Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung deutscher Streit-kräfte an der Friedensmission der VereintenNationen im Sudan auf Grundlageder Resolution 1590 des Sicherheitsra-tes der Vereinten Nationen vom 24. März 2005und weiterer Mandatsverlängerungen durchden Sicherheitsrat der Vereinten Nationen– Drucksache 16/4861 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOEine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen.Wir kommen daher gleich zur Überweisung. Zwi-BHEfmHzwiSwPlgdJbediKFdRedetschen den Fraktionen wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 16/4861 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisungso beschlossen.Ich komme zu Tagesordnungspunkt 2:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Maßnahmen und Ziele derBundesregierung in der energetischen Gebäudesanie-rungDas Wort für den einleitenden fünfminütighat der Bundesminister für Verkehr, Bau unwicklung, Wolfgang Tiefensee.
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9424 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
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Bitte schön.
Noch eine kurze Frage zum bedarfsorientierten Ener-ieausweis, weil er nach unserer Einschätzung dierößte Effizienz mit sich bringt: Aus welchen sachlichenründen wird nicht für alle Gebäude ohne Einschrän-ung ein bedarfsorientierter Energieausweis verlangt?Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,au und Stadtentwicklung:Diese Verordnung, die heute im Kabinett beschlossenorden ist, stellt eine ausgewogene Balance zwischenwei Zielen dar. Das ist auf der einen Seite ein Höchst-aß an Transparenz und Akzeptanz; auf der andereneite steht eine Kostenminimierung für diejenigen, dieür diesen Ausweis bezahlen müssen.Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir dieosten des bedarfsorientierten Ausweises minimierenönnen. Sie sind in den Fällen noch relativ hoch, in de-en es Begehungen der Gebäude geben muss, bei denenin Energieberater oder ein diplomierter Bauingenieur inin Dorf, in eine kleine Gemeinde kommen muss, um eininzelnes Haus zu bewerten. Das heißt, zurzeit – wirissen noch nicht, wie der Markt reagiert – ist der be-arfsorientierte Ausweis relativ teuer. Aus diesem Grundollen wir für die Gebäude, die nach 1977, also nach derrsten Wärmeschutzverordnung, gebaut worden sind,zw. für die Gebäude, die älter sind, aber durch Sanie-ungsmaßnahmen diesem Standard entsprechen, eineahlfreiheit zulassen.Andererseits ist meine Prognose – wir sollten uns inwei Jahren wieder unterhalten –, dass sich allein des-alb der bedarfsorientierte Ausweis flächendeckendurchsetzen wird, weil a) der Kunde, nämlich der poten-ielle Käufer bzw. der Mieter, danach fragen wird undeil b) derjenige, der Mittel aus einem Förderprogramm
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Bundesminister Wolfgang Tiefenseedes Bundes oder des Landes in Anspruch nehmen will,zwingend den bedarfsorientierten Ausweis vorlegenmuss.Man muss sich das so vorstellen, dass ein Mieter, dersich an einem Samstagvormittag seine potenzielle neueWohnung anschauen will, vom Vermieter nicht nur ver-langen kann, den Energieausweis und die Modernisie-rungsempfehlung vorzulegen, sondern sie gegebenen-falls auch als Kopie zur Verfügung zu stellen. Dadurchwird gewährleistet, dass dieser Mieter, nachdem er amSonntagnachmittag zehn Wohnungen verglichen hat, dieMöglichkeit hat, sich zu entscheiden. Ein verbrauchsori-entierter Ausweis, der unterschiedliche Nutzungen undEnergieverbräuche berücksichtigt, wird nicht die Aussa-gekraft eines Bedarfsausweises haben. Das wird sich he-rumsprechen. Aus diesem Grund rechne ich damit, dasssich trotz höherer Kosten der bedarfsorientierte Ausweisdurchsetzen wird.Wir gehen davon aus, dass ohne Begehung folgendeKosten entstehen werden: Der Preis eines verbrauchs-orientierten Ausweises wird sich zwischen etwa 40 und60 Euro einpendeln, der des bedarfsorientierten Auswei-ses unter günstigen Voraussetzungen zwischen 80 und120 Euro. Er ist zehn Jahre lang gültig, und er dürfte so-wohl ohne als auch mit Begehung erschwinglich sein.
Kollege Dörflinger.
Herr Minister, schönen Dank für Ihren Bericht. – Es
ist in der Tat eine Win-win-Situation eingetreten. In der
vergangenen Woche haben Vertreter der Branche in mei-
nem Wahlkreis Folgendes geäußert – diese Bemerkung
ist der Anlass meiner Frage –: Es wird in einer vermehr-
ten Anzahl von Fällen festgestellt, dass die Firmen bei
der Ausführung nicht die gesetzlichen Vorgaben einhal-
ten; das ist insbesondere dann der Fall, wenn Subunter-
nehmen beschäftigt werden. Wenn anschließend eine
behördliche Kontrolle durchgeführt wird, die Konse-
quenzen nach sich zieht, wie will die Bundesregierung
sicherstellen, dass der Leidtragende nicht automatisch
und per se der Bauherr ist?
Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,
Bau und Stadtentwicklung:
Wir haben das im CO2-Gebäudesanierungsprogramm
geregelt, indem wir zwingend vorschreiben, dass die
Einhaltung des Neubauniveaus nach Beendigung einer
Maßnahme von einem Sachverständigen bestätigt wer-
den muss. Im Übrigen handelt es sich hierbei um einen
Subventionsbetrug im Sinne des § 264 Strafgesetzbuch.
Das heißt, dass wir wirklich scharfe Instrumentarien zur
Verfügung haben, um gegen eine Baufirma vorzugehen,
die vorgibt, die Standards eingehalten zu haben, diese
aber nicht eingehalten hat. Hier gibt es keinen Spiel-
raum. In diesem Sinne könnten auch Sie in Ihrem Wahl-
kreis argumentieren.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
den Weg gebrachten Plänen zur Senkung von Unternehmen-
steuern?
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Frau Kollegin Enkelmann, zwischen der Aussage derundeskanzlerin und dem Regierungsentwurf zur Unter-ehmensteuerreform besteht kein Widerspruch. Das Zieler Haushaltskonsolidierung kann nur langfristig erreichterden. Ausgabenkürzungen sowie Einnahmeerhöhun-en sind nur ein Baustein zur Konsolidierung der Staats-inanzen. Ein angemessenes Wirtschaftswachstum wirdbenfalls benötigt.
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara HendricksMit der für 2008 geplanten Unternehmensteuerreformsoll das Erreichen des Konsolidierungszieles langfristigunterstützt werden. Nach den im Regierungsentwurfvorgelegten Zahlen wird die Unternehmensteuerreformnur kurzfristig zu Steuermindereinnahmen führen. Lang-fristig ist mit Steuermehreinnahmen zu rechnen. Die Un-ternehmensteuerreform und die damit verbundene Ent-lastungswirkung verbessern die Standortbedingungenfür in- und ausländische Investitionen und sichern beste-hende bzw. schaffen neue Arbeitsplätze. Der Erosion derEinnahmebasis wird entgegengewirkt.
Frau Kollegin, Sie haben eine Nachfrage?
Ich habe zwei Nachfragen, wenn Sie, Frau Präsiden-
tin, gestatten.
Damit jeder versteht, um welche Aussage der Bun-
deskanzlerin es ging, würde ich diese gerne zitieren. Es
ging um ein Interview am Wochenende, in dem die
Kanzlerin, Frau Angela Merkel, gesagt hat:
Haushaltskonsolidierung hat Vorrang und deshalb
gibt es in der gegenwärtigen Situation keinen Spiel-
raum für Steuersenkungen.
Wenn in der gegenwärtigen Situation kein Spielraum für
Steuersenkungen besteht, warum wird dann mit der Un-
ternehmensteuerreform eine Steuersenkung von immer-
hin 6 Milliarden Euro vorgenommen?
Frau Staatssekretärin, wir sind uns beide einig, dass
die Bundeskanzlerin die Richtlinienkompetenz hat.
Meine zweite Nachfrage ist deshalb: Wenn sie die Richt-
linienkompetenz hat, bedeutet dann die klare Aussage, in
der gegenwärtigen Situation bestehe kein Spielraum für
Steuersenkungen, dass die Unternehmensteuerreform
mit Mindereinnahmen in Höhe von 6 Milliarden Euro
vom Tisch ist?
D
Frau Kollegin Enkelmann, ich will gerne auf Ihre bei-
den Fragen antworten. Sie haben die Bundeskanzlerin
richtig zitiert. Aber Sie wissen auch, vor welchem Hin-
tergrund die Frau Bundeskanzlerin diese Aussage ge-
macht hat, nämlich dem, dass einzelne Politiker weiter
gehende Steuersenkungen über das hinaus gefordert ha-
ben, was schon in der Koalitionsvereinbarung verabredet
war und was sich im gesetzgeberischen Entwicklungs-
stadium befindet. Heute haben wir die erste Anhörung
zur Unternehmensteuerreform. Wir sind also mitten im
Gesetzgebungsverfahren.
Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie die Frau Bundes-
kanzlerin falsch zitiert haben,
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Die Staatssekretärin sprach von 5 Milliarden Euro, derinister von 6 Milliarden Euro. Da die Staatssekretärinnwesend ist, ist sie jetzt unsere Ansprechpartnerin, Herrollege Tauss.Nach den letzten Steuerreformen ist eines mit Sicher-eit eingetreten – da werden Sie mir sicherlich zustim-
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Dr. Gesine Lötzschmen –: Steuermindereinnahmen der öffentlichen Hand.Meiner Erinnerung nach sind die Voraussagen betreffendMehreinnahmen nie bestätigt worden. Vielleicht könnenSie uns am Beispiel der letzten Steuerreform einmal dar-stellen, inwieweit vorausgesagte und wirkliche Steuer-einnahmen übereinstimmten.D
Frau Kollegin, es ist in der Tat so, dass wir nach der
letzten Steuerreform deutliche Einnahmeverluste zu ver-
zeichnen hatten. Andererseits ist es so, dass seit dem
Jahr 2005 Körperschaftsteuereinnahmen und Gewerbe-
steuereinnahmen – dort ist dies schon länger der Fall –
erzielt worden sind, die über das hinausgehen, was vor
der Steuerreform im Jahr 2000 erzielt worden ist.
In der Tat, es hat eine Delle gegeben. Das ist nicht zu
bestreiten. Aber wir erzielen mittlerweile drei Jahre in
Folge Rekordeinnahmen bei der Gewerbesteuer. Auch
die Körperschaftsteuereinnahmen haben die Höhe, die
sie vor der letzten Reform im Jahr 2005 hatten, wieder
erreicht.
Im Übrigen geht es natürlich auch um die Festigung
des Standortes und um die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Wirtschaft. Dazu gibt es eine sehr überzeu-
gende Untersuchung von Professor Clemens Fuest aus
Köln und anderen. Sie kommen in dieser Untersuchung
zu dem Schluss, dass die Unternehmen ihre Investitio-
nen aufgrund der letzten Unternehmensteuerreform
deutlich ausgeweitet haben. Bedauerlicherweise wurde
dieser positive Effekt von der negativen weltwirtschaftli-
chen Entwicklung überlagert; das ist nicht zu bestreiten.
Insofern gehe ich davon aus, dass wir in dieser konjunk-
turell positiven Phase, in der wir strukturelle Änderun-
gen bei der Unternehmensbesteuerung zur Sicherung der
Steuerbasis in der Bundesrepublik Deutschland, aber
auch zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der inter-
national tätigen Unternehmen vornehmen, Wirkungen
erzielen, die dem entsprechen, was man vorausberechnet
hat.
Selbstverständlich beruht das immer auf Annahmen.
Wenn Annahmen, zum Beispiel infolge des endogenen
Schocks im Zusammenhang mit dem 11. September
2001 – die damaligen Geschehnisse fielen genau in diese
Phase – einfach nicht mehr stimmen, dann können auch
die Berechnungen nicht mehr stimmen.
Nachdem die dringliche Frage aufgerufen und beant-
wortet wurde, kommen wir jetzt zu den Fragen auf
Drucksache 16/5046, die ich in der vorgesehenen Rei-
henfolge aufrufe.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Finanzen.
Frage 1 der Abgeordneten Scheel wird schriftlich be-
antwortet.
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Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
ur Beantwortung steht der Kollege Kues bereit.
Es geht zunächst um die Frage 3 der Abgeordneten
lke Reinke:
Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu der vom
Deutschen Städte- und Gemeindebund erhobenen Forderung
ein, schnell
einen Vorschlag zur Bereitstellung von Bundesmitteln für
einen Ausbau der Kleinkinderbetreuung vorzulegen, um den
Kommunen Planungssicherheit zu geben und die bei den
Eltern geweckten Erwartungen nicht zu enttäuschen?
Dr
Sehr geehrte Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis
öchte ich die Fragen 3 und 4 der Abgeordneten Reinke
egen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwor-
en.
Dann rufe ich auch die Frage 4 der Abgeordneten
lke Reinke auf:
Wie bewertet die Bundesregierung den vom Deutschen
Städte- und Gemeindebund angedrohten Rückzug aus einem
gemeinsamen Finanzierungskonzept für den Ausbau der
Kleinkindbetreuung für den Fall, dass der Bund sich nicht an
der Finanzierung des Ausbaus beteilige?
Dr
Die Bund-Länder-Runde am 2. April 2007 hat einlares Signal für den Ausbau der Kindertagesbetreuungesetzt. Die Fachminister von Bund und Ländern sowieertreter der kommunalen Spitzenverbände haben sicharauf verständigt, für rund ein Drittel der Kinder unterrei Jahren bis zum Jahr 2013 ein Betreuungsplatzange-ot zu schaffen. Dies ist ein erster großer Schritt nachorn.Am 16. April hat der Koalitionsausschuss der dieundesregierung tragenden Parteien auf der Grundlageieser Zielsetzung Frau Ministerin von der Leyen underrn Minister Steinbrück gebeten, ein von unseremaus erarbeitetes Finanzierungskonzept zügig zu bera-en und die Frage der Beteiligung des Bundes an derinanzierung sowie der Gegenfinanzierung des Betreu-ngsausbaus zu klären.Die Beratungen auf der Bundesebene sind zunächstrgebnisoffen. Wir können uns allerdings gemeinsamarauf stützen, dass sowohl die Beschlüsse vom 2. Aprills auch Äußerungen der Spitzen beider Koalitionspart-Die Antwort lag bei Redaktionsschluss nicht vor und wird deshalbzu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.
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9432 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
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Parl. Staatssekretär Dr. Hermann Kuesner ein deutliches Signal für einen entschlossenenAusbau der Kindertagesbetreuung gesetzt haben. Wir er-halten für dieses Ziel nach wie vor eine breite Unterstüt-zung aus der Gesellschaft, von Kirchen, Wirtschaft undGewerkschaften.Frau Ministerin von der Leyen hat angekündigt, dasssie sich für eine Kostenbeteiligung des Bundes stark-macht. Sie ist auch zuversichtlich, hier eine gemeinsameLösung zu finden.
Eine Nachfrage?
Vielen Dank. – Die Fragen sind hiermit – das muss
ich feststellen – leider nicht beantwortet. Vielleicht ge-
lingt es Ihnen, die nächste Frage zu beantworten. Es geht
um die Finanzierung. Wie hoch ist nach Schätzung der
Bundesregierung der Finanzierungsbedarf des Bundes
bzw. der Länder für die jährlichen Betriebs- und Investi-
tionskosten?
Dr
Es hat bei dem Gipfel am 2. April, den ich schon an-
gesprochen habe, eine Verständigung gegeben. Wir wer-
den jetzt im Einzelnen zu klären haben, wie die Vertei-
lung zwischen Bund, Ländern und Kommunen erfolgt.
Insofern kann ich dazu noch keine abschließenden Aus-
sagen treffen.
Haben Sie eine weitere Nachfrage?
Ja. – Ich hätte in diesem Zusammenhang schon gern
eine Zahl gehört. Ich hätte auch gern eine genaue An-
gabe dazu, was Sie unter „zügig“ verstehen. Wann kön-
nen wir damit rechnen, dass wir Zahlen und genauere In-
formationen bekommen? Es gibt im Juni, glaube ich,
eine Zusammenkunft. Aber vorher, denke ich, könnte
man sicherlich schon eine Zahl nennen.
Danke.
Dr
Der Entwurf des Bundeshaushalts 2008 wird spätes-
tens Ende Juni verabschiedet. Bis dahin wird auch Klar-
heit über die Finanzierung im Einzelnen herrschen.
Dann kommen wir zum Geschäftsbereich der Bun-
deskanzlerin und des Bundeskanzleramtes.
Die beiden Fragen der Kollegin Uschi Eid – das sind
die Fragen 5 und 6 – werden schriftlich beantwortet.
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9434 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
nd dass sich nach meiner Kenntnis dieser Meinungs-
tand der Bundesregierung auch in den letzten Monaten
icht geändert hat.
Die Fragen 14 bis 21 der Abgeordneten Jerzy
ontag, Jan Korte, Michael Leutert und Silke Stokar
on Neuforn zum Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums des Innern werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Günther auf:
Bestätigt die Bundesregierung den Baubeginn des Jagd-
bergtunnels auf der Autobahn 4 bei Jena am 1. Juni 2007, ob-
wohl durch die Novellierung der Richtlinien für die Ausstat-
tung und den Betrieb von Straßentunneln, RABT, 2006 eine
neue Situation gegenüber dem Planungsverfahren entstanden
ist?
Zur Beantwortung der Frage steht die Parlamentari-
che Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung.
K
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Vielleicht ge-
tatten Sie mir, die Frage 23 mitzubeantworten, weil
eide Fragen zusammengehören.
Ich rufe die Frage 23 auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass mit der Novellie-
rung der RABT 2006 bis zu 1 600 Gefahrguttransporter auf
Umleitungsstrecken verwiesen werden müssen, die teilweise
Steigungen über 10 Prozent haben und durch mehrere Orte
führen?
K
Das Gesamtsicherheitskonzept eines Straßentunnels,elches gemäß den neuen Richtlinien für die Ausstat-ung und den Betrieb von Straßentunneln – das ist dieABT 2006 – zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbe-chlusses vorliegen sollte, kann nachgereicht werden.ies ist im Fall des Jagdbergtunnels vertretbar, weil daslanverfahren zu diesem Tunnel bereits 2004 eingeleiteturde. Zu diesem Zeitpunkt waren die sich aus der Um-etzung der EU-Tunnelrichtlinie 2004/53/EG ergeben-en Änderungen, die zur RABT 2006 geführt haben – esing dabei hauptsächlich um organisatorische Änderun-en –, noch nicht bekannt.Der Jagdbergtunnel wird jedoch eine betriebstechni-che Ausstattung erhalten, die in vollem Umfang dennforderungen der Richtlinie RABT 2006 und damitem Stand der Technik entspricht. Insofern bestehen auser Sicht der Bundesregierung keine Bedenken gegen
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Parl. Staatssekretärin Karin Rothden geplanten Baubeginn, sobald das Baurecht vorliegtund alle vergaberechtlichen Fragen geklärt sind. Die er-forderlichen Prüfungen im Zusammenhang mit der Ver-gabe der Bauarbeiten im Abschnitt Magdala bis Jena-Göschwitz, zu welchen auch der Jagdbergtunnel gehört,sind noch nicht abgeschlossen.Des Weiteren ist der Planfeststellungsbeschluss zur-zeit mit einem Eilantrag der Kläger zur Wiederherstel-lung der aufschiebenden Wirkung beklagt. Das zustän-dige Bundesverwaltungsgericht hat sich ausbedungen,dass mit dem Bau oder mit sonstigen Maßnahmen, diedem Antrag der Kläger zuwiderlaufen, vor seiner Ent-scheidung über die Eilanträge noch nicht begonnen wird.Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts stehtnoch aus.Zur Frage 23. Die gemäß RABT 2006 Abschnitt 9 er-forderlichen Risikoanalysen dienen der Abwägung derFahrrouten für Gefahrguttransporte entweder durch denTunnel oder über eine Alternativroute im übrigen Stra-ßennetz. Die Prüfung und Beurteilung der Frage, ob undgegebenenfalls welche Gefahrguttransporte auf Umlei-tungsstrecken verwiesen werden müssen oder gegebe-nenfalls unter Auflagen durch den Tunnel fahren dürfen,ist mithilfe einer Risikoanalyse für jeden Tunnel geson-dert zu beantworten und fällt hier in die Zuständigkeitder obersten Verkehrsbehörde des Landes Thüringen.Nach einem Beschlussvorschlag von Thüringen, demdie Verkehrsministerkonferenz am 18./19. April 2007einstimmig zugestimmt hat, soll das Thema „Nutzungvon Tunneln durch kennzeichnungspflichtige Gefahrgut-transporte“ im Rahmen eines neuen Länderarbeitskreisesunter Beteiligung des Bundes grundlegend bearbeitetwerden.
Herr Günther, haben Sie eine Nachfrage?
Frau Staatssekretärin, wenn man sich die Lage des
Tunnels auf der Landkarte anschaut und wenn man die
vom Land Thüringen – Sie haben vorhin dieses Stich-
wort benutzt – genannte Umleitungsvariante für Gefahr-
guttransporte betrachtet, dann kann man erkennen, dass
aufgrund dieses Tunnels bis zu 1 400 Fahrzeuge pro Jahr
durch kleine Ortschaften mit Steigungen von bis zu
10 Prozent fahren müssen. Diese Gefahrensituation ist
meines Erachtens noch nicht geklärt.
Da Sie dieses Problem angehen wollen, frage ich Sie:
Sind Sie mit mir einer Meinung, dass man zumindest
eine Fahrspur der jetzigen Autobahn als Alternative für
Gefahrguttransporte offenhalten sollte?
K
Herr Kollege Günther, das Problem ist, dass die zur
Verfügung stehenden Fahrspuren natürlich den Standard
haben müssen, der für die risikofreie Nutzung durch die
Lkws erforderlich ist. An dieser Stelle muss es eine Ab-
wägung geben.
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Sie haben aber gesagt, dass die jetzige Strecke nicht
ptimal ist.
Jetzt geht es einfach darum, zu prüfen – auch im Rah-
en des Planfeststellungsverfahrens –, wie diese Trasse
insichtlich des Tunnels zu gestalten ist. Ich gehe davon
us, dass die gesammelte Fachkompetenz, die auf Län-
erebene und auf unserer Seite vorhanden ist, gesehen
at, dass wir hier etwas tun müssen. Deshalb gibt es die
unnelvariante.
Ich kann Ihnen sagen: Es gibt in Deutschland sehr
iele Neubauten von Autobahnen und Bundesstraßen,
ei denen es zu Tunnellösungen kam, weil es einfach
otwendig sein kann, Trassen mit Tunnel zu bauen. Inso-
ern findet hier kein einmaliges Ereignis statt. Wichtig
ind erstens das Verkehrsaufkommen, zweitens die
eichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs und drittens die
ntsprechenden Alternativen. Wenn das nicht nötig ge-
esen wäre, wäre man nicht auf die Idee gekommen,
ine solch durchaus kostenintensive Lösung vorzuberei-
en.
Sie haben die Möglichkeit zu zwei weiteren Nachfra-
en.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-in, könnten Sie mir bitte Ihre Einschätzung dazu geben,ie sich der Um- und Ausbau dieser Umleitungsstreckem Weiteren auswirken wird? Sie haben ausgeführt, dassuf dieser vorgesehenen Trasse entsprechende Voraus-etzungen geschaffen werden müssen. Das ist in alleregel mit umfänglichen Eingriffen verbunden. Ichenke gerade daran, dass die Abflachung größerer Stei-ungen auch nicht mit drei Schaufeln Sand getan ist.ier wird es also zu enormen Eingriffen kommen, dieegebenenfalls weitere Ausgleichsmaßnahmen nach sichiehen werden. Ist denn dies alles in eine Kosten-Nut-en-Berechnung der Gesamtmaßnahme, also auch derntscheidung für den Tunnel und gegen den Ausbau derestehenden Strecke, einbezogen worden?
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9438 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
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Frau Präsidentin, Herr Kollege, ich glaube, man sollte
nicht spekulieren nach dem Motto „Was wäre wenn?“.
Man muss erst einmal klären, welche Gefahrgüter durch
den Tunnel gefahren werden können. Diese Frage wird
geklärt. Danach muss geklärt werden, ob es überhaupt
notwendig ist, Ausweichstrecken zu organisieren. Ich
gehe davon aus, dass der Freistaat Thüringen das im
Rahmen seiner Kompetenzen hervorragend tut.
Zu einer Nachfrage hat der Kollege Königshaus das
Wort.
Frau Präsidentin, ich habe zu jeder der beiden Fragen
eine Nachfrage. Wenn Sie einverstanden sind, würde ich
gleich beide nacheinander stellen.
Da Sie die Möglichkeit, einzugreifen, vorhin nicht
hatten, bitte.
Danke schön. – Frau Staatssekretärin, wenn Sie sa-
gen, man solle nicht spekulieren, gebe ich Ihnen Recht.
Aber man sollte Vorsorge treffen. Meinen Sie nicht auch,
dass es beispielsweise ganz vernünftig ist, Risikoabwä-
gungen anzustellen – das hat nichts mit Spekulation zu
tun –, bevor man eine Planung endgültig feststellt und
abschließt, wie es hier der Fall ist?
K
Frau Präsidentin, Herr Kollege, es ist ganz schlicht
und einfach so, dass das Land Thüringen die Vorschläge
gegenüber dem Bund macht und dann im Rahmen des
Planfeststellungsverfahrens die Planungen festgestellt
werden. Insofern verlassen wir uns auf die Kompetenz
des jeweiligen Landes, in diesem Fall die Kompetenz
des Freistaates Thüringen.
Ihre zweite Nachfrage.
Es ist nachvollziehbar, dass Sie dem Land Thüringen
eine hohe Kompetenz zuweisen. Das bedeutet aber nicht,
dass Sie Ihre eigene Kompetenz völlig zurückstellen.
Hier haben wir als Ergebnis gerade feststellen können,
dass Sie in Zukunft Gefahrguttransporte, die bisher auf
der Autobahn abgewickelt wurden, auf einer Trasse, die
Ihnen, obwohl sie durch unbewohntes Gebiet führt,
schon zu gefährlich erscheint, durch bewohnte Gebiete
und durch Ortschaften führen wollen, die dafür über-
haupt nicht vorgesehen sind. Sie produzieren dadurch
eine enorme zusätzliche Gefahr. In diesem Fall müssen
Sie sich doch fragen, ob dieser Ausbau in dieser Form
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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr
Staatssekretär, für die Beantwortung so weit. Habe ich
Sie also richtig verstanden, dass all die problematischen
Dinge, die im Moment diskutiert werden, unter anderem
von den Berufsfeuerwehren, in dieser Kostenschätzung
nicht berücksichtigt sind? Dabei wird davon geredet,
dass man weitaus größere Rettungsschächte brauche und
dass die Tunneltieflage mit 40 Metern sehr umfangrei-
che Umbauarbeiten erforderlich mache, die alle nicht be-
rücksichtigt seien. Das heißt, all das ist in den 1,85 Mil-
liarden Euro nicht berücksichtigt, sondern nur das alte
Lastenheft, hinsichtlich dessen führende Fachleute mei-
nen, dass es nicht ausreichend sei? Sie planen auch nicht,
dies zukünftig zu berücksichtigen?
A
Herr Kollege Hofreiter, das alles habe ich nicht ge-
sagt; das wissen Sie auch. Ich lese noch einmal den Satz
vor: Von daher gibt es keinen Anlass, ohne neue Er-
kenntnisse von den bisher vorliegenden Schätzungen der
Machbarkeitsstudie abzuweichen. Das bedeutet – wir
sind ja im Planfeststellungsverfahren –, dass wir, wenn
neue Erkenntnisse vorlägen, natürlich auf sie eingehen
müssten. Das, was Sie zitieren, sind Meinungen, die man
teilen kann, aber nicht teilen muss. Deshalb war mein
Petitum: Warten wir doch ab, ob wirklich neue Erkennt-
nisse vorliegen. Wenn sie vorliegen, dann stellen wir uns
diesen. Bis dahin gibt es keine Notwendigkeit, eine an-
dere Summe zu unterstellen.
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Das heißt also, dass Feststellungen von Fachleuten
er Stadt München, zum Beispiel von der Berufsfeuer-
ehr, die teilweise schriftlich getroffen wurden, Mei-
ungen und keine Erkenntnisse sind?
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Herr Dr. Hofreiter, der Bundesregierung liegen diese
nterlagen nicht vor, weil sie am Planfeststellungsver-
ahren nicht beteiligt ist. Von daher lege ich großen Wert
arauf, dass wir die Verantwortungen so belassen, wie
ie verteilt sind. Wir stellen uns diesem Thema dann,
enn es für uns relevant wird. Ansonsten respektieren
ir den ganz normalen Ablauf des Planfeststellungsver-
ahrens. Die Anregungen und Einwendungen, die in die-
em Rahmen geäußert werden, werden von der Planfest-
tellungsbehörde sauber aufgearbeitet und sicherlich
uch bewertet. Irgendwann gibt es ein Ergebnis. Dem
aben wir uns dann zu stellen.
Damit kommen wir zur Frage 27 des Kollegen
r. Anton Hofreiter:
Inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung der
Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Ver-
kehr, dass dem Transrapid keine Wintertauglichkeit zuge-
schrieben werden kann, und welche Auswirkungen hat das
auf das finanzielle Engagement des Bundes für das Trans-
rapidprojekt München, das von einem ganzjährigen Fahrbe-
trieb ausgeht?
Bitte, Herr Staatsekretär.
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Kollege Dr. Hofreiter, es ist vorgesehen, einen Zu-
chuss zum Bau des Projektes München zu gewähren.
uschüsse für den Betrieb sind weder vorgesehen noch
rforderlich. Das Betriebskonzept der DB Magnetbahn
mbH, das Bestandteil des Lastenheftes ist, berücksich-
igt die Anforderungen, die an den Betrieb der Anlage
m Winter zu stellen sind.
Ihre erste Nachfrage.
Wie bewertet die Bundesregierung die Feststellunges TÜV, dass die Anlage, so wie sie in Lathen steht,icht wintertauglich ist und dass auch im Hinblick aufen Bau der Anlage in München keine Wintertauglich-eit gegeben ist? Die Wintertauglichkeit könnte nururch eine Einhausung erreicht werden. Das hätte aberomplett andere Kosten zur Folge.
Metadaten/Kopzeile:
9440 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
)
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Auch wenn die Temperaturen im Emsland vergleichs-
weise mild sind, konnten in der Vergangenheit während
verschiedener Dauerfrostperioden Erfahrungswerte ge-
sammelt werden. Es hat sich beispielsweise bestätigt,
dass die Selbsträumeigenschaft des Transrapid bei
Schnee greift. Im Hinblick auf das Transrapidprojekt in
München ist geplant, die Magnetschwebebahn in einem
10-Minuten-Takt verkehren zu lassen. Dass sich Eis und
Schnee innerhalb dieser Zeit überhaupt in kritischen
Mengen auf dem Fahrweg ablagern können, ist gerade
aufgrund der oben genannten Selbsträumeigenschaft un-
wahrscheinlich. Das heißt, dass die Erfahrungen, die wir
bisher gemacht haben, die Schlüsse, die Sie vorgetragen
haben, nicht zulassen.
Trotzdem ist es so, dass der Transrapid nach den Aus-
führungsunterlagen natürlich über Umgebungseigen-
schaften verfügen muss, die deutschlandweit gelten.
Dazu zählt, dass ein Fahrbetrieb bei einer Lufttempera-
tur von minus 25 Grad bis plus 40 Grad möglich ist und
dass die Schneehöhe auf dem Fahrwegtisch maximal
zehn Zentimeter betragen darf. Auch hier gibt es also
Hinweise bzw. genaue Festlegungen, was erforderlich
und nötig ist.
Ihre zweite Nachfrage.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie davon ausge-
hen, dass der Transrapid rund um die Uhr im 10-Minu-
ten-Takt fährt? Man kann sich ja nicht darauf verlassen,
dass es nur in den Zeiträumen, in denen er im 10-Minu-
ten-Takt fährt, schneit.
A
Es sind weitere Sicherheitsvorkehrungen eingebaut;
das wissen Sie. So wird zum Beispiel dann, wenn der
Transrapid nicht im 10-Minuten-Rhythmus fährt, zwi-
schendurch gemessen.
Das waren Ihre zwei Nachfragen und die Antworten.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu den Fragen 28 und 29 des Kollegen
Peter Hettlich. Diese werden schriftlich beantwortet.
Auch die Fragen 30 und 31 der Abgeordneten Pau
werden schriftlich beantwortet, da die Fragestellerin im
Moment erkennbar einer anderen Tätigkeit nachgeht.
Damit kommen wir zu den Fragen 32 und 33 des Kol-
legen Jan Mücke. Auch diese Fragen werden schriftlich
beantwortet.1)
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1) Die Antworten lagen bei Redaktionsschluss nicht vor und werden
deshalb zu einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007 9441
)
)
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Damit hat sie nicht ganz unrecht. Es ist kein Geheim-
nis, dass ich dem Parlament in vielen Debatten immer
wieder gesagt habe, dass für die Schieneninfrastruktur
mehr Geld bereitgestellt werden muss. Wir stellen pro
Jahr etwa 3,4 bis 3,5 Milliarden Euro für die Bahn zur
Verfügung. Bei den hohen Ansprüchen, die wir haben
– hier sitzen viele Kolleginnen und Kollegen, die mir
wahrscheinlich schon dazu Briefe geschrieben haben,
welches Bahnprojekt für sie wichtig ist –, und bei den
vielen Notwendigkeiten, die wir sehen, würde ich mir
schon wünschen, dass wir etwas mehr zur Verfügung
hätten. Insofern kann man wirklich nicht alles bei der
Bahn abladen. Ich darf nur daran erinnern, dass wir 2003
im Vermittlungsausschuss der Bahn mehrere Milliarden
Euro weggenommen und das langsam, auch in der Gro-
ßen Koalition, wieder korrigiert haben.
Danke, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Bildung und Forschung. Die Fragen be-
antwortet der Parlamentarische Staatssekretär Thomas
Rachel.
Ich rufe die Frage 35 des Kollegen Dr. Keskin auf:
Welchen Handlungsbedarf erkennt die Bundesregierung
nach dem aktuellen Bericht des UN-Bildungsexperten Vernor
Muñoz für den strukturellen Aufbau des deutschen Schulsys-
tems?
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ach unserer verfassungsmäßigen Ordnung ist das
echt auf Bildung gewährleistet. Die Verantwortung für
ie Umsetzung im Bereich der Schulen tragen allerdings
ie Länder. Gegenwärtig werden in den Ländern unter-
chiedliche Konzepte zur Weiterentwicklung einzelner
chulformen diskutiert, die darauf abzielen, ein Höchst-
aß an Mobilität, aber auch an Förderung für den ein-
elnen Schüler zu erreichen.
Herr Kollege, Sie haben eine Nachfrage.
Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
eider kann ich Ihre Bewertung nicht so ohne Weiteres
innehmen. Wie Sie wissen, sagt das nicht nur Herr
uñoz, sondern es wird auch durch eine Reihe von
ISA-Studien mit aller Deutlichkeit belegt, dass das
eutsche Bildungssystem im internationalen Vergleich
anz erhebliche Qualitätsdefizite aufweist.
Insbesondere Schüler aus sozial benachteiligten Fa-
ilien bleiben im Bildungssystem hinsichtlich der Bil-
ungschancen leider auf der Strecke. Ich möchte Sie also
och einmal ganz konkret fragen: Mit welchen Maßnah-
en will die Bundesregierung die Bildungschancen von
chülern aus sozial benachteiligten Familien verbessern
elfen?
T
Herr Kollege, die Frage der Zuständigkeit für die
chulpolitik ist nach der Föderalismusreform noch ein-
al präzise beantwortet worden. Sie liegt ausschließlich
ei den Bundesländern. Insofern liegen auch die Verän-
erungen im Schulsystem selber in der Zuständigkeit der
undesländer. Diese Fragen sind also dort zu beantwor-
en.
Die nächste Nachfrage hat der Kollege Tauss.
Metadaten/Kopzeile:
9442 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatssekretär, ungeachtet dessen, dass es in die-
sem Bildungssystem natürlich Defizite gibt – das wollen
wir ja gar nicht schönreden –, habe ich an dieser Stelle
die Frage: Können Sie mir bestätigen, dass die Bundes-
regierung vorhat – das hat sie ja wohl vor –, das sehr er-
folgreiche Ganztagsschulprogramm im Umfang von
4 Milliarden Euro fortzuführen, was wir in der Koalition
festgeschrieben haben? Die Schaffung von Ganztags-
schulen war ja eine Antwort auf die PISA-Studien. Die
zweite Antwort gibt die gegenwärtige konkrete Debatte
über die Betreuung, die wir nicht als Betreuung, sondern
als frühkindliche Bildung ansehen sollten. So könnten
genau die hier beklagten sozialen Defizite ausgeglichen
werden.
Meine Frage lautet also: Können Sie bestätigen, dass
diese erfolgreichen Programme der Bundesregierung
nicht nur fortgeführt, sondern, wie die aktuellen Debat-
ten zeigen, auch neu aufgegriffen werden?
T
Lieber Herr Kollege Tauss, es fällt mir recht leicht,
Ihnen genau dies zu bestätigen.
Unabhängig von der originären Zuständigkeit für die
Schulen bei den Ländern haben die Große Koalition und
die Bundesregierung beschlossen, das bisherige Ganz-
tagsschulprogramm, das vor Vollzug der Föderalismus-
reform beschlossen wurde, auszubauen und bis zum Jahr
2009 fortzusetzen. Mit erheblichen Mitteln werden Bau-
investitionen in verschiedenen Teilen Deutschlands getä-
tigt, mit dem Ziel, dort, wo ein Bedarf dafür besteht,
weil dies aus unterschiedlichen Gründen – aus familiä-
ren Gründen oder aufgrund einer Berufstätigkeit beider
Elternteile – den Familien nicht möglich ist, Kindern
auch am Nachmittag eine individuelle Förderung zu bie-
ten.
Eine andere Frage, die den Bereich des Familien-
ministeriums betrifft, ist die frühkindliche Förderung.
Hier besteht die bildungspolitische Einschätzung – diese
teilt das Bundesbildungs- und Forschungsministerium –,
dass die Kindergartenzeit und auch die frühkindliche Be-
treuung sehr wohl genutzt werden können und auch soll-
ten, nicht nur die wichtige Phase des Spielens zu ermög-
lichen – diese hat weiterhin ihren Stellenwert –, sondern
auch Elemente der frühkindlichen Bildung zu integrie-
ren.
Insofern müssen wir einen fließenden Übergang vom
Kindergarten in die Schule gewährleisten.
Der Kollege Keskin hat eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich möchte Sie nicht so verstan-
den haben, dass die Bundesregierung im Bildungsbe-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007 9443
)
)
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9444 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
)
)
Zu der zweiten Frage darf ich Ihnen sagen: Nach der
Lohnentwicklung hätte es in den alten Bundesländern
eine Anhebung der Renten um 0,54 Prozent geben müs-
sen, während es in den neuen Bundesländern nach der
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Eine Nachfrage der Kollegin Bellmann. Bitte schön.
Herr Staatssekretär, Sie haben eben deutlich darge-
egt, dass die Lohnentwicklung in Ost und West immer
och unterschiedlich ist und die durchschnittlichen Brut-
olöhne in Ostdeutschland bei 75 Prozent der westdeut-
chen Bruttolöhne liegen. Meine Nachfrage bezieht sich
uf die aktuelle Diskussion zu dem Thema gesetzliche
indestlöhne. Müsste diese unterschiedliche Entwick-
ung Ihrer Meinung nach Auswirkungen auf die Festle-
ung möglicher gesetzlicher Mindestlöhne haben?
G
Das hat mit den gesetzlichen Mindestlöhnen über-
aupt nichts zu tun, Frau Kollegin.
Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, in Anbetracht der Tatsache, dass,ie ich lese, die Produktivitätsentwicklung inzwischenn Ostdeutschland höher ist als die in Westdeutschland,üssten eigentlich auch die Löhne in Ostdeutschlandtärker gestiegen sein. Deshalb müsste die Entwicklung,ie Sie hier vorgestellt haben, zumindest für die kom-enden Jahre umgekehrt sein. Ich hoffe, dass dem so ist.Meine Frage ist aber eine andere. Sie haben die ganzeeit über die Rentenhöhe gesprochen. Die Frage bezogich aber auf das Einkommen im Alter. Sie haben selberarauf hingewiesen, dass sich das Einkommen im Alterus verschiedenen Quellen speist. Könnten Sie sagen, obie Bundesregierung irgendeinen Plan oder ein Konzeptat,
ie Gesamteinkünfte im Alter, nicht nur die Renten, sonzugleichen, dass die Menschen im Osten wenigstens
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007 9445
)
)
Dr. Ilja Seifertdie Chance haben, gleiche Lebensverhältnisse wie dieMenschen im Westen zu haben?G
Herr Abgeordneter Seifert, die Bundesregierung hat
sehr umfassende Konzepte in den letzten Jahren durch-
gesetzt, um mehrere Säulen in der Altersversorgung zu
entwickeln und zu fördern. Ich habe zunächst auf die
Frage der Abgeordneten Enkelmann hin dargelegt, dass
es für die Alterseinkünfte verschiedene Quellen gibt.
Wir haben gegenwärtig die Situation, dass in den neuen
Bundesländern 99 Prozent der Männer bzw. Frauen über
65 eine gesetzliche Rente bekommen, während es in den
alten Bundesländern ein deutlich geringerer Prozentsatz
ist, weil hier über viele Jahre auch andere Versorgungs-
systeme entwickelt worden sind.
– Ich war noch dabei, die Frage von Herrn Seifert zu be-
antworten.
Ich nehme an, Sie beantworten die Frage weiter.
G
Das darf ich weiter tun.
Wie Sie sich erinnern, haben wir vor zwei Legislatur-
perioden umfassende Konzepte entwickelt, um die be-
triebliche Altersversorgung voranzubringen. Wir haben
die Rente bzw. die Altersversorgung so umgebaut, dass
eine auf einem Kapitalstock basierende zusätzliche
Säule eingeführt wurde, die sogenannte Riesterrente.
Das alles sind Angebote, die in Ost und West gleicher-
maßen gelten. Sie können in den nächsten Jahren natür-
lich aufgebaut und entwickelt werden.
Herr Seifert, Sie haben selbstverständlich recht: Die
Produktivität in Ost und West bzw. in Nord und Süd
kann sich sehr unterschiedlich entwickeln. Für die Ren-
tenentwicklung ist aber die Entwicklung der Löhne maß-
geblich. Die Lohnentwicklung ist eine Angelegenheit
der Tarifvertragsparteien. Da mischt sich die Bundesre-
gierung gegenwärtig nicht ein. Wir halten es für ziemlich
wichtig, dass die Lohnfindung Angelegenheit der Tarif-
vertragsparteien ist.
Wir kommen jetzt zur Frage 39 des Kollegen Dr. Ilja
Seifert:
Welche Auswirkungen hat aus Sicht der Bundesregierung
die Auflösung bzw. Regionalisierung der Vermittlungsstelle
für schwerbehinderte Akademiker bei der Zentralstelle für Ar-
schwerbehinderte Akademikerinnen und Akademiker?
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Eine zweite Nachfrage, Herr Dr. Seifert. Bitte schön.
Da es jedem selbst überlassen ist, zu glauben, will ichas nicht kommentieren.Tatsache ist doch, dass die Vermittlung behinderterenschen in den ersten Arbeitsmarkt im Zusammen-ang mit den Argen und im Zusammenhang mit anderenmstrukturierungen, die beim Übergang von der Bun-esanstalt für Arbeit zur Bundesagentur für Arbeit vor-unehmen waren, ohnehin bereits jetzt wesentlich
Metadaten/Kopzeile:
9446 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
)
)
Dr. Ilja Seifertschwieriger geworden ist, weil die entsprechenden Fach-kräfte vor Ort nicht mehr bzw. gar nicht vorhandenwaren. Woraus schöpfen Sie Ihre Hoffnung, dass die ent-sprechenden Fachleute in Zukunft überall und in ausrei-chender Anzahl vorhanden sind?G
Herr Seifert, erstens teile ich Ihre Einschätzung, die in
der Vorbemerkung zu Ihrer Frage enthalten war, nicht.
Zweitens muss ich Ihnen sagen: Ich glaube, dass eine
qualifizierte ortsnahe Kundenbetreuung eine vernünfti-
gere Lösung ist. Die Bundesagentur hat sich für diese
Lösung entschieden. Es wird noch koordinierende strate-
gische Aufgaben geben, die bei der ZAV verbleiben. Ich
denke, dass eine entsprechende Vermittlung ansonsten
genauso möglich ist.
Sie können mich ja einmal fragen, wie erfolgreich die
ZAV bei der Vermittlung dieses Personenkreises eigent-
lich gewesen ist. Wenn Sie der Meinung sind: „Die Mit-
arbeiter vor Ort können das gar nicht“, dann bin ich
gerne bereit, mich mit Ihnen auch darüber auseinander-
zusetzen, inwieweit die ZAV das konnte und welche Er-
folge hier erzielt wurden.
Das haben Sie mich aber nicht gefragt. Deswegen ant-
worte ich jetzt auch nicht in die Richtung.
Leider hat der Kollege Seifert auch keine weitere
Nachfragemöglichkeit; das ist jetzt ganz schlecht.
Wir kommen zur Frage 40 der Kollegin Veronika
Bellmann:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung da-
rüber vor, welche EU-Länder Mindestlohnregelungen einge-
führt haben und gleichzeitig über einen annähernd mit der
Bundesrepublik Deutschland vergleichbar geregelten Arbeits-
markt – wie zum Beispiel die vielen Schutzvorschriften für
Arbeitnehmer, Stichwort „Kündigungsschutzrecht“ – verfü-
gen?
G
Frau Bellmann, 20 von 27 Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union verfügen über allgemeine Mindestlohn-
regelungen. Von diesen Mitgliedstaaten haben zumindest
Frankreich, Belgien, die Niederlande, Spanien, Portugal
und Griechenland im Hinblick auf das Kündigungs-
schutzrecht einen im Wesentlichen vergleichbar geregel-
ten Arbeitsmarkt. Weitere fünf Mitgliedstaaten der Euro-
päischen Union verfügen über Mindestlohnregelungen,
die über Tarifkonstruktionen oder über gleichgestellte
Regelungen entwickelt worden sind. Von daher muss
man festhalten, dass nur die Bundesrepublik Deutsch-
land und Zypern keine Mindestlohnregelung haben.
Frau Bellmann, Sie haben eine Nachfrage.
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rau Kollegin Bellmann, ich kann Ihnen das gegenwär-
ig nicht beantworten, weil Sie zu Kombilohnregelungen
nd anderen Dingen nicht gefragt haben.
Sie haben zu Mindestlohnregelungen und zum Kündi-
ungsschutz gefragt. Ich möchte Ihnen dazu antworten:
s gibt in den Ländern keinen Zusammenhang zwischen
indestlohn und Kündigungsschutz. Sie können sogar
eststellen, dass Länder wie Großbritannien, die erst
ürzlich einen Mindestlohn eingeführt haben,
amit außerordentlich erfolgreich waren und einen Auf-
au von Beschäftigung verzeichnen. Das alles, muss ich
agen, finde ich ziemlich gut.
Herr Staatssekretär, danach habe ich nicht gefragt. Ich
abe gefragt, ob Ihnen da Kombilohnmodelle bekannt
ind. Sie haben gesagt, Sie könnten das nicht beantwor-
en. Deshalb bitte ich um schriftliche Beantwortung die-
er Nachfrage.
Frau Präsidentin, wenn es erlaubt ist, möchte ich
eine zweite Nachfrage in diesem Zusammenhang an-
chließen. – Wir haben kürzlich im EU-Ausschuss die
orlage des Grünbuchs zum Arbeitsrecht diskutiert. Ich
öchte wissen, inwiefern sich da die Bundesregierung
inbringt. Hauptaugenmerk beim Grünbuch ist nicht nur
as Arbeitsschutzrecht, sondern auch die Harmonisie-
ung von Arbeitsmarktregeln – dazu würde ja auch der
indestlohn zählen – auf EU-Ebene allgemein.
Herr Staatssekretär.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007 9447
)
)
G
Ich will zunächst festhalten: Die Bundesregierung hat
das Grünbuch ganz ausführlich beantwortet. Die Euro-
päische Kommission hat in 13 verschiedenen Fragestel-
lungen ganz unterschiedliche Tatbestände gefragt. Ich
weiß aus den europäischen Räten selbstverständlich,
dass es bei Diskussionen über das Thema „gute Arbeit“
auch um die Frage geht, wie eine Arbeit entlohnt wird.
Eine Arbeit, die schlecht oder ausbeuterisch entlohnt
wird, kann man nicht unbedingt als eine gute Arbeit be-
zeichnen.
Wir haben uns als Bundesregierung bemüht, in der
Beantwortung des Grünbuchs die Positionen aufzuneh-
men, auf die wir uns als Bundesregierung verständigen
konnten. Ich finde, das ist eine ziemlich kompetente und
gute Beantwortung des Grünbuchs geworden.
Damit kommen wir zur Frage 41 des Kollegen Volker
Bestehen nach Auffassung der Bundesregierung neben
den Lohnverhandlungen der Tarifparteien darüber hinaus an-
dere Möglichkeiten, eine schnellere Angleichung des Lohn-
niveaus der neuen Bundesländer, das mit 0,49 Prozent deut-
lich hinter demjenigen der alten Bundesländer mit
und, wenn ja, mit welchen Maßnahmen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
G
Herr Abgeordneter Schneider, die Lohnfindung in der
Bundesrepublik obliegt den Tarifparteien. Die Bundesre-
gierung schafft Rahmenbedingungen zur Erhöhung des
Wirtschaftswachstums in den neuen und in den alten
Ländern und mischt sich nicht in die Tarifautonomie ein.
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär, bedeutet dies, dass Sie sich vor
diesem Hintergrund völlig außerstande sehen, in diesem
Punkt in irgendeiner Form etwas für die Angleichung
der Lebensverhältnisse in Ost und West zu tun?
Meine zweite Nachfrage bezieht sich auf etwas, das
Sie eben gesagt haben, was für mich sehr erstaunlich
war. Sie sind der Auffassung, dass die Frage des Min-
destlohns in keiner Weise die Angleichung der Lohn-
niveaus berührt. Wenn ich mathematisch nun nicht ganz
falsch liege, ist es doch so: Wenn sich in einer Grundge-
samtheit von zwei Grundgesamtheiten in den niedrigen
Lohngruppen deutlich mehr Personen befinden als in der
anderen, dann muss ein Mindestlohn zwangsläufig dazu
führen, dass in dieser Grundgesamtheit der Lohn deutli-
cher steigt als in der anderen, in der dieser Anteil niedri-
ger ist.
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Die Frage war, ob man das mit der Einführung einesindestlohns erreicht. Wenn Sie nicht dessen Höhe defi-ieren, kann man eine diesbezügliche Aussage nichtreffen.Die Frage stand auch im Zusammenhang mit der Ent-icklung des Rentenniveaus. Die Frage von Frauellmann ging ja dahin, ob sozusagen die Einführung ei-es Mindestlohns dazu führt, dass das Rentenniveauteigt. Auch das hängt von der Höhe eines solchen Min-estlohns ab. Das ist doch logisch, nachdem Sie michchon auf Logik angesprochen haben.
Zur ersten Frage kann ich noch einmal, wie ich eschon bei den Fragen zur Rente getan habe, sagen, dasss kräftige Anstrengungen gegeben hat, das Lebensni-eau in beiden Teilen Deutschlands stärker anzuglei-hen. Ich finde auch, dass wir da in den letzten 17 Jahrenolle Erfolge erreicht haben. Es gibt noch Nachholbe-arf; das ist schon wahr. Dieser Nachholbedarf hängtber im Wesentlichen mit Entlohnungsfragen zusam-en. Bezüglich der Strukturfragen und anderer Dingeehmen die staatlichen Ebenen ihre Verantwortungahr.Dass es natürlich, um das Beispiel noch einmal aufzu-reifen, in den neuen Bundesländern eine geringer aus-eprägte private Altersvorsorge als in den alten Bundes-ändern gibt, ist eine selbstverständliche Binsenweisheit;enn in den alten Ländern konnte man ja schon viel frü-er dafür sorgen. Indem wir aber in den letzten Jahrenie gesetzlichen Bedingungen geändert haben und neueöglichkeiten, die Sie nur zu genau kennen, für die be-riebliche Altersvorsorge und für den Aufbau privaterltersvorsorge – hier gibt es verschiedene staatliche För-ermodelle – geschaffen haben und darüber hinaus auchn den kommenden Jahren eine zusätzliche Kinderkom-onente einführen werden – das ist im Koalitionsvertragestgelegt –, unternehmen wir eine Menge Anstrengun-en, die es den Leuten ermöglichen, dies Schritt fürchritt zu tun.Eine Angleichung erreichen Sie nur, wenn das Lohn-iveau auf beiden Seiten 100 Prozent aufweist. Damitomme ich auf Ihre Ausgangsfrage zurück: Da wir deruffassung sind, dass das Aufgabe der Tarifvertragspar-eien ist, sind diese hier entsprechend gefordert.
Metadaten/Kopzeile:
9448 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
)
)
Das waren jetzt die zwei Antworten auf die zwei
Nachfragen. Bevor wir zur Frage 42 kommen, hat die
Kollegin Bellmann eine Nachfrage.
He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In meiner
Frage zu den Mindestlöhnen hatte ich nicht auf das Ren-
tenniveau Bezug genommen, sondern gefragt, ob bei ei-
ner Entscheidung für allgemeine gesetzliche Mindest-
löhne diese Ihrer Meinung nach in Ost und West eine
unterschiedliche Höhe aufweisen sollten.
Meine Frage aber ist folgende: Sie haben eben sehr
deutlich gesagt, dass die Lohnfindung in der Bundesre-
publik den Tarifvertragsparteien obliegt. Schließt diese
Aussage die Einführung von allgemeinen gesetzlichen
Mindestlöhnen aus?
Bitte, Herr Staatssekretär.
G
Diese schließt erst einmal überhaupt nichts aus. Man
könnte sich ja vorstellen, gesetzliche Mindestlöhne als
sogenannte Einkommensuntergrenze einzuführen, unter
der gar nichts geht, und darüber hinaus Mindestlohnre-
gelungen beispielsweise über Entsendegesetze den Tarif-
vertragsparteien zu überantworten. Die Tarifvertragspar-
teien könnten sich in Verhandlungen für bestimmte
Branchen auf einen Mindestlohn verständigen und die-
sen, wie es jetzt beispielsweise im Gebäudereinigungs-
handwerk gemacht wird, über das Entsendegesetz für
allgemeinverbindlich erklären. Das ist in sich überhaupt
kein Widerspruch.
Danke. – Zu einer weiteren Nachfrage hat der Kollege
Grund das Wort.
Vielen Dank. – Dummerweise bezieht sich meine
Nachfrage auf die Nachfrage meiner Kollegin Bellmann.
Frau Bellmann hat nach einem allgemeinen gesetzlichen
Mindestlohn, nicht nach einem tarif- bzw. branchenspe-
zifischen Mindestlohn gefragt. Schließt Ihre Aussage
„Tarifentlohnung ist Sache der Tarifparteien“ die Ein-
führung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns
aus?
G
Nein. Ich habe doch versucht, das zu erklären. Sie
können beides machen. Es ist beides möglich.
Danke, Herr Staatssekretär.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007 9449
)
)
Weder das eine noch das andere trifft zu.
Ich habe jetzt eine Frage mit einem einfachen Nein
beantwortet. Ich könnte das zwar noch etwas genauer
ausführen, aber ich denke, zu der knappen Frage passt
diese knappe Antwort.
Es steht Ihnen frei, welchen Umfang Sie zur Beant-
wortung der Frage wählen.
Wir kommen jetzt zur Frage 43 des Abgeordneten
Kai Gehring:
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache – auch an-
gesichts der Vorbildfunktion öffentlicher Einrichtungen –,
dass sie einerseits durch die Schirmherrschaft des Bundesmi-
nisters für Arbeit und Soziales, Franz Müntefering, bei der Ini-
tiative „Fair Company“ eine adäquate Aufwandsentschädi-
Praktikantinnen und Praktikanten innerhalb der Bundesregie-
rung keinerlei Vergütung zahlt ,
und wie gewährleistet die Bundesregierung in ihrer Funktion
als Schirmherrin, dass die Kriterien von „Fair Company“ auch
tatsächlich von den Praktikumsgebern eingehalten werden?
Bitte, Herr Staatssekretär.
G
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales un-
terstützt die Zusammenarbeit der Initiativen „Neue Qua-
lität der Arbeit“ und „Fair Company“; denn der verant-
wortliche Umgang mit Freiheit und sozialer
Verantwortung ist Kennzeichen einer modernen Unter-
nehmensführung. Mitarbeiterorientierung und ein fairer
Umgang mit den Beschäftigten im Unternehmen zahlen
sich aus.
In den Bundesressorts – so auch im BMAS – werden
regelmäßig nur Praktikantinnen und Praktikanten be-
schäftigt, die im Rahmen einer schulischen oder hoch-
schulischen Ausbildung nach den einschlägigen Ausbil-
dungsordnungen vorgeschriebene Praktika absolvieren
müssen. Für die Praktika gelten die rechtlichen Regelun-
gen der jeweiligen Ausbildungs- bzw. Prüfungsordnung.
Unstrittig ist: In diesen Fällen wird ausgebildet und nicht
etwa eine Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.
Über das Ausbildungsverhältnis ist diese Personen-
gruppe auch während der praktischen Ausbildung im So-
zialversicherungssystem erfasst. Eine materielle Ab-
sicherung des Lebensunterhalts erfolgt über den
normalen Unterhalt des oder der Auszubildenden, über
BAföG etc.
Das Engagement für „Fair Company“ ist für das
BMAS aber Anlass, auch innerhalb der Bundesregierung
für das Anliegen der Initiative zu werben und eventuelle
Mehraufwände der Ausbildungspraktikanten künftig
grundsätzlich abzugelten, ohne dabei zu verkennen, dass
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)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007 9451
)
)
Beck zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes werden aufgrund Nr. 2 Abs. 2 unserer Richtlinien
für die Fragestunde schriftlich beantwortet. Das heißt,
dass wir uns den dort erfragten Themen im Laufe der
Sitzungswoche bei anderen Tagesordnungspunkten zu-
wenden.
Damit kommen wir zur Frage 52 des Kollegen
Wolfgang Gehrcke:
Wie bewertet die Bundesregierung die Erklärung des rus-
sischen Außenministers Sergej Lawrow, dem Ahtisaari-Plan
zum künftigen Status des Kosovo nicht zustimmen zu wollen?
Bitte.
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Das ist ein nicht zu beschreibender Skandal. Dies ge-schieht ohne eine Rechtsgrundlage, ohne eine Informa-tion des Parlaments, geschweige denn der Öffentlichkeit.Das ist nicht nur einer der tiefsten Eingriffe in Persön-lichkeitsrechte, sondern es ist auch antidemokratisch,wie dieses Verfahren stattfindet.
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In diesem Tempo machen Sie jetzt mit der berühmtenalamitaktik weiter. Jede Woche wird eine andere si-herheitspolitische Sau durch das Dorf getrieben. Dierage, wofür genau diese Maßnahmen eigentlich not-endig sind, wird von der Bundesregierung nicht beant-ortet. Es findet keine wirkliche Evaluierung statt. Demarlament werden keine stichhaltigen Gründe genannt,ofür die verschiedenen Maßnahmen eigentlich gutind. Wir brauchen eine tatsächliche Evaluierung. Esarf nicht sein, dass das Bundesinnenministerium seinigenes Gesetz evaluiert. Denn dabei käme natürlichüberraschenderweise“ heraus, dass es ein gutes Gesetzst.
Ich will auf eines aufmerksam machen: Was bedeutetigentlich ein stetig steigender Überwachungsdruck fürie Bevölkerung? Er hat zur Folge, dass die Bürgerinnennd Bürger in diesem Land anfangen, sich konform zuerhalten. Das bedeutet, dass sie nicht mehr den aufrech-en Gang gehen, sondern genau darauf achten, was vontaatlicher Seite erwartet wird und wie sie verhindernönnen, in bestimmte Dateien aufgenommen zu werden.ie Folge ist ein Weniger an Demokratie und Freiheit.as ist ein Skandal. Das muss endlich gestoppt werden.eswegen ist die heutige Aktuelle Stunde wichtigerenn je.
Ich glaube, dass wir keinen präventiven Sicherheits-taat, wie er der Bundesregierung vorschwebt, brauchen.elche Auffassung die SPD in dieser Frage vertritt, lässtich überhaupt nicht mehr sagen: Mal gehen ihr die Vor-chläge von Herrn Schäuble zu weit, mal nicht. Herrenneter hat gesagt, dass der Bundesinnenminister dasrößte Sicherheitsrisiko ist;
ch bin gespannt, was Sie uns heute dazu sagen. Dieseosition teile ich ausnahmsweise. Denn die Bürgerinnennd Bürger in diesem Land sind kein potenzielles Si-herheitsrisiko. Wir wollen mündige Staatsbürger.
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Jan KorteWas für ein Gesellschaftsbild steht eigentlich hinter die-ser Einschätzung? Das würde ich gerne von Ihnen wis-sen.Jede Woche kündigen Sie eine neue Maßnahme an,die im Kampf gegen den internationalen Terrorismus Ih-rer Meinung nach notwendig ist; das ist bereits in mehre-ren Debatten deutlich geworden. Hier stellen sich dieFragen: Wann ist die Grenze erreicht? Wann ist Ihr Da-tenhunger eigentlich gestillt? Wie weit wollen Sie ge-hen? Absolute Sicherheit kann es nicht geben,
weder in einem demokratischen Rechtsstaat noch – hiererst recht nicht – in einer Diktatur. Daher müssen wir dieFreiheitsrechte bewahren.Man muss sich darüber im Klaren sein, was gesche-hen soll, wenn alle technischen Möglichkeiten ausge-reizt sind bzw. wenn sie irgendwann nicht mehr greifen,weil sich Terroristen zum Beispiel nicht mehr im Inter-net verabreden, wie es derzeit angeblich der Fall seinsoll, sondern sich im Wald zu einer Besprechung treffen,um dort ihre kriminellen Handlungen zu planen. Wasmachen Sie dann?Es ist an der Zeit, den Marsch in einen Überwa-chungsstaat, wie er Ihnen vorschwebt, auf außerparla-mentarischem und auf parlamentarischem Wege zu stop-pen. Es ist an der Zeit, für eine freie, offene,demokratische und soziale Gesellschaft zu streiten unddiese zu verteidigen. Wir müssen für das eintreten, wasdie Terroristen bekämpfen wollen. Freiheit kann nichtdurch die Einschränkung von Freiheit gesichert werden.Das funktioniert nicht.
Daher sage ich für die Fraktion Die Linke – ich hoffe,viele außerparlamentarischen Akteure der Zivilgesell-schaft schließen sich dem an –: Angesichts der von Ihnengeplanten Maßnahmen, die Sie uns Woche für Wochevorlegen, ist es an der Zeit für eine neue Bürgerrechtsbe-wegung in der Bundesrepublik.Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Bosbach für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Zunächst war ich der Fraktion Die Linke dankbar,dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Ich hattedie Hoffnung, dass diese Debatte am heutigen Nachmit-tag zur Versachlichung der aufgeregten Diskussion derletzten Tage beitragen könnte. Diese Hoffnung habe ichaber schon nach wenigen Sekunden begraben.msfDddümuuSÜdzsW1KnhzgSbiSMmdmimKs„t
Eines muss ich sagen: Es ist bemerkenswert, dass je-and fünf Minuten lang unter Verzicht auf ein einzigesachliches Argument ununterbrochen reden und schimp-en kann.
as ist rhetorisch sicherlich beachtlich, zeigt aber, dassas, was der Bundesinnenminister vorgeschlagen hat,iese Kritik nicht verdient. Maßlos und in jeder Hinsichtberzogen sind nicht die Vorschläge des Bundesinnen-inisters zur Erhöhung der Sicherheit in Deutschlandnd zum Schutz von 82 Millionen Menschen. Maßlosnd überzogen ist einzig die Kritik an Wolfgangchäuble.
Wir wollen keinen Polizeistaat. Wir wollen keinenberwachungsstaat. Ich gebe sofort zu, dass Sie uns,em bürgerlichen Teil dieses Hauses, beim Thema Poli-eistaat, Überwachungsstaat wahrscheinlich überlegenind.
ir sind heilfroh, dass wir auf deutschem Boden vor7 Jahren einen Überwachungsstaat abgeschafft haben.
einer denkt daran, auf deutschem Boden wieder eineneuen Überwachungsstaat zu etablieren.Man darf vor allen Dingen nicht Freiheit und Sicher-eit gegeneinander ausspielen. Es ist geradezu absurd, sou tun, als würden die Menschen besonders viel Freiheitenießen, wenn die Sicherheit besonders gering wäre.
icherheit und Freiheit sind zwei Seiten ein und dersel-en Medaille. Wir möchten zum Schutze aller Menschenn unserem Lande angesichts der Bedrohungslage so vielicherheit wie nötig und so viel Freiheit wie möglich.aß und Mittel bei der Bekämpfung von Terror und Kri-inalität in all ihren Erscheinungsformen wird immeras Markenzeichen dieser Koalition sein und bleiben.
Wie absurd die Debatte der letzten Tage war, kannan doch an den Vorwürfen erkennen, die dem Bundes-nnenminister beim Thema Unschuldsvermutung ge-acht worden sind – so als hätte er vorgeschlagen, beimampf gegen den Terror die Unschuldsvermutung abzu-chaffen. Das ist nicht das, was Wolfgang Schäuble imStern“-Interview gesagt hat; das ist das genaue Gegen-eil.
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Wolfgang BosbachWolfgang Schäuble hat in dem „Stern“-Interview da-rauf hingewiesen, dass man die Unschuldsvermutungdes Strafrechts und des Strafprozessrechts nicht ver-wechseln darf mit den Notwendigkeiten der Präventionund der Gefahrenabwehr.
Er hat das anhand von zwei Beispielen erläutert, diepräzise und richtig waren.Unschuldsvermutung bedeutet: In einem demokrati-schen Rechtsstaat darf niemand als Täter bezeichnetoder behandelt werden, bevor er nicht vom Gericht in ei-nem ordentlichen Verfahren rechtskräftig verurteilt wor-den ist.
Das war so, das ist so, das bleibt so. Unschuldsvermu-tung kann aber nicht bedeuten, dass die Polizei tatenloszusieht, wenn Verbrechen verabredet oder begangenwerden,
und dass sie nicht zum Zwecke der Gefahrenabwehr ein-greift, weil die Verdächtigen, die sogenannten Störer,noch nicht zugeschlagen haben. Das bedeutet Un-schuldsvermutung nicht.
Beispiel Onlinedurchsuchung: Es ist absurd, auch nurannäherungsweise den Eindruck zu erwecken, dieser In-nenminister oder die Koalition planten nun, sich überjede Festplatte jedes Bundesbürgers zu beugen, um mit-lesen zu können, was dort geschrieben wird. Es geht umdie Sicherung sogenannter flüchtiger Beweise. Wir kön-nen heute schon – das ist seit Jahrzehnten die geltendeRechtslage – Computer, Laptops und Festplatten be-schlagnahmen und können die dort gespeicherten Textezum Zwecke der Beweissicherung sichtbar machen. Dasist seit Jahrzehnten das geltende Recht.
Wenn Sie sagen, dass man früher keine PCs beschlag-nahmen konnte, dann haben Sie recht; das gilt allerdingsnur für die Zeiten, als es noch keine PCs gab. Insofern istdas tatsächlich eine neue Eingriffsbefugnis. Wir hattenvor der Erfindung des Telefons übrigens auch nie Tele-fonüberwachungen; da haben Sie völlig recht.Beweise in Papierform müssen Sie schreddern, ver-stecken oder verbrennen, wenn Sie sie vernichten wol-len. Wenn wir heute Beweise haben, die auf einer Fest-platte gespeichert sind, dann liegt zwischen derÜberführung des Täters und dem Kapitulieren vor demVerbrechen ein Mausklick. Ein Mausklick genügt, undsmgdnbsWaLDmjsiWDdImZflrfmcHdDsBla
Es gibt heute hochwirksame Verschlüsselungspro-ramme, die die Ermittlungsbehörden daran hindern,en Text sichtbar zu machen. Es gibt Festplatten, von de-en wir nicht wissen, wo sie stehen, sodass wir sie nichteschlagnahmen und auslesen können. Deswegen müs-en wir die Rechtslage der Bedrohungslage anpassen.ir müssen den Behörden, denen wir unsere Sicherheitnvertrauen, auch die Instrumente geben, die sie in dieage versetzen, Gefahren zu erkennen und abzuwehren.
ass wir dabei die Grenzen des Rechtsstaates beachtenüssen – nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip mussede Maßnahme notwendig und geeignet sein und hatich an den Grundsätzen der Verfassung zu orientieren –,st ganz selbstverständlich.Die innere Sicherheit des Landes ist bei Innenministerolfgang Schäuble in besten Händen.
er Rechtsstaat Bundesrepublik auch.
Für die FDP-Fraktion hat die Kollegin Gisela Piltz
as Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!n der Tat: Unsere Freiheit ist jeden Tag bedroht. Wirüssen uns immer wieder fragen, von wem eigentlich.unächst einmal wird sie von den Terroristen bedroht,ür die Freiheit Teufelszeug ist und die unsere freiheit-ich-demokratischen Werte um alles in der Welt zerstö-en wollen. Sie wird aber auch von Kriminellen bedroht,ür die Freiheit vor allen Dingen bedeutet, Dinge zu tun,it denen sie sich auf Kosten von anderen besserstellen.Die Freiheit kann aber auch durch zu viel Überwa-hung aufgegeben werden. Lieber Herr Schäuble, liebererr Innenminister, man schützt die Freiheit nicht, in-em man sie aufgibt.
as Motto der schwarz-roten Innenpolitik scheint mir zuein: Überwachung ist Freiheit.Werner Maihofer, einer der liberalen Vorgänger imundesinnenministerium, hat es so ausgedrückt: „Abso-ute Sicherheit heißt absolute Unfreiheit.“ Er hat nochngefügt:
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Gisela PiltzAbsolute Freiheit heißt absolute Unsicherheit. Dieliberale Position: die richtige Mitte. Und im Kon-flikte zwischen Sicherheit und Freiheit: in dubiopro libertate. Im Zweifel für die Freiheit.Das ist auch heute noch das Motto der FDP-Bundestags-fraktion.
Nach dem von mir für Sie gesetzten Motto „Überwa-chung ist Freiheit“ sind Ihre Maßnahmen natürlich fol-gerichtig. Viele sind hier schon genannt worden: Vorrats-datenspeicherung, zentraler Onlinezugriff auf Passfotos,Zugriff des Staates auf die Mautdaten, zentrale Speiche-rung der Fingerabdrücke, Onlinedurchsuchung vonComputern, Zugriff auf Bankdaten und Bankkonten,Einsatz der Bundeswehr im Inneren. Ich könnte dieseListe fortführen; dazu reicht die Zeit aber leider nicht.Die SPD hat mit diesen Maßnahmen unter dem Bun-desinnenminister Schily begonnen.
Die SPD hat damit begonnen – mit den Grünen, mussman leider sagen –, die Bürgerrechte auszuhöhlen.
Total unglaubwürdig ist für mich im Moment die Hal-tung der SPD. Nur weil Sie gerade in den Umfragennicht so gut dastehen, haben Sie sich überlegt, die Bür-gerrechte jetzt zum Thema zu machen.
Herr Kollege Wiefelspütz, Sie verkaufen es als Er-folg, dass Fingerabdrücke jetzt doch nicht zentral ge-speichert werden.
– Weder so noch so. – Das war ein Vorschlag in der De-batte, das stand noch in keinem Gesetz. Da Sie noch amgleichen Abend von den Kollegen der CDU zurückge-pfiffen wurden,
war das nicht wirklich erfolgreich.Im Innenausschuss wurde Ihre zweifelhafte Rolle alsinnenpolitischer Sprecher der SPD heute noch deutli-cher. Sie haben behauptet, dass die Onlinedurchsuchungfür Sie erst seit Dezember 2006 ein Thema ist.
Sie vertun sich hinsichtlich Ihrer Rolle. Nur weil Sieüber etwas reden, heißt das noch nicht, dass das auch fürden Rest des Bundestages kein Thema ist.D2t8asdDcwrnlddbwlgddnVBBDdhkuusn
er Rest des Bundestages hat sich schon im Oktober006 mit dem Thema beschäftigt.Ich möchte nur Ihren Kollegen Michael Hartmann zi-ieren, der in der Sitzung des Innenausschusses am. November 2006 gesagt hat: Gut sei, dass nunmehruch die technischen Voraussetzungen für Onlinedurch-uchungen weiterentwickelt würden. Insgesamt stimmeie Fraktion der SPD diesem Paket zu.
as ist die wahre Haltung der SPD zur Onlinedurchsu-hung. Davon kommen Sie jetzt auch so schnell nichtieder herunter.
Sie wollen einen neuen elektronischen Pass einfüh-en, weil er sicherer sein soll. Das sagen Sie. Ich möchteur zu bedenken geben, dass höchstens an 55 Prozent al-er Grenzübergänge überhaupt Lesegeräte stehen, mitenen diese Pässe gelesen werden können. Das heißt,ass das für die Sicherheit in der Regel noch gar nichtsringt. Im Moment ist auch überhaupt noch nicht klar,ie Sie eine Eins-zu-eins-Identifizierung erreichen wol-en, weil es im Innenministerium noch keinen Plan dafüribt, mit welchen Herstellern und welchen Mitteln Sieiese Identifikation sicherstellen wollen. Nach Auskunftes BMI dauert das bis 2012. Das hat mit Sicherheitichts zu tun.Jeder erhält also einen Pass mit biometrischen Daten.on Fachleuten und Datenschützern gibt es erheblicheedenken. Ehrlich gesagt erinnert mich die Aussage derundesregierung an Herrn Blüm: Die Pässe sind sicher.
eshalb wundert es mich doch sehr, dass ausgerechneter Chef des BKA, Herr Ziercke, am Montag bei der An-örung zum Passgesetz seinen eigenen Pass in einerunststoffbeschichteten Hülle mit sich führte
nd dann auch noch sagte, so sei das sicherer.Ich war letzte Woche Montag beim BKA,
nd mir ist gesagt worden, das sei alles sicher. Wenn Sieich keine Hülle kaufen wollen, dann empfehle ich Ih-en, simple Alufolie zu nehmen.
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Gisela PiltzDas hat nämlich ein anderer Sicherheitsexperte auch ge-tan. Meine Damen und Herren, wer öffentlich Sicherheitpredigt, aber heimlich Alufolie kauft, der ist in SachenSicherheit wirklich nicht glaubwürdig.
Wir als FDP-Bundestagsfraktion erwarten vom In-nenminister drei Dinge: moderne und effektive Maßnah-men, die sich nicht gegen die Bürgerinnen und Bürgerrichten. Das bedeutet mehr Personal und mehr fachlichgeschultes Personal. Wir erwarten eine umfassende Eva-luierung der Sicherheitsarchitektur, damit wir wissen,was in Zukunft notwendig ist. Wir erwarten, dass er beiallem, was er tut, die Bürgerrechte und die Verfassungim Auge hat.Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Dieter
Wiefelspütz das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich will Ihnen zunächst einmal einen Beschluss der Gro-ßen Koalition nahebringen, den wir bis jetzt vertraulichbehandelt haben.
– Warten Sie doch einmal ab! – Wir haben beschlossen,
dass die Osterpause für Innenpolitiker der Großen Koali-tion abgeschafft wird, damit wir keine Gelegenheit zuvielfältigen Interviews haben. Das gilt für HerrnSchäuble, für mich und für Herrn Benneter. Ich musseinräumen, Herr Bosbach hat wenig gesagt. Sie warenwahrscheinlich zur Kur.
Auch Herr Veit hat nichts gesagt. Ich meine, wir solltenzur Sacharbeit zurückkehren.Herr Bundesinnenminister, ich will Ihnen sagen: DieSPD-Bundestagsfraktion arbeitet gerne mit Ihnen zu-sammen, aber nur, wenn Sie auch gerne mit uns zusam-msvhsbasdohgSbRd–wwSwdSsdaSnSPtgDMbum
Das ist eine simple Selbstverständlichkeit. Allerdingsätte ich mir gewünscht – Sie haben nicht das Gegenteilesagt, aber es war zumindest missverständlich –, dassie zum Ausdruck gebracht hätten, dass natürlich auchei der Terrorismusbekämpfung strenge rechtsstaatlicheegeln gelten. Es ist ja nicht so, dass man im Bereicher Terrorismusbekämpfung in Deutschland – –
Herr Minister, das ist eine Selbstverständlichkeit, aberir Juristen haben eines gemeinsam: Wir sind Besser-isser; jedenfalls ich bin einer. Das hätte man an diesertelle doch etwas präziser sagen können. Ich denke aber,ir sollten zur Sacharbeit zurückkehren.Ich will auf etwas hinweisen, was ich gerade schonen Kollegen von den Grünen gesagt habe. Herrchäuble, die Stichworte, die gegenwärtig eine Rollepielen und uns beschäftigen, haben fast alle etwas miter Kontinuität der Sicherheitspolitik zu tun, zu der wirls SPD in dieser Bundesregierung stehen.
ie haben fast alle etwas mit Rot-Grün, manchmal auchur etwas mit Rot zu tun. Als Beispiel nenne ich dastichwort Rasterfahndung. Dieses Wort hat der besteräsident des Bundeskriminalamtes, den wir jemals hat-en, Herr Horst Herold, ein Sozialdemokrat, in schwieri-en Zeiten geprägt.
ieses Stichwort spielt auch heute noch eine Rolle.
an muss sich damit auseinandersetzen.Wir sprechen über die Onlinedurchsuchung. Diese istegonnen worden
nter Rot-Grün. Wir haben eine neue Lage, weil wir alleiteinander klüger geworden sind. Sie vielleicht nicht,
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Dr. Dieter Wiefelspützich aber schon. Ich sage, wir haben gegenwärtig nir-gends – auch nicht in Nordrhein-Westfalen, Frau Piltz –eine verfassungskonforme Rechtsgrundlage für Online-durchsuchungen. Ich erwarte von der Bundesregierung,dass es gegenwärtig keine Onlinedurchsuchungen gibt,und zwar in keinem Bereich, weil es keine verfassungs-konforme Grundlage gibt.
Wir werden darüber diskutieren, ob wir das wollen. Ichpersönlich glaube, wir brauchen das. Ich spreche an die-ser Stelle aber nur für mich selbst; denn die SPD-Bun-destagsfraktion hat die Diskussion darüber erst begon-nen.Man wird darüber auch erst dann Entscheidungen fäl-len können, wenn Texte vorliegen, weil es sich um sehrkomplexe juristische Fragen handelt. Der Onlinezugriffauf eine Festplatte ist ein außerordentlich gravierenderGrundrechtseingriff. Wenn überhaupt, ist ein solcherEingriff nur mit dem großen Lauschangriff vergleichbar.Es werden schwerwiegende, wichtige Grenzen einge-baut werden müssen. Das kann man, wenn man es will.Aber mit der Willensbildung werden wir erst beginnen,wenn Texte vorliegen. Dann kann man es beurteilen.Wir haben als Innenpolitiker – salopp gesagt – einegewisse professionelle Deformation. Wir reden sehr vielüber Sicherheit
und manchmal vielleicht, Herr Minister, etwas zu wenigüber Freiheit. Die Ordnung des Grundgesetzes ist eineFreiheitsordnung. Im Zweifel ist die Freiheit – HerrBosbach, vielleicht sind wir hier einer Meinung – nochein bisschen wichtiger als die sehr wichtige Sicherheit.Das kann doch gar nicht anders sein. Im Gegensatz zudem, wofür Sie stehen,
ist unser Kennzeichen die Freiheit. Sie ist das Lebenseli-xier unserer Gesellschaftsordnung. Die ersten 19 Artikeldes Grundgesetzes sind Freiheitsrechte, nicht Sicher-heitsrechte, bei allem Respekt davor, dass Freiheit undSicherheit ständig aufs Neue ausbalanciert werden müs-sen. Hier gibt es allerdings keine ewigen Antworten.Ich bin der Auffassung, dass wir die Sicherheitsarchi-tektur maßvoll weiterentwickeln müssen. Allerdings istdie Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutsch-land kein löchriger Käse. Man wird immer wieder Milli-meterarbeit leisten können. Mehr muss auch nicht sein.Seien Sie mir bitte nicht böse, aber die Wahrscheinlich-keit, dass ein deutscher Bürger Opfer eines terroristi-schen Anschlages wird, ist zum Glück tausendmal gerin-ger als die Wahrscheinlichkeit, dass wir, jeder von uns,in einer Stunde beispielsweise Opfer eines Straßenrau-bes, eines Diebstahls oder eines Betrugsdelikts werden.Wir dürfen die Gewichte an dieser Stelle nicht in unzu-lässiger Weise verschieben und nicht dauernd Sicherheitmit Kampf gegen den Terrorismus identifizieren.rLngHdKIagBnegmwDeDmDrgdkSztGN
Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat
er Kollege Wolfgang Wieland das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeollegen von der Linkspartei, ich bin kein Tennisspieler.ch denke, ich habe im zweiten Semester einigermaßenufgepasst.
Herr Wiefelspütz, ich muss Ihnen nun Folgendes sa-en: Herr Bosbach hat Fairness im Umgang mit demundesinnenminister eingefordert und gesagt, man solleicht maßlos und überzogen reagieren. Schauen wir unsinmal an, was Herr Schäuble zur Unschuldsvermutungesagt hat. Er hat auf die Frage nach der Unschuldsver-utung geantwortet: „Oh, die gilt im Strafrecht.“ Soeit, so richtig. Er meinte natürlich: und sonst nicht.arauf werden wir noch zu sprechen kommen. Dann hatr sie definiert und gesagt:Die Unschuldsvermutung heißt im Kern, dass wirlieber zehn Schuldige nicht bestrafen, als einen Un-schuldigen zu bestrafen.as ist gequirlter Unsinn. Das hat mit der Unschuldsver-utung gar nichts zu tun.
as wäre möglicherweise eine Folge des In-dubio-pro-eo-Grundsatzes. Aber einen Schlüssel von zehn zu einsibt es auch hier nicht. Die Unschuldsvermutung verhin-ert keinerlei Zwangsmaßnahmen: Man kann in U-Haftommen. Die Wohnung kann durchsucht werden.
ie führt nur zu einer Beschleunigung. Herr Bosbach hatu Recht darauf hingewiesen, dass die Unschuldsvermu-ung im Grunde nur bedeutet, dass letztinstanzlich einericht entscheidet, ob jemand unschuldig ist oder nicht.ichts anderes besagt die Unschuldsvermutung.
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Wolfgang WielandWarum sagt nun ein nicht minderbegabter Jurist wieWolfgang Schäuble einen solchen Satz in einem Inter-view? Er will natürlich sagen: Neben dem Feld desStrafrechts haben wir das Feld des Gefahrenabwehrrech-tes und dort gelten die Regeln des Freistilringens. Dortgibt es keinerlei Begrenzungen mehr. Dort gehen wirvom Gefahrenbegriff und vom Störerbegriff weg. Hierdürfen die Sicherheitsbehörden und die Polizei alles. DerBürger steht nackt da und muss sich kontrollieren lassen,muss sich das alles gefallen lassen.
Das soll das Endprodukt sein, auf das dieser Innenminis-ter zusteuert.
Nun ein Wort zur SPD, die seit Montag eine Bürger-rechtspartei ist. So hat es der Parteivorstand beschlossenund was der SPD-Vorstand beschließt, das wird sein.Aber da müssen Sie noch üben, insbesondere der Kol-lege Wiefelspütz. Sich hinsichtlich der Kontinuität aus-gerechnet auf Horst Herold zu berufen, dessen Daten-hunger geradezu sprichwörtlich war, was dazu führte,dass seinerzeit der „Stern“ „SOS. Freiheit in Deutsch-land“ titelte, weil dieser Horst Herold an alle Daten he-ranwollte – an die BfA-Daten und andere – und diesemiteinander verknüpfen wollte und nur mühsam wiedergestoppt werden konnte, ist bedenklich. Das ist ein ganzschlechter Kronzeuge. Das bestärkt uns in unseremMisstrauen, das wir sowieso haben. Wir fragen uns, wel-chen Grad der Härte Sie in Zukunft als Bürgerrechtspar-tei denn haben werden.
– Doch, Herr Edathy, ich habe die Sorge.
Hinsichtlich der Mautdaten hat der Kollege Wiefelspützdas Umfallen schon angekündigt und gesagt, es sei sogarverfassungswidrig, dass sie nicht herangezogen werdendürften.
Hinsichtlich der Onlinedurchsuchungen befürchtenwir, dass es Ihnen nur um eine Rechtsgrundlage geht.Die müsste es natürlich geben, gar keine Frage. Aber wirals Grüne wollen sie gar nicht. Wir sagen: Der Staat darfnicht als Hacker auftreten. Da gibt es eine Grenze, wo erin den Privatbereich eindringt. Der ist klar vom Bundes-verfassungsgericht definiert. Wir wollen diese Methodenicht. Das ist der grundsätzliche Unterschied, und des-wegen lehnen wir diese Art des staatlichen Hackens ab.
Schließlich – das hat Frau Piltz schon gesagt – stelltsich die Frage der biometrischen Daten. Wir hatten amMontag die Anhörung. Niemand, auch nicht HerrZNsw1ndPidEEenDShdsfusDgDDvDnHBfWpWs
a zählen Taten, nicht Worte, meine Damen und Herrenon der neuen Bürgerrechtspartei, dies zu verhindern.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern,r. Wolfgang Schäuble.
Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-ern:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Kollege Wieland, vorab eine Bemerkung:iometrische Pässe hat die Vorgängerregierung einge-ührt.
enn ich es richtig weiß, sind Sie damals Koalitions-artner gewesen.
orüber wir im Augenblick bei der Beratung des Passge-etzes, das schon lange in der parlamentarischen Beratung
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäubleist – das völlig einvernehmlich von der Bundesregierungeingebracht worden ist –, reden, ist, für die biometrischenPässe die notwendige gesetzliche Grundlage nachzulie-fern. Wir befinden uns insofern in einer Kontinuität, alswir eine gesetzliche Grundlage für das schaffen, was Sieeingeführt haben.Aber jetzt zur Sache selbst. Wir reden über ernsteDinge. Die terroristische Bedrohung ist nämlich leiderkeine Kleinigkeit. Wir haben Ende vergangener Wocheden Hinweis der amerikanischen Sicherheitsbehörden anin Deutschland lebende US-Bürger vernommen, beson-ders wachsam zu sein. Unsere Sicherheitsbehörden teilendie Sorge, dass eine konkrete Gefahr besteht. Vor einigenWochen wurden Drohungen gegen die BundesrepublikDeutschland und auch gegen Österreich ausgesprochen,auch im Zusammenhang mit zwei Deutschen, die im Irakentführt worden sind, und im Zusammenhang mit demEngagement vieler, auch vieler Nichtregierungsorganisa-tionen, für die Stabilisierung und den Aufbau Afghanis-tans. Auch das ist keine Kleinigkeit.Wir hatten im vergangenen Jahr das Glück, dass Kof-ferbomben nicht explodiert sind. Die Explosion dieserBomben hätte schweren Schaden anrichten können. DieBriten haben ungefähr zur selben Zeit im vergangenenJahr durch Maßnahmen der elektronischen Wohnraum-überwachung Vorbereitungen für Anschläge gegen eineReihe von Flügen mit Passagierflugzeugen über den At-lantik aufgedeckt, woraufhin diese Anschläge verhindertwerden konnten.Die entscheidende Frage ist nicht die der Wahrschein-lichkeit. Es gilt für uns alle, den freiheitlichen Verfas-sungsstaat mit aller Entschiedenheit zu verteidigen. Derfreiheitliche Verfassungsstaat muss sich dadurch bewäh-ren, dass er in der Gewährleistung der freiheitlichen Ver-fassung das größtmögliche Maß an Sicherheit für dieBürgerinnen und Bürger gewährleistet. Das folgt ausdem staatlichen Gewaltmonopol und aus der Begren-zung von staatlicher Macht durch die Verbürgung der imGrundgesetz verankerten Grundrechte. Das gilt. Darankann es überhaupt keinen Zweifel geben, und das sollteniemand verwischen.
Die technische Entwicklung bringt es mit sich, dasswir uns in einem ständigen Wettbewerb befinden. Das istin der Menschheitsgeschichte übrigens immer so gewe-sen. Meistens sind die Verbrecher den Sicherheitsbehör-den einen Schritt voraus, und die Sicherheitsbehördenhaben ihre Schwierigkeiten. Wolfgang Bosbach hat zuRecht gesagt: Solange es kein Telefon gab, musste mansich mit der Überwachung von Telekommunikationnicht beschäftigen. Genauso ist es mit Onlinedurchsu-chungen.Herr Kollege Wieland, die Wahrheit ist doch: Alle ha-ben lange geglaubt, dass die Grundlagen der Strafpro-zessordnung – ich beziehe mich noch auf den Bereichder Strafverfolgung – sowohl für die Telekommunika-tionsüberwachung als auch, also analog, für Online-durchsuchungen gelten. Die Bundesanwaltschaft hat An-träge gestellt, denen der Ermittlungsrichter beimBdbEvzaghsudclGbarmduBddkWpIwcnwdlmSgüzGobWegca
ine solche Grundlage muss man sorgfältig prüfen. Soiel zum Bereich der Strafverfolgung, in dem das Prin-ip der Unschuldsvermutung gilt.Im Bereich der Gefahrenabwehr – das ist etwas völlignderes – gelten natürlich alle Verfassungsrechte; dortilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Das ist über-aupt keine Frage. Das hat auch niemand infrage ge-tellt. Darüber muss niemand einen anderen belehren,nd diesbezüglich muss niemand Sorge haben.Aber ich will hinzufügen: Es ist das erste Mal, dasser Bund eine originäre Zuständigkeit für die polizeili-he Gefahrenabwehr hat. Unser Grundgesetz sah näm-ich lange Zeit vor, dass die Länder für die polizeilicheefahrenabwehr zuständig sind. Mittlerweile wurde zuresseren Bekämpfung der größten Gefahr, mit der wir esktuell zu tun haben – ich meine den internationalen Ter-orismus –, im Zuge der Grundgesetzänderung im Rah-en der Föderalismusreform I eine Präventivbefugnises Bundeskriminalamtes eingeführt,
nd sie muss gesetzgeberisch umgesetzt werden. Dasundeskriminalamt braucht gesetzliche Instrumente, umiese Gefahrenabwehr nach Recht und Gesetz und aufer Grundlage des Grundgesetzes so durchführen zuönnen, wie es bisher die Länderpolizeien getan haben.Ob das entsprechende Landesgesetz in Nordrhein-estfalen der derzeitigen verfassungsgerichtlichen Über-rüfung standhält oder nicht – der nordrhein-westfälischennenminister ist Mitglied der FDP; ich schätze ihn sehr –,ird man sehen. Natürlich haben die Polizei und die Si-herheitsbehörden in Nordrhein-Westfalen diese Befug-is. Sie brauchen sie auch. Im Zuge der Gesetzgebungerden wir über die Voraussetzungen dieser Befugnisiskutieren, auf welchen verfassungsrechtlichen Grund-agen diese Befugnis beruht und wo ihre Grenzen sind.Wenn es richtig ist, was manche Verfassungsrechtlereinen, nämlich dass Onlinedurchsuchungen auch denchutzbereich von Art. 13 berühren könnten – andere sa-en, Sie berührten nur Art. 2 –, dann lassen Sie uns dochberlegen, ob wir nicht auch Art. 13 entsprechend ergän-en sollten, um eine einwandfreie verfassungsrechtlicherundlage zu haben. Aber zu sagen: „Wir machen eshne Rechtsgrundlage“, ist nicht in Ordnung. Deswegenraucht es Klarheit. Ich bin dafür, dass wir sie schaffen.ir brauchen es, unter klaren Bedingungen; daran kanns gar keinen Zweifel geben.Dann will ich etwas zum „Stern“-Interview hinzufü-en. Herr Kollege Benneter, Sie haben unsere persönli-he Zusammenarbeit vielleicht ein bisschen strapaziert,ber ich bin nicht nachtragend.
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Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble– Gut. – Ich will Ihnen aber doch vorhalten: Da die Län-der die Zuständigkeit für die Gefahrenabwehr haben, istvielleicht interessant, was der Vorsitzende der Konferenzder Innenminister der Bundesländer zu dieser Debattegesagt hat.
Der Berliner Innensenator Körting, SPD, hat gesagt: Esgibt keinen Satz des Bundesinnenministers, den nicht je-der von uns Landesinnenministern unterschreibenkönnte.
– Ja, weil wir im Bereich der Gefahrenabwehr sind.Jetzt mache ich eine letzte Bemerkung. Ich bin einer,der auch austeilen kann. Als Innenminister hält man sichaber ein bisschen zurück; das ist in Ordnung.
Ich werbe aber dafür, dass wir noch etwas bedenken:Erstens. Der Overkill richtet sich selber.Zweitens. Die Menschen erwarten vom freiheitlichenVerfassungsstaat, dass er kein Nachtwächterstaat ist,sondern Sicherheit gewährleisten kann. Wem es ernst da-mit ist, dass das Grundgesetz stabil ist, dass das Grund-gesetz auch die Unterstützung der großen Mehrheit derBevölkerung behält, dass der Extremismus, ob von linksoder von rechts, keine Chance in diesem Land hat, dermuss dafür sorgen, dass das Grundgesetz auch in Zeitender Gefahren die notwendige Sicherheit gewährleistet.
Wer diesem Staat angesichts der Bedrohungen die Mög-lichkeit nehmen würde, auf verfassungsrechtlich ein-wandfreier Grundlage die mögliche Sicherheit zu ge-währleisten – hundertprozentige gibt es nicht –, würdedie Freiheitsordnung unseres Grundgesetzes gefährden,
und das ist mit dem Bundesinnenminister WolfgangSchäuble nicht zu machen.
Das Wort hat der Kollege Ulrich Maurer für die Frak-
tion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! In der Tat, Herr Innenminister, das Thema ver-dient eine ernsthafte Debatte. Die Auseinandersetzungmit dem Fundamentalismus oder mit menschenrechts-verachtenden Systemen aller Art wird nicht mit Torna-dos und nicht mit der Einschränkung von Freiheitsrech-ten gewonnen; sie wird gewonnen oder eben verlorenüs–K––FtergzsStGGVdwdtzmkhhhda„znw–wsewdan
Ihnen widme ich zum Schluss noch 30 Sekunden, Herrollege.
Nicht mehr. Mehr wirklich nicht.
Herr Innenminister, wenn wir der Versuchung erliegen Sie tun das –, die in unserer Verfassung garantiertenreiheitsrechte einzuschränken, die rechtsstaatlich gebo-ne strikte Trennung zwischen Armee, Polizei und Nach-ichtendiensten zu verwischen und zu beseitigen – übri-ens: damit fallen Sie hinter die alte römische Republikurück; da durfte die Armee den Rubikon nicht über-chreiten und nicht in das Staatsgebiet eindringen, wieie vielleicht wissen sollten –, wenn wir uns an interna-ionalen Interventionskriegen beteiligen und damit dieefahr des Terrorismus erhöhen, das heißt: wenn wir dasesicht unserer Gesellschaft und die Gebote unserererfassung beschädigen und infrage stellen, dann wer-en wir unseren Gegnern ähnlicher, und dann werdenir in der westlichen Welt die Auseinandersetzung mitem Fundamentalismus verlieren. Das ist der ernste Hin-ergrund dieser Debatte.
Ich muss gestehen, Herr Kollege Wiefelspütz: Ich wariemlich fassungslos über Ihren Auftritt. Ich habe voreinem geistigen Auge noch einmal all die verbalradi-alen Äußerungen aus den Reihen der SPD vorüberzie-en lassen, die ich in der Sache auch für berechtigt ge-alten habe. Die Menschen, die das gelesen haben undeute diese Debatte verfolgen, werden jeden Glauben anie Wahrhaftigkeit in der Politik verlieren. Was Sie hierbgeliefert haben, war nach dem Knut-Kiesewetter-LiedIch will lieber wieder lieb sein“, nach dem Motto: Michu ändern, das verspreche ich ganz fest. Ich konnte garicht glauben, dass in einen Menschen Ihres Körperge-ichtes so viel Kreide hineinpasst.
Ja, das war doch jetzt eine völlig andere Melodie, alsir die letzten Tage gehört haben.
Dann sagt noch der Innenminister – das müssen Sieich einmal überlegen! –, er sorge nur dafür, dass jetztine gesetzliche Grundlage für das geschaffen werde,as der Innenminister der rot-grünen Regierung schonie ganze Zeit gemacht habe. Das muss man sich einmaluf der Zunge zergehen lassen!Man sollte sich auch überlegen, in welchem Verhält-is das, was Sie, Herr Wiefelspütz, jetzt machen, zu dem
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Ulrich Maurersteht, was Sie davor geäußert haben und was ich, wie ge-sagt, für berechtigt halte. Das geht doch nicht zusam-men.Man muss sich, wie ich glaube, allmählich Sorgen umdas Erbe der Väter und Mütter des Grundgesetzes ma-chen. Wir Linken – ich glaube, wir haben damit recht –stellen immer wieder fest, dass Sie das Sozialstaatsgebotdes Grundgesetzes mit den Gesetzen, die nach dem ver-urteilten Straftäter Dr. Hartz benannt sind, schwer be-schädigen. Wir müssen darüber hinaus leider feststellen,dass Sie, Herr Innenminister – das war der Kern IhrerAussage, auch wenn Sie elegante juristische Zirkel zurUnschuldsvermutung gemacht haben –, eigentlich alleBürgerinnen und Bürger im Rahmen der von Ihnen soge-nannten Gefahrenabwehr unter Generalverdacht stellen.
Sie sollten sich überlegen, welche Wirkungen Sie damitin unserer Bevölkerung auslösen.Das Thema ist zu ernst, als dass es sich für dieses nunbis zum Überdruss geübte Koalitionstheater eignet – ichsage das sehr deutlich –, das folgendermaßen geht:Schäuble provoziert, bekommt den üblichen Beifall alsknallharter Antiterrorkämpfer, die SPD übt sich alsScheinlinke, 150 Prozent werden gefordert, anschlie-ßend erfolgt der Aufruf zur Sachlichkeit, 80 Prozent derForderungen von Schäuble werden durchgesetzt, und an-schließend ist der Koalitionsfriede wieder hergestellt.Auch mit dieser Methode kann man an einer Verfassungherumsägen und herumnagen.
Vor diesem Hintergrund erwähne ich zum Schluss:Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar – wohl-gemerkt kein ehemaliger DDR-Minister, sondern derBundesdatenschutzbeauftragte – hat die Pläne von Bun-desinnenminister Schäuble zur Ausweitung staatlicherÜberwachungsmaßnahmen als maßlos kritisiert. Erfürchte um unseren Rechtsstaat, hat er gesagt.
Die Freiheit gehe Stück für Stück verloren. Das sagt Ih-nen der Bundesdatenschutzbeauftragte! Sie liefern hieraber so eine Vorstellung ab und sagen im Fazit, indemSie an die Ängste unserer Bevölkerung appellieren: ImKampf gegen den Terrorismus, wie Sie ihn nennen, sindviele Dinge erlaubt, die die, die unsere Verfassung ge-macht haben, nie wollten. Das werden wir Ihnen nichtdurchgehen lassen.Ich wiederhole das, was Ihnen unsere Fraktionsvorsit-zenden oft gesagt haben: Jede Beteiligung am Krieg inSüdafghanistan erhöht die Terrorgefahr für unsere Be-völkerung um ein Vielfaches mehr, als Sie an Sicherheit,die Sie mit Ihren Sicherheitsillusionen und -vorstellun-gen hier beschwören, erreichen können.
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ls er sagte, unser Engagement in Afghanistan ver-chärfe die Sicherheitslage in Deutschland. Ich glaube,ir wären eine armselige Demokratie, wenn das Parla-ent seine Entscheidungen darüber, was es für außen-olitisch geboten hält, davon abhängig machen würde,ie Terroristen möglicherweise darauf reagieren. Wirären dann eine armselige Demokratie.
Ich kommentiere das nicht, Herr Maurer.
as ist selbst unter Ihrem Niveau.Wir haben in Deutschland – das muss man, wie ichlaube, in einer solchen Debatte sehr klar sagen – eineut strukturierte und auch eine funktionierende Sicher-eitsarchitektur. Wenn öffentlich der Eindruck entstan-en sein sollte, wir hätten in dem Bereich erheblichenachholbedarf oder würden erst seit wenigen Wochender Monaten über die Herausforderungen des interna-ionalen Terrorismus sprechen, dann müsste man demntgegentreten und schlichtweg sagen: Dieser Eindruckst falsch.
Der Bundesinnenminister hat das Glück, aber viel-eicht auch die Hypothek, dass er einen ausgesprochentarken Vorgänger hatte. Otto Schily hat – insbesonderem Nachgang zum 11. September 2001 – im Großen undanzen die sicherheitspolitischen Hausaufgaben in un-erem Land geleistet. Das meiste ist abgearbeitet. Manann allenfalls das Bestehende punktuell weiterentwi-keln.
as haben wir übrigens auch getan. Die Große Koalitionst innenpolitisch absolut handlungsfähig. Gegenteiligeehauptungen sind schlichtweg falsch.Ich nenne drei Beispiele: Wir haben das Terrorismus-ekämpfungsergänzungsgesetz – übrigens geräuscharm effizient weiterentwickelt. Wir haben die Antiterrorda-ei eingerichtet.
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Sebastian Edathy
Wir haben ein 132-Millionen-Euro-Programm verab-schiedet, damit der Bundesinnenminister in die perso-nelle und materielle Ausstattung der Sicherheitsbehör-den in Deutschland investieren kann. Das ist übrigensder entscheidende Punkt. Wer glaubt, man könnte deninternationalen Terrorismus militärisch bekämpfen,macht meines Erachtens einen gedanklichen Fehler. Wirkönnen ihn nur dann wirksam bekämpfen und aufklären,wenn wir möglichst früh möglichst viel wissen. Dafürbrauchen wir gut ausgestattete Nachrichtendienste, diewir in Deutschland mittlerweile haben. Insofern sind wirhervorragend aufgestellt.
In dieser Debatte ist sicherlich Wachsamkeit gegen-über der Herausforderung notwendig; wir brauchen abernichts weniger als Hysterie und sollten uns davor hüten,ohne Grund auch nur ansatzweise in der BevölkerungBesorgnis zu schüren. Das heißt auch, deutlich zu sagen,dass wir das abstrakte Risiko nicht auf Null reduzierenkönnen. Das ist in einer Demokratie grundsätzlich nichtmöglich. Es kommt darauf an, immer eine vernünftigeBalance zwischen der Wahrnehmung von Sicherheitsbe-langen unseres Landes und dem Schutz von Bürgerrech-ten im Blick zu behalten.
Wir würden den Gegnern der Demokratie bzw. den Ter-roristen geradezu in die Hände spielen, wenn wir anfan-gen würden, Kernelemente unserer freiheitlich-demo-kratischen Grundordnung im Kampf gegen denTerrorismus zur Disposition zu stellen.
Bürgerliche Freiheitsrechte sind nicht verhandelbar.
Das heißt auch, dass man nicht alles machen muss,nur weil es technisch möglich ist. Man sollte das, wastechnisch möglich ist, nur dann machen, wenn es ver-nünftig, zielführend und verhältnismäßig ist. Dazu ge-hört auch die Diskussion über die anstehende Beschluss-fassung zum Passgesetz. Wir halten es in der Koalitionnatürlich für sinnvoll, die Fälschungssicherheit von Rei-sedokumenten zu erhöhen. Wir halten es aber nicht fürsinnvoll – wie manche aus den Reihen der Union mei-nen –, dass die Fingerabdruckdateien bei den Ämterngespeichert werden. Das würde mittelfristig eine flä-chendeckende erkennungsdienstliche Behandlung derGesamtbevölkerung bei unbegrenzter Speicherfrist be-deuten und ist insofern unverhältnismäßig.
Ja, wir wollen sichere Pässe, aber wir wollen auch, dassder Grundsatz gilt: Die Fingerabdrücke gehören denBtgfaghvnIWgroeVstffzkZDhAvaDgbgpkghakt
nsofern ist es nicht unbedingt sinnvoll, wenn alle paarochen eine Änderung des Grundgesetzes vorgeschla-en wird, sei es zum Einsatz der Bundeswehr im Inne-en, zum Umgang mit entführten Passagiermaschinen
der zur Onlinedurchsuchung. Ich glaube, dass uns allenin bisschen mehr Behutsamkeit im Umgang mit dererfassung gut zu Gesicht stehen würde.
Ich denke, eine Konsequenz für die Koalition wirdein, dass wir stärker darauf achten müssen, erst die in-erne Verständigung voranzubringen, bevor an die Öf-entlichkeit gegangen wird. Alles andere führt – wie wireststellen konnten – nicht nur zu internen, sondern auchu öffentlichen Irritationen.Erlauben Sie mir noch eine abschließende Bemer-ung. Wir sprechen in unserem Land gelegentlich vonwangsehen. Das ist immer schwer zu quantifizieren.ie einzige Zwangsehe, die ich bisher kennengelerntabe, ist die Große Koalition.
ber darüber können wir uns nicht beklagen, weil sieon den Wählerinnen und Wählern arrangiert und unsufgezwungen worden ist.
as heißt, wir sind in der Verantwortung, und wir sindewillt, dieser Verantwortung Rechnung zu tragen, umei der Weiterentwicklung der Innenpolitik zu guten Er-ebnissen zu kommen.Aber zur Innenpolitik gehört nicht nur Sicherheits-olitik, sondern auch eine Politik der Demokratiestär-ung und Demokratieweiterentwicklung. Ich fände esut, wenn wir in diesem Hause nicht nur über Sicher-eitspakete sprechen würden, sondern beispielsweiseuch über die Einführung von Elementen direkter Demo-ratie. Für uns als Sozialdemokraten ist in der Innenpoli-ik die Sicherheit, aber auch der Freiheitsgedanke wich-
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Sebastian Edathytig. Wir werden darauf achten, dass Letzteres nicht zusehr in den Hintergrund gerückt wird.Danke schön.
Für die Unionsfraktion hat der Kollege Stephan
Mayer das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Kol-leginnen und Kollegen! Wer die Debatte in den vergan-genen Wochen zum Thema innere Sicherheit in Deutsch-land verfolgt hat, dem wurde in der österlichen Zeit einparadoxes Schauspiel präsentiert. Da wurde unseremBundesinnenminister, der kraft Amtes zuvorderst dieAufgabe hat, die innere Sicherheit in Deutschland zu ge-währleisten, vorgeworfen, er sei ein Sicherheitsrisiko, ersei ein Überzeugungstäter, er sei ein eifriger Kämpfergegen die Verfassung, und er würde einen Kontroll- undÜberwachungsstaat propagieren.
Abgesehen davon, dass die Wortwahl in der Debatteinsbesondere vonseiten der Opposition
mittlerweile ein Ausmaß erreicht hat, das unangemessenund falsch ist, ist diese Wortwahl beleidigend und viel-fach unerträglich.
Ich bin der Meinung, dass diese Streitkultur der Demo-kratie in der Bundesrepublik Deutschland nicht dienlichist.Die Hysterie und die Angst werden nicht vom Bun-desinnenminister geschürt. Sie wurden vielmehr leiderGottes von vielen Vertretern der Opposition und insbe-sondere auch von vielen Teilen der SPD in den vergan-genen Tagen und Wochen geschürt.
Die Bevölkerung in Deutschland ist verunsichert wor-den. Deutschland war, ist und wird kein „präventiver Si-cherheitsstaat“ und schon gar kein „Überwachungs- undKontrollstaat“. Auch die 82 Millionen Bundesbürgerwerden keineswegs einem Generalverdacht ausgesetzt.
Wie sieht denn dieser „Überwachungs- und Kontroll-staat“ tatsächlich aus? Mit 99-prozentiger Wahrschein-lichkeit kann ein rechtschaffener und unbescholtenerBürger davon ausgehen, dass er niemals Gegenstand ei-ne5twAdcAwPdabDifdFnzadbwgvOnvrdMtwwwrVgkszar
Im Jahr 2005 beispielsweise ist bei insgesamtMillionen Ermittlungsverfahren die Telekommunika-ionsüberwachung gerade einmal 5 000-mal angeordnetorden. Das entspricht einem Anteil von 1 Promille. Dienzahl der akustischen Wohnraumüberwachungen ten-iert mittlerweile infolge der sehr restriktiven Rechtspre-hung des Bundesverfassungsgerichts gegen null.Zum Passgesetz ist schon einiges ausgeführt worden.uch hier möchte ich noch einmal deutlich machen, umas es tatsächlich geht. Wenn in der Vergangenheit einersonalausweis beantragt wurde, mussten zwei Passbil-er abgegeben werden. Das eine war für den Personal-usweis vorgesehen, und das andere wurde dezentraleim zuständigen Einwohnermeldeamt hinterlegt.
amit konnte die Identität des Personalausweisinhabersm Zweifelsfall geklärt werden.Nichts anderes fordern wir vonseiten der Union jetztür den digitalen Fingerabdruck, den es ab Novemberieses Jahres in Deutschland geben wird. Der digitaleingerabdruck soll zum einen auf dem Chip des Perso-alausweises gespeichert werden und zum anderen de-entral beim jeweils zuständigen Einwohnermeldeamtls „Doppel“ hinterlegt werden, um nach den Vorgabenes Passgesetzes die Identität des Personalausweisinha-ers im Zweifelsfall klären zu können.Natürlich haben die Bürger kein Verständnis dafür,enn diese digitalen Fingerabdrücke im Ernstfall – eseht wirklich nur um sehr wenige Ausnahmefälle – nichterwendet werden würden, um zum Beispiel einen amrt eines Kapitalverbrechens, eines Totschlages oder ei-es Sexualdeliktes entdeckten Fingerabdrucks mit denorhandenen Datensätzen in einem eng umgrenzten Be-eich zu vergleichen. Die Bürger haben kein Verständnisafür, dass sich der Staat teilweise bewusst dumm stellt.Das gilt auch für die Nutzung von Daten der Lkw-aut in Einzelfällen. Es gab vor zwei Jahren den drama-ischen Fall in Baden-Württemberg, dass ein Parkplatz-ächter vorsätzlich von einem Lkw-Fahrer überfahrenurde. Dieser Fahrer konnte leider Gottes nicht ermittelterden, weil auf die Datensätze der Lkw-Maut nicht zu-ückgegriffen werden konnte. Der Bürger hat dafür keinerständnis.
Zum demokratischen Verfassungsstaat ist schon eini-es gesagt worden. Die Union ist zuvorderst ein Vor-ämpfer dafür, dass unsere Grundrechte – das sind diechon erwähnten Rechte in Art. 1 bis 19 des Grundgeset-es – geschützt und gewahrt werden. Uns muss aberuch eines klar sein: Die besten Freiheits- und Grund-echte, die wir in Deutschland haben – ich nenne bei-
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Stephan Mayer
spielsweise Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheitund Vereinigungsfreiheit –, sind nichts wert, wenn dieBürger nicht mehr in Sicherheit leben können. Es gehtjetzt darum, dass wir unsere Sicherheitsarchitektur fürdie Zukunft so gestalten, dass sie den derzeit an sie ge-stellten Anforderungen auch gerecht wird.
Kein vernünftiger Bürger wird doch der Polizei zumu-ten, einen Schwerverbrecher mit einem 75-PS-Kleinwa-gen verfolgen zu müssen. Um das Gleiche geht es beiden wichtigen Themen der Onlinedurchsuchung vonPCs, der Rasterfahndung und der Nutzung des Richter-bandes.Ich würde mir sehr wünschen, dass wir in Bälde wie-der zu einer sachlichen, unaufgeregten und vor allemnicht beleidigenden Diskussion zurückkommen. Ich binder Meinung, dass wir die nächsten Tage nutzen sollten,um die vom Bundesinnenminister gemachten Vorschlägeauf ihre Praktikabilität zu überprüfen und über sie zu dis-kutieren. In diesem Sinne sollten wir alle etwas mehrZurückhaltung wahren.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Klaus Uwe Benneter für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Anlass dieser Debatte ist die Tatsache, dass KollegeSchäuble die nachrichtenarme Zeit dazu genutzt hat, unsein amerikanisches Prinzip vorzuführen, ein Prinzip, dasin der „Frankfurter Rundschau“ als „Deniability“ be-schrieben wird. Das ist ein Prinzip der Abstreitbarkeit.Dies ist dort so beschrieben: Dies ist die – ich darfzitieren –Möglichkeit, sich jederzeit von den eigenen Aussa-gen distanzieren zu können, ohne dabei das Gesichtzu verlieren. Die Kunst ist es, entschlossen zu klin-gen, in der Sache aber diffus zu bleiben.Das ist Ihre Methode, Herr Kollege Schäuble; so jeden-falls habe ich Sie verstanden.Kollege Mayer hat gesagt, Sie hätten Vorschläge ge-macht. Nicht ein Vorschlag war zu hören. Das warenSchlagwörter, Überschriften.
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ir müssten sie alle abschaffen, um Ihrem Vorschlag zuolgen, Herr Kollege Wiefelspütz –, um Überschriften zuetzen und den Eindruck zu erwecken, wir hätten in Sa-hen Rasterfahndung, Mautdaten, Onlinedurchsuchungnd großer Lauschangriff Nachholbedarf, dann gehenie, Herr Kollege Schäuble, als derjenige für die Sicher-eit zuständige Minister meiner Meinung nach fehl. Einür die Sicherheit zuständiger Minister darf die terroristi-chen Gefahren nicht überbetonen. Er muss ein Gleich-ewicht herstellen, wenn es darum geht, auch die ande-en Kriminalitätsgefahren, die Alltagskriminalität, dieandenkriminalität, den Menschenhandel usw., im Augeu behalten. Kollege Wiefelspütz hat zu Recht daraufingewiesen, dass für jeden von uns die Gefahr, Opferon Alltagskriminalität zu werden,
ehr viel größer ist als die Gefahr, Opfer von Terroraktenu werden.
Wieso denn? Bei Herrn Körting ging es lediglich umie Frage der Unschuldsvermutung. Wir können uns da-um streiten, ob dieses Thema im ersten oder im zweitenemester behandelt wird.
Ich habe ein Interview von Herrn Körting gelesen, inem er sich sehr wohl von dem abgesetzt hat, was Herrchäuble in Überschriften und in Schlagwörtern alsachholbedarf skizziert hat.Ich bitte darum, einmal zur Kenntnis zu nehmen, dassir eine funktionierende Sicherheitsarchitektur haben.err Kollege Schäuble, Sie selber haben es doch be-chrieben: Die Warnungen in der letzten Woche und diechnelle Aufklärung im Zusammenhang mit den Koffer-ombenattentätern im letzten Jahr, all dies ist darauf zu-ückzuführen, dass wir eine Sicherheitsarchitektur ge-chaffen haben, die wirkt und funktioniert.
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Klaus Uwe BenneterIch darf daran erinnern: Wir haben den Straftatbe-stand der terroristischen Vereinigung auf Auslandsverei-nigungen ausgedehnt. Wir haben die Möglichkeiten derAbschöpfung von Verbrechensgewinnen der terroristi-schen Vereinigungen erweitert und den Strafrahmen fürUnterstützer erhöht. Im Zusammenhang mit der Terro-rismusfinanzierung haben wir den Vortatenkatalog beider Geldwäsche erweitert, und wir haben die Möglich-keiten zum Einfrieren von Vermögen geschaffen. Wirhaben die Verdachtsanzeigepflicht für die Banken einge-führt. Der automatische Abruf von Kontenstammdatenist heute möglich. Darüber hinaus haben wir neue Aus-kunfts- und Informationsgewinnungsmöglichkeiten fürdie Nachrichtendienste geschaffen. All diese gesetzli-chen Möglichkeiten haben zu den rechtzeitigen Warn-hinweisen beigetragen. Deshalb, denke ich, muss ein fürdie Sicherheit zuständiger Minister immer darauf achten,dass er die Balance hält, auch wenn er von angeblichemNachholbedarf im Sicherheitsbereich spricht.Genau so habe ich das auch beschrieben, Herr Kol-lege. Ich habe Sie – ich bitte Sie, mir das abzunehmen,Sie können das auch nachlesen – nicht einfach als Si-cherheitsrisiko bezeichnet. Ich hatte vielmehr daraufhingewiesen, dass ich es für ein Risiko halte, wenn einfür die Sicherheit zuständiger Minister Terrorgefahrenhier überbetont und somit Terrorangst schürt. Damit, someine ich, verfehlt er seine Aufgabe.Wir verfügen in Sachen Sicherheit über eine gut auf-gestellte Architektur. Wir haben ein offenes und sicheresHaus. Das wollen wir auch behalten. Wir wollen keinenBunker und auch keine Bunkermentalität. Darum ging esmir.
Das Wort hat der Kollege Ralf Göbel für die Unions-
fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Niemand kann etwas dafür, wenn die Kollegen aus derSPD-Fraktion, die Donnerstagabend mit dem Bundes-innenminister über diese Themen gesprochen haben, denKollegen Benneter nicht unterrichten. Offensichtlichhielten sie es auch nicht für notwendig. Deshalb hat HerrBenneter so reagiert, wie er reagiert hat. Es kann einemleidtun, dass die Kommunikation innerhalb der SPDnicht funktioniert.Bei allen Themen, die der Bundesinnenminister ge-nannt hat, besteht Handlungsbedarf. Er ist zum Teildurch gerichtliche Entscheidungen und zum Teil durchdie Entwicklung der Sicherheitslage begründet. Darüberwurde schon gesprochen. Ebenso wurden die Maßnah-men angeführt, deren Einführung angedacht ist.Lieber Kollege Benneter, allein die Tatsache, dass Sieein Informationsdefizit haben, rechtfertigt nicht, dass Sieden Bundesinnenminister als Sicherheitsrisiko bezeich-nen.DEtvvAemDlGglrdarlhngfidacmvWndAmvfciB
as ist eine Wortwahl, die strikt zurückzuweisen ist.
s ist auch keine Begründung dafür, dass Sie fundamen-ale Kenntnisse, über die man in der Rechtswissenschafterfügt, schlichtweg ignorieren. Zum Thema Unschulds-ermutung kann man noch einmal kommen, aber dieussagen, die Sie dazu getroffen haben, sind eigentlichines Menschen, der ein zweites juristisches Staatsexa-en sein Eigen nennt, nicht würdig.Sie haben das Beispiel der Kofferbomben erwähnt.as war kein Problem, das man mit gesetzlichen Rege-ungen hätte lösen können. Hier haben wir verdammteslück gehabt, dass diese Kofferbomben nicht losgegan-en sind. Sonst gäbe es in der Bundesrepublik Deutsch-and eine ganz andere Diskussion, als wir sie heute füh-en.
Der Bundesinnenminister hat die Sicherheitslage, iner wir uns befinden, geschildert. Insofern will ich unsllen raten, wieder zu einer sachlichen Diskussion zu-ückzukommen; denn es gibt in dieser Republik Hand-ungsbedarf. Viele Bereiche sind aufgezeigt worden. Esilft der Diskussion nicht weiter, sondern nur der Bedie-ung der eigenen Interessen, wenn man „gläserne Bür-er“ formuliert oder so seltsame Reden wie die Linkenührt. Das verunsichert die Bürger eher, als dass es unsnsgesamt nutzt.
Frau Kollegin Piltz hat natürlich recht, wenn sie sagt,ass die Freiheit täglich bedroht ist. Vielleicht muss manber öffentlich hinzufügen, dass sie nicht durch die Si-herheitsbehörden und nicht durch den Bundesinnen-inister bedroht wird, sondern von terroristischen Akti-itäten, die in unser Land hineinstrahlen.
ir haben in unserem Grundgesetz eine Freiheitsord-ung, aber in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 auch die Schutzpflichtes Staates normiert. Dieser Schutzpflicht müssen wir inbwägung mit den Freiheitsrechten nachkommen. Dasacht der Bundesinnenminister aus meiner Sicht in her-orragender Weise.
Im Übrigen ist der Kollege Wolf aus Nordrhein-West-alen auch der Auffassung, dass es noch Sicherheitslü-ken gibt. Sonst hätte er die Onlinedurchsuchung nichtns Polizeirecht geschrieben. Wir werden auch für dasundeskriminalamt ein Polizeirecht schaffen müssen.
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Ralf GöbelWenn im Rahmen der Föderalismusreform entschiedenwurde, dass das Bundeskriminalamt Abwehrbefugnisse,präventive Befugnisse hat, dann ist es eine pure Selbst-verständlichkeit, dass das Bundeskriminalamt die poli-zeilichen Befugnisse haben muss, die jede einzelne Län-derpolizei hat. Insoweit rate ich zu einer nüchternenDebatte. Man sollte die derzeitige Verfassungslage zurKenntnis nehmen.Zur Onlinedurchsuchung will ich nur noch eines sa-gen. Kollege Montag – er ist nicht mehr anwesend –hatte einen Zwischenruf dazu gemacht. Wenn es richtigist, dass die Onlinedurchsuchung derzeit weder unterArt. 13 des Grundgesetzes noch unter Art. 10 des Grund-gesetzes zu subsumieren ist, sondern ausschließlich un-ter das Auffanggrundrecht des Art. 2 des Grundgesetzesfällt, kann man sich doch, wenn man seriös darübernachdenkt, die Frage stellen: Macht es nicht Sinn, dieDurchsuchung einer Festplatte mit einer Wohnungs-durchsuchung zu vergleichen und diesen bisher nichtgeregelten Fall dem Art. 13 des Grundgesetzes unterzu-ordnen? Das ist der Vorschlag, den der Bundesinnen-minister macht. Dieser Schutz, der beansprucht wird undgeplant ist, ist aus meiner Sicht stärker als der Schutz,den wir derzeit haben. Rot-Grün hat die Rechtsgrund-lage für die Onlinedurchsuchung geschaffen.
– Herr Wieland, Sie können das gerne bestreiten.
Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass am21. Juli 2005 – das war noch in Ihrer Regierungszeit – denNachrichtendiensten diese Befugnis eingeräumt wordenist. Deswegen verstehe ich das Geschrei von Rot undGrün nicht.
Wenn man selber eine solche Regelung eingeführt hat,dann kann man doch später nicht andere dafür verant-wortlich machen, dass es diese Regelung gibt.
Insoweit bitte ich, in den nächsten Tagen und Wochenwieder zu einer sachlichen Debatte zu kommen. LassenSie uns ernsthaft über die Fragen diskutieren, die jetztauf der Tagesordnung stehen. Lassen Sie uns gemeinsamdie Verantwortung für die Sicherheit unserer Bürger tra-gen. Der Bundesinnenminister tut dies schon in beson-ders herausragender Weise.Herzlichen Dank.
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Soll so in den nächsten Jahren die Diskussion zureutschen Sicherheitspolitik aussehen? Wem hilft die Artnd Weise, in der wir diskutieren, tatsächlich? Dem Bür-er? Der Sicherheit? Der Freiheit? Wir können uns Zitateon John Locke, Benjamin Franklin und Alexander vonumboldt an den Kopf werfen. Unsere Sicherheitspro-leme lösen sie nicht. Solche semantischen Kategorienind vielleicht akademisch reizvoll, führen aber in derache nicht weiter. Wir sollten uns auf politische Sachar-eit konzentrieren und nicht mit abstrakten Terrordiskus-ionen Ängste in der Bevölkerung schüren. Richtig ist,ass eine erhöhte Terrorgefahr besteht und wir deshalbnsere Hausaufgaben sorgfältig machen wollen und sol-en.
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9468 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 93. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 25. April 2007
(C)
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Frank Hofmann
Ich nenne drei Beispiele, die zeigen, dass das nochnicht geschehen ist:Erstes Beispiel: Digitalfunk. Ich brauche keine nähe-ren Ausführungen dazu zu machen. Hierbei geht es nichtdarum, Grundrechte zu schleifen. Es geht vielmehr da-würde. Sie ist ein Konstitutionsmerkmal des Rechtsstaa-tes, das ihn vom Polizeistaat abgrenzt. Die Vermutung,dass das Verhalten des Bürgers rechtstreu ist, wider-spricht grundsätzlich dem Selbstverständnis eines Poli-zei- oder Überwachungsstaates. Diese Architektur unse-rum, dass wir Geld einsetzen müssen, und zwar mög-lichst schnell.
Zweites Beispiel: Luftsicherheit. Die Sicherheitskon-trollen an vielen Flughäfen sind unzureichend. Ich erin-nere an das, was die Polizei bei Realtests festgestellt hat:Bei fast vier von zehn nachträglichen Durchsuchungensind Gegenstände wie Messer, Pistolen oder Sprengsätzegefunden worden. Dieser Zustand ist darauf zurückzu-führen, dass, zum Beispiel in Frankfurt, Leute eingesetztwerden, die dieser Aufgabe nicht gewachsen sind, weilsie ein niedriges Ausbildungsniveau haben. Hier zeigtsich, dass Sicherheitsinteressen möglicherweise aus öko-nomischen Gründen hintangestellt werden.
In diesem Zusammenhang geht es nicht um die Prinzi-pien des Rechtsstaats, aber um die Beseitigung von of-fensichtlichen Sicherheitslücken. Auf diesem Gebiet istsofortiges Handeln möglich und nötig. Wir brauchenkeine Interviews zu diesem Thema, sondern Entschei-dungen.
Das dritte Beispiel ist aktuell: Passgesetz. In den so-genannten E-Pässen befindet sich ein RFID-Chip, aufdem neben dem Lichtbild nun auch der Fingerabdruckgespeichert werden soll. Dieser Chip ist in bestimmtenKonstellationen – so sagen es uns die Sachverständigen –gegen unberechtigtes Auslesen nicht geschützt.
Das hat sich aus meiner Sicht in der Sachverständigen-anhörung am Montag gezeigt. Vier der Experten bewah-ren ihren eigenen Pass in einer abstrahlsicheren Hülleauf, um ihn so vor unberechtigtem Auslesen zu schützen.Soll der Bürger einen neuen Pass erhalten, den er selbstgegen unbefugtes Auslesen sichern soll? Ich sage: Daskann nicht wahr sein.
Die Debatte über die Unschuldsvermutung war fürmich Anlass für weitergehende Überlegungen. Die Un-schuldsvermutung reduziere ich nicht auf die BereicheStrafrecht und Gefahrenabwehr. Die Unschuldsvermu-tung ist vielmehr eine Konkretisierung der Menschen-ressd–dbGCdpksÄguAnId9l
Das Lichtbild war es. – Wir werden nicht die Fingerab-rücke eines jeden unschuldigen Bürgers bei den Pass-ehörden auf Vorrat speichern und den Bürger so untereneralverdacht stellen, wie dies von Teilen der CDU/SU gefordert wird. Ein demokratischer Rechtsstaatarf seine Bürger nicht sozusagen auf die Daktylosko-iebank zwingen und somit kriminalisieren.
Der Weg in einen Polizei- und Überwachungsstaatann mit der SPD auch bei Terrorgefahr nicht einge-chlagen werden. Wir werden uns an der Schürung vonngsten bei den Bürgerinnen und Bürgern nicht beteili-en
nd weiterhin unsere Maxime der Sicherheitspolitik mitugenmaß fortsetzen; wenn es geht, gerne mit dem In-enminister, wenn es nicht geht, dann auch gegen dennnenminister.
Vielen Dank.
Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 26. April 2007,
Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Tag,
iebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Sitzung ist geschlossen.