und guter Tag für dieaftopfer der kommunistischen Diktatur.
Bevor ich auf die Inhalte des Gesetzes eingehe, erlau-en Sie mir eine Anmerkung zum Gedenken an den7. Juni 1953. Unserem Anspruch hinsichtlich Würdi-ung und Anerkennung dieses historischen Ereignisseserden wir nur gerecht – darin sind wir uns sicher einig –,enn wir das Gedenken an diesen Tag aufrechterhalten,flegen und weitertragen. Daher sollte auch die heutigeebatte im Zeichen des Gedenkens an die Ereignisse vor4 Jahren stehen. Gedenktage sollen nicht nur die Erin-erung an historische Ereignisse wachhalten. Sie sindmmer auch Brücke zwischen der Geschichte und damiten historischen Wurzeln einer Gesellschaft, ihrer Ge-enwart und ihrer Zukunft. Wann, wenn nicht am7. Juni eines jeden Jahres, haben wir die historischeerpflichtung, in besonderer Weise an Opposition undiderstand gegen die zweite deutsche Diktatur zu erin-ern und der Opfer zu gedenken?
Bestandteile unseres Gedenkens an ebendiesen7. Juni müssen aber auch die Fragen sein, wie wir dasedenken in die Zukunft tragen und wie wir in der Ge-enwart damit umgehen. Was tun wir? Tun wir genug,m den nachwachsenden Generationen die Erinnerungn den 17. Juni 1953 mit auf den Weg zu geben? Sindie Ereignisse des 17. Juni 1953 in ausreichendem Maßeegenstand des Unterrichts in den Schulen?Zum Gedenken gehört auch die Gegenwart. Dazu ge-ört für mich die heutige Diskussion in diesem Hohenause, die sich mit der öffentlichen Anerkennung und
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Andrea Astrid VoßhoffRehabilitierung der Opfer der kommunistischen Diktaturvor und nach dem 17. Juni 1953 befasst. Es ist gut undrichtig, heute, wenige Tage vor dem Jahrestag, erneutVerbesserungen des bestehenden SED-Unrechtsbereini-gungsgesetzes zu beschließen.Ich habe einige der Protokolle über die in den vergan-genen 17 Jahren in diesem Haus immer wieder geführtenDebatten zur SED-Unrechtsbereinigung gelesen. Die je-weiligen Regierungsfraktionen, gleich ob schwarz-gelboder rot-grün, und die jeweiligen Oppositionsfraktionenhaben immer darum gerungen – Herr Kollege van Essen,Sie haben bereits erwähnt –, welche Verbesserungen fürdie Opfer der politischen Verfolgung notwendig und ge-boten sind. Das Ergebnis war aus Sicht der jeweiligenOppositionsfraktionen immer zu gering, während dieRegierungsfraktionen, die zu entscheiden hatten, dieGrenzen des Machbaren zum Wünschenswerten aufzeig-ten.Auch mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf ste-hen wir erneut vor dieser grundsätzlichen Frage. Heutewird die Große Koalition eine weitere ganz wesentlicheVerbesserung für Haftopfer kommunistischer Verfol-gung, der SED-Willkürherrschaft auf den Weg bringen.Mehr als 40 000 Haftopfern wird künftig unter bestimm-ten Voraussetzungen eine regelmäßige monatlicheOpferpension in Höhe von 250 Euro gezahlt werden.Ich bedauere insbesondere – der Kollege Hübnersagte es schon –, dass die Oppositionsfraktionen derFDP und der Grünen unserem Gesetzentwurf heute nichtzustimmen werden. Bei der Fraktion Die Linke habe ichnichts anderes erwartet. Herr van Essen, dem Modell,das Sie vorgestellt haben, kann man durchaus Sympathieentgegenbringen; das ist keine Frage. Auch ich hätte mirandere Kompromisse vorstellen können. Wenn wir aberheute beschließen, dass 40 000 Opfer eine monatlicheRente in Höhe von 250 Euro bekommen, dann ist das, sodenke ich, allemal ein Grund, unabhängig von unter-schiedlichen Auffassungen zur Weichenstellung, zu sa-gen: Wir stimmen zu.
Unser Koalitionspartner möge es mir nachsehen:Aber es war die CDU/CSU, die immer wieder nachhaltiggefordert hat, Verbesserungen bei der SED-Unrechtsbe-reinigung durch eine Opferpension auf die Agenda die-ses Hauses zu bringen. Ich erlaube mir die Anmerkung,dass insbesondere der Kollege Vaatz und der ehemaligeKollege Nooke diese Angelegenheit in besondererWeise, intensiv und über Jahre hinweg thematisiert ha-ben.
Ich danke aber auch ganz besonders unserem Koali-tionspartner dafür, dass er mitgezogen hat. Die Anträgeder CDU/CSU spiegelten teilweise weitergehende Vor-stellungen wider.
Daran werden wir immer wieder gern erinnert.SOddpuwHfaBd–BszkdKsgDbsrmdmcnoggmAt1Pgs2tdiaAsüw2tb
ie bestätigen damit aber nur unser Engagement für diepfer kommunistischer Diktaturen. Sie alle, die Sie unsaran erinnern, wissen: Politik ist nicht nur die Kunstes Möglichen, sie ist auch die Kunst der Mehrheiten.Unsere vor einigen Monaten hier vorgestellten Eck-unkte zur Verbesserung der SED-Unrechtsbereinigungnd der kurze Zeit später vorgestellte Gesetzentwurfurden in den Reihen der Opferverbände als wichtigeilfe begrüßt. Das kam auch in der von uns durchge-ührten Anhörung zum Ausdruck. Es gab aber durchausuch – das soll nicht unerwähnt bleiben – Kritik, zumeispiel bezüglich der Opfergruppen, die in den Kreiser Begünstigten aufgenommen werden sollen, unddas ist sicherlich die umstrittenste Voraussetzung – deredürftigkeitsprüfung, die heute schon kritisch ange-prochen wurde.Umso mehr freut es mich, dass wir zwischenzeitlichwei wesentliche Verbesserungen bei der Bedürftig-eitsprüfung erreichen konnten. Unabhängig davon, obie Bedürftigkeitsprüfung hineingehört oder nicht – Herrollege van Essen, Sie haben richtigerweise gesagt, dassich in der Anhörung viele Sachverständige kritisch dazueäußert haben –, bitte ich Sie, zu bedenken, dass es ineutschland bei der Entschädigung eine große Band-reite von Regelungen gibt. Das sehen Sie, wenn Sieich mit den Protokollen der Anhörung und den Ausfüh-ungen der Sachverständigen beschäftigt haben. Wirüssen uns die Frage stellen, wo in der Systematik wiriese Entschädigungsregelung einpassen. Das hat auchit den Bedürftigkeitskriterien zu tun.Es freut mich, dass es uns gelungen ist, zwei wesentli-he Verbesserungen in diesem Bereich erreichen zu kön-en. Zum einen bleibt das Einkommen des Ehegattender eines Partners, mit dem der Betroffene in Lebens-emeinschaft lebt, bei der Ermittlung der Einkommens-renzen außen vor. Es kommt also nur auf das Einkom-en des Betroffenen an. Dieses darf derzeit bei einemlleinstehenden 1 035 Euro oder bei einem verheirate-en oder in Partnerschaft lebenden Betroffenen380 Euro nicht übersteigen. Begünstigt werden auchersonen, bei denen das ermittelte Einkommen die maß-ebliche Einkommensgrenze um einen Betrag über-chreitet, der geringer als die Zuwendung in Höhe von50 Euro ist. Diese erhalten dann den Differenzbetrag.Zum anderen konnten wir uns mit unserem Koali-ionspartner auf eine weitere Verbesserung einigen. Beier Berechnung des Einkommens bleiben nunmehr – dasst ein entscheidender Durchbruch – Rentenleistungenller Art unberücksichtigt, und zwar unabhängig vomlter der Betroffenen. Künftig werden statt bisher ge-chätzter 16 000 – die Zahl wurde heute schon genannt –ber 40 000 Haftopfer eine monatliche besondere Zu-endung – wir nennen sie Opferpension – in Höhe von50 Euro beziehen.Eine weitere wesentliche Erleichterung für die Be-roffenen wird sein, dass das zunächst auf sechs Monateeschränkte Bewilligungsverfahren gestrichen wurde.
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Andrea Astrid VoßhoffDie monatliche Zuwendung wird jetzt auf den Erstantraghin dauerhaft gewährt. Der Berechtigte ist nur noch ver-pflichtet, der zuständigen Behörde Einkommensände-rungen mitzuteilen. Ein kaum umsetzbares bürokrati-sches Monstrum, das den Betroffenen schwer zumutbargewesen wäre, konnte so verhindert werden. Ein Groß-teil der Betroffenen wird zwischenzeitlich das Rentenal-ter erreicht haben, sodass wesentliche Einkommensän-derungen ohnehin nicht mehr eintreten. Zudem habenwir die Rehabilitierungsfristen erneut um vier Jahre ver-längert.Hinsichtlich der Frauen, die östlich von Oder undNeiße in Gewahrsam genommen und zur Zwangsarbeitin die Sowjetunion verschleppt worden sind, ist es un-sere Absicht, die finanzielle Situation des Personenkrei-ses, der diese besonders schwere Freiheitsberaubung er-litten hat, zu verbessern. Unser Ziel ist es, die Stiftungfür ehemalige politische Häftlinge auch für diese Gruppezu öffnen. In der Gesetzesbegründung – Sie haben es si-cher gelesen – ist zu diesem Zweck eine Aufstockungder Mittel vorgesehen. Dies wird im Rahmen desHeimkehrerstiftungsaufhebungsgesetzes voraussichtlichim Herbst dieses Jahres geregelt werden.Dass dies heute so beschlossen wird, ist eine guteNachricht für die Haftopfer von politischer Verfolgungin der ehemaligen DDR. Aber das Schicksal aller Opferkommunistischer Diktaturen und der SED-Willkürherr-schaft ist zu komplex und zu vielschichtig, als dass wiruns heute mit dem Ergebnis zufrieden zurücklehnenkönnten. Auch da hat Kollege Hübner die noch offenenBaustellen benannt. Allen Opfern kommunistischer Dik-tatur und SED-Willkürherrschaft das notwendige Maßan individueller Anerkennung und Hilfe zukommen zulassen, ist ein wohl kaum leistbares Unterfangen. Wasauch immer wir tun, es wird Betroffene geben, die es alsunzureichend empfinden. Sie alle zu erfassen, istschlicht unmöglich.Es ist nicht nur einmal an dieser Stelle gesagt worden,dass das erlittene Unrecht, was auch immer wir tun,nicht wiedergutgemacht werden kann. Wie oft haben wirdas an dieser Stelle schon gehört. Und warum? Die fürdie Opfer streitenden Verbände, die Opfer selbst, aberauch die ständig fortschreitende Aufarbeitung der Ge-schichte dokumentieren in beeindruckender Weise Grup-pen- und unterschiedlichste Einzelschicksale deutscherDiktaturen, die uns immer wieder betroffen machen.Deshalb bin auch ich nicht der Auffassung, dass es sichhier heute um ein Schlussgesetz handelt. Ich denke aber,dass die Opferpension, für die wir jahrelang gekämpfthaben, ein guter Weg ist. Wir als CDU/CSU-Fraktionhätten uns mehr gewünscht. Nichtsdestotrotz ist es eingutes Gesetz. Es macht Sinn, dem Gesetzentwurf heutezuzustimmen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau von der
Fraktion Die Linke.
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Der vorliegende Gesetzentwurf wurde von vielen Sei-en kritisiert: von Betroffenen, von Verbänden, vonxperten und auch von der Fraktion Die Linke. Haupt-ritikpunkt ist, dass erlittenes DDR-Unrecht nur partiellnerkannt und nur ausnahmsweise berücksichtigt wird:ur partiell anerkannt, weil ganze Opfergruppen ausge-chlossen bleiben, und nur ausnahmsweise berücksich-igt, weil lediglich ärmste Betroffene bedacht werden.alopp ausgedrückt: Nutznießer dieses Gesetzes werdenur jene Opfer des DDR-Unrechts sein, die inzwischenu den Ärmsten zählen. Es geht also nicht um einepferrente, wie der Titel des Gesetzentwurfes sugge-iert, sondern um einen Sozialausgleich, durch den diermut gelindert werden soll. Das ist aber eine völlig an-ere politische Zielsetzung als die, die im Einigungsver-rag formuliert ist. Das beginnt bereits bei der Botschaft:ewürdigt wird nicht mehr das Engagement der Betrof-enen für Demokratie, Bürgerrechte und Freiheit zu
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Petra PauDDR-Zeiten, sondern lediglich die aktuelle Bedürftig-keit der Anspruchsberechtigten. Das ist zu wenig.
Die Fraktion Die Linke hat daher einen eigenen Ge-setzentwurf vorgelegt. In ihm ist die Einführung einerOpferrente vorgesehen, die unabhängig vom aktuellenEinkommen der Betroffenen zu zahlen ist. Darüber hi-naus werden durch unseren Gesetzentwurf mehr Men-schen, die in der DDR politisch verfolgt wurden, erfasst,zum Beispiel Schülerinnen und Schüler, denen aus poli-tischen Gründen versagt wurde, einen bestimmten Bil-dungsweg einzuschlagen, oder Bürgerinnen und Bürger,die Opfer von Zersetzungsmaßnahmen wurden.
Wir wollen, dass ehemals Inhaftierte nicht auf bürokrati-schem Weg nachweisen müssen, dass sie gesundheitli-che Schäden erlitten haben. Wir plädieren auch dafür,dass die Befristung des Anspruchs auf Opferrente ge-strichen wird. Der Anspruch muss jederzeit geltend ge-macht werden können. Dass dies der richtige Weg ist,haben uns die Sachverständigen in der Anhörung anhandeinzelner, betroffen machender Schicksale sehr nach-drücklich vor Augen geführt.Kurzum: Wer Anspruch auf eine Opferrente hat,sollte diesen auf möglichst unbürokratische Weisedurchsetzen können, um eine Opferrente in angemesse-ner Höhe und ohne Verrechnung mit anderen Bezügenzu erhalten; dafür will die Fraktion Die Linke mit ihremGesetz sorgen. Nach allen Gesprächen, die ich persön-lich mit Betroffenen und mit Vertreterinnen und Vertre-tern der Opferverbände geführt habe, muss ich sagen:Diese Regelung kommt ihren Vorstellungen sehr nahe.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen nachherüber verschiedene Gesetzentwürfe und Änderungsan-träge abstimmen. Natürlich wird die Fraktion Die Linkefür ihren eigenen Gesetzentwurf stimmen; das wird Sienicht überraschen. Uns wiederum wird es nicht überra-schen, dass unser Gesetzentwurf in diesem Haus keineMehrheit finden wird. Was also dann? Meine Empfeh-lung an die Fraktion Die Linke war und ist:
Lasst uns jedem Antrag zustimmen, der besser ist als derGesetzentwurf der Koalition bzw. der diesen Entwurf imInteresse der Betroffenen verbessert! Sollte das aller-dings nicht von Erfolg gekrönt sein, dann, finde ich, soll-ten die Unionsparteien und die SPD ihr Gesetz alleinverantworten.
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Herr Ramelow, Sie kommen mit den Blockparteien.ein Schicksal ist es, in dieser Debatte immer nach derinksfraktion reden zu müssen.
as war diesmal im Ton moderater als das, was Herrchneider uns immer geboten hat. Aber die Melodie istenauso unerträglich.
s ist, als ob ein Angeklagter, der vor Gericht steht, keinort des Bedauerns für seine Opfer findet,
uch kein Geständnis ablegt, aber stattdessen sagt, derkandal sei doch, dass seine Opfer von diesem Staat zuering entschädigt würden. So jemanden würde man anen Gutachter überweisen; man würde fragen, ob er zu-echnungsfähig ist.
ber Sie haben die Chuzpe, diese Ansicht Debatten-unde um Debattenrunde zu wiederholen.
ie hätten mit Ihren Geldern als Erstes die Opfer ent-chädigen müssen; das wäre ein glaubwürdiger Schrittewesen.
Sie waren nicht da, als wir die Debatte geführt haben,err Ramelow. Die Gelder wurden von Ihrem Herrnangnitschke und wie sie alle hießen in kriminellereise beiseite geschafft. Sie wurden dafür verurteilt.
Wenn Sie nun glauben, von Blockflöten reden zuüssen, mein lieber Herr Ramelow, muss ich feststellen:u den Blockflöten kann man eine Menge sagen;
ie Geldkoffer von Gerald Götting waren unappetitlich.
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Wolfgang Wieland
Aber erklären Sie mir doch einmal: Welchen Geheim-dienst hat denn die Ost-CDU gehabt, und welches Ge-fängnis hat die LDPD betrieben? Keines. Sie wollen sichwieder verstecken, Sie wollen sich herausreden,
Sie wollen zu Ihrer eigenen Schuld nicht stehen.
Herr Ramelow, Sie haben nicht das Wort.
Es sind die Getroffenen, die bellen, und das freutmich.
– Dann sage ich noch etwas: In der Anhörung hat FrauNeubert, die thüringische Landesbeauftragte für die Un-terlagen des Staatssicherheitsdienstes, genau das Rich-tige gesagt, nämlich dass sich die Opfer angesichts IhresEntwurfs und Ihres Vorgehens das zweite Mal gedemü-tigt und erniedrigt fühlen. So reagieren die Opfer darauf.
Fahren Sie einmal nach Görlitz, wo sich am Wochen-ende die Opferverbände treffen, und stellen Sie sich denOpfern! Da werden Sie etwas zu hören bekommen.
Jetzt möchte ich gerne etwas zu dem vorliegendenEntwurf sagen.
Wir hatten bei der Einbringung gesagt, dass wir uns ent-halten, weil wir warten wollen, ob es im parlamentari-schen Prozess zu substanziellen Verbesserungen kommt.Wir haben ähnlich wie Herr van Essen anerkannt, dasshier niemand auf einem hohen Ross sitzen kann, dassauch wir selbstkritisch sein müssen, weil auch unter Rot-Grün keine befriedigende Lösung gefunden wurde.
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ir wären dann nicht in der Situation, dass es in Zukunftrei Opfergruppen geben wird. Die Mitglieder der erstenruppe bekommen gar nichts, weil sie die Anrech-ungszeiten nicht erfüllen. Das sind diejenigen, dieben nicht sechs Monate in Haft waren, weil die Haftzei-en nach Helsinki kürzer waren. Man wollte die Häft-inge schneller verkaufen, um für das von Ihnen instal-ierte Regime mehr Devisen einzunehmen. Das hat manetan.
Herr Kollege Ramelow, ich weiß, dass Sie damalsoch in Hessen und so wie heute für den Weltfrieden wa-en. Aber Sie haben sich dieser Fraktion angeschlossen.
Es wurde bereits gesagt, dass es auch Opfer von Zer-etzungsmaßnahmen gibt, nämlich die Schüler, die in dieowjetunion verschleppt wurden. Auch sie gehen leerus. Die zweite Gruppe bilden die Menschen, die bei deredürftigkeitsprüfung durchfallen werden. Es gibtuch Selbstständige, die sich mehr oder weniger durch-chlagen, sich noch nicht im Rentenalter befinden undufgrund der Bedürftigkeitsprüfung außen vor bleiben.ls dritte Gruppe gibt es dann noch die Begünstigten deseutigen Tages. – Man schafft Unfrieden, indem manrei Opfergruppen bildet, und ist nicht in der Lage, zuegründen, warum man das eigentlich tut. Deshalb kannan von der FDP und uns nicht erwarten, dass wir demustimmen. Sorry, das können wir nicht.
Es wurde schon mehrfach gesagt – auch von Ihnen –,ass dies leider kein Schlussgesetz ist. Es wäre nötig, zuiner abschließenden Regelung zu kommen, da viele Be-roffene unlängst sterben werden. Es ist ein weitererchritt, den ich nicht kleinreden will; das tue ich auchicht. Ich hätte es aber für gut gehalten, wenn die Großeoalition vor einem ereignisreichen Tag, nämlich demiederkehrenden 17. Juni, an dem sich hier in Berlin
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Wolfgang Wielandglücklicherweise nicht die Kundschafter des Friedenstreffen und eine Propagandaveranstaltung durchführen– das hat Marianne Birthler glücklicherweise verhindert –,eine wirklich allseits befriedigende Regelung getroffenhätte. Das war der Wunsch, der Traum. Er ist nicht in Er-füllung gegangen. Das Kapitel ist nicht abgeschlossen.Die Auseinandersetzung geht weiter. Wir werden sie allegemeinsam führen müssen.
Das Wort hat der Kollege Dr. Carl-Christian Dressel
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LassenSie mich zuerst sagen: Herr Ramelow, das, was Sie ge-rade während der Rede des Kollegen Wieland aufgeführthaben, gehört mit zu dem Unwürdigsten, was ich in die-sem Parlament jemals erlebt habe.
Statt, wie es Ihnen als Vertreter der Täterpartei zustünde,
in Sack und Asche zu gehen und sich endlich bei denOpfern zu entschuldigen, machen Sie ausgerechnet beidiesem Thema den gleichen Klamauk wie bei allen The-men.
Das ist eine Unverschämtheit und ein Schlag ins Gesichtder Opfer.
Herr Ramelow, einem Sprichwort zufolge kann man derStrafe wohl entgehen, aber nicht dem Gewissen. Voraus-setzung dafür ist allerdings, dass man eines hat.
– Nein, ich rede erst einmal zu den Opfern.Ich rede erst einmal darüber, dass die Frauen undMänner, die sich in der DDR gegen das SED-RegimeuwIfidsSseRwtntvszzdsnDdhddTgeWEhddaGsJKlmldgBhttkanccw
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ir können als Bundesrepublik Deutschland nicht damiteben, eingestehen zu müssen, dass die Besitzstände, dieinmal unter Missachtung von Demokratie, Menschen-echten und Gewaltenteilung zustande gekommen sind,ahezu unverändert von einer Demokratie übernommenerden und die Zerstörungen, die in ebendieser Phasengerichtet worden sind, ebenso unrepariert fortleben.as darf nicht sein, meine Damen und Herren.
ch glaube, wir werden heute das äußerst wichtige Signaletzen: Die Demokratie vergisst ihre Vorkämpfer nicht.Die symbolische Nähe zum 17. Juni ist sehr gut; denner 17. Juni steht für das erste große Aufbegehren instdeutschland. Die Menschen, die damals für Demo-ratie eingetreten sind, haben alles – ihre körperlichenversehrtheit, Gesundheit, berufliche Perspektive, denest Freiheit, den sie in der DDR noch hatten – riskiert,anche sogar ihr Leben. Das sollten sich alle vor Augenühren, auch unsere Kollegen aus Westdeutschland, dieicht für die Demokratie kämpfen und leiden mussten.Ich halte es für sehr wichtig, dass der vorliegende Ge-etzentwurf ein Gemeinschaftswerk von Ost und Westst. Damit bringen wir das Zusammenwachsen ein Stückoran und sagen Ja zu den Biografien auf beiden Seitenes Landes. Ich bin Ihnen deshalb außerordentlich dank-ar.Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen. Als wirn der Opposition waren, wurde zu unserer Forderungach Opferrenten viele Jahre lang das Argument vorge-racht: Wartet mal ab, bis ihr regiert. Wenn ihr selber diepferrenten einführen könnt, dann werden irgendwelcheinanziellen Bedenken vorgeschoben, und es geht wiedericht. – Deshalb haben wir uns, insbesondere meine Kol-egen aus Ostdeutschland in der CDU, während der Op-ositionszeit vorgenommen, dieses Vorhaben wirklich
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Arnold Vaatzdurchzusetzen. Ich bin Ihnen – insbesondere einer Reihevon Kollegen der SPD aus Ostdeutschland, durch derenKompromissfähigkeit wir uns nach und nach einigenkonnten – außerordentlich dankbar, dass wir diesen Ge-setzentwurf innerhalb der Großen Koalition erarbeitenund zur Abstimmung vorlegen konnten.
Nach wie vor gilt – auch das muss klar sein –: DerDruck auf die Parlamentarier ist erst dadurch gewach-sen, dass sich das Erste und Zweite SED-Unrechtsberei-nigungsgesetz als unzureichend erwiesen haben. Das isterstens darauf zurückzuführen, dass es einige materielle,aber im Wesentlichen eher symbolische Wiedergutma-chungsleistungen des Staates gab. Zweitens war der ge-genläufige Prozess festzustellen, dass im Wesentlichendurch Bundesverfassungsgerichtsurteile die materi-elle Situation der Repräsentanten des Systems unaufhör-lich bessergestellt worden ist. Diesen Zustand haben dieMenschen, die von den Repressalien betroffen waren,zunehmend als unerträglich und inakzeptabel empfun-den.
Ich halte es daher für eine richtige Reaktion des Parla-ments, das diese Gerichtsentscheidungen zu akzeptierenhat, durch entsprechende Anpassungen auf der anderenSeite nachzuziehen.Lassen Sie mich die Dimension der Unterschiededeutlich machen: Nach Angaben des Bundesministeri-ums für Arbeit und Soziales beliefen sich allein 2006 dieAusgaben des Bundes und der Länder für Personen, dieAnsprüche aus den Sonderversorgungssystemen der ehe-maligen DDR haben – dabei handelt es sich insbeson-dere um ehemalige Angehörige der Nationalen Volks-armee, Volkspolizei und des Ministeriums fürStaatssicherheit –, auf 1,5 Milliarden Euro. Im Vergleichdazu betragen die Leistungen des Bundes nach demStrafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, also Kapitalent-schädigung und Unterstützungsleistungen, nur insge-samt 16 Millionen Euro. Das entspricht etwa 1 Prozent.Das ist ein äußerst bedauerlicher Zustand. Insofern halteich es für außerordentlich wichtig, dass wir jetzt erheb-lich nachlegen konnten und noch eine Verbesserung er-reicht haben, durch die ermöglicht wird, dass Rentenleis-tungen nicht mehr in Anrechnung gebracht werden.Es wären sicherlich noch viele andere Konstruktionenvorstellbar gewesen. Aber alle, die jetzt darauf hinwei-sen, sollten die Kirche im Dorf lassen. Bitte erinnern Siesich, dass unsere Gesetzentwürfe, die wir während derOppositionszeit vorgelegt haben, größtenteils schlech-tere Konditionen enthielten als der vorliegende Gesetz-entwurf. Das fängt schon bei der Haftdauer an. Wir hat-ten damals ein Jahr Haft als Kriterium vorgesehen. Nunist es nur noch ein halbes Jahr Haft; das ist wesentlichweniger.
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ber bei Ihnen ist das genaue Gegenteil herausgekom-en. Sie sind zynisch und geben anderen die Schuld. Of-enbar haben Sie vergessen: Nicht die CDU hat die SEDleichgeschaltet, sondern die SED die CDU. So ist es ge-esen.
err Ramelow, bevor es so weit war, wurden etlicheitglieder meiner Partei eingesperrt und haben es mitem Leben bezahlt. Das ist die Realität. Was mich be-onders kränkt, ist Folgendes: Nachdem sich die Demo-ratie in Ostdeutschland durchgesetzt hatte, kam eineeihe von Zaungästen aus dem Westen und hat sich aus-erechnet der Partei angeschlossen, die uns jahrelangnterdrückt hat. Dazu gehören Sie, Herr Ramelow. Daserfe ich Ihnen vor.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin
ndrea Wicklein für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Vor einigen Tagen rief mich eine Kindererzie-erin aus Berlin an. Sie berichtete mir von ihrer 20-mo-atigen Haftzeit in der Frauenhaftanstalt Hoheneck unternmenschlichen Haftbedingungen. Ins Gefängnis kamie, weil sie von einer vermeintlich guten Freundin de-unziert wurde. Darunter leidet sie noch heute. Diesesespräch hat mich sehr bewegt. Ihr gehe es nicht um daseld, sagte sie. Die Würdigung durch die Opferpension
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Andrea Wickleinsei eine große Genugtuung für sie, auf die sie schon vieleJahre gewartet habe. – So wie diese Frau empfindenviele Opfer.Wie wir alle wissen, gibt es aber auch andere Stim-men. Manche Betroffene lehnen dieses Gesetz ab, weiles ihnen nicht weit genug geht. Vor wenigen Tagenschrieb ein Bürger in einem Leserbrief in der „Märki-schen Allgemeinen-Zeitung“: Mut und Unbeugsamkeithätten sich nicht ausgezahlt. Er sei zutiefst empört, wieheute mit den SED-Opfern umgegangen werde. DieOpferpension sei nur ein Almosen und keine angemes-sene Entschädigung für erlittenes Unrecht.Diese beiden Beispiele machen noch einmal deutlich,wie unterschiedlich die Reaktionen derjenigen sind, de-ren Situation wir mit dem Gesetzentwurf verbessernwollen. Wie hoch müsste jedoch eine Opferpension sein,um das individuell sehr unterschiedlich erlittene Leidwiedergutzumachen? Welchen Maßstab sollten wir anle-gen? Können wir Mut und Unbeugsamkeit überhauptmit Geld aufwiegen? Nein, das können wir nicht; daswurde hier schon mehrfach gesagt. Ich glaube, darin sindwir uns alle einig. Aber eines ist sicher: Der tausendfa-che Widerstand hat sich ausgezahlt. Der Fall der Mauer,Freiheit und Demokratie sowie die deutsche Einheit sindheute Realität.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir einweiteres Zeichen setzen. Die Einführung einer Opfer-rente ist ein weiterer Versuch, die Folgen für diejenigenabzumildern, die inhaftiert waren und am meisten gelit-ten haben. Mir ist bewusst, dass sich durch die vorgese-henen Regelungen zur Opferpension nicht alle in ausrei-chendem Maße gewürdigt sehen. Umso wichtiger ist es,dass wir einige Fragen, die noch offengeblieben sind, er-neut aufgreifen. Auch darin sind wir uns einig. Beson-ders liegt mir am Herzen, die Verfahren zur Anerken-nung haftbedingter Gesundheitsschäden zu verbessern.Hier muss eine zügige Abstimmung mit den Ländern er-folgen.
In den Eckpunkten für dieses Gesetz ist eine Auf-stockung der Mittel für die Häftlingshilfestiftung auf3 Millionen Euro jährlich vereinbart. Dies sollte über dasanstehende Gesetz zur Auflösung der Heimkehrerstif-tung erfolgen. Mir ist es an dieser Stelle wichtig, zu er-wähnen, dass dadurch die damals zivildeportiertenFrauen jenseits von Oder und Neiße einen verlässlichenAnspruch auf Hilfe bekommen. Möglich ist das auchschon nach geltendem Recht. Allerdings ist die Praxis inden Ländern sehr unterschiedlich. Hier ist der Bundes-innenminister gefordert, der für eine einheitliche Ausle-gung der Bestimmungen sorgen muss.
Wir sollten auch prüfen, ob sich bei der beabsichtigtenNovellierung des BAföG-Gesetzes noch etwas für dieverfolgten Schülerinnen und Schüler tun lässt. Jugend-liche von Bildungschancen auszuschließen, war eine be-sonders perfide Art der Repression. Hier könnten wir aufeinfache Weise mehr Gerechtigkeit schaffen.dgtKSsbebdsSznwsSbaAddbgme–sdhvsdEGIsgg1)
So wichtig die Verbesserung der materiellen Situationer SED-Opfer ist, so wichtig ist es auch, gegen das Ver-essen anzukämpfen. Goethe sagte einmal: Wenn das In-eresse schwindet, schwindet auch die Erinnerung. –ürzlich las ich eine Studie des ForschungsverbundesED-Staat an der Freien Universität Berlin. Überra-chendes Ergebnis der Forscher war: Viele Schüler glau-en, dass die Alliierten oder die Sowjetunion die Mauerrrichtet hätten. 40 Prozent der Ostberliner Schüler glau-en, dass die Stasi ein Geheimdienst war wie jeder an-ere auch. Diese Befunde sind besorgniserregend, sieind erschreckend.
ie verstärken das Gefühl der Opfer, nicht mehr gefragtu sein, einer Vergangenheit anzugehören, die nach undach verblasst. Dagegen müssen wir etwas tun. Die Aus-irkungen der SED-Diktatur auf das Leben der Men-chen muss ein fester Bestandteil der Lehrpläne in denchulen sein, sowohl im Osten als auch im Westen. Wirrauchen unabhängig von materiellen Zuwendungenuch eine gesellschaftliche Kultur der Würdigung undnerkennung,
er Würdigung und Anerkennung derer, die sich in Ost-eutschland für Freiheit und Demokratie eingesetzt ha-en und deshalb politisch verfolgt, unterdrückt und ein-esperrt waren. Hier sind wir alle gefragt, gemeinsamit den Ländern und den Kommunen zu handeln und ge-ignete Formen der Würdigung zu entwickeln.
Der Kollege Hübner hat in der Tat schon gute Vor-chläge gemacht. In einigen Ländern gibt es Beispiele,ie wir uns gemeinsam anschauen sollten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesetz, das wireute hier auf den Weg bringen, ist ein Erfolg. Die Lageon über 40 000 SED-Opfern wird sich spürbar verbes-ern. Ich möchte, dass diese Menschen noch im Herbstie Opferpension von monatlich 250 Euro bekommen.s wäre ein gutes Signal, wenn wir heute hier in allereschlossenheit diesem Gesetz zustimmen würden.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Bevor wir zu den Abstimmungen kommen, teile ichhnen mit, dass mir drei schriftliche Erklärungen zur Ab-timmung nach § 31 unserer Geschäftsordnung vorlie-en, und zwar von der Kollegin Ute Berg und den Kolle-en Rainer Fornahl und Gunter Weißgerber.1)Anlage 14
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Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtNun erteile ich zu einer mündlichen Erklärung zurAbstimmung dem Kollegen Bodo Ramelow das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Bei dieser Abstimmung werde ich dem Antrag der FDP
folgen, weil ich die darin vorgetragenen Argumente
überzeugend finde und weil ich die Überlegung in der
Abwägung mit der Bedürftigkeitsprüfung für berechtigt
erachte.
Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Ich persönlich
kann mich in der PDS, die es übermorgen nicht mehr ge-
ben wird,
nur engagieren, weil sie auf ihrem Gründungsparteitag
1989 bei den Opfern um Entschuldigung gebeten hat.
Das ist in den Dokumenten nachlesbar. Das ist ein Par-
teitagsbeschluss. Diese Partei hat in der Schumann-Rede
mit dem Stalinismus als System unmissverständlich ge-
brochen. Insoweit sehe ich meine politische Aufgabe da-
rin, genau darauf zu achten, dass die Einschränkung von
Redefreiheit, Menschenrechten und Demokratie – egal,
in welchem Namen, egal, welcher Ismus dies rechtfertigt –
nicht akzeptiert werden kann. Das, was in der DDR unter
ideologischen Bedingungen geschehen ist, ist nicht zu
akzeptieren. Deswegen unterstütze ich das, was Petra
Pau gesagt hat: Im Einigungsvertrag war festgelegt,
was hätte geschehen müssen. Die Volkskammer hat dazu
einen Beschluss gefasst, den ich achte, weil er fraktions-
und parteiübergreifend getroffen wurde.
In diesem Sinne darf ich noch einmal deutlich sagen:
Die Diskussion über das Thema, das heute auf der Ta-
gesordnung steht, ist notwendig und längst überfällig.
Ich glaube, es wäre besser, wenn im Regierungsentwurf
keine Bedürftigkeitsprüfung, sondern das gesplittete
Verfahren vorgesehen wäre. Dem hätte dieses Hohe
Haus tatsächlich einstimmig zustimmen können. Die Be-
dürftigkeitsprüfung lehne ich ab. Ich begrüße aber, dass
es 40 000 Opfern besser gehen wird. Ich denke, dass da-
mit viele Menschen wiederum zurückgesetzt werden.
Deswegen werde ich mich bei meinem Abstimmungs-
verhalten an dem FDP-Antrag orientieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um Auf-merksamkeit. Wir kommen zu Abstimmungen.Tagesordnungspunkt 3 a. Abstimmung über den vonden Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrach-ten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung rehabilitie-rVsewDmFdimm9gdzGSgdDguGWwbmztffDDduttFtswmsuDF„sWfnGd
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10470 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordne-ter und der Fraktion der FDPChancen am Weltmarkt durch marktwirt-schaftliche Weiterentwicklung der Gemeinsa-men Agrarpolitik und Subventionsabbau nut-zen– Drucksache 16/4185 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungAgrarpolitischer Bericht 2007 der Bundesre-gierung– Drucksache 16/4289 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
FinanzausschussAusschuss für Arbeit und SozialesAusschuss für GesundheitAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusHaushaltsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten PeterBleser, Ursula Heinen, Uda Carmen Freia Heller,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. WilhelmPriesmeier, Volker Blumentritt, Dr. Gerhard Botz,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPDNeuordnung des Berichtswesens– Drucksache 16/5421 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitd) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil-dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
gemäß § 56 a der Geschäftsord-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
gemäß § 56 a der Geschäftsord-
nungTechnikfolgenabschätzung
TA-Projekt: Moderne Agrartechniken undProduktionsmethoden – ökonomische undökologische Potenziale2. Bericht: Precision Agriculture– Drucksache 16/3218 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungf) Beratung des Antrags der Abgeordneten CorneliaBehm, Birgitt Bender, Ulrike Höfken, weitererAbgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNENLandwirtschaftliche Krankenversicherung ab2009 weiter an Bundesmitteln zur landwirt-schaftlichen Krankenversicherung beteiligen– Drucksache 16/5427 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für GesundheitHaushaltsausschussg) Beratung des Antrags der Abgeordneten CorneliaBehm, Alexander Bonde, Ulrike Höfken, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNENGemeinschaftsaufgabe Verbesserung derAgrarstruktur und des Küstenschutzes zur
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10471
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Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtGemeinschaftsaufgabe Entwicklung der länd-lichen Räume ausbauen– Drucksache 16/5503 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussh) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz zudem Antrag der Abgeordneten Hans-MichaelGoldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordne-ter und der Fraktion der FDPPlanungssicherheit für Landwirte und Milch-wirtschaft durch definitiven Beschluss zumAuslaufen der Milchquotenregelung schaffen– Drucksachen 16/3345, 16/4595 –Berichterstattung:Abgeordnete Johannes RöringDr. Wilhelm PriesmeierHans-Michael GoldmannDr. Kirsten TackmannBärbel HöhnZu dem Agrarpolitischen Bericht 2007 der Bundesre-gierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion desBündnisses 90/Die Grünen vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. Ich höre dazu kei-nen Widerspruch; dann werden wir so verfahren.
– Ich bitte diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die derweiteren Aussprache nicht folgen wollen, den Saal zuverlassen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Hans-Michael Goldmann für die FDP-Fraktion das Wort.
Sehr verehrte, liebe Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-nen und Kollegen! Ich betrachte es nicht als Zufall, dassich heute zu einem Tagesordnungspunkt, unter dem auchder Agrarbericht insgesamt zu diskutieren ist, als Spre-cher der FDP das erste Wort habe. Ich glaube, das istAusdruck und Spiegelbild einer hervorragenden agrar-politischen Leistung, die meine Fraktion – vielleichtkann ich das auch für mich persönlich sagen – seit Jah-ren in diesem Bereich erbringt.
–hWdemhLaraSnQbbGbSdSweWezdcAgWaMerWhsdgggVeDm–
enn wir uns erinnern, dann wissen wir alle gemeinsam,ass die FDP die sogenannte Kulturlandschaftsprämierfunden hat. Wir haben gesagt: Wir müssen wegkom-en von den Subventionen für Produktion. Wir müsseninkommen zur Anerkennung der gesellschaftlicheneistung, die Landwirte im ländlichen Raum eigentlichn allen Orten erbringen. Das sind die Orte, die in unse-er Gesellschaft auch boomen. Ich denke zum Beispieln Regionen im bayerischen Raum, im Münsterland, inüdoldenburg oder natürlich auch in den sogenannteneuen Ländern.Wir haben immer auf Rückverfolgbarkeit und aufualitätssicherung gesetzt. Wir haben den Tierschutz inesonderer Weise im Auge gehabt und haben mit dazueigetragen, dass er endlich in qualifizierter Form imrundgesetz verankert ist. Wir haben Weichenstellungenei der Zuckermarktreform vorgenommen, und Herreehofer hat dann das Ergebnis eingefahren. Mir sindafür die Rübenschnitzel um die Ohren geflogen, Herreehofer ist dafür vom Deutschen Bauernverband gelobtorden. So ungerecht ist die Agrarwelt manchmal. Abers stört uns nicht.
ir werden weitermachen auf einer Linie der Marktori-ntierung und einer Linie, die auf die Dauer ganz sicherum Erfolg des Agrarbereichs insgesamt führen wird.
Ich bin sehr stolz darauf – das sage ich ganz deutlich –,ass wir in diesem Bereich führen und dass wir nicht zu-keln oder zaudern. Das bringen wir heute bei diesergrardebatte wieder mit zwei richtungweisenden Anträ-en zum Ausdruck. Es geht darum, die Chancen ameltmarkt zu nutzen, es geht darum, den Subventions-bbau voranzutreiben, und es geht darum, gerade dieilchmarktordnung so zu reformieren, dass insgesamtine Perspektive für Milchbauern in Deutschland, in Eu-opa, im Grunde genommen für dieses Produkt in derelt gegeben wird.Die Anerkennung der gesellschaftlichen Leistungabe ich schon angesprochen. Aber wir müssen auch dieogenannte Nachhaltigkeitsprämie sichern, die in beson-erer Weise Ökologie, Ökonomie und soziale Bedingun-en miteinander verknüpft. Das bringt unser Antraganz klar zum Ausdruck.Geschlossene Verträge haben Gültigkeit bis 2013;anz eindeutig. Ich bin froh darüber, dass auch meinorsitzender Dr. Guido Westerwelle das auf dem Bau-rntag in Rostock sehr klar zum Ausdruck gebracht hat.as findet sich in unserem Antrag wieder. Das unter-auern wir.
Wenn Sie etwas fragen möchten, bitte, jederzeit.
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Hans-Michael Goldmann
– Das ist immer schlecht. Wenn man etwas behauptet,weiß man manchmal nicht so ganz genau, ob man in derSache richtig liegt.
Deswegen sollten Sie Fragen stellen, wenn Sie ein Pro-blem haben. Ich spreche aber eigentlich so, dass man esrelativ gut verstehen kann.
Ich habe Spaß daran, zu diesem Thema zu reden. Je-der, der sich im Moment mit diesem Thema befasst, hatdiesen Spaß, weil der Agrarbereich in einem Maßeboomt, wie wir es uns eigentlich erträumt haben.
Die Veredelungsmärkte entwickeln sich, weil die Welt-bevölkerung wächst und auch finanziell in der Lage ist,Nachfrage zu entfalten. Ein Bereich, liebe Freunde,boomt im Moment so, wie wir es vor einem halben odereinem Jahr noch nicht zu träumen gewagt haben,
und das ist der Milchbereich. Aber dafür hat nicht dieseBundesregierung die Weichen gestellt, lieber PeterBleser; ganz im Gegenteil.
Die Bundesregierung bleibt in diesem Bereich ganz ein-deutig die Antworten schuldig.Die Botschaften in der Presse sind gut. Die Preisesteigen. Es gibt zum Beispiel die Aussage von HerrnUdo Folgart, dass der Rohstoffwert der Milch gewaltigsteigt. Es gilt jetzt, diese Situation zu nutzen und klippund klar zu sagen: Die Quote wird 2015 nicht überleben. –Die Quote muss auch abgelöst werden, weil die Chan-cen, am Weltmarkt teilzuhaben, ohne Quote viel höhersind als bei einem Verharren in der Quote.
Diese Aussage, Herr Minister Seehofer, sollten Sie ohneWenn und Aber treffen.Wir müssen aus der Quote raus, wir können in der jet-zigen Situation aus der Quote raus, und wir können auchkluge Antworten geben. Herr Minister Seehofer, da müs-sen Sie zur Lokomotive werden. Sie dürfen nicht Euro-paregelungen einfordern, sondern müssen konzeptionellaktiv werden. Sie müssen vielleicht auch einen etwaszaudernden Präsidenten des Deutschen Bauernverbandesauf Linie bringen und sagen: Herr Sonnleitner, bleibenSie bei der Position: Die Quote muss durch Marktrege-lungen abgelöst werden!BzMspezSZskIdLhaFKtFtIudhefIesdAd
ch wollte das an Ihrer Stelle nicht machen; das gebe ichnumwunden zu.Die Tatsache, dass Sie zuerst gesprochen haben, istamit zu begründen, dass Sie einen Antrag eingebrachtaben, der allerdings einerseits sehr banale Forderungenrhebt, die wenig konkret werden, und andererseits of-ene Scheunentore einrennt. Das ist nicht sehr hilfreich.nsofern, Herr Kollege Goldmann, sollten Sie sich jetztinmal anhören, was wir in den letzten Monaten – wirind ja erst gut anderthalb Jahre an der Regierung – fürie deutsche Agrarwirtschaft geleistet haben.
Zunächst möchte ich einen Beleg für einen konkretenntrag geben: Wir bringen heute einen Antrag ein, derie Neuordnung des Berichtswesens regeln soll. Damit
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Peter Blesersoll hier und heute zunächst einmal ganz konkret be-schlossen werden, dass wir nur noch einmal pro Legisla-turperiode Bericht erstatten.
Damit besteht die Möglichkeit, längere Zeiträume zu be-trachten, statt, wie heute im Agrarbericht, eine zweiJahre alte Ernte bei der Ergebnisermittlung zu berück-sichtigen; hier sind die Zahlen kaum noch von Relevanz.
Wir werden also hier einen ganz konkreten Beitrag zurEntbürokratisierung leisten, ohne allerdings den Infor-mationsanspruch, dem in den angesprochenen Bereichenselbstverständlich entsprochen werden muss, zu be-schneiden.Dieser Antrag hat – das will ich vorweg noch sagen –darüber hinaus eine weitere wichtige Botschaft: Wir sol-len das Landwirtschaftsgesetz nicht abschaffen, sondernganz im Gegenteil prüfen, ob es möglich ist, daraus einlandwirtschaftliches Gesetzbuch zu machen, in dem dasFachrecht konzentriert wird, sodass es für die Betroffe-nen einfacher zu handhaben ist.
Nun zum Agrarbericht. Da, Herr Kollege Goldmann,muss man wirklich aufhorchen: Der Deutsche Bauern-verband, der ja unverdächtig ist, bei der Schilderung derSituation etwas zu beschönigen – das Klagen ist ja nichtwenigen in die Wiege gelegt worden –, weist darauf hin,dass das Agrar-Konjunkturbarometer 2004 bei minus15,1 stand,
in 2006, wenige Monate nach der Regierungsüber-nahme, bei 14,4 und im März 2007 – da sind wir ja jetztungefähr – bei 27,3. Das ist fast um den Faktor vier bes-ser als noch vor drei Jahren,
und das in einer solch kurzen Zeit. 50 Prozent der Land-wirte wollen im nächsten halben Jahr investieren.
Das ist doch eine Botschaft, die besser nicht sein könnte.Im Land herrscht Euphorie, und das ist etwas ganz Tol-les.
Meine Damen und Herren, was ist eigentlich die Bot-schaft dieser Zahl, die ich vorhin genannt habe? Es gibtnur eine einzige Deutung: Die 4 Millionen in der Agrar-wPhenbwsg4TfD–wwoNPsvLWdaMbwkwbcBssscn
Wir ruhen uns auf diesen Erfolgen nicht aus, Herrr. Goldmann.
Ich habe das mit dem Doktortitel hinbekommen. – Wirerden an unserer Vision festhalten. Wir wollen eineettbewerbsfähige Landwirtschaft, die im Wesentlichenhne staatliche Hilfen auskommt.
ur das, was die Gesellschaft über die gute fachlicheraxis hinaus will – Pflege der Kulturlandschaft,
ensible Gebiete erhalten –, soll auch in Zukunft in Formon Kostenerstattung durch die Gesellschaft in derandwirtschaft ausgeglichen werden.
Ich denke, diese Linie sollten wir stringent verfolgen.ir haben einen Anteil an der Preisentwicklung; dennie Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen in Bezuguf die Energieerzeugung bedeutet eine Entlastung desarktes, wodurch die Preisentwicklung entsprechendeeinflusst wird.Wir haben vorhin in der Fraktion darüber beraten, wieir die Absatzentwicklung für Biodiesel stabilisierenönnen. Wir haben uns noch nicht festgelegt. Aber dassir etwas tun müssen, damit diese Branche nicht weg-richt, ist uns allen klar. Wir werden uns in wenigen Wo-hen weiter damit beschäftigen, wenn der entsprechendeericht vorgelegt worden ist.Ein weiterer Punkt. Ich bin sehr glücklich und auchtolz, dass die deutsche EU-Ratspräsidentschaft in Brüs-el so erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Was un-er Minister an Entbürokratisierung und an Vereinfa-hungen erreicht hat, hätte ich zu Beginn dieses Jahresicht für möglich gehalten.
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Peter BleserEs ist ihm aber gelungen. Deshalb ein großes Kompli-ment an den Minister. Er war mit seinen Vorhaben er-folgreich und wird nachher in seiner Rede auf die Detailseingehen.
Auf diesen Erfolg sollten wir im Parlament stolz sein.Man hat sich in Brüssel gewundert, wie sehr sich diedeutsche Agrarpolitik nach dem Regierungswechsel ver-ändert hat.
– Ja. – Nicht alle, die in den zuständigen Institutionen ar-beiten, haben diese Veränderungen von Anfang an befür-wortet.Wir haben in den nächsten Jahren und auch aktuellnoch viel zu tun. Wir werden das Verbraucherinforma-tionsgesetz auf den Weg bringen.
Wir werden das Vieh- und Fleischgesetz reformieren.Ich sage an dieser Stelle, dass meine Fraktion die Inte-ressen der Betroffenen vertreten wird.
– Der Bauern.
Die Reform der Erbschaftsteuer wird noch eine sehrschwierige Aufgabe. Wir müssen uns sehr darauf kon-zentrieren, dass wir zu einer vernünftigen Regelung be-züglich der Bodenverteilung kommen. Wir werden auchdie landwirtschaftliche Unfallversicherung genauso wiedas Gentechnikgesetz reformieren.Noch ein Satz zur Reform des Milchmarktes.
Herr Kollege, aber wirklich nur ein Satz.
Ich bin dann auch am Ende.
Auch hier werden wir mit den Betroffenen darüber
sprechen, wie sie es gerne hätten. Der Bauernverband
hat die Gelegenheit, sich zuerst zu positionieren. Danach
werden wir im Herbst unsere Entscheidung treffen. Sie
wird so ausfallen, wie die Bauern es für richtig halten.
So sind die Fakten. Dann werden wir – das ist der zweite
Schritt – für ein Übergangsszenario zu sorgen haben,
wodurch den Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt
wird, die Klippe, die mit der Abschaffung der Milch-
quote verbunden ist, zu überwinden.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat nun der Kollege Hüseyin Aydin von der
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen! Liebe Kollegen! Es gibt zwei Kriterien, anenen sich die Agrarpolitik in Deutschland messen las-en muss. Es geht um soziale Gerechtigkeit und um öko-ogische Nachhaltigkeit.Es kann nicht angehen, dass ein Milchbauer mit0 Hektar Land seine Familie nicht mehr ernähren kann,eil die Preispolitik des Einzelhandels ihn an die Wandrückt. Es ist diese Marktmacht der großen Konzerne,ie der Landjugend die Perspektive raubt und die Ab-anderung aus den Randregionen in die Städte fördert.er Staat muss hier handeln; der Staat muss hier gegen-teuern. Agrarpolitik bedeutet deshalb mehr als nur dieahmensetzung für einen Wirtschaftssektor. Agrarpoli-ik muss zu einer Politik für den ländlichen Raumerden.
Familien mit bäuerlichen Betrieben benötigen ebensoie die Arbeitskräfte in den landwirtschaftlichen Betrie-en funktionierende Schulen, ein ausreichendes Angebotm medizinischen Sektor und eine funktionierende Ver-ehrsinfrastruktur.Richtig ist, dass der globale Zugang in der Agrarpoli-ik zunehmend in den Vordergrund der Debatte rückt. Esst schon erstaunlich, wie sehr die Regierung hier hinteren Erfordernissen zurückbleibt. Das angekündigte Pro-ramm von Minister Tiefensee für eine Politik gegen diebwanderung junger Frauen aus den ländlichen Regio-en, insbesondere aus dem Osten, ist nicht mehr als einropfen auf den heißen Stein. Seit Jahren werden dieördermittel für den ländlichen Raum gekürzt: auf EU-bene durch die Reduzierung der Mittel für den ELER-onds, auf Bundesebene durch die permanente Reduzie-ung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgaben im Rah-en der Förderung der Agrarstruktur und des Küsten-chutzes und auf Länderebene durch die fehlendenöglichkeiten der Kofinanzierung von Agrarumwelt-rogrammen. Am Sonntag spricht die Regierung überie Bedeutung der Politik für den ländlichen Raum.och am Montag gibt es nur heiße Luft.Meine Damen und Herren, der Agrarbericht wurde imundestag bereits in einer Aktuellen Stunde mit Ministereehofer debattiert. Blickt man auf die Ergebnisse derrößeren Betriebe in Ostdeutschland, wird auch hierer politische Einfluss auf die landwirtschaftlichen Be-riebsergebnisse deutlich. Der Einbruch der Gewinneon über 20 Prozent bei ostdeutschen Betrieben, der imgrarbericht ausgewiesen wird, erklärt sich unter ande-em durch die geringeren Direktzahlungen, die mit derntkoppelung verbunden sind, sowie durch die gerade
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Hüseyin-Kenan Aydinfür diese Betriebe deutlich wirksame Reduzierung derAgrardieselerstattung. Diese beiden Faktoren, die zumGewinneinbruch beitrugen, sind auf politische Be-schlüsse auf EU- wie auf Bundesebene zurückzuführen.Die Agrarberichterstattung in der vorliegendenForm hat sich unserer Meinung nach bewährt. Da es ei-nen sehr großen Einfluss der Politik auf diesen Wirt-schafts- und Lebenssektor gibt, ist es notwendig, die Be-richterstattung beizubehalten. Die Vergleichbarkeit unddie Evaluierung der in diesem Hause getroffenen politi-schen Entscheidungen müssen erhalten bleiben. Es istein eingespieltes System, das funktioniert und die Ver-gleichbarkeit in der Rückschau bewahrt. Die von derCDU/CSU vorgeschlagenen aktuelleren Darbietungenvon Daten und Analysen über die neuen Medien, via In-ternet zum Beispiel, können hinzukommen, widerspre-chen aber nicht der Beibehaltung des Bewährten.Einer der wichtigsten Bereiche der deutschen Agrar-wirtschaft ist die Milchproduktion. Gut 20 Prozent deslandwirtschaftlichen Produktionswertes Deutschlandswird über die Milch erwirtschaftet. Bezogen auf dielandwirtschaftliche Flächennutzung bietet die Milch-erzeugung nach wie vor die im Durchschnitt höchsteWertschöpfung pro Hektar, verbunden mit einer hohenArbeitsplatzbindung. Deutschland liegt zudem im EU-Vergleich an der Spitze der Milcherzeugung.Der von der FDP vorgelegte Antrag zum Ausstieg ausder Milchquote im Jahre 2015 wird von den Linken ab-gelehnt,
unter anderem deswegen, weil die regionale Differenzie-rung in diesem Antrag gar keine Rolle spielt. Eine völ-lige Freigabe des Milchmarktes würde sehr schnell zueiner sehr starken Konzentration der gesamten Milch-erzeugung führen. Viele kleine Erzeuger in schwierigenRegionen wie etwa den Mittelgebirgen fielen unter denTisch. Der Marktradikalismus, den die FDP hier vorhat,richtet sich gegen die Existenz Zehntausender Familien.Er richtet sich gegen ganze Regionen.Dabei hat eine industrialisierte Milchproduktion mitder Fixierung auf den Weltmarkt über die Erzeuger inDeutschland und Europa weit hinausführende Konse-quenzen. Das hat kürzlich eine Studie des EvangelischenEntwicklungsdienstes über den Weltmarkt für Geflügel-produktion gezeigt.
Innerhalb einiger weniger Jahre sind Hunderttausendeafrikanische Existenzen durch die Exporte von Billigge-flügelfleisch aus Europa und Südamerika vernichtetworden. Die europäischen Exportsubventionen ver-schlimmern dieses Problem.
Sie sollen 2013 zwar auslaufen. Zugleich wird aber denAKP-Staaten die Pistole auf die Brust gesetzt und einFHnbZdvkNitadrcLMrhIpslkPHiEpGMsd–qd
ein, das ist keine Politik für den ländlichen Raum. Dasst eine Politik für die Profite der Agrar- und Lebensmit-elkonzerne.Wir, die Linke, wollen eine sozial gerechte Politikuch für den ländlichen Raum. Deshalb unterstützen wiren von den Grünen vorgelegten Antrag zu einer weite-en Beteiligung der landwirtschaftlichen Krankenversi-herung an den Bundesmitteln für versicherungsfremdeeistungen. Außerdem ist es notwendig, die Mittel undöglichkeiten der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesse-ung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zu erhö-en. Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, mehrnfrastruktur in den ländlichen Gebieten. Das Europa-arlament hat in einer Entschließung Ende März festge-tellt, dass die gegenwärtigen Ansätze zur Förderung desändlichen Raumes nicht ausreichen. Die Linksfraktionann sich dieser Erkenntnis nur anschließen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Wilhelm
riesmeier für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Erfolg hatmmer viele Väter.
s ist im Augenblick eine spannende Zeit, um Agrar-olitik zu machen. Ich stelle die Weisheit des Kollegenoldmann und seinen Anteil an der Steigerung desilchpreises auf dem Weltmarkt nicht in Abrede. Er hatich als vorausschauender Politiker erwiesen. Ich findeas ganz beachtlich.
Ich erkenne an, dass du über drei Jahre hinweg konse-uent eine Linie verfolgt hast. Das wünscht man sich iner Politik öfter.
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Dr. Wilhelm PriesmeierGehen wir zurück zu den Wurzeln. Die Entwicklunghat 1992 mit der McSharry-Reform begonnen. Siewurde unter maßgeblicher Beteiligung der rot-grünenBundesregierung fortgesetzt.
Das Ganze hieß damals GAP-Reform. Diese Politikwurde konsequent weiterentwickelt und musste gegenviele Widerstände auf europäischer Ebene durchgesetztwerden.Der Agrarbericht spiegelt nicht die Realität wider.Aus diesem Grund ist es angemessen, sich darüber zuunterhalten, ob dieser Bericht auch in Zukunft in denbisherigen Abständen zu publizieren ist oder ob mannicht besser größere Zeiträume vorsieht.Der Kollege Goldmann hat die folgenden Fragen an-gesprochen: Wie positionieren wir uns auf dem Milch-markt, und welche Perspektiven haben wir auf diesemMarkt?
Ich glaube, wir haben ganz hervorragende Perspektiven.Das kommt auch in dem Papier, das ich dazu erstellthabe, ganz klar zum Ausdruck.
Die SPD bezieht diesbezüglich eine ganz klare Position:Ausstieg aus der Quote, und zwar mit entsprechenderBegleitung.
Wir nehmen alle Produzenten mit, die von der Quo-tenänderung, von der Quotenstreichung betroffen sind.In dieser Entwicklung stecken viele Potenziale. Ichglaube, das hat mittlerweile nicht nur die FDP erkannt,sondern auch die CDU/CSU. Manchmal muss man viel-leicht noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten. Dasgilt vor allem, wenn man Richtung Süden schaut. DieWelt dreht sich vielleicht oft um Bayern, aber nicht im-mer. Die entscheidenden Positionen zur Milchmarkt-reform werden sicherlich nicht in Bayern formuliert wer-den. Wir sind durchaus bereit, einen kritischen Dialogmit den süddeutschen Ländern, insbesondere mit Bay-ern, zu führen. Vielleicht gelingt es uns ja, im Hinblickauf den Bauerntag in Bamberg vom Bauernverbandsprä-sidenten eine klare Aussage dazu zu erhalten, die nichtausschließlich von der bayerischen Sichtweise geprägtist, sondern auch seine Verantwortung für die Landwirt-schaft in allen deutschen Bundesländern widerspiegelt.
Der Bundesminister kann sich auf meine Unterstüt-zung verlassen, sich aber auch der Unterstützung der an-deren Fachpolitiker in der SPD-Fraktion sicher sein,wenn er klar Position dazu bezieht, zu welchem Zeit-punkt und unter welchen Voraussetzungen der endgül-tlkzrVuslsBrfdsvgwmVHKbzbznbsiguzmrrddrssBsü
on daher sind die politischen Positionen und auch dieandlungsoptionen ganz klar. Ich glaube, dass wir in deroalition auf einem guten Weg sind.Zu dem Antrag, den Sie, Herr Goldmann, hier einge-racht haben: Er ist in der Zielrichtung richtig; aber be-üglich der begleitenden Maßnahmen, vor allen Dingenezüglich der Agrarumweltmaßnahmen, der Ausgleichs-ahlungen und der speziellen Angebote für die Regio-en, die von diesem Strukturwandel in besonderer Weiseetroffen sind, steht in diesem Antrag wenig. Aus die-em Grunde kann ich ihm heute nicht zustimmen. Aberch lade Sie ein, sich an unserem Antrag, der dazu eini-es aussagen
nd demnächst eingebracht wird – davon gehe ich aus –,u beteiligen und ihm zuzustimmen.
Ein weiterer Aspekt, den ich hier heute erwähnenöchte, betrifft das, was wir zukünftig für einen weite-en großen Wertschöpfungsbereich in der Veredlung zuegeln haben. Es geht um den Bereich der Schweinepro-uktion. Es gibt diesbezüglich einen Entwurf, der durchas Bundeskabinett gegangen ist, aber die Parlamenta-ier nicht ganz zufriedenstellt. Herr Minister, ich ver-preche Ihnen: Wir als Parlamentarier werden ihn geflis-entlich nachbessern.
Es ist schon ein bisschen verwunderlich, wenn derauernverband und die ZMP einen Preisvergleich an-tellen und im Hintergrund von der Schlachtindustrieberlegt wird, ob man das nicht juristisch angehen kann,
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Dr. Wilhelm Priesmeierum ihn auszuhebeln. Das zeigt, dass gerade in diesemBereich Transparenz wichtig ist. Dazu trägt natürlichbei, dass der Magerfleischanteil als einziges Kriterium,das der Mäster nachvollziehen kann, für den Preis, denman bekommt, klar und deutlich auf der Rechnung aus-gewiesen wird, damit jeder weiß, ob er fair bedient wor-den ist oder nicht.
In diesem Zusammenhang, glaube ich, wird es unsgelingen, diesen Gesetzentwurf – ich hoffe, in Zusam-menarbeit mit den Bundesländern – mit einer entspre-chenden Mehrheit gemeinsam durch dieses Parlament zubekommen zum Vorteil unserer Landwirte und zum Vor-teil aller, wahrscheinlich auch der Verbraucher. DennTransparenz ist wichtig; das wissen wir alle. Auch Klar-heit und Deutlichkeit sind wichtig. Klarheit und Deut-lichkeit erwarte ich mir heute auch in dieser Debatte hin-sichtlich der Perspektiven für unsere Landwirtschaft.Dazu werden die nachfolgenden Redner wahrscheinlichnoch wesentlich beitragen. Ich erwarte eine klare Aus-sage vom Minister, wohin es weiter geht.Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Cornelia Behm
für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Der Agrarpolitische Bericht 2007 belegt er-neut, dass bündnisgrüne Agrarpolitik für die Land-wirtschaft in Deutschland gut war.
Die grüne Agrarwende zeigt Erfolge. Bio liegt im Trend,und entsprechend hat sich die Ertragslage der Ökoland-wirte verbessert. Die Bioenergien haben sich für vieleLandwirte zu einem zweiten Standbein entwickelt. DieNachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen sorgte invielen Bereichen für die überfällige Verbesserung derErzeugerpreise.Durch falsche Entscheidungen gefährdet die Bundes-regierung nun gerade diese positiven Entwicklungen.Beispiel eins. Das Biokraftstoffquotengesetz führtdazu, dass sich die Wertschöpfung aus der Biokraftstoff-herstellung weg von den Unternehmen in den ländlichenRäumen hin zu den Mineralölkonzernen verlagert. DieKonzerne importieren ihren Beimischungskraftstoff aberzu etwa 50 Prozent, sodass die einheimische mittelstän-dische Biodiesel- und Pflanzenölproduktion aufgrundvon Absatzschwierigkeiten bereits um 30 bis 40 Prozenteingebrochen ist. Der Verlust von Arbeitsplätzen ist dieFolge. Ich bin sehr gespannt, Peter Bleser, wie ihr daswieder auffangen wollt.MÖMnsNSIMBtsptnBLsHlfkAfrAdGidrgmlarAcdbdgfmiWr
Beispiel zwei. Infolge der massiven Reduzierung derittel für die zweite Säule wurden auch die Mittel derkolandbauförderung gekürzt. Trotz des boomendenarktes konnten nur wenige Betriebe in den letzten Mo-aten und Jahren ihre Produktion umstellen. Das Ge-chäft in Deutschland machen unsere europäischenachbarn. An einer Lösung dieser Probleme scheinenie, Herr Minister, nicht interessiert zu sein. Denn mithrer klaren Absage an die Erhöhung der obligatorischenodulation versagen Sie gerade den zukunftsfähigenetrieben, die bei ihrer Betriebsentwicklung auf Quali-ätsproduktion sowie auf Umwelt- und Naturschutz ge-etzt haben, Planungssicherheit. Von der ersten Säulerofitieren hingegen vor allem große Marktfruchtbe-riebe mit geringem Arbeitskräftebedarf überproportio-al. Mit dieser Politik schwächen Sie die bäuerlichenetriebe, verschärfen Sie den Strukturwandel in derandwirtschaft und verschlechtern Sie die Arbeitsplatz-ituation im ländlichen Raum.
err Minister, Ihr verbales Engagement für die Entwick-ung der ländlichen Räume wird damit ad absurdum ge-ührt.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regierungs-oalition, korrigieren Sie diese Fehlentwicklungen in dergrarpolitik. Entwickeln Sie ein schlüssiges Konzeptür die Entwicklung des ländlichen Raums samt aus-eichender Finanzausstattung für seine Förderung. Dieusweitung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserunger Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ hin zu eineremeinschaftsaufgabe für die ländlichen Räume, die wirn unserem Antrag fordern, ist der richtige Weg.
Gewähren Sie auch den Betrieben Planungssicherheit,ie im Vertrauen auf die zweite Säule auf die Erzeugungegionaler Qualitätsprodukte und auf Diversifizierungesetzt haben. Setzen Sie sich zu diesem Zweck im Rah-en des Gesundheitschecks der Gemeinsamen Agrarpo-itik für eine Erhöhung der obligatorischen Modulationuf 10 Prozent ein. Rücken Sie die globale Herausforde-ung des Klimawandels ins Zentrum der Gemeinsamengrarpolitik. Sorgen Sie dafür, dass die landwirtschaftli-he Krankenversicherung auch nach 2009 weiterhin anen Bundesmitteln für versicherungsfremde Leistungeneteiligt wird – all das ist noch offen –, und sorgen Sieafür, dass der Arbeitskräftebesatz eines Betriebes einenroßen Einfluss auf die Bemessung der Höhe der Agrar-örderung bekommt.Damit wir die Wirkungen Ihrer Agrarpolitik in regel-äßigen Abständen überprüfen können, sollten Sie auchn Zukunft jedes Jahr einen Agrarbericht vorlegen.
er den Berichtszeitraum auf einmal pro Legislaturpe-iode verlängern will, der will die Fehler seiner Politik
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Cornelia Behmverschleiern. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen,das sollten Sie nicht tun.
Für die Bundesregierung erteile ich nun Herrn Bun-desminister Horst Seehofer das Wort.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fürmich als zuständigen Bundesminister ist es nicht leicht,meine Rede zu halten, nachdem bereits der erste Rednerder Opposition ein so wahrhaftiges und ehrliches Bildvon der Lage der deutschen Landwirtschaft gezeichnethat, wie es der Kollege Goldmann gerade getan hat. Erhat gesagt: Die Landwirtschaft boomt in einem Ausmaß,das wir uns nicht erträumt hätten. – Eigentlich könntenwir es in dieser Debatte bei dieser Aussage belassen.
Dieser Aufschwung hat viele Ursachen. KollegePriesmeier, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass dienotwendigen Reformen schon vor 15 Jahren eingeleitetwurden; dabei handelt es sich um mehrere Reformen.Ich stimme ebenfalls Peter Bleser zu, der darauf hinge-wiesen hat, dass dieser Aufschwung auch mit der aktuel-len Politik zu tun hat.
Herr Goldmann, ich glaube, dass wir vor allem zweiHauptbotschaften in die Tat umgesetzt haben: Verläss-lichkeit und Vereinfachung. Dadurch wiederum er-höhte sich die Motivation und verbesserte sich die Stim-mung der Bauern. Die Bereitschaft zu Innovationen undInvestitionen ist groß. Am meisten freut mich, dass wie-der mehr junge Menschen bereit sind, einen „grünen“Beruf, also einen Beruf in der Agrar- und Ernährungs-wirtschaft, zu erlernen. Das bedeutet Zukunft.
Nachdem ich gerade erst vom letzten Agrarrat, derdrei Tage lang in Luxemburg stattgefunden hat, zurück-gekehrt bin, kann ich Ihnen gegen Ende der deutschenEU-Ratspräsidentschaft berichten – das hätte ich imJanuar dieses Jahres nicht für möglich gehalten –, dasswir alle 25 großen und bedeutsamen Vorhaben, die wirauf den Gebieten des Tierschutzes, der Agrarwirtschaftund des Verbraucherschutzes in Angriff genommen ha-ben, mit Unterstützung aller EU-Mitgliedsländer reali-siert haben. Wenn man hört: „25 neue Richtlinien bzw.Verordnungen“, muss man zunächst befürchten, das be-deute neue Bürokratie.
Doch so ist es nicht. Wir haben die Grundausrichtungder Verlässlichkeit und Vereinfachung fortgesetzt. Bis zudUeAdsnfcTCDnmdheds1t5idgaSdslhnAkhAdldwla
Ich nenne nur drei Beispiele:Erstens. Die Bauern werden sich besonders darüberreuen, dass wir Wort gehalten haben, was die Vereinfa-hung der Kontrollen zur Einhaltung der Umwelt- undierschutzstandards angeht; für Fachleute: Cross-ompliance.
as haben wir einstimmig beschlossen. Das ist nochicht das Ende der Vereinfachung auf diesem Feld. Aberit der Harmonisierung der Kontrollsätze – 1 Prozenter Betriebe –
aben wir den ersten Schritt getan. Wir haben den Bau-rn immer gesagt: Wenn die EU will, dass bei 1 Prozenter Betriebe die Einhaltung der Umwelt- und Tier-chutzstandards kontrolliert wird, dann soll es auch beiProzent bleiben und dann darf dieser Anteil durch na-ionale oder föderale Strukturen nicht plötzlich beiProzent landen. Die Kontrollen – das haben die Bauernmmer gefordert – müssen jetzt vorher angekündigt wer-en.Zweitens. Es gibt jetzt eine Bagatellregelung, damiteringfügige Verstöße nicht mit finanziellen Strafen be-ntwortet werden müssen. Hier ist die Dienstleistung destaates, nämlich die Beratung, gefragt. Ferner – das wirdie eigenständige Qualitätssicherung der Landwirtschaftehr unterstützen – werden künftig Betriebe, die freiwil-ig an Qualitätssicherungssystemen teilnehmen, nicht soäufig staatlich geprüft wie diejenigen, die an so etwasicht teilnehmen.
uch das ist eine gewaltige Vereinfachung, und sieommt in den Höfen an.Mein drittes Beispiel aus diesen 25 bedeutsamen Vor-aben – ich werde dem zuständigen Ausschuss, demgrarausschuss, noch vor der Sommerpause im Detailarüber berichten – ist, dass wir die auch für Deutsch-and bedeutsame Marktreform bei Obst und Gemüseurchgesetzt haben, und zwar ebenfalls einstimmig. Dasar nicht einfach. Wir runden die Agrarreformen deretzten 15 Jahre, die zu Recht gelobt worden sind, jetztb, indem wir schrittweise auch bei Obst und Gemüse
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Bundesminister Horst Seehoferzur Betriebsprämienregelung übergehen. Auch das be-deutet eine deutliche Vereinfachung der Verwaltung.
Da mittlerweile fast hundert Prozent der Agrarent-scheidungen, die für Deutschland bedeutsam sind, inBrüssel und in Luxemburg fallen, möchte ich an dieserStelle dick unterstreichen, dass wir die Dinge ernst neh-men, wenn wir von Verlässlichkeit und Vereinfachungreden.
Weil ich gerade den Kollegen Ortel sehe, möchte ichhinzufügen, dass wir in dieser Woche in Luxemburg zumersten Mal seit vielen Jahren Ernst gemacht haben mitdem Schutz der Fischbestände, sei es beim Aal, sei esbeim Dorsch, sei es beim Roten Thun, sei es bei derScholle, sei es bei der Seezunge. Es ging also nicht nurum ökonomische Interessen, auch die Nachhaltigkeit,auch der Schutz wichtiger Arten in Europa hat in Lu-xemburg in dieser Woche eine Rolle gespielt.
Ich bin gerade aufgefordert worden, etwas zur Milch-quote zu sagen. Das tue ich gerne, und das möchte ichbeim Deutschen Bauerntag in Bamberg genauso tun wieheute hier; da hat das Parlament das Vorrecht. Die Gel-tung der Milchquote läuft im März 2015 aus. Ich finde,man sollte der Öffentlichkeit und den Bauern sagen, dasses im Moment so aussieht, dass wohl nicht mit einer Ver-längerung zu rechnen ist. Trotzdem müssen wir sehen,dass wichtige Staaten der Europäischen Union sich imMoment auf diesem Feld zu positionieren beginnen; ichnenne die Franzosen.
– Nein. Sie reden gerade mit ihren Bauern darüber, wiesie sich in dieser Frage positionieren. Ich weiß, dassauch andere Mitgliedstaaten dies tun. Deshalb bin ichdafür, ehrlich festzustellen: Die Geltung der Milchquoteläuft im März 2015 voraussichtlich aus. Ich möchte Be-mühungen, die Geltung der Milchquote zu beenden, nurdann unterstützen, wenn wir den Bauern sagen können,wie wir sie bis 2015 begleiten und was nach 2015kommt. Mit der einfachen Botschaft, dass die Milch-quote ausläuft – dies müssen wir den Bauern bei der Be-schreibung der Situation sagen –, dürfen wir die Bauernnicht alleine lassen. Würden wir es alleine bei dieserBotschaft belassen, dann könnte man die Milchquote biszum Jahre 2015 nicht mehr funktionsfähig gestalten.Hier dürfen wir die Bauern unter keinen Umständen al-leine lassen.Nun kenne ich das europäische Konzert. Ich unter-stütze eine solche Politik bis und nach dem Jahre 2015nur, wenn die Europäische Kommission spätestens biszum Jahre 2008, also bis zum nächsten Jahr, klipp undklar sagt, was für die Bauern geschieht, insbesondere fürjene, die bei einem Auslaufen der Milchquote keine Be-wGBkweSIskhsGfhPsOrafWtidfvWzghwWgnnwmVwIsdsw
Herr Goldmann, ich sage das aus einem zweitenrund – ich komme damit zum Schluss –: Bei allem Er-olg und aller guten Stimmung in der Landwirtschaft ste-en wir vor einigen Megathemen, durch die dieses zarteflänzchen der Innovation und der Investition sehrchnell wieder ausgetreten werden kann, wenn wir nichtbacht geben. Es geht um die WTO und die Liberalisie-ung des Welthandels, für die ich sehr bin. Diese mussber zu fairen Bedingungen für alle, insbesondere auchür unsere deutschen Landwirte, erfolgen.
ir haben gerade mit den Biodieselherstellern disku-iert, die sich bei uns darüber beschwert haben, dass sien Deutschland mit einer Besteuerung konfrontiert wer-en, während die Amerikaner – das werde ich nachprü-en – den Export ihres Biodiesels nach Europa in massi-er Weise unterstützen. So stelle ich mir einen fairenelthandel nicht vor.
Wir führen eine riesige Debatte über die erste undweite Säule. Frau Kollegin Behm, ich möchte Ihnen sa-en: Auch die erste Säule ist eine Umweltsäule, weil esierbei um die Direktzahlung für das Einhalten von Um-elt- und Tierschutzstandards geht.
ir zahlen nicht mehr für die Produktion, sondern esibt eine Prämie für die Bewirtschaftung einer Fläche.Ich weise darauf hin, dass wir die Folgen der Auf-ahme von Rumänien und Bulgarien in die EU noch fi-anzieren müssen, was auf die Direktzahlungen Aus-irkungen haben wird. Wir werden damit rechnenüssen, dass wir in den nächsten sieben Jahren an denorgaben der Agrarleitlinie vorbeischrammen, was zueiteren Senkungen der Direktzahlungen führen wird.ch darf Ihnen auch noch sagen, dass die osteuropäi-chen Staaten bei jeder Entscheidung in der EU Wertarauf legen, dass sie schneller als ursprünglich beab-ichtigt an das Förderniveau der alten EU herangeführterden.
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Bundesminister Horst Seehofer
Deshalb bin ich bei der Milch vorsichtig.Wenn wir solche Megathemen vor uns haben – nichtin der ferneren Zukunft, sondern in den nächsten Jahren –,dann möchte ich genau wissen, was auf unsere Agrar-und Ernährungswirtschaft – von der WTO bis hin zu Ru-mänien und Bulgarien – zukommt und was bei der Milchselbst geschieht, bevor ich dem deutschen Parlament undder deutschen Öffentlichkeit sage: Jawohl, die Milch-quote läuft aus. Es könnte sonst nämlich zu einer Addi-tion der Belastungen für die deutsche Agrarwirtschaftkommen, die auch gute Betriebe nicht mehr aushalten.Das möchte ich vermeiden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Edmund Geisen.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da-
men und Herren! Eigentlich gilt es heute, eine Halbzeit-
bilanz hinsichtlich der Agrarpolitik zu ziehen. Da der
agrarpolitische Bericht der Bundesregierung allerdings
hinter unserem FDP-Antrag versteckt wird, darf man an-
nehmen, dass die sogenannte Große Koalition an ihrer
eigenen Politik Zweifel hat.
Dazu hat sie auch allen Grund; denn diese Agrarpolitik
ist von sehr vielen Ankündigungen, wie Sie sie auch
eben wieder gehört haben, und auch von der Sprunghaf-
tigkeit eines Ministers geprägt, der bei all seinen Äuße-
rungen immer wieder mit einem Auge nach Bayern
schielt, zum Beispiel bei der Milchquote, bei der Grünen
Gentechnik, bei der landwirtschaftlichen Unfallversiche-
rung usw. Auch die momentane Marktentwicklung ist
nicht der Erfolg des Ministers.
Verehrter Herr Minister, natürlich gibt es gute An-
sätze. Aber vieles ist meiner Ansicht nach noch mageres
Stückwerk und ohne sichtbaren Erfolg. Hätten Sie auf
die FDP gehört, wären viele Probleme gelöst. Da fehlte
wohl der Mumm in den Knochen.
Die sogenannte Eckpunkteregelung für Saison-
arbeitskräfte ist und bleibt ein Flop. Es ist doch ein
Witz, die Probleme des deutschen Arbeitsmarktes auf
den Spargelfeldern lösen zu wollen.
Die Minister Müntefering und Seehofer stehen hier vor
dem Scherbenhaufen ihrer Chaospolitik.
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ährend die FDP-Anträge zur Korrektur dieser ver-
orksten Regelung von CDU/CSU und SPD stets abge-
ehnt wurden, spielen immer mehr Vertreter dieser Par-
eien in Bund und Ländern Opposition und fordern eine
orrektur dieser Lösung.
as ist blanker Populismus. Die CDU/CSU kritisiert die
issstände, die sie selbst geschaffen hat. Diese Doppel-
üngigkeit dürfen sich die Landwirte nicht länger bieten
assen. Schöne Worte bringen gar nichts; die praxis-
remde und planwirtschaftliche Erntehelferregelung
uss endlich weg.
ch fordere die Kritiker aus Ihren eigenen Reihen auf,
ndlich Farbe zu bekennen und mit einer Bundesratsini-
iative aktiv zu werden.
Bei der Gesundheitsreform haben Sie, Herr Minister
eehofer, eine eklatante Ungleichbehandlung der land-
irtschaftlichen Krankenkassen in Kauf genommen.
er landwirtschaftliche Berufsstand wurde von den ver-
icherungsfremden Leistungen abgekoppelt, und nun su-
hen Sie verkrampft nach Lösungen. Ich begrüße den
on Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Antrag.
ie FDP teilt voll und ganz die darin zum Ausdruck ge-
rachte Sorge, dass die landwirtschaftlichen Kranken-
assen trotz gegenteiliger Aussagen vieler meiner
chwarzen Kollegen nicht in den Genuss der Bundesmit-
el kommen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dieser
egierung gibt es keine Planungssicherheit für die Land-
irte. Deren Interessen werden beim parteipolitischen
achtpoker leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Gleichzeitig
ersucht man, die FDP-Vorschläge durch die Hintertür
ls eigene Politik einzubringen. So sieht die Halbzeitbi-
anz für die schwarz-rote Agrarpolitik aus.
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Nächster Redner ist der Kollege Sascha Raabe für die
PD.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch freue mich, dass in der Debatte gesagt wurde, dieandwirtschaft in Deutschland boome. Der Agrarpoliti-che Bericht enthält viele Aussagen zur nationalen Situa-ion. Mir als Entwicklungspolitiker sei aber erlaubt, dassch auch auf den internationalen Teil des Agrarpoliti-chen Berichts eingehe. Dort wird die FAO, die Land-
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Dr. Sascha Raabewirtschafts- und Ernährungsorganisation der VereintenNationen, zitiert, wonach weltweit immer noch fast1 Milliarde Menschen unter chronischem Hunger leiden;fast 70 Prozent von ihnen leben im ländlichen Raum.
Fast 30 000 Menschen sterben täglich noch an den Fol-gen von Hunger und Armut. Dies zeigt uns, dass fürganz viele Menschen auf der Welt die Landwirtschaft imwahrsten Sinne des Wortes eine Frage des Überlebensbedeutet.Alles, was wir in Deutschland und in Europa auf die-sem Gebiet tun, ist nicht ohne Auswirkungen auf dieseMenschen. An Positivem nenne ich, dass die FAO vomBMELV unterstützt wird und aus dem Haushalt diesesMinisteriums Geld für die Ernährungssicherung bereit-gestellt wird, wie es auch das Ministerium für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung tut. Wirtun weltweit viel für die ländliche Entwicklung, um dieMenschen in die Lage zu versetzen, sich selbst zu helfenund mit dem entsprechenden Know-how und der erfor-derlichen Technologie Landwirtschaft zu betreiben,wozu sie allerdings auch bestimmte Handelsmöglichkei-ten brauchen. Auch begrüße ich es, dass die Hungerbe-kämpfung und Ernährungssicherung in Afrika auf demG-8-Gipfel eine große Rolle gespielt haben und unskünftig mehr Mittel zur Verfügung stehen werden, umMenschen in Afrika und anderen Entwicklungsländernzu helfen, Landwirtschaft zu betreiben.Aber man muss sich dann auch fragen, ob es etwasnützt, dass wir einem Kleinbauern in Afrika zeigen, wieer mit Bewässerungssystemen Getreide anpflanzt oderGeflügelzucht oder Milchwirtschaft betreibt, wenngleichzeitig durch Exportdumping und hochsubventio-nierte Überschussproduktion die dortigen Märkte im-mer noch so gestört werden, dass er seine Produkte nichtverkaufen kann. Wir haben das Beispiel in Bezug aufGeflügel aus Belgien und Holland gehört, das in Senegalzu großen Problemen geführt hat. Wir wissen aber auch,dass wir mit dem Export von Milchpulver aus der EUebenso Probleme verursachen. Allein nach Burkina Fasowurden 1 150 Tonnen getrocknete Vollmilch exportiert;das sind im Prinzip Peanuts, aber für die Menschen dortbedeutet es eine katastrophale Situation, weil die dortaus dem Milchpulver aufbereitete Milch 30 bis 60 Centpro Liter kostet, während der Milchbauer, der dort seineeigene Kuh hat, sie melken und die Milch pasteurisierenmuss, 90 Cent dafür verlangen muss, sodass seine Exis-tenz gefährdet wird.
Herr Minister, auch ich bin für faire Bedingungen inder WTO. Ich bin ebenso der Letzte, der nicht die Mei-nung verträte, es wäre gut, wenn die deutsche Landwirt-schaft Alternativen im internationalen Wettbewerb er-hielte, die Bauern sich zum Beispiel zum Energiewirtfortentwickeln könnten. Ich habe volle Sympathie dafür,dass die Besteuerung von Biodiesel fair geregelt werdenmuss. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass immernOHHdzeSzwüsaebgZlhlddezdmubsadgpciswselEeiknvvmtKtv
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– Dann waren es 97 Prozent. – Das ist ein Beispiel für
Ihre Doppelzüngigkeit.
Dieses Verbraucherinformationsgesetz bedeutet letztlich
eine Informationsverschlechterung gegenüber bestehen-
den Informationsfreiheitsgesetzen. Das muss man sich
auf der Zunge zergehen lassen.
Ich möchte kurz auf das Thema Milch eingehen. Ich
denke, auch hierbei ist nicht klar, was der Minister ei-
gentlich will. Wir alle haben im Ausschuss erleben kön-
nen, dass Sie sich eindeutig für die Abschaffung der
Milchmengenregulierung ausgesprochen haben. Jetzt
wiederum soll abgewartet werden, wie sich der Bauern-
verband dazu äußert. Wer macht eigentlich die Regie-
rungsarbeit?
Ich halte es für wichtig, dass die notwendigen Rahmen-
bedingungen geschaffen werden, damit die Milcherzeu-
ger ihrer Arbeit nachgehen können.
Das ist aber definitiv nicht der Fall.
Ich will noch auf die Äußerungen von Herrn Seehofer
auf dem Kirchentag eingehen, die ich für eine falsche
Darstellung halte. Ich würde zwar nie einen Minister der
Lüge bezichtigen – erst recht nicht unter dem Dach der
Kirche –, aber vielleicht ist das, was in seinem Hause er-
arbeitet wurde, nicht ausreichend bekannt gemacht wor-
den. Es ging um die Kürzungen der Mittel für ländli-
che Räume. Die Mittel für diesen Bereich wurden, wie
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ie massive Verschlechterung in diesem Bereich ist klar
rkennbar.
Des Weiteren hat der Minister angekündigt, dass es
eim Schutz vor Agrogentechnik zu keinen Verschlech-
erungen kommt. Ich denke, dass wir ihn hinsichtlich
ieses Versprechens beim Wort nehmen sollten, was die
chutzstandards angeht. Wir sind gespannt auf das, was
ie uns noch vor der Sommerpause vorlegen werden,
nd werden Sie daran messen, ob Verschlechterungen
irklich unterbleiben.
Der Minister hat aber auch festgestellt, dass es unter
enate Künast mehr Freisetzungen und Agrogentechnik
egeben hat. Auch das stimmt nicht. Das zeigen die Zah-
en. 2001 wurden 46, 2002 31, 2003 20, 2004 22, 2005
2, 2006 52 und 2007 78 Freisetzungsversuche durch-
eführt. Insofern ist auch das definitiv eine Falschaus-
age.
Des Weiteren haben Sie festgestellt, als gute fachliche
raxis hätten bei Renate Künast 20 Meter gegolten, und
ei Ihnen seien es jetzt 150 Meter, was im Übrigen viel
u wenig ist. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzu-
eisen, dass es unter Renate Künast keinen kommerziel-
en Anbau gab. Mit MON 810 haben Sie erstmals den
ommerziellen Anbau ermöglicht, den Sie jetzt aufgrund
er von uns frühzeitig geäußerten Bedenken in ökologi-
cher, gesundheitlicher und rechtlicher Hinsicht rück-
ängig machen mussten. Auch das ist also eine klare
ehlinformation.
Ich denke, gerade auch der Agrarbereich verdient es,
ass wir zu einer jährlichen Bewertung dieser Regierung
ommen sollten.
Danke.
Nun erteile ich das Wort der Kollegin Marlene
ortler für die Fraktion der CDU/CSU.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen underren! Wie Politik nicht funktioniert – damit wende ichich an den Kollegen Aydin –, hat das SED-Regime ge-eigt. 1989 musste dieses Experiment nämlich beendeterden.
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Marlene Mortler
Was die Ausführungen meiner Vorrednerin vomBündnis 90/Die Grünen angeht, verstehe ich jetzt, wa-rum meine Bauern und Bäuerinnen in Bayern bis heutedas Stoßgebet „Lass diese grüne Landwirtschaftsminis-terin nie wieder ins Amt kommen!“ zum Himmel schi-cken.
Seit dem Regierungswechsel hat sich die Stimmungbei den Bauern und Bäuerinnen – ich glaube, das ist sehrdeutlich geworden – massiv verändert.
Aber ich gebe gerne zu – ich will ehrlich sein –, dass diepositive Stimmung nicht überall im Geldbeutel ihrenNiederschlag gefunden hat. Das gilt vor allem für dieMilchbauern. Horst Seehofer hat die Wahrheit gesagt,als er darauf hingewiesen hat. Wir müssen damit rech-nen, dass die Regelungen betreffend die Milchquote aus-laufen. Wenn sie auslaufen, müssen wir entsprechendeBegleitmaßnahmen beschließen, und zwar nicht erst inacht Jahren, sondern möglichst rechtzeitig.Ich sage aber an dieser Stelle ganz deutlich: AuchBauer und Bäuerin sind Unternehmer. Auch sie habenEigenverantwortung. Auch sie müssen ihre Hausaufga-ben machen. Wenn bestimmte Kreise glauben, dass diePolitik den Preis verordnen kann und muss, dann sind sieauf dem Holzweg.
Bauer und Bäuerin brauchen eine Politik, die sie auf Au-genhöhe mit ihren jeweiligen Marktpartnern bringt; da-rauf müssen wir setzen. Bauer und Bäuerin arbeitengerne, gut und hart, weil sie Verantwortung für Mensch,Tier und Umwelt haben, und das 365 Tage im Jahr. Sie ha-ben natürlich auch Verantwortung für die eigene Familie.Lieber Bundesminister, herzlichen Dank, dass Sie esinnerhalb kürzester Zeit geschafft haben, wieder in unse-rem Bewusstsein zu verankern, dass in DeutschlandNahrungsmittel mit hervorragender Qualität produziertwerden, und dass Sie auf das Modell einer vielfältigenund multifunktionalen Landwirtschaft setzen. Nebenbeibemerkt: Es gibt keinen Wirtschaftszweig, der so nach-haltig im Sinne einer geschlossenen Kreislaufwirtschaftwirtschaftet wie unsere Landwirtschaft.
Mir ist natürlich bewusst, dass die Zahl der Betriebeabnimmt. Aber die Bedeutung von Landwirtschaft undLandbewirtschaftung wird zunehmen. Die Zukunftkommt immer schneller und lässt sich immer wenigervorhersagen. Aber eines wissen wir schon heute: DieWeltbevölkerung wächst, während die Flächen, die derLandwirtschaft zur Verfügung stehen, abnehmen. DieNachfrage nach Lebensmitteln und vor allem nach Ener-gie und unseren landwirtschaftlichen Rohstoffen steigt.DwznILsgAdldPuZwbSLreaftwgnenßmUDtggsndwS
ie ist für viele eine Überlebensfrage.
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10484 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Marlene MortlerDer Agrarbericht, über den wir heute unter anderemgesprochen haben, ist zwar wichtig, aber noch wichtigerist, dass wir die Weichen für diese Zukunftsbranche rich-tig stellen.Ich bedanke mich.
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin
Waltraud Wolff für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Früher war nicht alles gut, und heute ist nicht al-
les schlecht. Ich bin nun die letzte Rednerin in dieser De-
batte. Die Zuschauerinnen und Zuschauer, die hier sind,
werden wohl die Aussage, dass die Regierung nur Chaos
verursacht, auf der anderen Seite aber die Landwirt-
schaft boomt, merkwürdig finden. Was sollen die Zu-
schauerinnen und Zuschauer eigentlich davon halten?
Deshalb fühle ich mich als Politikerin der SPD, die an
der alten Regierung beteiligt war und jetzt an der neuen
Regierung beteiligt ist, dazu aufgerufen, die Dinge rich-
tigzustellen und einige Ergänzungen zu bringen.
Ganz eindeutig ist die Agrarreform von 2003 eine
wichtige Grundlage dafür, dass die Landwirtschaft da
steht, wo sie heute ist.
Diese Jahreszahl möchte ich ausdrücklich betonen. Wei-
terhin möchte ich das Erneuerbare-Energien-Gesetz
nennen, das zu einem Boom geführt hat, den niemand
für möglich gehalten hat. Auch das haben wir unter der
alten Regierung gemacht. Ich höre sehr gerne, dass Sie,
Herr Minister Seehofer, gesagt haben, der Boom habe
natürlich auch mit der aktuellen Politik zu tun.
In diesem Zusammenhang möchte ich einen anderen
Bereich ansprechen, der auch sehr geboomt hat. Das ist
der Ökolandbau. Wir wissen alle, dass Bioprodukte in
den vergangenen Jahren ein solcher Renner geworden
sind, dass die deutsche Produktion schier nicht mehr
nachkommt und wir Produkte aus dem Ausland impor-
tieren müssen. Wir haben in der Vergangenheit den Öko-
landbau gefördert. Diese Förderung ist etwas zurückge-
gangen. Ich wünsche mir, dass wir diesen Boom nicht
brechen, so wie es in der Bioenergiebranche im Moment
der Fall ist. Wir sollten den Weg weiter verfolgen und
dafür im neuen Haushalt etwas mehr Mittel bereitstellen.
– Andere verdienen auch, und auch die unterstützen wir.
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eute hier von Doppelzüngigkeit zu reden, finde ichicht gerechtfertigt.
Ich möchte zu meiner eigentlichen Rede kommen.ir haben vorhin schon gehört, dass der Wert der Roh-ilch im Mai auf die neue Rekordmarke von 38,39 Centestiegen ist. Das sind 4 Cent über dem Wert des Vormo-ats und 13 Cent über dem Wert des Vormonats des letz-en Jahres. Die große Nachfrage auf den Milchmärktenat sich mittlerweile in den Preisabschlüssen mit denolkereien niedergeschlagen. Ich hoffe und erwarte,ass diese Preissteigerungen jetzt von den Molkereien anie Landwirte weitergegeben werden.
Eine ähnlich positive Preisentwicklung sehen wiruch auf anderen Märkten, etwa auf den Getreide- undlsaatenmärkten. Für die Landwirtschaft bedeutet daswar einerseits einen fortschreitenden Strukturwandel;uf der anderen Seite kann sie mit steigenden Ein-ommen rechnen. Geschätzt wird eine Zunahme von 5 bis0 Prozent. Ökologisch wirtschaftende Betriebe erziel-en sogar 30 Prozent mehr Gewinn als konventionellirtschaftende Betriebe. Das macht eines ganz deutlich:s zahlt sich für die Bauern aus, dass wir neue Märktend Einkommensalternativen fördern und erschließen.as gilt ganz besonders für die Nutzung der Biomasse.Die steigende Bedeutung der Biomasse ist hier schonehrfach angesprochen worden. Damit verbunden istin enormes ökonomisches Potenzial. Steigende Preiseür Futtermittel zeigen allerdings auch, dass es eine Kon-urrenz zwischen Lebensmitteln und Futtermitteln aufer einen Seite und energetischer Verwertung auf der an-eren Seite gibt. Wir brauchen aber eine gleichgewich-ige Entwicklung beider Märkte. Wir sollten uns zumeispiel im Zuge einer Novellierung des EEG – sie stehtrgendwann an – überlegen, wie man auf der einen Seiteen Maismarkt entlasten und auf der anderen Seite denreislauf wieder schließen kann. Denkbar ist, denAWARO-Bonus im EEG auf Pressschnitzel aus Zu-kerrüben und auf Schlempe aus Getreide und Kartof-eln auszudehnen, um den Maismarkt so zu entlasten.
ir wollen das einfach einmal prüfen.)
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10485
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Waltraud Wolff
Die Besteuerung von Biokraftstoffen ist für dieBranche – das wissen wir alle hier – eine hohe Belas-tung. Spätestens mit dem Inkrafttreten der nächsten Er-höhung um 6 Cent je Liter ist die Wettbewerbsfähigkeitnicht mehr gegeben. Wir müssen handeln.
Wir brauchen eine Lösung, die gerade denjenigen Be-trieben zugute kommt, die über regionale KreisläufeWertschöpfung im ländlichen Raum betreiben. Das wer-den wir anpacken. Wir wollen hier Perspektiven sichern.Ich habe die Preisentwicklung bei der Milch bereitsangesprochen. Wir alle freuen uns über diese Entwick-lung. Wie mehrere Kollegen in dieser Debatte schon ge-sagt haben, fordern die Landwirte von uns aber eineklare Entscheidung über die Zukunft der Milchquote.Diese Entscheidung brauchen wir rechtzeitig.Herr Minister Seehofer, ich bin froh, dass Sie diesesThema angesprochen haben. Leider jedoch ist kein Wegaufgezeigt worden. Ab Juli dieses Jahres wird es nurnoch ein Quotengebiet geben und wird sich die Milch-produktion bessere Standorte, etwa Grünlandstandorte,suchen.
Das heißt, wir sollten nicht der Frage nachgehen, ob einAusstieg aus der Quote sinnvoll ist oder nicht. Wir inDeutschland müssen uns unabhängig von der EU-Ent-scheidung schon Gedanken darüber machen, wie wir da-mit umgehen. Ein Verweis auf Ausgleichsmaßnahmenoder auf Agrarumweltprogramme reicht da nicht. Umden Landwirten zu helfen, müssen wir exakte Alternati-ven deutlich machen.
Ich will einen letzten Punkt ansprechen. Ich freuemich, dass die Grünen ihr Herz für die landwirtschaftli-che Sozialversicherung wieder entdeckt haben. In derVergangenheit – ich brauche nur an die landwirtschaftli-che Unfallversicherung zu denken – haben wir gegenden Widerstand der SPD, insbesondere gegen meinenpersönlichen Widerstand, immer wieder eine Rückfüh-rung der Bundesmittel erleben müssen. Ich freue mich,dass Sie in Bezug auf die Krankenversicherung hiernoch einmal die versicherungsfremden Leistungen ange-sprochen haben. Natürlich sind diese Leistungen bis2009 zugesagt. Ich habe keinen Zweifel an der Regie-rung.
– Das zieht ja schon jetzt. Natürlich bekommen sie versi-cherungsfremde Leistungen bis 2009.Was die Zeit danach angeht, gibt es eine Absprachemit dem Ministerium, dass selbstredend Lösungen ge-funden werden, wenn es hier zu Verwerfungen kommt.IrSUsfhhAws1fasBLddAbdwdecDBttmBGDwd
ch habe keinen Grund, an der Aussage der Bundesregie-ung zu zweifeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zumchluss. Ich freue mich, dass heute auch zur Reform dernfallversicherung noch einmal klare Worte gefallenind. Wir werden das Vorschaltgesetz und auch die Un-allversicherung noch in diesem Jahr reformieren. Ichoffe, Sie alle helfen mit und tragen dazu bei, dass wirier zu guten Lösungen kommen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu einigenusschussüberweisungen und Abstimmungen.Tagesordnungspunkte 4 a) bis 4 g). Interfraktionellird die Überweisung der Vorlagen auf den Druck-achen 16/4185, 16/4289, 16/5421, 16/3217, 16/3218,6/5427 und 16/5503 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Der Entschließungs-ntrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Druck-ache 16/5599 zum Agrarpolitischen Bericht derundesregierung soll an den Ausschuss für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen wer-en. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ister Fall. Dann verfahren wir so.Tagesordnungspunkt 4 h): Beschlussempfehlung desusschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-raucherschutz zu dem Antrag der Fraktion der FDP mitem Titel „Planungssicherheit für Landwirte und Milch-irtschaft durch definitiven Beschluss zum Auslaufener Milchquotenregelung schaffen“. Der Ausschussmpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-he 16/4595, den Antrag der Fraktion der FDP aufrucksache 16/3345 abzulehnen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Gegenprobe! Stimmt die Frak-ion der FDP gegen die Beschlussempfehlung? – Enthal-ungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenommenit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktionündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke beiegenstimmen der FDP-Fraktion.Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktion der LINKENHaltung der Bundesregierung zur drohendenAltersarmut in Deutschland aufgrund des zugeringen RentenniveausIch bitte die Kolleginnen und Kollegen, die an deriskussion in der Aktuellen Stunde nicht teilnehmenollen, ihre Gespräche vor dem Plenarsaal oder an-erswo fortzuführen.
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10486 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Vizepräsidentin Gerda HasselfeldtIch eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Volker Schneider für die Fraktion DieLinke das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnenund Kollegen! Seit Wochen und Monaten feiert sich dieBundesregierung wegen des Aufschwungs und ignoriertdabei gnadenlos, dass dieser wenigen nützt und an vielenschlicht vorbeigeht. Die DAX-Unternehmen erzielen be-merkenswerte Gewinnsteigerungen weit über demdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum und scheinendennoch ihre vornehmste Aufgabe darin zu sehen, ihrePersonalkosten noch weiter zu senken.Aber das ist heute nicht unser Thema. Wie sieht es beider Rente aus? Wirtschaftswachstum im Jahre 2006:2,7 Prozent. Rentenerhöhung: Fehlanzeige. Das bedeutetunter Berücksichtigung der Inflationsrate real ein Minusvon 1,7 Prozent bei Rentnerinnen und Rentnern.
2007 wird Ihre Bilanz ähnlich „erfolgreich“ ausfallen.Die Rentenerhöhung – man traut sich das Wort „Erhö-hung“ in diesem Zusammenhang kaum in den Mund zunehmen – wird mit 0,54 Prozent wieder deutlich hinterder allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zurück-bleiben, und nach Abzug der Inflationsrate werden Rent-nerinnen und Rentner wieder real weniger in den Ta-schen haben.
– Lieber Kollege Schaaf, wenn Sie es nicht einmalschaffen, in dieser Phase des Aufschwungs die wirt-schaftliche Lage dieser Menschen nicht zu verschlech-tern, dann kann einem hinsichtlich der zyklisch zu er-wartenden Einbrüche der Konjunktur nur noch angst undbange werden.
Erfolgreich sind Sie vor allem darin, das Vertrauender Menschen in die gesetzliche Rentenversicherung zuzerstören. Im Januar dieses Jahres ermittelte Allensbach,dass 88 Prozent der Bevölkerung kein oder wenig Ver-trauen in die Zukunft der gesetzlichen Rente haben. Dasist ein absoluter Tiefpunkt.
Es ist leider nicht nur ein gefühlter Mangel an Vertrauen.Es sind die harten Daten und Fakten, die dieses Miss-trauen stützen.Ende der 90er-Jahre erreichte ein Durchschnittsver-diener oder eine Durchschnittsverdienerin mit 28,6 Bei-tragsjahren das Niveau der Grundsicherung im Alter.
NüDs7üaüWmwktnWVtnoGBdvcw2Ntsd3ddcrbAddgODrdw–beb
oher soll da die Zustimmung zur Rente noch kommen?
Anders gesagt: Trotz lebenslangen Arbeitens erhältan nicht mehr als das, was einem auch dann zustünde,enn man in seinem Leben nie gearbeitet hätte. Es istaum notwendig, zu ergänzen, dass viele teilzeitbeschäf-igte Frauen weder 30 Stunden in der Woche arbeitenoch durchschnittlich verdienen.Von dem Ziel, den Menschen im Alter ein Leben inürde zu ermöglichen, haben Sie sich verabschiedet.on der Zielsetzung einer Lebensstandardsicherung soll-en wir besser überhaupt nicht mehr reden. Sie haben ei-en radikalen Systemwechsel vollzogen. Die Beiträgerientieren sich nicht mehr an dem, was nach unseremrundgesetz in einem demokratischen und sozialenundesstaat angemessen wäre; die Höhe der Leistungener Rentenversicherung wird an das angepasst, was vonornherein gedeckelte Beitragssätze in der Rentenversi-herung noch zulassen.1992 ging man noch davon aus, dass Arbeitnehmernie Arbeitgebern 2040 ein Beitragssatz von 26 bis8 Prozent zugemutet werden könne, um das damaligeiveau der Rente aufrechtzuerhalten. Sie haben die Bei-ragssatzhöhe für diesen Zeitraum auf 22 Prozent festge-chrieben. Das sind nur 11 Prozent für die Arbeitgeber,as sind aber 11 Prozent für die Arbeitnehmer plusProzent – nach Abzug der staatlichen Förderung – fürie Riesterrente. Wenn man dann noch die Wirkungener Rentenreform von 2003 – Ulla Schmidt! – ausglei-hen wollte, wären das, so haben die Gewerkschaften er-echnet, weitere 3 Prozent. Mit 17 Prozent für die Ar-eitnehmer auf der einen Seite und 11 Prozent für dierbeitgeber auf der anderen Seite sind wir wieder beien genannten 28 Prozent. Geändert hat sich nichts; nurie Parität in der gesetzlichen Rentenversicherung istnadenlos außer Kraft gesetzt worden.Nun erreichte uns in den letzten Tagen ein Bericht derECD, bei dem man sich verwundert die Augen reibt:eutschland an der Spitze der Tabelle der Bruttoersatz-ate der Rente in der Einkommensgruppe bis 50 Prozentes Durchschnittseinkommens. Die Bundesregierungird für ihre Rentenpolitik ausdrücklich gelobt.
Freuen Sie sich nicht zu früh, Herr Weiß! Denn wasesagt diese Tabelle? Dort steht nichts anderes, als dassin Arbeitnehmer, der 2004 mit 20 Jahren zu arbeiteneginnt, bei voller Erwerbstätigkeit bis zum gesetzlichen
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10487
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Volker Schneider
Rentenalter mit konstant 50 Prozent des Durchschnitts-einkommens 39,9 Prozent des Bruttoverdienstes erzielt.Ich bitte die Damen und Herren auf den Tribünen, sicheinmal für einen Moment zu überlegen, was es heißt,dass sie im Alter mit rund 40 Prozent auskommen müs-sen!
Das ist keine Einzelposition; das ist in allen Gruppierun-gen so.Bei einer derart „erfolgreichen“ Rentenpolitik fürch-ten viele in diesem Land mit Recht, im Alter vor Armutnicht ausreichend geschützt zu sein. Wir brauchen jetzteine radikale Kehrtwende in der Rentenpolitik: Aufhe-bung der Beitragssatzdeckelung, Wiederherstellung derparitätischen Finanzierung, Wegfall aller Dämpfungs-faktoren und Wiedereinführung der Orientierung an derLebensstandardsicherung.Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Peter Weiß für CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Die entscheidende Frage, die sich Rentnerinnenund Rentner, aber auch junge Leute stellen, die künftigin das Rentensystem einzahlen sollen, lautet: Funktio-niert das System auch für die Zukunft? Dazu haben wirin der vergangenen Woche von der OECD ein in der Tathervorragendes Urteil bekommen. Die Presseerklärungder OECD beginnt mit dem Satz – ich zitiere –:Deutschland hat in den vergangenen Jahren im Ver-gleich zu den meisten OECD-Ländern umfassendeStrukturreformen im Rentensystem beschlossenund so wichtige Fortschritte auf dem Weg zurNachhaltigkeit des Systems gemacht.Eine OECD-Expertin setzt in einem Zeitungsinterviewnoch eins drauf:Lernen können die anderen Länder sicherlich vonder Nachhaltigkeit, die Deutschland bei der Renten-reform hinbekommen hat.Ein hohes internationales Lob für die deutsche Renten-politik!
Die Linksfraktion redet hier so, als gebe es keine de-mografische Herausforderung in Deutschland. Die Lin-ken wissen nicht, in was für einem Land sie leben.DsiwZdbedDevnFRbulsDnnzZdadnvRnDnDsrADsAsvriFav
ie entscheidenden Fragen sind doch: Wie reagiert un-er Rentensystem auf die dramatischen Veränderungennsofern, als die Zahl der Älteren deutlich zunimmt, aucheil sie eine höhere Lebenserwartung haben, und dieahl der Jüngeren demgegenüber geringer ist? Und: Pro-uzieren wir vor diesem Hintergrund in Deutschlandewusst politisch einen Kampf der Generationen gegen-inander, oder schaffen wir Generationengerechtigkeit,ie einen Ausgleich zwischen den Generationen sucht?iese Fragen müssen wir beantworten.
Damit der Rentenversicherungsbeitrag für die Jungenben nicht in astronomische Höhen steigt, muss das Ni-eau der gesetzlichen Rente für die künftigen Rentnerin-en und Rentner sinken. Aber entscheidend ist dierage: Wie sorgen wir dafür, dass die Rentnerinnen undentner auch in Zukunft ein auskömmliches Leben ha-en? Das funktioniert nur, wenn die gesetzliche Rentem zwei Standbeine ergänzt wird, die wir in Deutsch-and konsequent ausbauen: die betriebliche Altersvor-orge und die private kapitalgedeckte Altersvorsorge.ie Altersvorsorge der Zukunft ist dann stabil, wenn sieicht nur auf einem, sondern auf drei verlässlichen Bei-en steht.Auf die Frage, ob dieser neue Mix aus umlagefinan-ierter gesetzlicher Rente und Kapitalversicherung alsukunftsmodell eine gute Entscheidung ist, sagen unsie OECD-Experten – ich zitiere –:Das ist eine sehr gute Entscheidung, das solltenmehr OECD-Länder machen, weil so die Risikenund Lasten im System viel besser verteilt werden.Damit in Zukunft möglichst niemand in Altersarmutbgleitet, stärkt die Große Koalition die zweite und dieritte Säule der Alterssicherung zusätzlich. Ich erwähneur: Für Kinder wird es ab 2008 einen Staatszuschusson 300 Euro jährlich für die Riesterrente geben. Walteriester spricht ja gleich noch. Wir wollen das selbstge-utzte Wohneigentum riesterförderungsfähig machen.ie Abgabenfreiheit der Entgeltumwandlung hat zu ei-em deutlichen Aufwuchs der Betriebsrenten ineutschland geführt. Wir wollen, dass dieser Aufwuchsich fortsetzt.Der letzte Alterssicherungsbericht der Bundesregie-ung hat untersucht, ob die auf drei Säulen basierendelterssicherungspolitik die gewünschten Erfolge bringt.er Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass das Nettoge-amtversorgungsniveau – bezogen auf das, was man imlter aufgrund der verschiedenen Säulen der Alters-icherung insgesamt zum Leben hat – für Durchschnitts-erdiener nahezu unverändert bleibt und dass für Ge-ingverdiener langfristig eher ein Anstieg zu erwartenst. Und weil das Thema der Familien mit Kindern oderrauen mit unterbrochener Erwerbsbiografie zu Rechtngesprochen wird: Gegenüber heute wird das Gesamt-ersorgungsniveau für Familien mit Kindern dank der
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Peter Weiß
Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Renteebenfalls eher ansteigen.Fazit: Im Gegensatz zu dem, was die Linksfraktionmit jeder Aktuellen Stunde hier im Bundestag gebets-mühlenartig wiederholt, weil sie hofft, dass die Dummenin diesem Land irgendwann auf diese Argumentation he-reinfallen,
führt die Rentenpolitik nicht zu Altersarmut, sondern zuSicherheit im Alter, allerdings nur dann, wenn zusätzlichzur gesetzlichen Rente die zweite und die dritte Säuleder Alterssicherung stetig weiter aufgebaut werden.Dazu gibt der OECD-Bericht einen eindeutigen Rat,den ich nur unterstreichen kann – ich zitiere –: Wichtigist,dass Erwerbstätige bereits früh mit dem Sparen be-ginnen und auf regelmäßiger Basis Beiträge ent-richten.Richtig ist: Die gesetzliche Rente ist – darauf zielt dieVeränderung in der Rentenpolitik – nicht mehr alleinefür die Lebensstandardsicherung im Alter zuständig,sondern wir brauchen eine zweite und eine dritte Säule.Diese wollen wir gemeinsam mit den Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmern in unserem Land auch in denkünftigen Jahren kräftig ausbauen, damit Altersarmut inDeutschland ein Fremdwort bleibt.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Heinrich Kolb für
die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist eine typi-sche polemische Zuspitzung der Fraktion Die Linke, wiewir sie in den letzten Wochen und Monaten schon öftererlebt haben.Herr Kollege Schneider, ich denke – da stimme ichdem Kollegen Weiß ausdrücklich zu –, dass die OECD-Studie doch ein etwas differenzierteres Bild der Situa-tion der Altersvorsorge in Deutschland liefert, als Sieuns das weismachen wollen. Vor allen Dingen erkenntdie OECD den grundsätzlichen Ansatz des deutschenSystems der Altersvorsorge – das finde ich wichtig –,nämlich den Vorsorgemix aus umlagefinanzierter gesetz-licher Rentenversicherung und kapitalgedeckter betrieb-licher und privater Vorsorge, ausdrücklich als richtig an.Dass das Niveau der Vorsorge aus der gesetzlichenRentenversicherung als einen Teil dieses Mixes in dennächsten Jahren zugegebenermaßen deutlich zurückgeht,Herr Schneider, ist für sich genommen noch kein Grundfür Kassandrarufe. Erst wenn es nicht gelingt, die durchdie Absenkung des Nettorentenniveaus vor Steuern ent-spwrdDmazmvufmPVRfWmdgNklveuSiskWSHll–izKWgs
In diesem Zusammenhang möchte ich mehrere An-erkungen machen.Zunächst einmal muss, wer die betriebliche oder pri-ate Eigenvorsorge aktivieren will, den Menschen diengeschminkte Wahrheit sagen. Die FDP-Bundestags-raktion fordert daher seit langem, dass die Renteninfor-ation der gesetzlichen Rentenversicherung für ihrerognosen inflationsbereinigte Werte ausweist, um denersicherten einen realistischeren Wert ihrer künftigenentenansprüche zu vermitteln. Bisher wird in den In-ormationsbriefen nur darauf hingewiesen, dass dieseerte noch inflationsbereinigt werden müssen. Es ist auseiner Sicht zumindest zweifelhaft, ob alle Versichertenen sich daraus ergebenden Handlungsbedarf in seineranzen Brisanz erkennen.Sodann ist die Politik aufgefordert, denen, die eineotwendigkeit für eine ergänzende Vorsorge für sich er-annt haben, die notwendige Förderung zukommen zuassen. An dieser Stelle sage ich sehr deutlich: Es wäreollkommen absurd, wenn das erfolgreichste Instrumentrgänzender Vorsorge, nämlich die abgabenfreie Entgelt-mwandlung, 2008 beendet werden würde. Herr Weiß,ie haben diese Klippe ein wenig umschifft,
ndem Sie sagen, Sie wollen, dass der Aufwuchs fortge-etzt wird. Wir hätten gerne von Ihnen heute klipp undlar gehört, ob Sie auch die Förderung fortsetzen wollen.ir haben aber noch eine zweite Chance; denn dertaatssekretär wird nach mir an das Rednerpult treten.err Thönnes, ich fordere Sie auf, hier unmissverständ-ich zu erklären, dass die abgabenfreie Entgeltumwand-ung auch nach 2008 in vollem Umfang fortgesetzt wird.
Nein, das werde ich nicht für falsch erklären; denn esst richtig. Herr Brauksiepe, erfreulicherweise gibt es so-usagen einige Lockerungssignale aus den Reihen deroalition.
ir würden es gerne sehen, wenn heute Ross und Reiterenannt würden. Hic Rhodus, hic salta! Herr Staats-ekretär, wir warten auf Ihre Ausführungen.
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Dr. Heinrich L. KolbBeim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestandbrauchen wir ferner mehr Flexibilität. Altersarmut kannauch und nicht zuletzt dadurch vermieden werden, dassältere Arbeitnehmer nicht mehr wie bisher regelrecht ausdem Arbeitsleben verdrängt werden und bei Hartz IVlanden. Ihnen soll auf der Basis einer – das ist mir wich-tig – freien Entscheidung eine möglichst lange Teilhabeam Erwerbsleben ermöglicht werden.Die FDP-Bundestagsfraktion fordert daher, dass Ver-sicherte ab dem 60. Lebensjahr durch den Bezug einerVoll- oder Teilrente auf erworbene Rentenanwartschaf-ten auch zur Vermeidung von Altersarmut zurückgreifenkönnen und dass gleichzeitig die bisher bestehenden Zu-verdienstgrenzen wegfallen. Das wäre aus unserer Sichtein entscheidender Schritt nach vorne, mit dem die indi-viduelle Entscheidung eines jeden Einzelnen in den Vor-dergrund gestellt wird. Das ist besser als ein starresgesetzliches Renteneintrittsalter von beispielsweise67 Jahren, das unter den heutigen Rahmenbedingungenauf dem Arbeitsmarkt viele nicht erreichen werden.
Schließlich sollte nicht vergessen werden – leider binich am Ende meiner Redezeit –, dass wir zur Vermei-dung von Altersarmut eine bedarfsgeprüfte Grundsiche-rung im Alter haben. Ich wünsche mir, dass nur wenigeMenschen in unserem Lande auf diese Grundsicherungzurückgreifen müssen. Wir sollten gemeinsam die Rah-menbedingungen dafür schaffen, dass möglichst vieledurch eigene Erwerbstätigkeit in die Situation versetztwerden, am Ende ihres Erwerbslebens in der Summe ausgesetzlicher, privater und betrieblicher Vorsorge auf ei-nen guten Betrag zurückgreifen zu können, der nicht nurihre Existenz, sondern auch ihren Lebensstandard si-chert. Dazu sind wir alle aufgerufen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort dem
Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Franz Thönnes.
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Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!Eine Debatte über die Alterssicherungspolitik inDeutschland sollte auf Fakten basieren und keine Ängsteschüren.
Deswegen wäre es gut, wenn wir uns in Fortsetzung dereinen oder anderen Rede gerade zuerst auf die Faktenkonzentrierten. Die OECD-Studie „Pensions at aGlance“, die vergangene Woche vorgestellt worden ist,enthält vier Kernbotschaften:DrfRdOrtnkgdbhtlsgdVOzdDtssdsKdnzwDsgzsdmdtdgdtf
Drittens. Die zukünftige Lohnersatzrate liegt nachem Berechnungsmodus der OECD in Deutschland imECD-weiten Vergleich nur im unteren Drittel. Bei Ge-ingverdienern belegt Deutschland den drittletzten Platz.Viertens. Mithilfe der geförderten zusätzlichen Al-ersvorsorge ist sichergestellt, dass das Rentenniveauicht unter den Stand vor den Reformen sinkt.Bevor ich nun auf die einzelnen Punkte zu sprechenomme, ein korrigierender Hinweis gleich vorweg: Dasesetzliche Sicherungsniveau wird infolge der im Bun-estag beschlossenen Schritte zurückgehen. Darüber ha-en wir in den letzten Monaten ständig diskutiert. Wiraben diesen Weg eingeschlagen, weil wir so die Leis-ungsfähigkeit des deutschen Alterssicherungssystemsangfristig sichern und gleichzeitig den zukünftigen An-tieg der öffentlichen Alterssicherungsausgaben be-renzen wollen.Resultat einer statistischen Verzerrung ist hingegen,ass die deutschen Geringverdiener im OECD-weitenergleich so schlecht wegkommen. Das neue von derECD zugrunde gelegte Durchschnittslohnkonzept führtu einem sehr hohen Durchschnittslohn für Deutschland,er demzufolge im Jahr 2004 bei gut 41 000 Euro lag.as ist ein sehr hoher Wert. Nur zum Vergleich: Das Sta-istische Bundesamt hat entsprechend der Volkswirt-chaftlichen Gesamtrechnung für 2004 einen Durch-chnittslohn von rund 29 000 Euro ausgewiesen. Nacher OECD-Definition wird von Geringverdienern pau-chal bei 50 Prozent des Durchschnittslohns gesprochen.onkret bedeutet dies für Deutschland 20 523 Euro. Beiiesem Durchschnittslohn überrascht es dann natürlichicht, dass ein Geringverdiener nach dem OECD-Kon-ept eine Rente oberhalb der Grundsicherung bezieht.Aufgabe der Grundsicherung für Ältere ist es – dasurde gerade richtig gesagt –, vor Armut zu schützen.ies kommt aufgrund des angenommenen hohen Durch-chnittlohnes in der OECD-Studie nicht zum Tragen. Er-ebnis ist eine niedrige Lohnersatzrate, die aber – das istu betonen – nicht an der tatsächlichen Lohnstruktur un-eres Landes geeicht ist.Was nun die Gesamtbewertung durch die OECD-Stu-ie betrifft, wird ausdrücklich bestätigt: Deutschland istit seinen Reformen im internationalen Vergleich aufem notwendigen und auch richtigen Weg. Die eingelei-eten Maßnahmen sind die richtigen Antworten auf dieemografischen und gesellschaftlichen Herausforderun-en. So bescheinigt die OECD der Bundesregierung, mitiesen Reformen die langfristige Tragfähigkeit der Ren-en zu sichern, und unterstützt die Entscheidung, mittel-ristig schrittweise die Rente ab 67 einzuführen.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir
wollen die Balance zwischen den Generationen gerecht
gestalten und das System der beitragsgestützten Alters-
sicherung auf ein stabiles Fundament stellen. Es gilt,
dass der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung bis
2020 nicht über 20 Prozent und bis 2030 nicht über
22 Prozent steigen soll. Ich glaube auch nicht, dass wir
damit erfolglos sind, wenn ich mir anschaue, wie mittler-
weile die Arbeitsplatzentwicklung in Deutschland ist.
Wir haben über 700 000 Arbeitslose weniger, und es gibt
mehr als 600 000 neue sozialversicherungspflichtige
Jobs. Das kann sich sehen lassen. Das stimmt uns zwar
nicht zufrieden, da ist zwar noch mehr zu tun, aber die
Entwicklung ist gut.
Das Sicherungsniveau vor Steuern soll im Jahr 2020
mindestens 46 Prozent und im Jahr 2030 mindestens
43 Prozent des früheren Einkommens betragen. Das
heißt: Die gesetzliche Rentenversicherung bleibt zwar
das Kernstück der Altersvorsorge, das Sicherungsniveau
wird aber abnehmen. Um das Wohlstandsniveau im Al-
ter halten zu können, ist es zunehmend notwendig, neben
die gesetzliche Rente die betriebliche und die private Al-
tersvorsorge zu stellen.
Die Ergebnisse der OECD-Studie zeigen, dass das der
richtige Weg ist. Sie beschreibt sehr gut, dass das Ziel
mit einer Kombination von gesetzlicher Rente und staat-
lich geförderter Altersvorsorge erreicht werden kann.
Der Kurs, den wir fahren, wird damit eindrucksvoll be-
stätigt. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die guten An-
sätze zusätzlicher Altersvorsorge, die es in Deutschland
gibt, zu systematisieren und weiter auszubauen; denn
wir wollen sie zu einer sicheren Einnahmequelle der
Menschen im Alter machen.
Wir sind damit erfolgreich. Die Erfolge werden von
der OECD ausdrücklich anerkannt. Über 8 Millionen
Menschen haben mittlerweile einen Riester-Vertrag ab-
geschlossen. Die Zahl ist gerade in den letzten Jahren er-
heblich angestiegen, was die Attraktivität der einzelnen
Förderinstrumente dieses Konzeptes unterstreicht.
Wir arbeiten daran, dass das noch attraktiver wird:
Zum 1. Januar 2008 wollen wir die Kinderzulage von
185 Euro auf 300 Euro pro Jahr erhöhen. Wir wollen den
jungen Menschen, die ins Arbeitsleben einsteigen, einen
Sonderbonus in Höhe von 100 Euro für die spätere Al-
tersvorsorge anbieten. Damit bieten wir einen Anreiz,
sich auch privat für das Alter abzusichern. Auch das
selbst genutzte Wohneigentum soll in die geförderte
Riester-Altersvorsorge integriert werden.
Die Bundesregierung ist sich bewusst, dass der Aus-
bau der zusätzlichen Altersvorsorge noch nicht abge-
schlossen ist. Altersarmut muss nicht sein. Wir wollen
sie ausschließen. Deswegen geht es darum, dass auch
das zweite Standbein der Altersvorsorge, die betriebliche
Rente, selbstverständlich wird. Wir brauchen einfachere
Angebote.
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ie müssen sicher sein, und bei einem Unternehmens-
echsel muss die Rente garantiert sein. Die betriebliche
ltersvorsorge gehört zum System. Sie bietet nämlich
nsbesondere die Möglichkeit, die Tarifbeschäftigten, die
rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den unteren
inkommensbereichen einzubeziehen. Auch hierfür kann
ie Riester-Förderung in Anspruch genommen werden.
ber 17 Millionen Beschäftigte haben mittlerweile An-
prüche auf eine betriebliche Rente.
Zur Renaissance des Systems der betrieblichen Vor-
orge hat das Recht auf Entgeltumwandlung, die Befrei-
ng von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen in li-
itierter Höhe, beigetragen. Das soll – das ist der
erzeitige Stand – bis 2008 so bleiben. Dann soll diese
egelung auslaufen. Wir prüfen angesichts des Erfolgs,
b die Fortsetzung der bisherigen Regelung oder eine
leichwertige Regelung mit anderer Methode sinnvoller
t.
Neben der direkten Förderung wollen wir mit flankie-
enden Maßnahmen wie dem Informationsangebot „Al-
ersvorsorge macht Schule“ über die Notwendigkeit der
usätzlichen Altersvorsorge aufklären und damit die
eitere Verbreitung fördern.
Ich glaube, dass man sagen kann, dass es noch nie
ine Generation Älterer gab, die so gut und so zuverläs-
ig abgesichert war wie diese. Wir wollen, dass das im
ern so bleibt. Leider gibt es Rentnerinnen und Rentner
n Deutschland mit einem sehr geringen Alterseinkom-
en. Das resultiert aber aus geringen Verdiensten oder
iner Lebensarbeitszeit von deutlich weniger als 45 Jah-
en. Für diese Menschen haben wir mit der Grundsiche-
ung eine garantierte materielle Absicherung geschaffen.
Es kommt darauf an, gute Einkommen zu erzielen,
ie Beschäftigung gut zu organisieren und ein hohes
irtschaftswachstum zu schaffen. Das wird dazu beitra-
en, dass das Einkommen im Alter ausreichend ist. Klar
st auch: Wir tun das Mögliche, damit die Altersvorsorge
uch in Zukunft allen Menschen nicht nur ein würdiges
eben im Alter, sondern auch ein Altern mit Lebensqua-
ität gewährleistet.
Ich erteile das Wort Kollegin Irmingard Schewe-erigk, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ine Schlagzeile lautete in der letzten Woche: OECDarnt vor steigender Altersarmut. Das scheint auf denrsten Blick wie gemacht für eine pauschale Skandalisie-ung durch die Linken. In der Tat, meine Damen underren von der Linken, Sie haben dieser Verlockung
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Irmingard Schewe-Gerigknicht widerstehen können. Verstehen Sie mich nichtfalsch. Natürlich steht die Politik in der Verantwortung,Fehlentwicklungen zu beobachten und zu beheben. Aberich finde es unverantwortlich, Katastrophen auszurufen,weil man nur die Überschrift, aber nicht den Text derStudie gelesen hat. Das ist zu einfach.
Die Studie bewertet die letzten Rentenreformen – daswurde gerade schon gesagt – sehr differenziert. Sie be-scheinigt sogar, dass durch wichtige Strukturreformen inDeutschland im Unterschied zu vielen anderen Staatendie Nachhaltigkeit des Rentensystems verbessert wurde.Auch die Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhungdes Renteneintrittalters werden als notwendige Schrittehin zu einer nachhaltigen Rentenpolitik qualifiziert.Aber, meine Damen und Herren von der Linken, so weitlesen Sie nicht, das wollen Sie nicht wahrhaben. Darumverschweigen Sie auch, dass in der Studie nur die gesetz-liche Rente bewertet wurde und dass inklusive der staat-lich geförderten Riesterrente Deutschland im OECD-Mittelfeld liegt. Anstatt die Menschen pauschal mit demHorrorszenario der Altersarmut zu erschrecken, solltenSie lieber differenziert hinschauen. Aber das tun Sienicht.
Denn die Studie macht deutlich, dass wir gezielter aufdie Situation der Geringverdienenden achten müssen.
Wir müssen feststellen, dass es eine zunehmende Zahlvon Beschäftigten gibt, deren Löhne so niedrig sind,dass sie trotz einer Vollzeitstelle ergänzendes Arbeits-losengeld II benötigen. Das sind mindestens 1 MillionMenschen. Diese Gruppe ist schon während der Erwerbs-phase von Armut betroffen und wird es im Rentenalterwieder sein. Aber die Ursache dieses Problems sindnicht die Rentenpolitik oder das Rentenniveau, die Ursa-che sind die niedrigen Löhne. Dass meine GewerkschaftVerdi für das Sicherheitspersonal im Deutschen Bundes-tag einen Tarif von 5,50 Euro abschließt, empfinde ichpersönlich als ein Armutszeugnis.Darum brauchen wir in Deutschland endlich Mindest-löhne. Es ist wirklich an der Zeit, dass das unwürdigeGezerre in der Koalition beendet wird.
Es gibt hier im Hause eine Mehrheit für dieses Vorha-ben. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD:Bekennen Sie Farbe, stimmen Sie am Donnerstag ihremehemaligen Antrag zu. Wir jedenfalls werden das tun.
Doch zurück zur Rente. Es gibt eine große Gruppe,bei der die Gefahr der Altersarmut wirklich besteht. Dassind die Langzeitarbeitslosen. Anfang des Jahres hat dieGhDltJEwmktübS„swblugO–tvdetmhcdd–mgFHvsM
Das mit den Buschtrommeln kann gut sein.Mit verantwortungsvoller Politik hat das wenig zuun. Wir Grünen sehen eine Möglichkeit zur Vermeidungon Altersarmut. Wir wollen mehr Arbeitsplätze beson-ers für Frauen und ältere Beschäftigte, und zwar mitxistenzsichernden Löhnen. Wir wollen die Rentenbei-räge von Menschen mit kleinen Einkommen aus Steuer-itteln auf bis zu 80 Prozent einer Durchschnittsrenteöherwerten. Wir wollen die gesetzliche Rentenversi-herung in eine Erwerbstätigenversicherung umbauen,ie auch Selbstständigen offensteht, die über keine an-ere Altersvorsorge verfügen.
Ja, das betrifft auch die Abgeordneten.Dies sind gezielte Schritte, um Armut im Alter zu ver-eiden. Mit Populismus wird man dieser Aufgabe nichterecht.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Walter Riester, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich möchte mich mit dem Begriff „Rentenni-eau“ auf einer Ebene beschäftigen, die für die Men-chen, wie ich glaube, besser nachvollziehbar ist. Dieenschen vergleichen – ich denke, zu Recht –, wie sich
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Walter Riesterdie Höhe der Löhne und Gehälter und die Höhe der Ren-ten entwickelt. In den letzten acht Jahren haben sich dieLöhne und Gehälter im Schnitt um 1,1 Prozent erhöht,die Renten um 0,9 Prozent; das bedaure ich als Gewerk-schafter und als Sozial- und Tarifpolitiker sehr. Wennman mitberücksichtigt, dass die oberhalb der Beitragsbe-messungsgrenze liegenden Verdienste überproportionalgestiegen sind, ist festzustellen, dass bei Arbeitern, An-gestellten und Rentnern in etwa die gleiche Entwicklungstattgefunden hat, wenn auch zugegebenermaßen, wasmich berührt, auf niedrigem Niveau.Es geht um die Frage: Wie gewährleistet die Regie-rung, dass nicht auf breiter Front Altersarmut entsteht?In den letzten acht Jahren, in denen ich in Regierung undParlament Verantwortung hatte, wurden zu diesemZweck mehrere Schritte, teilweise auch von mir selbst,eingeleitet.Der erste Schritt: Vor dem Jahr 2002 gab es MillionenMenschen, die Kleinstrenten bezogen und häufig An-spruch auf ergänzende Sozialhilfe hatten. Viele empfan-den es als erniedrigend, zum Sozialamt gehen und dieLebensverhältnisse ihrer Kinder offenlegen zu müssen.Das haben wir geändert. Im Jahre 2002 wurde die be-darfsorientierte Grundsicherung eingeführt. Leider hatdie PDS-Fraktion damals dagegengestimmt.
Der zweite Schritt – das hat mich immer sehr berührt –:Bis zum Jahre 2004 gab es 2,95 Millionen Menschen,die Sozialhilfe bezogen haben. Diese Menschen habenkeine Einzahlungen in die Rentenversicherung und imÜbrigen ganz überwiegend auch keine Einzahlungen indie Krankenversicherung getätigt. Mit dem Vierten Ge-setz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ha-ben wir uns dieser Menschen angenommen. Jetzt werdenfür jeden von ihnen – das wird in der Öffentlichkeit vielzu wenig thematisiert – monatliche Einzahlungen in dieRentenversicherung vorgenommen. Außerdem ist jetztauch jeder krankenversichert.
– Das ist richtig. Leider ist es nur noch die Hälfte. Aberdas ist immer noch wesentlich mehr als vorher. Jetztwird für diese Menschen in die Rentenversicherung ein-gezahlt. –
Das waren sehr wichtige Schritte. Leider hat die PDSaber schon damals dagegengestimmt.In dieser Debatte wurde vonseiten der Linksfraktionschon häufig die Frage gestellt: Wie soll sich jemand,der wenig verdient, die Riesterrente leisten? Diese Argu-mentation, die ich gut nachvollziehen kann, wird vonverschiedenen Seiten vorgetragen. Auch dieses Themahaben wir in unserem Gesetz aufgegriffen; das ist leidernoch viel zu wenig bekannt. Denn es gibt den sehrschwierig erscheinenden und leider sehr häufig vorkom-menden Fall, dass Menschen überhaupt nichts verdie-nen, sondern nur Lohnersatzleistungen nach Hartz IVbekommen.KdbuBjiE6zScsEpzddamkwni–kgmf–mzushAhphgGgckAggwvPm
Wie stellt sich die Situation in einer Familie mit zweiindern dar? In unserem Gesetz haben wir festgelegt,ass ein Eigenbeitrag in Höhe von 60 Euro im Jahr – ichetone: im Jahr –, also von 5 Euro im Monat, ausreicht,m die gesamte Förderleistung zu bekommen. In diesemeispiel wären das für den Sparer und für den Ehegatteneweils 114 Euro, für die beiden Kinder jeweils 138 Euro,nsgesamt also 504 Euro pro Monat, und das bei einerigenleistung von 60 Euro. Dieser Sockelbetrag von0 Euro gilt auch für alleinerziehende Mütter mit ein,wei oder drei Kindern. Das war ein sehr wichtigerchritt.Ich sage Ihnen ganz offen: Ich würde gerne die Job-enter und die Bundesagentur für Arbeit anweisen, dassie jedem Antragsteller folgende Alternative anbieten:ntweder bekommst du jeden Monat deine 345 Eurolus Mietkosten und Nebenkosten, oder du gibst uns einweites Konto, ein Altersvorsorgekonto, an. Dann wer-en auf dein Girokonto monatlich nicht 345 Euro, son-ern 340 Euro überwiesen, und einmal im Jahr 60 Eurouf dein Altersvorsorgekonto zusätzlich. Im Fall der Fa-ilie mit zwei Kindern, den ich gerade erwähnt habe,ämen 504 Euro als Zulage hinzu. Wenn bekannt wäre,as wir getan haben, um insbesondere Geringstverdie-ern diese Möglichkeit zu eröffnen, dann wären wir, wiech glaube, schon ein großes Stück weiter.
Was, wenn sie dann Arbeit bekommen? Diese Frageann ich Ihnen beantworten. In unserem Gesetz ist fol-ende Regelung vorgesehen: Wenn sie Arbeit bekom-en, beträgt die Bezugsgröße trotz höherer Verdiensteür ein weiteres Jahr 60 Euro. Das muss man wissendas ist auch für uns Abgeordnete wichtig –, und davonüssen wir die Menschen in Kenntnis setzen. Ich habeurzeit die Chance, viele Veranstaltungen zu besuchen,nd stelle das in den Mittelpunkt, weil wir das den Men-chen sagen müssen. Ich kann die Menschen ja verste-en, und ich kann auch Ihre Zwischenrufe verstehen.ber wer das Gesetz kennt, sollte auf die Möglichkeiteninweisen; dann trägt er dazu bei, aufzuzeigen, was wirolitisch gegen Altersarmut gemacht haben. Wir dürfenier nicht populistisch sein.Bei einem anderen Problem mache ich mir trotzdemroße Sorgen und sehe noch keine Lösung: Heute hat dieeneration der Rentner im Osten unseres Landes auf-rund der hohen Erwerbstätigkeit in der DDR glückli-herweise relativ hohe Renten. Das wird sich völlig um-ehren bei den Menschen, die überproportional vonrbeitslosigkeit betroffen sind und relativ gesehen weni-er verdienen. Das werden die großen Problemstellun-en sein. Es ist wichtig, sich darüber zu unterhalten. Ichill aber auch sagen: Dieses Problem kann die Renten-ersicherung nicht lösen. Sie haben völlig recht: Dasroblem liegt beim Arbeitsmarkt. Nach der Illusion, dieein Vorgänger im Amt vertreten hat – die Sozialversi-
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Walter Riestercherungsrente könne den Lebensstandard sichern –, istauch mit der Illusion aufzuräumen, die Rentenversiche-rung könne die Probleme des Arbeitsmarktes später aus-gleichen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen,
bitte.
Ich bin am Schluss. – Es war mir wichtig, über diese
Punkte zu diskutieren und mit diesen Illusionen aufzu-
räumen.
Herzlichen Dank für die Verlängerung der Redezeit –
„Lebensarbeitszeit“ hätte ich fast gesagt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir könnten hier
einmal darüber reden, ob wir eine parlamentarische Le-
bensredezeit einführen und über deren Verteilung auf die
Sitzungen.
Ich erteile als nächstem Redner das Wort dem Kolle-
gen Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieheutige Aktuelle Stunde ist letztendlich ein Austauschüber die zukünftige Rentenpolitik, weniger über dieOECD-Studie. Die Linken versuchen natürlich, der Öf-fentlichkeit mit dieser OECD-Studie ein verzerrtes Bildzu zeichnen,
nämlich dass unser Rentensystem unsozial sei, dass esvor allen Dingen Geringverdienern nicht die nötige Un-terstützung gebe, dass das Rentenniveau in Deutschlandnicht angemessen sei. Dies ist letztendlich der populisti-sche Ansatz von WASG und PDS gemeinsam: die Men-schen zu verunsichern. Das ist natürlich unangebracht.Besonders im Hinblick auf die Menschen im Osten unse-res Landes können wir feststellen, dass das deutscheRentensystem hervorragende Leistungen erbringt, näm-lich eine großartige Alterssicherung, die sich die Men-schen in der DDR nicht hätten erträumen können; dasmuss man doch feststellen.
Meine Vorredner haben schon in vielfältiger Weisedargelegt, dass wir in der Rentenpolitik ob der demogra-fischen Herausforderungen und der damit einhergehen-den finanziellen Untermauerung und Sicherstellung derLrtnvrnsastmeudhGkggavu–dibhavRGtkfgnEsssveMuhWtAs
ir stehen natürlich zur Stärkung der betrieblichen Al-ersversorgung – vor allen Dingen über Tarifverträge.lle Tarifparteien sind aufgefordert, diese Systeme ver-tärkt mit auszubauen.
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Max StraubingerDarüber hinaus ist sicherlich auch darüber nachzuden-ken, wie man die Entgeltumwandlung zukünftig gestal-tet. Die Steuerfreistellung der Beiträge ist aber sicher – –
– Ich weiß schon, dass Sie auf die Sozialabgaben abzie-len wollen. Dies ist aber eine Frage, die man auch unterhaushalterischen Gesichtspunkten und unter dem Ge-sichtspunkt der Finanzausstattung der Rentenversiche-rungssysteme bzw. der Sozialversicherungssysteme be-trachten muss.
Wir werden diese Frage hier sehr eingehend prüfen.Im Gesetz steht, dass es eine Anschubfinanzierung fürdie Entgeltumwandlung gegeben hat. Dies ist meines Er-achtens richtig und vortrefflich gelungen. Das bedeuteteine Verbreiterung der Entgeltumwandlung in hohemMaße, wodurch ein besonderer Vorteil hinsichtlich derKapitaldeckung erreicht wurde.Wir werden diese Frage sehr sachgerecht prüfen unddementsprechend auch eine sachgerechte Entscheidungherbeiführen.Damit besten Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun Kollegin Dagmar Enkelmann, Frak-
tion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habeim Bundestag schon einmal einen Politiker erlebt, deram Rednerpult stand – das war damals noch in Bonn –und sagte: Die Rente ist sicher. – Er hat dann auch nochPlakate geklebt.
Er sieht das heute ein bisschen anders. Ich denke, vondaher sind Zweifel durchaus angebracht.
Meine Damen und Herren, in dieser Debatte mogelnSie sich um eine Kernforderung in der jüngsten OECD-Studie herum, nämlich um die Aufforderung an die Bun-desrepublik, dass Deutschland der Rentenentwicklungbei Geringverdienern besondere Aufmerksamkeit wid-men soll.
Genau an dieser Stelle steht Deutschland auf dem letztenPlatz der 30 verglichenen Staaten.ElumdaeSsBfsudnüdskWdtrnOuOsfbAsvRdtAnrmZSctk
s war wenig davon zu hören, was Sie dagegen tun wol-en.Ich frage mich, wie blind man eigentlich sein muss,m nicht zu sehen, was so offenkundig ist. Ich denke,an braucht nicht erst die OECD-Studie, um zu wissen,ass es in diesem reichen Land Altersarmut gibt, dass eslso längst Menschen gibt, die in Armut leben. Das ist ininem so reichen Land wie der Bundesrepublik einkandal.
Wer mit offenen Augen durch unser Land geht, derieht das auch. Die Lebensmitteltafeln berichten zumeispiel darüber, dass eben nicht nur die Hartz-IV-Emp-ängerinnen und -Empfänger und die Alleinerziehenden,ondern zunehmend auch Ältere zu den Tafeln kommennd um Hilfe bitten. Die Wohlfahrtsverbände machenarauf aufmerksam, dass dieses Problem deutlich zu-immt. Als Politiker sind wir an dieser Stelle gefordert,ber die Ursachen der Zunahme von Altersarmut zu re-en. Vor allen Dingen müssen wir schnellstens gegen-teuern.
Eine Studie des „Mitteldeutschen Rundfunks“ hat vorurzem unter anderem die Alterseinkommen in Ost undest verglichen und ist zu dem Ergebnis gekommen,ass die Alterseinkommen im Osten etwa 20 Prozent un-er denen im Westen liegen. So viel zur Legende vomeichen Ostrentner!
Wo liegen die Gründe? Ganz offensichtlich funktio-iert das traditionelle Rentenmodell vor allen Dingen imsten nicht. Zwei Säulen greifen nicht, die Betriebsrentend die private Vorsorge. Eine private Vorsorge ist imsten kaum vorhanden. Auch sollten wir nicht verges-en, dass jemand, der arbeitslos wird und in Hartz IVällt, zuerst seine private Vorsorge aufzubrauchen hat,evor er überhaupt soziale Leistungen bekommen kann.ußerdem führen zunehmende Rentenabschläge zu mas-iven Rentenkürzungen. Immerhin gehen inzwischenier von zehn Beschäftigten mit Einbußen vorzeitig inente.Das Problem Altersarmut ist nicht nur ein Problemes Ostens; es ist zunehmend auch ein Problem im Wes-en. Auch im Westen ist eine dramatische Zunahme derltersarmut zu verzeichnen. Die Kollegin von den Grü-en hat auf die dramatische Zunahme im Niedriglohnbe-eich, also bei den Mini- und Midijobs, aufmerksam ge-acht. Das ist eine der Ursachen für die deutlicheunahme der Altersarmut. Auch im Westen sind dieäulen Betriebsrente und private Vorsorge längst brü-hig geworden. Nur noch etwa 40 Prozent der Beschäf-igten sind überhaupt betrieblich rentenversichert. Vorurzem war zu lesen: Müntefering sägt an Betriebsrente.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10495
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Dr. Dagmar EnkelmannDa ging es um die Pläne, die Sie angesprochen haben,Herr Kolb.
Also auch die Säule Betriebsrente wird weiter abgetra-gen. Wo funktionieren denn diese drei Säulen am Endenoch?
Ganz klar ist eines geworden: Die Bundesregierunghat die Dramatik der Situation nicht erfasst. Nehmen wireinmal die Rentenanpassung dieses Jahres, die 0,54 Pro-zent ausmacht: Die Rentner jubeln und verneigen sichvoller Dankbarkeit vor der Bundesregierung.
Diese 0,54 Prozent gleichen natürlich nicht die gestiege-nen Lebenshaltungskosten aus. Sie sind auch kein Aus-gleich für die gestiegenen Beiträge zur Krankenversiche-rung. Aber endlich, nach drei Nullrunden, gibt es denlang ersehnten Zuschlag. 0,5 Prozent mehr zu habenoder nicht zu haben ist schon eine ganze Menge; bei demeinen oder anderen sind es sogar 2 Euro oder mehr.
Meine Damen und Herren, so ist der Altersarmutnicht beizukommen. Es ist zutiefst ungerecht, wennMenschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, im Alterbeim Sozialamt betteln müssen.
Wir fordern von der Bundesregierung ein Konzept füreine nachhaltige Verhinderung von Altersarmut und einKonzept für eine existenzsichernde Rente. Dies bedeuteteben nicht nur, genug zu essen und zu trinken zu haben;ein Leben in Würde im Alter bedeutet auch, an Kulturteilhaben zu können, sich einmal ein gutes Buch leistenzu können und an der Gesellschaft teilnehmen zu kön-nen. Dazu gehört also schon ein bisschen mehr.Wir wollen eine Erwerbstätigenversicherung, in diealle einzahlen. Wir wollen eine Verbreiterung der Basisfür die Rentenversicherung. Wir wollen, dass künftigAbgeordnete des Europaparlaments, des Bundestags undvon Landtagen in die gesetzliche Rentenversicherungeinzahlen.
Vor allen Dingen wollen wir den Ausbau der sozialversi-cherungspflichtigen Beschäftigung. Das ist eine wich-tige Grundlage für die Rentenversicherung. Schließlichverlangen wir von der Bundesregierung endlich einenFahrplan für die Angleichung der Renten im Osten andie im Westen.Danke.
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enn also die Intention der Fraktion, die diese Aktuelletunde beantragt hat, war, uns davor zu warnen, auf dasentenniveau der DDR abzusinken, dann bin ich ganzei ihr.
Jetzt aber zu den Warnungen der OECD-Studie: Ja,as Rentenniveau wird in den nächsten Jahrzehnten ab-inken. Es wäre unredlich, dies nicht zu sagen. Aber dieECD lobte auch ausdrücklich – das wurde schon wie-erholt gesagt – die Anhebung des Rentenalters auf7 Jahre. Was muss getan werden, um das Absinken des
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10496 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Gregor AmannRentenniveaus abzubremsen und Altersarmut zu verhin-dern? Aus meiner Sicht sind dies die folgenden Punkte:Erstens. Rentenniveau und Löhne sind aneinandergekoppelt. Die Förderung von Wachstum und Beschäfti-gung ist also auch Rentenpolitik. Hierbei ist die Bundes-regierung auf einem guten Weg. Die Zahl der Arbeitslo-sen sinkt seit Monaten kontinuierlich, und die Zahl dersozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt. Andieser Stelle halte ich es auch für sehr wichtig, auf dieEinführung von Mindestlöhnen als Lohnschranke nachunten hinzuweisen. Niedrige Löhne bedeuten immerauch niedrige Renten.
An dieser Stelle wünsche ich den Kollegen von derIG BAU viel Erfolg bei den laufenden Tarifverhandlun-gen.
Zweitens. Die größte Bedrohung unseres Rentensys-tems ist der demografische Wandel. Daher ist eine Fami-lienpolitik notwendig, die es den Menschen erleichtert,Kinder zu bekommen. Dazu haben wir im vergangenenJahr das Elterngeld eingeführt, und wir treiben den Aus-bau von Kinderbetreuungsplätzen massiv voran.
Drittens. Wir müssen die Beschäftigungsquote Ältereranheben und die Frühverrentung zurückdrängen; ich er-innere an die Initiative „50 plus“ der Bundesregierung.Viertens. Wir brauchen weiterhin eine Förderung derprivaten und der betrieblichen Altersvorsorge als Ergän-zung und nicht anstelle der gesetzlichen Rente. DieRiesterrente ist ein echtes Erfolgsmodell; das sieht übri-gens auch die OECD-Studie so.Fünftens. Wir werden zunehmend darüber nachden-ken müssen, wie wir auch Menschen mit Brüchen inder Erwerbsbiografie im Alter absichern können. DerPräsident der Deutschen Rentenversicherung Bund,Dr. Herbert Rische, regte unlängst an, darüber nachzu-denken, ob und gegebenenfalls wie wir Selbstständigemit niedrigem Einkommen in die gesetzliche Rentenver-sicherung einbeziehen können.Sechstens. Die OECD kritisierte:Deutschland sollte der Rentenentwicklung für Ge-ringverdiener besondere Aufmerksamkeit schen-ken.Staatssekretär Thönnes hat bereits etwas über die dazuangewandten statistischen Methoden gesagt, aber ichhalte es dennoch für sinnvoll, über eine Beitragsformelnachzudenken, die Geringverdiener berücksichtigt, in-dem für sie die lineare Kopplung der Renten an das Ein-kommen möglicherweise gelockert wird.Meine Damen und Herren, Deutschland steht interna-tional bei dem Thema Altersarmut sehr gut da. Ich binüberzeugt: Das muss sich auch in Zukunft nicht ändern,wenn wir jetzt die richtigen Weichen stellen.CdGhbeeTSremdDSrfd–„nddBksbbwluunsu
Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Meckelburg,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habeen Bericht der OECD mit dem Titel „Pensions at alance“ mitgebracht, über den wir heute debattieren. Erat über 200 Seiten und ist in Englisch geschrieben. Ichin des Englischen mächtig und weiß seit gestern, dasss heute diese Aktuelle Stunde gibt; allerdings habe ichs nicht geschafft, ihn ganz zu lesen.Ehrlich gesagt finde ich, Frau Enkelmann, dass dashema nicht für eine Aktuelle Stunde geeignet ist. In dertudie geht es darum, wie es am Ende einem heute 20-Jäh-igen ergehen wird, wenn er 45 Jahre in die Rentenkasseingezahlt hat. Das ist eine Langzeitprognose. Was dasit einer Aktuellen Stunde zu tun hat, wie Sie sie stän-ig beantragen, verstehe ich nicht.
a Sie uns in einer von Ihnen beantragten Aktuellentunde nicht nur Zeit stehlen, sondern abgesehen von Ih-en eigenen beiden Rednern die Debatte als Zuhörer ver-olgen müssen, habe ich mich bereit erklärt, heute überie blöden Vorschläge zu reden, die Sie ständig machen.
In der „Financial Times Deutschland“ vom 8. Juniso alt ist die Studie – ist ein Artikel mit dem TitelJunge müssen sich auf Altersarmut einstellen“ erschie-en. Sie haben das Wort „Armut“ gelesen und sofort ge-acht: Das ist ein Thema für uns; dazu müssen wir wie-er etwas machen, weil wir schließlich im sozialenereich Helden sind. Das können Sie aber in Wirklich-eit nie werden.In dem Artikel ist weiter zu lesen: „Lob für Fort-chritte bei Rente mit 67 und privater Vorsorge“. Sie ha-en versäumt, das in die Aktuelle Stunde mit einzu-auen; denn Sie wollen nur bestimmte Elemente. Sieollen Woche für Woche mit Hau-drauf-Rhetorik alsinke Düstere-Wolken-Schieber im Parlament auftretennd den Leuten klarmachen: Euch allen geht es schlecht,nd wir sind die Retter der Menschheit. Das glaubt Ih-en langsam kein Mensch mehr, weil alles, was Sie vor-chlagen, vorne und hinten nicht mehr zusammenpasstnd auch nicht finanzierbar ist.
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Wolfgang Meckelburg
– Was die Wahlergebnisse angeht, weiß ich nur, dass Sienicht in ausreichender Stärke vertreten sind, um die Re-gierung stellen zu können. Ich glaube auch nicht, dasssich das wesentlich ändern wird,
weil die Leute merken, dass Sie populistisch auftretenund jede Chance wahrnehmen, um einen Unsinn zu ver-breiten, den draußen allmählich niemand mehr glaubt.
– Herr Ernst, wir können gerne miteinander über Rheto-rik reden. Ich weiß, dass auch Sie gut zuschlagen kön-nen. Jedenfalls haben die Mitarbeiter in meinem Bürokeine solchen Probleme wie die Mitarbeiter in IhremBüro. Das Reden und Handeln geht bei Ihnen ein wenigauseinander.
– Sie können jetzt nicht mehr antworten. Sie könnenkeine Zwischenfragen mehr stellen und keine Kurzinter-vention machen. Sie müssen jetzt zuhören oder könnensich allenfalls in Zwischenrufen äußern.Können Sie sich noch erinnern, wie hoch die Rentenin der DDR waren?
Ich stelle die Frage deshalb, weil Sie die zweite oderdritte Verwandlung vornehmen.
Vor der Linken, die sich jetzt bildet, gab es die PDS. Siekommen eindeutig aus der SED, Frau Enkelmann. Da-mals gab es ein System, zu dem Sie, fürchte ich, wiederzurückkehren möchten. Das werden wir aber mit breiterMehrheit zu verhindern wissen.
Können Sie sich noch erinnern, was mit den Rentne-rinnen und Rentnern der ehemaligen DDR passiert ist,als es zur Wiedervereinigung kam? Wir haben sie so be-handelt, als hätten sie in unser System eingezahlt. Wirhatten damals für die Rentnerinnen und Rentner in denneuen Bundesländern eine Situation geschaffen, die inWestdeutschland zum Teil schwer vermittelbar war. Ichhatte das als westdeutscher Politiker damals ständig zuvertreten.
– Es geht nicht um Ihren Dank; es ist vielmehr eine Tat-sache, die Sie nicht gerne hören. Ihr Rentenniveau hätteddEzUkSdnnccbhsbAdsREnmKwSwranwsdasv
Wenn Sie über Altersarmut sprechen, Fraunkelmann, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dassurzeit nur 2 Prozent der über 65-Jährigen zusätzlichenterstützung des Staates in Form von Sozialhilfe be-ommen. Es gilt nach wie vor, dass die Rente im Altericherheit bieten muss. Wir sind uns alle außer Ihnen,ie das alles nicht verstehen – Sie haben mit Demografieichts zu tun und tun so, als gäbe es das alles nicht –, ei-ig, dass wir auf Dauer gesehen einen Mix aus gesetzli-her und betrieblicher Rente und privater Vorsorge brau-hen. Herr Kollege Riester, der mit seinem Namen einisschen mehr Glück gehabt hat als der Kollege Hartz,at vorhin darauf hingewiesen.
Die Riesterrente entwickelt sich gut, weil die Men-chen verstanden haben, dass sie zusätzliche private oderetriebliche Vorsorge betreiben müssen, wenn sie für ihrlter vorsorgen wollen. Aus der Studie geht klar hervor,ass wir Vorreiter in der privaten zusätzlichen Vorsorgeind und dass wir auf einem guten Weg sind, was dieente mit 67 angeht.Wir haben viel Zeit, um über all das zu reden, Fraunkelmann. Denn wir reden über die Entwicklung in denächsten 45 Jahren. Ich gehöre dann sicherlich nichtehr dem Parlament an. In der Zwischenzeit werden dieollegen weitere Probleme zu bewältigen haben. Sieerden es nicht alleine schaffen.
Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Spanier,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esurde von Herrn Meckelburg schon angesprochen: Wireden über eine Studie, die offenbar viele – ich nehmen, dass das nicht nur bei Herrn Meckelburg der Fall ist –icht gelesen haben. Sie wird im Grunde nur als Vor-and genommen, um hier über drohende Altersarmut zuprechen. Ich finde es bedauerlich, dass man sich mitiesem Thema, das ich persönlich für sehr wichtig er-chte, so schludrig befasst.
Es ist gar nicht notwendig, mit irgendwelchen Ta-chenspielertricks und Zahlentricks die Wirklichkeit zuerzerren.
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10498 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Wolfgang SpanierNicht nur in den Berichten der Bundesregierung, son-dern beispielsweise auch im jüngsten Sozialbericht desLandes Nordrhein-Westfalen, ebenfalls ein Armuts- undReichtumsbericht, wird festgestellt, dass das Armuts-risiko bei den über 65-Jährigen unterdurchschnittlich istund in den letzten Jahren sogar abgenommen hat. Das istschlicht ein Fakt. Dennoch gibt es in unserem Land Ar-mut, auch Altersarmut. Aber wir können froh und glück-lich sein, dass die Entwicklung in dieser Altersgruppepositiv ist.
Wir müssen – das haben Sie wie ein Taschenspielerbewusst im Unklaren gelassen – zwischen den Leistun-gen und dem Alterseinkommen aus der gesetzlichenRentenversicherung einerseits und dem tatsächlichen Al-terseinkommen andererseits unterscheiden. Hier gibt esgroße Unterschiede. Zu diesem Schluss kommt man,wenn man zum Beispiel die Renten in den neuen Bun-desländern mit denen im Westen Deutschlands ver-gleicht.
– Eben. Dann dürfen Sie dies auch nicht tun. Sie habenaber zwischen den Leistungen aus der gesetzlichen Ren-tenversicherung und dem Alterseinkommen – das istumfassender – nicht unterschieden.
Es geht um die tatsächliche Altersversorgung und umdie künftige Altersversorgung. Ich möchte Herrn WalterRiester beipflichten: Sorgen muss man sich schon ma-chen, insbesondere in den neuen Bundesländern; denndort gehen nun viele in Rente, die natürlich seit 1989dauerhaft arbeitslos sind.
Dort ist künftig konsequenterweise mit deutlich niedri-geren Renten zu rechnen. Es ist richtig, dass die stei-gende Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse sowiedas Anwachsen von Niedriglohnsektor und Langzeit-arbeitslosigkeit – diese geht zwar glücklicherweise zu-rück, ist aber noch immer auf hohem Niveau – Auswir-kungen haben werden. Deswegen ist die Sorge darüber,wie die Altersversorgung in 20, 30 Jahren aussehenwird, durchaus berechtigt. Walter Riester hat recht, dassdie Riesterrente auch den Beziehern kleiner Einkommenzugutekommen kann. Diese müssen diese Form der Al-tersvorsorge auch nutzen. Wenn man aber sieht, wie vieldabei für Geringverdiener im Alter herauskommt, mussman zugeben, dass das nicht die Lösung des Problemsist.Da wir uns alle einig sind, künftig Altersarmut zu ver-hindern, halte ich es für entscheidend, dass wir dieInstrumente, die wir bereits anwenden, weiter ausbauen.Es ist wichtig, die Beschäftigungsquote bei Frauen undÄlteren – ich möchte betonen: besonders die Beschäfti-gungsquote bei älteren Frauen – deutlich anzuheben;drlwI–tKddmBdbdLIncDnsmmeIIAsM
ch persönlich meine aber, dass neben der Rente mit 67diese wird in der OECD-Studie zu Recht gelobt – wei-ere flankierende Maßnahmen erfolgen müssen. Herrolb hat vorhin Hinweise gegeben, die mich persönlichurchaus angesprochen haben. Ein flexibler Übergang inie Rente wäre sicherlich ein entscheidendes Mittel.Lassen Sie mich zum Schluss zu einem Punkt kom-en, von dem ich glaube, dass wir mit ihm einen kleineneitrag leisten können, um die Alterssicherung auch beien Menschen zu stabilisieren, die über ein geringes Ar-eitseinkommen verfügen: Das ist der gesetzliche Min-estlohn. Ich hoffe, dass wir in der Koalition eine guteösung finden werden. Ich weiß, wie schwierig das ist.ch ärgere mich deswegen über das Mätzchen am Don-erstag. Ich bin ein überzeugter Vertreter des gesetzli-hen Mindestlohns.
ennoch werde ich mit gutem Gewissen gegenüber mei-en Wählerinnen und Wählern am Donnerstag mit Neintimmen; denn die Sache ist mir viel zu wichtig, um da-it politische Mätzchen im Deutschen Bundestag zuachen. Das will ich Ihnen deutlich sagen.
Es sei mir noch gestattet, Herr Präsident, zum Schlussinen kleinen Hinweis in Richtung CSU zu geben.
Ganz kurz.
Ich möchte Sie an die bayerische Verfassung erinnern.n Art. 166 Abs. 2 heißt es:Jedermann hat das Recht, sich durch Arbeit eineauskömmliche Existenz zu schaffen.n Art. 169 Abs. 1 steht, wie das zu erreichen sei. Zitat:Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne fest-gesetzt werden, die dem Arbeitnehmer eine den je-weiligen kulturellen Verhältnissen entsprechendeMindestlebenshaltung für sich und seine Familie er-möglichen.lso, werfen Sie noch einmal einen Blick in die bayeri-che Verfassung. Dann können wir gemeinsam hier denindestlohn beschließen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10499
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Ich erteile das Wort Kollegen Franz Romer, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Von einer drohenden Altersarmut in
Deutschland, wie die Linksfraktion dramatisiert, kann
keine Rede sein.
Wovon sprechen wir überhaupt? Was ist Altersarmut?
Man könnte sagen: Jeder neue Millionär steigert das
Durchschnittseinkommen, und schon ist die Anzahl der
Menschen, die per Definition in Armut leben, höher. Klar
ist – darauf wird von uns seit Jahren hingewiesen –, dass
wir eine stärkere private und betriebliche Altersvorsorge
brauchen. Nur wenn flächendeckend kapitalgedeckte
Anteile zur gesetzlichen Rentenversicherung hinzukom-
men, können wir langfristig das heutige Rentenniveau er-
halten und sichergehen, dass es auch in Zukunft keine
Altersarmut geben wird. Das Versorgungsniveau wird
also langfristig nicht geringer werden. Die Anteile der
gesetzlichen, betrieblichen und privaten Rente werden
nur unterschiedlich sein. Altersarmut ist damit nicht vor-
programmiert.
Auch die Autoren des OECD-Berichts bestätigen uns,
dass die langfristige Anhebung des Rentenalters auf
67 Jahre notwendig und richtig war. Diese Maßnahme
verringert den Druck, später Anpassungen am Rentenni-
veau vorzunehmen. Hier muss man den Menschen noch
einmal deutlich sagen, dass es sich um eine langfristige,
langsame Steigerung des Renteneintrittsalters handelt. In
meinem Wahlkreis treffe ich häufig auf Menschen, die
aufgrund empörter Medienberichte oder populistischer
Beiträge anderer Parteien von einer sofortigen Anhe-
bung des Renteneintrittsalters ausgehen. In den kom-
menden Jahren werden wir auf immer mehr Arbeits-
kräfte angewiesen sein. Es ist also wichtig, dass ältere
Arbeitnehmer länger am Erwerbsleben teilhaben. Wir
finden auch eine große Leistungsbereitschaft älterer Ar-
beitnehmer, die gerne ihre Erfahrungen weitergeben. Wir
werden weiterhin an Maßnahmen arbeiten, um gemein-
sam mit Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Beschäfti-
gungssituation für ältere Arbeitnehmer zu verbessern.
Die Linke möchte dies alles nicht wahrhaben und be-
hauptet gebetsmühlenartig, dass wir keine Anhebung des
Renteneintrittsalters brauchen. Diese Behauptung ist
schlichtweg falsch.
Dies wird durch den OECD-Bericht bestätigt. Wir brau-
chen die Anhebung des Renteneintrittsalters zur Siche-
rung des Rentenniveaus.
Ich kann die Beschwerden der Linksfraktion nicht
nachvollziehen. Unsere Rente ist sicher, und wir tun al-
les, um sie auf einem ordentlichen Niveau zu halten. Ich
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Ich erteile das Wort Kollegen Anton Schaaf, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Red-erinnen und Redner der SPD-Bundestagsfraktion habenehr deutlich, aber auch seriös klargemacht, dass sie dierage, ob im Alter Armut droht, sehr ernst nehmen. Ichätte mir übrigens von allen, die hier geredet haben, ge-ünscht, dass sie diese Frage wirklich ernst nehmen undass man nicht versucht, die Ängste der Menschen zuchüren, um sie anschließend für politische Zwecke sel-er zu nutzen.
Ich sage Ihnen einmal, wie diese Ängste geschürterden. Mich ärgert dieses Vorgehen wirklich; denn wireden über ein Thema, das viele Menschen beschäftigtnd schlichtweg verängstigt: ob man im Alter ein ange-essenes Auskommen hat oder nicht. Sie sagen – ohneen Unterschied wirklich klarzumachen –, die Menschenm Osten bekämen im Alter weniger Geld. Fraunkelmann, das stimmt natürlich, was Alterseinkünfteingeht. Deswegen haben Sie diesen Begriff benutzt.ber was die Höhe der gesetzlichen Rente angeht,timmt es nämlich nicht. Das ist die Wahrheit.
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Anton SchaafDass Sie nur von Alterseinkünften gesprochen haben,hatte also einen ganz bestimmten Grund.Männer im Westen bekommen seit dem 31. Dezem-ber 2005 durchschnittlich 957 Euro aus der gesetzlichenRentenversicherung, Männer im Osten durchschnittlich1 007 Euro. Es geht also um die Frage, wer wie vielRente bekommt. Es ist in der Tat so – die Zahlen belegenes –, dass die Menschen im Osten – das hat mit Erwerbs-biografien und Rentenbeiträgen zu tun; das ist in unse-rem Land Gott sei Dank so – im Durchschnitt mehrRente als die Menschen im Westen erhalten. Das mussman so sagen. Das hat mit der Höhe der Alterseinkünfteinsgesamt erst einmal nichts zu tun. Man sollte auchnicht versuchen, die Menschen da irrezuführen. Ausmeiner Sicht ist das sehr eindeutig.Ich komme auf die OECD-Studie zu sprechen. Es istwunderbar, wieder einmal zu erleben – das hat auch dieZeitung mit den vier großen Buchstaben getan –, dassman die OECD-Studie nur selektiv darstellt. Was die Ge-ringverdiener in der Bundesrepublik angeht, besagt dieseStudie beispielsweise, dass ihnen Altersarmut droht,wenn wir uns darum nicht kümmern. In dieser Studiewird allerdings völlig außer Acht gelassen, dass Gering-verdiener bei uns nicht ausschließlich im Rentensystemabgesichert werden, sondern auch in einem anderenLeistungssystem, nämlich durch eine steuerfinanzierteGrundsicherung. Sie haben verschwiegen, dass dieOECD das auch gesagt hat.Wo ich gerade den Kollegen Ernst sehe, würde michseine Haltung zu einem Punkt aus der OECD-Studie sehrinteressieren, den Sie auch nicht genannt haben. DieOECD-Studie sagt nämlich auch, dass eines der künfti-gen zentralen Probleme im deutschen Rentenversiche-rungssystem auf der so ausgiebigen Frühverrentungssys-tematik in Deutschland beruht. Es wäre interessant, dazuetwas zu hören.
Auch auf die Frage der Entgeltumwandlung, HerrKolb, bleibe ich selbstverständlich keine Antwort schul-dig.
Würden wir die Beitragsfreiheit bei der Entgeltumwand-lung beibehalten, entzögen wir den anderen sozialen Si-cherungssystemen notwendiges Geld.
Das betrifft nicht vorrangig die Rentenversicherung, umes ganz deutlich zu sagen, aber die anderen sozialen Si-cherungssysteme wie zum Beispiel die Krankenversi-cherung würden massiv darunter leiden. Ich möchtenoch erwähnen, dass es sich um ein befristetes Gesetzhandelt. Es ist also nicht so, dass sich die Bundesregie-rung jetzt plötzlich überlegt hätte, damit aufzuhören. Ichhalte die Diskussion über die Frage, ob wir eine Förde-rung fortführen müssen, für berechtigt, sage allerdings:aber bitte nicht zulasten der anderen sozialen Siche-rungssysteme.cnsdHsthtfFwfWdmDagFWdztdAstmeagissMrtdSgsdd
Wir müssen auch über eine andere Form von steuerli-her Förderung reden. Aber auch hier ist meine Bitte:icht zulasten der sozialen Sicherungssysteme. Grund-ätzlich bin ich der festen Überzeugung, dass wir aucha weiter fördern müssen.Das Thema Teilrente will ich gerne noch ansprechen,err Kolb. In der Tat ist das ein Instrument, das wirchon haben. Ich nenne hier drei Punkte: Meines Erach-ens müssen die Hinzuverdienstgrenzen zumindest er-öht werden, über eine Freigabe müsste man noch disku-ieren. Zweitens müssen wir das vorhandene Instrumentlexibler gestalten. Dabei geht es aber nicht nur um dierage, ab wann man es nutzen kann, sondern beispiels-eise auch darum, in welchen Stufen dieses Systemunktioniert. Drittens muss man allerdings auch sagen:er Teilrente in Anspruch nimmt und keinen Hinzuver-ienst hat, darf dann nicht den sozialen Sicherungssyste-en zur Last fallen.
ie Teilrente muss mindestens so hoch sein, dass nichtnschließend noch Sozialhilfe oder ergänzende Leistun-en gezahlt werden müssen. Es stellt sich allerdings dierage: Für wen ist diese Teilrente dann noch interessant?
ir reden von einem Teilrentenbezug sieben Jahre vorem regulären Renteneintritt mit 25 Prozent Rentenab-ug. Eine solche Teilrente ist nur für Menschen mit rela-iv hohen Ansprüchen interessant, also für diejenigen,ie in ihrem Leben relativ viel Geld verdient haben.
ber es stellt sich in der Tat die Frage: Warum soll manolche Möglichkeiten nicht nutzen? Ich denke, das istatsächlich auch in dieser Koalition noch möglich.Darüber hinaus ist es so: Die Ansprüche im Alter hatan sich erarbeitet. Sie beruhen und beziehen sich aufin Erwerbsleben. Das war immer so, und man kann sichus meiner Sicht jetzt nicht hinstellen und darüber kla-en, dass es so ist. Die Ursache für Armut im Alter liegtm Wesentlichen in dem nicht ausreichenden oder nichttattgefundenen Erwerbsleben. Das ist die erste Bau-telle, die wir abräumen müssen.Darüber hinaus sage ich Ihnen: Armut droht denenschen, wenn wir die Betriebsrenten und die Riester-ente nicht weiter fördern und wenn wir keine vernünf-ige steuerfinanzierte Grundsicherung schaffen. Dannroht den alten Menschen in der Tat Armut.Aber Armut ist aus meiner Sicht gar nicht daschlimmste für die sozialen Sicherungssysteme. Dierößte Gefahr für die sozialen Sicherungssysteme ent-teht durch das, was Sie gerade veranstalten. Sie redenie sozialen Sicherungssysteme schlecht. Sie machenen Menschen Angst.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10501
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Anton SchaafDadurch geht das Vertrauen in unsere Sozialstaatlichkeitverloren. Sie schüren diese Ängste. Das ist die größteGefahr für die sozialen Sicherungssysteme.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Zweiten Gesetzes zum Abbau bürokrati-
scher Hemmnisse insbesondere in der mit-
telständischen Wirtschaft
– Drucksache 16/4764 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Laurenz Meyer , Veronika
Bellmann, Klaus Brähmig, weiteren Abgeord-
neten und der Fraktion der CDU/CSU sowie
den Abgeordneten Dr. Rainer Wend, Ludwig
Stiegler, Christian Lange , weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion der SPD
eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset-
zes zum Abbau bürokratischer Hemmnisse
insbesondere in der mittelständischen
Wirtschaft
– Drucksache 16/4391 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Technologie
– Drucksache 16/5522 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie zu dem Antrag der Abge-
ordneten Birgit Homburger, Martin Zeil, Jens
Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP
Mehr Anreize beim Bürokratieabbau – Für eine
Kostenerstattung staatlicher Pflichtdienste
– Drucksachen 16/4605, 16/5522 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs
Zur dritten Beratung der Entwürfe eines Gesetzes
zum Abbau bürokratischer Hemmnisse liegt ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner erteile
ich dem Kollegen Michael Fuchs, CDU/CSU-Fraktion,
das Wort.
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ass wir gemeinsam eine Reihe von Punkten aufgegrif-en haben und gemeinsam zu einer Umsetzung gekom-en sind. Wir hätten gern noch einiges mehr gemacht,ber die Beharrungskräfte, die wir bei diesem Gesetz er-eben durften, waren ziemlich stark. Wir haben uns des-egen auch vorgenommen, ein drittes MEG so schnellie möglich folgen zu lassen; ich komme darauf nochurück.Wir sind auf einem guten Weg. Der Normenkontroll-at hat seine Arbeit aufgenommen. Er hat beispielsweiseei dem Unternehmensteuerreformgesetz, das wir vorurzem verabschiedet haben, sehr gute Arbeit geleistet.ierbei ist es zum ersten Mal dazu gekommen, dass wirine ganze Menge von zusätzlicher Bürokratie – derMF hatte sie hineingeschrieben – wieder herausgenom-en haben, und zwar aufgrund der Anregungen des Nor-enkontrollrats.Das SKM ist ebenfalls auf einem guten Weg. Wie ichöre, wird Mittsommer, Juli/August, die Pareto-Probe,lso 20 Prozent, fertig sein. Wir können dann unverzüg-ich in die Verhandlungen eintreten und werden sofortesultate sehen. Die Bundesregierung hat sich auf einbbauziel von 25 Prozent festgelegt. Sie wird in dieseregislaturperiode noch einiges erreichen.
Selbstverständlich, Herr Kollege, reden wir nur überettoziele, nicht über Bruttoziele.Mit dem zweiten MEG erreichen wir ein Einsparvolu-en von über 100 Millionen Euro. Das ist sicherlichoch viel zu wenig, aber wir sind auf einem guten Weg.Vor allen Dingen ist es uns gelungen, die mittelständi-che Wirtschaft von zusätzlichen Belastungen zu be-reien. Ich halte es einfach für außerordentlich wichtig,ass ein junger Unternehmer sich in den ersten drei Jah-en ausschließlich um das Einwerben von Aufträgen, umie Rechnungen dafür, um das Marketing für sein Unter-ehmen, um die Unternehmensidee kümmern kann
nd nicht abends noch drei Stunden lang Statistiken er-tellen muss, die dann keiner liest.
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10502 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Dr. Michael FuchsIch halte es auch für richtig und wichtig, dass Unter-nehmen, die maximal 50 Mitarbeiter haben, maximaldrei Statistiken erstellen müssen. Mir liegen Schreibenvon kleinen Mittelständlern vor, nach denen sie bis zu16 Statistiken erstellen mussten. Das kann nicht sein.Das bauen wir jetzt ab. Die Ämter sind gefordert, das intechnischer Hinsicht zu lösen. Es darf kein großes Pro-blem sein, zu erreichen, dass solche Unternehmen maxi-mal dreimal zu so etwas herangezogen werden.
Etwas anderes betrachten wir als Einstieg. Wir schaf-fen eine erste Doppelprüfung ab, nämlich die bei derBeitragsüberwachung durch die Rentenversicherung unddie Berufsgenossenschaften. Diese Doppelprüfung wirdes nicht mehr geben. In Zukunft kommt nur noch einer,der prüft. Das ist erst der Anfang. Herr Lange, wir beidewissen, dass das vor allen Dingen ein Problem der Ge-werbeaufsicht und der Berufsgenossenschaften ist. Hierwird obendrein häufig auch noch nach unterschiedlichenKriterien geprüft, genauer gesagt: nicht nur nach unter-schiedlichen Kriterien, sondern auch nach unterschiedli-chen Maßstäben.Meine Damen und Herren, obwohl es eigentlich trau-rig, aber auch lustig ist, will ich Ihnen dazu ein eigenesErlebnis erzählen: In meinem Betrieb – das war einGroßhandel – hatten wir, wie sich das gehört, eine stattli-che Anzahl von Feuerlöschern, so 130 bis 150 Stück. Dakam die Berufsgenossenschaft und sagte: Alle diese Feu-erlöscher hängen zu tief. Höher hängen! – Ein Mitarbei-ter hat alle angehoben. Die mussten auf 1 Meter oder1,10 Meter Höhe angebracht werden. Das haben wir ge-macht, gebohrt, höher gehängt, wie sich das gehört. VierWochen später kam die Gewerbeaufsicht und hat gesagt:Alle Feuerlöscher hängen viel zu hoch. Die dürfen maxi-mal auf 80 Zentimeter Höhe angebracht sein. – Da istmir, gelinde gesagt, der Kragen geplatzt. Ich habe ge-fragt: Was sollen wir jetzt machen? Sollen wir eineSchiene an die Wand machen, damit wir die Feuerlö-scher daran rauf- und runterschieben können, je nach-dem, wer von euch gerade ins Haus kommt?
– Das wäre eine unbürokratische, aber relativ teure Lö-sung gewesen. – So einen Quatsch dürfen wir den Unter-nehmen heute nicht mehr zumuten. Wir müssen dafürsorgen, dass auf Länderebene – hier ist ein erheblichesDefizit beim Bürokratieabbau festzustellen – Lösungengefunden werden,
dass entweder die Gewerbeaufsicht oder die Berufsge-nossenschaft nach gleichen Kriterien einen Betrieb über-prüft und dass keine Doppelprüfung mehr stattfindet.
Von zentraler Bedeutung ist aber auch, dass wir Über-zeugungsarbeit bei den Verbänden leisten. Hier gibt eseine ganze Reihe von Fällen – die kennen auch Sie, HerrLange –, auf die wir während der Erarbeitung des MEGgdskDbWgwVDntEbfwiphBcWdzehrtWdoto
arum geschieht so etwas? Das hat ganz simple Hinter-ründe: Aus den vorhandenen Statistiken wird irgendet-as generiert, was anschließend den Mitgliedern deserbandes als eigene Leistung verkauft wird.
as halte ich für falsch. Wir müssen einmal darüberachdenken, wie wir eine derartige Verwendung der Sta-istiken verhindern können.
s kann nicht sein, dass die Verbände sich der Statistikenedienen, das anschließend als eigene Leistung verkau-en, die Unternehmen das aber gar nicht haben wollen,
ir jedoch aufgrund des Einwandes der Verbände nichtn der Lage sind, sie abzuschaffen.Bundesminister Clement hat in der letzten Legislatur-eriode gesagt, Bürokratieabbau sei Häuserkampf. Rechtat er gehabt; das haben wir gemerkt. Aber wir habenleiwesten an. Wir werden auf dem Sektor weiterma-hen.
ir werden versuchen, das hinzubekommen. Wir wer-en gemeinsam ein drittes MEG erarbeiten. Wir solltenusammen im dem Sinn darangehen, die Wirtschaft zuntlasten. Das ist das Ziel dieser Bundesregierung. Dasat die Bundeskanzlerin in ihrer ersten Regierungserklä-ung gesagt, und das werden wir auch weiter verfolgen.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Martin Zeil, FDP-Frak-
ion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn man mit Bürgern oder auch Unternehmern überas Thema Bürokratieabbau spricht, so begegnet einemft eine Mischung aus Ungläubigkeit, Wut und Resigna-ion. Man hört dann Sätze wie: „Das haben wir schon soft gehört, aber es passiert ja doch nichts“, „Ihr könnt
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Martin Zeileuch doch eh nicht selbst infrage stellen“ oder „Mit einerabgeschafften Regelung kommen doch zehn neue“.In der Tat ist es vor allen Dingen immer noch derMittelstand, der sich von der Politik auch auf diesemwichtigen Feld im Stich gelassen fühlt. Er erlebt, wiezum Beispiel bei der Unternehmensteuerreform sich dieDiskussion eher auf die Großunternehmen konzentriertund wie die Interessen gerade dieser Unternehmen dieEntscheidungen der Politik in ordnungs- und wettbe-werbspolitischen Fragen oft sehr geschmeidig im Sinnedieser Unternehmen bestimmen.Diese stiefmütterliche Behandlung des Mittelstandesund der kreativen Menschen in unserem Land ist völligunangemessen. Der Mittelstand ist unbestritten das tra-gende Fundament der deutschen Volkswirtschaft. Vordiesem Hintergrund sind der Abbau und die Vermeidungvon Bürokratie nicht nur von erheblicher volkswirt-schaftlicher Bedeutung oder nur ein Herzensanliegenvon Fachpolitikern. Dass der Bürokratieabbau endlichspürbar gelingt, ist nach so vielen vergeblichen Versu-chen und so vielen enttäuschten Erwartungen eine Frageder Handlungsfähigkeit und der Glaubwürdigkeit derPolitik insgesamt.
Ebenso ist es eine Frage der Wettbewerbsfähigkeitin Zeiten der Globalisierung. Zum einen macht der Ab-bau von Bürokratielasten unseren Standort wieder at-traktiver gegenüber Regionen, die nicht eine solcheRegelungsdichte haben. Zum anderen ist er auch einBeitrag, die jungen, kreativen Menschen in unseremLand, die wir für unsere Zukunft so dringend brauchen,zu ermutigen, hier in Deutschland zu bleiben, statt weg-zugehen.Unsere Kritik an Ihrem Mittelstandsentlastungsgesetz– deswegen habe ich etwas grundsätzlicher begonnen –setzt daher nicht an den Detailbemühungen an. Da gehtvieles in die richtige Richtung und schadet nicht, außer,Herr Kollege Fuchs, im Falle gewisser Widersprüchlich-keiten: Ich denke dabei an das sogenannte Dienstleis-tungskonjunkturgesetz, das zusätzliche Belastungenbringt. Aber das kennen wir ja bei dieser Regierung: einsvor und zwei zurück – ganz wie in der Tanzstunde, nurnicht so harmonisch.
Unsere Kritik richtet sich auf das Fehlen eines muti-gen Gesamtkonzepts und eines echten Schritts nachvorn. Denn was machen Sie? Sie stellen eine Vielzahlseit langem nicht mehr angewandter oder überflüssig ge-wordener Vorschriften zusammen und feiern dies alsgroße Etappe auf dem Weg zum Bürokratieabbau. WeilSie viele Punkte, die auch wir in unserem Entschlie-ßungsantrag erneut genannt haben, aus Gründen derideologischen Blockade innerhalb der Koalition nichtangehen können, muss das Abschneiden von dürren Äs-ten schon als reformerische Großtat begangen werden.Aber es ist genau diese Art, nämlich fehlende Sub-stanz durch Wortgeklingel zu ersetzen, die viele Men-sa„mdedgdmkSszndaJsthawbvttbeDdeSflaRnkkVcndbtW
Mit diesem eher an gemütliches Spazierengehen erin-ernden Tempo werden wir die Glaubwürdigkeitslückeer Politik sicher nicht schließen. Glaubwürdig ist esuch nicht gerade, wenn die CSU-Landesgruppe vorahresfrist unter dem vielversprechenden Titel „Ent-chlossen entbürokratisieren“ den Kostenersatz für Be-riebe bei der Erfüllung von Statistikpflichten fordert,eute aber unseren Antrag, der in diese Richtung geht,blehnt.Viele Bürger können einfach nicht mehr verstehen,arum folgende Regelungen nach wie vor Bestand ha-en: Ich nenne beispielsweise die Doppelbeantragungon Veranstaltungsgenehmigungen. Ein besonders plas-isches Beispiel ist, dass ein Lkw, der am Reformations-ag in Berlin losfährt, nicht bis Niedersachsen oder Ham-urg kommt, weil in Brandenburg und Sachsen-Anhaltin Fahrverbot gilt. Das ist der reale Bürokratieirrsinn ineutschland.
Hier wird aber auch deutlich, dass wir auch die Län-erebene – Herr Kollege Fuchs hat es angesprochen –benso wie die europäische Ebene in eine umfassendetrategie einbeziehen müssen. Aus der Sicht der Betrof-enen macht es nämlich keinen Unterschied, wer letzt-ich für den bürokratischen Akt verantwortlich zeichnet.Schließlich müssen wir auch an die Unternehmen undn die Bürger selbst appellieren. Wer nach staatlicheregelung ruft, weil er glaubt, die Dinge nicht unterei-ander regeln zu können, wird Bürokratie ernten. Hinzuommt, dass nicht alles, was in den Betrieben als Büro-ratie erscheint oder ausgegeben wird, auf gesetzlichenorschriften beruht. Auch die vor allem im Zuge einerontrollergetriebenen Unternehmensführung geschaffe-en innerbetrieblichen Regelungen bedürfen vielerortser Durchforstung und Verschlankung.Bevor Sie ein drittes Entlastungsgesetz auf den Wegringen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koali-ion, sollten Sie vielleicht einmal etwas tiefer schürfen.ir sind Ihnen dabei gerne behilflich.
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Ich erteile das Wort Kollegen Christian Lange, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Bürokratie abzubauen, ist in der Tat mühsam. DieseErfahrung haben wir alle gemacht. Aber wir lassen unsnicht entmutigen. Wir haben heute einen Etappensiegerrungen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.Ich wundere mich schon, verehrter Herr Zeil, dassausgerechnet die FDP heute ein Gesamtkonzept an-mahnt. Man muss sich nämlich die Frage stellen: Welchegesetzlichen Bürokratiebelastungen, welche Dokumen-tations- und Informationspflichten bauen wir heute ei-gentlich ab? In der Regel Gesetze, die verdammt altsind; in der Regel Gesetze, die – ohne der FDP den Rangablaufen zu wollen – in der Verantwortung von Libera-len im Wirtschaftsministerium des Bundes zustande ka-men.
Deshalb halte ich es schon für dreist, dass Sie hier einGesamtkonzept anmahnen. Ich halte es für dreist, HerrZeil, dass Sie noch nicht einmal den Mut haben, auf Ih-ren Antrag einzugehen, in dem Sie für Unternehmeneine Bürokratiekostenerstattung ankündigen. Sie selbstbeziffern sie dann auch noch auf 46 Milliarden Euro undbehaupten, der Bund müsse ja nicht alles bezahlen.
Wollen Sie etwa den mühsamen Kampf gegen die Büro-kratie auf dem Rücken der Steuerzahler austragen unddas Geld der Steuerzahler in die Unternehmen schießen?
Das ist das Konzept der FDP. Das ist weder ein Gesamt-konzept noch seriös. Es ist einfach Unsinn.
Lassen Sie uns zur Wirklichkeit und damit zum Nor-menkontrollrat zurückkehren. Wir alle wissen: DerNormenkontrollrat ist eine Institution, die von manchenin unseren Reihen hier im Parlament durchaus mit Skep-sis betrachtet wird. Wir versprechen uns von ihm vielGutes, weil er sich auf die Informations- und Dokumen-tationspflichten konzentriert. Herr Fuchs hat zu Rechtauf viele dieser Pflichten hingewiesen, insbesondere aufDoppelungen. Aber die Befürchtungen, dass es sich da-bei um einen Übergesetzgeber handeln könnte, um einenGesetzgeber, der quasi über dem Deutschen Bundestagsteht und uns sagt, was wir materiell-rechtlich, also in-haltlich, zu regulieren und zu ändern haben, sind nichtrichtig. Wir sind froh – Herr Fuchs, gestatten Sie mirdiese Bemerkung –, dass der Normenkontrollrat handelt;denn er garantiert uns zum Beispiel, dass der 1. Maiauch weiterhin ein Feiertag bleiben wird.
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ber ich sage Ihnen: Auch Kleinvieh macht Mist. Genauas ist der richtige Ansatz.Ich will aufgreifen, was Kollege Fuchs angesprochenat: Wir werden bei den bislang 17 festgelegten Maß-ahmen nicht stehen bleiben. Der Kollege Dr. Wend undch haben heute ein Gespräch mit Vertretern des Bundes-erbandes der Dienstleistungswirtschaft geführt. Daraneilgenommen hat auch ein Vertreter des Bundesverban-es der Autovermieter Deutschlands. Er hat uns ein inte-essantes Beispiel hinsichtlich der Mietfahrzeuge ineutschland genannt. Ungefähr 300 000 Neufahrzeugeetzt diese Branche pro Jahr um. Dort gibt es die Rege-ung, wonach die Haupt- und Abgasuntersuchungen bei
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Christian Lange
einem Neufahrzeug nicht wie bei Otto Normalverbrau-cher nach drei Jahren, sondern nach einem Jahr durchge-führt werden müssen. Das ist eine uralte Regelung. Frü-her waren die Autos in dieser Branche länger inGebrauch. Heute werden sie aber in der Regel nachsechs Monaten und längstens nach zwölf Monatenausgetauscht. Eine Untersuchung kostet 100 Euro. Bei300 000 Fahrzeugen macht das jährlich 30 MillionenEuro. Warum sollte man da keine Änderung anregen?Ich weiß, dass es hierzu seitens des Bundesrates und derMinisterien Bemühungen gibt. Die Situation hat sich ge-ändert, Fahrzeuge werden heute schneller ausgetauscht.Wir sind bereit, entsprechend zu handeln und zu sagen:Eine solche Belastung ist angesichts der realen Verhält-nisse, angesichts der Tatsache, dass Fahrzeuge heutenicht mehr jahrelang in Betrieb sind, sondern in der Re-gel nur noch sechs bis zwölf Monate, nicht mehr ange-messen. Wir sind bereit, den Mietwagen nicht mit einemMalus zu belasten, sondern ihn mit Privatfahrzeugengleichzustellen. Sie sehen also: Kleinvieh macht auchMist. Auch Kleinigkeiten können Millionenbeträge aus-machen; das zeigt das Beispiel aus der Autovermie-tungsbranche.Ich bin mir sicher, dass wir in dieser Runde über eindrittes Mittelstandsentlastungsgesetz beraten werden.Ich wünsche mir deshalb die Unterstützung aller hier imHause.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Sabine Zimmermann,
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Die große Kuschelkoalition– Herr Fuchs, Herr Lange, Herr Dr. Wend – und der Mit-telstand, das ist für mich eine unendliche Geschichte:Das Erste Mittelstandsentlastungsgesetz ist bereits be-schlossen, über das Zweite Mittelstandsentlastungsge-setz reden wir jetzt, und das Dritte Mittelstandsentlas-tungsgesetz ist schon in Vorbereitung.Für Union und SPD heißt Mittelstandspolitik immerBürokratieabbau. Ich stelle fest: Mit dem Thema Büro-kratieabbau wird viel Schindluder getrieben. SeriöseStudien werden ignoriert, stattdessen wird politisch ein-seitig Stimmung gemacht. Leider haben sich auch dieGrünen und die FDP auf diesen Holzweg begeben. HerrZeil, beim Lesen Ihres Antrags ist mir zwar nichtschlecht geworden, aber Kopfschmerzen hatte ich schon,
insbesondere wegen der Angriffe auf den Kündigungs-schutz und das Betriebsverfassungsgesetz. Das sind wiraber inzwischen gewohnt; das ist ja normal.
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10506 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Herr Fuchs, bezüglich Ihres Beispiels mit den80 Zentimetern beim Feuerlöscher musste ich an dieGroße Koalition denken. Auch dort geht es rauf und run-ter.
Vielleicht sollten auch Sie sich eine Schiene anschaffen,damit Sie hier ein Stück weit weiterkommen.
Richtig ist: Bürokratie erzeugt Aufwand und Kostenund bindet Ressourcen. Natürlich ist auch richtig: Büro-kratie ist notwendig. Ein verantwortlicher Staat brauchteinen anspruchsvollen Ordnungsrahmen und Regelun-gen und Regulierungen. Herr Fuchs, Sie haben das Bei-spiel hinsichtlich der Bauabzugsteuer angeführt. DiesesPhänomen gibt es immer wieder: Keiner will Bürokratie,aber wenn es darauf ankommt, dann wird sie von derLobby eingeklagt. Sie hatten hier deutlich gemacht, wiedie Verhandlungen über das Mittelstandsentlastungsge-setz vonstatten gegangen sind.Einzelne Maßnahmen in dem Gesetz sind sinnvoll,aber sie reichen nicht aus. Unsere Kritik, dass es sichhier um Nasenwasser handelt, wird Sie nicht wundern.Ich hatte von Ihnen einmal die interessante Zahl von17 Euro pro Unternehmen gehört; das heißt, die Maß-nahmen bewirken für ein Unternehmen eine Entlastungvon 17 Euro bzw. eine Entlastung im Promillebereich.Sie kündigen jetzt das Dritte Mittelstandsentlastungsge-setz an. Das ist sehr spannend.Insgesamt haben Sie sich den Bürokratieabbau zumThema gemacht. Ich hatte Anfang der Woche die Gele-genheit, mit Herrn Dr. Beus darüber zu sprechen. Er gingauf die Kritik ein, die wir anführen und die von der Op-position insgesamt gekommen ist, dass die Entlastungs-ziele – bis 2011 – weit gefasst sind und der Kostenabbauum 25 Prozent erst 2011 erreicht sein soll. Er hat berich-tet, dass Sie im Oktober vorlegen wollen, wie Sie sichdsdblHf2lnwKDIegseidpikSdStnagizldtdihstvWtsIdnaVn
n diesem Punkt können wir Ihnen nicht folgen. Insofernürfte klar sein, dass wir Ihrem Entschließungsantragicht zustimmen werden,
uch wenn es sich dabei um den am weitesten gehendenorschlag handelt, über den wir derzeit diskutieren.Da meine Redezeit gleich vorbei ist, möchte ich nuroch auf einen Aspekt zu sprechen kommen. Ich bitte)
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Kerstin AndreaeSie, die Diskussion über die Generalunternehmerhaf-tung noch einmal aufzunehmen. Wir glauben, dass dieGeneralunternehmerhaftung ihre Prüfung nicht bestan-den hat. Wir sollten sie abschaffen; denn sie ist das fal-sche Instrument.
– Nein. Wenn wir über das nächste Mittelstandsentlas-tungsgesetz und über andere Vorschläge, die weiter rei-chen, diskutieren, können wir das wohlwollend prüfen.Dann würden wir Sie unterstützen. Aber dieses Mittel-standsentlastungsgesetz reicht uns nicht aus.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatsse-
kretär Hartmut Schauerte.
H
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Sowohl in der Bevölkerung als auch in den Unter-nehmen und der Wirtschaft insgesamt wird die Bürokra-tie als ein gewaltiges und ernstes Problem betrachtet. Ichwill mich mit den Ausführungen der Linken hier garnicht beschäftigen; denn die Linken verneinen, dass esüberhaupt ein Problem gibt.
Was soll dann eine Diskussion? Ich beschäftige mich lie-ber mit denjenigen, die darüber nachdenken, wie wirschneller und effektiver werden können und ob wir mitdem, was wir tun, zufrieden sein können.Lassen Sie mich darauf hinweisen, welche Situationwir vorgefunden haben, als wir mit unserer Arbeit be-gannen.Erstens. Wir haben dafür gesorgt, dass der Bürokra-tieabbau zum ersten Mal Thema einer Regierungserklä-rung war. Dieses Thema wurde im Kanzleramt angesie-delt; ihm wurde also hohe Priorität beigemessen.Zweitens. Wir haben den Normenkontrollrat und dasStandardkostenmodell eingeführt. Dieses Modell isteine völlig neue Methode, die auf den Erfahrungen ande-rer europäischer Länder aufbaut. Wir werden durch dieAnwendung des Standardkostenmodells schneller seinals die Länder in Europa, die uns bisher vorgemacht ha-ben, wie es geht. Damit komme ich auf den Faktor Zeitzu sprechen. Wenn wir es schaffen, die Bürokratiekostenbis zum Jahre 2011 um 25 Prozent zu reduzieren, wäreDeutschland schneller, als die Niederlande es waren.Dort hat man ein Jahr länger gebraucht, um dieses Zielzu erreichen. Ich denke, hier befindet sich Deutschlandim europäischen Durchschnitt.danDBkdKtismtmedktsnlbcslnbLmimzsrbhmfZtsslGcsBwdwI
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10508 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Parl. Staatssekretär Hartmut SchauerteWir müssen zuerst die Regelungen abbauen, auf die ver-zichtet werden kann. Wir dürfen nicht in Bereichen an-fangen, über die inhaltlich gestritten wird. Sonst eröff-nete man bei jedem Punkt zum Abbau von Bürokratiedie Debatte über ein politisch strittiges Thema.
Dann blieben wir stecken und kämen keinen Millimetervoran. Das wäre schade. Ich bitte deshalb darum, solcheDebatten, wenn überhaupt, am Ende dieses Prozesses zuführen; dann mag das etwas bringen.
ir können das gerne vertiefen; aber ich glaube, das istm Moment nicht nötig.Wir werden in einer späteren Phase nicht bei der Ab-chaffung von Informationspflichten stehen bleiben kön-en. Die Mittelstandsentlastungsgesetze beschränkenich auch nicht darauf; in ihnen geht es kunterbunt durchen Bereich der Bürokratie. Deshalb sage ich noch ein-al: Machen Sie Vorschläge! Wir werden sie uns gernenschauen.
Ich betrachte dies als einen Prozess, den wir mit an-auernder Kreativität gestalten müssen. Es gibt genü-end Widerstände in den Beharrungselementen unsereresellschaft, in den Beharrungselementen unserer Lob-yverbände, in den Beharrungselementen des Gewohn-en. Darüber brauchen wir uns im Parlament eigentlichicht zu streiten. Wir sollten uns vielmehr schlauma-hen, wie wir weiterkommen, wie wir das gemeinsamngestrebte Ziel erreichen, den Mittelstand und die Bür-er, aber auch die Verwaltungen von bürokratischen Be-astungen zu befreien. Die Kosten der Bürokratie werdenuf zwischen 40 und 70 Milliarden Euro pro Jahr ge-chätzt. Wir haben wahrlich genug Kosten in Deutsch-and, und der weltweite Wettbewerb ist hart genug.enn wir da bestehen wollen, sind wir gut beraten, mit-inander so schnell wie möglich möglichst viel unnötigeürokratie abzubauen, ohne gleich inhaltliche Debattenber strittige Themen zu eröffnen. Ich lade Sie alle dazuin.Herzlichen Dank.
Als nächster Rednerin erteile ich Kollegin Edelgard
ulmahn, SPD-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Der große Schriftsteller William Somersetaugham hat die Bürokratie mit der Sintflut verglichen.llerdings befürchtete er, dass die Menschen bei derächsten Sintflut nicht im Wasser, sondern im Papier er-rinken würden.
as bleibt uns hoffentlich erspart; denn wir haben imergangenen Jahr begonnen, wichtige Schritte zum Ab-
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Edelgard Bulmahnbau von Bürokratie zu unternehmen: zum Beispiel durchdie verpflichtende Bürokratiekostenmessung nach demStandardkostenmodell, durch die Einsetzung eines hoch-rangig besetzten Normenkontrollrates sowie durch dasErste Mittelstandsentlastungsgesetz. Mit dem ZweitenMittelstandsentlastungsgesetz setzen wir diese Politikkonsequent fort.Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposi-tion, kritisieren, dass dieser Gesetzentwurf nicht dergroße Wurf sei, mit dem man die gesamte überflüssigeBürokratie sozusagen über Nacht wegfegen könne. Es istrichtig; das gelingt uns nicht. Aber glauben Sie ernsthaft,dass bürokratische Vorschriften und Regelungen, die inden letzten 50 Jahren entstanden sind und hinsichtlichderer sich jede der hier anwesenden Fraktionen an ihreeigene Brust klopfen muss, über Nacht verschwindenkönnen? Ich fürchte, das ist leider nicht möglich.
Notwendig und wichtig ist, dass wir kontinuierlich je-des Gesetz, jede Verordnung und jede Regelung kritischüberprüfen. Bei jedem Gesetz müssen wir Bürokratievermeiden bzw. dafür sorgen, dass Bürokratie abgebautwird. Das ist der richtige Weg, und auf diesem Weg sindwir. Durch überbordende bürokratische Regelungenwerden die Möglichkeiten wirtschaftlicher Entwicklunggehemmt. Arbeitskräfte und Geld werden gebunden,ohne produktiv zu sein. Zusätzlich kosten sie auch nochZeit. Deshalb ist es gerade für den Mittelstand, für diekleinen und mittleren Unternehmen, so wichtig, dass wirfortfahren, sie von überflüssiger Bürokratie zu entlasten.Mit dem Gesetz, das wir heute beschließen werden,ist eine Bürokratiekostenentlastung in Höhe von min-destens 58,8 Millionen Euro für die Unternehmen undmindestens 5 Millionen Euro für die Verwaltung verbun-den. Das erscheint auf den ersten Blick vielleicht nichtviel, aber wir müssen es zu dem addieren, was wir in derVergangenheit – im letzten Jahr – schon geschafft haben,zum Beispiel über den Normenkontrollrat. Ich sage esnoch einmal ausdrücklich: Entscheidend ist, dass wirdiesen Weg konsequent weitergehen.
Durch dieses Mittelstandsentlastungsgesetz werdenInformations- und Erlaubnispflichten abgeschafft bzw.vereinfacht. An die Adresse der FDP und der Linkensage ich ausdrücklich: Liebe Kolleginnen und Kollegen,wir schaffen Bürokratie ab, wir schaffen nicht Arbeit-nehmerrechte ab.
Wir werden den Kündigungsschutz nicht abschaffen,Herr Zeil, weil es falsch wäre.
Mit der faktischen Abschaffung des Kündigungsschut-zes, wie in Ihrem Vorschlag vorgesehen, schaffen Siekeinen einzigen neuen Arbeitsplatz.
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ie können doch, genau wie ich, lesen.
Wir können davon ausgehen, dass in diesem Jahr rund0 000 zusätzliche Arbeitsplätze allein durch den Mittel-tand geschaffen werden. Mir ist jeder Arbeitslose wich-ig, und es ist mir wert, dass wir alle Anstrengungen un-ernehmen, damit jeder Arbeitslose eine Chance aufinen Arbeitsplatz hat.
enau dies wollen wir damit doch erreichen, liebe Kol-eginnen und Kollegen. Letztendlich profitiert auch dieinnenkonjunktur davon: die Baubranche, der gesamteotel- und Gaststättenbereich und der Dienstleistungs-ereich. Das sind doch gerade die kleinen und mittel-tändischen Unternehmen. Also sollten wir über die Pro-leme reden, die wir wirklich haben; von ihnen gibt esoch genug. Wir sollten diese Probleme lösen und hiericht die Wolke sieben beschwören. Dies hilft uns über-aupt nicht weiter.
Lassen Sie mich noch auf ein ganz konkretes Beispielingehen, weil wir davon überzeugt sind, dass wir nurann den Mittelstand erfolgreich von bürokratischen An-orderungen entlasten können, wenn wir es in einem en-en Dialog mit dem Mittelstand tun. Dies haben wir ge-an, und deshalb haben wir bei den parlamentarischeneratungen einem Vorschlag von einigen Industrie-nd Handelskammern insofern Rechnung getragen, alsir den Kammern einräumen, in ihrem Kammerbezirken Mitgliedern einen ermäßigten Grundbeitrag einzu-äumen, wenn eine Muttergesellschaft und eine 100-pro-)
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10510 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Edelgard Bulmahnzentige Tochtergesellschaft mit ihren Hauptsitzen dersel-ben Kammer angehören.
Damit zeigen wir, dass wir auf gute Vorschläge einge-hen. Wir schaffen Ermessensregelungen und geben denKammern Gelegenheit, ihre Gegebenheiten zu berück-sichtigen. Genau dies ist der richtige Weg, der vor allemfür gemischtgewerbliche Unternehmen, die gleichzeitigin einer IHK und einer Handwerkskammer sind, vonpraktischer Relevanz ist.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erringen heutemit unserem Gesetzentwurf einen weiteren Etappensieg.Ich rufe etwas in Erinnerung, was wir aus dem Fußballund vielen anderen Sportarten kennen: Viele Etappen-siege führen zur Meisterschaft. Genau das ist unser Ziel.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die von der Bun-
desregierung sowie von den Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes
zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbesondere in
der mittelständischen Wirtschaft. Der Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie empfiehlt unter Buchstabe a
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/5522,
die genannten Gesetzentwürfe der Bundesregierung so-
wie der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zusam-
menzuführen und das Gesetz zum Abbau bürokratischer
Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirt-
schaft in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent-
wurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Linken und
der Grünen bei Stimmenthaltung der FDP angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung: Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie
in der Abstimmung der zweiten Beratung angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/5598. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag
ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der
FDP abgelehnt.
Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussemp-
fehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie
auf Drucksache 16/5522 fort. Der Ausschuss empfiehlt
unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/5522 die Ablehnung des Antrages der
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Über die Mittel hinaus, die von der EU für AMIS be-reitgestellt werden, leistet Deutschland seine eigenen na-tionalen Beiträge. Dabei vergessen wir selbstverständ-lich nicht, dass dies alles kein Selbstzweck ist, sonderndass es darum geht, den Menschen in der KrisenregionDarfur konkrete humanitäre Hilfe zu gewähren. Mit bis-her 80 Millionen Euro ist Deutschland einer der größtenGeber humanitärer Hilfe in der Darfurkrise.Nicht verschweigen wollen wir selbstverständlich,dass uns dies alles nicht zufrieden oder gar selbstgefälligmachen darf. Die Lage ist und bleibt besorgniserregend.Parallelen zu dem Völkermord in Ruanda vom Frühjahr1994 und zur Rolle des Westens, aber auch der VereintenNationen bzw. der internationalen Staatengemeinschaftinsgesamt werden gezogen.
Speziell in Darfur haben wir es mit Konflikten undVerbrechen zu tun, deren Vielschichtigkeit und dieSchwierigkeit, sie geografisch zu verorten, eine Schlich-tung sehr erschweren. Dies hat sich in den Verhandlun-gen und Gesprächen mit der sudanesischen Regierungimmer wieder gezeigt. Schon deswegen verdient dasEngagement der Afrikanischen Union in Darfur jede Un-terstützung. Es ist bekannt und im Übrigen auch demvorliegenden Antrag zu entnehmen, dass diese Mission,die von den Vereinten Nationen unterstützt wird, in gra-vierender Weise unterfinanziert ist. Es ist daher sehr zubegrüßen, dass mit dem Konzept einer Hybridmission,die die Missionen der Afrikanischen Union und der Ver-einten Nationen zusammenführt, jetzt endlich eine Lö-sung in Sicht ist.
– Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten da-rüber zu diskutieren haben. Aber es ist ein guter Anfanggemacht, Herr Kollege.Wir können nicht einfach zusehen, wenn erneut einMassenmord in vollem Gang ist. Aus diesem Grunde istedSbhBVdfisrfdklWdnergnsfsmkSsAwddAdvgFnrSwnDmp
zw. diese Bemühungen unterstützt, wo immer sie vor-anden sind.Es ist vor allem ein Engagement, mit dem wir, dieundesrepublik Deutschland und auch Europa, unsereerantwortung für unseren südlichen Nachbarkontinenteutlich machen. Das Ende konkreter Gewalt, die Schaf-ung von Frieden und perspektivisch die Schaffung vonnnerer und äußerer Sicherheit, die Etablierung einestaatlichen Gewaltmonopols und wenigstens in Ansätzenechtsstaatliche Strukturen sind die Voraussetzungen da-ür, dass aus Afrika der prosperierende Kontinent wird,er er aufgrund seiner vielfältigen Potenziale seinönnte.Das humanitäre Bemühen um Millionen von Flücht-ingen ist in der aktuellen Situation von herausragenderichtigkeit. Aber wenn wir nicht wollen, dass alsbalder nächste Konflikt in einem anderen Teil des Konti-ents entsteht, der uns zum Eingreifen drängt, dann gilts grundsätzlich im Interesse der Mehrheit der Bevölke-ung, im Interesse von Frauen und Kindern, fragwürdi-en Eliten, aber auch marodierenden Banden und krimi-ellen Netzwerken Einhalt zu gebieten.AMIS ist eine wichtige und notwendige Mission, weilie zwar eine kleine, aber praktische und wirksame Hilfeür die Afrikanische Union und die gepeinigten Men-chen im Westsudan bedeutet. AMIS ist allerdings nochehr: Ich habe die Hoffnung, dass AMIS auch im afri-anischen Kontext zu mehr Verantwortung, mehrelbstbewusstsein und einem größeren Wertebewusst-ein unter den afrikanischen Staaten führen wird. Fürfrika eine Perspektive zu schaffen, kann nur gelingen,enn der internationalen Gemeinschaft die Initialzün-ung dafür gelingt, dass sich die Völker und Nationenieses Kontinents selbst von Korruption, Misswirtschaft,usbeutung und Gewalt emanzipieren können. Ihnenabei jede mögliche Hilfestellung zu geben, sollte unserorrangiges Bemühen sein: im Sudan ebenso wie in eini-en anderen Brennpunkten des Kontinents.
Ich erteile das Wort Kollegin Marina Schuster, FDP-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Unsere Fraktion wird der Verlänge-ung des Mandats zustimmen. Ich meine, dass uns dieituation vor Ort, in Darfur dazu verpflichtet. Gleich-ohl wissen wir, dass es die AMIS-Truppe nach wie voricht schafft, für die Sicherheit der Menschen zu sorgen.as liegt zum einen am AU-Mandat selbst; zum anderenangelt es aber auch an der finanziellen, materiellen undersonellen Ausstattung der AMIS-Truppe. Was heißt
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Marina Schusterdas für die Menschen in Darfur? Den Menschen dort istverwehrt, was in Art. 3 der Allgemeinen Erklärung derMenschenrechte von 1948 geschrieben steht: „Jeder hatdas Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Per-son“. Das sollten wir uns hier, aber auch den Beteiligtenim Sudan ins Gedächtnis rufen.Ich möchte an dieser Stelle an den interfraktionellenAntrag zu Darfur von Ende April erinnern. Darin wirddie Bundesregierung aufgefordert, die Einrichtung einespartiellen Flugverbots über Darfur zu prüfen und demParlament bis zum 30. Juni darüber zu berichten. Ichmöchte anmerken, dass wir, das Parlament, diesen Be-richt erwarten und wissen wollen, wie sich die Bundes-regierung dazu verhält.
Wir dürfen dabei jedoch den politischen Prozess inDarfur nicht vergessen; denn es kann einen dauerhaftenFrieden nur geben, wenn er von allen Gruppen in Darfurgetragen wird. Es gibt keine militärische Lösung desKonflikts in Darfur, weil Friedenstruppen nur ein Teil ei-ner politischen Lösung sein können.
Auch die Staats- und Regierungschefs haben in ihrerDarfurerklärung auf dem G-8-Gipfel zu Recht daraufverwiesen. Umso wichtiger ist es nun, als internationaleGemeinschaft geschlossen zu agieren, um den diploma-tischen Druck aufrechtzuerhalten; denn aus Khartoumempfangen wir wieder widersprüchliche Signale. MeineVorrednerin hatte das schon angesprochen. In der ver-gangenen Woche hat der Sudan die Einladung zurPariser Darfurkonferenz abgelehnt.
Frankreich wird dort am 25. Juni unter anderem mit Ver-tretern der USA, Chinas und Ägyptens über den Einsatzvon Friedenstruppen beraten. Erst gestern und vorges-tern lief aber über die Ticker, dass Bashir überraschendseine Zustimmung zur Umsetzung des Drei-Phasen-Plans gegeben hat. Die Einzelheiten sind offen. Ichhoffe aber im Interesse der Menschen in Darfur, dass dieErklärung Bashirs nun umgesetzt wird, dass die Verzö-gerungstaktik ein Ende hat. Ich bin gespannt, was dieReise des UN-Sicherheitsrats bringen wird.Eines ist uns allen klar: Wir dürfen nicht noch mehrZeit verlieren.
Das zeigt auch die Situation in den Nachbarländern. Die-ser Tage erreichen uns Meldungen der „Ärzte ohneGrenzen“, wonach sich die Situation auch im Tschaddramatisch verschärft. Für die rund 150 000 Flüchtlingean der Grenze verschlimmert sich die Lage zunehmend.Auch der Konfliktherd am Horn von Afrika ist nichtweit entfernt. Das zeigt: Wir können das nur regional be-tArrzAeukrKnsdifshezlFsWWSwsdnnbaEusühs
Ich gebe Ihnen recht. Wir haben heute bereits im Aus-chuss darüber gesprochen – Frau Herta Däubler-Gmelinat die Planungen erwähnt –, dass das wahrscheinlichrst 2008 der Fall sein wird.Ich komme auf das Zitat von Frau Kanzlerin Merkelurück; denn das ist, glaube ich, für die weitere Entwick-ung sehr wichtig. Sie hat versprochen, „alles zu tun, umähigkeiten, Möglichkeiten und Kräfte dieser Afrikani-chen Union zu unterstützen und ihr auf dem weitereneg zu helfen“. Frau Merkel, wir nehmen Sie beimort. Ich bitte die anwesenden beiden Minister und dentaatssekretär, das an die Frau Kanzlerin weiterzugeben,as hier erörtert wird; denn es handelt sich um eine es-enzielle Frage. Die Zusammenarbeit mit der AU, wasas Mandat betrifft, ist sicherlich wichtig. Aber wir mei-en es grundsätzlich. Wir können die AU als Institutionoch viel stärker unterstützen, zum Beispiel beim Auf-au des Gerichtshofs und beim Dialog mit dem Pan-frikanischen Parlament.Ich appelliere daher an die Bundesregierung, ihreninfluss auch nach Heiligendamm geltend zu machennd zusammen mit der internationalen Gemeinschaft ge-chlossen Druck auf das Regime in Khartoum auszu-ben. Die Kanzlerin muss uns zeigen, dass sie ihr Wortält, auch wenn das Blitzlichtgewitter der Kameras ver-chwunden ist.
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Ich gebe das Wort dem Kollegen Hartwig Fischer,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es ist natürlich auch so, dass sich manche solche Blitz-lichtgewitter wünschen würden. Aber das ist nicht jedembeschieden.Wir reden heute über einen Antrag, den ich mit demAntrag der Bundesregierung, der am 3. Dezember 2004zum selben Thema gestellt wurde, vergleichen möchte.Damals wurde der Antrag der Bundesregierung mit70 000 Toten, 1,8 Millionen Vertriebenen – davon200 000 Vertriebene im Tschad – und einer Gefährdungdes Weltfriedens begründet. Fünfmal haben wir diesesMandat verlängert, und wir lesen jetzt in einem Reportder Europäischen Union und einer Entschließung desEuropäischen Parlaments, dass es in den vergangenendreieinhalb Jahren inzwischen 400 000 Tote, das heißtmonatlich über 10 000 Tote, und 2,5 Millionen Vertrie-bene gegeben hat.Wenn wir uns heute die Bilder ansehen – Frau Präsi-dentin, ich habe heute nicht um Erlaubnis gefragt, wes-halb ich die Bilder hier nicht hochhalte –, die wir im In-ternet sehen können, dann müssen Sie dazu wissen, dassin Darfur inzwischen 1 195 Siedlungen, Dörfer undStädte total zerstört und 411 Siedlungen, Dörfer undStädte so beschädigt sind, dass sie nicht mehr bewohntwerden können. Wir wissen, dass sich dieser Konflikt in-zwischen auf den Tschad ausgeweitet hat. Wir habenvorgestern die Nachricht bekommen, dass Elsa Serfass,eine 27-jährige Logistikhelferin von „Ärzte ohne Gren-zen“, im Grenzgebiet erschossen worden ist.Ich sage ganz offen: Vor diesem Hintergrund lesenwir den Antrag der Linken, eine reine zivile Kompo-nente vorzusehen und die humanitäre Hilfe zu versteti-gen und zu verstärken. Wir wollen die humanitäre Hilfeverstärken, wir haben in solchen Krisengebieten aberauch eine Verantwortung für die Helfer. Es muss auchmilitärische Einsätze geben, ohne die Hilfe, auch hu-manitäre Hilfe, nicht möglich ist.
Die Kollegin Schuster hat eben den zeitlichen Ablaufdeutlich gemacht. Das Mandat AMIS ist am 30. Novem-ber bis zum 30. Juni dieses Jahres verlängert worden. Siehaben gesagt, die Mission sei unterfinanziert und kaumnoch einsatzfähig.
– Doch, das wird allgemein bestätigt und ist auch imAusschuss von Ihren Kollegen gesagt worden. Das istteilweise auch nicht falsch. Deshalb gehe ich gleich inBezug auf Heiligendamm darauf ein. – Wir haben wei-terhin erlebt, dass das leichte Unterstützungspaket der-zeit umgesetzt wird. Wir wissen, dass die Regierung desSudan gestern die Zustimmung zu einer HybridmissioneSeRHIitsaSbwdvghikzhglbsWhnPmeZDJfhIhnilsHdvzImAwR
ch nenne jetzt einmal ein paar Zahlen, die im Zusam-enhang mit einer entsprechenden Mitfinanzierung vonMIS stehen, Herr Beck. Im Haushalt des Jahres 1998aren 4,05 Milliarden Euro veranschlagt. Dann kam deregierungswechsel; daraufhin waren im Haushalt
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Hartwig Fischer
3,99 Milliarden Euro veranschlagt. Im letzten Jahr derrot-grünen Regierung wurden 3,925 Milliarden Euro be-reitgestellt. Das waren sieben Jahre nach Ende der Re-gierungszeit von Helmut Kohl 125 Millionen Euro weni-ger. Der Haushalt im ersten Jahr dieser Regierungenthielt einen Aufwuchs auf 4,17 Milliarden Euro, derHaushalt im zweiten Jahr dieser Regierung einen Auf-wuchs auf 4,493 Milliarden Euro. Da ich davon ausgehe,dass wir in dieser Koalition gemeinsam die Zusagen vonHeiligendamm umsetzen, werden über 5 MilliardenEuro zur Verfügung gestellt werden. Damit werdenSignale gesetzt, wie sie von keinem anderen Ministe-rium ausgehen.
Auch in Richtung der Koalition möchte ich sagen: Ichhabe den Eindruck – ich lese Zeitung –, dass das Klimain der Koalition – jedenfalls in diesem Bereich – erheb-lich besser ist, als es draußen manchmal dargestellt wird.
– Natürlich geht es auch um die Finanzierung des Einsat-zes in Darfur, Herr Königshaus. Dazu kann ich Ihnen nursagen: Rot-Grün hätte und hat sie so nicht zustande ge-bracht.Ich stelle bezüglich der Koalition auch selbstkritischfest, Herr Königshaus: Es gibt den einen oder anderen,über den man zweideutig-eindeutig „Beck to the Opposi-tion“ sagen kann. Dergleichen muss man vermuten,wenn man manche Darstellung der Koalition sieht.In den vergangenen Jahren, in denen Rot-Grün in derVerantwortung war, haben sie die AMIS-Beschlüsse mit-getragen
– ich habe gerade die Grünen gemeint –, haben sie dieBeschlüsse von Gleneagles mit gefasst, aber die entspre-chenden haushaltsrechtlichen Voraussetzungen nicht ge-schaffen.
Das ist der Großen Koalition gelungen. Deshalb sind wirjetzt in der Lage, AMIS als Hybridmission entsprechendzu unterstützen. Damit wird deutlich gemacht, dass wirnicht nur materiell und personell, sondern auch finan-ziell hinter diesem für die Menschen in Darfur und damitim ganzen Sudan dringend notwendigen Einsatz stehen.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Heike Hänsel von
der Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LiebeGäste! „Wir betonen, dass es für den Konflikt in Darfurkeine militärische Lösung gibt“, so steht es in der Ab-sckKRkdDrzavsftids–shgHwluw–bsD–Agsttkg
ie Bundesregierung konzentriert sich stattdessen da-auf, die Hybrid-AMIS/UN-Militär-Mission durchzuset-en. Diese stützt sich aber – das ist das Hauptproblem –uf ein brüchiges Friedensabkommen, das nicht einmalon allen Konfliktparteien getragen wird. Das ist in un-eren Augen überhaupt keine Grundlage für das Ergrei-en irgendwelcher weiterer Schritte.
Das betrifft übrigens auch die Entsendung von Solda-en, Herr Schmidbauer. Wie soll man überhaupt Soldatenn eine Region schicken, wenn es kein belastbares Frie-ensabkommen gibt? Was sollen sie machen? Was sollenie umsetzen? In vielen Krisenregionen dieser ErdeKosovo, Afghanistan – zeigt sich: Wenn es an politi-chen Konzepten fehlt, dann braucht man dorthin über-aupt keine Soldaten zu schicken.Herr Fischer, Ihnen muss ich auch sagen: Sie wissenanz genau – hören Sie mir bitte zu –, dass humanitäreilfe eine zweischneidige Sache ist. Entwicklungshelfererden durch Militär nicht nur beschützt. Viele Entwick-ngshelfer distanzieren sich von militärischem Schutz,eil sie sich gefährdet fühlen, und gehen auf Distanz.
as ist Realität. In Afghanistan ist es genauso.
Es gibt die Deutsche Welthungerhilfe, die sich ausfghanistan zurückgezogen hat, weil die Mitarbeiter soefährdet sind. Zahlreiche Organisationen, sagen, dassie nicht weiterarbeiten können, wenn es dort eine Mili-ärpräsenz gibt. Das wissen Sie ganz genau.
Wir betonen deshalb in unserem Entschließungsan-rag: Wir brauchen eine politische Initiative. Das istein Ersatz für militärische Lösungen. Für uns ist dabeianz entscheidend – das hat bisher gefehlt, und das ist)
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Heike Hänseleine zentrale Forderung unsererseits –, dass wir mög-lichst viele Akteure an einen Tisch bekommen müssen.
Das betrifft die sudanesische Regierung und die aufge-splitterten Rebellengruppen, die Milizenführer. Ganzwichtig ist – das hat bisher auch gefehlt –, die Zivilge-sellschaft umfassend in solche Friedensverhandlungeneinzubeziehen. Wir haben dort lokale Politikerinnen undPolitiker.
Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Schuster zu?
Ja.
Frau Kollegin Hänsel, ich habe eine kurze Zwischen-
frage: Ist das, was in Darfur passiert, nach Ihrer Meinung
ein Völkermord oder nicht?
In meinen Augen gibt es dort ein Massaker an Men-
schen, aber ob es ein Völkermord ist, kann ich nicht ent-
scheiden.
Nach UN-Recht muss es eine systematische Intention
der sudanesischen Regierung geben, dass sie eine Volks-
gruppe vernichten will. Sie wissen ganz genau, wie die
Definition von Völkermord ist.
– Sind 2 Millionen Flüchtlinge ein Völkermord? Wir ha-
ben keine 2 Millionen Toten. Entschuldigen Sie!
– Er hat gerade von 2 Millionen Toten gesprochen.
– Aber das ist kein Völkermord.
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Sie hat mich gefragt, ob es um einen Völkermord geht.
eder einzelne tote Mensch ist ein Toter zu viel. Das wis-
en Sie doch ganz genau.
Die Frage ist, ob es um Völkermord geht, und da gibt
s eine konkrete Definition der Vereinten Nationen. Das
issen Sie doch auch.
Nein. Entschuldigen Sie. Im Irak sterben sehr viele
enschen. Ist das für Sie ein Völkermord oder nicht? –
ein, Frau Schuster.
Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wir sollten
uns hier nicht die Redezeit klauen lassen! –
Iris Gleicke [SPD]: Die Redezeit ist längst ab-
gelaufen! – Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]:
Fangen Sie noch einmal von vorne an, aber or-
dentlich!)
Die Redezeit ist gar nicht zu Ende, weil ich gerade die
rage beantwortet habe.
Entschuldigung, Frau Kollegin. Ich habe genau auf-
epasst und weiß, wann Sie mit der Antwort auf die
rage der Kollegin aufgehört und sich Herrn Beck zuge-
andt haben. In dem Moment ging es nicht mehr um die
eantwortung der Frage, und ich habe die Uhr weiter-
aufen lassen. Deswegen ist Ihre Redezeit jetzt abgelau-
en.
Danke schön. Das ist ja ein Quatsch.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollegeolker Beck, Bündnis 90/Die Grünen.
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Meine Damen und Herren! Ich finde die Diskussions-
lage und gerade den letzten Beitrag hier im Hohen Hause
der Sache nicht angemessen.
Ich glaube – die Fraktion Die Linke ist wahrscheinlich
nur das extremste Beispiel –, wir scheuen uns, die Wahr-
heit so deutlich auszusprechen, wie sie auszusprechen
ist. Im Sudan, in Darfur findet ein Völkermord statt.
Hunderttausende von Menschen haben ihr Leben verlo-
ren. Es gibt 2 Millionen Menschen in den IDP-Camps.
Sie können mir nicht erzählen, die Hilfsorganisationen
würden gerne auf militärischen Schutz verzichten. Ich
war mit Ihrem Kollegen Leutert, mit Herrn Strässer und
Herrn Fischer zusammen im Sudan, in El Fasher. Seit
unserem Besuch ist die Lage schlechter geworden. Seit-
dem ist überhaupt nur noch eine Hilfsorganisation aus El
Fasher herausgefahren, um Lebensmitteltransporte
durchzuführen. Die anderen hatten Weisung – aus gutem
Grund, nämlich zum Schutz ihrer Mitarbeiter –, El Fas-
her nicht mehr zu verlassen, weil es zu gefährlich ist.
Was nützen Lebensmittelberge in der Hauptstadt einer
Region, wenn die Lebensmittel die Menschen in einem
Gebiet, das so groß ist wie Frankreich, nicht mehr errei-
chen? Was Sie hier erzählt haben, ist einfach zynisch.
Herr Kollege Beck, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Paech?
Aber gern. Wenn es der Wahrheitsfindung dient und
die PDS etwas dazulernt, bin ich gern bereit, eine Zwi-
schenfrage zuzulassen.
Die Intention ist, der Wahrheitsfindung auf den Weg
zu helfen.
Herr Kollege Beck, ist Ihnen bekannt, dass in der An-
tivölkermordkonvention die einzige Definition dafür
enthalten ist, was ein Völkermord ist? Sie verlangt, dass
aus rassischen, politischen oder anderen Gründen die In-
tention da sein muss, ein Volk auszulöschen. Das werden
Sie hier doch wohl nicht unterstellen.
Doch, in der Tat, das unterstelle ich. Es hängt nicht
davon ab, ob die Regierung in Khartoum offiziell zum
Programm erklärt, dass sie diesen Teil der Bevölkerung
auslöschen will, sondern es hängt von den Taten ab. Die
sudanesische Regierung unterstützt systematisch die ara-
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ie verstößt damit auch gegen die UN-Resolution zur
obligation to protect“. Eine Regierung hat die Aufgabe,
ie eigene Bevölkerung vor systematischen Ermordun-
en zu schützen. Dieser Aufgabe kommt die Regierung
ort nicht nach, sondern sie ist Helfershelfer der Trup-
en, die die Menschen in Darfur umbringen.
Reden Sie sich die Situation nicht schön! Wenn Sie
it ihrer antimilitaristischen Folklorepolitik keine Ant-
ort auf diese Situation haben, dann bekennen Sie sich
azu! Es ist keine Schande, dass man einmal ratlos ist.
ber zu behaupten, das sei alles irgendwie ganz wunder-
ar, und es seien vielleicht 10 000 Menschen weniger
estorben, ist ein zu hoher Preis für eine ideologische
olitik. Das ist einfach unangemessen.
Herr Kollege Beck gestatten Sie eine weitere Zwi-
chenfrage, und zwar der Kollegin Hänsel?
Aber gerne doch.
Herr Beck, dass die sudanesische Regierung einerausame Regierung ist, ist unbestritten. Egal welchenolitikwissenschaftler oder Analysten Sie bezüglich desonflikts fragen:
ort sind sehr viele Rebellengruppen, und die sinduch noch aufgesplittet. Sie wollen doch nicht sagen,ass es nur Morde durch die Regierung gibt. Sehr vieleilizen, Rebellengruppen morden doch auch. Das ist be-annt.
Es ist ein komplizierter Konflikt in Darfur. Deswegenatte ich versucht, darzulegen – ich wurde leider gehin-ert, meine Ausführungen zu beenden –, dass wir ohneine politische Lösung des Konflikts gar nicht zu einerösung kommen werden. Sie können nicht einseitig sa-en: „Es ist nur die sudanesische Regierung“; es gibtort viele unterschiedliche Rebellengruppen, und dasissen Sie ganz genau. Die sind aufgesplittet.
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Heike Hänsel
Sie haben nicht einmal alle in dem Friedensabkommen.Deswegen ist es auch unpolitisch, zu sagen: „Wir schi-cken Militär dorthin“, und sonst überhaupt keine politi-sche Diskussion zu führen.
Bleiben Sie bitte stehen! Das gebietet – –
Einen Moment bitte, Herr Kollege Beck.
Frau Kollegin Hänsel, erstens habe ich Sie nicht daran
gehindert, Ihre Rede zu Ende zu führen, sondern Sie ha-
ben sich selber daran gehindert. Das ist Kritik an der
Präsidentin. Sie wissen, dass das unangemessen ist.
Zum Zweiten. Bitte bleiben Sie bei der Beantwortung
der Frage stehen.
Frau Kollegin, niemand redet hier gegen eine politi-sche Lösung, aber eine politische Lösung ohne dasSchaffen von Sicherheit in dieser Region wird es nichtgeben.
Wenn Sie sich angeschaut hätten, was die sudanesischeRegierung seit 2003 mit der Weltöffentlichkeit treibt– sie hintergeht sie, sie führt sie hinters Licht, sie machtZusagen, nimmt Zusagen zurück, setzt Zusagen nichtum –, dann wüssten Sie, dass es ohne eine entsprechendeBereitschaft der internationalen Gemeinschaft und ohnedie Truppen von AMIS – die müssen wir verstärken,weil die AU gesagt hat: allein bekommen wir die Sicher-heit für die Menschen dort nicht hin – keine Durchset-zung einer politischen Lösung geben wird. Sie könnenmit denen hunderttausend Vereinbarungen treffen,
Sie können Ihre PDS-Gesprächstherapien dort anbieten,aber Sie werden die Implementierung irgendeines Frie-densplans nicht hinbekommen, ohne dass es eineSicherheitskomponente gibt. Da das Gebiet ziemlichgroß ist, muss diese Sicherheitskomponente dem vomAusmaß und vom Umfang her entsprechen. Was dieAfrikanische Union gegenwärtig versucht hat, war dafürnicht ausreichend. Das muss man nach dieser jahrelan-gen Tragödie endlich einmal zur Kenntnis nehmen kön-nen.
IGgAmnsLStfEiswziMufkEvudIlss2dmDtHddSisseuAndDmk
Ich muss Ihnen leider sagen, dass auch ich die Debat-enlage vorhin zum Teil nicht angemessen fand. Ichinde, dies ist kein Anlass, darüber zu reden, wie vieluro wir im Entwicklungshilfehaushalt haben; denn dasst nicht die Lösung des Problems. Wir müssen dafürorgen, dass die Hybridmission nicht erst Ende 2008,ie das jetzt in den Dokumenten steht, sondern unver-üglich implementiert wird. Ansonsten geht das Sterbenm Sudan bis 2008 weiter. Dort sterben jeden Tag mehrenschen als im Irak, wo jeder sorgenvoll hinschautnd sich darüber aufregt. Aber weil es im Sudan zu ge-ährlich ist, als dass Fernsehteams sich dort aufhaltenönnten, sehen wir die Situation nicht und haben denindruck, sie sei nicht so schlimm. Sie ist aber leideriel, viel schlimmer.Ich finde, es gibt keinen Grund für uns als Bundestagnd für die internationale Völkergemeinschaft, sich beiiesem Thema in Geduld zu fassen.
ch würde mir auch von der Bundesregierung mehr po-itische Initiative wünschen. Herr Erler, Herr Jung, Sieitzen auf der Regierungsbank. Wir reden über den Ein-atzbeschluss – dem wir natürlich zustimmen werden –:00 Soldaten auf dem Papier, von denen keiner im Su-an ist. Wir müssen im Zusammenhang mit der Hybrid-ission auch deutlich machen, dass die Bundesrepublikeutschland bereit ist, deutlich mehr für die Implemen-ierung der Vorgaben zu tun, und den Mut haben, unsererz entsprechend über die Hürde zu werfen. Ich weiß,ass das in unserem Land nicht populär ist. Aber es kannoch nicht sein, dass uns das Leben der Menschen inchwarzafrika weniger wert ist als in Jugoslawien odern anderen Regionen dieser Welt, wo wir uns selbstver-tändlich und zu Recht engagieren, wenngleich wir fest-tellen müssen, dass wir auch in Jugoslawien viel zu spätrkannt haben, dass ein Völkermord stattgefunden hat,nd dass wir auch in Ruanda weggeschaut haben.
ber deshalb dürfen wir uns die Situation im Sudanicht schönreden.Ich wünschte mir, dass die Bundesregierung etwaseutlicher Druck auf das Regime in Khartoum macht.ie Kanzlerin hatte noch im März beim EU-Gipfelögliche EU-Sanktionen angekündigt, doch dieser An-ündigung sind keine Taten gefolgt. Wir haben als Bun-
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Volker Beck
destag auf Initiative unserer Fraktion kürzlich interfrak-tionell den Sudanbeschluss gefasst: Flugverbot – Siehaben es angesprochen – und EU-Sanktionen, wennnichts geschieht. Bislang ist aber real nichts geschehen.J
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielleicht stimmen wir dem zu. –
Wir werden sehen, wie viel dabei herauskommt.
Wir müssen, wenn sich die Lage jetzt nicht unverzüg-
lich ändert, den Mut zu weiteren Schritten haben. Diese
Regierung versteht nur eine Sprache: klare Reaktionen.
Man kann nicht sagen, UN-Sanktionen seien besser,
wenn China und Russland jederzeit ein Veto einlegen
können. Wenn die UN-Sanktionen nicht zustande kom-
men, müssen wir einseitig mit EU-Sanktionen vorange-
hen, damit der Prozess vorankommt.
Das ist der Wille des Hohen Hauses, und ich erwarte,
dass meine Bundesregierung den einheitlichen Willen
des Hohen Hauses an diesem Punkt umsetzt.
Herr Kollege, das wäre ein guter Schlusssatz gewe-
sen.
Das ist ein sehr guter Schlusssatz gewesen, deshalb
nur noch ein letzter Hinweis. Frankreich hat mit Bernard
Kouchner jetzt einen Außenminister, der sich in dieser
Frage besonders engagiert. Es mag sein, dass der Vor-
schlag, den er gemacht hat, international nicht ganz ab-
gestimmt ist. Aber ich meine, es ist ein guter Anfang, um
mit einer deutsch-französischen Achse dafür zu sorgen,
dass die Europäische Union in dieser Frage die Führung
übernimmt und dass Schluss ist mit dem Schönreden der
Situation. Wir müssen uns die Situation ehrlich und of-
fen anschauen und der Sache und der Lage entsprechend
reagieren.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/5436 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Hüseyin-Kenan Aydin, Heike Hänsel, Monika
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Die Linke sagt: Völkermord verjährt nicht, weder mora-lisch noch juristisch.
Die Herero und Nama haben ein Recht auf Wiedergut-machung.Immer wieder begegne ich dem Argument, die Ver-brechen würden schon Generationen zurückliegen; nunseien sie Geschichte geworden. Das stimmt. Doch dassagt nichts anderes aus, als dass eine nach der anderenRegierung die vergangenen Verbrechen an den Hereround Nama ignoriert hat. So sind die Jahre ins Land ge-gangen. Man kann nicht erst auf Zeit spielen und dannsagen: Es ist zu viel Zeit vergangen. Das ist unehrlichund auch zynisch.Richtig ist: Im Jahr 2004 hat der Bundestag einenAntrag zur historischen Verantwortung gegenüber Nami-bia verabschiedet. Doch der Antrag vermied jede Klar-stellung zu den historischen Sachverhalten. Er leugnetdie Existenz eines Vernichtungsbefehls; er leugnet denVölkermord. Die Bundestagsresolution von 2004 istkein Dokument der Versöhnung, sondern ein Affront ge-genüber den Opfern des deutschen Kolonialismus.Die Mehrheit der Deutschen war gegen den Kolonia-lismus. August Bebel sprach ihnen aus dem Herzen, alser im März 1904 vor den Abgeordneten des Reichstagesden Kolonialkrieg in Deutsch-Südwestafrika verurteilte.Er nannte den Widerstand der Herero einen gerechtfer-tigten Befreiungskampf.Vor drei Jahren nahm Ministerin Wieczorek-Zeuldiesen Faden auf. In Namibia nannte sie die Gräueltatenöffentlich beim Namen. Sie sprach wie ich heute von ei-nem Völkermord, von einem Vernichtungskrieg gegendie Herero und Nama. Diese mutige Rede hat in Nami-bia viele Hoffnungen geweckt. Doch leider hat die Bun-desregierung diese Hoffnungen in der Folge enttäuscht.Das Mindeste, was man hätte erwarten können, wäre dasAngebot auf einen offenen und fairen Dialog gewesen.
Doch bis heute gibt es keinerlei Angebot in dieser Rich-tung.Man kann nicht nach Namibia fahren, öffentlich einenVölkermord anerkennen und dann zur Tagesordnungübergehen.1990 versprach das Auswärtige Amt: Wenn die nami-bische Regierung den Wunsch nach Wiedergutmachungstelle, dann werde dieser geprüft werden. Dieser Zeit-punkt ist gekommen. Seit Oktober letzten Jahres gibt eseinen einstimmigen Beschluss des namibischen Parla-ments, in dem Verhandlungen mit Deutschland über eineWiedergutmachung gefordert werden. Der namibischePremierminister Nahas Angula hat sich öffentlich hinterdiese Initiative gestellt.zRmaWhCDesdkvdNhwwbPGDUmiADgsendPhswdgSdsN
Ich gebe das Wort der Kollegin Anke Eymer, CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Der vorliegende Antrag legt wiederinmal den Fokus auf ein Thema, das in diesem Hausechon öfter debattiert worden ist. Es ist die Frage dereutschen Verantwortung im heutigen Namibia. Nochonkreter: Es sind die Geschehnisse in den drei Jahrenon 1904 bis 1907. Wir reden also über das Vorgehenes deutschen Kaiserreiches gegen die Herero, dieama und die Damara vor über 100 Jahren. Seitdemat sich manches bewegt und verändert. Es scheint not-endig, an dieser Stelle hieran zu erinnern. Nur dannird das Bild der jüngsten Geschichte zwischen Nami-ia und Deutschland etwas ausgewogener, als es auf demapier steht.Wir sollten nicht vergessen, dass wir bei allem auf derrundlage einer gemeinsamen Entschließung deseutschen Bundestages von 1989 zur bevorstehendennabhängigkeit Namibias reden. Zu der Zeit, meine Da-en und Herren von der Linken, waren Sie ja noch nichtm Deutschen Bundestag vertreten.
ber schon zu diesem Zeitpunkt, im Jahre 1989, hateutschland die Bereitschaft zu einem besonderen En-agement deutlich gemacht. Das entsprach und ent-pricht der historischen Verbindung beider Länder. Esntspricht auch der ausgezeichneten bilateralen und part-erschaftlichen Zusammenarbeit, die wir pflegen.Dies für die Zukunft zu festigen und auszubauen,iente der Deutschlandbesuch 2005 von Präsidentohamba. Er wies ausdrücklich auf das besondere Ver-ältnis, das durch den Deutschen Bundestag 1989 ein-timmig beschlossen wurde und 2004 erneut bekräftigtorden ist, hin. Auch zum 100-jährigen Gedenken anie Schlacht beim Waterberg und ihre dunklen Folgenab es 2004 eine Befassung hier in diesem Hause. Imommer 2004 gab es eine deutliche und klare Aussageer damaligen und heutigen Bundesministerin für wirt-chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bei ihremamibiabesuch. Darin wurden die deutsche Verantwor-
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Anke Eymer
tung und das Bedauern über die damaligen Geschehnissedeutlich zum Ausdruck gebracht.Wenn nun auf namibischer Seite vereinzelt an derErnsthaftigkeit der deutschen Erklärung gezweifeltwurde, entspricht das nicht der allgemeinen Sicht in Na-mibia.
Es entspricht auch nicht den partnerschaftlichen undfreundschaftlichen bilateralen Beziehungen. Vor allementbehrt dieser Vorwurf jeglicher realen Grundlage. DieLinke war zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht in Frak-tionsstärke hier im Hause vertreten. Vielleicht ist da ein-fach einiges an Ihnen vorbeigegangen. Oder sollte manIhnen heute vielleicht dafür danken, dass Sie mit einigenJahren Verspätung dieses Thema in Erinnerung bringen?Wer die letzte Debatte von 2004 noch einmal gründ-lich liest, wird eine ausführliche Argumentation finden.Er wird auch einen ausgewogenen Bezug zur kolonialenGeschichte Afrikas und Namibias finden. In dem vorlie-genden bemüht fleißigen Antrag ist die notwendige Aus-gewogenheit leider zu vermissen. Wirklich sinnvolleneue Impulse zu diesem Thema gibt es darin nicht.Um noch einmal die Erinnerung zu bemühen: ImHerbst 2006 war eine Delegation dieses Hauses zu Ge-sprächen in Namibia. Mein Kollege Hartwig Fischerkann das bestätigen. Bei dem Treffen mit PräsidentPohamba ist auch die Forderung nach Reparationszah-lungen zur Sprache gekommen. Mit Präsident Pohambabestand dahin gehend beste Einigkeit, dass mit der Ver-stärkung der bilateralen Kooperation und unserer Ent-wicklungszusammenarbeit der einzig richtige Weg be-schritten wird.
Nachzulesen ist dies – das empfehle ich Ihnen sehr – inder „Namibischen Presse“ vom 16. Oktober des vergan-genen Jahres.
Tatsache ist, dass die heutige Gestalt Afrikas undAfrikas Probleme nicht zuletzt dem schweren Erbe sei-ner kolonialen Vergangenheit geschuldet sind. Bis aufÄthiopien standen alle afrikanischen Länder für einemehr oder minder lange Zeit unter der Kolonialherr-schaft eines europäischen Staates. Den größten Einfluss-bereich beanspruchten England und Frankreich für sich.Über zwei Dutzend Länder und Landstriche gehörtenzum britischen Einflussbereich, halb so viele zum fran-zösischen Kolonialreich. Aber auch die Niederlande,Portugal, Spanien, Italien, Belgien und Deutschland hat-ten einzelne Kolonien, Krongüter, Besitzungen oderHandelsniederlassungen in Afrika.Der Kolonialismus, über den wir heute reden, hatseine Gestalt im Wesentlichen im 19. Jahrhundert he-rausgebildet. Egal wer herrschte, es war für die Afrika-ner eine Zeit der Entmündigung, der Ausbeutung undnlGaslTwhneasdgeIdhdadHuagsgepggamusshAeddsSkms
ch habe nur das zusammengefasst, was der Präsidenter Afrikanischen Union gesagt hat.In der „Allgemeinen Zeitung“ mit Sitz in Windhoekeißt es am 2. Dezember 2005 – ich zitiere –: „Dass sichie deutsche Bundesregierung nicht auf Verhandlungenuf exklusiv ethnischer Ebene einlässt, liegt im Rahmener gesamten deutsch-namibischen Beziehungen auf derand. Die einseitige Erfüllung von Sonderwünschennd eng ethnisch abgegrenzte Leistungen welcher Artuch immer müssten die deutsch-namibischen Beziehun-en“ belasten.Der vorliegende Antrag versucht, in diese Kerbe zuchlagen. Die vorgelegten Forderungen nehmen auf-rund einer zu einseitigen und ideologischen Neigungine Position ein, die nicht dem bestehenden Status derartnerschaftlichen und freundschaftlichen Beziehun-en unserer Länder entspricht.Den Opfern unter den verschiedenen Bevölkerungs-ruppen aus der oft blutigen und menschenverachtendenfrikanischen Kolonialzeit, die die deutsche Geschichteit zu verantworten hat, gilt auch heute unser Gedenkennd unsere Trauer. Dieses bewusste Erinnern an die Ge-chichte ist aber nur dann verantwortungsvoll, wenn esinnvoll in eine Politik von heute einbezogen ist. Daseißt: Erstens setzen wir uns weiterhin dafür ein, dassfrika deutlicher in die europäische und deutsche Politikingebunden wird; zweitens setzen wir uns dafür ein,ass das Afrika des 21. Jahrhunderts zu einem Produkter Afrikaner wird. Dies muss aber abseits von unkriti-cher und ideologischer Schönfärberei oder politischenchnellschüssen geschehen. Nur so wird ein kritischer,onstruktiver Dialog mit unseren afrikanischen Partnernöglich bleiben. Daher ist diesem Antrag nicht zuzu-timmen.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10521
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Ich gebe das Wort der Kollegin Marina Schuster,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die
deutsche Geschichte ist eng mit der Geschichte Nami-
bias verknüpft. Alles begann mit einem der düstersten
Kapitel deutscher Kolonialgeschichte. Wer die Be-
richte von damals liest, ist auch heute noch tief erschüt-
tert und tief betroffen über die Menschenverachtung, mit
der die deutschen Kolonialtruppen gegen Teile der Be-
völkerung, insbesondere gegen Herero und Nama, vor-
gingen. Die Erinnerung an diese Ereignisse darf nicht
verblassen.
In Namibia wirkt die damalige Zeit bis heute in die
gesellschaftliche Realität. Dass es dennoch gelungen ist,
von diesem Ausgangspunkt aus eine Freundschaft zu
entwickeln, ist eine der ganz großen kulturellen und po-
litischen Leistungen unserer beiden Nationen und der je-
weiligen Regierungen.
Die Bundesrepublik Deutschland ist sich ihrer be-
sonderen Verantwortung für Namibia immer bewusst ge-
wesen. Deutschland gehörte 1978 der Kontaktgruppe
nach der Sicherheitsratsresolution 435 an, die zur Unab-
hängigkeit Namibias führte. Maßgeblich bei dieser Re-
solution und dem die folgenden elf Jahre andauernden
Verhandlungsprozess war der damalige Außenminister
Hans-Dietrich Genscher. Noch während des Prozesses
der Implementierung dieser Resolution, nämlich im
Jahre 1989, verabschiedete dieses Haus einen Antrag, in
dem die damalige Bundesregierung aufgefordert wurde,
„wegen ihrer besonderen Verantwortung für Namibia …
einen Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammen-
arbeit zu setzen und dieses Land zu einem besonderen
Modellfall deutscher Entwicklungshilfe zu machen“.
Dies wurde gleich nach der Unabhängigkeit Namibias
implementiert und ist heute wesentlich für unsere Politik
gegenüber Namibia.
1990 wurde Namibia unabhängig. Deutschland gab
finanzielle Starthilfe und begleitet Namibia seitdem so-
wohl beratend als auch als größtes Geberland der bilate-
ralen EZ. Mit inzwischen ungefähr 650 Millionen Euro
erhält Namibia pro Kopf den größten Teil deutscher Ent-
wicklungshilfe. 1991 trat das deutsch-namibische Kul-
turabkommen in Kraft. Hochrangige gegenseitige Besu-
che sind heute politische Normalität.
Wie gut sich die Beziehungen entwickelt haben, zeigt
sich auch daran, dass politische Meinungsverschieden-
heiten heute offen angesprochen und ausdiskutiert wer-
den können. Das gilt zum Beispiel für die Landreform
und die damit verbundenen Enteignungen.
Heute ist Namibia mehr denn je auf Hilfe angewiesen.
Eine HIV-Infektionsrate von fast 20 Prozent droht alle
entwicklungspolitischen Erfolge der letzten 17 Jahre zu-
nichte zu machen. Die Lebenserwartung ist von ehemals
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Nächster Redner ist der Kollege Gert Weisskirchen,
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch möchte eine Bitte äußern: Ich fände es gut, wenn wirn die Opfer dieses schrecklichen Verbrechens erinnern ich möchte die hier anwesenden Vertreter der Hereroanz besonders ansprechen –, wenn wir daran erinnern,as in deutschem Namen geschehen ist, welche Verbre-hen an ihnen vollzogen worden sind. Ich möchte unslle herzlich darum bitten, diese Leidensgeschichte nichtu instrumentalisieren.
Wenn Sie so reden, ist das genau das, was ich meine.ch bitte Sie und uns alle, diese Leidensgeschichte nichtu instrumentalisieren.
as hat etwas mit der Würde der Opfer zu tun.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie darum, das in denittelpunkt zu stellen, was am 12. Januar 1904 gesche-en ist: Die Völker der Herero und Nama begehren auf.ie wollen das Kolonialregime des deutschen Kaiser-eichs abschütteln. Weiß war die Farbe des Schreckens,er Gewalt und der Vernichtung. Generalleutnant vonrotha hat am 4. November 1904 Folgendes zur Kriegs-ührung gesagt – ich zitiere ihn –:Ich kenne genug Stämme in Afrika. Sie gleichensich alle in dem Gedankengang, dass sie nur derGewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terro-rismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben warund ist meine Politik. Ich vernichte die aufständi-schen Stämme mit Strömen von Blut …
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10522 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Gert Weisskirchen
Heidemarie Wieczorek-Zeul sagte in einer Rede inNamibia:Wir Deutschen bekennen uns zu unserer historisch-politischen, moralisch-ethischen Verantwortungund zu der Schuld, die Deutsche damals auf sichgeladen haben …– Beide Reden sind Teil der deutschen Geschichte: Dieeine ist die Vergangenheit, die andere die Gegenwart. –Sie fügte hinzu:Ich bitte Sie im Sinne des gemeinsamen „Vater un-ser“ um Vergebung unserer Schuld. Ohne bewussteErinnerung, ohne tiefe Trauer kann es keine Ver-söhnung geben.Wer sich nicht erinnert, wird blind für die Gegenwart.Deshalb denke ich, wir sollten an die Zehntausenden vonErmordeten erinnern. 80 000 Herero wurden vor demKrieg, bevor sie aus ihrem Lande vertrieben wurden, ge-zählt, danach lebten noch 15 000. Von den ehemals20 000 Nama, die vor dem Krieg lebten, gab es am Endedes Krieges noch 9 000.Von diesem Platz aus hat sich August Bebel, der ehe-malige Vorsitzende der Sozialdemokratischen ParteiDeutschlands, gegen diesen Unterdrückungskrieg ge-wandt und gewehrt. Er stellte sich unerschrocken gegendas, was heute Völkermord genannt würde. Er hat sichan die rechte Seite dieses Hauses gerichtet und gesagt:… was bedeutet in Wahrheit diese ganze soge-nannte christliche Zivilisation in Afrika? ÄußerlichChristenthum, innerlich und in Wahrheit Prügel-strafe, Weibermißhandlung, Schnapspest, Nieder-metzelung mit Feuer und Schwert, mit Säbel undFlinte. Das ist– das sagte er an die Rechte gerichtet –Ihre Kultur. Es handelt sich um ganz gemeine mate-rielle Interessen, ums Geschäftemachen und umnichts weiter!So August Bebel.
Im Dezember 1906 hatten das Zentrum und die SPDdie Kraft, zusammen mit der polnischen Fraktion imDeutschen Reichstag eine Mehrheit gegen die Budget-entscheidung der Regierung des Kaiserreiches zustandezu bringen, also dagegen, dass weitere militärische Mit-tel in Südwestafrika eingesetzt werden. Sofort wurdenNeuwahlen ausgerufen, die am 25. Januar des folgendenJahres, des Jahres 1907, stattfanden. Es kam zu einemfurchtbaren, chauvinistischen Wahlkampf gegen dieSPD und das Zentrum. „Vaterlandsverräter“ wurden dieSozialdemokraten genannt. Es gab eine Hetzjagd son-dergleichen. Die SPD verlor gegenüber den vorigenWahlen knapp 3 Prozent der Stimmen. Ich sage das mitallem Selbstbewusstsein: Zu jener Zeit war AugustBebel derjenige, der die Achtung vor dem anderenDeutschland – vor dem Deutschland der Freiheit, vorddIianShtfeGhmt–inwmnwivtwdWrdpreWnnwUlh
ch würde herzlich darum bitten, das, was Vergangenheitst, in dieser Ernsthaftigkeit zu betrachten und die Ver-ntwortung gegenüber dem, was damals geschehen ist,icht in billige Polemik umzumünzen.
Nach den USA hat nämlich Deutschland – schauenie sich die Zahlen an! –, seitdem Namibia 1990 unab-ängig geworden ist, mit 650 Millionen Euro die meis-en Mittel für die Entwicklung Namibias zur Ver-ügung gestellt. Sie haben völlig zu Recht dientscheidende Rolle hervorgehoben, die Hans-Dietrichenscher dabei gespielt hat, dass Namibia frei und unab-ängig und selbstständig hat werden können. Ich will da-it nicht sagen, wir wollten diese Summe gegen die To-en aufrechnen.
Nein. – Aber das zeigt, dass der Deutsche Bundestagn zwei gemeinsamen Entschließungen, 1989 und in ei-er späteren noch einmal, ausgedrückt hat: Wir sind da,ir tragen Verantwortung; wir wollen helfen, dass Na-ibia die Chance bekommt, sich zu entwickeln.Liebe Freunde aus Namibia, der Deutsche Bundestagimmt die Entscheidung Ihres Parlamentes ernst. Wirerden, wenn die Vertreter Ihrer Regierung im Juli hiern Berlin Beratungen und Verhandlungen führen werden,ersuchen, so es nötig ist, dafür zu sorgen, dass ein An-rag im Deutschen Bundestag – über alle Fraktionen hin-eg – formuliert und beschlossen wird, um zu helfen,ass die Versöhnungsinitiative, die von Heidemarieieczorek-Zeul in Gang gesetzt worden ist, die mate-ielle und finanzielle Unterstützung findet, die nötig ist,amit die Entwicklung Namibias den Menschen Pers-ektiven bietet, zu eigener Freiheit und zu eigener Ge-echtigkeit zu kommen, damit Namibia die Chance fürine gute Zukunft hat.
Als letztem Redner in dieser Debatte gebe ich das
ort dem Kollegen Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grü-
en.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Ver-ichtungskrieg gegen die Herero und Nama war derohl erste Völkermord des 20. Jahrhunderts.
m dieses Eingeständnis hat man sich in Deutschlandange gedrückt. Aber es stimmt nicht, dass man sicheute zum ersten Mal mit diesem Thema beschäftigt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10523
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Jürgen TrittinBereits 1989 hat der Bundestag eine Resolution verab-schiedet, und 1995 hat es bei einem Besuch einer Dele-gation des Bundestages in Namibia unter der Leitung derKollegin Eid eine Entschuldigung für diesen Völker-mord gegeben, auch wenn sich der damalige Bundes-kanzler Helmut Kohl damit schwergetan hat.Im August 2004 hat Bundesministerin HeidemarieWieczorek-Zeul in einer beeindruckenden Rede bei denNachkommen derer, die diesen Völkermord überlebt ha-ben, stellvertretend für die Bundesregierung um Ent-schuldigung gebeten. Das Ergebnis ist eine Versöh-nungsinitiative gewesen, in deren Rahmen zusätzlich zuden großen Entwicklungshilfeanstrengungen, die es zu-gunsten Namibias gegeben hat, Mittel zur Verfügung ge-stellt worden sind. Wir alle wissen allerdings, dass dieseMittel nicht in dem Umfang, wie man sich das ge-wünscht hätte, abgeflossen sind. Also, es hätte diesesAntrages in dieser Form nicht bedurft.Der namibische Botschafter hat heute auf einer Pres-sekonferenz, die er zusammen mit Ihrer Fraktion durch-geführt hat, übrigens gesagt – ich zitiere ihn nach derPressemitteilung –:Allerdings wäre es aufgrund der Wichtigkeit desThemas– so Herr Professor Peter Katjavivi –vielleicht der Sache zuträglicher gewesen, wenndieser Antrag als ein interfraktioneller im Bundes-tag eingebracht worden wäre.Ich finde, der namibische Botschafter hat recht.
Die andere Seite ist: Es hat sich eine Veränderung derSituation ergeben. Lange Zeit hat sich Namibia auch ausGründen der inneren sozialen und politischen Balancegegenüber individuellen Entschädigungsforderungensehr zurückhaltend verhalten. Mit der Entscheidung desParlaments vom Oktober und auch aufgrund der verän-derten Auffassung der Regierung hat sich eine andereSachlage ergeben. Ich finde, wir täten gut daran, uns ge-meinsam auf diese veränderte Sachlage einzulassen. Esgeht an dieser Stelle nicht um Entschädigung, sonderndarum, auch materiell das Leid anzuerkennen, das un-sere Vorfahren den Menschen in Namibia und ihren Vor-fahren zugefügt haben.
Herr Kollege Trittin, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Gehrcke?
Gerne, Herr Gehrcke.
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er Vorwurf darf also nicht uns treffen, sondern er muss
ie treffen, die so kleinkariert sind.
Lieber Herr Kollege Gehrcke, Sie wissen so gut wie
ch selbst, dass ich hierfür die falsche Adresse bin. Wir
ntscheiden, wenn es um die Frage geht, mit wem wir
nträge zur Sache einbringen, entlang der Sache und der
abei vertretenen Positionen und nicht anhand von vor-
efertigten Linien und Gruppierungen. Ich würde mir im
nteresse der Angelegenheit, die heute zur Diskussion
teht, sehr wünschen, dass wir an dieser Stelle zu einer
emeinsamen und über alle Grenzen hinwegreichenden
emeinsamen Haltung kommen.
Ich will deswegen auch noch etwas zur Sache sagen.
Herr Kollege Trittin, ich muss Sie trotzdem vorher
ragen, ob Sie noch eine Zwischenfrage des Kollegen
ydin zulassen.
Bitte.
Lieber Kollege Trittin, Sie haben auf die Frage mei-es Kollegen Gehrcke geantwortet, dass man Ihnen eineorgefertigte Position vorgelegt hat. Nehmen Sie bitteur Kenntnis, dass die Fraktion Die Linke am9. November 2006 über ihre parlamentarische Ge-chäftsführung allen parlamentarischen Geschäftsfüh-ern ein Schreiben mit der Bitte zukommen ließ, eine in-erfraktionelle Initiative zu starten und darüber zunächstinmal ein gemeinsames Gespräch zu führen. Auf dieseitte hat keine Fraktion im Hause reagiert. Nehmen Sieas bitte zur Kenntnis.
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10524 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Lieber Herr Kollege, die Feststellung, die Sie zu tref-
fen versucht haben, bedarf wahrscheinlich wiederum
keiner Antwort – auch nicht von meiner Seite. Ich
glaube, ich habe Ihnen in aller Deutlichkeit gesagt: Wir
als Grüne gehen bei der Entscheidung darüber, welche
Position wir hinsichtlich gemeinsamer Anträge mit an-
deren Fraktionen einnehmen, ausschließlich von der
Sache und den von diesen Fraktionen vertretenen Posi-
tionen aus. Nur das und nicht irgendwelche Abgren-
zungsbeschlüsse oder Ähnliches bestimmt unsere Hal-
tung. Den Gefallen, dass Sie sich von uns in die Ecke der
Ausgegrenzten gedrängt fühlen können, anstatt sich über
konkrete Positionen zu unterhalten, werden wir Ihnen
nachdrücklich nicht tun.
Letzte Bemerkung: Gerade vor dem Hintergrund die-
ser Geschichte sollten wir uns nicht im Klein-Klein be-
wegen.
Der interessante Ansatz, der von der namibischen Seite
jetzt angesprochen worden ist, lautet, einen neuen Weg
zu suchen, damit den Gemeinschaften, deren Vorfahren
Opfer des Völkermords geworden sind, gezielt geholfen
wird. Das ist ein anderer Weg als der der individuellen
Entschädigung. Er stärkt den Zusammenhalt innerhalb
Namibias. Hier sollten sich der Deutsche Bundestag und
das namibische Parlament gemeinsam engagieren, um
eine gemeinsame Lösung zu finden. Wir brauchen eine
Lösung zusammen mit den Menschen in Namibia.
Um ein letztes Mal den Botschafter zu zitieren:
Unsere koloniale Geschichte hat Auswirkungen auf
alle Menschen gehabt und betrifft alle Namibier.
In diesem Sinne eine gemeinsame Lösung zu finden, die
der schrecklichen deutschen Verantwortung für diese
Geschichte gerecht wird, sollte unsere gemeinsame He-
rausforderung sein.
Ich schließe die Aussprache. – Interfraktionell wirdÜberweisung der Vorlage auf Drucksache 16/4649 andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbes-serung der Bekämpfung des Dopings im Sport– Drucksache 16/5526 –Überweisungsvorschlag:Sportausschuss
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für GesundheitAknnjsnpMGtmsipdgsDidEmBlSpfewwApdsvD
Parr, Joachim Günther , Miriam Gruß,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPBekämpfung des Dopings im Sport vorantrei-ben und Optimierungsmöglichkeiten aus-schöpfen– Drucksache 16/4738 –Überweisungsvorschlag:Sportausschuss
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für GesundheitHaushaltsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höreeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Debatte. Das Wort hat der Bundesin-enminister Dr. Wolfgang Schäuble.Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-ern:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieüngsten Skandalmeldungen aus dem Bereich des Rad-ports wie der sportmedizinischen Betreuung haben er-eut unterstrichen, wie dringlich der Kampf gegen Do-ing ist. Man muss es ganz klar sagen: Dieserissbrauch gefährdet zunehmend das Vertrauen in dielaubwürdigkeit des Leistungssports insgesamt. Der au-onome Sport muss diese Seuche um seiner selbst willenit aller Entschiedenheit bekämpfen, und Staat und Ge-ellschaft müssen dabei helfen. In diesem Sinne war undst der Kampf gegen Doping ein Kernelement der Sport-olitik der Bundesregierung, da wir für die Förderunges Leistungssports auf nationaler Ebene zuständig sind.Im September vergangenen Jahres hat die Bundesre-ierung ein Maßnahmenpaket gegen Doping beschlos-en, das auch Empfehlungen der Rechtskommission desOSB umgesetzt hat. Der Gesetzentwurf, den wir heuten erster Lesung behandeln, ist ein wichtiger Eckpunktieses Pakets.
r hat übrigens – angesichts mancher Interviews mussan dies sagen – ganz überwiegend die Zustimmung desundesrats erfahren: bei der Übertragung von Ermitt-ungsbefugnissen auf das Bundeskriminalamt, bei dertrafverschärfung für banden- oder gewerbsmäßige Do-ingstraftaten, bei der Einführung des erweiterten Ver-alls in diesen Fällen – unter anderem im Hinblick aufine Gewinnabschöpfung von Vermögensvorteilen – so-ie bei der Verpflichtung zur Aufnahme von Warnhin-eisen für Arzneimittel, die für Doping geeignet sind.uch die vorgesehene Strafbarkeit des Besitzes von Do-ingsubstanzen in nicht geringer Menge wird vom Bun-esrat unterstützt, genauso die Aufnahme der besonderschweren Fälle des banden- bzw. gewerbsmäßigen In-erkehrbringens, Verschreibens oder Anwendens vonopingsubstanzen als Anlasstaten für eine Telekommu-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäublenikationsüberwachung nach § 100 a Strafprozessord-nung. Die Bundesregierung hat, wie Sie wissen, am18. April dazu einen gesonderten Gesetzentwurf, der dieTKÜ insgesamt regelt, beschlossen.Der Bundesrat hat darüber hinaus empfohlen, die Ein-fuhr von Arzneimitteln zu Dopingzwecken unter Strafezu stellen und eine Kronzeugenregelung einzuführen.Wir haben zugesagt, das Erstere im Laufe des Gesetzge-bungsverfahrens zu prüfen. Die geforderte Kronzeugen-regelung ist im Wesentlichen bereits in einem von derBundesregierung am 16. Mai beschlossenen Gesetzent-wurf enthalten.Mit unserer Gegenäußerung zur Stellungnahme desBundesrats haben wir den Entwurf um die noch fehlendeStoffliste zu Art. 2 ergänzt. Die Festlegung der nicht ge-ringen Mengen soll zeitnah durch Rechtsverordnung desGesundheitsministeriums in Abstimmung mit dem In-nenministerium erfolgen.Dieser Gesetzentwurf ist ein wichtiges Element zurBekämpfung des Dopings. Aber ich sage klar: Gesetzeallein reichen dazu nicht aus. Wir alle, auch die Bundes-regierung, werden und müssen international wie nationaldas uns Mögliche tun. Weil Spitzensport internationalist, brauchen wir ein gemeinsames internationales Ver-ständnis für Dopingbekämpfung. Wir haben die Ratifi-zierungsurkunde für das UNESCO-Übereinkommenhinterlegt und werden dem Abkommen am 1. Juli, alsoin wenigen Wochen, beitreten. Auch zum Zusatzproto-koll zu dem Europaratsübereinkommen soll die Ratifi-zierungsurkunde zeitnah hinterlegt werden. Mit beidenAbkommen wird die Basis für die gegenseitige Anerken-nung von Dopingkontrollen und für eine internationaleVereinheitlichung der Standards der Dopingbekämp-fung gelegt, sodass zum ersten Mal ein weltweit einheit-liches Instrumentarium zur Verfügung steht.Der Antidopingcode der WADA ist eines der wich-tigsten internationalen Instrumente. Wir wollen einestarke WADA; wir unterstützen sie finanziell und arbei-ten an präzisen internationalen Vorschriften mit. Wir for-dern auch die Verantwortung der WADA für einen welt-weit sauberen Sport ein, nicht zuletzt und gerade auchmit Blick auf die Olympischen Spiele im kommendenJahr.
Zur Verbesserung der Zusammenarbeit innerhalb derEuropäischen Union haben wir unter unserer Präsident-schaft ein Kommunikationsnetzwerk der nationalen An-tidopingorganisationen auf den Weg gebracht. Die inter-nationalen Sportverbände müssen ihrer Verantwortungebenfalls ohne Wenn und Aber gerecht werden. Wir ver-folgen mit durchaus besorgter Aufmerksamkeit die Vor-bereitungen zur internationalen Straßenradweltmeister-schaft Ende September in Stuttgart. Ich sage es ruhig,aber klar: Eine finanzielle Förderung dieser Veranstal-tung wird nur verantwortbar bleiben, wenn die Veran-stalter, das heißt der Bund Deutscher Radfahrer und dieInternationale Radsportunion, UCI, alles in ihrer MachtStehende getan haben, um zu gewährleisten, dass nurslBdgDgcsusgsBwsmdsdtwfchdwDnsVsedvm––Vztkga
Ich sehe derzeit vier Hauptaufgaben im nationalenereich: Erstens. Wir müssen dafür Sorge tragen, dassie Anwendung von Dopingsubstanzen überhaupt nach-ewiesen werden kann; da gibt es immer einen Wettlauf.eswegen sind manche Geständnisse wohl in sorgfälti-er Erwägung von Verjährungsvorschriften und Ähnli-hem formuliert worden. Die wissenschaftliche For-chung muss immer wieder neue Nachweismethodennd Validierungen entwickeln. Mit den bisher bereitge-tellten Geldern sind diese Aufgaben nicht zu bewälti-en, weswegen wir anstreben, die Mittel für den For-chungsbereich anzuheben.
undesregierung und Deutscher Olympischer Sportbunderden in der zweiten Jahreshälfte 2007 einen gemein-amen „Runden Tisch zum Gendoping“ durchführen, da-it wir bei dieser Entwicklung nicht auch überrollt wer-en.Zweitens. Wir werden das Dopingkontrollsystemtärken müssen. In diesem Rahmen sind zum einen voner NADA gemeinsam mit den Verbänden klare, eindeu-ige und praktikable Kontrollverfahren zu entwickeln,as derzeit auch geschieht. Aber die NADA muss auchinanziell in die Lage versetzt werden, ihren umfangrei-hen und gewachsenen Aufgaben nachzukommen. Esat inzwischen so viele Versprechungen gegeben, vonenen die wenigsten eingelöst wurden. Der Bundünschte schon, dass die anderen auch ihren Teil tragen.ie Bundesländer, die Verbände, die Wirtschaft undicht zuletzt die Sponsoren sind aufgerufen, dem Bei-piel des Bundes, der zusätzlich 2 Millionen Euro zurerfügung gestellt hat, zu folgen und die finanzielle Ba-is der NADA zu konsolidieren. Vielleicht erheben wirine Abgabe auf Interviews, in denen Versäumnisse iner Dopingbekämpfungspolitik kritisiert werden, underwenden sie zugunsten der NADA, damit ein bisschenehr zusammenkommt.
Na ja, für wen auch immer.
Der wird freiwillig spenden.Drittens. Wir werden strikt darauf achten, dass dieerbände Fördermittel des Bundes bei Doping zurück-ahlen, und sehr genau prüfen, ob solche Verbände künf-ig überhaupt noch aus Steuermitteln gefördert werdenönnen. Auch bisher stand die Zuweisung von Förder-eldern unter dem Vorbehalt, dass die Verbände Dopingktiv bekämpfen und den NADA-Code in ihre Satzun-
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäublegen übernehmen. Aber wir müssen doch noch einmalprüfen, ob das wirklich in allen Details stimmt.Im Übrigen wollen wir auch in der Zukunft eine wei-tergehende bedingte Zuweisung von Bundesmitteln imSinne einer zwingenden Kopplung der Zuweisungen aneine noch festzulegende Zahl von Dopingkontrollen proVerband verpflichtend machen. Wir haben erste Gesprä-che geführt und erarbeiten zusammen mit der NADAund den Verbänden ein Konzept, damit wir die historischgewachsene, sehr uneinheitliche Anzahl von Kontrollenje Verband zu einem Ende bringen.Wir werden noch sehr sorgfältig prüfen, ob und gege-benenfalls in welchem Umfang Bundesmittel direkt oderindirekt Sportlern, Trainern oder betreuenden Ärzten zu-geflossen sind, die gedopt oder die NADA-Regeln nichteingehalten haben. Wir haben zu diesem Zweck eineTaskforce eingesetzt, die aufklären soll, damit wir gege-benenfalls entsprechende Konsequenzen ziehen können.Viertens sollten wir die Strafverfolgung weiter stär-ken. Doping wird mehr und mehr international arbeits-teilig und hochabgeschottet durchgeführt und ist vielfachder organisierten Kriminalität zuzurechnen oder weistVerbindungen zu OK-Bereichen auf. Umso wichtiger istes, dass der Staat seine Bekämpfungsstrukturen gleicher-maßen professionalisiert und Kompetenzen bündelt.
Wir tun das mit diesem Gesetzentwurf durch die Kom-petenzzuweisung an das Bundeskriminalamt.Wünschenswert ist aus meiner Sicht, dass auch aufder justiziellen Seite endlich der Forderung nach Bil-dung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften Rech-nung getragen wird, die von den Justizministern derLänder bisher nicht umgesetzt worden ist.
Die Bildung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften fürdie Dopingverfolgung wäre eine gute Parallele zur Kom-petenzzuweisung an das Bundeskriminalamt. Ich appel-liere in diesem Sinne erneut an die Landesjustizminister.Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf den eben-falls zur Debatte stehenden Antrag der FDP-Fraktioneingehen. Sie haben in diesem Antrag viele Verbesse-rungsmöglichkeiten aufgezeigt, die die Bundesregierungmit dem vorgelegten Entwurf und den von mir skizzier-ten Maßnahmen ebenfalls angeht. Dies macht deutlich,dass die Zielrichtung der Dopingbekämpfung in weitenTeilen fraktionsübergreifend verfolgt werden kann. Indiesem Sinne werbe ich für eine zügige Beratung undVerabschiedung des Gesetzentwurfs.
Nächster Redner ist der Kollege Detlef Parr, FDP-
Fraktion.
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Aber selbst eine lupenreine Besitzstrafbarkeit führtwie ein Blick über unsere Grenzen, auch nach Überseeeigt – zu nichts anderem als zu einem Anwaltsspektakelzw. einem Etappenrennen, bei dem jedermanns Aus-auer getestet und, wenn überhaupt, viel zu langsamecht gesprochen wird. Heute, vier Jahre nach der Tat,st ein Leipziger Fußballgewalttäter verurteilt worden.
sterreich hat mit dem jüngsten Gesetz in Europa auchuf die strafrechtliche Verfolgung des einzelnen Sport-ers verzichtet und setzt wie wir auf die Sportgerichts-arkeit.Die Diskussion trug in den letzten Wochen seltsameüge. Da sollte Jan Ullrich vor den Sportausschuss zi-iert werden.
a wird – von Juristen, wohlgemerkt – eine Amnestieeständiger Sportler gefordert, über die noch gar keinrteil gesprochen ist. Da wird der Tatbestand des Sport-etrugs wieder aus der Mottenkiste hervorgeholt, deron nahezu allen Sachverständigen abgelehnt wurde. Daerden Fernsehanstalten zu einem Übertragungsboykottufgerufen, statt dem kritischen Journalismus einehance zu geben. Da wird ein Generalangriff auf angeb-ich tatenlose Fachverbände gestartet. Mir liegt zum Bei-piel ein Positionspapier des Deutschen Skiverbandesom 7. August 2006 vor, in dem die Absenkung dereistungsnormen für die Teilnahme an Olympischenpielen vorgesehen ist.Das Verhältnis der Politik zum Sport hat mit solchenopulistischen Aktionen Schaden genommen. Der imampf gegen Doping erforderliche Schulterschluss vonport und Staat gerät mit solch vorlauten und unausge-orenen Bemerkungen aus den Reihen des Parlamentsnnötig in Gefahr.Die FDP stimmt der Bundesregierung ausdrücklichu, dass weitere Maßnahmen von Politik, Sport, Justiz,
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10527
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Detlef ParrWirtschaft und Gesellschaft für eine effektive Bekämp-fung des Dopings notwendig sind, und zwar auf nationa-ler Ebene, aber als neue Grundlage für fairen Wettbe-werb vor allem auch auf internationaler Ebene. Erst vorwenigen Tagen hat Deutschland das UNESCO-Abkom-men gegen Doping unterzeichnet, das erste weltweite In-strument zur Bekämpfung des Dopings im Sport.Die Einbeziehung der Möglichkeiten des Bundeskri-minalamtes sind ein weiterer wichtiger Schritt in dieseRichtung; Stichwort Interpol. Damit werden zu Rechtbeklagte Vollzugsdefizite abgebaut. Strafverschärfun-gen für banden- oder gewerbsmäßige Dopingstraftatengehören zu den längst überfälligen Maßnahmen, die wirschon von der rot-grünen Bundesregierung jahrelang er-wartet haben. SPD und Grüne blieben in diesem Bereichjahrelang merkwürdig saft- und kraftlos. Daran solltensich manche Akteure dieses Hauses nicht nur gelegent-lich erinnern.Die Länder sind jetzt aufgefordert, sich auf die Ein-richtung von Abteilungen zur Dopingbekämpfung, an-gedockt an bestehende Schwerpunktstaatsanwaltschaf-ten etwa gegen Wirtschaftskriminalität, zu verständigen.Die NADA muss nun nach den festgestellten Kon-trollunzulänglichkeiten aus dem Tal des Schweigens he-raus und neue Konzeptionen vorstellen, auch als Anreizfür dringend notwendige zusätzliche finanzielle Unter-stützung, die von den Sponsoren und vielleicht von denMedien erwartet werden können. Manches Komoderato-renhonorar etwa an Jan Ullrich wäre bei der NADA bes-ser aufgehoben gewesen.Aber alle Bemühungen um die Stärkung der NADAbleiben ein Muster ohne Wert, wenn es uns nicht gelingt,das gegenwärtige Hase-und-Igel-Spiel zwischen Sport-betrügern und Aufklärern zu beenden. Die Dopinganaly-tik und die Forschung insbesondere auf den Gebietendes Blut- und des Gendopings müssen deutlich verstärktwerden. Ich hoffe sehr, Herr Minister, dass Ihre heutigeAnkündigung, die Mittel aufzustocken, im Haushalt2008 ihren Niederschlag findet.Bei den Präventionsbemühungen darf die Kenn-zeichnung dopingrelevanter Substanzen nicht auf denBeipackzettel beschränkt bleiben; den lesen ohnehin nurwenige. Ein Piktogramm wie in Italien üblich – das istdort Bestandteil des Gesetzes – ist ein wirksamerer Hin-weis, der Ausreden und Unwissenheit nicht mehr zu-lässt. Ein elektronischer Athletenpass dient dem lang-fristigen Nachweis einer kontinuierlichen körperlichenEntwicklung der Leistungssportler und der Wirkung me-dizinischer Maßnahmen im Verlauf ihrer Karriere undsollte für alle Fachverbände weltweit Spiel- und Startvo-raussetzung sein.Wir sind uns einig: Das Dopingproblem gefährdet in-ternational das Ansehen des Sports.
Es gehört deshalb auch auf die Tagesordnung der deut-schen EU-Ratspräsidentschaft. Mit der Debatte über denGesetzentwurf der Bundesregierung starten wir heuteerst den Versuch, auf der Grundlage fast täglich neuerErkenntnisse die Dopingbekämpfung ernsthafter zumGmggvcAsFKpbBhRcsSdwlzaSzda–DnInrnhwgn
In den nun folgenden Beratungen sollten wir versu-hen, unsere Vorstellungen unter einen Hut zu bringen.uf diese Beratungen im Fachausschuss freue ich michehr, Kollege Hermann.Ich danke Ihnen fürs Zuhören.
Ich gebe das Wort der Kollegin Dagmar Freitag, SPD-
raktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!aum ein Tag, kaum eine Woche, in der das Thema Do-ing nicht die Schlagzeilen beherrscht. Nicht etwa sau-er erzielte Erfolge, sondern der mittlerweile täglichelick in die Abgründe des unerträglichen Dopingsumpfsat dafür gesorgt, dass das Thema zum unrühmlichenenner auf den Titelseiten der Printmedien und Aufma-her in den TV-Nachrichten geworden ist. Der Sportteht – das gilt nicht nur für den Radsport – vor einemcherbenhaufen. Umso wichtiger ist es, dass sich die füren Sport in Deutschland Verantwortlichen ihrer Verant-ortung endlich stellen.Bundesregierung und Koalition tun dies mit dem vor-iegenden Gesetzentwurf. Andere beschränken sich vor-ugsweise darauf, Forderungen aufzustellen, und zwarn Dritte, versteht sich. So hat der Deutsche Olympischeportbund in seinem Hamburger Zehnpunkteprogrammur Abwechslung nicht die Bundesregierung, sondernie Bundesländer und die Sponsoren aufgefordert, sichn der Finanzierung der NADA zu beteiligen.
Hören Sie einfach zu, Herr Kollege Parr! Es lohnt sich.as ist eine gute Idee, aber es reicht nicht aus, immerur die anderen zu meinen.
n Hamburg hat der Sport die große Chance vertan, ei-en eigenen, wahrnehmbaren Beitrag zu leisten.Zum vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregie-ung gibt es nicht nur den FDP-Antrag, sondern auch ei-ige kritische Anmerkungen. Das ist legitim. Ich ver-ehle an dieser Stelle auch nicht, dass meine Fraktioneitergehende Regelungen, insbesondere in einem ei-enständigen Antidopinggesetz, bevorzugt hätte. Den-och, auch der heute vorliegende Gesetzentwurf bringt
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Dagmar Freitagentscheidende Verbesserungen in der Dopingbekämp-fung.Auf die kann man allerdings verzichten, wenn man esmit den Linken hält. Sie nämlich halten die Diskussionfür völlig überflüssig,
wie der Abgeordnete Nešković am 27. Mai in der „Welt“kundtat. Er empfiehlt dort die völlige Freigabe, solange– dankenswerterweise – Minderjährige nicht gedoptwerden. Zitat: „Soll doch jeder Sportler nehmen, was erwill.“ Ich sage Ihnen: Diese Haltung ist dumm und anZynismus nicht zu überbieten.
Nun zum FDP-Antrag. Lieber Kollege Parr, dort undin vielen Pressemitteilungen ist von Dopingpräventionund deren großer Bedeutung die Rede. Deshalb eineganz ernst gemeinte Bitte an Sie persönlich: Bringen SieIhren Parteifreund Wolf, Sportminister in Nordrhein-Westfalen, dazu, eine wegweisende Präventionskampa-gne zu initiieren. Die wird dann die Handschrift der FDPtragen, und Nordrhein-Westfalen, Sportland Nummereins, kann die Vorreiterrolle unter den Bundesländern si-chern.
Das, Herr Kollege Parr, wäre ein hervorragendes Signalund würde Ihrem Antrag die Glaubwürdigkeit verleihen,die momentan einfach nicht zu erkennen ist. Ansonstengibt der Antrag der FDP wenig Anlass zu einer intensi-ven Auseinandersetzung: viele Belanglosigkeiten, nichtsNeues.Anders an dieser Stelle der Gesetzentwurf der Bun-desregierung. Die überlegenen staatlichen Aufklärungs-methoden werden entsprechende Ermittlungen nach sichziehen. An deren Ende wird klar sein, ob sich ein Be-schuldigter wegen des Besitzes einer nicht geringenMenge genau definierter Substanzen strafbar gemachthat oder nicht.
Auch die Sportgerichtsbarkeit wird von diesen Ermitt-lungsergebnissen profitieren, wenn sie es denn will.Wir sprechen viel von Eliteschulen, dualer Karriere-planung und anderen verantwortungsvollen Elementender Nachwuchs- und Spitzensportförderung. Unddann das: Da meldet die „FAZ“ von heute, dass der ba-den-württembergische Kultusminister Rau ankündigt,das pädagogische Konzept der Eliteschulen des Sportsum das Thema Doping zu erweitern. Der geneigte Leserist nur noch fassungslos. Kann es wirklich wahr sein,dass Sport und Ministerium es bislang offensichtlichnicht für nötig gehalten haben, eines der brisantestensh–Sssbsgsdi–HsWdasffiDBmtwnj1)
Sehr geehrter Herr Parr, wissen Sie nicht, dass fürchulpolitik immer noch die Bundesländer zuständigind? – Bei so viel Ignoranz der Bundesländer muss manich nicht wundern, welche Behandlung dem durchausemerkenswerten Antidopinggesetzentwurf des Frei-taates Bayern im Bundesrat zuteil wurde. Was muss ei-entlich in diesem Land noch passieren, damit wir wis-en, dass wir es mit kriminellen Elementen zu tun haben,ass der Sportler nicht das schwächste Glied in der Kettest, wie die FDP meint?
Ich zeige Ihnen nachher sofort Ihre Pressemitteilung,err Kollege Parr; ich weiß nicht, wer Sie Ihnen ge-chrieben hat. –
as muss noch herauskommen, damit die Zuschaueren ach so reuigen Dopern nicht zwei Tage später wiederm Straßenrand zujubeln?Wir müssen Doping wirksam bekämpfen. Wir müs-en, wenn nötig, weitere Schritte gehen. Dies gilt auchür den Gesetzgeber. Ich sage Ihnen: Das kann im Zwei-el ganz schnell gehen.Vielen Dank.
Die Kollegin Katrin Kunert, Fraktion Die Linke, hat
hre Rede zu Protokoll gegeben.1)
eshalb gebe ich dem Kollegen Winfried Hermann,
ündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich ver-ute, meine Kollegin Kunert konnte ihre Rede nicht hal-en, weil es peinlich gewesen wäre, hier auszusprechen,as es an Dissens in ihrer Fraktion gibt.
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ih-en in den letzten Tagen und Wochen gegangen ist. Ichedenfalls habe früher gedacht: Beim Doping wird michAnlage 15
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Winfried Hermannnichts mehr überraschen, und mich wird auch nichtsmehr wirklich erschüttern, egal was da herauskommt.Und doch hat mich das überrascht und auch erschüttert– das muss ich sagen –, was in den letzten Wochen be-kannt wurde: diese Art von flächendeckendem Doping,die Selbstverständlichkeit, mit der man in einer be-stimmten Sportart Dopingmittel genommen hat, dieSelbstverständlichkeit, mit der Masseure, Ärzte, Trainer,alle mitgemacht haben.Ich sage ganz offen: Am meisten hat mich die Tatsa-che verwundert und auch entsetzt, dass es in diesemBereich eigentlich nicht einmal mehr ein Unrechts-bewusstsein gibt. Man hat mit der größten Selbstver-ständlichkeit gesagt: Das haben wir genommen, weil esalle genommen haben; das haben wir getan, weil wir si-cher waren, dass es nicht herauskommt. Ich wiederhole:Es gab keinerlei Unrechtsbewusstsein. Das ist entsetz-lich; denn das heißt, dass es für Sportler keine Regelnmehr gibt, an die sie sich zu halten bereit sind. Regelndes Sports, Regeln der Fairness sind ihnen also wurschtund spielen keine Rolle mehr, wenn es um den Preis, umden Sieg, um das Geld geht. Ich glaube, das ist ein Tief-punkt des Sports.Es ist deutlich geworden – das wird auch hier imHause niemand bestreiten –, dass wir im Sport einen um-fassenden Neuanfang brauchen, eine umfassende Strate-gie zur Bekämpfung des Dopings im Sport. Dafür ver-antwortlich ist der Sport selbst, aber auch die Politik.Herr Minister, Sie haben sich zu dieser Seuche – sonennen Sie es; ich halte es nicht für eine Seuche, weil eskeine Krankheit ist, sondern etwas Menschengemachtes,etwas Menschenverantwortetes – hier sehr deutlich ge-äußert. Angesichts dessen hätte ich schon einen größerenWurf, eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Do-pings erwartet. Was haben Sie vorgelegt? Ein kleinesGesetz auf minimalistischer Basis, die Novellierung desArzneimittelgesetzes, aber kein wirklich umfassendesmodernes Gesetz zur Bekämpfung des Dopings imSport.
– Nein, dieser Gesetzentwurf enthält nicht viel.Einigen Punkten kann man sicherlich ohne Weitereszustimmen, zum Beispiel der Kennzeichnung von Arz-neimitteln, dem Einsatz des Bundeskriminalamts dort,wo organisierte internationale Kriminalität stattfindet.Natürlich ist es gut, dass der Handel mit und der Vertriebvon Dopingmitteln verschärft bestraft werden sollen. Alldas ist gebongt; all dem stimmen wir zu.
Von Kollegen von der SPD höre ich aber immer wie-der: Der Kern dieses Projektes ist die Strafbarkeit desBesitzes einer nicht geringen Menge.
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ch will auch nicht so tun, als wäre die Haltung meinerraktion eindeutig. Aber der Formelkompromiss, denie gefunden haben, bringt uns auch nicht weiter.Um einen anderen Punkt haben Sie nur drum herum-eredet; da haben Sie nichts gemacht. Gerade im Rad-port sind Lug und Betrug offenkundig an der Tagesord-ung, Kollege Danckert. Die Wettbewerber werden umeld und um Prämien betrogen. Die Sponsoren werdenetrogen, und die Öffentlichkeit wird betrogen. Dertraftatbestand des Betrugs ist im Bereich des kom-erzialisierten Sports deutlich sichtbar. Sie hätten Maß-ahmen ergreifen können, die genau diesem Zustandechnung tragen; doch Sie haben es nicht gemacht.
ir haben dafür gekämpft. Viele Experten werden Sieei der Anhörung nächste Woche auf dieses Defizit hin-eisen.Auch der Sportler selber trägt in diesem System Ver-ntwortung. Verantwortung tragen nicht nur die Hinter-änner – jawohl, auch sie sind verantwortlich –, sondernuch der dopende Sportler, der seine sportlichen Kon-urrenten betrügt. Dagegen haben Sie keine entspre-henden Maßnahmen ergriffen.Wir hätten erwartet, dass Sie ein Gesamtkonzept vor-egen und nicht nur ein einfaches Gesetz. Das ist nichteschehen. So kann man keine wirklich glaubhafte Anti-opingpolitik betreiben.Ein letztes Wort.
Herr Kollege!
Ich komme zum Schluss. – Der Herr Minister hat ge-agt: Wir müssen mehr für Forschung und für Präven-ion tun. Dann tun Sie etwas! Sie haben die schon be-cheidenen Mittel für den Präventionsbereich in diesemahr noch einmal gekürzt, und zwar von 400 000 Eurouf 300 000 Euro. Ich erwarte wirklich, dass in großemmfang zusätzliche Mittel zur Dopingbekämpfung, zuorschungszwecken und natürlich auch zur Präventionnd zur Aufklärung bereitgestellt werden.Vielen Dank.
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Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Peter
Danckert, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-
gen! Vorweg, einfach um dem Kollegen Parr und seinem
Kurzzeitgedächtnis etwas auf die Sprünge zu helfen: In
einer Pressemitteilung des Kollegen Parr vom 22. Mai
– das ist noch nicht so lange her, lieber Detlef Parr –
heißt es: „Die Sportler sind das schwächste Glied in der
Dopingkette.“ Was soll ich denn davon halten?
–„Ich habe das gar nicht gesagt“, behauptet er. Es steht
in deiner eigenen Presseerklärung. Du kannst sie nach-
her bekommen.
Zum Thema: Ich möchte an dieser Stelle bei der ers-
ten Lesung noch einmal deutlich machen, dass ich den
Kolleginnen und Kollegen in der Union, allen voran
Klaus Riegert und Peter Rauen, aber auch den anderen,
die hier sitzen, sehr dankbar dafür bin, dass wir uns ver-
ständigt haben. Das war ein mühevoller Prozess. Wir ha-
ben fast das ganze Jahr 2006 damit verbracht.
Es gab auch Enttäuschungen, Herr Abgeordneter
Schäuble. Ich hätte Sie als Minister angesprochen, aber
da Sie im Plenum sitzen, sind Sie jetzt offensichtlich in
der Rolle des Abgeordneten. Wahrscheinlich wollen Sie
mir noch eine Zwischenfrage stellen.
Herr Abgeordneter Schäuble, es gab auch Enttäuschun-
gen, aber die sind jetzt vergessen. Wir haben einen ge-
meinsamen Entwurf vorgelegt. Ich sage an dieser Stelle:
Dieser Entwurf ist viel besser, als es sich die Kollegen
von der Opposition vorstellen können.
Die Opposition muss natürlich remonstrieren, weil die
eine Fraktion gar keinen Entwurf zustande gebracht und
die andere immer nur darüber geredet hat.
Von daher ist unser Gesetzentwurf ein sehr guter Schritt.
Er ist sicherlich bei weitem nicht ausreichend, um im
Kampf gegen Doping zu bestehen, aber wenn wir dieses
Instrumentarium nicht bekommen, ist es noch hoff-
nungsloser. Wir haben ja gesehen, was sich in den letz-
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ir müssen an dieser Stelle mehr Mittel zur Verfügung
tellen und damit die Prävention als wichtigen Teil des
ampfes gegen Doping stärken.
ir müssen intelligentere Trainingskontrollen einrich-
en, und wir müssen sicherlich auch die Dopinganalytik
erstärken und verbessern, damit wir nicht immer hinter-
erlaufen. An dieser Stelle ist eine ganze Menge zu tun.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Gienger?
Der Kollege Gienger ist Experte.
as höre ich gern.
Kollege Peter Danckert, ist dir bekannt, dass dereutsche Olympische Sportbund in diesem Jahr an dieADA zusätzlich 260 000 Euro überweist?
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Wenn das die einzige Frage ist, kann ich dazu sagen:
Ja, das ist mir bekannt.
Der DFB hat aufgrund der guten Einnahmesituation
3 Millionen Euro an den Deutschen Olympischen Sport-
bund überwiesen, und von diesem Betrag hat der DOSB
sehr großzügig 260 000 Euro an die NADA überwiesen.
Ich hoffe nur, lieber Kollege Eberhard Gienger, dass
das auch im nächsten Jahr so sein wird, dass das keine
Eintagsfliege ist. Mit einer einmaligen Zahlung aus der
Sonderzuweisung des DFB ist uns nämlich gar nicht ge-
holfen. Mir wäre es lieber, die Spitzenverbände in Ham-
burg unter Führung des geschätzten Präsidenten – ich
lasse ihn grüßen –
hätten sich verständigt und gesagt: Wir wollen selber,
wie Clemens Prokop es gefordert hat, einen effektiven
Beitrag zur Bekämpfung der Dopingszene leisten und
der NADA regelmäßig 500 000 Euro oder 1 Million
Euro oder 1,5 Millionen Euro überweisen. – Das wäre
ein Zeichen. Aber was haben sie gemacht? Sie haben
nicht mal 1 Prozent gegeben, und das ist, finde ich, be-
merkenswert. Deshalb ist auch immer wieder meine Ver-
mutung: Der organisierte Sport will es nicht wirklich,
sondern redet nur davon.
Man könnte das nämlich durch konkrete Dinge belegen,
indem man etwa sagt: Wir sind bereit, 5 Prozent oder,
von mir aus, 2,5 Prozent zu geben. – Das alles tut man
nicht. Von daher ist das, was sozusagen aus dieser Ku-
lisse kommt, nicht sehr bemerkenswert.
Das zu der Frage, ob ich wüsste, dass der DOSB
260 000 Euro gibt.
Für so doof, dass ich das nicht weiß, darf man mich nicht
halten. Ich weiß das aber auch einzuordnen, und das ist
der Unterschied zwischen uns beiden an dieser Stelle.
Ich glaube, dass wir mit der heutigen ersten Lesung
auf einem sehr guten Weg sind.
Wir werden in einer Ausschusssitzung am kommenden
Mittwoch die Dinge eingehend erörtern. Wir haben sehr
viele Fachleute eingeladen. Ich glaube, dass sie uns in
unserem gemeinsamen Kampf ganz überwiegend bestär-
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Trittin, Winfried Nachtwei, Kerstin Müller
, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENFür einen sicherheitspolitischen Kurswechselin Afghanistan – Nebeneinander von ISAFund OEF beenden– Drucksache 16/5587 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
InnenausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschussb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Wolfgang Gehrcke, Paul Schäfer , MonikaKnoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder LINKENEinsatz des Kommandos Spezialkräfte in Af-ghanistan beenden– Drucksachen 16/4674, 16/5309 –Berichterstattung:Abgeordnete Bernd SchmidbauerDetlef DzembritzkiDr. Werner HoyerWolfgang GehrckeJürgen Trittinc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Knoche, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer ,
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10532 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnerweiterer Abgeordneter und der Fraktion derLINKENDas Mandat für die Operation Enduring Free-dom beenden – Einsätze des Kommandos Spe-zialkräfte in Afghanistan einstellen– Drucksachen 16/121, 16/5314 –Berichterstattung:Abgeordnete Bernd SchmidbauerDetlef DzembritzkiDr. Werner HoyerWolfgang GehrckeJürgen TrittinZP 2 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Auswärtigen Ausschusses
– zu dem Entschließungsantrag der Fraktionender CDU/CSU und der SPD zu der zweiten Be-ratung des Antrags der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streit-kräfte an dem Einsatz einer InternationalenSicherheitsunterstützungstruppe in Afgha-nistan unter Führung der NATO auf Grund-lage der Resolutionen 1386 , 1413
, 1444 (2002), 1510 (2003), 1563
, 1623 (2005) und 1707 (2006) des Si-
cherheitsrates der Vereinten Nationen– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Dr. Werner Hoyer, Birgit Homburger,Hellmut Königshaus, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der FDP zu der Beratung desAntrags der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streit-kräfte an dem Einsatz einer InternationalenSicherheitsunterstützungstruppe in Afgha-nistan unter Führung der NATO auf Grund-lage der Resolutionen 1386 , 1413
, 1444 (2002), 1510 (2003), 1563
, 1623 (2005) und 1707 (2006) des Si-
cherheitsrates der Vereinten Nationen– Drucksachen 16/4298, 16/4571, 16/4620,16/4621, 16/5636 –Berichterstattung:Abgeordnete Eckart von KlaedenDetlef DzembritzkiDr. Wolfgang GerhardtWolfgang GehrckeJürgen TrittinNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeJürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am8. Mai hat das afghanische Oberhaus einen bemerkens-wdpzrldPnEhntvideavWhsssKdfm1TFvsdKVbSlwmmhsAdnmlvgwhebu
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Zum dritten Hauptproblem. Ich halte das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet für ein ganz zentrales Pro-blem im Rahmen der Auseinandersetzungen. Die TribalAreas, die sogenannten FATA im nordwestlichen Grenz-gebiet Pakistans zu Afghanistan, entziehen sich weitge-hend staatlicher Kontrolle und sind unter anderem Rück-zugs- und Operationsbasis für die Taliban. Wir sollteneine Stabilisierung dieser Region erreichen. Daher müs-sen die pakistanische und die afghanische Regierung mitUnterstützung der internationalen Gemeinschaft dieRückführung möglichst vieler der derzeit noch in Pakis-tan lebenden Flüchtlinge in ihre Heimat ermöglichen.Ich denke, dass den rund 3,5 Millionen Einwohnernin den FATA wie auch den Bewohnern der angrenzendenProvinz Belutschistan dringend Bildungsangebote au-ßerhalb der bestehenden Koranschulen gemacht und le-gale Einkommensperspektiven aufgezeigt werden müs-srnSiadwpsEPtlbatRrssBuBmihghddhgaSPwzjwsvdbgnzroW
Zum fünften Hauptproblem. Ein besonderes Problemst der schleppende Aufbau der afghanischen Sicher-eitskräfte. Afghan Ownership ist ohne belastbare af-hanische Sicherheitsstrukturen nicht zu erreichen. Da-er sind sowohl der Aufbau als auch das Training undie Ausbildung der afghanischen Streitkräfte als aucher Aufbau der afghanischen Polizei notwendig. Ichabe in einer meiner letzten Reden die Polizeiausbildungelobt; das gilt nach wie vor. Nur, diese ist ein Tropfenuf den heißen Stein. Wir brauchen eine mehrfachetruktur, die es ermöglicht, in kürzerer Zeit belastbareolizeistrukturen aufzubauen. Es muss dafür gesorgterden, dass es eine angemessene Ausstattung der Poli-ei gibt. Dies gilt auch für die Streitkräfte.Es ist sehr zu begrüßen, dass die europäische Seiteetzt einen Durchbruch erreicht hat. Vielleicht könnenir in den nächsten Monaten feststellen, dass wir in die-en Bereichen etwas erzielt haben, was wir schon seitielen Monaten fordern.Ein weiterer Aspekt ist die Koordination der Arbeiter internationalen Geldgeber. Wir koordinieren die Ar-eit im internationalen Bereich besser. Herr Trittin, dasilt auch für den militärischen Bereich. Auch im natio-alen Bereich wird die militärische Hilfe besser mit derivilen koordiniert.
Nur Träumer gehen davon aus – das kam in den vo-angegangenen Beiträgen zum Ausdruck –, dass manhne militärische Absicherung zivile Hilfe leisten kann.enn sich das nur endlich einmal herumsprechen
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Bernd Schmidbauerwürde! Wenn die Leute endlich nicht nur eine Seite be-trachten würden! Sie fordern eine humanitäre Leistung,wissen aber nicht, dass die nicht erbracht werden kann,wenn nicht gleichzeitig militärisch abgesichert wird.
Herr Kollege, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?
Ein letzter Satz: Sie sollten sich einmal die Entwick-
lung der letzten Tage ansehen. Die Hilfsorganisationen
suchen inzwischen den Schutz der militärischen Seite
und ziehen in die Camps ein, weil es nicht mehr möglich
ist, eine humanitäre Leistung zu erbringen. Das macht
ganz deutlich, dass wir beides brauchen. Wir brauchen
die militärische und die zivile Seite. Man darf nicht eine
Seite allein verdammen. Nicht jeder kann sich die Ver-
dienste an den Hut heften.
Herr Kollege, Sie sprechen jetzt auf Kosten Ihres
nachfolgenden Kollegen.
Jetzt nicht mehr, Frau Präsidentin.
Herzlichen Dank.
Ich gebe das Wort der Kollegin Birgit Homburger,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zu Beginn meiner Rede möchte ich ein paar grundsätzli-che Dinge festhalten: Alle zivilen und militärischenAnstrengungen dienen der Unterstützung der afghani-schen Regierung. Wir sind nicht als Besatzer in Afgha-nistan, sondern als Partner der Menschen in Afghanistan.
Der Deutsche Bundestag hat für Afghanistan dreiMandate vergeben: ISAF-Mandat, Operation „EnduringFreedom“ und das Mandat für die Tornados. Ziel allerEinsätze in Afghanistan ist es, den Aufbau stabiler staat-licher Strukturen zu befördern, dafür zu sorgen, dass dieafghanische Regierung auf Dauer in die Lage versetztwird, selbst für Sicherheit und Ordnung in diesem Landzu sorgen und das Land beim Aufbau zu unterstützen,um den Menschen in diesem Land eine Perspektive zubieten.Deshalb ist es von zentraler Bedeutung, dass es jetztgelingt, die auf dem NATO-Gipfel in Riga angestoßeneStrategieänderung aller Partner in Afghanistan umzuset-zen.IzsCisdnSLpeDswIdnidnDVurbGDnNgntsefnbgdAfndn
m Kern muss es gelingen, den Wiederaufbau und dieivil-militärische Zusammenarbeit gegenüber militäri-chen Aktionen in den Vordergrund zu rücken.Ich glaube, es ist gut, dass es den Fraktionen vonDU/CSU, SPD und FDP in den letzten Tagen gelungenst, eine gemeinsame Position, einen ganzheitlichen An-atz zu finden. Ich finde es schade – das will ich ganzeutlich sagen –, dass über diesen Antrag heute Abendicht debattiert werden kann.
o beschäftigen wir uns heute mit zwei Anträgen derinken und einem Antrag der Grünen, in deren Mittel-unkt militärische Fragen stehen. Das ist zwar wichtig,s ist aber genauso wichtig, deutlich zu machen, dass dieiskussionen, die derzeit in den Ausschüssen sowie zwi-chen Parlament und Bundesregierung geführt werden,eit darüber hinausgehen und darauf abzielen, politischenitiativen voranzubringen.Mit einer vorrangig militärischen Strategie lassen sichie vielfältigen Herausforderungen, vor denen die afgha-ische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaftn Afghanistan stehen, nicht lösen. Das hat die Anhörunger FDP-Bundestagsfraktion am Montag dieser Wocheoch einmal sehr deutlich gezeigt.
ie Probleme, vor denen wir stehen – sie sind von denorrednern schon angesprochen worden –, sind komplexnd stark miteinander verwoben: fehlende funktionie-ende staatliche Strukturen, die Korruption, der Mohnan-au, die Flüchtlinge in dem pakistanisch-afghanischenrenzgebiet, die sich verschärfende Sicherheitslage.eshalb ist es wichtig, einen Gesamtansatz zu haben undicht allein über militärische Fragen zu diskutieren.
Vom NATO-Gipfel in Riga und dem Treffen derATO-Verteidigungsminister im Februar dieses Jahresingen mit der Aufstockung der Mittel für zivile Maß-ahmen in Afghanistan ermutigende Signale in die rich-ige Richtung aus. Allerdings will ich auch sehr deutlichagen: Das reicht nicht aus. Es ist auch nicht immer nurine Frage des Geldes. Bei vielen Gesprächen, die wirühren, stellen wir fest, dass es einer besseren Koordi-ation der zivilen Hilfsprojekte beim Wiederaufbauedarf. Ich denke, auch hier sind erhebliche Anstrengun-en nötig.
In beiden Anträgen der Linken wird dasselbe gefor-ert. Sie wollen die Beendigung des KSK-Einsatzes infghanistan und die komplette Beendigung des Mandatsür die Operation „Enduring Freedom“. Liebe Kollegin-en und Kollegen, ich rate dringend an, sich einmal miter Lage zu beschäftigen. KSK-Soldaten sind in Afgha-istan seit längerem nicht mehr im Einsatz.
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Birgit HomburgerAls Zweites möchte ich hier sehr deutlich sagen: Wirhaben ein Parlamentsbeteiligungsgesetz. In § 8 ist einRückholrecht des Bundestages verankert. Das bedeutet:Die Zustimmung zu einem Mandat für den Einsatz be-waffneter Streitkräfte kann jederzeit widerrufen werden.Deshalb sage ich Ihnen sehr deutlich: Es hätte Ihrer An-träge überhaupt nicht bedurft. Sie sind reine Rhetorik.Das Parlament hat ein gesetzlich verankertes Recht, dases jederzeit wahrnehmen kann. Wenn eine Mehrheit indiesem Hause dieser Ansicht wäre, würde man das auchtun.
Ich möchte einige Bemerkungen zum Antrag der Grü-nen machen. Ich glaube, wir sind uns in vielen Punkteneinig; wir sind in vielen Fragen nicht weit voneinanderentfernt. Ich finde es im Übrigen gut, dass wir als Deut-scher Bundestag in den letzten Monaten mehrfach ge-genüber der Bundesregierung, aber auch gegenüber derinternationalen Gemeinschaft deutlich gemacht haben,dass wir gemeinsam hinter einem politischen Konzeptund einer bestimmten Strategie stehen. Deswegen sindwir mit Ihnen einig, wenn Sie sagen: Es muss bei allenEinsätzen darauf geachtet werden – egal ob afghanischePolizei, afghanisches Militär oder internationale Ge-meinschaft –, dass es keine zivilen Opfer gibt. Ichglaube, Sie werden keinen in diesem Hause finden, derdas nicht fordert.Wir sind einig, wenn Sie die Forderung aufstellen,dass man mit Respekt und Zurückhaltung gegenüber derafghanischen Bevölkerung auftreten soll. Nicht ohneGrund haben wir in den letzten Debatten hier darüber ge-sprochen, dass wir nicht nur Einsatzregeln brauchen,sondern dass wir für das Militär, das dort im Einsatz ist,einen Verhaltenskodex brauchen, um sicherzustellen,dass dessen Auftreten nicht dazu führt, dass man sich ge-gen uns wendet, dass die Menschen vielmehr merken,dass wir für sie arbeiten und dass wir für die Menschenin diesem Land da sind.
Wir sind auch einig, wenn es um die stärkeren An-strengungen bei dem Aufbau und der Ausbildung vonMilitär und Polizei geht. Hier gibt es gerade einen Fort-schritt. Hinsichtlich der Ausbildung und des Aufbaus derPolizei in Afghanistan beginnt demnächst eine europäi-sche Mission, bei der wir als Bundesrepublik Deutsch-land eine Führungsfunktion übernehmen. In diesem Zu-sammenhang wird die Polizeiausbildung aufgestockt.Auch hierbei gibt es breite Einigkeit in diesem Hause.Wir hatten heute im Verteidigungsausschuss des Deut-schen Bundestages den Innenminister zu Gast. Wir ha-ben mit ihm sehr nachdrücklich darüber gesprochen,dass mit diesen Anstrengungen nicht das Ende der Fah-nenstange erreicht ist, sondern in diesem Punkt nochmehr getan werden muss.
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uch die Antwort auf diese Frage bleiben Sie schuldig. Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Dieseragen bedürfen einer intensiven Erörterung. Das wer-en wir im Rahmen der kommenden Debatte zu leistenaben.Herr Trittin, Sie versuchen, den Eindruck zu erwe-ken, als seien, wenn man die Beteiligung an OEF been-et, auch alle Probleme verschwunden. Das ist zu ein-ach.
eswegen sage ich sehr deutlich: Die Probleme sind klarmrissen. Sie sind auch heute benannt worden. Sie wer-en bleiben. Wir werden sie lösen müssen, so oder so.ch denke, das deutsche Parlament sollte den Versuchnternehmen, –
Frau Kollegin, darf ich Sie an Ihr Versprechen erin-
ern?
– dazu eine gemeinsame Position gegenüber der Re-ierung zu entwickeln.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10537
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Nächster Redner ist der Kollege Rolf Kramer, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! FrauHomburger, den Antrag, dessen Beratung Sie angemahnthaben, beraten wir im Augenblick. Vielleicht ist das anIhnen vorbeigegangen, weil Sie wie ich bis eben im Un-tersuchungsausschuss gesessen haben.Die umfassende Bekämpfung des internationalenTerrorismus mit politischen, wirtschaftlichen, polizeili-chen, gesetzgeberischen und – wenn es im Einzelfallnotwendig ist – militärischen Maßnahmen bleibt – ichdenke, hier spreche ich im Namen der großen Mehrheitdieses Hauses – auch fast sechs Jahre nach den Ereignis-sen des 11. September 2001 eine der zentralen Heraus-forderungen für die internationale Gemeinschaft.Dabei ist Deutschland keinesfalls eine Insel derGlückseligen. Die direkte Bedrohung durch Terroran-schläge ist auch in Deutschland real. Die gescheitertenAnschläge von Köln haben dies im vergangenen Jahr mitNachdruck bewiesen. Die internationalen Strukturen desTerrors der al-Qaida sind noch nicht zerschlagen. Daranhaben auch die Erfolge beim Wiederaufbau der staatli-chen Strukturen in Afghanistan und bei der Stabilisie-rung der Region um das Horn von Afrika überhauptnichts verändert. Die internationale Gemeinschaft istweiterhin gefordert, dem internationalen Terrorismusseine gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Basiszu entziehen. Dazu gehört der ganzheitliche Ansatz, dendie Bundesregierung in der internationalen Diskussionentschieden vertritt.Zu diesem Ansatz gehörte und gehört auch der Ein-satz militärischer Mittel. Dieser ist noch unverzichtbar –leider, möchte man sagen. Dies erfordert von der Bun-desrepublik die Bereitstellung ausgewählter militäri-scher Fähigkeiten in einer multinationalen Koalition,und zwar mit Zustimmung des Bundestages: sei es imRahmen von ISAF die Bereitstellung von Aufklärungs-mitteln wie den Recce-Tornados, sei es im Rahmen vonOEF die Bereitstellung von Marineeinheiten zur Über-wachung und Kontrolle der Seewege rund um das Hornvon Afrika. Ein nach dem Mandat möglicher Einsatzvon KSK-Kräften in Afghanistan ist seit langem nichtmehr nachgefragt worden und findet demzufolge auchnicht mehr statt. Auch der Antrag auf Rückzug von nichtvorhandenen Truppen geht somit ins Leere.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Grundlagedes Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der Operation„Enduring Freedom“ – des ersten Einsatzes, den derDeutsche Bundestag im November 2001 angesichts derEreignisse in New York und Washington und auf Bittender internationalen Staatengemeinschaft beschlossen hat –sind unter anderem die Resolutionen 1368 und 1373 desUN-Sicherheitsrates, in denen die Anschläge vom11. September 2001 noch im selben Jahr verurteilt wur-dgFtzeaLtteBvds„MtSSdVshbAHgaAgkdAwWVgsssBdRe–hse
Vielen Dank. Wenn Sie eine Langzeitwirkung wollen,aben wir möglicherweise Erfolg.Sie wissen alle, dass innerhalb der Regierungskoalitioneit Ende vergangenen Jahres besondere Arbeitsgruppentabliert worden sind, in deren Zusammensetzung sich der
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10538 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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Rolf Kramerganzheitliche Ansatz unseres Afghanistanengagementswiderspiegelt. In meiner Fraktion hat die sogenannteTaskforce Afghanistan den Auftrag, das EngagementDeutschlands intensiv politisch zu begleiten und eigeneVorschläge zu entwickeln. Erste Ergebnisse dieser Bera-tungen – zumindest ist es bei der SPD so – werden derFraktion noch vor der Sommerpause vorgestellt werden.Zum jetzigen Zeitpunkt sind die vorliegenden An-träge der Fraktion Die Linke, wie im Bericht des feder-führenden Auswärtigen Ausschusses vorgesehen, abzu-lehnen. Ein sofortiger Ausstieg aus dem OEF-Mandatwürde weder für die Bevölkerung in Afghanistan nochfür die ISAF-Truppen ein Mehr an Sicherheit bedeuten.Damit wäre auch der Ansatz, durch Stabilisierung undWiederaufbau staatlicher wie gesellschaftlicher Struk-turen in dieser Region dem Terrorismus den Boden zuentziehen, gefährdet.Uns allen ist klar, dass der Wiederaufbau nur mit Be-harrlichkeit und mit Geduld gelingen kann. Auf schnelleErfolge werden wir nicht hoffen können. Eine Ein-schränkung des deutschen Engagements in Afghanistanwürde niemandem helfen. Im Gegenteil, wir würden dieafghanische Bevölkerung, die auf uns setzt, im Stich las-sen. Der afghanische Außenminister hat Deutschlanderst kürzlich bei dem Außenministertreffen der G 8 inPotsdam eindringlich um die Verlängerung des Bundes-wehreinsatzes zur Stabilisierung seines Landes gebeten.Diese Bitte sollte bei unseren Entscheidungen über dieFortsetzung unseres Engagements Berücksichtigung fin-den.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Wolfgang Gehrcke,
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Da mehrfach gesagt worden ist, man läge in der Beurtei-lung nicht weit auseinander, und ich keinen Irrtum auf-kommen lassen will, lege ich Wert darauf, zu sagen: Dastrifft für die Fraktion Die Linke nicht zu. Die FraktionDie Linke liegt mit den anderen Fraktionen des Bundes-tages weit auseinander, und darüber muss man debattie-ren.
Meiner Fraktion und mir geht es um einen grundsätz-lichen Richtungswechsel in der Afghanistanpolitik.Ein solcher Richtungswechsel ist nicht ohne Abzug derTruppen aus Afghanistan glaubhaft zu vermitteln.
Kollege Schmidbauer, es ist ja nicht so, dass man sichnicht die Frage stellt und dass man nicht hin und herüberlegt, was richtig und was möglicherweise falsch ist.IzJbdnldeddaJdKFgwPAgjcdgFssgdMDstdstdldd
a deutsche Bundestagsabgeordnete nicht nach Afgha-istan reisen dürfen, weil ihre Sicherheit nicht gewähr-eistet ist. Was ist das anderes als Chaos und Gefähr-ung?Als zweites Argument wird gesagt – das halte ich fürin großes Problem, weil auch ich es nicht will –, dassann die Taliban zurückkommen. Ich habe nichts miten Taliban am Hut, ganz im Gegenteil. Ich frage michber natürlich, was denn die Taliban nach sechs, siebenahren Krieg so stark gemacht hat, dass sie heute wiederie Sicherheit gefährden können. Ich sage: Das war derrieg selbst.Natürlich begrüße auch ich gerne die mühseligenortschritte, die es in der Bildung und für die Frauenibt. Bezüglich der Fortschritte für die Frauen müssenir vorsichtig sein, schließlich ist eine Abgeordnete desarlaments aus dem Parlament herausgeprügelt worden.uch das ist ja der heutige Zustand. Aber: Das, was ein-etreten ist, ist mir nicht unwichtig.Ich verkneife mir auch das Argument, dass ich denetzigen Zustand sehr intensiv mit dem Zustand vergli-hen habe, der in Afghanistan herrschte, als es dort voren Taliban linke Regierungen und Regime gab. Damalsab es noch mehr Bildung und noch mehr Befreiung derrauen. Das werden Sie ja nicht leugnen können.
Den Wunsch von Jürgen Trittin, dass eine Friedens-tabilisierung eintritt, halte ich für sehr vernünftig. Ichage Ihnen aber: Es wird keine Friedensstabilisierungeben, solange die Menschen in Afghanistan den Ein-ruck haben, dass das Land besetzt ist, und solange dieenschen gegen die Besetzung kämpfen.
as sind die Tatsachen, um die man nicht herumkommt.Wenn man zu der Einschätzung gelangt, dass manich in einer Sackgasse befindet und dass die Afghanis-anpolitik der Regierungen gescheitert ist – das trifft aufie vorangegangene rot-grüne und auch auf die jetzigechwarz-rote Regierung zu –, dann muss man nach poli-ischen Alternativen suchen und Signale setzen, durchie solche politischen Alternativen sichtbar werden.Ich war schon immer der Auffassung, dass Deutsch-and nicht am Hindukusch verteidigt wird. Ich glaube,ass deutsche Soldaten und deutsche Tornados am Hin-ukusch unser Land zum Teil eines Krieges gemacht ha-
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Wolfgang Gehrckeben und dass auch wir in Afghanistan als Besatzer wahr-genommen werden. Das ist die heutige Situation.
Wir alle wissen das, aber man muss es immer wiederbetonen: Krieg bringt Not, Leid, Elend, Tote und Ver-letzte – das, was mit dem üblen Wort Kollateralschadenimmer abgetan wird. Ich möchte, dass weder Zivilistenin Afghanistan – diese trifft es vor allen Dingen; das hatauch Jürgen Trittin richtig beschrieben – noch Soldaten,die sich in Afghanistan befinden, zu Schaden kommen.Ich habe immer gesagt, dass wir unsere Differenzenmit der Bundesregierung nicht auf den Rücken von Sol-datinnen und Soldaten austragen werden, weil sie dorteingesetzt sind. Ich möchte diese Soldatinnen und Solda-ten vor unsinnigen Aufträgen der Bundesregierung unddes Parlaments verteidigen.
Deswegen denke ich, dass es ein erster Schritt wäre, dasMandat für die Operation „Enduring Freedom“ – OEF –vom Horn von Afrika bis Afghanistan aufzukündigenund auch das Mandat für das KSK in diesem Zuge zu be-enden.Ich will mich jetzt noch mit einem Argument ausei-nandersetzen, um einfach nachzuweisen, dass hier nichtkorrekt argumentiert wird. Ich dürfte Ihnen gar nicht dassagen, was Verschiedene hier gesagt haben, dass dasKSK nämlich gar nicht in Afghanistan ist. Das ist näm-lich geheim.
– Das steht in der Zeitung, aber als Abgeordnete dürftenwir das nicht sagen, weil das alles geheim ist. – Unter-stellen wir aber einmal, dass es so ist und dass es zweiJahre lang nicht da war: Sie hätte aber das Mandat, je-derzeit dort wieder eingesetzt zu werden. Das ist das Ar-gument.
Deswegen muss man das Mandat aufheben, damit nie-mand auf den Gedanken kommen kann, das KSK wiederals Kampftruppe nach Afghanistan zu schicken. Das istder Kern des Arguments.Genauso wenig möchte ich, dass die Tornados dortbleiben; darüber werden wir im September zu diskutie-ren haben. Ich füge hinzu: Ich möchte Tornados wederam Hindukusch noch über Heiligendamm. Ich halte esfür eine große Zumutung, dass dort Tornados eingesetztworden sind.
Jetzt wollte ich mich eigentlich ganz direkt an dieKollegen Niels Annen und Jürgen Trittin wenden. Ichhabe mir die Fernsehsendung „Sabine Christiansen“ sehrgenau angeschaut, in der ihr mit Oskar Lafontaine debat-tiert hattet. Jürgen Trittin und Niels Annen, der jetztnicht anwesend ist, haben in dieser Sendung überein-stimmend gesagt, sie wollten dafür eintreten, dass OEFblsVvISWiWzmagTd5dgWPnnbshhKhkhgliTtv
ir haben hier einen klaren Antrag gestellt, dem manustimmen kann. Dann muss man sich entscheiden, oban dies will oder nicht.Die letzten Sekunden meiner Redezeit verwende ichuf eine Frage, die Sie vielleicht als nicht zum Themaehörend empfinden werden. Sie gehört aber zu diesemhema. In dieser Woche ist veröffentlicht worden, dasser internationale Waffenhandel seit 2002 um0 Prozent angestiegen ist und Deutschland sich auf denritten Platz geschoben hat. Ein Klima des Krieges ge-en den Terror ist ein Klima, in dem der internationaleaffenhandel boomt. Deswegen muss man eine andereolitik einleiten. Dazu ist die Bundesregierung leidericht in der Lage.
Der Antrag der Koalitionsfraktionen hat einen ver-ünftigen Feststellungsteil, in dem die Probleme richtigeschrieben sind.
Herr Kollege – –
Ich komme zum Schluss. – Der Teil aber, in dem
teht, was der Bundestag entscheiden soll, weist über-
aupt keinen einzigen neuen Gedanken auf und reicht
eute nicht mehr aus.
Danke sehr.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
ollegen Schmidbauer.
Frau Präsidentin! Lieber Herr Kollege Vorredner, Sieaben mich angesprochen. Ich will nur zu Ihren Bemer-ungen betreffend das Chaos und die Situation vor dereutigen Situation, in der wir uns engagieren, etwas sa-en. Wenn Sie dieses geschundene Land, das jahrzehnte-ang mit Krieg überzogen worden ist und dessen Regimen einem Fußballstadion und anderswo Menschen zuausenden umgebracht hat, mit dem heutigen Afghanis-an vergleichen und dann in Bezug auf die Gegenwarton Chaos reden und sich nach der, wie Sie sagen, sei-
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Bernd Schmidbauernerzeitigen freiheitlichen Ordnung in diesem Land zu-rücksehnen, dann muss ich Ihnen sagen, dass Ihnen inden letzten Jahren einiges entgangen ist.
Ich kann vielerlei Argumentationen verstehen. Aberder jetzt eingeleitete Prozess – Parlamentswahl, Wahldes Präsidenten, also die Legitimation einer Regierung,und der Versuch, Mindeststandards in diesem Land zuerreichen – widerspricht Ihrer Aussage völlig. Sie habenheute Morgen doch auch gehört, was Frau KolleginWieczorek-Zeul über den Ausbau von Schulen und an-dere Fortschritte gesagt hat. Dies ist ganz bestimmt nichtder Himmel auf Erden. Aber im Vergleich dazu, dassMenschen früher von ihrem Regime mitten in der Stadtumgebracht wurden, ist einiges erreicht worden. Dahersollten Sie einmal objektiver an diese Situation herange-hen.Die Situation ist schwierig; das ist wahr. Wir habenkeinen Kurzsprint, sondern einen Marathonlauf zu ab-solvieren. Aber eines müssen wir begreifen: Ohne dieVerdienste unserer Soldatinnen und Soldaten wäre manin Afghanistan zu keiner Form von Befriedung gekom-men. Wir dürfen nicht schlapp machen und aus lauterAngst die Verantwortung abgeben. Es ist ja so einfachund populistisch, davon zu sprechen, dass man aufhörenund eine Exit-Strategie entwickeln wolle. Inzwischen se-hen wir, dass die Tornados die Lage eher stabilisieren alsdestabilisieren. Hier müssen also zwei Seiten einer Me-daille betrachtet werden. Deshalb ist mir unser Engage-ment auch im Interesse der Menschen in diesem Landlieber.
Sie dürfen antworten, Herr Kollege Gehrcke.
Kollege Schmidbauer, es gibt Menschen, die für sich
gern die Eigenschaft der Unerschrockenheit in Anspruch
nehmen. Ich nähme für mich lieber Erschrockenheit und
außerdem ein Stückchen Nachdenklichkeit in Anspruch.
Da ich die Substanz Ihrer Argumentation kenne, un-
terstelle ich, dass Sie mich falsch verstanden haben. Ich
habe das Talibanregime – die Taliban sind eine Erfin-
dung der CIA; das muss man einmal hinzusetzen, weil es
einfach wahr ist –
immer politisch bekämpft.
Ich hielt es für ein unmenschliches, brutales Regime. Es
war ein Mörderregime, mit dem man keinerlei Sympa-
thie empfinden kann und empfinden darf. Das ist eine
völlig klare Position.
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as versuchen Sie im Grunde genommen auch, abereiner Auffassung nach nehmen Sie damit keine verant-ortungsvolle Position ein. Wenn Sie den Kollegenrittin aus der Sendung von Christiansen zitieren, dannitieren Sie doch bitte auch Ihren Kollegen Lafontaine,er in derselben Sendung gesagt hat, Soldaten seien Ter-oristen. Das weise ich mit Entschiedenheit zurück.
Das hat er gesagt; ich habe es gehört, und ich weise esit Entschiedenheit zurück, im Sinne der Glaubwürdig-eit unserer Soldaten.
Ich höre eigentlich immer nur Hilferufe aus Afgha-istan. Die afghanische Bevölkerung sagt: Lasst unsicht im Stich, bleibt bei uns, setzt alle diese Aufgabenort, die hier bereits beschrieben worden sind.
Karzai ist immerhin der demokratisch gewählte Vertre-er.
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Hans Raidel
– Und Sie wissen da ganz genau Bescheid, Herr Kol-lege? Sie können das beurteilen?
– Ich glaube nicht, dass Sie das wirklich so umfassendkönnen, wie Sie es behaupten.Ich glaube, dass es zu unserem Einsatz in Afghanistantatsächlich keine Alternative gibt, dass unsere Hilfe wei-ter gebraucht wird. Das gilt auch für die anderen Staaten,die sich gemeinsam dem Aufbau und dem Antiterroris-muskampf verschrieben haben. Wir haben die ISAF fürHilfe zum Aufbau des Landes, und wir haben insbeson-dere OEF zur Terrorismusbekämpfung.Wer nun fordert, OEF müsse das Mandat auslaufenlassen, wer sagt, die Beteiligung sei aufzukündigen, dermuss nach meiner Auffassung natürlich auch den Leutenbei uns an irgendeiner Stelle die Wahrheit sagen; dennmit einer solchen Entscheidung würde die Terrorgefahrin Deutschland und Europa nicht verringert. Vielmehrlegten die Terroristen einen Rückzug als Schwäche ausund fassten ihn als Aufmunterung auf. Man sollte dieseDinge dann bitte ganz bis zu Ende denken. Außerdemwürden die Aufgaben von OEF sich nicht erledigen. Ir-gendjemand, also möglicherweise ISAF, müsste genaudiese Aufgaben weiterhin wahrnehmen. Darüber hinaussind ISAF und OEF bereits miteinander verzahnt. Dasheißt, ISAF geht nicht ohne OEF und umgekehrt.Außerdem möchte ich einer verbreiteten Auffassungwidersprechen. Es ist nicht so, dass ISAF die gute undOEF die schlechte Mission ist. Eine solche Bewertungist meiner Ansicht nach unangemessen und entsprichtnicht der Realität.
Diejenigen, die fordern, das Nebeneinander vonISAF und OEF in Afghanistan zu beenden, sollten be-denken, was das bedeutet. Das bedeutet die Ausweitungder ISAF-Mission auf Gesamtafghanistan und damit denEinsatz der Bundeswehr im ganzen Land. Das kannnicht in unserem Interesse liegen.Vorhin wurde darauf hingewiesen, dass im Herbst dieVerlängerung des Mandates ansteht. Was bedeutet das?Wie Sie wissen, wollen unsere Partner bei der ISAF-Mission einen anderen Zuschnitt des Mandats. Wir soll-ten derzeit nichts tun, was anderen Konstellationen alsdem Einsatz Deutschlands im Norden Vorschub leistet.Das sollten wir uns verkneifen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Trittin?
Gerne.
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Herzlichen Dank für Ihren Hinweis.Es geht jetzt um Folgendes: Erstens liegt die Stabili-ierung Afghanistans im internationalen Interesse wieuch im deutschen Sicherheitsinteresse. Das wird sicher-ich niemand in diesem Hause bestreiten. Falls doch, sa-en Sie es bitte.
Zweitens werden wir diese Missionen noch überahre hinaus bestreiten müssen – auch das ist sicherlichnbestreitbar –, wenn die Hilfe im dargestellten Sinneirken soll. Auch dass wir einen Mix von zivilen und
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Hans Raidelmilitärischen Maßnahmen brauchen, dürfte unbestrittensein. Dass bei der Implementierung die zivilen Kräfteeine größere Rolle spielen müssen als die militärischen,haben wir klarzustellen versucht. Das Militär kann denRahmen setzen und mithelfen, damit die zivilen Instru-mente greifen und wirken können.
Wir haben einen guten Ansatz, Stichwort „vernetzteSicherheit“. Im Verteidigungsausschuss sind wir unsalle einig, dass wir versuchen müssen, diesen guten An-satz mit festem Rahmen umzusetzen, und dass die afgha-nische Bevölkerung diesen Ansatz als vertrauensbil-dende Maßnahme weitestgehend akzeptiert hat.
Herr Kollege, ich möchte Sie an Ihre Redezeit erin-
nern.
Ich weiß. Ich bitte noch um eine halbe Minute.
Nein, ich gebe keine halbe Minute mehr. Sonst ziehe
ich das Ihrem Kollegen von der Redezeit ab, Herr Kol-
lege Raidel.
Letzter Satz. Wir lehnen die Anträge von den Linken
ab, weil sie konzeptionslos sind, uns eher schaden, den
Afghanen nicht wirklich helfen sowie unsere Positionen
in der NATO, der EU und der UNO eher schwächen.
Herr Kollege, Sie haben auch die halbe Minute über-
schritten. Ich bitte Sie, jetzt zum Ende zu kommen.
Wir lehnen daher Ihren Antrag, meine Damen und
Herren von der Linken, ab, weil er nicht konsequent und
logisch zu Ende gedacht ist.
Vielen Dank für Ihre Geduld, Frau Präsidentin. Danke
herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Gert Winkelmeier.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich beginne mit einem Zitat aus einem Schreiben des mi-
litärischen Beraters der Bundesregierung in Kabul, das
in der letzten „Monitor“-Sendung verlesen wurde:
Ich gerate zunehmend in Widerspruch zu dem, wie
die eigenen westlichen Truppen in Afghanistan
agieren … Es ist unerträglich, dass unsere Koali-
tionstruppen und ISAF inzwischen bewusst Teile
der Zivilbevölkerung und damit erhoffte Keime der
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Es ist unbestreitbar, dass er ein Experte ist. – Was tut
ie Bundesregierung? Sie redet die Lage schön.
Weiter schreibt dieser militärische Berater mit Sitz in
er Deutschen Botschaft in Kabul:
Ich stelle dabei zunehmend fest, dass die militäri-
sche Lage unzulässig geschönt dargestellt wird.
Auch deutsche Generäle beschönigen oder ver-
schweigen eigene Probleme.
inzu kommt: Die Bundesregierung vernachlässigt
röblich ihre Fürsorgepflicht. Den KSK-Soldaten wurde
001 unter anderem der Auftrag erteilt, „Terroristen ge-
angen zu nehmen“, vergleiche Drucksache 14/7296.
or kurzem kam endlich ein Befehl von Staatssekretär
r. Wichert, und zwar am 26. April 2007. Also fast
echs Jahre nach Beginn dieses Auslandseinsatzes wird
en Bundeswehrsoldaten Rechtssicherheit gegeben. Der
efehl untersagt, Gefangene an Drittstaaten zu überge-
en, die keine menschenrechtlichen Mindeststandards
inhalten. Wir können nur ahnen, was in der Zwischen-
eit war.
Noch einmal der Offizier aus Kabul:
Es gibt keine Entschuldigung für das durch unsere
westlichen Militärs erzeugte Leid unter den unbe-
teiligten und unschuldigen Menschen.
ch sage: Daran dürfen wir uns nicht länger beteiligen.
enn Sie sich wirklich um Afghanistan verdient machen
ollen, gibt es nur einen Weg: Richten Sie eine zweite
etersbergkonferenz ein! Bringen Sie alle Konfliktpar-
eien an einen Tisch, auch die afghanischen Taliban, ge-
auso wie es der evangelische Kirchentagspräsident
einhard Höppner und das afghanische Parlament for-
ern! Unterstützen Sie die Regierung Karzai, die dieses
estreben nach einem runden Tisch ebenfalls hat! Been-
en Sie den Militäreinsatz!
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Detlef Dzembritzki,PD-Fraktion.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007 10543
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es ist nicht das erste Mal, dass wir hier im Plenum überAfghanistan diskutieren, aber manchmal habe ich denEindruck, dass es unwahrscheinlich schwer ist, zu einemAustausch von Argumenten zu kommen. Wenn ich nachlinks schaue, dann muss ich wohl die Hoffnung aufge-ben. Kollege Schmidbauer hat schon auf die Aussageüber das Chaos geantwortet. Herr Gehrcke, Ihre Inter-pretation und Ihr Versuch, die Okkupationen der Englän-der und der Sowjets mit dem zu vergleichen, was seit2001/2002 in Afghanistan durch die internationale Ge-meinschaft wahrgenommen wird, sind schon gespenstig.
Aber noch gespenstiger wird es, wenn Sie vermittelnwollen, dass Sie das absolute Wissen haben, und wennSie all jenen, die sich letztendlich aus humanitärenGründen für eine Militäraktion ausgesprochen haben,diese Motivation absprechen, andererseits aber sagen– ich habe mir das notiert –, dass Sie mit einem Mörder-regime wie den Taliban nichts am Hut haben. Nun frageich Sie: Wie gehen Sie eigentlich gegen Mörder vor?Wie wollen Sie verhindern, dass weiter gemordet wird?Ich habe das an anderer Stelle im Zusammenhang mitdem Staudamm gesagt. Das Technische Hilfswerk alleinwird das nicht regeln können. Wenn Sie sich hier hinstel-len und erklären, Sie wollten mit Mördern nichts zu tunhaben, dann müssen Sie wenigstens den Versuch unter-nehmen, eine entsprechende Antwort zu geben. Es istaus meiner Sicht wenig glaubwürdig, wenn Sie sagen,das Militär solle abgezogen werden.Ich bin sehr dankbar, dass wir heute Abend nicht nurdie Anträge der Linksfraktion und der Grünen diskutie-ren, sondern dass auch der Entschließungsantrag IhrerFraktion, Frau Kollegin Homburger, auf die Tagesord-nung gesetzt wurde und dass wir unsere Gemeinsamkeitin dieser wichtigen Grundsatzfrage unterstreichen kön-nen.
– Lieber Kollege Nachtwei, mit Ihnen und über IhrenAntrag kann man durchaus diskutieren. Nur, mein Ein-druck ist, dass allein der Flaggenwechsel, der beabsich-tigt ist, das Problem, das Sie angesprochen haben, nichtlösen wird.
– Lieber Herr Trittin, eines der Probleme ist doch, dasswir bestimmte Schwierigkeiten nicht tatsächlich benen-nen. Wir wissen alle, wo wir Schwierigkeiten haben,nämlich dass es bisher nicht – ich sage das ganz vorsich-tig – optimal gelungen ist, im Bündnis das gemeinsameVorgehen so abzustimmen, dass Verwerfungen vermie-den werden können. Allein die Umformulierung oderder Rückzug aus der OEF lösen das eigentliche ProblemnAvctwMhNvmng–mHaspeurIPzmmIewvIdmsvulgwcuVrncek–
Ja, ich habe das schon gelesen.Aber wenn man sich das alles betrachtet, dann wirdan wieder sehr schnell bei der Grundaussage sein, dieerr Schmidbauer anhand unseres Entschließungs-ntrags hier schon formuliert hat, nämlich dass der Ein-atz in Afghanistan nicht unter militärischen Gesichts-unkten zu sehen ist, sondern unter politischen undntwicklungspolitischen Gesichtspunkten,
nd dass wir sehen müssen, wie wir diese Herausforde-ung meistern und wie wir erfolgreicher werden können.m Entschließungsantrag sind die problematischenunkte benannt; auch Herr Schmidbauer hat sie aufge-ählt.Kolleginnen und Kollegen, wir müssten uns doch vielehr Zeit nehmen, um uns mit den eigentlichen Proble-en, etwa mit Korruption, zu beschäftigen. Es wurdennstitutionen wie ein Parlament geschaffen. Auch gibts eine Regierung. Wenn wir ehrlich sind, dann müssenir doch zugeben, dass wir über Entscheidungen, dieom Parlament getroffen werden, zutiefst betroffen sind.ch denke zum Beispiel an das Amnestiegesetz und anas Mediengesetz.
Das große Dilemma ist für mich Folgendes – darüberüssen wir miteinander offen diskutieren –: Einerseitsagen wir, dass wir Afghan-Ownership, also die Eigen-erantwortlichkeit Afghanistans, unterstützen wollen,nd andererseits sehen wir, dass diese Eigenverantwort-ichkeit so wahrgenommen wird, dass die Vereinbarun-en, die im Afghanistan Compact in London getroffenorden sind, nicht eingehalten werden. Wir wollen si-herstellen, dass Menschenrechte eingehalten werdennd dass sich eine Demokratie entwickelt.Ich wage sehr zu bezweifeln, dass zum Beispiel daserbot der Pressefreiheit mit den getroffenen Vereinba-ungen im Einklang steht. Also sind doch wir, die inter-ationale Gemeinschaft, gefordert, den Dialog zu su-hen. Wenn wir diesen Dialog möglicherweise zum Taburklären, dann werden wir an dieser Stelle Probleme be-ommen, die aus meiner Sicht größer sein werden alsich will dieses Problem nicht verniedlichen – die per-
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Detlef Dzembritzkimanente Diskussion über militärische Fragen. DieserDialog ist die eigentliche Herausforderung.In der heutigen Ausschusssitzung ist die Frage derSicherheit in Kunduz, in Masar-i-Scharif und in Faiza-bad diskutiert worden. Ich habe inzwischen versucht,mich ein Stückchen sachkundiger zu machen. Wir erle-ben im Augenblick – all das muss man im Zusammen-hang mit dem Prozess nach dem Zusammenbrechen Af-ghanistans sehen – heftige Auseinandersetzungeninnerhalb von Gruppierungen Afghanistans. Im Norden,in der Dostomregion, findet im Augenblick offensicht-lich eine Auseinandersetzung statt, und es ist unklar, werdort die Oberhand behalten wird.Auch hier stellt sich die Frage, welche Möglichkeitenwir, die internationale Gemeinschaft, haben, diese Aus-einandersetzung nicht nur zusehend zu begleiten. Wiegeht man zum Beispiel damit um, dass ein General-staatsanwalt, der Korruption bekämpfen will, sofort aufdie Liste derjenigen gesetzt wird, die nicht mehr zu dengeachteten Personen in Afghanistan zählen? Wie schaf-fen wir es, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche Struktu-ren entstehen, sodass Verlässlichkeit und Bekämpfungvon Korruption an der Tagesordnung sind? Auch dasParlament sollte sich an den Grundsätzen der Rechts-staatlichkeit, der Pressefreiheit und der Humanität orien-tieren. Dazu gehört all das, was mit Sicherheit, zum Bei-spiel mit Polizeiausbildung, zu tun hat.Mich würde viel mehr interessieren – ich habe dasauch heute im Ausschuss gesagt –, einmal eine Diskus-sion darüber zu führen, wie der Bildungsplan des Bil-dungsministers Atmar umgesetzt werden kann. DieserBildungsminister hat wirklich aus eigener Verantwor-tung – da ist Afghan-Ownership praktiziert worden –deutlich gemacht, dass 140 000 Lehrerinnen und Lehrergebraucht werden. Sicherlich müssen wir schauen, wiedie entsprechenden Millionen- oder Milliardenbeträgeaufgebracht werden können.Mein Problem ist nur – das sollte unser Problem sein –,dass ständig davon gesprochen wird, dass vonseiten derUSA noch einmal 2 Milliarden Euro zur Verfügung ge-stellt werden und dass die Europäische Union noch ein-mal eine dreistellige Millionensumme bereitstellt. Alldas steht auch in den afghanischen Zeitungen. Die Bür-gerinnen und Bürger fragen allerdings: Wohin fließt die-ses Geld eigentlich?
– Ja, ja.Es gibt also im Grunde ein Vakuum. Wir müssen denFinger in diese Wunde legen, und wir müssen schauen,dass es zu einer größeren Effektivität kommt, zu einergrößeren Sichtbarkeit der Ergebnisse internationalenTuns und zu einer Situation, die die Menschen in Afgha-nistan tatsächlich als Erfolg wahrnehmen.
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Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
r. Wolf Bauer, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Wir hatten in unserer Frak-ion vereinbart, auch den Entwicklungspolitikern hierinen entsprechenden Spielraum zu geben, um die Be-eutung der Entwicklungspolitik auch speziell für Af-hanistan herauszustellen.
ch hoffe nur, dass das Zusammenschrumpfen der Rede-eit auf zwei oder drei Minuten diese Bedeutung nicht inrgendeiner Weise negativ beeinflusst.Wir sind davon überzeugt, dass eine Stabilisierungnd Befriedung Afghanistans ohne zügigen Wiederauf-au und ohne eine nachhaltige Entwicklung des Landesinfach nicht denkbar ist. Auch die Ermordung der bei-en Schulmädchen gestern hat gezeigt, dass Sicherheitnd Entwicklung zwei Seiten einer Medaille sind. Nurenn Sicherheit und Entwicklung zusammen gewähr-eistet sind, können wir erfolgreich sein in unseren An-trengungen, zu einem vernünftigen und guten Afgha-istan zu kommen.Schule und Sicherheit sind eigentlich zwei typischeeispiele. Es hat wenig Sinn, Schulen zu bauen, wenn esuf der anderen Seite zum Beispiel keine Gewähr dafüribt, dass gemischte Klassen unterrichtet werden könnennd insofern Vernünftiges für den Aufbau des Landesetan werden kann.Ich hätte an dieser Stelle gern von den Erfahrungenrzählt, die ich gemeinsam mit Herrn Dr. Neudeck undnserem Kollegen Arnold Vaatz im vorigen Jahr bei derinweihung einer Schule gemacht habe. Es ist eine Stif-ung unserer CDU/CSU-Fraktion, und wir haben sie na-ürlich „Konrad-Adenauer-Schule“ genannt.
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Dr. Wolf BauerWir hatten fantastische Erlebnisse im vorigen Jahr, undich war begeistert von diesem Land und von diesenMenschen. Wir hatten für dieses Jahr eine weitere Reisegeplant – das wurde vorhin schon angesprochen –, umuns die Fortschritte anzusehen, aber leider war das we-gen des hohen Sicherheitsrisikos nicht möglich. Ichhoffe sehr, dass wir diese Reise bald nachholen können;denn ich bin davon überzeugt, dass wir gerade wegendieser Risiken jetzt noch mehr Anstrengungen unterneh-men müssen, um den Afghanen zu helfen.Wir müssen vor allem mit Partnern vor Ort Projekteerarbeiten, die direkt der Bevölkerung zugutekommen,und wir müssen sie dann auch kurzfristig durchführen.Wir müssen besonders im ländlichen Raum noch mehrin den Aufbau mittelständischer Strukturen investieren,nicht zuletzt auch, um Arbeitsplätze zu schaffen. Wirmüssen helfen, die gesamte Infrastruktur zu verbessern,um der Bevölkerung das Gefühl zu geben, dass sie nichtallein gelassen wird. Im Ergebnis müssen wir erreichen,dass die afghanische Bevölkerung wirklich spürt, dasssie ein besseres Leben erwarten kann, als es unter denTaliban möglich war.Dass unsere Bemühungen auf fruchtbaren Boden ge-fallen sind, haben wir im Norden Afghanistans erlebt.Ich hatte mir natürlich auch ein Lob und Anerkennungfür unsere Entwicklungshelfer und für unsere Soldatenaufgeschrieben, auch für deren Familien, die hier zuHause das Ganze mittragen müssen.Bei allen Erfolgen, trotz der Erhöhung unsererFinanzmittel für Afghanistan um 20 Millionen Euro undtrotz des lobenswerten Engagements unserer Aufbauhel-fer und Soldaten vor Ort, gibt es nach wie vor zahlreicheProbleme und Gefahren, die kurzfristig nicht gelöst wer-den können. Der Drogenanbau ist genannt worden, aberauch religiös-fundamentalistisch motivierte Gewalt oderKorruption behindern und sabotieren unsere Wiederauf-baubemühungen.Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, müs-sen wir auch von der afghanischen Regierung und vonden afghanischen Behörden mehr Engagement einfor-dern. Wir können sie unterstützen bei der Ausbildungder Polizei und bei ähnlichen Dingen, aber sie müssenauch von sich aus deutlicher zeigen, dass sie die Lage inden Griff bekommen wollen. Wir können ihnen helfen,staatliche Autorität aufzubauen, aber sie müssen sieletztendlich selbst umsetzen.Meine Damen und Herren, zu dem aufgezeigten Weg,so schwierig er ist, gibt es keine Alternative; denn nur sokönnen wir Erfolg haben und den Menschen in Afgha-nistan helfen auf ihrem Weg in eine bessere Zukunft.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wirdvorgeschlagen, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/DieGTAdssÜADSesDBhsgsdMEesdnsfmfßz–bIgeldsWsfbBBssrBhm
Metadaten/Kopzeile:
10546 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 102. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 13. Juni 2007
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– Drucksache 16/5576 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Verkehr, Bau und StadtentwicklungDie Kollegen Leo Dautzenberg, Frank Schäffler,Dr. Gerhard Schick, die Kolleginnen Nina Hauer undDr. Barbara Höll sowie die Parlamentarische Staatsse-kretärin Dr. Barbara Hendricks haben ihre Reden zu Pro-tokoll gegeben.1)Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 16/5576 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esdazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten HaraldLeibrecht, Gudrun Kopp, Jens Ackermann, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion der FDPDeutsche Unternehmen vor chinesischer Pro-duktpiraterie und Diskriminierung schützen– Drucksache 16/4207 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Auswärtiger AusschussRechtsausschussDie Kollegen Erich G. Fritz, Dr. Ditmar Staffelt,Harald Leibrecht, Jürgen Trittin sowie die Kollegin UllaLötzer haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.2)Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 16/4207 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die Federfüh-rung beim Ausschuss für Wirtschaft und Technologieliegen soll. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. – Dann ist die Überweisung so beschlossen.Wir sind damit am Schluss unser heutigen Tagesord-nung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf morgen, Donnerstag, den 14. Juni 2007,9 Uhr, ein.Allen Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern, aber auch unseren Besucherinnen undBesuchern auf der Tribüne wünsche ich noch einenschönen Abend.Die Sitzung ist geschlossen.