Protokoll:
16091

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 91

  • date_rangeDatum: 29. März 2007

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 22:22 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/91 Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . Thomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9122 C 9124 D 9126 D 9128 A 9129 B 9130 C 9131 A 9131 C 9144 A 9145 C 9146 D 9147 D 9148 D 9149 D 9151 B 9152 B 9153 B Deutscher B Stenografisch 91. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Wahl des Abgeordneten Hermann-Josef Scharf als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 26 c und 33 b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Tagesordnungspunkt 3: Vereinbarte Debatte: Patientenverfügungen Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . J O D H J R D D D 9119 A 9119 B 9120 A 9120 A 9120 C (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . 9132 C 9133 D undestag er Bericht ung en 29. März 2007 t : osef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . laf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . . etlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9135 A 9136 A 9137 B 9138 C 9139 C 9140 C 9141 C 9142 C 9143 B Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniela Raab (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 9154 B 9155 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 16/1036) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 15. Dezem- ber 2003 über Politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäi- schen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten einerseits und der Repu- blik Costa Rica, der Republik El Salvador, der Republik Guatemala, der Republik Honduras, der Republik Nicaragua und der Republik Panama andererseits (Drucksache 16/4716) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsda- ten (Satellitendatensicherheitsgesetz – SatDSiG) (Drucksache 16/4763) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zum Abbau bürokrati- scher Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft (Drucksache 16/4764) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dorothée Menzner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Drucksache 16/4858) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Peter Hettlich, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zügig Grundsteuerreform auf den Weg bringen (Drucksache 16/1147) . . . . . . . . . . . . . . . . g h i j k l m 9156 A 9157 A 9158 B 9158 B 9158 C 9158 C 9158 D 9158 D ) Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Margareta Wolf (Frankfurt) und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Reformpartnerschaften mit Af- rika intensivieren – Afrika muss auf die Tagesordnung des G-8-Gipfels in Deutschland 2007 (Drucksache 16/2651) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Das Internationale Polarjahr 2007/2008 und Konsequenzen für eine deutsche Beteiligung (Drucksache 16/4454) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Alexander Ulrich, Monika Knoche, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Keine Unterstützung von Militäreinsätzen aus dem Europäi- schen Entwicklungsfonds (Drucksache 16/4490) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Lothar Bisky, Cornelia Hirsch, Dr. Lukrezia Jochimsen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts ver- hindern (Drucksache 16/4625) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Dr. Thea Dückert, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mit Mitteln des Europäischen Sozial- fonds Migrantinnen und Migranten so- wie Personen fördern, die Asyl bzw. in- ternationalen Schutz erhalten oder beantragt haben (Drucksache 16/4772) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Birgit Homburger, Markus Löning, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bürokratie abbauen – Zeitumstel- lung abschaffen und Sommerzeit per- manent einführen (Drucksache 16/4773) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Ingbert Liebing, Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Pots- dam), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Christoph Pries, Marco Bülow, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz der Wale sicherstellen (Drucksache 16/4843) . . . . . . . . . . . . . . . 9159 A 9159 A 9159 B 9159 B 9159 B 9159 C 9159 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 III n) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland 2004 (Drucksache 15/5205) . . . . . . . . . . . . . . . . o) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Dritter Versorgungsbericht der Bun- desregierung (Drucksache 15/5821) . . . . . . . . . . . . . . . . p) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Erfahrungsbericht der Bundes- regierung über die Durchführung des Stammzellgesetzes (Zweiter Stammzell- bericht) (Drucksache 16/4050) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Peter Hettlich, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Energieeinsparung zügig verabschieden – Energieausweis als Bedarfsausweis ein- führen (Drucksache 16/4787) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Marina Schuster, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Katastrophe in Simbabwe verhindern (Drucksache 16/4859) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkom- mens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Eu- ropäisches Patentübereinkommen) (Drucksachen 16/4375, 16/4877) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Pa- tente (Drucksachen 16/4382, 16/4877) . . . . c d e f g Z a 9159 D 9159 D 9160 A 9160 A 9160 A 9160 B 9160 C ) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Kerstin Andreae, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Für starke und handlungsfähige Kommunen (Drucksachen 16/371, 16/2501) . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Volker Wissing, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mehrwertsteuersatz für apothe- kenpflichtige Arzneimittel (Drucksachen 16/3013, 16/3164) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Jürgen Trittin, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Waffen unter Kontrolle – Für eine umfassende Be- grenzung und Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen und Munition (Drucksachen 16/1967, 16/3875) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Beleuch- tete Dachwerbeträger auf Taxen zulas- sen (Drucksachen 16/3050, 16/4597) . . . . . . . ) – l) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 195, 196, 197, 198, 199 und 200 zu Petitionen (Drucksachen 16/4751, 16/4752, 16/4753, 16/4754, 16/4755, 16/4756) . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 4: ) – i) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208 und 209 zu Petitionen (Drucksachen 16/4866, 16/4867, 16/4868, 16/4869, 16/4870, 16/4871, 16/4872, 16/4873, 16/4874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9160 D 9161 A 9161 B 9161 C 9161 C 9162 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD: Die aktuelle Lage der Menschenrechte in Simbabwe Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Sibylle Laurischk, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Unterhaltsrecht ohne weiteres Zögern sozial und verantwor- tungsbewusst den gesellschaftlichen Rah- menbedingungen anpassen (Drucksachen 16/891, 16/4860) . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . T B s n – – – – ( 1 A U D C K M K 9163 A 9164 A 9165 B 9166 A 9167 A 9168 C 9169 D 9170 C 9171 C 9172 C 9173 D 9174 A 9175 A 9175 B 9176 C 9179 B 9180 B 9181 D 9183 A 9184 A agesordnungspunkt 5: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Bildung, Forschung und Tech- ikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Grütters, Ilse Aigner, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Hoch- schulpakt erfolgreich umsetzen zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken) und der Fraktion der LIN- KEN: Hochschulpakt 2020 – Kapazi- tätsausbau und soziale Öffnung zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Priska Hinz (Her- born), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Hochschulpakt 2020 zum Erfolg bringen – Studienplätze bedarfs- gerecht und zügig ausbauen zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Barth, Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Qualität der Hochschul- lehre sichern – den Hochschulpakt 2020 erfolgreich abschließen und weiterent- wickeln Drucksachen 16/4563, 16/3278, 16/3281, 6/3290, 16/4875) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . we Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . ornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . laus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 9185 A 9185 C 9187 A 9188 B 9189 D 9191 B 9192 D 9194 B 9195 C 9196 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 V Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommis- sion (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungs- gesetz) (Drucksachen 16/4028, 16/4037, 16/4883, 16/4899) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Nešković, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN- KEN: Grundsätzliche Überprüfung der Abschiebungshaft, ihrer rechtlichen Grundlagen und der Inhaftierungspra- xis in Deutschland (Drucksache 16/3537) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Humanitäre Standards bei Rückführungen achten (Drucksache 16/4851) . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T a b H M C D H T a b S P A M E 9197 B 9197 C 9198 D 9200 A 9201 C 9202 B 9203 B 9203 B 9203 C 9204 D 9206 C 9207 C 9208 B 9208 D 9209 B 9210 D agesordnungspunkt 8: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der ERP- Wirtschaftsförderung (ERP-Wirtschafts- förderungsneuordnungsgesetz) (Drucksache 16/4664) . . . . . . . . . . . . . . . ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sonderver- mögens für das Jahr 2007 (ERP-Wirt- schaftsplangesetz 2007) (Drucksachen 16/4376, 16/4881) . . . . . . . artmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . r. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . ans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 9: ) Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, Cornelia Behm, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Sicher- heit geht vor – Besonders terroranfäl- lige Atomreaktoren abschalten (Drucksache 16/3960) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Hans-Josef Fell, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Schnelle Einführung innovativer erneu- erbarer Energien nur mit Atomausstieg – Ablehnung der Laufzeitverlängerung für Biblis A ein richtiger Schritt (Drucksache 16/4770) . . . . . . . . . . . . . . . ylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hilipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . arco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . va Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 9211 D 9212 A 9212 B 9214 A 9215 A 9216 C 9217 C 9218 A 9218 D 9218 D 9219 D 9221 A 9222 A 9223 C 9224 C VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Reinhold Hemker, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Nationale Natur- landschaften – Chancen für Natur- schutz, Tourismus, Umweltbildung und nachhaltige Regionalentwicklung (Drucksachen 16/3298, 16/4269) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Natur- parke – Chancen für Naturschutz und Regionalentwicklung konsequent nut- zen (Drucksachen 16/3095, 16/4278) . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Reinhold Hemker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem An- trag der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ausgleich für neue Arbeitszeitmodelle in Krankenhäusern vorziehen (Drucksachen 16/670, 16/4596) . . . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D W F D E T B a B T B s ( B G J J G S T A K A I P s ( K P H G B 9225 C 9226 C 9227 A 9227 B 9227 C 9228 D 9229 C 9230 C 9231 B 9232 B 9233 B 9233 C aniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . illi Zylajew (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . r. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ike Hovermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 12: eschlussempfehlung und Bericht des Innen- usschusses zu der Unterrichtung durch den undesbeauftragten für den Datenschutz: ätigkeitsbericht 2003 und 2004 des undesbeauftragten für den Daten- chutz – 20. Tätigkeitsbericht – Drucksachen 15/5252, 16/4882) . . . . . . . . . . eatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . isela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . örg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 13: ntrag der Abgeordneten Katja Kipping, ornelia Möller, Dr. Barbara Höll, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: nnovative Arbeitsförderung ermöglichen – rojektförderung nach § 10 SGB III zulas- en Drucksache 16/3889) . . . . . . . . . . . . . . . . . . atja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . eter Rauen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . einz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . abriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9234 A 9235 B 9236 A 9237 A 9238 B 9239 A 9240 B 9240 D 9241 A 9242 D 9244 A 9246 A 9247 A 9247 C 9248 C 9248 D 9249 D 9250 C 9252 A 9253 A 9254 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 VII Tagesordnungspunkt 14: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ab- satzfondsgesetzes und des Holzabsatz- fondsgesetzes (Drucksachen 16/4692, 16/4876) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes (Drucksachen 16/4149, 16/4876) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Indigene Völker – Ratifizierung des Übereinkommens der In- ternationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen le- bende Völker in unabhängigen Staaten (Drucksachen 16/1971, 16/4838) . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Ver- besserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR (Drucksache 16/4842) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Petra Pau, Dr. Gesine Lötzsch und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Entwurfs ei- nes Dritten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif- ten für politisch Verfolgte im Beitritts- gebiet und zur Einführung einer Opfer- rente (Opferrentengesetz) (Drucksache 16/4846) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V W T A t w F z B ( T A K A G d g ( T A ( B t D f ( T A K A Ö l c ( T a 9255 C 9255 C 9256 A 9256 B 9257 B 9257 C 9257 D 9259 A olker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: ntrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns- er), Paul K. Friedhoff, Heinz Lanfermann, eiterer Abgeordneter und der Fraktion der DP: Umlageverfahren U1 zur Entgeltfort- ahlung im Krankheitsfall auf freiwillige asis stellen Drucksache 16/2674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 18: ntrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, laus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: esetz zum Ausgleich behinderungsbe- ingter Nachteile vorlegen (Nachteilsaus- leichsgesetz – NAG) Drucksache 16/3698) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: ntrag der Abgeordneten Marieluise Beck Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt ender, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: ie EU-Zentralasienstrategie mit Leben üllen Drucksache 16/4852) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 20: ntrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, atrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: ffentlichen Verkehr in den neuen Bundes- ändern nicht gefährden – Verkehrsflä- henbereinigungsgesetz verlängern Drucksache 16/4856) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: ) Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Dr. Gerhard Schick, Silke 9261 B 9262 B 9263 A 9264 A 9264 B 9294 C 9264 C VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Stokar von Neuforn, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: SWIFT-Fall auf- klären – Datenschutz im internationa- len Zahlungsverkehr wieder herstellen (Drucksache 16/4066) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Volker Wissing, Jens Ackermann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – Zugriff US-amerikanischer Stellen auf SWIFT-Daten unverzüglich stoppen und Vorgang umfassend auf- klären (Drucksache 16/4184) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherstellen (Drucksache 16/4853) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Ra- tes über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verord- nung (EG) Nr. 726/2004 (inkl. 15023/05) ADD 1 KOM (2005) 567 endg.; Ratsdok. 15023/05 (Drucksachen 16/419 Nr. 2.7, 16/2182) . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Renate Künast, Fritz Kuhn und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine Schließung des Forschungsendlagers Asse II unter Atomrecht und eine schnelle Rückholung der Abfälle (Drucksache 16/4771) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D C T A M ( t P f ( T B s l – – N A L A Z P p V D O N 9264 D 9265 A 9265 B 9265 B 9265 D 9266 A 9267 A 9269 B orothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . hristoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 24: ntrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, arieluise Beck (Bremen), Volker Beck Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- ion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: olitische Lösungen sind Voraussetzung ür Frieden in Somalia Drucksache 16/4759) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 25: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- ung zu dem Antrag der Abgeordneten Lutz Heilmann, Dorothée Menzner, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Kein Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung – Fähr- konzept verbessern zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Statt fester Fehmarnbelt- Querung – Für ein ökologisch und fi- nanziell nachhaltiges Verkehrskonzept (Drucksachen 16/3668, 16/3798, 16/4630) ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: atientenverfügungen (Tagesordnungs- unkt 3) olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . tto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 9270 D 9271 D 9272 D 9273 C 9273 D 9275 A 9275 A 9275 D 9276 C 9278 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 IX Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatz- fondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 14) Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Indigene Völker – Ratifizierung des Übereinkommens der Internationalen Ar- beitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhän- gigen Staaten (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ver- besserung rehabilitierungsrechtlicher Vor- schriften für Opfer der politischen Verfol- gung in der ehemaligen DDR – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ver- besserung rehabilitierungsrechtlicher Vor- ( S A Z d g l M J H F B A Z d r a p H S J D M A Z d m M J H D 9279 D 9280 C 9282 D 9283 C 9284 A 9285 B 9287 A 9287 B 9288 A 9289 B 9290 B 9291 C 9292 D 9293 B schriften für politisch Verfolgte im Bei- trittsgebiet und zur Einführung einer Opferrente (Opferrentengesetz) Tagesordnungspunkt 16 a und b) abine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Umlageverfahren U1 zur Ent- eltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwil- ige Basis stellen (Tagesordnungspunkt 17) ax Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ella Teuchner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . einz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . irgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Gesetz zum Ausgleich behinde- ungsbedingter Nachteile vorlegen (Nachteils- usgleichsgesetz – NAG) (Tagesordnungs- unkt 18) ubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ilvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . örg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Die EU-Zentralasienstrategie it Leben füllen (Tagesordnungspunkt 19) anfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ohannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . arald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 9294 A 9294 C 9295 C 9296 C 9297 B 9298 B 9298 D 9299 D 9301 D 9303 B 9304 C 9305 D 9307 B 9308 C 9309 B X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Öffentlichen Verkehr in den neuen Bundesländern nicht gefährden – Ver- kehrsflächenbereinigungsgesetz verlängern (Tagesordnungspunkt 20) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – SWIFT-Fall aufklären – Datenschutz im internationalen Zahlungsverkehr wieder herstellen – Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – Zugriff US-amerikanischer Stellen auf SWIFT-Daten unverzüglich stoppen und Vorgang umfassend aufklären (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien si- cherstellen – ( H D M F D A Z A e s n A A Z d r o A B M D D A Z d d – 9310 A 9311 B 9312 B 9313 C 9314 C 9315 A 9315 D 9316 C 9317 A 9318 C 9320 A 9320 B Beschlussempfehlung und Bericht zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtli- nie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (inkl. 15023/05) ADD 1 Tagesordnungspunkt 22 a und b) ubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . r. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 12 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntrags: Für eine Schließung des Forschungs- ndlagers Asse II unter Atomrecht und eine chnelle Rückholung der Abfälle (Tagesord- ungspunkt 23) ngelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . nlage 13 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Politische Lösungen sind Vo- aussetzung für Frieden in Somalia (Tages- rdnungspunkt 24) nke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . runhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . arina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 14 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts zu en Anträgen: Kein Bau einer festen Fehmarnbelt-Que- rung – Fährkonzept verbessern 9321 C 9322 B 9323 B 9324 B 9325 A 9325 D 9326 D 9328 A 9329 A 9330 A 9330 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 XI – Statt fester Fehmarnbelt-Querung – Für ein ökologisch und finanziell nachhaltiges Verkehrskonzept (Tagesordnungspunkt 25) Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9331 D 9332 D 9334 B 9335 B 9336 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9119 (A) ) (B) ) 91. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9275 (A) ) (B) ) genannte irreversible tödliche Krankheiten? Was nütztMargareta DIE GRÜNEN Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten A „ M F a m h W D n u d K F s l g W n s k A h o l g t p b g S J t e t l M A D s g m s k Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich von Bismarck, Carl-Eduard CDU/CSU 29.03.2007 Bulmahn, Edelgard SPD 29.03.2007 Burchardt, Ulla SPD 29.03.2007 Dreibus, Werner DIE LINKE 29.03.2007 Ernstberger, Petra SPD 29.03.2007 Friedhoff, Paul K. FDP 29.03.2007 Gabriel, Sigmar SPD 29.03.2007 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 29.03.2007 Griefahn, Monika SPD 29.03.2007 Hilsberg, Stephan SPD 29.03.2007 Kolbe, Manfred CDU/CSU 29.03.2007 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 29.03.2007 Dr. Lötzsch, Gesine DIE LINKE 29.03.2007 Lopez, Helga SPD 29.03.2007 Merten, Ulrike SPD 29.03.2007 Raidel, Hans CDU/CSU 29.03.2007 Roth (Esslingen), Karin SPD 29.03.2007 Runde, Ortwin SPD 29.03.2007 Schily, Otto SPD 29.03.2007 Seehofer, Horst CDU/CSU 29.03.2007 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.03.2007 Thönnes, Franz SPD 29.03.2007 Weisskirchen (Wiesloch), Gert SPD 29.03.2007 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 29.03.2007 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 29.03.2007 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Patientenverfügungen (Tages- ordnungspunkt 3) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des enschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Die rage des Psalmisten, was den Menschen – und damit uch seinen Willen – denn ausmacht, ist Ausgangspunkt einer Überlegungen und meiner Zweifel an der Sinn- aftigkeit einer neuen gesetzlichen Regelung für die irksamkeit und Reichweite einer Patientenverfügung. ie Frage ist: Sind wir immer derselbe Mensch? Oder ist icht vielmehr richtig, dass die Welt sich ändert und wir ns in ihr? Meine Erfahrung aus über sechs Jahren Tätigkeit in er Altenpflege ist, dass Menschen aus Angst vor rankheit und Behinderung den Wunsch äußern, für den all einer bestimmten Einschränkung ihrer Gesundheit terben zu wollen. Als manche dieser Menschen tatsäch- ich in die Situation kamen, dass ihre Gesundheit so ein- eschränkt war, äußerten sie auf einmal einen aktuellen illen zum Leben. Sie konnten ihrem Leben mit all sei- en Einschränkungen genügend abgewinnen, was sie ich noch als Gesunde nicht vorstellen konnten. Vor diesem Hintergrund bin ich von der Notwendig- eit eines neuen Gesetzes noch nicht überzeugt. Jede nordnung oder Unterlassung einer medizinischen Be- andlung muss sich am aktuellen Willen des Patienten rientieren. Alles andere ist mindestens eine Körperver- etzung. Auf jeden Fall darf eine Regelung nicht einen vergan- enen Willen eins zu eins für den aktuellen Willen hal- en. Man würde sich sonst über einen zentralen Gesichts- unkt des Menschseins hinwegsetzen. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Bei der De- atte um Patientenverfügungen sollten wir uns von zwei anz grundlegenden Werten leiten lassen: von der elbstbestimmung und von der Würde des Menschen. eder Mensch sollte die Möglichkeit haben, in jeder Si- uation möglichst selbstbestimmt zu handeln. Das zum inen. Zum anderen sollte jeder Mensch in jeder Situa- ion, also auch bei Krankheit – egal, wie lebensbedroh- ich diese ist –, seine Würde bewahren dürfen. Diesen aßstab setzt allein schon das Grundgesetz in seinem rt. 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. iese beiden Aspekte gehören für mich untrennbar zu- ammen. Was hat es für einen Sinn, in einer Patientenverfü- ung selbstbestimmt und rechtlich klar festzulegen, dass an beispielsweise bei unheilbarer Krankheit in Würde terben will, wenn diese Verfügung keine bindende Wir- ung entfaltet? Oder wenn sie eingeschränkt ist auf so- 9276 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) eine Verfügung, wenn der Arzt den klaren Willen des Pa- tienten mehr als eine Kann-Bestimmung betrachtet? Oder wenn die Verwandtschaft über ein Vormund- schaftsgericht den Willen des Patienten leicht aushebeln kann? Bei der Frage, wie verbindlich eine Patientenverfü- gung sein soll, gibt es meiner Ansicht nach einen Rege- lungsbedarf. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Es geht nicht darum, dass sich Politiker „in jede Sterbesituation“ einmischen wollen, wie mancher Verbandsvertreter wet- tert – nein, es geht darum, einen rechtlichen Rahmen zu setzen, der einen selbstbestimmten und würdevollen Umgang der Betroffenen mit ihrem eigenen Schicksal ermöglicht. Das schafft nicht nur für die Patienten Klar- heit, sondern auch für Ärztinnen und Ärzte. Auch diese brauchen Rechtssicherheit. Man sollte hier allerdings nicht zu viel vom Gesetzge- ber erwarten. Krankheit und Sterben sind sehr individu- elle Vorgänge. Auch gesetzlich geregelte Patientenverfü- gungen werden nicht alle Wechselfälle des Lebens voraussehen und erfassen können. Gerade auf diesem so sensiblen Feld menschlichen Lebens brauchen wir einen humanen Umgang mit Kranken und Sterbenden. Dazu gehört, deren Wille zu respektieren. Und wenn ich mir hier eine persönliche Bemerkung erlauben darf: Ich zum Beispiel will nicht bis an mein Lebensende an Apparaten dahinvegetieren. Natürlich kann es passieren – und es passiert sicher jeden Tag –, dass Kranke sich schon aufgegeben haben und das Weiterleben für sinnlos halten. Dabei bestünde ärztlicherseits durchaus noch die Chance zu einer Ver- besserung ihrer Lage. In diesem Punkt halte ich – bevor eine Patientenverfügung verfasst wird – die ausführliche Beratung durch den behandelnden Arzt oder den Arzt des Vertrauens für wichtig. Damit diese Beratung nicht an finanziellen Problemen scheitert, ist es unter Umstän- den überlegenswert, diese über die Krankenkassen abre- chenbar zu gestalten. Ergänzend zur Patientenverfügung sollte weiterhin die Möglichkeit zu einer Vorsorgevollmacht bestehen. Diese sollte aber nicht so gestaltet sein, dass der in der Patientenverfügung niedergelegte Wille des Patienten letztlich ausgehebelt werden kann. Zu achten ist meiner Ansicht nach auch auf gewisse zeitliche Nähe. Heutzutage werden schon in jungen Jah- ren Patientenverfügungen verfasst, die festlegen, was möglicherweise erst ab jenseits des 50. Lebensjahres eintritt. Eine Notwendigkeit, vorsorgliche Patientenver- fügungen beispielsweise alle zehn Jahre zu erneuern, schützt Menschen, die ihre Meinung im Laufe des Le- bens ändern, vor unbeabsichtigten Folgen. Die Einschränkung der Patientenverfügung auf irre- versible Leiden, die mit an Sicherheit grenzender Wahr- scheinlichkeit zum Tode führen, ist unlogisch und unak- zeptabel. Die Maßstäbe dessen, was irreversibel ist, können sich schon morgen ändern, dann ist auch die Pa- tientenverfügung hinfällig. Die Einschränkung über- sieht darüber hinaus, dass Menschen auch aus anderen Gründen als unheilbar tödlichen Krankheiten ihrer Fä- h d W l h s s Z n r l e w u T D F D m v s w n s h n h u I w D r a w S M h l d R g d n F s g u p d S m (C (D igkeit beraubt werden können, ihren Willen gegenüber en Ärzten klar zu äußern. Das betrifft beispielsweise achkomapatienten oder psychisch Erkrankte. Der Umgang mit Patientenverfügungen ist ein sensib- es Thema. Wir sollten gemeinsam sorgsam damit umge- en. Otto Fricke (FDP): Alles hat seine Zeit. Reden hat eine Zeit, Schweigen hat seine Zeit. Debattieren hat eine Zeit, Beschließen hat seine Zeit. Lieben hat seine eit, Geliebt werden hat seine Zeit. Verantwortung über- ehmen hat seine Zeit, Loslassen hat seine Zeit. Gebo- enwerden hat seine Zeit, und Sterben hat seine Zeit. Die Lebenserwartung von uns Menschen ist in den etzten Jahrzehnten drastisch gestiegen – dennoch ist sie ndlich, und auch das Sterben hat stets seine Zeit. Doch ie erkennen wir für uns, für unsere Angehörigen, für nsere Patienten, wann es an der Zeit ist, zu sterben, den od zu erwarten und ihm nichts mehr entgegenzusetzen? er vorsorglich dokumentierte Wille des Betroffenen, in orm einer Patientenverfügung, ist dabei sehr hilfreich. eswegen ist mir dieses Thema wichtig, und ich mache ich seit langem für eine möglichst klare und möglichst erlässliche, gesetzliche Regelung stark. Doch sollte die- er hinterlegte Wille, der in einer Situation erklärt urde, die der Betroffene mit all seinen Umständen och gar nicht kannte, die einzige und alleinige Ent- cheidungsgrundlage sein? Es ist nicht an mir, mich heute zu offenbaren. Ich abe mich längst positioniert: Welcher Position ich zu- eige, können Sie aus dem Rubrum eines Antrages erse- en, der ihnen vorliegt. Das mindert die Überraschung nd räumt mir doch gleichsam ein Privileg ein: Ich habe hnen heute nicht zu erklären, was ich denke, sondern, arum ich es denke. Das will ich tun. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich werbe in dieser ebatte für die Selbstbestimmung des Menschen und ede nicht gegen sie. Ich werbe für sie als Abgeordneter, ls Familienvater, als Liberaler und – ich sage das be- usst – als Christ. Doch ich werbe auch dafür, dass wir elbstbestimmung nicht reduzieren auf das, was ein ensch in einem Moment will, und nicht schon darin se- en, was ein Mensch in einem Moment einmal schrift- ich niedergelegt hat. Die Frage, um die es heute geht, ist zu schwierig, als ass sie einfache Rechnungen erlaubte. Die einfachste echnung ist diese: Je weiter Patientenverfügungen zu- elassen werden und je unbedingter sie Beachtung fin- en, umso mehr ist dem Selbstbestimmungsrecht Ge- üge getan. In diesem Freiheitsverständnis liegt ein ehlschluss. Meine Überzeugung ist: Es ist gerade das Selbstbe- timmungsrecht, das dazu mahnt, sorgsam mit Verfügun- en umzugehen, ihre Reichweite bedacht zu begrenzen nd ihre Verbindlichkeit verständig zu deuten. Das mag aradox erscheinen: Da redet einer für eine Begrenzung er äußeren Selbstbestimmung im Namen der inneren elbstbestimmung. Da spricht einer für Grenzen im Na- en der Freiheit. Da wirbt einer für eine Haltung, die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9277 (A) ) (B) ) von Verantwortung gefüttert ist. Ich will darstellen, was mich dahin leitet und warum die vermeintlichen Para- doxa nur scheinbare sind. Ich bin selbst Familienvater. Mit meiner Frau habe ich drei Kinder. Wie wir es mit der Familie und den Kindern halten, ist für mich eine Gretchenfrage, an der sich eine ethische Entscheidung wesentlich zu messen hat. Wie aber könnte ein Fall aussehen: Da hat ein Vater keine rechte Lust mehr auf das Leben und trifft eine Pa- tientenverfügung, im Falle eines Unfalls keine Bluttrans- fusionen zuzulassen. Da geschieht dieser Unfall; verliert er Blut, ist er auf Transfusionen sofort angewiesen. Soll dann tatsächlich diese Verfügung maßgeblich sein? Soll dem Vater die mögliche und zumutbare Transfusion nicht angehen dürfen, weil er das so will und obwohl er so viele hinterlässt? Reicht es, zu sagen: „Er will das doch so“, um das Unglück der Frau und Kinder zu recht- fertigen? „Er will das doch so“ – das könnte reichen, wenn man Selbstbestimmung bloß als die prinzipiell unbegrenzbare Möglichkeit der Entscheidung eines Subjektes über all seine eigenen Angelegenheiten versteht. „Er will das doch so“ – ist das aber nicht vielleicht zu wenig? Ist das Individuum, das sonst so in Beziehungen so sehr einge- bunden ist, in diesen Einschränkungen plötzlich wieder so unbegrenzt? Das Individuum als Autokrat über sich selbst – kann das die Selbstbestimmung sein, die wir meinen und wollen? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu verneinen. Kein Mensch steht für sich allein. Der Mensch schmiedet nicht an seinem Glück allein, sondern an dem vieler an- derer – mehr oder minder – mit. Selbstbestimmung fin- det im Egoismus nicht ihren Grund, sondern ihre Grenze. Uns allen gebührt Freiheit. Wie aber unsere Freiheit beschaffen ist, bestimmen wir selbst. Das ist das Wun- derbare an der Freiheit: dass sie nicht rasch verwelkt und gleich vergeht, sondern dass sie Früchte trägt, die von Dauer sind. Die reichste Frucht der Freiheit sind die Bin- dungen, die wir frei eingehen, und die Verantwortung, die wir frei übernehmen – die festen Räume der Entfal- tung, die wir uns frei schaffen, und der befreiende Aus- bruch aus der Enge der isolierten eigenen Existenz. Frei- heit verwirklicht sich in der Verantwortung, die wir herstellen können. Aber Verantwortung prägt auch Frei- heit. Sie erhebt die Verwirklichung der Freiheit vom Ausdruck in einem bestimmten Moment zur Entfaltung in der Zeit. Die selbst bestimmte Verantwortung ist daher nicht von jetzt auf gleich ohne Belang, nur weil wir das nicht mehr wollen, was wir frei gewählt haben. Für Juristen ist das selbstverständlich: Pflichten, die man übernimmt, beschränken die spätere Deutungshoheit über die eigene Autonomie. Nicht jedes juristische Ergebnis ist gleich ethisch richtig. Ich komme zurück zu dem Familienvater: Wer eine Familie gründet und Kinder in die Welt setzt, dessen Freiheit ist durch Verantwortung geprägt. Begibt er sich s T d ü b b i V F z G G d E p m d m t w d v t v i d D n n s g n w G F u n b s d h w N u d n g b w t G s w m (C (D einer Pflichten, im Leben oder durch den erwählten od, übt er zwar einen Akt der Selbstbestimmung über as eigene, aber noch mehr einen der Fremdbestimmung ber anderer Leben, das seiner Familie, aus. Die selbst estimmte Entscheidung jetzt hat gegenüber der selbst estimmten Bindung früher ein geringeres Gewicht. Es st deshalb kein Akt der Fremdbestimmung, sondern die erwirklichung fortwirkender Selbstbestimmung, dem amilienvater oder der Mutter – den eigenen Tode nicht u gewähren. Freiheit in Verantwortung setzt dem eigenen Willen renzen. Auch für die Patientenverfügung gelten diese renzen. Es ist daher richtig, Patientenverfügungen in er Reichweite zu begrenzen: Nicht jeder Anlass genügt. rst der unumkehrbar tödlich verlaufende Krankheits- rozess vermag die Grenzen der eigenen Selbstbestim- ung aufzuheben. Erst er erlaubt die Verfügung; denn ann ist es die Frage, wann die Zeit zum Sterben kom- en soll, nicht, ob. Eine zweite Frage ist zu stellen: Ist eigentlich eine Pa- ientenverfügung Ausdruck der Selbstbestimmung, und ann kann sie es sein? Wie verlässlich spiegelt der nie- ergelegte den tatsächlichen Willen wider? Wie sehr ermag sie den eigentlichen Willen des Verfügenden zu reffen, der die Worte seiner Verfügung umsetzt? Ich will or zu viel Optimismus warnen. Der Moment der Entscheidung über das eigene Leben st kaum einmal in idealer Weise frei: Verfügen wir früh, ann liegt der „Schleier des Nichtwissens“ über uns. enn wir verfügen über eine Situation, die wir vielleicht icht einmal ahnen, für einen Menschen, der wir noch icht sind. Wer weiß heute, wie er morgen denkt? Wer oll heute wissen, wie er morgen fühlt und was er mor- en will? Der Wille von gestern wird nicht heute wahr, ur deshalb, weil er schriftlich niedergelegt ist. Verfügen ir erst spät, wenn die Situation schon da ist und der rund unserer Verfügung bereits besteht, dann mag es urcht sein und Sorge, Schmerz und Verzweiflung, die ns die Hand leiten. Dann betrifft der Schleier vielleicht icht mehr unser Wissen, aber unser Wollen doch. Der Respekt vor der Entscheidung des Nächsten ge- ietet auch die Akzeptanz der Umstände, unter denen er ie trifft, und der Möglichkeiten, die er hat. Ich warne avor, diese schriftliche Verfügungen als Dogma zu se- en, das schon deshalb gültig ist, weil es geschrieben urde. Selbst beim Testament, bei dem es „nur“ um den achlass und nicht mehr um das Leben geht, ziehen wir ns nicht auf den bloßen Wortlaut zurück, sondern heben en mutmaßlichen Willen des Erblassers aus Sorge, sei- en tatsächlichen Willen zu verfehlen, als Auslegungs- rundlage über den bloßen Text. Wo wie hier die Entscheidung für oder gegen das Le- en zu fallen hat, sorge ich mich umso mehr darum, dass ir allein dem frühen Wort vertrauen und nicht dem spä- eren Ausdruck des Augenblicks: der Mimik und der estik. Ich werbe dafür, dass wir auf den ganzen Men- chen hören, wenn er uns Zeichen sendet, dass er leben ill. Was auf Papier steht, ist nicht bereits in Stein ge- eißelt. 9278 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Patientenverfügungen sind notwendig – ein Zweifel daran besteht nicht. Doch sind sie zugleich in hohem Maße unsicher und zweifelbehaftet, weil aktueller und antizipierter Wille nicht gleich, teilweise nicht einmal ähnlich sind. Das spricht dafür, sie auf die notwendigen Fälle zu reduzieren – den unumkehrbar tödlichen Krank- heitsverlauf und das Wachkoma. Ein dritter Grund leitet mich: die Sorge um die Huma- nität der Pflege. Es mag Sie verwundern, dies von einem Liberalen zu hören, und deshalb sage ich es bewusst, aber mit großem Bedacht: Ich habe Sorge vor einem Markt, in dem das Leben handelbar wird. Ich habe Sorge davor, dass auf dem Markt der Pflege und der Betreu- ung, wo die Ressourcen immer knapper, die Bedürfnisse jedoch immer größer werden, die Patientenverfügungen zu einem knappen, marktgängigen Gut werden. Die Vor- stellung, dass ein Seniorenheim die Aufnahme von Pfle- genden implizit oder explizit von einer „großzügigen Pa- tientenverfügung“ abhängig machen könnte – ich habe oft versucht, sie als unvernünftige, als unwahrscheinli- che, als abwegige Vorstellung abzutun. Es gelingt mir nicht. Ich bin daher davon überzeugt: Wenn Patienten- verfügungen Humanität vermehren sollen und nicht ver- mindern, dann muss ihre Ausgestaltung von Vorsicht und Bedacht getragen sein. Die am meisten humanisti- sche ist nicht stets die humanste Lösung. Die Beratung heute im Plenum ist nicht der Schluss- punkt der Debatte, sondern – zumindest formal – ihr An- fang. Ich hoffe, dass am Ende der Beratung ein Ergebnis stehen wird, das möglichst viele Kolleginnen und Kolle- gen mit ihrem Gewissen, mit ihren ethischen Prinzipien und eventuell ihren religiösen Überzeugungen vereinba- ren können werden. Die Fragen, die wir hier behandeln, sind letzte Fragen. Aber eine letzte Antwort auf sie gibt es nicht. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, am Ende eine Antwort zu versuchen, die man eine möglichst ge- meinsame nennen können wird und die einen ethischen Grundkonsens des Parlaments zu einem Rechtstext ver- fasst. Entscheidend für das Ziel, das man erreicht, ist aber der Weg, den man geht, und damit der Punkt, von dem aus man ihn beginnt. Beide Ausgangspunkte, die uns ge- genwärtig zur Wahl stehen, sind nicht vollends die mei- nen. Der von mir unterstützte Gesetzentwurf aber kommt der Regelung, die ich mir vorstelle, weit näher. Die ethischen Linien, die ihn leiten, teile ich, auch wenn ich ihnen nicht in die Verästelung jedes Einzelergebnis- ses – etwa die Maßgeblichkeit „guter Sitten“ für die Wirksamkeit einer Verfügung – folge. Ich habe mich deshalb entschieden, den Gesetzentwurf mitzustellen. Ich sage nicht: Was hier vorliegt, ist mein Endergebnis. Doch es ist mein Ausgangspunkt, ein guter Ausgangs- punkt. Ich habe eben von der Verantwortung gesprochen, die mit Freiheit einhergeht. Sie trifft auch uns. Mit der Frei- heit des Abgeordneten, die bei einer Gewissensentschei- dung wie dieser – jedenfalls in meiner Fraktion – zu ih- rem vollen Recht findet, verbindet sich unsere Verantwortung für die Entscheidung, die wir in voller Freiheit treffen können. Sie wird vielleicht uns selbst be- t f w w E d V v a s r m D E w d B b k ü Z m i u m m m T s s g k e G g M b M d n g Z m W d s J d d l M (C (D reffen, die, die wir lieben, die, die uns nahe stehen, die, ür die wir hoffen und oft auch beten. Wenn das Be- usstsein dieser Verantwortung unsere Beratungen trägt, ird manche Debatte kontrovers und pointiert, aber das rgebnis ein differenziertes sein. Und wenn allein schon unsere ernsthafte Debatte azu führt, dass mehr Menschen auf das Instrument der erfügung aufmerksam werden, sich informieren und on ihm Gebrauch machen, dann hat sie mehr bewirkt ls viele Gesetze an Folgen erbringen. Ein Letztes: Ich habe den Eindruck, dass unsere Ge- ellschaft immer mehr nach Sinn, Zweck und Ziel unse- es Lebens sucht und deshalb die Auseinandersetzung it dem Ende des Lebens verdrängt, wo immer sie kann. ie Auseinandersetzung mit dem Tod macht uns unsere ndlichkeit bewusst, sie zeigt aber zugleich deutlich, ie sehr wir uns mit dem Jetzt und dem Hier auseinan- ersetzen müssen. So paradox es auch klingen mag: Das ewusstsein vom Tode schärft die Bewusstheit des Le- ens. Nur wer weiß, dass alle Entwicklung ein Ende hat, ann seine eigene Entwicklung gestalten. Nur wer nicht bersieht, wie knapp die Zeit auf Erden ist, wird jene eit, die ihm gegeben ist, nutzen. Unsere Konfrontation mit dem Ende des Lebens, die anches Mal nahezu ein Tabu in unserer Gesellschaft st, finden wir in den Bereichen Organspende, Testament nd eben der Patientenverfügung am deutlichsten. Eine oderne Gesellschaft muss aber die Auseinandersetzung it dem Thema suchen. Alleine deshalb ist die parla- entarische Debatte über die beste Lösung schon ein eil derselben. Denn Glück ist kein Ziel des Lebens, ondern ein wesentlicher Teil desselben. Norbert Geis (CDU/CSU): Die Patientenverfügung tellt eine Möglichkeit dar, die Selbstbestimmung fort- elten zu lassen, wenn die aktuelle Entscheidungsfähig- eit verloren gegangen ist. Die Zahl der im Umlauf befindlichen Formulare für ine Patientenverfügung beträgt weit über hundert. Die ründe für das Interesse sind unterschiedlich. Eine roße Rolle spielt die Angst vieler alleinlebender alter enschen. Sie spüren von Tag zu Tag mehr, wie die Le- enskräfte schwinden und sie mehr und mehr auf andere enschen angewiesen sind. Sie wollen nicht, dass sie ann, wenn sie sich selbst nicht mehr bestimmen kön- en, von den Entscheidungen fremder Menschen abhän- ig und ihnen hilflos ausgeliefert sind. Hinzu kommen die Forschritte in der Medizin, die weifel aufkommen lassen, ob alles, was die Medizin achen kann, auch wirklich dem Wohlergehen und den ünschen der Menschen entspricht. Zweifellos spielt auch ein überzogenes Verständnis er eigenen Fähigkeit zur Autonomie eine Rolle. Mit der tärker werdenden Individualisierung tritt seit den 60er- ahren die Selbstbestimmung der Menschen in den Vor- ergrund. Damit setzt auch ein Wandel vom Verständnis er Würde des Menschen ein. Es herrscht die Vorstel- ung, dass nicht das Leben, nicht die Tatsache, dass der ensch als Mensch geboren wird, ihm Würde verleiht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9279 (A) ) (B) ) Vielmehr, so die vorherrschende Einstellung, ist die Würde des Menschen allein abhängig von seiner Fähig- keit, über sich selbst zu bestimmen und Fremdbestim- mung abzuwehren. Dieses selbstbestimmte Leben soll bis zum Tod möglich sein. Dann, wenn der Mensch die eigene Entscheidungsfähigkeit durch Krankheit verliert, soll die Patientenverfügung helfen, den eigenen Willen gegen die eigenen Verwandten, gegen das Pflegeperso- nal, gegen die Ärzte durchzusetzen. Das ärztliche und pflegerische Ethos der Fürsorge wird dabei pauschal als Fremdbestimmung angesehen. Deshalb ist für die Medizin mehr und mehr nicht mehr das Wohlergehen des Patienten oberster Grundsatz ärzt- licher und pflegerischer Behandlung. Der Wille des Pa- tienten steht im Vordergrund und ist auch dann zu befol- gen, wenn der Mensch sich dadurch vermeidbaren Schaden zufügt. Die Rechtsprechung ist dieser Entwicklung gefolgt und hat den Patientenwillen in den Vordergrund gestellt. Dabei trat immer mehr in den Hintergrund, dass Ärzte und Pflegepersonal aus eigener Verantwortung handeln und nicht nur Erfüllungsgehilfen des Patienten sind. Wohl gilt für beide Entwürfe, die inzwischen vorge- legt wurden, der Grundsatz, dass die völlig freie Reich- weite der Patientenverfügung dann keine Geltung haben kann, wenn der Patient von den behandelnden Ärzten und dem Pflegepersonal die aktive Sterbehilfe verlangt. Tötung auf Verlangen wird auch im Stünker-Entwurf ab- gelehnt. Doch stellt sich schon jetzt die Frage, wie lange noch. Beide Entwürfe stimmen darin überein, dass in den Fällen, in denen das Grundleiden einen irreversiblen Verlauf genommen hat und der Tod in kurzer Zeit eintre- ten wird, der Wille des Patienten volle Geltung haben soll. Insoweit folgen beide Entwürfe dem Gebot, dass der Patient ein Recht darauf hat, dass sein Tod nicht hinaus- gezögert, der Sterbevorgang nicht künstlich verlängert wird, sondern dass er in Würde dem Tod entgegengehen kann. Dann, wenn der Tod unmittelbar bevorsteht, darf also die ärztliche Behandlung abgebrochen werden, darf auch die künstliche Beatmung beendet werden, dürfen auch Schmerzmittel verabreicht werden, auch wenn da- durch das Leben verkürzt wird, weil diese Behandlung der Linderung der Schmerzen dient, nicht aber der Tö- tung des Patienten. In all diesen Handlungen und Unter- lassungen liegt keine aktive Sterbehilfe, sondern allen- falls eine passive, nicht strafbare, sondern im konkreten Fall sogar gebotene Sterbehilfe vor. Die Entwürfe gehen aber in den Fällen auseinander, in denen eine schwere Krankheit vorliegt, die aber nicht unmittelbar zum Tod führt. Es handelt sich um Fälle des Wachkomas oder der schwersten Demenz. In diesen Fäl- len will der Entwurf des Abgeordneten Stünker die Patientenverfügung bedingungslos gelten lassen. Der Bosbach-Entwurf sieht eine Beschränkung der Reich- weite der Patientenverfügung vor. Die unbedingte Geltung der Patientenverfügung ent- spricht nicht dem realen Leben. Ein in einer Patientenver- fügung festgelegter Wille kann nicht mit dem aktuellen W g m e z k k li li B d a a n k d b f s v d r i h g g i B f V p d d G d P g m n P F g f ß K d w K i t ü g P w r (C (D illen vor dem Eintritt der Entscheidungsunfähigkeit leichgesetzt werden. Eine Patientenverfügung kann un- öglich den konkreten Einzelfall genau erfassen, „Denn ine Patientenverfügung ist immer eine Willensäußerung u einem vorangegangenen Zeitpunkt in Unkenntnis der onkreten Umständen eines späteren Krankheitsfalles. Wir önnen im Vorhinein zwar vermuten, aber nicht unumstöß- ch wissen, was wir in einem solchen Krankheitsfall wirk- ch wollen“, schreibt Bosbach in seinem Entwurf – egründung E, Seite 11. Deshalb sieht der Bosbach-Entwurf vor, dass zumin- est die Basisversorgung, was als Nahrungszufuhr und ls sonstige pflegerische Maßnahmen zu verstehen ist, uch gegen den in der Patientenverfügung ausgesproche- en Willen dem entscheidungsunfähigen Patienten zu- ommen muss. Diese Basisversorgung richtet sich auf ie Erhaltung des Lebens und ist nicht lediglich, wie eim sterbenden Patienten, Linderung der Schmerzen. Diese Beschränkung der Reichweite durch die so de- inierte Basisversorgung ist zweifellos eine richtige Ent- cheidung. Es kann von den behandelnden Ärzten und on dem Pflegepersonal nicht verlangt werden, dass sie urch Unterlassung eine Tötung des Patienten herbeifüh- en. Anders verhält es sich beim aktuellen Willen. Dieser st zu beachten. Niemand kann gegen seinen Willen be- andelt werden. Der Wille, der in der Patientenverfü- ung niedergelegt ist, kann dem aktuellen Willen nicht leichgesetzt werden. Die Patientenverfügung kann bei hrer Abfassung gar nicht vorausbestimmen, wie sich der etroffene im konkreten Fall bei voller Entscheidungs- ähigkeit entscheiden würde. Sie stellt daher nur eine ermutung dar. Daher sind die Ärzte und ist das Pflege- ersonal nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Im Wi- erspruch dazu aber soll der in der Verfügung zum Aus- ruck gekommene Wille des Patienten dennoch dann eltung haben, wenn es um die Verabreichung von Me- ikamenten geht. Hunger und Durst dürfen entgegen der atientenverfügung gestillt werden. Die Basisversor- ung darf vorgenommen werden, nicht aber die Medika- entierung. Dies ist ein Widerspruch. Deshalb darf nach meiner Auffassung für solche Fälle icht die unmittelbare rechtliche Bindungswirkung der atientenverfügung gesetzlich festgelegt werden. Für die älle, in welchen der Patient trotz schwerer Krankheit ute Aussicht hat, sein Leben fortzusetzen, darf die Ver- ügung nicht so behandelt werden, wie der aktuell geäu- erte Wille. Es ist nicht erkennbar, ob der Patient, der im oma liegt, tatsächlich noch an seinem Willen, den er in er Patientenverfügung geäußert hat, festhalten will. Wir issen nichts über die inneren Vorgänge, die sich im oma abspielen. Hier bleibt nur die Vermutung. Deshalb st es nicht zu rechtfertigen, in diesen Fällen durch Un- erlassen den Tod eines Menschen herbeizuführen. Heinz-Peter Haustein (FDP): Wir reden hier heute ber die Patientenverfügung, ein Thema, das uns alle an- eht, es betrifft jeden Menschen. Auch ist es kein neues roblem. Die hier in Rede stehenden Fragen sind so alt ie die Menschheit. Und doch gab es bislang weder die ichtige Aufklärung darüber, noch herrscht – auch nur 9280 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) ansatzweise – Klarheit über diese zum Teil komplexen rechtlichen Fragen. Die 200 existierenden Ratgeber und Leitfäden sind für dieses Durcheinander ebenso ein Be- leg, wie die teilweise kuriosen Antworten, die man er- hält, wenn man Menschen einmal nach der Thematik Pa- tientenverfügung befragt. Die Tatsache, dass lediglich 8 bis 14 Prozent der Menschen überhaupt eine Patienten- verfügung verfasst haben, zeigt die Notwendigkeit, auf diesem Feld aktiv zu werden. Für einen überzeugten Liberalen gibt es kaum eine zentralere Frage als die nach der eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensführung. Nichts liegt ei- nem Liberalen mehr am Herzen als das Selbstbestim- mungsrecht als Kern der Würde des Menschen – und diese ist, wie es im Grundgesetz steht, unantastbar. Von daher kann nach meiner tiefen Überzeugung am Ende dieser Diskussion nur ein Ergebnis feststehen: die Gültigkeit der Verfügung eines Menschen, die er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte einmal für das Eintre- ten bestimmter Umstände getroffen hat. Jedes Pferd, wenn es todkrank oder tödlich verletzt ist, bekommt den Gnadenschuss. Einem Mensch, kann man das Recht, sich selbst in bestimmten Lebensphasen und Lebenssi- tuationen gegen lebensverlängernde Maßnahmen zu ent- scheiden, nicht verwehren. Es muss nur endlich klar ge- regelt werden. Auch Bundespräsident Köhler hat sich 2005 dafür ausgesprochen, dass jeder Mensch in jeder Lebensphase selbst entscheiden kann, ob und welchen lebensverlän- gernden Maßnahmen er sich unterziehen möchte. Ebenso hat der Nationale Ethikrat 2005 in überwiegen- der Zahl seiner Mitglieder festgestellt, dass sowohl die Reichweite als auch die Verbindlichkeit der Verfügung nicht auf bestimmte Lebensphasen beschränkt werden sollen. Natürlich muss all das auf Freiwilligkeit beruhen. Niemand darf zur Verfassung einer Patientenverfügung gedrängt werden. Die Diskussion um die schwierige Frage, ob der vor- mals geäußerte Wille des Betroffenen auch noch dem tatsächlichen Willen in der aktuellen Situation entspre- che, was insbesondere bei Demenz zum Problem wird, ist ernst zu nehmen. Sie ist jedoch dadurch weitestge- hend auszuschließen, dass man die Praxis der Verfügung entsprechend gestaltet und regelt. Je konkreter, präziser, umfassender und aktueller die Patientenverfügung ver- fasst ist, umso weniger Raum bleibt für Interpretationen über den erklärten und den tatsächlichen Willen des Be- troffenen. Daher muss es hier eigentlich die dringlichste Aufgabe sein, das Verfassen der Patientenverfügung zu regeln. Anstatt über die Interpretation von Willensbe- kundungen zu reden, muss das Ziel sein, einen einheitli- chen Ratgeber und entsprechende Formulare und Vor- drucke zu entwickeln, die möglichst wenig Spielraum zulassen. Das Beachten der Ziele der größtmöglichen Konkretisierung, Detailliertheit und besonders der Aktua- lität kann viel dazu beitragen, Interpretationsspielräume zu minimieren. Dazu bedarf es stärkerer Aufklärung der Menschen zu den Möglichkeiten der Patientenverfü- gung, den rechtlichen Konsequenzen, die daraus folgen, sowie den neusten medizinischen Entwicklungen, bei- s M g W a G n S s s b n s r R b A s l e e n e v E T t n s J v I m v g m f g B a p e M q e b D h i s W (C (D pielsweise der Palliativmedizin oder der technischen öglichkeiten der Lebensverlängerung. Wir müssen die Menschen in die Lage versetzen, ei- enverantwortlich über ihr Lebensende zu entscheiden. enn die Menschen umfassend informiert sind, sind sie uch imstande, von ihrem Recht auf Selbstbestimmung ebrauch zu machen. Und sie werden dieses Recht auch utzen. Ich bitte, den Antrag der FDP zu unterstützen. Lassen ie uns die Patientenverfügung regeln, damit die Men- chen in die Lage versetzt werden können, selbstbe- timmt zu leben. Fritz Rudolf Körper (SPD): In der Koalitionsverein- arung haben die Koalitionsparteien beschlossen, „in der euen Legislaturperiode die Diskussion über eine ge- etzliche Absicherung der Patientenverfügung fortzufüh- en und abzuschließen“. Diese Vereinbarung geht zu echt davon aus, dass wir eine umfassende Diskussion enötigen. Die Patientenverfügung und ihre gesetzliche bsicherung betrifft die existenziellen Belange der Men- chen. Sie betrifft ihre Ängste vor einer Zwangsbehand- ung, aber auch vor einem vorzeitigen Ende, sie betrifft thische und verfassungsrechtliche Fragen. Ich begrüße s daher sehr, dass wir uns die Zeit für eine Diskussion ehmen, bevor die im Raum stehenden Gruppenanträge ingebracht werden. Die Vereinbarung, die Diskussion über die Patienten- erfügung „abzuschließen“, bedeutet, dass wir zu einem rgebnis kommen wollen, das dem Bedürfnis großer eile der Bevölkerung nach Rechtssicherheit Rechnung rägt. Ich möchte zur Veranschaulichung dieses Bedürf- isses aus zwei der überaus zahlreichen Briefen zu die- em Thema zitieren, die an das Bundesministerium der ustiz gerichtet wurden: „Ich bin 82 Jahre alt und auf eine wirksame Patienten- erfügung angewiesen. Völlig verunsichert durch eine nformation eines Rechtsanwalts wende ich mich an Sie it der Bitte um Hilfe. Der Anwalt sagt, eine Patienten- erfügung sei nur wirksam, wenn sie komplett von Hand eschrieben und notariell beglaubigt sei. Außerdem üsse sie durch Zeugen bestätigt werden. Ist meine Ver- ügung jetzt unwirksam?“ Eine 85-Jährige: „Ich habe eine Patientenverfügung emacht, die ich ständig bei mir trage. Mein 90-jähriger ekannter kam in das Krankenhaus. Die Kinder haben lle Papiere mitgebracht. Sie haben ihn jahrelang ge- flegt und wollten, dass er nun ohne Schmerzen den Tod rdulden kann. Aber alle Vorsorge war umsonst. Der ann wurde trotz Koma mit Operationen aller Art ge- uält. Kann man nicht endlich der Patientenverfügung ine gesetzliche Grundlage geben?“ Nach Schätzung der deutschen Hospizstiftung gibt es ereits jetzt über 7 Millionen Patientenverfügungen. iese Menschen – von denen ich gerade zwei zitiert abe – befürchten, schwersten ärztlichen Eingriffen in hre körperliche Integrität nur deswegen ausgeliefert zu ein, weil sie eines Tages nicht mehr zur Äußerung ihres illens in der Lage sind. Sie verlangen das Recht, auch Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9281 (A) ) (B) ) für diesen Fall im Wege der Patientenverfügung selbst eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung be- trifft im Kern die Frage, ob und unter welchen Umstän- den der Lauf der Dinge als Schicksal hingenommen wer- den soll oder ob dieser Lauf durch ärztliche Eingriffe unter allen Umständen aufgehalten werden soll, auch ge- gen den zuvor erklärten Willen des Betroffenen. Nicht nur die Betroffenen, auch die Angehörigen, die Ärzte, die Pfleger und die rechtlichen Vertreter des Ster- benden haben einen Anspruch auf einen klaren rechtli- chen Rahmen, der die Verbindlichkeit der Patientenver- fügung für alle Beteiligten klarstellt. Der BGH hat zwar mit Beschluss vom 17. März 2003 die Bindungswirkung der Patientenverfügung grundsätz- lich anerkannt, gleichzeitig aber eine gesetzliche Rege- lung angemahnt. In der Tat besteht ein dringender Klä- rungsbedarf im Hinblick auf die Reichweite einer Patientenverfügung, im Hinblick auf die formellen Vo- raussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung und im Hinblick auf die Einschaltung des Vormundschafts- gerichts. Die Patientenverfügung ist ein Instrument der Vor- sorge. Mit ihrer Hilfe können die Bürgerinnen und Bürger vorsorgend darüber entscheiden, ob im Fall ihrer späteren Entscheidungsunfähigkeit unter bestimmten Umständen ärztliche Eingriffe vorgenommen werden dürfen oder aber nicht. Letzteres läuft im Grenzfall auf die Anwei- sung des Betroffenen hinaus, das Sterben geschehen zu lassen und auf ärztliche Gegenmaßnahmen zu verzichten. Vor einer Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der vorliegenden Gesetzesvorschläge sollten wir uns mit einer Grundsatzfrage auseinandersetzen. Sie betrifft un- ser eigenes Selbstverständnis als Gesetzgeber und unser Verständnis von der Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger, selbstverantwortlich ihre eigene Entscheidung zu treffen: Wollen wir dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Eigenverantwortlichkeit entsprechen, oder wollen wir die Entscheidungsfreiheit der Bürgerin- nen und Bürger aufgrund der Schwierigkeiten, die unbe- stritten mit einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung verbunden sind, per Gesetz einschränken? Das Thema „Patientenverfügung“ weckt die verschie- densten Ängste, auch bei uns Abgeordneten. Es geht um eine Problematik, die mit dem Lebensende, mit einem Leben mit Behinderungen, mit schwersten Eingriffen und letztlich mit dem Tod verbunden ist. Wer eine Pa- tientenverfügung verfasst hat, kennt das Zögern vor ei- ner Festlegung. Aber wir müssen hier ganz klar zweier- lei auseinanderhalten: Die Schwierigkeiten und Ängste, die mit einer Festlegung für jeden von uns verbunden sind, mögen ein guter Grund dafür sein, selbst von einer Patientenverfügung abzusehen. Aber sind sie kein Grund dafür, anderen Menschen die Option einer selbstverant- wortlichen Selbstbestimmung zu nehmen! Damit wür- den wir als Gesetzgeber unsere persönliche Entschei- dung als Abgeordnete an die Stelle der Entscheidung durch die Betroffenen setzen. Damit bin ich bei dem Hauptstreitpunkt angelangt, der sogenannten Reichweitenbegrenzung, wie sie in dem E R t g o n F n c W ä f l s D „ L t G s – H n d t n t f d t F m d C s r e ß e r A u i d u t C a f d P v ü k d s (C (D ntwurf eines Gruppenantrags der Kollegen Bosbach, öspel, Winkler und Fricke vorgesehen ist. Reichwei- enbegrenzung bedeutet: eine Patientenverfügung ist rundsätzlich unbeachtlich, wenn sie die Nichtvornahme der den Abbruch lebenserhaltender medizinischer Maß- ahmen anordnet. Eine Ausnahme gilt – abgesehen vom all des Wachkoma – nur dann, wenn das Grundleiden ach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar einen tödli- hen Verlauf angenommen hat. In dem unscheinbaren örtchen „unumkehrbar“ ist versteckt, dass sämtliche rztliche Maßnahmen auch gegen den Willen des Betrof- enen erlaubt sein sollen, die den tödlichen Verlauf mög- icherweise „umkehren“ können, was immer das heißen oll. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Jörg- ietrich Hoppe, sagt hierzu im „Spiegel“ dieser Woche: Die Reichweitenbeschränkung führt praktisch zu einer ebensverlängerung um jeden Preis. Das lehnt die Ärz- eschaft klar ab.“ Dem kann ich nur zustimmen. Im gleichen „Spiegel“- espräch wird eine der Folgen einer Reichweitenbe- chränkung beschrieben: Ein 98-jähriger Greis müsste entgegen seinem eindeutigen Willen – nach einem erzstillstand auch dann reanimiert werden, wenn er da- ach mit schwersten Hirnschäden künstlich ernährt wer- en müsste. Und warum? Nur deshalb, weil dies eben echnisch machbar ist. Genau dies wollen all die Millio- en Bürgerinnen und Bürger verhindern, die eine Patien- enverfügung abgefasst haben. Selbstverständlich kann nur ein Arzt aufgrund seiner achlichen Kenntnisse die Prognose stellen, ob eine me- izinische Maßnahme – möglicherweise – das Leben ret- en oder auch nur verlängern kann. Das steht außer rage. Die Befürworter einer Reichweitenbeschränkung achen von dieser, Prognose allerdings eine entschei- ende rechtliche Folge abhängig: Nur wenn der Arzt die hance einer Rettung oder Lebensverlängerung aus- chließt, soll der Patientenwille in den fraglichen Fällen echtlich verbindlich sein. Dies bedeutet, dass nicht nur in sicherer sondern auch ein unsicherer, sogar ein äu- erst unsicherer, ein nur theoretisch möglicher Heilungs- rfolg dazu zwingt, ärztliche Maßnahmen durchzufüh- en. Mit einem derartigen Gesetz würden wir, die bgeordneten, über den Willen unserer Mitbürgerinnen nd -bürger hinweggehen. Wir, nicht die Ärzte, würden hren Willen für unbeachtlich erklären. Eine Prognose ist gerade bei den hier infrage stehen- en schweren Gesundheitsschäden naturgemäß immer nsicher. So ist beispielsweise der Erfolg einer Chemo- herapie nur begrenzt vorhersehbar. Also müsste eine hemotherapie aufgrund der gesetzlichen Vorgaben uch gegen den erklärten Willen des Patienten durchge- ührt werden, falls dieser sich nicht mehr aktuell gegen iesen Eingriff wehren kann. Wir, die Befürworter einer unbegrenzt verbindlichen atientenverfügung, sehen uns hingegen moralisch und erfassungsrechtlich dazu verpflichtet, die Entscheidung ber einen personalen Kernbereich, dem Eingriff in die örperliche Unversehrtheit, demjenigen zu ermöglichen, er die Folgen dieser Entscheidung zu tragen hat. Wir ind der Ansicht, dass den Betroffenen auch dann ein 9282 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Recht auf Entscheidung über ärztliche Eingriffe zu- kommt, wenn diese Entscheidung zwangsläufig nur im Vorfeld der kritischen Situation getroffen werden kann. Die Patientenverfügung ist eine Option. Das heißt, es steht den Bürgerinnen und Bürgern frei, ob sie überhaupt eine derartige Entscheidung treffen wollen, ob und unter welchen Bedingungen sie mit einer Patientenverfügung ärztliche Maßnahmen einschränken, oder ob sie im Ge- genteil eine möglichst umfassende ärztliche Versorgung verfügen wollen. Die Befürworter einer Einschränkung der Verfügungs- macht des Patienten argumentieren mit einem angebli- chen Spannungsverhältnis zwischen der freien Entschei- dung des Bürgers und seinem – angeblich – objektiv bestimmbaren Wohl. Oder sie berufen sich auf eine Pflicht des Staates zum Lebensschutz. Ich möchte hier nicht diskutieren, ob der Staat im Wege des Gesetzes ge- gen den freien Willen des Betroffenen körperliche Ein- griffe mit dem Ziel des Lebensschutzes ermöglichen darf. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer derartigen Vorgabe besteht mit Sicherheit nicht. Also müssen wir das Ergebnis dieser Meinung poli- tisch bewerten: Diejenigen, die sich selbst zum Schützer fremden Lebens ernannt haben, kommen im Ergebnis dazu, die Freiheit der Bürger aus Fürsorgegründen in ei- nem zentralen Kernbereich der Selbstbestimmung einzu- schränken. Sie begründen dies mit dem angeblich „ob- jektiv“ bestimmbaren Wohl der Betroffenen. Ich weiß nicht, woher sie den Maßstab dieses „objektiven“ Wohls hernehmen wollen. Das menschliche „Wohl“ ist aus mei- ner Sicht im Gegenteil eine sehr subjektive Angelegen- heit. Die angebliche „Objektivität“ des Wohls wird da- durch erzeugt, dass der Maßstab des Betroffenen durch den eigenen Maßstab ersetzt wird. Ich halte dies für nicht verantwortbar. Wir Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollten uns im Gegenteil damit bescheiden, den Bürgerinnen und Bürgern den Rahmen für eine – mögliche – Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Wir können und sollten nicht anstelle der Bürger entscheiden wollen. Denn hinter dem Arzt können wir uns nicht ver- stecken: Es ist nicht der Arzt, der über die Durchführung einer Maßnahme entscheidet. Der Arzt gibt lediglich eine Prognose über den Erfolg möglicher medizinischer Maßnahmen ab. Es wäre der Gesetzgeber, der im Wege einer Reichweitenbegrenzung an die ärztliche Prognose die gesetzliche Folge knüpft, dass die mögliche ärztliche Maßnahme auch gegen den Willen des Betroffenen durchzuführen ist. Diese Entscheidung hätte allein der Gesetzgeber zu verantworten. Der Arzt wäre nur das Werkzeug, und der Patient das Objekt einer gesetzlichen Entscheidung. Ich halte eine derartige Anmaßung des Gesetzgebers für unverantwortlich. Die Argumente derjenigen, die eine derartige Rege- lung befürworten, überzeugen nicht. Selbstverständlich ist die Patientenverfügung eine Anweisung für eine künftige Entscheidungssituation. Die Patientenverfü- gung wird zu einem Zeitpunkt verfasst, in der die fragli- che Situation nur vorgestellt, möglicherweise bei ande- ren Menschen oder mithilfe der Medien miterlebt, aber eben nicht unmittelbar am eigenen Leib erfahren werden k m s S s e b ü w t u e d u l p t d W m s s S m F j m k h w m d M t d a S m e P d E s s v J j b P d f E (C (D ann. Das bestreitet niemand. Es bestreitet auch nie- and, dass das Leben mit amputierten Beinen oder quer- chnittsgelähmt oder in einem sogenannten vegetativen tatus für einen gesunden Menschen nur schwer vor- tellbar ist. Doch was folgt daraus? Dass andere darüber ntscheiden sollen? Zunächst einmal ist dies nicht grundsätzlich ein Pro- lem nur der Patientenverfügung. Auch ein Patient, der ber eine unmittelbar anstehende Amputation selbst be- usst entscheiden kann, kann sich die Folgen der Opera- ion nur vorstellen. Die Folgen sind immer zukünftig nd werden erst später erlebt und durchlitten. Ist dies twa ein Argument gegen die Selbstbestimmung auch es aktuell einwilligungsfähigen Patienten? Dann müssen wir klar sehen, dass der Ausgangspunkt nserer Überlegungen zur Patientenverfügung darin iegt, dass eine Entscheidung des Patienten zum Zeit- unkt des Eingriffs nicht möglich ist. Nicht die Patien- enverfügung, sondern die Wege des Schicksals schaffen ieses Problem. Die Patientenverfügung ist der einzige eg, um dieses Problem im Wege der Selbstbestim- ung dennoch zu entscheiden. Eine vorgezogene Ent- cheidung ist der einzige Weg, wenn aktuell nicht ent- chieden werden kann. Wer dies als nur „vermeintliche elbstbestimmung“ kritisiert, stellt die Selbstbestim- ung insgesamt infrage. Die Alternative heißt schlicht remdbestimmung; Fremdbestimmung, in der das „ob- ektive Wohl“ des Patienten gegen seinen Willen und da- it gegen ihn selbst ausgespielt wird. Die Problematik einer vorsorgenden Entscheidung ann daher aus meiner Sicht nur folgende Konsequenzen aben: Jeder, der eine Patientenverfügung verfassen ill, sollte sich im eigenen Interesse so umfassend und it dem gleichen Ernst informieren, als ob die Entschei- ung unmittelbar anstünde. Der Gesetzgeber sollte den enschen empfehlen, sich vor Abfassung einer Patien- enverfügung von einem Arzt, einem Rechtsanwalt, von en Beratungsstellen der Kirchen oder anderer Verbände usführlich beraten zu lassen. Die Patientenverfügung ist eine Option, mehr nicht. ie soll dazu dienen, den Menschen aus der Logik des edizinisch Machbaren zu befreien, da diese Logik die xistenzielle Dimension des Schicksals nicht kennt. Die atientenverfügung soll dazu dienen, den Respekt vor er Würde des Menschen mit dem Respekt vor seinen ntscheidungen zu verbinden, da die Nichtbeachtung eines Willens die Nichtbeachtung seiner Würde nach ich zieht. Niemand wird gezwungen, sich durch eine Patienten- erfügung festzulegen. Der Entwurf des Kollegen oachim Stünker gibt nur die Freiheit, dies jederzeit und ederzeit widerrufbar zu tun. Eine nur eingeschränkt ver- indliche Patientenverfügung unterwirft hingegen den atienten dem Regime des medizinisch Machbaren. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Vor meinem Stu- ium habe ich ein Jahr in einer kirchlichen Einrichtung ür geistig und mehrfach Behinderte gearbeitet. Diese rfahrung hat mich sehr geprägt, sie ist für mich ein Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9283 (A) ) (B) ) wichtiger Grund, bei der anstehenden gesetzlichen Re- gelung der Patientenverfügungen nur einer solchen Fas- sung zuzustimmen, die das Recht auf Selbstbestimmung in keiner Weise einschränkt. Neben den gesetzlichen Grundlagen, die nun von uns auf den Weg gebracht werden müssen, fragen wir aber meiner Meinung nach viel zu wenig nach den gesell- schaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen Men- schen in unserem Land Alter und Krankheit, Pflegebe- dürftigkeit und schließlich den Prozess des Sterbens durchmachen. Die Verantwortung der Politik für diese Bedingungen ist aber genauso groß, wenn nicht noch größer als die dafür, einzelne Fragen gesetzlich zu re- geln. Ärzte und Patienten begegnen sich nicht in einem idea- len Raum, sondern unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen. Von unserem Gesundheitswesen wurde in den letzten Jahren vor allem eines verlangt: Kostensen- kung, Wenn in einem System nicht genug Geld vorhan- den ist, geht dies immer zulasten seines schwächsten Gliedes, und das ist eindeutig der Patient. Das von der Bundesärztekammer beschworene Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten basiert auf der Vorausset- zung, dass der Arzt alles in seinen Möglichkeiten Ste- hende tun wird, die Leiden des Patienten zu lindern. Wenn den Medizinern allerdings immer engere ökono- mische Grenzen gesetzt werden, beeinflussen diese, be- wusst und unbewusst, ihre ärztlichen Entscheidungen. Das wissen wir nicht erst seit der Einführung der Arznei- mittelbudgetierung. Freunde, die hier in Berlin seit Jahren eine ambulante Hauskrankenpflege betreiben, berichteten mir über fol- gende Erfahrungen: Häufiger als früher treffen heute hoch betagte, multimorbide Patienten, die aufgrund aku- ter Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert werden, auf Ärzte, deren Entscheidung lautet: „Da machen wir nichts mehr.“ Gegebenenfalls könnte das Leben dieser Patienten durch therapeutische Maßnahmen – ich rede hier bewusst noch nicht einmal von intensivmedizini- scher Behandlung – verlängert werden. Doch nicht im- mer werden Patienten und Angehörige überhaupt über diese Möglichkeiten aufgeklärt. Ebenso ist zu erleben, dass Entscheidungen zum Beginn kostenintensiver The- rapien bei chronischen Erkrankungen, etwa von Dialyse- behandlungen, zu Ungunsten der Patienten zeitlich so weit wie möglich nach hinten verschoben werden. Es gibt offenbar bereits jetzt eine Art Aufwand-Nutzen-Ab- wägung, die nicht zuerst nach dem Wohl und auch nicht nach dem Willen des Patienten fragt. Dagegen dürften auch Patientenverfügung machtlos sein. Oder sollte man für solche Fälle das bisher Selbstverständliche verfügen: Ich wünsche ausdrücklich, dass bei mir alle vorhandenen medizinischen Möglichkeiten der Lebensverlängerung angewandt werden? Die medizinische Forschung bringt immer neue, aber auch immer teurere Therapien hervor. Für wen werden sie infrage kommen? Und bei wem wird die Entscheidung darüber liegen? Beim Arzt, bei der Krankenkasse oder bei der Hausbank? Wenn Menschen aus Angst davor, hilflos, abhängig und ihrer Würde beraubt zu werden, Patientenverfügun- g a d m m s u b D f w D m g s t n t N A v K s T a l k g c d D r s m s a l F v t t f z f t n B t s f i r l m (C (D en erstellen, in denen sie alle möglichen Behandlungen blehnen, um lieber zu sterben, als dies zu erleiden, ist ie Sicherung ihres formalen Rechtes auf Selbstbestim- ung nur die eine Seite der Medaille. Die andere aber üsste darin bestehen, dass die Gesellschaft ihre Res- ourcen zielgerichtet einsetzt, um diesen durchaus nicht nberechtigten Ängsten den Boden zu entziehen. Ich bin esorgt darüber, dass dieses Problem in der bisherigen ebatte kaum thematisiert wurde, denn es rührt an ver- assungsmäßig verbriefte Grundrechte, die zu schützen ir alle aufgerufen sind. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): er Deutsche Bundestag hat heute eine Debatte über die ögliche gesetzliche Regelung für Patientenverfügun- en begonnen. Diese Debatte sehr intensiv, offen und achlich zu führen, ist angesichts der ethischen und fak- ischen Bedeutung des Themas und möglicher Folgen ei- er gesetzlichen Regelung besonders wichtig und rich- ig. In kaum einer anderen Debatte gibt es eine so große otwendigkeit der freien Gewissensentscheidung der bgeordneten sowie des tiefen gegenseitigen Respekts or dem Abstimmungsverhalten der Kolleginnen und ollegen, unabhängig von deren Ausrichtung. Neben den aktuell in Erarbeitung befindlichen Ge- etzentwürfen wird in der öffentlichen Debatte zum hema von vielen Seiten zu bedenken geben, dass die ktuelle Rechtslage ausreicht und weitergehende gesetz- iche Regelungen neue Probleme und Konflikte bringen önnen. Bei detaillierter Betrachtung der derzeit vorlie- enden Entwürfe teile ich diese Bedenken. Bereits heute gibt es Möglichkeiten einer weit rei- henden und verbindlichen Patientenverfügung. Über eren Möglichkeiten sollte besser aufgeklärt werden. och die Debatte gilt es aus meiner Sicht breiter zu füh- en: Wir brauchen eine neue, palliative Kultur im Zu- ammenhang mit schwerer Krankheit und Sterben. Leben verläuft in sich wandelnden Phasen. Es ist aus einer Sicht nur schwer möglich, in einer Phase zu wis- en, wie man in der nächsten Phase Veränderungen und uch Krankheit bewertet, und zu wissen, wie man dann eben will. Der Wille des Menschen kann sich ändern, in ragen des Lebens allemal. Es gibt zahlreiche Beispiele on vermeintlich unheilbar Kranken oder Komapatien- en, die entgegen der ärztlichen Prognosen eine qualita- iv positive Entwicklung in ihrem Krankheitsverlauf er- ahren konnten. Eine verbindliche gesetzliche Regelung u Patientenverfügungen begrenzt eine individuelle, achlich fundierte und trotzdem ethisch orientierte Bera- ung und Begleitung von Schwerkranken. Sie kann so zu euen Problemen und Gewissenskonflikten für Ärzte, etreuungspersonal und Angehörige führen. Die Diskussion um die Rechtsverbindlichkeit von Pa- ientenverfügungen ist auch eine Debatte um gesell- chaftliche Werte. Das grundsätzliche Recht auf Leben ür jeden Menschen darf nicht zur Disposition stehen. Es st Aufgabe des Gesetzgebers, das irreversible Lebens- echt unbedingt zu schützen. Es gilt daher eine Entwick- ung zu verhindern, bei der bestimmte Krankheitsbilder it Vorstellungen eines lebensunwerten Lebens verbun- 9284 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) den werden. Es darf außerdem keinesfalls geschehen, dass in unserer Gesellschaft Druck auf ältere und chro- nisch kranke Menschen entsteht, durch Vorsorge und entsprechende Verfügungen dafür zu sorgen, dass sie der Gesellschaft im Krankheitsfall nicht „zur Last“ fallen. Die Begleitung und Pflege kranker und sterbender Men- schen ist eine moralische Verpflichtung und ein besonde- rer gesellschaftlicher Wert. Es muss stets klar sein, dass sich unsere Gesellschaft dieser Verantwortung bewusst ist und kranke, behinderte und auch sterbende Menschen solidarisch trägt und unterstützt. Michael Roth (Heringen) (SPD): Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt im Leben wie im Sterben. Menschen sollen in Würde ster- ben. Nicht wenige zweifeln, ob das gelingt. Wir leben in einer Zeit, die uns immer wieder suggeriert, alles sei möglich, beherrsch- und gestaltbar. Oftmals setzen wir das im Hinblick auf unsere persönliche Lebensführung mit vermeintlicher Autonomie gleich. Aber haben wir uns nicht doch eher den Verwertungsprinzipien des Marktes allzu sehr unterworfen? Wir sehen nicht allein in Dingen, sondern auch im eigenen Leben oft nicht mehr den Wert, sondern nur noch den Preis. Der Wert des Lebens, seine Unveräußerlichkeit, seine Einzigartig- keit geraten öfter in den Hintergrund. Individuelle Schwächen sind auszumerzen, der Mensch soll stets und überall funktionieren. Dass auch das Sterben seine Zeit hat, ist uns fremd geworden. Wir schweigen uns dazu aus. Aus dem Schweigen erwächst Angst, Angst vor Krankheit, vor Schmerz, dem Alleinsein. Während noch vor wenigen Jahrzehnten die Angst vor mangelnder medizinischer Versorgung im Vordergrund stand, wird unser Denken heute bestimmt von der Angst vor medizinischer „Über- versorgung“. Niemand will der sogenannten Apparate- medizin hilflos ausgeliefert sein. Wir behaupten, keine Angst vor dem Tod, nur vor dem Sterben zu haben. So wie wir unser gesamtes Leben in Beziehung zu Anderen setzen, zu Familie und Freunden, so gilt dies auch für das Sterben. Unser ganzes Leben ist davon geprägt, Ver- antwortung für sich und andere zu übernehmen. Dies schließt Abhängigkeit voneinander ein und fordert ge- genseitige Hilfeleistung. Warum sollten diese Beziehun- gen in Phasen schwerster Erkrankung, des Sterbens nicht mehr belastbar sein? Darf man seinen Angehörigen in der letzten Lebensphase nicht mehr zur Last fallen? Ist es gerechtfertigt, das Warten auf den Tod zwanghaft zu verkürzen, um Schmerzen und Hinfälligkeit zu entge- hen? All dies verstört uns und kulminiert in einer emotio- nal geführten Debatte um Patientenverfügungen. Nicht wenige meinen ernsthaft, sich selbst und ihren Angehö- rigen durch schriftliche Verfügungen solche Zumutun- gen ersparen zu können. Selbstverständlich haben die Patientenverfügungen ihren Wert, sind Hilfe für Familie, Pflegende und Ärzteschaft, geben Orientierung in Pha- sen der Unsicherheit und des Zweifels. Aber sie sind kein taugliches Instrument zur Erleichterung des Ster- bens, dürfen es auch nicht sein. W G E s w d B c b s B i s b l d s M d d G w s r i g z u d i ö w s k t k k t m b s g h v n d c g K s s e (C (D Wer den Schwerstkranken, den Sterbenden ihre ürde bewahren will, muss Beistand und Hilfe leisten. erade dies ist Ausdruck menschlicher Freiheit. Wer am nde seines Lebensweges angekommen ist, hat An- pruch auf Fürsorge und Betreuung. Sterbende sollen eitestgehend schmerzfrei dem Tod entgegengehen. Für ie Angehörigen ist dies oftmals mit einer ungeheuren elastung und Zumutung verbunden, physisch wie psy- hisch. Jeder von uns, der sich in einer solchen Situation efunden hat, wird dies sicher bestätigen können. Aber in „Zumutung“ steckt „Mut“: Es erfordert Mut, ich auf einen Sterbenskranken einzulassen. Aus der armherzigkeit, die man selbst aufzubringen bereit und n der Lage ist, erwächst auch Hoffnung, dass einem elbst Barmherzigkeit zuteil werden kann. Angehörige rauchen dabei alle Unterstützung: organisatorisch, zeit- ich, finanziell. Und immer dann, wenn Sterbebegleitung urch Freunde und Familie nicht zu gewährleisten ist, ind Hospize sinnvolle Alternativen. Es gilt, denen zu danken, die sich dieser Aufgabe mit ut, Ausdauer und Kraft widmen. Das ist gelebte Soli- arität, ja Liebe zum Nächsten. Im Rahmen der Reform der Pflegeversicherung ist em angemessen Rechnung zu tragen. Das kostet viel eld. Aber es wird dringend gebraucht – der Menschen- ürde wegen. Ebenso sind die Förderung und der ver- tärkte Einsatz der Palliativmedizin nachdrücklich vo- anzutreiben. Wir brauchen ein flächendeckendes, ntegriertes Angebot von Schmerztherapiebehandlun- en, Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sowie Hospi- en. Hier sehe ich maßgeblich die Politik, insbesondere ns als Gesetzgeber, in der Pflicht. Im Mittelpunkt unseres Handelns hat die Fürsorge für en Patienten zu stehen. Wenn es medizinisch möglich st, muss dem Patienten eine neue Lebensperspektive er- ffnet werden. Die medizinische Entwicklung schreitet eiter rasant voran mit vielen neuen Chancen, trotz chwerster Krankheit menschenwürdig weiterleben zu önnen. Dem muss auch die Patientenverfügung Rechnung ragen. Sie ist daher zwangsläufig zu begrenzen. Dies ann mit dem garantierten Recht auf Selbstbestimmung ollidieren. Aber es ist schon abstrus, wie die Befürwor- er einer schrankenlosen Geltung der Patientenverfügung it extremen Einzelfällen die Debatte in ihrem Sinne zu eeinflussen trachten. Die rechtliche und moralische Un- icherheit, selbst bei detailliert formulierten Verfügun- en, bleibt doch bestehen. Machen sich Ärzte und Ange- örige allein dadurch schuldig, dass sie den ermeintlichen oder tatsächlichen Willen des Patienten icht konsequent umsetzen? Oder macht sich nicht auch erjenige zumindest moralisch schuldig, der Lebens- hancen, mögen sie auch gering sein, bewusst ignoriert? Unabhängig von der Abfassung von Patientenverfü- ungen besteht stets Interpretationsbedarf. Endgültige larheit vermag kein noch so detailgenaues Gesetz zu chaffen. Es kann nur im Sinne des Schwerstkranken ein, wenn Angehörige, Pflegende und Ärzte möglichst ng und vertrauensvoll zusammenwirken, um eine dem Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9285 (A) ) (B) ) Kranken gerecht werdende und verantwortbare Ent- scheidung zu treffen. Patientenverfügungen können ein Mittel sein, die Be- dingungen des Sterbens humaner zu gestalten. Der maß- geblich vom Kollegen Rene Röspel erarbeitete Gesetz- entwurf trägt meinen persönlichen Erwartungen und Anforderungen am ehesten Rechnung. Es ist für mich akzeptabel, dass bei unwiederbringlichem Bewusstseins- verlust lebenserhaltende Maßnahmen auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten beendet werden. Es handelt sich hierbei zumeist um Schwerstkranke, nicht Sterbende. Ich begrüße daher den Vorschlag, dass hier das Vormund- schaftsgericht die letzte Entscheidung zu treffen hat. Dass wir darüber streiten, ist mehr als selbstverständ- lich. Aus meiner Arbeit in der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD weiß ich, dass Für und Wider über Verbindlichkeit und Reichweite, über Voraussetzun- gen und Gültigkeit von Patientenverfügungen mitunter hart aufeinanderstoßen, ein Konsens auch innerhalb ei- ner Gruppe evangelischer Christinnen und Christen nur schwer herstellbar ist. Umso schwieriger dürfte uns dies hier im Deutschen Bundestag fallen. Entscheidungen entlang parteipolitischer Überzeu- gungen sind für mich undenkbar. Jeder von uns ist auf- gerufen, im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung sein Gewissen sorgsam zu prüfen. Gegenseitiger Res- pekt und fairer Umgang sind dabei eine Grundvorausset- zung. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen – im Leben und Sterben – ist zu achten und zu schützen. Um nicht weniger geht es. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 14) Marlene Mortler (CDU/CSU): Die Stellungnahmen in der Ausschussanhörung waren eindeutig: Keiner der Sachverständigen stellte das Absatzfondsgesetz infrage. In Detailfragen wird zwar Bedarf für Anpassungen gese- hen; diese sind aber nicht Gegenstand der Gesetzesno- velle. Vor allem aus Sicht der Molkereiwirtschaft hat sich das System der zentralen Absatzförderung in vollem Umfang bewährt. Sie ist die größte Gruppe von Bei- tragszahlern. Zweck des Absatzfondsgesetzes ist die Sicherung der Marktstellung und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft. Diese Auf- gabenstellung ist trotz des gemeinsamen Binnenmarktes nicht überholt, sondern durch die Folgen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik notwendiger denn je. Die Wirtschaft sieht die Aufgabe der CMA im We- sentlichen darin, durch gezielte Marketingmaßnahmen d U s U f E a G H a z g S n h v b D b W A g d d g d d n v t z r r s s s k G v f V n v d g s g w s (C (D ie Voraussetzungen für den Absatz von Produkten aller nternehmen der deutschen Land- und Ernährungswirt- chaft zu schaffen. Auf diesen Absatzförderungsmaßnahmen können die nternehmen individuell aufbauen und sie gegebenen- alls ergänzen. Das Absatzfondsgesetz ist mit dem Verfassungs- und uroparecht vereinbar; ebenso wird die Finanzierungsart ls Sonderabgabe als weiterhin erforderlich angesehen. Zwar wird die künftige Rahmenregelung der EU die renzen für erlaubte Werbebeihilfen etwas enger ziehen; inweise auf die Herkunft von Erzeugnissen werden ber im Rahmen nationaler oder regionaler Gütezeichen ulässig sein. Damit wird auch die künftige Regelung enügend Spielraum für Maßnahmen bieten, die den inn und Zweck des Absatzfondsgesetzes erfüllen. Die kontinuierliche Herausstellung des Nutzens einer achhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft mit ihren ochwertigen Produkten bewirkt, dass die Werthaltigkeit on Nahrungsmitteln stärker ins Bewusstsein der Ver- raucher dringt und ihre Kaufentscheidung beeinflusst. ieses ist vor allem angesichts der Ausgaben der Ver- raucher für das immer breiter werdende Angebot an aren und Dienstleistungen erforderlich, mit denen die usgaben für Nahrungsmittel konkurrieren müssen. Es eht letztlich darum, dem Thema „Essen und Trinken“ urch eine positive Darstellung heimischer Agrarpro- ukte insgesamt einen deutlich höheren Stellenwert zu eben. Leider ist der Kontakt zum Landwirt für die Mehrheit er Bevölkerung nicht mehr selbstverständlich. So pro- uzieren deutsche Bäuerinnen und Bauern heute in ei- em gesellschaftlichen Umfeld, das sich immer weiter on der Landwirtschaft entfernt. Gerade die aktuellen Widersprüche gegen die Abgabe reffen genau hier ins Mark. Die Folgen durch die er- wungenen Mittelkürzungen sind bereits jetzt gravie- end. Die tiefen Einschnitte, zum Beispiel beim zentral- egionalen Marketing im Inland, werden die Kluft zwi- chen Stadt und Land noch vertiefen. Letztendlich geht es bei der Arbeit der zentralen Ab- atzförderung auch darum, die Wertigkeit und Wert- chätzung heimischer Nahrungsmittel stärker in den Fo- us der Verbraucherinnen und Verbraucher zu rücken. Ich bin mir bewusst, dass das Absatzfondsgesetz in rundrechte der Abgabenbelasteten eingreift und daher erfassungsrechtlich beurteilt werden muss. Angezwei- elt werden verschiedentlich die verfassungsrechtlichen oraussetzungen der Homogenität sowie der Gruppen- ützigkeit. Hierzu gibt es die eindeutigen Ausführungen on Dr. Cornils. Sie verdeutlichen, dass am Vorliegen er Voraussetzungen zur Homogenität der durch die Ab- abe betroffenen Gruppe im Ergebnis kein Zweifel be- teht und die verfassungsrechtliche Voraussetzung der ruppennützigen Verwendung des Abgabenaufkommens eiterhin gegeben ist. Ich bin überzeugt, dass die Unternehmen der deut- chen Land- und Ernährungswirtschaft, die den Absatz- 9286 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) fonds finanzieren, deswegen eine homogene Gruppe bil- den, weil sie weiterhin durch eine gemeinsame Interessenlage verbunden sind. Ihr gemeinsames Inte- resse ist, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem inländi- schen, dem europäischen und dem Weltmarkt zu bündeln und zu stärken. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1990 das Absatzfondsgesetz verfassungsrechtlich überprüft und die Verfassungmäßigkeit bestätigt. Auch 17 Jahre später hat sich daran nichts geändert, weil die Anforderungen an Homogenität und Gruppennützigkeit auch weiterhin erfüllt sind. Die Verfassungskonformität belegt auch ein aktueller Beschluss des Verwaltungsgerichts München. In diesem Beschluss kommt das VG München zu dem Ergebnis, dass keine schwerwiegenden Zweifel an der Vereinbar- keit des Absatzfondsgesetzes mit dem Grundgesetz be- stehen. Zur gruppennützigen Verwendung des Abgabenauf- kommens sei gesagt, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur darauf ankommt, dass die Verwendung im überwiegenden Interesse der Gesamtgruppe erfolgt. Urproduzenten, Verwerter und Vermarkter bilden dabei die Gesamtgruppe. Dies gilt auch für die homogene Gruppe der Forst- und Holzwirtschaft. Aufgrund der kleinteiligen Struktur mit viel Privatwaldbesitz in Deutschland wird die ge- meinschaftliche Holzwerbung von der Branche sehr po- sitiv gesehen. Zwar ist aufgrund der europäischen Rah- menregelung für staatliche Beihilfen nur eine Holzwerbung ohne Herkunftsangabe gestattet, dennoch wird der Holzabsatzfonds begrüßt. Anders als beim Ab- satzfonds gibt es keine nennenswerten Einsprüche gegen die Abgabe. Die vorgesehenen Änderungen werden positiv als Bü- rokratieabbau aufgenommen. Ohne den Holzabsatzfonds müssten sich die vielen Besitzer bzw. Betriebe zusam- menschließen, um eine gemeinsame holzabsatzför- dernde Werbung finanzieren zu können. Auch deshalb ist der Holzabsatzfonds in der Branche unumstritten. Die klaren Aussagen der Experten bestätigen die Haltung der Union und sorgen für geordnete Verhältnisse. In Bezug auf die europarechtliche Vereinbarkeit des Absatzfondsgesetzes möchte ich hervorheben, dass sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil aus dem Jahr 2002 lediglich zur Öffnung des CMA-Gütezeichens geäußert hat. Er hat sich nicht zum Absatzfondsgesetz geäußert und somit die zentrale Absatzförderung nicht infrage gestellt. Erst 2004 hat die EU-Kommission das Absatzfondsgesetz beihilferechtlich erneut genehmigt. Im aktuellen Gemeinschaftsrahmen ist nunmehr wie- der Werbung für Gütezeichen mit sekundärer Ursprungs- bezeichnung möglich. Auch ist Werbung für Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung möglich. Diese wird sogar mit EU-Mitteln kofinanziert. Zu einer zentralen Absatzförderung gibt es keine Al- ternative. Diese Maßnahmen sind immens wichtig für die Sicherung und Erschließung neuer Exportmärkte. e i w m ß z a d n g r B ö s L d s u u z d i P T w e M E w J u i k n W m A g t A V d s ä k e n A t ü d (C (D Deutschland zählt nach wie vor zu den größten Agrar- xporteuren der Welt. Im letzten Jahr wurden Agrargüter m Wert von rund 40,8 Milliarden Euro exportiert. 1970 aren es erst 1,3 Milliarden Euro. Diese Spitzenposition öchten, wollen und müssen wir behalten! Zusammen mit den Auslandsbüros der CMA erschlie- en deutsche Unternehmen Exportmärkte. Hierzu wären ahlreiche Unternehmen, allein kaum in der Lage. Auch ndere Länder außerhalb und innerhalb der EU haben en Stellenwert von Inlands- und Auslandswerbemaß- ahmen zwischenzeitlich erkannt. Viele haben ver- leichbare Organisationen aufgebaut, um den Absatz ih- er Produkte im Binnen- und Weltmarkt zu fördern. eihilferechtliche Genehmigungen von Maßnahmen der sterreichischen AMA und der britischen staatlichen In- titutionen „Food from Britain“ und „English Beef and amb Executive“ durch die EU-Kommission belegen ies. Beide Organisationen vergeben ebenfalls Qualitäts- iegel für landwirtschaftliche Produkte, deren Herkunft nd Qualität sie überprüft haben. Auch in Frankreich nd in den Niederlanden sind die Aufwendungen pro- entual wesentlich höher als in Deutschland. Die CMA hat hier für die deutsche Agrarwirtschaft in en vergangenen Jahren wertvolle Arbeit geleistet und st ebenso unverzichtbar wie die ZMP, die mit ihrer reisberichterstattung und ihren Marktanalysen zur ransparenz der Märkte beiträgt. Stichwort Transparenz: Von Gegnern des Absatzfonds ird Transparenz bei der Mittelvergabe immer wieder ingefordert; zuletzt in der Ausschussanhörung Anfang ärz. Allerdings nimmt man es selber nicht so genau. inen der fordernden Experten bat ich um die Zahlen, ie viel Projektmittel sie von der CMA in den letzten ahren erhalten haben. Bis heute habe ich keine Antwort. Als deutsche Agrarpolitikerin stehen die Interessen nserer heimischen Land- und Forstwirtschaft für mich m Vordergrund. Sie stehen für heimische Wirtschafts- raft und Arbeitsplätze, die nicht exportiert werden kön- en. Dies sind wichtige gesamtwirtschaftliche Aspekte. ir sind stolz auf die Produkte und Leistungen der hei- ischen Erzeuger. Wir beschließen Änderungen, um ein zukunftsfähiges bsatzfondsgesetz zu schaffen. Mit diesem Änderungs- esetz möchten wir erstens die aufgabenbezogene Ver- eilung der Ausgabenlast neu regeln, zweitens die im bsatzfondsgesetz verankerte gegenseitige personelle erzahnung aufheben und drittens die Zahl der Mitglie- er des Verwaltungsrates des Absatzfonds erhöhen und eine Zusammensetzung zugunsten der Landwirtschaft ndern. Die Politik hat die Wichtigkeit des Absatzfonds er- annt und schnell gehandelt. Es bleibt aber auch noch ine ganze Menge zu tun. Die Ausgestaltung der Maß- ahmen ist allerdings nicht Sache des Parlamentes. Es ist ufgabe der Wirtschaft, die Unterstützung und Akzep- anz in ihren jeweiligen Bereichen herzustellen. Ich bin berzeugt, dass die Wirtschaft ihren Teil zum Gelingen es Gesetzes beitragen wird und muss. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9287 (A) ) (B) ) Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute abschlie- ßend die Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes und setzen damit längst über- fällige Forderungen, unter anderem vom Rechnungshof, um. Das Absatzfondsgesetz – genauer gesagt: das Gesetz über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzför- derung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft – ist seit dem 26. Juni 1969 in Kraft, ins Leben gerufen von einer Großen Koalition. Das Gesetz wurde verschie- dene Male geändert, zuletzt von der rot-grünen Mehrheit im Jahr 2002. Damals haben wir insbesondere die Be- lange des Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzes mit aufgenommen und die personelle Besetzung des Verwal- tungsrates entsprechend der neuen Zielsetzungen ange- passt. Diese Änderungen wurden von der EU-Kommis- sion umfangreich geprüft und notifiziert. Eine weitere, bereits 2004 intensiv beratene und mit der heute debat- tierten in vielen Punkten übereinstimmenden Gesetzes- änderung ist zu meinem Bedauern im Vermittlungsaus- schuss der letzten, verkürzten Legislatur gestrandet. Ich möchte in dieser Debatte für meine Fraktion Fol- gendes deutlich machen. Die deutsche Land- und Ernäh- rungswirtschaft ist leistungs- und wettbewerbsfähig. Da- mit sie erfolgreich bleibt, sind ihre Märkte im Inland, innerhalb der Gemeinschaft und in der ganzen Welt zu pflegen und weiter zu erschließen. Hierzu ist der ein- zelne Erzeuger nicht umfassend in der Lage und dafür gibt es den Absatzfonds und seine Ausführungsgesell- schaften. Sie sind die Werkzeuge, die wir brauchen und für die es sich zu werben und zu streiten lohnt. Dabei stehen sie nicht außerhalb von Kritik, nein – aber wer das zentrale Agrarmarketing erhalten möchte, muss bereit sein zu Reformen. Wir wollen diese Verän- derungen! Wir wollen das zentrale Agrarmarketing er- halten, die daran geübte Kritik aufgreifen, breit diskutie- ren und strukturelle Änderungen durchsetzen. Ob dafür, jenseits dieser kleinen Novelle, gesetzliche Maßnahmen notwendig sind oder die Arbeit alleine über die Verwal- tungs- und Aufsichtsgremien geleistet werden kann, wird die Diskussion in den nächsten Monaten zeigen. Und wir wollen diese Diskussionen! Wir wollen auch damit deutlich machen, dass dieses Gesetz der Verfas- sung entspricht und EU-konform ist. Die vorliegende Gesetzesnovelle ist in der Experten- anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz von allen Sachverständi- gen befürwortet worden. Ich werbe auch deshalb um Ihre Zustimmung. Eine weitergehende Kritik an der Ab- satzförderung ist für mich keine vernünftige Begrün- dung, sich der Stimme zu enthalten oder dagegen zu stimmen. Wer die zentrale Absatzförderung reformieren will, muss sie zunächst erhalten. Hans-Michael Goldmann (FDP): Die FDP wird der kleinen Novelle zum Absatzfondsgesetz zustimmen. Die kleine Novelle kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie am Kernproblem vorbeigeht. Ein Blick in die Be- gründung offenbart uns, worum es bei dieser Novelle wirklich geht: dem Bundesverfassungsgericht eine R G W h V d k r M s s P t z W d b F M h s h W D d f li g V s G s g b E r d la r A s A d b w f L r E d 3 W u z r w b k (C (D echtfertigung zu liefern, das Absatzfondsgesetz im rundsatz als verfassungsgemäß einzustufen. Ob dieser eg erfolgversprechend ist, bleibt abzuwarten. Die An- örung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und erbraucherschutz hat aber deutlich zutage gefördert, ass wir dringend eine Grundsatzdebatte über die Zu- unft des Absatzfondsgesetzes benötigen. Seit 1969 wird von den Produzenten des grünen Be- eichs eine Zwangsabgabe erhoben, um mit zentralen arketingstrategien den Absatz und Export landwirt- chaftlicher Produkte zu fördern. Doch Werbung, die peziell auf die deutsche Herkunft landwirtschaftlicher rodukte abstellt, ist seit einem Urteil des EuGH verbo- en. Die Unzufriedenheit unter den Bauern über die Effi- ienz der CMA ist hoch. Viele fühlen sich durch die erbung schlicht nicht vertreten, müssen aber trotzdem ie Abgabe zahlen und andere bezweifeln, dass die Wer- ung der CMA für sie irgendwelche Vorteile bietet. Die rage, welchen Nutzen ganz allgemeine Werbung für ilch oder Blumen oder Ähnliches für die Landwirte at, wurde nicht nur nicht zufriedenstellend beantwortet, ondern die Stellungnahme von Herrn Professor Becker at ja sehr eindrucksvoll aufgezeigt, wie sinnlos solche erbung ist. Zwangssysteme unterliegen in einer rechtsstaatlichen emokratie immer einem besonderen Rechtfertigungs- ruck. Der Nutzen für die zwanghaft Beglückten muss of- ensichtlich sein. Als Liberaler bevorzuge ich grundsätz- ch freiwillige Systeme. Doch wenn es ein Zwangssystem ibt, muss die Gruppennützlichkeit Voraussetzung für die erfassungsmäßigkeit des jeweiligen Zwangssystems ein. Auch wenn einige Experten in der Anhörung diese ruppennützligkeit als gegeben ansahen, meine Zweifel ind geblieben. Ich denke wir kommen an einer grundle- enden Reform des Absatzfonds und der CMA nicht vor- ei. Immer wieder wird insbesondere auf den Nutzen der xportförderung abgestellt. Doch die Landwirte profitie- en doch nur höchstens indirekt hiervon, weil vor allem ie Ernährungswirtschaft Träger des Exports ist. Die Aus- ndsmessenbetreuung wird vor allem von der Ernäh- ungswirtschaft genutzt, also zum Beispiel von Lidl und ldi. Welcher landwirtschaftliche Produzent setzt denn eine Produkte tatsächlich über Auslandsmessen direkt im usland ab? Der Hähnchenmäster beliefert Wiesenhof, er Fleischproduzent Tönnies, der Obst- und Gemüse- auer Krefeld und so weiter. Wie profitieren diese Land- irte denn von der Exportförderung oder der Absatz- örderung allgemein? Ich finde es seltsam, dass die andwirte ihre Exportförderung selber bezahlen, wäh- end das Bundeswirtschaftsministerium 180 Millionen uro Steuermittel für die gesamte Außenwirtschaftsför- erung des nicht grünen Bereichs einsetzt und allein 6 Millionen Euro für die Auslandsmessenbetreuung. arum müssen Bauern dies aus eigener Tasche bezahlen nd für den nicht grünen Bereich bezahlt dies der Steuer- ahler? Diese Fragen wurden auch in den Ausschussbe- atungen nicht zufriedenstellend geklärt. Insbesondere die sogenannten Flaschenhalsbetriebe enden sich immer wieder gegen den Absatzfonds und estreiten den Sinn und Zweck des zentralen Absatzmar- etings. Angesichts dessen, dass die meisten landwirt- 9288 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) schaftlichen Betriebe doch nur noch beim regionalen Marketing einen direkten Kontakt zum Endverbraucher haben, stellt sich auch mir die Frage, worin der Sinn liegt, in allgemeiner Werbung zum Beispiel Milch anzu- preisen? Der Bauernverband spricht davon, dass die CMA- Werbung ganz allgemein dem Verbraucher die Werthal- tigkeit landwirtschaftlicher Produkte vermitteln soll. Aber glaubt denn wirklich jemand, dass die CMA Ein- fluss auf die Verbraucherentscheidung nehmen könnte, lieber ein Buch, einen CD-Player, Designkleidung oder ein Stück Qualitätsfleisch zu kaufen? Der Rechtferti- gungsdruck unter dem der Absatzonds steht, hat durch das aktuelle Gesetzgebungsverfahren nicht nachgelas- sen. Liebe Kollegen von der Großen Koalition, mit eurer kleinen Novelle habt ihr es euch zu leicht gemacht. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird nicht vor 2009 erwartet. Wir hätten die Zeit für eine umfassende Reform nutzen sollen. Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand, deshalb ist es sehr fraglich, darauf zu vertrauen, dass das BVerfG schon nicht das Absatz- fondsgesetz für verfassungswidrig erklären wird. Selbst von denen, die grundsätzlich für den Erhalt des Absatz- fonds eintreten, gibt es eine Reihe von grundlegenden Reformforderungen, um die Effizienz der CMA zu erhö- hen. Diese Diskussion bis nach einem Urteil zu verschie- ben halte ich für falsch. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Über den nun zur Abstimmung vorgelegten Gesetzentwurf der Koalition zum Absatzfondsgesetz wurde sehr intensiv diskutiert. Und das, obwohl die vorgeschlagenen Ände- rungen und die auch im Gesetz geregelte Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle, ZMP, kaum strittig sind. Aber es wird eben auch der dringende Regelungsbedarf bei der CMA nicht aufgegriffen, und das, obwohl er in der Gesetzesbegründung dargelegt wird. Der Gesetzent- wurf trägt damit nicht zur Lösung der eigentlichen Pro- bleme des Absatzfonds bei. Es bleibt bei der Intransparenz, es bleibt bei der gerin- gen Wirksamkeit, es bleibt bei dem zu geringen Nutzen für die Beitragszahlerinnen und -zahler, es bleibt bei den rechtlichen und inhaltlichen Bedenken. Aus diesem Grund lehnen wir diese Mini-Novelle ab. Dass eine Absatzförderung sinnvoll ist, bestreitet ja niemand. Die Frage ist aber: Wie wird gefördert, und wer bezahlt das? Lassen Sie mich nun zu einigen konkreten Kritik- punkten kommen: Erstens: Finanzierungssystematik. Der Absatzfond fi- nanziert sich über Zwangsabgaben. Das halten wir für antiquiert, möglicherweise ist es nach aktueller Rechts- lage auf EU- und Bundesebene sogar rechtswidrig. Hinzu kommt, dass eine wachsende Zahl der unfreiwilli- gen Beitragszahlerinnen und -zahler keinen Nutzen se- hen. Genau hier setzen die Klagen betroffener Milchbau- ern an. Sie finanzieren mit knapp 38 Prozent der Beiträge einen Löwenanteil des Absatzfonds. Aber ob- w r t d e v 1 l w f h S t e e W A S f t K z d e i z s g s r v D l f i f u d d h e d w k w z F L r e b l t G M P K r (C (D ohl der schon eine halbe Ewigkeit existiert, hat sich ge- ade für diese Erzeugergruppe die Lage eher verschlech- ert. Selbst im Jahr 2002, als die Milchpreise aufgrund er BSE-Krise kurzfristig einen Spitzenwert von 32 Cent rreichten, entsprach das Preisniveau gerade einmal dem on 1987. Seither sind die Preise wieder um mehr als 0 Prozent auf durchschnittlich 28 Cent gesunken. Das iegt unter dem Erzeugerkostenniveau. Viele Betriebe erden das auf Dauer nicht überstehen. In ihrer verzwei- elten Lage werden sogar Lieferboykotts angedroht. Was at also der Absatzfond den Milcherzeugern gebracht? ind Milchverbrauch und Absatz von Molkereiproduk- en gestiegen? Haben sich die Verbraucherpreise durch rfolgreiches Marketing stabilisiert? Nichts davon ist ingetreten und die Frage danach muss erlaubt sein: elche Leistung gibt es für den Zwangsbeitrag? Das im usschuss ausgerechnet die CDU beim Absatzfond das olidarprinzip einfordert, ist nach der Gesundheits„re- orm“ zynisch. Ich stelle dagegen die Frage: Wer profi- iert denn eigentlich wirklich vom Absatzfonds? Zweitens: Mangel an Transparenz, Ineffizienz und ontrolle. Diese Frage führt zwangsläufig zum zweiten entralen Kritikpunkt: Viele der derzeitigen Maßnahmen es Absatzfonds sind nicht transparent, ineffizient und ntziehen sich jeglicher Kontrolle. Diese Kritik war auch n der Ausschussanhörung deutlich vernehmbar. So ist um Beispiel unbekannt, wie viel Aufwand für den Ab- atz und das Marketing in Drittländern außerhalb der EU etätigt wird. Seitens der EU-Absatzförderung werden olche Maßnahmen unterstützt. Laut Kommissionsbe- icht vom Anfang dieses Jahres ist es nicht gelungen, die on der Kommission eingestellten Mittel auszunutzen. ie mangelnde Transparenz der Absatzfondsausgaben ässt eine genauere Bewertung der Aktivitäten leider of- ensichtlich nicht zu. Natürlich betreiben andere Länder, nsbesondere die USA und Kanada, aufwendige Absatz- örderung. Aber zumeist in einer völlig anderen Struktur nd mit dem Anspruch einer ordentlichen Evaluierung er Maßnahmen. Ich halte das für so selbstverständlich, ass ich sehr erstaunt bin. Schon der in der Ausschussan- örung von Professor Becker geäußerte Verdacht auf inen solchen Mangel beim Absatzfonds hätte zum Han- eln zwingen müssen. Das kann doch nicht geduldet erden. Drittens: Rechtliche Zulässigkeit und Produkt- annibalismus. Die EU-Zulässigkeit des Absatzfonds ird sehr unterschiedlich bewertet. Die EU-Richtlinien ur Absatzförderung schreiben eine produktbezogene örderung vor. Warum aber soll ein Brandenburger andwirt die Werbung für französischen Käse finanzie- en? Ich kann nachvollziehen, dass sich ihm das kaum rschließt. Durch die allgemeine Marktsättigung im Le- ensmittelbereich kommt es zudem zum Produktkaniba- ismus, das heißt, Werbeerfolge für die eine Produktgat- ung verdrängt Verbrauchs- und Marktanteile anderer attungen. Die innereuropäische Verflechtung der ärkte führt dazu, dass eine Absatzförderung für eine roduktgattung zwangsläufig auch die ausländische onkurrenz fördert. Hier zahlen die deutschen Erzeuge- innen und Erzeuger über eine gesetzlich geregelte Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9289 (A) ) (B) ) Zwangsabgabe die Absatzförderung der innereuropäi- schen Mitbewerber mit – übrigens ohne Gegenleistung. Viele Landwirtinnen und Landwirte zahlen deshalb – zu- sätzlich zu den Zwangsabgaben des Absatzfonds – völlig freiwillig für das Marketing eigener Produkte mit beson- derer Qualität oder Regionalität. Die Integration solcher erfolgreicher Marketingaktivitäten in die Absatzförde- rung würde Akzeptanz und Effizienz deutlich verbessern. Viertens: Verfassungsmäßigkeit der Zwangsbeiträge. In der Anhörung am 7. März wurden zur Verfassungs- mäßigkeit sehr unterschiedliche Positionen durch die Experten vertreten. Die Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts wird Ende des nächsten Jahres erwartet. Aber die Argumentation des Verwaltungsgerichts Köln liegt vor. Es hat die Zwangsabgabe aus nachvollziehba- ren Gründen abgelehnt. Was, liebe Kolleginnen und Kollegen, hindert uns als Gesetzgeber eigentlich daran, unabhängig von noch aus- stehenden gerichtlichen Entscheidungen ein zukunfts- fähigeres und breiter akzeptiertes System der Absatzför- derung zu gestalten? Selbst die Vertreter der Koalition haben im Ausschuss betont, dass eine umfassende Re- form des Absatzfondsgesetzes erforderlich ist. Warum tun sie es dann nicht? Vielleicht liegt das Hauptproblem darin, alte Zöpfe abzuschneiden, um sich dann unvoreingenommen nach neuen Systemen der Absatzförderung umzusehen, übri- gens ausdrücklich auch im Interesse der Beschäftigten der CMA und ZMP. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Bes- tenfalls unwirksam“ – so betitelte die Zeitschrift „Wer- ben und Verkaufen“ in ihrer Ausgabe vom 15. März die- ses Jahres ihren Artikel über unsere Anhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz zur Novelle des Absatzfondsgesetzes. Ein hartes Urteil über die CMA bei einem Jahresetat von 100 Millionen Euro, gespeist aus den Zwangsbeiträgen der landwirtschaftlichen Erzeuger! Dieses Pauschalurteil ist sicherlich überzogen und so nicht zutreffend. Allerdings besteht die Kritik am Ab- satzfonds zu Recht, und das zur Debatte stehende Ab- satzfondsgesetz gehört auch nach der heutigen Abstim- mung grundsätzlich auf den Prüfstand. Das wurde durch die Anhörung am 7. März eindeutig bestätigt. Professor Tilman Becker von der Universität Hohenheim bei- spielsweise schätzt die Effizienz der generischen Wer- bung als sehr gering ein. Er verweist in seiner Stellung- nahme auf eine Reihe weiterer Wissenschaftler, die zu ähnlichen Einschätzungen kommen. Die Werbemaßnah- men der CMA seien überwiegend auf das Ziel ausgerich- tet, den Namen der CMA positiv aufzuladen. Damit würde die ganze Angelegenheit zum Selbstzweck. Deutlich wurde aber auch, dass sich die Kritik an der Arbeit der CMA entzündet und die Sinnhaftigkeit und Qualität der Arbeit der Zentralen Markt- und Preisbe- richtsstelle – ZMP – allgemein anerkannt wird. d g w s B s d c V v m u r e n s I g d n d k m s m l A i s d Z d V r s A t ü S d V n w w e d d k g d A z c d H (C (D Die Legitimationskrise des Absatzfonds hat sich urch die sich aus EU-Recht ergebenden Einschränkun- en der herkunftsbezogenen Werbung und die vom Ver- altungsgericht Köln geäußerten Zweifel an der Verfas- ungskonformität dramatisch verschärft. Der Kölner eschluss ist dabei der Auslöser der Klage- und Wider- pruchswelle, aber die Ursache ist mangelnde Rücken- eckung und Akzeptanz. Die ablehnende Haltung ist si- her durch die nicht vorhandene Bereitschaft bei den erantwortlichen verstärkt worden, auf die seit Jahren orgebrachte Kritik angemessen zu reagieren. Allerdings wäre ein ersatzloser Wegfall eines Ge- einschaftsmarketings und der unabhängigen Markt- nd Preisberichtserstattung für die Land- und Ernäh- ungswirtschaft in Deutschland durchaus ein Verlust und in Wettbewerbsnachteil gegenüber der Land- und Er- ährungswirtschaft innerhalb der Europäischen Gemein- chaft, da es in anderen Mitgliedstaaten vergleichbare nstrumente gibt. Das Marketing im Lebensmittelbereich änzlich der Lebensmittelindustrie zu überlassen, wäre em Ziel der Förderung eines gesundheitsbewussten Er- ährungsverhaltens nicht dienlich und nicht im Sinne es Verbraucherschutzes. Um dem Gemeinschaftsmar- eting eine Zukunft zu geben und die Kritik aufzuneh- en, brauchen wir mehr als diese formale Novelle. Die Abgaben zum Absatzfonds haben quasi fiskali- chen Charakter. Eine Geheimhaltung widerspricht de- okratischen Prinzipien. Eine Berichtspflicht zur Offen- egung der Einnahmen und Ausgaben sollte im bsatzfondsgesetz verankert werden. Ebenso müssen die landwirtschaftlichen Erzeuger in hrer Bandbreite angemessen in den Gremien vertreten ein. Das wird weder durch das bestehende Gesetz noch urch die vorgesehene Änderung gewährleistet. Dem entralausschuss der Deutschen Landwirtschaft werden ie Vorschlagsrechte für sämtliche landwirtschaftlichen ertreter im Verwaltungsrat des Absatzfonds einge- äumt. Der Zentralausschuss ist aber lediglich ein Zu- ammenschluss von vier Verbänden der deutschen grarwirtschaft. Er stellt keine offizielle Interessenver- retung der deutschen Landwirtschaft dar. Er verfügt ber keine Organe und keine demokratisch legitimierten trukturen. Daher ist es nicht nachvollziehbar, warum iese Einrichtung zusätzlich zu den sieben bisherigen ertretern auch noch das Vorschlagsrecht für die fünf eu zu vergebenden Sitze erhält. Insbesondere die Land- irtschaft aus den neuen Bundesländern, die Nebener- erbslandwirte und die in der Arbeitsgemeinschaft bäu- rliche Landwirtschaft organisierten Betriebe werden urch den Zentralausschuss nur unzureichend vertreten. Die generische Werbung wird ganz überwiegend von en Experten als wirkungslos oder doch weitgehend wir- ungslos eingeschätzt. Für Ärger sorgten in der Vergan- enheit auch einige der gewählten Werbemaßnahmen, ie von einigen als sexistisch wahrgenommen wurden. ndere Vorwürfe von Verbraucherseite lauten, es sei un- ulässige Werbung mit nicht wissenschaftlich abgesi- herten gesundheitsbezogenen Aussagen betrieben wor- en, und es seien Produkte aus tierquälerischen altungsformen beworben worden. 9290 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Um der Kritik gerecht zu werden und Klarheit hin- sichtlich der Aufgaben und Schwerpunktsetzung zu schaffen, muss dieses im Gesetz verankert werden. Pro- duktdifferenzierung, Förderung von Wertschöpfungsket- ten, Regionalität, Qualität und Lebensmittelsicherheit, Produkt- und Technologieinnovation, Wertschätzung ge- sunder Lebensmittel sind die Bereiche, die dabei ge- stärkt werden müssen. Das zentral-regionale Marketing wird übrigens meist positiv beurteilt; auch das ist durch die Anhörung sehr deutlich geworden. Leider sind trotz öffentlicher Bekundungen seitens des Vorsitzenden des Verwaltungsrates und Präsident des Deutschen Bauern- verbandes, Gerd Sonnleitner, beim Absatzfonds keiner- lei Ansätze für eine Neuorientierung erkennbar. Bei den Sparmaßnahmen im Haushalt 2007 wurden alle Kürzun- gen nach der Rasenmähermethode vorgenommen. Die CMA führt statt nachprüfbarer Erfolgskontrollen umfangreiche Untersuchungen zur Überprüfung ihres ei- genen Bekanntheitsgrades durch. Es muss daher eine un- abhängige Evaluierung der Maßnahmen gewährleistet werden. Auch das sollte im Gesetz verankert werden. Die Monopolstellung der CMA ist nicht zeitgemäß und trägt wesentlich zur Ineffizienz der Maßnahmen bei. Daher muss das Gesetz die Aufgabenbereiche klar defi- nieren. Durch Ausschreibungs- und Vergabeverfahren muss – wie in anderen Bereichen auch – mehr Wettbe- werb und Dynamik in das System hinein. Diese kleine Novelle des Absatzfondsgesetzes trägt insgesamt nicht zur Lösung der anstehenden Probleme bei. Den Einwendungen des Verwaltungsgerichts Köln wird sie ebenfalls nicht gerecht. Sie ist nicht geeignet, die Akzeptanz der Absatzförderung bei Beitragszahlern oder in der Öffentlichkeit zu verbessern. Wir werden da- her dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Indigene Völker – Ra- tifizierung des Übereinkommens der Internatio- nalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen lebende Völker in un- abhängigen Staaten (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Wir stehen heute vor dem Problem, über einen Antrag zu beraten, dem wir ei- gentlich in weiten Teilen zustimmen können und wollen, ihn aber doch aus bestimmten Gründen ablehnen müs- sen. Der Teil des Antrags, dem wir zustimmen können, befasst sich mit der Situation indigener Völker in Ent- wicklungsländern und wie wir deren Situation verbes- sern können. Aber der Antrag beinhaltet auch die Forde- rung, das IAO-Übereinkommen über Indigene Völker in Deutschland zu ratifizieren und damit hier bei uns zu geltendem Recht zu machen. Und daher stellt sich zunächst die Frage, wie sich die Situation der in Deutschland lebenden indigenen Völker darstellt und ob eine Ratifizierung des Übereinkommens i s b S r m f s m v g i v A m i S r g t s a A C z t s E B a T b z b d v s v l n s n b u k s u B d d d f z i e (C (D hre Situation verbessern würde? Die Antwort kann nur ein, dass eine Anwendung auf die in Deutschland le- enden nationalen Minderheiten wie Friesen, Dänen und orben nicht zielführend ist, da diese Volksgruppen weit eichende Rechte genießen und auch in Anspruch neh- en. Dies wird auch von allen Seiten anerkannt und ge- ördert. Viel entscheidender für die Beantwortung der Frage ind für mich entsprechende Aussagen aus den Bundes- inisterien für Wirtschaft und Inneres, aus denen her- orgeht, dass es in diesen Häusern wohl die Befürchtung ibt, dass eine Ratifizierung des Übereinkommens nicht m Einklang mit nationalem Recht steht. Die Ministerien erweisen auf mögliche Verzögerung von Projekten der ußenwirtschaftsförderung und neue rechtliche Rah- enbedingungen für bestimmte Indigene Volksgruppen n Deutschland, die daraus möglicherweise bestimmte onderrechte für sich ableiten könnten. Solange diese echtlichen Fragen für Deutschland nicht abschließend eklärt sind, können wir als CDU/CSU-Bundestagsfrak- ion dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen nicht zu- timmen. Trotz dieser „nationalen“ Einwände möchte ich hier ber klarstellen, dass sich viele richtige und wichtige ussagen im vorgelegten Antrag finden, die wir als DU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich unterstüt- en. Dabei möchte ich vor allem die Analyse der Situa- ion von indigenen Völkern besonders in Lateinamerika owie daraus resultierende Folgerungen für die deutsche ntwicklungszusammenarbeit herausstellen. Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass allein in olivien 62 Prozent der Bevölkerung indigenen Völkern ngehören und dem gegenüberstellt, dass vom indigenen eil der Bevölkerung 52 Prozent in extremer Armut le- en, vom übrigen Teil der Bevölkerung aber nur 27 Pro- ent – dann stimmen sie mir sicherlich zu, dass wir uns emühen müssen, die Lebenssituation für Angehörige er Indigenen Völker dort zu verbessern. Dabei ist Boli- ien kein Einzelfall – ähnliche Zahlen gibt es auch bei- pielsweise zu Ecuador, Peru oder Guatemala. Dies hat iele Ursachen, die ich hier nicht alle nennen kann – es iegt oftmals an der Diskriminierung beim Zugang zu Fi- anzdienstleistungen oder Ausbildung, an Rechtsun- icherheit oder an Konflikten im Bereich der Raumord- ung oder des Landrechts. Doch diese prekäre Situation ist der Bundesregierung ekannt und sie hat entsprechende Schritte eingeleitet, m sie zu bessern. So hat sie eigens zu diesem Themen- omplex ein Konzept mit dem Titel „Entwicklungszu- ammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika nd der Karibik“ erarbeitet. Hiermit soll der besonderen edeutung der Indigenen Völker für die Entwicklung er Länder, in denen sie leben, Rechnung getragen wer- en. In diesem Konzept werden Maßnahmen genannt, ie im vorgelegten Antrag gefordert werden – insofern asse ich viele Passagen des Antrags auch als Unterstüt- ung für die bisherige Politik der Bundesregierung auf. Die Entwicklung Lateinamerikas und anderer Länder st nur dann nachhaltig, wenn auch die indigenen Völker ingebunden und gefördert werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9291 (A) ) (B) ) Dabei müssen wir uns zum Ziel setzen, nicht nur die Lebensbedingungen der Indigenen Völker im engeren Sinne zu verbessern, sondern auch ihre politische Orga- nisations- und Partizipationsfähigkeit zu fördern. Ich möchte an dieser Stelle folgendes Zitat wiedergeben: „In der Geschichte Guatemalas haben wir Mayas immer nur unser Recht ausgeübt, zu wählen, nicht aber gewählt zu werden.“ Dies sagte jüngst Rigoberta Menchú bei ihrer Ankündigung, für das Präsidentenamt in Guatemala zu kandidieren. Sie gehört wie 40 Prozent ihrer Landsleute zur Volksgruppe der Maya und hat für ihr bisheriges Ein- treten für die Rechte der Indios 1992 den Friedensnobel- preis erhalten. Wir dürfen aber auch die Rolle der Indigenen Völker in anderen Entwicklungsfeldern nicht vergessen: Indi- gene Völker leisten dort, wo sie noch in unmittelbarer Nähe zu natürlichen Ressourcen und biologischer Viel- falt leben und wirtschaften, einen unschätzbaren Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Hinzu kommt ihre Rolle als Teil des Weltkulturerbes. Erwähnenswert ist auch ihr Potenzial zur Entwicklung ihrer Staaten und Gesell- schaften. Diese Analyse wird auch von der internationalen Staatengemeinschaft geteilt und entsprechend umge- setzt. So gibt es im Rahmen des UN-Systems zahlreiche Gremien und Resolutionen, die sich mit der Verbesse- rung der Situation von Indigenen Völkern befassen. Dies geschieht auf vielfältigste Art und Weise – beispiels- weise durch die Unterstützung regionaler Dachverbände Indigener Völker und ihrer Vertreter bei der Wahrneh- mung ihrer Interessen gegenüber den Regierungen und auf internationaler Ebene. Gerade dieses Instrumentarium hat sich bewährt und ist auch ein Element der deutschen Entwicklungszusam- menarbeit. So kooperiert das BMZ mit der COICA (Co- ordinadora de las Organizaciones Indigenas de la Cuenca Amazónica), die die Interessen der indigenen Amazonasvölker vertritt, oder dem Zentralamerikani- schen Rat Indigener Völker, kurz CICA. Ebenfalls wer- den Vertreter indigener Völker bei der Planung und Durchführung der deutschen Entwicklungszusammenar- beit einbezogen und bringen so ihre Erfahrungen und Ideen in die Projekte ein. Denn nur gemeinsam mit dem Wissen und Erfah- rungsschatz der Indigenen Völker können Projekte Aus- sicht auf Erfolg haben und eine nachhaltige Wirkung er- zielen. Nun wird das alles auch im entwicklungspolitischen Teil des vorliegenden Antrags gefordert und ich betone ausdrücklich, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dies unterstützt. Auch wird gelegentlich eine Solidarrati- fikation gefordert. Meines Erachtens nach greift dieses Argument zumindest für Lateinamerika nicht, denn ab- gesehen von ganz wenigen Ausnahmen haben alle lateinamerikanischen Länder das Übereinkommen ratifi- ziert. Die meisten Verfassungen lateinamerikanischer Länder erkennen die nationale Gesellschaft mittlerweile als multiethnisch oder multikulturell an und sprechen den indigenen Bevölkerungsgruppen entsprechende Rechte zu. S W n U n V a g a e D s n g d R v w h b n g k W I z S s d n D w m n 4 k 5 s b s c r t t z G a c T R R v t b (C (D Dies sind alles ermutigende und viel versprechende ignale, auch wenn sie insgesamt noch nicht ausreichen. ir müssen die indigenen Völker und die Länder, in de- en sie leben, weiter in ihren Bemühungen unterstützen. nd – ich betone nochmals – der Antrag enthält in sei- em entwicklungspolitischem Teil richtige und wichtige orschläge dazu. Insgesamt müssen wir den Antrag aber us den genannten Gründen ablehnen, auch wenn ich leichwohl hoffe, dass wir Mittel und Wege finden, die ngesprochenen Probleme zu überwinden, um das Über- inkommen Nr. 169 über indigene Völker auch in eutschland ratifizieren zu können. Christel Riemann-Hanewinckel (SPD): Stellen Sie ich vor, wir hier in Deutschland wären Angehörige ei- es indigenen Volkes und andere Gesellschaften oder roße Wirtschaftsunternehmen kämen hierher und wür- en unseren Lebensraum zerstören, unsere natürlichen essourcen ausbeuten, uns demokratische Beteiligung orenthalten und uns elementare politische Rechte ver- eigern. Wir würden diskriminiert und ausgegrenzt, wir ätten keine Rechtssicherheit, keinen Zugang zu Schul- ildung, zu medizinischer Grundversorgung und zu Fi- anzdienstleistungen. Kurz: Wir wären in Europa weit- ehend vom politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ulturellen Leben ausgeschlossen. Jetzt frage ich Sie: ürden Sie sich für oder gegen die Ratifizierung der LO-Konvention 169 entscheiden? Die ILO-Konvention 169 ist seit 1989 das bisher ein- ige internationale Vertragswerk mit völkerrechtlichem tatus, das die Rechte indigener oder in Stammesgesell- chaften lebender Bevölkerungsgruppen schützt. Von en insgesamt 177 Mitgliedstaaten der Vereinten Natio- en haben nur 18 Länder dieses Vertragswerk ratifiziert. as ist eine enttäuschende Bilanz. In Europa sind Nor- egen, die Niederlande, Dänemark und zuletzt Spanien it gutem Beispiel vorangegangen. Die Vereinten Natio- en schätzen, dass weltweit zwischen 300 und 00 Millionen Menschen Angehörige indigener Bevöl- erungsgruppen sind. Sie leben in mehr als 000 Gemeinschaften und in mehr als 70 Ländern die- er Erde. Zusammen bilden sie fast 5 Prozent der Welt- evölkerung. Die ILO-Konvention 169 erkennt indigene Gemein- chaften als „Völker“ an, wenngleich auch ohne staatli- he Souveränität, aber als kollektive Besitzer eines Ter- itoriums und als Gemeinschaften mit eigenen raditionellen Selbstverwaltungsorganen. Die Konven- ion hat zum Ziel, Schutz und Anspruch auf eine Viel- ahl von Grundrechten für die Angehörigen indigener ruppen rechtsverbindlich zu regeln. Dies betrifft unter nderem das Recht auf ihre eigene Lebensweise, Spra- he und Kultur, das Recht auf traditionelles Land oder erritorium sowie die Nutzung der dort vorhandenen essourcen, das Recht auf Selbstverwaltung und das echt auf spezielle Konsultations- und Partizipations- erfahren bei allen Vorhaben, die Einfluss auf das Terri- orium oder die Lebensweise von indigenen Gruppen ha- en. 9292 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Im Jahr 2002 hat der Deutsche Bundestag die Bun- desregierung aufgefordert, die ILO-Konvention 169 zu ratifizieren. Dieser Aufforderung ist die Bundesregie- rung bis heute nicht nachgekommen. Nicht nur die Frak- tion des Bündnisses 90/Die Grünen, sondern auch die Menschenrechts- und die Entwicklungspolitiker und -po- litikerinnen der SPD-Bundestagsfraktion halten die For- derung nach einer Ratifikation für notwendig und wich- tig. Wir müssen uns aber eingestehen, dass es uns auch unter Rot-Grün nicht gelungen ist, unsere Fraktionskol- leginnen und -kollegen – vor allem aus der Innenpolitik, der Verteidigungs- und der auswärtigen Politik, aber auch die Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern – zu dieser wichtigen Entscheidung zu bewegen. In den Debatten der vergangenen Jahre wurde viel- fach das Argument zitiert, Deutschland müsse die ILO- Konvention 169 nicht zeichnen, da sie für den Geltungs- bereich des Grundgesetzes rechtlich ohne Konsequenzen wäre. Diese Auffassung wird der Rolle Deutschlands in der Welt nicht gerecht. Das Bundesministerium für wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung plädiert schon seit 1996 unter unterschiedlichen Ministerinnen und Ministern dafür, die ILO-Konvention 169 nicht nur in der Entwicklungspolitik, sondern auch in der Außen- und Wirtschaftspolitik zu einem übergreifenden Bezugs- rahmen für bilaterale Beziehungen zu anderen Ländern zu machen. Erst Ende 2006 hat Bundesministerin Heidi Wieczorek-Zeul ein neues Konzept vorgelegt. Die Grundlage für dieses neue Konzept sind die Evaluierung des ersten BMZ-Konzeptes von 1996 und die Ergebnisse von Konsultationsprozessen mit Vertreterinnen und Ver- tretern indigener und internationaler Organisationen. Ich nenne ein paar der wichtigsten Empfehlungen: erstens bessere Verankerung der Belange indigener Völ- ker in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, vor allem, wenn es um Vorhaben der guten Regierungsfüh- rung geht, zweitens Einbeziehung indigener Völker und Organisationen als zentrale Akteure in jegliche Planung und Umsetzung, drittens Verbindung der Demokratieför- derung mit interkulturellem Dialog und viertens Berück- sichtigung und Unterstützung des Themas in Krisenprä- vention und Konfliktbearbeitung. Eine wichtige Forderung der indigenen Vertreterinnen und Vertreter ist für mich die Forderung nach mehr Beteiligung bei bila- teralen und regionalen Vorhaben mit staatlichen Institu- tionen und insgesamt ein größeres Maß an direkter Zu- sammenarbeit. 1995 proklamierten die Vereinten Nationen die inter- nationale Dekade der „Indigenen Bevölkerungen“, von 1994 bis 2004. Das Motto hieß „Indigene Völker – Part- nerschaft in Aktion“. In den Bereichen Menschenrechte, Umwelt, Gesundheit und Bildung sollte die internatio- nale Zusammenarbeit ausgebaut werden. Erfolge dieser Dekade waren die Berufung eines VN-Sonderberichter- statters und die Gründung des ständigen Forums für indi- gene Fragen im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialra- tes Ecosoc. Trotzdem ist das Fazit deprimierend: Die Dekade trug nicht dazu bei, die allgemeine Lebenssitua- tion der Indigenen zu verbessern. Deshalb rief die VN- Generalversammlung im Dezember 2004 zu einer „ d A d u a b z S d u t ü b P l 1 u g b k r S H B s l S u r t D a F z a z t g i D A d S g n T d s s V m E z e (C (D Zweiten Internationalen Dekade der indigenen Völker er Welt“ auf. Indigene Völker sind unverhältnismäßig stark von rmut, Arbeitslosigkeit, Krankheit, unzureichender Bil- ung und Kindersterblichkeit betroffen. Die Millenni- msziele greifen insgesamt diese Themen auf. Es ist ber notwendig, die spezielle Situation indigener Völker ei der Verwirklichung der Millenniumsentwicklungs- iele zu berücksichtigen. Multilaterale und bilaterale Geber haben spezielle trategien und Leitlinien für die Zusammenarbeit mit in- igenen Völkern entwickelt: Die Weltbank hat einen mfangreichen Konsultationsprozess geführt, und die in- eramerikanische Entwicklungsbank verabschiedete berarbeitete Leitlinien. Beide haben sich für die ver- indliche Vorgabe entschieden, dass indigene Völker an rojekten, die sie direkt oder indirekt betreffen, zu betei- igen sind. Auch der Rat der europäischen Union hat sich 998 für die grundsätzliche Berücksichtigung der Rechte nd Anliegen der indigenen Völker als Querschnittsauf- abe ausgesprochen. Er hat Kriterien definiert, die in der ilateralen EZ der EU-Mitgliedsländer zum Ausdruck ommen sollen. Das Europaparlament hat alle Mitgliedstaaten aufge- ufen, die ILO-Konvention 169 über „Indigene und in tämmen lebende Völker“ zu ratifizieren. Ich habe die offnung noch nicht aufgegeben, dass die deutsche undesregierung den Wünschen der Ministerin für wirt- chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Tei- en des Parlaments folgen wird. Dr. Karl Addicks (FDP): Die Achtung und der chutz indigener Völker sind in den letzten Jahren mehr nd mehr beachtet worden. Dies befürworten wir Libe- ale ausdrücklich! Die in Stämmen lebenden Völker leis- en einen besonderen Beitrag zur kulturellen Vielfalt. abei gilt es besonders, sowohl den Erfahrungsschatz ls auch das naturspezifische Wissen dieser Völker als undus für den Schutz der Biodiversität zu erhalten und u nutzen. In der Entwicklungszusammenarbeit, aber uch in der Umweltpolitik gilt es, dieses Wissen zu nut- en und zu berücksichtigen. Ich denke, in diesen Punk- en sind wir uns alle einig. Viele nationale und internationale Initiativen und Or- anisationen haben dies erkannt und sich den Schutz der ndigenen Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben. ies ist zu begrüßen. Zu nennen sind zum Beispiel die rbeitsgruppe über indigene Bevölkerungen, das Stän- ige Forum über indigene Angelegenheiten sowie der onderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und rundlegenden Freiheiten indigener Völker. Dies sind ur einige Beispiele, die aber verdeutlichen, dass dieses hema erkannt und diskutiert wird. Die FDP sieht zu- em keinen Bedarf an einer zusätzlichen Initiative. Sie elbst, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, agen dies auch in Ihrem Antrag. Der Schutz indigener ölker sei bereits in zahlreichen internationalen Abkom- en aufgegriffen worden. Sowohl auf europäischer bene als auch bei den Vereinten Nationen sind bereits ahlreiche Bestrebungen zum Schutz indigener Völker rfolgreich zum Abschluss gekommen. Warum also ein Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9293 (A) ) (B) ) weiteres Abkommen, das meines Erachtens keinen zu- sätzlichen Nutzen enthält? Und noch eines finde ich sehr merkwürdig. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie selbst haben es in Ihrer rot-grünen Regierungskoalition in der Hand gehabt, die IAO Nr. 169 zu ratifizieren. Warum ha- ben Sie das nicht getan? Wo sie doch Regierungsverant- wortung und die nötige Mehrheit im Plenum hatten. Es wäre also – wenn sie es gewollt hätten – ein Leichtes ge- wesen, diese Ratifikation vorzunehmen. Da kann ich Ih- ren jetzigen Vorstoß nicht ganz ernst nehmen. Doch nicht nur die Frage nach dem zusätzlichen Nut- zen stellt sich für uns Liberale. Auch sehen wir in der IAO Nr. 169 das Problem der Unterscheidung zwischen indigener und nichtindigener Bevölkerung. Wir Liberale glauben an die Universalität der Menschenrechte. Eine Unterscheidung zwischen indigenen und nichtindigenen Individuen sollte es für uns nicht geben. Diese Art der Positivauslesen lehnen wir ebenso ab wie auch jede an- dere Form der Diskriminierung. Das ist auch der Haupt- grund, warum wir diesem Antrag nicht zustimmen kön- nen. Eine weitere Forderung in Ihrem Antrag besteht in ei- ner stärkeren Berücksichtigung indigener Völker in der Entwicklungszusammenarbeit sowie auch als Dialog- partner. Dies ist in vielen Fällen bereits vorhanden, und da stellt sich für mich ebenso die Frage: Warum muss hier eine Unterscheidung erfolgen? Diese Art von Dis- kriminierung können wir Liberale nicht unterstützen. Für uns haben alle Menschen die gleichen Rechte. Unser Ziel muss es vielmehr sein, dass die Menschenrechte weltweit geschützt, geachtet und eingefordert werden. Das muss unser aller Ziel sein. Wir Liberale lehnen aus diesen Gründen den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zur Ratifika- tion der IAO Nr. 169 ab. Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): Zu den indi- genen Völkern zählen weltweit rund 300 Millionen Menschen. Sie gehören in vielen Ländern zu denjenigen, die am meisten unter Unterdrückung und Ausgrenzung zu leiden haben. Im Zentrum der Konflikte mit Regie- rungen und internationalen Unternehmen steht das Recht der Indigenen auf ihr eigenes Land. In Sibirien werden Rentierhirten von Ölfirmen aus ih- rem Land vertrieben. In Botswana sollte das Buschvolk der San aus der Zentralkalahari verschwinden, damit für die Tourismusindustrie ein Naturreservat ohne Men- schen entstehen kann. Der zuständige UN-Sonderberichterstatter Stavenha- gen merkte dazu heute in einer Pressekonferenz bitter an, dass „in manchen Ländern Wildtiere mehr Rechte genießen als die dort lebenden indigenen Völker.“ Das 1989 beschlossene Übereinkommen 169 der IAO über die Rechte der Indigenen legt deshalb in Art. 15 fest, dass die betreffenden Völker an der Nutzung, Be- wirtschaftung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen zu beteiligen sind. In Art. 16 heißt es, dass „die betref- f a R k h e d U d G d k Ö w m e z d d a V B d G d V s S K t d V e d i V s v B E s e A (C (D enden Völker aus dem von ihnen besiedelten Land nicht usgesiedelt werden dürfen.“ Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass die egierungsparteien einer Ratifizierung dieses Überein- ommens zustimmen. Doch trotz der intensiven Bemü- ungen meines Kollegen Hoppe, der nun schon seit 2002 ine Vielzahl von Gesprächen mit Vertretern der zustän- igen Ministerien geführt hat, stemmen sich SPD und nion mit aller Macht dagegen. Federführend ist hier as Wirtschaftsministerium. Offenkundig will Herr los, dass deutsche Firmen auch in Zukunft überall auf er Welt ungeachtet der Menschenrechte indigener Völ- er ihre Geschäftsinteressen wahren können. Ich nenne an dieser Stelle nur die 2003 fertig gestellte lpipeline in Ecuador, die von der West LB finanziert urde. Für dieses Projekt wurden die in der Region hei- ischen Indianer mit Waffengewalt vertrieben. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass das IAO-Über- inkommen 169 allein keine Gewähr für die Durchset- ung der Rechte der Indigenen bietet. Denn Ecuador hat as Übereinkommen ratifiziert. Doch die Ratifizierung urch die Bundesrepublik würde unweigerlich die Frage ufwerfen, ob die Rechte der Indigenen nicht auch in den ergaberichtlinien etwa bei der Erteilung von Hermes- ürgschaften eine Rolle spielen sollten oder bei der Kre- itvergabe einer landeseigenen Bank wie der West LB. Wir, Die Linke, unterstützen deshalb den Antrag der rünen ohne Wenn und Aber. Dies ist auch ein Signal er Solidarität gegenüber den Aktivisten der indigenen ölker, die aktuell in Guatemala ihren dritten amerikani- chen Kontinentalgipfel abhalten. Dass ihr Widerstand Erfolg haben kann, bewiesen die an im afrikanischen Botswana. Deren jahrelanger ampf hat dazu geführt, dass ein Gericht nun ihre Ver- reibung aus der Kalahari für illegal erklärt hat! Lassen Sie mich noch eines anfügen. Das Verhalten er großen Kolonialmächte gegenüber den indigenen ölkern war schon immer besonders schändlich. Um nur in Beispiel zu nennen, das noch immer aktuell ist: Nach em Erwerb der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean n den 60-Jahren hat Großbritannien das dort lebende olk zwangsdeportiert, nicht im Interesse von Öl-Multis, ondern um die Insel dem US-amerikanischen Militär zu erpachten. So konnten von dort aus 1991 und 2003 die omber starten, um Hunderttausende im Irak zu morden. Die einstigen Inselbewohner sind heute Bürger der U. Doch ihr Zwangsexil dauert an. Es stünde der deut- chen Ratspräsidentschaft gut zu Gesicht, ihr Schicksal ndlich zu einem Thema in der EU zu erklären. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede Zur Beratung: – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Verbesse- rung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif- ten für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR 9294 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Verbesse- rung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif- ten für politisch Verfolgte im Beitrittsgebiet und zur Einführung einer Opferrente (Op- ferrentengesetz) (Tagesordnungspunkt 16a und b) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Auch wenn die letzte Debatte zum Thema erst wenige Wochen zurückliegt, scheint es mir erforderlich, dass wir uns hierüber heute noch einmal austauschen. Denn der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, nimmt leider nichts von dem auf, was in der letzten Debatte, aber auch außerparlamentarisch, an Kritik geäußert worden ist. Die FDP ist davon überzeugt, dass es nach der massiven Kri- tik, die bei weitem nicht nur parteipolitisch motiviert war, geboten ist, die rechtspolitischen und vor allem fis- kalischen Spielräume neu auszuloten. Sie hingegen ver- fahren nach dem Prinzip „Augen zu und durch“. Das wird der Bedeutung des Gesetzgebungsvorhabens nicht gerecht. Das, wie Sie es nennen, Dritte Gesetz zur Verbesse- rung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften wird eine Art Schlussgesetz sein. Machen wir uns doch nichts vor, ein Viertes oder gar Fünftes Gesetz wird es nicht mehr geben. Das wäre den Betroffenen auch nicht zumutbar. Viele stehen in ihrem achten oder neunten Lebensjahr- zehnt. Deshalb müssen wir uns bei diesem Gesetz sicher sein können, dass keine Opfer, die billigerweise einen Anspruch haben sollten, vergessen werden. Nach dem, was bisher vorliegt, bin ich mir da aber nicht so sicher. Sie selbst gehen von rund 80 000 ehemaligen politischen Häftlingen mit einer Haftdauer von mindestens sechs Monaten aus. Davon sollen knapp 16 000 in den Genuss einer monatlichen Zahlung von 250 Euro kommen. Wird dies wirklich dem Anspruch gerecht, allen Bürgerinnen und Bürgern, deren fundamentale Menschenrechte von Staat und Partei schwerwiegend verletzt wurden, Ge- rechtigkeit und Anerkennung widerfahren zu lassen? Was ist mit Schülern, die aus politischen Gründen die Schule beenden mussten? Was ist mit Opfern von Zer- setzungsmaßnahmen der Stasi, eindrucksvoll nachzule- sen in einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 23. März? Der Gesetzentwurf gibt darauf keine Antwort. Sie sagen nur, sie kämen um die Bedürftigkeitsprüfung nicht umhin. Alles andere liefe auf eine Besserstellung der Opfer des SED-Regimes gegenüber anderen Opfern, insbesondere solchen des NS-Terrors, hinaus. Der Ge- setzentwurf enthält hierzu eine Reihe von Behauptun- gen. Eine vertiefte Auseinandersetzung hingegen fehlt. Ich behalte mir daher ausdrücklich vor, hierzu eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages einzuholen. Solange diese Frage nicht abschließend geklärt ist, muss ich mit vielen Be- troffenen und ihren Verbänden unverändert davon ausge- hen, dass der eng gezogene Kreis der Anspruchsberech- tigten und die geringe Höhe der Opferpension allein fiskalpolitisch motiviert sind, muss ich davon ausgehen, dass Ihnen der Finanzminister bei diesem Gesetzentwurf die Feder geführt hat. h u l a d z u t O w h U k s A h U h A e d F w v d w n a i s D A M s n K w 3 b g l d G w k v (C (D Die FDP-Bundestagsfraktion hat heute davon abgese- en, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, obwohl es ns ein Leichtes gewesen wäre, den Entwurf aus der etzten Wahlperiode erneut einzubringen. Wir erneuern n dieser Stelle vielmehr unser Angebot, an der Lösung er Fragen, die uns heute beschäftigen, konstruktiv mit- uwirken. Am Ende dieses Prozesses sollte eine würdige nd dem Einsatz der Betroffenen für Freiheit, Demokra- ie und Rechtsstaatlichkeit angemessene Lösung stehen. hne substanzielle Änderungen an dem Gesetzentwurf ird es hierzu nicht kommen. Sollte der Gesetzentwurf ingegen Ihr letztes Wort sein, werden Sie auf unsere nterstützung nicht bauen können. Einer Lösung auf fis- alisch niedrigstem Niveau können und werden wir un- ere Hand nicht reichen. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Umlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwillige Basis stellen (Tagesordnungs- punkt 17) Max Straubinger (CDU/CSU): Wir diskutieren eute einen Antrag der FDP-Fraktion, in dem diese das mlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im Krank- eitsfall auf freiwillige Basis zu stellen und somit die bschaffung der gegenwärtigen Regelung fordert. Lassen Sie uns die Begründung der FDP-Fraktion inmal betrachten: Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber as Risiko der Lohnfortzahlung. Somit stellt sich die rage, wie der einzelne Betrieb dieses Risikos schultern ill, ob er das Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter indi- iduell oder kollektiv tragen möchte. Aus guten Grün- en hat man sich für die Kollektivierung entschieden, as meines Erachtens auch von der Mehrzahl der klei- en und mittleren Betriebe nicht nur akzeptiert, sondern uch gewünscht wird. Mit der Neugestaltung des Lohnfortzahlungsgesetzes st die Bundesregierung, dem Urteil des Bundesverfas- ungsgerichts vom 18. November 2003 nachgekommen. as Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass der rbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 utterschutzgesetz jedenfalls dann nicht mehr verfas- ungsmäßig ist, wenn im Rahmen des Umlageverfahren ach dem Lohnfortzahlungsgesetz diese Kosten nur leinbetrieben von bis zu 20 Arbeitnehmern erstattet erden. Da mittlere und größere Unternehmen mit bis zu 0 Beschäftigten nicht an diesem Verfahren teilnahmen, estand nach den Feststellungen des Bundesverfassungs- erichts die Möglichkeit, dass die Frauen bei der Einstel- ung benachteiligt werden. Hierin lag ein Verstoß gegen as Gleichberechtigungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 des rundgesetzes. Mit dem Gesetz wurde die festgestellte Verfassungs- idrigkeit beseitigt. Das Umlageverfahren, was sie hier ritisieren, wurde den aktuellen Strukturen in der Sozial- ersicherung angeglichen und weiterentwickelt, sodass Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9295 (A) ) (B) ) insgesamt eine gerechtere Verteilung der Belastung er- reicht wurde. Im Antrag wird auch dem Umlageverfah- ren U1 zu große Bürokratie unterstellt. In das Umlageverfahren U1 wurden nun erstmalig auch Angestellte miteinbezogen, denn bis dahin war die Erstattung nur für Arbeiter und Auszubildende vorgese- hen. Damit wurde die Unterscheidung zwischen Arbei- tern und Angestellten aufgehoben. Mit dem Wegfall der Unterscheidung wurde das Urnlageverfahren vereinfacht und trägt zum Abbau der Bürokratie bei. Zudem leistet auch die Erweiterung des Umlageverfahrens auf die Er- satz- und Betriebskassen einen zusätzlichen Beitrag zum Bürokratieabbau. Des Weiteren kann die Durchführung des Umlagever- fahrens auch auf eine andere Kasse oder einen Landes- oder Bundesverband übertragen werden. Bislang sahen die Regelungen des Lohnfortzahlungsgesetzes vor, dass jede Krankenkasse das Umlageverfahren eigenverant- wortlich durchführt. Auch den Vorwurf, dass das Umlageverfahren U1 zu zeitaufwendig ist und hohe Verwaltungskosten mit sich bringt, kann ich nicht nachvollziehen. Deshalb ist der Vorwurf des Bürokratieaufwandes nicht gerechtfertigt. Die Arbeitgeber haben weiterhin die Möglichkeit, kostengünstige Angebote der Krankenkassen auszusu- chen. Auch die Wählbarkeit des Erstattungssatzes im Lohnfortzahlungsfall zwischen 40 und 80 Prozent nimmt auf betriebsindividuelle Bedürfnisse und finanzielle Be- lastungen Rücksicht. Gegenwärtig wählen nach Aussage meiner örtlichen AOK die allermeisten Betriebe den höheren Erstattungs- satz von 80 Prozent. Damit wird deutlich, dass die Be- triebe an einem höheren Erstattungsbetrag interessiert sind. Mit dieser Entscheidung dokumentieren die Be- triebe selbst die Akzeptanz einer kollektiven Lösung über das Umlageverfahren U1. Damit auch weiterhin stabile Beitragssätze, wie sie derzeit festzustellen sind, gewährleistet werden können, ist es notwendig, am kol- lektiven System festzuhalten. Eine freiwillige Wahlmöglichkeit, ob man am Umla- geverfahren teilnimmt oder nicht, würde nur eine Entmi- schung der Risiken bedeuten. Büroberufe mit vermeint- lich niedrigem Krankheits- und Unfallrisiko würden sich dann möglicherweise aus dem kollektiven System verab- schieden. Damit müssten Berufe mit höherem Risiko hö- here Beitragssätze schultern. Auch kann ich ihre Vermutung, dass Arbeitgeber auf- grund des Umlagesystems U1 keine gesundheitsfördern- den Arbeitsbedingungen schaffen wollen, die zu einem niedrigen Krankheitsstand führen, nicht nachvollziehen. Jeder Arbeitgeber hat ein Interesse, dass jeder seiner Ar- beitnehmer pünktlich und gesund zur Arbeit erscheint, damit die anfallenden Aufträge und Arbeiten zeitgerecht und für die Kunden zufriedenstellend erledigt werden können. Es kann festgestellt werden, dass die Betriebe eine hohe Akzeptanz dem Umlageverfahren U l entgegen- bringen und deshalb ist es geboten, am bewährten Sys- t t B L s u M w w l m U l f d t i h a v d W z G n d d t c a z w b b A d z s f a G P a d d s s v a l a (C (D em festzuhalten. Deswegen wird die CDU/CSU-Frak- ion ihren Antrag ablehnen. Jella Teuchner (SPD): Im November 2005 hat der undestag das zurzeit gültige Umlageverfahren bei der ohnfortzahlung im Krankheitsfall beschlossen. Zuge- timmt haben fast alle Fraktionen. Nur die Kolleginnen nd Kollegen von der FDP haben sich damals enthalten. it dem Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberauf- endungen haben wir damals genau das beschlossen, as die FDP heute wieder abschaffen will: Mit der Um- age wurden unkalkulierbare Risiken für Unternehmen it bis zu 30 Mitarbeitern kalkulierbar gemacht. Mit dem Antrag der FDP soll das Umlageverfahren 1 zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwil- ige Basis gestellt werden. Das bedeutet im Klartext: Sie ordert die Abschaffung des Umlageverfahrens U1, also ie Abschaffung des Ausgleichsverfahrens der Kleinun- ernehmen bei Entgeltfortzahlung eines Arbeitnehmers m Krankheitsfall. Die FDP hat recht: Die Lohnfortzahlung im Krank- eitsfall ist ein unternehmerisches Risiko. Sie möchte es m liebsten durch eine Absenkung der Lohnfortzahlung erringern. Die FDP weiß, dass sie damit aber nicht urchkommen wird. Die Begründung des Antrages ist dann auch nur die iederholung des ewigen Mantras: zu bürokratisch, mit u vielen Kosten verbunden, zu ineffizient und mit der efahr des Trittbrettfahrertums behaftet. Das ist alles ichts Neues. Neu ist auch nicht, dass die Begründung urch nichts belegt ist. Hauptsache, die Ideologie passt! Die FDP macht mit diesem Antrag wieder einmal eutlich, was sie eigentlich haben will: Sie will kollek- ive Risiken privatisieren, die solidarische Krankenversi- herung aushöhlen, die solidarische Pflegeversicherung ushöhlen und auch das Umlageverfahren zur Lohnfort- ahlung aushöhlen. Die Umlage der Arbeitgeber bei der Lohnfortzahlung urde geschaffen, um wirtschaftliche Härten für Klein- etriebe durch krankheitsbedingten Ausfall von Mitar- eitern zu vermeiden. Durch eine Freiwilligkeit, wie im ntrag gefordert, würden die wirtschaftlichen Härten für iese Kleinbetriebe eben nicht vermieden. Die Umset- ung würde ein Problem für die kleineren Betriebe chaffen, das bisher gut gelöst ist. Sicher kann der Aus- all eines Mitarbeiters oft kompensiert werden. Das ist ja uch nicht der Härtefall. Was aber, wenn durch eine rippewelle in einem Betrieb nicht nur eine oder zwei ersonen, sondern vielleicht zehn fehlen? Dann kann die nfallende Arbeit nicht mehr durch andere Mitarbeiter ieses Betriebes mit erledigt werden. Die FDP erkennt in ihren Antrag doch selbst an, dass iese Umlage sinnvoll ist. Sie will nur eine andere Lö- ung. Sie sagt, es sollte jedem Arbeitgeber freigestellt ein, ob er das Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter indi- iduell tragen will oder ob er hierfür eine Versicherung bschließen möchte. Das heißt: Die FDP will letztend- ich die Umlage in die private Versicherungswirtschaft uslagern und ihr so ein neues Geschäftsfeld erschlie- 9296 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) ßen. Das hat sicherlich mit dem System, das wir im Mo- ment haben und das es zu erhalten gilt, überhaupt nichts zu tun. Privatisierte Krankenversicherung, möglichst eine privatisierte Rentenversicherung, individuelle Versiche- rungen statt der Umlagen: Das hat System. Die ständige Begründung: Das ist effizienter, das ist kostengünstiger, das ist viel besser. Den Glauben der FDP möchte ich haben! Vielleicht sollte die FDP ihre Politik nicht an dem ausrichten, was sie glaubt, sondern an dem, was wir alle wissen. Im Antrag heißt es, die Umlage würde den Anreiz vermindern, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die FDP weiß doch ganz genau, dass das nicht stimmt: Die Arbeitgeber können Erstattungssätze wählen, die ihren unterschiedlich gelagerten Interessen entsprechen. Es stimmt also nicht, wenn sie schreibt, dass solche Anreize bisher vermindert werden. Bei- spielsweise kann ein Arbeitgeber, der selbst Anstrengun- gen zur Schaffung eines gesunden Betriebsklimas unter- nommen hat, Kosten sparen, indem er sich für eine geringe Erstattungshöhe und so für einen niedrigeren Umlagesatz entscheidet. Das erlaubt die derzeit gültige Ausgestaltung der U1; das will die FDP anscheinend nicht wahrhaben. Es hilft nichts: Sie kann die Realität nicht an ihre Konzepte anpassen; auch ihre Konzepte müssen zur Realität passen. Wir führen diese Auseinandersetzung ja nicht zum ersten Mal. Das Prinzip, das wir in der solidarischen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversi- cherung haben, das Prinzip der Solidarität, wird und muss auch in Zukunft tragen. Wie soll das anders funk- tionieren und finanziert werden in Zukunft, wenn nicht die finanziell Stärkeren für die finanziell Schwächeren einstehen? Wir sind der Meinung: Das muss so bleiben! Wir haben im November auch die U2 – Aufwendungen für den Mutterschutz – geändert. Auch das ist ein unter- nehmerisches Risiko. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass Frauen durch das Lohnfort- zahlungsgesetz bei der Einstellung benachteiligt werden können. Diese Benachteiligung kann durch eine Umlage ausgeglichen werden. Die FDP geht in ihrem Antrag nicht auf die Umlage zum Mutterschutz ein. Sie weiß, dass sie das in noch größere Erklärungsnöte bringen würde. Dennoch will ich daran noch mal erinnern: Es geht bei diesen Umlagen nicht nur um Geldumverteilung, es geht auch darum, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht be- nachteiligt werden. Das taucht bei der FDP nicht auf, das scheint sie nicht zu interessieren. Mit ihrem Antrag macht sie sich zum Mündel der pri- vaten Versicherungswirtschaft; der will sie ein neues Ge- schäftsfeld erschließen. Da machen wir nicht mit. Es wird auch weiterhin das gelten, was wir im November 2005 beschlossen haben: Mit der Ausweitung des U1-Umlage- verfahrens auf die Betriebe bis 30 Beschäftigte ist die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 90 Prozent aller Unternehmen umlagefinanziert; diese Unternehmen blei- b d g t E t i n r h 3 m A le T lu 8 G in k m s s z n i m t I e a n b g r D G K v s I r K c s w B d E „ f w d D (C (D en in einem solidarischen System. Dies ist sinnvoll und as wollen wir nicht ändern. Heinz Lanfermann (FDP): Weil damals die Zeit we- en früherer Versäumnisse drängte, hat die Große Koali- ion im Dezember 2005 in einer Art Eilverfahren eine ntscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Mut- erschaftsgeld umgesetzt und die Gelegenheit genutzt, m selben Atemzug die Voraussetzungen für die soge- annte U1-Umlage zu ändern, ohne dass hierfür eine echtliche oder tatsächliche Notwendigkeit bestanden ätte. Mit der U1-Umlage sind Arbeitgeber mit bis zu 0 Beschäftigten zu einer Zwangsabgabe verpflichtet. Sie üssen an die jeweilige gesetzliche Krankenkasse ihrer rbeiter und Angestellten einen Umlagebetrag dafür zah- n, dass sie im Krankheitsfall der Beschäftigten einen eil der Aufwendungen, die aufgrund der Entgeltfortzah- ng entstehen, erstattet bekommen; in der Regel 0 Prozent. Das klingt zunächst gut gemeint, ist aber das egenteil von richtig. In Wirklichkeit kommt hier das sbesondere von der SPD favorisierte „Vorsorge-Gieß- annenprinzip“ zum Tragen: Eine einzige Pflanze könnte al in Zukunft Wasser benötigen, wir gießen jetzt vor- ichtshalber alle, notfalls bis zum Ertrinken. – Der „vor- orgende Sozialstaat“ treibt schon Blüten. Tatsächlich gehört die Krankheit eines Beschäftigten um originären Risiko eines Unternehmens und muss icht zwangsweise abgesichert werden. Vor allem aber st das U1-Verfahren bürokratisch, zeitaufwendig und it hohen Verwaltungskosten sowohl aufseiten der Be- riebe als auch aufseiten der Krankenkassen verbunden. m Extremfall muss die Umlage für jeden Mitarbeiter an ine andere Krankenkasse mit anderen Umlagesätzen bgeführt und mit anderen Erstattungssätzen abgerech- et werden. Viele mittelständische Betriebe wären dank- ar, mit dieser für die allermeisten von ihnen überflüssi- en Risikodämpfung nicht mehr belastet zu werden. Mit der U1-Umlage verringert sich außerdem der An- eiz, für seine Mitarbeiter eigenverantwortlich zu sorgen. abei kann der Arbeitgeber in hohem Maße durch die estaltung der Arbeitsbedingungen Einfluss auf den rankenstand im Unternehmen nehmen. Mit den Um- erteilungsmechanismen werden zudem Fehlanreize ge- etzt, die Kosten auf andere Unternehmen abzuwälzen. m schlimmsten Falle werden Mitarbeiter bei einer ge- ingen Auslastung des Betriebs dazu angeregt, in den rankenstand zu gehen, sodass die Umverteilungsme- hanismen greifen. Leider handelt es sich um ein Bei- piel aus dem wahren Leben. Mit dem U1-Verfahren erden Betriebe mit niedrigem Krankenstand und gutem etriebsklima benachteiligt. Kleine und mittelständische Unternehmen brauchen as U1-Verfahren nicht – und sie wollen es auch nicht. ine kollektive Risikoabsicherung ist nicht erforderlich; Rund-um-sorglos-Pakete“ des Staates sind nicht ge- ragt. Denn es ist für jedes Unternehmen, das dies ünscht, ohne Weiteres möglich, sich freiwillig gegen as Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter zu versichern. eshalb gilt hier erst recht der Grundsatz, dass der Staat Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9297 (A) ) (B) ) sich nicht in Bereiche einmischen soll, die der originären Verantwortung des Unternehmens obliegen. Anstelle mit immer neuen Regelungen zu Umverteilungsverfahren konfrontiert zu werden, brauchen gerade klein- und mit- telständische Unternehmen dringend eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine stabile Ordnungspolitik, auf die Verlass ist. Stattdessen werden sie mit Mehrwertsteu- ererhöhung, steigenden Krankenkassenbeiträgen und immer neuen bürokratischen Erfordernissen weiter be- lastet. Die Große Koalition vergisst zu gern, dass der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist und dass eine verlässliche Mittelstandspolitik nicht zu- letzt eine gute Arbeitsmarktpolitik ist. Anstelle den Mit- telstand mit immer neuen Belastungen zu belegen, muss er gestärkt werden. Drei Viertel aller sozialversiche- rungspflichtigen Arbeitsplätze und über 80 Prozent der Ausbildungsplätze stellt der Mittelstand. Die FDP fordert daher, die U1-Umlage im Arbeitge- berausgleichsgesetz abzuschaffen, das Umlageverfahren auf freiwillige Basis zu stellen und damit einen sinnvol- len Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten. Wie über- flüssig und absurd die U1-Umlage ist, zeigt ein Beispiel aus dem eigenen Hause. Auch Bundestagsabgeordnete als private Arbeitgeber im Sinne des Arbeitgeberaus- gleichsgesetzes müssen am Umlageverfahren teilneh- men. Zwar besteht für den einzelnen Abgeordneten in keiner Weise ein wirtschaftliches Risiko, weil er ja nur als formaler Arbeitgeber fungiert und die Gehaltskosten für die Mitarbeiter direkt aus dem Bundeshaushalt be- zahlt werden. Gleichwohl fällt er per Definition auf- grund der geringen Anzahl seiner Beschäftigten und sei- ner rechtlichen Eigenschaft als privater Arbeitgeber in die Zwangsversicherung. Ohne dass der Sinn dieser Um- lageregelung überhaupt erreicht werden kann, werden hier Mehrkosten für das Jahr 2007 von 1 462 000 Euro erzeugt. Es zeigt sich wieder einmal, dass Umverteilung kein Wert an sich ist, sondern vielfach nur zu Mehrkos- ten ohne Mehrwert führt. Frank Spieth (DIE LINKE): Der Antrag der FDP ist unnötig und überflüssig wie ein Kropf. Die FDP gibt vor, Bürokratie abbauen zu wollen, um so angeblich un- sinnige Verwaltungskosten einzusparen. Dies ist ein vor- geschobenes Argument; tatsächlich sollen Arbeitgeber von Beitragszahlungen befreit werden. Aber stimmt das und ist das wirklich von Vorteil für die Arbeitgeber? In den ersten sechs Wochen einer Krankschreibung muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten seinen Lohn weiterzahlen. Erst ab der siebten Woche setzt das Kran- kengeld ein, das von der Krankenkasse getragen wird. Ein großer Arbeitgeber kann die Kosten der Lohnfort- zahlung kalkulieren und Ausfälle kompensieren. Arbeit- geber mit wenigen Beschäftigten und Umsatz trifft die Erkrankung ihrer Mitarbeiter jedoch heftiger, da sie die plötzlich fehlende Arbeitskraft schlechter ersetzen kön- nen. Für einen Betrieb mit vier Mitarbeitern ist es eine große Belastung, wenn zwei Mitarbeiter gleichzeitig fehlen und durch eine neu eingestellte Kraft ersetzt wer- den müssen. e a g i g m g n h l K 1 K T t f K o P m r u h s s e f a w d g d i m P b o a K b F R R b e ß V e n s l B (C (D Das Umlageverfahren U1, um das es heute geht, ist ine Versicherung, die kleine Arbeitgeber mit weniger ls 30 Beschäftigten abschließen müssen. Diese Arbeit- eber zahlen einen Beitrag und sind im Krankheitsfall hrer Mitarbeiter versichert: im Regelfall zahlt die Umla- ekasse 80 Prozent der Lohnfortzahlung; 20 Prozent uss also der Arbeitgeber dann noch selbst leisten. Es ibt aber auch Unternehmer, die diese Versicherung icht wollen und sich gegenüber anderen Betrieben mit öherem Krankenstand nicht solidarisch erweisen wol- en. Diese hatten bis ins Jahr 2006 hinein bei einigen rankenkassen die Möglichkeit, Billigtarife mit nur 0 Prozent Umlage zu wählen; 90 Prozent waren im rankheitsfall aus eigener Tasche zu zahlen. Für diese arife waren entsprechend niedrige Beiträge zu entrich- en. Dies kam de facto einer Aushebelung des U1-Ver- ahrens gleich; die Arbeitgeber konnten sich je nach rankenstand aussuchen, ob sie die Versicherung wollen der nicht. Das Bundessozialgericht hatte entschieden, dass diese raxis so nicht in Ordnung ist. Mindestens zu 50 Prozent uss ein Arbeitgeber sich absichern, so urteilte das Ge- icht. Die Koalition ist hinter dieses Urteil zurückgegangen nd hat den Mindestumlagesatz im Zuge des „Gesund- eitsreform“ genannten GKV-Wettbewerbsstärkungsge- etzes erst kürzlich von 50 Prozent auf 40 Prozent ge- enkt. Aber immerhin: Die Koalition hat sich dazu ntschließen können, eine Mindestgrenze gesetzlich estzuschreiben. Ich will mich auch nicht um 10 Prozent streiten; was ber auffallend ist: Im Juli 2006 gibt es besagtes Urteil, elches die bestehende Gesetzeslücke schließt und so ie Arbeitgeber zu Solidarität untereinander verpflichtet; erade einmal zwei Monate und einen Tag später bringt ie FDP den heute zu beratenden Antrag als Drucksache ns Parlament ein, der zum Ziel hat, dies rückgängig zu achen. Dies ist keine am Allgemeinwohl orientierte olitik, sondern Klientelpolitik in Reinkultur. Der FDP-Antrag ist widersinnig: Wenn man den Ar- eitgebern freistellt, sich an der Solidarität zu beteiligen der auch nicht, werden sich diejenigen Unternehmen us der Solidarität verabschieden, die einen niedrigen rankenstand haben, die etwas größer sind und die Ar- eitskräfte leichter umdisponieren können. Nach der DP-Methode steigen die Arbeitgeber mit geringerem isiko aus, und es bleiben die Arbeitgeber mit hohem isiko. Dies hat zur Folge, dass die verbleibenden Ar- eitgeber, die weiterhin an der U1-Umlage teilnehmen, inen immer höheren Beitrag aufbringen müssen. Au- erdem würden bei dann sinkenden Fallzahlen auch die erwaltungskosten pro Fall steigen, die sich derzeit auf inem moderaten Niveau befinden. Die FDP gaukelt hier Freiwilligkeit vor und weiß ge- au, dass die Einführung von Freiwilligkeit in solidari- chen Systemen diese Systeme selbst zerstört. Grenzen- ose Freiheit hat mit Sozialstaatlichkeit nichts zu tun. Es muss eine Mindestgrenze geben, wie auch vom undessozialgericht festgestellt wurde. Die Fraktion Die 9298 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Linke würde sich wünschen, dieser Mindestsatz läge hö- her als die von der Koalition beschlossenen 40 Prozent; die 0 Prozent der FDP sind aber definitiv nicht akzepta- bel und würden das Verfahren ad absurdum führen und an die Wand fahren. Die Praxis, dass die Arbeitgeber sich bei einer Kasse zwischen mehreren Tarifen entscheiden können, wurde vom Bundessozialgericht verboten, von der Koalition in der Gesundheitsdeform zum 1. April wieder legalisiert. Wir lehnen eine solche Rosinenpickerei, die es einigen Arbeitgebern ermöglicht, zulasten anderer Arbeitgeber den eigenen Umlagesatz zu reduzieren, ab und fordern einen einzigen Umlagesatz für alle Betriebe. Die FDP führt als ein weiteres Argument gegen das U1-Verfahren an, dass sich im Einzelfall Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Zeiten mit schlechtem Auftragsstand zusammentun könnten und sich der Arbeitnehmer auf Kosten der anderen Arbeitgeber krankschreiben lässt. Dies ist nicht falsch; ein solcher Missbrauch findet ver- einzelt sicherlich statt. Es gibt aber noch eine weitere Methode, wie Arbeitgeber sich um die Löhne Ihrer Mit- arbeiter drücken können, die, falls der FDP-Antrag er- folgreich wäre, sicherlich stärker genutzt würde: Ein Ar- beitgeber kann bei wirtschaftlichen Problemen seine Arbeitnehmer auch entlassen, mit dem Versprechen, sie in besseren Zeiten wieder einzustellen. Dann würden aber – nicht wie im U1-Verfahren nur die Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitnehmer die Kosten tragen, und zwar die Hälfte, über die Arbeitslosenversicherung. Dieser Antrag ist keine Initiative gegen unnötige Bürokratie und unnötige Kosten, wie es die FDP vorgau- kelt, sondern ein Antrag, der die Interessen der größeren Arbeitgeber gegen die Interessen der kleinen und mittel- ständischen Betriebe und gegen die Interessen der dort beschäftigten Arbeitnehmer durchzusetzen versucht. Die Fraktion Die Linke, lehnt das Ansinnen der FDP deshalb ab. Birgit Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin verwundert, dass die FDP mit der Einbringung die- ses Antrags neun Monate nach der Verabschiedung des Aufwendungsausgleichsgesetzes die faktische Abschaf- fung des Umlageverfahrens zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für Unternehmen mit bis zu 30 Beschäf- tigten fordert. Sowohl in den Ausschussberatungen als auch im Plenum war Ende 2005 von der FDP keinerlei Kritik an diesem Verfahren geäußert worden. Sie begründen die Abschaffung mit dem bürokrati- schen und zeitaufwendigen Verfahren. Dabei wurde das Verfahren deutlich vereinfacht und damit bisherige Bü- rokratie abgebaut: Die Ungleichbehandlung von Arbei- tern und Arbeiterinnen und von Angestellten wurde ab- geschafft. Es gelten einheitliche – und nicht jeweils krankenkassenspezifische – Regelungen im Bereich Er- stattungssätze. Ebenso ist die Frage, welche Unterneh- men sich an dieser Umlage beteiligen, nun einheitlich geregelt. Unternehmen mit 20 bis 30 Beschäftigten müs- sen nicht überprüfen, ob bzw. für welchen Arbeitnehmer bzw. welche Arbeitnehmerin überhaupt eine Umlage zu zahlen ist. r z k k e W v h r G a E s A a G w e i F D t e f d t s g d k v b u a z c g Ü k k A n A h r M (C (D Diese Vereinheitlichungen sind eine notwendige Vo- aussetzung dafür, dass Krankenkassen diese Aufgabe ukünftig an eine kassenübergreifende Stelle übertragen önnen. Diese Chance sollte von den gesetzlichen Kran- enkassen genutzt werden. Dies würde zu weiteren Ver- infachungen für die Betriebe führen. Nun zu dem Argument, dass durch diese Regelung irtschaftlichkeitsanreize fehlten und Trittbrettfahrer- erhalten auftreten könne. Ein echtes Trittbrettfahrerver- alten setzt voraus, dass der Output, den die Mitarbeite- in bzw. der Mitarbeiter erzielt, geringer wäre als ihr ehalt plus der Umlage – ein Geschäftsverhalten, das uf Dauer nicht durchzuhalten wäre und ein schnelles nde des Unternehmens zur Konsequenz hätte. Es ist chon fast absurd anzunehmen, dass Arbeitgeber ihre rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lieber krank als n ihrem Arbeitsplatz sehen würden. Demgegenüber stehen die positiven Effekte und die rundidee des Umlageverfahrens. Kleine Unternehmen erden davor geschützt, alleine durch die Krankheit von inem oder mehreren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern ns wirtschaftliche Aus katapultiert zu werden. Dies ist örderung des Klein- und Mittelstandes im besten Sinn. enn gerade Kleinstunternehmen, die in derartige Situa- ionen kommen können, stricken ihre Budgets oft sehr ng. Kurzfristig würden sie auf notwendige Rücklagen ür solche Fälle verzichten – das hätte im Fall der Fälle ann extreme Auswirkungen auf sie und ihre Beschäftig- en. Dem gilt es vorzubeugen und die gesetzlich vorge- chriebene Umlage beizubehalten. Beobachten sollten wir in jedem Fall, ob kassenüber- reifende Stellen entstehen. Diskussionswürdig ist, ob ieser Prozess durch die Einführung der Wahlmöglich- eit von Betrieben, alle Beschäftigten bei einer Kranken- ersicherung zu versichern, beschleunigt werden kann zw. soll. Denn dies hätte für die Verwaltung der Umlage nd die Betriebe Synergieeffekte. Damit würden aber uch die sehr unterschiedlichen Beitragssätze – Beiträge wischen 0,1 Prozent und drei Prozent des rentenversi- herungspflichtigen Einkommens sind mir bekannt – auf- rund der differierenden Versichertenstruktur nivelliert. ber Vereinfachungen im Sinne einer zentralen Stelle önnen wir diskutieren. Ebenso fordere ich die Kranken- assen auf, wie vom BDA vorgeschlagen, für einheitliche ntrags- und Erstattungsformulare sowie deren elektro- ische Übermittlung Sorge zu tragen. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Gesetz zum Aus- gleich behinderungsbedingter Nachteile vorle- gen (Nachteilsausgleichsgesetz – NAG) (Tages- ordnungspunkt 18) Hubert Hüppe (CDU/CSU): Der zur Debatte ste- ende Antrag der Fraktion Die Linke fordert die Bundes- egierung dazu auf, ein Nachteilsausgleichgesetz für enschen mit Behinderung vorzulegen. Auf den ersten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9299 (A) ) (B) ) Blick enthält dieser Antrag all das, was sich behinderten- politische Sprecher so wünschen: einen bedarfsdecken- den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile, eine Stärkung der selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderung, eine Vereinheitlichung des Behinder- tenrechts. Jeder Politiker, der sich mit dieser Thematik beschäf- tigt, weiß, wie schwer es ist, nur eines der genannten Ziele zu erreichen. Das Wissen um diese Schwierigkei- ten ist wohl auch ein Grund dafür, warum die Fraktion Die Linke keinen Gesetzentwurf vorlegt, sondern die Bundesregierung lediglich aufgefordert werden soll, ein solches Gesetz vorzulegen. Ein weiterer Grund, warum Die Linke keinen Gesetzentwurf vorlegt, könnte wohl die Bezifferung der Kosten sein, die bei Vorlage benannt werden müssen. Hierzu schweigt sich der Antrag aus. Soll der Bund nun grundsätzlich die Eingliederungs- hilfe übernehmen oder nur die Mehrkosten, die der Vor- schlag mit sich bringt? Welcher Anteil soll auf die Pfle- geversicherung entfallen, für die im Übrigen der Grad der Behinderung von mindestens 50 zunächst einmal keine Rolle spielt? Wie errechnen sich die einzelnen An- sprüche aus den verschiedenen anderen Sozialversiche- rungen sowie aus Eingliederungshilfe oder Jugendhilfe? Alles Fragen, auf die im Antrag keine Antworten zu fin- den sind. Bei aller Kritik nennt der Antrag einige Probleme, die in Angriff genommen werden müssten: Der Behörden- dschungel, den jeder Antragsteller zu überwinden hat, muss gelichtet werden. Die Zuständigkeitsklärung stellt sich oft als schwierig dar und endet für manche Men- schen in einem Behördenmarathon. Die von der Fraktion Die Linke geforderte Stelle, die vieles klären soll und den schon erwähnten Behördenmarathon eindämmen könnte, gibt es bereits. Dies ist die Aufgabe der soge- nannten Gemeinsamen Servicestellen. Sie sollen Men- schen mit Behinderungen im Regel- und Antragsgewirr Hilfe leisten und unterstützen. Allerdings kennt kaum je- mand die Gemeinsamen Servicestellen, und manchmal habe ich das Gefühl, das ist manchen Stellen auch ganz recht. Hier muss dringend etwas geschehen. Den Vor- schlag, die persönliche Assistenz in den Berufsstand zu heben, halte ich für gut und richtig. Mir ist zum Beispiel ein Fall bekannt, in dem eine Frau mit Lernschwierigkei- ten die Assistenz für einen körperlich Behinderten über- nommen hat. Somit hat diese Frau – die ansonsten kaum Möglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt hätte – eine sinnvolle und bezahlte Tätigkeit. Die genannten Probleme müssen gelöst werden. Der vorliegende Antrag ist zur Problemlösung allerdings un- geeignet. Ihm liegt ein Widerspruch zugrunde, den ich nicht verschweigen möchte, nämlich: Dort, wo Die Linke mit in der Regierungsverantwortung steht, wird gerne mal an Leistungen gespart und gekürzt. So ist in Berlin unter einer rot-roten Koalition nicht nur das Blindengeld gekürzt worden, sondern es wurden darüber hinaus Einsparungen im Bereich der Behindertenfahr- dienste, Mobilitätshilfen und Wohlfahrtsverbände vor- genommen. Mecklenburg-Vorpommern – bis 2006 re- giert durch eine rot-rote Koalition – hat als vorletztes B f B w d m M D p s s d r f K w s c s d t n S z s g b W n d t t A A d m l T t w l w w w d r R E P l L g (C (D undesland das Behindertengleichstellungsgesetz einge- ührt. Auch die Beteiligung des Landes am Persönlichen udget fiel dürftig aus. Ich finde es nicht in Ordnung, enn Die Linke auf Bundesebene alles Erdenkliche for- ert und dort, wo sie selbst regiert, bei den Menschen it Behinderung spart. Die Große Koalition hingegen hat in den vergangenen onaten bereits eine Menge auf den Weg gebracht. urch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dürfen rivate Versicherungsträger niemanden mehr zurückwei- en, weil er behindert ist. Zudem ist es Hotels und Gast- tätten nunmehr untersagt, Menschen mit Behinderung en Zutritt zu verwehren. Im Zuge der Gesundheits- eform wurde der Anspruch auf Rehabilitation einge- ührt. Des Weiteren kann ein Anspruch auf häusliche rankenpflege in Wohneinrichtungen geltend gemacht erden. Schwerbehinderte Arbeitslose, die besonders chwer vermittelbar sind, haben in Zukunft mehr Chan- en auf dem Arbeitsmarkt. Unternehmer, die diese chwerbehinderten Menschen einstellen, werden bei er Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen entlas- et. Einstellungsanreize werden künftig steigen. Richtig ist, dass Menschen mit Behinderung häufig icht zu ihrem Recht kommen. Sie werden von der einen telle zur nächsten geschickt. Einige geben dann früh- eitig auf oder erhalten die beantragte Hilfe erst sehr pät. Vieles von den Forderungen im Antrag ist im SGB IX eregelt. Werden beispielsweise Leistungen zur Teilhabe eantragt, müssen die Rehaträger innerhalb von zwei ochen feststellen, ob sie zuständig sind. Wenn dies icht so ist, dann müssen sie den Antrag unverzüglich an ie – nach ihrer Meinung zuständige Stelle – weiterlei- en. Ebenso gibt es Fristen für die Bearbeitung von An- rägen. Innerhalb von drei Wochen nach Eingang des ntrags muss über den Antrag entschieden werden. ber leider ist auch hier die Praxis nicht selten eine an- ere. Hier muss nicht das Gesetz geändert werden, hier uss einfach das Gesetz eingehalten werden. Zum Schluss noch einige Anmerkungen zum Persön- ichen Budget. Dem Persönlichen Budget kommt in der at eine bedeutende Rolle für eine moderne Behinder- enpolitik zu. Die Selbstbestimmung der Betroffenen ird hierdurch gestärkt. Obwohl es auch beim Persön- ichen Budget noch viele Ängste, Ungereimtheiten und ieder einmal Zuständigkeitsrangeleien gibt, müssen ir hier über Parteigrenzen hinweg für dieses Instrument erben. Notfalls muss gesetzgeberisch eingegriffen wer- en, um die Probleme zu lösen. Wir alle wissen: Es gibt viel Handlungsbedarf im Be- eich der Politik für Menschen mit Behinderung. Große eformen wie bei der Pflegeversicherung und die ingliederungshilfe stehen uns bevor. Zur Lösung der robleme der Betroffenen hilft der vorliegende Antrag eider nicht weiter. Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): Der Antrag der inksfraktion, ein „Nachteilsausgleichgesetz“ vorzule- en, benennt viele Probleme und Aspekte, die mir als 9300 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Behindertenbeauftragte meiner Fraktion bestens bekannt sind. Wir wollen, dass alle Menschen die einen individu- ellen Bedarf haben, diesen auch erhalten. Wir wollen Fa- milien unterstützen und ambulante Leistungen stärken. Mit der Reform der Pflegeversicherung werden wir das weiterführen. Die Vorschläge von Karin Evers-Meyer und der Verbände zu einer teilhabeorientierten Pflege sind hier Leitlinie. Im Jahr 2001 haben wir das SGB IX eingeführt. Das SGB IX hat wesentliche Teile des Rechts für Menschen mit Behinderung zusammengeführt. Zuerst einmal ha- ben wir mit den Betroffenen ein gutes Gesetz gemacht, das weit über einfache Änderungen an den Leistungen der Rehabilitation und der Teilhabe hinausgeht. Das ha- ben auch die Experten auf der gestrigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaf- ten bestätigt. Das SGB IX wurde mit Instrumenten ver- sehen, die behinderungsbedingten Bedarfen zur medizi- nischen Rehabilitation, zur Selbstbestimmung und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und am Arbeits- leben Rechnung tragen. Wir haben uns ganz bewusst daran orientiert, welche besonderen Bedürfnisse zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe für Menschen mit Behinde- rungen bestehen und wie diese so schnell und bedarfs- gerecht wie möglich zum Antragsteller gelangen. Die selbstbestimmte Teilhabe wird im SGB IX durch das Wunsch- und Wahlrecht des § 9 ausgedrückt. Dies stellt sicher, dass die zu erbringenden Leistungen nicht nur am objektiv zu ermittelnden Bedarf, sondern auch an den subjektiven Bedürfnissen des Alters, der Familie, des Geschlechts sowie der persönlichen Lebenssituation der Menschen mit Behinderung auszurichten sind. Hierfür ist das Persönliche Budget zentral. 2008 ist der Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget zu erfül- len. Die Modellphase ist dann beendet. Nach dem Be- richt der Bundesregierung zur Situation des Persönlichen Budgets bin ich insgesamt zuversichtlich, dass wir die bestehenden Herausforderungen der Leistungserbrin- gung und auch der Zuständigkeiten lösen können. Be- sonders Kostenträger wie die Renten- und Unfallversi- cherung sind stärker an der Finanzierung zu beteiligen. Das Persönliche Budget ist eine neue Leistungsform, die es ermöglicht, den individuellen Bedarf im Rahmen zu ermitteln und in einer Koordinierung der Rehabilitati- onsträger als Komplexleistung zu erbringen. Daher ist hier eine Novellierung im Sinne ihres An- trags auch nicht erforderlich. Die Ausweitung des Per- sönlichen Budgets, wie sie es vorschlagen, ist nicht ziel- führend. Bereits jetzt werden bedarfsgerechte, am Wunsch- und Wahlrecht orientierte Leistungen aus den Leistungsgesetzen über das Persönliche Budget erbracht. Behinderte Menschen können mit dem Persönlichen Budget nach § 17 SGB IX als Auftraggeber und Exper- ten in eigener Sache selbst bestimmen, welche Leistun- gen zur Teilhabe sie nach Maßgabe der Bedarfsermitt- lung benötigen und vor allem, wer sie erbringen soll. Die Werbung für das Persönliche Budget wird fortge- setzt und in diesem Jahr noch einmal verstärkt. Es gilt, d t f m d v d d k S e B t w d z w D n d e t e t n t e d a r k w m h s t g d e l p m b z S g B S Ü b r n I g (C (D ie Probleme klar zu benennen, zu lösen und durch posi- ive Beispiele einen Schub für die Akzeptanz zu schaf- en. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich gemeinsam it dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und er Beauftragten der Bundesregierung für die Belange on Menschen mit Behinderung, Karin Evers-Meyer, für as Persönliche Budget einsetzen. Der Antrag fordert zahlreiche Veränderungen, die auf ie „personale Assistenz“ ausgerichtet sind. Schon heute ann auch jeder schwerbehinderte Mensch mittels einer ervicestelle in seiner Nähe, Leistungen aus einer Hand rhalten. Diese soll ihm dabei – so sagt der § 22 SGB IX –, eratung und Unterstützung hinsichtlich des Rehabilita- ionsbedarfs und der Antragstellung geben. Nun wissen ir, dass nicht überall im Bundesgebiet der Idealzustand es § 22 vorzufinden ist. Es gibt Probleme in der Umset- ung der geforderten Beratung und Unterstützung. Wir ollen das verbessern, anstatt neue Stellen zu schaffen. ie geforderte Verlagerung auf die Versorgungsämter ist icht sinnvoll. Der gesetzliche Anspruch ist klar. Wir arbeiten nun aran, diesen Anspruch mit Leben zu füllen. Hier bedarf s des verstärkten Engagements der Verbände und Be- roffenen. Es gibt Verbände und Menschen, die sich sehr ffektiv und energisch für ihre Rechte einsetzen. Frau Elke Bartz vom Forum selbstbestimmte Assis- enz, ForseA, hat zum Beispiel für einen Betroffenen ei- en persönlichen Anspruch auf Assistenz- und Rehabili- ationsleistungen eingefordert und diese im Rahmen ines persönlichen Budgets von 10 000 Euro auch urchgesetzt. Ich kenne Rehaträger, Unfallkassen, aber uch einige Sozialhilfeträger, die sich auf die Anforde- ungen des SGB IX umstellen. Es gibt einen hohen Auf- lärungs- und Schulungsbedarf auf dieser Seite. Hier erden wir ansetzen, um das zu verbessern, was wir ge- einsam mit den Betroffenen auf den Weg gebracht aben. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, die gemein- amen Servicestellen weiter bekannt machen, sie zu un- erstützen, aber auch stetig auf die Verwirklichung der esetzlichen Ansprüche hinzuwirken. Im Übrigen: Ob ie Versorgungsämter den Anspruch der Betroffenen so rfüllen würden, wie sie sich das vorstellen, bleibt frag- ich. Menschen mit Behinderungen haben bereits einen ersönlichen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz ge- äß § 102 SGB IX und § 270 a SGB III. Damit besteht ereits die Möglichkeit einer regelmäßigen Unterstüt- ung am Arbeitsplatz – unabhängig von Art und chwere der Behinderung und finanziert aus der Aus- leichsabgabe. Arbeitsassistenz ist ein entscheidender austein der beruflichen Rehabilitation und Integration chwerbehinderter und von großer Bedeutung beim bergang behinderter Menschen in den allgemeinen Ar- eitsmarkt. Auch die Assistenzleistungen der Eingliede- ungshilfe stehen den Menschen mit Behinderungen ach Maßgabe des individuellen Bedarfs zur Verfügung. ch sehe hier ein Umsetzungsproblem und keinen gesetz- eberischen Handlungsbedarf. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9301 (A) ) (B) ) Weiterhin gibt es viele offene Fragen in dem Antrag. Offen gesagt, mehr Fragen als Antworten: Sie verlieren zum Beispiel leider wenig Worte darüber, wie diese Leistungsausweitung – und darauf läuft es hinaus – ef- fektiv finanziert werden soll. Wo nehmen Sie zum Bei- spiel die erwähnten Steuermittel her? Ich bitte, auch zu bedenken, dass wir steigende Kosten in der Eingliede- rungshilfe haben, unter denen schon jetzt Länder und Kommunen stöhnen. Ihr Vorschlag führt zu einer massiven und unabsehba- ren Leistungsausweitung für circa 6,7 Millionen schwer- behinderte Menschen in Deutschland. Es ist ganz klar: der Gedanke, Hilfe aus einer Hand für die Betroffenen zu organisieren, ist ein lohnenswertes Ziel. Das wollen wir gemeinsam erreichen. Aber ich bin anderer Auffas- sung, wie das gehen kann. Fordern allein genügt nicht. Die Realität heißt auch hier: „Föderalismus“! Ich könnte mir die Finanzierung aller Rehaleistungen ähnlich einer wie im Gesundheitsfonds durchaus vorstellen. Es ist aber meines Erachtens mit geltendem Recht nicht vereinbar, Gelder der unterschiedlichsten gesetzli- chen Versorgungssysteme sowie der privaten Versiche- rungen zur Finanzierung von Teilhabeleistungen zu ver- wenden. Es ist auch fraglich, ob eine solche Regelung Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht hätte. Die gesetzliche Unfallversicherung orientiert sich nämlich am Kausalitätsprinzip sowie an der Naturalrestitution des BGB. Das heißt: der eingetretene Schaden soll mög- lichst vollständig ausgeglichen werden. Er wird aber nur dann ausgeglichen, wenn und soweit ein Schadensfall eintritt, und nicht pauschal als finanzieller Ausgleich jeglicher Behinderung. Hier gibt es also eine Diskrepanz zwischen dem Zweck der Leistungen, die gebündelt werden sollen, und der vorgesehenen Verwendung. Es handelt sich hier um zweckbestimmte Mittel. Diese können nicht so einfach als Leistungen zur Teilhabe für alle zweckentfremdet werden. Mit einem Federstrich soll eine Struktur unter- schiedlicher Träger für Teilhabeleistungen geändert wer- den, die sich in Jahrzehnten entwickelt hat. Das ist alles sehr realitätsfern. Die geforderte Einkommens- und vermögensunab- hängige Leistungserbringung ist nicht nur nicht realisier- bar, sondern auch mit den beschriebenen Mitteln nicht zu finanzieren. Leistungen zur Assistenz zu bündeln, ist ein guter Gedanke. Ich bin dafür, dass der Betroffene seine Leistungen aus einer Hand bekommt. Genau das ist Ziel des SGB IX. Seit 2001 haben wir die Servicestel- len; hier kommt die Dienstleistung zu den Menschen. Aber: Assistenzleistungen können nur in dem Rahmen gewährt werden, in dem die Leistungen gesetzlich fest- gelegt sind. Die Hilfe zur Pflege als eine Möglichkeit, Assistenzleistungen zu finanzieren, ist beispielsweise einkommens- und vermögensabhängig ausgestaltet. Die Pflegeversicherungsleistungen sind gedeckelt. Aus dem Antrag geht nicht hervor, wie sie das unter einen Hut be- kommen wollen. Deswegen: Lassen Sie uns das SGB IX umsetzen. Lassen Sie uns die sehr guten Ansätze weiter verfolgen und nicht einen ziellosen Systemwechsel pro- pagieren. v D s a t L V T v b s w r A R 2 d A r D s b g b S k r m e s f w t s a k te li d q c e d t r r g g r f t (C (D Hier möchte ich auf den Vorschlag der Bündelung on Leistungen bei den Versorgungsämtern eingehen: iese sind je nach Bundesland völlig unterschiedlich trukturiert. Nach der Föderalismusreform hat der Bund uch keinen Einfluss mehr auf die Behördenorganisa- ion. Zudem wären die eher kleinen Ämter mit den asten dieser Leistungsverwaltung völlig überlastet. ersorgungsämter haben ganz andere Aufgaben, als eilhabeleistungen auf der Grundlage des SGB IX zu erwalten. Ein langer Prozess mit vielen Übergangspro- lemen würde herbeigeführt, und das zulasten der Men- chen. Lassen Sie uns doch die Servicestellen vor Ort eiterentwickeln und auf dem aufbauen, was schon er- eicht worden ist. Es gibt im SGB III und auch im SGB XII bereits den nspruch auf bedarfsgerechte Assistenzleistungen. Im ahmen eines Persönlichen Budgets können diese ab 008 bundesweit rechtsverbindlich eingefordert wer- en. Insofern erledigt sich die Forderung nach, wie es im ntrag heißt, „personaler Assistenz“. Auch die Forde- ung nach Mehrbedarfen für Reisekosten ist unsinnig. er von mir erwähnte schwerbehinderte Mensch hat in einem Budget einen Anteil für Reisekosten bewilligt ekommen. So verhält es sich auch bei anderen Leistun- en. Wir haben mit dem SGB IX ein Gesetz gemacht, das ehinderte Menschen aktiv beteiligt, ihre Teilhabe und elbstbestimmung fördert und die Leistungsgewährung oordiniert. Die Vereinfachung der Leistungsgewäh- ung ist bereits auf den Weg gebracht. Arbeiten Sie daran it, dass das Persönliche Budget zum Erfolg wird und rkennen Sie, dass das SGB IX Realität ist und keine ge- etzlichen Ergänzungen dieser Art braucht. Was es wirklich braucht, ist unser aller Engagement ür die Umsetzung! Die Lebenssituation der Betroffenen ird eher verbessert, wenn wir uns diesem Ziel konzen- riert widmen, als ständig neue Anlaufstellen und Ge- etze zu erfinden. Ich denke daher, dass wir hier durch- us ausreichende Regelungen getroffen haben. Es ommt – wie gesagt – auf die Umsetzung der eingeführ- n Instrumente an. Dabei sind aber nicht nur die Rehabi- tationsträger sondern auch die Menschen selbst gefragt. Der Antrag ist abzulehnen, weil er Regelungen for- ert, die es effektiv schon gibt und weil er in der Konse- uenz Leistungen ausweitet – ohne eine Finanzierung si- herzustellen; von der Frage der Verfassungsmäßigkeit inmal ganz zu schweigen. Jörg Rohde (FDP): Ich begrüße es ausdrücklich, ass die Fraktion der Linken mit dem vorgelegten An- rag die Diskussion um die Organisation und Finanzie- ung von Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinde- ung anstößt. Die Oppositionsfraktionen sind hier efordert, denn die Bundesregierung praktiziert seit lan- em das Prinzip der drei Affen: Nichts sehen, nichts hö- en, nichts sagen. Der demografische Wandel hat unsere Gesellschaft est im Griff: Immer mehr Menschen werden immer äl- er. Dies gilt in besonderem Maße auch für Menschen 9302 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) mit Behinderung. Hier verschärfen sich die Probleme der Pflege und Betreuung überproportional, weil ältere Menschen mit Behinderung oftmals keine Angehörigen mehr haben, die für sie da sind und große Teile der Pflege und Betreuung leisten könnten. Nicht nur deshalb ist in der Sozialpolitik die Einglie- derungshilfe für die Kommunen das größte Sorgenkind. Die Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung sind in den letzten 15 Jahren kontinuierlich angestiegen. Nach Informationen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes stiegen die Leistungen für behin- derte Menschen zwischen 1991 und 2005 jährlich um 8,5 Prozent von vier Milliarden Euro auf 11,8 Milliarden Euro an. Bald 50 Prozent aller kommunalen Sozialhilfe- leistungen werden heute für behinderte Menschen aufge- wendet. Es steht zu befürchten, dass angesichts der schwieri- gen Haushaltslage der Kommunen in Deutschland das Hilfesystem für Menschen mit Behinderung in der der- zeitigen Form nicht mehr lange zu finanzieren ist. Je stärker aber die Kommunen gezwungenermaßen auf die Kostenbremse treten müssen, desto mehr wird die Be- hindertenpolitik zum finanziellen Verschiebebahnhof. Der im vergangenen Jahr gerade noch abgewendete Vor- stoß, das Bruttoprinzip in der Eingliederungshilfe abzu- schaffen, zeigt, in welche Richtung falsche Reformvor- schläge gehen können. Die Bundesregierung sieht die Probleme der Einglie- derungshilfe durchaus, sieht sich aber nicht in der Ver- antwortung, hier aktiv zu werden. Der Bund sieht allein die Länder in der Verantwortung. Dies hat die Bundesre- gierung auf Anfrage der FDP mehrfach bekräftigt. Vertreter der Bundesregierung haben in diesem Jahr bereits mehrfach außerhalb des Parlamentes angekün- digt, dass noch in diesem Jahr die Bundesregierung die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in Angriff nehmen will. Das begrüße ich. Ich bin allerdings ge- spannt, wohin diese Weiterentwicklung führen soll, wenn der Bund bereits im Vorfeld ausschließt, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Erst gestern hat mir Staatssekretär Thönnes auf meine Frage zur Stagnation in der Frühförderung mitgeteilt, die Bundesregierung sehe keine Veranlassung zu gesetzge- berischen Korrekturen am SGB IX. Apropos SGB IX: 2001 wurde mit diesem Gesetzeswerk ein Meilenstein für die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men- schen gesetzt. Bewusst wurden vom Gesetzgeber viele Regelungen offen formuliert, um den Sozialhilfeträgern Spielräume bei der Umsetzung und der Anpassung an funktionierende Strukturen zu gewähren. Schon bald erkannte man jedoch, dass sich die Um- setzung des SGB IX nicht so leicht und zügig entwi- ckelte wie zunächst erhofft. Also wurde 2003 von der Bundesregierung eine Homepage mit dem programmati- schen Namen www.sgb-IX-umsetzen.de online gestellt. Der damalige Behindertenbeauftragte Karl Hermann Haack erklärte den Zweck der Homepage so: Dadurch wird eine einzigartige, lebendige Informa- tionsplattform für die Anwender und die Leistungs- a d a w g m r U r r m w d r t s n F k l t D b d n A k s b B d u z z h e m B h w g l g g e d d h G (C (D berechtigten des SGB IX …, die in dieser Form bis- lang für kein Sozialgesetz besteht. Diese Internetseite ist somit Teil eines Prozesses der „ler- nenden Gesetzgebung“. Was für ein schöner Traum. Die Realität sieht leider nders aus: Der letzte Bericht über die Situation behin- erter Menschen auf www.sgb-IX-umsetzen.de datiert us dem Jahr 2004. Anhörungen und Werkstattgespräche urden ebenfalls nur bis 2004 dokumentiert, gleiches ilt für Stellungnahmen. Die letzten Reden und Presse- itteilungen sind aus dem Jahr 2005. Und auch die Rub- ik „Politische Diskussion“ endet 2005. Leider endete 2005 nicht nur das Projekt „SGB-IX- msetzen“, sondern auch die Politik der Bundesregie- ung für Menschen mit Behinderung. Die Bundesregie- ung verschließt die Augen vor den Umsetzungsproble- en des SGB IX genauso wie vor dem stetig achsenden Kostendruck auf die Sozialhilfeträger. Bei- es erfolgt zulasten behinderter Menschen: Verunsiche- ungen und Zukunftsängste sind die Folge. Man kann darüber streiten, ob der von der Linksfrak- ion vorgelegte Vorschlag für ein Nachteilsausgleichsge- etz die richtige Lösung ist. Manchen Aspekten kann ich ur widersprechen, so zum Beispiel der unverrückbaren estlegung, dass unterschiedliche regionale Preisniveaus eine Auswirkung auf die Bedarfsfestsetzung haben sol- en. Hier wünsche ich mir mehr Flexibilität und Gerech- igkeit. Der Antrag kann aber der Einstieg in eine iskussion über die zukünftige Finanzierung von Teilha- eleistungen sein. Allerdings ist es dazu notwendig, dass ie Regierungsfraktionen dieses Diskussionsangebot an- ehmen. Eine Anhörung im Bundestagsausschuss für rbeit und Soziales sollte der erste Schritt in dieser Dis- ussion sein. Die FDP hat sich seit jeher dafür eingesetzt, den Ge- etzes- und Vorschriftendschungel zu lichten. Dies gilt in esonderem Maß für die ausufernde Gesetzeslage in der ehindertenpolitik. Es hilft niemandem, erst recht nicht en Hilfesuchenden, wenn nur schwer nachvollziehbar nd nicht eindeutig ist, von wem welche Hilfestellungen u erwarten sind. Das Ziel eines eigenen Leistungsgeset- es für behinderte Menschen muss deshalb sein, die bis- er bestehenden Regelungen zusammenzufassen, zu ver- infachen und somit transparenter und effektiver zu achen. Auch eine im Umfang begrenzte Beteiligung des undes an den Leistungen zur Rehabilitation und Teil- abe von Menschen mit Behinderung muss diskutiert erden. Die Kommunen dürfen mit den Kosten der Ein- liederungsleistungen nicht alleingelassen werden, so- ange sie nicht im Rahmen des föderalen Finanzaus- leichs bessergestellt werden. Die FDP spricht sich für die Einführung eines Bürger- eldes aus. Das Bürgergeld bündelt eine Fülle von steu- rfinanzierten Sozialleistungen, die von den verschie- ensten Stellen ausbezahlt werden. Ziel ist es, sowohl iese Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II, Sozial- ilfe – ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen –, rundsicherung, Wohngeld und BAföG, als auch das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9303 (A) ) (B) ) Kindergeld und die mit dem liberalen Reformkonzept für die Kranken- und Pflegeversicherung verbundene steuerfinanzierte Unterstützungsleistung für Kinder und für Personen mit unzureichendem Einkommen im Bür- gergeld zusammenzufassen. Das Bürgergeld wird so zu einem Universaltransfer, der mit der Einkommensbe- steuerung zu einem Steuertransfersystem aus einem Guss verbunden wird. Für Menschen mit Behinderungen bzw. deren Ange- hörige schlagen wir im Rahmen des Bürgergeldkonzepts einen zusätzlichen Bürgergeldanspruch vor. Für die Be- messung des zusätzlichen Leistungsanspruchs sind Art und Schwere der Behinderung und der individuelle Pfle- gebedarf maßgebend. Zusätzlich müssen der Förderbe- darf und gegebenenfalls der Beaufsichtigungsbedarf be- rücksichtigt werden. Ein Mindestbetrag wird bei Vorliegen einer Behinderung grundsätzlich gewährt. Dieser Bürgergeldanspruch soll auch die Familien entlasten, die den größten Teil an Förderung und Pflege übernehmen. Die FDP möchte dies ausdrücklich aner- kennen. Außerdem werden die bisher gewährten Nach- teilsausgleiche durch das unbürokratische Bürgergeld er- setzt. Schwerbehinderte Menschen erhalten mit dem Bürgergeld eine Art Budget, über das sie selbst entschei- den können. Dies soll die Position der behinderten Men- schen zum Beispiel gegenüber den Einrichtungen der Behindertenhilfe stärken. Aber auch die Entscheidungs- spielräume, wo und wie sie leben, werden vergrößert. Auch der Deutsche Verein hat schon vor längerem ei- nen Vorschlag für ein Bundesteilhabegeld vorgelegt, der bislang von der Bundesregierung ohne jede Diskussion abgelehnt wird. Mehrere Landschaftsverbände, die Bun- desarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträ- ger und viele Sozialverbände sprechen sich gleichfalls für ein Bundesteilhabegesetz aus. Wenn der Bund sich einer solchen Lösung verweigert, muss er dies begrün- den und erklären, wovon die Kommunen mittel- und langfristig die steigenden Kosten durch Eingliederungs- leistungen bestreiten sollen. Ich freue mich auf eine ausführliche Diskussion des Antrages der Linksfraktion im Ausschuss und hoffe, dass wir gemeinsam eine Anhörung beschließen. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Wir befinden uns im „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle“. Wir schauen in wenigen Wochen auf fünf Jahre Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen, BGG. Morgen, am 30. März 2007, beginnt am Sitz der UNO in New York die Unterzeichnung der im Dezember 2006 be- schlossenen „Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde behinderter Menschen“. Ich freue mich, dass Deutschland durch die Behindertenbeauf- tragte, unsere Kollegin Karin Evers-Meyer, dieses Dokument als eines der ersten Länder offiziell unter- zeichnet. Die, auch von den Betroffenen selbst, hart er- kämpfte Konvention konkretisiert die Menschenrechte von weltweit rund 650 Millionen behinderten Menschen. Die Konvention verpflichtet die 192 UN-Mitgliedstaaten unter anderem, Menschen mit Behinderungen durch S d h s B H k n s s a t s n l d s w z g g t R B d P g p n r M h z v t u z r K p s a D o w M E A t d f (C (D chaffung von Barrierefreiheit, gemeinsame Schulbil- ung und Schutz vor Diskriminierung umfassende Teil- abe zu ermöglichen. Was aber nützen politische Willenserklärungen und chöne Worte auf Wahlkampfveranstaltungen oder zu enefiz-Gala-Dinners, wenn sie nicht durch praktisches andeln untersetzt werden? Nach wie vor unterliegen die realen Teilhabemöglich- eiten von Menschen mit Behinderungen und/oder chro- ischen und seelischen Erkrankungen größeren Er- chwernissen als bei anderen Menschen. Das betrifft owohl die Alltagsbewältigung und Arbeitsplatzsuche ls auch die Nutzung von Kultur- und Freizeitaktivitä- en. Barrieren in baulicher wie kommunikativer Hinsicht ind trotz BGG und Verordnungen zur Barrierefreiheit och vielerorts anzutreffen. Dadurch ist auch die Persön- ichkeitsentfaltung der Betroffenen beeinträchtigt. Wer em Sinn von Art. 3 Satz l Grundgesetz „Alle Menschen ind vor dem Gesetz gleich“ wirklich Rechnung tragen ill, muss, den real existierenden ungleichen Vorausset- ungen folgend, ungleiche Maßnahmen treffen. Konkret esagt: behinderungsbedingte Nachteile müssen ausge- lichen werden. Nur so können Chancengleichheit und Chancengerech- igkeit hergestellt werden. Die bestehenden gesetzlichen egelungen sind dafür unzureichend. Sie setzen in vielen ereichen auf das ehrenamtliche Engagement der behin- erten Menschen sowie ihrer Freunde und Angehörigen. ermanente Überforderung wird dabei billigend in Kauf enommen. Die dadurch entstehenden finanziellen, kör- erlichen und seelischen Zusatzbelastungen dieser Perso- en werden von der Gesellschaft bisher weitgehend igno- iert. Um einer besseren Teilhabeermöglichung behinderter enschen näher zu kommen und Chancengerechtigkeit erzustellen, legt Die Linke den Antrag für ein „Gesetz um Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile“, NAG, or. Sein grundlegendes Prinzip soll sein: Gleiche Leis- ung bei vergleichbarer Beeinträchtigung. Bisher werden nterschiedliche Leistungen nach verschiedenen Geset- en und Kriterien erbracht, je nachdem, ob die Behinde- ung von Geburt an besteht oder durch einen Unfall oder rankheit und „Verschleiß“ erworben wurde. Schwerpunkt der Nachteilsausgleichsleistungen soll ersonale Assistenz in vielfältigen Erscheinungsformen ein. Dabei richtet sich der Umfang personaler Assistenz m individuellen Bedarf des behinderten Menschen aus. as neue Persönliche Budget soll durch einmalige und/ der regelmäßige Leistungen erweitert werden können, enn der behinderte Mensch im Einzelfall plausible ehrbedarfe hat; insbesondere bei Kindererziehung und lternassistenz, Kleiderkosten, Reisekosten, auch für ssistentinnen und Assistenten, Reinigungskosten, Kos- en für Wohnraum, Wärme, Heil- und Hilfsmittel, behin- erungsadäquater Größe und Ausstattung von Personen- ahrzeugen etc. 9304 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Wir wollen das Finalitätsprinzip konsequent umset- zen. Demnach richten sich Leistungsansprüche nicht mehr nach der Ursache der Beeinträchtigung, Kausali- tätsprinzip. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, noch im Jahre 2007 ein Gesetz zum Ausgleich be- hinderungsbedingter Nachteile vorzulegen, dass dem Ziel der Stärkung der selbstbestimmten Teilhabe behin- derter Menschen am Gemeinschaftsleben gerecht wird, dass dem Ziel eines bedarfsdeckenden Ausgleichs behin- derungsbedingter Nachteile gerecht wird und dass dem Ziel der Vereinheitlichung des Behindertenrechts und der gesetzlichen Gleichstellung aller behinderten Men- schen untereinander und mit nichtbehinderten Menschen gerecht wird. Gleiche, vergleichbare und oder ähnliche Leistungen, die zurzeit nach verschiedenen Gesetzen und Verordnun- gen sowie Anspruchsvoraussetzungen erbracht werden, werden zusammengezogen und, wo erforderlich, den ge- genwärtigen Bedürfnissen und neuen technischen Mög- lichkeiten angepasst. Teilhabe und Persönlichkeitsentfaltung umfassen alle Lebensbereiche: von der Intimsphäre über Wohnen, Ler- nen, Arbeiten, Alltagsbewältigung, Kultur, Sport, Ur- laub, Freizeitgestaltung bis zu bürgerschaftlichem Enga- gement, religiöser und politischer Betätigung usw. Die Linksfraktion legt mit diesem Antrag ein Konzept vor, dass über die bereits genannten Punkte hinaus fol- gende wesentliche Inhalte in einem Gesetz festschreiben will: Erstens sollen mit dem NAG behinderungsbedingte Nachteile in allen gesellschaftlichen Bereichen für jede Behinderungsart ab einem Grad der Behinderung von 50 Prozent unter Zugrundelegung einheitlicher Maß- stäbe ausgeglichen werden. Zweitens können Leistungen nur zweckgebunden verwendet werden. Bei der Inanspruchnahme von Leis- tungen im Rahmen des neuen Persönlichen Budgets sind diese an die Person der bzw. des Anspruchsberechtigten gebunden. Sie stehen ihr bzw. ihm unabhängig von ihrer bzw. seiner Wohnform, dem Familienstand und der Ar- beitsweise bzw. Ausbildungsform zu. Sollten Verände- rungen den Budgetbedarf – Assistenzbedarf in Stunden – verändern, ist die Leistung zum Zeitpunkt des Beginns dieser Veränderung anzupassen. Das Verhältnis zwi- schen den Anspruchsberechtigten und deren Assistenten bzw. Trägereinrichtungen bleibt vertraglichen Regelun- gen vorbehalten. Assistenten können auch Ehe- oder Le- benspartner sein. Drittens sind NAG-Leistungen als einkommens- und vermögensunabhängige Ansprüche auszugestalten. NAG-Leistungen sind im Sinne des Steuerrechts kein Einkommen der Anspruchsberechtigten. Viertens soll die Höhe der konkret zu gewährenden Leistungen grundsätzlich nach bundeseinheitlich festge- legten Maßstäben bestimmt werden. Die Ausführung des NAG wird den Versorgungsämtern übertragen. Ihnen wird auch die mit dem Gesetz in Zusammenhang ste- hende Mittelverwaltung anvertraut. Sie sind der alleinige A l p s e b u d k b T r t k A A e g s ü s z v V v c d S d e k d f d d s i d g g w e v m k S t r h u E l u H (C (D nsprechpartner für die Berechtigten, die dadurch wirk- ich alle Leistungen aus einer Hand bekommen. Fünftens werden die Leistungen aus Zahlungsver- flichtungen – von Versicherungen, Berufsgenossen- chaften, Schadensverursachern usw. – sowie aus Steu- reinnahmen des Bundes finanziert. Dazu werden die ereits jetzt über die verschiedenen Leistungsgesetze nd vertraglichen Regelungen vorhandenen Mittel bei en Versorgungsämtern gebündelt. Das Konzept ist ein Ergebnis jahrzehntelanger Dis- ussionen innerhalb der emanzipatorischen Behinderten- ewegung. Wie Sie wissen, empfinde ich mich als festen eil dieser Bewegung. Es freut mich also, nunmehr An- egungen aus der Debatte der Betroffenen in die unmit- elbare parlamentarische Beratung überführen helfen zu önnen. Ich freue mich auf engagierte Beratungen in den usschüssen und gehe davon aus, dass in einer großen nhörung sachkundige Betroffene von allen Fraktionen ingeladen werden, um dieses Konzept mit ihren Anre- ungen und Erfahrungen anzureichern. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Men- chen mit Behinderungen bewegen sich in einem schwer berschaubaren Dschungel unterschiedlicher Leistungs- ysteme und Institutionen. Es gibt Systeme, die das Prin- ip des Schadensausgleichs verfolgen – etwa die Unfall- ersicherung. Daneben stehen Systeme der sozialen orsorge, die dem Versicherungsprinzip und dem Äqui- alenzprinzip folgen – so zum Beispiel die Pflegeversi- herung oder die Arbeitslosenversicherung. Und es gibt as System der sozialen Hilfen, das dem Prinzip der ubsidiarität folgt – zuvörderst die Sozialhilfe. Es gibt, arauf aufbauend, unterschiedliche Leistungsträger, von- inander abweichende Leistungsvoraussetzungen sowie onkurrierende Zuständigkeiten. Alles in allem führt iese Zersplitterung des Hilfesystems in der Praxis häu- ig zu fehlender Bedarfsorientierung und falscher Be- arfssteuerung. In der Tat wäre eine Vereinheitlichung es Leistungsrechts für Menschen mit Behinderungen innvoll. Der Antrag des Kollegen Ilja Seifert beschreibt nsofern ein anzustrebendes Ziel. In den vergangenen Jahren hat sich allerdings bereits er Versuch, mehr Konvergenz in der Leistungserbrin- ung und mehr Kooperation zwischen den Leistungsträ- ern herbeizuführen, als außerordentlich schwierig er- iesen. Umso unrealistischer erscheint der Versuch, in inem Zug die verschiedenen staatlichen Ebenen und die erschiedenen Zweige der Sozialversicherung zusam- enzuführen. Sinnvoller wäre es, in einem ersten kon- reten Schritt abgestuft im Rahmen der bestehenden ysteme die Voraussetzungen für eine einheitliche Leis- ungserbringung zu schaffen. Das dürfte bereits schwie- ig genug sein. Denn über eins sind wir uns wohl alle im Klaren: Wir aben es mit enormen Beharrungstendenzen der Kosten- nd Leistungsträger zu tun. Insbesondere im System der ingliederungshilfe ist es bislang nur unzureichend ge- ungen, den Bedürfnissen nach mehr Selbstständigkeit nd Selbstbestimmung nachzukommen. Das System der ilfen in seiner jetzigen Form wird den Lebenswirklich- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9305 (A) ) (B) ) keiten längst nicht mehr gerecht und schöpft die zur Ver- fügung stehenden Möglichkeiten zur Verwirklichung ei- nes eigenständigen Lebens nicht aus. Daher setzt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihren Schwerpunkt auf die Reform dieses Bereichs, ohne das Gesamtbild aus dem Blick zu verlieren. Wie stellt sich die Lage im Bereich der Eingliede- rungshilfe dar? Die institutionelle Struktur im System der Eingliederungshilfe ist in weiten Teilen ineffizient und nicht in der Lage, bedarfsgerechte Leistungserbrin- gung zu organisieren. Ein viel zu großer Teil der Sozial- hilfeträger ist ausschließlich kurzfristigen Kosten- Nutzen-Kalkülen zugewandt und zugleich innovations- feindlich. Bis zum heutigen Tage versäumt es die Mehr- heit der Sozialhilfeträger, den Bedürfnissen und Wün- schen nach ambulanten Leistungen im notwendigen Umfang nachzukommen. In einigen Bundesländern gibt es immer noch die ge- trennte Zuständigkeit örtlicher und überörtlicher Sozial- hilfeträger, die sich für die Steuerung der Eingliede- rungshilfe als äußerst ineffizient erwiesen hat. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg haben die über- örtlichen Sozialhilfeträger abgeschafft und allein den Städten und Kreisen die Eingliederungshilfe übertragen. Ein einheitliches System der Leistungserbringung mit gemeinsamen Qualitätsstandards und gemeinsamen Kri- terien ist dadurch zusätzlich erschwert worden. Willkür- liches Handeln der Sozialhilfeträger wurde hingegen er- leichtert. Angesichts dieser strukturellen Defizite aufseiten der Kommunen bedarf es notwendig einer fachlichen Wei- terentwicklung, bevor es hinreichend zu einer Kostenbe- teiligung des Bundes kommt. Solange es keine Verände- rung der Mehrheit der Sozialhilfeträger im Sinne der eingangs aufgeführten Grundsätze der Leistungserbrin- gung in der Sozialhilfe kommt, wäre eine finanzielle Be- teiligung des Bundes an einem ohnehin unzulänglichen System sogar schädlich. Vor diesem Hintergrund sind meine Fraktion und ich gerade dabei, passgenaue und zielführende Lösungsvor- schläge im Rahmen der Reform zur Eingliederungshilfe zu erarbeiten. Wir schlagen vor, den Schritt von Men- schen mit Behinderungen in die eigene Häuslichkeit deutlich stärker als bisher zu fördern und zu unterstüt- zen. Es müssen leistungsrechtlich verursachte Blocka- den abgeschafft und positive Anreize gesetzt werden, um den selbstbestimmten Wechsel von stationärer zu ambulanter Wohnform zu ermöglichen. Nur die konse- quente Verfolgung dieses Zieles führt zu einer Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Hierfür halte ich es für notwendig, die ambulanten Leistungen der Eingliederungshilfe – SGB XII/Sozial- hilfe – als bedarfsgerechte, einkommens- und vermögens- unabhängige, budgetfähige Leistungen zur Verfügung zu stellen. Ein flächendeckender Aufbau von Koordinie- rungshilfen und Beratungsangeboten könnte insbeson- dere Menschen mit sogenannten geistigen Behinderun- gen auf ein selbstständiges Leben vorbereiten und im Bedarfsfall eine Unterstützung anbieten. f e z d t Z t g v d b s e s b d s z i w w H d w e S t n E a R s U R o s u k s g A Z ß a t m m (C (D Zudem scheint es angebracht, die bisher geleisteten inanziellen Nachteilsausgleiche zusammenzufassen und inheitlich als Leistung des Bundes zu zahlen. Dabei ist u überlegen, einige spezifische Nachteilsausgleiche wie ie unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr, Freibe- räge bei Wohngeld und Wohnungsbauförderung von der usammenführung auszunehmen. Die zusammengefass- en Leistungen stünden den Menschen mit Behinderun- en, die selbstständig leben, direkt ohne Anrechnung on Vermögen und Einkommen zur Verfügung, auch ann, wenn sie eine Werkstatt für behinderte Menschen esuchen. Außerdem muss das Potenzial des von Ihnen ange- prochenen und von der rot-grünen Vorgängerregierung ingeführten Persönlichen Budgets als Alternative zur tationären Unterbringung weiter gestärkt werden. Die isherigen Erfahrungen aus den Modellregionen zeigen, ass die „erforderliche Beratung und Unterstützung“, die ogenannte Budgetassistenz, gewährleistet und finan- iert werden muss. Zur verbesserten Inanspruchnahme st künftig auf eine „Deckelung“ zu verzichten. Der ge- ährte Budgetbeitrag muss die Kosten der bisher ge- ährten Sachleistungen für ambulante oder stationäre ilfen überschreiten dürfen. Wir gehen davon aus, dass ies ohnehin nur in wenigen Fällen tatsächlich eintreten ird. Ich denke, die von mir umrissenen Themen bieten ine gute Grundlage, die Schwachpunkte des bisherigen ystems der Eingliederungshilfe zielgenau und innova- iv anzugehen. Eine Reform muss aber auch die gegebe- en Umstände und Konstellationen berücksichtigen. ine umfassende und bedingungslose Zusammenfassung ller Leistungen scheitert zum jetzigen Zeitpunkt an der ealität und wird schnell in der Bedeutungslosigkeit ver- chwinden. Am morgigen Freitag wird die Bundesregierung die N-Konvention zur Förderung und zum Schutz der echte und Würde behinderter Menschen in New York ffiziell unterzeichnen. Das Jahr 2007 ist das Europäi- che Jahr der Chancengleichheit für alle. Lassen Sie uns nter diesen günstigen Vorzeichen gemeinsam nach kon- reten Vorschlägen suchen, die volle Teilhabe und das elbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderun- en zu verwirklichen. nlage 8 Zu Protokoll gegeben Reden zur Beratung des Antrags: Die EU-Zentral- asienstrategie mit Leben füllen (Tagesordnungs- punkt 19) Manfred Grund (CDU/CSU): Der Zeitpunkt für die entralasiendebatte ist gut gewählt – der deutsche Au- enminister Dr. Frank-Walter Steinmeier ist am Dienstag n der Spitze einer EU-Delegation in Zentralasien einge- roffen. In der kasachischen Hauptstadt Astana wird er it seinen Amtskollegen aus allen fünf Staaten zusam- enkommen. 9306 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Damit ist der deutsche Außenminister nach seiner Reise von Ende Oktober/Anfang November des letzten Jahres innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Male in dieser Region. Allein dies ist eine begrüßenswerte Akzentuie- rung der deutschen Außenpolitik. Zentralasien – das klingt für viele noch nach Seiden- straße, orientalischer Prachtentfaltung und gleichzeitig nach Rückständigkeit. Bei Zentralasien, bestehend aus Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, handelt es sich um ein Gebiet so groß wie Europa, in dem aber lediglich 60 Millionen Men- schen leben. Das deutsche und das europäische Engagement in Zentralasien mögen für die Mehrheit der Deutschen nicht sofort einleuchtend sein. Denn Zentralasien liegt nicht im Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit und produziert kaum aufregende Schlagzeilen. Dabei ha- ben die Staaten Zentralasiens ab 2001 ihren Luftraum für die Einheiten der Antiterrorkoalition geöffnet, und Usbe- kistan und Kirgisistan ermöglichen die Nutzung ihres Luftwaffenraums im Kampf gegen den Talibanterror in Afghanistan. Aber schon die Meldungen über den Umsturz in Kir- gisistan im März 2005, über die Revolte in Andischan in Usbekistan im Mai 2005 oder der überraschende Tod des turkmenischen Diktators Saparmurat Nijasow am 21. Dezember letzten Jahres fanden kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Und doch hat die Europäische Union Deutschland be- auftragt, eine Strategie für Zentralasien auszuarbeiten. Angela Merkel sagte nach dem EU-Gipfel vom Dezem- ber 2006, es liege im Interesse der Union, sich um diese Weltgegend zu kümmern und sie nicht Russland oder China zu überlassen. Es gibt mindestens drei gute Gründe dafür: Erstens: Zentralasien befindet sich nördlich des aus Pakistan, Afghanistan und dem Iran bestehenden Krisen- gebietes, unternimmt aber Anstrengungen, nicht in die Konflikte und Krisen hineingezogen zu werden. Zweitens: Die Region muss sich vor Fundamentalis- ten schützen. Dritens: Die Region ist wichtig, weil reich an Roh- stoffen, vor allem reich an Energiequellen. Es geht also um eine geopolitische und um eine ener- giepolitische Bedeutung Zentralasiens. Sicherheit und Stabilität in Zentralasien sind sowohl für jedes der fünf Länder wichtig als auch für uns Europäer. Denn die Re- gion grenzt an die Kaukasusregion und damit ans Schwarze Meer. Mit Rumänien, Bulgarien und Grie- chenland ist die EU über das Schwarze Meer und die Kaukasusregion quasi Nachbar Zentralasiens. Die Län- der Zentralasiens werden leider als Transitstrecke für Drogen, organisierte Kriminalität und internationalen Terrorismus aus Afghanistan auf dem Weg nach Mittel- europa genutzt. Ohne Stabilität in Zentralasien wird eine Befriedung Afghanistans, dessen nördlicher Teil Zen- tralasien zuzurechen ist, nicht gelingen. E a s w u e n z ß m W t w D E R r l t d l R V o t u A u ü p s s E f b e S i Z e 7 s m n A m a k B t l E (C (D Die Länder Zentralasiens gewinnen auch für die nergiesicherheit Deutschlands und der EU immer mehr n Bedeutung. Im kaspischen Raum und in Zentralasien ind etwa 4 Prozent aller Weltenergiereserven nachge- iesen. Im Sinne einer notwendigen Diversifizierung nserer Energieversorgung erhalten diese Vorkommen ine wachsende strategische Bedeutung. Die EU will eue Energiequellen für sich erschließen, während die entralasiatischen Staaten nach neuen Exportwegen au- erhalb Russlands suchen. Um die Gas- und Ölvorkommen in Kasachstan, Turk- enistan und Usbekistan ist aber auch ein regelrechter ettlauf von Russland, China, den USA und Großbri- annien zu beobachten. Da kommt Deutschland spät, enn nicht zu spät. Das mag daran liegen, dass wir in eutschland kein namhaftes, weltweit operierendes nergieunternehmen haben, aber auch daran, dass diese egion jahrelang im Wahrnehmungsschatten einer stark ussland- und chinaorientierten deutschen Außenpolitik ag. Wie dem auch sei – Russland benötigt seinerseits zen- ralasiatisches Gas für seine Lieferverpflichtungen und en immensen Eigenverbrauch; China hat die ersten angfristigen Abkommen und Zukäufe getätigt. Und: ussland und China stehen außerdem jederzeit für eine ertiefung der nachbarschaftlichen Beziehungen bereit, hne dazu aus Sicht der jeweiligen Staatsführungen läs- ige Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte nd mehr Demokratie zu stellen. Was muss eine EU-Zentralasienstrategie neben dem spekt der Energieversorgung beinhalten? Übergeordnetes Ziel ist die Förderung von Sicherheit nd Stabilität in der Region. Dies kann nur schrittweise ber Rechtsstaatlichkeit, Förderung demokratischer und luraler Strukturen sowie die Gewährleistung der Men- chenrechte erreicht werden. Weiterhin werden europäi- ches Wissen und Investitionen für die wirtschaftliche ntwicklung und die Armutsbekämpfung benötigt sowie ür Jugend und Bildung, Energie und Umwelt. Bei Aus- ildung und Studium wäre es wünschenswert, könnten uropäische Hochschulen und Universitäten stärker für tudenten aus Zentralasien geöffnet werden. Mit Sorge st zu beobachten, dass islamische Länder Studenten aus entralasien auch mittels Stipendien einladen und dann ine fundamentalistische Ausbildung offerieren. Es ist sehr zu begrüßen, dass die EU bis 2013 etwa 50 Millionen Euro an Projektmitteln zur Verfügung tellen will. Schwerpunkte der neuen Konzepte sind Ar- utsbekämpfung, Straßenbau – auch Ansätze einer euen Seidenstraße –, neue Öl- und Gasleitungen, die usbildung von Sicherheitskräften sowie die Eindäm- ung des Drogentransits nach Europa. Wichtig sind uch die Verbesserung der Umweltsituation und die Be- ämpfung der Wasserknappheit. Der heute zur Debatte stehende Antrag von ündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Die EU-Zen- ralasienstrategie mit Leben füllen“ nimmt sehr ausführ- ich auf die Problemlage Bezug und erwartet, dass die U in den vorgenannten Politikfeldern tätig wird. Dies Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9307 (A) ) (B) ) ist zu begrüßen. Auch zu begrüßen ist die im Antrag ge- forderte Vertiefung der Zusammenarbeit der zentralasia- tischen Länder untereinander und die Heraushebung der Bedeutung der OSZE in der zentralasiatischen Region. Die länderübergreifende Zusammenarbeit ist tatsäch- lich beklagenswert. Die Länder Zentralasiens, insbeson- dere Kasachstan und Usbekistan, sehen sich eher in regionaler Konkurrenz zueinander. Grenz- und Zusam- menarbeitshindernisse werden eher auf- als abgebaut. Kasachstan bewirbt sich für 2009 um den OSZE-Vor- sitz. Die Bundesregierung hat klargestellt, diese Bewer- bung zu unterstützen. Das ist ein begrüßungswerter An- satz, weil damit stärker auf die Umsetzung der OSZE- Prinzipien eingewirkt werden kann. Andere OSZE-Län- der wie Großbritannien und die USA haben dazu noch eine andere Auffassung. Zur Situation der Menschenrechte, die in der Tat in al- len Ländern Zentralasiens beklagenswert ist, hat sich der Deutsche Bundestag mehrfach geäußert. Wir sind der Meinung, dass der Kampf gegen nationalen und interna- tionalen Terrorismus kein Freifahrtschein für die Ein- schränkung von Menschrechten sein darf, wobei auch eine zu schnelle Festlegung und quasi eine Vorverurtei- lung wie nach den Ereignissen in Andischan dem Men- schenrechtsdialog eher schädlich denn förderlich ist. Auch hier können mehr Ausgewogenheit und der Dialog mit den Staatsregierungen zielführender sein. Zielführend ist auch die Zusammenarbeit mit der Shanghai Cooperation Organisation. Diese vereint die asiatischen Akteure wie China, Russland und die zen- tralasiatischen Staaten. Die SCO durchläuft eine Ent- wicklung von einem Sicherheitsforum zu einer Plattform umfassender sicherheitspolitischer und wirtschaftspoliti- scher Kooperationen. Länder wie Kasachstan haben da- bei durchaus Gewicht. Kasachstan sollte aus mehreren Gründen stärker ins Blickfeld deutscher und europäischer Außenpolitik ge- nommen werden. Das Land ist Brücke und Mittler zwi- schen Europa und Asien. Es hat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung genommen, bei vergleichs- weise guter innerer und äußerer Stabilität. Bei Gesprä- chen in Astana findet man in den Ministerien und ande- ren Schaltstellen gut ausgebildete junge Leute, die aufgeschlossen und kooperativ sind. Einen solchen Generationenwechsel und Eliteaufbau mit zu befördern, wäre neben wirtschafts- und sicher- heitspolitischer Zusammenarbeit ein lohnendes Ziel der zukünftigen EU-Zentralasienstrategie. Johannes Pflug (SPD): „Die EU-Zentralasienstrate- gie mit Leben füllen“ – das ist Titel des Antrags des Bündnisses 90/Die Grünen, und ich frage mich: Mit wie viel Leben darf man eine Strategie entwickeln, ohne sie zu überfrachten? Vom 30. Oktober bis 4. November vergangenen Jah- res hatte ich Gelegenheit mit einigen Kolleginnen und Kollegen als Begleitung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die fünf Staaten Zentralasiens z e d s l t Z c m N l i t w s S I D m T h u v t E s n t u d l s t A d s h p s s o e s M g z z w Z H n n s (C (D u besuchen. Fünf Staaten in fünf Tagen – an Leben hat s dieser Reise sicher nicht gemangelt. Ich habe mir in iesen Tagen aber vor allem ein Bild von der Region elbst machen können. Deshalb stimme ich mit dem ana- ytischen Teil dieses Antrags weitgehend überein und eile dessen Grundtenor: Die strategische Bedeutung von entralasien wächst. Zentralasien ist die Schnittstelle zwischen russischem, hinesischem und amerikanischem Einfluss und steht da- it im Brennglas globaler Sicherheitspolitik. Die direkte achbarschaft der Region wirkt zunehmend als Kata- ysator für den Bedeutungszuwachs, Zentralasien wird mmer mehr zur Transitregion für Opium aus Afghanis- an und andere Drogen. Die Durchfuhr von Schmuggel- aren, Menschenhandel und organisierte Kriminalität ind an der Tagesordnung. Aber die zentralasiatischen taaten sind eben auch Importländer für islamistische deen aus Saudi-Arabien, Pakistan und anderen Ländern. iese Probleme sind heute schon deutlich sichtbar. Das acht Zentralasien zum Spielfeld im Kampf gegen den error, den internationalen Drogentransit und Menschen- andel. Ein entscheidender Faktor ist bislang noch unsichtbar nter der Erde: Die Region hat die größten Energiereser- en weltweit. Dieser Aspekt verdeutlicht den Bedeu- ungszuwachs vielleicht am besten: Während wir uns in uropa und Deutschland um unsere Energieversorgung orgen, schlummern unter der Erde von Zentralasien icht nur Öl und Gas, sondern auch viele andere wich- ige Bodenschätze, insbesondere in Kasachstan. Doch wir werden dieser wachsenden geopolitischen nd wirtschaftlichen Bedeutung nicht dadurch gerecht, ass wir den Ländern dieser Region unsere Wertvorstel- ungen und Demokratiewünsche präsentieren und dafür trategische und wirtschaftliche Zusammenarbeit anbie- en. Leider tut Bündnis 90/Die Grünen das mit seinem ntrag zu sehr. Die EU hat eine sehr lebendige Zentralasienstrategie, ie einen Teil der von Bündnis 90/Die Grünen aufge- tellten Forderungen bereits aufgreift. Diese Strategie at sowohl einen integrativen wie einen bilateralen Teil. Beim integrativen Ansatz setzt die EU zwei Schwer- unkte. Zum einen wollen wir eine Sicherheitspartner- chaft, die alle fünf zentralasiatischen Staaten ein- chließt. Mit dieser Partnerschaft sollen Terrorgefahr, rganisierte Kriminalität, Drogen- und Menschenhandel ingedämmt werden. Zum anderen fokussiert dieser An- atz auf die Infrastruktur der Region zur Versorgung der enschen mit Energie, Wasser und Gesundheit. Hierbei ilt es zu beachten, dass so gut wie keine Kooperation wischen den einzelnen Staaten besteht. Die Konflikte wischen den Öl- und Gasstaaten einerseits und den asserbesitzenden andererseits nehmen zu. Ein stabiles entralasien hätte einen großen Effekt auf ganz Asien. ier kann die EU eine wichtige Moderatoren- und Part- errolle übernehmen. Der bilaterale Teil basiert auf einer zentralen Erkennt- is der EU selbst: So wie Europa aus Ländern mit unter- chiedlichem kulturellen und historischen Hintergrund 9308 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) besteht, müssen wir auch in Zentralasien die jeweiligen Eigenarten der fünf Teilrepubliken erkennen. Um nur ei- nen Gegensatz an zwei Beispielen zu verdeutlichen: Während sich Turkmenistan nach dem Tod von Staats- präsident Nijasow gerade neu ordnet, strebt Kasachstan den OSZE-Vorsitz 2009 an. Diese Tendenz halte ich für richtig. Kasachstan kann aber nur auf unsere Unterstüt- zung hoffen, wenn es gleichzeitig den Acquis der OSZE uneingeschränkt übernimmt. Der vorliegende Antrag trägt diesen Punkten Rech- nung und ich stimme mit Bündnis 90/Die Grünen über- ein – so wie ich diesem Antrag in vielen Punkten meine Zustimmung geben würde. Es gibt nur leider einen zen- tralen Unterschied zwischen dem, was man fordern will, und dem, was man fordern kann. Wer diesen Unter- schied ignoriert, handelt kontraproduktiv. Nehmen wir nur die Menschenrechtspolitik als Beispiel: In der Tat fehlt es den zentralasiatischen Ländern immer noch an grundsätzlicher Stabilität, an demokratischen Grundwer- ten und an dem, was wir Zivilgesellschaft nennen. Des- halb verweist Bündnis 90/Die Grünen auch zu Recht in fünf seiner 24 Forderungen auf die Menschenrechte. Doch bei unserer Reise habe ich natürlich auch erkannt, dass die Mächtigen der zentralasiatischen Länder nur wi- derwillig bereit zu Gesprächen über das Thema Men- schenrechte sind. Unsere Forderungen müssen im richtigen Verhältnis zu unseren Angeboten stehen. Um es ganz deutlich zu sagen: Die EU bleibt mit ihrer finanziellen Unterstüt- zung weit hinter dem zurück, was die USA, China, Japan und andere zahlen. Deshalb bitte ich eines zu bedenken: Wir können nicht auf offene Ohren hoffen, wenn wir mit fast leeren Händen kommen. Ich teile die Mehrheit der Forderungen von Bündnis 90/Die Grünen. Nicht von un- gefähr sind viele dieser Forderungen bereits in der EU- Strategie enthalten – die wesentlichen Inhalte in kompri- mierter Form. Natürlich sollten wir den Menschen- rechtsschutz auch in fünf verschiedenen Forderungen an die Region Zentralasien herantragen und damit seine Re- levanz betonen. Die Frage ist aber: Wollen wir nur For- derungen erheben, oder wollen wir diese auch durchset- zen? Wer hier zu viel fordert, dem wird die Haustür zugeschlagen, bevor er das Wohnzimmer überhaupt se- hen kann. Wir als EU können als Partner für die Region und Moderator zwischen den Staaten agieren. Und wir kön- nen versuchen, unser europäisches Modell in all seinen Farben und Formen zu präsentieren und als Vorbild an- zubieten. Wir müssen allerdings versuchen, zwischen Werten und Interessen zu balancieren. Nur dann werden wir ernst genommen werden. Die Grünen wollen mit ihrem Antrag „die EU-Zen- tralasienstrategie mit Leben füllen“. Ich möchte das auch. Deshalb sollten wir diesen Antrag in den Aus- schüssen beraten, aber wir sollten einen zentralen Fehler nicht machen: Sie überfrachten den Antrag so weit mit Forderungen, dass er zu platzen droht. Dann wäre nie- mandem mit einer EU-Strategie geholfen: Europa nicht und den Menschen in Zentralasien schon gar nicht. g d d P k d s K w a z s p u A Z r h b s g w e k w E V m t s v z g h E s l d s s T Ö s v p l g g z (C (D Harald Leibrecht (FDP): Wir Liberale begrüßen rundsätzlich, dass Zentralasien oben auf die Agenda er deutschen EU-Ratspräsidentschaft gesetzt wurde. Ich denke, wir sind uns einig, dass die Sichtbarkeit er EU in der Region momentan unzureichend ist. Die roblemfelder, die es anzugehen gilt, sind dagegen be- annt und zahlreich: die eklatante Menschenrechtslage, ie fehlende Rechtsstaatlichkeit, Drogen- und Men- chenhandel, Kriminalität, Armut, mangelnde regionale ooperation, Probleme des Grenzmanagements, Um- eltprobleme – um nur einige zu nennen. Es ist in unserem eigenen Interesse, die fünf zentral- siatischen Staaten bei der Bewältigung dieser Probleme u unterstützen. Denn nur in einer stabilen zentralasiati- chen Region wird es uns möglich sein, gute, belastbare olitische und wirtschaftliche Beziehungen zu dieser für ns immer wichtiger werdenden Region aufzubauen. uch muss unser Engagement in Afghanistan in diesem usammenhang gesehen werden. Ein Überschwappen eligiösen Fundamentalismus und Terrorismus hätte ver- eerende Auswirkungen. Gleichzeitig stehen wir in Zentralasien vor einer pro- lematischen Lage: Auf der einen Seite haben wir in die- er Region ganz konkrete sicherheitspolitische und ener- iepolitische Interessen. Auf der anderen Seite haben ir es mit zum Teil totalitären politischen Systemen und iner desaströsen Menschenrechtslage zu tun. Der Grünen-Antrag gibt auf diese Problematik leider eine Antwort, sondern bleibt unkonkret. Er enthält ge- iss viele wichtige Aspekte – jedoch auch nichts Neues. r unterscheidet sich in diesem Sinne kaum von den orstellungen der Bundesregierung. Die fünf zentralasiatische Staaten – Kasachstan, Turk- enistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan – eilen zwar das postsowjetische Erbe, unterscheiden ich, aber ansonsten erheblich. Unterschiedliche Länder erlangen natürlich auch nach unterschiedlichen Ansät- en. Daher darf es auch nicht ausschließlich bei dem re- ionalen Ansatz bleiben, den die EU in der Vergangen- eit verfolgt hat. Kasachstan und Turkmenistan verzeichnen erhebliche innahmen aufgrund ihres Reichtums an Energieroh- toffen. Kasachstan ist gerade dabei, sich der Baku-Tbi- isi-Ceyhan-Pipeline anzuschließen, durch die Öl aus em kaspischen Raum über den Kaukasus an das türki- che Mittelmeer transportiert wird. Das Land erhofft ich, die Gesamtproduktion bis 2015 auf 150 Millionen onnen zu erhöhen und damit zu den weltweit führenden lproduzenten aufzusteigen. Die Signifikanz Kasach- tans und auch Turkmenistans mit seinen enormen Gas- orkommen ist so für die künftige europäische Energie- olitik und -sicherheit nicht zu unterschätzen. Nichtsdestotrotz darf der regionale Ansatz nicht gänz- ich aufgegeben werden. Viele der Probleme in der Re- ion können nur in Zusammenarbeit mit allen Staaten elöst werden. Leider war in den letzten Jahren die Bereitschaft der entralasiatischen Staaten zu regionaler Kooperation Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9309 (A) ) (B) ) sehr eingeschränkt. Es gibt derzeit keine auf die fünf zentralasiatischen Staaten beschränkte Regionalorgani- sation mehr. Es ist zu hoffen, dass die Isolationspolitik Turkmenistans nach dem Tod des Turkmenbaschi ein Ende hat. Usbekistans Zollbarrieren und Verminung der Grenzabschnitte zu seinen Nachbarn sind auch nicht das, was man als vertrauensbildende Maßnahmen bezeichnen würde. Hinzu kommen insgesamt stark personalisierte Machtstrukturen, die ein Hemmschuh für regionale Inte- gration sind. Einige der EU-Projekte sind in der Vergangenheit in der Region durchaus positiv aufgenommen worden, wie zum Beispiel die kürzlich zusammengelegten Pro- gramme für Grenzmanagement und Bekämpfung von Drogentransit durch Zentralasien. Deutschland und Europa müssen diese regionalen Projekte weiter fördern und auch Kooperationen wie die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit, SCO, neu bewerten. Nicht zu Unrecht hatte der Westen die SCO in der Vergangenheit als inhaltslose Integrationsblase be- trachtet. Europa darf die Entwicklungen der letzten Jahre aber nicht verschlafen und Zentralasien nicht Russland und China überlassen, die jetzt schon in den Bereichen Energie und Sicherheit enger zusammenarbeiten. Einen letzten Aspekt möchte ich nennen, der mir so- wohl bei den Grünen als auch bei der Bundesregierung fehlt: die wichtige Rolle, die die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik bei der europäischen Zentralasienstrate- gie spielen kann. Gerade auf zivilgesellschaftlicher Ebene, gerade im Umgang mit Ländern, wo sich die Be- ziehungen auf staatlicher Ebene nicht gerade problemlos und durch offene Kommunikation auszeichnen, ist das Instrument der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik von unschätzbarem Wert. Auf meiner Reise durch Zentralasien vergangenen November habe ich in den Gesprächen, gerade in Turk- menistan, erlebt, wie groß das Misstrauen und wie klein die Bereitschaft des Entgegenkommens ist. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik kann hier ein guter Zugang sein und muss in der Tat als eine der tragenden Säulen der deutschen Außenpolitik gesehen werden. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE): Wie die Antragstel- ler begrüße ich die Initiativen der EU unter der deut- schen Ratspräsidentschaft, die Beziehungen zu den fünf Staaten der zentralasiatischen Region zu intensivieren. Dies ist eine Chance, zur Förderung von Frieden und Stabilität beizutragen. Wir werden immer wieder daran erinnert, wie bedeut- sam heute die Sicherung unserer Energieversorgung in Europa geworden ist. Die zentralasiatische Region spielt hierbei eine hervorragende Rolle. Allein dieser Sachver- halt macht uns zu Partnern, und diese Partnerschaft soll- ten wir pflegen. Ich möchte betonen, dass unsere Bezie- hungen sich keinesfalls auf wirtschaftliche Interessen reduzieren lassen dürfen und dass sie sich auf einem ab- solut partnerschaftlichen Niveau abzuspielen haben! Frieden und Wohlstand, Sicherheit und Freiheit sollen nicht lediglich in Europa gelten, sondern überall in der W w s i a v f s E t t k d c d e u f S Ü i k w r s g s d L h s n S u i s n d e A p g P m v w f k l f h w d (C (D elt und auch in unseren Nachbarschaftsregionen. Dies ar und ist der Grund für die Attraktivität der Europäi- chen Union und den enormen Fortschritt, der sich mit hr verknüpft. Die ökonomischen Beziehungen, welche die zentral- siatischen Staaten und die EU verbinden, sollten ebenso ertieft werden wie die politischen und kulturellen. Es wird sich jedoch im Rahmen eines solchen, gut reundschaftlich geführten Dialogs nicht vermeiden las- en, auf gewisse Probleme zu sprechen zu kommen. Die uropäische Union und die Bundesrepublik Deutschland reten nach innen wie nach außen strikt für die Einhal- ung der Menschenrechte ein. Vor diesem Hintergrund önnen und dürfen wir nicht die Augen verschließen vor er Lage der Menschenrechte in Zentralasien. Persönli- he Freiheiten und die Pressefreiheit sind in diesen Län- ern nach wie vor nicht ausreichend gesichert. Die Lage twa in den usbekischen Gefängnissen ist inakzeptabel, nd eine Aufklärung der Ereignisse in Andischan ist er- orderlich. Staatliche Folter und Repression dürfen in keinem taat der Welt Normalität sein. Diese ist unsere feste berzeugung. Deshalb ist die Lage der Menschenrechte n Usbekistan eine, die wir als die Linke und als Demo- raten so nicht hinnehmen können und nicht hinnehmen ollen. Ich durfte mir im Oktober des vergangenen Jah- es im Rahmen einer Reise des Menschenrechtsaus- chusses nach Usbekistan selbst ein Bild von der dorti- en Situation machen. Und in der Tat: Die Verhältnisse cheinen von unserer Warte der erlebten 50 Jahre in Frie- en und Demokratie sehr bedenklich. Wenn wir mit den ändern der Region einen Dialog auf gleicher Augen- öhe führen wollen, müssen wir jedoch zwei sehr ent- cheidende Aspekte beachten. Egal ob Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkme- istan oder Tadschikistan: Es handelt sich um sehr junge taaten, die allesamt in einer schwierigen ökonomischen nd weltpolitischen Zeit, zu Beginn der 1990er-Jahre, hre Souveränität erlangten. Auch wenn uns viele Zu- tände besorgen: Das Erlernen demokratischen Mitei- anders braucht Zeit, und diese Zeit sollte man den Län- ern Zentralasiens – bei aller Kritik – auch zugestehen. Ein zweiter Punkt, den man von dieser deutschen und uropäischen Warte nicht sehen will oder kann, ist die ngst der dortigen laizistischen Gesellschaften vor dem olitischen Islam. Die Gefahr, die vom Islamismus aus- eht, hat in dieser Nachbarregion zu Afghanistan und akistan eine wesentlich andere Qualität. Der Islamis- us ist in der Region eine reale Gefahr und keine bloß irtuelle, wie die Antragsteller unterstellen. Auch wenn ir mit den Maßnahmen, die gegen die Islamisten ergrif- en werden, natürlich nicht immer einverstanden sein önnen, sollten wir bedenken, dass es gerade diese säku- aren Staaten mit muslimischer Bevölkerung sind, die ür uns als Partner immer wichtiger werden! Bei allem Respekt voreinander und bei allen Bemü- ungen, keinem Staat und keinem Volk unsere Lebens- eise aufzuzwingen, bin ich der festen Überzeugung, ass auch Usbekistan und die anderen Länder Zentral- 9310 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) asiens von den Erfahrungen profitieren können, die wir in Europa in den letzten fünf Jahrzehnten gemacht ha- ben. Diese Erfahrung lautet, dass Wohlstand und Freiheit immer nur gemeinsam zu haben sind. Unfreiheit und Unterdrückung sind nicht lediglich gesellschaftliche Missstände, sondern sie führen immer auch zu wirt- schaftlicher Stagnation. Korruption und Armut sind ihre Folgen. Der Appell an die dortigen Regierungen, diesen Zusammenhang zu erkennen, ist, davon bin ich fest überzeugt, mindestens so wichtig wie die schnell in Be- vormundung resultierenden Kontroll- und Sanktionsme- chanismen, die Sie in Ihrem Antrag vorschlagen. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bündnis 90/Die Grünen begrüßt die Aufmerk- samkeit, die der Region Zentralasiens in der letzen Zeit und insbesondere unter der EU-Ratspräsidentschaft zu- teil wird. Bündnis 90/Die Grünen begrüßt auch und ins- besondere die Pläne der Bundesregierung unter der EU- Ratspräsidentschaft eine eigenständige Strategie für die Region zu entwickeln. Meine Fraktion hat sich seit län- gerem und sehr intensiv mit der aufstrebenden Region in Asien befasst. Heute liegt Ihnen unsere Strategie dazu vor. Fünf Staaten Zentralasiens, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, sind in letzten Jahren stärker in den Fokus der Weltöffentlich- keit gerückt. Mit einem Wirtschaftswachstum von 10 Pro- zent jährlich entwickelt sich die Region dynamisch. Die Europäische Union, insbesondere Deutschland, ist ein wichtiger Handelspartner der Länder Zentralasiens. Die Bedeutung Zentralasiens als Beschaffungsmarkt für Energieträger und mineralische Rohstoffe wird für die Versorgungssicherheit Deutschlands und der EU weiter wachsen. Dazu kommt ein Verbrauchermarkt mit circa 56 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, der ins- besondere an deutschen Produkten ein ausgeprägtes In- teresse hat. Kasachstan stellt derzeit für die EU den wichtigsten Handelspartner unter den fünf zentralasia- tischen Staaten dar. Neben einer Ausrichtung auf die EU pflegen alle fünf Staaten enge bilaterale Handelsbeziehungen zu Russ- land. Zudem wächst die Bedeutung anderer Partner wie China, USA, Japan und Iran. In der Region nimmt die Er- kenntnis zu, dass regionale Kooperation von Bedeutung ist. Von besonderem Gewicht sind hier die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft und die Shanghai Cooperation Organisation, SCO, in der neben den zentralasiatischen Staaten auch Russland und China vertreten sind. Die EU darf hier nicht im Abseits stehen, sondern sollte Wege ausloten, um sich aktiv in die Kooperationen einzubrin- gen und auch direkten Kontakt zu Russland und China über Fragen von europäischen Interessen in Zentralasien zu suchen. Die wesentlichsten Entwicklungshemmnisse für die Wirtschaft und für ausländische Investitionen sind je- doch die politische Instabilität, die mangelnde Rechts- staatlichkeit und die insgesamt besorgniserregende Men- schenrechtslage in der Region. Die gravierend schlechte M M n V L s te g s c a e r d n E K d s s l j i t w t d f k b d s G t u V N U s – s K z S u d O t f t Z f D P K (C (D enschenrechtslage betrifft insbesondere den Schutz vor isshandlungen und Folter, das Justizwesen, die Mei- ungs- und Pressefreiheit und das Versammlungs- und ereinigungsrecht. Die Todesstrafe ist noch nicht in allen ändern vollständig abgeschafft. Nichtregierungsorgani- ationen sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und -ver- idiger sind harschen Restriktionen und Verfolgung aus- esetzt. Menschenrechts- und Rechtsstaatsdialog sind omit ein wesentlicher Bestandteil einer auf wirtschaftli- he Entwicklung und Stabilität angelegten Strategie. Nach wie vor existiert keine umfassende Zusammen- rbeit zwischen den fünf Staaten. Jedes Land verfolgt in rster Linie seine eigenen Interessen. Die Vertiefung der egionalen Zusammenarbeit kann nach Erkenntnissen es Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen ei- en großen Beitrag zur politischen und wirtschaftlichen ntwicklung der Region leisten. Daher sollte regionale ooperation vonseiten der EU gefördert werden; denn ie zentralen Herausforderungen in den Bereichen Was- erverteilung, Drogenbekämpfung, Umweltschutz, Ge- undheitswesen und Transport lassen sich nur regional ösen. Daneben sollte die EU jedoch auch gezielte Pro- ekte, bezogen auf die einzelnen Länder, entwickeln, die hren jeweiligen Besonderheiten und politischen Struk- uren gerecht werden. Nichtsdestotrotz muss sich die EU auch darüber be- usst sein, wie instabil die einzelnen Länder und wie au- oritär die Regime geführt sind. Das Verhältnis zwischen er EU und den einzelnen Staaten kann so immer wieder undamental belastet werden. Im Falle Usbekistans be- am das unlängst Außenminister Frank-Walter Steinmeier ei seiner Reise zu spüren. Dazu möchte ich nur sagen, dass auch Usbekistan an ie Charta der Vereinten Nationen gebunden ist und Ver- töße gegen die Menschenrechte von der internationalen emeinschaft nicht toleriert werden. Usbekistan ist Ver- ragspartei des Internationalen Paktes für bürgerliche nd politische Rechte. Im Einklang damit stand auch das erhalten der Menschenrechtsverteidigerin Umida iazowa, Mutter eines zweijährigen Sohnes, die nun in ntersuchungshaft sitzt. Die Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwi- chen der EU und allen fünf zentralasiatischen Staaten die Ratifizierungen Tadschikistans und Turkmenistans tehen noch aus – beinhalten die Möglichkeit, zu den ooperationsräten Unterausschüsse für Menschenrechte u bilden. Dies sollte für alle fünf zentralasiatischen taaten geprüft und im Rahmen der Zentralasienstrategie mgesetzt werden. Im Bereich der Rechtsstaatsförderung sollte die EU ie Zusammenarbeit mit den VN, dem Europarat und der SZE vertiefen. Gerade die OSZE, der alle Staaten Zen- ralasiens angehören, hat eine wichtige Verbindungs- unktion zwischen der EU und Zentralasien. Dieses Po- enzial wird aber nicht ausgeschöpft. Das OSZE- entrum in Aschgabat ist seit Jahren kaum mehr arbeits- ähig. Das OSZE-Zentrum in Taschkent wurde auf ruck der usbekischen Regierung reduziert auf einen rojektkoordinator. Das Mandat des OSZE-Zentrums in asachstan wurde von der Regierung in Almaty zu- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9311 (A) ) (B) ) nächst nur bis Mitte 2007 verlängert. Kirgisistan hat be- reits angekündigt, die Frage der Verlängerung eines um- fassenden Mandats des Zentrums erneut prüfen zu wollen. Im „Astana-Appell von GUS-Staaten an OSZE- Partner“ haben Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan sich unter anderem gegen den Fortbe- stand unabhängiger OSZE-Wahlbeobachtung gestellt. Die EU sollte sich in ihrer Politik gegenüber den zen- tralasiatischen Staaten deutlich für unabhängige Wahlbe- obachtung und unabhängige institutionelle Beobachtung von Menschenrechtsverletzungen in der Region einset- zen. Kasachstan bewirbt sich um den OSZE-Vorsitz für das Jahr 2009. Der OSZE-Vorsitz ist eine Führungsrolle im Rahmen der Organisation mit Verantwortung und Autorität. Das Land, das den Vorsitz innehat, sollte die Werte und Verpflichtungen der OSZE repräsentieren. Kasachstan muss jetzt zeigen, dass es zur Übernahme solcher Verantwortung bereit und in der Lage ist. Neben sichtbaren nationalen Fortschritten in der Umsetzung der OSZE-Standards müsste Kasachstan auch zeigen, dass es bereit und in der Lage ist, in der OSZE eine aktive Rolle zur Beförderung des wertvollen OSZE-Acquis zu spielen. Ein weiterer Bestandteil der EU-Zentralasienstrate- gie muss eine klare sicherheitspolitische Zielsetzung sein. Diktatorische Regime sind sicherheitspolitische Ri- sikofallen. Ein Stabilitätsaufbau in Afghanistan kann nicht ohne Stabilität in Zentralasien gelingen. Ein großes Problem, das in der Zentralasienstrategie aufgegriffen werden muss, ist der Drogen- und Menschen- handel und eine wachsende organisierte Kriminalität. Da- rüber hinaus sollte sich die Politik der EU gegenüber Zen- tralasien mit der Bildung islamistischer Gruppierungen, insbesondere mit der politischen Instrumentalisierung dieses Feindbildes in der Region auseinandersetzen. Ein gravierendes Sicherheitsproblem zum Beispiel im usbe- kischen Ferghanatal, Andijan, ist, dass wirtschaftlich-so- ziale Not in der Bevölkerung als Ursache für gesellschaft- liche Unruhe nicht angegangen wird. Statt grundlegende Reformen anzugehen, werden islamistische Feindbilder aufgebaut und Reformkräfte in der Zivilgesellschaft poli- tisch verfolgt. Dies schafft einen Nährboden für radikale Kräfte. Ziel der EU-Zentralasienstrategie sollte deshalb auch sein, die Einbindung moderater islamischer Akteure zu fördern, die großes Ansehen genießen, und eine wichtige Mittlerfunktion wahrzunehmen. Neben Wirtschafts- und Sozialreformen kommt es auch darauf an, ein Angebot öffentlicher Grundbildung für die breite Bevölkerung zu sichern. Zentralasien ist zu Recht in den europäischen Fokus gerückt. Jetzt kommt es darauf an, die Potenziale der Region zu nutzen. Menschenrechtspolitik sollte da- bei endlich als europäische Interessenpolitik gesehen werden. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die EU hat gestern beim Treffen der EU-Außenminister- Troika mit den fünf zentralasiatischen Staaten in Astana einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Kooperation m Z b t s d w r w d G z d s a d g n f s r E t b d r H z l s z z i r t t G m u d B t P e m m s d l d d A (C (D it Zentralasien und damit zur Ausarbeitung einer EU- entralasien-Strategie getan. Wie Sie wissen, hat der Europäische Rat im Dezem- er 2006 die deutsche EU-Ratspräsidentschaft beauf- ragt, bis zum Juni dieses Jahres Leitlinien für eine Zu- ammenarbeit der EU mit Zentralasien vorzulegen. Bei er gestrigen Aussprache in der kasachischen Hauptstadt urde erneut deutlich, dass dies auch auf großes Inte- esse und Unterstützung in Zentralasien selber stößt. Dieser Aspekt ist der Bundesregierung besonders ichtig. Die EU-Zentralasien-Strategie soll nicht über ie Köpfe der Staaten hinweg formuliert werden. leichwohl muss die EU darauf achten, den Willen der entralasiatischen Staaten zu bilateraler Kooperation mit er EU auch in Ansätze zum Ausbau der regionalen Zu- ammenarbeit umzumünzen. Es geht darum, Zentral- sien in eine vertiefte Partnerschaft mit der EU einzubin- en. Unser Ziel ist der Aufbau stabiler, offener und erechter Gesellschaften auf der Basis anerkannter inter- ationaler Werte und Normen. Deshalb wird die EU den Bereichen gute Regierungs- ührung, Rechtsstaat, Menschenrechte und Demokrati- ierung wie auch dem Bildungs- und Ausbildungsbe- eich besondere Bedeutung beimessen. Sie ist bereit, ihre rfahrungen und Kenntnisse in diesem Bereich in Zen- ralasien einzubringen. Dazu gehört auch verstärkte Zusammenarbeit bei glo- alisierten Herausforderungen wie dem Kampf gegen as organisierte Verbrechen und den internationalen Ter- orismus sowie Drogen-, Menschen- und Waffenhandel. ier wird die Etablierung moderner, offener und gleich- eitig sicherer Grenzen in Zentralasien ein zentrales An- iegen der EU mit großer wirtschaftlicher Bedeutung ein. Auf dieser Grundlage haben wir im Gespräch mit den entralasiatischen Staaten folgende Bereiche identifi- iert, in denen wir besonders großes Potenzial für eine ntensivere Zusammenarbeit sehen: erstens gute Regie- ungsführung, Rechtsstaat und Menschenrechte, zwei- ens wirtschaftliche Entwicklung, Freihandel und Inves- itionen, drittens Bildung und Ausbildung, viertens renzmanagement, Kampf gegen die organisierte Kri- inalität, internationalen Terrorismus, Drogen-, Waffen- nd Menschenhandel und fünftens Energie. Auf beson- eres Interesse der zentralasiatischen Staaten würde eine ildungs- und Ausbildungsinitiative der EU für Zen- ralasien stoßen. Sie würde der jungen Generation neue erspektiven bieten. Im Bereich Menschenrechte zeichnet sich ebenfalls ine vertiefte Zusammenarbeit ab. Die EU beabsichtigt, it jedem der zentralasiatischen Staaten einen regel- äßigen, strukturierten und ergebnisorientierten Men- chenrechtsdialog einzurichten. Anderen Bereichen wie er Unterstützung wirtschaftlicher und sozialer Entwick- ung in Zentralasien, Fragen des Grenzmanagements und er Energie- und Umweltkooperation wird die EU auf er Grundlage bestehender EU-Programme künftig mehr ufmerksamkeit widmen. 9312 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Neben mehr Geberkoordinierung wollen wir die Zu- sammenarbeit mit der OSZE und anderen multilateralen Organisationen und Foren wie den IFIs intensivieren. Dazu gehört unter anderem auch die Shanghai Organisa- tion. Durch die Stärkung dieser Strukturen wollen wir re- gionale Kooperation in Zentralasien fördern. Dies alles geschieht in dem Verständnis, dass wir nur mit einem ausgewogenen, partnerschaftlichen Ansatz Si- cherheit, Stabilität und Prosperität in Zentralasien in un- serem und im dortigen Interesse fördern können. Dieser Ansatz muss die spezifischen Anliegen der zentralasiati- schen Staaten ernst nehmen. Und er muss die regionalen Herausforderungen in den Blick nehmen. Ausgewogen- heit heißt schließlich auch, die Beziehungen zu den zen- tralasiatischen Staaten in ihrer gesamten Breite voranzu- bringen. Das schließt nach unserem Verständnis auch substanzielle Fortschritte in den Bereichen Rechtsstaat- lichkeit und Menschenrechtsschutz ein. Dies alles muss transparent gestaltet werden, um Vertrauen in Zentral- asien, aber auch bei anderen internationalen Akteuren in der Region zu schaffen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Öffentlichen Ver- kehr in den neuen Bundesländern nicht gefähr- den – Verkehrsflächenbereinigungsgesetz ver- längern (Tagesordnungspunkt 20) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Dem vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke, die Übergangsregelung des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes über den Frist- ablauf zum 30. Juni 2007 hinaus zu verlängern, wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht zustimmen. Zur Erläuterung möchte ich zunächst den historischen Hintergrund der betreffenden Regelung aufzeigen. Eine Vielzahl von Grundstücken privater Eigentümer wurde zu Zeiten der ehemaligen DDR für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen, ohne dass ihre förmliche Über- führung in sogenanntes Volkseigentum oder eine recht- lich verbindliche Regelung der Nutzungsverhältnisse er- folgt ist. Trotz dieses durchaus zweifelhaften Besitzanspruches der öffentlichen Hand wurde durch den bundesdeutschen Gesetzgeber eine befristete Über- gangslösung zugunsten der weiteren Nutzung bzw. des Erwerbs solcher Grundstücke durch die öffentliche Hand im Verkehrsflächenbereinigungsgesetz geschaffen. Die- ses Gesetz löste die am 30. September 2001 ausgelau- fene Regelung in Art. 233 § 2 a IX EGBGB ab. Das Ge- setz gilt für die von Art. 3 des Einigungsvertrages erfassten Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe in An- spruch genommen wurden. Das Gesetz sieht vor, dass die öffentlichen Nutzer für weiterhin zu öffentlichen Zwecken benötigte Flächen ein bis zum 30. Juni 2007 befristetes Ankaufsrecht zu be- s d b i z N W t e K s g r d k ü g M G f s s J c n Z k e k d n Z i u c z r s o n V d E g g K G R w h s w B a f (C (D onders günstigen Konditionen, die erheblich unterhalb es Verkehrswerts liegen, haben. Bei Verkehrsflächen eträgt der Kaufpreis 20 Prozent des Bodenpreises eines n gleicher Lage gelegenen unbebauten Grundstücks. Bis ur Bereinigung der Rechtsverhältnisse entweder durch utzungsaufgabe der öffentlichen Hand oder Ankauf bei eiternutzung für öffentliche Zwecke steht dem priva- en Eigentümer lediglich die Zahlung eines Nutzungs- ntgeltes zu, das ebenfalls erheblich unter marktüblichen onditionen liegt, da zur Berechnung der nach dem Ge- etz sich ergebende niedrige potenzielle Kaufpreis zu- runde gelegt wird. Mit dieser Übergangslösung bis zur endgültigen Be- einigung der Rechtsverhältnisse sollte vermieden wer- en, dass die Kommunen in den neuen Ländern mit An- aufsforderungen durch private Grundstückseigentümer berfordert werden. Durch die langfristige Übergangsre- elung wurde den Kommunen bis zum 30. Juni 2007 die öglichkeit eingeräumt, zunächst zu überprüfen, welche rundstücke im Privateigentum dauerhaft weiter für öf- entliche Zwecke benötigt werden, und in der Folge ent- prechend die zum verbilligten Erwerb dieser Liegen- chaften notwendigen Haushaltsmittel über mehrere ahre in die jeweiligen Planungen einzustellen. Entscheidender Punkt ist nun, dass, falls der öffentli- he Nutzer sein Ankaufsrecht bis zum 30. Juni 2007 icht ausgeübt hat, der privater Eigentümer ab diesem eitpunkt den Ankauf seines Grundstücks zum Ver- ehrswert verlangen oder ein marktgerechtes Nutzungs- ntgelt für die Eintragung einer Dienstbarkeit fordern ann. Mit Ablauf der Übergangsfrist wird demnach in er Folgezeit die endgültige Klärung der Rechtsverhält- isse an den Grundstücken herbeigeführt, die zu diesem eitpunkt trotz fortdauernder öffentlicher Nutzung noch mmer im Privateigentum sind. Anders als nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nterliegt der private Eigentümer nach dem Verkehrsflä- henbereinigungsgesetz nämlich einem Kontrahierungs- wang. Die von der PDS nun geforderte Fristverlänge- ung würde bedeuten, dass private Eigentümer weiterhin tillhalten und sich mit dem geringen Nutzungsentgelt der dem abgesenkten Kaufpreis, wenn es der Kommu- en recht ist, begnügen müssten. Dies ist mit unserem erständnis des Eigentumsschutzes im Jahre 17 der eutschen Einheit unvereinbar. Das unbefriedigende Rechtsverhältnis für den privaten igentümer würde weiterhin aufrechterhalten, obgleich erade die Übergangsfrist im Verkehrsflächenbereini- ungsgesetz das Ergebnis eines ausführlich diskutierten ompromisses von Beratungen einer Bund-Länder- ruppe war, der den Interessen beider Seiten ausreichend echnung getragen hat. Uns ist kein Grund ersichtlich, arum sich diese Ausgangslage grundlegend verändert aben soll, warum die Verlängerung der Übergangslö- ung zulasten der privaten Eigentümer gerechtfertigt äre. Mit einer Fristverlängerung würde das Vertrauen der etroffenen nachhaltig enttäuscht, die möglicherweise uch schon Dispositionen hinsichtlich ihrer Grundstücke ür die Zeit nach dem 30. Juni 2007 getroffen haben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9313 (A) ) (B) ) Rechtssicherheit ist ein hohes Gut. Eine ständige sach- grundlose Verlängerung von mit Sachgrund versehenen Übergangsfristen darf nicht der Regelfall werden. Es ist nur sehr schwer nachvollziehbar, warum über Einzelfälle hinaus nach weit mehr als zehn Jahren immer noch keine Klärung auf diesem Gebiet seitens der Kom- munen erfolgen konnte. Dabei ist insbesondere zu be- rücksichtigen, dass das Gesetz während der Übergangs- frist ja einen Erwerb der weiterhin für öffentliche Zwecke beanspruchten Grundstücke zu einem erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Preis zugunsten der Kommunen ermöglicht hat. Der Antrag der Fraktion Die Linke stützt seine Be- gründung darauf, dass sich gezeigt hat, dass eine Viel- zahl von betroffenen Kommunen ihr notarielles Kauf- vertragsangebot nicht bis zum vorgesehenen Stichtag abgeben könne. Große Erbengemeinschaften oder die späte Erkenntnis, dass man während schon begonnener Baumaßnahmen in privates Eigentum eingreife, werden als Gründe angeführt. Nach Auffassung der Fraktion Die Linke solle mit einer Fristverlängerung dem drohenden baldigen Erlöschen des im Gesetz geregelten Ankaufs- rechts und der danach vermeintlich entstehenden Rechts- unsicherheit abgeholfen werden. Hierzu ist zu sagen, dass es einer Verlängerung nicht bedarf, da selbstverständlich auch nach Ablauf der Frist am 30. Juni 2007 eine Rechtsbereinigung möglich sein wird. Nur mit dem Unterschied, dass dann endlich „nor- male“ Rechtspositionen gelten werden. Der Unterschied wird nämlich der sein, dass nun nach langen Jahren der Rechtsunsicherheit endlich dem Eigentümer das Recht zugestanden wird, selbst eine Klärung der Rechtsposi- tion an seinem Grundstück herbeizuführen. Er kann nun endgültig einseitig bestimmen, wie er die Eigentumslage seines Grundstücks behandelt wissen möchte. Das be- deutet, er kann ab diesem Zeitpunkt die Kommune ver- pflichten, sein von ihr für öffentliche Zwecke genutztes Eigentum zum Verkehrswert anzukaufen oder eine ent- geltliche Dienstbarkeit daran bestellen lassen, die eine marktüblichen Nutzungsvergütung vorsieht, und er ist nicht länger zum Ausharren verpflichtet. Die weiter angeführte Problematik vermeintlich zu spät erkannter privater Eigentumsrechte während laufen- der Bauarbeiten kann wohl kaum eine ernstgemeinte Un- termauerung der Forderung der Fristverlängerung sein. Die verspätete Erkenntnis, dass beim Bau zum Beispiel einer öffentlichen Straße Privateigentum überbaut wird – schlimm genug, wenn dies so stattfindet – kann wohl kaum dem privaten Eigentümer zur Last gelegt werden. Unabhängig hiervon ist auch nach dem Ablauf der Frist die Rechtsbereinigung zugunsten der öffentlichen Hand möglich. Bei Vorliegen der entsprechenden spe- zialgesetzlichen Voraussetzungen ist eine Enteignung für öffentliche Zwecke nicht ausgeschlossen. Allerdings wäre dann entsprechend der grundgesetzlichen Eigen- tumsgarantie der volle Verkehrswert als Ausgleich zu zahlen. Und gerade dieser Punkt ist entscheidend für die Erkenntnis, worum es hier tatsächlich geht. Wir stehen unverrückbar zur Eigentumsgarantie als zentralem Punkt des Grundgesetzes. Daher ist es nach Ablauf der langen Ü n d z v L n f S P H t i D s a s l F d e – J i z f G s b g t s t w a H w A D s k e a c i Z e e G r G h v G (C (D bergangsfrist nunmehr höchste Zeit, dass die allgemei- en Regelungen in ganz Deutschland Anwendung fin- en. Es darf nicht länger Grundeigentum erster und weiter Klasse geben. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn substantiiert orgetragen würde, dass die Kommunen in den neuen ändern systematisch an einer vernünftigen Rechtsberei- igung nach den Übergangsbedingungen des Verkehrs- lächenbereinigungsgesetzes gehindert gewesen wären. tichhaltige Gründe hierfür kann ich dem Antrag der DS nicht entnehmen. Hätte aus Sicht der Bundesländer andlungsbedarf bestanden, wären die kommunalen In- eressen in Verhandlungen mit der Bundesregierung oder m Wege einer Bundesratsinitiative eingebracht worden. as ist alles nicht der Fall. Ich bin selbst Stadtrat meiner Heimatstadt Hohen- tein-Ernstthal und kommunalpolitisch engagiert. Auch us meiner diesbezüglichen Praxis kann ich Ihnen nur agen, dass Sie Scheindebatten vom Zaun brechen wol- en. Wir werden diese nicht führen. Dr. Peter Danckert (SPD): Den Kollegen von der raktion Die Linke verdanken wir heute den Umstand, ass wir noch zu so später Stunde hier an dieser Stelle ine Thematik behandeln, für die es aus meiner Sicht und der des federführenden Bundesministeriums der ustiz – keinen Handlungsbedarf gibt. Die Linke fordert n ihrem Antrag die Bundesregierung auf, das „Gesetz ur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Verkehrs- lächen und anderen öffentlich genutzten privaten rundstücken“, kurz Verkehrsflächenbereinigungsge- etz (VerkFlBerG), über die gegenwärtig geltende Frist is 30. Juni 2007 hinaus um drei weitere Jahre zu verlän- ern. Das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz vom 26. Ok- ober 2001 regelt die Rechtsverhältnisse an Grund- tücken in den neuen Bundesländern, die im Privateigen- um stehen, aber zu öffentlichen Zwecken genutzt erden. Die gesetzliche Neuregelung erfolgte seinerzeit ufgrund einer Initiative der neuen Länder. Vor dem intergrund von Art. 14 GG war eine nicht einfache Ab- ägung zwischen dem Eigentum und dem Wohle der llgemeinheit vorzunehmen (Art. 14 Abs. 3 GG). ieses Gesetz räumt dem öffentlichen Nutzer unter be- timmten Voraussetzungen ein Erwerbsrecht an Ver- ehrsflächen gegenüber dem Grundstückseigentümer in. Dies betrifft in erster Linie Verkehrsflächen, aber uch zum Beispiel für Verwaltungszwecke genutzte Flä- hen und Gebäude. Handlungsbedarf ergab sich aus dem Umstand, dass n der DDR oftmals private Grundstücke für öffentliche wecke in Anspruch genommen worden sind, ohne dass ine förmliche Überführung des Grundstücks in Volks- igentum stattgefunden hätte oder die Nutzung des rundstücks gegenüber dem Eigentümer sonst auf eine echtliche Grundlage gestellt worden wäre. Diese rundstücke blieben in Privateigentum und sind es auch eute noch. Das Gesetz ermöglichte den Kommunen, om Eigentümer bis zum 30. Juni 2007 den Verkauf des rundstücks zu stark abgesenkten Preisen (§§ 5 und 6) 9314 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) zu verlangen. Der Gesetzgeber hat seinerzeit ganz be- wusst in § 8 eine Abschlussfrist normiert, um, wie es in der Begründung hieß, „den baldigen Ankauf der für öf- fentliche Zwecke genutzten Grundstücke zu bewirken“ und damit auch eine „zügige Bereinigung“ zu realisie- ren. Diese Regelung entspricht dem sich aus Art. 14 GG ergebenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das heißt konkret eine Abwägung zwischen dem grundge- setzlichen Schutz des Eigentums und dem Wohl der All- gemeinheit. Nach Ablauf der Abschlussfrist verbleiben einige „unbereinigte Fälle“, in denen der Grundstücksei- gentümer die Wahl hat, ob er von der Gemeinde den An- kauf verlangt oder aber ein Nutzungsentgelt fordert, das so lange zu zahlen wäre, wie die öffentliche Nutzung fortbesteht. Die Linke ist der Ansicht, dass eine Vielzahl der be- troffenen Kommunen nicht in der Lage sein wird, den Grundstückseigentümern bis zu diesem Stichtag ihr no- tarielles Kaufvertragsangebot zu übermitteln, und strebt deshalb eine Fristverlängerung an. Gestatten Sie mir hierzu folgende Anmerkungen: Das Gesetz mit der kon- kreten Abschlussfrist ist das Ergebnis von Beratungen einer auf Initiative der Ost-Justizministerkonferenz 1999 gebildeten Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Diese Ab- schlussfrist nach § 8, die man auch als eine Ausschluss- frist werten kann, war ein Kompromiss zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten. Zu beden- ken war, dass die Grundstückseigentümer bei Ablauf der Frist über einen Zeitraum von fast 17 Jahren nach der Wiedervereinigung keinen Zugriff auf das Grundeigen- tum hatten. Zugleich war den öffentlichen Nutzern bereits bei der Erarbeitung des Gesetzes das Problem der noch ausstehenden sachenrechtlichen Bereinigung seit langem bekannt. Zur Durchführung der notwendigen vorbereitenden Maßnahmen (Vermessungsarbeiten, Feststellung der Eigentumsverhältnisse) zur rechtlichen Bereinigung stand ausreichend Zeit – nämlich sechs Jahre – zur Verfügung. Darüber hinaus impliziert der Ablauf der Frist nicht die Notwendigkeit, alle Verträge bis zum Stichtag fertig abzuwickeln. Auch nach Frist- ablauf ist die Rechtsbereinigung möglich, wenn auch der Grundstückseigentümer damit einverstanden ist. Nach Ablauf der Abschlussfrist kann allerdings der Grund- stückseigentümer alleine darüber entscheiden, ob er die Fläche an den öffentlichen Nutzer verkauft oder die Zah- lung eines Nutzungsentgeltes fordert oder schlicht nichts unternimmt. Wenn der öffentliche Nutzer an der Erlan- gung des Eigentums am Grundstück gegen den Willen des Grundstückseigentümers interessiert ist, kommt ge- gebenenfalls eine Enteignung nach den jeweiligen Spe- zialvorschriften (unter anderem den Straßengesetzen der Länder) – allerdings gegen Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes – in Betracht. Einer Fristverlängerung stehen – und dies ist nicht ganz unerheblich – verfassungsrechtliche Bedenken ent- gegen: Die trotz der öffentlich-rechtlichen Nutzung der Grundstücke bestehenden (eingeschränkten) Eigentums- rechte der Grundstückseigentümer fallen unter den Schutz von Art. 14 Abs. l Satz l GG. Jede Änderung der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse muss sich daher insbesondere an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes u l e u l e V B e t k r d v N f n g B s A n N d A d g m d s ü s S s d m i s k f L b e c H r Z t d t z f v P (C (D nd der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Die erheb- iche Belastung der Grundstückseigentümer, die über inen langen Zeitraum zur Passivität gezwungen sind, nd die Tatsache, dass den öffentlichen Nutzern der Ab- auf der Abschlussfrist frühzeitig bekannt war, begründen rnsthafte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erlängerung der Frist. Letztlich bleibt es den neuen undesländern unbenommen, ihre Interessen im Wege iner Bundesratsinitiative wahrzunehmen. Vor dem Hin- ergrund erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken ann ich den Ländern allerdings nicht zu diesem Schritt aten. Wir sehen der Ausschussberatung entgegen, und ich enke, ich kann heute schon ankündigen, dass wir den orliegenden Antrag ablehnen werden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): ach dem Willen des Gesetzgebers sollte das Verkehrs- lächenbereinigungsgesetz von 2001 die Rechtsverhält- isse an seit DDR-Zeiten öffentlich genutzten Privat- rundstücken endgültig regeln – so nachzulesen in der eschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsaus- chusses vom 25. September 2001. Schenkt man dem ntrag der Fraktion Die Linke Glauben, ist dieses Ziel icht erreicht worden, denn anderenfalls gäbe es keine otwendigkeit, die vorgesehenen Fristen um weitere rei Jahre bis zum 30. Juni 2010 zu verlängern. Die Frage, die sich stellt, ist: Woran liegt das? Laut ntrag gibt es Schwierigkeiten bei den Recherchen zu en betroffenen Grundstücken. Dies sei dem Umstand eschuldet, dass es sich bei den Grundstückseigentü- ern oft um große Erbengemeinschaften handele bzw. ass sich erst im Rahmen von Baumaßnahmen heraus- telle, dass zum Beispiel öffentliche Straßen zum Teil ber private Grundstücke verlaufen. Die Richtigkeit die- es Tatsachenvortrags unterstellt, fragt sich, wer diese chwierigkeiten zu vertreten hat, der private Grund- tückseigentümer oder die öffentliche Hand. Schon im Gesetzgebungsverfahren hat die Fraktion er FDP kritisiert, dass vonseiten der Länder und Kom- unen nicht aufgezeigt worden sei, welche Grundstücke n welchem Umfang und zu welchen Werten betroffen eien. Die Fraktion der PDS äußerte sich ähnlich. Sie ritisierte, dass keine Angaben über die Zahl der betrof- enen Grundstücke vorlägen. Seit dieser Kritik sind weitere fünfeinhalb Jahre ins and gegangen. Warum diese Zeit nicht ausgereicht ha- en soll, die Grundstücks- und Eigentumsverhältnisse ndgültig zu klären, leuchtet mir nicht ein. Jedenfalls rei- hen mir die hierzu vorgetragenen Tatsachen nicht aus. ier wäre eine Einschätzung der Bundesregierung hilf- eich. Denn eins steht fest: Eine Fristverlängerung „auf uruf“ kann und darf es nicht geben. Diese ginge einsei- ig zulasten der Grundstückseigentümer, obwohl vieles afür spricht, dass diese die behaupteten Schwierigkei- en nicht zu vertreten haben. Dann wäre es aber nicht ak- eptabel, dass Eigentümer für weitere drei Jahre der Ge- ahr ausgesetzt werden, ihr Grundstück zwangsweise erkaufen zu müssen, und dies möglicherweise zu einem reis, bei dem sie noch draufzahlen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9315 (A) ) (B) ) Wie Sie wissen, begegnete die Kaufpreisregelung be- reits im Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtli- chen Bedenken. Insbesondere für Eigentümer, deren Grundstücke mit alten, in der Höhe über den gesetzli- chen Kaufpreisanspruch hinausgehenden Grundpfand- rechten belastet waren, wurde die Gefahr einer „zweiten Enteignung“ gesehen. Für die FDP darf das Auseinanderfallen von Grund- stückseigentum und Grundstücksnutzung abseits von Miet- und Pachtverhältnissen nicht zu einem Dauerzu- stand werden. Sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass eine Fristverlängerung unumgänglich ist, wären deshalb flankierende Maßnahmen vorzusehen, um die Beendigung dieses Zustandes, der im deutschen Recht ein Fremdkörper ist, zu beschleunigen. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Die Erfüllung öffent- licher Aufgaben erfolgt in den neuen Bundesländern in einer Vielzahl von Fällen auf privaten Grundstücken. Die erforderliche Rechtsgrundlage dafür schafft das Sa- chenrechtsbereinigungsgesetz und in Ergänzung seit 2001 das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz. Das Ge- setz ermöglicht den Kommunen in den neuen Bundes- ländern den Erwerb von Privatgrundstücken zu einem ermäßigten Preis, wenn die betreffenden Grundstücke zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben oder als Ver- kehrsflächen tatsächlich in Anspruch genommen wurden und auch zukünftig für diese Zwecke benötigt werden. Dazu zählen insbesondere Verkehrsflächen im engeren Sinne, das heißt öffentliche Straßen auf privaten Flä- chen, Park- und Grünanlagen. Daneben existiert auch die Möglichkeit des Zukaufs von privaten Grundstücken, die zur Erfüllung einer sons- tigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude, zum Bei- spiel Kindergärten, Schulen, Rathäuser oder sonstiger baulicher Anlagen wie zum Beispiel Spielplätzen und Sportanlagen bebaut worden waren und weiterhin benö- tigt werden. Ausnahmsweise kann die Bestellung des milderen Mittels einer persönlich beschränkten Dienst- barkeit ausreichen, wenn der Eigentumserwerb zur Si- cherung der öffentlichen Nutzung den Eigentümer durch den Eigentumsverlust unverhältnismäßig belasten würde. Dies kann etwa bei einer Untertunnelung des Grundstücks oder bei einem Brückenpfeiler auf einem ansonsten landwirtschaftlich genutzten Grundstück der Fall sein. Der Nutzer hat das Recht auf Durchführung einer Be- reinigung der Rechtsverhältnisse an für öffentliche Zwe- cke genutzten Flächen. § 8 Abs. 1 sieht vor, dass der öf- fentliche Nutzer bis zum Ablauf des 30. Juni 2007 das Erwerbsrecht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 durch Abgabe eines notariell beurkundeten Angebots zum Abschluss eines Kaufvertrages ausgeübt haben muss. Nach Ablauf dieser Frist soll der öffentliche Nutzer nun keine Möglichkeit mehr haben, seinerseits die Rechtsbereinigung einzulei- ten. Sein Recht, den Vertragsabschluss zu verlangen, er- lischt. Dieses Recht geht dann auf den oder die Grund- stückseigentümer über. A d w c z n s m s o v m g B c f l G n d R E s l B D w s b c d d m d b g z K A ü s d g E F n d ü t u m m I g (C (D Die vorgesehene Ausschlussfrist sollte dem zügigen nkauf und damit dem Ziel einer zügigen Bereinigung ienen. Aufgrund der Vielzahl der bisher bekannt ge- ordenen Fälle sowie der Schwierigkeiten bei den Re- herchen zu den betroffenen Grundstücken hat sich ge- eigt, dass eine Vielzahl der betroffenen Kommunen ihr otarielles Kaufvertragsangebot nicht bis zu dem vorge- ehenen Stichtag an die Grundstückseigentümer über- itteln kann. Dies ist unter anderem dem Umstand ge- chuldet, dass es sich bei den Grundstückseigentümern ft um große Erbengemeinschaften handelt, noch nicht ollständig aktualisierte Grundstückskataster in den Ge- einden vorliegen oder noch strittige Rückübertra- ungsansprüche vorliegen bzw. sich erst im Rahmen von aumaßnahmen herausstellt, dass zum Beispiel öffentli- he Straßen zum Teil über private Grundstücke verlau- en. Außerdem kann der Übergang des Rechts auf Ver- angen zur Flächenbereinigung auf den oder die rundstückseigentümer durchaus als Investitionshemm- is und entgegen dem öffentlichen Interesse wirken, da ie Kommune ihr Initiativrecht verliert. Die begrüßenswerten Ziele des Gesetzes, nämlich echtssicherheit für Nutzer und Eigentümer zu schaffen, igentümer angemessen zu entschädigen sowie Grund- tücksnutzung und Grundstückseigentum für die öffent- iche Hand zusammenzuführen, ist unter den gegebenen edingungen und der gesetzten Frist nicht erreichbar. urchschnittlich fehlen noch 30 bis 40 Prozent der not- endigen Vertragsabwicklungen. Dies ist regional unter- chiedlich. Sollte eine Fristverlängerung nicht erreicht werden, leibt den Gemeinden nur die Möglichkeit des ordentli- hen Ankaufs der Grundstücke zum Verkehrswert, was ie öffentlichen Haushalte weiter belasten würde, und as Risiko birgt, dass der private Grundstückseigentü- er sich einem Verkauf auch verweigern kann. Damit ist ie Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben auf den etroffenen Grundstücken zukünftig in Gefahr. Aus den enannten Gründen ist eine Fristverlängerung des Geset- es dringend geboten. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe ollegin Heidrun Bluhm, bei allem Respekt, aber der ntrag Ihrer Fraktion ist ebenso wie die heutige Debatte berflüssig. Ich frage mich, ob wir wirklich nichts Bes- eres zu tun haben, als uns heute und auf diese Weise mit em Verkehrsflächenbereinigungsgesetz zu beschäfti- en. Und ich sage Ihnen an dieser Stelle auch deutlich: s ärgert mich, dass es im legitimen Wettbewerb der raktionen offensichtlich nur noch um Quantität und icht mehr um Qualität bei den Anträgen geht. Aber azu später mehr. Erinnern Sie sich noch, wie wir kürzlich gemeinsam ber die Große Koalition und ihren kurzfristig aufgesetz- en Antrag zum Bericht zur Situation der Wohnungs- nd Immobilienwirtschaft gelästert haben? Jetzt kom- en Sie selber mit einem Antrag aus der Tiefe des Rau- es. Dankenswerterweise wurde der Text uns vorab von hrem Büro zu Verfügung gestellt, sodass wir wenigstens estern wussten, über was wir heute diskutieren sollen. 9316 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Heute habe ich sogar noch die Drucksachennummer er- fahren, als ich Ihren Antrag in der Hauspost vorfand. Der Ausgangspunkt scheint ja offensichtlich ein Rundschreiben des Gemeinde- und Städtebundes Thü- ringen vom 9. Februar 2007 an alle thüringischen Bun- destagsabgeordneten gewesen zu sein. Auf den ersten Blick scheint wie immer dringender Handlungsbedarf gegeben zu sein. Aber anstatt den Sachverhalt erst ein- mal zu überprüfen, haben Sie einfach den Brieftext wort- wörtlich in Ihren Antrag übernommen. Was sollte das ei- gentlich? Wollen Sie damit dem Gemeinde- und Städtebund Thüringen signalisieren, dass Sie die Einzi- gen sind, die sich des Themas annehmen? Ich habe gestern den Kollegen Ernst Kranz von der SPD gefragt, wie er denn mit diesem Brief umgegangen sei, und er teilte mir mit, dass er zunächst einmal die Kommunen in seinem Wahlkreis um Stellungnahme ge- beten hätte. Der Rücklauf hätte keine Erkenntnis gebracht, dass in Thüringen noch Handlungsbedarf bestünde. Der Kollege Uwe Barth von der FDP hat den Weg der Frage- stunde am gestrigen Tage beschritten. Das ist aus meiner Sicht die zunächst gebotene und seriöse Vorgehensweise bei so einem Sachverhalt. Sie wissen genauso gut wie die Kolleginnen und Kollegen, dass Ihnen auch noch andere Instrumente wie zum Beispiel eine schriftliche Frage oder eine Kleine Anfrage zur Verfügung gestanden hätten. Die Antwort der Bundesregierung durch den Parla- mentarischen Staatssekretär Hartenbach spricht Bände, und ich empfehle Ihnen das gründliche Studium; denn eigentlich hat sich mit dieser Antwort Ihr Antrag erle- digt: Erstens. Es war den öffentlichen Nutzern seit dem Er- lass des Gesetzes bekannt, dass sie das Problem der sa- chenrechtlichen Bereinigung anzugehen hatten und dies keine unbillige Härte für sie darstellen würde. Daher wurde ja das Gesetz auch ausdrücklich befristet. Zweitens. Die Rechtsverhältnisse können auch nach dem Fristablauf immer noch rechtsbereinigt werden. Das bedeutet, dass dann eine einvernehmliche Regelung mit dem Grundstückseigentümer über die Nutzung des Grundstücks und einen eventuellen Kauf oder ein Nut- zungsentgelt herbeigeführt werden muss. Drittens. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind erheblich. Im Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes heißt es: „Das Eigentum und das Erbrecht werden ge- währleistet.“ Eine Fristverlängerung verstößt sowohl ge- gen den Vertrauensschutz als auch gegen die Verhältnis- mäßigkeit. Ich kann nicht erkennen, welche triftigen Gründe dafür sprechen, dass es hier über 17 Jahre nach der Vereinigung immer noch ein Sonderrecht Ost geben muss? Viertens. Last, but not least weist Herr Hartenbach darauf hin, dass es den Bundesländern unbenommen bleibt, eine eigene Bundesratsinitiative zu starten. Dem muss ich nichts hinzufügen. Diese Antworten und die Rechercheergebnisse mei- ner Kollegen aus Thüringen lassen deutlich erkennen, dass Ihr Antrag schon überholt war, bevor Sie ihn einge- b g A l e g w b d z v V r N z W G K S d 2 1 l d S U r a d Ü S i W e n P e p i (C (D racht haben. Jetzt ist es an Ihnen, das Gegenteil zu bele- en. Darauf bin ich sehr gespannt. nlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – SWIFT-Fall aufklären – Datenschutz im in- ternationalen Zahlungsverkehr wieder her- stellen – Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – Zugriff US-amerikanischer Stellen auf SWIFT-Daten unverzüglich stoppen und Vorgang umfassend aufklären (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Georg Fahrenschon (CDU/CSU): In der grundsätz- ichen Einschätzung der Sachlage sind wir uns sicherlich inig: Die Bedingungen, unter denen SWIFT in der Ver- angenheit gearbeitet hat, müssen gründlich aufgeklärt erden. Dabei kommt auf die Bundesregierung eine esondere Verantwortung zu; denn Ziel der EU und der eutschen Ratspräsidentschaft muss es sein, eine Lösung u erreichen, die einerseits dem Erfordernis einer effekti- en Bekämpfung des Terrorismus und andererseits den orgaben europäischen Datenschutzrechtes sowie einem eibungslosen Zahlungsverkehr gerecht wird. Schon 1973 war es das Ziel, ein sicheres internationales achrichtenübermittlungssystem für Finanztransaktionen u schaffen. Damals wurde die SWIFT, Society für orldwide Interbank Financial Telecommunication, als enossenschaft belgischen Rechts von der internationalen reditwirtschaft gegründet. SWIFT verfügt über einen WIFT-Server in Belgien und einen in den USA, auf em eine Datenspiegelung erfolgt. Wie nach Presseberichten in den USA im Sommer 006 bekannt wurde, haben US-Behörden nach dem 1. September 2001 vor dem Hintergrund einer behörd- ichen Beschlagnahmeordnung mehrfach Transaktions- aten von SWIFT angefordert. Wie wir heute wissen, hat WIFT diese Daten auf Anfrage herausgegeben und den S-Behörden zur Auswertung für die Zwecke der Terro- ismusbekämpfung überlassen. Inzwischen ist weiterhin uch geklärt, dass es hierbei weder zu einer Vollstreckung er Beschlagnahmeordnung noch zu einer richterlichen berprüfung oder einer nachträglichen Information der WIFT-Nutzer gekommen ist. Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, seiner nternationalen Dimension und seiner juristischen ürdigung sowohl in Deutschland wie auch in anderen uropäischen Ländern sind die Ermittlungen jedoch och nicht abgeschlossen. Ob und inwieweit SWIFT gegen seine vertraglichen flichten gegenüber seinen Nutzern verstoßen hat bzw. in Verstoß der Nutzer gegenüber Verschwiegenheits- flichten gegenüber ihren Kunden vorliegt, wird derzeit ntensiv geprüft und zwischen den Datenschutzaufsichts- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9317 (A) ) (B) ) behörden, den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und dem ZKA diskutiert. Des Weiteren hat die deutsche Ratspräsidentschaft gemeinsam mit der KOM die Gespräche mit dem US- Treasury aufgenommen. Ziel dieser Gespräche ist eine breite Sachverhaltsaufklärung sowie die Auslotung der Verhandlungsbereitschaft der USA. Denn darüber müssen wir uns hier einig sein: Wir können nur gemeinsam mit EU und den USA zu einer Lösung kommen. Dies setzt jedoch eine enge und vertrauensvolle transatlantische Zusammenarbeit voraus. Vor diesem Hintergrund ist für CDU und CSU klar: Die gemeinsame Nutzung von Daten und Informationen ist ein wertvolles Instrument zur Bekämpfung des interna- tionalen Terrorismus und der damit zusammenhängenden Verbrechen. Sie muss aber auf einer tragfähigen Rechts- grundlage erfolgen. In diesem Sinne ist zunächst eine vollständige und gründliche Aufklärung des Sachverhalts notwendig. Auf Basis der dadurch erlangten Erkenntnisse kann dann über weitere Schritte nachgedacht werden. Vorschnelle Schlüsse – wie sie in Ihren beiden Anträgen formuliert werden – sind hier jedoch wenig förderlich. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wenn wir kul- turelle Grundüberzeugungen aufgeben oder in Zweifel ziehen lassen, weil es Terrorismus in der Welt gibt, ha- ben wir gegen den Terrorismus schon verloren, lange be- vor wir begonnen haben, ihn zu bekämpfen. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus werden leider immer wieder auch Grundpfeiler unseres westlichen, freiheitlichen Rechts- und Demokratiever- ständnisses zur Disposition gestellt. Dazu gehören das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Schutz personenbezogener Daten. Der freiheitliche Rechtsstaat hat sich darauf ver- pflichtet, diese Rechte zu schützen und zu verteidigen – auch und gerade vor dem Zugriff der eigenen Behörden und Dienststellen. Diese Rechtsauffassung gehört zu den international akzeptierten Standards des Verfassungs- rechts. Welcher Wert dieser Norm gerade auch in den Außenbeziehungen demokratisch verfasster Staaten bei- gemessen und mit welchem Eifer sie verteidigt wird, zeigt sich besonders dann, wenn sie in Konflikt mit an- deren politischen Zielsetzungen und Strategien – wie beispielsweise dem „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ – gerät und die Exekutive in ihren Zu- griffsrechten und ihrer Alleinentscheidungskompetenz beschneidet. Im konkreten Fall zielt meine Kritik auf die Übermitt- lung personenbezogener Daten über den internationalen Zahlungsverkehr durch die Society For Worldwide Inter- bank Financial Telecommunication, kurz: SWIFT, an US-amerikanische Geheimdienstbehörden seit 2001 ohne Klärung der Rechtsgrundlage. Die EU-Daten- schutzbeauftragten teilen diese Rechtsauffassung und kritisieren das Verhalten von SWIFT und den ange- schlossenen Banken als Verstoß gegen die europäische Datenschutzrichtlinie. Mit Blick auf die fundamentalen kulturellen Unterschiede, die sich schon aufgrund des F T U f s s b t U o z g j s m v i i n ü t h m a z d r S w m R s b t w t t ä h k S A d Z „ s a J h ü v d V D s u (C (D irst Amendment to the United States Constitution als eil der United States Bill of Rights hinsichtlich des mgangs mit Gewaltdarstellungen, rechtsradikalen In- ormationen, pornografischen Darstellungen etc. fest- tellen lassen, müssen wir solche Vorgänge, die sich zwi- chen den USA und Europa bzw. Deutschland abspielen, esonders sensibel wahrnehmen und gegebenenfalls un- erbinden. Die Auffassungsunterschiede zwischen den SA und europäischen Staaten, was offen gehandelt der verboten werden sollte und welche Daten schüt- enswert sind und welche nicht, sind offensichtlich recht roß – oder genauer: Die Auffassungsunterschiede der eweiligen Administrationen sind groß. Bei SWIFT handelt es sich um die Betreibergesell- chaft eines Telekommunikationsnetzwerkes zum auto- atisierten Austausch von standardisierten Zahlungs- erkehrsnachrichten zwischen Kreditinstituten im nternationalen Zahlungsverkehr. Die Gesellschaft hat hren Sitz in Belgien, ihre Aufgabe ist die Schaffung ei- es modernen und sicheren internationalen Nachrichten- bermittlungssystems für internationale Finanztransak- ionen. Daneben wird SWIFT in Deutschland bereits eute in begrenztem Umfang auch im Zusammenhang it nationalen Zahlungsverkehrsaufträgen genutzt, vor llem bei Bank-zu-Bank-Großbetragszahlungen und Eil- ahlungen. Die praktische Bedeutung von SWIFT für en nationalen Zahlungsverkehr dürfte mit der Einfüh- ung von SEPA zunehmen. Andere Anbieter, die diesen ervice weltweit anbieten, gibt es derzeit nicht. Umso ichtiger ist die grenzüberschreitende Kontrolle dieser onopolartigen Strukturen durch den demokratischen echtsstaat. Die Ermittlungen zur Aufklärung des grenzüber- chreitenden Sachverhaltes der Übermittlung personen- ezogener Daten durch SWIFT an US-Behörden gestal- en sich aufgrund der rechtlichen Komplexität, der iderstreitenden juristischen Bewertung der Legitima- ion der Datenanforderung und der zögerlichen Informa- ionspolitik der US-amerikanischen Regierungsstellen ußerst schwierig und langwierig. Die Bundesregierung at sich allerdings dankenswerterweise schon seit Be- anntwerden der Vorwürfe der Datenweitergabe von WIFT an US-Behörden intensiv für eine Lösung und ufklärung dieses Sachverhaltes eingesetzt. Nach Auskunft des US-Finanzministeriums erfolgte ie Anforderung von Transaktionsdaten an SWIFT zum weck der Terrorismusbekämpfung auf Grundlage von administrative subpoenas“. Die administrativen Be- chlagnahmeanordnungen wurden unter Bezugnahme uf den International Economic Powers Act aus dem ahr 1977 gerechtfertigt. SWIFT, die über einen Server in den USA verfügt, at die angeforderten Datensätze den US-Behörden berlassen, ohne dass die Beschlagnahmeanordnungen ollstreckt, die Datenübergabe richterlich überprüft oder ie betroffenen SWIFT-Nutzer informiert wurden. Der orstand von SWIFT vertritt die Rechtsauffassung, die atenweitergabe sei rechtmäßig und erforderlich gewe- en, um nicht gegen amerikanisches Recht zu verstoßen nd somit Sanktionen zu vermeiden. Es existiert eine 9318 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Rahmenvereinbarung zwischen SWIFT und den ameri- kanischen Behörden, die sicherstellen soll, dass die Da- tenmenge möglichst gering gehalten wird; auch nach Be- kanntwerden des Sachverhaltes im Jahre 2006 werden allerdings weiterhin Daten mit personenbezogenen In- formationen übertragen. Die Mitteilung der US-Behörden, wonach das Pro- gramm zur Aufdeckung von Finanzströmen immer nur dann eingesetzt worden sei, wenn konkrete Anhalts- punkte auf terroristische Aktivitäten von Personen oder Organisationen vorgelegen hätten, und es sich daher um eine zielgenaue, anlassbezogene Suche nach abgrenzba- ren Datenmengen gehandelt habe, kann nach unserer geltenden Rechtsauffassung nicht befriedigen. Zentrale Informationen, die für eine rechtsstaatliche Kontrolle der Vorgänge unabdingbar sind, stehen weder der Bundesre- gierung noch dem Bundestag zur Verfügung. Dazu gehö- ren Auskünfte über: die verwendeten Methoden der Datenauswertung, den Umfang der von SWIFT übermit- telten Daten, die Kenntnis und Beteiligung deutscher Banken an der Datenübergabe – grundsätzlich ist Ban- ken die Übermittlung personenbezogener Daten an SWIFT innerhalb der Europäischen Union und in einem Drittstaat erlaubt, wenn diese im Rahmen der Ausfüh- rung eines Zahlungsauftrages des Kunden erfolgt; kri- tisch zu bewerten ist meines Erachtens allerdings die Rechtmäßigkeit der Übermittlung von personenbezoge- nen Daten an Dritte, die als Verstoß gegen die Ver- schwiegenheitspflicht gegenüber dem Auftrag gebenden Kunden und damit als Verletzung der bankvertraglichen Nebenpflicht zu bewerten ist –, die Betroffenheit deut- scher Bankkunden, die Weiterverwendung der Daten. Im Raum steht der Vorwurf, durch die Einsichtnahme US- amerikanischer Behörden in zum Teil betriebswirtschaft- lich sensible Informationen entstünden ausländischen Unternehmen Wettbewerbsnachteile. Das Europäische Parlament hat dazu am 6. Juli 2006 den Entschließungs- antrag B6 – 0391/06 an SWIFT, Banken, die Europäi- sche Zentralbank, die Kommission und die Ratspräsi- dentschaft verabschiedet, in dem die Datenherausgabe und -auswertung verurteilt und die Anschuldigung der Wirtschafts- und Industriespionage erhoben werden. Er- mittlungen des belgischen Justizministeriums und der belgischen Financial Intelligence Unit, die aufgrund der Organisation der SWIFT nach belgischem Genossen- schaftsrecht die Zuständigkeit für sich in Anspruch neh- men, sind noch nicht abgeschlossen. Das Ziel muss bei der Datenübermittlung an ausländi- sche Behörden zur Terrorbekämpfung daher lauten, die Grundsätze des Datenschutzes nach den entsprechenden Vorschriften der Europäischen Union, das Bankgeheim- nis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung privater und gewerblicher Bankkunden im Zusammen- wirken mit der Bundesregierung und unseren Partnern in der Europäischen Union zu wahren. Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft hat die Bun- desregierung mit Unterstützung der Kommission am 27. Februar 2007 Sondierungsgespräche mit der US- Treasury geführt. Für die weitere Diskussion ist die Ver- handlungsbereitschaft der USA von zentraler Bedeu- tung. Weiteren Gesprächen mit den USA kommt daher e d A a d e t u z t T d E b ü n d G u s d t s d e w u t u U b d n g T d K f h t d g f r G A Z f b v v n (C (D ine besondere Rolle zu. Hierbei werden auch Fragen er Aufbewahrzeit der Daten, des Datenzugangs und ufsichtsfragen zu klären sein. Die Bundesregierung hat ngekündigt – mit Blick auf die vorstehenden Anträge –, en Deutschen Bundestag über den Fortgang und die auf uropäischer Ebene zu erzielende Lösung zu unterrich- en. Gemeinsames Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft nd der Europäischen Kommission ist es, eine Lösung u erreichen, die einerseits dem Erfordernis einer effek- iven Bekämpfung des Terrorismus, einschließlich der errorismusfinanzierung, und gleichzeitig den Vorgaben es europäischen Datenschutzrechtes, insbesondere der G-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, sowie einem rei- ungslosen Zahlungsverkehr Rechnung trägt. Ich fasse zusammen: Sicher sind wir uns fraktions- bergreifend einig, dass der Datenschutz auch im inter- ationalen Zahlungsverkehr wieder herzustellen ist und ass der Datenschutz sowohl die nationalstaatlichen renzen überwinden muss, als auch nicht vor den Türen nserer Verbündeten Halt machen darf. Ich bin froh, dass ich unserer Regierung unmittelbar nach Bekanntwerden er Weitergabe von SWIFT-Daten an US-Behörden ers- ens um Aufklärung kümmert, zweitens aber auch an Lö- ungen für diesen komplexen Sachverhalt arbeitet. An ieser Stelle habe ich den Applaus des ganzes Hauses ingeplant. Gisela Piltz (FDP): Die Frage, die wir uns immer ieder stellen müssen, ist: Wie viele Einschränkungen m der Sicherheit willen vertragen die Bürgerrechte, ver- rägt die Freiheit, die unsere Gesellschaft, unseren Staat, nser Grundgesetz ausmacht? Die Annahme, von der die S-amerikanische Administration seit dem 11. Septem- er 2001 ausgeht, ist aber umgekehrt: Freiheit gefährdet ie Sicherheit. Von genau diesem Gedanken sind Aktio- en wie der Zugriff auf die SWIFT-Daten durch die CIA etragen. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass wir den errorismus mit aller Kraft bekämpfen müssen. Aber wir ürfen doch dabei nie aus den Augen verlieren, dass der ampf gegen den Terrorismus zugleich auch ein Kampf ür die Freiheit ist. Denn es gilt doch gerade, die Frei- eit, die Bürgerrechte zu bewahren, die uns die Terroris- en wegbomben wollen. Deshalb muss jede Maßnahme, ie geeignet erscheint, gegen Terroristen vorzugehen, enau abgewogen werden gegen die Freiheiten, die da- ür eingeschränkt oder infrage gestellt werden. Natürlich ist die Kenntnis der Finanzierung des Terro- ismus sehr wichtig, um den Bin Ladens und anderen die rundlage ihres verbrecherischen Handelns zu entziehen. ber die großangelegte Überwachung des internationalen ahlungsverkehrs durch Zugriff auf die SWIFT-Daten ördert vor allem eines zutage: Millionen von personen- ezogenen Daten von unbescholtenen Bürgern, Millionen on unternehmensbezogenen Daten, die unter den Schutz on Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen fallen. Es ist ja nicht so, dass Otto Normalbürger heutzutage icht am internationalen Zahlungsverkehr teilnimmt. Da Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9319 (A) ) (B) ) kauft Lieschen Müller Sammlertassen bei ebay in den USA und Hänschen Meier bestellt in Australien ein coo- les Surfboard. Die Durchführung von internationalen Fi- nanztransaktionen ist kein Grund, jemanden per se für verdächtig zu halten. Dementsprechend gibt es über- haupt keine Begründung, alle SWIFT-Daten im Zugriff zu haben. Denn damit erhält man zwangsläufig ver- dachtsunabhängig Zugriff auf unendlich viele Daten un- endlich vieler Bürgerinnen und Bürger sowie Unterneh- men. Das steht eklatant im Widerspruch zu den Grundsät- zen des deutschen und europäischen Datenschutzrechts. Über die Einhaltung dieser Grundsätze zu wachen, wäre Aufgabe der Bundesregierung gewesen – spätestens mit der Information des Innenministeriums und des Finanz- ministeriums durch die US-Botschaft am Vorabend der Berichterstattung in der „New York Times“ im Juni ver- gangenen Jahres hätte die Bundesregierung das Problem angehen müssen. Es ist ein Unding, dass die Bundesre- gierung es nicht für nötig erachtete, unverzüglich das Parlament in Kenntnis zu setzen, um den Vorgang aufzu- klären und den Missstand zu beheben. Die Bundesregie- rung hat es sträflich vernachlässigt, die personenbezoge- nen Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger insbesondere im besonders sensiblen Feld der Finanztransfers zu schützen. Der Schutz der Bankdaten ist Conditio sine qua non für das Vertrauen der Menschen in den Finanz- verkehr. Wenn wir die Lissabonstrategie ernst nehmen und Europa zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt machen wollen, dann werden internationale Trans- aktionen zunehmen, weil sich Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Unternehmen verstärkt über nationale Gren- zen hinweg wirtschaftlich betätigen. Wenn aber zugleich die Menschen und Unternehmen befürchten müssen, dass ihr internationales Engagement zu Bespitzelung führt, noch dazu in einer Weise, bei der die Betroffenen keine Auskunftsansprüche und keine Löschungs- oder Berichtigungsansprüche haben, dann kommt die Dyna- mik zum Erliegen. Es geht dabei einmal um den Schutz der personenbe- zogenen Daten, zum anderen aber auch um den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Eine Über- wachung des internationalen Finanzverkehrs öffnet der Industrie- und Wirtschaftsspionage Tür und Tor. US- amerikanische Behörden erhalten Zugriff auf die Identi- tät des Überweisenden, des Empfängers, des Verwen- dungszwecks sowie der Summe der Überweisung. Da- raus lassen sich ganz erhebliche Rückschlüsse auf Wirtschaftsunternehmen und deren Geschäftspartner zie- hen. Machen wir uns doch nichts vor: Nicht erst, seit der Generaldirektor für Justiz und Inneres der EU-Kommis- sion, Jonathan Faull, erklärte, dass es den USA nicht nur um Terrorismusbekämpfung geht, ahnen wir, dass hier auch ganz handfeste wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Auch, wenn Jonathan Faull ebenfalls erklärte, es gehe auch der EU nicht nur um den Datenschutz, so ist das doch der Aspekt, der ganz zentral ist. Der Zugriff auf die SWIFT-Daten gleicht einer Schleppnetzfahndung: Alles, was zufällig des Weges kommt, landet erst einmal im Netz. Und beim Aussortieren kann man ja vielleicht a g D r d Ü b c b P d t s s w s ü w p r w B s b v c w g g r v S d h d t l s d m w d le d a D n k n s G e t e s s s (C (D uch noch das ein oder andere Wertvolle finden, was ei- entlich gar nicht vom eigentlichen Ziel gedeckt war. enn das Ziel ist laut Auskunft der Amerikaner, Terro- isten zu finden und ihnen den Geldhahn zuzudrehen, in- em internationale Finanzströme überwacht werden. ber den Erfolg der ganzen Aktion ist im Übrigen nichts ekannt geworden – wie überhaupt die SWIFT-Überwa- hung insgesamt von verdächtiger Geheimniskrämerei egleitet wurde. Die Aussagen des US-amerikanischen räsidenten, George W. Bush, es handele sich um Lan- esverrat, über die Angelegenheit öffentlich zu berich- en, sind in diesem Zusammenhang bezeichnend. Umso chlimmer ist es, dass sich die Bundesregierung an die- er Vertuschung beteiligt und nicht schon beim Bekannt- erden erster Hinweise interveniert hat. Zumindest er- taunlich ist auch, dass die Bundesbank bereits seit 2002 ber den Zugriff auf die SWIFT-Daten informiert war, ie die Staatssekretärin Barbara Hendricks auf meine arlamentarischen Fragen ausführt, aber die Bundes- egierung angeblich davon vor dem 22. Juni 2006 nichts usste. Das sollte nach meiner Auffassung auch die undesregierung bedenklich stimmen, dass Daten deut- cher Bürgerinnen und Bürger in großem Stil an ihr vor- ei und ohne Einhaltung rechtsstaatlicher Regularien on einem ausländischen Staat gesammelt und in wel- her Art und Weise auch immer verwertet wurden und erden. An dem gesamten Fall wird vor diesem Hinter- rund eine Geringschätzung und Missachtung der Bür- errechte überdeutlich, die die Politik der Bundesregie- ung leider ohnehin prägt, insbesondere wenn es um eine ermeintliche oder tatsächliche Steigerung der inneren icherheit geht. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, insbesondere a Deutschland derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne- at, gegenüber den Vereinigten Staaten keinen Zweifel aran zu lassen, dass die Überwachung der SWIFT-Da- en nicht gebilligt wird, und sich zügig und nachdrück- ich dafür einzusetzen, dass der Zugriff durch amerikani- che Sicherheitsbehörden umgehend beendet wird und ass bereits vorhandene Daten gelöscht werden. Um derartige Vorfälle für die Zukunft zu unterbinden, üssen Lösungen auf internationaler Ebene gefunden erden, um den Schutz der Bürgerrechte, zu denen auch ie informationelle Selbstbestimmung gehört, zu gewähr- isten. Nach den Flugpassagierdaten und der Auswertung er Telekommunikationsverbindungsdaten durch US- merikanische Behörden zeigt auch der Fall der SWIFT- aten, dass dringender Handlungsbedarf besteht, damit icht durch die internationale Zusammenarbeit zur Be- ämpfung des Terrorismus die Bürgerrechte in Europa ach und nach ausgehöhlt werden. Dass dabei der We- entlichkeitsgrundsatz, wonach über schwerwiegende rundrechtseingriffe jedenfalls immer das Parlament zu ntscheiden hat, auch von der Bundesregierung missach- et wird, da nicht einmal eine Information von sich aus rfolgte, ist dabei besonders zu kritisieren. Die Bundesregierung muss weiterhin die EU-Ratsprä- identschaft nutzen, um im Bereich der innergemein- chaftlichen Strafverfolgung klare Regeln für den Daten- chutz aufzustellen. 9320 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Datenschutz und Ban- ken, für Die Linke ist das ein Bereich, den wir sehr differen- ziert betrachten. Sie wissen: Wir sehen einerseits das so- genannte „Bankgeheimnis“ sehr kritisch. Ich spreche hier vom „sogenannten Bankgeheimnis“, weil wir alle wis- sen: Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht gibt es kein allgemeines gesetzliches Bankgeheimnis. Es ist – sieht man von § 30 a Abgabenordnung ab, dessen Reichweite sehr umstritten ist – nicht viel mehr, aber auch nicht viel weniger als die Zusage der Bank an den Kunden: Ja- wohl, ich gehe mit deinen Daten vertraulich um. Während wir uns da grundsätzlich durchaus vorstellen könnten, einiges zu ändern, sagen wir im konkreten Fall: Hier muss bestehenden Datenschutzregeln eindeutig zur Durchsetzung verholfen werden. Was wir hier beobachtet haben, hat nichts zu tun mit unserer wohlbegründeten Position, dass in anderen Bereichen das „Bankgeheimnis“ durchaus zu relativieren ist. Hier wurden ohne Wissen der Bankkundinnen und -kunden in umfangreichem Ausmaß sensible Daten weitergegeben. Hier wurde gegen Datenschutzrecht verstoßen. Das kann nicht toleriert werden. Hier haben Aufsichtsbehörden beide Augen zu- gedrückt – auch das kritisiert Die Linke. Das alles hat nichts mit einer – steuerpolitisch fundier- ten und datenschutzrechtlich abgesicherten – Relativierung des sogenannten „Bankgeheimnisses“ zu tun, wie wir sie gleichzeitig fordern. Daher sagen wir klar: Auch wir sehen hier Handlungsbedarf. Besonders bedenklich ist für uns dabei, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden in der Bundesrepublik wie auch auf EU-Ebene für dieses Thema nicht hinreichend sensibilisiert zu sein scheinen. Genau in diesem Punkt sehen wir auch bei den Anträgen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP Diskussionsbedarf: Die Bankenaufsicht wird in der EWU schwerpunktmäßig von den nationalen Finanzauf- sichtsbehörden durchgeführt, nicht von den Zentralbanken. Die Finanzaufsichtsbehörden haben – das wissen wir alle – den entscheidenden Vorteil, dass sie im Gegensatz zu den Zentralbanken vom Einfluss demokratischer Kontrolle eben nicht systematisch abgeschottet sind. Er- lauben Sie mir den Gedanken: Vielleicht ist es gerade diese Ausrichtung der Zentralbanken – Unabhängigkeit und Fixierung auf das Ziel der Geldwertstabilität –, die sie, zum Beispiel für Datenschutzfragen, so unsensibel haben werden lassen. Natürlich, es sind die Zentralbanken, denen die EU- Datenschutzbeauftragten eine präziser definierte Rolle bei der Datenschutzkontrolle zugewiesen haben. Und na- türlich, die europäischen Zentralbanken sind bereits heute mit einem Sitz im SWIFT-Aufsichtsgremium vertreten. Vor dem Hintergrund meiner Bedenken rege ich an: Wir sollten in den kommenden Diskussionen noch einmal darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller sein könnte, auf die nationalen Bankaufseher – also hier die BaFin – zu setzen, anstelle die Diskussion von vorneherein aus- schließlich auf die Zentralbanken zu begrenzen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kampf gegen die weltweiten Netzwerke des Terro- rismus ist nur dann effektiv, wenn er international ge- f t Z d d w P a u u P s t a a i s h S b c B a d s n T a b R b s F n w M m i b S D w d S K i t h w s V E I (C (D ührt wird. Dazu müssen wir eng mit unseren Verbünde- en zusammenarbeiten. Vor allem die transatlantische usammenarbeit mit unseren US-amerikanischen Freun- en spielt hier eine zentrale Rolle. Die Kooperation mit en Vereinigten Staaten von Amerika ist unverzichtbar. Doch ist der Kampf gegen den Terror nur dann glaub- ürdig, wenn die europäischen Staaten ebenso wie unser artner, die USA, hierbei rechtsstaatliche Prinzipien chten. Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Bürger- nd Freiheitsrechte sind der Maßstab unseres Handelns – nd sie müssen es bleiben. Wenn wir die Bürger- und ersönlichkeitsrechte der Menschen einschränken, dann pielen wir den Feinden der freien Welt in die Hände. Um die Persönlichkeitsrechte zu sichern, ist ein effek- iver Datenschutz unerlässlich. Der Datenschutz darf lso im Zuge der Terrorismusbekämpfung nicht miss- chtet oder sogar außer Kraft gesetzt wird. Leider hat es n letzter Zeit Fälle gegeben, in denen die Datenschutz- tandards der Bürger und Bürgerinnen der EU ausge- öhlt wurden. Einer dieser Fälle ist die sogenannte WIFT-Affäre, auf die sich die vorliegenden Anträge eziehen. Die Society for Worldwide Interbank Financial Tele- ommunication, SWIFT, ist ein privates Unternehmen in ankenbesitz. Ende Juni 2006 wurde bekannt, dass US- merikanische Behörden, darunter auch die Geheim- ienste, seit Jahren Transaktionsdaten der SWIFT be- chlagnahmen. Es heißt, diese hochsensiblen Daten die- en zur Recherche nach geheimen Finanzquellen von erroristen. Dadurch geraten die Gesetzgebung unserer merikanischen Partner und ihre Mittel zur Terrorismus- ekämpfung in Konflikt mit unseren europäischen echtsstandards. SWIFT mit Sitz im belgischen La Hulpe unterliegt elgischen und damit – in Umsetzung der EU-Daten- chutzrichtlinie – europäischen Rechtsstandards. Das ist akt. Offensichtlich sind im Vorfeld der Datentransfers otwendige rechtliche Prüfungen nicht unternommen orden. Dies führte dazu, dass im Fall SWIFT eine issachtung europäischer Datenschutzvorschriften öglich wurde. Auch deutsche Nutzerbanken sind hier nvolviert. Die Deutsche Bank und die Hypo-Vereins- ank sind im SWIFT-Vorstand vertreten. Sie hätten dafür orge tragen müssen, dass deutsche und die europäische atenschutzstandards gegenüber den USA eingehalten erden. Das haben sie aber nicht getan. Anscheinend fehlt es sowohl bei SWIFT als auch bei en Nutzer- und den Zentralbanken an der notwendigen ensibilität, wenn es um den Schutz der Daten ihrer unden geht. Es besteht ein enormes Aufsichtsproblem nnerhalb von SWIFT, welches dazu führte, dass die Da- en der Kunden ungeschützt weitergegeben wurden. Bis eute ist unklar, welche und wie viele Daten übermittelt urden. Ebenso ist unklar, wie die US-Behörden die ge- ammelten Daten eingesetzt haben. So verspielt man ertrauen, das für den Finanzstandort Deutschland bzw. uropa unerlässlich ist. Die Bundesregierung muss daher dringend handeln. m Rahmen der deutschen EU-Präsidentschaft muss sie Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9321 (A) ) (B) ) gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die bisherige Praxis des Datentransfers von SWIFT an die Vereinigten Staaten schnellstmöglich ein- gestellt wird. Von der US-Regierung erwarten wir eine umfassende Aufklärung der SWIFT-Affäre. Aufklärung erwarten wir konkret zur ausgewerteten Datenmenge, zu den Verar- beitungsmethoden, zur Speicherdauer und zur Löschung von Daten. Der genaue Inhalt der Übereinkunft zum Datenschutz, die zwischen dem US-Finanzministerium und SWIFT getroffen wurde, muss endlich offengelegt werden. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, die Zuständigkeiten und Aufsichtspflichten auf europäischer und nationaler Ebene bei SWIFT und den beteiligten Banken konsequent zu klären. Welcher Aufsichtsrat, welcher Vorstand würde denn so billig davonkommen, wenn er illegale Aktivitäten seiner Gesellschaft nicht an- prangert? Schließlich muss dringend untersucht werden, ob bei den Transfers auch gezielt Daten zum Zweck der Wirt- schaftsspionage ausgewertet wurden. Auch dieser Punkt ist von größter Bedeutung für den Schutz europäischer Unternehmen vor illegalen Konkurrenzaktivitäten. Die- ser Schutz ist ein integraler Bestandteil der Rechtssicher- heit, die wir unserer Wirtschaft schuldig sind. Die EU-Datenschutzbeauftragten schlagen im Zusam- menhang mit der SWIFT-Affäre vor, die Aufsichtspflicht der Zentralbanken – also der Bundesbank und der Euro- päischen Zentralbank – auch bei den datenschutzrecht- lichen Belangen klar zu definieren und sie explizit zu verpflichten, die Datenschutzbehörden rechtzeitig zu in- formieren. Wir unterstützen diese Vorschläge ausdrück- lich. Wenn diese Vorschläge umgesetzt werden, können wir eine Transparenz erreichen, die einen Fall wie die SWIFT-Affäre künftig verhindern würde. SWIFT ist leider nur ein Beispiel dafür, dass in der Kooperation zwischen der EU und den USA noch viel Klärungs- und Regelungsbedarf besteht. Ein anderes Beispiel ist die Weitergabe von Fluggastdaten. Hier wird nach der Intervention des Europäischen Gerichtshofes derzeit ein neues Abkommen zwischen der EU und den USA verhandelt. Auch hier muss dem Datenschutz Ge- nüge getan werden. Es ist dringend notwendig, dass wir in der Koopera- tion mit Drittstaaten europäische Datenschutzstandards sichern. Die EU und die USA müssen schnellstmöglich einen Weg finden, effektiv zu kooperieren, ohne dabei rechtsstaatliche Prinzipien auszuhöhlen. Nur so können wir den Terror rechtsstaatlich und glaubwürdig bekämp- fen. Die umgehende Aufklärung der SWIFT-Affäre ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Auch im Inte- resse der Bürgerinnen und Bürger muss der Datenschutz im internationalen Zahlungsverkehr wiederhergestellt werden. Vertrauen zu schaffen, das ist zwingend erforderlich für den Erhalt einer guten internationalen Zusammenar- beit und für den Erhalt eines attraktiven Finanzstandorts Europa. A s t n a V s w W s z v H c f t d e s d e f s D k B h D g t a b r a z s s B (C (D nlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Antrag: Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien si- cherstellen – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige The- rapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (inkl. 15023/05) ADD 1 (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Hubert Hüppe (CDU/CSU): Wir verzeichnen wis- enschaftliche Fortschritte bei neuartigen Therapieme- hoden, vor allem bei Gewebezüchtungen, dem soge- annten Tissue-Engineering, und Zelltherapien. Aber uch die Gentherapie könnte nach den Rückschlägen der ergangenheit wieder mehr Bedeutung erlangen. Bei- pielsweise lässt sich aus adulten Stammzellen der Haar- urzel eines Patienten Haut züchten, die erfolgreich unden verschließt. Es können Verbrennungen durch ogenannte allogene Zelltherapie mit aufbereiteten Haut- ellen eines Zellspenders behandelt werden. Es gibt viel- ersprechende klinische Studien zur Behandlung von erzinfarkten mit adulten Stammzellen aus dem Kno- henmark des Patienten. Es ist gut, dass es solche Fortschritte gibt. Allerdings ehlt bisher für diese neuartigen Therapien ein geeigne- er gesetzlicher Rahmen in der Europäischen Union. We- er Arzneimittel- noch Medizinprodukterecht bieten ine zufriedenstellende Regelung. Der Verordnungsvor- chlag der Europäischen Kommission wird intensiv in en Ausschüssen des Europäischen Parlaments beraten, r ist auch Grundlage der vorliegenden Beschlussemp- ehlung des Gesundheitsausschusses. Die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschus- es und der vorliegende Antrag der Grünen spiegeln eine iskussion im Gesundheitsausschuss wider, in der wir einen unüberwindlichen Dissens haben. Im Gegenteil: ereits im Ausschuss haben wir Einigkeit festgestellt insichtlich der Intention unserer Forderung, dass die in eutschland bestehenden ethisch begründeten Regelun- en durch die Verordnung nicht relativiert oder gar un- erlaufen werden. Diese Formulierung wurde letztlich uch von den Grünen unterstützt. Wir haben damit gemeinsam eine Position umschrie- en, die der Antrag der Grünen heute in einigen, das äume ich gerne ein, bedeutenden Punkten noch einmal usbuchstabiert. Wir stimmen darin überein, dass embryonale Stamm- ellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausge- chlossen werden sollten. Denn hier gilt es, den unter- chiedlichen Sichtweisen der Mitgliedstaaten in diesem ereich Rechung zu tragen und die Rechte der nationa- 9322 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) len Gesetzgeber zu wahren. Lassen Sie mich anfügen: Therapeutika auf Basis embryonaler Stammzellen sind nicht einmal am Horizont zu erkennen, und nach allem, was derzeit absehbar ist, sind sie sehr unwahrscheinlich, auch angesichts des stetig wachsenden therapeutischen Einsatzes adulter Stammzellen. Es ist aber dennoch rich- tig, dass wir unsere auch ethisch begründete Position zum Ausdruck bringen. Wir wollen weiterhin, dass Produkte, die auf Eingrif- fen in die menschliche Keimbahn beruhen, nicht zuge- lassen werden. Denn eine solche Zulassung würde dem europaweiten Konsens gegen Eingriffe in die menschli- che Keimbahn widersprechen. Gleichermaßen müssen Produkte, die auf Zellen und Geweben von Mensch- Tier-Hybriden oder Chimären beruhen, von der Zulas- sung ausgeschlossen werden. Das Prinzip der Nichtkommerzialisierung des menschlichen Körpers ist nicht nur ein ethischer Grund- satz, sondern dient insbesondere auch dem Schutz poten- zieller Spender. Wir wollen daher, dass es auch in der derzeit diskutierten EU-Verordnung umfassend gewähr- leistet ist und lediglich eine Kostenerstattung bei der Zell- und Gewebespende zugelassen wird. Unsere Haltung findet eine wichtige Stütze in dem Beschluss des Rechtsausschusses des Europäischen Par- laments vom Juli vergangenen Jahres, den auch die Kol- leginnen und Kollegen der EVP/ED-Fraktion und viele andere im Europäischen Parlament fraktionsübergrei- fend unterstützt haben. Es ist bedauerlich, dass heute die Verhandlungen in Brüssel vorläufig gescheitert sind, weil der Minsterrat sich geweigert hat, über die Position des Rechtsaus- schusses des Europäischen Parlaments zu sprechen. Wir wissen und begrüßen, dass die Bundesregierung im EU-Gesundheitsministerrat zielstrebig auf die Verab- schiedung des Verordnungsvorschlages hinarbeitet und unter deutscher Präsidentschaft eine Einigung anstrebt. Die Bundesregierung hat dabei auch die Probleme des Mittelstandes im Auge, und auch im Interesse kleiner und mittlerer Unternehmen unterstützen wir die Bemü- hungen der Bundesregierung zugunsten der Option einer nationalen Zulassung, insbesondere für autologe Präpa- rate. Die Bundesregierung kann sich darüber hinaus auch im Umgang mit den ethisch sensiblen Fragen und bei der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips unseres Rückhalts sicher sein. Der Antrag der Grünen dokumentiert, dass dieser Rückhalt nicht an Fraktionsgrenzen gebunden ist. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Auch wenn Arzneimit- tel für neuartige Therapien bisher in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt sind, so wecken sie dennoch große Hoffnungen – aber auch erhebliche ethische Be- denken. Einerseits erhoffen wir uns, mithilfe der Bio- technologie neue Antworten auf viele bisher unheilbare Krankheiten wie Parkinson zu finden, andererseits schrecken wir zum Beispiel davor zurück, Eingriffe in den genetischen Code vorzunehmen, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können und deren Folgen n w Z u p G E L e n s p u l z R p e u i p R d f N k P M w c M e w i P w s d e g d w f s r S G v n w M h e g G g (C (D iemand abschätzen kann. Unter neuartigen Therapien erden zumeist verstanden: die Zelltherapie, bei der ellen außerhalb des menschlichen Körpers präpariert nd in erkrankte Organe eines Patienten zurückver- flanzt werden; die Gentherapie, also das Einfügen von enen in die Zellen eines Patienten zur Behandlung von rbkrankheiten sowie das Tissue Engineering. Beim etztgenannten werden Gewebe kultiviert, um sie dann inem Patienten zu implantieren. Bisher gibt es allerdings noch kein marktfähiges Arz- eimittel für eine solche neuartige Therapie. Das wird ich aber ändern! Es gibt bereits zahlreiche Forschungs- rojekte und klinische Studien zu neuartigen Therapien, nd es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Zu- assungsstellen mit konkreten Anträgen auseinanderset- en müssen. Bis dahin müssen wir eine vernünftige echtsgrundlage geschaffen haben, und zwar auf euro- äischer Ebene. Denn bisher herrscht in Europa wahrlich in heilloses Durcheinander: In einigen Mitgliedstaaten nterliegen neuartige Therapien dem Arzneimittelrecht, n anderen dem Medizinprodukterecht oder dem Trans- lantationsrecht. Nur eines ist den unterschiedlichen echtsgrundlagen gemein: Sie sind nicht in der Lage, ie Arzneimittel für neuartige Therapien adäquat zu er- assen. Diese Situation ist nicht nur für die Hersteller von achteil, die mit einem schier unüberwindbaren Büro- ratieaufwand konfrontiert sind, sondern auch für die atientinnen und Patienten, denen auf diesem Weg die öglichkeiten modernster Heilmethoden vorenthalten erden. Aus diesem Grund brauchen wir eine einheitli- he europäische Regelung. Zulassungen für neuartige edikamente sollen in Zukunft überall in der EU nach inheitlichen Standards ablaufen. Deswegen brauchen ir eine europäische Verordnung zu diesem Thema, und ch hoffe inständig, dass die Kollegen im Europäischen arlament sich auf einen tragbaren Kompromiss einigen erden und der Rat genauso wie die Kommission kon- truktiv an einer Lösung mitarbeitet. Ich bin mir sicher, ass die deutsche Ratspräsidentschaft ihren Teil zu einer invernehmlichen Regelung beitragen wird. Aus Sicht der SPD muss im Mittelpunkt allen gesetz- eberischen Handelns immer die Sicherheit und Qualität er Arzneimittel für neuartige Therapien stehen. Genauso ie bei herkömmlichen Arzneimitteln muss der Nutzen ür die Patientinnen und Patienten eindeutig nachgewie- en, und müssen die Nebenwirkungen bekannt sein. Ge- ade beim bereits erwähnten Tissue Engineering ist im inne der Patientensicherheit eminent wichtig, dass das ewebe bis zum ursprünglichen Spender nahtlos zurück- erfolgt werden kann. Andernfalls kann weder Sicherheit och Qualität konsequent gewährleistet werden. Zudem ürde das Fehlen von Transparenz dem kommerziellen issbrauch Tür und Tor öffnen. Neben der Gewährleistung von Qualität und Sicher- eit spielen die ethischen Grenzen aus unserer Sicht eine ntscheidende Rolle. Es gibt gerade in der Biotechnolo- ie Grenzen, die wir niemals überschreiten dürfen. lücklicherweise herrscht zumindest in Europa weitest- ehend Konsens darüber, was nicht erlaubt sein sollte. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9323 (A) ) (B) ) Dazu zählen insbesondere Eingriffe in die menschliche Keimbahn, das Verbot sogenannter Chimären oder Hy- bride – also Mischlebewesen zwischen Mensch und Tier – sowie die Kommerzialisierung des menschlichen Kör- pers und seiner Bestandteile. Ich würde es begrüßen, wenn diese Verbote nicht den Mitgliedstaaten überlassen werden, sondern EU-weit ausgesprochen werden. Denn schließlich ist die Europäische Union ja eine Gemein- schaft mit gemeinsamen Werten. Die Grünen plädieren in ihrem Antrag zu den Arznei- mitteln für neuartige Therapien dafür, dass embryonale Stammzellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen werden. Das deutsche Embryonen- schutzgesetz verbietet die Herstellung und die Zerstö- rung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwe- cken. In anderen europäischen Ländern wird die Forschung mit embryonalen Stammzellen hingegen libe- raler gehandhabt. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, was würden Sie denn mit einem Ausschluss aus dem Geltungsbereich der Verordnung er- reichen? Ist es nicht besser, wenn die europaweit hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards dieser Verordnung auch für Forschung an embryonalen Stammzellen gel- ten? Auch wenn die Mehrheit dieses Hauses die For- schung aus ethischen Gründen ablehnt, so kann doch nicht verhindert werden, dass einige EU-Staaten eine an- dere Position vertreten. Wenn dies so ist, dann sollten wir uns doch zumindest im Sinne des Patientenschutzes für hohe Standards in diesen Ländern einsetzen. Unter anderem aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ab- lehnen. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich einen weiteren Aspekt der EU-Verordnung ansprechen, der ge- rade für mich als Parlamentarierin aus den neuen Bun- desländern von besonderer Bedeutung ist. Es wurde in den letzten Jahren viel Geld in die Förderung kleiner, in- novativer Unternehmen investiert. Nicht nur in den neuen Bundesländern, die sich nach wie vor in einer sehr schwierigen Situation befinden, setzen solche Start-ups und kleine und mittelständische Unternehmen wichtige Impulse für die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Entwicklung einer Region. Viele dieser kleinen innovati- ven Firmen arbeiten im Bereich der Biotechnologie, mit Spezialisierung auf den Bereich Gewebe. Wenn diese Unternehmen in Zukunft nur noch europäische Zulas- sungen bekommen können, stellt das für sie einen erheb- lichen Mehraufwand dar. Denn meist erstreckt sich das Arbeitsgebiet der Firmen nur auf die Region, in der sie ansässig sind. Zulassungen nur für Deutschland, wie es bisher gehandhabt wird, reichen diesen Unternehmen vollkommen aus. Es ist wirtschafts- und standortpoli- tisch völlig inakzeptabel, wenn den Firmen das Leben unnötig schwer gemacht wird. Ich plädiere deshalb da- für, das Gebot der Subsidiarität zu berücksichtigen und die Möglichkeit der nationalen Zulassung aufrechtzuer- halten. Michael Kauch (FDP): Es ist gut, dass der Deutsche Bundestag sich aktiv am Prozess zur Verabschiedung ei- n r K d a t d d Z s e f A k g h n r e w c s e w d g e o S l s l e r s s d m t i e g e k r b l f s N l P T (C (D er EU-Verordnung über Arzneimittel für neuartige The- apien beteiligt. Nach dem Vorschlag der Europäischen ommission handelt es sich dabei um die Gentherapie, ie Zelltherapie und das sogenannte Tissue-Engineering, lso die Herstellung von Produkten zur Gewebeersatz- herapie. Diese neuartigen Therapien sind zurzeit weder urch das Arzneimittelrecht noch durch das Medizinpro- ukterecht zufriedenstellend geregelt und gefördert. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass künftig die ulassung von Arzneimitteln für neuartige Therapien owie die Kriterien für die Sicherheit solcher Produkte uropaweit einheitlich geregelt werden sollen. Dies ist ür einen funktionierenden Binnenmarkt mit sicheren rzneimitteln sehr wichtig. Gleichzeitig müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit leiner und mittlerer Unternehmen im Blick haben, die erade in Deutschland in diesem Bereich tätig sind. Des- alb setzen wir uns auch für die Möglichkeit einer natio- alen Zulassung für neuartige Therapien ein; denn ge- ade für kleine und mittelständische Unternehmen ist zu rwarten, dass ein zentrales Zulassungsverfahren zu auf- endig und zu teuer ist. Wir wollen aber die Marktchan- en dieser Unternehmen sichern. Denn sie sind ein be- onderer Innovationsmotor – auch dafür, dass Patienten ine optimale Therapie bekommen können. Hier sind ir also auf der Seite der Bundesregierung. Wir sind auch auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, ass für Krankenhäuser und Unternehmen Erleichterun- en bei der Herstellung von Medikamenten für individu- lle Patienten gelten sollen, also im Bereich autologer der gerichteter Gewebespenden. Aber genug des Lobes; denn leider gibt es auch chattenseiten. So wollen Sie Arzneimittel in Deutsch- and nicht zulassen, weil sie nicht der hiesigen Ethik ent- prechen, will heißen: der Ethik der Mehrheit dieses Par- aments. Wieder einmal geht es wohl insbesondere um mbryonale Stammzellen. Wir streiten nunmehr seit Jah- en darum, in welchem Umfang in Deutschland die For- chung an embryonalen Stammzellen ermöglicht werden oll. Wie Sie wissen, sehen wir Liberale langfristig in er Stammzellenforschung eine erhebliche Chance der edizinischen Forschung, heute unheilbare Krankhei- en wie Diabetes, Parkinson oder Mukoviszidose in hren Ursachen zu erforschen und neue Therapien zu ntwickeln. Aber auch für die Gewinnung von Organ- ewebe und Organen kann die Stammzellenforschung ine große Hilfe sein. Auf Dauer werden wir auch in Deutschland um ein lares Ja oder Nein zur Stammzelltechnologie nicht he- umkommen. Es ist wenig glaubwürdig, uns moralisch edenklich erscheinende Forschungsarbeiten im Aus- and durchführen zu lassen. Jetzt wollen Sie auch noch ür die Anwendungsergebnisse moderner Medizinfor- chung eine Mauer an der deutschen Grenze aufbauen. ur so kann man die Beschlussempfehlung in Ihrem etzten Punkt verstehen. Ich frage Sie: Wollen Sie deutschen Patientinnen und atienten tatsächlich zumuten, für eine aussichtsreiche herapie, die das deutsche Zulassungsverfahren wegen 9324 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Ihrer Ethik nicht bestanden hat, ins Ausland zu reisen? Wollen Sie wirklich schwerkranken Menschen eine in anderen EU-Ländern zugelassene Therapie verwehren, die die einzige Aussicht auf Linderung oder gar Heilung ihrer Leiden ist? Ich frage das insbesondere Sie, werte Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen; denn die Forderungen in Ihrem Antrag bedeuten genau das – nur auf einem anderen Weg –, da Sie Stammzell- produkte gleich ganz aus dem europäischen Verfahren ausschließen wollen. Ein deutscher Sonderweg ist keine Lösung. Wenn uns daran gelegen ist, EU-weit ausgewogene ethische Krite- rien durchzusetzen, dann wäre es ein Irrweg, sich aus der Diskussion zu verabschieden und sich darauf zurückzu- ziehen, dass wir unsere ethischen Vorstellungen in einem nationalen Reservat pflegen und vor der „bösen“ weiten Welt da draußen unsere Augen schließen. Solch ein Rückfall in die Kleinstaaterei ist nicht im Interesse der Patienten, dient nicht dazu, einen vernünftigen ethischen Kompromiss zu finden. Er vereitelt wichtige medizini- sche Innovationen für die Patienten und sorgt höchstens dafür, dass der Technologiestandort Deutschland voll- ends ins Hintertreffen gerät. Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf einen ideo- logischen Reflex des Grünen-Antrags eingehen: auf das Thema „Anonymität der Gewebespende“. Diese ist ethisch ja nur relevant bei der Lebendspende, und hier muss man stärker differenzieren, als es die Grünen in ih- rem Antrag tun. Vor allem kann man die Grundsatzfrage von Geweberichtlinie und Gewebegesetz nicht en pas- sant durch diese Richtlinie, in der es nur um einen Teil- bereich des Gewebes geht, regeln. Die Anhörung zum Gewebegesetz hat gezeigt, dass Anonymität bei der Knochenmarkspende kontraproduktiv ist und in der Re- produktionsmedizin gegen die Rechte der aus der Spende hervorgehenden Kinder verstieße. All das ist noch ein Grund, den Antrag vom Bündnis 90/Die Grü- nen abzulehnen. Frank Spieth (DIE LINKE): Es ist sehr bedauerlich, dass die Beschlussempfehlung zum Thema: „Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien“ nur am Rande be- handelt und abgestimmt wird. Dies ist deshalb bedauer- lich, weil Brüssel in Zukunft die Verantwortung für bio- ethisch höchst brisante Sachverhalte übertragen bekom- men soll. Die nationalstaatliche Politik hat dann bei der Zulassung dieser Mittel nichts mehr zu regeln. Damit be- steht die Gefahr, dass die in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlichen ethischen Grundhaltungen obsolet werden. Darum müssen wir als Abgeordnete, als Bundestag, der Bundesregierung eines in aller Deutlichkeit mit auf den Weg nach Brüssel geben, nämlich alles zu unterneh- men, um zu verhindern, dass die bei uns geltenden ethi- schen Werte durch Europa nicht verändert beziehungs- weise umgekrempelt werden können. Ich bin sicher nicht der Einzige, der mit dem Titel „Arzneimittel für neuartige Therapien“ nicht sofort et- was anfangen kann. Deshalb muss man darauf aufmerk- s z t m D m r k b s l t l m d R v w B K Z T d F z t n d v f d e P s d v d d d g t d a M k i c s b Z d z z E g (C (D am machen, dass besonders innovative Arzneimittel, um Beispiel Gentherapeutika, somatische Zelltherapeu- ika und Produkte aus Gewebezüchtungen, damit ge- eint werden. Und spätestens dann wird man hellhörig. enn dazu zählen biotechnologische Anwendungen auf enschliches Gewebe unterschiedlichster Art. Die Forschung erzielt in diesem Bereich revolutionie- ende Fortschritte, für viele Erkrankungen und Leiden ann dies eine ungeahnte gesundheitliche Verbesserung edeuten. Darum sollten wir gerade die in Deutschland ehr aktiven und innovationsfreudigen kleinen und mitt- eren Unternehmen fördern und sie nicht durch bürokra- ische Auflagen in EU-Verordnungen behindern. Andererseits darf man aber nicht aus den Augen ver- ieren, dass diese biotechnologische Forschung mit enschlichem Gewebe auch Ausmaße annehmen kann, ie ethisch höchst bedenklich sind. Wir tragen als Parlamentarier Verantwortung dafür, egelungen für die Züchtung menschlichen Gewebes orwegnehmend einzuführen, ohne konkret zu wissen, elche Entwicklungen da auf uns zu kommen. Denn die iotechnologie könnte durchaus nicht nur mit Haut, norpel oder Knochen hantieren, sondern in nicht ferner ukunft auch künstliche menschliche Organe, Mensch- ier-Hybride oder andere Mischwesen erzeugen. Durch en biotechnologischen Fortschritt kann in Zukunft auch rankenstein machbar werden, und das dürfen wir nicht ulassen. Die Fraktion Die Linke begrüßt es, dass die Koali- ionsfraktionen in der geplanten EU-Verordnung nicht ur Segen für Patientinnen und Patienten vermuten, son- ern die bio-ethischen Probleme mitbedenken. Die orgelegte Entschließung und die darin enthaltenen Auf- orderungen an die Bundesregierung gehen im Kern urchaus in die richtige Richtung. Wir erwarten aber in inigen Punkten eine deutlichere und verbindlichere ositionierung. Damit Forschung und Herstellung dieser peziellen Arzneimittel für neuartige Therapien nicht in ie falsche Richtung gelenkt und technologische Heils- ersprechen vorwärts getrieben werden, muss die Bun- esregierung vom deutschen Parlament beauftragt wer- en, sich in Brüssel für Folgendes stark zu machen: In en Ländern, in denen es aus ethischen Gründen engere esetzliche Regelungen gibt, müssen diese auch zukünf- ig weiter gelten dürfen! Produkte, die durch Eingriffe in ie menschliche Keimbahn erzeugt werden, dürfen nicht m Markt zugelassen werden! Züchtungen, die halb aus ensch und halb aus Tier bestehen, dürfen nicht in Ver- ehr gebracht werden! Dies sollte die Bundesregierung n Brüssel durchsetzen oder es zumindest intensiv versu- hen. Vor allem sollte sich die Bundesregierung dafür ein- etzen, dass über diese Verordnung für ganz Europa ver- indlich geregelt wird, dass die Spende von Gewebe und ellen nur absolut freiwillig und unbezahlt erfolgen arf! Der Handel mit Geweben und Zellen unter Ausnut- ung von Armut und mit dem einzigen Ziel der Profiter- ielung muss verhindert werden! Doch wenn man den ntwurf für ein Gewebegesetz, den die Bundesregierung erade vorgelegt hat, anschaut, dann kann man nur be- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9325 (A) ) (B) ) dingt optimistisch sein. Die Koalition hat zwar die wei- tere Beratung dieses Gesetzentwurfs ausgesetzt, nach- dem von allen Seiten massive Kritik geäußert wurde; die geänderte Fassung werden wir entsprechend kritisch be- gleiten. Wir müssen aufmerksam verfolgen, ob und wie sich die Bundesregierung in Brüssel für den Erhalt der ethi- schen Grundsätze einsetzen wird. Obwohl wir diesen Entschließungsantrag grundsätzlich unterstützen, hat die Fraktion Die Linke gerade vor dem Hintergrund der Debatte um das Gewebegesetzes, aber auch einiger in der Entschließung fehlender wesentlicher Punkte vor, sich zu enthalten. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Europaparlament wird im April 2007 über eine Verord- nung entschieden, mit der die Zulassung von neuartigen Gen-, Zell- und Gewebetherapeutika europaweit einheit- lich geregelt werden soll. Die Verordnung wird – wenn sie eines Tages in Kraft tritt – auch in Deutschland direkt und unmittelbar gelten. Ein hoher Sicherheitsstandard gerade bei neuartigen Therapien, bei denen bislang zwangsläufig noch nicht so viele Erfahrungen gesammelt werden konnten wie bei „klassischen“ Arzneimitteln, ist durchaus zu begrüßen. Der Verordnungsentwurf hat allerdings ein Problem: Er unterscheidet nicht nach Art der Therapie. Er erfasst da- mit auch solche aus embryonalen Stammzellen, aus Mensch-Tier-Hybriden und solche, die auf Eingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen. Wir halten diese Therapeutika für ethisch nicht zu rechtfertigen und leh- nen es ab, dass sie via Verordnung in Deutschland zuge- lassen sind und gehandelt oder angewendet werden dür- fen. Die Bundesregierung hat hier anscheinend weniger Bedenken. In ihrem Bericht vom 27. Februar dieses Jah- res erklärt sie: Alle Arzneimittel für neuartige Therapien sollen zu- nächst einmal den hohen Sicherheitsstandards, die mit der Verordnung festgelegt werden, entsprechen und das aufwendige zentrale Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Mitgliedstaaten selbst sollten dann auf der Basis eines nationalen ethischen Konsenses in der Lage sein zu entscheiden, welche Produkte in ihrem nationalen Be- reich angewendet werden. So schön wie das klingt – das wird nur leider rechtlich nicht möglich sein, solange die Verordnung in der beste- henden Fassung verabschiedet wird. Verordnungen sollen die rechtlichen Regelungen im Binnenmarkt vereinheitlichen und lassen es aus diesem Grund nur sehr begrenzt zu, dass Mitgliedstaaten kon- kurrierende eigene nationale Gesetze beibehalten. Vor diesem Hintergrund ist bekanntermaßen äußerst umstrit- ten, ob Art. 28 des Verordnungsentwurfs, der die Mög- lichkeit einer nationalen gesetzlichen Ausnahmerege- lung eröffnen soll, überhaupt rechtlich zulässig ist. Sollte dieser umstrittene Artikel nach Inkrafttreten der Verord- nung vom Europäischen Gerichtshof für unzulässig er- klärt werden, wären damit auch die genannten ethisch u l s l s B d z a G G l E m h z h d E d f S s t A w K r S A c h J F A E r A k m m w o d Z c d (C (D mstrittenen, hinsichtlich der Stammzellen sogar gesetz- ich verbotenen Therapien in Deutschland zugelassen. Die Bundesregierung hat diese Gefahr bisher unver- tändlicherweise verharmlost und lediglich gebetsmüh- enartig auf die Ausnahmeregelung im Entwurf verwie- en. Das ist verantwortungslos. Man kann von der undesregierung erwarten, dass sie sich dafür einsetzt, ass die ethischen Maßstäbe insbesondere des Stamm- ellgesetzes nicht unterlaufen werden. Man kann von ihr uch erwarten, dass sie die Beachtung von ethischen rundsätzen nicht – wie dies auch beim Entwurf zum ewebegesetz zu beobachten war – mit einem pauscha- en Verweis auf Sicherheitsstandards aushebelt. Wir fordern die Bundesregierung auf: Nehmen Sie die mpfehlungen des Rechtsausschusses des Europaparla- ents ernst! Setzen Sie sich bei den anstehenden Ver- andlungen im Rat dafür ein, dass embryonale Stamm- ellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung erausgenommen werden! Setzen Sie sich dafür ein, ass Produkte, die auf Mensch-Tier-Hybriden oder auf ingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen, von er Zulassung ausgeschlossen werden! Setzen Sie sich erner dafür ein, dass die freiwillige und unbezahlte pende von Geweben und Zellen verbindlich festge- chrieben wird und ihre Beschaffung nicht gewinnorien- iert erfolgt! nlage 12 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Für eine Schließung des Forschungsendlagers Asse II unter Atom- recht und eine schnelle Rückholung der Abfälle (Tagesordnungspunkt 23) Angelika Brunkhorst (FDP): Dem Erkundungsberg- erk Asse ist es zu verdanken, dass wir heute fundierte enntnisse über die Möglichkeiten einer sicheren Endlage- ung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in alzstöcken haben. Nach der Einstellung des Gewinnbergbaus in der sse im Jahr 1964 waren Hohlräume von insgesamt irca 5 Millionen Kubikmeter aufgefahren, von denen eute noch circa 500 000 Kubikmeter unverfüllt sind. Im ahre 1965 wurde die Schachtanlage durch das GSF- orschungszentrum für Umwelt und Gesundheit im uftrag des Bundes erworben, um Forschungs- und ntwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Tiefenlagerung adioaktiver Abfälle durchzuführen. Im Rahmen dieser rbeiten wurden zur Erprobung von Einlagerungstechni- en in der Zeit von 1967 bis 1978 circa 125 000 Gebinde it schwachradioaktiven Abfällen und circa 1 300 Gebinde it mittelradioaktiven Abfällen eingelagert. Nach 1979 urden nur noch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten hne radioaktive Abfälle durchgeführt. Ab 1993 wurde ie Projektmittelförderung des Bundes für die seit langer eit im Forschungsbergwerk Asse laufenden Großversu- he eingestellt, sodass für das Bergwerk keine Verwen- ung bestand. Seit dieser Zeit sind die Arbeiten zur 9326 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Schließung der Schachtanlage aufgenommen und bis heute fortgeführt worden. Die Arbeiten in der Schachtanlage unterliegen dem Bun- desberggesetz und werden von der niedersächsischen Berg- behörde genehmigt und überwacht. Durch die Bergaufsicht des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) war und ist die niedersächsische Landesregierung in der Vergangenheit bis heute über alle Ereignisse, Vorgänge und Arbeiten in der Schachtanlage Asse bestens informiert und an den Entscheidungsfindungen beteiligt. So ist das LBEG als Aufsichtsbehörde auch über die Laugen- zutritte seit 1988 voll informiert. Das Problem des Laugenzutritts ist auf die damalige Durchführung des Gewinnungsbergbaus zurückzuführen, da der Salzabbau zu nahe am Salzsattelrand erfolgte. Die leergeförderten Hohlräume aus dem Salzabbau blieben unverfüllt stehen, was zu einer Auflockerung des anstehen- den Salzgesteins im Salzsattelrandbereich führte. Den Lösungszutritten in der Asse II hat man seit 1988 entgegengewirkt, indem man mit Bergwerksresten aus dem Kalibergwerk Ronnenberg die Südwestflanke verfüllt hat. Die täglich anfallende Lauge – Natriumchlorid – von circa 12 Kubikmeter hat man bis zum Jahr 2003 dem Haldenmaterial aus Ronnenberg zugesetzt, um den Staub zu binden. Im Gesteinsversatz, dem Übergang von Salzgestein ins angrenzende Carnallitgestein, rechnet man mit circa 40 Prozent Porosität. Um hier Nachlösungsprozesse im Bergwerk zu vermeiden, wird in den Poren des Versatzes Magnesiumchlorid versetzt. Magnesiumchlorid bewirkt nach Bewertung von Experten ein Gleichgewicht im Gestein. Es greift nicht an, wie Sie, werte Kollegen von den Grünen, unterstellen. Im Rahmen der laufenden Stilllegungsarbeiten bzw. der bergmännischen Verwahrung der Schachtanlage Asse ist vorgesehen, alle verbleibenden aufgefahrenen Hohl- räume zu verfüllen und Strömungsbarrieren einzubauen, um eine Migration der NaCl-Laugenzuflüsse zu verhindern. Letztendlich, wenn alle geplanten bergbaulichen Maß- nahmen beendet sind, wird die Asse II mit Magnesium- chlorid – in einer Verdünnung – geflutet. Liebe Kollegen von den Grünen, Ihre Forderung nach einer Auslagerung der Abfälle würde nach einer aktuell angefertigten ingenieurtechnischen Untersuchung einen Zeitraum von 25 Jahren in Anspruch nehmen. Diese 25 Jahre wären mit einer anhaltenden geotechnischen Auflockerung des Salzstockes verbunden. Daraus entsteht das Risiko eines möglichen Verbruchs im Bergwerk oder einer drastischen Erhöhung des Salzlösungszutritts. Und all das während der laufenden Untersuchungen. Wollen Sie dieses Risiko wirklich eingehen? Auch dem Versuch, aus den Erkenntnissen aus dem Forschungsbergwerk Asse II auf Gorleben zu schließen, trete ich entschieden entgegen. Bei der Einrichtung eines Endlagers werden in einem jungfräulichen Salzstock wie Gorleben nur Bruchteile des Asse’schen Hohlraums auf- gefahren. g g b I v S j d d s S b M d B d l a S w d G b K K a i li z F h g e e K D B A G ü O p l A (C (D Ein grundlegendes Prinzip des Endlagerbergbaus sind roße Sicherheitsabstände der Grubenbaue zum Nachbar- ebirge am Salzstockrand, während im Gewinnungs- ergbau die kostengünstige Förderung von Salzen unter nkaufnahme von Risiken im Vordergrund steht. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der auch ersucht, aus der Problematik der Laugenzutritte in der chachtanlage Asse politisches Kapital zu schlagen, verliert edwede Glaubwürdigkeit vor dem Hintergrund, dass iese Problematik der niedersächsischen Landesregierung urch Information der niedersächsischen Bergbehörde eit 1988 im Detail bekannt war. In der Zeit der von der PD geführten Landesregierung von Juni 1990 bis Fe- ruar 2003 hätten also genügend Gelegenheiten für aßnahmen zur Gefahrenabwehr bestanden, sofern enn die Situation auf der Asse von der niedersächsischen ergbehörde als ernsthafte Gefährdung angesehen wor- en wäre. Sowohl gegen den schon skrupellos zu nennenden eichtfertigen Umgang mit den Ängsten der Bevölkerung ls auch gegen den fachlich völlig falschen Bezug zum tandort Gorleben durch den Umweltminister ist einzu- irken, damit dieser zu einer seriösen und fachlich fun- ierten Politik zurückkehrt. Die GSF – das Forschungszentrum für Umwelt und esundheit – hat am 29. Januar 2007 ihren Abschluss- etriebsplan, bestehend aus 34 Unterlagen, mit einer urzfassung des Sicherheitsberichts vorgelegt. Diese urzfassung ist eine Populärfassung und wurde voreilig ls der eigentliche Sicherheitsbericht angesehen – dies st aber nicht so. Es ist seit 1997 nach IAEA und OECD ein ganzheit- cher Sicherheitsnachweis zu führen, das heißt aber auch u erörtern, was in der Phase nach der Verfüllung des orschungsbergwerks passiert. Der umfassende Sicher- eitsbericht wird noch von einem Expertengremium eprüft. Danach tritt ein komplexes Verfahren ein. Im rsten Quartal 2008 tritt man in die öffentliche Erörterung in. Die Unterlagen werden ausgelegt und betroffene ommunen und Bürger können ihre Einwände vorbringen. amit ist die Gleichwertigkeit in der Informationsweise ergrecht/Atomrecht gegeben. nlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Politische Lösungen sind Voraussetzungen für Frieden in Somalia (Tagesordnungspunkt 24) Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): Die aktuellen eschehnisse in Somalia seit letztem Jahr, die Macht- bernahme durch die Islamischen Gerichte, UIC – Union f Islamic Courts – und ihre Vertreibung auch durch äthio- ische Truppen, der Anstieg von Gewalt trotz der ange- aufenen Mission der Afrikanischen Union – AMISOM, frican Union Mission to Somalia – sind erschreckend. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9327 (A) ) (B) ) Dass die internationale Gemeinschaft darauf reagiert hat und auch weiter versucht, im Sinne einer friedlichen Lösung Einfluss zu nehmen, ist richtig und notwendig. Ich begrüße die Resolution der Vereinten Nationen 1744 und die Bereitschaft der Afrikanischen Union, sich hier zu engagieren. Dabei verkenne ich nicht die problemati- sche Lage, in der die Mission der AU aktuell ist. Von einer Sollstärke von 8 000 Mann kann nur geträumt werden. Die Beteiligung afrikanischer Länder beschränkt sich im Wesentlichen auf Uganda, und auch hier sind erst 1 300 Mann im Einsatz. Man muss keine Kassandra sein, um hier an einem schnellen Erfolg zu zweifeln. Umso mehr ist es wichtig, in aller Konsequenz und ge- botenen Eile Schritte hin zu einer politischen Lösung zu suchen und zu gehen. Der vorliegende Antrag unterstreicht zu Recht die be- sondere Verantwortung Deutschlands. In diesen Mona- ten unserer EU-Ratspräsidentschaft können wir wichtige Weichen stellen, und das geschieht auch. Die EU hat jüngst wieder ihre Bereitschaft bekräftigt, sich für einen Prozess der Aussöhnung als Vorausset- zung für einen Wiederaufbau staatlicher Strukturen im Lande einzusetzen. Dabei nimmt der „Dialog zur Ver- söhnung“ eine Schlüsselrolle ein. Es ist unverzichtbar und richtig, dass die EU in Aussicht gestellte Gelder wesentlich an die Durchführung dieses Prozesses der Aussöhnung bindet. Am Gelingen dieses notwendigen ersten Schritts ist die EU – sind wir aus Deutschland – aktiv beteiligt. Die EU und Deutschland im Besonderen gehören zu jenen – und ich möchte betonen: zu den wenigen – inter- nationalen Gesprächspartnern, die von den Beteiligten nicht einseitig einer Partei zugeordnet werden und damit ihre Fähigkeit zu moderieren und zu unterstützen verlo- ren hätten. Um die politischen Voraussetzungen für das Gelingen eines Aussöhnungsprozesses zu finden, muss auch nach internationalen Akteuren gesucht werden, die bei den Beteiligten akzeptiert werden. Auch Mitgliedern der Islamischen Liga, zu der auch Somalia gehört, könnte und sollte hier eine wichtige Rolle zukommen. Aber auch Deutschland ist ein wohl akzeptierter Ge- sprächspartner, und ich bin froh, dass unsere Bundes- regierung dementsprechend schon tätig ist. Wir nutzen dieses gute Ansehen Deutschlands aktuell auch, um die Bereitschaft für diesen Versöhnungsprozess nachzufra- gen und aufzubauen. Daher ist die Bundesregierung seit Wochen in Gesprächen in der Region und in den Nach- barländern wie zum Beispiel mit der Regierung des Jemen. Das sind aber auch Gespräche mit Vertretern der isla- mischen Gerichte. Von den ungefähr elf islamischen Ge- richtshöfen werden von Experten zwei als explizit extre- mistisch eingestuft. Die große Mehrheit ist moderat. Traditionell gehören die Somalis einem gemäßigten sun- nitischen Islam an. Auf dem Nationalen Forum der Muslimischen Führer in Kenia am 26. November 2006 wurde ausdrücklich un- terstrichen: Es wird eine dauerhafte Lösung der Krise in S r p d w g s s d i d i D K i s B e d f d s n s V m a A l h A d u s m m e z m s r d w s T S v w Ü s s m f i v (C (D omalia niemals ohne oder gegen die islamischen Ge- ichte geben können. – Deutlicher kann auch die Rats- räsidentschaft dies nicht ausdrücken, wenn sie zusagt, en Prozess politisch und finanziell zu unterstützen, enn alle wichtigen Beteiligten in vollem Umfang ein- ebunden werden, darunter die Clan-Ältesten, islami- che Führer, Vertreter der Wirtschaft, der Zivilgesell- chaft und Frauen. Diesen letzten Punkt, die „Beteiligung der Frauen“, er in der Erklärung der Präsidentschaft der EU zur Lage n Somalia extra mit aufgeführt ist, begrüße ich aus- rücklich. Die nicht gleichberechtigte Lage der Frauen n vielen Gebieten in Afrika ist schon oft in anderen ebatten genannt worden. Auch bei der Lösung dieses onfliktes ist dies ein wichtiges Element, nicht nur um n den neu aufzubauenden Strukturen in Somalia Men- chenrechtsverletzungen und Frauendiskriminierung von eginn an zu bekämpfen. Es geht auch darum, dass es inen Dialog zwischen beteiligten Religionsführern in ieser Richtung gibt. Das ist auch ein wichtiges Zeichen ür uns im Westen, um zu begreifen, dass das Wort von er „Sharia“ und ihren Vertretern auch in einem kon- truktiven Aussöhnungsprozess seinen Platz haben kann. Der notwendige Dialog der Versöhnung braucht nicht ur die Beteiligung aller, er braucht auch die Bereit- chaft der internationalen Partner, den Islam und seine ertreter differenziert wahrzunehmen. Eines der Argu- ente islamistischer Demagogen ist, dem Westen eine ggressive, undifferenzierte Islamphobie vorzuwerfen. uch hier in Somalia, wo der Kontakt zwischen west- icher Welt und dem Islam ein besonderes Potenzial hat, aben wir die Chance, zu zeigen, dass dies nicht stimmt. uf der Grundlage der Menschenrechte – und die Rechte er Frauen gehören dazu – gibt es keine Religion, die nsere Politik bevorzugt oder benachteiligt. Die islamischen Gerichte haben im Augenblick cheinbar auch die beste Chance, mäßigend auf extre- istische Tendenzen im Land einzuwirken – ein Grund ehr, die moderaten Mitglieder der UIC in den Prozess inzubinden. Die Bereitschaft der Übergangsregierung u einem solchen Dialog wäre auch ein wichtiges Ele- ent, ihr in der Bevölkerung mehr Rückhalt zu ver- chaffen. Das Einwirken der EU und der Bundesregie- ung auf Präsident Yussuf ist hier unverzichtbar. Dass ie Versöhnungskonferenz auf Ende April verschoben erden musste, darf nicht den Eindruck erwecken, sie ei verzichtbar. Dabei knüpfen Vertreter der UIC ihre eilnahme auch bei einer Konferenz in Somalia an eine icherheitsgarantie. Diese Garantie kann im Augenblick on der Übergangsregierung realistisch nicht erwartet erden. Das macht noch einmal deutlich, dass in dieser bergangsphase, an deren Ende eine durch demokrati- che Wahlen legitimierte Regierung für ganz Somalia tehen muss, im Augenblick nur die internationale Ge- einschaft, die AU, soweit überhaupt möglich, Garant ür Sicherheit sein kann. Ich halte es auch für richtig, dass die Bundesregierung n ihren Bemühungen den Ansatz der Parallelität weiter erfolgt, das heißt: sowohl die Unterstützung des Ver- 9328 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) söhnungsprozesses weiter unterstützt als auch auf die Schaffung von Sicherheit durch AMISOM setzt. Einen weiteren wichtigen Punkt sehe ich darin, dass eine Lösung nur auf regionaler Ebene zu erreichen ist. Die Situation der Somalis ist nicht zuletzt deshalb so komplex, weil wir auch hier wieder vor einem Scherben- haufen der Geschichte stehen: angefangen bei der will- kürlichen Grenzziehung in der Kolonialzeit bis hin zu Entscheidungen im 20. Jahrhundert, die für die Somalis, aber nicht mit ihnen getroffen wurden. Wir müssen als internationale Akteure begreifen, bei Konflikten dieser Art den Partner zu sehen und nicht ganze Länder oder Völker zu instrumentalisieren. Das Rad der Geschichte aber lässt sich nicht zurück- drehen. Die UN-Resolution weist darauf hin, dass es um den Aufbau staatlicher Strukturen in den Grenzen des heute bestehenden Somalia geht. Diese Sicherheit muss garantiert bleiben – auch für jene Nachbarn, in deren Staatsgebiet große somalische Minderheiten leben. Den- noch ist es richtig, dass es keine dauerhafte und friedli- che Lösung geben kann, wenn Interessen oder Konflikte aus Nachbarstaaten in Somalia ausgetragen werden. Um den deutschen Beitrag zu einer friedlichen und dauerhaften Lösung in Somalia zu unterstützen, würde ich mir wünschen, dass wir mit allen Fraktionen guten willens hier im Hause zu einem gemeinsamen Antrag finden können. Brunhilde Irber (SPD): Das Scheitern der UNOSOM-II-Mission Mitte der 1990er-Jahre ist uns al- len noch in schmerzlicher Erinnerung. Eine furchtbare Hungersnot kostete circa 300 000 Menschen das Leben. Dennoch kamen die Bürgerkriegsparteien nicht zur Be- sinnung und verwickelten die UN-Soldaten in die Ausei- nandersetzungen der rivalisierenden Clans. Seitdem hat es drei Versöhnungskonferenzen gege- ben, die Arta-Konferenz im August 2000, die von Kenia ausgerichtete Versöhnungskonferenz im Oktober 2002 und die Friedens- und Versöhnungskonferenz für Soma- lia im Jahr 2004, die ebenfalls in Kenia stattfand. Der Übergangsregierung ist es aber nicht gelungen, für Stabilität im Land zu sorgen. Seit Dezember 2006 hat sich die Situation erheblich verschärft. Trotz der Resolu- tion 1725 des VN-Sicherheitsrates ist es nicht gelungen, ein Waffenembargo wirksam umzusetzen. Was bisher bleibt, ist der auf Papier geschriebene Appell an alle Konfliktparteien, sich an bereits getroffene Absprachen zu halten. Das ist zu wenig, um eine Zukunftsstrategie zu entwickeln, wie die in diesen Tagen wieder aufgeflamm- ten Gefechte in Mogadischu zeigen. Mit dem Beschluss des Friedens- und Sicherheitsrates der Afrikanischen Union vom 19. Januar 2007 für eine AU-Friedensmission sind Hoffnungen verbunden, den innersomalischen Friedensdialog wieder in Gang zu bringen. Am 16. April soll eine zweimonatige Versöh- nungskonferenz beginnen, an der die politischen Führer, die Clanführer und die Vertreter der Zivilgesellschaft be- teiligt werden sollen. s l e r D a 1 ä b p d U a r d I t a b M F i i S f g b d c e D g v l d U D r V z L s (C (D Da die Probleme letztlich nur durch den innersomali- chen Dialog nachhaltig gelöst werden können, muss al- es unternommen werden, die Versöhnungskonferenz zu inem Erfolg zu führen. So ist es auch in der Sicherheits- atsresolution 1744 vom 20. Februar 2007 festgehalten. arin heißt es: „… ersucht den Generalsekretär. Den Übergangs- Bundesinstitutionen bei der Durchführung des Kon- gresses der nationalen Aussöhnung sowie darüber hinaus in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union, der Liga der arabischen Staaten und der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung bei der Förderung eines fortdauernden, alle Seiten ein- schließenden politischen Prozesses behilflich zu sein. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus. Denn uch heute wird in Mogadischu geschossen. Mindestens 5 Menschen kamen bei Hubschrauberangriffen der thiopischen Armee auf islamische Milizionäre ums Le- en. 130 Menschen sollen verletzt worden sein. Die Bundesregierung bemüht sich, den Versöhnungs- rozess zu unterstützen. Derzeit sind unter deutscher Fe- erführung diplomatische Aktivitäten der Europäischen nion im Gange. Sie zielen darauf ab, die Einbindung ller relevanten politischen Kräfte in den Dialog zu er- eichen. Dies gilt selbstverständlich auch für den Dialog mit en moderaten Führern der islamischen Gerichtshöfe. m vorliegenden Antrag ist davon die Rede, dass die EU rotz entsprechender Bemühungen dieser Gruppierung uf Gesprächswünsche nicht reagiert hätte. Ich habe mir estätigen lassen, dass das Gegenteil der Fall ist. Anfang ärz 2007 hat es solche Gespräche gegeben. Bei der ülle von Akteuren ist es natürlich möglich, dass nicht mmer alle und sofort erreicht werden können. Tatsache st jedoch, dass sich die Bundesregierung in diesem inne konstruktiv einbringt. Dies gilt im Übrigen auch ür die Unterstützung des Verfassungsprozesses. Hier ibt es bereits konkrete Überlegungen. Zentral ist in der Tat die Effektivität der durch die AU eschlossenen Friedensmission AMISOM. Dazu gehört as Erreichen der Sollstärke ebenso wie eine entspre- hende finanzielle Ausstattung. Wie problematisch sich ine Unterfinanzierung auswirken kann, haben wir in arfur gesehen. Für die Unterstützung von AMISOM ibt es Bewegung, zum Beispiel was die Auszahlung on Geldern für die Afrikanische Friedensfazilität anbe- angt. Schließlich muss es uns – wie heute schon während er Simbabwedebatte erwähnt – um die flankierende nterstützung beim Wiederaufbau des Landes gehen. afür werden unter anderem die EU-Mittel aus dem Eu- opäischen Entwicklungsfonds aufgestockt. Krieg ist bekanntlich die schlimmste und unsinnigste ersion der Kapitalvernichtung. Denn in Bürgerkriegen erstören die Kämpfer sozusagen ihre eigenen künftigen ebensgrundlagen. Alle afrikanischen Konfliktherde bergen das Risiko, ich zu Flächenbränden auszuweiten. Dies gilt in beson- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9329 (A) ) (B) ) derer Weise für das Horn von Afrika. Für die in den letz- ten Jahren deutlich erkennbaren Fortschritte einer pan- afrikanischen Entwicklung käme dies einer Katastrophe gleich. Die Afrikanische Union braucht jede Unterstüt- zung, um den afrikanischen Stabilitätsprozess weiter vo- ranzutreiben. Die Europäische Union und die G-8-Staaten haben sich mit ihrer Afrikastrategie und dem Afrika-Aktions- plan die Unterstützung der AU auf die Fahnen geschrie- ben. Dass dies nicht nur in Verbalnoten, sondern auch in praktischer Weise geschieht, zeigt sich gerade in Soma- lia. Der Versöhnungsprozess selbst muss aber von der somalischen Bevölkerung getragen werden. Deshalb ap- pelliere ich an die Akteure vor Ort, sich an die Vereinba- rungen für einen Versöhnungsprozess zu halten und die Kampfhandlungen einzustellen. Marina Schuster (FDP): Die Uhrzeit unserer Debatte entspricht leider in keiner Weise der Aktualität und Bedeutung des Themas. Ich verbinde meine Rede hier mit der Hoffnung und dem ausdrücklichen Wunsch, über die Situation in Somalia in Zukunft zu einer deutlich früheren Tageszeit zu debattieren. Denn die Lage vor Ort in Somalia ist nach wie vor äußerst angespannt. Nachdem das große Medieninteresse mit Beendigung der Kriegshandlungen Anfang des Jahres kontinuierlich nachließ, ist das Land keineswegs zur Ruhe gekommen. Denken wir nur an den tragischen Vorfall vom vergangenen Samstag: Beim Abschuss eines Flugzeugs der afrikanischen Friedensmission in Somalia sind elf Menschen an Bord ums Leben gekommen. Die Opfer, Besatzung und Inge- nieure, sollten nach Angaben eines Sprechers der somali- schen Übergangsregierung ein anderes Flugzeug der AU-Mission reparieren. Nach Augenzeugenberichten wurde die Maschine kurz nach dem Start von einer Ra- kete getroffen. Sie ging in Flammen auf und schlug in einem Außenbezirk Mogadischus auf. Dies bedeutet ei- nen herben Rückschlag für die Friedensbemühungen der AU. Am Wochenende scheiterten zudem die Friedensver- handlungen zwischen Vertretern des Hawiye-Clans und den äthiopischen Truppen, die weitere Militäraktionen gegen die Aufständischen angekündigt hatten, hinter denen sie Anhänger der islamischen Milizen vermutet. Hunderte Somalier flohen in Bussen und mit Eselskarren aus der Hauptstadt Mogadischu. Wegen der anhaltenden Unsicher- heit blieben alle Schulen in Mogadischu geschlossen. Bei den mehrtägigen Kämpfen in der vergangenen Woche wurden mindestens 300 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Über die genaue Zahl der Toten kann nur spekuliert werden. Das sind äußerst beunruhigende Ent- wicklungen. Hier sind wir auch schon beim Kern des Problems: Solange die in der Bevölkerung vor Ort als Besatzer wahrgenommenen äthiopischen Truppen im Land sind und die AU-Mission AMISOM ihr Mandat noch nicht in vollem Umfang ausüben kann, wird sich die Sicherheits- lage nicht deutlich entspannen. Es ist nach wie vor unklar, welche Staaten Truppenkontingente stellen – Uganda möchte ich hier als positives Beispiel ausnehmen – und w w d a m D U p S d w d p e E d w u b S v S d k h s i g k w v e g is r m g a n S i z ti k S w u w G e S B l L (C (D ie diese von der Bevölkerung in Somalia akzeptiert erden. Externe Akteure wie Äthiopien, die USA und ie Arabische Liga gelten vor Ort als diskreditiert. Dennoch kann es für Somalia nur eine politische Lösung uf dem Weg zum Frieden geben. Militärische Maßnah- en sind dabei lediglich das Mittel, nicht der Zweck. aher begrüße ich den Tenor des Antrages der Kollegin schi Eid ausdrücklich. Dieser innenpolitische Friedens- rozess aus dem Land heraus ist aber leider nicht in icht. Die höchste Glaubwürdigkeit genießt offenbar zurzeit ie Somaliakontaktgruppe. Daher ruhen verständlicher- eise auch viele Hoffnungen auf der Ratspräsidentschaft er EU. Für den 16. April hat der somalische Übergangs- räsident Yusuf eine zweimonatige Versöhnungskonferenz inberufen. Ich appelliere an die Bundesregierung, ihren influss im Rahmen der gegenwärtigen Doppelpräsi- entschaft geltend zu machen, diese Konferenz und die eitere innersomalische Entwicklung konstruktiv zu nterstützen. Denn es gibt noch zahlreiche offene Fragen: Wie können eispielsweise alle Clans in der politischen Entwicklung omalias angemessen berücksichtigt werden? Welche ölkerrechtliche Perspektive kann es für die Region omaliland geben, und wie wirkt sich dies wiederum auf ie politische Einheit des Landes aus? Wie können ünftig moderate Mitglieder der islamischen Gerichts- öfe politisch eingebunden werden? Gerade zur letzten Frage müssen wir Folgendes kon- tatieren: Die Union der Islamischen Gerichtshöfe hat n der somalischen Bevölkerung durchaus Sympathien enossen, und zwar zum einen als Gegengewicht zu den orrupten Warlords und Clanführern und zum anderen, eil sie eine vergleichbar hohe Stabilität in den von ihnen erwalteten Gebieten gewährleistet haben. Es wäre daher in großer Fehler, die UIC en bloc als islamistische oder ar terroristische Vereinigung zu verurteilen. Essenziell t, dass im Land selbst das Gespräch der TGF (Übergangs- egierung) mit moderaten Kräften der UIC gesucht werden uss. Wenn es tatsächlich zutrifft, dass Gesprächswünsche emäßigter UIC-Angehöriger von der EU grundsätzlich usgeschlagen wurden, müssen wir uns fragen, ob hier icht ein wichtiges Fenster für die weitere Entwicklung omalias fahrlässig geschlossen wurde. Hierzu erwarte ch von der Bundesregierung Aufklärung. Weiterhin habe ich den Eindruck, dass nach wie vor u wenig über den erforderlichen regionalen Ansatz disku- ert wird. Mit einem rein einzelstaatlichen Ansatz wird ein dauerhafter Frieden einkehren. Denn die Lage in omalia können wir letztendlich nur beurteilen, wenn ir die Interessen von Staaten wie Äthiopien, Eritrea nd Kenia, aber auch weiterer Staaten wie beispiels- eise Syrien und Saudi-Arabien kennen. Gerade der renzkonflikt zwischen Eritrea und Äthiopien ist doch ine der Ursachen für die Instabilität am Horn von Afrika. olange dieser Konflikt nicht gelöst ist, werden sich die eziehungen zwischen Eritrea und Äthiopien nie norma- isieren. Es ist daher wichtig, diese Staaten in künftige ösungsansätze einzubeziehen, sie gleichzeitig aber 9330 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) auch in die Pflicht zu nehmen. Dazu gehört auch die Frage der strittigen Grenzziehung. Wir müssen uns von deutscher, europäischer und inter- nationaler Seite massiv für einen Interessenausgleich zwischen den innersomalischen Parteien und den Regional- mächten einsetzen, damit die AMISOM-Mission auf der Grundlage einer allgemeinen Akzeptanz endlich ihre Ar- beit aufnehmen kann und damit der politische Friedens- prozess in Gang kommt. Ich wiederhole meine Forderung aus vorhergehenden Afrikadebatten: Eine bessere Zusammenarbeit und Un- terstützung der AU – sei es personell, zum Beispiel bei der Schulung, finanziell und organisatorisch beim Aufbau der Strukturen – ist unerlässlich. Wenn wir es mit der „african ownership“ ernst meinen, dürfen wir die AU nicht im Regen stehen lassen. Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 ist Somalia faktisch ohne Regierung und zerrissen von Kämpfen rivalisierender Gruppen. Es ist das immer wieder zitierte Beispiel eines Failed State, eines gescheiterten Staates. Das vollstän- dige Fehlen öffentlicher Infrastruktur und die desolate Sicherheitssituation machen Somalia vor allem anfällig für die Einmischung durch benachbarte Staaten. So tragen Äthiopien und Eritrea ihre Grenzkonflikte über die Unterstützung der rivalisierenden Kräfte in So- malia aus. Äthiopien wollte mit seinem Einmarsch in Somalia vor allem die Union der Islamischen Gerichte – UIC – verjagen, der es immerhin gelungen war, nach knapp fünfzehn Jahren Chaos eine gewisse Sicherheit im Lande wiederherzustellen. Wir sollten allerdings nicht übersehen, dass auch an- dere Staaten und vor allem die USA in dem Konflikt ihre Interessen verfolgen. Derzeit verdächtigen die USA die UIC, mit al-Qaida zu kooperieren und begründen ihre Luftangriffe mit ihrem „weltweiten Krieg gegen den Terror“. Das Horn von Afrika ist aber nicht nur wegen seiner beträchtlichen Öl- und Gasvorräte, sondern auch wegen seiner strategischen Position gegenüber der arabi- schen Halbinsel, der ölreichsten Region der Erde, von erheblicher strategischer Bedeutung. So wenig hiervon zurzeit in den Medien die Rede ist: Diese Vorräte sind nicht verschwunden und werden mit der Sicherung und Stabilisierung Somalias wieder in den Vordergrund der Interessen treten. Die USA haben auch Äthiopien beim Einmarsch in Somalia unterstützt. Seitdem hat sich die Situation wie- der drastisch verschlechtert. Die Übergangsregierung ist zwar formal wieder an der Macht, hat aber bei der Be- völkerung kaum Zustimmung. Denn sie hat die alten Warlords, die Korruption und die alte Unsicherheit wie- der mitgebracht. In dieser Situation beschloss der Friedens- und Si- cherheitsrat der AU am 19. Januar 2007 die Entsendung einer Friedensmission nach Somalia, der sogenannten AMISOM. Dass diese Mission scheitern wird, ist allzu offensichtlich: Sie ist auf sechs Monate begrenzt und wird sich in dieser Zeit nicht einmal installiert, ge- s M u s D U e m a w A R b l d B s R i m j m l w u t e K h D d d z n r m g d g l n e e k z Ä f s d r n M s Ü (C (D chweige denn, ihre Arbeit aufgenommen haben. Die ission wird auf breiten Widerstand in der Bevölkerung nd bei der UIC stoßen, da sie eine Regierung stärken oll, die in der Bevölkerung weitgehend abgelehnt wird. ies wird sich mit der geplanten Überführung in eine N-Mission nicht ändern. Weder die AMISOM noch ine UN-Mission werden die Probleme lösen. Denn eine ilitärische Präsenz in Somalia, unter welcher Führung uch immer, wird allen Dialogbemühungen entgegen- irken. Dies lehren uns die beiden anderen Fronten des ntiterrorkampfes, Afghanistan und Irak. Letztendlich wird nur eine demokratisch gewählte egierung eine nachhaltige Stabilisierung des Landes ewirken können. Hierzu muss es dringend zu Verhand- ungsgesprächen zwischen der Übergangsregierung und er UIC kommen. Darin stimmen wir dem Antrag von ündnis 90/Die Grünen zu. An einem solchen Dialog ollten auch die Länder des afrikanischen und arabischen aums unbedingt teilnehmen, die nicht in den Konflikt nvolviert sind. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit ihren Ver- ittlungsdiensten diesen Prozess zu unterstützen. Um edoch einen solchen Dialog überhaupt zu ermöglichen, uss sich die äthiopische Armee vollständig aus Soma- ia zurückziehen und das Waffenembargo durchgesetzt erden, müssen die USA ihre Luftangriffe einstellen nd die Nachbarstaaten dazu gebracht werden, ihre Un- erstützung der Konfliktparteien aufzugeben. Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aktu- ll spitz sich der Somaliakonflikt deutlich zu. Die ämpfe und Anschläge in Mogadischu intensivieren und äufen sich und veranlassen Zehntausende zur Flucht. ie humanitäre Lage spitzt sich zu. Die Bundesregierung steht derzeit als Ratspräsidentin er EU in besonderer Verantwortung dafür, Frieden und ie Wiederherstellung staatlicher Strukturen in Somalia u fördern. Dies kann nur gelingen, wenn die internatio- ale Gemeinschaft gleichzeitig der inneren und der egionalen Komplexität des Konflikts gerecht wird. Sie uss rational mit den politischen islamischen Bewegun- en umgehen und den Konflikt nicht vorwiegend als Teil es Kampfes gegen den islamistischen Terrorismus be- reifen. Nur zu gerne würde ich den Optimismus internationa- er Erklärungen teilen, die davon ausgehen, dass sich ach dem äthiopischen Einmarsch vom Jahresende 2006 ine neue Friedenschance aufgetan hat. Doch die aktu- lle Eskalation belegt, dass in Somalia eine neue Kräfte- onstellation entstanden ist, die konfliktträchtiger ist als uvor. Mit der Union der Islamischen Gerichtshöfe hat thiopien – ermutigt durch die USA – einen handlungs- ähigen Akteur zerschlagen, der sich trotz einiger Men- chenrechtsverletzungen die Anerkennung weiter Teile er Bevölkerung erworben hat. Erstmals seit langen Jah- en verbesserten die Gerichtshöfe im letzten Jahr nicht ur die öffentliche Sicherheit deutlich, sondern auch die öglichkeiten, Handel zu treiben. Der Einmarsch tärkte dagegen die nicht repräsentative somalische bergangsregierung, die eine Mehrheit der Somalis als Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9331 (A) ) (B) ) völlig illegitim betrachtet – auch weil sie von dem als Gegner empfundenen Nachbarstaat Äthiopien gestützt wird. Selbst Diplomaten beschreiben sie mehr oder min- der offen als inkompetent und intransigent. Aufgabe der Friedenstruppe der Afrikanischen Union, der AMISOM, ist es nun unter anderem, diese Über- gangsregierung zu unterstützen. Dazu hat der UN-Si- cherheitsrat ihr im Februar das Mandat erteilt. Doch AMISOM kann Frieden nicht militärisch herbeizwingen. Erfolgreich sein wird sie nur, wenn sie eine politische Einigung zwischen den Somalis absichert und die Bevöl- kerung AMISOM nicht als Konfliktpartei betrachtet. Am Anfang und im Mittelpunkt aller Friedensbemühun- gen müssen auch bei der Bundesregierung ernsthafte, aktive und international abgestimmte Initiativen für eine innersomalische Einigung stehen. Daher muss die Über- gangsregierung dazu bewegt werden, alle relevanten Ak- teure in einen politischen Dialog und in die Mitte April beginnende nationale Versöhnungskonferenz einzube- ziehen. Dies betrifft alle Clans, besonders die Hawiye, aber auch all jene islamistischen Kräfte, die ihre Ver- pflichtung erneuern und einhalten, den Terrorismus zu verurteilen und die territoriale Integrität der Nachbar- staaten zu respektieren. Ziel der politischen Gespräche muss es auch sein, die somalische Regierung so umzu- bilden, dass sie deutlich repräsentativer wird. Ist eine politische Übereinkunft der Somalis erreicht, fordere ich die Bundesregierung dazu auf, dazu beizutra- gen, dass AMISOM vollständig entsandt, adäquat finan- ziert und ausgerüstet wird und so zusammengesetzt ist, dass sie als unparteiisch wahrgenommen wird. Sie soll die Initiative dafür ergreifen, dass ein konfliktsensibler internationaler Wiederaufbauplan aufgelegt wird, der aber keine Strukturen schafft, die anfällig sind für Kor- ruption und Machtabsicherung. Darin sollen die Bele- bung der Wirtschaft, aber auch die freiwillige Entwaff- nung und die Demobilisierung und Reintegration von Soldaten im Vordergrund stehen. Aktuell ist besonders darauf zu achten, dass die Stabi- lität des demokratischen Somalilands nicht gefährdet wird, das sich 1991 für unabhängig erklärt hat. Zugleich sollte die Bundesregierung sorgfältig prüfen, ob derzeit Initiativen friedenspolitisch sinnvoll sind, die den lau- fenden Klärungsprozess fördern, ob die Unabhängigkeit Somalilands international anerkannt wird. Es kann aber gar nicht genug betont werden, dass ein Frieden in Somalia – und schon gar keiner, der über Jahre hinweg trägt – nicht erreicht werden kann, ohne dass die regionalen Verflechtungen aktiv angegangen werden, die für den Konflikt in Somalia überaus ent- scheidend sind. Denn die Konflikte am Horn von Afrika und die oft widerstreitenden Interessen zahlreicher Staa- ten der Region erschweren politische Lösungen ent- scheidend und fachen die Auseinandersetzungen inner- halb Somalias teils wesentlich an. Von herausragender Bedeutung ist dabei der Grenz- konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea. Äthiopien wei- gert sich noch immer, die Grenzziehung anzuerkennen – entgegen seiner Zusage und Pflicht aus dem Friedensab- kommen von 2000, einen internationalen Schiedsspruch a n K M w G r s O a Ü g i S te te n s z in S P w d v g d d a s A W d D d G r m b d e E (C (D nzuerkennen. Was hat das mit Somalia zu tun? Nicht ur in Somalia tragen beide Länder ihren bilateralen onflikt stellvertretend an anderen Orten aus nach dem otto: Der Freund meines Feindes ist mein Feind. Ob- ohl Eritrea ein säkularer Staat ist, unterstützt es aus der egnerschaft zu Äthiopien heraus die Islamischen Ge- ichtshöfe. Aus deren Reihen wurden immer wieder An- prüche auf den von Somalis bewohnten äthiopischen gaden erhoben und zum „Dschihad“ gegen Äthiopien ufgerufen. Äthiopien hingegen stützt die somalische bergangsregierung. Es waren nicht zuletzt die Drohun- en der Gerichtshöfe und die amerikanischen Interessen m Antiterrorkampf, die Äthiopien zum Einmarsch in omalia bewogen. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich aktiv an in- rnationalen Initiativen, vor allem der Norwegens, zu be- iligen, den Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea ei- er dauerhaften friedlichen Lösung zuzuführen. Zweitens ollte sie sich um einen umfassenden regionalen Dialog wischen Nachbarstaaten und Regionalmächten bemühen, dem ein fairer Ausgleich der Sicherheitsinteressen aller taaten gelingen kann. Drittens muss die regionale EU- artnerschaft mit dem Horn von Afrika aktiv unterstützt erden. Schließlich soll die Bundesregierung Initiativen afür ergreifen, dass das UN-Waffenembargo nicht mehr on verschiedenen Seiten unterlaufen werden kann. Die Bundesregierung ist als EU-Ratspräsidentin auf- erufen, aktiv und initiativ an einer internationalen Frie- ensstrategie mitzuwirken, die alle relevanten Aspekte es Konflikts anspricht. An ihr sollen sowohl die EU als uch die Afrikanische Union und die arabisch-islami- chen Staaten beteiligt sein. nlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Kein Bau einer festen Fehmarnbelt-Que- rung – Fährkonzepte verbessern – Statt fester Fehmarnbelt-Querung für ein ökologisch und finanziell nachhaltiges Ver- kehrskonzept (Tagesordnungspunkt 25) Gero Storjohann (CDU/CSU): Am vergangenen ochenende haben wir hier in Berlin den 50. Jahrestag er Unterzeichnung der Römischen Verträge gefeiert. iese Verträge, zu deren Unterzeichnern im Jahre 1957 ie Bundesrepublik Deutschland gehörte, waren die rundlage für das Zusammenwachsen Europas. Sie wa- en Grundlage für die Gründung der Europäischen Ge- einschaft und der jetzigen Europäischen Union. Das Königreich Dänemark ist der EG im Jahre 1973 eigetreten. Es hat nicht nur dadurch, sondern auch urch eine wichtige europäische Infrastrukturmaßnahme inen erheblichen Beitrag zum Zusammenwachsen uropas geleistet: Ich spreche vom Bau der Öresund- 9332 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) brücke zwischen Kopenhagen in Dänemark und Malmö in Schweden. Diese Brücke hat zur guten Nachbarschaft und zur Stärkung der Wirtschaft im Großraum Kopen- hagen/Malmö einen wichtigen Beitrag geleistet. Heute kommt es nicht mehr darauf an, ob man in Schweden lebt und in Kopenhagen arbeitet oder umgekehrt – die Öresundbrücke verbindet Menschen, sie verbindet zwei EU-Staaten im nördlichen Europa. Lassen Sie mich an dieser Stelle dem Königreich Dänemark Dank sagen für das unbeirrte Eintreten und für den Bau dieser Brücke: Mange tak, Danmark! Die Erfolgsgeschichte der Öresundbrücke sollte uns allen Ansporn sein, kraftvoll für ein weiteres wichtiges Verkehrsprojekt in Europa einzutreten: den Bau der fes- ten Fehmarnbelt-Querung zwischen Deutschland und Dänemark. Was jedoch machen die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und von den Linken? Anstatt sich vom Wagemut unserer dänischen Nachbarn beim Brückenbau anstecken zu lassen, legen uns die Kollegin- nen und Kollegen Anträge vor, die dem Zusammen- wachsen Europas alles andere als dienlich sind. Auch deshalb werden wir sie ablehnen. Wir brauchen diese Brücke, weil die feste Querung des Fehmarnbelts das letzte Glied in einer wirtschaftli- chen Kette zwischen Nord- und Mitteleuropa ist. Dieses „missing link“ in Europa fehlt noch, diese Verbindung muss endlich hergestellt werden. Das gilt gerade und be- sonders für den Schienenverkehr. Durch den Ausbau der Schienenwege über die feste Fehmarnbelt-Querung kann der Containerverkehr zwischen Deutschland und Skan- dinavien effektiv und schnell abgewickelt werden. Wir brauchen mehr Verkehr auf der Schiene, und das geht nur über eine feste Verbindung. Die Verkehrsprognosen sprechen hier für sich: Aktuell überqueren sieben Perso- nenzüge und kein einziger Güterzug mit den dortigen Fähren den Fehmarnbelt. Im Jahre 2015, zur erwarteten Fertigstellung der Brücke, werden es 40 Personenzüge und 43 bis 61 Güterzüge pro Tag sein, die dann die feste Fehmarnbelt-Querung nutzen werden. 40 Personenzüge, das entspricht 4 000 Bahnreisenden pro Tag. Ohne feste Fehmarnbelt-Querung müsste die bestehende Schienen- verbindung über Flensburg–Neumünster verkehrstech- nisch überholt werden. Dafür stehen auf absehbare Zeit keine Finanzmittel zur Verfügung, denn das kann nicht über eine Maut gegenfinanziert werden, wie es bei der festen Fehmarnbelt-Querung vorgesehen ist. Als Alter- native würde dann verstärkt das Flugzeug zur Verkür- zung der Reisezeit genutzt werden. Wie Sie sicherlich wissen, verkehren die Fähren über den Fehmarnbelt zwischen Puttgarden und Rødby mehr- wertsteuerfrei. Das bedeutet, dass die Reederei Scand- lines ihre Gewinne auf dieser Route mehrwertsteuerfrei erwirtschaftet. Die Erhebung einer Maut für die Benut- zung von Brücken ist jedoch mehrwertsteuerpflichtig. Dies ist ein Aspekt, den man bei der Beurteilung der Kosten für den Bau der festen Fehmarnbelt-Querung be- rücksichtigen muss. Der Verkehr auf der Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö ist inzwischen so stark angewachsen, dass Vielfahrern auf dieser Brücke inzwischen Rabatte gewährt werden. Auch die andere Brücke in Dänemark, diejenige über den Großen Belt, ist d n w V 8 k w d p W s D s p m N s R u R D d s ä b h f i s F e s g s b f s r R u r s C A D t G s 1 B w w s a m (C (D erart erfolgreich, dass der Mautpreis seit Inbetrieb- ahme dieses Bauwerks schon zweimal abgesenkt erden konnte. Das für das Jahr 2015 prognostizierte erkehrsaufkommen für den Fehmarnbelt von bis zu 000 Personenkraftwagen und bis zu 1 300 Last- raftwagen täglich lässt hier einen ähnlichen Erfolg er- arten – nicht zu vergessen die Mauteinahmen durch en bereits erwähnten Bahnverkehr, die über den Fahr- reis abgerechnet werden. Zahlreiche Gespräche, die ich in den vergangenen ochen mit Vertretern von dänischer Politik und Wirt- chaft geführt habe, haben eines ganz deutlich gezeigt: ie Beziehungen zwischen Deutschland und Dänemark ind hervorragend. Immer wieder wird betont, dass die raktizierte Bereitschaft der Bundesregierung, im Rah- en der europäischen Zusammenarbeit kleine und große achbarstaaten gleichermaßen ernst zu nehmen, bei- pielhaft ist. Berlin nimmt eine zunehmend zentrale olle im Konzert der 27 Nationen ein, loben die Dänen – nd dies unabhängig von unserer augenblicklichen EU- atspräsidentschaft. Großes Unverständnis wird in änemark daher über die rückwärtsgewandten Anträge er Oppositionsfraktionen der Linken und des Bündnis- es 90/Die Grünen zur festen Fehmarnbelt-Querung ge- ußert. Ihre Einstellung zum Projekt „Feste Fehmarn- elt-Querung“ ruft in Kopenhagen nur Kopfschütteln ervor. Dabei zeigen uns doch gerade die Dänen, wie er- olgreich Brückenbauprojekte sein können! Größter Handelspartner Dänemarks in Deutschland st Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Schleswig-Hol- tein, Niedersachsen, Bayern und Hamburg. Das sind die akten. Wir sollten dem Königreich Dänemark daher inen regen und reibungslosen Warenaustausch mit die- en Bundesländern über die feste Fehmarnbelt-Querung ewährleisten. Das kommt nicht nur Dänemark zugute, ondern auch uns in Deutschland. Die feste Fehmarn- elt-Querung ist daher nicht irgendeine Brücke. Die este Fehmarnbelt-Querung wird erheblich zu wirt- chaftlichem Wohlstand beitragen. Nicht nur im Groß- aum Hamburg–Kopenhagen, sondern eben auch an hein, Donau und Isar. Lassen Sie uns daher Zukunft machen! Lassen Sie ns den Brückenschlag über den Fehmarnbelt realisie- en, um Skandinavien und Deutschland in Europa wirt- chaftlich noch enger miteinander zu verflechten! Die DU/CSU-Fraktion wird der Beschlussempfehlung des usschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des eutschen Bundestages daher zustimmen und die An- räge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die rünen damit ablehnen. Hans-Joachim Hacker (SPD): Der sachliche Gegen- tand der beiden Anträge war in erster Lesung bereits am 4. Dezember 2006 auf der Tagesordnung des Deutschen undestages. Wer sich das Protokoll der Beratung ansieht, ird feststellen, dass die Reden zu Protokoll gegeben urden. Unabhängig davon ist den schriftlichen Diskus- ionsbeiträgen zu entnehmen, dass sich die Berichterstatter usführlich mit dem Themenkomplex, der die Fragen einer öglichen festen Fehmarnbelt-Querung beinhalten, befasst Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9333 (A) ) (B) ) haben. Ich könnte insofern auf die damalige Argumentation verweisen. Das würde dem Thema jedoch nicht gerecht werden, denn in die heutige Debatte sollte eine Wertung der Beratung im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung einfließen. Zugleich ist über den Stand der weiteren Gespräche auf Regierungsebene eine Bewertung vorzunehmen. Beide vorliegenden Anträge beinhalten die Ablehnung des Baus einer festen Fehmarnbelt-Querung. Sie sind jedoch nicht deckungsgleich. Der PDS-Antrag enthält eine Entschließung gegen den Bau einer festen Fehmarnbelt- Querung und fordert stattdessen eine Verbesserung des Fährkonzeptes. Für den von der PDS geforderten Planungsstopp gibt es keine sachliche Grundlage; denn Planungen finden derzeit nicht statt, und eine Einordnung in nationale Verkehrsplanungsdokumente hat bislang nicht stattgefunden. Richtig ist, und das weiß jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt hat, dass in der Koalitions- vereinbarung vom 11. November 2005 die Prüfung der Fehmarnbelt-Querung als internationales PPP-Referenz- vorhaben festgeschrieben wurde. Wir befinden uns derzeit in einer Phase, in der die Realisierungsmöglichkeiten untersucht werden. Der PDS-Antrag überspringt diese Phase und nimmt das Ergebnis der Prüfung vorweg. Einer solchen Betrachtungsweise kann man sich nicht an- schließen, denn sie ist nicht sachgerecht. Die Forderung im PDS-Antrag an die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die bestehende Fährverbindung optimiert wird, ist nicht umsetzbar. Völlig verkannt wird, dass das Fährkonzept von der Betreiberreederei, der Scandlines AG, aufgestellt wird, auf die die Bundes- regierung in betriebswirtschaftlichen Fragen keinen Einfluss ausüben kann. Wir haben diese Frage in der Beratung im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtent- wicklung ausführlich diskutiert, aber scheinbar haben die Fakten, dass der Vorstand eines Unternehmens die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen in eigener Verantwortung trägt, bei der PDS keine Überzeugungs- kraft entwickelt. Im PDS-Antrag leuchtet wieder die alte Idee der Staatswirtschaft durch. Das kommt auch in einem weiteren Punkt zum Ausdruck, der die Aufforderung an die Bundesregierung enthält, mit der dänischen Regierung und der Landesregierung Schleswig-Holstein das Ziel zu verfolgen, gemeinsam mit dem Kreis Ostholstein und dem dänischen Amt Storstroms Konzepte zur Stärkung der wirtschaftlichen Situation dieser Regionen zu erarbeiten und diese finanziell zu unterstützen. Um es klar zu sagen: Hierfür ist die Bundesregierung nicht zuständig. Die regionale Wirtschaftsentwicklung ist nicht Bundesauf- gabe, insofern geht diese Forderung völlig ins Leere. Der Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü- nen, der auf ein ökologisch und finanziell nachhaltiges Verkehrskonzept abstellt, enthält wie der PDS-Antrag die Forderung nach Aufgabe der Pläne zum Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung und der Pläne zur Finan- zierung durch öffentliche Gelder wie auch die Forderung nach Optimierung des Fährkonzepts der Reederei Scand- lines. Was diesen Forderungskatalog angeht, verweise ich auf meine Bewertung der gleichlautenden Forderungen i z B n e d s n m tr z m B v e m p A J B D g N ß e H a b p w k w l d d n s z M W r C p Q E l d E A E a d F P a (C (D m Antrag der PDS-Fraktion. Dem ist weiter nichts hin- uzufügen. Auf zwei weitere Punkte im Antrag der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen will ich an dieser Stelle jedoch äher eingehen: Der Antrag auf Drucksache 16/3798 nthält unter den Ziffern 4 und 5 Forderungen nach Ausbau es Nordostseekanals und nach Elektrifizierung der Bahn- trecke Hamburg–Lübeck. Ich halte diese Forderungen ach prioritärer Behandlung dieser Infrastrukturmaßnah- en in der Sache für richtig. Es bedarf aber keines An- ages, um der Umsetzung dieser Forderungen Gewicht u verleihen. Wie ist der Stand der Dinge bei diesen Bau- aßnahmen? Erstens. Der Ausbau des Nordostseekanals ist im undeshaushalt mit insgesamt 130 Millionen Euro eranschlagt. Für das laufende Jahr ist die Ausreichung iner ersten Ratenzahlung vorgesehen. Das Bundes- inisterium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung rüft derzeit, ob ein Antrag auf Planfeststellung für den usbau der Oststrecke des Nordostseekanals auf das ahr 2008 vorgezogen werden kann. Der Bund wird in runsbüttel eine neue Schleusenkammer finanzieren. ie dies betreffenden Teilplanungen sind in Auftrag egeben worden. Von der Baumaßnahme werden der eubau einer dritten Schleusenkammer und die anschlie- ende Instandsetzung der beiden alten großen Kammern rfasst. Zweitens. Die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke amburg–Lübeck und der zweigleisige Ausbau des Teil- bschnitts Schwartau–Waldhalle–Lübeck–Kücknitz sind ereits Bestandteil des „Zwei-Milliarden-Euro-Verkehrs- rogramms-Teilschiene“. Die Finanzierungsvereinbarung urde am 15. September 2005 unterzeichnet. Die Gesamt- osten der Maßnahme betragen 149,1 Millionen Euro, ovon der Bund finanzielle Mittel in Höhe von 135 Mil- ionen Euro bereitstellt. Das Gesamtvorhaben soll nach en derzeitigen Planungen der DB-Netz AG im Laufe es Jahres 2009 fertig werden. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bünd- is 90/Die Grünen, die Bundesregierung und die Koalition ind bei wichtigen Infrastrukturmaßnahmen in der Region wischen Hamburg und der Ostsee am Ball. Die Idee eines etroexpress von Kiel nach Hamburg ist jedoch aus irtschaftlichkeitsgründen nicht zu vertreten. Die Landes- egierung Schleswig-Holstein sieht hierfür keine reale hance. Ich komme zurück zum Kernthema der beiden Op- ositionsanträge, den Bau einer festen Fehmarnbelt- uerung, und stelle die Frage: Können wir heute eine ntscheidung für oder gegen den Bau treffen? Die Antwort autet eindeutig Nein. Es gibt heute keinen Entschei- ungsbedarf, weil die Grundlagen für eine derartige ntscheidung nicht bestehen. Und im Übrigen an die dresse der PDS-Abgeordneten im Verkehrsausschuss: ntgegen Ihrer öffentlichen Darstellung hat der Verkehrs- usschuss des Deutschen Bundestages mit der Ablehnung er beiden Anträge kein Votum für den Bau der festen ehmarnbelt-Querung abgegeben. Die Koalition hat rüf- und Beratungsbedarf für das Gesamtkonzept und lle damit in Verbindung stehenden Fragen. Die beiden 9334 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) vorliegenden Anträge wollen jedoch eine Entscheidung vorwegnehmen, ohne eine Abwägung der Argumente Pro und Contra vorgenommen zu haben. Gerade einer solchen Verfahrensweise kann sich die SPD-Bundestagsfraktion nicht anschließen. Für uns steht fest – das hatte ich in meiner Rede am 14. Dezember 2006 bereits ausgeführt – dass wir uns nicht auf ein finanzielles Risiko zulasten der öffentlichen Hand einlassen werden. Ich finde, der Bundesverkehrs- minister Wolfgang Tiefensee hat in den letzten Monaten das Thema sehr verantwortungsbewusst behandelt. In Gesprächen mit der dänischen Regierung und der Landes- regierung Schleswig-Holstein sind die Rahmenbedin- gungen für ein PPP-Projekt Feste Fehmarnbelt-Querung untersucht worden. Hierbei sind natürlich auch die Fragen eines tragfähigen Finanzierungskonzeptes und möglicher Staatsgarantiezusagen erörtert worden. Dieser Fragen- komplex befindet sich nach wie vor in der Verhand- lungsphase. Kein ernsthafter Verhandlungspartner kann Einzelheiten der Gespräche auf den Markt tragen. Ich bin sicher, dass der Bundesverkehrsminister in den nächsten Wochen das Ergebnis seiner intensiven Bemü- hungen dem Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorstellen wird. Für mich ist auch klar, dass bei einer ernsthaften Er- wägung des Baus einer festen Fehmarnbelt-Querung eine Reihe von umweltrelevanten und verkehrstechnischen Fragestellungen einer ausführlichen Prüfung zu unterziehen sind. Im Oktober 2006 sind die Ergebnisse eines infor- mellen Konsultationsverfahrens vorgestellt worden, an dem die Öffentlichkeit, Verbände und Behörden beteiligt waren. Klar ist, dass dieses Umweltkonsultationsverfahren nicht die notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfungen und die gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeits- beteiligungen ersetzen kann. Erst, wenn alle damit in Verbindung stehenden Fragen bewertet und beantwortet worden sind, ist die Grundlage für die Entscheidung über den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung ge- schaffen worden. Wenn die SPD-Bundestagsfraktion zusammen mit dem Koalitionspartner und vermutlich der FDP die beiden Anträge ablehnen wird, geschieht dies auch aus dem Grund, dass wir uns die Option für einen sachlich not- wendigen Abwägungsprozess offen halten wollen. Eine Entscheidung zum Bau der festen Fehmarnbelt-Querung ist weder in der Verkehrsausschussberatung am 28. Februar 2007 getroffen worden, noch erfolgt diese mit der Ablehnung der beiden Anträge. Wir haben gute Gründe, die beiden Anträge abzulehnen, weil die Koalition eine Entscheidung erst dann treffen wird, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Dies ist heute nicht der Fall, daher ist die Ablehnung der beiden Anträge logisch. Patrick Döring (FDP): Wir reden heute Abend zu später Stunde über zwei Anträge, die zwar vermutlich mit der großen Mehrheit des Hauses – auch von uns – abgelehnt werden. Die Entwicklung der letzten Wochen lässt aber vermuten, dass Linke und Grüne leider trotz- dem bekommen, was sie wollen: ein schnelles Ende des Projektes Fehmarnbelt-Querung. Das ist freilich kein V i v d A d g d r E K a r P d n f g I d d w p h g t n v e V P l n d W e n g s s p A S n s p d r B b d r n P s (C (D erdienst der linken und linkeren Oppositionsfraktionen n diesem Haus – dieser fragwürdige Lorbeer gebührt ielmehr der SPD-Fraktion, die in dieser Sache sogar en eigenen Minister düpiert. Die sozialdemokratischen bgeordneten der fünf Küstenländer haben jedenfalls urch lautstarke Äußerungen über die Medien deutlich emacht, dass das Geld für die Querung und die notwen- igen Hinterlandanbindungen erst in zehn oder 15 Jah- en verfügbar ist. Ehrlicher wäre es gewesen, gleich die instellung des Projektes zu fordern; denn das wäre die onsequenz. Für den Fall hätte sich der Herr Minister uch die Konferenzen mit dem dänischen Kollegen spa- en können. Natürlich ist es richtig, die Frage zu stellen, ob das rojekt richtig kalkuliert ist und sich rechnen wird. Aber as ist eben eine Frage; eine abschließende Antwort ken- en wir noch nicht. Die FDP hat sich deshalb immer da- ür ausgesprochen, das Vorhaben unaufgeregt, unvorein- enommen und ergebnisoffen zu prüfen. Wenn ein nvestor mit Land, Bund und Dänemark einig wird, muss er Bundestag seinen Anteil festlegen. Bis dahin gilt, ass die feste Querung des Fehmarnbelt ein wünschens- erter Beitrag für die Entwicklung des transeuro- äischen Verkehrsnetzes wäre. Die Sozialdemokraten aben sich hingegen nun auch in das Lager derjenigen eschlagen, die offenbar durch einen Blick in die Kris- allkugel schon jetzt die Antworten auf alle Fragen ken- en. Dieses Verfahren wird unsere dänischen Freunde sehr erwundern, die deutlich gemacht haben, dass sie auch ine stärkere finanzielle Beteiligung in Betracht zögen. or allem aber wird damit die ohnehin schon schwache osition von Minister Tiefensee durch das unverantwort- iche Verhalten seiner eigenen Fraktion weiter untermi- iert. Es ist in der Tat ein trauriges Schauspiel, das wir ieser Tage erleben: die endgültige Entzauberung eines underkindes. In Leipzig war Wolfgang Tiefensee noch in kleiner König. In Berlin ist er nur noch Überbringer etter Grußworte. Die Liste seiner Fehler und Niederla- en ist lang. Bei der Bahnreform lässt Minister Tiefensee ich von Mehdorn vorführen. Von einem tragfähigen Ge- etzentwurf sind wir weiter entfernt denn je. Besonders einlich beim Thema Bahn: Des Ministers vollkommene hnungslosigkeit über den desaströsen Zustand des chienennetzes. Beim Rat der EU-Verkehrsminister wurde dann auch och die Verkehrsagenda der deutschen Ratspräsident- chaft vor die Wand gefahren. Das europäische Prestige- rogramm Galileo und das Luftverkehrsabkommen mit en USA stehen auf der Kippe. Jetzt, nachdem die Union dem Minister bei der Bahn- eform schon nicht mehr folgt, fängt auch noch die SPD- undestagsfraktion an, seine Autorität in der Fehmarn- elt-Frage zu untergraben. Das ist keine Erosion mehr, as ist bald ein ausgemachter machtpolitischer Erd- utsch. Ich frage mich ernsthaft, wie ein Minister, der icht einmal in dieser Frage auf die Unterstützung seiner artei zählen kann, sich zum Beispiel in der noch viel chwierigeren Bahnfrage oder bei den komplizierten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9335 (A) ) (B) ) Verhandlungen mit dem Galileo-Konsortium behaupten will. Da können Sie, mit Verlaub Frau Dr. Wetzel, in den Medien noch so oft erklären, dass Sie und Ihre Mitstreiter dem Minister den Rücken stärken. Tatsächlich läuft es doch darauf hinaus, dass Sie ihn in dieser Frage im Regen stehen lassen. Denn anders als Sie es zum Beispiel im „Hamburger Abendblatt“ darstellen, hat die Frage der Fi- nanzierung von Hinterlandanbindungen nun rein gar nichts mit dem finanziellen Anteil der Dänen an diesem Projekt zu tun, ganz zu schweigen davon, dass ich auch nicht gehört habe, dass Sie Ihre Position geändert hätten, nachdem die Dänen sich in dieser Frage kompromissbe- reit gezeigt haben. Natürlich müssen – wenn die Ent- scheidungen für die Fehmarnbelt-Querung gefällt wird – auch entsprechende Hinterlandanbindungen vorhanden sein. Das ist eine conditio sine qua non, um überhaupt die Tragfähigkeit des Projektes zu gewährleisten. Aber wenn – ich betone: wenn – wir feststellen, dass die Fehmarn- belt-Querung ein lohnendes Projekt ist und gebaut wer- den soll, dann erhalten die dafür notwendigen Neu- und Ausbauten zur Hinterlandanbindung natürlich eine ganz andere Priorität. Denn in diesem Fall würde sich natür- lich die Auslastung dieser Verkehrswege ganz anders ge- stalten, als bei den ursprünglichen Prognosen des Bun- desverkehrswegeplans angenommen wurde. Ihrer Logik folgend, sollen wir zunächst die Hinterlandanbindung bauen, bevor die Querung entschieden würde; das kann es doch wohl nicht sein. Wenn Sie die Fehmarnbelt-Querung partout nicht wollen, Frau Wetzel, dann sagen Sie das auch. Dann stimmen sie heute für die vorliegenden Anträge der Grü- nen und der Linksfraktion. Das wäre wenigstens ehrlich, und dann wüssten auch Minister Tiefensee und die Lan- desregierung in Schleswig-Holstein – an der sie ja betei- ligt sind – endlich, woran sie wären. Aber ich weiß na- türlich, dass das nicht passieren wird. Wir können leider nicht anders, als diesen Vorgang mit Besorgnis zur Kenntnis zu nehmen. Ein schwacher Minis- ter mag dem Oppositionspolitiker eine Freude sein – sel- ten war Kritik an einem Verkehrsminister so einfach und so berechtigt. Doch zugleich muss ein solcher Zustand jedem verantwortungsbewussten Volksvertreter, ob in der Opposition oder in der Regierung, zuwider sein. Denn den Schaden hat das Land. Ich kann sie, verehrte Damen und Herren von der SPD, daher nur dazu auffor- dern, sich heute klar zu einer ergebnisoffenen Prüfung der Fehmarnbelt-Querung zu bekennen und jeder vorei- ligen Entscheidung entschieden entgegenzutreten. Mit ihrer Haltung schaden sie dem Ansehen Deutschlands und der Regierung – nicht nur bei der Fehmarnbelt- Frage. Lutz Heilmann (DIE LINKE): Wir befinden uns in der letzten Sitzungswoche vor Ostern. Nicht Weihnach- ten. Die feste Fehmarnbelt-Querung erinnert aber an kindliche Weihnachtswünsche. Mit realistischer Politik hat sie nichts zu tun. So wie vielen sogenannten Ver- kehrsexperten ein Blick auf die Straßenkarte genügt, um festzustellen, dass sich darauf ein großes Loch befindet u s w c m A S B l b A b S I d u k n i s H E F u M e G t T s h u m P g t M m l e n W g m w D s r B m u z (C (D nd folglich eine neue Autobahn gebraucht wird, so chwelgen einige Politiker aus dem Norden und Nord- esten in Brückenphantasien. Aber während die kindli- hen Weihnachtswunschlisten meist finanziell im Rah- en bleiben, soll ihr Traum, für mich ist es ein lbtraum, 5,5 Milliarden Euro kosten. Die bestehende Fährverbindung ist gut und effektiv. ie kann bei Bedarf weiter verbessert werden – zu einem ruchteil der Kosten der Brücke. Außerdem sichert al- ein diese Fährverbindung über tausend Arbeitsplätze – ei der Brücke wird es nur ein Bruchteil davon sein. uch durch die Brücke selber werden kaum neue Ar- eitsplätze entstehen. Schließlich werden hier nicht zwei tädte, sondern nur Rapsfelder miteinander verbunden. ch war persönlich bei der Vorstellung des Gutachtens zu en regionalen wirtschaftlichen Effekten der Brücke – nd war sehr enttäuscht. Denn dieses Gutachten zeigt eine konkreten Perspektiven auf, sondern stützt sich ur auf vage Vermutungen. Die Ansicht, dass die Brücke wirtschaftlich unnötig st, vertritt übrigens auch das Kieler Institut für Weltwirt- chaft, dem wohl niemand unterstellen wird, es sei ein ort von linker oder ökologisch motivierter Politik. Während also die erhofften positiven wirtschaftlichen ffekte mehr als fragwürdig sind, liegen die negativen olgen klar auf der Hand: Erstens der Verlust von Arbeitsplätzen bei den Fähren nd Häfen, nicht nur auf Fehmarn, sondern auch in ecklenburg-Vorpommern. Zweitens eine massive Be- inträchtigung der Meeresökologie und eine erhebliche efährdung der Zugvögel. Und drittens der Verlust der ouristischen Attraktivität von Fehmarn, wenn diese zur ransitstrecke ausgebaut wird und die Brücke die Land- chaft verschandelt. Deshalb fordere ich Sie dazu auf: Lassen Sie uns jetzt ier und heute endlich einen Schlussstrich unter diese nsinnige Planung setzen. Und Kollege Hacker, Ihnen öchte ich noch sagen: Wir können eben nicht weitere rüfungsergebnisse abwarten. Denn wenn die Bundesre- ierung erst einmal eine Vereinbarung mit Dänemark ge- roffen hat, dann sind Sie bestimmt der letzte, der den ut hat, dies im Bundestag wieder zu revidieren. Auch das Bundesverkehrsministerium sieht die Feh- arnbelt-Querung erfreulicherweise nicht als vordring- ich an. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das nur ine taktische Aussage war, damit die Dänen die volle fi- anzielle Last und das gesamte Risiko übernehmen. enn es aber der Versuch war, dass Projekt zu beerdi- en, ohne dafür die politische Verantwortung überneh- en zu müssen, so war die Strategie bislang sogar teil- eise erfolgreich. Jedenfalls mehrt sich auch in änemark die Einsicht, dass die von Deutschland vorge- chlagene Lastenverteilung nicht gerade gerecht ist. Als Bundespolitiker könnte man sich natürlich zu- ücklehnen, wenn Deutschland praktisch nichts für die rücke bezahlt, weil Dänemark fast alles übernehmen uss. Ich bin aber Abgeordneter aus Schleswig-Holstein nd als solcher liegen mir die von der Landesregierung ugesagten 60 Millionen Euro schwer im Magen. Ange- 9336 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) sichts der Gesamtkosten klingt das natürlich wenig. An- gesichts der Mittelkürzungen in der letzten Zeit ist das aber sehr viel. So hat Schleswig-Holstein bei den Schü- lerverkehren, dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Be- amte und dem Kommunalen Finanzausgleich erheblich gekürzt. Und einer mit dem Bundespreis für Effizienz ausgezeichneten Alphabetisierungskampagne der Volks- hochschulen wurde das Budget gestrichen: Einsparung ganze 100 000 Euro. 60 Millionen Euro sind also eine ganze Menge Geld für ein armes Bundesland wie Schleswig-Holstein, die für wesentlich wichtigere Auf- gaben als eine überflüssige Brücke gebraucht werden! Auf wie wackligen Beinen das ganze Projekt steht zeigt auch, dass großzügig 1,5 Milliarden Euro Zuschuss aus TEN-Mitteln eingeplant werden. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern auch unredlich. Die EU wurde ge- rade auf 27 Mitglieder erweitert. Meinen Sie nicht, dass Europa keine dringlicheren Aufgaben hat als zwei alten, reichen Mitgliedstaaten eine Brücke zu spendieren? Aus den gut 8 Milliarden Euro TEN-Mitteln, die bis 2013 zur Verfügung stehen, sollen 30 Projekte mit ge- schätzten Kosten von insgesamt 600 Milliarden Euro fi- nanziert werden. Glauben Sie im Ernst, die EU bewilligt – wenn Sie überhaupt etwas bewilligt – den Höchstsatz von 30 Prozent? Und beanspruchen Sie damit nicht Geld, das viel dringender für den Ausbau der Verkehrs- wege in die ost- und mitteleuropäischen Staaten ge- braucht wird? Angela Merkels Rede zu 50 Jahren EU be- jubeln, um bei der nächsten Gelegenheit den nationalen Egoismus bis zum Exzess auszuleben, das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren von der Großen Koalition. Schon seit 45 Jahren wird der Bau einer festen Que- rung über den Fehmarnbelt zwischen Deutschland und Dänemark diskutiert. Lassen Sie uns diesen Albtraum jetzt beenden, damit wir in einigen Jahren nicht das 50- jährige Jubiläum der gescheiterten Brückenträume feiern müssen. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Noch ist es nicht offiziell, doch die Spatzen pfei- fen es von Dächern: Die Pläne für den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung sind so gut wie vom Tisch. Für die Europäische Union hat das Projekt keine Prio- rität. Wie neuerdings auch aus dem Bundesverkehrsmi- nisterium zu hören ist, misst die EU der festen Brücke vom deutschen Puttgarden zum dänischen Rodby keine europäische Bedeutung bei. Das ist richtig so. Das Pro- jekt ist ein regionales Infrastrukturprojekt. Ohne die Fi- nanzspritze der EU ist das Projekt nicht zu realisieren. Allein für den Bau der Brücke werden rund vier Milliar- den Euro veranschlagt. Dazu kommen rund eineinhalb Milliarden Euro, um die Brücke an die bestehenden Ver- kehrsnetze anzubinden. Private Investoren sind abgesprungen, nachdem be- kannt wurde, dass voraussichtlich nicht annähernd so viele Autofahrer die feste Beltquerung nutzen würden, wie von der schleswig-holsteinischen Landesregierung behauptet. So werden wohl auch die Mauteinnahmen w D d S d g W d e b s i t w i C e t L F g a f d b h D S w g L g s n t S s s j V V t u s i S L a z n T D (C (D eit geringer ausfallen als ursprünglich angenommen. ie privaten Geldgeber bestehen darauf, dass die Bun- esregierung die Refinanzierung über Mautgebühren mit taatsgarantien absichert. Decken die Einnahmen aus en Mautgebühren die Kredite nicht, müssen die Steuer- elder die Lücken füllen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verkehrsminister olfgang Tiefensee haben jedoch schon vor Wochen eutlich gemacht, dass sich die Bundesregierung nicht im rhofften Umfang an den Kosten für den Bau der Brücke eteiligen wird. Die Kosten für die Hinterlandanbindung ind nicht im Bundesverkehrswegeplan eingestellt. Es ist nzwischen mehr als unwahrscheinlich, dass sie im zwei- en Investitionsrahmenplan 2011 bis 2015 bereitgestellt erden. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hält an hrer Traumtänzerei fest. Ministerpräsident Peter Harry arstensen und Verkehrsminister Dietrich Austermann rklären wiederholend, die Zuschüsse der EU seien in rockenen Tüchern. Diese Hoffnungen haben sich als uftschlösser erwiesen. Dieses Ergebnis ist ein Erfolg. Bekanntlich hat die raktion des Bündnisses 90/Die Grünen dieses ökolo- isch und ökonomisch unsinnige Projekt von Anfang an bgelehnt. Das Projekt ist ein ökologisches Abenteuer, inanziell unvertretbar, kostet Arbeitsplätze und gefähr- et die bestehende Fährlinie. Wir freuen uns, wenn diese unsinnigen Pläne endlich egraben werden. Weniger erfreulich ist, dass die Bezie- ungen zur dänischen Seite Schaden genommen haben. ie dänische Regierung fühlt sich von der Regierung chleswig-Holsteins hingehalten, mit Recht. Die schles- ig-holsteinische Landesregierung hat Versprechungen emacht, denen offensichtlich jede Grundlage fehlte. Der neueste Vorstoß der schleswig-holsteinischen andesregierung musste das Fass zum Überlaufen brin- en: Die Dänen sollten die Finanzlücke schließen und tatt der Hälfte bis zu 80 Prozent zuschießen und damit ahezu das komplette finanzielle Risiko alleine schul- ern. Das Hin und Her der Deutschen hat auf dänischer eite für Ärger gesorgt und das Interesse schwinden las- en. In der aktuellen Debatte bezweifeln dänische Wis- enschaftler und Verkehrspolitiker den Nutzen des Pro- ekts. Sie fordern stattdessen eine innerdänische erbindung zwischen Jütland und Seeland. Nun ist Schadensbegrenzung im deutsch-dänischen erhältnis gefragt. Die Bundesregierung wäre gut bera- en, Einfluss auf die Kieler Landesregierung zu nehmen nd intellektuelle Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei ollte die Berliner Große Koalition der Großen Koalition n Kiel klare inhaltliche Vorgaben machen. Der erste chritt wären offene Worte der schleswig-holsteinischen andesregierung. Sie sollte ehrlich sein und sich ein für lle Mal von ihrem Prestigeprojekt verabschieden. Der weite Schritt wäre, zukunftsfähige Infrastrukturmaß- ahmen nicht länger zu blockieren und in nachhaltigen ourismus und den Ausbau der Fährverbindung nach änemark zu investieren. 91. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609100000

Ich eröffne die Sitzung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
sehr herzlich und wünsche Ihnen einen guten Morgen.

Es gibt ein paar wenige Hinweise, bevor wir in die
Tagesordnung eintreten können. Der Kollege Ralf Göbel
hat sein Amt als Schriftführer niedergelegt. Als Nach-
folger schlägt die Fraktion der CDU/CSU den Kollegen
Hermann-Josef Scharf vor. Ich nehme an, dass Sie da-
mit einverstanden sind. – Das scheint der Fall zu sein.
Dann ist der Kollege Scharf zum Schriftführer gewählt.

Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene
Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführ-
ten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU
und der SPD:
Die aktuelle Lage der Menschenrechte in Simbabwe

ZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN
zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 12
und 13 auf Drucksache 16/4802 (siehe 90. Sitzung)



(Ergänzung zu TOP 32)

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Hettlich,

Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abge-

Redet
ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN
Energieeinsparung zügig verabschieden – Energieaus-
weis als Bedarfsausweis einführen
– Drucksache 16/4787 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marina Schuster,
Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP
Katastrophe in Simbabwe verhindern
– Drucksache 16/4859 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Menschenrechte und Humani

(C (D ung en 29. März 2007 0 Uhr Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 4 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a)


(Ergänzung zu TOP 33)


schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 201 zu Petitionen
– Drucksache 16/4866 –

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 202 zu Petitionen
– Drucksache 16/4867 –

c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 203 zu Petitionen
– Drucksache 16/4868 –

d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 204 zu Petitionen
– Drucksache 16/4869 –

e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 205 zu Petitionen
– Drucksache 16/4870 –

ext
f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 206 zu Petitionen
– Drucksache 16/4871 –

g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 207 zu Petitionen
– Drucksache 16/4872 –

h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 208 zu Petitionen
– Drucksache 16/4873 –

ng der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
es (2. Ausschuss)

elübersicht 209 zu Petitionen

cksache 16/4874 –
täre Hilfe

i) Beratu
schuss
Samm
– Dru






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Christine Scheel, Dr.
Gerhard Schick, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Unternehmensteuerreform für Investitionen und Arbeits-
plätze
– Drucksache 16/4855 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

ZP 6 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN:
Konsequenzen der Bundesregierung aus den UN-Berich-
ten des Sonderberichterstatters, Vernor Muñoz, zum deut-
schen Bildungssystem

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden.

Die Tagesordnungspunkte 26 c und 33 b werden ab-
gesetzt.

Schließlich mache ich auf zwei nachträgliche Aus-
schussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste
aufmerksam:

Der in der 82. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem
Ausschuss für Tourismus (20. Ausschuss) zur Mitbera-
tung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Lutz Heilmann, Eva
Bulling-Schröter, Dorothée Menzner, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Trendwende beim Klimaschutz im Verkehr –
Nachhaltige Mobilität für alle ermöglichen

– Drucksache 16/4416 –
überwiesen:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Der in der 88. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

(17. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden.


Antrag der Abgeordneten Miriam Gruß, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP

Rücknahme der Vorbehaltserklärung der Bun-
desrepublik Deutschland zur Kinderrechtskon-
vention der Vereinten Nationen

– Drucksache 16/4735 –
überwiesen:
Rechtsausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Auch das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so be-
schlossen.

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(C (D Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 3: Vereinbarte Debatte Patientenverfügungen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für iese Aussprache drei Stunden vorgesehen. Die Parlaentarischen Geschäftsführer haben sich darauf verstän igt, dass aufgrund der großen Anzahl der Redewünsche nd der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Zeit für ie Aussprache die Reden derjenigen Kolleginnen und ollegen, deren Redewunsch nicht berücksichtigt weren kann, zu Protokoll gegeben werden können. Ich ehme an, dass es auch dazu Einverständnis gibt. – Dann st das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zuächst dem Kollegen Joachim Stünker für die SPD-Frakion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine sehr verehrten Damen und Herren! Warum debat ieren wir heute über die Frage der rechtlichen Verbindichkeit von Patientenverfügungen? Wir debattieren arüber, weil circa 7 bis 8 Millionen Menschen in eutschland eine Patientenverfügung gemacht haben nd darauf vertrauen, dass ihre dort getroffenen Bestimungen auch beachtet und befolgt werden. Sie wehren ich damit gegen die, wie sie es nennen, Apparatemediin, gegen das Diktat des medizinisch Machbaren, gegen ie Verlängerung eines Lebens, das für sie nicht mehr leenswert ist. Zwar ist der in der Patientenverfügung geäußerte ille schon heute grundsätzlich verbindlich und Grund age ärztlichen Handelns. Der Bundesgerichtshof hat ies trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung wieerholt entschieden. Aber über genau die Frage, was im inzelfall unter „grundsätzlich verbindlich“ zu verstehen st, wird ganz unterschiedlich diskutiert. Ich denke, die eutige Debatte wird das breite Spektrum der Meinunen, die in diesem Hohen Hause vertreten werden, sehr nschaulich zeigen. Es kann einen Unterschied bedeuten, in welches rankenhaus oder zu welchem Arzt ich nach einem Verehrsunfall im Zustand der Bewusstlosigkeit gebracht erde, wenn ich mich nicht mehr selber äußern kann, ber eine Patientenverfügung bei mir trage, in der ich um Beispiel für eine bestimmte Situation das Setzen eier Magensonde ausgeschlossen habe. Die einen erkenen dies als verbindlich an, die anderen nicht. Viele Anälte, die tagtäglich im Medizinrecht tätig sind, können ierzu beredt Beispiele benennen; bei mir sowie bei vieen Kolleginnen und Kollegen stapeln sich dazu die riefe. Die Menschen wollen Rechtssicherheit. Ich meine, ie haben einen Anspruch darauf, dass der Staat ihnen ier Rechtssicherheit gibt. Joachim Stünker Es handelt sich daher bei unserem Thema nicht, wie gestern zu lesen war, um ein von der Politik künstlich aufgebautes Thema, sondern, wie wir alle wissen, um ein Thema, das die Menschen in diesem Lande zunehmend brennend beschäftigt. Jeder Politiker, der dazu Veranstaltungen durchführt, weiß, dass bei einer solchen Veranstaltung der Saal voll ist. Darum die Frage: Bringt denn eine gesetzliche Neuregelung für die Zukunft Rechtssicherheit? Ich sage: Ja, wenn es eine klar definierte materiellrechtliche Regelung zum zulässigen, verbindlichen Inhalt einer Patientenverfügung gibt. Nach dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung entfaltet eine Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch Gültigkeit in allen Lebensbereichen. Die Frage der Rechtswidrigkeit eines medizinischen Eingriffs wird im Strafrecht dadurch entschieden. Ich sage aber genauso deutlich Nein zu einer Regelung, die quasi nur einen Katalog der Voraussetzungen aufstellt, unter denen ein Mensch fordern kann, dass ein medizinischer Eingriff an ihm nicht vorgenommen wird. Das zum Beispiel wäre eine Regelung mit einer abgestuften Reichweitenbeschränkung. Dies würde nur neue Rechtsunsicherheit bedeuten und, wie ich meine, ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Vormundschaftsgerichte sein. Ich betone daher: Gar keine Regelung ist besser als eine schlechte gesetzliche Neuregelung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1609100100

(Beifall im ganzen Hause)





(A) )


(B) )


(Jörg van Essen [FDP]: Ja, sehr richtig!)


Wie müsste eine mich überzeugende Neuregelung
aussehen? Im Mittelpunkt müsste das uneingeschränkte
Selbstbestimmungsrecht des Patienten stehen. Art. 2
Abs. 2 Satz 1 und 2 unseres Grundgesetzes bestimmen:

Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Un-
versehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletz-
lich.

Daraus folgt: Jeder Patient hat das Recht, sich für oder
gegen eine medizinische Behandlung zu entscheiden und
gegebenenfalls deren Umfang zu bestimmen. Dieser
Grundsatz gilt auch für den antizipierten Willen. Daraus
folgt, dass der sicher festgestellte Wille des Patienten un-
abhängig von Art oder Stadium einer Erkrankung zu be-
achten ist. Eine Regelung, wonach eine Patientenverfü-
gung nur in dem Fall verbindlich ist, wenn das
Grundleiden des Betreuten nach ärztlicher Überzeugung
bereits unumkehrbar einen tödlichen Verlauf angenom-
men hat, genügt dem Selbstbestimmungsrecht nicht und
ist deshalb meiner Meinung nach mit Nachdruck abzu-
lehnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine Patientenverfügung mit einer Reichweitenbe-
schränkung ist nach meiner Überzeugung mit unserer
Rechtsordnung nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Unsere Rechtsordnung hat den philosophischen Mei-
nungsstreit zwischen Determinismus und Indeterminis-
mus eindeutig entschieden. Unsere Rechtsordnung be-

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(C (D uht darauf, dass der Mensch auf freie, verantwortliche, ittliche Selbstbestimmung angelegt und deshalb befäigt ist, sich für das Recht und gegen das Unrecht zu entcheiden und sein Verhalten an den Normen des rechtlihen Sollens auszurichten. Daraus folgt zum Beispiel, ass der Staat bei Überschreitung dieser Normen das echt zum Strafen hat. Das ist der tiefste Eingriff, den ch in die Freiheitsrechte vornehmen kann. Der Umkehrschluss ist aber genauso zwingend: Der taat hat es zu achten und darf sich nicht einmischen, enn sich das Individuum in seinem Verhalten an diesen ormen des rechtlichen Sollens ausrichtet. Das Grundesetz garantiert daher ein Recht auf Leben, es begrünet aber keine Pflicht, zu leben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


nsonsten müsste der Suizid strafbewehrt sein, was wir
lle nicht wollen. Der Staat darf das Leben nie gegen den
rklärten Patientenwillen schützen, wenn er denn frei
nd von einer geschäftsfähigen Person bestimmt worden
st.

Die Patientenverfügung findet nach dem Grundgesetz
hre Grenze allein in der Verletzung der Rechte anderer

enschen. Hierzu hat die höchstrichterliche Rechtspre-
hung, ebenfalls unter Berufung auf die Verfassung, fest-
estellt, dass ein Patient mit dem Verbot einer künstlichen
ebensverlängerung niemals die Rechte von Ärzten, Pfle-
ekräften oder Angehörigen verletzen kann. Vielmehr
erletzten diese sein Selbstbestimmungsrecht und seine
örperliche Integrität, wenn sie eine solche Lebensverlän-
erung gegen den Patientenwillen aus Gewissensgründen
urchführten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch die Beurteilung der Pflicht des Staates zum
ebensschutz führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese
flicht bedeutet, dass eine Patientenverfügung so ausge-
taltet sein muss, dass der Missbrauch dieser Patienten-
erfügung weitgehend ausgeschlossen werden kann.
eshalb postuliert die heutige Rechtsprechung, auf die

ch bereits Bezug genommen habe, entgegen anderslau-
ender Interpretationen nach herrschender Meinung
eine Reichweitenbeschränkung einer Patientenverfü-
ung.

Rund um diesen Kernbereich, den ich zu skizzieren
ersucht habe, bedarf es deshalb klarer Regelungen zur
rmittlung des freien Willens des Patienten. Ich will
ie Eckpunkte dieser Regelung kurz skizzieren: Der Be-
roffene muss vor Unterzeichnung der Patientenverfü-
ung ein breites Beratungs- und Informationsangebot
ur Verfügung haben, er muss volljährig und geschäfts-
ähig sein, die Patientenverfügung muss immer den ak-
uellen oder aktuellsten Willen widerspiegeln, der Arzt
nd der Betreuer oder der Bevollmächtigte haben in der
onkreten Krankheitssituation des Patienten festzustel-
en, ob die in der Patientenverfügung niedergelegten Vo-
aussetzungen für die Einwilligung in einen ärztlichen
ingriff oder eine ärztliche Heilbehandlung bzw. für de-

en Untersagung vorliegen, und nur bei Nichtverständi-






(A) )



(B) )


Joachim Stünker
gung, beim Dissens zwischen Arzt und Betreuer ist das
Vormundschaftsgericht einzuschalten.

Die Patientenverfügung muss zu ihrer Verbindlichkeit
schriftlich abgefasst sein. Anderenfalls ist von Arzt und
Betreuer der mutmaßliche Wille des Patienten zu er-
mitteln. Bei dieser Ermittlung sind insbesondere frühere
mündliche und schriftliche Äußerungen, seine ethischen
und religiösen Überzeugungen sowie persönliche Wert-
vorstellungen, die verbleibende Lebenserwartung und
das Maß der zu erleidenden Schmerzen zu berücksichti-
gen.

Die Patientenverfügung ist jederzeit formlos wider-
rufbar. Hierzu genügt die natürliche Willensbekun-
dung – ich betone: natürliche –, nicht die rechtsfähige
Willensbekundung. Das heißt, auch ein Dementer kann
natürlichen Lebenswillen äußern.

Wir müssen klar zum Ausdruck bringen, dass die Für-
sorgepflicht der Ärzte für ihre Patienten die Achtung des
Selbstbestimmungsrechts einschließt. Eine so skizzierte
und normierte Patientenverfügung entspricht im Übrigen
der Position der Bundesärztekammer; so habe jedenfalls
ich deren Papier verstanden, das uns allen in diesen Ta-
gen zugegangen ist.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)


Die Rechtspolitiker der SPD-Fraktion haben zusam-
men mit dem Bundesministerium der Justiz und Frau
Ministerin Zypries eine so skizzierte Patientenverfügung
in einem Gesetzentwurf vorgelegt. Wir werben für die-
sen Entwurf. Mit Kolleginnen und Kollegen der Fraktio-
nen der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen sind
wir im Gespräch. Ich bin sicher, dass wir Ihnen nach den
Gesprächen, nach der Osterpause hierzu einen gemein-
samen Gruppenantrag vorlegen werden. Wir werden
dann gemeinsam darüber diskutieren.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine Anmer-
kung machen: In der öffentlichen Diskussion, aber auch
in der Diskussion in diesem Hohen Hause sollten wir
eine Verwechslung nicht vornehmen: Wenn wir über die
Rechtsverbindlichkeit einer Patientenverfügung disku-
tieren, reden wir nicht über aktive Sterbehilfe.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Tötung auf Verlangen nach § 216 des Strafgesetzbu-
ches bleibt ausdrücklich strafbewehrt. Wir reden auch
nicht darüber, dass der Gesetzgeber, dass wir und damit
der Staat letzten Endes die Menschen massenhaft dazu
bringen wollen, Patientenverfügungen zu machen. Das
muss jeder Einzelne für sich entscheiden. All jenen Men-
schen, die keine Patientenverfügung machen, haben wir
nicht hineinzureden. Aber die, die für sich entscheiden,
eine zu machen, haben einen Anspruch darauf, dass ihr
verfassungsrechtlich garantiertes Selbstbestimmungsrecht
von uns und damit vom Staat beachtet wird.

Schönen Dank.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609100200

Herr Kollege Stünker, ich gratuliere Ihnen herzlich

u Ihrem heutigen Geburtstag, verbunden mit allen gu-
en Wünschen, nicht nur für das neue Lebensjahr.


(Beifall – Joachim Stünker [SPD]: Danke!)


Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Bosbach
ür die CDU/CSU-Fraktion.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1609100300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

asziniert bewundern wir alle die beeindruckenden Fort-
chritte der modernen Medizin, den rasanten medizi-
isch-technischen Fortschritt, aber auch die großartige
eilkunst der Ärztinnen und Ärzte. Die neuen, scheinbar
renzenlosen Möglichkeiten der modernen Medizin kön-
en aber nicht nur das Leben verlängern, sondern auch
as Leiden und Sterben. Die Hoffnungen und Befürch-
ungen der Menschen liegen hier nahe beieinander. Je
eeindruckender die medizinischen Möglichkeiten sind,
esto eher erfahren wir den Tod nicht mehr als schicksal-
aft, sondern als das Ergebnis menschlicher Entschei-
ung.

Beim Thema Lebensende gab es immer Fragen, die
ns Menschen zu allen Zeiten begleitet haben. Werden
ir friedlich einschlafen? Werden wir lange leiden?
erde ich den Tod annehmen können, oder versuche

ch, gegen ihn anzukämpfen? Mit neuen Behandlungs-
öglichkeiten stellen sich auch immer neue Fragen.
erde ich vielleicht selbst dann noch behandelt, wenn

ede Hoffnung auf ein bewusstes Leben vergeblich ist?
ird mein Wille respektiert und können die Ärzte und

lle, die mir nahestehen, mir dabei helfen, in Würde zu
terben? Der Staat kann keine Antworten auf alle Fragen
eben. Aber er hat die Aufgabe, die Rahmenbedingun-
en dafür zu schaffen, dass die Menschenwürdegarantie
nserer Verfassung im Leben wie auch im Sterben be-
chtet wird.

Der Staat muss dafür Sorge tragen, dass das Selbstbe-
timmungsrecht des Patienten auch dann zur Geltung
ommt, wenn er zu einer bewussten Entscheidung nicht
ehr in der Lage ist.

Der Gesetzgeber schuldet den Angehörigen, den Ärz-
en, den Pflegekräften und den rechtlichen Vertretern des
atienten die Gewissheit, dass alle unter sicheren recht-

ichen Rahmenbedingungen handeln und auf sicherer
echtsgrundlage Entscheidungen treffen. Bei Fragen
on Leben und Tod, um die es heute geht, darf es keine
echtlichen Grauzonen geben.

Damit der Wille des Patienten auch dann noch beach-
et wird, wenn er diesen krankheitsbedingt nicht mehr
ußern kann, haben viele Menschen in den letzten Jahren
atientenverfügungen verfasst; die diesbezüglichen
chätzungen schwanken zwischen mindestens 2 und
irca 8 Millionen. Parallel dazu gibt es eine Rechtspre-
hung, und zwar sowohl der Zivil- als auch der Strafge-






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach
richte, die sich intensiv mit dem Selbstbestimmungs-
recht des Patienten und der Lebensschutzpflicht des
Staates beschäftigt, die aber ganz unterschiedlich inter-
pretiert wird.

Vor diesem Hintergrund diskutieren wir in Staat und
Gesellschaft seit vielen Jahren über die Notwendigkeit
der Schaffung einer klaren rechtlichen Regelung. Die
heutige Debatte soll das in Kürze beginnende Gesetzge-
bungsverfahren vorbereiten. Gemeinsam mit vielen an-
deren Kolleginnen und Kollegen haben René Röspel,
Josef Winkler, Otto Fricke und ich vor wenigen Tagen
einen eigenen Gruppenantrag vorgestellt. Es kann nicht
Aufgabe dieser Debatte sein, jede einzelne darin getrof-
fene Regelung näher zu erläutern. Deshalb möchte ich
mich auf die Grundzüge konzentrieren.

In fast allen Gesprächen, die man mit Bürgern oder
Journalisten über dieses Thema führt, wird nach weni-
gen Sekunden die Frage gestellt: Sind Sie für das Selbst-
bestimmungsrecht des Patienten oder für den Schutz des
Lebens auch gegen dessen Willen? Das hört sich an, als
seien Selbstbestimmung und Lebensschutz Gegensätze.
Das sind aber keine Gegensätze. Unser Gruppenantrag
will beiden Prinzipien Geltung verschaffen: das Selbst-
bestimmungsrecht des Patienten stärken und sein Wohl
schützen. Das sollte übrigens die Aufgabe von Staat und
Gesellschaft sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir schlagen im Hinblick auf die Wirksamkeit einer
Patientenverfügung zwar die Schriftform vor, verzich-
ten aber auf weitere formelle Voraussetzungen. Natürlich
wären eine vorherige ärztliche Aufklärung und eine re-
gelmäßige Aktualisierung sinnvoll – dafür sollten wir
auch im Parlament werben –, aber wir sollten beides
nicht zur rechtlichen Voraussetzung für die Wirksamkeit
einer Patientenverfügung machen. Jede weitere Hürde
oberhalb der Schriftform würde die Zahl der gewollten,
aber rechtlich nicht verbindlichen Patientenverfügungen
erhöhen. Der Respekt vor dem Selbstbestimmungsrecht
des Einzelnen gebietet es, die Abfassung wirksamer Pa-
tientenverfügungen für jedermann so leicht wie möglich
zu machen.

Dass wir die Schriftform vorschlagen, bedeutet aber
nicht, dass man den einmal verfügten Willen nur schrift-
lich widerrufen kann. Wenn der Patient, aus welchen
Gründen auch immer, nicht mehr an seiner Verfügung
festhalten will, dann müssen auch eine mündliche Äuße-
rung oder der durch Zeichen oder Gesten erkennbare Le-
benswille ausreichend sein, um die vorherige schriftliche
Verfügung außer Kraft zu setzen. In einem solchen Fall
verdrängt der aktuelle Patientenwille, der immer Vorrang
vor vorherigen Festlegungen haben muss, jede frühere
Verfügung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Darüber hinaus wollen wir sicherstellen, dass der
nicht mehr äußerungsfähige Patient bei einem erkennba-

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(C (D en Irrtum bei der Abfassung seiner Verfügung nicht an hrem Inhalt festgehalten wird. Wenn Grund zur Anahme besteht, dass sich der Patient in der Situation, in er er sich im Moment befindet, anders entschieden ätte, dann darf man ihn nicht an seine frühere Erklärung inden. Die Beendigung eines Lebens darf man nie auf rrtum stützen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In unserem Antrag wird deutlich gemacht, dass In-
alte einer Patientenverfügung, die gegen ein gesetzli-
hes Verbot verstoßen, zum Beispiel gegen das Verbot
er Tötung auf Verlangen, nicht wirksam sind. Das ist
eine unzulässige Einschränkung des Selbstbestim-
ungsrechts.


(Joachim Stünker [SPD]: Das sagt auch keiner!)


ie Zivilrechtsordnung darf nicht das erlauben, was das
trafrecht ausdrücklich verbietet.

Obwohl die Einzelfragen von großer Bedeutung sind,
reht sich die öffentliche Debatte fast ausschließlich um
ie Reichweitenbegrenzung. Man hat den Eindruck, als
eien wir aufgerufen, nur über diese eine Frage zu ent-
cheiden. Eine Begrenzung der Reichweite einer Patien-
enverfügung ist nach unserer Überzeugung nicht nur
erfassungsrechtlich zulässig, sondern auch zum Wohle
es Patienten erforderlich. Natürlich wissen wir, dass es
eicht ist, daran Kritik zu üben – das liegt schon in der
atur der Sache –: Wer für Schrankenlosigkeit plädiert,
er muss nur, ohne dies begründen zu müssen, darauf
inweisen, dass der Inhalt einer Patientenverfügung
usdruck des Selbstbestimmungsrechts des Menschen

st. Welcher Bürger würde nicht gerne seine eigenen An-
elegenheiten selber regeln, ohne staatliche Bevormun-
ung? Das klingt auf den ersten Blick ganz plausibel.
ber nur auf den ersten Blick. Denn das ändert sich

chlagartig, wenn man die sich aus dieser Haltung
wangsläufig ergebenden Risiken für die betroffenen Pa-
ienten genauer ansieht. Diese Risiken sind nämlich er-
eblich.

Bei der Patientenverfügung geht es nicht um den ak-
uellen Willen des Patienten in einer Krankheitssituation,
ie er just in diesem Moment erfährt, erduldet, erleidet.
er aktuelle – wohlgemerkt: der aktuelle – Wille des Pa-

ienten ist immer und unter allen Umständen zu beach-
en. Selbst wenn die Ärzte oder die Angehörigen der
uffassung sind, dass der Patient sich objektiv unver-
ünftig, gegen sein Wohl entscheidet, ist die Entschei-
ung des Patienten verbindlich und muss von allen
espektiert werden, selbst dann hat das Selbstbestim-
ungsrecht des Patienten Vorrang vor dem Willen ande-

er. Das war immer so, und das wird sich auch durch un-
eren Entwurf nicht ändern.

Im vorliegenden Fall geht es aber um eine antizi-
ierte, um eine vorweggenommene Entscheidung für
ine später vielleicht eintretende Erkrankung, mit der die
etroffenen, jedenfalls in den meisten Fällen, noch keine
igene, persönliche Erfahrung als Patienten gemacht






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach
haben. Dann beruhen die Erklärungen auf Erwartungen
oder Befürchtungen, nicht auf persönlichen Erfahrun-
gen. Misstrauen wir Erklärungen, hinter denen keine ei-
gene, persönliche Erfahrung steht! Das ist bei den aktu-
ellen Äußerungen eines Patienten anders: Er kann
aufgeklärt werden, der Arzt kann ihm sagen, welche Ri-
siken sich bei einer Behandlung ergeben können, aber
auch, welche Heilungschancen er hat. Das alles ist bei
einer vorweggenommenen Erklärung nicht möglich: Er
kann nichts erfragen, er kann nichts erfahren, man würde
ihn an seiner vorherigen, schriftlichen Festlegung fest-
binden.

Deshalb darf auch die Rechtsordnung den aktuellen
Willen eines Patienten nicht gleichsetzen mit einer Ver-
fügung, die er 15 Jahre zuvor einmal verfasst hat. Ich
verkenne nicht, dass der damalige Wille der aktuelle
Wille sein kann; das ist möglich. Aber es ist genauso gut
möglich, dass er nicht mehr der aktuelle Wille ist. Wir
wissen es nicht. Bei einem im Voraus erklärten Willen
weiß man nie mit letzter Sicherheit, ob er dem aktuellen
Willen des Betroffenen entspricht. Darum kann der anti-
zipierte, der in einer Patientenverfügung vorweggenom-
mene Wille nicht so behandelt werden wie der aktuelle
Wille eines Patienten, der ganz konkret eine Krankheit
hat und sich in Kenntnis aller Umstände für oder gegen
eine Behandlung entscheiden kann.

Es ist keine kühne Behauptung, es ist alltägliche Er-
fahrung, dass die aktuellen Wünsche eines Patienten
vom früher Geäußerten abweichen können. Menschen,
deren Leben entgegen einem früheren Entschluss geret-
tet wurde, sind mit ihrer Rettung im Nachhinein sehr oft
einverstanden. Jetzt bitte nicht sagen: „Dem Patienten
geschieht doch kein Leid; denn die Beendigung der le-
benserhaltenden Maßnahmen beruht doch nur auf dem,
was er selber einmal vorher geschrieben hat“; denn da-
hinter steht, zumindest unausgesprochen, der Gedanke:
selber schuld – es muss ja niemand eine Patientenverfü-
gung verfassen.

Wir hatten gestern Nachmittag ein Symposium bei
der Konrad-Adenauer-Stiftung. Da hat ein bekannter
Palliativmediziner uns gesagt: Ihr unterstellt immer, es
gibt den bewusstlosen Patienten und es gibt den Patien-
ten, der äußerungsfähig ist. Es gibt aber auch den Patien-
ten, der äußerungsfähig ist und eine Patientenverfügung
hat. Die Fälle, in denen ein äußerungsfähiger Patient so
behandelt werden wollte, wie er zuvor schriftlich festge-
legt hatte, kann ich am Daumen einer einzigen Hand ab-
zählen. – Er selber habe in seiner ärztlichen Praxis also
erst einen einzigen Fall gehabt, wo der Patient nach ärzt-
licher Beratung gesagt habe: Nein, es soll so bleiben, wie
ich zuvor schriftlich festgelegt habe. – Ein Kollege, der
neben ihm saß, hat sogar gesagt, er könne sich an keinen
einzigen solchen Fall erinnern. In den allermeisten Fäl-
len hätten die Betroffenen von ihrer vorherigen Verfü-
gung Abstand genommen und sich nach ärztlicher Bera-
tung anders entschieden. Ebenso wenig, wie wir den
aktuellen und den vorweggenommenen Willen eines Pa-
tienten in Voraussetzung und Rechtsfolgen gleichsetzen
können, können wir irreversible Krankheiten mit tödli-
chem Verlauf bei infausten Prognosen gleichsetzen mit
heilbaren Erkrankungen. Im ersten Fall geht es um Hilfe

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(C (D um Sterben, um Verkürzung von Leiden. Im zweiten all geht es streng genommen nicht um Sterbehilfe, sonern um die Lebensbeendigung von Erkrankten, die an hrer Erkrankung nicht sterben müssten. Wenn Verfassungsgüter miteinander in Konkurrenz reten, dann wird durch die Rechtsordnung nicht verangt, dass das eine Verfassungsgut das andere verrängt, sich also durchsetzt, sondern der Gesetzgeber ist erpflichtet, nach einem schonenden Ausgleich zu suhen: hier zwischen dem Selbstbestimmungsrecht des inzelnen und der Lebensschutzpflicht des Staates. Der Gesetzgeber kann nicht alles im Leben regeln, nd niemand hat die Absicht, das Sterben zu normieren der gar den Ärzten ihre Verantwortung oder den Patienen ihre Selbstbestimmung zu nehmen. Das wollen auch ie Kolleginnen und Kollegen nicht, die diesen Grupenentwurf gemeinsam vorstellen. Das Mögliche müsen wir aber schon regeln. Das schulden wir insbesonere den Schwachen und Hilflosen, die sich nicht selber elfen können. Ihnen gebührt in erster Linie der Schutz urch Staat und Gesellschaft. Danke fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609100400

Ich erteile dem Kollegen Michael Kauch für die FDP-

raktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1609100500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Men-

chenwürdig leben bis zuletzt – das war das Leitmotiv
er Enquete-Kommission „Ethik und Recht der moder-
en Medizin“ in der letzten Wahlperiode, der ich ange-
ören durfte.

Dieses Leitmotiv – Menschwürdig leben bis zuletzt –
uss auch Leitmotiv dieser Debatte sein; denn der Ster-

eprozess ist Teil des Lebens. Es ist unser aller Aufgabe,
it sterbenden Menschen Solidarität zu üben und sie

icht alleinzulassen. Das gilt persönlich genauso wie po-
itisch; denn sie gehören zu den Schwächsten in unserer
esellschaft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sprechen heute über mehr Selbstbestimmung
urch Patientenverfügungen. Dabei müssen wir erken-
en, dass das ein Baustein einer Politik für ein men-
chenwürdiges Leben bis zuletzt ist, aber eben nur ein
austein. Wir brauchen mehr Qualität in der Pflege, wir
rauchen ein Gesundheitssystem, mit dem wir nicht se-
enden Auges in die Rationierung laufen, wir brauchen
ehr menschliche Zuwendung für Sterbende, und wir

rauchen gerade auch für die Menschen, die zu Hause
terben wollen, eine professionelle, leidmindernde Pal-
iativmedizin nicht nur in wenigen Zentren, sondern in
er Fläche.






(A) )



(B) )


Michael Kauch

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit der Finanzierung der ambulanten palliativmedi-
zinischen Versorgung ist ein Anfang gemacht. Jetzt
kommt es darauf an, dass wir auch in der Aus- und Wei-
terbildung von Ärzten und Pflegekräften hier Akzente
setzen. All diese Maßnahmen sind aber kein Gegensatz
zu einer Politik für mehr Patientenautonomie. Beides
gehört zusammen: das Angebot einer optimalen Versor-
gung an die Gesellschaft, aber eben auch die Freiheit des
Einzelnen, bestimmte Behandlungen, die er nicht
wünscht, auch ablehnen zu dürfen. Selbstbestimmung ist
nämlich untrennbarer Teil der Menschenwürde.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eines möchte ich klarstellen – auch der Kollege
Stünker hat das bereits getan –: Wir reden hier nicht über
aktive Sterbehilfe.


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Richtig!)


Wir reden nicht über das gezielte Töten eines Menschen.
Es geht auch nicht um die Verweigerung indizierter me-
dizinischer Maßnahmen. Es geht nicht um Töten, es geht
um Sterbenlassen.


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


Es geht darum, der Natur ihren Lauf zu lassen, wenn der
Patient das wünscht.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bereits 2004 und 2006 haben die Liberalen als bisher
einzige Fraktion einen Antrag zur Stärkung der Patien-
tenautonomie und Patientenverfügungen in den Deut-
schen Bundestag eingebracht. Leitbild unseres Antrages
ist dabei das Bild eines Menschen, der über sein Leben
auch in existenziellen Fragen so weit wie möglich selbst
entscheiden kann. Mit diesem Menschenbild geben wir
der Selbstbestimmung Vorrang vor anderen Überlegun-
gen, seien sie auch noch so fürsorglich motiviert. Das ist
die eigentliche Trennlinie zwischen den Lagern, die sich
hier in dieser Debatte abzeichnen. Die eine Seite nimmt
fürsorglichen Paternalismus mit Zwangsbehandlung in
Kauf, die andere Seite vertraut auf die Kraft und die Ur-
teilsfähigkeit des einzelnen Menschen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD – Zurufe von der Linken)


Um es klar zu sagen: Wir haben keine naive Vorstel-
lung von der Selbstbestimmung eines autonom han-
delnden Individuums. Natürlich ist der Mensch einge-
bunden in Beziehungen und auch in innere Zwänge.
Gerade bei Patientenverfügungen kommt ein anderer
Aspekt hinzu: Man verfügt etwas für die Zukunft, was
man nicht genau abschätzen kann. Der vorausverfügte
Wille ist immer schwächer als der aktuell verfügte.

Aber was ist die Alternative? Die Alternative zum vo-
rausverfügten Willen unter Unsicherheit ist, dass ein

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(C (D ritter für einen selbst entscheidet. Die Alternative ist ie Fremdbestimmung des Menschen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ei aller Relativierung des autonom handelnden Men-
chen: Wir entscheiden uns deshalb für die Selbstbestim-
ung.

Die moderne Medizin hat viele Möglichkeiten ge-
chaffen, die man sich vor 50 Jahren noch nicht vorstel-
en konnte. Für viele Menschen ist das ein Geschenk, für
iele ist es aber auch eine Qual. Ob es als Geschenk oder
ual empfunden wird, kann nur jeder Einzelne für sich

elbst entscheiden und nicht der Deutsche Bundestag.


(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jede medizinische Maßnahme, nicht aber der Verzicht
arauf, ist durch die Einwilligung des Patienten zu recht-
ertigen. Eine Zwangsbehandlung ist Körperverletzung,
ie strafrechtlich bewehrt ist. Dies gilt im Grundsatz für
en nichteinwilligungsfähigen Menschen.

Niemand muss eine Patientenverfügung abfassen. Je-
er hat das Recht, auch existenzielle Entscheidungen
einem gesetzlichen Vertreter zu überlassen. Doch wer
lar weiß, was er will und was er nicht will, dessen Ver-
ügung muss geachtet werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für die große Mehrheit der FDP-Abgeordneten
ommt deshalb eine Begrenzung der Reichweite von
atientenverfügungen nicht infrage. Eine Begrenzung
er Reichweite auf irreversibel zum Tode führende Er-
rankungen liefert Patientinnen und Patienten in be-
timmten Fällen Zwangsbehandlungen gegen ihren er-
lärten Willen aus. Denn diese Rechtsfigur macht
atientenrechte von einer ärztlichen Prognose abhängig,
eren Verlässlichkeit nicht in allen Fällen garantiert wer-
en kann. Das gilt analog auch für die Erweiterung im
ntwurf von Herrn Bosbach auf Zustände der Bewusst-

osigkeit, bei denen mit an Sicherheit grenzender Wahr-
cheinlichkeit das Bewusstsein nicht wiedererlangt wer-
en kann. Wie machen Sie denn diese Sicherheit fest?
er eine Arzt sagt 99 Prozent, der nächste 95 Prozent
nd der dritte 90 Prozent.


(Widerspruch des Abg. Wolfgang Bosbach [CDU/CSU])


ann ist die Wahrscheinlichkeit groß genug, und wann
wingen sie den Patienten trotz gegenteiliger Verfügung,
eiter künstlich am Leben gehalten zu werden?

Eine Reichweitenbegrenzung bedeutet auch, dass ge-
en den Willen der Patienten Magensonden gelegt, Seh-
en zerschnitten und Antibiotika verabreicht werden.
as hat mit Selbstbestimmung nichts, aber auch gar
ichts zu tun.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Michael Kauch
Auch über religiös motivierte Behandlungsbeschrän-
kungen setzen Sie sich hinweg. Wenn ein Zeuge Jehovas
verfügt, keine Bluttransfusionen zu wollen, weil das ge-
gen seine religiöse Überzeugung verstößt, dann ist das
aktuell wirksam. Warum endet die Religionsfreiheit in
Ihrem Entwurf dann, wenn die Bewusstlosigkeit eintritt?
Das ist – auch bei einer christlichen Partei – nicht hin-
nehmbar.

Nehmen Sie als weiteres Beispiel einen 85-jährigen
Patienten, der nach einem Herzinfarkt schon einmal wie-
derbelebt wurde. Er weiß genau, dass bei einer weiteren
Wiederbelebung nach einem Herzinfarkt die Wahr-
scheinlichkeit hoch ist, einen Gehirnschaden zu erleiden.
Wollen Sie diesem Patienten, wenn er verfügt, keine
Wiederbelebung zu versuchen, weil er in seinen letzten
Jahren nicht dahinvegetieren will, wirklich sagen: „Das
darfst du nicht, weil wir das für falsch halten“? Das kann
nicht Inhalt eines Gesetzes sein, das wir zugunsten von
Patientenrechten verabschieden wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


Kernforderung unseres Antrags und zahlreicher Kol-
legen anderer Fraktionen ist es deshalb, Therapiewün-
sche, Therapiebegrenzungen und Therapieverbote durch
eine Patientenverfügung für jeden Zeitpunkt eines
Krankheitsverlaufes zuzulassen. Voraussetzung ist, dass
die Patientenverfügung hinreichend klar formuliert ist
und es keine offenkundigen – auch nonverbalen – Äuße-
rungen des Patienten gibt, die dagegensprechen. Bei
manchen Formen der Demenz wird man daran Zweifel
haben müssen. Insofern ist es unser Anliegen, dass ein
Gesetzentwurf dies berücksichtigt. In Zweifelsfällen
muss dann pro vita entschieden werden.

Wir möchten, dass die Patientenverfügung schriftlich
verfasst wird, aber wir lehnen eine Pflicht zur regelmäßi-
gen Aktualisierung nach dem Motto „Wenn seit der Un-
terschrift zwei Jahre vergangen sind, dann ist sie ungül-
tig“ ab. Das entspricht nicht der Lebensrealität gerade
älterer Menschen. Wir können nicht sagen: Wenn du ver-
gessen hast, die Patientenverfügung wieder zu unter-
schreiben, dann legen wir sie beiseite und beachten sie
nicht.

Auch eine generelle Beratungspflicht ist nicht prakti-
kabel. Ich selbst habe diese einmal befürwortet, aber alle
Experten – von den Kirchen bis zu den sonstigen Bera-
tungsstellen – sagen, dass man eine solche Pflicht nicht
ins Gesetz schreiben kann.

Wir müssen aber dafür werben, dass es in dieser Ge-
sellschaft mehr Aufklärung gibt über die Möglichkeiten,
die die moderne Palliativmedizin und neue Behand-
lungsmethoden bieten. Denn je aufgeklärter ein Mensch
ist, desto selbstbestimmter kann er Entscheidungen tref-
fen.

Darüber hinaus sprechen wir uns dafür aus, bei einer
schriftlichen Patientenverfügung die Zuständigkeit des
Vormundschaftsgerichtes einzuschränken. Nur im
Konfliktfall zwischen dem behandelnden Arzt und dem
gesetzlichen Vertreter soll das Vormundschaftsgericht
eingeschaltet werden. Dabei ist für uns in unserem An-

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(C (D rag wichtig, dass zuvor die Pflegekräfte und die nächsen Angehörigen zumindest angehört wurden. Wenn sie ann mit einer Betreuerentscheidung nicht einverstanden ind, können sie das Vormundschaftsgericht anrufen. amit gibt es eine zusätzliche Missbrauchskontrolle in em Verfahren. Meine Damen und Herren, die Verbindlichkeit und er Anwendungsbereich von Patientenverfügungen müsen endlich neu geregelt werden. Es herrscht verbreitete echtsunsicherheit über die Auslegung der Entscheiungen des Bundesgerichtshofs. Erst gestern habe ich s erlebt, dass eine Ärztin in einer Radiosendung angeruen hat, die gerade von einer Fortbildung über die rechtichen Fragen in diesem Bereich kam. Mir standen die enigen Haare, die mir verblieben sind, wirklich zu erge. Was dort gesagt wurde, entsprach absolut nicht em, was der Bundesgerichtshof entschieden hat. Die echtsunsicherheit, gerade unter den Ärzten, ist groß. mso mehr ist eine gesetzliche Regelung erforderlich, m Klarheit in diesem Bereich zu schaffen. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, wir werden jetzt versu-
hen, die Anliegen, die wir in unserem Antrag formuliert
aben, mit den Kolleginnen und Kollegen aus den ande-
en Fraktionen in einen Gesetzentwurf zu gießen. Unsere
eitlinie ist dabei die Selbstbestimmung des Patienten.

ch lade Sie ein, mit uns gemeinsam diesen Gesetzent-
urf zu formulieren.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609100600

Monika Knoche ist die nächste Rednerin für die Frak-

ion Die Linke.


Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609100700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da-

en! Wir brauchen diese Debatte, aber brauchen wir
uch ein Gesetz?

Es geht um das gute Sterben. Ist das Vertrauen in die
edizin erschüttert? Ist die Gewissheit verloren gegan-

en, in schwersten Krankheitszuständen und in der Nähe
es Todes eine fürsorgende, angepasste medizinische
ehandlung zu bekommen? Oder ist gar das Gegenteil
er Fall? Treibt die Menschen die Angst um, überthera-
iert nicht sterben zu dürfen? Wenn das der Fall wäre,
ätten wir in Deutschland einen schwerwiegenden Ver-
ust des Humanen und eine Kulturlosigkeit des Sterbens
u beklagen.

Das allerdings wäre mit keiner Form der Verrechtli-
hung der Selbstbestimmung zu beheben. Gäbe es einen
olchen Werteverfall, wäre die Propagierung von Patien-






(A) )



(B) )


Monika Knoche
tenverfügungen für Behandlungsunterlassung unmora-
lisch. Darum kann es nicht gehen.

Es gibt die Angst, bei einem Leben im Wachkoma, bei
fortgeschrittener Demenz die Würde, die Selbstachtung
und den Respekt anderer zu verlieren, und deshalb den
Wunsch, lieber sterben zu wollen. Trifft das alles zu?
Dann ist es die vordringlichste Aufgabe, über die Pallia-
tivmedizin, die medizinischen Behandlungsrichtlinien
und die großen Möglichkeiten der Gerontopsychiatrie
umfassend aufzuklären, um unbegründete Ängste zu neh-
men.

Auch muss das Thema Pflege und Hospizarbeit zen-
tralen Stellenwert in der Gesellschaftspolitik bekommen.
Ich weiß, Familien brauchen Hilfe und Zeit, wenn sie
mit schwerstkranken Angehörigen zusammenleben. Die
Debatte darüber steht noch aus.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Der Wunsch nach einem würdigen Leben bis zuletzt
ist mit einem abstrakten rechtsphilosophischen Diskurs
– wie weit reicht die Autonomie? – und mit einem For-
mular nicht zu beantworten.

Dennoch, wir sprechen über das Selbstbestimmungs-
recht als den Kern des Menschenrechts – ein Grund-
recht, das sich im Zustand der Hilfebedürftigkeit und
Abhängigkeit durch Krankheit bewähren muss. Daneben
geht es aber auch um die Schutzpflicht des Staates für
das Leben eines jeden und einer jeden – unabhängig da-
von, wie sich dieses Leben zeigt. Schon heute ist die
Einwilligung in eine medizinische Behandlung oder die
Ablehnung einer solchen auch und gerade dann, wenn
Patienten in das Endstadium einer tödlich verlaufenden
Krankheit eingetreten sind, möglich. Der Informed
Consent, die informierte Zustimmung, ist Vorausset-
zung für das ärztliche Tun. Deshalb ist die Angst, an
Schläuchen zu hängen oder nicht sterben zu dürfen, ei-
gentlich nicht begründet; denn es gibt ärztliche Richtli-
nien zur Sterbebegleitung, die einzuhalten sind. Auch
die Angst, in Angst und Schmerz aus dem Leben zu
scheiden, sollte durch die Palliativmedizin gemindert
werden. Wir müssen also Sorge dafür tragen, dass diese
existenziellen Regeln in jedem Krankenhaus Anwen-
dung finden und dass die Palliativmedizin stationär wie
ambulant zum Standard in Deutschland wird.

Ärzte helfen im Sterben, aber Ärzte töten nicht. Sie
töten nicht auf Verlangen, und sie assistieren nicht bei ei-
nem Suizid. Von diesem Einvernehmen gehe ich aus.
Die Bundesärztekammer hat in diesen Tagen Empfeh-
lungen zum Umgang mit Patientenverfügungen heraus-
gegeben. Sie sagt: Jede Behandlung hat unter Wahrung
der Menschenwürde, der Achtung der Persönlichkeit,
des Willens und der Rechte der Patienten zu erfolgen.
Sie verweist darauf, wie vielfältig die Fragen am Ende
des Lebens sind und dass hochkomplexe und sehr indivi-
duelle Situationen das Lebensende charakterisieren kön-
nen und somit das Nichtwissen über das Kommende
nicht die Grundlage für eine rechtsverbindliche Verfü-
gung sein kann.

Wenn aber ein schwerkranker Mensch über den ab-
sehbaren Verlauf seiner Krankheit weiß, muss er vorab
verfügen können: Sollte meine Krankheit in einen Zu-

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(C (D tand der Nichteinwilligungsfähigkeit münden, soll eine Behandlung so oder so verlaufen. – Das ist eine arantie, die wir den Menschen geben müssen. Schon eute ist das durch Patientenverfügung und Vorsorgeollmacht möglich. Ich spreche also gegen eine Reicheitenbegrenzung in diesem Fall. Ganz anders denke ich über schwere Demenz, tiefe epression, schizophrene oder manische Schübe und ber Wachkoma. Allesamt sind das schwere Krankheitsilder, die oft zwingend einer Behandlung in dieser exisenziellen Notlage bedürfen. Hier kann das Freiheitssubekt nicht als Begründung für Behandlungsverzicht reifen. Das möchte ich all den Damen und Herren des eutschen Juristentages sagen. Die Entscheidung zum uizid kann nicht als Form von Freiheit und Autonomie ualifiziert werden. Das halte ich nachgerade für unverntwortlich. Ohne Selbstbestimmung können wir uns als Indiviuen aber gar nicht denken. Die Selbstbestimmung raucht gewissermaßen auch die Idee vom Ich. Dass rankheit die Identität und die Persönlichkeit ganz ver ndern kann oder dass man unter Umständen nie mehr iejenige oder derjenige sein kann, als die oder der man ich in gesunden Tagen denkt, löst tiefe Ängste aus. Geade Menschen in unserer Kultur fürchten den Verlust er kognitiven Fähigkeiten am meisten. Gerade deshalb abe ich große Probleme, bei irreversiblem Bewussteinsverlust den vorab geäußerten Willen mit Absoluteit durchzusetzen. Wenn der betreffende Mensch im oment der Anwendung seiner Verfügung nicht mehr erselbe ist, dann glaube ich nicht, dass verfassungsechtlich gesehen nichts anderes in Betracht kommt als ie Durchsetzung des vorab erklärten Willens. Auch die Ermittlung des mutmaßlichen Willens durch ritte passt nicht zu meinem Verständnis von voller elbstbestimmung; denn es ist unerlässlicher Bestandteil er Autonomie, sich in diesen letzten Dingen ganz zu erschweigen. Was können Angehörige wirklich voneiander wissen? Letztlich müssen und sollen Ärzte die öglichkeit haben, nach Maßgabe ihrer Kunst und in oher ethischer Verantwortung das Richtige zu tun. Meine Erwägungen münden bis jetzt in folgenden eststellungen: Wir brauchen keine bürokratische und eitere Verrechtlichung der Situation. Wir brauchen eine Reichweitenbegrenzung für Patientinnen und Paienten, die auf Grundlage eines Informed Consent Festegungen treffen, wann und wie sie bei einer tödlich veraufenden Krankheit einen Behandlungsabbruch oder ine Änderung des Behandlungsziels wollen. Auszuchließen davon sind Patienten mit Wachkoma, Demenz nd psychischen Erkrankungen. Diese Überlegungen finden sich derzeit in keinem der ekannten Gesetzentwürfe wieder. Ich werbe also für eien weiteren Antrag, halte es aber für durchaus denkbar, ass das Parlament nach ausgiebiger Beratung zu dem rgebnis kommt, dass es keines Gesetzentwurfes bedarf, m die Selbstbestimmung des Menschen zu sichern. Ich danke Ihnen. Das Wort erhält nun die Kollegin Irmingard Schewe Gerigk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)





(A) )


(B) )

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609100800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Würde des Menschen ist unantastbar – so der Art. 1 un-
seres Grundgesetzes. Aber wie steht es um die Würde al-
ter und kranker Menschen in unserem Lande? Viele kön-
nen in Pflegeheimen nicht in Würde leben, andere in
Krankenhäusern nicht in Würde sterben. Eine halbe Mil-
lion Menschen wird in Heimen dauerhaft künstlich er-
nährt, oft ohne medizinische Indikation oder gegen ihren
Willen.


(Zustimmung der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


In Krankenhäusern werden häufig Menschen durch die
Intensivmedizin am Sterben gehindert.

„Es hängt immer weniger von den Krankheiten selbst
ab, wann der Tod eintritt, sondern von medizinisch-ärzt-
lichen Maßnahmen“, sagt der Berliner Palliativmedizi-
ner Professor Christof Müller-Busch. So seien Sterben
und Tod zu einer medizinischen Aufgabe geworden, und
das Sterben in medizinischen Institutionen sei letztend-
lich immer nur dann möglich, wenn auf Maßnahmen
verzichtet werde, die zu einer – wenn auch begrenzten –
Lebensverlängerung beitragen könnten.

Aber gerade diese Verzichtentscheidung stellt an
alle hohe ethische Anforderungen. Solange ein einwilli-
gungsfähiger Mensch sich äußern kann, kann er oder sie
jederzeit einen ärztlichen Eingriff ablehnen, selbst dann,
wenn als Folge der Ablehnung der Tod eintritt. Das deut-
sche Recht stellt das Selbstbestimmungsrecht des Men-
schen über seinen Körper höher als die Schutzpflicht an-
derer über sein Leben. Das heißt, niemand hat das Recht,
gegen den Willen eines Patienten oder einer Patientin
eine Behandlung durchzusetzen; ansonsten macht er sich
strafbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Selbstbestimmungsrecht bildet auch die Grund-
lage dafür, im Voraus Verfügungen über gewünschte
oder unerwünschte Behandlungen für den Fall einer Ein-
willigungsunfähigkeit festzulegen. Die Verbindlichkeit
solcher Verfügungen wurde vom Bundesgerichtshof im
Jahre 2003 ausdrücklich bestätigt. Ungefähr 8 Millionen
Menschen haben davon Gebrauch gemacht.

Trotzdem herrscht nicht nur in der Bevölkerung große
Unsicherheit. Es existiert auch viel Unkenntnis in der
Medizin und bei den Gerichten. Bei einer Umfrage hiel-
ten die Hälfte der Ärzte, aber auch ein Drittel der Vor-
mundschaftsrichter die von einer Patientin gewollte Be-
endigung der künstlichen Beatmung für strafbare aktive
Sterbehilfe. Auch darum sind wir im Bundestag aufge-
fordert, die Patientenautonomie am Lebensende durch

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(C (D esetzliche Regelungen zu stärken und Rechtssicherheit u schaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Vorredner haben es gesagt: Das bedeutet nicht
en Einstieg in die aktive Sterbehilfe, wie das in der Ver-
angenheit vielfach behauptet wurde. Es stimmt auch
icht, dass jede Verfügung eins zu eins umgesetzt wird;
enn nur unter vier Voraussetzungen ist eine Patienten-
erfügung überhaupt wirksam. Erstens. Die in der Verfü-
ung beschriebene Situation stimmt mit der konkreten
ituation überein. Zweitens. Der Wille ist aktuell, und es
ibt keine Anzeichen einer Willensänderung. Drittens.
s liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Ver-

ügung unter Druck entstanden ist. Viertens. Es wird
eine aktive Sterbehilfe verlangt.

Anstelle einer lebensverlängernden Therapie muss
ann eine gute palliativmedizinische und pflegerische
ersorgung in den Vordergrund treten, wie sie auch in
ielen Hospizen geleistet wird. Ich habe den Eindruck,
is dahin sind wir uns in diesem Hause einig.

Aber die in den letzten Monaten mit großer Heftigkeit
eführte Auseinandersetzung drehte sich doch darum, ob
ine solche Patientenverfügung nur für den Fall Gültig-
eit haben darf, dass das Leiden einen irreversibel tödli-
hen Verlauf haben wird, wie es auch der Vorschlag des
ollegen Bosbach vorsieht. Genau wie vor kurzem drei
iertel der Befragten in einer Forsa-Umfrage sage ich
azu: Nein. Wenn ein einwilligungsfähiger Mensch le-
ensverlängernde Maßnahmen ablehnen kann, muss die-
er Wille auch geachtet werden, wenn die gleiche Person
hn im Voraus für eine bestimmte Situation festgelegt
at, in der sie keine Einwilligung mehr geben kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


chtet man den Willen, der aus einer Patientenverfü-
ung hervorgeht, nur im Falle eines tödlichen Verlaufs
es Leidens, dann bedeutet das für alle anderen eine un-
rlaubte Zwangsbehandlung. Eine Begrenzung der
eichweite auf Personen mit einer irreversibel tödlichen
rankheit lässt sich meines Erachtens nicht rechtferti-
en. Sie wirft nicht nur große medizinische Probleme
uf, wie uns in den letzten Tagen die Bundesärztekam-
er deutlich gemacht hat; sie wäre meines Erachtens

uch ethisch ohne Begründung und verfassungsrechtlich
nhaltbar. Bevor wir ein solches Gesetz beschließen,
ollten wir wirklich ganz darauf verzichten;


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


enn unser Grundgesetz verbietet jede Beschränkung der
elbstbestimmung, die nicht in der Verletzung anderer
egründet ist. Darum darf es keine Reichweitenbe-
chränkung geben. Ich erinnere, wie vorhin der Kollege
auch, an die Entscheidung des Bundesverfassungs-
erichts von 2002 zu einem Angehörigen der Zeugen
ehovas, der eine lebensrettende Bluttransfusion ab-
ehnte. Das gilt nicht nur in der aktuellen Situation, son-






(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk
dern das gilt auch, wenn diese Person nicht mehr äuße-
rungsfähig ist. Das wird akzeptiert, und ich frage Sie:
Warum soll ein religiös begründetes Behandlungsverbot
eines Zeugen Jehovas bedingungslos akzeptiert werden,
wenn man es für alle anderen Weltanschauungen unter
eine Bedingung stellt? Das ist doch wirklich nicht nach-
vollziehbar.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)


Die Diskussion um das Selbstbestimmungsrecht wirkt
immer sehr formal. Fragt man die Menschen, wie sie
sich ihr Sterben vorstellen, so wünschen sich die meisten
einen Abschied vom Leben in Würde, ohne Schmerzen
und im Beisein nahestehender Menschen. Zur Würde
kann neben einer einfühlsamen Behandlung das Respek-
tieren des Willens in einer Patientenverfügung beitragen.
Die Schmerzen können durch die Palliativmedizin weit-
gehend ausgeschaltet werden. Die Nähe von liebenden
Menschen aber bleibt ein Ziel.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609100900

Das Wort erhält nun die Bundesministerin der Justiz,

Brigitte Zypries.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1609101000

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Ich kann mich nicht daran erinnern,
dass ich in den letzten vier Jahren einmal so einer Mei-
nung mit Ihnen, Frau Schewe-Gerigk, war wie heute.

Diese Orientierungsdebatte, die wir heute führen, ist
eine wichtige Debatte, und sie soll Aufschluss über das
geben, was Frau Schewe-Gerigk ganz zum Schluss ge-
sagt hat, nämlich über die Frage, ob wir wirklich ein Ge-
setz brauchen oder nicht. Ich würde Ihnen und Herrn
Stünker, der das heute Morgen auch schon gesagt hat,
zustimmen: Ehe wir ein Gesetz machen, das eine Reich-
weitenbegrenzung vorsieht und damit, wie ich meine,
verfassungsrechtlich nicht zulässig wäre, sollten wir bes-
ser kein Gesetz machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Erwartungen, die die Menschen in unsere Debatte
heute und überhaupt zu diesem Thema haben, sind sehr
hoch. Es gibt kein anderes Thema, das die Menschen so
bewegt und zu dem wir so viel Post bekommen. Wir ha-
ben 700 000 Exemplare unserer Broschüre zur Patien-
tenverfügung in den letzten zweieinhalb Jahren in
Deutschland verschickt. Sie sehen, da besteht ein echter
Bedarf. Der Anlass dafür ist, wie Herr Bosbach heute
Morgen aufgezeigt hat – da sind wir uns im Befund einig –,
dass wir eine ausdifferenzierte Apparatemedizin haben,
die die Lebensverlängerung in einem hohen Maße er-
laubt und die, so schön sie in einer Notfallsituation ist,
vielen Menschen am Ende ihres Lebens Angst macht.
Die Menschen haben Angst davor, dass das, was früher

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(C (D blich war, nicht mehr geschieht, nämlich dass man dem ebenslauf entsprechend friedlich aus dem Leben scheiet, dass ein Mensch, der alt ist und dessen Herz einen tillstand hat, nicht so, wie es früher war, stirbt, sondern ass er im hohen Alter wiederbelebt und an Apparate aneschlossen wird. Diese Bedenken haben die Menschen. er Segen dieser Medizin macht gleichzeitig Angst. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich meine, es muss darum gehen, den Menschen diese
ngst zu nehmen und ihnen die Gewissheit zu geben,
ass ihr Selbstbestimmungsrecht auch in denjenigen Si-
uationen gilt, in denen sie sich nicht mehr äußern kön-
en. Wir sind uns einig: Solange man reden kann, so-
ange man durch Gesten bedeuten kann, was man will,
o lange darf niemand gegen seinen Willen behandelt
erden. Das ist Konsens hier im Haus. So viel ist klar.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist im Übrigen Rechtsprechung und Rechtslage in
eutschland, und es kann deshalb nur Konsens hier im
ause sein.

Herr Bosbach, wenn ich es richtig verstanden habe,
agen Sie: Wenn eine Krankheit ärztlicher Diagnose ent-
prechend einen irreversibel tödlichen Verlauf zu neh-
en droht, dann soll man wieder entscheiden dürfen,
ie man behandelt bzw. wie man nicht behandelt wer-
en will. Zu dem Zeitraum dazwischen sagen Sie: Das
st eine Phase des Lebens, in der man im Zweifel nicht
ntscheiden kann. Ich habe noch nicht verstanden, wie
ie das legitimieren.

Sie haben in Ihrer Rede vorhin Folgendes gesagt – ich
abe mitgeschrieben –: Wir können den tödlichen Ver-
auf einer Krankheit nicht gleichsetzen mit heilbaren
rankheiten. Dazu kann ich nur sagen: Selbstverständ-

ich. Jeder Mensch, der eine heilbare Krankheit hat,
ann heute festlegen, dass er nicht geheilt, dass er nicht
ehandelt werden will. Es gibt den Fall der Zeugen
ehovas, die das aus religiösen Gründen nicht wollen,
nd es gibt andere Menschen, die es aus anderen Grün-
en nicht wollen. Das ist vom Selbstbestimmungsrecht
es Menschen umfasst.

Sie sagen: Der Wille wurde zuvor festgeschrieben;
ir wissen aber nicht, ob das der aktuelle Wille ist; des-
alb wollen wir uns vorsichtshalber einmal nicht danach
ichten, sondern andere darüber entscheiden lassen. Ich
rage Sie: Was machen Sie denn, wenn es noch der aktu-
lle Wille ist und Sie gegen den Willen des Betroffenen
andeln?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


ch meine, dieser Ansatz kann nicht richtig sein.

Man sollte nicht davon ausgehen, dass man es selbst
oder andere – in solchen Situationen, in solchen Pha-

en des Lebens, besser weiß


(Joachim Stünker [SPD]: Besser! Genau!)







(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
und dass man deshalb anstelle der Betroffenen entschei-
det. Dazu sage ich Nein; das kann nicht sein. Nach
Art. 2 Grundgesetz usw. hat man das Recht, selbstbe-
stimmt darüber zu entscheiden, wie man behandelt wer-
den will. Das muss auch für den Moment gelten, in dem
man es nicht mehr selbst artikulieren kann, in dem aber
etwas Antizipiertes, etwas vorher Aufgeschriebenes vor-
liegt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir können uns dann gern wieder darüber verständi-
gen, welche Anforderungen an eine solche Patienten-
verfügung zu stellen sind. Was heißt das? Wir haben
festgestellt – das hat auch Herr Stünker in seinem Ent-
wurf formuliert –: Sie muss schriftlich sein; sie kann je-
derzeit mündlich widerrufen werden; die Situation soll
nicht durch irgendwelche formalen Vorschriften er-
schwert werden. Auch wir sind der Auffassung, dass
man klarmachen muss, dass es sich in der Tat um den ak-
tuellen Willen einer Person handelt. Schließlich muss
eine Patientenverfügung zur Überzeugung des Arztes
den Willen des Patienten dokumentieren, und dazu ge-
hört eben, dass sie nachvollziehbar ist, dass die Willens-
erklärung aktuell ist. Deswegen wird empfohlen, dass sie
alle zwei Jahre neu unterschrieben wird.

Den Vorschlag zur Patientenverfügung in der Bro-
schüre des Bundesministeriums der Justiz halte ich im
Übrigen für sehr gut. Vorgeschlagen wird, eine gewisse
Gesamtschau des Lebens vorzunehmen. Ob ein 85-Jähri-
ger eventuell einen weiteren Herzinfarkt bekommt oder
ob jemand mit Anfang 50 für den Fall Vorsorge trifft,
seinen ersten Herzinfarkt zu bekommen, ist ein Unter-
schied. Die Lebenssituationen können ganz unterschied-
lich sein. Die Position der Betroffenen dazu ist daher
eine andere.

Im Übrigen gilt: Es ist immer sinnvoll, einen Bevoll-
mächtigten zu bestellen. Das sollte man schon heute
tun, unabhängig von diesem Gesetzgebungsvorhaben;
denn es ist keineswegs so, dass Ehepartner oder Kinder
automatisch entscheiden können. Sie können nur ent-
scheiden, wenn sie bevollmächtigt sind. Deswegen sollte
eine Vorsorgevollmacht auf alle Fälle vorliegen. Der Be-
vollmächtigte kann dann zusammen mit dem behandeln-
den Arzt den Willen des Patienten deutlich machen,
wenn es um die Auslegung der Patientenverfügung geht.
Sie ist nämlich selbstverständlich – wie alle anderen
schriftlichen Willenserklärungen – im Zweifel ausle-
gungsbedürftig und natürlich auch – um das ganz klar zu
sagen – auslegungsfähig.

Man kann sich also auch nicht auf den Standpunkt
stellen: Da ist ein Halbsatz nicht deutlich genug; deswe-
gen gilt das alles nicht. – Man muss schon aus dem, was
zum Ausdruck kommt, am besten auch aus einer Ge-
samtschau des Lebens und der Situation, in der sich der
Patient befindet, heraus argumentieren und – im Zusam-
menwirken von Arzt und Bevollmächtigten – zu dem Er-
gebnis kommen: Das scheint plausibel zu sein; das ist
das, was der Patient gewollt hat.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609101100

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege

olfgang Bosbach das Wort.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1609101200

Frau Ministerin, Sie haben mich direkt angesprochen.

ie sagten, Sie verstünden die Argumentation nicht, Sie
erstünden nicht, warum wir in dem Gruppenantrag ei-
en Unterschied machen, was den Zeitpunkt der Ab-
abe der Willenserklärung angeht. Deswegen will ich
s noch einmal ganz kurz erläutern.

Selbstverständlich ist es ein Unterschied, ob jemand
n einer Krankheit leidet, die unaufhaltsam zum Tode
ührt – es ist zwar nicht bekannt, wann der Tod eintreten
ird, aber man weiß: Trotz aller ärztlichen Kunst wird
er Patient nicht mehr zu heilen sein –, oder an einer
rankheit, die man therapieren kann, an der er nicht ster-
en muss.

Wenn man sagt: „Wir machen keinen Unterschied
wischen der vorweggenommenen Willenserklärung und
er akuten Willenserklärung“, dann muss man auch die
altung einnehmen: Es macht keinen Unterschied, ob

in Patient sich für oder gegen eine Behandlung ent-
cheidet in einer konkreten Krankheitssituation, die er
lso kennt, die er persönlich erfährt, erleidet, in der er
om Arzt über Chancen und Risiken aufgeklärt werden
ann, oder in einer Situation Jahre zuvor. – Darin sehen
ie Verfasser des Gruppenantrags aber tatsächlich einen
nterschied.

Wir wollen die ärztliche Aufklärung nicht zur Voraus-
etzung machen – der Auffassung sind wir übereinstim-
end –, sondern – in Anführungszeichen – nur die
chriftform. Wenn jemand in einer Situation, die er nicht
ennt, die er gar nicht kennen kann – jedenfalls ist das in
en allermeisten Fällen so –, in der es keine ärztliche
ufklärung gibt – zu dem Zeitpunkt weiß er auch gar
icht, ob es zum Zeitpunkt des Krankheitseintritts Hei-
ungschancen, neue Therapiemöglichkeiten geben wird,
ie jetzt noch unbekannt sind –, eine Erklärung abgege-
en hat – es handelt sich um eine vorweggenommene Er-
lärung –, dann ist das anders zu bewerten, als wenn wir
s mit dem aktuellen Willen des Patienten zu tun haben,
er immer, unter allen Umständen beachtlich ist.

Ein Beispiel aus der Nachbarschaft, aus einem Kran-
enhaus in meinem Wahlkreis: Eine ältere Patientin wird
rei Tage künstlich beatmet. Die künstliche Beatmung
ann dann abgestellt werden, weil sie wieder selbststän-
ig atmen kann. Sie macht dem Arzt – in Anführungs-
eichen – einen Vorwurf. Sie sagt, sie habe doch eine Pa-
ientenverfügung. Die hatte sie in ihrem Handgepäck mit
ns Krankenhaus gebracht. Sie war den Ärzten aber nicht
ekannt. Daraufhin hat der Arzt gefragt, ob er nun einen
ehler gemacht habe. Die Patientin antwortete, nein, sie
ei heilfroh, dass man ihre Patientenverfügung nicht ge-
unden habe. Die Patientin ist aus dem Krankenhaus ent-






(A) )



(B) )


Wolfgang Bosbach
lassen worden. Sie hat noch zweieinhalb Jahre gelebt
und ihre Enkel weiter aufwachsen sehen. Sie ist dann
friedlich eingeschlafen.

Das Beispiel zeigt den Grund dafür, dass ich vorhin in
einem Halbsatz gesagt habe: Wir können doch nicht
blind darauf vertrauen, dass eine vorweggenommene Er-
klärung exakt dem Willen zum Zeitpunkt der Äuße-
rungsunfähigkeit entspricht. Wohlgemerkt: Es kann sein,
Frau Zypries, dass es der aktuelle Wille ist; er muss es
aber nicht sein. Der aktuelle Wille kann ein anderer sein.


(Zuruf von der SPD: Das wissen wir aber nicht! Wer entscheidet das?)


Deswegen sagen wir: im Zweifel für das Leben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609101300

Zur Erwiderung Frau Kollegin Zypries.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1609101400

Herr Bosbach, ich glaube, es sind zwei verschiedene

Themen, die Sie ansprechen. Ihnen geht es zum einen
um die Frage: Wie alt darf eine Patientenverfügung sein,
oder wie aktuell muss sie sein? Sie heben darauf ab – das
habe ich hinsichtlich der Differenzen herausgehört –,
dass ein Wille geäußert wird und erst viele Jahre später
ein solcher Krankenhausaufenthalt folgt. Das war das,
worüber wir auch schon gesprochen haben. Es muss
schon ein möglichst aktueller Wille sein.

Auf die andere Frage bin ich in meiner Rede bereits
eingegangen. Sie sagen: Es kann sein, dass es der aktuelle
Wille ist; es muss aber nicht der aktuelle Wille sein. – Ich
frage Sie umgekehrt: Was machen Sie, wenn es der aktu-
elle Wille ist? Sie behandeln dann gegen den Willen des
Patienten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist das, was ich problematisch finde. Darüber kom-
men Sie auch nicht hinweg. Sie müssen dann schon sa-
gen: Normalerweise respektiere ich den Willen, aber in
solchen Situationen eben nicht.

Da sage ich: Im Zweifel entscheidet jemand anders.


(Joachim Stünker [SPD]: Richtig!)


Sie können gar nicht wissen, was der Betroffene denkt
oder will; denn er kann sich ja nun gerade nicht äußern.


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Sie auch nicht!)


– Ich gehe davon aus, dass er eine solche Situation anti-
zipiert hat, sich bei Ärzten Informationen geholt hat
– das empfehlen wir ja auch –, sich Gedanken darüber
gemacht und dann eine Festlegung getroffen hat. Ich
gebe zu, dass das keine einfache Situation ist; das habe
ich auch nie behauptet. Ich habe nie gesagt, dass es ein-
fach ist, eine Patientenverfügung zu verfassen; im Ge-

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(C (D enteil. Ich habe vor unserer Broschüre gesessen. Ich abe Stunden gebraucht. Das ist nicht einfach. Das ist o. Man muss sich wirklich mit Grenzsituationen bechäftigen. Aber wenn sich jemand dazu durchgerungen at, zu erklären: „Das ist das, was ich will“, dann, finde ch, muss das von anderen respektiert werden, genauso, ie wenn er sich noch äußern könnte. (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609101500

Der Vorzug dieser Intervention und der Erwiderung

iegt vielleicht darin, dass das Abwägungsproblem noch
inmal verdeutlicht wurde, für das es eine rundum über-
eugende Lösung vermutlich nicht gibt.

Nun hat das Wort der Kollege Wolfgang Zöller für die
DU/CSU-Fraktion.


Wolfgang Zöller (CSU):
Rede ID: ID1609101600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Je-

er Mensch hat seinen eigenen Glauben, seine eigenen
berzeugungen und Wertvorstellungen, die wir respek-

ieren und schützen müssen, vom Anfang bis zum Ende.
nser Handeln muss dieser Vielfalt gerecht werden.

Erfreulicherweise ist in der Diskussion heute früh
estzustellen, dass wir uns in den Zielen einig sind, näm-
ich: Die Würde des Menschen ist unantastbar vom An-
ang bis zum Ende seines Lebens, und Sterben ist ein
eil des Lebens. – Die Menschenwürde gebietet uns, die
elbstbestimmung der Patienten vor unberechtigten
ingriffen Dritter zu schützen und auch zu fragen: Wie
ann ich dem Patienten die Unsicherheit und die Unge-
issheit nehmen bezüglich seiner Frage, was mit ihm
eschieht, wenn er nicht mehr entscheidungsfähig ist,
nd wie kann ich ihm die Angst nehmen, dass er
wangsbehandelt wird oder es in einer unwürdigen Be-
andlung oder Pflege endet? Dem Wunsch nach Zulas-
ung der aktiven Sterbehilfe ist Einhalt zu gebieten;
ugleich ist auf die Verbesserungen der palliativmedizi-
ischen und hospizlichen Versorgungsstrukturen hinzu-
eisen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


s geht auch um die Frage: Welche gesetzlichen Vorga-
en sind notwendig, um Rechtssicherheit zu gewährleis-
en?

Wie kann man diese Ziele am besten umsetzen? Ich
abe Bedenken, wenn man mit Einzelbeispielen ver-
ucht, seinen Standpunkt zu belegen.


(Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut!)


s gibt für die unterschiedlichsten Ansichten jeweils zu-
reffende Einzelbeispiele. Weil dies so ist, bin ich per-
önlich der Meinung, dass man diese Vielfalt nicht sau-
er gesetzlich regeln kann.


(Beifall des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU])







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Wolfgang Zöller
Das Handeln muss sich nämlich am Wohl des Patienten
ausrichten und darf nicht von der Angst vor der Staatsan-
waltschaft bestimmt sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich sehe,
ebenso wie der Bundesgerichtshof, einen Auftrag an den
Gesetzgeber im Zusammenhang mit Patientenverfügun-
gen nur insoweit, als die Rolle der Vormundschaftsge-
richte geklärt werden soll.


(Beifall der Abg. Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD])


Für mich sind die Vormundschaftsgerichte immer dann
zuständig, wenn es Meinungsverschiedenheiten zwi-
schen Arzt und Betreuer des Patienten über den Willen
des Patienten gibt. Das und nur das bedarf meiner An-
sicht nach einer gesetzlichen Klarstellung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich halte die Vorschläge der Bundesärztekammer und
deren Zentralen Ethikkommission für zielführend, die
eine besondere Bedeutung der Vorsorgevollmacht bei-
messen, mit der ein Patient eine Person seines Vertrau-
ens zum Bevollmächtigten in Gesundheitsangelegenhei-
ten erklärt. Ich darf zitieren:

Damit hat der Arzt einen Ansprechpartner, der den
Willen des Verfügenden zu vertreten hat und der bei
der Ermittlung des mutmaßlichen Willens mitwirkt.

Herr Stünker, da bin ich anderer Auffassung als Sie;
denn im zweiten Satz heißt es:

Die Praxis hat gezeigt, dass ein grundsätzlicher Un-
terschied besteht, ob Menschen in gesunden Tagen
und ohne die Erfahrung ernsthafter Erkrankung
eine Verfügung über die Behandlung in bestimmten
Situationen treffen oder ob sie in der existenziellen
Betroffenheit durch eine schwere, unheilbare
Krankheit gefordert sind, über eine Behandlung zu
entscheiden.

Deshalb halte ich eine Kombination aus Vorsorgevoll-
macht und Patientenverfügung für ratsam; ich würde sie
einer Patientenverfügung ohne Vorsorgevollmacht vor-
ziehen.

Aus diesem Grund plädiere ich dafür, wirklich nur
das unbedingt Notwendigste gesetzlich zu regeln. In ei-
ner freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die die
Selbstbestimmung und Selbstverantwortung des Men-
schen respektiert und fördert, verbietet sich jede Über-
regulierung. Wir sollten uns darauf beschränken, die
Rolle des Vormundschaftsgerichts zu klären und nicht
mehr.

Lassen Sie mich mit einer Bemerkung schließen. Ich
denke in diesem Zusammenhang oft an den verstorbenen
Papst Johannes Paul II. Laut einem offiziellen Bericht
des Vatikans sprach Johannes Paul II als letzte Worte am
2. April 2005 um 15.30 Uhr auf Polnisch: „Lasst mich
zum Haus des Vaters gehen“. Vier Stunden später fiel er
ins Koma, sechs Stunden später starb er im Alter von
84 Jahren in seinen Privaträumen. Einen erneuten Kran-

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(C (D enhausaufenthalt und intensivmedizinische Behandung hatte er abgelehnt. Dieser Wille ist respektiert woren – ohne das Vorliegen einer Patientenverfügung, hne vorhergehendes Konzil und ohne Anrufung eines ormundschaftsgerichts. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609101700

Die Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist

ie nächste Rednerin für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1609101800

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

en und Kollegen! Herr Zöller, ich möchte gleich an Ihre
etzte Bemerkung anschließen: Der Papst hatte zwar
eine schriftliche Patientenverfügung verfasst; aber sein
ille war bekannt. Er hatte mündlich gesagt, er wolle

icht auf einer Intensivstation mit lebensverlängernden,
edoch nicht heilenden Maßnahmen gequält werden.

Aber wenn genau darüber sich jeder Einzelne schon
orher Gedanken macht und sich damit auseinander-
etzt, nicht erst in dieser letzten Phase des Lebens, son-
ern sehr viel früher, dann ist es doch sehr wichtig und
ut, wenn er seinen Willen in einer Patientenverfügung
chriftlich niederlegt,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


nd zwar möglichst ausführlich. Denn viele Beispiele
allein anhand von Beispielen kann man diese Debatte

llerdings nicht führen – zeigen, dass sich aus Patienten-
erfügungen nicht klar genug ergibt, was im Zustand des
ollen Bewusstseins tatsächlich verfügt worden ist, als
an sich mit diesen schwierigen Fragen beschäftigt hat:
it Blick auf einen Unfall mit Bewusstseinsverlust,

chwersten Verletzungen, möglicherweise mit Koma-
olge oder auch mit Blick auf eine Erkrankung, die nicht
eilbar ist, aber vielleicht einen ganz unterschiedlichen
erlauf nehmen kann.

Ich denke, dass unabhängig von jedweder rechtlichen
egelung den Bürgerinnen und Bürgern gesagt werden
uss, dass sie sich, wenn sie eine Patientenverfügung

erfassen, sehr intensiv und gründlich mit den Fragen,
ie wir hier ansprechen und die jetzt in vielen Zeitschrif-
en und Medien teilweise ganz hervorragend dargelegt
erden, befassen müssen. Beim Abfassen einer Patien-

enverfügung gibt es kein Multiple-Choice-Verfahren,
ondern es sollte möglichst konkret das wiedergegeben
erden, was man selbst denkt, empfindet, meint und an
ünschen und Erwartungen im Hinblick auf eine Situa-

ion hat, in der man nicht mehr einwilligungsfähig ist.

Deswegen spreche ich mich ganz deutlich dafür aus,
ass eine solche schriftlich abgefasste Patientenverfü-
ung in ihrer Reichweite, ihrer Wirkung nicht be-
chränkt werden darf.






(A) )



(B) )


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Denn welche Rolle soll eine solche Vorausverfügung
sonst spielen? Wenn das Niedergelegte im Ernstfall nicht
gilt, dann brauche ich diese Patientenverfügung, die
mein Selbstbestimmungsrecht konkretisiert und zum
Ausdruck bringt, wirklich nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, darin liegt einer der Hauptunterschiede bei
der Bewertung der Bedeutung der Patientenverfügung.
Die vielen als Beispiele angeführten Fälle, in denen es
aus heutiger Sicht vielleicht doch richtig war, dass man
die Patientenverfügung nicht beachtet hat, machen deut-
lich, dass letztendlich immer Dritte über das entschei-
den, was in dieser schwierigsten Phase mit einem selbst
passieren soll. Wenn man für Selbstbestimmung anstelle
von Fremdbestimmung eintritt und damit gegen eine
Zwangsbehandlung und gegen eine Lebensverlängerung
um jeden Preis ist, dann muss man sich für eine Patien-
tenverfügung aussprechen, die diese inhaltliche Be-
schränkung nicht enthält.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Daran kann man die
unterschiedlichen Positionen in dieser Debatte und auch
bei der anstehenden Beratung über – wahrscheinlich –
zwei unterschiedliche Gruppenanträge festmachen.

Ich komme zu einem weiteren Punkt, den Sie, Herr
Zöller, und auch Sie, Frau Knoche, bereits angesprochen
haben. Ich bin der Meinung, dass wir eine gesetzliche
Regelung brauchen, die den wichtigen Punkt behandelt,
wie sich eine Patientenverfügung auswirken soll.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es besteht Unsicherheit bei der Frage, wann das Vor-
mundschaftsgericht angerufen werden soll; denn es gibt,
auf Einzelfällen beruhend, sehr unterschiedliche Ent-
scheidungen unterer Instanzen, aber auch des Bundesge-
richtshofs. Der Bundesgerichtshof selbst sagt, dass seine
Rechtsprechung etwas unübersichtlich ist. Wie sollen
denn Ärzte, Pflegepersonal und Angehörige, die mit gu-
tem Willen und den besten Absichten handeln wollen, in
einer konkreten Situation eine Entscheidung treffen kön-
nen, die von einer Einzelfallentscheidung des Bundesge-
richtshofs abgedeckt wird?


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


Ich will doch nicht einen Anwalt am Krankenbett haben.
Ich will doch nicht, dass die rechtliche Beratung im Vor-
dergrund steht. Die Menschen dürfen nicht in rechtlicher
Unsicherheit handeln, weil sie Angst haben müssen, dass
es, auch wenn sie wohlmeinende Gründe für ihr Handeln
hatten, zu einem Verfahren vor einem Strafgericht kom-

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(C (D en kann. Damit kann vielleicht sogar die Existenz eies Arztes vernichtet werden. Erst in zweiter und dritter nstanz könnte dieses Unrecht gegebenenfalls korrigiert erden. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich spreche mich daher ganz eindeutig für eine ge-
etzliche Regelung aus. Ich glaube, dass eine solche Re-
elung nicht überbürokratisch ist. Wir können uns auf
ie wichtigsten Kernpunkte beschränken. Man muss
ber auch deutlich machen, von welchem Bild des Men-
chen, der über sich verfügt und seinen Willen formu-
iert, man bei einer solchen gesetzlichen Regelung aus-
eht. Ich denke, dass das, was in unserem Antrag
ormuliert ist und was aus einem früheren Gesetzentwurf
es Bundesjustizministeriums stammt – auch aus Ihren
orten, Herr Stünker, ging dies hervor –, nach meiner

inschätzung und nach Überzeugung der Liberalen die
rundlage ist, auf der wir handeln und einen Vorschlag

ür eine gesetzliche Regelung machen sollten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609101900

Für die Fraktion Die Linke ist die nächste Rednerin

rau Dr. Jochimsen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609102000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ndlich findet diese Debatte statt. Endlich holen wir das
roße Thema „Tod und Sterben“ vom verdrängten Rand
n die Mitte unseres politischen Denkens und Handelns.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


In alten Texten finden wir immer wieder den Satz: Er
ühlte seinen Tod nahen, rief die Seinen zusammen, re-
elte die weltlichen Dinge und nahm Abschied. – Wie
iel Würde enthält diese Beschreibung! Diese Würde ha-
en wir in unserer den Tod und das Sterben aus dem Be-
usstsein verdrängenden Gesellschaft weitgehend verlo-

en, was es schwer macht, sie jetzt zurückzuholen – auch
eil die Situationen am Lebensende heute so komplex
nd individuell sind, wie sie es noch nie zuvor waren.

Aber eine gesetzlich verbindliche, allen Menschen
ekannt gemachte und für alle verlässliche Regelung zu
elbst bestimmten Entscheidungen über medizinische
ehandlung am Lebensende eröffnet uns jetzt diese
öglichkeit. Es geht um eine Kernfrage der durch das
rundgesetz geschützten Würde und Freiheit des Indivi-
uums: um das Recht auf Selbstbestimmung über den
igenen Körper.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])







(A) )



(B) )


Dr. Lukrezia Jochimsen
Seit Jahren kennen wir die grundsätzlich verbindliche
Patientenverfügung, in der schriftlich festgelegt ist, wel-
che Therapie der Verfügende sich wünscht und welche er
ausschließt. Nun geht es darum, dass diese Patientenver-
fügung endlich gesetzlich geregelt wird. Ich halte diesen
Schritt für überfällig und folgende Einzelheiten für not-
wendig:

Erstens. Niemand darf dazu gedrängt werden, eine
Patientenverfügung zu verfassen.


(Joachim Stünker [SPD]: Einverstanden!)


Zweitens. Jede Person, die eine Verfügung verfasst
hat, muss sicher sein, dass diese Verfügung geachtet und
umgesetzt wird.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Drittens. Die Abfassung der Verfügung muss schrift-
lich erfolgen, und die Verfügung muss jederzeit – auch
mündlich – widerrufen werden können.


(Joachim Stünker [SPD]: Auch einverstanden!)


Insofern halte ich den Fall, der vorhin beschrieben
wurde, was nämlich Mediziner mit Patienten machen,
die bei Bewusstsein sind, eine Patientenverfügung da-
beihaben, nun aber etwas anderes wollen, nicht für einen
Fall, der uns zu belasten hat.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Denn ein Wille ist vorhanden; er kann geäußert werden.
Der Wille steht dann natürlich über der vorhandenen Pa-
tientenverfügung.

Viertens. Die Verfügung sollte so konkret und aktuell
wie möglich sein: Will ich künstlich ernährt werden oder
nicht? Soll eine auftretende Lungenentzündung mit An-
tibiotika behandelt werden oder nicht? Soll mein jetziger
Wille auch gelten, wenn ich an Demenz erkranke, oder
nicht? – Wir fordern viel von Ärzten und Pflegern in den
Situationen zwischen Leben und Tod. Da haben sie ih-
rerseits das Recht, sicher zu wissen, was ihre Patienten
wollen.

Es geht eben im Grundsatz darum – Frau
Leutheusser-Schnarrenberger hat das gesagt –, dass sich
jeder von uns in allen Lebensphasen damit auseinander-
setzt, ob er sich, durch einen plötzlichen Unfall oder eine
tödliche Krankheit getroffen oder in schwerem Siechtum
gefangen, lebensverlängernden Maßnahmen unterzie-
hen will oder nicht und, wenn ja, in welchem Umfang.
Jeder muss diese Auseinandersetzung vollziehen. Nur
wer sich dieser Auseinandersetzung stellt, kann auf sei-
nem Selbstbestimmungsrecht bestehen.

Soll die Patientenverfügung eines 20-Jährigen auch
noch 60 Jahre später gelten? Diese Frage hätte ich gern
so beantwortet: Zum eigenen Schutz, zur eigenen Recht-
fertigung und zur eigenen Klarstellung sollte jeder seine
Verfügung alle drei bis fünf Jahre erneuern.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ennen wir das doch nicht eine Zumutung. Wenn es um
nsere Telefonverträge, unsere Versicherungspolicen
nd die Fahrtüchtigkeit unserer Autos geht,


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ann sind solche Aktualisierungen selbstverständlich.
arum dann ausgerechnet nicht bei solch existenziellen

ragen wie schwerster Krankheit und Sterben?

Die Verfügung soll jederzeit veränderbar sein, den
hasen des individuellen Lebens angepasst. Sie sollte
uch – das wäre die fünfte Forderung – für jeden Zeit-
unkt eines Krankheitsverlaufes verändert werden kön-
en. Es darf keine Zwangsbehandlung geben, auch nicht
ei Personen, die nicht einwilligungsfähig sind.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Sechstens. Liegt eine schriftliche Patientenverfügung
or, die konkret auf die Behandlungssituation anwend-
ar ist, dann ist das kein Fall für das Vormundschaftsge-
icht.


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


ormundschaftsgerichte sollten nur noch im Fall von
onflikten zwischen Ärzten, Betreuern und Angehöri-
en angerufen werden.

Das wären aus meiner Sicht die wichtigsten Einzel-
eiten der gesetzlichen Regelung. Im Übrigen muss sie
ber auch unbedingt Teil einer großangelegten Aufklä-
ungskampagne sein; da stimme ich dem FDP-Antrag
achdrücklich zu. Die Grundsatzfragen von Sterben und
od waren in unserem Lande lange tabu; das liegt auch
n der mangelnden Auseinandersetzung mit den Todes-
pparaten der nationalsozialistischen Diktatur. Sie sind
mmer noch tabu, weil die Gesellschaft sehr säkular und

aterialistisch geworden ist. Die große Mehrheit der Be-
ölkerung hat sich mit dem Thema Patientenverfügung
isher nicht befasst. Viele Menschen haben ganz irrige
orstellungen und wenig Wissen.

Eine gesetzliche Regelung ist jetzt das Wichtigste,
enügt allein aber nicht. Diese Debatte heute könnte der
nfang für eine Wende, einen neuen Umgang mit Alter,
rankheit, Sterben und Tod unter dem Schild der frei-
eitlichen Selbstbestimmung und des sie schützenden
echts sein. Sie muss aber auch das Thema „Schmerz-

herapie für Sterbende“ neu aufgreifen. Immer noch
üssen Sterbende in unserem Land Schmerzen erleiden,

ie medizinisch nicht sein müssten, wodurch ihnen das
terben oft schwer gemacht wird. In diesem Land die
öglichkeit zu schaffen, selbstbestimmt und schmerz-

rei zu sterben, ist eine Aufgabe für uns alle. Meine
raktion ist bereit, daran aktiv mitzuarbeiten.

Ich danke Ihnen.






(A) )



(B) )


Dr. Lukrezia Jochimsen

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609102100

Das Wort erhält nun der Kollege Josef Winkler für die

Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich
habe in meinem erlernten Beruf als Krankenpfleger in
den letzten fünf Jahren vor meiner Wahl in den Deut-
schen Bundestag in einer Abteilung gearbeitet, in der
sich sehr viele an Demenz, also an Krankheiten wie Alz-
heimer erkrankte Patienten befanden.

In diesen Jahren habe ich immer wieder mit Men-
schen zu tun gehabt, die im Anfangsstadium ihrer
Krankheit noch relativ geringe Ausfallerscheinungen
hatten, im weiteren Verlauf aber einen fast vollständigen
Gedächtnis-, häufig auch Bewusstseinsverlust erlitten.
Wenn später eine schwere Demenz eingetreten ist, waren
diese Patienten oft von einer sehr ausgeglichenen,
freundlichen, oft fröhlichen Lebensweise geprägt, was
sich Gesunde, die nicht mit Dementen zu tun haben, oft
überhaupt nicht vorstellen können.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Das gilt aber auch für andere Erkrankungen. Dass
Kranke anders denken als Gesunde, wurde heute schon
mehrfach gesagt.

In der Öffentlichkeit und in diesem Hause wird im-
mer wieder die Forderung aufgestellt, man müsse bei
dieser oder anderen Erkrankungen die Möglichkeit
schaffen, mit einer Patientenverfügung die medizinische
Behandlung von Sekundärerkrankungen wie Lungenent-
zündung oder Ähnliches auszuschließen. Ich halte das
für eine absolut nicht unterstützenswerte Forderung.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der CDU/CSU sowie der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


Wenn ich mir die Fälle, die ich beurteilen kann, weil
ich sie selbst miterlebt habe – es handelt sich nicht nur
um Fälle, in denen Menschen an Demenz erkrankt sind –,
vor Augen führe, muss ich sagen, dass wohl sehr viele
dieser Patienten in der Anfangsphase ihrer Erkrankung
weitreichende Patientenverfügungen unterschrieben hät-
ten, wenn dies damals üblicher gewesen wäre. Sie wären
sicherlich der festen Überzeugung gewesen, dass sie in
einem bestimmten, späteren Stadium ihrer Krankheit
nicht mehr am Leben erhalten werden wollten. Wir müs-
sen uns aber immer vor Augen halten, was es heißt,
wenn man dieser Forderung folgen würde: Das Leben ei-
nes nicht mehr äußerungsfähigen Menschen würde auf-
grund von Entscheidungen, die er zwar selbst getroffen,
an die er sich aber nicht mehr erinnern kann, die ihm
nicht mehr bewusst sind, vorzeitig beendet;


(Joachim Stünker [SPD]: Nein!)


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(C (D enn der wirklich aktuelle Wille, der nicht mehr geäuert werden kann, würde nach dem Willen mancher hiner der oft nicht mehr aktuellen Willensbekundung in eier Patientenverfügung zurückstehen müssen. Das wäre us meiner Sicht die Beendigung eines Lebens durch ritte und nicht die erwünschte Hilfe beim Sterben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der LINKEN)


eshalb will ich ganz offen bekennen, dass ich daran
weifele, ob die Regelung, die die Kollegen Bosbach,
öspel, Fricke, andere Kollegen und ich für die, wenn
an so sagen will, noch schlimmeren Fälle, für Wach-

omapatienten und Schwerstdemente, die wohl endgül-
ig ohne Bewusstsein, aber eben keine Sterbenden sind,
rarbeitet haben, ein wirklich gangbarer Kompromiss ist.


(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] sowie der Abg. Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD])


Zu den konkreten Vorschlägen, die sich auf tatsäch-
ich Sterbende beziehen. Wir schlagen in diesem Zusam-

enhang vor, dass, wenn eine Patientenverfügung vor-
iegt, die eine Hilfe beim Sterben verlangt, und die
rankheit nach ärztlicher Meinung vermutlich einen

rreversibel tödlichen Verlauf genommen hat, von le-
enserhaltenden Maßnahmen abzusehen ist. Es ist natür-
ich auch der Fall denkbar, dass zwar ein irreversibel
ödlicher Verlauf vorliegt, aber keine Patientenverfü-
ung zur Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen ab-
efasst wurde. Wenn dieser Wunsch nach Meinung des
etreuers vorliegt, sollte das – das schlagen wir vor – in
inem Konsil aus ärztlichem und Pflegepersonal ge-
einsam mit dem Betreuer und den Angehörigen geklärt
erden. Falls danach der mutmaßliche Wille zwischen
rzt und Betreuer einheitlich gesehen wird, sind die le-
enserhaltenden Maßnahmen ebenfalls einzustellen, und
war ohne dass sich das Vormundschaftsgericht damit zu
efassen hat.

Den nach Meinung des Betreuers mutmaßlichen Wil-
en des Patienten auf Abbruch lebenserhaltender Maß-
ahmen aber auch dann gelten zu lassen, wenn keine
rreversibel tödliche Erkrankung vorliegt, würde meiner

einung nach das Gleichgewicht zwischen den mehr-
ach angesprochenen Verfassungswerten „Recht auf
elbstbestimmung des Patienten“ auf der einen Seite und
Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der Würde
es Menschen“ auf der anderen Seite zerstören.

Deshalb muss meiner Meinung nach nicht nur die
eichweite von Patientenverfügungen, sondern auch die
eichweite des sogenannten mutmaßlichen Willens in

hrer Wirkung eingeschränkt werden, wenn es nicht um
rankheiten geht, die einen irreversibel tödlichen Ver-

auf genommen haben. Diese dürfen meiner Meinung
ach keinesfalls in unbeschränkter Form zulässig sein.
afür werde ich mit den anderen Kolleginnen und Kol-

egen, die sich in dieser Form äußern, im weiteren parla-
entarischen Verfahren werben.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609102200

Das Wort erhält nun der Kollege Olaf Scholz für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Olaf Scholz (SPD):
Rede ID: ID1609102300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Millionen

Menschen – auf die hohe Zahl ist schon hingewiesen
worden – haben eine Patientenverfügung unterschrieben.
Sie haben sich sorgfältig Gedanken darüber gemacht,
was mit ihnen geschehen soll, wenn sie nicht mehr ein-
willigungsfähig sind. Wir diskutieren hier heute darüber,
ob diese vielen Patientenverfügungen gelten sollen oder
nicht. Darum geht es in dieser Debatte, wenn wir über
Reichweitenbeschränkungen sprechen. Deshalb sollten
wir dieses Thema so ernst nehmen, wie es die Sache ge-
bietet.

Eine solche Debatte wird bei uns Abgeordneten des
Bundestages genauso verlaufen wie bei jedem anderen
Menschen: Wir schließen von uns auf andere. Das ist bei
einer so wichtigen Angelegenheit mehr als angemessen.
Deshalb will ich nicht verheimlichen, dass ich selbst
eine Patientenverfügung unterschrieben habe und dass
ich in dieser Patientenverfügung Festlegungen getroffen
habe, die nach der möglichen Umsetzung einiger Geset-
zesvorschläge, die heute anberaten werden, nicht mehr
wirksam sein würden. Insofern können Sie sich vorstel-
len, dass sich mit mir viele Hunderttausende – vielleicht
auch Millionen – Menschen Sorgen machen, dass etwas,
was sie sich gut überlegt haben, nicht mehr gelten soll,
weil andere, insbesondere der Deutsche Bundestag, es
besser wissen wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann mich damit nicht abfinden – und bin mir übri-
gens sicher, dass viele andere das auch nicht tun werden
und dass sie, falls der Bundestag ihnen mit seiner Weis-
heit nicht hilft, das Bundesverfassungsgericht um Hilfe
bitten werden.


(Joachim Stünker [SPD]: Ganz richtig!)


Da wiederum bin ich mir sicher, dass manche der hier
zur Beratung stehenden Gesetzesvorschläge mit unserer
Verfassung nicht vereinbar sind und deshalb vor Gericht
keinen Bestand haben würden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gestatten Sie mir, ganz kurz auf Aspekte einzugehen,
die in dieser Debatte eine Rolle spielen. Einer hat damit
zu tun, dass wir etwas aus meiner Sicht Unverantwortli-
ches tun: Wir unterscheiden zwischen dem antizipierten
Willen und dem aktuellen Willen. Das klingt zwar zu-
nächst einmal vernünftig, ist aber so selbstverständlich
nicht. Sehr oft in unserem täglichen Leben – etwa wenn
wir etwas unterschreiben – drücken wir unseren Willen
aus und sind auch völlig damit einverstanden, dass wir
hinterher daran gebunden sind. Insofern ist es aus meiner

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(C (D icht Sophismus, eine solche Unterscheidung vorzunehen, um sich als Gesetzgeber das Recht zu verschaffen, n dem Fall, in dem der Mensch ganz hilflos und beusstlos ist, über ihn zu verfügen, obwohl er genau das it seiner Patientenverfügung ausschließen wollte. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als ein Argument werden die Schwierigkeiten bei der
eststellung des Willens genannt. Rechtssoziologen sa-
en uns, dass der Interpret, der Bevollmächtige, das Ge-
icht oder wer auch immer sich damit beschäftigt, sich
elbst als Person bei der Auslegung einbringt. Das wis-
en wir. Sogar wenn uns etwas ganz klar erscheint, spielt
ie Auslegung bei der Ermittlung des Sachverhalts eine
olle. Trotzdem trauen wir uns das zu und halten es für
öglich. Das müssen wir auch. Denn wenn wir uns nicht

orstellen könnten, dass wir uns auf die Auslegung eines
illens verständigen können, dann könnten wir gar

icht vernünftig zusammenleben. Deshalb ist es notwen-
ig, dass wir so eine Entscheidung akzeptieren.

Der Verweis darauf, dass man sich bei der Auslegung
rren kann, rechtfertigt eine Ablehnung dennoch nicht;
enn das ist eigentlich nur ein Hinweis darauf, dass wir
ns unglaublich viel Mühe geben müssen. Selbstver-
tändlich, wenn ein 20 Jahre alter Patientenwille vor-
iegt, dann muss sich derjenige, der darüber zu entschei-
en hat, große Mühe geben, um herauszufinden, ob das
irklich noch der aktuelle Wille ist.


(Zurufe von der CDU/CSU: So, so! – Aha! – So ist das also! – Aber wie?)


Das ist ganz einfach. Man kann zum Beispiel fragen,
b der Patient seinen Willen mündlich oder auf ir-
endeine andere Weise widerrufen hat. Niemand in die-
em Haus hat einen Zweifel daran, dass das möglich ist.
aher sollte man das nicht zum Anlass für die Gesetzge-
ung nehmen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt aus meiner Sicht – das will ich ausdrücklich
agen – auch im Hinblick darauf, dass wir eine auf sorg-
ältige Weise getroffene Entscheidung akzeptieren müs-
en. Es hat also auch dann zu gelten, wenn ein Mensch
icht mehr einwilligungs- und geschäftsfähig ist, er aber
och eine Willensäußerung von sich geben kann, die
eutlich macht, was er will. Auch daran gibt es keinen
weifel. Das gilt in der Rechtsprechung, und das gilt ins-
esamt.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Zeit ist kurz. Gestatten Sie mir deshalb nur
och eine Bemerkung.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Na, na, Herr Kollege! Nicht übertreiben! – Renate Künast Olaf Scholz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Redezeit! – Heiterkeit)





(A) )


(B) )


– Ja, meine Redezeit. Schönen Dank. Es beruhigt mich,
dass Sie das klarstellen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609102400

Es liegen bisher auch keine Absichten einer anderen

gesetzlichen Regelung vor, Herr Kollege Scholz.


(Heiterkeit)



Olaf Scholz (SPD):
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Auch das beruhigt mich.

Noch ein kurzer Hinweis: Es wird gesagt, man müsse
unterscheiden zwischen der Situation, in der jemand ver-
fügt, so nicht sterben zu wollen, und der Situation, in der
jemand verfügt, so nicht leben zu wollen. Das ist sprach-
lich schön, aber nicht das Gegensatzpaar, um das es in
dieser Debatte geht.


(Elke Ferner [SPD]: Richtig!)


Denn in der Patientenverfügung verfügt man sowohl für
den Fall, dass man bald stirbt, als auch für den Fall, dass
man noch lange lebt – eventuell aber ohne Bewusstsein –,
nur, so nicht am Leben erhalten werden zu wollen.

Wenn man begreift, dass es sich dabei nicht um zwei
unterschiedliche Zustände handelt, sondern dass das ein
und derselbe Zustand ist und dass diese Unterscheidung
künstlich herbeigeführt wird, um sich Gesetzgebungs-
kompetenzen anzumaßen, die man sich besser nicht an-
maßen sollte, dann kommt man zum Ergebnis, dass das
Selbstbestimmungsrecht im Vordergrund stehen sollte.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609102600

Dr. Jürgen Gehb ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1609102700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Debatte ist eine Debatte der leisen Töne. Es ist ein
außergewöhnliches Phänomen, dass die Ränge noch so
voll sind, und das, obwohl bereits sehr viele Reden ge-
halten worden sind und trotz der fortgeschrittenen Zeit.
Das zeigt, wie wichtig diese Debatte ist. Ich denke, die
Besucher auf der Tribüne und sogar die Zuschauer am
Fernseher können förmlich spüren, wie schwer man sich
mit diesem Thema tut.

Typischerweise gibt es in den Debatten im Deutschen
Bundestag eine geborene kontradiktorische Schlachtord-
nung zwischen Regierung und Opposition. Es fallen Be-
griffe wie „richtig“ und „falsch“, „gut“ und „böse“,
„schlecht“ und „dilettantisch“, es werden Zurufe ge-
macht, und es wird hart gefochten, manchmal auch un-
terhalb der Gürtellinie, weil man meint, seine besondere

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(C (D loquenz für die Galerie unter Beweis stellen zu müsen. (Zuruf von der CDU/CSU: Er meint wohl Herrn Tauss!)


Das ist heute anders. Die heutige Debatte ist – trotz
elegentlich vorkommender spaßiger Einwände, zu de-
en auch der Präsident immer wieder beizutragen ver-
ag – so ernst, dass man keine Meinung, die hier vertre-

en wird, auch wenn sie nicht der eigenen entspricht,
priori für abwegig erklären würde. Das sollte man auch
icht tun, schon gar nicht mit dem Verdikt der Verfas-
ungswidrigkeit. Denn vor diesem Hintergrund wären
uch Regelungen im Erbrecht – etwa, dass der Erblasser
ufgrund der Tatsache, dass es einen Pflichtteil gibt,
icht uneingeschränkt bestimmen kann, was mit dem
achlass seines Vermögens geschieht – per se verfas-

ungswidrig. Ich könnte also nicht einfach sagen – ob-
ohl ich das gerne täte –: Mein gesamtes Vermögen ver-
ache ich meinem Freund Volker Kauder.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


inen Teil des Vermögens – den ich ihnen natürlich auch
icht vorenthalten möchte – würden demnach als
flichtteil meine Frau und meine Kinder bekommen. Sie
ehen: Der Gesetzgeber hat de lege lata durchaus Gren-
en für die Selbstbestimmung gesetzt.

Wenn man sieht, dass jemand, der, aus welchen Grün-
en auch immer, selbstmordgeneigt ist, von einem Dach
pringen will, dann geht man nicht teilnahmslos vorbei
nd sagt sich, das ist nun einmal sein letzter Wille, und
as ist Selbstbestimmung, sondern dann versucht man,
hn davon abzubringen, und es werden zum Beispiel
prungtücher aufgespannt. All das geschieht, obwohl
ieser Mensch das vielleicht gar nicht will.

Zur Frage der Kongruenz bzw. Inkongruenz von aktu-
llem Willen und sogenanntem antizipierten bzw. vor-
eggenommenen Willen möchte ich noch eine andere
ariante ansprechen. Wir haben eben von Herrn Zöller
ehört, dass Einzelbeispiele sicherlich nicht geeignet
ind, ein gesamtes Konzept zu Fall zu bringen: Je nach-
em, vor welchem Publikum und mit welcher Verve Sie
twas vorbringen, bekommen Sie vielleicht zunächst to-
enden Beifall. Aber dann bringe ich ein anderes Bei-
piel, und es ist auch so.

Doch längst nicht alle, die eine Patientenverfügung
erfassen, sind in der Lage, die Begriffe zu verstehen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ganze Recht geht vom natürlichen Willen aus!)


ir sind doch nicht alle Volljuristen. Nehmen wir an, ein
odellathlet, der für die Olympischen Spiele vorgese-

en ist, schreibt: Wenn ich morgen einen Motorradunfall
abe und das Bewusstsein verliere, möchte ich nicht,
ass die Beatmung weitergeführt wird. – Würden Sie das
achen wollen? Im „Spiegel“ von dieser Woche ist ein
treitgespräch zwischen Herrn Borasio, einem Pallia-

ivmediziner, und Herrn Hoppe zu lesen, in dem Herr
orasio gesagt hat: Zum bloßen Automaten, zum Voll-

treckungsgehilfen von Patientenverfügungen möchte






(A) )



(B) )


Dr. Jürgen Gehb
ich auch nicht werden. Direkt die Weiterbeatmung ein-
stellen, das würde ich nicht machen; das würde auch
dem hippokratischen Eid eines Arztes widersprechen.
Wenn er aber merke, dass dieser Patient das Bewusstsein
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht
wieder erlangt, dann stelle sich die Sache ganz anders
dar.

Heute Morgen ist eingewandt worden: Was heißt ei-
gentlich „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich-
keit“? Das ist ein Begriff, den wir auch sonst im Beweis-
recht kennen. Das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff.
Herr Bosbach hat darauf hingewiesen, dass auf die
Frage: „Würden Sie jetzt auch noch so entscheiden, wie
Sie sich vor Jahren in Ihrer Patientenverfügung festge-
legt haben?“ die Antwort sehr gut lauten kann: „Nein,
das würde ich nicht.“ – Die Frau Justizministerin wie-
derum argumentiert, es könne auch den umgekehrten
Fall geben.

Insofern sind wir wieder einmal in der Situation, dass
der Fall des Zweifels vom Gesetzgeber gesetzlich gere-
gelt werden muss – wie auch sonst bei der Beweislast-
verteilung, die wir vom Zivilprozess kennen, eine non
liquet. Deshalb muss der Gesetzgeber entweder sagen
„In dubio pro vita“ oder „In dubio pro …“ – Nun fällt
mir der lateinische Begriff für „Selbstbestimmung“ nicht
direkt ein. Ganz ungewöhnlich, nicht wahr, meine Da-
men und Herren? – Diese Regelung müssen wir treffen.

Ein Letztes: Natürlich steht der Patient, steht das
Schicksal des Patienten im Vordergrund. Aber ich habe
es vor zwei Jahren in meiner eigenen Familie erfahren:
Vor zwei Jahren hat meine Mutter einen irreparablen me-
dialen Hirnschlag erlitten. Sie ist gefunden worden von
einem Arzt, und dann war die PEG-Sonde dran. Nun
standen mein Bruder und ich vor der Situation: Sollen
wir einwilligen, dass weiterhin künstlich ernährt wird,
oder nicht? Ohne Anrufung des Vormundschaftsgerichts
wäre gerade ich als Politiker – sehr beliebt bei der heimi-
schen Presse – Gefahr gelaufen, mit der Überschrift ver-
sehen zu werden: Bundestagsabgeordneter lässt seine
Mutter verhungern.

Das zeigt, dass nicht nur der Patient selber, sondern
das gesamte Konsil, die Hinterbliebenen, die Ärzte und
das Pflegepersonal, Rechtssicherheit haben müssen –
Ihre Entscheidung ist schwer genug. Wir sollten nicht so
anmaßend sein, zu glauben, ihnen diese Entscheidung
mit irgendeinem Gesetz abnehmen zu können. Aber wir
normieren nicht das Sterben, sondern wir normieren be-
stimmte Verhaltensweisen in kritischen Situationen. Ich
finde, da sollte jeder dem anderen zubilligen, dass er das
nach bestem Wissen und Gewissen und in der besten
Absicht macht. Deswegen werben wir in der nächsten
Zeit auch in diesem Hohen Hause um die Zustimmung
zu verschiedenen Anträgen. Ich finde es schön, dass die
Abstimmung völlig freigegeben ist und niemand mit
dem Stigma rechnen muss, in eine bestimmte Ecke ge-
stellt zu werden.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Der Kollege Hans-Michael Goldmann ist der nächste edner für die FDP-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wie viele Vorredner begrüße auch ich diese ebatte, die wir aus meiner Sicht auch in der gebotenen reite führen, sehr. Es ist vorhin angesprochen worden, ass es nicht nur darum geht, für Patienten in einer betimmten Lebenssituation eine Regelung zu finden. Es eht meiner Meinung nach auch ganz entscheidend daum, dass man Menschen vor dem Hintergrund der vernderten Situation in der Medizin und vor dem Hinterrund der veränderten Situation, in der sie häufig auch in hrem persönlichen Lebensumfeld stehen, das Trauma es Sterbens und das Trauma des Leidens bis zum Tod immt, dass wir uns intensiv beschäftigen mit Bereichen er Hospizbewegung, der Hospizarbeit und der Palliativedizin und dass wir endlich dazu beitragen, dass Ärzte nd Ärztinnen zur Verfügung stehen, die Patienten in ieser Phase die richtige Hilfestellung geben. ch empfinde die Situation als schwierig und gleichzeitig ls sehr intensiv. Ich will einen Aspekt einbringen, der gewissermaßen us meiner Aufgabe in unserer Fraktion als Sprecher für irchenund Religionsgemeinschaften erwächst. Ich inde es interessant, dass sich, soweit ich weiß, in dieser iskussion kaum Menschen zu Gehör melden, die keine hristliche Glaubenshaltung haben. Die Äußerungen er katholischen Kirche, des ZdK, sind mir sehr wohl ekannt. Aber sind Ihnen Äußerungen der Muslime zu ieser Thematik bekannt? Fast jeder von Ihnen, wie auch ich, verfügt über sehr ersönliche Erfahrungen mit diesem Thema. Der Vater rauchte lange, bis er verstarb, und die Mutter ist 2 Jahre alt. Da beschäftigt man sich mit solchen Dinen, und man versucht, seinen Standpunkt zu finden. Ich inde das, was Kollege Scholz und auch der Kollege ehb eben gesagt haben, hervorragend, nämlich dass wir ns alle in unserem Ringen um die beste Lösung angeommen fühlen sollten. Ich frage mich – auch als praktizierender Katholik –, as in diesem Bereich eigentlich Aufgabe des Staates st. Meine Mutter hat Angst davor, dass der Staat hier twas für sie regeln will. Durch Aufklärung und Inforation versuche ich, ihr diese Sorge zu nehmen und larzumachen, dass in der Ausgestaltung einer Patienenverfügung gerade auch für gläubige Menschen eientlich eine große Chance besteht. Ich kann in diese Paientenverfügung hineinschreiben, wie ich mein Leben eenden will, und ich meine, andere müssen sich daran alten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609102800

(Beifall bei der FDP)

Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1609102900

(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Hans-Michael Goldmann
Die anderen haben nicht das Recht, dieser meiner per-
sönlichen und glaubensbestimmten Haltung entgegenzu-
arbeiten. Ich finde, das ist eine große Chance. Ich bin der
Auffassung, dass die katholische Kirche in dieser Frage
nicht ganz auf dem richtigen Weg ist.

Ich bin dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger das
Recht haben, sehr substanzielle Patientenverfügungen
auszugestalten – detailliert, eigenverantwortlich und,
wie gesagt, glaubensorientiert –, weil ich möchte, dass
nicht andere dort hineinregieren. Das dürfen sie aus mei-
ner Sicht zu keiner Zeit.

Vorhin ist – ich glaube, von Ihnen, Kollege Winkler –
die besondere Situation bei Demenzkranken angespro-
chen worden. Es ist richtig, dass es dort eine besondere
Problematik gibt. Wir machen aber doch auch Erfahrun-
gen mit Demenzkranken. Wir könnten eine Patientenver-
fügung im Grunde genommen entsprechend ausgestal-
ten, weil wir wissen, wie es um Menschen mit dieser
Krankheit bestellt ist.


(Joachim Stünker [SPD]: Richtig!)


Wir wissen auch, wie es um Menschen bestellt ist, die im
Koma liegen. Wir können zu ihnen hingehen und haben
Kontakt zu ihnen.

Der Erfahrungsschatz nimmt auch in diesen Berei-
chen insgesamt immer weiter zu. Deswegen glaube ich,
dass man zum Zeitpunkt des Abschließens einer Patien-
tenverfügung sehr wohl darüber im Klaren sein kann,
wie sich diese Patientenverfügung in einer speziellen Si-
tuation – beim Ableben, im Alter – auswirkt. Ich plä-
diere daher nachdrücklich dafür, dass eine solche Patien-
tenverfügung eine uneingeschränkte Reichweite hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir dürfen es nicht anderen überlassen, die individuelle,
die persönliche, die eigenverantwortliche Entscheidung
sozusagen wieder rückgängig zu machen. Das kann mei-
ner Meinung nach nicht Aufgabe des Gesetzgebers und
damit auch nicht Inhalt einer Patientenverfügung sein.

Ich finde die Ausführungen von Herrn Andreas Lob-
Hüdepohl, des Vorsitzenden der Arbeitsgruppe „Patien-
tenverfügungen“ des ZdK, immer wieder großartig und
sehr lobenswert. In der letzten Sitzung des ZdK haben
wir einen ganzen Tag darüber diskutiert, liebe Julia
Klöckner. Ich denke aber, dass er mit seiner Kritik, die er
hinsichtlich der Wachkoma- und Demenzpatienten an-
bringt, wirklich falsch liegt. Ich befürchte nicht den
Dammbruch zur Tötung unwerten Lebens,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


sondern ganz im Gegenteil: Ich plädiere für die Fest-
schreibung, dass auch ein Demenzkranker und ein
Komapatient das Recht auf ein Weiterleben haben, wenn
sie in ihren Patientenverfügungen festgeschrieben ha-
ben, dass sie nicht möchten, dass jemand ihr Leben des-
wegen beendet.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


n diesem Sinne, meine ich, sollten wir die Diskussion
ntensiv weiterführen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609103000

Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Jerzy Montag,

ündnis 90/Die Grünen.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609103100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ann in Deutschland keine Debatte über den Wert und
en Schutz menschlichen Lebens und über die Würde
es Menschen und seine unantastbaren, garantierten
enschenrechte geben, ohne den Blick zurück in die
eschichte zu richten. Die Barbarei der nationalsozia-

istischen Diktatur und ihre Menschenverachtung sind
eshalb auch Mahnung für unsere heutige Debatte über
as Selbstbestimmungsrecht bis in den Tod, über die
enschliche Würde im Sterben und über die Pflichten

er Gesellschaft und des Staates zum Schutz der Würde
nd des Lebens von uns allen.

Es ist wichtig, dass wir dies im Verlauf dieser Debatte
nd auch aller folgenden nicht vergessen. Für mich ist
as Kürzel „T 4“ das Stichwort: Es steht für eine Villa in
er Tiergartenstraße 4 in Berlin Mitte. Diese Villa gibt es
icht mehr, nur noch eine Gedenktafel ist dort zu finden.
ort wurde – in unüberbietbarem Zynismus als Gnaden-

od bezeichnet – die Entscheidung über die Vernichtung
on über 100 000 Kranken, Alten und Behinderten ge-
roffen, denen ein Recht auf Leben und jedes Menschen-
echt abgesprochen wurde.

Nicht zuletzt dieser Schrecken war es, der zu den für
ns unumstößlichen Prinzipien führte: Jeder hat das
echt auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Jeder
at das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.
ie Würde jedes Menschen ist unantastbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)


ur dann, wenn wir das zur Grundlage unserer Überle-
ungen machen, wird es uns gelingen, die Vor- und
achteile der vorgestellten Gesetzesvorschläge sachlich
nd respektvoll miteinander zu diskutieren.

Ich will die Punkte nennen, in denen wir uns einig
ind. Wir sind uns einig, dass das Selbstbestimmungs-
echt jedes einwilligungsfähigen Patienten zu beachten
st. Wir sind uns einig, dass die Patientenverfügung auf
ine eingetretene konkrete Situation zutreffen muss und
ass sie jederzeit, in jeder Form, auch formlos und ohne
orte konkludent widerrufen werden kann. Wir sind uns

uch einig, dass eine Patientenverfügung nur dann wirk-
am sein kann, wenn sie schriftlich vorliegt, frei und






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
ohne Zwang verfasst wurde, nicht irrtümlich oder unter
Täuschung entstanden ist und nichts Gesetzwidriges ver-
langt.

Weitere Begrenzungen darüber hinaus – insbeson-
dere in der Reichweite – halte ich nicht für richtig. Denn
wer verlangt, dass sie nur in Kenntnis der möglichen me-
dizinischen Behandlungen und zukünftiger medizini-
scher Entwicklungen wirksam sein soll, der macht prak-
tisch alle Patientenverfügungen wertlos.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der LINKEN)


Auch ihre Begrenzung auf Leiden, die einen unumkehr-
bar tödlichen Verlauf genommen haben, und auf Be-
wusstlose, die ihr Bewusstsein mit Sicherheit niemals
wiedererlangen werden, verbietet den Menschen, gerade
das zu regeln, was sie für ihr Lebensende verbindlich re-
geln wollen. Dahinter stehen verständliche Ängste und
Befürchtungen. Sie werden aber mit diesen Begrenzun-
gen auf falsche Weise gelöst und bringen letztlich nicht
weniger, sondern mehr Leid und mehr Fremdbestim-
mung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zwei Grundsatzfragen müssen wir beantworten.
Erstens. Kann und darf man seinen Willen für die Zu-
kunft binden? Darf der geäußerte und eindeutige Wille
des Patienten von Ärzten, Betreuern oder Gerichten in
Zweifel gezogen werden? Ich meine, nein. Es kann nicht
darum gehen, zu beweisen, dass der geäußerte Wille
weiter gilt – das ist nie möglich –; vielmehr tragen dieje-
nigen, die ihn anzweifeln, die Beweislast, dass er sich
wirklich geändert hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Zweitens stellt sich die Frage nach unserem Selbstbe-
stimmungsrecht, also unserem Recht, selbst zu bestim-
men, wie wir leben wollen oder es nicht mehr wollen.
Dabei hat der Staat die Pflicht, Leben zu schützen und zu
erhalten. Steht in Fragen, die Menschen in einer Patien-
tenverfügung verbindlich regeln wollten, die Pflicht des
Staates gegen das Recht der Menschen?


(Joachim Stünker [SPD]: Nein!)


Darf der Staat lebenserhaltend gegen das Selbstbestim-
mungsrecht angehen und es in fremdbestimmte Schran-
ken weisen? – Ich meine, nein.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)


Ich will mit einem Zitat der Vorsitzenden Richterin
des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, Frau
Dr. Hahne, enden. Sie hat die grundlegende Entschei-
dung getroffen, nach der Patientenverfügungen über-
haupt Verbindlichkeit genießen. Ich zitiere:

Wünschenswert wäre eine gesetzgeberische Stär-
kung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten

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(C (D dergestalt, dass die Patientenverfügung, der geäußerte Patientenwille, absoluten Vorrang hat. Denn nur der Patient ist es, der über sein Leben, aber auch über die Art und Weise seines Todes – seines Weggehens aus diesem Leben – zu entscheiden hat. Niemand sonst hat darüber zu entscheiden, denn es ist das Leben des Patienten. Der Patient hat zwar ein Lebensrecht, aber er hat keine Lebenspflicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut!)


Ich wünsche mir, meine Damen und Herren, dass wir
iese Worte beherzigen und danach ein bestmögliches
esetz zustande bringen.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der FDP und der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1609103200

Das Wort erhält nun der Kollege René Röspel von der

PD-Fraktion.


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1609103300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Als ich mich vor vier Jahren zum ersten Mal mit
em Thema Patientenverfügung befasste, war mir ziem-
ich schnell klar, welche Meinung ich dazu habe: Na
lar, ich will selbst entscheiden, wie ich einmal sterben
erde. Wer sonst soll denn das Recht dazu haben, über
ich und meinen Tod zu entscheiden?

Ich habe mich intensiver mit diesem Thema befasst,
espräche darüber geführt und irgendwann Menschen
ennengelernt, die froh waren, dass ihre Patientenverfü-
ung nicht umgesetzt worden ist. Der Motorradfahrer,
er als 18-Jähriger ein Leben im Rollstuhl für unerträg-
ich gehalten hat und nun nach einem Unfall im Koma
ag – wir wissen nicht, was er selbst entschieden hätte.
ätte er den Tod herbeigesehnt oder nach dem Leben ge-

chrien? Dritte haben für ihn entschieden. Die Ärzte ha-
en sich entschieden, weiterzumachen. Heute lebt er im
ollstuhl. Er führt ein anderes Leben, als er es sich als
8-Jähriger vorgestellt hat, aber er hat eine Perspektive.
nd er freut sich, wenn ihn seine Kinder besuchen. Es
ibt übrigens genug andere gute Gegenbeispiele, das ist
eine Frage.

Aber alle diese Erfahrungen haben in mir Zweifel
achsen lassen: Können wir wirklich die Entscheidung

ines Gesunden, der sich nicht in einer Krankheitssitua-
ion befindet, mit der Entscheidung gleichsetzen, die er
n einer Situation als Kranker treffen würde? Folgenlos
leibt übrigens ein Irrtum in einer solchen Entscheidung
mmer nur dann, wenn es sich um eine tödlich verlau-
ende Krankheit handelt. Deswegen, glaube ich, ist eine
eichweitenbegrenzung möglich und auch notwendig.

Warum wird in letzter Zeit so viel über Patientenver-
ügungen gesprochen? Viele Menschen haben Angst da-
or, einen einsamen Tod zu sterben. Viele Menschen ha-
en Angst davor, einen schmerzhaften Tod zu sterben.






(A) )


)

René Röspel
Viele Menschen haben Angst davor, bis ans Ende und
über das erträgliche und würdige Maß hinaus an Schläu-
chen zu hängen und der Apparatemedizin ausgeliefert zu
sein. Und viele äußern einfach den Wunsch, den Ange-
hörigen nicht zur Last zu fallen: Ich will meinen Kindern
keine Last sein, also möchte ich nicht, dass diese oder
jene Maßnahme ergriffen wird.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)


Sind Patientenverfügungen die Lösungen dieser Pro-
bleme? Geben sie die richtigen Antworten auf die Fra-
gen, die wir diskutieren müssen? Ist die Patientenverfü-
gung geeignet, diese Ängste zu nehmen?


(Zuruf von der SPD: Die Ärztekammer sagt: Ja!)


Wir sind uns sicherlich einig, dass die Lösungen auf
einer ganz anderen Ebene liegen – das ist vorhin schon
gesagt worden –: den Menschen helfen und garantieren
zu können, schmerzfrei in den Tod zu gehen, bessere
Palliativ- und Schmerzmedizin, Hospizarbeit, damit man
in diesem Land nicht einsam sterben muss. Wahrschein-
lich ist es auch dringend notwendig, das Arzt-Patienten-
Verhältnis wieder ins Lot zu bringen, also die Abwägung
zwischen der Selbstbestimmung auf der einen Seite und
der Fürsorgepflicht des Arztes auf der anderen Seite
– auf beiden Elementen besteht die Ärzteschaft – vorzu-
nehmen. Dies also muss ins Lot gebracht und ausbalan-
ciert werden, weil das Misstrauen gegenüber moderner
Medizin und Ärzten in den letzten Jahren größer gewor-
den ist und sicherlich auch dazu beiträgt, dass viele
Menschen solche Entscheidungen treffen wollen. Wenn
wir die Defizite in diesem Bereich beseitigen, brauchen
wir – davon bin ich fest überzeugt – weniger über Pa-
tientenverfügungen zu reden.

Wir sollten aber nicht nur darüber diskutieren, was
eine Patientenverfügung für den Einzelnen bedeutet. Wir
müssen vielmehr auch darüber diskutieren, was Patien-
tenverfügungen für die Gesellschaft bedeuten. Viele
Menschen haben – das wurde vorhin angesprochen –
nicht unberechtigte Angst vor den Zuständen in den
Pflegeheimen sowie vor würdeloser und endloser Be-
handlung. Sie fürchten sich vor einer Magensonde. Es ist
immer wieder zu hören: Ich will auf keinen Fall eine
Magensonde. – Vor diesem Hintergrund müssen wir uns
fragen: Werden die Patientenverfügungen zu einem
„leichten Ausweg“ aus der Pflegemisere? Wird der Kos-
tendruck die Umsetzung von Patientenverfügungen be-
schleunigen? Wird der gesellschaftliche Druck, anderen
nicht zur Last fallen zu wollen oder zu müssen, zuneh-
men? Egal was wir tun, welche Variante wir bevorzugen,
wir werden prüfen müssen, welche Auswirkungen die
von uns beschlossenen Gesetze auf die Situation in der
Pflege und den Umgang mit Pflegebedürftigen haben.
Ich meine, das haben wir noch nicht zu Ende gedacht.
Das müssen wir aber tun. Einig sollten wir uns aber zu-
mindest in einem Punkt sein: Wenn es wirklich stimmt,
dass einige Pflegeheime die Aufnahme davon abhängig
machen, dass man eine Patientenverfügung abschließt,
in der bestimmte kostenträchtige Maßnahmen ausge-
schlossen sind, dann sollten wir alle gemeinsam darauf
hinwirken, dass das verboten wird.

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(C (D (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Rolf Stöckel [SPD]: Das ist bereits verboten!)


Wenn jemand sagt: „Ich will so nicht sterben“, dann
ollten wir das akzeptieren und dem Tod nichts in den
eg stellen. Ich glaube, das ist ein Unterschied. Wenn

emand sagt: „Ich will so nicht leben“, dann steht der
od noch nicht vor der Tür; das ist etwas anderes. Dann
at die Gesellschaft die Pflicht, die richtige Lösung für
eine Verzweiflung anzubieten. Vor vier Jahren habe ich
efragt, wer denn außer mir die Entscheidung in einer
rankheitssituation treffen soll. Heute weiß ich die Ant-
ort: Ich.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609103400

Nächster Redner ist nun der Kollege Dr. Hans Georg

aust für die Fraktion der CDU/CSU.


Dr. Hans Georg Faust (CDU):
Rede ID: ID1609103500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

as Wohl des Patienten ist oberstes Gebot. Nach diesem
eitsatz handeln Ärzte seit der Antike. Der Wille des Pa-

ienten ist oberstes Gesetz, sagen uns Ärzten die Juristen
n einer modernen Gesellschaft. Gut, wenn beides Hand
n Hand geht, wie es die Berufsordnung der Ärzte vor-
ibt. Dafür ist aber, auch wenn es vielstimmig gefordert
ird, nach meiner festen Überzeugung eine umfassende,
eue gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung nicht
otwendig.

Die Patientenverfügung war schon bisher Richt-
chnur ärztlichen Handelns. Sie soll jetzt zum gesetzli-
hen Gebot erhoben werden. Auch den Befürwortern ei-
er mehr oder weniger weitgehenden Bindungswirkung
ür das ärztliche Handeln ist dabei klar, dass es sich eben
icht um einen vollwertigen Ersatz einer aktuellen freien
illensäußerung des Patienten handelt. Wie anders wä-

en die Diskussionen über eine Reichweitenbegrenzung
u verstehen? Wie anders wären die Diskussionen da-
über zu erklären, dass Vorschläge zur Form der Patien-
nverfügung, zur Aktualisierung und insbesondere zur

nterpretation von Befundkonstellationen gemacht wer-
en? Das ist eine der entscheidenden Fragen: Stimmt die
rankheitssituation mit dem überein, was der Patient in

einer Patientenverfügung vorgesehen hat und für das er
in Behandlungsgebot oder ein Behandlungsverbot fest-
elegt hat?

Der Arzt, der auf der einen Seite dem Leben ver-
flichtet ist, der die Gesundheit schützt und wiederher-
tellen will, der auf der anderen Seite Leiden lindert und
en Sterbenden bis zum Tod begleitet, fragt sich, ob mit
en zur Diskussion stehenden Änderungen Rechtsklar-
eit geschaffen wird. Er fragt sich, ob nicht bestenfalls
ie Abläufe nur komplizierter werden, schlimmstenfalls
r aber als Arzt in Gewissensnot kommen kann, wenn
bjektiv unvernünftige, dem Wohl des Patienten zuwi-

(B)







(A) )



(B) )


Dr. Hans Georg Faust
derlaufende Anweisungen aus der Patientenverfügung
umgesetzt werden müssen.


(Joachim Stünker [SPD]: Was ist „objektiv unvernünftig“?)


Die Probleme liegen doch nicht auf der Intensivsta-
tion, wo die Menschen, wie man so häufig sagt, „an
Schläuchen hängen“. Dieses Wortbild ist die Sicht des
Außenstehenden, es ist nicht die Sicht des Patienten auf
der Intensivstation. Ich habe in über 30 Jahren intensiv-
medizinischer Erfahrung in den seltensten Fällen Pro-
bleme gehabt, die sich mit den jetzt angedachten Neure-
gelungen zur Patientenverfügung hätten besser lösen
lassen. Nein, meine Damen und Herren – Herr Röspel hat
es angesprochen –, es geht darum, dass in deutschen Pfle-
geheimen bei nicht vom Tode bedrohten Patienten mit
oder ohne Demenz zur Erleichterung der Nahrungsauf-
nahme Magensonden – sogenannte PEG-Sonden – in
großem Umfang gelegt werden und damit eine Lebens-
entwicklung über Jahre hinweg vorprogrammiert wird, in
die dann alle anderen Maßnahmen zur Lebensverlänge-
rung zwangsläufig einmünden. Hier liegt aus meiner
Sicht das Problem, und hierüber sollten wir uns Gedan-
ken machen.

Nach meiner Auffassung soll der in einer Patienten-
verfügung geäußerte Wille eines Patienten wie bisher
grundsätzlich verbindlich bleiben. Dennoch entstehen
Behandlungssituationen, die wichtige Fragen zu dem in
der Patientenverfügung genannten Willen offenlassen.
Hier ist es sehr hilfreich, wenn von dem Patienten eine
Vorsorgevollmacht ausgestellt wurde und man die darin
genannte Vertrauensperson zurate ziehen kann. Im Übri-
gen ist es selbstverständlich, dass die Angehörigen, die
man als Arzt immer umfassend informiert und einbe-
zieht, zur Interpretation des Willens beitragen. Am Ende
steht dann nach meiner Erfahrung in den allermeisten
Fällen eine für alle Beteiligten mit ruhigem Gewissen zu
tragende Entscheidung über Behandlung oder Behand-
lungsabbruch, die der Sorge um das Wohl des Patienten
Rechnung trägt und seinem mutmaßlichen Willen ent-
spricht. Dem steht nicht entgegen, dass wir als Parlament
für auch in Zukunft auftretende Konfliktfälle die Rolle
des Vormundschaftsgerichtes weiter präzisieren und
klarstellen.

Das Wohl des Patienten und sein Wille sind in der Re-
gel keine Gegensätze. Das Bild vom Arzt als Verfechter
einer seelenlosen Apparatemedizin, der um jeden Preis
menschliches Leben verlängern will, und das Bild vom
Juristen, der ihm mit Vorschriften und Gesetzen bewaff-
net in den Arm fallen muss: Beide sind falsch. Noch ha-
ben Patienten, Ärzte und Angehörige eine Vertrauens-
beziehung, in der die bisherige Patientenverfügung und
weitere behutsame gesetzliche Regelungen entschei-
dende Hilfen für Lebensentscheidungen sein können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609103600

Nächster Redner ist der Kollege Detlef Parr, FDP-

Fraktion.

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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! er Bundestag hat es sich nicht leicht gemacht. Über ahre haben wir in Enquete-Kommissionen, in denen ich ür die FDP mitarbeiten durfte, über Möglichkeiten und renzen der Autonomie am Lebensende nachgedacht. ir müssen bald den Mut zur Entscheidung haben. Mitmenschlichkeit ist gefragt, Vertrauen und Respekt or dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. So iel bei der geltenden Rechtslage möglich ist, so wenig echtssicherheit ist für alle Beteiligten gegeben, im rankenhaus, aber mehr noch bei der ambulanten und tationären Pflege. Das müssen wir ändern, zum Beispiel urch mehr Beratung und Schulung von Ärztinnen und rzten, Heimleitung und Pflegekräften sowie durch ehr Wissensvermittlung über Palliativmedizin und ospizbetreuung. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])


(Beifall bei der FDP)

Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1609103700

Unsere Diskussion ist eingebettet in eine immer
prachloser werdende Gesellschaft. Manche Eltern und
inder finden über Gespräche nicht nahe genug zuein-

nder. Manche reden viel, aber zu wenig miteinander.
abei werden gerade die Probleme des Alters verdrängt
nd die Unausweichlichkeit des Sterbens ausgeblendet.
as beste gegenseitige Verständnis und die höchste Ent-

cheidungssicherheit bringen aber Gespräch und Bera-
ung mit dem Ziel einer umfassenden Vorsorge, zum ei-
en in der Familie, zum anderen auch mit dem
eistlichen oder aber auf eigene Initiative auch mit dem
rzt. Durch unsere hochtechnisierte Medizin werden wir

mmer mehr Zeit für Kommunikation brauchen und auch
ie Bereitschaft – nicht nur des Arztes –, uns diesen ele-
entaren Fragen zu stellen. Eine Patientenverfügung
uss also mehr sein als das Ausfüllen eines Formulares

m stillen Kämmerlein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Sie sollte im Ergebnis eine Übereinkunft sich naheste-
ender Menschen sein, die einander ohne Wenn und
ber vertrauen und sich aufeinander verlassen können.
iese Verlässlichkeit muss auch der Staat garantieren.
abei ist es eine Illusion, einen Ausgleich zwischen dem
rundrecht auf Selbstbestimmung und dem Grundrecht

uf Lebensschutz finden zu können. Wer einer Reich-
eitenbegrenzung das Wort redet, sorgt eben für diese
erlässlichkeit nicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir leben in einer freien Gesellschaft. Wir müssen
en Vorrang der Selbstbestimmung respektieren. Ich
timme dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Pro-
essor Hoppe, ausdrücklich zu: Eine Lebensverlänge-
ung um jeden Preis ist abzulehnen. Natürlich wollen wir






(A) )



(B) )


Detlef Parr
kein Gesetz, das bei den Ärzten einen Automatismus in
Gang setzt, jeder Verfügung uneingeschränkt Folge leis-
ten zu müssen. Ein Konsilium, in dem vor einer Ent-
scheidung über den Verzicht auf lebenserhaltende Maß-
nahmen Angehörige und Pflegekräfte bei Nichtvorliegen
einer Patientenverfügung gehört werden, ist die richtige
Grundlage für einen Dialog, der unverzichtbar ist.

Ich wünschte mir, dass ich keine Patientenverfügung
brauchte. Ich wünschte mir, wenn ich nicht mehr selber
entscheiden kann, Menschen um mich zu haben, die
nach bestem Wissen und Gewissen für meine Belange
eintreten. Wenn dies aber nicht möglich ist und keine
Vertrauensperson meine Wünsche vertreten kann, soll
mein erklärter Wille auf eindeutiger, rechtssicherer
Grundlage nicht nur ernst genommen, sondern auch um-
gesetzt werden. Ich möchte nicht zum Spielball ideologi-
scher, religiöser oder moralischer Wertvorstellungen an-
derer werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609103800

Nun hat der Kollege Dr. Ilja Seifert, Fraktion

Die Linke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609103900

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Meine Damen und Herren! Die Debatte hier wird
so geführt, dass man manchmal das Gefühl hat, als ob
die freie Selbstbestimmung von staatlicher Bevormun-
dung bedroht sei. Ich sehe diesen Konflikt eigentlich
nicht. Wir haben die Situation in diesem Lande, dass
Zehntausende von Menschen gegen ihren Willen in Pfle-
geheimen mit Magensonden und ähnlichen „pflegeer-
leichternden Maßnahmen“ versorgt werden. Was sie
nicht wollen, was sie nicht brauchen und was auch nicht
gut ist. Wir tun hier so, als ob eine Patientenverfügung,
mit der jemand entscheidet, dass er nicht an Schläuchen
oder Drähten liegen will, am Lebensende die Rechtssi-
cherheit schaffen würde, die man brauchte. Ich glaube
dieses Märchen nicht. Je länger ich der Diskussion hier
zuhöre, desto eher tendiere ich dazu, lieber keine Rege-
lung zu treffen als eine schlechte. Ich bin also einer von
denjenigen, die noch nicht entschieden haben, wie sie
am Ende abstimmen werden, wenn hier entsprechende
Anträge vorliegen.

Ich möchte ausdrücklich hinzufügen, dass ich Herrn
Kollegen Montag sehr dankbar dafür bin, dass er die ge-
schichtliche Dimension eingebracht hat. Ich kann es mir
jetzt sparen, das zu wiederholen. Wir leben nun einmal
mit der Geschichte der Euthanasie. Wir können nicht so
tun, als ob es sie nicht gäbe. So schlimm es ist und so
heftig alle beteuern, dass es nie wieder so sein wird, wis-
sen wir doch: Die Gefahr, dass so etwas wiederkommt
und eines Tages wieder welche kommen und sagen:


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(C (D Wir tun doch nur das Beste für euch, wenn wir euch mbringen“, ist nicht von der Hand zu weisen. Das ist ein hartes Wort, ich weiß. Ich sage es auch gar icht gern. Ich bin nun einmal sehr tief in der Behindertenbeweung verwurzelt. Es ist kein Zufall, dass der Verband, essen Gründungspräsident ich war, schon in seinem amen die Worte „Selbstbestimmung und Würde“ trägt. ch halte diese Begriffe sehr hoch. Selbstbestimmung ber so hehr darzustellen, als wäre sie ein unumstößlihes Faktum, vor allen Dingen so, als würde sie wirklich eden Tag praktiziert, ist mit dem realen Leben doch icht vereinbar. Wir erleben jeden Tag etwas anderes. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr halte ich s in diesem Punkte mit einem Satz unserer ehemaligen ollegin Margot von Renesse, die in der 14. Wahleriode Vorsitzende der Enquete-Kommission „Recht nd Ethik der modernen Medizin“ war. Mit Frau von enesse stimmte ich in vielen Punkten nicht überein. ber: Sie sagte immer wieder, insbesondere in den Pau en: Das Arzt/Patient-Verhältnis lässt sich nicht verechtlichen; es beruht am Ende auf Vertrauen oder auf ichtvertrauen; wenn wir es nicht zustande bringen, ass zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient ein Verrauensverhältnis besteht, dann nützen alle rechtlichen usagen nichts, weil das Verhältnis zwischen beiden arteien eben nicht gleichberechtigt ist. Das kann es uch überhaupt nicht sein, weil der Patient gar nicht das issen des Arztes hat. Ich bin ein sehr großer Verfechter des Informed Conent; das ist gar keine Frage. Ob aber ein Patient wirklich luge Entscheidungen fällen kann, hängt von vielem ab, nter anderem von der Vorbildung, aber auch davon, wie iele Schmerzen – sie beeinträchtigen unter Umständen ie Wahrnehmung und die Entscheidungsfähigkeit – ine Krankheit bereitet. Vielleicht brauchen wir weniger Patientenverfügunen als vielmehr eine gesetzliche Regelung des Arzt/Paient-Verhältnisses, durch die der Arzt nicht als jemand aternalistisches, nicht als ein allwissender Gott in Weiß argestellt wird, aber auch nicht als ein Bösewicht, geen den man nur mit seinem Rechtsanwalt ankommt. Ich hatte im vergangenen Monat das zweifelhafte Vernügen, eine Weile im Krankenhaus zu sein. In den 4 Tagen, die ich dort war, wurde mir von Ärzten oder uch vom Pflegepersonal ungefähr 17-mal gesagt: Diees und jenes müssen wir aus rechtlichen Gründen so nd so machen. Ich weiß nicht, wie viele Papiere ich unerschreiben musste, um diesem oder jenem zuzustimen. Es ist ja schon jetzt fast so, dass die Ärztin ihrerseits der der Arzt seinerseits mit dem Rechtsanwalt drohen uss und dass der Patient seinerseits mit seinem Rechts nwalt drohen muss, bevor entschieden werden kann, ob ine Spritze gegeben werden darf oder nicht. Liebe Koleginnen und Kollegen, lassen Sie uns lieber das Dr. Ilja Seifert vernünftig regeln als eine Situation, die in der Wirklichkeit immer anders ist als antizipiert. Eine Vorsorgevollmacht – das heißt unter anderem, man legt fest, zu wem man Vertrauen hat – ist eine einfache Sache. Mit dem anderen richten wir aber womöglich mehr Schaden an, als wir Nutzen stiften. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Unruhe)





(A) )


(B) )



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609104000

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Reinhard Loske,

Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609104100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sprechen heute über ein Thema, dem wir uns alle
nur sehr zögerlich nähern wollen, vor dem wir uns auch
allzu gerne drücken: Wir sprechen über das Sterben, vor
allem über das Sterben unter schwierigen Bedingungen.

Wir sind unser ganzes Leben lang auf andere Men-
schen angewiesen, die uns wohlgesonnen sind. Ange-
wiesen sind wir auf sie aber nie so sehr wie am Beginn
und am Ende des Lebens. In diesen Phasen sind wir noch
nicht oder nicht mehr das, was man heute gemeinhin als
„vollautonom“ bezeichnet.

Sofern wir uns mit diesem Thema überhaupt beschäf-
tigen, haben wir eine Idealvorstellung, wie es sein
sollte, wenn wir selber einmal sterben: möglichst nach
einem langen, prallen Leben, mit kurzer Leidenszeit,
möglichst bei vollem Bewusstsein und im Kreise unserer
Liebsten. Viele wünschen sich auch religiöse Rituale.
Das wurde ehedem als Ars Moriendi, als Kunst des Ster-
bens, beschrieben. Vielleicht ist es auch so, dass wir als
moderne Gesellschaft diese Kunst oder – sagen wir bes-
ser: – Kultur ein wenig verlernt haben und dass es durch-
aus an der Zeit ist, sie wieder zu entdecken.

Aber wir alle wissen, dass es so, wie wir es uns wün-
schen, leider, muss man sagen, oft nicht geschieht. Trotz
und wegen des technischen Fortschritts in der Medizin
sind die Fragen zum Lebensende komplizierter gewor-
den. Es wimmelt gewissermaßen nur so von Ambiva-
lenzen aller Art. Einerseits genießen wir natürlich die
Errungenschaften der medizinischen Kunst, die uns län-
ger leben lassen, andererseits graut uns aber bei der Vor-
stellung, wir endeten gegen unseren Willen an Schläu-
chen und Maschinen, die uns nicht sterben lassen,
obwohl wir es doch wollen. Auch von selbstherrlichen
Ärzten – das wurde gerade schon gesagt – ist gelegent-
lich die Rede.

In diese Ambivalenz fällt auch die Debatte, die wir
heute führen. Ich bin, ehrlich gesagt, sehr froh darüber,
dass sie nicht nach dem Muster verläuft: hier der Le-
bensschutz, da die Selbstbestimmung. Das wäre eine
völlig falsche Polarisierung; denn natürlich haben beide
Rechtsgüter, die Selbstbestimmung und der staatlich ga-

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(C (D antierte Lebensschutz, bei uns einen sehr hohen Rang, nd zwar zu Recht. Die Frage, vor der wir jetzt stehen, lautet: Brauchen ir eine explizite gesetzliche Regelung über die rechtli he Bindungswirkung von Patientenverfügungen? Dabei ankt sich der Streit in ganz besonderer Weise um die rage der Reichweite der Patientenverfügung: Soll sie nter allen Umständen gelten, oder soll es Fälle geben, n denen von ihr abgewichen werden kann, wenn nämich eine Differenz zwischen dem in der Patientenverfüung ehemals geäußerten Willen und dem aktuellen Wilen vermutet wird? Ich glaube nicht, dass das die entscheidenden Fragen ind. Ähnlich wie mein Vorredner bin auch ich von der otwendigkeit einer rechtlichen Regelung noch nicht berzeugt. Ich sehe nicht, dass nur zwei Vorschläge im orb sind, nämlich der von Stünker et al. und der von osbach et al. Wir müssen ernsthaft auch eine dritte Va iante in unsere Überlegungen einbeziehen, nämlich die, ie Patientenverfügung bis auf Verfahrensfragen nicht echtlich zu normieren und stattdessen alles dafür zu tun, ass die Informationslage verbessert wird und vor allem ass die Kommunikation zwischen allen Beteiligten, die inen Menschen beim Sterben begleiten und seinem orab verfügten Willen entsprechen wollen, verbessert ird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


as sind die Angehörigen und, sofern vorhanden, Vor-
orgebevollmächtigten auf der einen Seite und die Be-
reuer, Pfleger und Ärzte auf der anderen Seite.

Auf diesen Zusammenhang hat Oliver Tolmein, Ham-
urger Rechtsanwalt, in seinem wirklich sehr lesenswer-
en Buch mit dem schönen Titel „Keiner stirbt für sich
llein“ zu Recht hingewiesen. Seine These lautet in etwa
o: In der letzten Lebensphase sind nicht Rechtsfragen
ntscheidend, sondern eine gute Kommunikation zwi-
chen allen Beteiligten. – Das scheint mir plausibel zu
ein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich muss mich ein bisschen sputen, damit ich mit mei-
er Zeit auskomme. – Wir haben in den letzten Tagen
ahlreiche Positionspapiere erhalten. In allen Positions-
apieren, so unterschiedlich sie auch sind, wird betont,
ass eine verbesserte palliativmedizinische Versor-
ung und eine verbesserte Hospizversorgung essenziell
ür humanes Sterben in diesem Land sind. Das will ich
usdrücklich noch einmal unterstreichen. Wir sollten alle
iejenigen, die in diesem Bereich ehrenamtlich arbeiten,
rmutigen, ihnen helfen und gleichzeitig die Kranken-
assen zu mehr Kooperation auffordern. Das scheint mir
ehr wichtig zu sein.

Zur Frage nach der rechtlichen Bindungswirkung
on Patientenverfügungen haben wir aus der Ge-






(A) )



(B) )


Dr. Reinhard Loske
sellschaft allerdings keine einheitlichen Antworten be-
kommen. Die Hospizstiftung ist für eine gesetzliche
Regelung. Die Behindertenverbände und die Bundesärz-
tekammer halten eine solche nicht für erforderlich und
sind dagegen. Ich habe diese Positionspapiere bzw. die
Handreichung der Bundesärztekammer sehr intensiv stu-
diert. Ganz unabhängig davon, welcher Position man zu-
neigt, kann man ohne Weiteres sagen: Wenn das, was die
Bundesärztekammer in Bezug auf Vorsorgevollmachten
und Patientenverfügungen vorgestern vorgelegt hat, in
den Krankenhäusern und Pflegeheimen zum Standard
würde, dann wären wir schon einen großen Schritt vo-
rangekommen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Zu den Anträgen will ich mich im Detail nicht äußern.
Nur so viel: Meine Vorbehalte gegenüber dem Antrag
Stünker et al. beziehen sich vor allem darauf, dass das
ein sehr individualistisches Konzept ist und nach mei-
nem Empfinden eine gewisse Rationalisierung des Ster-
beprozesses bedeutet. Die Beteiligten in diesem Prozess
werden zu wenig berücksichtigt. Die Reichweitenbe-
schränkung im Antrag Bosbach et al. ist ethisch gut ge-
meint, aber juristisch, glaube ich, schwierig und nicht
handhabbar; sie wirft mehr Rechtsprobleme auf, als sie
löst.


(Beifall der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


Auch den Vorschlag zur Behandlung von Wachkoma-
patienten halte ich für sehr problematisch, weil hier eine
Stufung in der Wertigkeit von Leben vorgenommen
wird, die wir bis jetzt nicht gehabt haben.


(Beifall der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


Da könnte ich – muss ich sagen – auf keinen Fall mitge-
hen.

Bei diesem ernsten Thema darf man natürlich keine
Witze machen. Aber eine Sache will ich Ihnen zum
Schluss doch nicht vorenthalten, weil uns das, glaube
ich, doch zeigt, was uns hier verbindet und wo wir nicht
hinwollen. Vor wenigen Tagen war im „Spiegel“ in ei-
nem Artikel unter der Überschrift „Medizinethik – Com-
puter errät Patientenwillen“ nachzulesen:

Forscher der National Institutes of Health in den
USA haben ein Computerprogramm entwickelt, das
den mutmaßlichen Patientenwillen angeblich ge-
nauso gut ermitteln kann wie die nächsten Angehö-
rigen. Beide lagen in verschiedenen Tests mit fik-
tiven medizinischen Fällen … in etwa 78 Prozent
der Fälle richtig.

Bei den 22 Prozent will man nicht sein. Aber man
kann ganz sicher auch sagen: Das ist eine Entwicklung,
die wir alle nicht wollen, und das eint uns.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Herta Däubler melin, SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ie Fragen, um die es heute geht, wühlen auf. Wenn wir hrlich sind, wühlen sie nicht nur die Menschen auf, mit enen wir reden – darüber ist heute viel berichtet woren –, sondern jeden von uns. Das ist auch sehr begreifich; denn Sterben oder Leiden anzunehmen, ist extrem chwer, wenn es überhaupt möglich ist. Ich glaube, deswegen ist es vernünftig, dass wir mitinander reden – wenn es irgendwie geht –, ohne dass er eine oder andere meint, er hätte in dieser oder jener orm immer Recht. Es gibt Annäherungen, die wir als esetzgeber sehen müssen und die wir berücksichtigen üssen, wenn wir überhaupt Gesetze machen. Frage Nummer eins ist ja: Wie ist es denn eigentlich it der Selbstbestimmung des Menschen? Da ist heute nd in der Zukunft völlig klar: Wenn ich klaren Kopfes estimme, was mit mir sein soll, wenn ich also eine meizinische Behandlung nicht will, dann ist dies völlig indeutig. Das kann unvernünftig sein. Aber wenn ich nformiert und aufgeklärt bin, dann ist das völlig eindeuig. Heute gilt im Prinzip auch das – wenn ich es selber icht mehr sagen kann –, was ich niederschreibe. Das eißt, wir können heute nicht so tun, als gäbe es keine atientenverfügungen bzw. als seien sie nicht rechtsverindlich, wenn sie den Willen des Patienten, des Leidenen oder Sterbenden deutlich machen. Das gilt heute. ir haben auch die Vorsorgevollmacht, die ebenfalls, nd zwar in der Kommunikation mit Ärzten, Angehörien und Betreuern, Gott sei Dank – das will ich jetzt einal mit großem Dank an die Beteiligten sagen – in den llermeisten Fällen hilft. (Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD] und des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU])

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609104200
Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1609104300

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ies haben wir. Das Problem sind, glaube ich, andere
ereiche. Das Problem ist, dass wir unglaublich viel
nsicherheit darüber haben, was heute eigentlich gilt.
iese Unsicherheit muss behoben werden. Diese Unsi-

herheit muss bei den Beteiligten, bei den Ärzten, bei
en Angehörigen, in den Kliniken und beim Pflegeper-
onal behoben werden. Dazu ist – das will ich auch noch
inmal unterstreichen – das Entscheidende, dass wir In-
ormationen haben, dass wir Handreichungen, Klarstel-
ungen und Empfehlungen in allen Bereichen geben. Das
rauchen wir mit einer ebenso großen Klarheit und
eutlichkeit wie eine flächendeckende hospizliche Ver-

orgung. Auch das ist erwähnt worden. Ich will das nur
och einmal im Namen der etwa 150 000 Frauen und
änner, die sich auf diesem Gebiet engagieren, hervor-

eben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dr. Herta Däubler-Gmelin
Jetzt stellt sich aber die Frage, liebe Kolleginnen und
Kollegen: Brauchen wir eigentlich eine neue gesetzliche
Regelung? Ich bin der Auffassung: Wir brauchen sie ei-
gentlich nicht. Wir brauchen sie zwar – da hat Herr
Zöller Recht –, weil die technische Veränderung hin-
sichtlich der gerichtlichen Zuständigkeit erforderlich ist.
Aber ich neige sehr stark dazu, dem zu folgen, was die
Ärzte dazu sagen oder was ich als Schirmherrin der Hos-
pizbewegung höre, weil die neuen gesetzlichen Regelun-
gen die Probleme, die es heute in der Praxis aufgrund der
Unsicherheit gibt, möglicherweise gar nicht lösen kön-
nen und weil wir durch eine gesetzliche Regelung mögli-
cherweise nur die Illusion verstärken würden, die prakti-
schen Probleme würden gelöst.


(Beifall der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


Vor dieser Illusion sollten wir uns hüten. Deswegen
lassen Sie mich sozusagen – wir Juristen sagen immer: –
höchst vorsorglich Folgendes fragen: Was müssen wir
denn eigentlich bedenken, wenn wir ein Gesetz machen?
Wenn wir ein Gesetz machen, müssen wir bedenken,
dass eine schriftliche Patientenverfügung im eintreten-
den Fall durchaus von dem aktuellen Willen abweichen
kann, der immer vorgehen muss; denn die Patientenver-
fügung rechtfertigt sich nur dadurch, dass sie den Willen
des Betroffenen zum Zeitpunkt der Entscheidung deut-
lich machen soll.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das bedeutet – das hätte ich jetzt gern dem Kollegen
Scholz gesagt, wenn er noch da wäre –, dass es keine ge-
setzgeberische Arroganz ist, wenn wir feststellen, dass
wir diese Unterschiede berücksichtigen müssen. Es ist
eine Lehre aus der Erfahrung von Ärzten oder, wie wir
gerade vom Kollegen Winkler gehört haben, von Sterbe-
begleitern – das begegnet auch mir ständig –, dass wir
prüfen müssen, und zwar in jedem Fall, ob eine Kongru-
enz, eine Übereinstimmung, besteht.

Diese Prüfung und Bewertung in jedem Fall – das
bitte ich zu bedenken, lieber Kollege Stünker – liegt im-
mer in der Hand eines Dritten: der Angehörigen, der
Ärzte, der Betreuer. Deswegen ist Kommunikation not-
wendig, und deswegen darf man nicht die Illusion ver-
breiten, die Patientenverfügung könne dieses Problem
lösen; denn das kann sie nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt stellt sich die Frage: Wie wirkt ein Gesetz, das das
nicht berücksichtigt? Deswegen bitte ich, noch einmal zu
überdenken, wie sich Ihre Formulierung auswirkt. Eine
klare – sozusagen automatisch geltende – Gleichstellung
dessen, was in einer Patientenverfügung niedergeschrie-
ben worden ist, mit dem aktuellen Willen ist annähe-
rungsweise am ehesten in den Fällen möglich, die Herr
Bosbach und Herr Röspel so definiert haben, dass die
Krankheit einen irreversibel tödlichen Verlauf nimmt.
Dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Wille de-
ckungsgleich ist, am größten. Dann kann Sterbenlassen
unter der Formulierung auf jeden Fall so gesehen werden.

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(C (D ch bin der Auffassung: Wenn ein Gesetz, dann ist seine dee eines Gesetzes richtiger; es vermeidet große Fehler. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich will Ihnen als Letztes sagen, welche Sorge ich
abe, wenn wir ein Gesetz machen, das falsche Gleich-
etzungen automatisiert. Sorge Nummer eins ist, dass die
raktischen Probleme nicht gelöst werden und die Men-
chen Steine statt Brot haben. Davor sollten wir uns hü-
en, gerade im Hinblick auf Informationskampagnen und
andreichungen in der Öffentlichkeit. Die zweite Sorge

ngesichts eines Automatismus bei einer falschen
leichsetzung bezieht sich nicht auf aktuellen Miss-
rauch oder gar auf den bösen Willen des einen oder an-
eren Kollegen hier bzw. der Ärzteschaft oder der Pfle-
er, sondern darauf, dass die Auswirkung eines solchen
esetzes sein kann, dass in Zweifelsfällen eben nicht für
as Leben entschieden wird, sondern in der Richtung,
ass Alte, Schwerstkranke, Leidende oder Sterbende
icht optimal betreut und versorgt werden.

Das ist meine Sorge. Deshalb ist die Tatsache, dass
ir uns, wenn wir denn ein Gesetz machen, mit einer
esetzesformulierung unglaublich viel Mühe geben, ge-

echtfertigt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609104400

Nächster Redner ist der Kollege Thomas Rachel,

DU/CSU-Fraktion.


Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1609104500

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Alten

estament, der hebräischen Bibel, dem gemeinsamen
uch von Juden und Christen, steht beim Prediger
alomo, bei Kohelet:

Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine
Zeit.

Für uns Christen liegen Leben und Sterben in Gottes
and. Wir wissen und spüren, dass im Versuch einer ge-

etzlichen Regelung immer auch ein Stück Hilflosigkeit
iegt. Denn ein Mensch ist letztlich immer hilflos, wenn
s um seinen Tod geht. In der letzten Lebensphase haben
nsere Wünsche ein besonderes Gewicht. In diesem Mo-
ent wird die Patientenverfügung wichtig. Sie dient der
chtung der Menschenwürde, indem sie ein Instrument
ereitstellt, mit dem wir unsere Selbstbestimmung auch
ann zur Geltung bringen können, wenn wir zu einer be-
ussten Willensäußerung nicht mehr in der Lage sind.

Die Wertschätzung der Patientenverfügung wird auch
adurch deutlich, dass die beiden Kirchen seit über sie-
en Jahren ein eigenes Patientenverfügungsformular mit
iner Handreichung anbieten und davon bereits mehr als
,5 Millionen Exemplare abgegeben haben. Patienten,
ngehörige, Ärzte und Betreuer sind verunsichert. Sie
rauchen aber mehr Rechtssicherheit bei den Entschei-






(A) )



(B) )


Thomas Rachel
dungen am Lebensende. Deshalb sollten die Verbind-
lichkeit und Stellung der Patientenverfügung gestärkt
werden, indem sie gesetzlich geregelt wird.

Aber kann man alles Denkbare in einer solchen Ver-
fügung festlegen? Befürworter einer unbeschränkten Pa-
tientenverfügung führen meistens an, es könne nicht
sein, dass jemand gegen seinen Willen einer medizini-
schen Maßnahme unterzogen wird. Das ist richtig. Aber
gilt dieser Satz auch für die Patientenverfügung? Müss-
ten wir den Satz nicht anders formulieren: Niemand darf
gegen seinen früheren Willen behandelt werden? Damit
sind wir mitten im Problem. Es geht um eine Entschei-
dung für die Zukunft.

Es ist möglich, dass sich das Empfinden und die Maß-
stäbe, an denen Freud und Leid gemessen werden, und
auch die Wertvorstellungen des Patienten in der Zwi-
schenzeit grundlegend ändern. Dies zeigen auch die Er-
fahrungen von Ärzten, wenn sie interveniert haben.
Manche Patienten sind froh gewesen, dass ihre Patien-
tenverfügung nicht befolgt wurde.

Ein Leben, das mit erheblichen Einschränkungen ver-
bunden ist, schätzen gesunde Menschen vielfach gerin-
ger ein als davon betroffene Menschen. Wir müssen den
Unterschied zwischen vorausverfügtem Willen und ak-
tuellem Willen beachten. Je gravierender die Folgen ei-
nes Behandlungsverzichts sind, desto mehr Vorsicht ist
geboten. Wir müssen versuchen, Selbstbestimmung des
Patienten und Fürsorge für ihn in einen schonenden Aus-
gleich zu bringen.

Der Lösungsweg, der maßgeblich von Wolfgang
Bosbach initiiert wurde und der die Fälle unumkehrbar
tödlicher Krankheitsverläufe oder irreversiblen Bewusst-
seinsverlustes umfasst, ist ein guter und gangbarer Weg.
Denn gerade bei den unumkehrbar tödlichen Krankheits-
verläufen ist die Trennlinie klar: Es geht deutlich er-
kennbar um das Sterbenlassen.


(Joachim Stünker [SPD]: Wer stellt das denn fest?)


Wenn von anderer Seite die unbegrenzte Möglichkeit
zum Abbruch lebenserhaltender Behandlungen ange-
strebt wird, dann geht es dort um Lebensbeendigung von
Erkrankten, die an dieser Erkrankung aber nicht sterben
müssten. Genau hier liegt der entscheidende Unter-
schied.

Aber auch für Situationen, in denen Betroffene ohne
Bewusstsein sind und nach ärztlicher Überzeugung mit
an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Be-
wusstsein niemals wiedererlangen werden, muss es
möglich sein, in einer Patientenverfügung das Unterlas-
sen einer Behandlung festzulegen.

In einer aussichtslosen Situation, zum Beispiel im
Fall eines langfristig stabilen Wachkomas, sollte der
staatliche Lebensschutz hinter den erklärten Willen des
Betroffenen zurücktreten, wenn dies in der Patienten-
verfügung ausdrücklich verlangt wurde. Meines Erach-
tens kann der Staat einen Patienten nicht zwingen, über
Jahre in schwerstem Wachkoma zu bleiben, wenn der

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(C (D atient in einer Patientenverfügung ausdrücklich und lar medizinische Maßnahmen abgelehnt hat. Auch das grundlegende Papier der Evangelischen irche in Deutschland geht genau diesen Weg, indem es esagt, dass wir zum Besten des Patienten handeln müsen, was einschließt, dass man seine Sicht und seinen illen soweit wie möglich achtet. In diesen schwierigen ällen darf das Unterlassen einer lebenserhaltenden aßnahme aber nicht auf einen mutmaßlichen Willen, ondern nur auf eine konkrete Patientenverfügung getützt werden. Außerdem sollte das Vormundschaftsgeicht auf jeden Fall einbezogen werden. Eine Basisversorgung sollte in allen Fällen durchgeührt werden. Dazu zählt beispielsweise das Stillen des efühls von Durst und Hunger. Eine Magensonde wird edoch oft als ein Eingriff in die eigene körperliche Interität wahrgenommen. Der Patient muss deshalb die öglichkeit haben, im Wege der Patientenverfügung auf ine künstliche Ernährung verzichten zu können. Nach christlicher Überzeugung gilt, dass Gott allen ingen ihre Zeit bestimmt. Der Mensch steht letztlich or der Aufgabe, zu erkennen, wann was an der Zeit ist. azu kann eben die Erkenntnis gehören, dass auch dem terben seine Zeit gesetzt ist, es also darauf ankommt, en Tod zuzulassen und seinem Kommen nichts mehr ntgegenzusetzen. Es gibt also keine Pflicht zur Leidenserlängerung um jeden Preis. Wir sollten uns also um ine gesetzliche Absicherung der Patientenverfügung, en Ausbau der palliativmedizinischen Versorgung und er Hospizdienste kümmern und uns gemeinsam bemüen, die Bedürfnisse der Ältesten und Schwerstkranken ieder in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Joachim Stünker [SPD]: Das arme Gericht!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609104600

Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Carola Reimann,

PD-Fraktion.


Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1609104700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Der medizinisch-technische Fortschritt hat
azu geführt, dass Leben in einem wesentlich größeren
mfang als früher gerettet und auch verlängert werden
ann.

Wie so häufig hat eine im Grunde positive und erfreu-
iche Entwicklung auch eine Kehrseite. Heute haben
iele Menschen Angst vor Schmerzen und vor Leiden
m Lebensende. Die Vorstellung, nicht mehr äußerungs-
ähig zu sein und somit nicht selbst über medizinische

aßnahmen entscheiden zu können, ist für viele beängs-
igend.

Genau hier setzt die Patientenverfügung an, über deren
esetzliche Verankerung wir heute debattieren und für die
ch mich ausdrücklich ausspreche. Denn ich glaube nicht,
ass der bloße Aufruf zu mehr Kommunikation, zu mehr






(A) )



(B) )


Dr. Carola Reimann
Information und zu mehr Kooperation ausreicht. Wir
wollen mit der Patientenverfügung die Patientenautono-
mie stärken und eine selbstbestimmte Entscheidung am
Lebensende ermöglichen. Wie viele andere Unterstützer
des sogenannten Stünker-Entwurfs bin ich der Auffas-
sung, dass die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen
nicht davon abhängen darf, dass das Grundleiden irrever-
sibel und trotz medizinischer Behandlung zum Tode füh-
ren wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Fragen wir uns doch einmal, warum Millionen von
Menschen Patientenverfügungen verfassen. Das Abfas-
sen einer Patientenverfügung, vor allem einer Ableh-
nungsverfügung – das sind die allermeisten –, ist in fast
allen Fällen dadurch motiviert, dass jemand, auch wenn
er nicht mehr äußerungsfähig ist, selbst über seine Wei-
terbehandlung bestimmen und dies eben nicht den Ärz-
ten und damit dem überlassen will, was sie in dieser Si-
tuation für richtig halten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn man aber die Verbindlichkeit der Patientenäuße-
rung auf Situationen begrenzt, in denen ich nicht äuße-
rungsfähig bin und an einer irreversibel zum Tode führen-
den Grunderkrankung leide, lege ich diese Entscheidung
doch wieder in die Hände von Dritten, in die Hände von
Medizinern und Ärzten. Dies ist eine Entscheidung, mit
der sich im Übrigen auch die Ärzte schwertun werden,
zumal diese Beurteilung in vielen Fällen nicht eindeutig
zu treffen ist und den Ärzten – das kommt hinzu – im
Falle einer Fehleinschätzung Sanktionen drohen können.


(Joachim Stünker [SPD]: So ist es!)


Vor diesem Hintergrund ist abzusehen, dass Ärzte be-
handlungsablehnende Patientenverfügungen nicht be-
achten werden und der in der Verfügung festgehaltene
Wille des Patienten letztlich unberücksichtigt bleibt.

Darüber hinaus vertrete ich die Auffassung, dass die
Reichweitenbeschränkung – darauf haben die Juristen
schon hingewiesen – das Recht jedes Einzelnen auf
Selbstbestimmung zu stark beschneidet. Bei aller gebo-
tenen und notwendigen Fürsorge des Staates darf der
Gesetzgeber meiner Ansicht nach die Freiheit des Ein-
zelnen, der ja für sich persönlich eine informierte Ent-
scheidung trifft und eine solche auch treffen will – das
alles ist freiwillig –, nicht in diesem Ausmaß begrenzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir erwarten, dass jeder, der eine Patientenverfügung
abfasst, damit für sich eine individuelle, informierte und
reflektierte Entscheidung trifft; auf die Problematik der
Vorausverfügung ist heute Morgen schon hingewiesen
worden. Deshalb bin ich dafür, dass eine Patientenverfü-
gung ohne Einschränkung der Reichweite verbindlich
ist, wenn bestimmte Wirksamkeitsvoraussetzungen er-
füllt sind. Dazu zählen für mich neben der Schriftlichkeit
die ärztliche Beratung und Information vor der Abfas-
sung einer Patientenverfügung und eine regelmäßige
Aktualisierung. Ich will sagen, warum. Die ärztliche Be-

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(C (D atung dient dazu, über Krankheiten, denkbare Krankeitsverläufe, über medizinische Möglichkeiten und ehandlungsalternativen wirklich informiert zu sein. ögliche Fehlvorstellungen, Fehleinschätzungen auch urch Unwissenheit und Ängste können so reduziert und ie Folgen eines Behandlungsverzichts deutlich gemacht erden. Mein Eindruck ist auch, dass viele, die schon heute atientenverfügungen verfasst haben, im Vorfeld einer olchen Patientenverfügung das Gespräch mit ihrem rzt gesucht haben. Auch die Aktualisierung der Patien enverfügung sollte mit einer erneuten Beratung einherehen, damit die Verfasser einer Patientenverfügung gegebenenfalls vor dem Hintergrund einer eigenen ortschreitenden Erkrankung – auf diese Weise regelmäig über medizinisch-technische Fortschritte, neue ehandlungsmöglichkeiten und Entwicklungen in der alliativmedizin informiert werden, die mit in die Entcheidung einfließen. Durch die genannten Wirksamkeitsvoraussetzungen ird meiner Ansicht nach sichergestellt, dass der Ein elne eine informierte und reflektierte Entscheidung rifft. Unter diesen Umständen ist eine uneingeschränkte erbindlichkeit und Reichweite von Patientenverfügunen bei aller Fürsorgepflicht des Staates vertretbar. Ich inde es wichtig, dass jeder auf der Basis einer selbstgeroffenen und gut informierten Entscheidung ein menchenwürdiges und bis zuletzt selbstbestimmtes Leben ühren kann. Die Koppelung der Reichweite und der erbindlichkeit an diese Wirksamkeitsvoraussetzungen st meiner Meinung nach der beste Weg, dieses Ziel zu rreichen und die Patientenautonomie auch am Lebensnde zu stärken. Ich will an dieser Stelle sagen, dass ich eine Vorsorevollmacht in Ergänzung zur Patientenverfügung für ehr als empfehlenswert halte; das ist heute schon ehrfach angeklungen. Ich danke für das Zuhören. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609104800

Nächster Redner ist der Kollege Hubert Hüppe, CDU/

SU-Fraktion.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1609104900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Je län-

er ich mich mit dem Thema Patientenverfügung ausein-
ndersetze, umso unsicherer bin ich – das hat sich auch
urch die heutigen Debattenbeiträge bestätigt –, ob es
irklich Sinn macht, zu diesem Thema ein Gesetz zu
achen. Ich frage mich, ob es richtig ist, zu glauben, der
esetzgeber könne alles regeln, bis in den Tod hinein.

ch glaube, wir übernehmen uns damit.

Inzwischen hört man auch von den Betroffenen, die
n vorderster Front arbeiten – die Ärztekammer ist schon
äufiger zitiert worden –, dass die Erwartungen, die an
ie Patientenverfügung geknüpft werden, viel zu hoch
ind. Die Frage ist: Können Patientenverfügungen die






(A) )



(B) )


Hubert Hüppe
Selbstbestimmung so absichern, wie sich das viele wün-
schen? Es ist etwas anderes, wenn ich einwilligungsfä-
hig bin. Dann kommt der Arzt, erklärt mir die Diagnose
und sagt, welche Behandlung im Vordergrund stehen
wird. Er wägt mit mir die Chancen und Risiken ab. Ge-
meinsam werden wir berücksichtigen, welche Erfolgs-
aussichten bestehen. Wenn ein Arzt der inneren Medizin
eine neurologische Erkrankung erkennt, dann wird er
diese Entscheidung über die Behandlung nicht mit mir
allein treffen, sondern einen Neurologen hinzuziehen.

All das kann man durch eine Patientenverfügung, die
man möglicherweise Jahre zuvor verfasst hat, nicht ab-
decken. Selbst wenn man sich alle Mühe gibt, wenn man
sich vorher ärztlichen Rat einholt, wird man nicht für
jede mögliche Situation vorsorgen können. Deswegen
muss man, denke ich, mit dem, was man sagt, sehr vor-
sichtig sein. Man könnte sonst nämlich den Eindruck er-
wecken, dass man die Selbstbestimmung durch eine Pa-
tientenverfügung wirklich durchsetzen kann und die
Situation dadurch für diejenigen, die am Bett sitzen, ein-
facher wird.

Man muss einmal in Länder schauen, in denen es ge-
setzliche Regelungen zur Patientenverfügung bereits
gibt. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es
seit ungefähr 16 Jahren eine Regelung zur Patientenver-
fügung. Überall, in jeder Einrichtung, in jedem Kranken-
haus und in jeder Pflegeeinrichtung, wird dafür Werbung
gemacht. Trotzdem haben dort nur 18 Prozent aller Men-
schen eine Patientenverfügung.


(Rolf Stöckel [SPD]: Es gibt ja keinen Zwang dazu!)


Interessant ist, dass die Patientenverfügung in sehr weni-
gen Fällen, in denen eine Entscheidung erforderlich ist,
angewandt wird, weil die Patientenverfügung entweder
gar nicht verfügbar ist, nicht aufgefunden wird, oder
weil sie – das ist häufiger der Fall – gar nicht auf die Si-
tuation passt.

Herr Kollege Stünker, deswegen habe ich ein biss-
chen Angst vor der Regelung, die Sie vorschlagen. Sie
betrifft nämlich auch die 97 Prozent der Fälle, in denen
entweder keine Patientenverfügung vorliegt, oder eine,
die nicht genau zu der Situation passt. Sie wollen eine
Regelung für die Fälle schaffen – das sieht Ihr Entwurf,
wenn er denn noch so steht, vor –, in denen keine Patien-
tenverfügung vorliegt. Dann sollen zwei Personen, näm-
lich der behandelnde Arzt und der Betreuer – ich sage in
Klammern: möglicherweise nur der Berufsbetreuer –, al-
lein entscheiden, ob eine lebensnotwendige Maßnahme
durchgeführt wird oder nicht. Das ist nicht Selbstbestim-
mung. Da entscheiden zwei andere.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist doch gar nicht die Regelung!)


– Es sei denn, Sie haben es geändert. Sie machen das
ohne das Vormundschaftsgericht.


(Joachim Stünker [SPD]: Sie haben es nicht richtig gelesen! Das ist das Problem!)


– Ich habe Ihren Vorschlag natürlich gelesen. Er enthält
viel Gutes, in diesem Punkt halte ich ihn aber für gefähr-

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(C (D ich; Sie wollen das Vormundschaftsgericht nicht einbeiehen. In diesem Zusammenhang muss ich sagen: Auf der inen Seite wollen Sie in § 1904 des Bürgerlichen Geetzbuches die Regelung beibehalten, dass man das Vorundschaftsgericht befragen muss, wenn es um einen ingriff geht, der für den Menschen zwar lebensgefähr ich ist, der sein Leben aber retten soll. Auf der anderen eite soll das Vormundschaftsgericht aber nicht entcheiden, wenn eine Behandlung abgebrochen bzw. berhaupt nicht durchgeführt werden soll, was zwangsäufig den Tod nach sich ziehen würde. Das halte ich für alsch; diese Regelung sollten wir nicht treffen. Zum Schluss möchte ich betonen – hier teile ich, was ndere bereits gesagt haben –: Es trifft nicht hauptsächich für Fälle auf der Intensivstation zu. Manchmal wird o getan, als ob Hunderttausende von Menschen auf der ntensivstation sterben. Das Problem liegt tatsächlich in en Pflegeheimen. Ich sage Ihnen: Wenn es wirklich so st – ich will nicht die Pflegeheime als solche insgesamt esavouieren –, dass Menschen dort nur aus Zeitgründen ine Magensonde gelegt wird, weil das Geben der Nahung zu viel Zeit beanspruchen würde, dann ist da bereits ie Menschenwürde verletzt, dann müssen wir uns Geanken darüber machen, wie wir diesen Zustand ändern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es wurde bemängelt, dass es eine Grauzone gibt.
ber ich glaube, als Abgeordnete müssen wir uns damit

bfinden, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt.

Vielen Dank fürs Zuhören.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609105000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Griese,

PD-Fraktion.


Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1609105100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

iele von uns haben hier aus einem christlichen Selbst-
erständnis heraus gesprochen. Auch ich will das tun;
ch spreche hier als evangelische Christin. Ich spreche
uch als Kirchenbeauftragte meiner Fraktion. Ich will
usdrücklich sagen, dass ich glaube, dass es niemanden
ibt, der für sich in Anspruch nehmen kann, dass er oder
ie allein eine christliche Position vertritt. Ich bin mir si-
her: Auch die Christenmenschen in diesem Parlament
erden sich am Ende für verschiedene Anträge entschei-
en. Wir müssen uns gegenseitig darüber Auskunft ge-
en, was unser Werthorizont ist und warum wir uns wie
ntscheiden.

Ich will mich in diesem Zusammenhang ganz herzlich
edanken. Gemeinsam mit der Kollegin Fischbach und
en Kollegen Goldmann, Ramelow und Winkler hatten
ir die evangelische und katholische Kirche zu einem






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(B) )


Kerstin Griese
fraktionsoffenen Nachmittag zum Thema Patientenver-
fügung eingeladen, der, glaube ich, für viele von uns er-
kenntnisreich war. Wir haben dort eine gute Form der
Zusammenarbeit und der Diskussion gestartet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Es ist schon erwähnt worden: Auch die Kirchen ge-
ben christliche Patientenverfügungen heraus, seit 1999
über 2,5 Millionen. Es gibt eine große Nachfrage. Die
zweite Auflage wurde bezüglich der Reichweite erwei-
tert, nämlich um zusätzliche Verfügungen für Situatio-
nen außerhalb der eigentlichen Sterbephase. Das heißt,
das Bedürfnis danach ist anscheinend vorhanden und
sehr groß.

Mir ist ganz wichtig festzuhalten, dass wir uns da-
rüber einig sein müssen, dass es niemals so etwas wie
eine Pflicht zu einer Patientenverfügung geben darf.
Niemals darf es so sein, dass ein Pflege- oder Altersheim
verlangt, dass jemand, der dort aufgenommen wird, eine
Patientenverfügung hat. Ich denke, das muss klar sein
und dagegen müssen sich alle äußern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Das ist aber gang und gäbe!)


– Aber es ist nicht anständig, wenn es gang und gäbe ist.
Das darf nicht sein. Auch das muss man sagen dürfen.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist rechtlich nicht zulässig!)


– Es ist sogar rechtlich nicht zulässig.

Mein zweiter Punkt. Leben und Sterben haben ihre
Zeit. Leben und Sterben liegen nach christlichem Selbst-
verständnis in Gottes Hand. Aber dennoch dürfen und
müssen wir Menschen darüber nachdenken, wie wir ster-
ben wollen. Deshalb ist die Hospizarbeit, die hier schon
vielfach erwähnt wurde, so wichtig. Die Schriftstellerin
Hilde Domin hat einmal vom „kostbarsten Unterricht am
Sterbebett“ gesprochen. Wenn wir diese Arbeit machen
und wenn wir damit in Kontakt kommen, belehrt uns das
über uns selbst. Ich bin froh, dass wir endlich begonnen
haben, die Palliativmedizin und Hospizarbeit stärker zu
unterstützen.

Wichtig ist mir: Wir leben nicht allein, wir sterben
auch nicht allein. Zum Sterben gehören pflegende Ange-
hörige, Freundinnen und Freunde, Ärztinnen und Ärzte,
Seelsorgerinnen und Seelsorger. Ich glaube, wir sollten
Selbstbestimmung und Fürsorge nicht gegeneinander-
setzen. Das dürfen keine Gegensätze sein. Gerade am
Ende des Lebens gehören Selbstbestimmung und Für-
sorge zusammen. Krankheit, Sterben und Tod eines
Menschen können nicht ohne seine soziale Einbettung,
ohne die Fürsorge anderer Menschen verstanden werden.

Ich will die Kammer für Öffentliche Verantwortung
der Evangelischen Kirche in Deutschland zitieren, die
unter dem Titel „Sterben hat seine Zeit“ ein interessantes
Papier vorgelegt hat. Dort heißt es:

Der Respekt vor der Selbstbestimmung der Patien-
ten ist … geradezu eine Implikation der Fürsorge.

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(C (D (Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD] und der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das heißt, Fürsorge und Selbstbestimmung gehören
usammen. Es gehört gerade zur Fürsorgepflicht der
rzte, dass sie die Selbstbestimmung achten, dass sie
eben erhalten und Sterben nicht verlängern. Zum Le-
en gehört das Sterben. Patientenverfügungen sollen
azu beitragen, dass Ärzte diese Fürsorgepflicht wahr-
ehmen.

Ich glaube, dass wir in der Frage der Verbindlichkeit
nd Gültigkeit sehr eindeutige Regelungen für Patien-
enverfügungen brauchen. Ich glaube, man kann meinem
ollegen Stünker nicht unterstellen, dass er in seinem
ntwurf einen Automatismus befürwortet. Selbstver-
tändlich muss eine Patientenverfügung immer interpre-
iert werden. Es muss immer die Möglichkeit bestehen,
ass auch mündliche Äußerungen, körperliche Regun-
en oder Zeichen eines Patienten in die Interpretation
er Patientenverfügung einfließen. Brigitte Zypries hat
as vorhin die „Gesamtschau des Lebens“ genannt. Nie-
and wird sagen können, dass es einen absoluten Auto-
atismus gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


uch die, die sich für die Regelung einer Patientenverfü-
ung aussprechen, werden, wie ich hoffe – zumindest ist
as mein Eindruck aus dieser Diskussion –, sagen: Wir
üssen darauf achten, wie und wo sie zutrifft.

Ich möchte noch einmal aus dem Papier der EKD zi-
ieren:

Wenn ein urteilsfähiger Patient angesichts von
schwerster Krankheit und Leiden Nahrung verwei-
gert, verbietet es der Respekt vor dessen Selbstbe-
stimmung, ihn in diesem Fall zwangsweise zu er-
nähren. Wenn wir aber in dieser Weise den Willen
und die Selbstbestimmung des urteilsfähigen Pa-
tienten respektieren, muss dies prinzipiell auch für
den Fall seiner Urteilsunfähigkeit gelten.


(Joachim Stünker [SPD]: Sehr gut!)


Das macht deutlich, dass Respekt vor dem Patienten
nd Fürsorge wichtig sind. Der aktuelle Wille hängt nun
inmal sehr stark mit dem zusammen, was man vorher
ls Willen aufgeschrieben hat. Aber es kommen weitere
spekte hinzu. Auch das muss ein verantwortlicher, für-

orglicher Arzt, ein Bevollmächtigter oder ein Betreuer
lären.

Ich will kurz auf die Bestimmung der Reichweite ein-
ehen. Dieser Punkt, der der ethisch schwierigste Aspekt
n dieser Debatte ist, macht mir persönlich – ich sage das
anz ehrlich – die meisten Probleme; da ich dieser Dis-
ussion bereits seit 9 Uhr folge, kann ich sagen, dass sie
ine der interessantesten ist, die wir je geführt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


ch glaube, dass ich in eine Patientenverfügung schrei-
en würde, dass sie für tödlich verlaufende Krankheiten






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(B) )


Kerstin Griese
gelten soll. Aber ich kann nicht zu der Entscheidung
kommen, das allen anderen Menschen so vorzuschrei-
ben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Hier müssen wir genau unterscheiden.

Ich habe auch ein Problem damit, dass Demenz und
Wachkoma in einigen Diskussionen gleichgesetzt wer-
den. Ich bin der Meinung, dass es einen großen Unter-
schied zwischen Demenz und Wachkoma gibt und dass
man damit unterschiedlich umgehen sollte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Mein letzter Punkt – ich spreche diesen Aspekt nur
ganz kurz an, weil die Kolleginnen Reimann und
Volkmer dazu bereits Vorschläge gemacht haben –: Ich
glaube, wir brauchen unbedingt die Festlegung auf die
Schriftform, die Pflicht zur Aktualisierung und die Mög-
lichkeit der Beratung. All das ist notwendig, um deutlich
zu machen, dass die Würde und der Wille der Schwerst-
kranken unsere obersten Prinzipien sind, damit bei der
Abfassung einer Patientenverfügung nicht die Angst vor
Fremdbestimmung oder Apparatemedizin die Feder
führt. Die Gewährleistung eines menschenwürdigen Le-
bens bis zum Ende, also bis zum Sterben, das zum Leben
gehört, ist eine Aufgabe, die weit über die Patientenver-
fügung hinausreicht. Ich hoffe, dass wir auch bei ande-
ren Themen, bei denen wir uns mit solchen Fragen be-
schäftigen müssen, gute Lösungen finden werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609105200

Nun hat das Wort die Kollegin Julia Klöckner, CDU/

CSU-Fraktion.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1609105300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Debatte, die wir nun schon seit fast drei Stunden
führen, hat mich sehr nachdenklich gemacht, und ich
denke, auch Sie. Es sind Aspekte und Akzentuierungen
zur Sprache gekommen, die auch diejenigen, die in die-
ser Frage eine feste Meinung haben, doch noch einmal
zum Reflektieren bringen. Ich finde, wir sollten diese
Debatte zum Anlass nehmen, uns innerhalb der Fraktio-
nen erneut mit diesem Thema zu beschäftigen.

Vorweg zu meiner persönlichen Positionierung: Ich
unterstütze den Antrag der Kollegen Bosbach, Winkler,
Fricke und Röspel. Für mich ist die Frage von Bedeu-
tung, welche Alternativen wir im politischen Prozess ha-
ben. Wenn man die beste Entscheidung nicht erreicht,
dann sollte man überlegen, welche Entscheidung die
zweitbeste ist, um sozusagen – das sage ich aus meiner
Sicht; damit möchte ich andere Meinungen nicht abqua-
lifizieren – etwas Schlimmeres zu verhindern.

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(C (D Dass wir alle sterben werden, ist unausweichlich. enn allerdings danach gefragt wird, wie jemand ster en möchte – das hat eine Umfrage der Deutschen Hosiz-Stiftung ergeben –, dann antworten die meisten Menchen: erst im hohen Alter, man möchte geistig und örperlich fit sein, alle Lieben um sich versammelt haen, in Frieden vereint sein und irgendwann einfach zu ause einschlafen. – Das ist eine wunderbare Vorstel ung. Doch nur ein ganz geringer Prozentsatz wird das so rleben. Denn die Patientenverfügung hat einen ganz laren Gegner: die Realität. Wir möchten mit Blick auf ie letzte Lebensphase für Sicherheit sorgen, aber das inzige, was sicher ist, ist die Unsicherheit. Es ist nicht gerade erheiternd für die nachmittägliche unde in der Familie, über Patientenverfügungen oder ber den letzten Lebensabschnitt zu reden. Aber wir rauchen Kommunikation. Kommunikation leisten wir eute auch mit dieser Debatte. Deshalb auch Dank an die orsitzenden und an die Geschäftsführer aller Fraktioen, dass wir in der Kernzeit drei Stunden lang und ohne ewissermaßen Schaum vor dem Mund zu haben daüber debattieren. Auch wenn wir ein Gesetz machen, können wir damit icht alle Klarheiten schaffen, die wir uns wünschen und on denen heute auch geredet wurde, bzw. die Unklareiten ausräumen, die heute bemängelt wurden. Aber as wir schaffen können und sollten, ist Klarheit für die m Prozess Beteiligten, auch für diejenigen, die eine solhe Patientenverfügung umsetzen müssen. Heute früh ekam ich einen Anruf von dem Chefarzt eines Kranenhauses in meinem Wahlkreis. Er hat mir erzählt, dass ine Klage von einem Sohn anhängig ist, der sich daurch, dass der Arzt nicht die Patientenverfügung umgeetzt hat, wodurch es zu erhöhten Pflegekosten kam, um ein Erbe betrogen fühlt. Wir brauchen Rechtssicherheit ür die Ärztinnen und Ärzte. Ich möchte auch sagen: Ich bin für eine Reichweitenegrenzung, um Missbrauch zu verhindern. Ich gebe zu, ass ich Bauchschmerzen habe angesichts dessen, dass as Wachkoma laut Entwurf in die Reichweitenbegrenung einbezogen werden soll. Denn ich habe ein Wachomazentrum besichtigt. Kollege Hüppe ebenfalls; er at in seinem Wahlkreis auch eines. (Michael Kauch [FDP]: Ich war auch in einem!)


Viele andere auch. Herr Kauch, ich freue mich, dass
uch Sie in einem waren.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Wachkomapatienten
icht zwingend Sterbende sind, sondern dass das Wach-
oma auch ein Zustand der Behinderung sein kann. Wir
üssen uns also fragen: Was bedeutet es, wenn wir diese
eichweite noch vergrößern oder ganz wegfallen ließen?
ie gehen wir um mit Behinderung in unserer Gesell-

chaft?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen aufpassen, dass wir die Autonomie nicht
onterkarieren. Ich habe gestern Abend im Taxi den






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(B) )


Julia Klöckner
Fahrer gefragt, ob er sich schon einmal über das Thema
Patientenverfügung Gedanken gemacht habe. Er antwor-
tete mir: Ja, abschalten. Das war schwierig, und unser
Gespräch zog sich dann etwas länger hin. Allein dass je-
mand so schnell eine Antwort finden zu können meint,
macht mir schon Sorge. Die Frage ist: Muten wir den
Bürgerinnen und Bürgern, die keine medizinische, keine
juristische Ausbildung haben, bei dieser Entscheidung
nicht zu viel zu? Auf dem Gebiet des Verbraucherschut-
zes heißt es: Beim Haustürgeschäft gilt ein 14-tägiges
Widerrufsrecht, weil man sich irren kann. Wenn hinge-
gen eine solche Patientenverfügung umgesetzt wird, das
heißt lebenserhaltende Maßnahmen eingestellt werden,
ist irren zwar menschlich, aber unumkehrbar. Ohne
Reichweitenbeschränkung, meine ich, werden wir ge-
rade das Gegenteil bekommen.

Abschließend möchte ich auf den Freiburger Appell
hinweisen, unterzeichnet von Professor Dr. Thomas Klie
und Professor Dr. Christoph Student. Beide haben, finde
ich, etwas Wichtiges festgehalten: dass es nicht sein
kann, dass der Tod das kleinere Übel ist, um unzurei-
chende Lebensbedingungen zu beenden, und dass es
nicht sein kann, dass diejenigen, die keine Patientenver-
fügung verfassen, das Gefühl haben müssen, dass nicht
in ihrem Sinne entschieden wird. Ich bin der Meinung,
wir müssen uns zusammensetzen, wir müssen schauen,
wie wir Rechtsklarheit schaffen, aber im Zweifel für das
Leben plädieren. Sicherheit, Selbstbestimmung – aber
für das Leben.

Besten Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609105400

Nun hat das Wort der Kollege Dr. Wolfgang Wodarg,

SPD-Fraktion.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1609105500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es wird

keine Not entstehen, wenn wir uns Zeit lassen mit die-
sem Gesetz zu Patientenverfügungen. Die Patientenver-
fügung ist ein kleiner, juristischer Baustein in einem grö-
ßeren Problemfeld. In diesem großen Problemfeld um
das Sterben in Deutschland gibt es in der Tat viel zu tun,
auch für den Gesetzgeber. Wir haben schon einiges ge-
tan: Wir haben die Bedingungen für Hospize verbessert.
Wir hoffen, dass die Krankenkassen jetzt etwas mehr als
bisher für die Palliativversorgung tun. Es ist nicht leicht
für die Kassen, das zu tun; denn die Sterbenden sind
häufig die teuersten Versicherten. Eine Kasse, die sich
dort anstrengt, muss das auch zahlen. Im Wettbewerb der
Kassen wird das manchmal schwierig. Das mag ein
Grund dafür sein, dass es bisher so wenig Palliativver-
sorgung gibt.

Wenn wir uns die tägliche Not ansehen – die es in der
Tat gibt –, dann stellen wir fest, dass es zum einen die
Not derjenigen gibt, die krank sind, dass es zum anderen
aber auch die Not derjenigen gibt, die den Kranken ge-
genüberstehen. Ich bin lange Stationsarzt auf einer In-

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(C (D ensivstation gewesen. Ich habe Menschen reanimiert nd mir hinterher Vorwürfe gemacht, dass ich sie reaniiert habe. Ich habe Apparate ausschalten und Men chen sterben lassen müssen. Ich habe versucht, Angeörige zu erreichen, was ich nicht immer geschafft habe. as Ganze geschah im Schichtdienst und unter großem eitlichem Druck. Das ist seit der Zeit, in der ich im rankenhaus gearbeitet habe, noch schlimmer geworen. Es besteht Personalknappheit. Durch die Arbeitskaazität, die für die Bedienung der vielen tollen technichen Möglichkeiten erforderlich ist, und die administraiven Vorgänge wird die Zeit des Personals, der flegekräfte und Ärzte, aufgefressen, die diese eigent ich bräuchten, um solche Gespräche zu führen, wie wir ie uns vorstellen. ier liegt nicht nur möglicherweise ein Versagen juristicher Apparate, sondern auch ein Organisationsversagen n den Einrichtungen vor, in denen Menschen in eutschland sterben. Hier müssen wir etwas tun. Ich sagte es bereits: Wir haben damit angefangen, etas zu tun. Wie sieht es aber in den Pflegeheimen aus? ir ist von Ärzten eines Krankenhauses von einem Fall erichtet worden, über den sie dort lange diskutiert haen: Aus einem Pflegeheim wurde eine Frau eingewieen, der eine Magensonde gelegt werden sollte. Das flegeheim sagte: Wir können das nicht, wir können sie icht mehr ernähren. Die Ärzte im Krankenhaus haben hre eigenen Pflegekräfte angeordnet: Nein, versucht inmal, sie zu füttern und ihr etwas zu trinken zu geben. as hat geklappt. Diese Patientin wurde wieder zurück ns Pflegeheim verlegt. Die Ärzte haben dann herausbeommen, dass sie eine Woche später in das Nachbarrankenhaus eingeliefert wurde. Dort hat man die Sonde ofort gelegt. Ich glaube, es wird klar, was das bedeutet und wie ichtig schon die Indikationsentscheidung ist. Wenn Sie ich anschauen, dass im Wettbewerb die Ausgaben für as Personal gesenkt werden, wie wenig Zeit auch für as Pflegepersonal vorhanden ist, um Gespräche zu fühen, und welche Not in den Pflegeheimen herrscht, dann ird klar, dass es nicht die Pflegekräfte sind, die unver ntwortlich handeln. Sie haben gar keine Zeit für das geuldige Füttern und für Gespräche! Wir müssen uns fragen, weshalb 80 Prozent der Menchen sagen: Um Gottes willen, ich will nicht ins Heim, ch will zu Hause bleiben, wenn es mir schlecht geht. as wissen wir ganz eindeutig. Trotzdem landen die eisten dort. Hier gilt es, etwas zu tun. Wir werden über die Pflegeversicherung beraten. ann wird wirklich etwas entschieden, weil wir dort ämlich etwas tun und dafür sorgen können, dass die enschen zu Hause bleiben können, dass sie dort nicht llein gelassen werden Dr. Wolfgang Wodarg und dass der Hausarzt jederzeit jemanden heranziehen kann, der sich mit der Schmerztherapie auskennt. Das Wesentliche ist, dass wir solche Gesetze vernünftig gestalten. Das, was wir jetzt tun, ist ein juristisches Ablassgeschäft. Von daher denke ich, dass wir uns konzentrieren sollten. Wir verlieren nichts, wenn wir hierüber ruhig diskutieren. Mit dieser Debatte ist der große Vorteil verbunden, dass wir die Chance haben, uns die ganze Problematik wirklich in Ruhe und in all ihren vielen Dimensionen anzusehen. Wenn ich die juristischen Perspektiven betrachte, dann erkenne ich, dass das meiste geregelt ist. Die Sorgfaltspflicht derjenigen, die als Arzt, als Pflegekraft und als Betreuer Verantwortung tragen, besteht bereits. Jeder muss sich danach erkundigen und müsste nachforschen, was der wirkliche Wille des Patienten ist. Es wäre schön, wenn wir auch die notwendige Zeit dafür zur Verfügung stellen könnten und es ermöglichen würden, dass das dann auch geschieht. Viele sagen, die Vorsorgevollmacht sei eigentlich die bessere Lösung. Dabei wird jemand bestimmt, der mich kennt und für mich entscheidet, weil er weiß, wie ich jetzt entscheiden würde. Das ist ohne Zweifel besser als eine Patientenverfügung. Das Problem ist nur: 60 Prozent der Haushalte in Berlin und in anderen Städten sind Einpersonenhaushalte. Was kann man da also machen? Man muss dafür sorgen, dass sich die Leute treffen. Wir müssen Möglichkeiten dafür schaffen, dass man über diese Dinge diskutiert. Warum soll nicht jeder Hausarzt eine Möglichkeit anbieten, sich zu treffen, zu diskutieren und jemanden zu finden, mit dem man sich verabredet? All diese Punkte können vermittelt werden. Wir können sehr viel dafür tun. Deshalb bitte ich darum, dass wir uns bei dieser Gelegenheit vornehmen, noch viel mehr zu tun, als nur diese rechtliche Regelung zur Patientenverfügung zu schaffen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(René Röspel [SPD]: So ist es!)


(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])


(René Röspel [SPD]: Richtig!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja, genau!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609105600

Nächster Redner ist der Kollege Peter Weiß, CDU/

CSU-Fraktion.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1609105700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als Christ kann ich sagen: Ich weiß mein Leben in Got-
tes Hand. Dieses Wissen gibt vielen Menschen auch mit
Blick auf das Ende des Lebens Gelassenheit. Deswegen
werden viele im Vertrauen auf gute Ärzte, Pfleger und
liebe Angehörige, die sie am Ende ihres Lebens beglei-

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(C (D en, auch in Zukunft darauf verzichten, eine Patientenerfügung zu verfassen. Aber je mehr sich die Möglichkeiten der modernen edizin und Technik weiterentwickeln, desto stärker ann der Eintritt des Todes durch menschliches Handeln eschleunigt oder verzögert werden. Deswegen werden it Sicherheit immer mehr Menschen hinsichtlich dieses enschlichen Handelns in einer Patientenverfügung orsorge treffen wollen. Das eigentliche Problem der Patientenverfügung liegt arin, dass man zu einem frühen Zeitpunkt bei vollem ewusstsein etwas niederschreibt, das man im Falle der ichteinwilligungsfähigkeit nicht mehr korrigieren ann. Deswegen verstehe ich die Polemik gegen die im osbach-Entwurf vorgeschlagene Reichweitenbegrenung einer Patientenverfügung nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joachim Stünker [SPD]: Was ist denn daran Polemik? – Rolf Stöckel [SPD]: Die Ärztekammer ist doch nicht polemisch!)


enn was die Behauptung angeht, durch die Reichwei-
enbegrenzung würde das Selbstbestimmungsrecht des
inzelnen ausgehebelt, meine ich, dass das Gegenteil der
all ist. Ich meine, dass die Reichweitenbegrenzung
usdruck von Hochachtung gegenüber dem Selbstbe-

timmungsrecht ist; denn aufgrund unserer Lebenserfah-
ung wissen wir, dass der aktuelle Wille von dem Willen
ifferieren kann, den man vor vielen Jahren in schriftli-
her Form verfügt hat.


(Joachim Stünker [SPD]: Aber nur kann!)


Er kann differieren. Aber das ist ein wichtiger Punkt.

Ich kann auch den Hinweis auf andere Verträge nicht
achvollziehen. Jeden Vertrag können wir wie alles, was
ir tun, zu korrigieren versuchen. Aber die Entschei-
ung über Leben und Tod ist endgültig; sie ist nicht kor-
igierbar. Deswegen haben wir, glaube ich, so große
chwierigkeiten, diese Entscheidung gesetzlich zu re-
eln.

Ich glaube auch nicht, dass man den Abgeordneten
es Parlaments vorwerfen kann, sie würden sich als Bes-
erwisser gegenüber denjenigen aufführen, die in einer
atientenverfügung eine Festlegung getroffen haben. Ich
laube vielmehr, dass wir Abgeordneten, die über das
esetz entscheiden, die Lebenserfahrung berücksichti-
en müssen, dass ein einmal verfügter Wille nicht immer
uch dem aktuellen Willen entspricht. Deswegen plä-
iere ich für die Reichweitenbegrenzung.

Für mich und, wie ich weiß, etliche andere Kollegen
st eine der schwierigsten Fragen, wie im Falle schwers-
er Demenz und eines seit langem anhaltenden Wach-
omas mit einer Patientenverfügung umzugehen ist. Die
ntscheidungsfindung in dieser Frage wird auch nicht
adurch leichter, dass vonseiten der wissenschaftlichen
thik und der christlichen Kirchen dazu differenzierte
mpfehlungen gegeben werden. Dass es dabei nicht um
terbende, sondern um Schwerstkranke geht, ist klar; es
ind allerdings Schwerstkranke, die nach ärztlicher Er-
enntnis das Bewusstsein niemals wiedererlangen






(A) )



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)

werden und die in ihrer Patientenverfügung eine Beendi-
gung lebenserhaltender Maßnahmen angeordnet haben.

Ich glaube, dass für diesen Fall besonders strenge Vo-
raussetzungen definiert werden müssen, um einer Pa-
tientenverfügung Geltung zu verschaffen. Dazu gehört,
dass der Betroffene selber lebenserhaltende Maßnahmen
für diesen konkreten Fall in einer Patientenverfügung
wirksam ausgeschlossen hat, dass er ohne Bewusstsein
ist und nach ärztlicher Erkenntnis mit an Sicherheit gren-
zender Wahrscheinlichkeit trotz Ausschöpfung aller me-
dizinischer Möglichkeiten das Bewusstsein niemals wie-
dererlangen wird und dass das Vormundschaftsgericht
dies überprüft und genehmigt hat. Keinesfalls darf eine
Basisversorgung unterbleiben, und keinesfalls darf ein
nur mutmaßlicher Wille ausschlaggebend sein.

Ich glaube, dass mit diesen hohen Anforderungen der
Pflicht, einen verhältnismäßigen Ausgleich herbeizufüh-
ren zwischen den verfassungsrechtlichen Geboten der
Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen
und der staatlichen Schutzpflicht für das Leben, Genüge
getan werden kann.

Nun wird in dieser Debatte – und erst recht von au-
ßerhalb des Parlaments – geraten, gesetzlich eher nichts
zu regeln. Ich bin aber der Auffassung: Wenn wir für die
Menschen, die uns fragen, was ihre Patientenverfügung
wert ist und was sie wirklich bedeutet, und für diejeni-
gen, die als Ärzte, Bevollmächtigte, Betreuer oder Pfle-
ger mit einer Patientenverfügung umgehen, mit einem
Gesetz mehr Klarheit schaffen können, dann sollten wir
vor dieser Aufgabe nicht kneifen, sondern eine entspre-
chende gesetzliche Regelung treffen.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609105800

Nun hat die Kollegin Dr. Marlies Volkmer von der

SPD-Fraktion das Wort.


Dr. Marlies Volkmer (SPD):
Rede ID: ID1609105900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn wir uns mit dem Thema Patientenverfügung be-
fassen, dann sprechen wir gleichzeitig über unsere in-
nersten Überzeugungen, über den Umgang mit Leben
und Sterben. Das sieht bei jedem Menschen anders aus.
Jeder Mensch hat ganz eigene Vorstellungen davon, was
für ihn eine unzumutbare Belastung ist oder was er als
würdelos empfindet. Das haben wir zu akzeptieren.

Patienten schreiben Verfügungen, um ihrem Willen
dann Geltung zu verschaffen, wenn sie sich nicht mehr
selbst äußern können. Aber mit der Begründung der not-
wendigen Fürsorge werden immer wieder Patientenver-
fügungen missachtet, und zwar deswegen, weil die Mei-
nungen darüber, welche Rechtsqualität und Bindung
eine Patientenverfügung für Ärzte hat, weit auseinander-
gehen. Wir brauchen eine gesetzliche Regelung, damit
Rechtssicherheit herrscht.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen in diesem Bereich eine gesetzliche Re-
elung, auch wenn es gleichzeitig notwendig ist, die Pal-
iativmedizin und das Hospizwesen zu stärken und die
rganisationsstrukturen im Krankenhaus und im Pflege-
eim zu ändern.

Die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung kann
icht davon abhängen, dass das Leiden einen irreversibel
ödlichen Verlauf genommen oder der Patient einen end-
ültigen Bewusstseinsverlust erlitten hat. Abgesehen da-
on, dass eine solche Einschränkung medizinisch unsin-
ig ist, ist sie auch ethisch nicht tragbar. Sie widerspricht
er Selbstbestimmung der Menschen und würde in der
onsequenz zu Zwangsbehandlungen führen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Zulässigkeit einer Behandlung muss in jedem
all – unabhängig vom Krankheitsstadium – vom tat-
ächlichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten ab-
ängen.

Es ist zweifellos richtig, dass eine Patientenverfügung
ür eine im Voraus nur schwer vorhersehbare Situation
etroffen wird. Deshalb ist es meiner Meinung nach
ichtig, die verbindliche Patientenverfügung, die Arzt
nd Vorsorgebevollmächtigten bzw. Betreuer bindet
diese müssen die Verfügung ja umsetzen –, an be-

timmte Voraussetzungen zu knüpfen, nämlich die doku-
entierte ärztliche Beratung und die Aktualisierung.

Ich möchte das kurz begründen. Es ist notwendig, den
ialog über die Behandlung, der ja mit dem äußerungs-
nfähigen Patienten nicht mehr geführt werden kann,
or Abfassung der Patientenverfügung mit dem Arzt des
ertrauens zu führen. Es geht darum, möglichst genau zu
eschreiben, welche Maßnahmen in welcher Situation
urchgeführt oder unterlassen werden sollen. Das kann
in Patient in der Regel nicht allein. Er braucht hierzu
ine professionelle Beratung. Eine Patientenverfügung
st ein Dokument, bei dem es letztlich um Leben und
od geht. Auch darüber muss sich der Patient im Klaren
ein.

Eine Aktualisierung der Patientenverfügung – zum
eispiel alle fünf Jahre – ist erforderlich, weil sich die
edizin schnell weiterentwickelt und schon nach fünf

ahren im Lichte neuer Behandlungsmethoden oder Er-
enntnisse möglicherweise durch den Patienten eine an-
ere Entscheidung getroffen wird.

Patientenverfügungen, die diese Voraussetzungen nicht
rfüllen, sind unabhängig von Art und Stadium einer Er-
rankung als starkes Indiz für den Patientenwillen zu be-
chten und natürlich zu befolgen. Aber hier erfolgt die
msetzung eben nicht unmittelbar durch den Vorsorgebe-
ollmächtigten oder den Betreuer. Hier muss dann der ge-
etzliche Vertreter – natürlich immer in enger Beratung
it dem Behandlungsteam – über das weitere Vorgehen

ach dem mutmaßlichen Willen des Patienten entschei-
en.






(A) )



(B) )


Dr. Marlies Volkmer
Der Respekt vor der Patientenautonomie und die ge-
setzliche Regelung der Verbindlichkeit von Patienten-
verfügungen sind nach meiner Überzeugung wesentliche
Voraussetzungen, damit das Verbot der aktiven Sterbe-
hilfe auch in Zukunft in Deutschland eine breite gesell-
schaftliche Akzeptanz findet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609106000

Nun erteile ich das Wort der Kollegin Daniela Raab,

CDU/CSU-Fraktion.


Daniela Raab (CSU):
Rede ID: ID1609106100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wer wünscht sich nicht für sein späteres Ableben, sanft
einzuschlafen? Leider sieht die Realität in den meisten
Fällen anders aus. Gerade der medizinische Fortschritt
hat dazu geführt, dass nicht nur das Leben, sondern auch
das Leiden verlängert werden kann. Deshalb stellt sich
für immer mehr Menschen die Frage: Wie kann ich mich
und meine Angehörigen darauf vorbereiten, und wie
kann ich meinen Willen bzw. den meiner Angehörigen
durchsetzen oder durchsetzen lassen, wenn ich selbst
bzw. meine Angehörigen dazu nicht mehr in der Lage
sind? Obwohl sich aus der bisherigen Rechtslage eine
Verbindlichkeit von Patientenverfügungen ableiten lässt
und obwohl wir eine gute Rechtsprechung haben, stellen
immer mehr Menschen fest, dass trotz Vorliegens einer
eindeutigen Patientenverfügung diese oft unterschiedlich
interpretiert wird. Deswegen sehe ich genauso wie viele
meiner Kollegen – darin sind wir uns einig – gesetzgebe-
rischen Handlungsbedarf.

Was wollen wir? Wir wollen in der Tat eine gesetzli-
che Regelung der Patientenverfügung, um gerade
Rechts- und Verhaltensunsicherheiten in einer Situation
zu beseitigen, die an sich schon zu sensibel und zu
schwierig ist, um sie noch mit zusätzlichen Unsicherhei-
ten zu belasten. Deshalb sieht der Bosbach-Entwurf, zu
dem ich mich eindeutig bekenne, eine einfache äußerli-
che Form, die Schriftform, vor. Wir wollen keine nota-
rielle Beurkundung. Wir wollen keine Pflichtberatung
im Vorfeld. Wir können diese nur empfehlen. Natürlich
würde sie Sinn machen. Wir wollen sie aber nicht ge-
setzlich vorschreiben. Unser Petitum ist klar: möglichst
niedrige Hürden für die Patientenverfügung.

Wir wollen – wir haben darüber lange diskutiert und
waren uns nicht immer ganz einig – kein Verfallsdatum
für eine Patientenverfügung. Sie wird niedergelegt und
gilt, solange sie nicht – in welcher Form auch immer –
widerrufen wurde.

Wir wollen zudem eine in ihrer Reichweite be-
schränkte Patientenverfügung; dazu wurde schon vieles
gesagt. Es ist juristisch argumentiert worden. Aber man
muss hier auch zutiefst menschlich argumentieren. Ich
stelle die Frage, die mich bewegt – Herr Stünker, ich
habe mich mit Ihrem Entwurf sehr intensiv auseinander-
gesetzt und habe gut zugehört, weil ich mich noch im-
mer überzeugen lasse; aber bisher hat Ihre Argumenta-
tion nicht gegriffen –: Können wir immer mit absoluter

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(C (D icherheit sagen, dass der Patient in der eingetretenen rankheitssituation, in einer Situation, in der er nicht ehr bei Bewusstsein ist, genauso entscheiden würde, ie er es Jahre zuvor verfügt hat? Ist es tatsächlich noch ein aktueller Wille, den er im Voraus verfügt hat? Man uss sich das einmal praktisch vorstellen: Allein die ersönliche Lebenssituation kann sich zwischen Niederegung der Patientenverfügung und Auftreten einer rankheit verändert haben. Nehmen Sie folgenden Fall als Beispiel – vorhin urde gesagt, wir sollten keine Beispielsfälle anführen; ber wir brauchen solche Beispiele, um es plausibel zu achen –: Ein junger Mann verfasst eine Patientenverfü ung, in der sinngemäß steht, eine Querschnittslähmung ei für ihn das Allerschlimmste, was ihm passieren önne. (Joachim Stünker [SPD]: Das ist keine Patientenverfügung!)


Ich sagte „sinngemäß“; ich möchte hier jetzt keine Pa-
ientenverfügung ausformulieren. – Er schreibt hinein –
inngemäß –: Wenn ihm etwas passiert, er bewusstlos ist
nd ihm eine Querschnittslähmung droht, dann möchte
r auf gar keinen Fall weiter behandelt werden. Mittler-
eile sind nach dieser Verfügung zehn Jahre vergangen,
er junge Mann ist Familienvater geworden und hat sich
it dem Gedanken an seine Patientenverfügung nicht
eiter beschäftigt; auch das soll vorkommen, auch das

st zutiefst menschlich. Er wird jetzt Opfer eines schwe-
en Autounfalls, fällt in die Bewusstlosigkeit und kommt
ns Krankenhaus.

Die Patientenverfügung liegt auf dem Tisch. Was tun
ir nun? Wollen wir ernsthaft ihm und – das bitte ich
icht zu vergessen – seinen Angehörigen sowie den Ärz-
en nun zumuten, die Geräte abzuschalten?


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist nicht die Frage!)


ch sage Nein. Für uns gilt immer noch die Unterschei-
ung – das haben wir auch im Entwurf klar niederge-
egt –: Lassen wir einen Sterbenden sterben, oder been-
en wir das Leben eines noch Lebensfähigen, dessen
esundung nicht ausgeschlossen ist? Deswegen plä-
iere ich für eine klare Reichweitenbeschränkung.

Ich habe allergrößten Respekt, Herr Stünker und
uch Kollege Bosbach, vor dem Vorhaben, überhaupt
ine gesetzliche Regelung zu treffen; denn Sie haben
ich hier – wie auch viele Kollegen – mit einem äußerst
ensiblen Thema befasst, um das man sich gerne drü-
ken möchte. Ich plädiere wirklich dafür, dass wir uns
ntern schon darüber auseinandersetzen, was wir wol-
en und was nicht, was unsere Grundüberzeugungen
ind und was nicht, ohne dass jemand in die eine oder
ndere Ecke gestellt wird. Ich persönlich kann Sie nur
itten, unseren Weg – wenn ich das so sagen darf – mit-
ugehen und damit für Selbstbestimmung und Lebens-
chutz zu entscheiden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609106200

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Rolf Stöckel,

SPD-Fraktion.


Rolf Stöckel (SPD):
Rede ID: ID1609106300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die De-

batte war gut – ich bin ja der vorletzte Redner und wage
das insofern zu beurteilen –, sie war vor allen Dingen
wichtig – das haben viele Kollegen hier deutlich ge-
macht –, und sie war von Respekt vor den jeweils ande-
ren Auffassungen getragen.

Ich glaube, dass wir gemeinsam Ja sagen zu einer
neuen Lebens- und Behandlungsqualität im Sterbepro-
zess, die im Palliativ- und Hospizbereich, aber ebenso
im Pflegebereich auszubauen ist. Wir sagen aber Nein zu
einem Lebensverlängerungs- und Behandlungszwang,
der rein gar nichts mit ärztlicher Fürsorge zu tun hat.
Weil das in den bisher 29 Reden nicht vorgekommen ist,
sage ich an dieser Stelle, dass eine Patientenverfügung
natürlich auch bewirken kann, dass alle medizinisch in-
dizierten und möglichen lebensverlängernden Maßnah-
men eingefordert werden.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die werden eh durchgeführt!)


Heute garantiert die moderne Medizin ein immer län-
geres Leben und eine fast unbeschränkte Erhaltung kör-
perlicher Funktionen – auch bei Krankheitszuständen,
welche die Betroffenen selbst für sich nicht mehr als ver-
längerungswürdig empfinden. Da kann wohl niemand
mehr glaubwürdig darstellen, Leben und Sterben lägen
in „Gottes Hand“ oder entsprächen noch einem natürli-
chen Lauf der Dinge.

Ich empfinde es im Übrigen als großen Fortschritt,
dass viele engagierte Menschen berufs-, partei- und
weltanschauungsübergreifend mitgeholfen haben, dass
in dieser Debatte mittlerweile nicht mehr bedenkenlose
Euthanasiebefürworter oder paternalistische Kreuzritter
den Ton angeben, sondern engagierte Mediziner und Ju-
risten überall in Deutschland, Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter von ambulanten wie stationären Pflege- und
Palliativteams sowie Patientenberatungs- und Hospiz-
diensten genauso wie Theologen und Medizinethiker.

Ich sage auch ganz klar, dass mir diese Entwicklung zu
einer bürgerschaftlichen und professionellen Praxis für ein
menschenwürdiges, selbstbestimmtes Sterben noch wich-
tiger ist als eine Gesetzgebung, die oft dem Einzelfall gar
nicht gerecht werden kann. Die Gesetzgebung kann und
muss meiner Meinung nach aber einen klarstellenden
Rahmen im Betreuungsrecht für die Praxis vorgeben;
denn sonst werden die Rufe nach einer Regelung für ak-
tive Sterbehilfe wie der niederländischen – das Beispiel
des Taxifahrers haben wir gerade gehört – nicht nur nicht
verstummen, sondern lauter werden. Dann werden uns die
Menschen fragen: Ist die Politik nicht in der Lage, einen
wesentlichen Lebensbereich, nämlich den Sterbeprozess,
rechtlich in einer Rahmenregelung niederzulegen?

Was ich wie viele Experten für verwirrend und nicht
umsetzbar halte, ist der Vorschlag im Entwurf des Kolle-
gen Bosbach, nämlich die Reichweitenbeschränkung,

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(C (D uf die schon eingegangen worden ist. Diese Beschränung im Bosbach-Antrag ist ein Rückschritt hinter die estehende Rechtsprechung. Ich meine, dass sie nicht ur praxisfern, sondern auch mit der aktuellen Rechtprechung und den Verfassungsgrundsätzen unvereinbar st. Das würde nämlich Millionen von Patientenverfüungen, die schon existieren – das ist hier oft gesagt orden –, wertlos machen. Es muss uns doch zu denken geben, dass sich höchst nterschiedliche Persönlichkeiten und Organisationen it unterschiedlichen Erfahrungshorizonten und Wert orstellungen in einem entscheidenden Punkt einig sind die Bundesärztekammer hat es uns allen vorgestern och einmal geschrieben –: keine Reichweitenbeschränung. Diese Ansicht vertreten in der Öffentlichkeit namafte Palliativmediziner, der Präsident der Bundesärzteammer, der im aktuellen „Spiegel“ warnt – ich zitiere –: Die Reichweitenbeschränkung führt praktisch zu einer ebensverlängerung um jeden Preis. Das lehnt die Ärz eschaft ganz klar ab.“ Die „Aktion Gemeinsinn“, deren chirmherr Bundespräsident Horst Köhler ist, warnt vor estrebungen – ich zitiere –: die Verpflichtung zur Befolgung des Patientenwillens aufzuweichen, sie auf die Todesnähe zu beschränken oder grundsätzlich die Prüfung durch ein Vormundschaftsgericht vorzusehen. as ist ein Zitat aus dem Aufruf „Die Würde des Menchen ist unantastbar“. Ebenfalls gegen eine Reichweitenbeschränkung ausesprochen haben sich der Vormundschaftsgerichtstag, er Deutsche Juristentag 2006, namhafte Bundesrichter, nter anderem Klaus Kutzer, und Organisationen, die atienten, zum Beispiel auch Psychiatriebetroffene, ver reten oder sich für humanes Sterben in Würde einseten. Aktuell waren es die Bundesärztekammer, die ich itiert habe, und ihre zentrale Ethikkommission. Ich ann nur davor warnen, dass wir als Abgeordnete des eutschen Bundestages uns so weit von der Lebenswelt nd der Erfahrungspraxis in unserem Land entfernen, ine Reichweitenbeschränkung zu beschließen – ein onstrukt, das übrigens in Ländern mit vergleichbaren egelungen unbekannt ist. Ich bin zutiefst überzeugt: Wir brauchen einfache, echtspolitisch klare und verantwortbare Regeln für die atientenverfügung, eine qualitative Verbesserung der alliativmedizin und der Hospizversorgung, aber keinen ehandlungsund Lebenszwang mit einer Reichweiteneschränkung. Kranke und gesunde Menschen haben ich innerhalb von Familien und zusammen mit ihren rzten oder anderen kompetenten Beraterinnen und Be atern ernsthafte Gedanken gemacht. Das hat nichts mit berzogener Autonomie, sehr wohl aber mit Verantworung und persönlichem Gewissen zu tun. Wir als Abgerdnete des Deutschen Bundestages sollten uns nicht anaßen, in Details unsere eigenen Vorstellungen anderen ündigen Bürgerinnen und Bürgern aufzuzwingen, Rolf Stöckel zumal an deren Eigenverantwortung sonst doch so gern und oft in diesem Hause appelliert wird. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])





(A) )


(B) )



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609106400

Letzter Redner in dieser Debatte ist nun der Kollege

Markus Grübel, CDU/CSU-Fraktion.


Markus Grübel (CDU):
Rede ID: ID1609106500

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Als letzter Redner kann ich feststellen: Es ist gut, dass
wir heute diese ausführliche Orientierungsdebatte ge-
führt haben. Wir haben jahrelang in verschiedenen Kom-
missionen beraten. Es wäre gut, wenn wir nun eine Re-
gelung schaffen würden. Der heutige § 1904 BGB hat
die schwierigsten Fragen eigentlich ausgeklammert. Er
regelt im Grunde die harmloseren Fragen. Wenn eine
ärztliche Untersuchung oder Heilbehandlung eingeleitet
wird, die der Heilung dient und die mit Risiken verbun-
den ist, dann braucht man die vormundschaftsgerichtli-
che Genehmigung. Aber die viel schwierigere Frage,
was geschieht, wenn die Behandlung abgebrochen oder
erst gar nicht aufgenommen wird, ist in § 1904 nicht ge-
regelt. Diese Lücke hat der Gesetzgeber beim ersten Be-
treuungsrechtsänderungsgesetz durchaus gesehen, aber
er hat sie offengelassen. Wenn der Bundestag bewusst
keine Regelung beschließt, dann kommen wir an die
Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Dann muss
der Bundestag handeln, und wir können uns nicht auf die
Rechtsprechung verlassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich halte die aktuelle Rechtsprechung in Teilen auch
für widersprüchlich. Keiner von uns weiß, wie sich die
Rechtsprechung in Zukunft entwickelt. Auch darum
brauchen wir eine gesetzliche Regelung, die die Reich-
weite, die Verbindlichkeit und das Verfahren regelt.

Heute haben alle Redner nur vom Zivilrecht gespro-
chen. Das Zivilrecht liefert die Rechtfertigung für die
Behandlung oder Nichtbehandlung und schlägt so auch
auf das Strafrecht durch. Eine Änderung des Strafrechts
würde den Anschein erwecken, wir würden tragende
Grundsätze insbesondere beim Verbot des Tötens auf
Verlangen aufweichen. Darum ist es gut, dass keiner das
Strafrecht ändern will.

Um welche Fragen geht es heute ganz besonders? Es
geht entscheidend um die Frage, ob der aktuelle und
der vorausverfügte Wille gleich sind. Das ist nach mei-
ner Meinung nicht der Fall. Gefragt wäre ein ausführli-
ches Gespräch zwischen Arzt und Patient. Im Fall der Pa-
tientenverfügung hat der Arzt ein Blatt Papier auf dem
Tisch mit einer Unterschrift. Der Arzt kann nicht nach-
fragen, der Patient kann seine Erklärungen nicht interpre-
tieren, und er kann Missverständnisse nicht aufklären.

Der Arzt weiß regelmäßig auch nicht, woher der Pa-
tient die Patientenverfügung hat. Es gibt in Deutschland

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(C (D ehr als 200 gängige Muster. Frau Ministerin Zypries at zuvor geschildert, wie schwer sie sich selber getan at, aus den vielen Bausteinen des Bundesjustizministeiums eine Patientenverfügung auszuwählen. Der Arzt ann häufig auch nicht feststellen, ob die Unterschrift cht ist und ob der Unterzeichner bei der Unterschrift inwilligungsfähig war. Eine Patientenverfügung mit nbeschränkter Reichweite wäre so auch eine scharfe affe, die ein Mensch gegen sich selber oder die ein an erer gegen ihn richten könnte. ie ich bereits sagte, tut sich der Arzt schwer, die Urheerschaft der Patientenverfügung und die Einwilligungsähigkeit zur Zeit der Abfassung sicher zu klären. Mehere Untersuchungen zeigen uns auch, dass junge und ass gesunde Menschen eine andere Einstellung als ranke, Behinderte und Pflegebedürftige haben. Kranke enschen haben einen viel größeren Lebenswillen, als ie in gesunden Tagen meinen. Das können wir bei der ewertung des vorausverfügten Willens nicht unberück ichtigt lassen. Die Unterschiede bei aktuellem und voausverfügtem Willen haben Folgen für die Fragen der eichweite und der Verbindlichkeit einer Patientenver ügung. Die Diskussion in den vergangenen Monaten hat mir ber auch gezeigt: Viele Menschen haben Sorgen vor eier Übertherapie im Krankenhaus. Darum darf ich daran rinnern, dass Voraussetzung für die Fragen der Patienenverfügung ist, dass der Arzt eine Behandlung überaupt anbietet. Wo eine kurative, also heilende Behandung nicht mehr angezeigt ist, darf sich die Frage nach iner Patientenverfügung überhaupt nicht mehr stellen. ier ändert sich das Therapieziel hin zur palliativen ersorgung. Dies wäre ein wichtiges Feld für die Ausnd Fortbildung der Ärzte. m Grenzfall kann eine Patientenverfügung aber eine Eränzung sein und dem Arzt die Entscheidung erleichern. Ich habe schließlich die Sorge, dass die Gesellschaft ruck auf Patienten, insbesondere auf ältere Men chen, ausübt oder dass ältere, kranke und behinderte enschen nur den Eindruck haben, sie fielen der Gesell chaft oder ihrer Familie zur Last und könnten diese Last urch eine weitreichende Patientenverfügung nehmen. Selbstbestimmung ist wichtig; wichtig ist aber auch er Schutz des Lebens. Beides sind gleichwertige Verassungsgüter. Die Verfassung verlangt von uns einen chonenden Ausgleich zwischen Selbstbestimmung und ebensschutz. Dieser Ausgleich ist nach meiner Meiung im Gruppenantrag, den der Kollege Bosbach vorestellt hat, am besten gelungen. Dieser Antrag bildet uch am ehesten die heutige Rechtsprechung ab. Wer die Selbstbestimmung absolut setzt, landet aus einer Sicht früher oder später bei der aktiven Sterbeilfe, weil es hier keine denktechnische Grenze gibt. Die Markus Grübel aktive Sterbehilfe ist im Grunde die Höchstform der Selbstbestimmung. Der aktiven Sterbehilfe hat hier keiner das Wort geredet, und das war gut so. Aber die Frage, die ich stellen möchte, ist: Wo ist die Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe, und worin besteht der Unterschied? Was die praktische Tätigkeit angeht, gibt es keinen Unterschied; denn auch das Beenden einer Maßnahme kann durchaus aktiv sein. (Michael Kauch [FDP]: Jetzt wird es aber absurd!)


(Zuruf von der SPD: Nein, eben nicht!)


(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Die Antwort einer menschlichen Gesellschaft auf
diese Fragen sind nicht Sterbehilfe, sondern Palliativme-
dizin und Hospizarbeit. Ich bin froh, dass es uns bei der
aktuellen Gesundheitsreform gelungen ist, hier deutliche
Verbesserungen zu erreichen. Neben einer Klärung der
rechtlichen Fragen sollte man darum auf dem Weg wei-
tergehen, die palliativmedizinische Versorgung und die
Hospizarbeit in Deutschland zu verbessern. Auch daran
müssen wir arbeiten.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609106600

Wie zu Beginn der Debatte vereinbart, haben eine

ganze Reihe von Kolleginnen und Kollegen ihre Reden
zu Protokoll gegeben1). Insgesamt haben dies neun Ab-
geordnete – sie kommen aus allen Fraktionen – getan.

Dieses Thema wird uns in diesem Haus in den nächs-
ten Monaten noch mehrfach beschäftigen.

Ich schließe damit die Aussprache zu diesem Tages-
ordnungspunkt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 p sowie
die Zusatzpunkte 3 a und 3 b auf:

32 a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Bundeswahlgesetzes
– Drucksache 16/1036 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab-
kommen vom 15. Dezember 2003 über Politi-
schen Dialog und Zusammenarbeit zwischen
der Europäischen Gemeinschaft und ihren
Mitgliedstaaten einerseits und der Republik
Costa Rica, der Republik El Salvador, der Re-
publik Guatemala, der Republik Honduras,
der Republik Nicaragua und der Republik Pa-
nama andererseits
– Drucksache 16/4716 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)


1) Anlage 2

(C (D Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union c)

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz
vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesre-
publik Deutschland durch das Verbreiten von

(Satellitendatensicherheitsgesetz – SatDSiG)


– Drucksache 16/4763 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes
zum Abbau bürokratischer Hemmnisse insbe-
sondere in der mittelständischen Wirtschaft

– Drucksache 16/4764 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

e) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dorothée
Menzner, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der LINKEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreu-
zungsgesetzes

– Drucksache 16/4858 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin
Andreae, Peter Hettlich, Christine Scheel, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Zügig Grundsteuerreform auf den Weg brin-
gen

– Drucksache 16/1147 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
g) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Uschi Eid, Margareta Wolf (Frankfurt) und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN

Reformpartnerschaften mit Afrika intensivie-
ren – Afrika muss auf die Tagesordnung des
G-8-Gipfels in Deutschland 2007

– Drucksache 16/2651 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Das Internationale Polarjahr 2007/2008 und
Konsequenzen für eine deutsche Beteiligung

– Drucksache 16/4454 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

i) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike
Hänsel, Alexander Ulrich, Monika Knoche, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Keine Unterstützung von Militäreinsätzen aus
dem Europäischen Entwicklungsfonds

– Drucksache 16/4490 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

j) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Lothar Bisky, Cornelia Hirsch, Dr. Lukrezia
Jochimsen, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der LINKEN

Einrichtung des Europäischen Technologiein-
stituts verhindern

– Drucksache 16/4625 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

k) Beratung des Antrags der Abgeordneten Brigitte
Pothmer, Dr. Thea Dückert, Anja Hajduk, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds Mi-
grantinnen und Migranten sowie Personen

(C (D fördern, die Asyl bzw. internationalen Schutz erhalten oder beantragt haben – Drucksache 16/4772 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Innenausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union l)

Kopp, Birgit Homburger, Markus Löning, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Bürokratie abbauen – Zeitumstellung abschaf-
fen und Sommerzeit permanent einführen

– Drucksache 16/4773 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

m) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingbert
Liebing, Marie-Luise Dött, Katherina Reiche

(Potsdam), weiterer Abgeordneter und der Frak-

tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Christoph Pries, Marco Bülow, Dirk Becker, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Schutz der Wale sicherstellen

– Drucksache 16/4843 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

n) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktions-
plan der Bundesrepublik Deutschland 2004

– Drucksache 15/5205 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus

o) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Dritter Versorgungsbericht der Bundesregie-
rung

– Drucksache 15/5821 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Finanzausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
p) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Zweiter Erfahrungsbericht der Bundesregie-
rung über die Durchführung des Stammzellge-
setzes (Zweiter Stammzellbericht)


– Drucksache 16/4050 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

ZP 3 a)Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Hettlich, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Energieeinsparung zügig verabschieden – Ener-
gieausweis als Bedarfsausweis einführen

– Drucksache 16/4787 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marina
Schuster, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Katastrophe in Simbabwe verhindern

– Drucksache 16/4859 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Es handelt sich dabei um Überweisungen im verein-
fachten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 16/4773 zu
Tagesordnungspunkt 32 l soll abweichend von der Ta-
gesordnung zur federführenden Beratung an den Innen-
ausschuss überwiesen werden. – Sind Sie damit einver-
standen? – Ich sehe: Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe dann die Tagesordnungspunkte 33 a, 33 c bis
33 l sowie Zusatzpunkte 4 a bis 4 i auf. Es handelt sich
dabei um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen
keine Aussprache vorgesehen ist.

Wir kommen zunächst zum Tagesordnungspunkt 33 a:

– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu der Akte vom 29. November
2000 zur Revision des Übereinkommens vom
5. Oktober 1973 über die Erteilung europäi-

(Europäisches Patentübereinkommen)


– Drucksache 16/4375 –

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(C (D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente – Drucksache 16/4382 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 16/4877 – Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Günter Krings Dirk Manzewski Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Sevim Dağdelen Jerzy Montag Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner eschlussempfehlung auf Drucksache 16/4877, den Ge etzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/4375 nzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf ustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dageen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit bei nthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner eschlussempfehlung auf Drucksache 16/4877, den Ge etzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/4382 nzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf ustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in weiter Beratung bei Gegenstimmen der Fraktion Die inke angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzenturf ist damit mit der gleichen Mehrheit angenommen. Tagesordnungspunkt 33 c: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für starke und handlungsfähige Kommunen – Drucksachen 16/371, 16/2501 – Berichterstattung: Abgeordnete Antje Tillmann Kerstin Andreae Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehung auf Drucksache 16/2501, den Antrag der Fraktion es Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/371 bzulehnen. – Wer stimmt für diese Beschlussempfehung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Bechlussempfehlung ist damit bei Gegenstimmen der raktion der Grünen und bei Enthaltung der Fraktion Die inke angenommen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Tagesordnungspunkt 33 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses dem Antrag der Abgeordneten Dr. Volker Wissing, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Mehrwertsteuersatz für apothekenpflichtige Arzneimittel – Drucksachen 16/3013, 16/3164 – Berichterstattung: Abgeordneter Manfred Kolbe Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3164, den Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/3013 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Enthaltung auch bei den Grünen? – Ich muss die Abstimmung wiederholen, weil das offensichtlich nicht eindeutig war. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Jetzt ist es eindeutig. Die Beschlussempfehlung ist bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP sowie bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 33 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Jürgen Trittin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Waffen unter Kontrolle – Für eine umfassende Begrenzung und Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen und Munition – Drucksachen 16/1967, 16/3875 – Berichterstattung: Abgeordnete Carl-Eduard von Bismarck Christoph Strässer Burkhardt Müller-Sönksen Michael Leutert Volker Beck Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3875, den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1967 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unglaublich! – Typisch!)





(A) )


(B) )


Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist damit bei Gegenstimmen der Fraktion des

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(C (D ündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke ngenommen. Tagesordnungspunkt 33 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der Abgeordneten Horst Friedrich Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Beleuchtete Dachwerbeträger auf Taxen zulassen – Drucksachen 16/3050, 16/4597 – Berichterstattung: Abgeordnete Heidi Wright Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehung auf Drucksache 16/4597, den Antrag der Fraktion er FDP auf Drucksache 16/3050 abzulehnen. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer ist dageen? – Stimmenthaltungen? – Die Beschlussempfehlung st damit bei Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/ ie Grünen und bei Gegenstimmen der Fraktion der DP angenommen. Tagesordnungspunkte 33 g bis l sowie Zusatzpunke 4 a bis 4 i. Wir kommen damit zu den Beschlussempehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 33 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 195 zu Petitionen – Drucksache 16/4751 – Wer stimmt dafür? – Ist jemand dagegen? – Stimmnthaltungen? – Die Sammelübersicht 195 ist mit den timmen des ganzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 33 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 196 zu Petitionen – Drucksache 16/4752 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmentaltungen? – Auch die Sammelübersicht 196 ist mit den timmen des ganzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 33 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 197 zu Petitionen – Drucksache 16/4753 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmentaltungen? – Die Sammelübersicht 197 ist bei Gegentimmen der Fraktion der FDP angenommen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Tagesordnungspunkt 33 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 198 zu Petitionen – Drucksache 16/4754 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Die Sammelübersicht 198 ist bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und bei Stimmenthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 33 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 199 zu Petitionen – Drucksache 16/4755 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Die Sammelübersicht 199 ist bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 33 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 200 zu Petitionen – Drucksache 16/4756 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Die Sammelübersicht 200 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Zusatzpunkt 4 a: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 201 zu Petitionen – Drucksache 16/4866 – Wer stimmt dafür? – Ist jemand dagegen? – Stimmenthaltungen? – Die Sammelübersicht 201 ist damit mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Zusatzpunkt 4 b: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 202 zu Petitionen – Drucksache 16/4867 – Wer stimmt dafür? – Ist jemand dagegen? – Stimmenthaltungen? – Auch die Sammelübersicht 202 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen. h S G a e d g s g s g s B (C (D Zusatzpunkt 4 c: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 203 zu Petitionen – Drucksache 16/4868 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmentaltungen? – Die Sammelübersicht 203 ist damit bei timmenthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die rünen und bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke ngenommen. Zusatzpunkt 4 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 204 zu Petitionen – Drucksache 16/4869 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Stimmnthaltungen? – Die Sammelübersicht 204 ist damit mit en Stimmen des ganzen Hauses angenommen. Zusatzpunkt 4 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 205 zu Petitionen – Drucksache 16/4870 – Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltunen? – Die Sammelübersicht 205 ist damit bei Gegentimmen der Fraktion der FDP angenommen. Zusatzpunkt 4 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 206 zu Petitionen – Drucksache 16/4871 – Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltunen? – Die Sammelübersicht 206 ist damit bei Gegentimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Zusatzpunkt 4 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 207 zu Petitionen – Drucksache 16/4872 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Die Sammelübersicht 207 ist damit bei Gegentimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen angenommen. Zusatzpunkt 4 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 208 zu Petitionen – Drucksache 16/4873 – Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Wer ist dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 208 ist bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Zusatzpunkt 4 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 209 zu Petitionen – Drucksache 16/4874 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 209 ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD Die aktuelle Lage der Menschenrechte in Simbabwe Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Christoph Strässer für die SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich nicht ganz einfach, nach der vorangegangenen Debatte über die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft in eine bittere Realität auf dieser Welt einzutauchen. Es ist aber aller Ehren wert und richtig, dass sich der Deutsche Bundestag heute auch mit der sehr dramatischen, schlimmen Menschenrechtssituation in Simbabwe beschäftigt. Die Menschen dort haben es verdient, dass wir uns mit ihnen solidarisieren und ihnen im Kampf ums Überleben in diesem Land Unterstützung geben. Das Land – wir wissen es – droht im Chaos zu versinken. Präsident Mugabe, vor fast 30 Jahren – damals, wie ich finde, zu Recht – als Befreier und Reformer der früheren britischen Kolonie Rhodesien gefeiert, richtet sein Handeln vollständig und mittlerweile auch gegen Widerstände in seiner eigenen Partei, ZANU-PF, ausschließlich auf ein Ziel aus: den Machterhalt auch über 2008 hinaus, koste es, was es wolle. Das zeigte zuletzt wieder die Inhaftierung, Folterung und brutale Misshandlung von Angehörigen der Opposition, insbesondere der Repräsentanten der unterschiedlichen Gruppen der MDC, des Movement for Democratic Change, wie Morgan Tsvangirai oder Arthur Mutambara. Gestern Nachmittag hat uns die Nachricht erreicht, dass Tsvangirai und weitere Oppositionelle erneut verhaftet worden sind. Der Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages hat auf seiner gestrigen Sitzung konsequent, wie ich finde, und mit den Stimmen aller Fraktionen in einer Erklärung die sofortige Freilassung und Garantien für die körperliche Unversehrtheit der Gefan g m G S l s v U w h n N z s p w G e d l V g i A t 2 b „ w k M W w t r 1 n v r K l F i t n a g k t z h r i g (C (D enen gefordert. Ich denke, das stößt hier auf Zustimung im ganzen Hause. Menschenrechtsverletzungen, politisch motivierte ewalt und Missachtung von Recht und Gesetz sind in imbabwe leider an der Tagesordnung. Die Rechtsstaat ichkeit ist erheblich eingeschränkt, insbesondere durch elektive Anwendung geltenden Rechts, Nichtbeachtung on Gerichtsurteilen und Eingriffe in die richterliche nabhängigkeit. Vor allem repressive Gesetzesvorhaben ie unter anderem das Gesetz zur öffentlichen Sichereit und Ordnung, das Wahlrechtsänderungsgesetz, das eue Pressegesetz und das Gesetz über die Arbeit von ichtregierungsorganisationen führen seit Anfang 2002 u immer neuen schweren Rückschlägen für Rechtstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte. Diese reressiven Gesetze dienen dem Regime vor allem zur Anendung gegen regimekritische Kräfte in Politik, ewerkschaften, Medien und Zivilgesellschaft. In der Regierungsführung von Präsident Mugabe verinigt sich zudem politische Repression zur Erhaltung er Macht mit der absoluten Unfähigkeit, die wirtschaftiche Misere des Landes in den Griff zu bekommen. ielmehr verstärken sich beide Aspekte mit fatalen Folen für die Menschen. Aufgrund von Zwangsräumungen m Rahmen der Operation „Murambatsvina“ – übersetzt: bfallbeseitigung – verloren nach Angaben der Verein en Nationen circa 700 000 Menschen ihr Zuhause; Millionen Menschen waren von den Folgen indirekt etroffen. Auch die sich daraufhin ergebende Operation Garikai“, die angeblich dazu diente, den obdachlos geordenen Menschen ein neues Zuhause zu verschaffen, am in den meisten Fällen Parteigängern des Präsidenten ugabe zugute. Auch damit ist dieses Land auf dem eg in eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung eiter zurückgefallen. 80 Prozent der Bevölkerung sind arbeitslos. Die Inflaion – man mag es kaum glauben; ich greife einen mittleen Wert heraus, weil die Zahlen variieren – ist mit 700 Prozent die höchste weltweit. Jeder Zweite hat icht genug zu essen. Die medizinische Versorgung ist ielerorts zusammengebrochen. Ein Drittel der Bevölkeung ist mit dem HI-Virus infiziert. Mehr als 900 000 inder haben mindestens ein Elternteil durch Aids ver oren. Die Lebenserwartung in Simbabwe liegt für rauen bei 34 Jahren und für Männer bei 37 Jahren. Das st die geringste Lebenserwartung weltweit. Dieses wirtschaftliche, soziale und humanitäre Desaser in Simbabwe schmerzt umso mehr, als Simbabwe ach Erkämpfung seiner Unabhängigkeit wie nur wenige ndere Staaten in Afrika aufgrund seiner Ressourcen eientlich den Weg in eine gute Zukunft hätte einschlagen önnen. All das, was nun passiert ist, ist auf die autoriäre und diktatorische Herrschaft von Präsident Mugabe urückzuführen. Das sollten wir in den zukünftigen Verandlungen im Menschenrechtsrat, in dem die Bundesepublik für die westlichen Staaten eine führende Rolle nnehat, aber auch im Rahmen des Internationalen Straferichtshofes ganz deutlich zur Sprache bringen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)





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(Beifall bei der SPD)

Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1609106700

(Beifall im ganzen Hause)


(Beifall im ganzen Hause)







(A) )



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Christoph Strässer
Die EU hat die Sanktionen gegen Simbabwe wegen
massiver Verletzung wesentlicher Elemente erweitert.
Das ist richtig. Aber ich denke – damit will ich schließen –,
der Schlüssel für die Lösung der Probleme liegt in der
Tat im südlichen Afrika. Ich finde es bemerkenswert und
unterstützenswert, dass sowohl der südafrikanische Prä-
sident Mbeki als auch insbesondere der zukünftige Präsi-
dent Sambias klar erkannt haben, dass die Spirale des
Schweigens durchbrochen werden muss. Die Verhält-
nisse werden sich nicht allein von innen reformieren las-
sen.

Ich hoffe und wünsche, dass die Europäer gemeinsam
mit der Weltgemeinschaft, also auch mit den Staaten in
der südlichen Region Afrikas, dafür sorgen, dass die
Menschen in Simbabwe eine lebenswerte Zukunft ha-
ben, die dem entspricht, was sie sich von ihrem Leben
erträumen.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1609106800

Nächster Redner ist der Kollege Florian Toncar für

die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1609106900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Kollege Strässer hat es schon angesprochen: Die
derzeitige Lage in Simbabwe ist ausgesprochen ernst.
Dass der dortige Machthaber Robert Mugabe ein fürch-
terliches und rücksichtsloses Regiment führt, ist schon
seit langem bekannt. Wir haben seit fast 20 Jahren etwa
die Diskriminierung, die Verfolgung und die Vertreibung
von weißen Farmern auf dem Land. Wir stellen fest, dass
Simbabwe eines der Länder ist, wo es am wenigsten An-
sätze einer freien Presse gibt. Wir stellen außerdem fest,
dass Andersdenkende jeder Richtung verfolgt und ver-
haftet werden oder dass sie schlicht und ergreifend spur-
los verschwinden. Das alles ist leider seit längerem be-
kannt.

Doch aktuell hat sich die Lage in Simbabwe drama-
tisch zugespitzt. Äußerlich ist das an der Festnahme und
Misshandlung des Oppositionsführers Tsvangirai Mitte
des Monats erkennbar. Gestern haben wir zur Kenntnis
nehmen müssen, dass Herr Tsvangirai und weitere Op-
positionelle in Simbabwe erneut festgenommen worden
sind. Wir verurteilen dies und verlangen, dass Herr
Tsvangirai und die anderen Oppositionspolitiker sofort
freigelassen werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die jüngste Zuspitzung der Lage hat jedoch tiefere
Ursachen. Es wird immer mehr erkennbar, dass sich
Robert Mugabe und die Seinen die Taschen vollgestopft
haben, während die Bevölkerung in einer verzweifelten
und immer schlimmer werdenden Lage verharrt. Kein

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(C (D frikanischer Staatspräsident residiert in einem so groen und prächtigen Palast wie Mugabe. Gleichzeitig ist ber die Lebenserwartung in Simbabwe in nur zehn Jahen von 55 auf knapp über 35 Jahre zurückgegangen. Ich laube, plastischer als mit der Gegenüberstellung dieser eiden Entwicklungen kann man die Widersinnigkeit, enn nicht sogar die Perversion dieses Regimes von ugabe kaum illustrieren und schildern. Es ist allerdings unverkennbar, dass in jüngerer Zeit ie Machtbasis von Mugabe bröckelt, auch in der eigeen Partei. Deshalb ist Europa jetzt und in den kommenen Monaten gefragt, darauf eine Antwort zu finden. Ich inde es gut und richtig, dass die heutige Aktuelle Stunde uf die jüngsten Entwicklungen in Simbabwe eingeht; enn sie gehen über das hinaus, was wir seit vielen Jahen aus diesem Land erfahren müssen. Es hat mich gefreut, dass die deutsche Ratspräsidentchaft umgehend und entschlossen auf die Verhaftung on Tsvangirai Mitte März reagiert hat. Das darf aber ein Ausreißer bleiben. Vielmehr muss Europa jetzt eine trategie entwickeln, wie es mit der sich verändernden ituation in Simbabwe umgeht. Denn freiwillig – das önnen wir dieser Tage erkennen – wird Robert Mugabe as Feld nicht räumen. Deshalb muss nun die portugiesische Regierung, die b Juli dieses Jahres die Ratspräsidentschaft der EU überimmt, ganz eng eingebunden werden; denn sie muss das, as Europa jetzt entwickelt, später fortsetzen. Das Reime Mugabe muss – und kann – weiter international isoiert werden. Gerade die afrikanischen Nachbarstaaten imbabwes sind an dieser Stelle gefragt. Der Regierungchef von Sambia hat bereits harsche, deutliche Worte zur ituation in Simbabwe gefunden und sie mit der Situation uf der „Titanic“ kurz vor ihrem Untergang verglichen. erartige Worte und einen stärkeren Druck würde ich mir Zukunft auch von Südafrikas Präsidenten Thabo Mbeki ünschen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


(Beifall bei der FDP)


Doch auch die Europäische Union kann selbstver-
tändlich mehr tun, damit es in Simbabwe zu einer guten
ntwicklung kommt. Es gibt bereits Reisebeschränkun-
en gegen zahlreiche Angehörige der Regierung. Doch
s gibt weiterhin prominente und wichtige Teile des Ap-
arats, die von diesen Reisebeschränkungen nicht be-
roffen sind. Ich möchte stellvertretend nur den Zentral-
ankchef Gideon Gono nennen. Er ist einer derjenigen,
ie bisher noch nicht unter die Reisebeschränkungen fal-
en. Ich glaube, die EU sollte schnellstens darüber disku-
ieren, ob man die Reisebeschränkungen nicht auch auf
hn und andere ausweiten kann.

Nicht zuletzt gibt es eine Initiative Großbritanniens,
ustraliens und Neuseelands. Diese Länder verlangen,
ass man Mugabe sowie seine Regierungsmitglieder und
ngsten Helfer vor den Internationalen Strafgerichtshof
n Den Haag bringt. Auch Kollege Strässer hat gefordert,
ass man den Komplex Simbabwe vor dem Internationa-
en Strafgerichtshof zur Sprache bringt – was auch im-






(A) )



(B) )


Florian Toncar
mer das bedeutet. Ich würde mir wünschen, dass die
Bundesregierung sich der Forderung Großbritanniens,
Australiens und Neuseelands anschließt. Mugabe muss
sich meines Erachtens in Den Haag verantworten. Nicht
zuletzt für solche Fälle ist dieses Gericht eingerichtet
worden.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Doch neben allem Druck auf das Umfeld Mugabes
muss natürlich auch für diejenigen eine Perspektive ent-
wickelt werden, die dieses Land hoffentlich bald nach
ihm regieren. Simbabwe könnte ein Land sein, in dem
die Menschen sehr auskömmlich leben können. Die geo-
grafischen und klimatischen Voraussetzungen dafür sind
vorhanden. Aber die Menschen werden, sollten sie sich
Mugabes entledigen, auf unsere Hilfe im medizinischen
Bereich ebenso wie bei der Lebensmittelversorgung und
der Infrastruktur angewiesen sein. Darauf müssen wir
uns vorbereiten – und dies schon heute.

Die Bundesregierung muss daher Simbabwe über die
Ratspräsidentschaft und die aktuellen Ereignisse hinaus
auf der Agenda behalten. Ich glaube, dass in Simbabwe
eine Zeit angebrochen ist, in der sich entscheiden wird,
ob sich die Dinge zum Besseren wenden, ob sich das
Volk von Simbabwe dieses unsäglichen Tyrannen entle-
digen kann oder nicht. In dieser für Simbabwe kriti-
schen, aber wichtigen Zeit sollte Europa abseits von den
aktuellen Anlässen, die zu verurteilen sind, eine gemein-
same Strategie entwickeln, wie man diejenigen stärken
kann, die sich für Simbabwe eine andere Lage als die ge-
genwärtige katastrophale vorstellen können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609107000

Das Wort hat der Kollege Arnold Vaatz, CDU/CSU-

Fraktion.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1609107100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wer das Land Simbabwe kennt, weiß: Es ist ei-
nes der schönsten, interessantesten und liebenswertesten
Länder Afrikas.


(Dr. Herta Däubler-Gmelin [SPD]: Jawohl, sehr richtig!)


Wer sich eine Perspektive für Afrika vorstellt und die In-
frastruktur von Simbabwe sieht, kommt sofort zu der
Aussage: „So müsste es eigentlich auch in anderen Län-
dern Afrikas aussehen“; so gut ist beispielsweise die In-
frastruktur in diesem Land.

Nun findet dort seit sieben Jahren ein Prozess des ste-
tigen Verfalls statt, wie man ihn sich eigentlich kaum
vorstellen kann. Simbabwe unterscheidet sich von ande-
ren afrikanischen Ländern dadurch, dass es auf einem
hohen Niveau begonnen hat und Jahr für Jahr und Stück
für Stück in eine desolate Lage verfallen ist und schließ-
lich jetzt an einem Punkt angekommen ist, an dem man

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(C (D agen muss: Die selbstverständlichsten Rahmenbedinungen für das Überleben der Menschen sind dort nicht ehr gewährleistet. Deshalb halte ich es für dringend erforderlich, dass ir von Europa und anderen Teilen der Welt aus alle öglichkeiten, diesen Verfall, diesen freien Fall des taats Simbabwe aufzuhalten, nutzen. Alles hat, so glaube ich, mit einer Fehleinschätzung obert Mugabes begonnen. Weil Robert Mugabe kein ann Moskaus war, hat der Westen in der Zeit der lockkonfrontation, des Kalten Krieges, gedacht, er önnte vielleicht ein Verbündeter sein. Wir hätten aber chon sehr früh feststellen können, um wen es sich bei ieser Person wirklich handelt. Um seinen politischen egner Joshua Nkomo auszuschalten, hat er sich näm ich bereits in den frühen 80er-Jahren der sogenannten ünften Brigade bedient – das ist eine Armeeeinheit, die on nordkoreanischen Offizieren geführt wurde – und m Matabeleland ein Massaker angerichtet, dem eine ünfstellige Anzahl von Menschen zum Opfer gefallen st. Dieser Mann erfüllt die Kriterien für einen Massenörder. Aus diesem Grunde müssen wir alles unternehen, um ihn daran zu hindern, sein Land weiter zu zer tören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


In Simbabwe wurde eine sogenannte Landreform
urchgeführt. Niemand in diesem Saal wird bestreiten,
ass es notwendig war, in Simbabwe eine Landreform
urchzuführen; nicht nötig war aber diese Landreform,
ie die Vertreibung von nahezu 90 Prozent der Farmer
nd eine Reduzierung der Leistungsfähigkeit der Land-
irtschaft auf etwa 30 Prozent des ehemaligen Niveaus

ur Folge hatte. Das Land Simbabwe, das die umliegen-
en Länder früher mit Landwirtschaftsprodukten ver-
orgt und Landwirtschaftsprodukte exportiert hat, muss
etzt selbst durch das World Food Programme ernährt
erden. Dieser Zustand ist indiskutabel. Ich glaube,

uch darüber sollten wir reden.

Im Bereich der Entwicklungshilfe ist grundsätzlich
ie Frage zu stellen, ob es richtig ist, dass wir einem
and erst mit über 1,3 Milliarden Euro helfen, Entwick-

ungsnachteile aufzuholen, und dann nach sieben Jahren
atenlos zuschauen müssen, wie all das, was mit unserer
ilfe dort entstanden ist, nach und nach zerstört wird,
nd zwar irreversibel. Die Bauern, die das Land verlas-
en haben, leben jetzt in Mosambik und haben dort neu
ngefangen. Fragt man sie: „Würdet ihr denn zurückge-
en, wenn sich die Rahmenbedingungen in Simbabwe
ndern?“, dann lautet die Antwort: Nein, wir können in
nserem Leben nicht mehrmals bei null anfangen. – Das
eißt: Insbesondere der Zerfall der Landwirtschaft ist in
imbabwe bis auf Weiteres irreversibel. Das ist die Re-
lität.

Ich glaube, diese Angelegenheit ist ein afrikanisches
roblem, und wir müssen stärker darauf drängen – ich
ann nur dazu aufrufen –, dass die anderen Länder Afri-
as, die SADC-Länder, ihre Verantwortung für Sim-
abwe erkennen und Simbabwe stärker drängen, diesen






(A) )



(B) )


Arnold Vaatz
Weg aufzugeben. Ich bin nicht der Meinung, dass wir
mit dem, was Thabo Mbeki in diesem Zusammenhang
bisher geleistet hat, zufrieden sein können.


(Beifall des Abg. Florian Toncar [FDP])


Er ist einer der wichtigsten Verteidiger von Robert
Mugabe.


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsichtig ausgedrückt!)


Es ist nicht zu viel, wenn wir von diesem Land, das dem-
nächst die Fußballweltmeisterschaft ausrichten wird,
verlangen, wenigstens die aktive Unterstützung des Dik-
tators von Simbabwe einzustellen. Genau das sollten wir
verlangen. Ich hoffe, unser Drängen führt letzten Endes
dazu.

Ich bedanke mich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Florian Toncar [FDP] und der Abg. Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609107200

Das Wort hat der Kollege Hüseyin-Kenan Aydin,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609107300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit bru-

taler Gewalt versucht das Regime in Simbabwe, die
Kontrolle über das Land zu behalten. Die andauernden
Übergriffe gegen die Opposition sind nur die Spitze des
Eisbergs. Bereits im September 2006 wurden 15 Ge-
werkschafter in der Haft so schwer misshandelt, dass sie
in Krankenhäuser eingeliefert werden mussten. Vor zwei
Wochen stürmte die Polizei die Gewerkschaftszentrale
in Harare. Sie beschlagnahmten Plakate und Flugblätter,
die zum Streik am 3. und 4. April aufrufen.

Das Regime hat Angst vor der Wut in der Bevölke-
rung. Im Armenviertel Highfield in Harare vergeht kaum
ein Tag ohne Proteste gegen die Lebensmittelknappheit.
Es herrscht eine Inflation, die an Weimarer Zeiten erin-
nert. Vorgestern wurden über Nacht die Preise für die
Benutzung wichtiger Zugverbindungen verdoppelt. Das
heißt, Arme sind nicht mehr mobil.

Deshalb kämpfen die Gewerkschaften in Simbabwe
für einen an die Inflation gekoppelten Mindestlohn. Das
mögen die Unternehmer nicht, weder in Simbabwe noch
in Deutschland. Das mag auch Mugabe nicht. Je schwä-
cher seine Position wird, desto mehr spitzt das Regime
die Situation zu. Der Innenminister hat in dieser Woche
der Polizei einen Freibrief für den Einsatz scharfer Mu-
nition erteilt. Doch alle Waffengewalt wird Mugabe
nichts nützen, wenn die Opposition endlich ihre Spal-
tung überwindet. Der Streik am 3. und 4. April, den die
Gewerkschaften organisieren, kann auch zum Mobilisie-
rungspunkt für die Masse der Arbeitlosen werden.

So wie in Guinea. Dort zwang ein von den Gewerk-
schaften organisierter Generalstreik vor einem Monat

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(C (D en korrupten Präsidenten Conté, einen Teil seiner absouten Herrschaft abzugeben. Das ist eine Botschaft an lle Regierungen dieser Erde. Es muss ein Recht auf poitischen Streik geben, damit sich das Volk wehren kann. Erzbischof Pius Ncube aus Simbabwe hat diese Wohe gesagt: Ich bin bereit, mich an die Spitze einer gewaltlosen Massendemonstration zu setzen, denn dieser Diktator muss verschwinden … ieser Meinung bin auch ich. Die Entschlossenheit der Opposition ist bewundernsert. Nicht so bewundernswert sind die Reaktionen ancher Nachbarstaaten. Die südafrikanische Staatengeeinschaft SADC hat aus meiner Sicht versagt. Die NC-Regierung in Südafrika äußert bislang keine of ene Kritik an Mugabe. Angolas Innenminister Ramos onteiro hat der simbabwischen Regierung die Entsen ung von rund 2 500 Sondereinsatzkräften zugesagt. Sie ollen zwei Tage vor dem bevorstehenden Streik zur erfügung stehen. Das ist ein skandalöser Vorgang. Ich rwarte von der Bundesregierung ein deutliches Wort er Kritik an Angolas Regierung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Internationale Solidarität erfährt das simbabwische
olk von anderer Seite. Bischof Tutu hat das Still-
chweigen der Regierung in Pretoria verurteilt. Der süd-
frikanische Gewerkschaftsdachverband Cosatu hat an-
ekündigt, am Tag des Streiks in Simbabwe einen
olidaritätsmarsch in Johannisburg zu organisieren. Die
olidarität im südlichen Afrika kommt von unten, von
en Gewerkschaften, von den Aktivisten und Aktivistin-
en.

Wir, die Abgeordneten von der Linksfraktion, unter-
tützen sie dabei. Lassen Sie mich das hervorheben. Als
ewerkschafter wünsche ich den Kollegen und Kolle-
innen vom Gewerkschaftsdachverband Simbabwes für
en Streik am 3. und 4. April viel Erfolg. Wir, Die
inke, unterstützen die Forderungen nach einer neuen
erfassung und nach fairen Neuwahlen in Simbabwe.
as polizeiliche Versammlungsverbot muss ganz aufge-
oben werden.

Das alles wird mit Mugabe nicht zu machen sein.
och der Wechsel darf nicht auf eine Palastrevolte be-

chränkt bleiben. Dass führende Politiker der ehemali-
en Kolonialmacht Großbritannien erkennen lassen,
ass sie sich gegebenenfalls auch mit dem Austausch ei-
iger Köpfe zufriedengeben würden, ist zynisch. In Sim-
abwe geht es nicht um die Interessen Blairs oder Euro-
as, sondern es geht um die Interessen des
imbabwischen Volkes.


(Beifall bei der LINKEN)


ir, Die Linke, sind an der Seite derer, die für die
echte der Menschen kämpfen.

Eine letzte kurze Anmerkung. Auch wir, die Fraktion
ie Linke, haben gestern dem interfraktionellen Antrag

m Ausschuss für Menschenrechte zugestimmt. Aber






(A) )



(B) )


Hüseyin-Kenan Aydin
langsam müssen Sie damit aufhören, Die Linke immer
wieder auszugrenzen. Auch das ist nicht demokratisch.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich hoffe, Sie werden Ihr kindisches Verhalten irgend-
wann ablegen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609107400

Nächster Redner ist der Staatsminister Gernot Erler.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1609107500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Ereignisse der letzten Wochen haben in dramati-
scher Weise unterstrichen, dass die seit langem schwe-
lende Krise in Simbabwe eskaliert. Die brutale Behand-
lung friedlicher Demonstranten und oppositioneller
Politiker, aber auch die Drohungen gegenüber westli-
chen Botschaftern zeigen ein Regime, das die Maske der
Rechtsstaatlichkeit endgültig fallengelassen hat.

Präsident Mugabe kämpft mit allen Mitteln um den
Erhalt seiner Macht. Zugleich wendet sich die Stimmung
in Simbabwe angesichts der desolaten Wirtschaftslage
und der zunehmenden Repressionen immer offener ge-
gen ihn, nicht nur in der Bevölkerung allgemein, sondern
auch in seiner Partei, der ZANU-PF. Wir schauen mit In-
teresse auf die morgigen Beratungen im Zentralkomitee
der ZANU-PF, die auch darüber entscheiden wird, ob es
Mugabe gelingen wird, seine Macht im Jahr 2008 zu be-
halten.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat in den ver-
gangenen Wochen zu den Ereignissen in Simbabwe ein-
deutig Stellung bezogen. In zwei Erklärungen, vom
12. März und vom 14. März dieses Jahres, haben wir die
Kriminalisierung der friedlichen Gebetsversammlung,
des Prayers Meeting, in Harare am 11. März verurteilt
und die Freilassung der Verhafteten sowie die Gewäh-
rung rechtlichen und medizinischen Beistands gefordert.
Die Deutsche Botschaft in Harare hat am 13. März 2007
im Namen aller EU-Partner in einer Note die simbabwi-
sche Regierung nachdrücklich zur Einhaltung rechts-
staatlicher Prinzipien aufgefordert.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die EU-Botschafter vor Ort haben in enger Abstimmung
untereinander gegenüber der Regierung zum Ausdruck
gebracht, dass sie jederzeit bereit sind, sich persönlich
um die von der Regierung Verhafteten und Verletzten zu
kümmern; das haben sie auch getan.

Am Wochenende des 17./18. März dieses Jahres kam
es erneut zu Festnahmen mit Misshandlungen von Oppo-
sitionellen. Zwei bei den Übergriffen am 11. März
schwerverletzte weibliche Oppositionelle wurden zudem
durch Passentzug an der Ausreise nach Südafrika gehin-
dert, wo sie sich medizinisch behandeln lassen wollten.
Die deutsche EU-Präsidentschaft hat diese Maßnahme
am 18. März in einer weiteren Erklärung auf das

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(C (D chärfste verurteilt. Die verletzten Oppositionellen onnten inzwischen nach Südafrika ausfliegen, und die eisten der am 11. März verhafteten Oppositionellen ind wieder auf freiem Fuß. Das Versammlungsund emonstrationsverbot ist inzwischen bis auf einige Teile n Harare aufgehoben worden. Wie schon erwähnt wurde, gab es gestern erneut bergriffe gegen die Opposition. Das Hauptquartier des DC, des Movement for Democratic Change, das Har est House, wurde von der Polizei umstellt, und Morgan svangirai sowie 20 seiner Mitstreiter wurden verhaftet. ch kann Ihnen aber die positive Botschaft übermitteln, ass Herr Tsvangirai und die meisten seiner Mitstreiter nzwischen wieder freigelassen worden sind. Allerdings ar das natürlich ein weiterer Versuch der Einschüchte ung der Opposition. All das findet vor dem Hintergrund einer dramatichen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Simabwe statt. Die dortige Wirtschaft verzeichnet fast jedes ahr ein Negativwachstum in der Größenordnung von twa 5 Prozent. Seit 1998 ist das Bruttosozialprodukt um in Drittel gesunken. Auf die dramatische Inflationsrate hat der Kollege trässer bereits hingewiesen. Das Haushaltsdefizit liegt m Moment bei 24 Prozent. Es gibt eine Krise der Landirtschaft. Die Maisproduktion ist seit 1996 um 0 Prozent zurückgegangen. Der Kollege Vaatz hat daauf aufmerksam gemacht, dass inzwischen 4 Millionen enschen, das heißt ein Drittel der Bevölkerung, von ahrungsmittelhilfen des Welternährungsprogramms bhängig sind. 80 Prozent der Bevölkerung haben – das ntspricht unseren Armutskriterien – weniger als Dollar pro Tag zur Verfügung, 50 Prozent sogar weni er als 1 Dollar. 35 Prozent der Bevölkerung gelten als nterernährt. Hinzu kommt eine erhebliche und ernsthafte Aidsurchseuchung: In der Altersgruppe der 25bis 45-Jährien sind davon etwa 25 Prozent betroffen. Rund 1,2 Milionen der 1,6 Millionen Waisenkinder, die es in diesem and gibt, haben ihre Eltern aufgrund einer Aidserkranung verloren. Inzwischen hat das zu einem Flüchtlingsund Emirantenstrom von mehr als 3,5 Millionen Simbabwern eführt. Man sieht, das ist nicht mehr nur ein Problem imbabwes, sondern das ist zu einem Problem der ganen Region geworden. Präsident Mugabe entwickelt in dieser Situation zuehmend eine Bunkermentalität. Doch seit den Ereignisen vom 11. März rückt das Ende seines Regimes nach nserer Analyse zusehends näher. In der EU hat desween neben der Diskussion über die aktuellen Entwickungen ein Nachdenken über mögliche Szenarien von eränderungen in Simbabwe begonnen. Wir haben für en 4. April eine Sondersitzung der auch für Simbabwe uständigen Afrika-Arbeitsgruppe der EU anberaumt. usätzlich soll es am 18. April eine umfassende Diskusion der EU-Afrikadirektoren geben. Wir streben außerem an, dass der Rat der Außenminister am 23. April die Staatsminister Gernot Erler Krise in Simbabwe erörtert und Schlussfolgerungen verabschiedet. Wir beobachten sehr aufmerksam die Reaktionen der Nachbarn Simbabwes; das ist hier praktisch von allen Rednern angesprochen worden. Unsere Botschaften in der Region stehen mit den Regierungen ihrer Gastländer in einem intensiven politischen Dialog. Parallel hierzu hat die Afrikabeauftragte des Auswärtigen Amts vor zwei Wochen am Sitz der Afrikanischen Union in Addis Abeba zahlreiche Gespräche über die Simbabwekrise geführt. Es verdichten sich die Anzeichen, dass in der gesamten Region – nicht zuletzt unter dem Druck der Zivilgesellschaft – die Solidarität mit dem Mugabe-Regime bröckelt. Hoffnung macht insbesondere, dass jetzt auch unsere afrikanischen Partner erstmals offen zeigen, dass die Lösung der Simbabwekrise ihnen ein zentrales Anliegen ist. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Sambias Staatspräsident Mwanawasa hat Simbabwe mit
der sinkenden „Titanic“ verglichen. Das südafrikanische
Kabinett hat am 22. März Besorgnis über die Situation in
Simbabwe geäußert. Die Troika der SADC hat sich am
22. März mit Simbabwe befasst, und seit gestern tagt ein
Sondergipfel der afrikanischen Staats- und Regierungs-
chefs der Region in Tansania, in Daressalam, übrigens
im Beisein von Mugabe. Das zeigt, dass in der Region
die Sorge wächst und allmählich konkrete Aktivitäten
ergriffen werden.

Angesichts der eskalierenden Gewalt und zunehmen-
der Menschenrechtsverletzungen mehren sich die Stim-
men, die eine Ausweitung der geltenden EU-Visasank-
tionen gegenüber Simbabwe auf die Mitarbeiter der an
den Übergriffen vom 11. März beteiligten Sicherheitsor-
gane fordern. Wir wollen darüber am 4. April mit unse-
ren EU-Partnern in Brüssel beraten.

Es besteht Einvernehmen unter den EU-Partnern, dass
eine Lösung der Krise in Simbabwe nur mit afrikani-
scher Unterstützung gelingen kann. Unsere afrikani-
schen Partner machen deutlich, dass sie nach den Ereig-
nissen vom 11. März nicht länger bereit sind,
wegzuschauen. Die Präsidenten Kikwete und Mbeki ha-
ben eine Initiative vereinbart, die auf einen Dialog zwi-
schen Regierung und Opposition in Simbabwe abzielt.

Wir sollten das stärker werdende afrikanische En-
gagement als Chance begreifen, auch mit Blick auf den für
Dezember dieses Jahres geplanten zweiten EU-Afrika-
gipfel in Lissabon, für den wir uns eine breite und hoch-
rangige Beteiligung aus Afrika wünschen. Es gilt für die
EU, weiterhin mit dem nötigen Nachdruck auf die Ereig-
nisse in Simbabwe zu reagieren. Die EU kann und wird
zu Menschenrechtsverletzungen nicht schweigen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zugleich sollten wir aber verhindern, dass Präsident
Mugabe erneut einen Keil zwischen die EU und die afri-
kanischen Nachbarn Simbabwes treibt. Behutsam und
mit viel Fingerspitzengefühl müssen wir versuchen, fal-

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(C (D che Reflexe, sich mit Präsident Mugabe zu solidarisieen, weiter zu verhindern. Es gibt in dieser Situation nur ine unterstützenswerte Solidarität: Das ist die Solidariät mit dem simbabwischen Volk und mit den mutigen nd auch zum Eigenrisiko bereiten Oppositionellen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609107600

Das Wort hat der Kollege Volker Beck, Bündnis 90/

ie Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609107700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass

estern Abend die verhafteten Oppositionellen freige-
ommen sind, ist sicher auch der internationalen Auf-
erksamkeit hinsichtlich der gegenwärtigen Vorgänge

n Simbabwe zu verdanken. Deshalb ist es wichtig, dass
ir diese Aktuelle Stunde hier durchführen, um zu si-
nalisieren, dass der Deutsche Bundestag einheitlich die
reilassung aller Oppositionellen verlangt und die Rück-
ehr zu einem Regime erwartet, in dem Menschenrechte
nd Rechtstaatlichkeit gewahrt werden, einem Regime,
as Simbabwe schon so lange begehrt und entbehrt. Wir
ind uns darin einig und senden damit ein klares Signal.
ach dieser Aktuellen Stunde dürfen wir nicht nachlas-

en, uns die Vorgänge genau anzuschauen und auch öf-
entlich Stellung dazu zu nehmen.

Das Regime von Mugabe kämpft gegenwärtig um
ein Überleben. Es gibt absehbare Entscheidungen: Es
tellt sich die Frage, ob im Jahre 2008 die Amtszeit von
ugabe ausläuft. Wird die Verfassung geändert, um sie

u verlängern? Gibt es Wahlen, bei denen er erneut an-
ritt? Das Regime ist in einer starken Krise, weil

ugabe, der zunächst das Land befreit hat, es danach
ründlichst zugrunde gerichtet hat. Ökonomisch, sozial
nd menschenrechtlich liegt Simbabwe am Boden.

Schauen wir uns an, was in den letzten Jahren passiert
st: Er hat eine allumfassende Diktatur errichtet, die nur
uf ihn zugeschnitten ist, er hat eine Kommandowirt-
chaft eingeführt, durch die die Ökonomie zugrunde ge-
ichtet wurde, und Versäumnisse bei der Landreform
aben dazu geführt, dass viele vorher abhängige Landar-
eiter heute arbeitslos sind. 80 Prozent Arbeitslose und
200 Prozent Inflation –


(Brunhilde Irber [SPD]: 1 700 Prozent!)


iese ökonomischen Daten und die Misswirtschaft haben
n einem Land, das eine reiche Landwirtschaft haben
önnte, natürlich zu einer Situation geführt, in der ein
roßteil der Bevölkerung auf Nahrungsmittelhilfe ange-
iesen ist. Die HIV-Krise mit den hohen Infektionsraten
ommt hinzu. All dies zusammen führt dazu, dass die
evölkerung auf eine Verbesserung ihrer Lage drängt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)

Ich glaube, wir müssen unseren britischen Freunden,
die vorhin so gelobt wurden, auch sagen: Wenn sie die
Zusage eingehalten hätten, der simbabwischen Regie-
rung bei der Landreform stärker zu helfen, wäre die Situa-
tion heute natürlich eine andere, weil dies auch eines der
Probleme ist, die zur jetzigen Lage geführt haben.

Wenn wir jetzt über eine Lösung reden, dann müssen
wir dabei auch ein klares Signal setzen, dass wir hier
nicht tatenlos zuschauen. Wir müssen darüber reden, ob
wir die schon vorhandenen Sanktionen erweitern und auf
weitere verantwortliche Kreise ausweiten, damit deut-
lich wird, dass wir eine klare Linie verfolgen und unse-
ren Worten auch Taten folgen lassen.

Morgan Tsvangirai fordert, dass wir das Regime von
Simbabwe isolieren. Darin müssen wir die demokrati-
sche Opposition unterstützen, und bei den Initiativen, die
jetzt aus Tansania kommen, müssen wir auch mit der
SADC zusammenarbeiten, damit es nicht wieder bei
Wortgeplänkeln bleibt


(Florian Toncar [FDP]: So ist es!)


und Südafrika diese Fortschritte danach wieder mit sei-
ner Politik der stillen Diplomatie blockiert.

Ich glaube, wir müssen ein offenes Wort auch mit
Südafrika reden. Es gibt in Südafrika eine innenpoliti-
sche Diskussion darüber, wie man mit Simbabwe um-
geht. Robert Mugabe ist heute eben nicht ein Freiheits-
führer und nicht mehr der Freund des ANC – das war er
früher –, sondern ein fürchterlicher Diktator. Deshalb
dürfen alte Freundschaften nicht zu falschen Rücksicht-
nahmen führen.

Ich verstehe nicht, dass gerade die Regierung von
Südafrika, das selbst erlebt hat, dass der Sturz des Apart-
heidregimes letztendlich durch die internationale Solida-
rität und die Sanktionen gegen Südafrika mit herbeige-
führt wurde, nicht verstehen will, dass jetzt Druck auf
Simbabwe notwendig ist, damit diese Zustände endlich
beseitigt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich glaube, gerade wir Deutsche – andere sind dafür
vielleicht weniger geeignet – können aufgrund unserer
Geschichte in der Solidaritätsbewegung deutlicher mit
dem ANC sprechen als die Briten, die eine koloniale
Vergangenheit haben und gleichzeitig immer auch eine
Belastung darstellen, wenn sie politische Initiativen in
Afrika ergreifen. Wir sollten hier eine aktive Rolle ein-
nehmen, damit die SADC die Unterstützung Südafrikas
erhält, wenn sie Druck auf Simbabwe ausübt, sodass es
hier endlich zu anderen Zuständen kommt.

Wir haben gestern im Menschenrechtsausschuss eine
gemeinsame Resolution verabschiedet. Wir haben viele
Appelle formuliert und die Bundesregierung zu Recht
für ihre Taten gelobt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der CDU/ CSU und der SPD)


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(C (D enn das Lob berechtigt ist, dann habe ich kein Problem amit. Wir haben an Südafrika und die SADC-Staaten wie uch an die Regierung in Simbabwe appelliert. Wir müsen aber, glaube ich, auch klarmachen, dass wir unsere olitischen Beziehungen und Initiativen in diesem Beeich an diesen Fragen ausrichten werden. Wir haben eshalb der Bundesregierung vorgeschlagen – leider hat nser Vorschlag keine Mehrheit gefunden –, vor dem U-Afrikagipfel zu bewerten, ob die Teilnahme Simabwe wirklich sinnvoll ist, wenn es nicht zu einer Veresserung der Menschenrechtslage in Simbabwe kommt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


enn man es damit ernst meint, dann muss man auch
onsequenzen ziehen. Deshalb müssen wir über ent-

prechende Maßnahmen reden und klarmachen, dass es
insichtlich des Afrikagipfels am Ende dieses Jahres
onsequenzen haben wird, wenn es nicht zu einer Ver-
esserung der Menschenrechtslage in Simbabwe kommt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609107800

Herr Kollege Beck!


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609107900

Dafür möchte ich an dieser Stelle werben. Dass dieser

luge Vorschlag im Ausschuss keine Mehrheit gefunden
at, heißt schließlich nicht, dass ihn sich die Bundesre-
ierung nicht zu eigen machen und ihn auf europäischer
bene vortragen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609108000

Nächster Redner ist der Kollege Hartwig Fischer,

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hartwig Fischer (CDU):
Rede ID: ID1609108100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

on 1970 bis 1980 hat in Simbabwe – dem damaligen
hodesien – unter der Beteiligung von Mugabe ein Be-

reiungskampf stattgefunden, der 1980 mit dem Errei-
hen der Unabhängigkeit endete. Bei der Wahl 1980 er-
ang Mugabe mit seiner ZANU-Partei 57 von 100 Sitzen
nd wurde zum Präsidenten gewählt. Es ging eine große
offnung durch das Land, dass er der richtige Führer

ein würde. Ich glaube sogar, dass er zu dem Zeitpunkt
er richtige Führer war. Er wurde anerkannt und hat in
en ersten Jahren seiner Regierungszeit viel für die In-
rastruktur, das Bildungswesen und das Gesundheitswe-
en geleistet. Dann kam es zum Verfall auch der politi-
chen Sitten in diesem Land.

Bei den Wahlen 1995 gewann die Partei Mugabes un-
er eigenartigen Umständen 118 von 120 Sitzen. Es be-
ann ein grundlegender Wechsel der politischen Strate-
ie und des politischen Umgangs in Simbabwe. Das war
er Anfang vom Ende einer Entwicklung, die von






(A) )



(B) )


Hartwig Fischer (Göttingen)

Europa und der internationalen Staatengemeinschaft
einst als positive Entwicklung von der Kolonialzeit in
eine Transitionszeit gesehen wurde.

Aber dann wurde das Recht gebrochen. Die rechts-
staatlichen Strukturen wurden aufgegeben, und die Pres-
sefreiheit wurde eingeschränkt. 2002 kam es zu weiteren
Einschränkungen der Pressefreiheit. Die Opposition
wurde bis zum heutigen Tage drangsaliert, sowohl durch
Verhaftungen wie gestern Abend, als auch durch die Zer-
störung der Parteistrukturen ebenso wie der familiären
Strukturen und der Stammesstrukturen.

Seit der Hungerrevolution 2003 in Bulawayo und
Chitungwiza sind über 100 000 Menschen durch Gewalt
oder Hunger ums Leben gekommen. Wir haben erhebli-
che Flüchtlingsströme nach Botswana und Südafrika er-
leben müssen. Die Wanderarbeiter, die nach Mosambik
gegangen sind, haben keine Perspektiven mehr, wie eben
bereits ausgeführt wurde.

Ich will wiederholen, was die Kollegen Strässer und
Erler gesagt haben. 80 Prozent der Bevölkerung von
Simbabwe leben unter der Armutsgrenze. Die Lebenser-
wartung ist weltweit am niedrigsten; sie beträgt bei
Frauen 34 Jahre und bei Männern 37 Jahre. Das heißt,
dass bereits eine ganze Generation um die Zukunft und
um das Leben betrogen wurde. Simbabwe hat die welt-
weit höchste Kindersterblichkeit und die höchste Anzahl
an Waisen.

Die gestrigen Verhaftungen und Misshandlungen ha-
ben gezeigt, dass Mugabe nicht mehr lernfähig ist und
dass er ein Diktator ist, der ohne Rücksicht auf sein Volk
vorgeht.

Die Zermürbungstaktik, die er gegenüber Oppositio-
nellen und Journalisten anwendet, hat dazu geführt, dass
immer weniger Menschen im Lande bereit sind, sich zu
bekennen. Durch die Art und Weise, wie zum Beispiel
Lebensmittel verteilt wurden – nämlich nur gegen Vor-
lage des Parteiausweises von ZANU-PF; auch dagegen
musste die Weltgemeinschaft einschreiten –, hat er den
Menschen jegliche Chance genommen und mit dazu bei-
getragen, dass der Stamm der Matabele zu weiten Teilen
ausgerottet worden ist.

Ich persönlich sehe jetzt zum ersten Mal Bewegung
auch in den südafrikanischen Ländern. Der Staatspräsi-
dent von Botswana war in den vergangenen zwei oder
drei Jahren der einsame Rufer in der Wüste, der zu der
Situation, die sich auch auf die Nachbarländer ausge-
wirkt hat, offen Stellung bezogen hat. Jetzt hat auch der
Vorsitzende der Afrikanischen Union Stellung genom-
men. Die Debatte gestern im Parlament in Südafrika
zeigt auf, dass nicht nur die Opposition, sondern auch
die Regierung – wenn auch unter gewissem öffentlichen
Druck – scheinbar zum Handeln bereit ist.

Ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, dass
Frau Dr. Merkel für die Bundesregierung am Sonntag
das Thema in ihrer Rede noch einmal deutlich angespro-
chen hat und bereit ist, Sanktionen anzustreben, wenn
die UN selbst nicht dazu in der Lage ist, Sanktionen ein-
zuleiten.

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(C (D Ich bin sehr froh, dass Herr Kufuor, der Vorsitzende er Afrikanischen Union, deutliche Worte gefunden hat. ch bin auch sehr glücklich darüber, dass der Bundestag ieses Thema nicht zum ersten Mal behandelt, sondern ass wir schon in der Vergangenheit Druck ausgeübt haen. Diejenigen, die bei der letzten Debatte über Simabwe mitdiskutiert haben, haben allerdings auch die Igoranz der Botschafterin aus Simbabwe erlebt, die sich ach der Debatte in Protestnoten darüber beklagt hat, ass wir die Situation in ihrem Land falsch darstellen ürden. Ich bin großer Hoffnung, dass es jetzt ein gemeinsaes Handeln der internationalen Gemeinschaft und der uropäischen Union gibt, und habe keine Zweifel daran, ass die Bundesregierung entsprechend verfährt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609108200

Das Wort hat die Kollegin Brunhilde Irber von der

PD-Fraktion.


Brunhilde Irber (SPD):
Rede ID: ID1609108300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Der afrikanische Kontinent präsentiert sich
erzeit mit unterschiedlichen Gesichtern. Einerseits hat
ich in den letzten 15 Jahren der Grad politischer und
ürgerlicher Freiheit erheblich verbessert. Andererseits
rleben wir – wie zum Beispiel jetzt in Simbabwe – eine
eutliche Rückwärtsbewegung hin zu autokratischen
trukturen.

Das diktatorische Mugabe-System ist nur am Macht-
rhalt interessiert. Dies ist heute schon von mehreren
ollegen geäußert worden. Die Kernaufgaben des Staa-

es, nämlich die Bereitstellung sozialer und ökonomi-
cher Grunddienstleistungen, werden nicht erfüllt. Die
etzten sieben Jahre von den insgesamt fast 27 Jahren
it Mugabe als Ministerpräsident sind gekennzeichnet

urch Armut, Hunger, eine galoppierende Inflation und
irtschaftliche Rezession.

Seit Mitte der 90er-Jahre ist die Lebenserwartung
wie heute schon mehrfach geäußert – deutlich gesun-

en. Mehr als 12 Prozent der Kinder sterben, bevor sie
as fünfte Lebensjahr erreichen. Simbabwe ist unfähig,
ie sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschen-
echte zu achten, zu gewährleisten und zu schützen.

Mit den politischen Menschenrechten verhält es sich
benso. Die Pressemeldungen zu den Misshandlungen
on Morgan Tsvangirai gingen um die Welt. Gestern ist
r abermals verhaftet worden, aber – wie wir wissen –
ufgrund der internationalen Bemühungen und auch der
emühungen der Bundesregierung am Abend wieder

reigelassen worden.

Der Druck auf Mugabe wächst. Sein Einfluss, auch
uf die verschiedenen Gruppierungen innerhalb seiner
igenen Partei, nimmt ab. 2008 stehen Präsidentschafts-
ahlen an, und niemand kann sich so recht vorstellen,
ass der dann 85 Jahre alte Mugabe für weitere sechs






(A) )



(B) )


Brunhilde Irber
Jahre das Land regiert und ruiniert. Sein Versuch, die
Präsidentschaftswahlen auf 2010 zu verschieben, wird
aller Voraussicht nach scheitern. Ein Hoffnungszeichen
ist, dass ihn selbst seine regierende ZANU-PF-Partei
nicht zu einer erneuten Kandidatur aufgefordert hat.

Die Lösung könnte ein neuer gesellschaftlicher Pakt
sein. Tsvangirai selbst sagte in einem Interview in der
heutigen Ausgabe der „Frankfurter Rundschau“:

Der einzige Weg zur Lösung der Krise ist ein natio-
naler Dialog, der zu einer neuen Verfassung und
schließlich zu freien und fairen Wahlen führt.

Die regierende ZANU-Partei und die oppositionelle
Bewegung für den demokratischen Wandel müssen sich
möglichst schnell an einen Tisch setzen und eine politi-
sche Strategie für die Zeit nach Mugabe entwickeln.
Erste Kontakte mit den Parteileuten von Salomon
Mujuru soll es schon gegeben haben. Südafrika und die
SADC-Staaten, aber auch die Afrikanische Union sollten
diesen Prozess nach Kräften unterstützen und damit ein
Zeichen für das neue Afrika setzen. Nichteinmischung in
die inneren Angelegenheiten des Nachbarstaates reicht
als Ausrede nicht mehr aus. Jetzt geht es darum, eine
weitere Eskalation zu verhindern und die Loyalität des
Mugabe-Apparates zu brechen. Mit dem SADC-Sonder-
gipfel, der momentan tagt, könnte endlich etwas in Gang
kommen.

Eines ist klar: Selbst wenn ein Neuanfang gelingt,
wird es noch lange dauern, bis sich das Land vom wirt-
schaftlichen Desaster erholen wird. Über 90 Prozent Ar-
beitslosigkeit, Versorgungsausfälle bei Strom und Was-
ser sowie Inflationsraten von bis 1 700 Prozent sind kein
gutes Startkapital. Aber es ist Mugabe trotz aller Gewalt
nicht gelungen, die Opposition auszuschalten. Damit
dieser Einsatz nicht umsonst war, braucht Simbabwe
jetzt internationale Unterstützung. Ich wiederhole mich
an dieser Stelle: Südafrika muss hier eine führende Rolle
übernehmen.

Übrigens berichten CNN und BBC derzeit fast täglich
über diverse afrikanische Staaten und die Ereignisse
dort, sei es mit Nachrichten oder Reportagen. Ich würde
es sehr begrüßen, wenn auch bei uns sowohl die öffent-
lich-rechtlichen Fernsehanstalten als auch die privaten
Sender hier nachziehen würden. Wenn wir wollen, dass
Afrika mehr ins Bewusstsein rückt, dann sollte eine ent-
sprechende Berichterstattung die logische Konsequenz
sein. Auch die mediale Öffentlichkeit kann den Men-
schen vor Ort helfen und ihnen Hoffnung für eine bes-
sere Zukunft geben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Situation in Simbabwe ist besorgniserregend.
Wenn es gelänge, die bröckelnde Unterstützung
Mugabes in seiner eigenen Partei zu befördern, bestünde
Hoffnung, dass trotz allen Leidens der Bevölkerung
Licht am Ende des Tunnels erkennbar wird. Wir müssen
unsere südafrikanischen Partner im Sinne von NEPAD
von der Notwendigkeit eines politischen Wechsels in

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(C (D imbabwe überzeugen. Die Zeiten von Herrschern wie ugabe sollten endgültig vorbei sein. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609108400

Das Wort hat der Kollege Holger Haibach, CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1609108500

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Die Tragödie Robert Mugabes droht zur Tragö-
ie seines eigenen Landes, Simbabwes, zu werden. Die
iskussion, die wir jetzt im Deutschen Bundestag füh-

en, kann nur ein Ziel haben: Wir müssen mithelfen, dass
iese Tragödie nicht stattfindet.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Welche teilweise bizarren Formen das Leben in Sim-
abwe zurzeit annimmt, möchte ich einmal illustrieren.
ch zitiere mit Genehmigung der Präsidentin aus einem
rtikel der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“:

Eines der vielen Anzeichen dafür, dass Zimbabwe
ins Chaos abgleitet, wird nur selten bewusst wahr-
genommen: Die Leichenhäuser werden voller. Das
liegt nicht nur daran, dass mehr Menschen sterben.
Sondern auch daran, dass die Angehörigen vieler
Todgeweihter die Arztrechnungen nicht mehr be-
zahlen können. Deshalb lassen sie die Kranken un-
ter falschen Namen registrieren. Wenn diese dann
sterben, gibt es niemanden, der Anspruch auf die
Leichen erhebt.

o weit ist diese Gesellschaft bereits gekommen.

Wenn wir zum Beispiel über 1 700 Prozent Inflation
eden, dann ist das erst einmal eine sehr theoretische
ahl. Wenn es aber heißt, dass die Fahrt zur Arbeit mit
em Bus teurer ist als das, was man mit der Arbeit ver-
ienen kann, dann ist das eine wirklich lebensbedrohli-
he Situation. Hier haben nicht nur wir und die Afrikani-
che Union, sondern hier hat vor allem die Regierung
imbabwes eine echte Aufgabe; diese muss sie erfüllen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Nicht einmal mehr die Regierung selbst bestreitet,
ass sich das Land in einer schwierigen Situation befin-
et. Der Zentralbankchef verkündet vor dem Parlament,
ass er nur noch Geld für Elektrizität habe. Ich zitiere
och einmal aus dem Artikel:

Es gebe kein Geld, um die Flugzeuge der Luftwaffe
einzusetzen oder Polizeiautos zu reparieren.
300 000 Menschen müssten auf Pässe warten, weil
es kein Papier und keine Tinte gebe, um sie auszu-
stellen. Lebensmittel- und Ölgroßhändler, die staat-






(A) )



(B) )


Holger Haibach
liche Fluglinie und die Eisenbahngesellschaften, so
der Zentralbankchef weiter, flehten ihn ständig an,
sie bräuchten ausländische Währungen – die aber
fehlen, weil die Tabakexporte, einst Zimbabwes
Hauptquelle für amerikanische Dollars, nur noch
ein Fünftel dessen einbringen, was sie vor der Ver-
treibung der weißen Farmer einbrachten. Die
zweite wichtige Einnahmequelle, der Tourismus, ist
ebenfalls versiegt.

Insofern befindet sich dieses Land in einer wirklich
katastrophalen Situation. Es ist zu fragen, wie eigentlich
aus Robert Mugabe, dieser Lichtgestalt der afrikani-
schen Schwarzenbewegung, ein solcher Diktator, ein
solch autokratischer Herrscher werden konnte.
Bartholomäus Grill hat es in der „Zeit“ im Jahre 2005
wie folgt ausgedrückt:

Der einstige Befreiungsheld wird nicht viel mehr
hinterlassen als einen Leitfaden für Diktatoren. Mit
folgenden sieben Programmpunkten: Zentralisiere
alle Macht … Führe die Kommandowirtschaft wie-
der ein … Säubere den Justizapparat … Schränke
die Grundrechte ein … Schalte die Medien
gleich … Erzeuge ein Klima der Angst … Manipu-
liere die Wahlen, aber lass dir niemals in die Karten
schauen.

Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist das
traurige Ergebnis, das wir heute vor uns haben. Es stellt
sich natürlich die Frage, wie wir damit weiter umgehen.
Wir müssen – ich glaube, das ist schon deutlich gewor-
den – unsere Verantwortung in der Europäischen Union
– insbesondere während der deutschen EU-Ratspräsi-
dentschaft – wahrnehmen. Angesichts der Reaktionen,
die wir direkt nach den Verhaftungen – zum Beispiel von
Herrn Tsvangirai – erlebt haben, habe ich den Eindruck,
dass die Bereitschaft und die Erkenntnis da sind. Dafür
will ich der Bundesregierung an dieser Stelle einmal
ganz herzlich danken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unsere Reaktion – auch das ist heute schon angeklun-
gen – darf aber nicht auf heute oder auf morgen begrenzt
sein. Wir müssen das Thema weiterhin in der Öffentlich-
keit halten und weiterhin entsprechende Schritte unter-
nehmen. Das bedeutet auch, dass wir versuchen sollten,
unsere afrikanischen Freunde davon zu überzeugen, dass
sie von der Politik der stillen Diplomatie, die gescheitert
ist – ich glaube, das kann man heute feststellen –, Ab-
stand nehmen müssen. Es wäre auch richtig, wenn wir
das Thema einmal im Menschenrechtsrat in Genf ein-
bringen würden. Wir kritisieren dieses Gremium so oft,
aber bei diesem Thema hätte es eine wirkliche Chance
und eine wirkliche Aufgabe. Vielleicht wäre das eine
Initiative, die Deutschland und die Europäische Union
ergreifen sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Natürlich will niemand, dass Afrika seine eigene Ver-
antwortung nicht wahrnehmen kann. Wir legen auf das,
was neuhochdeutsch „African Ownership“ heißt, also

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(C (D arauf, dass die Länder ihre Verantwortung selbst in die and nehmen, sehr großen Wert. Sie werden sie aber icht selbst in die Hand nehmen können, wenn wir nicht ereit sind, unseren Teil dazu beizutragen und zu helfen. ch glaube, dass Hilfe an dieser Stelle willkommen ist. Ich will nur darauf hinweisen – es ist schon darüber esprochen worden –, dass es Hoffnung gibt, dass geade im südlichen Afrika inzwischen ein anderes Vertändnis und eine andere Einstellung zu Herrn Mugabe xistiert. Bei einer Sondersitzung des südafrikanischen arlaments hat ein Vertreter der Opposition, und zwar in Sprecher der Inkatha Freedom Party, erklärt: Wir rufen heute dem tyrannischen Regime in Simbabwe zu: Die Zeit ist abgelaufen. In Gottes Namen: Geh! Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. Danke sehr. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609108600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele

roneberg, SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Gabriele Groneberg (SPD):
Rede ID: ID1609108700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

arum? Warum eigentlich? Warum, fragt man sich,
ntwickelt sich ein Mensch, der sich im Freiheitskampf
egen die britischen Kolonialherren anerkannte Ver-
ienste erworben hat, zu einem skrupellosen Despoten?
arum, fragt man sich, entwickelt sich ein Mensch, der

u Beginn seiner Regierungszeit als ein Mann der Ver-
öhnung gegolten hat, zu einem hemmungslosen Dikta-
or? Warum wirtschaftet ein Regierungschef sein Land
on einem blühenden Vorzeigeland in Afrika, von ei-
em Musterknaben, herunter auf das Niveau eines
chmuddelkindes? Warum bloß?

Wir können eine Menge Vermutungen anstellen und
ns das trotzdem nicht schlüssig erklären. Wo war ei-
entlich der Punkt, wo es gekippt ist? So richtig hat das
nscheinend keiner von uns wahrgenommen. Das war
ine schleichende Entwicklung, bis es dann 2000 durch
ie mangelnde Zustimmung der Bevölkerung zur Wahl
ugabes richtig deutlich wurde und es danach stetig

ergab ging. Zuerst waren die weißen Farmer das Ziel
einer aggressiven Politik. Landreform hat man das ge-
annt. Jetzt konzentriert er sich auf die Opposition, auf
ritische Stimmen in der eigenen Bevölkerung. Über-
riffe am laufenden Band und gewaltsames Vorgehen
er Sicherheitskräfte Mugabes sind an der Tagesord-
ung.

Schauen wir zu? Sicher nicht. Wiederholt haben sich
enschen und Regierungen aus der ganzen Welt gegen

en Diktator Mugabe ausgesprochen, und es sind Sank-
ionen gegen Simbabwe verhängt worden. Aber was uns
ehlt – das muss man auch ganz deutlich sagen; es ist
on den Kolleginnen und Kollegen angesprochen wor-






(A) )



(B) )


Gabriele Groneberg
den –, ist, dass die Regierungen in Afrika über Jahre die-
sem Treiben unwidersprochen zugeschaut haben. Wir er-
warten auch von ihnen ein deutliches Wort. Immerhin,
die kritischen Stimmen auch in Afrika mehren sich. Dass
die Southern African Development Community, die Ent-
wicklungsgemeinschaft für das südliche Afrika, die Zu-
stände in Simbabwe auf die Tagesordnung gesetzt hat,
ist der richtige Schritt. Es ist durchaus richtig, Herr
Haibach, dass wir den Afrikanern Unterstützung geben
müssen, damit sie die Verantwortung für ihr eigenes
Land wahrnehmen können. So ist es zu begrüßen, dass
der Präsident von Botswana und jetzt auch der Präsident
von Sambia sich deutlich zu dem System Mugabe geäu-
ßert haben. Aber das alles reicht nicht. Wir erwarten
ganz speziell vom Präsidenten Südafrikas, Thabo Mbeki,
dass er deutliche Worte spricht und auch deutlich han-
delt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wenn man weiß, dass Südafrika rund 25 Prozent des
Stromes, den Simbabwe benötigt, liefert, und wenn man
weiß, dass Südafrika das zentrale Durchgangsland für
den Handel von und nach Simbabwe ist, dann weiß man
auch, dass da ein Ansatzpunkt besteht, den man benut-
zen muss, um Druck auf dieses Regime auszuüben. Das
erwarten wir auch von der Regierung Südafrikas.

Herr Vaatz hat die Aufbauarbeit, die wir mitfinan-
ziert haben, bereits skizziert. Mugabes Regime hat hem-
mungslos alles wieder zerstört. Die eigene Bevölkerung
benutzt er als Geisel. Sie leidet. Hunger ist an der Ta-
gesordnung. Die Lebenserwartung der Menschen ist
niedriger als die im ebenfalls krisengeschüttelten Sudan
– und das heißt schon etwas –, in Nordkorea und in Af-
ghanistan. Frauen haben eine Lebenserwartung von
34 Jahren, Männer von 37. Die Menschen sterben im
Stillen, jede Woche rund 3 500, und zwar an Aids, an
Armut und an Unterernährung. Der Einsatz von Nah-
rungsmitteln – auch das ist hier bereits beschrieben wor-
den – wird als politische Waffe gegen die eigene Bevöl-
kerung benutzt. Rund 3 Millionen illegale Flüchtlinge
alleine in Südafrika leben unterhalb des Existenzmini-
mums. Ich bin dankbar, dass sich die Bundeskanzlerin
bereits Mitte Februar beim französischen Afrikagipfel
in Cannes deutlich gegen die Verletzung der Menschen-
rechte ausgesprochen hat und dass sich Bundesministe-
rin Wieczorek-Zeul zu Übergriffen, die in den letzten
Wochen speziell gegen die Opposition erfolgt sind, ge-
äußert hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen das immer wieder deutlich benennen. Wir
können auf europäischer und internationaler Ebene dazu
nicht schweigen. Aller Druck, der ausgeübt werden
kann, muss benutzt werden.

Ich will einen Punkt erwähnen, der in dieser Debatte
noch nicht angesprochen worden ist. Ich finde, es ist äu-
ßerst kritisch zu bewerten, dass Angola dem Diktator
Polizisten zur Verfügung stellt, um sein Regime abzusi-
chern. Die Sicherheitsvereinbarung, die zwischen An-
gola und Simbabwe geschlossen worden ist, beinhaltet

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(C (D ie Entsendung von 2 500 Elitepolizisten – Ninjas geannt – ab dem 1. April dieses Jahres. enn der angolanische Innenminister sagt – das ist im taatlichen angolanischen Rundfunk tatsächlich gescheen –, Angola werde dem westlichen Imperialismus icht erlauben, Simbabwe zu übernehmen, dann habe ich afür kein Verständnis mehr. Es tut mir leid. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Arnold Vaatz [CDU/CSU]: So ist das!)


ch denke, wir sind in unserem Unverständnis nicht al-
eine. Wir hier im Bundestag sind uns mit Sicherheit in
ieser Einschätzung der Lage einig. Wir hoffen darauf,
ass sich in Simbabwe möglicherweise ein friedlicher
msturz abzeichnet. Wenn es diesen friedlichen Um-

turz gibt, dann sind wir die Ersten, die ihn unterstützen
erden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609108800

Das Wort hat die Kollegin Anke Eymer, CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Anke Eymer (CDU):
Rede ID: ID1609108900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

ollegen und liebe Kolleginnen! Wir sprechen heute
ier über die aktuellen Ereignisse in Simbabwe. Die
ärte, mit der vom Mugabe-Regime gegen die Opposi-

ion vorgegangen wird, ist ein gefährliches Zeichen.
frika im 21. Jahrhundert ist ein Kontinent, auf dem
berall positive Aufbrüche hin zu Demokratie und
echtstaatlichkeit zu verzeichnen sind.

Wenn wir auf die Entwicklung Simbabwes schauen,
ehen wir Schatten und große Rückschläge. Seit 1980 ist
ort Präsident Mugabe an der Macht. Die letzten Jahre
ind ein Beispiel für den Niedergang eines ehemals flo-
ierenden Landes. Wichtige Themen, die auch andere
änder Afrikas beschäftigen – etwa die Notwendigkeit
iner Landreform –, wurden unter der Regierung
ugabe zu einem Instrument der illegalen Enteignung,

er Vertreibung und der Bereicherung weniger im Staat.

Sind die letzten Ereignisse in Simbabwe, die Nieder-
chlagung der Opposition, die Lebensgefahr, der sich die
pposition in Simbabwe ausgesetzt sieht, ein Zeichen
es unaufhaltsamen Niedergangs des Regimes? Das fra-
en wir uns heute.

Unsere, die deutsche Politik in Abstimmung mit unse-
en europäischen Verbündeten muss eine geschlossene
inie verfolgen. Es stellt sich die Frage, ob die Sanktio-
en gegenüber Simbabwe ausreichen. Dies sage ich auch
m Hinblick auf Eigeninteressen, die noch bei einigen
enigen europäischen Nachbarstaaten bestehen.






(A) )



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Anke Eymer (Lübeck)

Die Situation in Simbabwe, die ständigen Verletzun-
gen der Menschenrechte sind nicht länger hinzunehmen.
Die internationale Gemeinschaft, auch unsere deutsche
Politik sind gefordert, zusammen mit unseren afrikani-
schen Partnern schnell dafür zu sorgen, dass die Men-
schenrechte in Simbabwe wieder eingehalten werden
und der Weg zur Demokratie freigemacht wird.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609109000

Das Wort hat die Kollegin Herta Däubler-Gmelin,

SPD-Fraktion.


Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1609109100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als letzte Rednerin in einer Aktuellen Stunde kann man
eigentlich nur noch bekräftigen, was andere gesagt ha-
ben. Das will ich tun. Die Lage in Simbabwe ist ver-
zweifelt. Willkür, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen
sind an der Tagesordnung. Es ist nicht nur schrecklich,
sondern nahezu tragisch, wie sehr sich an Präsident
Mugabe und seiner Regierung bewahrheitet, was kluge
Leute schon immer gesagt haben: Macht korrumpiert,
lang dauernde totale Macht korrumpiert total.

Es ist schrecklich, den Niedergang dieses Landes – es
hat sich nicht nur gegen die Kolonialisierung kräftig ge-
wehrt, sondern es hat sich auch im Antiapartheidkampf
wirkliche Verdienste erworben – zu verfolgen; es befin-
det sich im freien Fall. Herr Kollege Vaatz, ich stimme
Ihnen zu: Wer in diesem Land einmal oder mehrfach
war, der ist nicht nur von der Schönheit, seiner unglaub-
lich langen Geschichte und seiner uralten Kultur über-
wältigt, sondern auch von der Freundlichkeit seiner
Menschen und – lassen Sie mich das hinzufügen – der
hinreißenden Schönheit seiner Musik. Wenn man sieht,
wie die Menschen dort hungern und leiden und wie sehr
das alles auf Kosten und zulasten der Frauen geht, dann
wird einem ganz schlecht.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auf der anderen Seite wissen wir ganz genau – das
finden wir auch gut –, dass es in Afrika längst Bewegung
gibt, die innerafrikanischen Probleme afrikanisch zu lö-
sen. Das sollten wir unterstützen. Das ist einer derjeni-
gen Grundsätze, auf die auch wir setzen sollten. Dieser
Grundsatz wird über Fraktionsgrenzen hinweg geteilt. Er
befindet sich auch in der Charta der Afrikanischen
Union. Der Beauftragte für Frieden und Sicherheit, Said
Dj
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609109200
Für Afrika gilt jetzt das
Ende des Verbots der Einmischung, also End of Interfe-
rence; jetzt gilt der Grundsatz „End of Indifference“,
also wir Afrikaner hören endlich damit auf, gleichgültig
zuzusehen, was Grauenvolles in den einzelnen Staaten

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(C (D assiert; vielmehr sind wir der Meinung, dass wir dafür itverantwortlich sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)


Ein Problem ist, dass heute das in Bezug auf einige
änder Afrikas, auch des südlichen Afrikas, zwar sehr
ohl klar ist, dass das aber für andere noch nicht gilt.
azu gehört völlig eindeutig Simbabwe.

Es hätte zur Kritik viele Anlässe gegeben. Ich darf da-
an erinnern: Auch wir haben die Wahlrechtsrichtlinien
er SADC begrüßt, die für freie und faire Wahlen ein-
ritt. Auch wir haben begrüßt, dass diese Wahlgrundsätze
n den letzten Jahren eigentlich in allen SADC-Ländern
ingehalten wurden, aber eben nicht in Simbabwe. Wir
lle haben uns darüber geärgert, dass die SADC-Wahl-
ommission, die Kritik geübt hat, von den Nachbarlän-
ern Simbabwes nicht genügend oder gar nicht unter-
tützt wurde. Das war damals ein Riesenproblem, und
as ist noch immer eines.

Heute sehen wir: Es gibt Hunderttausende von Flücht-
ingen, die Wirtschaft Simbabwes bricht zusammen, das
eiden nimmt zu. Deswegen rührt sich natürlich Wider-
tand in Südafrika, aber auch in anderen Ländern – Sam-
ia und Botswana seien da besonders hervorgehoben –,
eshalb tritt man jetzt endlich dafür ein, mit der bisheri-
en stillen Diplomatie, die man aus persönlicher Rück-
icht gegenüber Mugabe ständig propagiert hat, endlich
chluss zu machen.

Es ist richtig, dass wir zu allem ermutigen müssen,
as diese Haltung fördert, was den Neuanfang in Sim-
abwe, und zwar den friedlichen Neuanfang, befördert.
atürlich gehört auch die Befassung des Menschen-

echtsrats der UN dazu; da stimme ich dem Kollegen
aibach völlig zu.

Aber was können wir eigentlich noch tun? Wir müs-
en an dieser Stelle klarmachen, dass wir die Arbeit der
tiftungen im südlichen Afrika, auch in Simbabwe, un-

erstützen und insofern Ermutigung betreiben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir müssen das auch deutlich sagen, weil wir ganz ge-
au wissen, dass nicht nur Journalisten unter Druck ste-
en, die den Mund aufmachen, sondern auch Stiftungs-
eute oder Kirchenvertreter. Die bedürfen ebenfalls
nserer Unterstützung und unseres Schutzes.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609109300

ir werden in den nächsten Wochen und Monaten sehr

arauf achten, dass die Überlegungen, Simbabwe auf den
eg der Menschenrechte und in die Richtung einer ver-

ünftigen Politik für die Bevölkerung zurückzuführen,
onseiten der Europäischen Union und der Bundesregie-
ung mitgetragen werden. – Das wird auch Unterstützung
osten. Peacebuilding ist aber eine Maßnahme, die sich
angfristig immer lohnt. Hilfsmaßnahmen werden wir
icht nur für den Notfall jetzt brauchen, wo die Bevölke-
ung verhungert, sondern auch in Zukunft, wenn es da-






(A) )



(B) )


Dr. Herta Däubler-Gmelin
rum geht, den Neuanfang wirklich zu unterstützen. Das
ist die Bitte, die ich an dieser Stelle noch habe.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609109400

Die Aktuelle Stunde ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung des Berichts des Rechtsausschusses

(6. Ausschuss) gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäfts-

ordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Sibylle Laurischk,
Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Unterhaltsrecht ohne weiteres Zögern sozial
und verantwortungsbewusst den gesellschaftli-
chen Rahmenbedingungen anpassen

– Drucksachen 16/891, 16/4860 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Andreas Schmidt (Mülheim)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1609109500

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die FDP-Fraktion hat nach § 62 Abs. 2 der
Geschäftsordnung des Bundestages eine Debatte zum
Unterhaltsrecht beantragt. Es geht natürlich nicht nur um
unseren Antrag. Dieser Antrag ist eine Beratungsgrund-
lage für die Reform des Unterhaltsrechts – zusammen
mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Ich darf einmal aus der Koalitionsvereinbarung zitie-
ren, was man als Opposition nicht immer tut.


(Zuruf von der SPD: Das sollten Sie aber! Das könnten Sie öfter tun!)


Darin heißt es:

Wir

– die Koalitionsfraktionen –

wollen die Situation von Familien mit Kindern wei-
ter verbessern. Deshalb wird das Unterhaltsrecht re-
formiert. Kinder sollen beim Unterhalt an erster
Stelle stehen. Die Eigenverantwortung nach der
Ehe soll gestärkt werden. Eine Harmonisierung der
steuer- und sozialrechtlichen Bestimmungen wird
angestrebt.

Ein richtiges Ziel! Wir haben das unterstützt. Wir brau-
chen diese Reform des Unterhaltsrechts. Jetzt ist sie aber

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(C (D nscheinend ein bisschen unter die Kinderkrippen geraen. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Was haben Sie gegen Kinderkrippen?)


Wir als FDP-Bundestagsfraktion halten es für ganz
ichtig, anderthalb Jahre nach dem Koalitionsvertrag,
ach der Vorlage des Gesetzentwurfs, nach der ersten
esung im letzten Jahr im Bundestag, nach der Anhö-

ung im Oktober mit vielen Sachverständigen, die alle
ie Notwendigkeit der Reform betont haben, zu hören,
ie es jetzt mit dieser wirklich sehr wichtigen und not-
endigen Reform weitergeht.

Noch am 16. Oktober 2006 habe ich in einer Presse-
itteilung von Kolleginnen und Kollegen der CDU/
SU-Fraktion lesen können – das war nach der Anhö-

ung –: Es ist davon auszugehen, dass das Gesetzge-
ungsverfahren nun rasch abgeschlossen wird. – Seitdem
eht nichts weiter, jedenfalls nicht hier im Parlament.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von CDU/CSU: Doch, jede Menge!)


Wir sind jetzt im Parlamentsverfahren. Die Regierung
elbst kann ihren Gesetzentwurf nicht mehr abändern.
etzt möchten wir mehr wissen, als einigen Mitteilungen
n der Presse zu entnehmen ist.


(Beifall bei der FDP)


er Presse haben wir entnehmen können, dass man sich,
achdem der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD
emeinsam beschlossen worden ist, auch im Kabinett
ich denke, in Anwesenheit auch der Minister der CDU/
SU – auf wichtige Änderungen verständigt hat, die wir
ls Parlamentarier allerdings noch nicht kennen.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Leider wahr!)


ch weiß nur, dass etwas geändert werden soll. Aber das,
as ich lese, stimmt mich nicht besonders froh.


(Beifall bei der FDP)


Ein Kernpunkt der Unterhaltsrechtsreform ist natür-
ich die Besserstellung der Kinder.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


s ist ein unter allen Fraktionen unstreitiger Punkt, dass
lle Kinder – egal, ob ehelich oder nicht ehelich –, was
hre Unterhaltsansprüche angeht, im ersten Rang ver-
leiben werden. Dies ist eine gute Nachricht, aber eine,
ie wir schon seit Jahren verkünden.

Wie ist es jedoch mit den Elternteilen, mit der geschie-
enen Ehefrau, die Kinder betreut, und mit der nicht ver-
eirateten Mutter, die Kinder betreut? Wie ist ihre Stel-
ung? Wir alle wissen, dass das Kindeswohl, also die
atsache, wie es dem Kind geht, nicht allein davon ab-
ängig ist, ob ein erster Rang im Unterhaltsrecht besteht.
ielmehr kommt es darauf an, wie es den betreuenden
lternteilen geht. Der Unterhalt für die betreuenden






(A) )



(B) )


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Elternteile – ob verheiratet oder nicht – spielt bei der Si-
tuation der Kinder eine ganz entscheidende Rolle.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb kann die Koalitionsvereinbarung in dem Sinne,
dass Kinder auch nichtjuristisch den ersten Rang haben
sollen, nur umgesetzt werden, wenn auch in diesem Be-
reich Klarheit besteht.

Wir als FDP-Fraktion – das ergibt sich aus unserem
Antrag – haben den Gesetzentwurf der Bundesregierung
in dem Punkt unterstützt, dass Geschiedene – Mutter
oder Vater –, die ein Kind betreuen, und nicht Verheira-
tete, die ein Kind betreuen, den gleichen Rang haben sol-
len, was ihre Unterhaltsansprüche bei der Betreuung an-
geht,


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [FDP])


gerade weil es sich unmittelbar auf die Situation der Kin-
der auswirkt.

Da scheint jetzt innerhalb der Koalitionsfraktionen
eine Kehrtwendung stattzufinden. Darüber sollten wir
die Bürgerinnen und Bürger informieren.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie sollten wissen, was jetzt Gegenstand der Reform ist
und ob das Herzstück dieser Reform – so hat es die Bun-
desjustizministerin immer genannt –, die Gleichrangig-
keit der betreuenden Mütter, egal in welchem Status sie
leben, tatsächlich kommen wird oder ob es eher eine
Verschlechterung der Situation der nicht verheirateten
betreuenden Mutter geben wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das alles wird noch verwirrender, wenn ich Herrn
Röttgen höre,


(Jürgen Koppelin [FDP]: Wer ist das?)


der sagt: Es wird alles viel besser; denn wir werden hin-
sichtlich der Anzahl der Jahre der Unterhaltsansprü-
che jetzt die geschiedene Ehefrau mit der betreuenden
nicht verheirateten Mutter gleichstellen. Alle sollen zehn
Jahre lang Unterhaltsansprüche bekommen. – Wir alle
wissen, wie die derzeitige Situation ist. Es wäre wunder-
bar, wenn es zu einer Verbesserung käme. Aber das heißt
natürlich, dass die Ansprüche sowohl für die nicht ver-
heiratete betreuende Mutter, deren Anspruch bisher drei
Jahre beträgt – es sei denn, es wäre grob unbillig, wenn
sie nicht länger Unterhalt bekommt –, als auch für die
geschiedene betreuende Mutter, deren Anspruch bislang
im Schnitt zehn Jahre – acht bis zehn Jahre – beträgt, auf
zehn Jahre angehoben würden. Ich lese das nur. Ich weiß
nicht, was ist. Die interessierte Öffentlichkeit möchte
gerne wissen, was aus dieser wirklich wichtigen Reform
wird.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D eshalb möchten wir Ihnen jetzt die Gelegenheit geben, ns hier im Plenum, wo es hingehört, darüber zu inforieren, wie es inhaltlich weitergeht. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609109600

Das Wort hat die Kollegin Ute Granold, CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1609109700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

en! Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, Sie
aben natürlich einen Anspruch auf Information; aber
ch denke, das Wesentliche wissen Sie, wenn nicht aus
em Parlament, so doch aus der Presse. Insofern sind Sie
icht ganz unwissend.

Wir führen heute eine Geschäftsordnungsdebatte.
eshalb möchte ich einiges zu dem sagen, was Sie hier
orgetragen haben. Sie haben sicherlich recht, wenn Sie
nmahnen, dass die Unterhaltsreform, was den Inhalt an-
eht, abgeschlossen werden soll. Auch hinsichtlich der
eit ist Reformbedarf dringend vonnöten; da kann ich

hnen nur recht geben. Aber Sie wissen sehr gut, dass
ir den Gesetzentwurf, der schon in der letzten Legisla-

urperiode als Referentenentwurf mit den Verbänden eng
bgestimmt wurde, aufgrund der Diskontinuität neu ein-
ringen und beraten mussten. Die erste Lesung hat im
etzten Jahr stattgefunden. Danach gab es eine umfas-
ende Anhörung im Rechtsausschuss. Insofern sind wir
öllig d’accord. Ich denke, das bisherige Verfahren ist
is dahin in Ordnung gewesen.

Reformbedarf besteht auch aufgrund der Verände-
ungen im Gesellschaftsbild. Die Werte haben sich zum
eil gewandelt. Es hat eine Wandlung von der reinen
ausfrauenehe über die Zuverdienerehe bis zur Doppel-
erdienerehe stattgefunden; Ehen mit Kindern, ohne
inder, nichteheliche Lebensgemeinschaften, die hohe
ahl der Scheidungen, die große Zahl der Alleinerzie-
enden, eine steigende Zahl von Zweitehen und von
ichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern und
hne Kinder erfordern, dass wir als Gesetzgeber uns der
ealität stellen und auf diese gesellschaftlichen Entwick-

ungen reagieren. Wir haben eine gewisse Ordnungs-
unktion, und die Bevölkerung erwartet von uns, dass wir
esetze machen, die von ihr akzeptiert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


nsoweit sind wir, denke ich, alle einer Meinung.

Der Bundestag hat bereits 2000 einstimmig beschlos-
en, das Unterhaltsrecht zu überprüfen und Vorschläge
ür eine Neuregelung zu machen. Auch das Bundesver-
assungsgericht hat das angemahnt. Darüber besteht si-
her ebenfalls Konsens. Aber da wir eine Geschäftsord-
ungsdebatte führen, sollten wir noch zwei, drei Dinge
ur Genese sagen.






(A) )



(B) )


Ute Granold
Die FDP hat schon vor langer Zeit in Anfragen und
Anträgen die Reform des Unterhaltsrechts angemahnt
und Vorschläge für eine Neuordnung gemacht. Dann gab
es den Referentenentwurf, den ich eingangs angespro-
chen habe, aus dem BMJ. Ich möchte an dieser Stelle
nicht noch einmal unsere Koalitionsvereinbarung zitie-
ren; Sie haben das gerade sehr schön gemacht. Der Kern
dessen ist jetzt im Entwurf umgesetzt. Das entspricht
dem, was in diesem Hause Konsens ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich aus unserer sehr hochwertigen Anhö-
rung – Sie waren ja dabei – mit Topsachverständigen Pro-
fessor Willutzki, den Ehrenvorsitzenden des Deutschen
Familiengerichtstages, zitieren, der wörtlich gesagt hat:
Erfreulich ist, dass der Gesetzgeber keine umfassende
Reform des Unterhaltsrechts an Haupt und Gliedern vor-
nehmen will, sondern sich darauf beschränkt, einerseits
das Recht den gesellschaftlichen Veränderungen anzu-
passen, zum anderen aber die Gelegenheit nutzt,
Schwachstellen bei der Umsetzung des Rechts in der ge-
richtlichen Praxis auszumerzen. Auch das ist erforder-
lich.

Das Konzept zur Umsetzung dieser Zielsetzung ha-
ben wir schon in der ersten Lesung ausführlich disku-
tiert: Stärkung des Kindeswohls, Betonung der Eigen-
verantwortlichkeit nach der Ehe und die Vereinfachung
des Unterhaltsrechts.

Die Reform sollte ursprünglich – dazu gibt es draußen
verschiedene Meinungen – zum 1. April dieses Jahres in
Kraft treten; das war damals unsere Intention. Aber die
Anhörung hat ergeben, dass die Praxis Zeit zur Umstel-
lung braucht. Die Leitlinien müssen umgeschrieben wer-
den, und die Jugendämter müssen sich darauf einstellen.
Deshalb haben die Sachverständigen gesagt, der 1. Juli
sei der richtige Zeitpunkt. Ich bin zuversichtlich, dass
das Gesetz – das ist Konsens in der Union, und da gibt es
gar keine Diskussion – zum 1. Juli in Kraft treten wird.

Da Sie die Diskussion innerhalb der Koalition bzw.
der Union angesprochen haben, möchte ich dazu das
eine oder andere sagen. Das Unterhaltsrecht ist ein
Rechtsgebiet, das sehr komplex und kompliziert ist, in
dem teilweise auch Juristen, die nicht aus diesem Fach-
gebiet sind, ihre Schwierigkeiten haben – die Laien
umso mehr –, von dem viele Menschen betroffen sind
und in dem sehr emotional und teilweise ein bisschen
unsachlich diskutiert wird. Das sollten wir auch bei der
Diskussion, die jetzt noch vor uns liegt, bedenken.

Aufgrund der Historie sollten wir auch bedenken,
dass es hier nicht um eine isolierte Unterhaltsrechtsre-
form geht. 1977 hatten wir eine Eherechtsreform, Mitte
der 80er-Jahre hatten wir eine Reform des Unterhalts-
rechts; außerdem gab es eine Kindschaftsrechtsreform.
All das müssen wir als Folge dessen sehen, dass sich un-
sere Gesellschaft schon vor langer Zeit gewandelt hat.
Wir müssen bei dieser Reform darauf achten, dass das
Kind – darüber sind wir uns alle einig – als schwächstes
Glied im Zentrum steht und dass das Kindeswohl in je-
der Weise gestärkt wird.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU – Zustimmung des Abg. Christoph Strässer [SPD])


Bei aller Sorge um das Wohl der Kinder gilt es aber
uch, die Institution der Ehe – ihr Verfassungsrang
urde bereits angesprochen – zu schützen und zu stär-
en. In Art. 6 des Grundgesetzes steht:

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen
Schutz der staatlichen Ordnung.

an sollte deshalb das eine nicht gegen das andere aus-
pielen, sondern man sollte versuchen, in diesem Werte-
erhältnis eine Regelung zu finden, die allen Interessen
erecht wird.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Sehr vernünftig!)


Professor Schwab von der Universität Regensburg,
iner der Sachverständigen aus der Anhörung, hat in Ab-
andlung eines bekannten Spruchs die provokative
hese aufgestellt, das Kindschaftsrecht sei dem Eherecht
ein Tod.

Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, Sie ha-
en im Rahmen der ersten Lesung – ich habe sie noch
inmal nachgelesen – die Entwicklung der Ehe in den
etzten Jahren nachgezeichnet: von der Versorgungsge-
einschaft in früherer Zeit bis zum heutigen Stand. Sie

aben dann bemerkt, die Union hänge noch dem alten
ild von der Ehe nach.


(Jörg Tauss [SPD]: Das stimmt gelegentlich!)


as ist nicht der Fall. Wir haben schon ein sehr moder-
es Bild von der Ehe. Auch wir wissen, dass es verschie-
ene Möglichkeiten des Zusammenlebens gibt. Eine da-
on ist die Ehe, aber es gibt auch andere Möglichkeiten.

Für die Union ist es sehr wichtig, festzustellen, dass
ie Ehe mehr ist als nur ein Zusammenleben oder gar ein
usammenleben auf Zeit. Die Ehe ist – verfassungs-

echtlich geschützt – eine auf Dauer angelegte Solidar-
emeinschaft, in der man füreinander einsteht. Das muss
m Gesetzentwurf an der richtigen Stelle zum Ausdruck
ommen. Ich denke, dass wir darüber in der zweiten Le-
ung reden sollten. Ich werde gleich noch darauf einge-
en, welcher Kompromiss hier ausgehandelt wurde.

Sie haben in Ihrem Antrag eine Reihe von Punkten
ufgeführt, die auch Inhalt unseres Gesetzentwurfs sind.
ir werden sie umsetzen, weil sie richtig und gut sind.
azu gehören der Vorrang des Kindesunterhaltsan-

pruchs gegenüber allen anderen Unterhaltsansprüchen
ich denke, darüber herrscht in diesem Haus Konsens –
nd die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit im Falle
on nachehelichen Unterhaltsansprüchen. Ich denke,
uch das ist kein strittiges Thema. Ich nenne ferner die
efristung des Unterhalts nach Zeit und Höhe. Diese
egelung steht heute schon im Gesetz, sie wird aber
icht angewandt. Deshalb wird sie richtigerweise noch
inmal an exponierter Stelle aufgeführt. Die Anwendung
n der Praxis muss sozusagen angeschoben werden. Es
ibt eine Annäherung der Unterhaltsansprüche der ge-
chiedenen Elternteile an die der nicht verheirateten El-
ernteile.






(A) )



(B) )


Ute Granold
Wir haben eine gesetzliche Regelung des Mindest-
unterhaltes und eine Änderung des Unterhaltsvor-
schussgesetzes, weil die Regelunterhaltsverordnung
durch die Regelung des Mindestunterhalts aufgehoben
wird. Sie haben das Unterhaltsvorschussgesetz in Ihrem
Antrag aufgeführt. Ich möchte dazu sagen, dass Reform-
bedarf im materiellen Recht besteht. Darüber sind wir
uns einig. Wir sollten uns aber an dieser Stelle nicht un-
nötig lange aufhalten.

Wir sind mit einer Vereinfachung und Beschleuni-
gung der gerichtlichen Unterhaltsdurchsetzung und einer
Förderung von Unterhaltsvereinbarungen nach dem
Cochemer Modell einverstanden. Über eine andere Bau-
stelle, nämlich über die FGG-Reform, wird derzeit inten-
siv beraten. Wir tragen also Ihren Anliegen Rechnung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Harmonisierung des Unterhaltsrechts mit dem
Steuer- und Sozialrecht möchten wir dem Grunde nach
ebenfalls. Das bedarf aber einer gründlichen Vorberei-
tung, und es bedarf ausreichend Zeit. Eine Harmonisie-
rung ist aber nicht uneingeschränkt möglich, weil die
Zielrichtungen im Unterhalts-, Steuer- und Sozialrecht
teilweise verschieden sind. Deshalb sollten wir versu-
chen, das auf den Weg zu bringen, was möglich ist.

Ich denke, wir haben schon einige wichtige Entschei-
dungen getroffen. Ich hatte schon die Regelung des Min-
destunterhalts angesprochen. Wir haben aber auch das
Gesetz zur steuerlichen Förderung von Wachstum
und Beschäftigung auf den Weg gebracht. Damit wurde
die Möglichkeit geschaffen, Kosten, die aufgrund der
Erwerbstätigkeit der Eltern für die Betreuung der Kinder
anfallen, von der Steuer abzusetzen. Auch Unterhalts-
zahlungen können von der Steuer verstärkt abgesetzt
werden.

Wir diskutieren aktuell die Weiterentwicklung des
Ehegattensplittings in Richtung Familiensplitting. Wir
sind für alle Modelle offen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Unser aller Ziel ist es, dass eine Weiterentwicklung den
Zielgruppen, also den Kindern und Familien, zugute
kommt. Ich möchte die Diskussion über die Weiterent-
wicklung des Ehegattensplittings zum Familiensplitting
oder die Ergänzung des Ehegattensplittings um das Fa-
miliensplitting nicht weiter vertiefen. Sie sehen, dass wir
darüber diskutieren; das ist gut so. Wir sollten dafür sor-
gen, dass wir zu einer sinnvollen Regelung kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Sie haben vorhin angesprochen, dass die Menschen
gar nicht wissen, über was wir eigentlich diskutieren.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Genau!)


Nach der Anhörung im Rechtsausschuss waren wir der
Auffassung, dass das Vorhaben auf einem guten Weg ist.
Die Mehrheit der Sachverständigen hat gemeint, die Re-
form sei ein richtiger Ansatz. Insofern erinnern Sie völ-

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(C (D ig zu Recht daran, dass wir deutlich machen müssen, orum es geht. Auf der Agenda steht, dass wir die Beratungen nach stern abschließen und dass im Mai der Gesetzentwurf em Bundesrat vorgelegt wird, sodass er am 1. Juli 2007 n Kraft treten kann. Nun gab es auf der Zielgeraden, auf der wir gerade ind, einen kleinen Sturm. Wir in der Union haben ein isschen diskutiert; als großer Volkspartei steht uns das uch zu. ir müssen und sollten auf der einen Seite die Stärkung es Kindeswohls vor Augen haben. Das Wohl des Kines ist ja nur dann gesichert, wenn die Elternteile, die as Kind betreuen, ihr Auskommen haben. Insofern ist s legitim, aus der Sicht des Kindes zu sagen: Allen Elernteilen, die Kinder betreuen, ist der zweite Rang einuräumen, wenn es um die Befriedigung von Unterhaltsnsprüchen geht. Der erste Rang gebührt den ehelichen nd den nichtehelichen Kindern, und im zweiten Rang ind alle Elternteile gleichgestellt; denn wir sagen: Ein ind kann nichts dafür, ob es ehelich oder nichtehelich eboren ist. Insofern erfolgt hier eine Gleichstellung; enn der Betreuungsunterhalt knüpft am Kind an. Nun gibt es auf der anderen Seite den Schutz der he. Beim zweiten Rang ist ja auch die Ehe von langer auer ein Kriterium. Wir haben konkret beschrieben, as eine Ehe von langer Dauer ist. Das sind nicht nur cht, zehn oder zwölf Jahre. (Jörg Tauss [SPD]: Bei mir sind es 31 Jahre! Das ist schon ganz gut! – Gegenruf des Abg. Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Da muss Ihre Ehefrau ja ein hohes Schmerzensgeld kriegen!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


s gibt weitere Komponenten, die dazu führen, dass ein
nspruch dem Kriterium einer Ehe von langer Dauer an-
eglichen wird.

In dem Spannungsfeld zwischen Kindeswohl auf der
inen Seite und Schutz der Ehe auf der anderen Seite
ich hatte vorhin Art. 6 des Grundgesetzes angespro-

hen – haben wir einen Kompromiss vorgelegt, über den
atürlich noch entschieden werden muss. Wir haben ge-
agt: Der zweite Rang ist den ehelichen Elternteilen, wo-
ei die Kinderbetreuung und das Kriterium der Lang-
eitehe hinzukommen, einzuräumen und der dritte Rang
en nichtehelichen Elternteilen.

Die eine Seite des Kompromisses ist, dass der Rang
erändert wurde. Aber dafür haben wir eine weitere An-
äherung der Unterhaltsansprüche der ehelichen El-

ernteile auf der einen Seite – ob geschieden oder ge-
rennt – und der nichtehelichen auf der anderen Seite
rreicht. Das heißt, die Erwerbsobliegenheit besteht ab
em gleichen Zeitpunkt, und auch die Zahlung des Un-
erhalts über den Zeitraum ist gleichgestellt. Das ist eine
uasi Eins-zu-eins-Annäherung und eine gute Regelung
ür die nichtehelichen Elternteile.






(A) )



(B) )


Ute Granold
Wir haben in diesem Kompromiss weiter klargestellt,
dass für kein Elternteil unterhalb eines Alters der Kinder
von drei Jahren Erwerbsobliegenheit besteht. Das ist
Konsens; das ist auch völlig in Ordnung.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!)


Wir haben beschlossen – das ist nicht neu; das wurde nur
klargestellt und war schon im Entwurf festgelegt gewe-
sen; darauf möchte ich an dieser Stelle hinweisen –, dass
die Erwerbsobliegenheit der betreuenden Elternteile
nach dem dritten Lebensjahr des Kindes nur dann be-
steht, wenn die Belange des Kindes nicht beeinträchtigt
sind und überhaupt Möglichkeiten einer Kinderbetreu-
ung gegeben sind. Das ist uns ganz wichtig. Das stand
im Gesetzentwurf und ist auch Teil des Kompromisses.

Das ist der aktuelle Stand. Hierüber werden wir schon
in der nächsten Sitzungswoche nach der Osterpause dis-
kutieren. Ich hoffe sehr, dass wir das Unterhaltsrecht mit
diesem Kompromiss auf den Weg bringen können. Es
sind aber noch weitere Punkte zu klären; ich hatte die
FGG-Reform angesprochen. Aber auch im Unterhalts-
recht gibt es noch vieles, was man auf den Weg bringen
kann, aber nicht so drängt wie das, was jetzt auf der Ta-
gesordnung steht.

Mit diesem Kompromiss kann man in Anbetracht des
Spannungsverhältnisses, das hier besteht, leben. Deshalb
sollten wir ihn auf den Weg bringen. Ich würde mich
freuen, wenn wir das zusammen fertigbringen würden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609109800

Das Wort hat der Kollege Jörn Wunderlich, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609109900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Zum

Unterhaltsgesetz lief bis zum Sommer letzten Jahres, bis
zur ersten Lesung im Juli, noch alles glatt. Dann kam im
Oktober die Anhörung. Danach wurde die Beratung ver-
tagt, und seitdem herrscht Schweigen im Walde. Gegen-
wärtig wird der Gesetzentwurf nicht beraten. Auch der
damals in gleicher Lesung mitberatene Antrag zum Un-
terhaltsvorschussgesetz liegt im Ausschuss auf Halde.

Offensichtlich hat die Regierungskoalition kein Inte-
resse an parlamentarischer Beratung. Warum, muss man
sich fragen. Nach der Anhörung im Oktober letzten Jah-
res wurden die Unzulänglichkeiten des Gesetzentwurfs
auch bei der Koalition reflektiert. Dann ging es nach der
inzwischen schon fast gewohnten Praxis weiter: Es wird
nicht im Ausschuss beraten. Argumente und Gegenargu-
mente, verschiedene Positionen werden nicht wahrge-
nommen; sie sind ja nicht einmal gefragt. Es wird wieder
hinter verschlossener Tür gekungelt und das Ergebnis
anschließend durch das Parlament gepeitscht; die Mehr-
heitsverhältnisse machen es ja möglich.

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(C (D (Dirk Manzewski [SPD]: Es ist doch völlig normal in einer Koalition, dass man es erst mal bespricht!)


Nach fast einem Jahr seit Kabinettsbeschluss ist we-
er in einem der federführenden Ausschüsse in der Sa-
he abschließend beraten worden, noch liegen entspre-
hende Votenanforderungen bei den mitberatenden
usschüssen vor. Das zeigt wieder, dass Gesetzentwürfe

rarbeitet werden, die nicht stimmig sind und die dann
m Rahmen von Kompromissbeschlüssen der Koalition
o weit revidiert werden, dass am Ende nichts Geschei-
es übrig bleibt. „Gut Ding will Weile haben“, heißt es.

enn das Ding dann wenigstens gut wäre!

Über die Inhalte der Vorlagen, die dem Parlament
ahrscheinlich wieder wenige Stunden vor der abschlie-
enden Beratung zugehen werden, kann man ja nur mut-
aßen, dank einiger Pressemitteilungen. Dass die CSU
laut Pressemitteilung von Herrn Singhammer vom

eutigen Tag – die Verantwortung von Eltern, die ihre
inder ohne Trauschein erziehen möchten, geringer

chätzt als die von Eltern mit Trauschein, verwundert
ich inzwischen nicht mehr. Die CSU hinkt der Realität

alt hinterher.

Die Armutsgrenze, der Familienstand oder ein Trau-
chein können doch nicht der Maßstab für den Unterhalt
ein. Der Unterhalt hat sich vielmehr am Kindeswohl zu
rientieren. In der Anhörung im Oktober hieß es schon
ich zitiere –:

Für 95 Prozent der rund 2,2 Millionen Kinder von
Alleinerziehenden bringt der Entwurf zur Änderung
des Unterhaltsrechts erhebliche finanzielle Nach-
teile.

enn die Stärkung des Kindeswohls das Ziel der Re-
orm sein soll, dann müssen doch alle Kinder, egal ob
helich oder nichtehelich, ein Recht auf Gleichbehand-
ung haben.


(Beifall bei der LINKEN)


un kann man ja sagen, dass wir das haben, weil jetzt
lle Kinder im ersten Rang stehen. Das klingt gut, aber
ur auf den ersten Blick; denn die Realität sieht ein biss-
hen anders aus: In gewohnter Weise werden soziale Un-
erechtigkeiten und Armutsrisiken von Kindern und Al-
einerziehenden verfestigt; denn die Lebensentwürfe von
lternteilen orientieren sich zum Großteil nicht mehr an
iner lebenslangen Ehe. Kinder wachsen vermehrt mit
iner Person allein, in einer nichtehelichen Lebensge-
einschaft, in einer Lebenspartnerschaft oder in anderen

enkbaren Konstellationen auf.

Ziel der Reform muss doch sein, dass sich die Ausge-
taltung der Rechtsmaterie an der geänderten Lebens-
irklichkeit orientiert. Insbesondere die Lebenswirk-

ichkeit vieler Frauen wird durch unhaltbare Zustände
estimmt: Alleinerziehende – das sind überwiegend
rauen – werden vor die unlösbare Aufgabe gestellt, bei
eringen Löhnen ihren Unterhalt zu erarbeiten und zu-
leich die Kinderbetreuung und -erziehung zu gewähr-
eisten.






(A) )



(B) )


Jörn Wunderlich
An die Union gerichtet – schade, dass Herr
Singhammer schon weg ist – kann ich in diesem Zusam-
menhang nur sagen: Sie haben sich bei dieser Reform
des Unterhaltsrechts mit einem Frauenbild durchgesetzt,
welches aus dem vorletzten Jahrhundert stammt und
weit weg ist von Fortschritt und Moderne.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie wollen immer noch die Ehe als finanzielle Absiche-
rung der Frau; Ehefrauen sollen gegenüber unverheirate-
ten Müttern bei der Rangfolge im Unterhaltsrecht privi-
legiert werden.

Die Fraktion Die Linke fürchtet, dass als Ergebnis
dieses Kompromisses drohen: weniger Mindestunterhalt
für Kinder, ein Unterhalt, der sich an der Armutsgrenze
orientiert, weniger oder kein Geld für den erziehenden
Elternteil, eine größere Erwerbsobliegenheit für Frauen,
was aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und der fehlen-
den Kinderbetreuungseinrichtungen im Grunde unmög-
lich zu erfüllen ist. Wenn man dann noch berücksichtigt,
dass die Möglichkeit, den Betreuungsunterhalt steuerlich
abzusetzen, die es im Augenblick gibt, nach der Reform
wegfällt, weil zunächst diejenigen bedient werden müs-
sen, denen der erste Rang eingeräumt worden ist, dann
kann im Mangelfall – im Osten ist er inzwischen der
Normalfall geworden – nur festgestellt werden, dass für
die Unterhaltsberechtigten weniger Geld übrig bleibt,
zum Vorteil der Unterhaltsvorschusskassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Angesichts dessen frage ich mich: Wer soll mit dieser
Reform des Unterhaltsrechts gefördert werden: die Kin-
der oder die Landesfinanzminister?

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609110000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine

Lambrecht, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Sabine LeutheusserSchnarrenberger [FDP]: Jetzt kommt die Erhellung!)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1609110100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Frau Leutheusser-
Schnarrenberger, ich kann Ihre Unruhe und Aufregung
darüber verstehen, dass sich im Unterhaltsrecht noch
nicht mehr getan hat, als bisher auf dem Tisch liegt. Ich
gebe in diesem Zusammenhang aber zu bedenken, dass
diese Materie nicht ganz einfach zu regeln ist, weil ganz
viel damit zusammenhängt.

Das momentan geltende Gesetz hat seine Ursprünge
in den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Wenn wir
das Unterhaltsrecht jetzt ändern, sollten wir es nicht in
drei, vier oder fünf Jahren wieder verändern müssen: Es
sollte Bestand haben. Die Fachleute an den Gerichten
und die Fachanwälte würden sich die Haare raufen,
wenn wir in drei Jahren ein völlig neues Konzept vorle-

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(C (D en würden. Deshalb ist es geboten, dass wir über dieses hema in dieser Ausführlichkeit sprechen. ie haben es angesprochen. Deswegen bin ich über den orwurf, es sei nichts passiert, etwas verwundert. Ende 2005 haben wir unsere Leitlinien in die Koaliionsvereinbarung geschrieben. Im April 2006 gab es azu einen Entwurf der Bundesregierung. Ich finde, das st nicht übermäßig lange; da kenne ich Regierungsentürfe, die mehr Zeit in Anspruch genommen haben. ann gab es hier im Plenum eine Debatte über dieses hema, wir haben im Ausschuss darüber geredet, und es ab im Oktober letzten Jahres eine Anhörung. Jetzt ist leich April 2007. So wie Sie reden, könnte man denken, as Ganze hätte zehn Jahre auf Eis gelegen. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Wir waren uns ja alle einig!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ch glaube also, wir haben in dieser Frage recht zügig
eraten. Es gab einen Regierungsentwurf, der im Kabi-
ett einstimmig beschlossen wurde. Wir hatten eine aus-
ührliche Beratung in der Anhörung,


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Ja!)


n der viele Fragen geklärt werden konnten. Die Fachpo-
itiker, insbesondere die Rechtspolitiker, in der Koalition
aren sich einig. Nach der Anhörung gab es noch einige
eränderungen. Dann hätte man eigentlich zum Zuge
ommen können.


(Beifall bei der SPD – Sabine LeutheusserSchnarrenberger [FDP]: Genau!)


Aber dann wurden, das muss ich jetzt so deutlich sa-
en, einige Damen und Herren in der Union – ich hoffe
edenfalls, dass es nur wenige waren; vielleicht wurden
ie auch von entsprechender Seite beeinflusst –


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind nicht da!)


ach und haben weitgreifende Veränderungen gefordert.
n uns jedenfalls lag es nicht. Auch ich bin über dieses
orgehen verwundert, dass man trotz eines Kabinettsbe-
chlusses, der einstimmig gefasst wurde, und gegen den
usdrücklichen Willen der Fachpolitiker sagt, dass man
as Ganze noch einmal auf den Kopf stellen möchte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


as ist verwunderlich und in einer Koalition nicht üb-
ich.

Jetzt muss man sich anschauen, warum das alles ver-
ndert werden soll. Um was geht es? Im Endeffekt geht
s, glaube ich, um eine ideologische Auseinanderset-
ung. Wir haben im Unterhaltsrecht mutig die Formel
Kinder zuerst“ geprägt. Bei all den Debatten, die wir in
iesem Zusammenhang führen, geht es um die Kinder.
ie Kinder sollen im Vordergrund stehen, weil sie in der
egel keinen Einfluss darauf haben, ob ihre Eltern ver-






(A) )



(B) )


Christine Lambrecht
heiratet sind oder nicht, ob sie zusammenleben oder
nicht, ob sie sich trennen. Da sie darauf keinen Einfluss
haben, sollen sie auch nicht darunter leiden. Das war die
Prämisse.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Aus diesem Grund sollten alle Kinder in den ersten
Rang kommen, egal ob ehelich oder nichtehelich. Das,
was verteilt werden kann, sollten sie mit niemandem tei-
len müssen. Diese Regelung konnten wir retten. Das ist
weiterhin der Fall.

Jetzt haben verschiedene Beratungen stattgefunden.
Das Ergebnis möchte ich nicht Kompromiss nennen,
weil das voraussetzen würde, dass alle damit einverstan-
den sind. Ich kann Ihnen sagen: In der SPD-Fraktion gibt
es zahlreiche Kolleginnen und Kollegen, die zumindest
mit dem, was öffentlich transportiert wird, keineswegs
einverstanden sind. Deswegen möchte ich das nicht
Kompromiss nennen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Um was geht es? Es geht darum, dass dann, wenn
noch Geld zu verteilen ist, die Exehefrau im zweiten
Rang steht, und zwar nicht nur die erste Exehefrau, son-
dern alle Exehefrauen. Es wäre ja noch nachvollziehbar,
dass man dann, wenn man ideologisch an das Thema he-
rangeht, sagt: einmal verheiratet, einmal vertraut! Alle
anderen müssen hintenanstehen, sie müssen quasi mit
der Altlast leben, dass der Partner schon einmal verhei-
ratet war. – Aber nein, alle Exehefrauen kommen in den
zweiten Rang. Die Frauen, die Kinder erziehen, aber auf
den Trauschein nicht gepocht oder ihn nicht erreicht ha-
ben – das kommt auf die jeweilige Beziehung an –, kom-
men nicht in den zweiten Rang. Da fängt es an, un-
schlüssig, unlogisch zu werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Genauso ist es!)


Wenn ich will, dass die Kinder im Vorteil sind, dann
muss ich die Regelung unabhängig vom Familienstand
des erziehenden Partners ausgestalten. Es muss egal
sein, ob man verheiratet war oder nicht. Ein Kind zu be-
treuen, ist ein Wert in unserer Gesellschaft. Das wollen
wir bekunden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen wäre es richtig gewesen, so wie in der Ur-
sprungsfassung zu sagen: Jeder, der ein Kind erzieht,
wird von der Gesellschaft geachtet, und das drückt sich
auch im Unterhaltsrecht aus. Darüber hinaus gibt es
selbstverständlich einen Vertrauensschutz für Ehefrauen,
nämlich für solche, die lange verheiratet waren. Genau
sie haben in diesem Punkt Vertrauen verdient. Deswegen
waren Exehefrauen, die aus einer langen Ehe kamen,
auch wenn sie keine Kinder erzogen haben bzw. aktuell
keine Kinder mehr erziehen, im zweiten Rang. Denn wir
haben gesagt: Das ist gleichwert mit einer aktuellen Er-
ziehungsleistung.

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(C (D Erst dann kamen im dritten Rang die Exehefrauen us Ehen von kurzer Dauer. Frauen, die drei, vier Jahre erheiratet waren und keine Kinder erzogen haben, ussten sich hintenanstellen. Davon sollen wir jetzt abweichen? Jetzt sollen wir saen: Entscheidend ist, ob ein Trauschein erreicht wurde der nicht; Hauptsache, ihr wart irgendwann einmal vereiratet, ob in zweiter, dritter oder vierter Ehe, ist völlig gal; dann steht ihr in unserer Achtung auf jeden Fall höer als diejenigen, die ein Kind erziehen? Das kann es och nicht sein. So etwas ist zumindest mit mir nicht zu achen. Ich kenne viele Kolleginnen und Kollegen, die benfalls der Meinung sind, dass es nicht aufgrund einer rivilegierung im Hinblick auf den Unterhalt zu einer Inlation von Trauscheinen kommen darf. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Darüber – Frau Granold, Sie haben das angesprochen –
erden wir noch diskutieren müssen. Wenn wir jetzt eine
eform des Unterhaltsrechts, die 20 oder 30 Jahre lang
eltung haben soll – eher sollten wir es vernünftigerweise
icht ändern –, auf den Weg bringen, müssen wir uns
berlegen, ob wir das an der Lebensrealität der Menschen
orbei machen oder ob wir sagen: Wir schreiben den
enschen nicht vor, wie sie zu leben haben, und daher
erden wir keine Regelung treffen, die einen Anreiz dar-

tellt, Trauscheine in beliebiger Anzahl zu erwerben.

Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen. Ich
eiß, dass sie nicht ganz einfach sein werden. Aber ich
laube, bei diesem Thema lohnt es sich wirklich, zu
ämpfen, und zwar nach dem Motto: die Kinder zuerst!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN – Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Ja, genau! Deshalb wollen wir darüber ja auch hier im Parlament diskutieren!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609110200

Das Wort hat die Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/

ie Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609110300

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Reform des

nterhaltsrechts ist nicht nur längst überfällig, sondern
ie wurde auch schon vor langer Zeit eingebracht. Dieses
orhaben war nicht nur im Koalitionsvertrag der jetzi-
en Regierung enthalten, sondern die rot-grüne Koali-
ion hatte bereits Eckpunkte für eine Reform des Unter-
altsrechts vorgelegt und war dabei, die geplanten
nderungen auf den Weg zu bringen. Umso erfreulicher

st, dass Sie diese Vorschläge übernommen und wir sie
eraten haben, sodass ein zeitgemäßer Gesetzentwurf
orgelegt werden konnte.

Das Beste daran war, dass alle Kolleginnen und Kol-
egen mit den erwähnten Eckpunkten einverstanden wa-
en oder zu sein schienen. Aber dann kam doch alles
anz anders als erwartet. Das familienpolitische Hin und
er der Großen Koalition darf uns eigentlich nicht ver-






(A) )



(B) )


Ekin Deligöz
wundern. Denn wer die Rede, die Sie, Frau Lambrecht,
heute gehalten haben, gehört hat, der muss das Gefühl
haben, dass es eigentlich keinen einzigen Bereich der
Familienpolitik mehr gibt, in dem sich die Große Koali-
tion noch einig ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dirk Manzewski [SPD]: Oh, doch! Es gibt sogar ganz viele!)


Die Debatte, die Sie führen, ist eine reine Ideologie-
debatte, nichts anderes. Ich gehe davon aus, dass es ei-
nen Grund gibt, warum dieser Gesetzentwurf, der schon
lange in der Diskussion ist, bei seiner Einbringung we-
der im Kabinett noch im Parlament von den Kollegen
der CDU/CSU in irgendeiner Form kritisiert wurde – üb-
rigens auch in der Anhörung nicht und sogar Monate
nach der Anhörung nicht –, dass er aber jetzt plötzlich
auf die Tagesordnung gesetzt wurde und sich nun man-
che berufen fühlen, die Ehe zu retten. Der Grund dafür
ist ganz einfach: Die Verhandlungen zum Thema Kin-
derbetreuung stehen an, und dass es in der CDU/CSU
plötzlich zu Ansätzen familienpolitischer Modernisie-
rung kommt, gefällt manch einem in der Union nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ihr Problem ist, dass die Koalition gezwungen ist, ei-
nen Gegenpunkt zu setzen. Deshalb das taktische Zuge-
ständnis an die Konservativen, an die Traditionalisten in
Ihrer Partei. Es geht darum, Ihr überholtes Familienbild
festzuschreiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun mag sich die Koalition die Frage stellen, ob sie ihre
Justizministerin brüskiert oder nicht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Darüber müssen Sie sich Ihren hübschen Kopf aber wirklich nicht zerbrechen!)


Die Leidtragenden sind allerdings die nicht verheirateten
Erziehenden. Das muss man festhalten.

Worum geht es? Natürlich geht es uns allen um die
Förderung des Kindeswohls. Meine Kollegin von der
FDP hat zu Recht gesagt: Wir alle sind einverstanden,
dass die Kinder an erster Stelle stehen. Der Punkt, um
den es jetzt geht, ist aber: Wenn es darüber hinaus noch
etwas an Unterhalt zu verteilen gibt, dann sollten die El-
tern, die Kinder erziehen, an zweiter Stelle stehen.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: So ist es!)


Sie allerdings bestätigen uns eines: dass Ihnen der Trau-
schein wichtiger ist als die Leistung der Kindererzie-
hung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie bestätigen noch etwas: dass der Trauschein Vorrang
vor Kindern unverheirateter Paare hat.

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(C (D De facto ist es so, dass Mütter und Kinder aus einem opf wirtschaften, egal ob die Mütter vorher verheiratet aren oder nicht. Daher ist es auch so, dass diejenigen, ie vorher nicht verheiratet waren, diejenigen sind, die eist leer ausgehen. 80 Prozent dieser Fälle sind näm ich Mangelfälle. Das heißt, die Betroffenen werden einach kein Geld mehr bekommen. Wenn das Ihr Verständis von der Förderung des Kindeswohls ist, dann haben ie irgendetwas falsch verstanden. Darüber sollten Sie chleunigst noch einmal nachdenken. All das ist zwar alsam für die konservative Seele, hat aber nichts mit er Förderung des Wohls der Kinder in diesem Land zu n. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie wollen noch etwas: Sie wollen Familien zum
rauschein zwingen. Sie wollen die Leute dazu bringen,
us finanziellen Erwägungen zu heiraten. Was ist das für
ine Politik?! Die Menschen entscheiden selber, sie ha-
en die Wahlfreiheit, sie möchten nicht von der Politik
orgegeben bekommen, wie sie zu leben haben. Im Ge-
enteil, wir müssen auf die gesellschaftlichen Verände-
ungen reagieren. Das haben Sie sogar selber gesagt.
ann muss man aber die gesellschaftlichen Realitäten

nerkennen.


(Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Jetzt gibt es noch den Fall, dass Partner lange mitein-
nder verheiratet waren. Ja, auch wir Grünen glauben,
ass man dann einen Vertrauensschutz wahren muss


(Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)


nd für diesen eine Regelung finden muss. Das aber war
in Ergebnis, auf das wir uns gemeinsam verständigt
atten – in dieser Diskussion ging es gar nicht um den
rauschein –, und wir waren dieser Meinung von An-
ang an. Übrigens betrifft das nicht nur die Verheirate-
en: Was ist denn mit den Unverheirateten, die lange zu-
ammen waren?

An diesem Punkt möchte ich etwas zu dem Antrag
er FDP sagen: Ich glaube, dass Ihr Modell, wonach
icht die Gerichte im Einzelfall über Vertrauenstatbe-
tände entscheiden sollen, sondern die Ehe mindestens
5 Jahre bestanden haben muss, dem Anspruch nicht ge-
ügt. Die Richter müssen an diesem Punkt mehr Ent-
cheidungsspielraum bekommen. Nur dann können sie
ie Hintergründe beleuchten und dem Einzelfall gerecht
erden. Insofern müssen wir endlich auch über die Zu-
utbarkeit von Arbeit reden. Auch da ist es an der Zeit,

u handeln und nicht wegzuschauen.

Ein Ziel des Ganzen ist, klare Verteilungsregeln auf-
ustellen. So bitter das auch sein mag: Auch wenn alle in
er Mitte der Schlange stehen, wird das zu verteilende
eld nicht mehr. Unser Prinzip lautet: Kindeswohl vor
rauschein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609110400

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Alfred Hartenbach.

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Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1609110500


Verehrte Frau Präsidentin! Verehrtes Präsidium!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Frau
Deligöz, genau dem, was Sie zuletzt gesagt haben, wer-
den wir nachkommen.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Das ist in dem Entwurf, der demnächst in die Beratung
kommt, vorgesehen.

Ich bedanke mich sehr herzlich bei Ihnen, verehrte
Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, dass Sie darauf
bestanden haben, dass wir heute über den Antrag nach
§ 62 GO debattieren; da können wir nämlich ein paar
Dinge klarstellen.

Ich sage zu den Grünen nur eines: Wir waren sieben
Jahre in einer Koalition. Ich als Rechtspolitiker habe bei
mehr Gesetzentwürfen wegen Ihrer Kollegen zurückste-
cken müssen, als wir das bisher gemacht haben.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Hartenbach, was soll denn das?)


Ein Wort zur FDP: Sie waren 23 Jahre in der Regie-
rung, und das Problem ist nicht erst seit gestern bekannt.


(Zuruf von der FDP)


– Aber nicht das, was Sie jetzt wollen. – Wir hätten uns
nach der intensiven Anhörung im Rechtsausschuss im
vergangenen Oktober natürlich gewünscht,


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht sagen Sie einmal etwas zu Ihrem Arbeitsfeld!)


dass wir bei dem Gesetz etwas schneller vorankommen,
selbstverständlich.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist Ihre Ministerin, nicht unsere!)


Wir waren uns hier einig. Aber es ist nun einmal so, dass
auf der Zielgeraden – darüber bin auch ich nicht glück-
lich – in der Union einige bei dem, was verabredet war,
ich sage es einmal ganz platt, kalte Füße bekommen ha-
ben.


(Holger Haibach [CDU/CSU]: Das ist wirklich Quatsch!)


– Herr Haibach, das ist nun einmal so. Ich beklage es gar
nicht, ich sage nur, wie es gewesen ist. – Wichtig für
mich ist, dass wir es schaffen – und das wird diese Ko-
alition –, dieses Gesetz zum 1. Juli in Kraft treten zu las-
sen, weil das wichtige Weichenstellungen sind. Ich
glaube, wir erfüllen damit auch die Erwartungen vieler
Bürgerinnen und Bürger. Wir könnten uns wünschen,
dass wir das gemeinsam machen.

Das Unterhaltsrecht – lassen Sie mich einmal ein bis-
schen philosophisch werden, liebe Kolleginnen und Kol-

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(C (D egen – entscheidet in der Tat darüber, welches Maß an inanzieller Solidarität Familienangehörige voneinaner erwarten können. Es regelt einen zentralen Aspekt amiliärer Verantwortung. Trennung, Scheidung, Unteraltspflichten bringen viele Familien in eine schwierige age. Das gilt ganz besonders für die Familien, bei deen sich Partner gefunden haben, deren vorige Ehe gecheitert ist. Ich halte es deshalb für richtig, dass die nterhaltsansprüche derjenigen, die in zweiter Ehe vereiratet sind und Kinder betreuen, künftig nicht mehr inter den Unterhaltsansprüchen, die es aus erster Ehe ibt, zurückstehen. (Daniela Raab [CDU/CSU]: Ein deutlicher Fortschritt, jawohl!)


as ist ein wichtiges Signal für diese Familien. Der Un-
erhaltsverpflichtete befindet sich heute häufig in der Si-
uation, dass, wenn man abzieht, was er für seine ge-
cheiterte Ehe zahlt, für seine neue Familie nicht genug
brig bleibt.

Deshalb sollten die Ansprüche der Verheirateten
nd der Geschiedenen, wenn sie Kinder betreuen,
ünftig im gleichen Rang stehen. Damit erhält auch die
eue Familie die Chance, die sie wie jede andere Familie
uch verdient.


(Beifall des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])


Ich hätte mir darüber hinaus gewünscht, dass alle El-
ern, die minderjährige Kinder betreuen, mit ihren An-
prüchen in den zweiten Rang kommen, egal, ob sie ver-
eiratet sind oder nicht. Ich mache keinen Hehl aus
einer Meinung: Allein dieser Ansatz wäre zum Wohle

es Kindes konsequent gewesen.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Ja!)


m deren Betreuung geht es nämlich.

Ich meine, dass die Reform zu wichtig ist, als dass wir
s uns leisten könnten, sie allein an dieser Frage schei-
ern zu lassen oder sie bis auf Weiteres zu vertagen und
ielleicht sogar irgendwohin in den Orkus verschwinden
u lassen. Wenn wir diesen Punkt heute auch zurückstel-
en müssen, so erreichen wir doch wesentliche Ziele der
eform, nämlich, dass alle Kinder als Unterhaltsberech-

igte in den ersten Rang kommen. Herr Wunderlich, das,
as Sie eben gesagt haben, finde ich schon ein bisschen
underlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, an einer anderen
telle werden wir die Situation nicht verheirateter El-
ern, die erziehen, zusätzlich verbessern. Der Anspruch
iner nicht verheirateten Mutter soll nicht mehr grund-
ätzlich schon nach drei Jahren enden. Ihr Anspruch soll
ünftig für mindestens drei Jahre bestehen. Damit verab-
chieden wir uns vom bisherigen Regel-Ausnahme-Ver-
ältnis. Es wird nur noch geprüft, ob die Fortdauer des
nterhaltsanspruchs der Billigkeit entspricht. Dabei
ann auch berücksichtigt werden, ob ein Kind in einer
auerhaft gefestigten Lebensgemeinschaft geboren






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
wurde. In diesen Fällen erreichen wir eine weitgehende
Annäherung an die Dauer des Betreuungsunterhalts bei
verheirateten Eltern. Ich denke, dass unsere Familienge-
richte in der Lage sein werden, dies richtig zu entschei-
den.

Mir ist klar, dass diese Regelung in Mangelfällen
nicht besonders viel bringt, weil es dann auf die Rang-
folge ankommt und die Unterhaltsansprüche zwar länger
bestehen, deren Durchsetzung jedoch an der fehlenden
Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners scheitert.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Genau!)


Ich habe bei der Debatte manchmal das Gefühl ge-
habt, dass wir uns hier sehr akademisch über diese Dinge
gestritten haben, die praktisch so nie eintreten werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609110600

Herr Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage

der Kollegin Lambrecht?

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Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1609110700


Natürlich, wenn es uns weiterhilft, Christine.


(Jörg Tauss [SPD]: Fragen von Christine helfen immer weiter!)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1609110800

Ich versuche einmal, mit der Praxis zu argumentieren.

Wir haben eben gehört, dass sich der grundsätzliche An-
spruch der nicht verheirateten Frauen zeitlich verlängert.
Die Frage ist aber natürlich, ob sie in einem entsprechen-
den Rang landen, das heißt, in der Gruppe, in der sie
überhaupt etwas bekommen.


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: So ist es! Dritter Rang und zehn Jahre bringen nichts!)


Was nützt es ihnen nämlich, wenn sie zwar theoretisch
länger Geld bekommen, praktisch aber nichts erhalten?

Deswegen habe ich einmal eine ganz praktische Frage
an Sie. Wenn sich ein Mann mit einem Nettoeinkommen
von 2 400 Euro, der verheiratet war und aus dessen Ehe
zwei Kinder hervorgegangen sind, einer neuen Partnerin
zugewandt und mit ihr ein Kind hat, dann sah die Vertei-
lung bisher wie folgt aus – das geht übrigens aus einer
Tabelle hervor, welche das Bundesministerium der Justiz
veröffentlicht –: Die Exehefrau bekam 668 Euro und die
neue Partnerin 0 Euro. Nach dem angeblichen Kompro-
miss, der ausgehandelt wurde, bekommt die Exehefrau
jetzt 716 Euro – also knapp 50 Euro mehr – und die neue
Partnerin weiterhin 0 Euro. Können Sie mir erklären, wo
hier die Verbesserung für nicht verheiratete Lebenspart-
ner liegt, die Kinder erziehen? Sehen Sie darin eine Ver-
besserung?


(Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: Das finde ich jetzt ein bisschen eng!)


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(C (D A Liebe Kollegin Lambrecht, ich glaube, ich habe eben eutlich gemacht, dass wir hier in vielen Fällen akadeisch streiten. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht akademisch, das sind Zahlen!)

Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1609110900

Frau Deligöz, Sie können gleich ja auch eine Frage
tellen, wenn Sie möchten. Ich freue mich über solche
wischenfragen.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich würde gerne erst einmal eine Antwort hören!)


Ich habe eben gesagt, dass wir hier in aller Regel aka-
emisch diskutieren. Das gilt auch für die Frage, ob die
icht verheiratete alleinerziehende Mutter im zweiten
ang wäre. Denn in aller Regel geht es hier um Mangel-

älle. Aber im Fall derjenigen, wo der Unterhaltsver-
flichtete ein deutlich höheres Einkommen hat, als zum
eispiel ein Facharbeiter im Durchschnitt verdient – es

oll etwa gut verdienende Beamtinnen und Beamte oder
uch Rechtsanwälte und -anwältinnen geben –, kann bei
iner Verlängerung der Dauer der Unterhaltsleistungen
nter dem Strich durchaus etwas übrig bleiben. Von da-
er sind wir auf dem richtigen Weg. Um Ihre Frage zu
eantworten: Es kommt sicherlich nicht zu einer Ver-
chlechterung.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zahlen klingen aber ganz anders!)


Ich darf nun mit meinen Ausführungen fortfahren. Ich
etze an der Stelle fort, an der Frau Lambrecht mich un-
erbrochen hatte. Ich hatte darauf hingewiesen, dass die
egelung in Mangelfällen nicht besonders viel bringt,
eil es auf die Rangfolge ankommt und der Unterhalts-

nspruch zwar länger besteht, deren Durchsetzung je-
och an der fehlenden Leistungsfähigkeit des Unter-
altsschuldners scheitert. Diesen Satz hätten Sie noch
bwarten sollen; dann wäre Ihre Frage beantwortet ge-
esen.

Ich denke, wir gehen einen Schritt in die richtige
ichtung. In den vergangenen Tagen wurde immer wie-
er die Frage aufgeworfen, ab wann von Eltern eine
rwerbstätigkeit erwartet werden kann.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie blamieren Ihre eigene Ministerin!)


ereits der Regierungsentwurf geht davon aus, dass kein
lternteil einen Krippenplatz gegen seinen Wunsch nut-
en muss, wenn das Kind unter drei Jahren ist. Das wer-
en wir ausdrücklich in den Gesetzentwurf aufnehmen.
ei älteren Kindern wird neben dem Kindeswohl stets zu
erücksichtigen sein, ob die Betreuung in einer Betreu-
ngseinrichtung – in einer Kinderkrippe oder in einem
indergarten – möglich ist. Ich möchte an dieser Stelle
etonen, dass in Deutschland nach wie vor keine ange-
essene Betreuungslandschaft vorhanden ist. Insofern

ind Verbesserungen notwendig.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
Wir haben gut 90 Prozent des Regierungsentwurfs
umgesetzt. Auch ich hätte mir gewünscht, dass wir ihn
zu 100 Prozent umgesetzt hätten, weil wir dann den von
uns gewollten Paradigmenwechsel im Unterhaltsrecht
tatsächlich erreicht hätten. Aber bei allen Regierungen,
denen ich angehört habe und die ich erlebt habe, hat es
Gesetzesvorhaben gegeben, deren Umsetzung viel
schlechter verlaufen ist. Deswegen bitte ich sehr höflich:
Lasst uns gemeinsam für das Ergebnis streiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609111000

Ich schließe die Aussprache.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Monika
Grütters, Ilse Aigner, Michael Kretschmer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Ernst
Dieter Rossmann, Jörg Tauss, Nicolette Kressl,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD

Den Hochschulpakt erfolgreich umsetzen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia

(Saarbrücken)


Hochschulpakt 2020 – Kapazitätsausbau
und soziale Öffnung

– zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring,
Krista Sager, Priska Hinz (Herborn), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN

Hochschulpakt 2020 zum Erfolg bringen –
Studienplätze bedarfsgerecht und zügig aus-
bauen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Barth,
Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Die Qualität der Hochschullehre sichern –
den Hochschulpakt 2020 erfolgreich ab-
schließen und weiterentwickeln

– Drucksachen 16/4563, 16/3278, 16/3281, 16/3290,
16/4875 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Monika Grütters
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Uwe Barth
Cornelia Hirsch
Kai Gehring

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(C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parlaentarische Staatssekretär Andreas Storm. A Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ochschulen in Deutschland stehen in den nächsten Jahen vor großen Herausforderungen. Die Reform der Stuienstruktur – ich verweise in diesem Zusammenhang uf den Bolognaprozess, den internationalen Wettbeerb um eine leistungsfähige universitäre Forschung nd nicht zuletzt auf den absehbaren Anstieg der Stuienbewerberzahlen – erfordert vielfältige Anstrengunen. Zugleich sind mit den genannten Entwicklungen ber auch große Chancen für die Zukunft der jungen enschen, für unser Wissenschaftssystem und die Inno ationskraft unseres Landes verbunden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1609111100

Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass wir
uch die in den kommenden Jahren steigende Zahl der
tudienanfänger nicht etwa als Belastung, sondern als
hance begreifen. Denn während im Zuge des wirt-

chaftlichen Strukturwandels der Bedarf an hoch qualifi-
ierten Arbeitskräften kontinuierlich steigt, droht zu-
leich infolge der demografischen Entwicklung ein
assiver Fachkräftemangel.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan hat die
erausforderung der steigenden Studierendenzahlen an-
enommen und bereits im vergangenen Jahr die Initia-
ive für einen Hochschulpakt 2020 ergriffen. Das in den
erhandlungen mit den Ländern erreichte Ergebnis ist
in gelungenes Beispiel dafür, wie Bund und Länder in-
erhalb der Möglichkeiten, die sich nach der Föderalis-
usreform für sie ergeben, ihre politische Verantwor-

ung für die Hochschulen und die junge Generation
emeinsam wahrnehmen.

Im November 2006 haben sich die Wissenschaftsmi-
ister von Bund und Ländern auf Eckpunkte für die Aus-
estaltung des Hochschulpaktes geeinigt, denen an-
chließend die Regierungschefs von Bund und Ländern
m Dezember zugestimmt haben. Derzeit werden diese
ckpunkte in eine konkrete Fördervereinbarung umge-
etzt, die bei der nächsten Konferenz der Regierungs-
hefs von Bund und Ländern am 14. Juni dieses Jahres
ur Unterzeichnung vorgelegt werden soll.

Dieser Hochschulpakt wird auf zwei Säulen beruhen:
um einen auf einem Programm zur Aufnahme zusätzli-
her Studienanfänger, denen insbesondere durch die
chaffung zusätzlicher Stellen im Bereich der Lehre ein
ualitativ hochwertiges Hochschulstudium ermöglicht
erden soll; zum anderen auf einem Forschungselement,

uf einer Programmkostenpauschale für erfolgreiche
ochschulforschung, die sich im Wettbewerb um För-
ermittel der DFG durchsetzt.






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Andreas Storm
Bei der ersten Säule für die Lehre geht es um eine
langfristig angelegte Grundsatzverpflichtung von
Bund und Ländern zur Aufnahme zusätzlicher Stu-
dienanfänger. Im Vergleich zum Basisjahr 2005 rech-
nen wir auf der Basis der mit der KMK abgestimmten
Prognose für die Jahre von 2007 bis 2010 zunächst ein-
mal mit rund 90 000 zusätzlichen Studienanfängern. In
den Jahren des Spitzenbedarfs 2011 bis 2013 kommen
jährlich etwa 40 000 zusätzliche Studienanfänger hinzu.
Der Bund wird sich an den Kosten für diese zusätzlichen
Studienanfänger alleine im Zeitraum von 2007 bis 2010
mit insgesamt 565 Millionen Euro beteiligen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Mit dieser massiven Beteiligung des Bundes wird es den
Ländern möglich sein, die Gesamtfinanzierung sicherzu-
stellen.

Für diese Gewährung der Bundesfinanzierung ist eine
klare Erfolgskontrolle vereinbart, die sich nach den tat-
sächlich aufgenommenen zusätzlichen Studienanfängern
richtet. Ein Problem war in diesem Zusammenhang, dass
wir in den einzelnen Teilen unseres Landes vor sehr un-
terschiedlichen Entwicklungen stehen, und zwar einer-
seits vor einem deutlichen Aufwuchs der Studierenden-
zahlen in den alten Ländern und andererseits – wenn
nicht gegengesteuert wird – vor einem deutlichen Ein-
bruch der Studierendenzahlen in den neuen Ländern.
Auch dieser Situation wollen wir begegnen. Deshalb gilt
es zu vermeiden, dass vorhandene Studienkapazitäten in
den neuen Ländern abgebaut werden, während an ande-
rer Stelle ein umso höherer Ausbau erforderlich wäre.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das ist im Hochschulpakt berücksichtigt worden, in-
dem für die neuen Länder ein Anteil von 15 Prozent der
Bundesmittel reserviert ist, wenn sie sich dazu verpflich-
ten, die Studienanfängerzahlen auf der Basis des
Jahres 2005 bis zum Jahr 2010 zu halten. Unter der glei-
chen Voraussetzung – das ist sozusagen der zweite Son-
derbereich, die Stadtstaaten – erhalten Bremen und
Hamburg zusammen 3,5 Prozent der Bundesmittel. Das
Land Berlin erhält eine Pauschale von 4 Prozent – ver-
bunden mit der Verpflichtung, in den nächsten Jahren
eine jährliche Studienanfängerzahl von 19 500 zu halten.

Neben dieser Gesamtvorgabe – das ist sehr wichtig –
ist es uns vor allen Dingen gelungen, das Hauptziel der
Aufnahme zusätzlicher Studienanfänger mit wichtigen
strukturpolitischen Zielsetzungen zu verbinden. So ver-
pflichten sich die Länder, bei der Verwendung der För-
dermittel Schwerpunkte in der Schaffung zusätzlicher
Stellen an Hochschulen zu setzen, zum Beispiel durch
vorgezogene Berufungen auf Lehrstühle, die Einrichtung
zusätzlicher Juniorprofessuren oder etwa die Einführung
neuer, lehrbezogener Personalkategorien nach dem Mo-
dell des angelsächsischen Lecturers. Die Länder sind in
den nächsten Tagen gefordert, ihre Vorschläge dazu vor-
zulegen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D udem werden die Länder den zusätzlichen Ausbau der ochschulen dazu nutzen, den Anteil der Studienanfänerplätze an Fachhochschulen zu erhöhen. (Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin GöringEckardt)


in weiteres Ziel in diesem Zusammenhang ist es, den
nteil von Frauen bei der Besetzung von Professuren
nd sonstigen Stellen im Bereich der Lehre auszubauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Meine Damen und Herren, mit der zweiten Säule des
ochschulpaktes wollen wir im Bereich der Forschungs-

örderung einen schrittweisen Einstieg in die Vollfinan-
ierung von Forschungsprojekten durch Programm-
auschalen – sogenannte Overheads – erreichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ies ist ein Projekt, das auf internationaler Ebene in vie-
en Ländern schon gang und gäbe ist, auch im Rahmen
er EU-Förderung.

Dieses Instrument leistet einen wichtigen Beitrag
azu, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deut-
chen Hochschulen zu sichern und auszubauen. Die For-
chungsförderung an den Hochschulen wird so von der
rundfinanzierung unabhängiger gemacht und effektiver
estaltet. Dies ist neben dem Ausbau der Forschungsför-
erung an Fachhochschulen – die Mittel hierfür haben
ir seit 2005 bereits verdreifacht – und der zu Jahresbe-
inn gestarteten Forschungsprämie ein weiterer wichti-
er Baustein zur Stärkung der Forschung an den Hoch-
chulen, der seine Wirkung in der Breite entfalten kann.
iese Programmpauschalen in Höhe von 20 Prozent wer-
en von diesem Jahr an sukzessive für von der Deutschen
orschungsgemeinschaft geförderte Forschungsvorha-
en eingeführt. Hierfür übernimmt der Bund bis zum Jahr
010 eine 100-prozentige Finanzierung in Höhe von ins-
esamt rund 700 Millionen Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich freue mich, dass – bei aller Kritik an einzelnen
unkten – die Ausschussberatungen gezeigt haben, dass
ie meisten Vertreter der Oppositionsfraktionen den
ochschulpakt im Grundsatz unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


und und Länder unternehmen gemeinsam erhebliche
nstrengungen. Alleine der Bund stellt bis zum Jahr
010 1,27 Milliarden Euro für den Hochschulpakt zur
erfügung.

Lassen Sie mich abschließend aber auch darauf hin-
eisen: Der Hochschulpakt entlässt die Länder nicht aus

hrer primären Verantwortung für die Hochschulen.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])


r ist kein Allheilmittel für sämtliche hochschulpoliti-
chen Herausforderungen. Insbesondere für die Umset-






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Andreas Storm
zung der Bolognareformen werden zusätzliche Anstren-
gungen erforderlich sein.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Aber lassen Sie uns mit dieser Debatte den Hochschulen
und den Studierenden in unserem Lande ein klares Signal
geben. Mit dem Hochschulpakt eröffnen wir neue Chan-
cen. Wir brauchen die jungen Menschen, die sich für ein
Hochschulstudium entscheiden. Wir brauchen ihre Bega-
bungen. Wir werden ihnen alle Chancen für eine qualifi-
zierte Hochschulausbildung geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609111200

Als Nächstem erteile ich dem Kollegen Uwe Barth

für die FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Uwe Barth (FDP):
Rede ID: ID1609111300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir diskutieren heute im Zusammenhang mit dem
Hochschulpakt über die Grundlage einer gemeinsamen
Hochschulpolitik für die nächsten 14 Jahre, die wesentli-
chen Einfluss auf die qualifizierte Ausbildung des wis-
senschaftlichen und akademischen Nachwuchses in un-
serem Land haben wird.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist wahr!)


Letztlich muss dieser Pakt dazu führen, dass wir den Be-
darf an qualifizierten Nachwuchskräften und Fachkräf-
ten in unserer Wirtschaft, aber auch in unserer Verwal-
tung und insbesondere in Forschung und Lehre decken
und so auf lange Sicht unsere Innovationskraft nicht nur
erhalten, sondern wieder stärken; das ist dringend nötig.


(Beifall bei der FDP)


Die Chancen sind gut; denn bis 2020 wird die Anzahl
der Studienberechtigten aufgrund der demografischen
Entwicklung letztmalig erheblich ansteigen. Schon heute
klagt die deutsche Wirtschaft über das Fehlen von
1,6 Millionen Fachkräften, wie wir es in der letzten Wo-
che in der „Financial Times Deutschland“ lesen konnten.
Das macht deutlich, wo das Problem liegt. Diese Zahl
wurde vom Institut der deutschen Wirtschaft bestätigt,
das die bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldeten
über 400 000 offenen Stellen hochgerechnet hat.


(Jörg Tauss [SPD]: Die muss endlich auch mehr tun! Da sind wir uns einig!)


Der VDI geht davon aus, dass derzeit 22 000 Ingenieur-
stellen in Deutschland nicht besetzt werden können. An-
gesichts dieser Entwicklung handelt es sich tatsächlich
um so etwas wie eine letzte Chance.

Mit dem Hochschulpakt, der im Sommer geschlossen
werden soll, können wir entscheidende Weichenstellun-
gen vornehmen. Bund und Länder gehen davon aus – der
Staatssekretär hat es bereits gesagt; das ist kein Geheim-
nis –, dass 90 000 zusätzliche Studienanfänger auf die
Universitäten zukommen. Es geht aber um den Bedarf
an neuen Studienplätzen, Herr Staatssekretär.

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(C (D (Jörg Tauss [SPD]: Guck einmal die Länder an, wo Sie mitregieren!)


s reicht nicht aus, einfach mehr Stühle in die ohnehin
berfüllten Hörsäle zu stellen. Zu neuen Studienplätzen
ehören erweiterte Angebote, von der Betreuung über
ie Hörsäle bis zu den Laborkapazitäten. – Das geht na-
ürlich genauso an die Länder, in denen wir mitregieren,
err Tauss, aber auch an die Länder, in denen Sie mitre-
ieren.


(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Fangen wir bei Baden-Württemberg an!)


Bei aller Unterstützung des Hochschulpaktes ist die
ortspielerei zwischen Studienanfängern und zusätz-

ichen Studienplätzen, die auch der Staatssekretär be-
üht hat, kein gutes Zeichen, ebenso wie die bei diesem
hema für meine Begriffe etwas zu leere Bundesrats-
ank. Da hätte ich mir auch ein größeres Interesse vor-
tellen können.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wir wissen aber auch, dass sich diese Entwicklung in
eutschland nicht gleichmäßig vollzieht. Der Osten er-
artet einen Rückgang, während wir im Westen einen
ufwuchs erwarten. Auch auf diese divergierende Ent-
icklung müssen wir natürlich reagieren. Ich freue
ich, dass es im Hochschulpakt – wenn er denn unter-

chrieben ist – auch zu einer formalen Verständigung zu
ieser Problematik kommen wird. Die Studienplätze in
en neuen Ländern und in Berlin sollten also gehalten
erden; denn auch die ostdeutschen Hochschulen müs-

en einen Beitrag dazu leisten, den prognostizierten
achkräftemangel aufzuhalten.

Dabei kann es nicht bei einer gemeinsamen Marke-
ingstrategie bleiben. So richtig, wichtig und notwendig
ine solche Marketingstrategie – die sich, durch die his-
orischen Gegebenheiten bedingt, insbesondere auch
ach Mittel- und Osteuropa wenden kann und muss –
uch ist, gehören dazu neben bunten Prospekten auch
anz konkrete Taten. Ich denke hierbei insbesondere da-
an, dass ins Ausland gehende Absolventen über ganz
onkrete Forschungsaufträge und eine damit verbundene
ntsprechende Betreuung langfristig und durchaus auch
trategisch an die Heimathochschule gebunden werden
önnen. Das ist aus meiner Sicht eine ganz wichtige Er-
änzung dieser Marketingstrategie.


(Beifall bei der FDP)


Auch wenn Bund und Länder jetzt 22 000 Euro in je-
en zusätzlichen Platz investieren wollen: Eine ange-
essene Besetzung der Hochschullehrerstellen ist ein
unkt, den wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Ich
arne deshalb davor, in der kurzfristigen Besetzung sol-

her Stellen durch Lecturer und Lehrprofessuren die al-
ein seligmachende Lösung zu sehen.


(Jörg Tauss [SPD]: Allein seligmachend gibt es nicht einmal bei euch!)


ie deutschen Universitäten funktionieren so nicht; das
st nicht das Selbstverständnis der deutschen Universitä-






(A) )



(B) )


Uwe Barth
ten. Wir wissen, dass wir über 8 000 Lehrstühle an Uni-
versitäten und Fachhochschulen haben, die wir bereits
jetzt schrittweise mit jungen Fachleuten, mit jungen Pro-
fessoren nachbesetzen müssen. Auch hier gilt: Die Mög-
lichkeit der Emeritierung mit 67 – so richtig sie ist – ist
alles andere als die strategische Antwort auf dieses Pro-
blem. Vielmehr müssen diese Stellen bereits jetzt sozu-
sagen parallel besetzt werden. Im Ergebnis müssen die
Hochschulen die Entwicklungen der nächsten Jahre als
einmalige Chance betrachten, ihr Profil zu schärfen, sich
zukunftsfähig zu machen und den jungen Forschern die
Erkenntnis zu vermitteln, dass ihre strategische Chance
auch hier in Deutschland liegt.


(Jörg Tauss [SPD]: Sagen Sie das einmal Herrn Pinkwart!)


Den über 300 000 Studienanfängern, die wir in jedem
Jahr haben, stehen nur etwas mehr als 200 000 Absol-
venten gegenüber. Das heißt, jedes Jahr bleiben 100 000
junge Menschen auf der Strecke; im Schnitt erreichen
nur 66 Prozent aller Anfänger in Deutschland einen Ab-
schluss. Der Hochschulpakt soll nun zusammen mit der
Einführung der neuen Studienabschlüsse Bachelor und
Master einen wirksamen Beitrag zur Senkung der Ab-
brecherquoten unserer Studenten und auch des mit
28 Jahren sehr hohen Altersdurchschnitts unserer
Hochschulabsolventen leisten.

Eine persönliche Anmerkung sei mir zum Schluss
aber gestattet: Der Weg, dem erwarteten Studierenden-
berg mit einer Verkürzung der Studienzeiten die Spitze
nehmen zu wollen, darf nicht zu einer dauerhaften Sen-
kung des Niveaus unserer Hochschulabschlüsse und des
Bildungsniveaus unserer Absolventen führen. Der Ba-
chelor muss deshalb, wenn er zum Zukunftsmodell
avancieren will, dem Anspruch gerecht werden, wirklich
ein berufsqualifizierender Abschluss zu sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609111400

Ernst Dieter Rossmann kommt jetzt zu Wort für die

SPD-Fraktion.


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1609111500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist gut, dass wir nach dem langen Vorlauf, den dieser
Hochschulpakt hat, heute gemeinsam eine gute Zwi-
schenbilanz ziehen können; denn das wirkliche Ereignis,
die Unterzeichnung des Paktes, steht noch aus. Im Rück-
blick darf man daran erinnern, wie es zu diesem Hoch-
schulpakt kommen konnte. Wir haben sicherlich finan-
zielle Spielräume dadurch neu gewonnen, dass die
Eigenheimzulage abgeschafft wurde und die eingespar-
ten Mittel den Studienanfängern zugute kommen. Das ist
entschieden dynamischer und zukunftsorientierter. Wir
haben im Rahmen der Föderalismusreform durch die
Veränderung des Art. 91 b des Grundgesetzes den
Spielraum für den Abschluss eines qualitativen Hoch-
schulpaktes gewonnen. Wir sind froh, dass der Spiel-
raum so gut genutzt worden ist,

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(C (D hne irgendwie – Frau Aigner, wir könnten zusammen rohlocken – nachkarten zu wollen. Schließlich gibt es inen Sichtwechsel. Es gibt den Sichtwechsel – der taatssekretär hat es positiv angesprochen –, dass mehr tudienanfänger eine Chance sind, sowohl individuell ls auch für Deutschland insgesamt. Weiterhin gibt es en Sichtwechsel, dass wir mehr Studienanfänger, mehr rfolgreiche Studienabsolventen und mehr Menschen rauchen, die sich an der Hochschule begeistert engagieen. Das können wir mit diesem Hochschulpakt erreihen. Rückfragen ergeben sich in dreierlei Hinsicht. Die rste Frage lautet: Was tun wir denn, um diese Quantität irksam werden zu lassen? Denn der Hochschulpakt ist it nicht unbescheidenen 1,25 Milliarden Euro für meh ere Jahre gut ausgestattet. ie zweite Frage ist: Was tun wir, damit das Studium uch ein gutes Studium ist? Nicht nur gute Arbeit, auch ine gute Lehre und ein gutes Studium müssen ein Marenzeichen sein. Die dritte Frage ist – das darf man von ozialdemokraten erwarten –, wie sich der soziale Ausleich bzw. die soziale Unterstützung gestaltet. Ich möchte zunächst etwas zur Quantität sagen. Ich ill nicht im Detail ausführen, was die Unterschiede wischen Studienanfängern und Studienplätzen sind, b Wenn die Präsidentin der Hochschulektorenkonferenz ein Monitoring ankündigt, in dessen ahmen man genau nachvollziehen will, was sich in den inzelnen Hochschulen tut und wie die einzelnen Bunesländer mit der Chance umgehen, die ihnen jetzt mit iel Geld ermöglicht werden soll, dann darf der Bundesag nicht hinter diesem Monitoring der Hochschulrektoenkonferenz zurückstehen. Wir als Bundestag müssen as genauso ernst nehmen und kontinuierlich begleiten, ie jetzt der Hochschulpakt in den Ländern, die sich enagieren, mit mehr Geld und mit mehr Studienplatzkaazitäten umgesetzt wird. Wir sollten das insbesondere in Bezug auf das tun, as ich hier heute exemplarisch ansprechen möchte. Es eht um die Frage: Wie verhält es sich eigentlich mit em Ost-West-Ausgleich? Mir als jemandem, der aus er Gegend von Hamburg kommt, ist die Dramatik gar icht so klar gewesen, nämlich dass gerade einmal Prozent aller westdeutschen Studienberechtigten in die euen Bundesländer gehen, um dort zu studieren, wähend 25 Prozent aller Studienberechtigten aus den neuen undesländern in die westdeutschen Bundesländer geen, um dort zu studieren. Um es in absoluten Zahlen zu agen: Wir haben 356 000 Studienanfänger, davon imerhin 71 000 in den neuen Bundesländern. Darin steckt och ein ungeheures Potenzial, vor allen Dingen da abehbar ist, dass aufgrund des demografischen Wandels ie Zahl der jungen Leute in den neuen Bundesländern on jetzt 285 000 auf nur noch 100 000 sinken wird. as das für die Kapazität, die an den Hochschulen in Dr. Ernst Dieter Rossmann den neuen Bundesländern vorhanden ist, bedeutet, muss man – vielleicht wissen es schon alle – publik machen. Deshalb möchte ich eine Botschaft von hier aussenden: Junge Leute, ihr bekommt gute Studienbedingungen in den neuen Bundesländern. Richtet euren Blick nicht nur nach Bayern, nach Baden-Württemberg, nach NRW und nach Hessen, sondern schaut genauso nach Sachsen, nach Thüringen, nach Berlin, nach Brandenburg, nach Mecklenburg-Vorpommern und nach Sachsen-Anhalt! Dort sind Hochschulen, die jetzt schon exzellent sind. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Ilse Aigner [CDU/CSU]: So ist es!)

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609111600




(A) )


(B) )


(Jörg Tauss [SPD]: Gute Hochschulen!)


Exzellente Hochschulen gibt es in Dresden, in Berlin
und anderswo. Es gibt nicht nur exzellente Hochschulen,
sondern, was besonders wichtig ist, es entsteht auch ein
Umfeld. Man kann nicht nur einen Studienabschluss er-
werben, sondern auch Arbeit in der Forschung finden. Es
entstehen Arbeitsplätze durch den Wissenstransfer, und
es gibt Chancen, im universitären Umfeld den Schritt in
die Selbstständigkeit zu tun. Jüngst ist die Prognos-Stu-
die erschienen, die die Entwicklung der einzelnen Re-
gionen Deutschlands in Bezug auf die Städte und Kreise
anhand von 439 solcher Körperschaften untersucht hat.
Es kann uns doch nur freuen, dass es nicht nur Dresden,
Potsdam oder Jena, sondern genauso Greifswald, Leip-
zig, Magdeburg, Eisenach oder Cottbus sind, die gewal-
tige Sprünge nach vorne machen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Man kann dort gut studieren, und man findet dort gute
Voraussetzungen für ein erfolgreiches Berufsleben.
Diese Chance sollten wir gemeinsam nutzen. Das wäre
gut für die deutsche Einheit und für die Perspektiven der
jungen Leute.

Von Vorteil wäre auch, wenn wir die dort bereits vor-
handenen materiellen Reserven wirklich ausschöpften.
Das Centrum für Hochschulentwicklung, CHE, hat Fol-
gendes ermittelt: Wenn wir diese Reserven nicht aus-
schöpfen, setzen wir über 3 Milliarden Euro in den Sand.
Diese Mittel wären schon jetzt nutzbar, wenn genügend
junge Leute die sich dort bietenden Möglichkeiten in
Anspruch nähmen.

Offen bleibt, ob in diesem Bereich schon genügend
getan wird. Ich will ergänzen: Auch in Bezug auf die üb-
rigen Studienorte muss die Frage gestellt werden, ob der
Lehre schon hinreichend Priorität eingeräumt wird.
Wir wünschen uns, dass der Exzellenzansatz in der For-
schung mit einem Bemühen um qualitativ hochwertige
Lehre in der Breite einhergeht. Die Hochschulen sollten
dies im Interesse der Studierenden ausgesprochen ernst
nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte einen Kritikpunkt nennen. Der Deutsche
Hochschullehrerverband glaubt, die Einheit von For-
schung und Lehre werde dadurch gefährdet, dass Profes-

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(C (D oren in Zukunft unter Umständen Lehrverpflichtunen in einem Umfang von zwölf statt bisher acht tunden erfüllen sollen. Sowenig wie die Einheit von orschung und Lehre dadurch gefährdet wird, dass die ehrverpflichtungen von acht auf vier Stunden reduziert erden, so wenig wird sie dadurch gefährdet, dass sie on acht auf zwölf Stunden aufgestockt werden. iese Schwerpunktsetzung muss doch möglich sein. uch deshalb bitte ich den Deutschen Hochschullehrererband, die mit Differenzierung und Verbindung von orschung und Lehre verbundene Chance zu nutzen. Wie erklären wir es uns eigentlich, dass wir mit dem ochschulpakt zwar viele Chancen eröffnen wollen, leichzeitig aber den Rückgang der Studienanfängerzahen erleben? Hängt das vielleicht mit den Studiengebühen zusammen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Jörg Tauss [SPD]: Eindeutig!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ch bin heute so koalitionsloyal, dass ich in meiner Frage
in „vielleicht“ benutzt habe. Vielleicht ist es ein Pro-
lem der Organisation von Studienplätzen: Serviceein-
ichtungen, Studienvermittlungen müssten vielleicht
esser ausgestaltet werden. Es geht sicherlich auch da-
um – das ist ein materielles Problem –, ob und wie wir
s schaffen, das BAföG weiterzuentwickeln.

Sozialdemokraten formulieren dieses „ceterum cen-
eo“ in dieser Legislaturperiode immer am Schluss ihrer
ede. Daher möchte auch ich es zum Ausdruck bringen:
assen Sie uns die Chance ergreifen, die vorhandenen fi-
anziellen Spielräume beim BAföG dafür zu nutzen,
ass viel mehr junge Leute aus den Mittelschichten und
or allen Dingen junge Leute mit Eltern, die materiell
icht so gut ausgestattet sind, studieren können.


(Beifall bei der SPD)


Die Sozialdemokratie –


(Uwe Barth [FDP]: Regiert mit!)


regiert mit –, und sie kämpft, und das sogar erfolg-
eich. Wir sind uns fast sicher: Andere werden bald mit-
ämpfen. Das ist doch ein gutes Zeichen für die Hoch-
chulen.

Danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609111700

Ich erteile jetzt Cornelia Hirsch das Wort für Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN)



Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609111800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

err Staatssekretär Storm, Sie haben eben behauptet,






(A) )



(B) )


Cornelia Hirsch
dass Bund und Länder mit dem Hochschulpakt ihrer Ver-
antwortung für die junge Generation gerecht werden.
Für Die Linke möchte ich sagen, dass wir diese Behaup-
tung wirklich deutlich zurückweisen. Ich kann mich
nicht daran erinnern, dass wir den Hochschulpakt, den
Sie hier vorgelegt haben und den Sie jetzt auch umsetzen
wollen, im Ausschuss jemals begrüßt hätten. Wir sind
für einen grundsätzlich anderen Hochschulpakt eingetre-
ten.

Das wird sehr deutlich, wenn man den heute von den
Koalitionsfraktionen vorgelegten Antrag mit dem von
uns, von der Fraktion Die Linke, schon im letzten No-
vember eingebrachten Antrag vergleicht.


(Jörg Tauss [SPD]: Unserer ist besser!)


Ich möchte drei zentrale Forderungen unseres Antrags
aufgreifen, Herr Tauss, die Sie in Ihrem Antrag „Den
Hochschulpakt erfolgreich umsetzen“ vollständig außen
vor lassen.

Erstens. Wenn man die Hochschulen wirklich öffnen
will, wenn man wirklich mehr jungen Menschen einen
Zugang zu den Hochschulen ermöglichen will, dann
muss man der Frage nachgehen, wie viel Geld für einen
Hochschulpakt zur Verfügung gestellt wird. Man kann
sagen: 1,25 Milliarden Euro, das klingt nach schrecklich
viel Geld.


(Uwe Barth [FDP]: Das ist es ja wohl auch!)


Alle Zuhörerinnen und Zuhörer werden dazu erst einmal
sagen: Wow! Das ist ja wirklich eine große Menge. Man
muss aber überlegen: Was wird damit eigentlich finan-
ziert? Darauf möchte ich ganz konkret eingehen.

Herr Storm hat gesagt: Wir haben jetzt den Bologna-
prozess, in dem die Studiengänge umgestellt werden sol-
len. – Da ist einfach noch mehr Geld vonnöten.


(Uwe Barth [FDP]: So kann nur jemand reden, der mit Geld nicht umgehen kann! – Monika Grütters [CDU/CSU]: Das müssen Sie den Bundesländern sagen!)


Dies beziehen Sie in Ihre Berechnung für mehr Studien-
anfängerinnen und -anfänger kein bisschen ein. Das hal-
ten wir für falsch.

Man muss anmerken, dass im Rahmen der Föderalis-
musreform Gelder weggefallen sind. Die Gelder, die
mit dem Hochschulpakt hineinkommen, sind teilweise
nur Kompensationsmittel, sodass es nicht viel Geld ist,
was am Ende für die Hochschulen faktisch übrig bleibt.

Im Prinzip hat diese Kritik, die wir hier üben, nämlich
dass das Geld nicht ausreicht, auch Herr Rossmann in
seiner Rede gerade zum Ausdruck gebracht. Er hat ge-
zeigt, dass im Antrag durchgängig nur von Studienan-
fängerinnen und -anfängern die Rede ist, aber gerade
nicht von Studienplätzen. Wenn es wirklich um eine gute
Ausfinanzierung gehen soll – für mehr Studierende an
den Hochschulen –, müsste sichergestellt sein, dass für
diesen Hochschulpakt mehr Geld zur Verfügung gestellt
wird. Deshalb halten wir das so für falsch.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Zweiter Punkt. Das war noch verlogener, Herr Storm. ie haben gesagt, es sei Ihnen gelungen, strukturelle orgaben zu machen und die dann auch entsprechend mzusetzen. Mit Verlaub: Wenn man sich diesen Antrag nschaut, findet man nur Formulierungen wie: Sie wolen darauf drängen. Sie wollen dafür Sorge tragen. Sie ollen darauf hinwirken. Sie wollen bestimmte Dinge u nutzen versuchen. – Das ist wirklich nicht das, was ir unter verbindlichen Vorgaben verstehen. Das beste Beispiel ist das Frauenförderprogramm. Sie aben hier gesagt: Die Länder werden das tun. Sie weren dafür sorgen, dass mehr Frauen auf Stellen für Proessorinnen und Professoren kommen. – Im Antrag steht ber, dass man auf die Länder einwirken möchte, dass ie sich bitte darum kümmern mögen. Darüber, ob das unktioniert, können wir uns vielleicht im nächsten Jahr och einmal unterhalten, aber für uns ist relativ klar, ass man mit einer solchen Politik sicherlich keinen quaitativen Umbau an den Hochschulen hinbekommen ird. Noch ein Punkt zur Qualität. Auch das war einmal ieder sehr eindeutig. Qualität heißt immer auch, dass ie Beschäftigten in der Wissenschaft gute Rechte und ute Arbeitsbedingungen haben müssen. Sie begrüßen das müssen wir hier lesen –, dass das Wissenschaftseitvertragsgesetz durchgesetzt wurde. amit sind aber gerade schlechtere Arbeitsbedingungen ür die Beschäftigten in der Wissenschaft verbunden. as halten wir dann wirklich für eine komplette Heucheei und weiß Gott nicht für einen qualitativ hochwertigen ochschulpakt. Dritter und letzter Punkt. Ich fand es sehr nett, dass uch Herr Rossmann das an die letzte Stelle gesetzt hat. s geht um die Frage: Wie geht man mit der sozialen ffnung der Hochschulen um, und wie bekommt man as hin? Im Zusammenhang mit dem Hochschulpakt haen wir im Ausschuss darüber diskutiert. Wir haben einefordert, dass das zum Thema gemacht wird. Da bekaen wir von der Bundesregierung zur Antwort: Man ird sich schon irgendwann einmal darum kümmern; enn man das jetzt noch in den Hochschulpakt einbe ieht, besteht das große Problem, dass dann vermutlich ogar der ganze Pakt scheitert, was man in keinem Fall ill. Dazu sagen wir: Wann geht man das Problem, dass ur rund 10 Prozent der Studierenden aus einkommenschwachen Schichten kommen, denn sonst an, wenn icht bei einem Pakt, bei dem es gerade darum geht, die ochschulen zu öffnen und mehr Studierende in die ochschulen zu holen? Wenn man bei der Gelegenheit icht sagt: „Wir wollen diese Entwicklung nutzen, um leichzeitig soziale Ungleichheit abzubauen“, dann ist as aus unserer Sicht kein guter Pakt und kein Pakt, dem ir in dieser Form zustimmen können. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: BAföG!)


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)


(Jörg Tauss [SPD]: Nein!)







(A) )



(B) )


Cornelia Hirsch
Allerletzter Punkt. Herr Rossmann, Sie haben eben
angesprochen, dass sich Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten für eine BAföG-Erhöhung einsetzen.
Ich hätte es deutlich glaubwürdiger gefunden, wenn So-
zialdemokratinnen und Sozialdemokraten das nicht erst
jetzt machen würden,


(Jörg Tauss [SPD]: Wann denn dann? Demnächst sind die Haushaltsberatungen!)


sondern schon unter Rot-Grün versucht hätten,


(Jörg Tauss [SPD]: Das haben wir auch getan! – Gegenruf der Abg. Ulrike Flach [FDP]: Aber nicht ausreichend!)


sich dafür einzusetzen, dass nicht sechs Jahre nacheinan-
der die BAföG-Erhöhung verschleppt wird. Es ist wirk-
lich eine verlogene Politik, wenn Sie sich jetzt als die
großen Retterinnen und Retter des BAföG aufführen.

Ich komme zu dem Punkt zurück, den ich am Anfang
gesagt habe: Der besonderen Verantwortung für die
junge Generation wird man damit nicht gerecht.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN – Uwe Barth [FDP]: Was sie zu Rot-Grün gesagt hat, stimmt! – Weitere Zurufe)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609111900

Jetzt spricht Kai Gehring für das Bündnis 90/Die Grü-

nen.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609112000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur

ein kurzer Hinweis vorab: Durch die rot-grüne BAföG-Re-
form ist die Zahl der Geförderten um 50 Prozent gestiegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Monika Grütters [CDU/CSU])


Das war die größte BAföG-Reform, die es in der Bun-
desrepublik Deutschland überhaupt gegeben hat. Ich
kann nur hoffen, dass die Große Koalition diese Dimen-
sion auch nur annähernd erreicht.


(Jörg Tauss [SPD]: Dieser Hoffnung schließen wir uns an!)


Ich habe da große Zweifel; denn noch steht eine BAföG-
Nullrunde an. Ich wünsche uns gute Beratungen dazu,
auch in der Anhörung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Versetzen wir uns jetzt aber erst einmal ein Jahr zurück!
Damals begrüßte Bundesbildungsministerin Schavan tag-
ein, tagaus, dass der Bund durch die Föderalismusreform
in der Bildungs- und Hochschulpolitik praktisch nichts
mehr zu sagen habe. Der Bundesanteil im Hochschulpakt
sollte ihr zufolge einzig der Forschungsförderung dienen.
Für die ausreichende Anzahl an Studienplätzen würden
dann die Bundesländer schon selber sorgen. Aus heutiger
Perspektive ist das erschreckend naiv.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Wir haben uns als Grüne bereits damals klar gegen iesen Murks eingesetzt. Wären wir dabei auch gemeinam mit den Bildungspolitikerinnen und -politikern aus en anderen Oppositionsfraktionen nicht erfolgreich geesen, dann würde sich heute jede Debatte über einen esamtstaatlichen Ausbau von Studienplätzen völlig erbrigen, und wir könnten uns die Diskussion heute im lenum auch sparen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Wir haben es geschafft, die klugen Kräfte der Koali-
ion bei der Föderalismusreform zu unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


llein darüber bleibt ein Fenster für ein gemeinsames
ochschulpolitisches Handeln von Bund und Ländern
ffen.

Trotzdem ist klar: Hochschulpolitik ist durch die Fö-
eralismusreform keinesfalls einfacher geworden; denn
undesinitiativen für mehr Studienplätze können nur
ei Einstimmigkeit aller Länder beschlossen werden.
a wird jedem noch so absurden Sonderwunsch eines
andes oder Ministerpräsidenten Tür und Tor geöffnet,
der, um es klar zu sagen: Ein Koch allein kann den Brei
chon verderben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Auch die Lahmen werden mitgenommen!)


Wir Grüne haben bereits im Februar 2006 unseren
rsten Antrag mit klaren politischen Leitlinien für einen
ochschulpakt 2020 vorgelegt. Bei der Koalition hat das
is März 2007 gedauert. Offenbar hat Rot-Schwarz erst
ine hochschulpolitische Sommerpause und dann einen
iefen Winterschlaf gebraucht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Wir alle waren hellwach im Winter!)


Man könnte meinen, dass bei einer so langen Bedenk-
eit wenigstens ein großer Wurf entsteht. Leider nein!
eim Lesen Ihres Antrags zeigt sich die ganze Früh-

ahrsmüdigkeit der Koalition in der Hochschulpolitik.
ie fordern darin von den Ländern, dass diese eine Kam-
agne für ein Studium im Osten auflegen mögen, dass
ie neue Personalstellen für die Lehre schaffen mögen
nd dass sie doch bitte die Frauenförderung in der Wis-
enschaft nicht vergessen mögen. Das ist alles richtig.
ber ich frage mich: Warum haben Sie diese Forderun-
en nicht als klare Bedingungen im Hochschulpakt ver-
inbart?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Immerhin legt der Bund im Rahmen des Paktes
65 Millionen Euro als Zuschuss für die Länder auf den
isch. Da können, ja, da müssen doch verbindliche Qua-

itätskriterien dafür formuliert werden, wie diese
umme genau ausgegeben wird. Wir brauchen einen






(A) )



(B) )


Kai Gehring
Hochschulpakt für Qualität und nicht nur für fleischlose
Quantität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Der von Ihnen verhandelte Hochschulpakt hat zen-
trale Konstruktionsfehler; darauf haben wir immer hin-
gewiesen. Er ist erstens unterfinanziert. 22 000 Euro pro
Studierenden reichen weder für ein Bachelor-Studium
noch für einen anschließenden Master-Abschluss.

Zweitens. Ihr Pakt ist zu kurz gesprungen. Dreiein-
halb Jahre nach Verabschiedung des Hochschulpakts
laufen die Mittel bereits wieder aus. Wie es in den
Spitzenjahren 2011 bis 2013 weitergeht, wird erst dann
feststehen.


(Jörg Tauss [SPD]: Dann regieren wir wieder! Da könnt ihr zulangen!)


Diese Kurzsichtigkeit wird kaum zu einem stetigen
und nachhaltigen Aufbau führen. So kann kein Hoch-
schulkanzler langfristig planen, weder finanziell noch
personell.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das darf so nicht bleiben. Wir Grüne fordern ganz klar
eine langfristige Planungssicherheit statt Kurzsichtig-
keit.

Drittens. Der Hochschulpakt droht auch, eine Mogel-
packung zu werden. Auf den Unterschied von Studien-
plätzen und Studienanfänger ist ja hier hinlänglich ein-
gegangen worden. Ob den jungen Menschen, die dann
als Studienanfänger an die Hochschulen kommen, ent-
sprechend mehr Seminarplätze, mehr Lehrbücher und
Professoren, eine bessere soziale Infrastruktur und bes-
sere Lern- und Studienbedingungen zur Verfügung ste-
hen, ist zurzeit mehr als fraglich.

Das Schlimmste ist aber: Der Hochschulpakt droht
sein eigentliches Ziel klar zu verfehlen. Die Zahl von
90 000 zusätzlichen Studienplätzen bis 2010 wird wohl
nicht erreicht. Darauf deuten unsere Anfragen in den
Bundesländern hin. Wir befürchten, dass die Länder
deutlich weniger Geld auf den Tisch legen als der Bund.


(Jörg Tauss [SPD]: Das wäre empörend!)


Dies hätte Billigstudienplätze zur Folge, die niemandem
helfen, am wenigsten den Studierenden. Dies müssen
wir verhindern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Das stimmt!)


Ich bin gespannt darauf, welche Zusicherungen die
Länder bis übermorgen vorlegen; vor allem bin ich ge-
spannt darauf, wie belastbar sich diese dann in der Reali-
tät erweisen. Da haben wir leider noch erhebliche Zwei-
fel. Sie müssen in der Koalition verhindern, dass der
Pakt scheitert, indem Sie klare Zielvorgaben für die
Zahl ausfinanzierter Studienplätze und auch die Höhe
der Gegenfinanzierung durch die Länder machen, indem
Sie im Hochschulpakt auch wirklich echte Anreizstruk-

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(C (D uren zum Aufbau von Studienplätzen schaffen und inem Sie die Länder wirklich belohnen, die bislang über en Eigenbedarf hinaus Studierende ausgebildet haben nd dies auch in Zukunft tun werden. Es muss für ein Land teurer sein, keine neuen Stuienplätze einzurichten, als neue zu schaffen. Dies gelingt einem intelligenten Verteilungsund Ausgleichsmecha ismus nach dem Motto „Geld folgt Studierenden“. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609112100

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.


Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609112200

Ich komme zum Ende.

Ich fordere die Koalition auf: Korrigieren Sie bitte die
ebfehler in diesem Hochschulpakt, bevor es zu spät ist –

m Interesse der Wirtschaft, die dringend mehr Fach-
räfte benötigt, aber vor allen Dingen im Interesse aller
ungen Menschen, die jetzt und künftig an die Hoch-
chulen drängen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609112300

Es spricht jetzt Frau Professorin Monika Grütters für

ie CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Hervorragende Frau!)



Monika Grütters (CDU):
Rede ID: ID1609112400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im ver-

angenen Oktober – das zum Thema Winterschlaf, Herr
ehring – haben wir über den Hochschulpakt zuletzt dis-
utiert. Damals meinte die Opposition, uns alle mahnen
u müssen, dass wir noch ein bisschen schneller und ein
isschen besser an diesem Werk arbeiten und Bund und
änder möglichst einstimmig auf eine Melodie ver-
flichten.

Dass das schwierig ist, weil es in der KMK der Län-
erkammer – nicht etwa hier – das Einstimmigkeitsprin-
ip gibt, weshalb es übrigens das Bonmot gibt, die Kul-
usministerkonferenz sei der letzte Hort der Reaktion,
issen wir. Aber immerhin: Keine fünf Monate später
önnen wir ein, wie ich meine – ich mache seit 13 Jahren
issenschaftspolitik, unter anderem in Berlin –, beispiel-

oses, innovatives Reformwerk, den Hochschul-
akt 2020, abschließend zur Abstimmung stellen. Weil
as so ist, bin ich enttäuscht von der kleinlichen Kritik,
ie in erster Linie aus der Opposition kam, Herr Barth
nd Frau Hirsch. Es ist natürlich immer so, dass es noch
in bisschen besser sein könnte. Natürlich hätte auch
ieser Hochschulpakt anders ausfallen können; das wis-
en wir. Aber es ist doch mindestens eine Erleichterung
nd auch eine große Anerkennung wert, dass erstmals in
er Geschichte der Bundesrepublik Deutschland eine






(A) )



(B) )


Monika Grütters
verbindliche Vereinbarung zwischen dem Bund und al-
len Ländern zum Thema Wissenschaftspolitik zustande
gekommen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum ersten Mal gibt es einen regelrechten Vertrag,
der für beide Seiten rechtlich bindend ist und in dem der
aktuellen Situation an den deutschen Hochschulen buch-
stäblich Rechnung getragen wird. Dadurch dokumentie-
ren wir doch, dass wir alle – da beziehe ich auch die Op-
position mit ein – die ungeheuren Chancen für die
Republik wahrnehmen, die für uns eine große Anzahl
Studierender bedeuten – das haben Sie gesagt –, dass wir
aber auch anerkennen müssen, dass das eine Anstren-
gung aller ist, nicht nur der Bundesländer, die immer auf
ihrer hoheitlichen Aufgabe beharren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir dokumentieren ebenso, dass wir anerkennen, dass
das unser aller Geld kostet, auch das Geld des Bundes,
und dass nicht allein den Ländern überlassen werden
kann, was sie aufgrund ihrer Bildungshoheit zwar immer
tun wollen, aber nicht tun; sie finanzieren die Hochschu-
len schließlich seit Jahren nicht richtig mit. Das ist nicht
die Schuld des Bundes. Deshalb geht Ihre Kritik an den
falschen Adressaten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Richten Sie sie an diejenigen in den Bundesländern und
der Wissenschaftspolitik, zu denen Sie noch Zugang ha-
ben.


(Jörg Tauss [SPD]: Die sind nicht da, blöd!)


Der gesamtgesellschaftliche Nutzen wird auch ge-
samtgesellschaftlich begleitet werden müssen. Es ist
wirklich schade, dass bei solch einer Debatte, wo es zum
ersten Mal um eine verbindliche Zusammenarbeit zwi-
schen Bund und Ländern auf diesem Zukunftsfeld geht,
die Länderpräsenz so gering ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Nicht erst seit der – ich will sagen: leidigen – Föderalis-
musreform ist das ein Meilenstein in der bundesrepubli-
kanischen Bildungspolitik.


(Ulrike Flach [FDP]: Das sind aber ganz neue Töne in der CDU!)


Die Opposition beklagt, dass nur 565 Millionen Euro
investiert würden. Wie viel haben Sie denn in Ihrer Regie-
rungszeit zur Verfügung gestellt: 1 Milliarde Euro, 2 Milli-
arden Euro, 5 Milliarden Euro? Es sind immerhin 565 Mil-
lionen Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insgesamt ist es ein Paket von 1,27 Milliarden Euro, das
der Bund den Hochschulen, die in der Zuständigkeit der
Länder sind, zusätzlich zur Verfügung stellt. Mit den Ge-
genfinanzierungen durch die Länder sind es
2 Milliarden Euro.

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(C (D Hinzu kommt, dass Frau Schavan sich vom ersten Tag hrer Amtszeit an diesem Thema verpflichtet hat. Jetzt ird das Ganze zu einem Ende gebracht. Ja, nur zum Teil. Herr Rossmann, ein Teil der Kritik gilt auch Ihnen. ei allem Respekt davor, dass jeder von uns die eigene eistung in der Großen Koalition herausstellen will: Das rgebnis des Hochschulpaktes 2020 ist begrüßenswert nd wäre natürlich nicht ohne Nachverhandlungen bei er Föderalismusreformdebatte zustande gekommen. uch Sie, Herr Rossmann, wissen ganz genau, dass viele ildungspolitiker auf unserer Seite dieses Interesse tei en. Ich möchte jetzt nicht auf Kritik eingehen, sondern etonen, dass wir seitens der Koalitionsfraktionen wichige Eckpunkte in diesem Antrag formuliert haben. Es ibt beispielsweise eine unterschiedliche Berücksichtiung der künftigen Entwicklung in den Ostund in den estbundesländern. Die Tatsache, dass es eine größere obilität zwischen den Bundesländern gibt, ist ein Lob ert. Man sollte also nicht ausschließlich kritisieren, as wir nicht aufgenommen haben. Dies hat es vorher noch nie gegeben, dass in einem ertragswerk Wanderungen der Studierenden festgechrieben werden. Außerdem wird die besondere Situaion der Stadtstaaten berücksichtigt. ie Stadtstaaten sind zwar aufgrund der hohen Studieendenzahlen glücklich, aber aufgrund ihrer relativ niedigen Einwohnerzahl können sie sich diese nicht leisten. ieser Punkt ist, wie gesagt, berücksichtigt worden. (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


(Zuruf: Aber nur zum Teil!)


(Jörg Tauss [SPD]: Ja!)


an sollte nicht immer nur gegen die Unterfinanzierung
olemisieren.

Dass die Bedeutung der natur- und ingenieurwissen-
chaftlichen Fächer berücksichtigt wurde, wissen Sie.
hren Appell, dass die Wirtschaft Fachleute braucht,
ennen wir bereits. Die Kontrolle der tatsächlichen Ver-
endung der Mittel für den Hochschulbau und die Sorge

ür eine angemessene Betreuung der Studierenden sind
on uns ebenfalls berücksichtigt worden, Herr Gehring.
ass die Evaluation der Umsetzung des jetzigen Paktes
ie Verlängerung bis 2020 ermöglichen soll, ist ebenfalls
iedergeschrieben worden.

Ich nenne als weitere Stichpunkte die Frauenförde-
ung, die Vorzüge neuer Personalkategorien und die Be-
eutung der Fachhochschulen. Das sind Ansätze aus der
pposition, die wir in unserem Antrag aufgenommen
aben.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wir haben ganz bewusst den Antrag mit Aufforderun-
en an die Bundesregierung, aber auch mit Erwartungen
n die Bundesländer versehen. Herr Gehring und Frau






(A) )



(B) )


Monika Grütters
Hirsch, ich muss schon sagen: Vorgaben zu machen,
mag Ihr Stil sein. Demokratischer ist es aber, die Zustän-
digkeiten und die Verteilung der hoheitlichen Aufgaben
zu respektieren.


(Michael Kretschmer [CDU/CSU]: Genau so ist es!)


Ich kann Ihnen nur eines mit auf den Weg geben: In
Berlin hat Ihre Partei, Frau Hirsch, das Vergnügen, an
der Regierung zu sein und die Wissenschaftspolitik – ich
muss sagen: leider – mit zu beeinflussen. Machen Sie
dort den Verantwortlichen doch einmal Vorgaben, ein
bisschen mehr für die Hochschulen zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sieben von zehn Studienanfängern werden in dem Bun-
desland wieder nach Hause geschickt, in dem Sie die
Verantwortung für die Hochschulpolitik tragen. Es wäre
schön, Sie würden dort die Vorgaben, die Sie uns hier
machen, umsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich komme zum Schluss. Wir haben nur Appelle an
die Hochschulen aufgenommen, weil wir Respekt vor
der Hochschulautonomie haben, für die wir jahrelang
eingetreten sind. Bei Beginn der Verhandlungen zum
Hochschulpakt hat die „FAZ“ von „haltlosen Länderego-
ismen“ geschrieben, denen man begegnen müsse. Ich
glaube, wir haben es geschafft. Wir haben 90 000 neue
Plätze für Studienanfänger ermöglicht. Zum Pakt gehört
die neue Mobilität zwischen den Ländern, und dazu ge-
hören auch fast 2 Milliarden Euro, mit denen der Unter-
finanzierung der Hochschulen begegnet wird. Der Hoch-
schulpakt 2020 ist ein zuversichtlich stimmendes Signal.

Ich hoffe – das sind wir allen jungen Menschen schul-
dig –, dass nach der Ministerpräsidentenkonferenz im
Juni dieser Pakt in Kraft treten kann.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609112500

Zum Abschluss der Debatte hat der Kollege Klaus

Hagemann für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1609112600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Deutschland kann froh und dankbar sein, dass
die Studierendenzahlen in den nächsten Jahren steigen
werden. Ich hoffe, dass viele von den Jugendlichen, die
heute unsere Gäste sind, darunter sein werden. Herzlich
willkommen, liebe Jugendlichen, im Deutschen Bundes-
tag!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir werden einen Anstieg von zurzeit 2 Millionen
Studierenden auf etwa 2,7 Millionen bekommen. Da
Deutschland ein Land ohne nennenswerte Rohstoffvor-
kommen ist, brauchen wir gut ausgebildete Menschen.

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(C (D it diesem Hochschulpakt, über den wir heute diskutieen, wollen wir dazu beitragen. Wir kennen die Klagen der Wirtschaft; Herr Kollege arth hat sie angesprochen. Aber auch die Wirtschaft önnte sich ein bisschen stärker in diesem Bereich beteiigen: n der Ausbildung, aber beispielsweise auch bei der Fianzierung von Lehrstühlen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


(Beifall bei der SPD)


as ist in Amerika gang und gäbe und sei an dieser
telle noch einmal gefordert.

Wir wissen aber, dass nicht erst in der Zukunft Studie-
endenplätze fehlen, sondern auch jetzt schon. Von 9 000
tudiengängen in der Bundesrepublik Deutschland sind
ach den Erkenntnissen des Centrums für Hochschulent-
icklung 57 Prozent zulassungsbeschränkt. Das heißt,

ie haben einen Numerus clausus.
Frau Kollegin Flach, Nordrhein-Westfalen ist ein gutes

eispiel. Unser geschätzter ehemaliger Kollege Pinkwart


(Uwe Barth [FDP]: Hören Sie mal zu, Herr Tauss!)


at einen Anstieg des Anteils der zulassungsbeschränk-
en Fächer von 38 Prozent auf 45 Prozent zu verantwor-
en, Herr Kollege Barth. Das ist praktisch ein Wegfall
on Studierendenplätzen. Frau Flach, bitte nehmen Sie
as mit und sagen Sie das Ihrem Kollegen Pinkwart, da-
it das wieder ins Lot kommt.


(Beifall bei der SPD)


Aber auch Bayern sei erwähnt. Hier ist ein extremer
achholbedarf festzustellen.


(Jörg Tauss [SPD]: Oh ja!)


as Centrum für Hochschulentwicklung sagt, dass
9 000 Plätze fehlen. Frau Professor Grütters, eines
öchte ich Ihnen zurufen: Berlin hat natürlich eine

roße Überlast, die es hier schon übernimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Monika Grütters [CDU/CSU]: Das weiß ich! Dafür hat es 4 Prozent!)


uch mein Heimatland Rheinland-Pfalz hat sich sehr
tark für Studienplätze engagiert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Vorbildlich!)


Ja, vorbildlich.

Wir wissen, dass die steigenden Studierendenzahlen
ine Herausforderung für den Gesamtstaat, für Bund und
änder, sind. Deswegen muss sich der Bund hier enga-
ieren. Wir sollten keine großartigen Diskussionen über
inanzzuständigkeiten führen, sondern handeln und die
ntsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.

Verehrter Kollege Gehring, ich bin froh und dankbar,
ass die Union im Hinblick auf Art. 91 b Grundgesetz






(A) )



(B) )


Klaus Hagemann
doch noch den Dreh bekommen hat und ihm zustimmen
konnte. Es gab ja heftigen Widerstand seitens einiger
Länder dahin gehend, dass dem Bund mehr Zuständig-
keiten im Hochschulbereich zugestanden werden sollten.
Ich möchte lobend anerkennen, dass sich die Bildungs-
politiker hier durchgesetzt haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in meiner
restlichen Redezeit die Situation aus Sicht eines Haus-
hälters, als der ich hier rede, darstellen. Wenn wir die
veröffentlichte Meinung beobachten, so ist festzustellen,
dass dort dargestellt wird, wir in der Bundesrepublik
Deutschland würden im Geld schwimmen und die Ein-
nahmen sich überschlagen. Aber die Realitäten sehen et-
was anders aus. Denn etwa 10 Milliarden Euro der Aus-
gaben, die im Entwurf des Haushaltsplans für 2008
vorgesehen sind, sind – das können wir schon jetzt vor
der Steuerschätzung im Mai sagen – noch nicht gedeckt.
Auch weiterhin ist im Interesse der jungen Generation,
der jungen Menschen, die hier unsere Gäste sind, Kon-
solidierungsbedarf notwendig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Denn wir haben noch zu hohe Schulden und eine zu
hohe Nettokreditaufnahme. Die Nettokreditaufnahme
muss zurückgeführt werden.

Deswegen bitte ich darum, verehrte Frau Hirsch, in
Ihre Rede auf der einen Seite realistische Überlegungen
und auf der anderen Seite die verfassungsrechtlichen Be-
dingungen mit einzubeziehen. Auch darauf sollten Sie
hinweisen, Frau Hirsch, und nicht Forderungen stellen,
die nicht mit der Realität zu vereinbaren sind, sondern
aus dem Wolkenkuckucksheim stammen, obwohl sie
vielleicht unter inhaltlichen Aspekten richtig wären.

Wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten
sind der Meinung, dass Bildungsinvestitionen Investitio-
nen in die Zukunft sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deswegen müssen wir trotz der Einsparungsnotwendig-
keiten entsprechende Mittel zur Verfügung stellen; da
sind sich die Kolleginnen und Kollegen im Haushalts-
ausschuss einig.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609112700

Herr Kollege, ich will Ihren Schwung nicht stoppen;

aber die Kollegin Flach würde Ihnen gern eine Zwi-
schenfrage stellen.


(Jörg Tauss [SPD]: Die Kollegin Hirsch auch!)


– Die Kollegin Hirsch auch.


Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1609112800

Das ist nett. Darauf habe ich gewartet.

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(C (D Möchten Sie beide zulassen? – Ja. Frau Flach, bitte schön. Lieber Kollege Hagemann, wir sind uns ja immer an ielen Stellen einig. Richtig. Jetzt haben Sie gerade sehr erbittert auf den Linken erumgehauen; auch da sind wir uns oft einig. ber wir alle haben ja in den letzten Tagen gemeinsam ie Zeitung gelesen. a sprangen mir natürlich die Titelseiten entgegen, auf enen stand, dass angesichts der steigenden Steuereinahmen und des steigenden BIPs sowohl Frau Schavan ls auch Herr Glos als Erste den Finger gehoben und geagt haben: Wir wollen deutlich mehr Geld haben. Wir werden darüber im Herbst diskutieren, Herr agemann. Aber mich interessiert angesichts der Worte, ie Sie eben gefunden haben, natürlich schon Ihre Meiung. Halten Sie das für positiv? Sind Sie als Haushälter er SPD bereit, den beiden entgegenzukommen, oder icht? Frau Flach, zunächst einmal gebe ich das Kompli ent zurück: Wir arbeiten in diesem Bereich gut im aushaltsausschuss zusammen. (Jörg Tauss [SPD]: Habt ihr auch zusammen Zeitung gelesen?)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609112900
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1609113000
Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1609113100
Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1609113200

(Heiterkeit bei der SPD)


(Jörg Tauss [SPD]: Gemeinsam?)

Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1609113300

ber ich habe nicht auf der Linken herumgehauen, wie
ie gesagt haben, sondern nur für ein bisschen Realitäts-
inn und die Verfassungslage geworben. Ich schätze
rau Hirsch viel zu sehr als Fachfrau, als dass ich auf ihr
erumhauen würde. Das möchte ich hier unterstreichen.

Frau Flach, natürlich freuen wir uns darüber, dass die
teuereinnahmen steigen. Es ist aber nicht so – ich habe
as deutlich gemacht –, dass die Kasse überläuft. Wich-
ig ist, dass wir gerade im Bildungs- und im Forschungs-
ereich die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen.
as ist nämlich eine Investition in die Zukunft; das
öchte ich hier doch noch einmal unterstreichen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir werden in diesem Jahr die ersten Schritte unter-
ehmen, wenn wir den Haushalt für das Jahr 2008 auf-
tellen. Zum BAföG – der Kollege Rossmann hat das an-
esprochen – liegen entsprechende Beschlüsse meiner
raktion vor.






(A) )



(B) )


Klaus Hagemann

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ulrike Flach [FDP]: Hört! Hört!)


Auch den Hochschulpakt werden wir, so denke ich,
zum großen Teil finanzieren können. Herr Staatssekretär
Storm, rund 265 Millionen Euro der 1,3 Milliarden Euro,
die für den Hochschulpakt eingeplant sind, sind bisher
noch nicht gegenfinanziert. Hierfür muss und wird die
Koalition eine Lösung finden. Ich hoffe, dass wir auf
diesem Gebiet kreativ arbeiten können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609113400

Frau Hirsch, bitte.


Cornelia Hirsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609113500

Es ist schön, dass Sie als Fachmann für Finanz- und

Haushaltsfragen in der Bildungsdebatte sprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das finde ich wirklich gut.

Vielleicht können wir einen kleinen Disput klären,
den wir in der gestrigen Fragestunde mit dem Kollegen
Tauss hatten, als wir gefragt haben, wie bestimmte Fi-
nanzierungen aussehen. Ich habe vorgeschlagen – ich
sage das, da Sie uns mangelnden Realitätssinn vorge-
worfen haben –, dass wir uns das anschauen, was wir am
Freitag im Bundestag beschließen sollen, nämlich die
sogenannte Unternehmensteuerreform. Nach Berech-
nungen des Ministeriums, aber auch nach Berechnungen
anderer Stellen, gehen dadurch rund 10 Milliarden Euro
verloren.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Wie können Sie uns vorwerfen, in einem Wolkenku-
ckucksheim zu leben, wenn Sie gleichzeitig so eine Re-
form mit auf den Weg bringen und nicht ganz massiv da-
gegenreden? Wenn es Ihnen so wichtig ist, für die junge
Generation etwas zu tun, dafür zu sorgen, dass viele Ju-
gendliche an die Hochschulen kommen können, warum
stellen Sie für BAföG und Hochschulpakt dann nicht
mehr Mittel zur Verfügung, was möglich wäre, wenn Sie
ein Projekt wie die Unternehmensteuerreform nicht mit-
beschließen würden?


(Jörg Tauss [SPD]: Frau Präsidentin, dürfen wir jetzt die ganze Reform erläutern?)



Klaus Hagemann (SPD):
Rede ID: ID1609113600

Frau Kollegin Hirsch, ich darf antworten: 10 Milliarden

Euro für die Unternehmensteuerreform, das ist völlig un-
realistisch. Für die Endstufe sind 5 Milliarden Euro nicht
gegenfinanziert, am Anfang sind es 6 Milliarden Euro.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Rechnen konnten die noch nie!)


Das wird sich nach und nach einpendeln. Da die Be-
triebe ihre Einnahmen hier im Land versteuern sollen, ist
die Unternehmensteuerreform dringend notwendig. Des-
halb muss gehandelt werden. Nach einer gewissen Zeit
wird wieder mehr Geld eingehen; das ist deutlich gewor-

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(C (D en. Der Selbstfinanzierungseffekt ist noch gar nicht beücksichtigt. Dieser Schritt ist, so meine ich, notwendig nd richtig. Dazu möchte ich jetzt keine weiteren Fragen eantworten. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich auf die 1,3 Milliarden Euro zurück-
ommen, die der Bund in der nächsten Zeit für beide
äulen zur Verfügung stellen wird. Herr Storm, ich habe
ereits angesprochen, dass wir kreativ sein müssen, um
ntsprechende Mittel zur Verfügung stellen zu können.

Wir müssen die Länder in die Pflicht nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Das ist wohl wahr!)


ie zusätzlich notwendigen Mittel müssen tatsächlich
usätzlich zur Verfügung gestellt werden und dürfen
icht in anderen Bereichen eingespart werden. Darauf
egen wir großen Wert. Wir wollen das Ziel, die For-
chung mit 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts zu för-
ern, erreichen. Sowohl die Wirtschaft als auch die Län-
er müssen ihren Einfluss nutzen, damit dieses Geld
uch wirklich da ankommt, wo es ankommen soll.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Für den
ochschulpakt stellen wir 1,3 Milliarden Euro als frei-
illige Investition des Bundes zur Verfügung. Der
ochschulpakt ist genauso wie das Ganztagsschulpro-
ramm, das Rot-Grün vor wenigen Jahren auf den Weg
ebracht hat, wegweisend; denn dadurch hat sich die
enkweise verändert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ir befinden uns auf einem guten Weg. Dieses Geld
uss aber auch verausgabt werden. Die Länder rufen

as Geld für das Ganztagsschulprogramm Gott sei Dank
b. Von den 4 Milliarden Euro wurden 2 Milliarden Euro
bgerufen. Sogar Bayern und Hessen rufen die Gelder
b, obwohl sich die CDU/CSU-Länder am Anfang be-
onders gewehrt haben.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


ir befinden uns, wie gesagt, auf einem guten Weg. Ich
offe, dass wir der jungen Generation den richtigen Weg
ufzeigen können.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609113700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
chätzung. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner
eschlussempfehlung auf Drucksache 16/4875 die An-
ahme des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und
er SPD auf Drucksache 16/4563 mit dem Titel „Den
ochschulpakt erfolgreich umsetzen“. Wer stimmt für






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung ange-
nommen mit den Stimmen der Großen Koalition gegen
die Stimmen der Fraktionen Die Linke, der FDP und
Bündnis 90/Die Grünen.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 16/4875 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des
Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3278
mit dem Titel „Hochschulpakt 2020 – Kapazitätsausbau
und soziale Öffnung“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Diese
Beschlussempfehlung ist ebenfalls angenommen mit den
Stimmen der Großen Koalition und der FDP gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung des
Bündnisses 90/Die Grünen.

Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 16/4875 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des
Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/3281 mit dem Titel „Hochschulpakt
2020 zum Erfolg bringen – Studienplätze bedarfsgerecht
und zügig ausbauen“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Diese
Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
der Koalition gegen die Stimmen des Bündnisses 90/Die
Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der
Fraktion der FDP.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss für Bildung, For-
schung und Technikfolgenabschätzung unter Nr. 4 seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4875 die Ab-
lehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksa-
che 16/3290 mit dem Titel „Die Qualität der Hochschul-
lehre sichern – den Hochschulpakt 2020 erfolgreich
abschließen und weiterentwickeln“. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthal-
tungen? – Damit ist diese Beschlussempfehlung eben-
falls angenommen mit den Stimmen der Großen Koali-
tion und der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der
FDP bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für
Finanzinstrumente und der Durchführungs-

(Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)


– Drucksachen 16/4028, 16/4037 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksachen 16/4883, 16/4899 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Georg Fahrenschon
Nina Hauer
Frank Schäffler
Dr. Gerhard Schick

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
des Bündnisses 90/Die Grünen vor.

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(C (D Verabredet ist, hierzu eine halbe Stunde zu debattieen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Ich eröffne die Aussprache. Als Erstes erteile ich das ort in der Aussprache der Kollegin Nina Hauer für die PD-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ir beraten heute abschließend die Umsetzung der EUichtlinie über Märkte für Finanzinstrumente. Es geht arum, welche Regeln in Zukunft europaweit beim Kauf nd Verkauf von Wertpapieren gelten. Die Richtlinie hat as zentrale Anliegen, den Anlegerschutz bei Wertpaiergeschäften zu stärken und europaweit ein gleiches iveau zu bilden. Sie bietet für den Anleger mehr Wettewerb, mehr Transparenz und mehr Schutz vor falscher eratung. Wenn jemand sein Vermögen von jemandem, der ein olches Portfolio verwalten kann, verwalten lassen will, ann er in Zukunft davon ausgehen, dass er umfassend nd transparent beraten wird. Er muss dann im Umehrschluss seine Vermögensund Lebenslage offenleen. Wir in den Koalitionsfraktionen haben gesagt: enn es von demjenigen, der sich beraten lassen öchte, keine Offenlegung gibt, kann die Beratung nicht tattfinden. Denn wer Wertpapiergeschäfte solide betreien will, muss auch so beraten können, dass derjenige, er auf der anderen Seite des Tisches sitzt, weiß, wie och das Risiko bei bestimmten Anlagen sein kann (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nina Hauer (SPD):
Rede ID: ID1609113800

nd was das unter Umständen für die eigene Vermögens-
age bedeuten kann.

Das bedeutet: keine Beratungen ohne Offenlegung.
as heißt für den Kleinanleger, beispielsweise für den
rbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin mit ganz norma-

em Einkommen, der bzw. die für die Altersvorsorge
eld investieren will: Wenn er bzw. sie in Zukunft zu ei-
em Bankberater oder zu einem unabhängigen Finanz-
erater geht, dann kann er bzw. sie darauf vertrauen,
ass größeres Augenmerk auf die individuelle Situation
erichtet wird. Man muss selbst deutlich machen, in wel-
her finanziellen Lage man ist. Auf der anderen Seite
es Tisches wiederum muss dargelegt werden, welche
onsequenzen das hat, wie hoch die Provision ist und
elche Interessenlage aufseiten der Bank bzw. des Fi-
anzdienstleisters vorhanden ist.

Das heißt, dass man leichter nachvollziehen kann,
elches Produkt warum empfohlen wird. Ich denke, das

st ein wesentlicher Punkt, der gerade bei ganz normalen
euten mit ganz normalem Einkommen eine große Rolle
pielt. Denn oft ist nicht klar: Was ist das Besondere an
iesem Produkt? Kann ich mir das leisten? Warum wird
ir ausgerechnet dieses Produkt verkauft? Dann kann es

orkommen, dass die Überraschung hinterher sehr groß
st. Das kann in finanzieller Hinsicht unter Umständen
ehr unangenehm werden.






(A) )



(B) )


Nina Hauer
In Zukunft gibt es größere Klarheit über die Interes-
senlage bei der Beratung, und Geschäftsvorgänge wer-
den dokumentiert, sodass sie nachvollziehbar sind. Man
kann sich darauf verlassen, dass leichter nachzuvollzie-
hen ist, was von wem versprochen wurde. Bei ganz nor-
malen Bankkunden ist es nämlich oft der Fall, dass sie
sich hinterher nicht mehr erinnern können, warum ihnen
was gesagt wurde.

Es gibt immer mehr Menschen, die ihre privaten
Geldgeschäfte abends, nach Feierabend im Internet erle-
digen. Das Onlinebroking hatte bisher einen zweifel-
haften Ruf. Ich denke, dass es diesen Ruf nicht unbe-
dingt verdient hat. In Zukunft wird auch der Anleger, der
im Rahmen des Onlinebroking investiert, informiert.
Aber er muss auch selber angeben, wie seine Vermö-
genslage und seine Risikosituation sind. Dann wird er
unter Umständen gewarnt. Auch das Onlinebroking
kann also nicht dazu verführen, ein Derivat oder ein ähn-
liches Produkt zu kaufen, das eine hohe Risikostruktur
aufweist, vielleicht auch eine hohe Gewinnchance bietet,
für den einzelnen Anleger aber überhaupt nicht geeignet
ist. Zumindest wird der Anleger vor dem Kauf solcher
Produkte gewarnt. Solche Geschäfte können nicht ver-
hindert werden. Aber man kann dafür sorgen, dass dieje-
nigen, die vor ihrem Computer sitzen, ausreichende In-
formationen erhalten.

Für alle Aufträge gilt in Zukunft, dass derjenige, der
anbietet, das günstigste und beste Produkt aussuchen
muss. Es gibt keinen Verkauf aufgrund der eigenen Ge-
schäftslage und aufgrund des eigenen Geschäftsinteres-
ses mehr, sondern es gibt nur einen Verkauf nach dem
besten Preis. Auch das ist neu und gilt europaweit.

Wir haben in den Beratungen zu diesem Gesetzent-
wurf beschlossen, dass wir die Investmentfonds von
dieser Regelung ausnehmen wollen. Diese Produkte sind
hoch standardisiert. Sie haben einen speziellen Mecha-
nismus bei der Preisbildung und einen eigenen Vertriebs-
weg. Unserer Einschätzung nach passen sie weder fach-
lich, noch gehören sie von der Verkaufsstrategie her in
diesen Gesetzentwurf. Ich denke, das wird einleuchten,
wenn man berücksichtigt, dass das Risiko in diesem Be-
reich extrem niedrig ist, weil es sich um ein standardi-
siertes Produkt handelt. Das heißt nicht, dass es in die-
sem Bereich nicht auch Produkte mit hohem Risiko gibt.
Aber man kann diese Produkte leichter einordnen, weil
sie in der Regel standardisiert sind.

Wir haben lange darüber diskutiert, wie wir die
geschlossenen Fonds behandeln. Wir haben beschlos-
sen, dass wir uns in naher Zukunft mit den Vertriebswe-
gen und mit der Nachfrage nach ihnen auseinandersetzen
werden. Dabei muss man bedenken, dass manche Kun-
den vielleicht denken, dass ein geschlossener Fonds et-
was Ähnliches wie ein Wertpapier ist. Da das aber nicht
der Fall ist und geschlossene Fonds keine Wertpapiere
sind und auch nicht wie solche gehandelt werden, haben
wir sie von dieser Richtlinie ausgenommen. Das ist mit
der Richtlinie insgesamt vereinbar, und das ergibt sich
aus dem Sachzusammenhang. Trotzdem bedeutet das,
dass wir uns genau ansehen müssen, wer was an wen
verkauft. Denn es gibt einige Hinweise darauf, dass es

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(C (D urchaus Kunden bzw. Kundinnen gibt, die falsche Vortellungen von den Gewinnchancen eines Investments in inen solchen Fonds haben. Wir haben in unseren Gesetzentwurf die Definition iner Handelsplattform aufgenommen. Diese Definiion umfasst nicht nur die Börse, sondern dazu gehören uch die multilateralen Handelssysteme und die sogeannten systematischen Internalisierer. Da herrscht mehr ransparenz. Weil wir dafür sorgen wollen, dass sich lle, die da kaufen und verkaufen, darauf verlassen könen, dass für sie Regeln gelten, wollen wir im Gegensatz um Regierungsentwurf die aktienvertretenden Zertifiate in den Geltungsbereich des Gesetzes einbeziehen. s soll also nicht möglich sein – das könnte nämlich pasieren –, eine Plattform zu bilden, über die nur solche rodukte gehandelt werden. Dieses Risiko erscheint uns u hoch. Denn bei diesen Produkten, die auf den Märken – nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika – ehr verbreitet sind, handelt es sich eindeutig um Wertapiere. Dadurch, dass wir sie in Deutschland einbezieen – alle Regeln dieses Gesetzes sollen auch für diese rodukte gelten –, sorgen wir für mehr Klarheit, wer mit as handeln darf. Wir haben insgesamt klarere Spielregeln, wir haben ine ordentliche Beratung. Ich denke, dass dieses Gesetz en unterschiedlichen Erwartungen, die wir an den Fianzmarkt Deutschland haben, gerecht wird. Wir wollen inen Finanzmarkt, auf dem sich die Unternehmen Geld eschaffen können, um ihre Ideen umzusetzen. Aber uch ganz normale Leute, die ihr Einkommen in ihre Alersversorgung oder Vermögensbildung – und sei dieses ermögen auch klein – stecken wollen, sollen einschäten können, welches Risiko sie eingehen. Sie sollen gut ber die Risikostruktur beraten werden und sich gegen eschäftspraktiken wehren können, die dazu führen, ass sie ein hohes Risiko haben und, im schlimmsten all, auch einen hohen Verlust. Ich denke, dem wird unere nationale Umsetzung dieser europäischen Richtlinie erecht. Ich möchte mich für die Zusammenarbeit bedanken, uch bei den Berichterstattern der Oppositionsfraktioen, ebenso beim Bundesfinanzministerium. Ich beanke mich für die gute Arbeit in den Beratungen. Im inblick auf manche Fragen bedanke ich mich auch erzlich für die Geduld. Ich denke, wir haben hier eine ute Umsetzung erreicht, die unseren Finanzmarkt nach orne bringt. Vielen Dank. Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Frank chäffler für die FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Was hat der größte Anlegerbetrugsskandal der Frank Schäffler deutschen Nachkriegsgeschichte mit der Umsetzung der MiFID-Richtlinie in deutsches Recht zu tun? Bei Phoenix geht es in den nächsten Wochen um die Entschädigung von knapp 30 000 Anlegern durch die Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen, in der 750 Unternehmen als Zwangsmitglieder zusammengeschlossen sind. Die Unternehmen müssen bis zu 180 Millionen Euro nachschießen. Das bringt viele dieser Unternehmen an den Rand ihrer Existenz. Viele verlassen inzwischen unser Land oder beschreiten den Klageweg. Mit dem Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz regeln wir die Bedingungen für den Wertpapierhandel in Deutschland. Der vorliegende Gesetzentwurf orientiert sich weitestgehend am Prinzip der Eins-zu-eins-Umsetzung. Endlich; oft genug hat sich diese Koalition nicht an dieses Prinzip gehalten. (Beifall bei der FDP – Zuruf von der FDP: Leider! – Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Betreiben Sie einmal Beweisführung!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609113900

(Beifall bei der FDP)

Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1609114000




(A) )


(B) )


(Georg Fahrenschon [CDU/CSU]: Gar nichts!)


– Da können wir viele Beispiele nennen, zum Beispiel
die Umsetzung von Basel II.

Das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über
Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungs-
richtlinie der Kommission ist nicht nur vom Namen her
ein Ungetüm. Auch die Umsetzung in die Praxis bedeu-
tet eine gewaltige Belastung für die Finanzwirtschaft.
Wichtig war uns bei diesem Gesetz, die Finanzwirtschaft
nicht zu überfordern und den Anwendungsbereich nicht
über den von der Richtlinie vorgegebenen Rahmen aus-
zudehnen. Das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsge-
setz dient dem Ziel, gleiche Wettbewerbsbedingungen in
Europa zu schaffen.

Beide Sachverhalte – MiFID-Umsetzung und Phoenix –
haben einen engen Zeithorizont: Die Banken müssen die
Vorschriften dieses Gesetzes bis zum 1. November um-
setzen. Das erfordert erhebliche Anstrengungen der Bran-
che. Wir hätten uns gewünscht, es wäre der Bundesregie-
rung gelungen, diese Frist zu verlängern. Bei Phoenix
wird der Insolvenzverwalter im April die Schadensumme
nennen. Dann hat die Entschädigungseinrichtung drei
Monate Zeit, die Anleger zu entschädigen.

Wir wollten im Rahmen des vorliegenden Gesetzge-
bungsverfahrens die Lösung des Anlegerbetrugsskandals
Phoenix voranbringen und die 750 Unternehmen entlas-
ten. Diese meist mittelständischen Unternehmen haben
nichts mit dem Phoenix-Skandal zu tun. Viele der be-
troffenen Zwangsmitglieder können nicht einmal einen
Entschädigungsfall auslösen. Sie sind mehr oder weni-
ger willkürlich der Entschädigungseinrichtung zugeord-
net worden und jetzt in ihrer Existenz gefährdet.


(Zuruf von der FDP: Das ist wirklich ein Problem!)


Eigentlich müsste der Gesetzgeber alles dafür tun, um
den Schaden für diese Unternehmen zu minimieren.

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(C (D iese Chance lassen Sie von der Großen Koalition heute ber verstreichen. Die EdW darf zwar Anleger entschäigen, deren Ansprüche gegenüber Dritten werden dereit aber nicht automatisch auf die EdW übertragen. iese Gesetzeslücke haben wir als Gesetzgeber zu ver ntworten. Dies könnte durch eine kleine, aber wichtige nderung beseitigt werden. Natürlich müssen wir uns auch grundsätzlich über die ntschädigungseinrichtung EdW unterhalten. Das hilft en Zwangsmitgliedern im Fall von Phoenix aber nicht ehr. Gerade nach aktuellen Medienberichten ist das ber umso wichtiger. Durch die Geltendmachung solcher nsprüche durch die EdW könnte die Entschädigungs umme erheblich verringert werden. Dass die Summe icht weiter reduziert werden kann, müssen Sie, meine amen und Herren von der Koalition, den Unternehmen inmal erklären. Erst werden die Unternehmen in einen Zwangsverand gepresst, und nun lassen Sie sie im Regen stehen. ir haben im internationalen Vergleich ohnehin nur eine ehr geringe Zahl von Vermögensverwaltern. Wenn wir ier nicht entschieden einschreiten, droht der Markt weier Schaden zu nehmen. (Beifall bei der FDP – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Man kann das auch herbeireden, Herr Kollege!)


(Beifall bei der FDP)


ie haben ja auch keine Sachargumente dafür. Ihr eige-
es Finanzministerium hat den Weg als gangbar bezeich-
et.

Sie haben davon gesprochen, dass Sie das Gesetz
icht mit anderen Regeln überfrachten wollen.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Thema ist doch MiFID!)


as war schon ein hilfloses Argument, zumal Sie Rege-
ungen der Basel-II-Umsetzung oder zur Geldwäschebe-
ämpfung in das Gesetz eingeführt haben. Grund für
hre Ablehnung scheint allein eine gekränkte Eitelkeit zu
ein nach dem Motto: Warum ist uns das nicht eingefal-
en?


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren von der Koalition, hier
eht es nicht um einen parteipolitischen Streit, sondern
s geht um die Existenz von 750 Unternehmen und ihrer
itarbeiter.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


ie haben immerhin zugestanden, dass das Thema in der
ächsten Sitzungswoche erneut auf der Tagesordnung
tehen soll. Ich hoffe nur, dass es dann nicht spät sein
ird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609114100

Als Nächster spricht der Kollege Georg Fahrenschon

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Georg Fahrenschon (CSU):
Rede ID: ID1609114200

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Am vergangenen Wochenende haben wir hier in
Berlin und in ganz Europa den 50. Jahrestag der Römi-
schen Verträge gefeiert.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: So ist es!)


Das war schon ein besonderes Signal.

Die Europäische Union ist ein Erfolg. Wir müssen
uns aber auch damit auseinandersetzen, an welchen Stel-
len wir besonders darauf achtgeben müssen, dass sie
auch in Zukunft erfolgreich sein kann. Damit sind wir
unmittelbar bei der Frage, wie in Europa gewirtschaftet
wird.

Wenn wir uns mit den Rahmenbedingungen der Wirt-
schaft in Europa auseinandersetzen, dann muss uns klar
sein, dass die Finanzmärkte für eine Volkswirtschaft
von zentraler Bedeutung sind. Mehr Wachstum, mehr
Beschäftigung und auch die Stabilisierung unserer sozia-
len Sicherungssysteme können nur funktionieren, wenn
die Finanzmärkte stabil sind, wenn sie Geld aber auch
möglichst preiswert zur Verfügung stellen. Je höher der
Grad der Integration ist, desto effizienter gestalten sich
die Verteilung von Kapital und langfristig auch die wirt-
schaftliche Leistungsfähigkeit.

Vor dem Hintergrund muss uns klar sein: Wenn wir
die Rahmenbedingungen für die Finanzmärkte in Europa
setzen, dann positionieren wir uns auch im direkten
Wettbewerb mit anderen großen Märkten, wie zum Bei-
spiel dem der Vereinigten Staaten. Deutschland hat in-
nerhalb Europas natürlich ein ganz besonderes Interesse
daran, weil die größte Volkswirtschaft allein durch die
Rahmenbedingungen, die die Finanzmärkte für sie dar-
stellen, mittendrin statt nur dabei ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Durch drei Zahlen soll das untermauert werden: Zum
Ersten trägt der Finanzdienstleistungssektor mit einer
Bruttowertschöpfung von rund 86 Milliarden Euro maß-
geblich zum deutschen Bruttoinlandsprodukt bei. Zum
Zweiten arbeiten in der Finanzbranche rund 1,4 Millio-
nen hochqualifizierte Beschäftigte. Zum Dritten ist der
deutsche Finanzmarkt mit über 80 Millionen Privatkun-
den der größte Markt für Finanzdienstleistungen in Eu-
ropa.

Das vorliegende Finanzmarkt-Richtlinie-Umset-
zungsgesetz ist der zentrale Bestandteil zur Vollendung
des Binnenmarktes. Denn mit diesem Gesetzesvorhaben
ist die Umsetzung des EU-Aktionsplans für Finanz-
dienstleistungen in deutsches Recht für den kompletten
Wertpapierbereich abgeschlossen. Deshalb gilt an dieser
Stelle mein besonderer Dank dem BMF für die sachliche
und hochqualifizierte Begleitung des Verfahrens und den

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(C (D itarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzausschuses unter der Führung des Vorsitzenden Eduard Oswald, ie in der vergangenen Nacht bis 2 Uhr am Bericht geareitet haben, damit wir den Gesetzentwurf heute beraten nd darüber abstimmen können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schäffler [FDP] – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir müssen uns schon selber loben, wenn es die anderen nicht tun!)


ch will auch den Berichterstattern herzlich danken – da-
it schließe ich mich der Kollegin Hauer an –, die sich
eines Erachtens tief in jede Sachfrage eingearbeitet ha-

en und mit denen wir gut und konzentriert zusammen-
earbeitet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Mit dem Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz
ird die europäische Richtlinie über Märkte für Finanz-

nstrumente umgesetzt. Im Vergleich zu ihrer Vorgänge-
in – der Wertpapierrichtlinie – erweitert die sogenannte

iFID das Spektrum der betroffenen Finanzdienst-
eistungen in zweierlei Hinsicht. Zum einen werden
eben den bekannten Kreditinstituten, Banken, Wert-
apierfirmen und Börsen in Zukunft auch die Anlagebe-
ater, die Betreiber sogenannter multilateraler Handels-
ysteme, die Vermögensverwalter und die vertraglich
ebundenen Vermittler von dieser Richtlinie erfasst.
um anderen werden auch die betroffenen Instrumente
rweitert. Über das klassische Wertpapier und die uns
ekannten Derivate hinaus werden in Zukunft auch Kre-
itderivate, Derivatkontrakte sowie finanzielle Diffe-
enzgeschäfte durch die staatliche Gesetzgebung organi-
iert, kontrolliert und beaufsichtigt.

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen haben
ir zudem die aktienvertretenden Zertifikate mit aufge-
ommen. Die Kollegin Hauer hat unsere Argumente be-
eits dargestellt.

Wir haben uns auch mit einer großen Anzahl von
etita des Bundesrates auseinandergesetzt und sind auf
iele Wünsche eingegangen. Wir haben die Anwendbar-
eit der Vorgaben des Investment- und des Wertpapier-
rospektgesetzes für die Werbung mit aufgenommen.
ir haben die Kennzeichnungspflicht von allgemeinen

mpfehlungen als Werbung konkretisiert. Wir haben
ine Übergangsregelung zur Kundeneinstufung geschaf-
en und ein Paket zum Bürokratieabbau im Zusammen-
ang mit der Arbeit des Börsenrates und dem Institut des
kontroführers bei den Börsen geschnürt.

In Bezug auf die vorgeschlagene Definition von Wa-
enbörsen sind wir ebenfalls auf den Bundesrat einge-
angen. In Zukunft werden nicht nur Emissionszertifi-
ate und hierauf bezogene Termingeschäfte, sondern
uch andere, warenbezogene Wirtschaftsgüter und
olkswirtschaftlich bedeutsame Variablen wie etwa
rachtsätze oder Klimavariablen entsprechend der euro-
äischen Vorgabe ausdrücklich zugelassen.

Hinsichtlich des neuen dritten Weges neben den Ban-
en und Börsen – den MTFs, den sogenannten multilate-
alen Handelsplattformen – konnten wir dem Wunsch






(A) )



(B) )


Georg Fahrenschon
des Bundesrates, die Kontrolle bei der Börsenaufsicht
der Länder zu lassen, leider nicht entsprechen. Für die
Unionsfraktion möchte ich jedoch ausdrücklich festhal-
ten, dass mit dieser Entscheidung keine Vorfestlegung
im Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen der Fö-
deralismuskommission II getroffen wurde. Das Thema
Börsenaufsicht wird von dieser Kommission noch ein-
mal behandelt. Das haben wir auch in Abstimmung mit
unserem Koalitionspartner mit einer entsprechenden
Passage im Bericht des Finanzausschusses festgehalten.

Lieber Herr Kollege Schäffler, ich gebe unumwunden
zu, dass uns Ihr Vorschlag, durch einen Antrag noch eine
Änderung in dem Verfahren der Einlagensicherung für
die Wertpapierdienstleister auf den Weg zu bringen, zu
intensiven Beratungen veranlasst hat


(Frank Schäffler [FDP]: Das war schon ein Ergebnis!)


und dass es auch einen gewissen Charme hat, im laufen-
den Verfahren nachzusteuern. Wir müssen uns aber auch
darüber im Klaren sein, lieber Herr Kollege, dass die be-
trügerischen Vorgänge bzw. die kriminellen Energien,
die bei Phoenix gewirkt haben, nicht dadurch besser
werden, dass Sie im Laufe eines Gesetzgebungsverfah-
rens hopphopp eine Änderung einschieben.


(Frank Schäffler [FDP]: Das sagt das Finanzministerium!)


Lassen Sie sich doch überzeugen, dass wir zu einer
stabileren und wirkungsvollen Handlungsweise kom-
men, wenn wir erst Sachaufklärung betreiben


(Frank Schäffler [FDP]: Das ist zu spät!)


und dann gemeinsam mit den Betroffenen und allen Ak-
teuren auf dem Finanzmarkt auf der Basis der geltenden
Rechtslage handeln,


(Frank Schäffler [FDP]: Sie haben noch drei Monate Zeit!)


statt einfach zwischen der fünften und sechsten Zeile
eine Änderung einzuschieben.

Wir sind hochinteressiert daran, dass der Finanzmarkt
in diesem Zusammenhang keinen Schaden nimmt. Wir
wollen sauber arbeiten; denn wenn etwas mit heißer Na-
del gestrickt ist, ist es nicht unbedingt besser.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, die MiFID
– oder auf Deutsch das FRUG; man könnte über die Ab-
kürzungen in der Finanzmarktregulierung einen geson-
derten Vortrag halten –


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir müssen uns mal einen schöneren Namen einfallen lassen! Das ist ein fürchterlicher Name!)


ist für die Wertpapierdienstleister das, was Basel II für
die Bankenbranche und Solvency II für die Versiche-
rungsbranche ist. Es ist daher meines Erachtens nicht
übertrieben, zu sagen, dass die MiFID nach der Einfüh-
rung des Euro eines der größten und wesentlichsten Pro-
jekte im europäischen Finanzmarkt darstellt.

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(C (D In diesem Sinn beschreiten wir mit dem heutigen Abchluss der MiFID einen weiteren maßgeblichen Schritt in zu einem integrierten, zukunftsfesten und wettbeerbsfähigen Finanzmarkt in Europa. Wir bitten um Ihre ustimmung. Herzlichen Dank. Jetzt hat Axel Troost das Wort für die Fraktion Die inke. Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol egen! Das Kriterium der Beurteilung des vorliegenden esetzes lässt sich aus meiner Sicht ganz eindeutig beennen: Bringt es eine Verbesserung des Verbraucherchutzes für die Kleinanleger? Wenn man, wie es die Reierungspolitik in beklagenswerter Kontinuität tut, die eschäftigten durch reale Rentenkürzungen in die priate Altersvorsorge treibt, ist dieses Beurteilungskriteium nur konsequent. Denn dann kann und muss man erarten, dass die sogenannten kleinen Leute vor den chwarzen Schafen der Finanzmärkte geschützt werden. Die gute Nachricht ist, dass das vorliegende Gesetz ierbei in der Tat einen ganz erheblichen Fortschritt geenüber dem Status quo bringt; denn es bringt mehr chutz für die Verbraucher. Aber die Frage ist: Reichen die vorgelegten Regelunen aus? Wir meinen, trotz stimmiger Gesamtrichtung erden durch Ausnahmetatbestände und Unterlassungen inige Chancen vertan. Ich will einige Punkte nennen: erstens die geschlosseen Fonds, die aus den verbraucherfreundlichen Anforerungen der Richtlinie herausgenommen worden sind. ie haben es damit zum einen versäumt, den schwarzen chafen auf diesem Markt das Handwerk zu legen und hn mit unter die Aufsicht der BaFin zu stellen. Zum aneren widerspricht dieses Vorgehen dem europäischen echt. Es ist daher zu befürchten, dass geschädigte An eger zu Recht Schadensersatzansprüche gegen die Bunesrepublik geltend machen. Ich frage mich, ob Sie wisen, was Sie sich damit eingehandelt haben. Ein weiterer Punkt ist der Ausschluss der freien ondsvermittler aus dem verbraucherfreundlichen Anendungsbereich des Gesetzes. Die Verbraucher werden icht erkennen, dass ein und dasselbe Produkt je nach ertriebsweg unterschiedlichen Schutzniveaus unter iegt. Auch die Umsetzung der so wichtigen Warnpflicht egenüber den Verbrauchern ist aus unserer Sicht unzueichend ausgefallen. Das zeigt sich bereits terminoloisch. Wir haben darauf gedrängt, den Terminus „waren“ ins Gesetz aufzunehmen. Stattdessen heißt es im esetz nur relativ harmlos: „hinweisen“. Dr. Axel Troost Aber es kommt noch schlimmer: Im Internet gilt keine Erkundigungspflicht, keine Angemessenheitsprüfung und keine Warnpflicht. Das ist an sich schon problematisch. Sie haben diesen Ausnahmetatbestand für das Internet aber so weit gefasst, dass ihn auch ganz normale Banken faktisch zum Schaden der Kunden nutzen können. Ein Ärgernis! Die Verbraucher im Vorfeld zu warnen, ist das eine. Das andere, aber genauso Wichtige ist, sie im eingetretenen Schadensfall zu schützen. Es ist sehr unbefriedigend, dass geschädigte Anleger die Fehler bei der Anlageberatung nach wie vor selbst beweisen müssen. Man kann sich vorstellen, dass gerade Kleinanleger damit überfordert sind. Leider ist es versäumt worden, die Position der Verbraucher durch eine Beweislastumkehr zu stärken. Hierbei muss aus unserer Sicht für die Zukunft Abhilfe geschaffen werden. Zuletzt – dieser Punkt ist auch sehr wichtig – haben Sie es unterlassen, die Verjährungsfristen bei fehlerhafter Beratung zu verlängern. Verbraucher merken aber häufig erst sehr spät, zum Beispiel wenn sie ihre Altersvorsorge in Anspruch nehmen wollen, dass sie falsch beraten worden sind. Hier muss ebenfalls Abhilfe geschaffen werden. Hier ist aus unserer Sicht eine deutliche Verlängerung der Verjährungsfristen notwendig. Das Angesprochene ändert nichts daran, dass wir zwar die Grundrichtung unterstützen, weil es sich in der Tat um eine Verbesserung des Verbraucherschutzes handelt, dass wir uns aber in der Abstimmung enthalten werden, weil die aufgezeigten Mängel aus unserer Sicht nicht behoben wurden. Danke schön. Jetzt spricht als Letzter in dieser Debatte der Kollege Dr. Gerhard Schick für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609114300

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609114400

(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609114500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vor-
liegende Entwurf eines Finanzmarkt-Richtlinie-Umset-
zungsgesetzes findet bei uns Grünen überwiegend Zu-
stimmung. Deswegen stimmen wir ihm zu.

Wir haben in den Ausschussberatungen deutlich ge-
macht, dass es zwei, drei kleinere Punkte gibt, die wir
für verbesserungswürdig halten. Ich möchte als Beispiel
die Frage nach den Warnhinweisen ansprechen, die
Kollege Troost gerade gestellt hat. Häufig ist davon die
Rede, dass wir ein Gold Plating machen, dass wir sozu-
sagen auf europäische Richtlinien noch etwas draufsat-
teln. Aber in diesem Fall ist es nach unserer Meinung
umgekehrt. Außen kommt nicht eine goldene Lack-
schicht drauf. Vielmehr wird von dem, was die MiFID
vorsieht, etwas abgekratzt.

Wenn beispielsweise subjektiv ungeeignete Anlage-
wünsche außerhalb der Anlageberatung geäußert wer-
den, sollte nicht nur ein Hinweis oder eine Information,

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(C (D ondern ein Warnhinweis erfolgen; das hat Brüssel eineutig signalisiert. Das ist ein qualitativer Unterschied nd nach unserer Meinung ein Beispiel dafür, dass es innvoll gewesen wäre, unseren Änderungsantrag anzuehmen. Statt einer Eins-zu-eins-Umsetzung haben wir n diesem Fall eine 1-zu-0,9-Umsetzung. Wir hätten uns esser an die Vorlage aus Brüssel gehalten. Obwohl wir dem Gesetzentwurf zustimmen, fordern ir Sie in unserem Entschließungsantrag auf, nicht steen zu bleiben. Es gibt eine Reihe von Punkten, die wir och aufgreifen sollten. In bestimmten Fragen konnten ir im Ausschuss gemeinsames Verständnis herstellen. ch möchte in diesem Zusammenhang ein paar Beispiele ennen. Das eine Beispiel ist das große Thema Verjährungsrist. Eine Reihe von Regelungen, die wir nun bei der msetzung der Finanzmarktrichtlinie treffen, betrifft die rage, wie sich der Anleger, wenn er nicht gut bzw. alsch beraten wurde, zur Wehr setzen und Schadeneratz fordern kann. 1998 wurde vor einem anderen echtshintergrund eine Sonderregelung für den Wertpaierbereich eingeführt, damit die Wertpapierunternehen nicht der 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegen. a diese aber im Jahr 2001 abgeschafft wurde, wäre nun m Rahmen der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie ine gute Gelegenheit gewesen, diese nicht mehr notendige Sondernorm in § 37 a des Wertpapierhandelsesetzes zu streichen. Ich hoffe, dass es uns in weiteren eratungen gelingt, diese Sondernorm abzuschaffen. Nach unserer Meinung gibt es ganze Regelungsbereihe, in denen es noch viel zu tun gibt. Der Bereich der eschlossenen Fonds wurde bereits angesprochen. Das st der Bereich des Kapitalmarktes, in dem es die meisen Fälle von schlechter Beratung und Betrug gibt und in em Unklarheit herrscht. Hier sollten wir unbedingt akiv werden. Das gilt auch für den Bereich der Zertifiate, einen Markt, der bei insgesamt geringer Anlage in onds und Aktien in den letzten Jahren massiv zugeommen hat und der extrem intransparent ist, weil die tandards des Anlegerschutzes noch nicht in gewünsch em Maße gelten. Diesen Markt sollten wir uns unbeingt vornehmen. Wir werden Vorschläge dazu vorlegen. Ein weiteres Beispiel ist die Strombörse. Sie alle aben sicherlich die Nachrichten mitbekommen. Wir üssen hier ebenfalls für Transparenz sorgen, wenn das in zukunftsfähiger Markt sein soll. Wir sind der Meinung, alle diese Bereiche, die ihre eienen Strukturen haben, nicht im Finanzmarkt-Richtliie-Umsetzungsgesetz zu berücksichtigen, sondern sie esondert zu regeln. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie uns im Stil der Geeinsamkeit, in dem wir über den vorliegenden Gesetz ntwurf beraten haben – herzlichen Dank an alle Beichterstatter für die Zusammenarbeit –, die noch ffenen Punkte angehen, um in den nächsten Monaten inen deutlichen Schritt im Interesse der Anlegerinnen nd Anleger voranzukommen. Danke schön. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines FinanzmarktRichtlinie-Umsetzungsgesetzes. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4883, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 16/4028 und 16/4037 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf mit dem gleichen Stimmverhältnis wie vorher angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4884. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Entschließungsantrag bei Zustimmung der Fraktionen des Bündnisses 90/Die Grünen und Die Linke und Gegenstimmen der übrigen Fraktionen abgelehnt. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 7 a und 7 b auf: a)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609114600
Dağdelen, Wolfgang Nešković, Petra Pau, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Grundsätzliche Überprüfung der Abschiebungs-
haft, ihrer rechtlichen Grundlagen und der In-
haftierungspraxis in Deutschland

– Drucksache 16/3537 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Josef
Philip Winkler, Omid Nouripour, Volker Beck

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Humanitäre Standards bei Rückführungen ach-
ten

– Drucksache 16/4851 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Hier ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattieren.
Die Fraktion Die Linke soll dabei fünf Minuten erhal-
ten. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Sevim Dağdelen für die Fraktion Die Linke.

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(C (D Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Die Dokumentationsstelle der Antirassistischen nitiative Berlin berichtet für die Jahre 1993 bis 2006 on 50 Flüchtlingen, die in deutschen Abschiebehaftantalten starben. 399 Häftlinge hätten sich bei dem Veruch, sich umzubringen, infolge von Hungerstreiks oder us Protest gegen ihre drohende Abschiebung selbst zum eil schwer verletzt. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. So heißt es in Art. 1 Grundgesetz. Der Eingriff in die reiheit der Person ist im demokratischen Rechtsstaat eier der massivsten staatlichen Eingriffe in die Menchenrechte, der nur unter sehr begrenzten Bedingungen berhaupt statthaft ist. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Freiwillige Ausreise, dann passiert nichts!)


(Beifall bei der LINKEN)

Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609114700

och im Umgang mit Flüchtlingen wurde und wird in
er Bundesrepublik etwas ganz anderes deutlich. Da
erden Grundrechte und einige wesentliche, von der
undesrepublik unterzeichnete und anerkannte Men-

chen- und Völkerrechtsstandards in vielen Fällen nicht
ewährleistet bzw. nicht umgesetzt.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Wie wäre es mit einer freiwilligen Ausreise?)


Die Würde von Flüchtlingen in Deutschland ist an-
astbar, ihre Freiheit ist verletzlich und ihre Gleichheit ist
nfechtbar. Das ganze gegenwärtige System der Ab-
chiebehaft und der Abschiebepraxis – Freiheitsentzug
hne Straftatbestand, Strafe ohne Rechtsgrund und ohne
echtsschutz – ist in einem sich demokratisch nennen-
en Staat das eklatanteste Beispiel eines staatlichen Ras-
ismus.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Die Linke lehnt die Inhaftierung von Menschen, die
usschließlich zur Sicherung einer Verwaltungshandlung
rfolgt, grundsätzlich ab und fordert, die Abschiebehaft
ls Mittel zur Durchsetzung von Abschiebungen abzu-
chaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


bschiebehaft ist unverhältnismäßig und stempelt Mi-
rantinnen und Migranten zu Kriminellen ab.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das sind sie ja auch! Sie können doch freiwillig ausreisen!)


Das stimmt einfach nicht. Das, was Sie hier behaupten,
st falsch und unwahr.

Aber nicht nur das: Abschiebehäftlinge, die sich we-
er einer Straftat schuldig gemacht haben noch einer sol-
hen verdächtigt werden, werden schlechter gestellt


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie sind zur Ausreise verpflichtet!)


das ist keine Straftat –






(A) )



(B) )


Sevim DaðdelenSevim Dağdelen

(Beifall des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und behandelt als verurteilte Straftäterinnen und Straftä-
ter. – Herr Grindel, Sie sollten sich erst einmal im Straf-
recht kundig machen. – Dies kritisierte das Antifolterko-
mitee des Europarates schon im Jahr 2000. Daran hat
sich bis zum letzten Besuch Ende 2005 nichts
geändert. Nach wie vor bleibt die Kritik bestehen. Keine
der besuchten Anstalten verfüge – ich zitiere – „über die
personelle oder materielle Ausstattung zur Schaffung
von Haftbedingungen, wie sie dem rechtlichen Status
von Abschiebehäftlingen angemessen“ wären, etwa in
Bezug auf Besuchsrechte, den Hofgang, den Zugang zu
Medien und auch die Beschäftigungsmöglichkeiten.

Leider sind wir heute nicht hier, um über die Abschaf-
fung der Abschiebehaft zu diskutieren. Dazu fehlt es in
diesem Haus – wie jetzt von der CDU/CSU noch einmal
demonstriert – offenkundig an einer humanistisch geson-
nen Mehrheit.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Na, na!)


Die Damen und Herren der Großen Koalition wollen
Asylsuchende in Zurückweisungshaft nehmen, was eine
klare Verletzung internationaler Standards ist. Flücht-
linge dürfen während des Asylverfahrens generell nicht
inhaftiert werden. Auch die von der Regierungskoalition
gestern beschlossene Durchbeförderung ist glatter
Rechtsbruch. Eine Inhaftierung ohne richterliche Anord-
nung ist mit Art. 104 Grundgesetz – da sollten Sie ein-
mal bei Gelegenheit hineinschauen – unvereinbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Auch wenn ich es sonst mit Che Guevaras Leitsatz
halte „Seien wir realistisch, versuchen wir das
Unmögliche“ – in Ihrem Falle halte ich menschenrecht-
lich Hopfen und Malz für verloren. Was Sie im Rahmen
der Umsetzung der aufenthalts- und asylrechtlichen
EU-Richtlinien gestern vorgestellt haben, ist nichts an-
deres als „demokratisch abgesicherte Barbarei“,


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD – Helmut Brandt [CDU/CSU]: „Barbarei“ ist eine Unverschämtheit! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ein bisschen mäßigen müsste sich die Dame schon!)


wie es Heiko Kauffmann, Vorstandsmitglied von Pro
Asyl, bezogen auf die Abschiebungshaft sagte.


(Unruhe – Zuruf des Abg. Reinhard Grindel [CDU/CSU])


– Frau Präsidentin, ich kann so nicht weitermachen.


(Lachen und Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Könnten Sie vielleicht für Ruhe sorgen? –

Umso erfreulicher ist es, dass am 1. September 2006
der Aachener Friedenspreis an den Verein „Hilfe für
Menschen in Abschiebehaft Büren e. V.“ verliehen
wurde. Ziel der Auszeichnung war es, die Aufmerksam-
keit der Öffentlichkeit auf ebendiese immer rigoroser

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(C (D nd unmenschlicher werdende Abschiebungspolitik zu enken, der die Abwehr von Flüchtlingen wichtiger ist ls der Schutz bedrohter Menschen in diesem Land. audator Günter Wallraff kritisierte die deutschen bschiebegefängnisse als „Institutionen der Unmensch ichkeit“. Damit steht er nicht allein. Darum geht es auch in unserem Antrag. Es geht um ie Wahrung von Mindeststandards in der Inhaftieungspraxis. Es ist aus menschenrechtlicher Sicht einach unzumutbar, wenn Minderjährige, traumatisierte nd alte Menschen, Schwangere sowie Menschen mit ehinderungen inhaftiert werden. Es ist unzumutbar, ass die medizinische und psychologische Betreuung ur rudimentär besteht. Es ist auch unzumutbar, viel zu äufig, zu leichtsinnig und auch viel zu lange – in einien Fällen bis zu 18 Monaten – in Abschiebungshaft geommen zu werden, ohne dass die Abschiebung unmitelbar bevorsteht. Das ist untragbar. Bei Ihnen ist die bschiebungshaft eben nicht Ultima Ratio zur Durchset ung einer Ausreiseverpflichtung. Wenigstens daran öchten wir Sie erinnern, und das erwarten wir von Ih en. Danke sehr. Der Kollege Helmut Brandt hat jetzt das Wort für die DU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren Kollegen! Wir behandeln in dieser Stunde zwei nträge, einmal den gerade von der Kollegin Dağdelen orgetragenen Antrag wegen der Abschiebungshaft, zum nderen einen Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/ ie Grünen. Die Fraktion Die Linke lehnt die Möglicheit der Abschiebehaft grundsätzlich ab und fordert die undesregierung auf, die bestehenden gesetzlichen rundlagen aufzuheben und auf das Instrument der Ab chiebehaft zu verzichten. (Beifall bei der LINKEN – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie können ja doch lesen, Herr Brandt!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609114800

(Beifall bei der CDU/CSU)

Helmut Brandt (CDU):
Rede ID: ID1609114900

Am Schluss meiner Rede haben Sie Gelegenheit, mir
u applaudieren. Warten Sie noch einen Moment!


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)


Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen beschäf-
igt sich demgegenüber in ihrem Antrag mit Standards
er Abschiebung im Rahmen einer europäischen
echtsangleichung in Form einer Richtlinie. Das sind
lso zwei völlig unterschiedliche Ansätze, wobei anzuer-
ennen ist, dass die Fraktion des Bündnisses 90/Die
rünen die in § 62 Aufenthaltsgesetz enthaltene Mög-

ichkeit einer Anordnung und Durchführung von Ab-
chiebungshaft nicht infrage stellt.






(A) )



(B) )


Helmut Brandt

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ja, die passen sich an das System an!)


Ich hatte zumindest gehofft, Frau Dağdelen, dass Sie
das, was Sie in Ihrem Antrag schriftlich formuliert ha-
ben, hier nicht mündlich wiederholen. Sie haben es den-
noch getan. Um es deutlich zu machen: Da ist die Rede
von „menschenunwürdiger Praxis“, von „herunterge-
kommenen Haftbedingungen“, von „Inhaftierung im
Dienst einer rigorosen Asyl-, Abschottungs- und Aus-
weisungspolitik“. Schließlich zitieren Sie aus einem ver-
traulichen Bericht des Antifolterkomitees des Europara-
tes, der bislang weder veröffentlicht wurde noch sonst
vollständig bekannt ist. Offensichtlich stammen diese
bruchstückhaften Zitate aus in Tageszeitungen wie der
„Frankfurter Rundschau“ und der „taz“ veröffentlichten
Artikeln. Ich bezeichne diese Vorgehensweise als unse-
riös.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die provokante und unerträgliche Formulierung muss
ich entschieden zurückweisen. Es handelt sich ganz offen-
sichtlich um einen Antrag, von dem man sich eine ge-
wisse Außenwirkung auf die eigene Gefolgschaft ver-
spricht. Sie selber glauben Ihren eigenen Formulierungen
sicherlich nicht; denn sonst hätten Sie nicht unter
Ziffer I.5. Ihres Antrags zur Glaubhaftmachung sogar
den – man höre und staune – Heiligen Stuhl bemüht. Es
hat mich wirklich in Erstaunen versetzt, dass Kommunis-
ten im Deutschen Bundestag darauf verweisen.

Trotz dieser völlig unqualifizierten und – gerade nach
Ihren Ausführungen eben muss ich das sagen – des Par-
laments nicht würdigen Vorgehensweise möchte ich
mich dennoch mit der Frage der Abschiebungshaft und
der Abschiebung von sich in Deutschland illegal aufhal-
tenden Ausländern auseinandersetzen. Drei Fragen stel-
len sich: Erstens. Brauchen wir die Vorbereitungs- und
Abschiebungshaft? Zweitens. Wie wird die Abschie-
bungshaft gestaltet? Drittens. Wie wird die Abschiebung
des Betroffenen in sein Heimatland durchgeführt?

Zur Notwendigkeit der Abschiebungshaft könnte
man – machte man es sich einfach – auf das Gesetz ver-
weisen. Nur der vollziehbar Ausreisepflichtige, der sich
seiner Abschiebung entzieht, nicht freiwillig ausreist
oder sich der Abschiebung entziehen will, kann durch
richterlichen Beschluss in Abschiebungshaft genommen
werden. Dabei ist sowohl der Vorbehalt der richterli-
chen Entscheidung über die freiheitsentziehende Maß-
nahme gewährleistet als auch der dem Betroffenen zu-
stehende Rechtsbehelf der sofortigen Beschwerde.
Macht der Betroffene dabei glaubhaft, dass er sich der
Abschiebung nicht entziehen will, dass er freiwillig aus-
reisen will, so ist er auch nicht in Abschiebungshaft zu
nehmen – und wird auch nicht in Abschiebungshaft ge-
nommen. Das ist wohl die Mindestvoraussetzung, deren
Einhaltung man verlangen kann.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!)


Das ist nach unserer Auffassung in keiner Weise zu
beanstanden. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in
einem Verfahren aus dem Jahre 1994 keinerlei Anlass

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(C (D esehen, an der Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift u zweifeln. as Bundesverfassungsgericht hat in diesem Beschluss ielmehr die Gerichte aufgefordert, von ihrer Möglicheit der Auslegung des Gesetzes in der von mir eben ziierten Weise Gebrauch zu machen, was auch geschieht. Sollen wir wirklich ohnmächtig mit ansehen, dass usländer nach illegaler Einreise – ein Straftatbestand – ntertauchen und sich auf unabsehbare Zeit – (Zuruf der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])


(Beifall bei der CDU/CSU)


hören Sie doch bitte zu; Sie haben doch eben gesagt,
ie wollten lernen – illegal in Deutschland aufhalten und
er Ausweisung entziehen?


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Ich überlege schon die ganze Zeit, wer die Kommunisten sind, die Sie eben angesprochen haben!)


Dazu können Sie sich ja einmal bekennen. Das würde
ie Verhältnisse im Deutschen Bundestag deutlicher
achen. – Dies ist weder unserem Staat noch den Bür-

ern zuzumuten. Erst recht ist es nicht den vielen auslän-
ischen Mitbürgern zuzumuten, die sich in Deutschland
edlich und legal aufhalten und unsere Gesetze respek-
ieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das ist Stammtischniveau!)


Jetzt kommen wir zu den Haftbedingungen. Das,
as Sie behaupten, lässt sich durch nichts nachweisen
nd entspricht auch nicht der Realität. Stammtischni-
eau ist, etwas, was man nicht belegen kann, in den
aum zu stellen und der Öffentlichkeit zu präsentieren,
ur weil es einmal behauptet worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht!)


Über die Haftbedingungen und die durchschnittliche
aftdauer existieren nach meiner Kenntnis keine bun-
esweiten Erhebungen. Die im Bericht des Antifolterko-
itees des Europarates beklagten Zustände betreffen im
brigen nach den bisherigen Pressemeldungen nur eine

inzige Haftanstalt in Hamburg, in der sich zum Zeit-
unkt der Untersuchung fünf bis sieben Abschiebungs-
äftlinge aufgehalten haben.

In Nordrhein-Westfalen liegen die Zahlen für den
tichtag 28. Februar 2007 vor. Am 28. Februar dieses Jah-
es befanden sich 222 Personen und damit 106 Personen
eniger als noch vor einem Jahr in Abschiebehaft.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Es kommen ja keine mehr rein!)


ie durchschnittliche Haftdauer beträgt nach Auskunft
er Behörden in Nordrhein-Westfalen 30 bis 40 Tage. Im
brigen: Wer die zentrale Haftanstalt in Büren in Nord-






(A) )



(B) )


Helmut Brandt
rhein-Westfalen kennt, wird die leichtfertigen Vorwür-
fe – heruntergekommene Haftanstalten – guten Gewis-
sens nicht aufrechterhalten können, auch wenn Sie das
wohl wollen.


(Widerspruch der Abg. Sevim Dağdelen [DIE LINKE])


Bei diesen Fakten fragt man sich wirklich: Wo liegt
das Problem? Die Zahlen, die Fakten sprechen für sich
und damit eindeutig gegen die bösartigen Unterstellun-
gen im Antrag der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Festzuhalten bleibt: Wir brauchen die Abschiebehaft


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!)


zur Durchsetzung rechtmäßiger Ausweisungen. Die
nach unserem Grundgesetz für die Durchführung aus-
schließlich zuständigen Länder sind Garanten dafür, dass
diese auch ordnungsgemäß und nach rechtsstaatlichen
Grundsätzen durchgeführt werden.

Sie sprechen in Ihrem Antrag auch die Beiordnung ei-
nes Rechtsanwalts an. Ich verweise nur darauf, dass es
selbst bei Anordnung von Untersuchungshaft – dabei
geht man von einem Straftatbestand aus – regelmäßig
keinen Anspruch auf Beiordnung eines Pflichtverteidi-
gers gibt. Ein solcher Anspruch besteht nach dem Gesetz
ohnehin erst nach dreimonatiger Untersuchungshaft.
Diese Dauer wird bei der Abschiebehaft regelmäßig
nicht erreicht.

Abschließend – ich komme sonst mit der Zeit nicht
zurecht –


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hätte auch gern mal neun Minuten!)


möchte ich noch zum Antrag der Fraktion des Bündnis-
ses 90/Die Grünen Stellung nehmen. Die von Ihnen an
die Bundesregierung gerichtete Forderung, bei den Ver-
handlungen um die Rückführungsrichtlinie der EU be-
stimmte, von Ihnen formulierte Grundsätze zu beachten,
halten wir – Josef Winkler, ich muss es deutlich sagen –
für überflüssig. Alles das, was Sie in Ihrem Antrag for-
dern, ist bei uns in der Bundesrepublik Deutschland nach
unserer Auffassung Standard, Gegenstand des geltenden
Rechts oder wird bei der jetzt vom Kabinett beschlosse-
nen Gesetzesinitiative umgesetzt.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Na, jetzt wird’s aber lustig!)


Dass mithin die Bundesregierung darauf hinwirken wird,
dass unsere Standards auch europaweit umgesetzt wer-
den, halten wir für selbstverständlich.

Betrachtet man die vielfältigen Möglichkeiten des
Ausländerrechts sowie die Rechtsbehelfe, so kommt
man zu dem Schluss: Die Bundesrepublik Deutschland
beachtet alle notwendigen Standards bei Rückführungen.
Aus Fehlern, die in der Vergangenheit begangen wurden,
sind die notwendigen Konsequenzen gezogen worden.
Damit wird die Bundesregierung im Rat der Europäi-

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(C (D chen Union auch auf eine Richtlinie drängen, die den otwendigen und in Deutschland üblichen Standards ntspricht. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir aber mal gespannt!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609115000

Hartfrid Wolff hat jetzt das Wort für die FDP-Frak-

ion.


(Beifall bei der FDP)


Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ie Abschiebehaft ist ein Instrument des Ausländer-
echts, mit dem man sich seriös beschäftigen sollte, Frau
ağdelen, und nicht in der Form, wie Sie das hier ge-
acht haben.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


einer Ansicht nach ist es kein vernünftiger Umgang
amit, wenn in dieser Art und Weise Behauptungen auf-
estellt werden.

Der Umgang mit illegal sich in Deutschland aufhalten-
en Menschen betrifft durchaus auch das Selbstverständ-
is einer freiheitlichen Gesellschaft und die grundsätzli-
hen Fragen der Durchsetzung der rechtsstaatlichen
rdnung. Die vorliegenden Anträge kommen entspre-

hend mit humanitärer Absicht daher, erfassen aber die
hematik nur rudimentär und verschweigen – das gilt für
eide Anträge – konsequent ihre Folgen für die deutsche
uwanderungspolitik.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU] – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schreibt mal einen besseren! Immer meckern, aber nichts machen!)


In entlarvender Weise fordern Die Linken die Auf-
abe der staatlichen Durchsetzungsmöglichkeit und da-
it quasi die Einstellung jeglicher Abschiebung aus
eutschland. So einfach kann man sich das nicht ma-

hen; tut mir leid, wenn ich das so sagen muss.

Auch die Forderungen nach weiteren kostenlosen
eistungen, die Herr Brandt eben zu Recht ansprach, sind
nverhältnismäßig. Die Privilegierung illegal oder zu-
indest ohne Rechtsgrundlage eingewanderter Men-

chen gegenüber legal eingewanderten Menschen und ge-
enüber allen deutschen Staatsbürgern ist fragwürdig. Zu
nde gedacht, ruft die Linkspartei unter dem Vorwand der
enschenrechte zur weitgehenden Abschaffung vieler
igrationssteuerungsinstrumente auf. Gleichzeitig aber

chimpft sie über Integrationsmängel, Schwarzarbeit, die
pannungen auf dem Arbeitsmarkt und in den sozialen
icherungssystemen. Das ist – tut mir leid, wenn ich auch
as so sagen muss – unlogisch und unrealistisch.






(A) )



(B) )


Hartfrid Wolff (Rems-Murr)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Ein weitgehender Verzicht auf Abschiebungen, wie
der Antrag der Linkspartei ihn impliziert, stellt letztlich
einen massiven Anreiz zur illegalen Zuwanderung dar.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass bei den Vertre-
tern der Linken eine naive Freude an unkontrollierter,
nicht steuerbarer Zuwanderung besteht. Dies ist gerade
auch für die Betroffenen unverantwortlich.


(Zuruf von der LINKEN: Quatsch!)


Es ist eben auch notwendig, illegale Migration zu unter-
binden und keine falschen Hoffnungen zu schüren. Hier
müssen auch hemmende Maßnahmen, wie sie von der
EU vorgelegt worden sind, greifen.

Generell aus dem deutschen Zuwanderungsrecht ei-
nen Verstoß gegen die Menschenrechte abzuleiten, ist,
gelinde gesagt, erheblich überzogen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wer die in Abschiebehaft Genommenen nur als arme Op-
fer darstellt, die sich in ihrem gesamten Leben niemals et-
was zuschulden kommen lassen – wörtliches Zitat –, muss
sich nach seinem Rechtsverständnis fragen lassen. Jeder
Abschiebung liegt ein Verstoß gegen geltendes Aufent-
halts- und Zuwanderungsrecht zugrunde.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!)


Bei aller Kritik, die in manchem Einzelfall ja ange-
bracht sein mag: Die pauschale Herabsetzung rechts-
staatlichen Handelns, die Die Linke vornimmt, ist unan-
gemessen.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie wollen liberal sein?)


Grundsätzlich halten wir Abschiebehaft jedoch für
durchaus gerechtfertigt und in einigen Fällen auch für
notwendig. Insofern können wir dem sehr viel detaillier-
teren und deutlich ausgewogeneren Antrag der Grünen
eher positive Seiten abgewinnen, weil die Grünen kon-
krete Probleme benennen und auch Lösungsvorschläge
aufzeigen. Aber, lieber Josef Winkler, ihr hattet 1998 un-
terschrieben, dass ihr euch mit der Abschiebehaft be-
schäftigen wollt. Dazwischen ist nichts passiert. Deswe-
gen fand ich es etwas überraschend, jetzt die einzelnen
Punkte wieder zu lesen.


(Beifall bei der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da war ich noch nicht im Bundestag!)


Wir stimmen den Grünen aber zu, wenn sie in ihrer
Antragsbegründung auf die drei essenziellen Aspekte
hinweisen, die die EU-Kommission beschlossen hat.
Demnach müssen das Primat der freiwilligen Rückkehr
gestärkt, verfahrensrechtliche Mindestgarantien gesi-
chert und die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden.


(Zuruf von der FDP: Sehr richtig!)


Eine individuelle Betreuung bzw. Bewertung jeder
einzelnen Lage ist notwendig. Aber institutionalisierte
und automatisierte Nachsicht mit denen, die sich nicht
an unsere Rechtsordnung halten, kann das Ansehen aller

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(C (D uwanderer beeinträchtigen und die Rechtstreue im Allag aushöhlen. Kommen Sie bitte zum Schluss. Hartfrid Wolff Auch deswegen – letzter Satz – bleibt die Abschiebe aft ein letztes, aber legitimes Mittel, den Abschiebeollzug sicherzustellen. Es spricht jetzt der Kollege Gert Winkelmeier. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! ie Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat vor kurem Flüchtlinge als Botschafter der weltweiten Ungeechtigkeit bezeichnet. Fast 70 Konfliktherde weltweit ühren derzeit dazu, dass sich laut UNHCR rund 0 Millionen Menschen auf der Flucht vor Kriegen, enschenrechtsverletzungen und Armut befinden. Dass uropa von ihnen lediglich 1 Prozent aufnimmt, ist allerings ein Skandal. Statt Schutz zu erhalten, werden Flüchtlinge an der inreise nach Europa gehindert. Diejenigen, die es trotzem schaffen, werden massiv kriminalisiert. Hierzuande gelten Flüchtlinge per se als verdächtig, deutsches echt zu missbrauchen. Von dieser Leitlinie ist auch die gestern beschlossene uwanderungsnovelle geprägt. Bundesinnenminister chäuble legitimierte die aufenthaltsrechtlichen Verchärfungen damit, dass man den Missbrauch von echten verhindern müsste. Das heißt im Klartext: (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Sie sind selber schuld!)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609115100

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609115200
Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609115300

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


an setzt internationale Standards des Flüchtlingsrechts
icht um, um zu verhindern, dass Flüchtlinge diese
echte missbrauchen. Diese Logik ist absurd und per-

ide.

Die deutsche Politik der Zuwanderungsbegrenzung,
ie, statt sich um die Aufnahme von Flüchtlingen zu
ümmern, lediglich versucht, sie so schnell wie möglich
ieder loszuwerden, benötigt die Abschiebungshaft, um
bschiebungen durchzusetzen. Was aus der Sicht der
ehörden als Verwaltungsakt daherkommt, bedeutet je-
och für Flüchtlinge einen massiven Eingriff in ihre
reiheit; denn inhaftiert werden Menschen, die kein Ver-
rechen begangen haben. Ihr einziges Vergehen besteht
arin, nicht die richtigen Papiere zu besitzen.

Deutschland ist mit einer gesetzlich möglichen Inhaf-
ierungsdauer von 18 Monaten Spitzenreiter der Ab-
chreckung in Europa. Nirgendwo sonst in Europa kön-
en Menschen so lange in Haft genommen werden wie
ier. Deutschland ist eine treibende Kraft, Abschie-






(A) )



(B) )


Gert Winkelmeier
bungshaft als Mittel der Abschreckung in Europa zu
stärken.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Hören Sie mal zu, Herr Wolff!)


In den Verhandlungen um die EU-Richtlinie für gemein-
same Normen der Mitgliedstaaten bei Abschiebungen
hatte sich gerade der deutsche Berichterstatter als
Scharfmacher hervorgetan. Er forderte, in der Richtlinie
eine Höchstdauer der Abschiebehaft von einem Jahr
festzuschreiben.

Meine Damen und Herren, in Berlin traten im
Frühjahr 2003 mehr als 60 Abschiebungshäftlinge in den
Hungerstreik. Circa 40 Menschen verletzten sich selbst
oder versuchten sogar, sich umzubringen. Ein paar Mo-
nate später protestierten in Schleswig-Holstein 33 Insas-
sen ebenfalls gegen ihre schlechten Haftbedingungen.
Diese Liste könnte ich beliebig fortsetzen.

Abschiebehaft schafft Räume der Entrechtung und
der Erniedrigung. Abschiebehaft ist ein derart massiver
Eingriff in die Freiheit und Integrität von Flüchtlingen,
dass sie ersatzlos abgeschafft werden muss.


(Beifall bei der LINKEN)


Bis dahin ist das Mindeste, was ein demokratischer
Rechtsstaat leisten muss, bestimmte Mindeststandards
einzuhalten und die Haft so kurz wie möglich zu halten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609115400

Jetzt spricht Rüdiger Veit für die SPD-Fraktion.


(Beifall des Abg. Sebastian Edathy [SPD])



Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1609115500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wenn wir Menschen zwingen müssen, unser Land gegen
ihren Willen zu verlassen, dann ist das fast immer mit
menschlichen Tragödien verbunden. Das gilt umso
mehr, wenn sie sich schon viele Jahre in Deutschland
aufgehalten haben. Das wühlt viele von uns, die das se-
hen, vor allen Dingen dann auf, wenn es dabei um Fami-
lien mit Kindern geht, die in Deutschland aufgewachsen
oder sogar hier geboren sind.

Das beginnt im Übrigen nicht erst dann, wenn die Be-
treffenden unter Anwendung unmittelbaren Zwangs ins
Flugzeug gesetzt oder in Abschiebegewahrsam genom-
men werden, sondern es beginnt schon mit den voraus-
gegangenen Verwaltungsentscheidungen und Gerichts-
urteilen, mit denen ihnen mitgeteilt wird, sie müssten
Deutschland verlassen, obwohl sie vielleicht glaubten,
hier bei uns eine neue Heimat gefunden zu haben; denn
nunmehr erwartet sie ein ungewisses Schicksal oder
vielleicht Gefahr in ihren Herkunftsländern.

Andererseits kann der Staat auf die notfalls zwangs-
weise Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung nicht
verzichten. Denn würde sich unter den vielen Hundert
Millionen Menschen in der Welt, die in Armut und

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(C (D lend leben, oder bei den zig Millionen bereits auf der lucht befindlichen Menschen herumsprechen, dass, wer mmer deutschen Boden erreicht, auch hier bleiben kann, ürden wir einen – womöglich noch durch professioelle Schleuserbanden organisierten – Zustrom erzeuen, den wir niemals bewältigen könnten. Dies ist nun inmal das vielfach traurige und auch unter humanitären esichtspunkten oftmals nur schwer zu bewältigende pannungsfeld, in dem wir uns, ebenso wie die beiden nträge, um die es heute geht, bewegen. Gerade deswegen war es – wenn ich das an dieser telle einmal sagen darf – uns Sozialdemokraten wich ig, im Rahmen des jetzt auf uns zukommenden Gesetzebungsverfahrens zur Umsetzung der elf EU-Richtliien eine gesetzliche Bleiberechtsregelung für die enschen mit aufzunehmen, die bereits seit langer Zeit n Deutschland leben und hier gut integriert sind. Ich üge allerdings hinzu: Weit genug geht diese Bleibeechtsregelung eigentlich nicht, wenn man dieses Prolem auf Dauer lösen will. (Beifall des Abg. Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP] und des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


s ist trotzdem eine wichtige Perspektive für die Men-
chen, deren Zahl ich jetzt gar nicht benennen will, die
avon potenziell betroffen sind, vor allen Dingen die
inder und Jugendlichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609115600

Herr Kollege, möchten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Dağdelen zulassen?


Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1609115700

Ja, bitte.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609115800

Vielen Dank, Herr Kollege. – Sie haben zwar gesagt,

ass Sie hier keine Zahlen nennen wollen; aber Sie ha-
en doch besonders aufgrund Ihrer Verhandlungen auch
it Ihrem Koalitionspartner einen Einblick in die Sach-

age gehabt und können sicher eine ungefähre Einschät-
ung geben, wie viele Menschen von dieser Regelung
erden profitieren können.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das kann niemand sagen!)



Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1609115900

Der Kreis der potenziell Begünstigten mag, wenn

an jetzt nur an die Fristen von sechs oder acht Jahren
enkt, vielleicht sogar an die 100 000 gehen. Wenn Sie
ber die sonstigen Kriterien, die Bestandteil der gesetzli-
hen Bleiberechtsregelungen sind, heranziehen, dann
erden Sie im Ergebnis feststellen müssen, dass sich der
reis der potenziell Begünstigten bei – so meine per-

önliche Einschätzung – maximal 60 000 bewegen wird,
as im Klartext heißt, es werden weiterhin immer noch






(A) )



(B) )


Rüdiger Veit
rund 120 000 Menschen im Zustand der Kettendul-
dung bei uns in Deutschland leben.

Aber, Frau Kollegin, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen, ich sage das einmal in ganz persönlicher Be-
wertung: Wenn man diesen Menschen – sie bilden einen
Personenkreis von der Größe einer Mittelstadt, und die
Kinder und Jugendlichen machen vielleicht eine Klein-
stadt aus – wenigstens eine konkrete Perspektive vermit-
teln könnte – mehr können wir in den nächsten zweiein-
halb Jahren politisch wohl nicht erreichen –, dann wäre
das ein triftiger Grund, an anderer Stelle – das werden
wir im Gesetzgebungsverfahren dann auch tun – den
Wünschen unseres Koalitionspartners entgegenzukom-
men. Manche könnten sagen – wir werden darüber noch
debattieren –, der Preis sei zu hoch. Meine persönliche
Bewertung ist: Da es hier um eine Hilfeleistung für eine
Vielzahl von Menschen geht, ist es gerechtfertigt, sich so
zu verhalten.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609116000

Herr Kollege Veit, auch Herr Grindel möchten Ihnen

gerne eine Zwischenfrage stellen.


Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1609116100

Bitte sehr.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609116200

Bitte schön, Herr Grindel.


Reinhard Grindel (CDU):
Rede ID: ID1609116300

Herr Kollege Veit, stimmen Sie mir zu, dass die Be-

wertung der Bleiberechtsregelung nicht von der Zahl
derjenigen abhängen kann, die sich am Ende darauf be-
rufen können? Wir geben nämlich denjenigen ein Blei-
berecht, bei denen es humanitär nicht verantwortlich
wäre, sie in ihr Heimatland zurückzuschicken, weil sie
hier verwurzelt sind, weil insbesondere ihre Kinder hier
eine gute Perspektive haben und weil es im Interesse un-
seres Staates liegt, dass diese Menschen bei uns bleiben,
ohne dass es Verwerfungen gibt. Es kommt also mehr
auf den menschlichen und sozialen Hintergrund der aus-
ländischen Mitbürger und nicht auf die Zahl der Betrof-
fenen an, um die Bleiberechtsregelung hinsichtlich ihrer
Richtigkeit zu bewerten.


Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1609116400

Herr Kollege Grindel, ich stimme Ihnen uneinge-

schränkt zu. Sie haben eine ausgezeichnete Begründung
dafür geliefert, warum – das ist auch meine persönliche
Überzeugung – der Kreis der potenziell Begünstigten
hätte gesetzlich wesentlich weiter gefasst werden kön-
nen. Ich bedanke mich für Ihre Frage.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609116500

Herr Kollege, Frau Dağdelen möchte eine weitere

Zwischenfrage stellen.



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(C (D (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Ich ziehe zurück!)


Gut. Bitte schön, Herr Veit.


Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1609116600

Ich darf nun zu dem hier zur Debatte stehenden An-

rag der Linken kommen. Sie verlangen in erster Linie,
ie Abschiebehaft gänzlich abzuschaffen. Was ich dazu
om Grundsatz her zu bemerken hatte, habe ich getan.
ie sind dabei nicht ganz konsequent. Denn in Ihrem
ntrag schlagen Sie eine Modifikation des gesamten
echtskomplexes vor, die völlig konträr zu der Forde-

ung steht, die Abschiebehaft gänzlich abzuschaffen.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Auf dem Weg dorthin!)


Auf dem Weg dorthin verlangen Sie unter anderem
uch die Streichung des § 62 Abs. 3 des Aufenthaltge-
etzes und übersehen dabei, dass in dieser Vorschrift die
egelung enthalten ist, dass die Abschiebehaft in der
egel maximal nur sechs Monate dauern kann. Das
eißt, diese zeitliche Begrenzung gibt es nicht mehr,
enn Sie die Vorschrift ersatzlos abschaffen. Sie erlau-
en, dass ich an dieser Stelle meine Bedenken anmelde,
b Ihr Antrag hinreichend durchdacht ist.

Ich will auch dazu etwas sagen, warum ich nicht der
einung bin, dass es sinnvoll wäre, die Anordnung der
bschiebehaft den Verwaltungsgerichten zu übertragen.
um einen haben Haftrichter bei den Amtsgerichten
ehr viel mehr Erfahrung hinsichtlich der Haft; sie wis-
en auch sehr viel genauer, wohin sie die Leute schicken
üssen. Zum anderen sind Amtsrichter in der Regel so-
ohl zeitlich – Stichwort Bereitschaftsdienst, 24 Stun-
en jeden Tag – als auch räumlich sehr viel besser er-
eichbar als Richter an Verwaltungsgerichten.

Aus meiner Erfahrung kann ich aber vor allem sagen,
ass es ausgerechnet die Richter in den Oberlandesge-
ichtsbezirken Frankfurt und München sind, die im Inte-
esse der Betroffenen – das ärgert manchmal die Auslän-
erbehörden – eine eher liberale Rechtsprechungspraxis
n den Tag legen, wenn es um die Anordnung oder Ver-
ngerung der Abschiebehaft geht. Also geht auch diese
orderung nicht in die richtige Richtung.

Sie kritisieren zudem, dass in dem jetzt in Rede ste-
enden Gesetzentwurf zusätzliche Sanktionen im Be-
eich der Abschiebehaft enthalten sind. Dazu will ich Ih-
en Folgendes sagen:

Zum einen ist es so, dass wir mit einer Neufassung
es § 62 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes klarstellen, un-
er welchen dann engeren Voraussetzungen als bisher
erwaltungsbehörden, Ausländerbehörden Menschen
orübergehend in Haft nehmen können, bis sie dann dem
ichter vorgeführt werden müssen, und zwar, wie der
orgesehene Wortlaut besagt, unverzüglich.

Zum anderen ist es so, dass wir uns im Bereich des
ransitgewahrsams auf Drängen der SPD mit unserem
oalitionspartner haben darauf verständigen können,
ass nach längstens 30 Tagen ein Richter das Verbleiben
n der Flughafenunterkunft bestätigen muss. Das ist






(A) )



(B) )


Rüdiger Veit
deswegen wichtig und keineswegs selbstverständlich,
weil sehr viele der Betroffenen aufgrund von sogenann-
ten, wie ich immer fand, sehr fragwürdigen Freiwillig-
keitserklärungen erklären, sie würden lieber in der Flug-
hafenunterkunft bleiben, als in Abschiebehaft zu gehen.
Ich glaube, das ist durchaus ein richtiger Schritt in die
richtige Richtung.

Was nun den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen angeht: Sie beziehen sich in der Begründung
– ich nehme an, auch in dem, was Sie jetzt mündlich
vortragen werden – in der Tendenz zu Recht auf den
Vorschlag einer Richtlinie der EU-Kommission vom
5. September 2005 und weisen ebenso zu Recht darauf
hin, dass die Beratungen darüber leider ins Stocken gera-
ten sind, übrigens schon in der Arbeitsgruppe „Migra-
tion und Rückführung“, also noch nicht einmal im
Ministerrat selber. Es gab dann unter der finnischen Prä-
sidentschaft mit Datum vom 6. Oktober und 13. Novem-
ber 2006 noch Änderungen an diesem Vorschlag, die ich
inhaltlich als Rückzieher gegenüber den ursprünglichen,
wie ich glaube, sehr vernünftigen und abgewogenen
Vorstellungen bezeichnen möchte.

Nunmehr hat der Rat der Europäischen Union am
28. Februar 2007 unter deutschem Vorsitz nur noch eine
Umsetzung der Richtlinie in Teilschritten vorgesehen
und den Rest eher auf die lange Bank geschoben, was
ich bedauern würde. Gerade was die Frage der Inge-
wahrsamnahme und der Sicherung der Abschiebung an-
geht, bezieht sie sich im Wesentlichen auf das nationale,
deutsche Recht und ist in dieser Hinsicht, gemessen am
Maßstab der ursprünglichen Richtlinie und des Vorschla-
ges, zu weitgehend.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Es ist das unbestreitbare Verdienst des Antrags des
Bündnisses 90/Die Grünen, darauf hinzuweisen, dass
auf europäischer Ebene ein wichtiger Gesetzgebungs-
prozess – das ist er nämlich – im Gange ist, auf den wir
als nationales Parlament antworten und in den wir uns
einschalten müssen, anstatt uns immer nur hinterher,
wenn eine Richtlinie vorliegt, Gedanken zu machen, wie
wir das jetzt in nationales Recht umsetzen. Dies ist umso
wichtiger, als wir diese Richtlinie bereits am 8. März
2006, wie mir meine Mitarbeiter herausgesucht haben,
auf der Tagesordnung des Innenausschusses hatten, das
dann aber ohne nähere Begründung vertagt haben. Ich
begrüße es, dass wir diese Problematik vor dem Hinter-
grund Ihres Antrages jetzt wieder im Innenausschuss
aufrufen.

Lassen Sie mich eine nicht ganz bierernst gemeinte
Schlussbemerkung politischer Art machen. Wir hatten
1998 in der Koalitionsvereinbarung zwischen Rot-Grün
den Satz festgelegt – darauf ist zu Recht hingewiesen
worden –: Wir wollen die Abschiebungshaft und das
Flughafenverfahren im Lichte der Verhältnismäßigkeit
überprüfen.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das habe ich auch gelesen!)


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(C (D n der alten Koalition haben wir dann zumindest erreicht, ass durch die Einrichtung einer neuen Unterkunft am rankfurter Flughafen sowohl für die betroffenen Menchen als auch die dort tätigen Bediensteten recht verünftige, humanitär erträgliche Bedingungen geschaffen orden sind. Damit ist ein Großteil der schwierigen Disussion in der Praxis erledigt worden. Aber mehr – das uss man klar und deutlich sagen – haben wir nicht er eicht. In den Koalitionsverhandlungen 2005 mit unserem euen Koalitionspartner, der CDU/CSU, hatten wir – ich arf das sagen, ohne Betriebsgeheimnisse preiszugeben – chon verschiedentlich unsere Last, sie zu bitten, auf die ufnahme weiterer Abschiebungshaftgründe in das Ge etz zu verzichten. Das ist uns gelungen. Ich habe vorhin esagt, es gebe einen Richtervorbehalt. Auch bei Transitewahrsam muss jetzt nach 30 Tagen ein Richter eingechaltet werden. Ich denke, das ist ein Schritt in die richige Richtung. Zusammengenommen – das gilt für die rot-grüne Reierungszeit genauso wie für das, was wir bisher in Umetzung der Koalitionsvereinbarung gemacht haben – ist as vielleicht nicht unbedingt als glorreich zu bezeichen. Es wäre erfreulicher, eine Reform des nationalen echtes nach Maßgabe des EU-Richtlinienvorschlages orzunehmen. Ich würde mir wünschen, dass der deutche Ratsvorsitz in dieser Hinsicht mutig, offensiv, klar, indeutig und geradlinig voranschreitet. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Josef inkler, Bündnis 90/Die Grünen. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609116700
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen

nd Kollegen! Meine Fraktion setzt sich seit langem da-
ür ein, die Anordnungsdauer von Abschiebehaft auf ein

indestmaß zu begrenzen. Wir vertreten die Position,
ass Abschiebehaft lediglich der Sicherung einer Ab-
chiebung dienen darf. Das heißt, nur dann, wenn sich
emand der Abschiebung erkennbar entziehen will, darf
bschiebehaft verhängt werden. Wenn das in dieser Art
nd Weise durchgeführt würde, könnte, nebenbei be-
erkt, eine große Anzahl der in Deutschland befindli-

hen Abschiebehaftanstalten geschlossen werden.

Des Weiteren setzen wir uns seit langem dafür ein,
ass Minderjährige nicht inhaftiert werden dürfen; denn
ie schwerwiegenden psychischen Folgen, die Haft be-
onders auf Kinder und Jugendliche haben kann, sind of-
ensichtlich und bedürfen, glaube ich, keiner weiteren
rläuterung.

Dass die Abschiebehaft auf den Prüfstand gehört
zumindest in der Art und Weise, wie sie im Moment

urchgeführt wird –, ist inzwischen durch zahlreiche
okumentationen und Berichte belegt. Auf die hohe An-

ahl von Suiziden wurde bereits hingewiesen. Leider






(A) )



(B) )


Josef Philip Winkler
Gottes ist der Befund des Vorsitzenden Richters am Hes-
sischen Verwaltungsgerichtshof, von Herrn Göbel-
Zimmermann, aus dem Jahre 1996 noch immer aktuell.
Er sagte:

Abschiebungshaft wird teilweise zu schnell und zu
oft beantragt und angeordnet sowie zu lange vollzo-
gen. Das Abschiebungshaftverfahren ist häufig mit
gerichtsorganisatorischen Mängeln, Verfahrensfeh-
lern und Fehleinschätzungen der Rechtslage belas-
tet, sodass es zu einer nicht unerheblichen Zahl feh-
lerhafter Entscheidungen kommt.

Die hohe Anzahl an Menschen, die entlassen wird – es
sind 30 bis 40 Prozent –, zeigt, dass das nicht ganz falsch
ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Brandt [CDU/CSU]: Das hat ja ganz andere Gründe!)


Nach Auffassung meiner Fraktion hätte die Bundesre-
gierung schon lange die Konsequenzen aus der Diskus-
sion über mildere Mittel, die sich stärker am Verhältnis-
mäßigkeitsgrundsatz orientieren, ziehen müssen. Das
Problem ist in dem Gesetzentwurf, der eben angespro-
chen wurde, in diesem großen Paket, nicht befriedigend
gelöst worden.

Wir sagen, dass § 62 Aufenthaltsgesetz so geändert
werden sollte, dass dieser schwerwiegende Eingriff in
die Freiheitsrechte des Einzelnen auf absolute Ausnah-
mefälle beschränkt wird. Wir orientieren uns dabei an
der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Im
Jahr 2000 hat es entschieden, dass die bisher übliche
Haftdauer bis zu einem Maximum von 18 Monaten nicht
verhältnismäßig ist.

Die EU-Richtlinie, die unter anderem von dem Kolle-
gen Veit schon angesprochen wurde, sieht eine maxi-
male Dauer der Abschiebehaft von sechs Monaten vor,
zumindest war das im September 2005 noch der Fall.


(Rüdiger Veit [SPD]: Mittlerweile acht!)


– Der Kollege sagt: „Acht.“ – Inzwischen hat sich das
geändert; darauf wollte ich jetzt zu sprechen kommen.
Herr Kollege Brandt, die Vorgehensweise der Bundesre-
gierung war bisher nicht so rühmlich, wie Sie behauptet
haben. In unserem Antrag haben wir den aktuellen Stand
der Verhandlungen ausführlich geschildert. Das, was Sie
dargestellt haben, deckt sich nicht mit unserer Kenntnis
über die Vorgehensweise der Bundesregierung.


(Helmut Brandt [CDU/CSU]: Ich rede von erstrebenswerten Standards!)


Das können Sie gerne noch einmal nachlesen. Aus den
Reihen Ihrer Koalition wurde unser Antrag ja ausdrück-
lich gelobt. Vielleicht stellen Sie, wenn Sie sich unseren
Antrag durchlesen, ja fest, dass Sie sich ihm anschließen
können.

Unser Antrag betont im Gegensatz zu dem der Links-
fraktion die europäische Dimension. Das ist wichtig,
weil die Verhandlungen der Bundesregierung auf euro-
päischer Ebene zurzeit darauf hinauslaufen, dass man
sich hinsichtlich der humanitären Aspekte, die in dieser

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(C (D ichtlinie festgelegt werden, auf einen Minimalkonsens inigt und es den Mitgliedstaaten überlässt, wie represiv sie vorgehen wollen. Unsere Kriterien, die wir an eine faire Richtlinie stelen, lauten – das sage ich in aller Kürze –: Schutzbedürfige sollten nicht abgeschoben werden; Familien dürfen icht getrennt werden; Rechtsmittelzugang muss geährleistet sein; soweit wie möglich soll Abschiebehaft as letzte Mittel sein; die humanitären Standards bei den lugabschiebungen müssen verbessert werden und düren auf keinen Fall hinter den innerhalb der Bundesrepulik Deutschland bereits geltenden Bestimmungen über ie Rückführung ausländischer Staatsangehöriger auf em Luftweg zurückfallen. iese waren als Reaktion darauf erlassen worden, dass er sudanesische Staatsangehörige Amir Ageeb im ai 1999 bei einer Abschiebung durch den Bundes renzschutz zu Tode gekommen ist. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Wir seten uns weiterhin dafür ein, dass über diese EU-Richtliie von der Bundesregierung besser verhandelt wird, (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Die nicht da ist!)


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


lso von denen, die jetzt nicht mehr anwesend sind, aber
is eben noch anwesend waren.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609116800

Herr Kollege, bitte.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Wir hoffen, dass die Bundesregierung dabei von den

ollegen aus dem Parlament, denen sie vielleicht zuhört,
m Innenausschuss unterstützt wird.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609116900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/3537 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf
rucksache 16/4851 soll zur federführenden Beratung

n den Innenausschuss und zur Mitberatung an den Aus-
chuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe sowie
n den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
chen Union überwiesen werden. Sind Sie damit einver-
tanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so
eschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neu-
ordnung der ERP-Wirtschaftsförderung






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

(ERP-Wirtschaftsförderungsneuordnungsgesetz)


– Drucksache 16/4664 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
ERP-Sondervermögens für das Jahr 2007

(ERP-Wirtschaftsplangesetz 2007)


– Drucksache 16/4376 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(9. Ausschuss)


– Drucksache 16/4881 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-
mentarische Staatssekretär Hartmut Schauerte.


(Beifall bei der CDU/CSU)


H
Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1609117000


Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Wir beraten heute den Entwurf des ERP-
Wirtschaftsförderungsneuordnungsgesetzes. Jetzt beginnt
die parlamentarische Beratung. Die Eingeweihten haben
schon viele Beratungen zur Vorbereitung des Gesetzent-
wurfs hinter sich. Sie wissen, dass wir im Koalitionsver-
trag vereinbart haben, dass das ERP-Vermögen neu ge-
ordnet wird. Das ist jetzt auf der Agenda.

Verabredet war, dass 2 Milliarden Euro in den Haus-
halt eingestellt werden – das ist im Entwurf des Gesetzes
vorgesehen – und dass Forderungen und Verbindlichkei-
ten in Höhe von etwa 14 Milliarden Euro, die bisher dem
ERP-Sondervermögen zugeordnet waren, mit Aktiva
und Passiva, so wie sie sind, in die Zuständigkeit des Fi-
nanzministers übertragen werden. Es gab an der Stelle
immer wieder die Forderung des Haushaltsausschusses,
solche Forderungen und Verbindlichkeiten aus Neben-
haushalten herauszunehmen und in die Gesamtverant-
wortung des Finanzministers zu überstellen. Auch dem
wird Rechnung getragen.

Es ging in diesem Zusammenhang um drei wesentli-
che Aspekte: um den Substanzerhalt, um das Fördervo-
lumen und um die Mitwirkung der Amerikaner. Über
diese drei Komplexe müssen wir diskutieren.

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(C (D Zunächst zum Substanzerhalt. 2 Milliarden Euro geen in den Haushalt; 2 Milliarden Euro fließen aus ückstellungen und Rücklagenbildung in der Verganenheit zurück. Deshalb kommen wir zu dem Fazit: Die ubstanz des Sondervermögens bleibt erhalten. Es wird ich auf die alte, bewährte Höhe jenseits von 12 Milliaren Euro belaufen. Die Risiken bei den Rückstellungen soweit welche angefallen sind – übernimmt der Fianzminister. Die Rücklagen werden vom Finanzminiser auf das ERP-Sondervermögen beim BMWi übertraen. Insoweit glaube ich, dass wir der Verpflichtung, die ubstanz zu erhalten, nachgekommen sind. Was ist mit den Erträgen? Zunächst einmal besteht im esamten Parlament der Wunsch, dass wir sie zusammenalten und dass Wirtschaftsförderung und Mittelstandsörderung ungeschmälert und nachhaltig gewährleistet erden. Ich gehe davon aus, dass wir das mit den jetzien Annahmen erreichen können. Durch eine andere Anlage der Erträge erhöhen wir ie Effizienz und stärken die Sicherheit. Die Gelder sind isher zu einem kleinen Teil in der KfW und zum Teil im arkt angelegt und haben Erträge erzielt, die etwa zwi chen 4,5 und 5 Prozent liegen. Das sind grobe Zahlen; ch will das hier in der Kürze der Zeit nicht im Einzelnen ortragen. Die Anlageentscheidung ist zum Teil über die fW, zum Teil über das ERP-Sondervermögen und das MWi getroffen worden. Ausgegeben haben wir immer ur die Erträge. Wir haben sogar Rückstellungen gebilet, um die Substanz weiterzuentwickeln. Jetzt sagen wir, dass die Hälfte dieser frei angelegten eträge in Höhe von 9,3 Milliarden Euro, also 4,65 Mil iarden Euro, als Eigenkapital und weitere 3,1 Milliarden uro als Nachrangkapital in der KfW angelegt werden ollen. Ein Vermögensbestandteil in Höhe von 1,5 Miliarden Euro, mit dem wir zum Beispiel bisher bei Airus begleitend tätig waren, bleibt außerhalb dieser neuen nlageentscheidung. Was auch immer in der Zukunft araus wird – zurzeit wird an der Stelle nichts verändert. Diese Anlageform ist nachhaltig. Sie ist sicherer als ie bisherigen Anlagen und ertragreich. Der Ertrag, den ir dadurch erzielen, ist mindestens so hoch wie der, den ir bisher erzielt haben. Wie haben in den Verträgen und n den Regelungen, die wir getroffen haben, festgelegt, ass wir pro Jahr Erträge von mindestens 590 Millionen uro zu erwirtschaften und abzuliefern haben. Sie sind ann, nachdem Rückstellungen für den Substanzerhalt in er Zukunft gebildet worden sind, wie bisher für die Förerung der Wirtschaft und des Mittelstands einzusetzen. Damit das für alle Zweifler ganz klar ist: Wir legen as ERP-Vermögen jetzt im Wesentlichen bei der KfWank an. Wir bleiben also Eigentümer. Wir hätten dieses ermögen auch anders anlegen können. Dann würden ir möglicherweise höhere Erträge erwirtschaften, üssten aber auch größere Risiken eingehen. Es wurde ie Grundentscheidung getroffen, dass wir das ERP-Verögen auf diese Weise anlegen. Dazu möchte ich noch eine Bemerkung machen: Die olitischen Entscheidungen im Hinblick auf dieses Verögen trifft nach wie vor der Bund. Bei allem Abstand Parl. Staatssekretär Hartmut Schauerte ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau immer noch eine Bank des Bundes. Wir geben dieses Geld also nicht in eine fremde Struktur, sondern in unsere eigene Struktur. Insoweit sei gerade denjenigen, die wollen, dass das Parlament entscheidungsbefugt bleibt, gesagt: Die Befugnis des Parlaments, über das ERP-Vermögen zu entscheiden, ist bei dieser Form der Anlage mindestens so groß, wie es bei einer anderen Anlageform der Fall gewesen wäre. Die Erträge sind vorrangig sicherzustellen. Das haben wir durch das Gesetz und durch den Vertrag zwischen dem ERP-Sondervermögen und der Kreditanstalt für Wiederaufbau geregelt, den wir dem Parlament ebenfalls zur Beratung vorgelegt haben. Dem Parlament ist also bereits im Rahmen der ersten Beratung eine Befassung mit dem untergesetzlichen Regelwerk angeboten worden. Das ist, wie ich meine, eine faire Art und Weise des Umgangs miteinander. Das ERP-Sondervermögen bleibt Eigentümer des nun weitgehend in der KfW gebundenen Kapitals. Nun komme ich zum zweiten wichtigen Punkt: Die Erträge sind gesichert. Wer entscheidet über die Erträge? Wir sagen: Das machen, wie auch bisher, das BMWi und das Parlament. Das BMWi stellt, wie auch in der Vergangenheit, gemeinsam mit der KfW die Haushaltspläne und den Jahreswirtschaftsbericht über diese Erträgnisse auf, und das Parlament berät und entscheidet darüber. Sollte bei der Durchsicht des Vertrages der Eindruck entstehen, dass die Rechte des Parlaments an dieser Stelle nicht hinreichend klar formuliert sind, dann bleibt es dem parlamentarischen Verfahren überlassen, ob an dieser Stelle noch nachgebessert werden kann, um etwaige Unklarheiten zu beseitigen. Ich kann nur sagen: Wir als vorlegendes Haus wollen, dass das Parlament in vollem Umfang entscheiden kann, wie die Erträge zur Förderung des Mittelstandes geplant, bewirtschaftet und eingesetzt werden. Sollte zu irgendeinem Zeitpunkt ein Veto der Kreditanstalt für Wiederaufbau drohen, dann ist das nicht beabsichtigt. Darüber können wir im Beratungsverfahren miteinander reden. Das kann ich, ohne irgendeiner Verhandlung vorzugreifen, sagen. Nun möchte ich noch ein paar Bemerkungen zur Beteiligung der Vereinigten Staaten von Amerika machen; denn dieses Thema wird momentan besonders in den Mittelpunkt gerückt. Ich kann nur in aller Klarheit sagen: Wir haben uns exakt an die Informationen und Vorgehensweisen gehalten, die wir mit den Amerikanern vereinbart haben; daran besteht überhaupt kein Zweifel. Zunächst einmal äußerten die Amerikaner die Bitte – das ist auch vernünftig –, erst dann informiert zu werden, wenn wir unsere Entscheidung einigermaßen abgeschlossen haben. Den Gesetzentwurf, den wir dem Kabinett zur Beratung vorlegen wollten, haben wir vorher der amerikanischen Seite übersandt. Wir haben den Vereinigten Staaten auch bereits vor der ersten Lesung das untergesetzliche Regelwerk, nämlich den Vertrag, übergeben. M e c – d S r s a ü I m r s E s S a s m A e a z m w f G p – s S w i m s S h c F (C (D Der Vorsitzende des Unterausschusses, Hans ichelbach, weiß ganz genau, dass wir uns schon zu inem sehr frühen Zeitpunkt in einer nichtöffentlihen Sitzung des Untersuchungsausschusses (Zurufe von der CDU — Dr. Rainer Wend [SPD]: Was nicht ist, kann noch werden!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


da hören alle sofort spitz zu –, des Unterausschusses
afür ausgesprochen haben, dass die amerikanische
eite an dieser Sitzung teilnehmen sollte. Bei aller Be-
eitschaft, zu streiten, möchte ich daher darauf aufmerk-
am machen: An dieser Stelle sind wir weiter gegangen,
ls es, was die internationalen Gepflogenheiten angeht,
blich ist.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das kann man wohl sagen!)


n einer nichtöffentlichen Sitzung, also bevor das Parla-
ent informiert wird, eine befreundete Macht an der Be-

atung zu beteiligen, war nur gerechtfertigt, weil wir be-
onderen Respekt vor der Situation hatten, in der das
RP-Vermögen nach dem Kriege im Rahmen des Mar-
hallplans entstanden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


onst hätte man es nicht verantworten können. Ich bitte
lle, aus dieser Situation jetzt aber keinen Nebenkriegs-
chauplatz werden zu lassen, auf dem wir uns am Ende
ehr Ärger einhandeln als Freude. Wir werden mit den
merikanern weiterverhandeln. Sie haben angekündigt,

ine Delegation zu schicken – es ist ja besser zu reden
ls Schriftstücke auszutauschen –, die in der ersten oder
weiten Woche nach Ostern hierher nach Berlin kom-
en wird. Wir werden das weitere Vorgehen und die Be-
ertung dieser Vorgehensweise mit den Amerikanern

reundschaftlich erörtern.

Dass ausgerechnet am Tag vor der Veranstaltung der
8 in Heiligendamm der 60. Geburtstag des Marshall-

lans zu begehen ist, ist eine besondere Tücke oder
wenn Sie so wollen – ein gewisser Charme der Ge-

chichte. Wir haben einen Brief der amerikanischen
eite bekommen. Den werden wir jetzt prüfen, und wir
erden ihn ordnungsgemäß beantworten.

Aber ich sage Ihnen: Nach der Vorbereitung erwarte
ch konstruktive Beratungen im Parlament. Ich freue
ich insbesondere auf die Gespräche mit der amerikani-

chen Seite, die wir nach Ostern ausführlich und an der
ache orientiert führen werden. Ich glaube, das, was wir
ier vorlegen, ist ganz ordentlich.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Herzli-
hen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609117100

Ich gebe das Wort dem Kollegen Martin Zeil, FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Martin Zeil (FDP):
Rede ID: ID1609117200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wilhelm Busch hat einst gereimt:

Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das
Böse, was man läßt!

Die FDP-Fraktion hat die Regierungen in den letzten
acht Jahren immer vor der bösen Tat gewarnt. Bis zum
Regierungswechsel hatten wir unsere Freunde von der
Union dabei an unserer Seite.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die sind jetzt abhanden gekommen!)


Für uns ist festzuhalten: Das ERP-Vermögen eignet
sich aus vielerlei Gründen nicht als Steinbruch für den
Bundeshaushalt und auch nicht als Kapitalspritze für
staatliche Großbankträumereien.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Mittelstand in Deutschland ist mit der umsichtigen
Verwaltung dieses Treuhandvermögens und mit der klu-
gen, von allen Regierungen getragenen Förderpolitik
jahrzehntelang sehr gut gefahren. Es gibt nicht den ge-
ringsten Grund, hieran irgendetwas zu ändern.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie wollen heute mit dem Gesetz zur Neuordnung der
ERP-Wirtschaftsförderung einzig und allein die Begehr-
lichkeiten Ihres Finanzministers bedienen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es!)


Dabei verwickeln Sie sich zusehends in Widersprüche:
Zunächst mussten die 2 Milliarden herhalten, um zu sa-
gen, Deutschland muss das Maastrichtkriterium endlich
wieder einhalten. Nun, nach der größten Steuererhöhung
in der deutschen Geschichte, ist Ihnen dieses Argument
aus der Hand geschlagen. Jetzt rücken die Großbankfan-
tasien wieder in den Vordergrund: 9,3 Milliarden Euro
aus dem Treuhandvermögen des Mittelstandes sollen
die zweitgrößte deutsche Bank außerhalb der Banken-
aufsicht entstehen lassen. Ordnungspolitisch, aber auch
wettbewerbspolitisch ist das ein Sündenfall ersten Ran-
ges. Hier wäre eigentlich der Wirtschaftsminister gefor-
dert. Aber er schweigt – wieder einmal.

Hätte man es nur darauf angelegt – wofür ja viel
spricht –, Effizienzsteigerungen in dem ERP-Vermögen
zu erzielen, so hätte die Anlage in einem sauberen Ver-
fahren öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Auch
die vorgesehene Zinsregelung ist weder marktgerecht
noch auf Dauer ausreichend für den Substanzerhalt.
Und, Herr Schauerte – Sie haben das zwar etwas ver-
kleistert –: Erst nach Ablauf des Förderjahres ist künftig
eine Berichterstattung des Ministeriums gegenüber dem
Bundestag im Gesetz vorgesehen. Damit wird der Bun-
destag einer wichtigen Mitwirkungsmöglichkeit beraubt.


(Zuruf von der FDP: Aha!)


Lassen Sie uns trotz aller Winkelzüge und kosmeti-
scher Bemühungen festhalten: Die Selbstständigkeit und

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(C (D nantastbarkeit des ERP-Vermögens in seiner Substanz ird auf dem Altar Ihrer Koalitionsabsprache geopfert. ie können noch so viele Parlamentsvorbehalte und chöne Absichtserklärungen in das Gesetz hineinschreien – an der Verfügungsgewalt des KfW-Vorstandes, an er Entmachtung des Parlaments ändert dies alles nichts. Und das schlechte Gewissen, meine Damen und Heren von der Koalition, dringt Ihnen ja schon aus den Poen. Es ist ja anders nicht zu erklären, dass uns versprohene Unterlagen entweder viel zu spät oder gar nicht rreichen. Dieses Gesetz soll so schnell wie möglich urch das Parlament gepeitscht werden als willfähriger rfüllungsgehilfe des Finanzministers. (Ute Berg [SPD]: Was wollen Sie denn damit sagen?)


(Beifall bei der FDP)


Und wie das so ist mit den bösen Taten, Frau Kollegin
erg: Es schleichen sich auch gravierende Fehler ein.


(Lachen der Abg. Ute Berg [SPD])


ie jüngste Reaktion der USA – Sie lachen: aber ich
inde das, ehrlich gesagt, gar nicht zum Lachen –, von
er wir übrigens erst aus der Zeitung erfahren mussten,
bwohl der Brief von Mitte März datiert, spricht Bände.
ie Vereinigten Staaten haben sich unverblümt zum Ver-

ahren, zum Stil und zum Inhalt geäußert.


(Ute Berg [SPD]: Dazu hat Herr Schauerte schon was gesagt!)


Und wir haben immer davor gewarnt, Frau Kollegin,
usgerechnet in dieser Frage kleinkariert auf Rechts-
tandpunkten zu beharren. Es verbietet sich unseres Er-
chtens, dem amerikanischen Volk als dem großherzigen
eldgeber ausgerechnet kurz vor dem 60. Geburtstag
it dieser unsensiblen Tollpatschigkeit zu begegnen,
eine Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP)


Geschichtsvergessen“ nannte dies gestern die „Finan-
ial Times“.


(Zuruf von der FDP: Gute Zeitung!)


nd ich füge hinzu: Selbst die größte Haushaltsnot
ürde es nicht rechtfertigen, die Grenzen der Peinlich-
eit in dieser Weise zu überschreiten.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Richtig!)


Tätige Reue, meine Damen und Herren von der Ko-
lition, reinigt bekanntlich von den Sünden. Beschreiten
ie die im Schreiben der USA vom 16. März gebaute
oldene Brücke und nehmen Sie Ihren Gesetzentwurf
urück oder setzen Sie wenigstens das Verfahren aus!


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Rücktritt!)


ir sollten den freundlich formulierten Vorschlag der
merikaner aufgreifen und den 60. Jahrestag nutzen, um
ich zitiere wörtlich – „gemeinsam über innovative
ege zur Nutzung der Gelder in Übereinstimmung mit

en ursprünglichen Zielen des Marschall-Plans zu spre-
hen“.






(A) )



(B) )


Martin Zeil

(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Gute Idee!)


Die FDP-Fraktion würde einen solchen Weg kon-
struktiv begleiten.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das glaube ich nicht!)


Eine Plünderung und Zweckentfremdung des ERP-Ver-
mögens aber, wie Sie dies mit Ihrem Gesetz machen,
wird weiterhin auf unseren entschiedenen Widerstand
stoßen.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. HansJosef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Lachen der Abg. Ute Berg [SPD])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609117300

Nächster Redner ist der Kollege Christian Lange,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Christian Lange (SPD):
Rede ID: ID1609117400

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Herr Kollege Zeil, den Vertrag und das Gesetz
durch das Parlament peitschen? Wir können Parlaments-
vorbehalte beschließen, wie wir das wollen. Herr Zeil,
meine Damen und Herren von der FDP, sagen Sie doch
einfach, dass Sie das Ganze ablehnen wollen.


(Martin Zeil [FDP]: Ja, das haben wir deutlich gesagt!)


Das wäre doch ehrlicher, als wenn Sie das jetzt hier mit
diesen Dingen bemänteln.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen doch etwas ändern! Wir sind in der ersten Lesung!)


In der Tat findet heute die erste Lesung von zwei
Gesetzen statt; sie werden eingebracht. Zum einen ist
dies der Regierungsentwurf zum ERP-Wirtschafts-
plangesetz 2007 – darüber hat noch niemand ein Wort
verloren –, zum anderen ist dies das Gesetz zur Neu-
ordnung der ERP-Wirtschaftsförderung. Gestatten Sie
mir, zumindest ein Wort zum ERP-Wirtschaftsplange-
setz 2007 zu sagen; denn wir haben es zumindest im
Unterausschuss immerhin einstimmig beschlossen.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War auch gut so!)


Diejenigen, die uns zuhören, sollten das vielleicht auch
einmal wissen.

Für Existenzgründungen und Wachstumsfinanzierun-
gen sind 1,1 Milliarden Euro, für Innovationsförderun-
gen 850 Millionen Euro, für Vorhaben in regionalen För-
dergebieten 650 Millionen Euro und für mittelständische
Bürgschaftsbanken sowie die Refinanzierung privater
Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Beteiligungs-
fonds 350 Millionen Euro vorgesehen. Insbesondere aus
unseren Reihen haben viele Wert darauf gelegt, dass es
darüber hinaus auch jede Menge Stipendienprogramme

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(C (D ibt. Auch die Mittelabflüsse sind gestiegen. Das muss an an dieser Stelle vielleicht auch einmal sagen. Wenn wir uns die Zahlen der Mittelzusagen anchauen und sie vergleichen, dann stellen wir fest, dass s im Jahre 2006 gegenüber 2005 einen Zuwachs von 0 Prozent gab. Es lohnt sich an dieser Stelle also, für iese Mittelstandsfinanzierung zu streiten. Das sollte an vielleicht auch einmal erwähnen, damit verstanden ird, warum wir hinsichtlich des ERP-Wirtschaftsplanesetzes eine solche Neuordnung vornehmen wollen und as unser eigentliches Herzblut dahinter ist. Herr Schauerte, Sie haben den Koalitionsvertrag beeits erwähnt – unter anderem auch den Mittelabfluss in öhe von 2 Milliarden Euro. Wir haben aber auch ganz lar gesagt, dass wir die Substanz erhalten wollen. Dazu at Ihr Haus ja auch ein Gutachten in Auftrag gegeben. abei kamen zwei Ergebnisse heraus: Erstens. Der dau rhafte Erhalt der ERP-Wirtschaftsförderung ist nur öglich, wenn neben der laufenden Förderung auch der ubstanzerhalt gewährleistet ist. Zweitens werden für Förderung und Substanzerhalt ährlich mindestens 590 Millionen Euro benötigt, und war 300 Millionen Euro zur Finanzierung neuer Förerleistungen und 290 Millionen Euro, um den Substanerhalt sicherzustellen. Neben dem Substanzerhalt des Sondervermögens war ns bei der Entscheidung auch die Beteiligung des Paraments wichtig. Das haben wir im Unterausschuss einernehmlich beschlossen. Der Vertrag ist uns – darin will ich der Bundesregieung zur Seite springen – vor der ersten Beratung verprochen worden. Das war so vereinbart; das können Sie em Protokoll entnehmen. (Martin Zeil [FDP]: Das war am Tag vorher! Das war ein bisschen spät!)


nsofern bitte ich Sie im Rahmen unseres fairen Mitei-
anders, das wir um der guten Sache willen in der Ver-
angenheit gepflegt haben, dazu zu stehen, statt den Ein-
ruck zu erwecken, die Bundesregierung würde etwas
orenthalten. Das ist nicht der Fall.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Insbesondere der Vertrag, der zwischen der KfW und
em Bund im Rahmen der Neuordnung auszuhandeln
ar, erfüllt die Vorgaben mit Leben. Das Bundeswirt-

chaftsministerium bleibt – das ist ein wichtiges Krite-
ium – Verwalter des ERP-Sondervermögens und setzt
en Wirtschaftsplan zusammen mit der KfW um. Das ist
icht nur im Gesetzentwurf, sondern auch im Vertrag
indeutig festgelegt.

Das Fördervolumen und die Förderintensität der
RP-Wirtschaftsförderung bleiben uneingeschränkt er-
alten. Das neu in der KfW angelegte Kapital des Son-
ervermögens bleibt weiterhin ausdrücklich der Wirt-
chaftsförderung gewidmet. Die Maßnahmen dienen
nsbesondere der Effizienzsteigerung.

Jetzt stellt sich die Frage, wie das Parlament ins Spiel
am. Herr Staatssekretär, Sie haben festgestellt, dass es






(A) )



(B) )


Christian Lange (Backnang)

Ihres Erachtens ausreichend gewürdigt wurde. Im Text
wird das Parlament allerdings nicht direkt erwähnt. Wir
werden uns damit zu befassen haben – wir werden dazu
eine Anhörung durchführen, die wir voraussichtlich
morgen im Wirtschaftsausschuss beschließen werden –,
wie das Parlament noch besser beteiligt werden kann.
Ob das im Gesetz oder im Vertrag geschieht, wird sich in
der Anhörung zeigen. Insofern gilt auch hier: gemach,
gemach! Wir haben uns darauf verständigt, und die Ko-
alitionsfraktionen haben es fest im Blick.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Der nächste Punkt ist die Wettbewerbsverzerrung.
Die Bundesregierung hat die Frage einer möglichen
Wettbewerbsverzerrung durch die Kapitalverstärkung
der KfW auch im Hinblick auf das EU-Beihilferecht prü-
fen lassen. Wie Sie wissen, kam man zu dem Ergebnis,
dass keine aus EU-beihilferechtlicher Sicht bedenkliche
Maßnahme ergriffen worden ist. Dennoch will ich darauf
hinweisen, dass das in die KfW eingebrachte Kapital
vollständig zweckgebunden ist – Sie haben das Thema
Großbank bzw. Staatsbank angesprochen –; es darf nur
zur Mittelstandsförderung eingesetzt werden. Volumen
und Intensität der Förderung bleiben auf bisherigem Ni-
veau. Die KfW gewinnt hierdurch weder neue Ge-
schäftsfelder noch neue Kundengruppen. Kurzum, es
können mit dem Kapital keine Industriebeteiligungen
der KfW oder Ähnliches finanziert werden.

Ich weiß, dass es diffuse Sorgen gibt, die aber keinen
realen Hintergrund haben. Der Gesetzentwurf und der
Vertrag sind an dieser Stelle eindeutig. Deshalb meine
ich, dass man diese Sorgen nicht schüren sollte. Man
sollte vielmehr darauf verweisen, dass es nicht möglich
wird, neue Kundengruppen zu akquirieren oder die Mit-
tel für andere Zwecke als die Mittelstandsförderung ein-
zusetzen.

Wie ich weiß, wird dies nicht nur von Ihnen, sondern
auch vonseiten der USA mit Skepsis betrachtet. Dabei
spielen aber – da müssen wir ehrlich sein – häufig auch
handelspolitische Fragen eine gewisse Rolle. Insofern
sollten wir auch hier die Kirche im Dorf lassen. Schließ-
lich wollen wir am Hausbankenprinzip nichts ändern,
ganz im Gegenteil. Das hat auch die gestrige Beratung
im Ausschuss noch einmal deutlich gemacht. Am Haus-
bankenprinzip wird festgehalten. Deshalb meine ich,
dass nicht von einer Wettbewerbsverzerrung gegenüber
anderen Banken in der Bundesrepublik die Rede sein
kann.

Erlauben Sie mir abschließend eine Bemerkung zu
den Vereinigten Staaten von Amerika. Es freut mich au-
ßerordentlich, dass die Opposition so sehr um die Au-
ßenpolitik bemüht und besorgt ist. Aber als Mitglied der
Legislative sage ich deutlich: Es geht hierbei eindeutig
um eine Aufgabe der Exekutive. Wir haben aber schon
großes Entgegenkommen gezeigt – Sie haben darauf
hingewiesen, Herr Schauerte –, indem wir einen Vertre-
ter der Botschaft an unseren nichtöffentlichen Beratun-
gen in unserem Unterausschuss haben teilnehmen las-
sen. Das hat zwar nicht allen gefallen, aber mit
Rücksicht auf unsere amerikanischen Freunde haben wir
das hingenommen.

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(C (D Aber dass die Vereinigten Staaten keine Ahnung geabt haben, was wir machen, kann nicht vonseiten des arlaments behauptet werden. Denn damit würden Sie en Amerikanern unterstellen, dass die Kommunikation wischen Botschaft und State Department nicht funktioiert. Das wäre die einzige logische Erklärung für Ihren orwurf. Deshalb meine ich: Überlassen wir diesen Teil er Regierung. Konzentrieren wir uns auf das, was wir m Parlament zu tun haben, insbesondere, was die Wahung unserer eigenen Rechte anbelangt. Ich bin der festen Überzeugung, dass die ERP-Fördeung auch für die kommenden 50 Jahre auf einem guten eg ist und dass sowohl die Vereinigten Staaten als die ründerväter des Sondervermögens als auch die Mittel tändler, die darauf bauen, dass wir das ERP-Vermögen n Deutschland erhalten, in der Tat sicher sein können: as ERP-Vermögen wird ihnen auch in den nächsten 0 bis 60 Jahren zur Verfügung stehen. Das muss unser iel sein. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. Ich gebe das Wort dem Kollegen Herbert Schui von er Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines ist ei den Beratungen des Unterausschusses deutlich georden: Es geht nicht nur um zusätzliche Mittel für den undeshaushalt. Die Fraktion Die Linke war nicht die inzige, die Bedenken bezüglich des Einflusses des Paramentes bei der Gestaltung und Geschäftspolitik von öfentlichen Krediteinrichtungen hatte. Zunächst aber zum Stichwort Bundeshaushalt: 2 Miliarden Euro sollen abgeführt werden. Weiterhin sieht as Gesetz vor, dass der Bund Forderungen und Verbindichkeiten in Höhe von etwa 14 Milliarden Euro überimmt. Wenn nun die Verbindlichkeiten weiter beim und bleiben, er sich aber entschließen sollte, die Forde ungen zu verbriefen und zu liquidieren, dann ständen hm nicht nur 2 Milliarden Euro, sondern 16 Milliarden uro zur Verfügung. Das ist nicht meine Vermutung, sondern ich habe das n der Stellungnahme der kreditwirtschaftlichen Verände gelesen. Nun ist das Problem des Staatsdefizits icht mein Thema. Aber warum nehmen denn die Regieung und die Koalitionsfraktionen zu dieser Vermutung icht Stellung? Sie könnten ja sagen, dass das eine Erfinung ist und dass die Informationen, auf die sich die kreitwirtschaftlichen Verbände berufen, aus der Luft geriffen sind. In Ordnung. Aber dass man sich gar nicht azu äußert, ist nicht nachzuvollziehen. Man sollte zuindest die Position, die man einnimmt, in irgendeiner rt und Weise verdeutlichen. Wenn die Informationen richtig wären, dann enttünde sicherlich ein Schattenhaushalt, zusätzliche Kre Dr. Herbert Schui ditierungsmöglichkeiten und damit ein bisschen Luft – Stichwort Maastricht. Aber dazu möchte ich hier nicht weiter sprechen. Die Konsolidierungsschwüre der Bundesregierung wären allerdings etwas fragwürdig, wenn die kreditwirtschaftlichen Verbände Recht hätten. Damit sind wir beim Umgang mit dem Parlament: Warum bezieht die Regierung nicht Stellung? Sie hätte das unaufgefordert tun sollen. Wie ist es mit dem bereits oft zitierten Brief des Herrn Bellinger an das Auswärtige Amt? Immerhin ist Herr Bellinger der oberste Rechtsberater des US-Außenministeriums. Mein Problem ist nicht, dass ein deutsches Parlament oder eine deutsche Regierung in bestimmten Fragen im Gegensatz zu den USA stehen könnten. Aber ich empfinde es als außerordentlich merkwürdig, dass die „Wirtschaftswoche“ den Brief am 24. März veröffentlicht hat und uns der Brief erst nach dreimaliger Nachfrage am 27. März im Unterausschuss vorgelegt worden ist. Ich glaube nicht, dass hier gezielt Informationen zurückgehalten werden sollten. Dafür ist das alles nicht bedeutend genug. Aber ich vermute, dass es dem beteiligten Ministerium offensichtlich gar nicht in den Sinn gekommen ist, dass ein solcher Brief den Mitgliedern des Parlaments weitergeleitet werden müsste. Da stimmt wohl etwas nicht bei der Einschätzung. Des Weiteren haben wir auf die Verwaltungsvereinbarung gewartet, die uns über die Qualität des Gesetzes intensiver informiert. Diese Verwaltungsvereinbarung wird in der Stellungnahme der kreditwirtschaftlichen Verbände erwähnt. Diese Stellungnahme wurde uns im Ausschuss auch unaufgefordert vorgelegt. Nun mussten wir, nachdem wir gelesen hatten, dass die Kreditwirtschaft über solche Informationen verfügt, nachfragen, ob wir sie nicht auch bekommen können. Ich finde, das ist ein unangemessener Umgang des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Parlament. Es stellen sich jetzt folgende Fragen: Warum ist das alles so eilig? Haben wir nicht noch ein bisschen Zeit? Oder hätte man – entsprechende Festlegungen zur Neuordnung des ERP-Vermögens gab es ja bereits in der Koalitionsvereinbarung – das rascher auf den Weg bringen können? Jetzt geht das ja sehr zügig. Herr Schauerte, angesichts dessen fällt mir nur die Frage ein, ob Ihnen als Repräsentant des Wirtschaftsministeriums vielleicht die Opposition, ja sogar das ganze Parlament in irgendeiner Weise lästig ist und ob Sie lieber keine parlamentarische Beteiligung möchten. § 12 des Vertrages widerlegt das nicht. Mein letzter Punkt: Wie sollte man die Dinge betreffend das ERP-Sondervermögen und die Kreditanstalt für Wiederaufbau regeln? Halten wir einfach fest, dass die KfW Bestandteil eines notwendigen öffentlichen Sektors in einem gemischt-wirtschaftlichen System sein muss. Herr Kollege, das müsste wirklich Ihr letzter Punkt sein. d d v d W t b H H S t d g L s S m G V S k n i d b t l U s d F z 4 K g a t K (C (D Ich bin sofort fertig. – Wenn das so ist, hat die KfW rei Aufgaben zu erledigen: Sie hat dann tätig zu weren, wenn Marktversagen vorliegt; so etwas gibt es. Daon redet auch die Kreditwirtschaft. Sie hat des Weiteren en Wettbewerb dort zu intensivieren, wo es die private irtschaft nicht tut. Herr Kollege! Sie hat vor allem im Auftrag des Parlamentes Indus riepolitik zu betreiben. Es wäre Aufgabe des Gesetzgeers, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Vielen Dank. Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege ans-Josef Fell vom Bündnis 90/Die Grünen. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Das Parlament hat über Jahrzehnte das ERPondervermögen als das wichtigste Instrument der Mit elstandsförderung demokratisch legitimiert. Der Bunestag entschied immer über den ERP-Wirtschaftsplan, enauso wie heute über den von 2007. Herr Kollege ange hat ihn dargelegt. Zudem hat der ERP-Unterauschuss über Jahrzehnte fraktionsübergreifend das ERPondervermögen gegen sämtliche Begehrlichkeiten einütig verteidigt. Seit dieser Woche ist dies nun anders. Jetzt will die roße Koalition gegen den Willen der Opposition ein erfahren beschließen, das die Übertragung des ERPondervermögens auf die KfW beschleunigt. Die SPD ann das Vermögen gar nicht schnell genug der KfW hiüberschieben, und die Union macht einfach mit. Dabei nteressiert es die Große Koalition offensichtlich nicht, ass die USA erst vor wenigen Tagen darum gebeten haen, dass kein Verfahren stattfindet, bevor ein Konsultaionsverfahren mit einem gemeinsamen Ergebnis durchaufen ist. Bedauerlich daran ist, dass die Mitglieder des nterausschusses darüber aus der Zeitung erfahren müs en und nicht einmal von der Regierung informiert weren. Lieber verzichtet die Regierung auf eine 60-Jahreier zu den Marshallplanhilfen im Juni, als diesen Deal u verhindern. Worum geht es? Die Große Koalition will ,65 Milliarden Euro des ERP-Sondervermögens der fW übertragen. Dabei ist unumstritten, dass die Verfü ungsgewalt des Bundes über dieses Kapital vollständig n die KfW verloren geht. Mehr noch: Auch über die Erräge aus diesem Eigenkapital verfügt die KfW. Die fW denkt nicht daran, die Erträge auf ein Konto auszu )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609117500

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609117600




(A) )


(B) )

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609117700
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609117800
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609117900
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609118000

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609118100

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609118200

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


Hans-Josef Fell
schütten. Nur mit Zustimmung der KfW darf über die
Ertragsverwendung entschieden werden. Zwar behauptet
die Bundesregierung, dass das Geld bei der KfW beson-
ders sicher sei. Aber sie sagt nicht, warum die KfW nur
dann Erträge zahlen will, wenn sie Gewinne macht. Der
Bundestag hat zukünftig nur noch das Recht, das zu ver-
abschieden, was ihm von der KfW zugestanden wurde.
Mehr lässt die Rechtslage dann nicht zu, auch wenn uns
die Bundesregierung weiter vorzumachen versucht, die
Rechte des Bundestages blieben ungeschmälert.

Handelt es sich wenigstens um eine gute Verzinsung?
Die Bundesregierung hat sich bis heute geweigert, Alter-
nativangebote einzuholen. Es stellt sich die Frage, wa-
rum die Bundesregierung nie versucht hat, ein besseres
Angebot als das der KfW einzuholen.

Wir befinden uns in einer absurden Situation. Die
KfW soll unbedingt das ERP-Sondervermögen erhalten,
obwohl die KfW immer behauptet hat, dass sie es nicht
benötige und die Übertragung nicht ihre Idee sei. Die
Große Koalition zwingt den Bundestag dazu, sich selbst
zu entmachten, betreibt eine fragwürdige Wirtschaftspo-
litik und provoziert dabei ohne Grund die USA.

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie
hier über Staatsvermögen in Milliardenhöhe entschei-
den, noch Folgendes mitgeben: Kein vernünftiger
Mensch gäbe sein Geld einer Bank, die das Geld für sich
behält, deren Zinsen zu niedrig sind, die überhaupt nur
Zinsen zahlen will, wenn sie Gewinn erzielt, einer Bank,
die nur zulässt, die Zinserträge innerhalb der Bank zu
verwenden, und dann noch vorgibt, wofür das Geld ver-
wendet werden darf. Mit der Übertragung des ERP-Son-
dervermögens auf die KfW verhält es sich aber genau so.

Es kann doch nicht sein, dass sich das Parlament
freiwillig selbst entmachtet und die Kontrolle über das
ERP-Sondervermögen aufgibt;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


denn nach KfW-Gesetz hat nur die KfW die Verfügungs-
gewalt über das Eigenkapital, nicht das Parlament. Ein
Parlamentsvorbehalt bei der Aufstellung des zukünftigen
Wirtschaftsplanes gibt es auch im Entwurf des ERP-
Neuordnungsgesetzes nicht. Somit ist der Entwurf
gleichbedeutend mit der Entmachtung des Parlamentes.
Wir werden dies nicht mittragen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609118300

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/4664 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse und zusätzlich an den
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vor-
schläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 8 b. Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge-

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(C (D etzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des RP-Sondervermögens für das Jahr 2007. Der Auschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner eschlussempfehlung auf Drucksache 16/4881, den Ge etzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 16/4376 nzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzenturf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganen Hauses angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzenturf ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen des anzen Hauses angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf: a)

Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, Cornelia Behm,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Sicherheit geht vor – Besonders terroranfäl-
lige Atomreaktoren abschalten

– Drucksache 16/3960 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Dr. Reinhard
Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Schnelle Einführung innovativer erneuerbarer
Energien nur mit Atomausstieg – Ablehnung
der Laufzeitverlängerung für Biblis A ein
richtiger Schritt

– Drucksache 16/4770 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
rhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist
as so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
in Sylvia Kotting-Uhl, Bündnis 90/Die Grünen.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609118400

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Lassen Sie uns über Atomkraft reden. Es ist not-
endig, dass der Bundestag immer wieder einmal über
tomkraft redet, wenn ein Gesetz – das Atomausstiegs-
esetz, das von Regierung und Energiekonzernen ge-
einsam ausgehandelt wurde – von einer Seite der Ver-

ragspartner immer wieder so ungeniert zu hintertreiben
ersucht wird.

Ich meine, dass der Bundestag Umweltminister
abriel Respekt erweisen sollte

(B)







(A) )



(B) )


Sylvia Kotting-Uhl

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


für die klare Ablehnung des Antrags auf Laufzeitverlän-
gerung für Biblis A. Eigentlich könnte man meinen, dass
das Handeln nach Recht und Gesetz für einen Minister
nicht mehr und nicht weniger als eine Selbstverständ-
lichkeit ist. Aber als wie wenig selbstverständlich das
mancherorts angesehen wird, zeigt sich an der angekün-
digten Klage von RWE gegen des Ministers Ablehnung.

Ich will nicht darüber räsonieren, mit welcher Ziel-
richtung RWE damals den Atomkonsens unterschrieben
hat. Aber ich frage mich schon, wie man zu einer sol-
chen Dreistigkeit kommt, einen Reaktor, der bauliche
Defizite hat und dem die vorgeschriebene Notstands-
warte fehlt, der seit Monaten vom Netz und stattdessen
wegen seiner falsch montierten Dübel in den Medien ist,
als genauso sicher wie die allerneuesten zu bezeichnen.
Wenn das so wäre, dann wäre die logische Konsequenz,
alle Reaktoren abzuschalten;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


denn ein Ausstiegsgesetz bedeutet keinen Sicherheitsra-
batt für die Restlaufzeit.

Das nicht wegzuredende Risiko der Atomkraft hat
die Bundesrepublik Deutschland zu dem Beschluss be-
wogen, aus der Atomkraft auszusteigen. Es ist ein Be-
schluss, der gemeinsam mit dem EEG zum Boom der er-
neuerbaren Energien geführt hat und anderen Ländern
den Weg zeigt, wie die Chancen einer zukünftigen Ener-
gieversorgung zu nutzen sind.

Kommen Sie jetzt nicht wieder mit der Mär von der
Renaissance der Atomkraft in der Welt oder gar in
Europa. Bei einer faktisch abnehmenden Zahl von AKW
müssten in den nächsten zehn Jahren 80, in dem darauf-
folgenden Jahrzehnt 200 AKW gebaut werden, nur um
den Stand zu halten. Die Fachzeitschrift „Nuclear
Engineering International“ schreibt dazu, es werde prak-
tisch unmöglich sein, die Zahl der Atomkraftwerke in
den nächsten 20 Jahren zu halten. Also gibt es diese Re-
naissance nicht. Es gibt lediglich bei Ihnen auf der rech-
ten Seite des Parlaments den Versuch einer Renaissance
der Argumente.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


An der Begründung des Atomausstiegs hat sich nichts
geändert, am Risiko der Atomkraft hat sich nichts ver-
ringert, ganz im Gegenteil. Der 11. September 2001 hat
sich als ein Datum, das die Welt verändert hat, einge-
prägt. Die Sicherheitskultur der westlichen Länder passt
sich an eine neue, latente Bedrohung an. Wir spüren das
im Alltag an vielen Stellen: beim Pass, beim Daten-
schutz, beim Einchecken am Flughafen. Das gefällt uns
nicht immer, aber wir zahlen diesen Preis für eine verän-
derte Bedrohungslage. Damit bin ich beim Kern unseres
Antrags zu besonders terroranfälligen Atomkraftwerken.
Für mich ist die Diskrepanz zwischen den tatkräftigen
Anstrengungen, potenzielle Terroristen ausfindig zu ma-
chen, und der Laschheit beim Schutz potenzieller, be-
sonders angriffsgefährdeter Terrorziele nicht nachvoll-

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(C (D iehbar. Auf eine Anfrage hat uns die Bundesregierung eantwortet: Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden des Bundes zum islamistischen Terrorismus ist seit den Anschlägen des 11. September 2001 davon auszugehen, dass Täter aus diesem Bereich nicht nur eine symbolische Wirkung ihrer Taten anstreben, sondern insbesondere versuchen, größtmögliche Personenschäden zu erzielen. Ein Anschlag auf kerntechnische Einrichtungen muss daher als mögliche Option angesehen und kann nicht völlig ausgeschlossen werden. es Weiteren ist von katastrophalen Folgen eines erfolgeichen Angriffs die Rede. Was sind nun die Fakten? Die GRS hat festgestellt, ass Atomkraftwerke grundsätzlich getroffen werden önnen. Sie hat festgestellt, dass einige AKW nicht einal gegen den Absturz kleinerer Militärflugzeuge usgelegt sind. Als Schutzstrategie haben die AKW-Bereiber bis heute nichts anderes als ein Vernebelungsonzept vorgelegt, das darauf fußt, das bedrohte AKW o lange unsichtbar zu machen, bis Hilfe da ist. Das undesverfassungsgericht hat am 12. Februar 2006 be chieden, dass es nicht mit der Menschenwürde vereinar ist, ein mit unbeteiligten Menschen besetztes Flugeug abzuschießen. Damit ist das Schutzkonzept der ernebelung endgültig gescheitert. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie spielen mit der Angst!)


Ich erspare mir an dieser Stelle die sich eigentlich
ufdrängenden Bemerkungen über die Vernebelungs-
dee, weil es uns um die ernste Seite der Sache geht. Wir
ordern den Bundestag auf, von den Verantwortlichen
ür die Atomkraftwerke wenigstens im Ansatz das einzu-
ordern, was jedem Bürger angesichts der veränderten
icherheitslage zugemutet wird. Wir fordern, mehr als
ünf Jahre nach dem 11. September 2001 endlich ernst-
afte Schutzmaßnahmen vorzulegen und die anfälligsten
KW im Sinne des Atomkonsenses stillzulegen;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


enn Strommengenübertragungen sind im Atomgesetz
azu gedacht, Sicherheit zu erhöhen und nicht, wie beim
ntrag auf Laufzeitverlängerung von Biblis, Unsicher-
eit zu verlängern.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609118500

Ich gebe das Wort dem Kollegen Philipp Mißfelder,

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1609118600

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!

iebe Kolleginnen und Kollegen! Der Klimawandel ge-
ört sicherlich zu den zentralen Herausforderungen






(A) )



(B) )


Philipp Mißfelder
unseres Jahrhunderts und ist deshalb als prioritär anzuse-
hen. Ich glaube, auch heute wird niemand ernsthaft
bestreiten, dass die Erderwärmung im Wesentlichen vom
Menschen verursacht worden ist. Umso wichtiger ist es,
dem dringend notwendigen Handlungsbedarf gerecht zu
werden. Das tun wir, wie wir es hier in den vergangenen
Wochen mit zahlreichen Debatten zum Thema Klima-
wandel gezeigt haben.


(Ulrich Kelber [SPD]: Debatte reicht nicht!)


– Herr Kollege Kelber, Sie und Ihre Fraktion wissen ge-
nauso gut wie ich, dass wir schon mit dem, was wir auf
der Konferenz der europäischen Staats- und Regierungs-
chefs unter Führung unserer Bundeskanzlerin Angela
Merkel beschlossen haben, auf dem richtigen Weg sind.
Das reicht mit Sicherheit nicht aus, aber wir werden uns
weiter anstrengen. Ich glaube, das war ein großer Erfolg,
auf den sowohl die SPD als auch die CDU/CSU zu
Recht stolz sein können.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Sie müssen es jetzt noch in Instrumente umsetzen!)


– Ja, das werden wir auch tun. Herr Kelber, nach zwei
Minuten sind Sie schon auf zwei Zwischenrufe gekom-
men. Die von Ihnen angekündigten elf werden Sie si-
cherlich schaffen.

Allerdings erwarte ich gerade von den Kolleginnen
und Kollegen von den Grünen, sich mit dieser Frage in
ihren Anträgen mit der gleichen Ernsthaftigkeit wie wir
zu beschäftigen. Zu Ihren Anträgen möchte ich an dieser
Stelle sagen: Beziehen Sie sich doch einfach einmal auf
das, was die in Ihrer Regierungszeit von Ihnen benannten
Experten Ihnen gesagt haben – wir sollten einfach einmal
zurückblicken –: Der Vorstandsvorsitzende des Windrad-
herstellers Repower Systems AG, Fritz Vahrenholt, hat
als Mitglied des Parlamentarischen Beirats für nachhal-
tige Entwicklung schon vor zwei Jahren gesagt, dass die
Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke sinn-
voll ist.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich! Es gibt auch bei Ihnen welche, die gegen Atomkraft sind!)


Ihre These, dass gerade die Laufzeitverlängerung dem
Ausbau regenerativer Energieträger im Wege steht, ist
einfach falsch. Das möchte ich gleich an mehreren Bei-
spielen deutlich machen. Ich glaube, dass Sie sich mit
dieser Frage ernsthafter auseinandersetzen sollten, als es
bisher der Fall war.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie als Klimaexperte werden das wissen!)


Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass – das hat ein-
fach physikalische Gründe – die Nutzung von Kernkraft
CO2-Ausstoß vermeidet.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist falsch!)


Das räumen selbst erklärte Gegner der Atomenergie ein.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nein!)


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(C (D or wenigen Wochen hat sich selbst das Öko-Institut, as wirklich dafür bekannt ist, gegen Kernkraft zu sein, azu ganz deutlich geäußert und verschiedene Alternaiven genannt. Der CO2-Ausstoß eines Kernkraftwerkes iegt bei 32 Gramm pro Kilowattstunde Strom. Ich laube, dass wirklich niemand in Abrede stellen kann, ass Atomkraft klimafreundlicher ist als zum Beispiel ohlekraft. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kommen aber noch zum Thema, oder?)


Ja, natürlich. Ich äußere mich zu dem, was in Ihrem
ntrag steht.

Es ist wichtig, die Frage der regenerativen Energie-
räger im Gesamtzusammenhang eines geschlossenen
nergiekonzepts zu sehen. Nur regenerative Energieträ-
er zu fordern, ohne zu sagen, dass die Abschaltung der
ernkraftwerke ohne Ersatz letztendlich gar nicht mög-

ich sein wird, reicht aus meiner Sicht nicht aus. Würde
an Ihrem Vorschlag folgen, würde die Energieabhän-

igkeit von anderen Ländern auf Dauer nämlich erhöht.
ir wollen weder wieder stärker von fossilen Energie-

rägern abhängig werden, noch wollen wir stärker vom
usland abhängig sein. Wenn Sie Vorschläge zur Ab-

chaltung der Kernkraftwerke machen, müssen Sie sa-
en, wie Sie die Kernenergie auf Dauer ersetzen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wie wir sehen, weisen viele momentan getroffene
nternehmensentscheidungen – auch auf Basis des Ko-

litionsvertrages –, in absehbarer Zeit Kernkraftwerke
bzuschalten, eher in eine andere Richtung als in die von
hnen befürwortete, nämlich regenerative Energien aus-
ubauen. Überall, wo Atomkraft in Zukunft nicht mehr
erwendet werden soll, werden Unternehmensentschei-
ungen vorbereitet, die auf Kohlekraftwerke setzen. Das
at mit Klimafreundlichkeit überhaupt nichts zu tun.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist wahr!)


Ich teile Ihre Kritik an der Industrie in vieler Hinsicht.
ber man muss doch sehen, wie sich die Entwicklung
ollzieht. Wenn man aus der Kernenergie aussteigt, dann
ommt es doch nicht automatisch zu einem höheren An-
eil der regenerativen Energien. Vielmehr wird dadurch
er Anteil der fossilen Energieträger gestärkt, und das ist
limaunfreundlich. Das wollen wir hier in diesem Hause
icht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie betreiben in Ihrem Antrag verschiedene Zahlen-
piele. Basis der Zahlenspielereien in Ihrem Antrag
ollte aber die Realität sein. Ein Beispiel: In Ihrem An-
rag schreiben Sie, dass die Kernkraft in Deutschland nur
Prozent der gesamten Energieerzeugung abdecke.
ussagekräftiger ist allerdings – das muss ich hier wirk-

ich feststellen – der Anteil der Kernenergie an der
tromerzeugung: Daran hat die Kernenergie im Ver-
leich zu allen anderen Energieträgern mit 27 Prozent
en größten Anteil, und das ist der eigentliche Maßstab.






(A) )



(B) )


Philipp Mißfelder
Würden Sie Ihren Ansatz auf die Fotovoltaik anwenden
– dort legen Sie ganz andere Zahlen zugrunde –, dann
würden Sie bei Ergebnissen im Promillebereich landen.
Deshalb sage ich Ihnen: Versuchen Sie nicht, die Debatte
durch unterschiedliche Berechnungen, wie Sie sie in Ih-
rem Antrag angestellt haben, unnötig zu erschweren.

Ich glaube, dass Sie sich damit keinen Gefallen getan
haben, weil Ihr Antrag in der Frage „Regenerative Ener-
gien und Kernenergie“ nicht so konsistent ist wie Ihre
Argumentation vielleicht an anderen Stellen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609118700

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Kotting-Uhl?


Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1609118800

Ja, sehr gern.


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609118900

Herr Mißfelder, Sie haben Ihren Beitrag mit einem

ausführlichen Bezug auf den Klimawandel eingeleitet.
Stimmen Sie mit mir darin überein, dass wir dann, wenn
wir vom Klimawandel und von der Notwendigkeit spre-
chen, Energie einzusparen, nicht allein vom Strom reden
dürfen, sondern immer alle Bereiche, in denen wir Ener-
gie brauchen, betrachten müssen, dass insofern durchaus
auch relevant ist, was eine bestimmte Energieerzeu-
gungsart für den gesamten Energieverbrauch bedeutet?


Philipp Mißfelder (CDU):
Rede ID: ID1609119000

Ja, da stimme ich mit Ihnen überein.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!)


Das habe ich aber auch gar nicht in Abrede gestellt. Ich
bin nur der Meinung: Bei verschiedensten Gradmessern,
die Sie zugrunde legen, und bei allen Formulierungen
sollten Sie darauf achten, dass Sie an die Kernenergie
letztlich den gleichen Maßstab anlegen wie an die Foto-
voltaik oder andere regenerative Energieträger. Das ist
das, was ich Ihnen vorgeworfen habe. In der Sache
stimme ich Ihnen da zu. Ich glaube, dass wir den Anteil
der regenerativen Energien auf Dauer erhöhen müssen;
das ist auch bei uns nicht umstritten. Trotzdem muss
man realistisch bleiben.

Zu diesem Realismus gehört aus meiner Sicht: Wir
müssen sehen, dass der technische Stand der regenerati-
ven Energien noch gar nicht so weit ist, wie Sie das in
Ihren Anträgen voraussetzen. Das Entscheidende beim
Ersatz der Kernenergie ist doch: Was ist überhaupt
grundlastfähig? Darüber müssen wir reden.

Die Grundlastfähigkeit der regenerativen Energieträ-
ger ist eben nicht gegeben. Es grenzte an ein physikali-
sches Wunder, wenn man die Kernenergie, die grundlast-
fähig ist, ohne Weiteres durch regenerative Energieträger,
die eben nicht grundlastfähig sind, ersetzen könnte. Das
setzen Sie aber voraus. Deshalb müssen wir bei der Ener-
gieversorgung in Deutschland darauf achten, dass wir die
Debatte doch eher in einer anderen Richtung führen. Wir

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(C (D üssen fragen: Was ist realistisch? Wo können wir mehr ür regenerative Energien tun? – Ich glaube, dass Geoermie, Wasserkraft, Biomasse in Zukunft eine viel grö ere Rolle spielen werden, als das momentan der Fall ist. Dazu hat die Union auch Vorschläge gemacht. Wir ieten ausdrücklich an: Wenn die Laufzeitverlängerung ommt, treffen wir mit der Industrie eine neue Vereinbaung, und zwar dahin gehend, dass das, was an zusätzlihen Gewinnen dadurch zu erwarten ist, in die regeneraven Energien investiert wird. (Marco Bülow [SPD]: Die wird dann wieder nicht eingehalten – wie diese!)


as Ganze ist letztlich eine Finanzierungsfrage. Die Fi-
anzmittel, die dafür notwendig sind, muss man mobili-
ieren.


(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


avon sind Sie weit entfernt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Was Sie vorschlagen, das nennt man im Kartellrecht Marktmachtübertragung! Das ist eine Straftat!)


Ich möchte mich auch Ihrem zweiten Antrag widmen.
ie haben in Ihrem Antrag zur Sicherheit von Kraft-
erken in Deutschland in Bezug auf terroristische An-

chläge aus meiner Sicht ein falsches Zitat verwandt.
unächst einmal muss ich sagen, dass Sie bei den Anfra-
en, die Sie zitieren, auch die Drucksachennummer an-
eben sollten, damit man überprüfen kann, auf welche
nfrage Sie sich letztlich beziehen. Es ist zwar eigent-

ich kein Problem, das herauszufinden; trotzdem war es
n dieser Stelle besonders schwierig, weil Sie in der Tat
icht vollständig zitiert haben.

In der Drucksache 16/1249 – das ist die Antwort auf
ie Kleine Anfrage der Abgeordneten Fell, Loske,
otting-Uhl und weiterer Abgeordneter – steht als Ant-
ort auf Ihre Frage 12 folgender Satz:

Hinweise und Einschätzungen internationaler Orga-
nisationen werden bei der Gefährdungsbewertung
der Situation Deutschlands berücksichtigt. Aktuell
liegen aber keine Hinweise vor, aus denen sich eine
unmittelbare Gefährdung von Kernkraftwerken
oder die beabsichtigte Verwendung einer schmutzi-
gen Bombe in Deutschland herleiten ließen.


(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU] – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das relativiert doch nichts!)


Ich schließe nicht aus, dass es zu solchen Bedrohun-
en kommt. Diese Antwort beruht aber doch offenbar
uf einer umfassenden Sicherheitsanalyse. Dann einfach
u schreiben, dass diese realistische Bedrohung automa-
isch vor der Tür stehen würde, halte ich dann doch
chon für fahrlässig. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle
orwerfen. Stützen Sie sich doch auch auf die Sicher-
eitserkenntnisse, die vorhanden sind, die es weiterhin
ibt, und auf die Auskünfte an dieser Stelle, ohne Panik
u machen!






(A) )



(B) )


Philipp Mißfelder
Abschließend: Sie haben den 11. September 2001 an-
gesprochen. Damals haben Sie regiert.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ja ein Konzept eingefordert worden!)


Wenn die terroristische Gefahr so unmittelbar gewesen
wäre, dann hätten Sie auch damals schon reagieren kön-
nen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein billiges, albernes Argument!)


Heute aus der Opposition heraus solche Anträge zu stel-
len, ist utopisch. Sehr viel Fantasie steckt dahinter, aber
nun wirklich wenig Realitätssinn.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609119100

Das Wort hat die Kollegin Angelika Brunkhorst,

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Angelika Brunkhorst (FDP):
Rede ID: ID1609119200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man

soll ja mit großen Worten sparsam umgehen. Aber, liebe
Kollegen von den Grünen, mit dem, was Sie heute brin-
gen, schießen Sie wirklich den Vogel ab.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immer gern!)


Wir lehnen Ihre Anträge nicht nur deshalb ab, weil sie
inhaltlich falsch sind und weil wir Ihre Ziele nicht teilen,
sondern auch, weil sie offensichtlich falsch und wirklich
unverantwortlich sind. Ich will Ihnen ganz klar sagen:
Ich halte die beiden Anträge für einen moralischen Fehl-
tritt.


(Beifall bei der FDP – Unruhe bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Ich weiß, Sie lassen sich das nicht gerne sagen. Aber
ich werde es begründen. Ihre Proteste prallen an mir ab.

Ich will Sie einmal fragen: Für wie doof halten Sie die
Leute eigentlich? Sie stellen sich hier heute im Parla-
ment hin, Frau Kotting-Uhl, und behaupten, einige
Kernkraftwerke müssten sofort abgeschaltet werden,
weil sie ein sehr bedrohliches Ziel für Terroranschläge
mit großen Flugzeugen seien. Wenn das wirklich so ist,
warum beantragen Sie dann heute im Parlament das, was
Sie damals hätten tun können? Der 11. September 2001
fiel in Ihre Regierungszeit.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gerade schon gehört!)


Sie hatten danach noch vier volle Jahre Zeit. Da hätten
Sie einiges auf den Weg bringen können. Es ist doch
wirklich scheinheilig, was Sie hier tun.

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(C (D (Beifall bei der FDP – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Verfassungsgericht hat letztes Jahr entschieden und nicht vor fünf Jahren!)


Sie wissen ganz genau, dass ein sofortiges Abschalten
er Kernkraftwerke nicht machbar ist und auch gar
ichts für die Sicherheit der Bevölkerung bringen würde.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


as wäre auch rechtlich gar nicht möglich; auch das wis-
en Sie.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


Ich denke, es geht um etwas ganz anderes. Es geht um
hre heilige Kuh. Es geht um den Ausstieg aus der Kern-
nergie. Sie verlieren da jedes Maß. Ihnen ist da jedes
ittel recht. Ich denke, Sie machen wider besseres Wis-

en ein politisches Geschäft mit der irrationalen Angst
er Menschen. Sie versuchen, die Menschen und ihre
ngste zu instrumentalisieren. Sie lenken die Ter-

orangst, die gegeben ist und die ich durchaus sehe, auf
ie Mühlen Ihrer Antikernkraftideologie. So ist das. Ich
enke, das muss man hier einmal offen ansprechen.


(Beifall bei der FDP) – Sylvia Kotting-Uhl

[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte,
wir hätten eine parlamentarische und keine
psychologische Beratung! Wenn ich einen
Psychiater brauche, komme ich zu Ihnen, Frau
Brunkhorst!)

Sie haben recht: Terroristen wollen Anschläge auf
iele verursachen, die möglichst viele Menschen treffen
nd vielleicht sogar töten. Genau das haben uns ja die
nschläge auf das World Trade Center sowie die An-

chläge in London und auch in Madrid auf grausame
eise gezeigt. Aber warum haben Terroristen bislang

um Beispiel, was Sie hier ja so hervorheben, Orte des
ffentlichen Lebens gewählt und nicht Kernkraftwerke?
ch will es Ihnen sagen – ich nehme da Bezug auf ein
utachten, aus dem ich gleich noch zitieren werde –:
ernkraftwerke sind zu gut geschützt.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aha!)


ie bieten eine schlechte Angriffsfläche. Sie haben keine
ute Angriffsfläche; das wissen Sie.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das widerspricht aber allem! – Gerold Reichenbach [SPD]: Völliger Unsinn!)


Ich erlaube mir, aus einem Gutachten der Schweizer
tomaufsicht, HSK, zu zitieren. In dem Gutachten wird

ls Resultat der Untersuchung festgestellt, dass

ein zielgenauer Anflug mit einem Großflugzeug auf
die sicherheitsrelevanten Strukturen der Kernkraft-
werke aus fliegerischen, flugtechnischen und topo-
graphischen Gründen … kaum machbar ist.






(A) )



(B) )


Angelika Brunkhorst

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die deutsche Regierung sieht das aber anders!)


So ist es: Kernkraftwerke sind keine attraktiven Ziele
für terroristische Anschläge. – Wir werden Ihnen diese
ideologische Süppchenkocherei nicht durchgehen las-
sen. Abgesehen davon haben wir vollstes Vertrauen in
die Deutsche Flugsicherung. Sie verdient unser Ver-
trauen, und sie genießt auch das Vertrauen; das denke ich
schon. Wenn wir hier so offen über irgendwelche terror-
anfälligen Kernkraftwerke reden, dann frage ich Sie:
Wollen wir denn noch Koordinaten liefern, oder wie soll
das in Zukunft gehen?


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie vertrauen doch der Deutschen Flugsicherung! Haben Sie jetzt doch Befürchtungen? Es ist doch alles so sicher!)


Ich denke, im internationalen Vergleich steht Deutsch-
land in der Forschung zur Kernsicherheit und auch im
Grundschutz von Kernkraftwerken gegen Flugzeugan-
griffe am besten da.


(Gerold Reichenbach [SPD]: Was?)


– Ich weiß nicht, ob Sie dem widersprechen wollen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es viele Evaluierungsmöglichkeiten!)


Ich will zum Schluss noch auf die Behauptung in Ih-
rem Antrag kommen, das Konzept der Vernebelungs-
anlagen – ganz gleich, wie man dazu steht – sei generell
gescheitert. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass das
Kernkraftwerk Grohnde im Moment eine Pilotanlage im
Bau hat


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Beweis, dass es funktioniert? Jetzt weiß ich endlich, wo Ihre Beweisführung herkommt!)


und dass während einer Pilotphase keine anderen Anla-
gen gebaut werden.

Zuletzt möchte ich zusammenfassen: Angst ist ein
schlechter Ratgeber, liebe Kolleginnen und Kollegen
von den Grünen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe höchstens Angst vor Ihrer Argumentation!)


Es gibt schon genug reale Bedrohungen, sodass wir nicht
noch welche heraufbeschwören müssen, die es gar nicht
gibt. Ihre Anträge sind aus Sicht der FDP eine Farce; tut
mir leid.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609119300

Das Wort hat der Kollege Marco Bülow, SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! err Mißfelder, es ist ein interessanter Gedanke, einen euen Vertrag mit der Atomenergie zu schließen, in den ineingeschrieben wird, dass wir ein bisschen für erneurbare Energien ausgeben. enn wir wieder einen neuen Vertrag schließen, wer gaantiert uns, dass die Atomenergie ihn nicht wieder brehen will? Jetzt ruft sie ja dazu auf, den Vertrag zu brehen. Also kann man sich auch nicht auf das verlassen, as in neuen Verträgen stehen würde. Deshalb würde ch keine neuen Verträge eingehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Marco Bülow (SPD):
Rede ID: ID1609119400

(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Alles!)


Genauso interessant finde ich den Gedanken, von
tomenergie nur noch als Übergangstechnologie zu

prechen, weil wir die ganzen Probleme kennen. So
agte zum Beispiel Herr Kauch hier im Bundestag. Das
leichzeitige Argument, die erneuerbaren Energien
räuchten noch Zeit, kann ich allerdings nicht mehr hö-
en. Die erneuerbaren Energien brauchen deshalb noch
eit, weil man seit mehreren Jahrzehnten sehr viel Geld

n die falschen Energiestrukturen gesteckt hat.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber selbst auf dem heutigen Stand der Technik kön-
en wir den Bereich der erneuerbaren Energien ganz
chnell ausbauen und die Effizienz so steigern, dass wir
eine Atomenergie mehr brauchen und trotzdem die
0 Prozent CO2 einsparen können, wenn wir bei den ein-
elnen Beschlüssen zu KWK, Wärmegesetz usw. nur
utig genug sind. Wir laden die Union herzlich dazu

in, mit uns die geeigneten Beschlüsse zu finden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt zum Klimaschutz und zu dem angeblich so kli-
aneutralen Instrument der Atomenergie. Wenn man

ich die Untersuchungen vom Öko-Institut anschaut,
tellt man fest, dass Atomkraftwerke so CO2-frei gar
icht sind: Uran wird gefördert, muss transportiert wer-
en, wird eingesetzt, die Atomanlagen werden gebaut
sw. Dabei sind noch nicht einmal die Endlager aufge-
ührt. – Dann schauen wir uns einmal die Bilanz am
nde an: Ein neues GuD-Heizkraftwerk ist schon ganz
ah an der CO2-Emission eines AKWs dran. Mit KWK
ekoppelt ist es sogar deutlich darunter. Eine Biogasan-
age gekoppelt mit KWK liegt deutlich unter dem, was
tomkraft zu bieten hat. Bei Wind ist es genauso. Da-

über sollten wir diskutieren, wenn wir über die Studie
nd über Klimafreundlichkeit reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulrich Kelber [SPD], zu Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU] gewandt: Schon doof, wenn man die falschen Studien zitiert!)







(A) )



(B) )


Marco Bülow
Das Gegenteil ist der Fall. Solange wir eine Technologie
wie die Atomkraft in diesem Land aufrechterhalten, so
lange verhindern wir die notwendigen Investitionen, die
wir brauchen, um eine wirklich nachhaltige, klima-
freundliche Energiepolitik zu produzieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein Satz zu den angeblich so klimafreundlichen
AKW-Betreibern, die meinen, ihre Atomkraftwerke auf-
grund des Klimawandels doch ein bisschen länger offen-
halten zu müssen. Wenn die gleichen Betreiber weiterhin
so stark auf Braunkohle setzen und weiterhin so stark die
erneuerbaren Energien bekämpfen, dann frage ich mich
natürlich, ob das Argument ernst gemeint ist. Ich kann
jeden Betreiber verstehen, der weiter auf Atomenergie
setzt, weil er damit Geld verdient; aber dann soll er das
bitte auch so sagen, statt zu behaupten, er mache das,
weil er so klimafreundlich geworden sei. Das zumindest
glaubt hier keiner mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Im Zusammenhang mit der Wertschöpfungskette
– ich bin gerade schon kurz darauf eingegangen – möchte
ich eine Zahl vorrechnen, die man meiner Meinung nach
berechnen muss. In dem Antrag finden sich auch ein paar
Zahlen wieder, die ich teilen kann. Es gibt 435 Atomkraft-
werke auf der Welt. 16 Prozent des Stroms – ich erwähne
extra den Strom – produzieren diese Anlagen; 3 Prozent
des gesamten Energiebedarfs auf der Welt werden damit
gestillt. Ich weiß nicht, ob das so ein großer Beitrag zum
Klimaschutz ist. Wenn wir nur 12 Prozent des Gesamt-
energiebedarfs auf der Welt mit Atomenergie decken woll-
ten, müssten wir 1 500 Atomkraftwerke bauen. Ich will
gar nicht davon reden, dass man dann auch die entspre-
chenden Netze und Anlagen ausbauen müsste. – Ich
möchte gerne wissen: Woher kommt das für den Bau wei-
terer Atomkraftwerke benötigte Uran? Wo in Deutschland
sollen diese Atomkraftwerke gebaut werden? Wenn wir
eine ehrliche Diskussion wollen, müssen die Standorte be-
nannt werden. Danach können wir darüber reden, ob Kli-
maschutz und Atomkraft auf irgendeine Weise zusam-
menpassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Über all diese Punkte sollten wir demnächst nachden-
ken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609119500

Ich gebe das Wort der Kollegin Eva Bulling-Schröter,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ch kann mich noch genau daran erinnern, als Umweltinister Trittin von dieser Stelle aus über den sogenann en Atomkompromiss sprach. Er hat damals gesagt, der tomausstieg müsse unumkehrbar sein. Ob er wirklich numkehrbar ist, wird sich noch zeigen; denn die Atomobby formiert sich. Wir können jeden Tag hören – darin sind wir uns inwischen einig –, dass es einen Klimawandel gibt. Vor inigen Jahren war das noch ganz anders. (Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Ja, bei Ihnen! Das stimmt!)

Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609119600

Nein, bei Ihnen, bei den konservativen Parteien. – Jetzt
uf einmal sagt man, dass man aufgrund des Klimawan-
els die Atomkraft braucht. Ich denke, jeder, der eine
achhaltige Politik in diesem Land will, muss den Atom-
usstieg forcieren und darf ihn nicht in die Länge ziehen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


An die Adresse der Bundesregierung sage ich: Wer
eint, man könne marode Atommeiler mit Nebelbom-
en vor Terrorangriffen schützen, handelt naiv und ver-
ntwortungslos.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Energiewirtschaft vernebelt die Wahrheit. Es gibt
einen ausreichenden Schutz vor dem Absturz von Luft-
ahrzeugen. Wer ein Flugzeug navigieren kann, findet
ein Ziel auch mithilfe von Orientierungspunkten außer-
alb möglicher Nebelschwaden. Das AKW Biblis zum
eispiel kann man bei Google Earth in Ruhe aus der
uftperspektive betrachten. Auf der Karte ist nichts ge-
chwärzt.

Bei starkem Wind ist die Nebeltaktik sowieso hinfäl-
ig. Gefährlich wird es für die Bevölkerung, wenn Politi-
erinnen und Politiker derartigen Konzepten das Wort
eden. Es ist daher erschreckend, dass die Bundesregie-
ung aufgefordert werden muss, sich von der Vernebe-
ungsstrategie der Atomlobby zu distanzieren. Ich kann
ur an die Debatten in vergangenen Legislaturperioden
rinnern, als wir darüber diskutiert haben, ob um die
KWs herum Boden-Luft-Raketen stationiert werden

ollen. Einige der hier Anwesenden werden sich noch
aran erinnern. Das war Unfug hoch drei.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich komme nun zum ersten Antrag der Grünen. Ent-
cheidend ist nicht die Größe der Flugzeuge, die auf
tomreaktoren stürzen könnten. Aufprallgeschwindig-
eit und Masse der Flugzeuge sowie Drehzahl der Turbi-
en sind die entscheidenden Faktoren dafür, mit welcher
nergie die Flugzeuge aufprallen. Es ist also alles noch
iel schlimmer, als Sie es geschildert haben. Schnelle
rivatjets und Militärmaschinen sind in keiner Weise un-
efährlicher als Passagierflieger.






(A) )



(B) )


Eva Bulling-Schröter
Der zweite Antrag der Grünen weist im Titel darauf
hin, dass erneuerbare Energien nur ohne Atomanlagen
durchzusetzen sind. Ich sage Ihnen: Sie haben recht.
Nur: Wir hätten den Atomausstieg in der 13. Legislatur-
periode wesentlich schneller haben können. Damals hät-
ten Sie die Mehrheit für einen schnelleren Ausstieg ge-
habt; wir hätten Sie darin unterstützt. Schade, diese
Chance wurde vertan. Wir müssen nun gemeinsam wei-
ter daran arbeiten.

Noch eine Zahl. Wir reden über Klimaschutz und
Atomkraft. Ab und zu sollte man auch über die Gewinne
der Energiekonzerne reden. Herr Mißfelder, Umweltver-
bände haben errechnet, dass ein altes AKW, das abge-
schrieben ist und noch ein Jahr länger läuft, einen Rein-
gewinn von 1 Milliarde Euro bringt.


(Beifall bei der LINKEN – Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Dazu habe ich etwas gesagt!)


Das muss die Bevölkerung wissen, um verstehen zu kön-
nen, warum es entsprechende Forderungen seitens der
Energiewirtschaft gibt.

Wir sind uns einig, dass wir erneuerbare Energien
brauchen. Wir brauchen KWK-Anlagen, Anlagen auf
der Basis von Erdgas und Biogas. Überdenken Sie,
meine Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, Ih-
ren Entschluss noch einmal. Er ist rückwärts gewandt
und zeugt von völliger Ignoranz.


(Philipp Mißfelder [CDU/CSU]: Er ist innovativ!)


Die Bevölkerung in diesem Land will keine Atomkraft
mehr.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie will regenerative Energien.

Reden Sie nicht nur über Energieeffizienz. Tun Sie
endlich etwas! Im Rahmen der Diskussion über das Top-
Runner-Programm wird immer über Energieeffizienz ge-
sprochen. Setzen Sie endlich entsprechende Maßnahmen
um! Die Mehrheit in diesem Land will eine andere Poli-
tik. Diese muss es endlich geben.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie wollen doch 5 Euro für einen Liter Benzin!)


Noch einmal zur FDP. Sie zweifeln die Terrorgefahr
in Bezug auf AKWs an. Sie fragen: Was wäre gewesen,
wenn Terroristen ein AKW angegriffen hätten? Niemand
in diesem Land wagt, überhaupt daran zu denken, was
dann passiert. Das wäre ein Super-GAU. Wir müssen die
Bevölkerung schützen, und zwar wir alle miteinander.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609119700

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Gerold Reichenbach, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)


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(C (D Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! er Atomausstieg ist der richtige Weg aus einer Technoogie mit immensen Risiken. An den Grundrisiken der tomtechnologie hat sich nichts geändert. Die Entsorungssicherheit ist nach wie vor ungeklärt. Die Gefahr er Proliferation steigt nach Ende des Kalten Krieges her. Die Gefahr durch menschliches oder technisches ersagen besteht fort. Das Atomkraftwerk in Forsmark ar erst vor kurzem ein beredtes Beispiel dafür, dass wir ufgrund des Versagens von zwei Systemen kurz vor em GAU standen. Der Hinweis übrigens, die deutschen Kraftwerke eien sehr viel sicherer, da ständig Nachbesserungsmaßahmen vorgenommen würden – ich denke zum Beispiel n die falsch montierten Dübel im AKW Biblis –, erinert mich ein bisschen an den Versuch eines Automobiländlers, die Tatsache, dass es bei der von ihm vertreteen Marke ständig Rückrufaktionen gibt und Autos ieser Marke immer wieder zur Reparatur in die Autoerkstatt müssen, als besondere Qualität seiner Automoilmarke auszuweisen. Den würde jeder für verrückt erlären; aber bei den Atomkraftwerken versuchen es die etreiber. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1609119800

Zu diesen Grundrisiken ist ein neues hinzugetreten:
er internationale Terrorismus. Natürlich waren Kraft-
erke schon im Planungsvisier von Terroristen. Die Be-
auptung, Atomkraft sei seit dem Unfall in Tschernobyl
icherer geworden, ist falsch. Sie ist seit dem 11. Sep-
ember 2001 unsicherer geworden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


erade die älteren AKWs, über die wir diskutieren, wie
um Beispiel bei mir in der Nachbarschaft Biblis A, sind
egen den Absturz eines Passagierflugzeuges nicht gesi-
hert. Die Versuche, Atomkraftwerke vor einem Terror-
chlag aus der Luft zu schützen, sind gescheitert, und
war nicht nur juristisch; denn das Bundesverfassungs-
ericht hat den Abschuss unschuldiger Passagiere unter-
agt. Sie sind bereits in der Erprobungsphase technisch
escheitert; denn es ist richtig: Trotz Vernebelung kann
in Pilot mithilfe von Navigationssystemen sein Ziel
reffen. Diese können wir im Umkreis von AKWs nicht
bschalten, gerade weil viele Atomanlagen in der Nähe
on Flughäfen liegen.

Das Gleiche gilt übrigens für den Abschuss von Flug-
eugen durch die Bundeswehr. Das Atomkraftwerk Bib-
is ist 14 Kilometer Luftlinie vom Frankfurter Flughafen
ntfernt, das Atomkraftwerk Neckarwestheim 40 Kilo-
eter vom Stuttgarter und das Atomkraftwerk Brunsbüt-

el 60 Kilometer vom Hamburger Flughafen. Alle liegen
iel zu nahe an einem Flughafen, sodass ein militäri-
ches Eingreifen nicht erfolgen kann. Die ganze Diskus-
ion über den militärischen Abschuss dient einem einzi-
en Zweck: die falsche Vorstellung zu erwecken, wir






(A) )



(B) )


Gerold Reichenbach
könnten Sicherheit herstellen, wenn wir nur wollten. Das
ist nicht so.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Terroranschläge aus der Luft sind übrigens nicht das
einzige Bedrohungsszenario. Die Ausschaltung der
Strom- und Notstromversorgung, der Totalausfall der
Steuerungstechnik, herbeigeführt durch Eingriffe von
außen, all das sind durchaus realistische Wege, einen
GAU herbeizuführen.

Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundes-
tages hat übrigens – Frau Kollegin Brunkhorst, Sie kön-
nen in diesem Zusammenhang also mehrere Gutachten
lesen – eine lange Liste von erfolgreichen möglichen
Anschlagsszenarien auf Atomkraftwerke, die im Internet
zur Verfügung stehen, zusammengestellt. Natürlich ste-
hen die Sicherheitspolitiker immer vor dem Problem und
dem Dilemma, genau das nicht widerlegen zu können,
was Sie eben dargestellt haben. Ich könnte es tun. Ich
schlage Ihnen vor: Gehen Sie in die Sicherheitsstelle und
lesen Sie die entsprechenden Gutachten, die der Bundes-
regierung vorliegen! Dann werden Sie merken, welchen
Unsinn Sie hier verbreiten. Aber darüber kann natürlich
nicht öffentlich diskutiert werden. Die Kraftwerkbetrei-
ber wissen das. Sie nutzen nämlich die Tatsache, dass
wir über diese Szenarien nicht öffentlich diskutieren
können, weil wir natürlich nicht unfreiwillig Handlungs-
anleitungen für Terroranschläge bieten wollen. Sie insi-
nuieren, es sei eine Sicherheit vorhanden. Diese ist aber
auf keinen Fall vorhanden.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Ausblenden von Terrorgefahren bei der Dis-
kussion um die Verlängerung der Laufzeit von Atom-
kraftwerken entspricht übrigens einer gewissen Sicher-
heitsbigotterie, die wir bei der inneren Sicherheit immer
wieder feststellen: Auf der einen Seite werden alle mög-
lichen Überwachungsmaßnahmen und Gesetzesver-
schärfungen gefordert, sinnvolle und teilweise auch un-
sinnige – ich erinnere an die sogenannten Rail-Marshalls,
die in jedem Zug mitfahren sollten –, und auf der anderen
Seite ist man, wenn wirtschaftliche Interessen, wenn
Lobbyinteressen ins Spiel kommen, bereit, zusätzliche
Risiken in Kauf zu nehmen. Genau das ist hier der Fall.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609119900

Herr Kollege, darf ich Sie einmal unterbrechen?


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1609120000

Ja.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609120100

Der Kollege Meierhofer würde gerne eine Zwischen-

frage stellen.


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1609120200

Das ist gut, weil das die Redezeit verlängert. – Gerne,

Herr Kollege.

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(C (D Herr Meierhofer, bitte. Nachdem ich auch in der Rede des Herrn Bülow nicht ehört habe, wie Ihre Fraktion abstimmen will, frage ich: ehe ich es richtig, dass die Gefahren, die Sie gerade gechildert haben, für Sie nur den Schluss zulassen, dem ntrag der Grünen zuzustimmen? Ich antworte Ihnen gerne auf Ihre Frage. – Wenn man eiß, wie verwundbar diese Anlagen sind, dann weiß an auch, dass sich die Diskussion über die Laufzeitver ängerung um nichts anderes dreht, als um die Maximieung von Risiken in zeitlicher Hinsicht. Ich begrüße diese icherheitsdebatte über die Anträge der Grünen – die PD wird diese Debatte auch in Zukunft führen –, aber it Maximalforderungen führen wir die Debatte in die atalität. Ich sage: Der Ausstieg ist das Richtige. Wir setzen Iher Strategie der Maximierung von Sicherheitsrisiken ufgrund ökonomischer Interessen eine Schritt für Schritt rfolgende Minimierung der Sicherheitsrisiken bei einem arallel erfolgenden Ausbau der regenerativen Energien ntgegen. Wenn Sie die Frage stellen, wie die Stromlücke gefüllt erden soll – ich habe das Beispiel Biblis genannt – – (Horst Meierhofer [FDP]: Das war nicht meine Frage!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609120300
Horst Meierhofer (FDP):
Rede ID: ID1609120400
Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1609120500


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609120600

In der Tat war das nicht seine Frage, Herr Kollege.


Gerold Reichenbach (SPD):
Rede ID: ID1609120700

Wenn Sie die Frage stellen, wie die Stromlücke ge-

üllt werden soll – –


(Horst Meierhofer [FDP]: Das habe ich aber nicht!)


Es ist okay. Sie dürfen sich ja wieder setzen.

Wenn Sie die Frage stellen – sie ist gestellt worden –,
ie die Stromlücke gefüllt werden soll,


(Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)


ntworte ich: Die hessische SPD hat einen ambitionier-
en, aber realistischen Vorschlag gemacht, wie die Strom-
ücke gefüllt werden kann. Mit dem Vorantreiben regene-
ativer Energien schaffen wir nicht nur Arbeitsplätze,
ondern können den Atomstrom beispielsweise in Hessen
rsetzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sowohl für den Klimaschutz als auch für die Sicher-
eit gilt gleichermaßen: Mit Laufzeitverlängerungen ma-
imieren wir das Sicherheitsrisiko, mit dem Atomaus-
tieg minimieren wir es. Die SPD wird sich an einer






(A) )



(B) )


Gerold Reichenbach
Sicherheitsbigotterie nicht beteiligen. Wir halten am
Ausstieg fest.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609120800

Ich schließe die Aussprache.

Tagesordnungspunkt 9 a: Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage auf Drucksache 16/3960 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 9 b: Abstimmung über den An-
trag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf
Drucksache 16/4770 mit dem Titel „Schnelle Einfüh-
rung innovativer erneuerbarer Energien nur mit Atom-
ausstieg – Ablehnung der Laufzeitverlängerung für
Biblis A ein richtiger Schritt“. Wer stimmt für diesen
Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Antrag ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU, FDP
bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und
Linke abgelehnt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(20. Ausschuss)

Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette
Faße, Reinhold Hemker, Renate Gradistanac,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Nationale Naturlandschaften – Chancen für
Naturschutz, Tourismus, Umweltbildung und
nachhaltige Regionalentwicklung

– Drucksachen 16/3298, 16/4269 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Klaus Brähmig
Reinhold Hemker
Jens Ackermann
Dr. Ilja Seifert
Undine Kurth (Quedlinburg)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem

(Quedlinburg)

Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN

Naturparke – Chancen für Naturschutz und
Regionalentwicklung konsequent nutzen

– Drucksachen 16/3095, 16/4278 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Josef Göppel
Dirk Becker
Angelika Brunkhorst

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(C (D Lutz Heilmann Undine Kurth Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege rnst Hinsken. Ernst Hinsken, Beauftragter der Bundesregierung ür Tourismus: Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Wir beraten heute die Anträge der Koalitions raktionen und der Fraktion der Grünen zu den Nationaen Naturlandschaften und Naturparks. Der Zeitpunkt ierfür könnte nicht besser gewählt sein. Denn nicht erst ie Debatte über den Klimawandel zeigt: Natur und Touismus sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Mit dem ewusstsein für die Gefährdung unserer natürlichen rundlagen steigt deren Wertschätzung. Weltweit gibt es laut UN-Angaben inzwischen mehr ls 100 000 Naturschutzgebiete, genau gesagt: 102 102. ie nehmen mit knapp 19 Millionen Quadratkilometern 1,5 Prozent der Erdoberfläche ein, mehr als Indien und hina zusammen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen betont deshalb u Recht die große Bedeutung der Nationalen Naturlandchaften für den Tourismus. Seit einem halben Jahr haen wir mit den Nationalen Naturlandschaften eine neue achmarke der Großschutzgebiete. Wir vereinen da unter in Deutschland 14 Nationalparke, 14 Biosphäreneservate und 95 Naturparke. Sie nehmen zusammen und 25 Prozent der Landesfläche ein. Diese Landschafen sind nicht nur ein nationales Naturerbe, sondern traen auch wesentlich zur Attraktivität des Tourismustandortes Deutschland bei. Allerdings ist mir wichtig, dass zum Beispiel bei Auseitungen von Nationalparken, wie aktuell im Bayeri chen Wald, nicht über die Köpfe der einheimischen Beölkerung entschieden wird, sondern Bedenken ernst enommen und die Betroffenen, die dort wohnen, beteiigt werden. Wenn sich die Menschen nicht mit den chutzmaßnahmen identifizieren, werden sie keine gu en Gastgeber für die Nutzer der Naturangebote sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Urlaub in und mit der Natur ist ein Wachstumsmarkt.
andern, Radfahren und Wassertourismus sind nur ei-

ige wenige Stichworte, die die Vielfalt, die wir hier ha-
en, beschreiben. Jetzt gilt es, die gemeinsame Dach-
arke weiter zu vermarkten. Hierzu wurden im vorigen

ahr bereits wichtige Schritte getan. Durch Veranstaltun-
en auf Bundes-, Länder- und Parkebene wurde für die
ationalen Naturlandschaften nachhaltig geworben.

Nicht zu vergessen: Vor allen Dingen die politische
nterstützung hat sich deutlich verbessert. Es hat mich
nd sicherlich Sie alle sehr gefreut, dass der Bundesprä-
ident und die Ministerpräsidenten der Länder im ver-
angenen Jahr die Schirmherrschaft für das Jahr der






(A) )



(B) )


Beauftragter der Bundesregierung Ernst Hinsken
Naturparke übernommen haben. Es ist ein riesiger Er-
folg, dass sich von den 126 Großschutzgebieten bereits
123 an den gemeinsamen Auftritten beteiligen. Deshalb
ist es richtig, dass die Förderung der Dachmarke Natio-
nale Naturlandschaften in den Jahren 2007 bis 2009 fort-
gesetzt werden soll.

Der Natururlaub ist ein fester Bestandteil des Touris-
musmarketing in Deutschland. Die Deutsche Zentrale
für Tourismus bewirbt zu Recht umfassend die Nationa-
len Naturlandschaften. Sie bilden einen wichtigen Bau-
stein des Basisthemas „Aktiv und Natur“. Dieses Thema
wird auch im Rahmen des Internetauftritts der DZT auf-
gegriffen. Unter der Rubrik „Natur, Aktiv, Erholung“
gibt es interessante und umfangreiche Informationen
rund um die Themen Natur und Nationalparke. Auch bei
den weiteren Aktivitäten der DZT spielen die Nationalen
Naturlandschaften eine wichtige Rolle.

Zu Recht wird mit diesen Edelsteinen, die wir hier ha-
ben, gewuchert. Die DZT wirbt weltweit mit ihnen, um
zu verkünden, dass einer der schönsten Natururlaube
auch bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ver-
bracht werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich begrüße deshalb, dass die DZT endlich mit den ver-
schiedenen Verbänden des naturnahen Tourismus zu-
sammenarbeitet. Hervorheben möchte ich insbesondere
die Zusammenarbeit mit dem Verband Deutscher Natur-
parke.

Es gibt einen weiteren Aspekt, der eine wesentliche
Rolle spielt und der mit wichtig ist: Die Großschutzge-
biete spielen gerade für die regionale Entwicklung in den
strukturschwachen, naturnahen Gebieten eine entschei-
denden Rolle. So kennen wir die ökonomische Bedeu-
tung des Tourismus für die Naturparke Altmühltal und
Hoher Fläming sowie für den Müritz-Nationalpark. Im
Naturpark Altmühltal zum Beispiel wurden im Jahre
2004 Bruttoumsätze von 20,7 Millionen Euro, im Natur-
park Hoher Fläming von 6,2 Millionen Euro und im Mü-
ritz-Nationalpark von rund 13,4 Millionen Euro durch
landschaftsbezogenen Tourismus erzielt. Damit war na-
türlich auch die Schaffung von Arbeitsplätzen verbunden.

Eines ist damit klar: Touristische Investitionen in
Großschutzgebiete rechnen sich. Aber es gilt, das über-
zubringen, das notwendige Verständnis zu entwickeln
und dafür seitens des Bundes sowie der einzelnen Län-
der die erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung
zu stellen, damit sie sich weiterentwickeln können. Ich
bin davon überzeugt, dass das Potenzial des Naturtouris-
mus in unserem Land längst noch nicht ausgeschöpft ist.


(Jens Ackermann [FDP]: Das stimmt!)


Jährliche Erhebungen der Forschungsgemeinschaft
Urlaub und Reisen belegen: Das Naturerlebnis zählt seit
Jahren zu den wichtigen Urlaubsmotiven. Für circa
40 Prozent der Befragten ist es besonders wichtig. Die-
ser Prozentsatz ist – das ist sehr erfreulich – in den letz-
ten Jahren sogar gestiegen. Auf diese eindeutige Nach-
frage müssen wir mit einer klaren Positionierung unseres

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(C (D ngebots und einer zielgruppenorientierten Ansprache er Touristen reagieren. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich baue darauf, ass die Strategie zur Vermarktung der Nationalen Naurlandschaften hier ansetzt. Aber ich möchte bei dieser elegenheit auch darauf hinweisen, dass ich mich nicht it der Idee der Einführung sogenannter Naturtaxen nfreunden kann, die Sie, verehrte Kolleginnen und Kolegen von den Grünen, eingebracht haben. Dabei geht es etztlich darum, Eintrittsgelder für das Naturerlebnis zu erlangen. Das kann es wirklich nicht sein. Freuen wir ns doch, dass wir schöne Naturschutzgebiete haben. tellen wir diese auch der Bevölkerung zur Verfügung, amit sie sich regenerieren und sich insbesondere an den chönheiten in Nationalund Naturparken erbauen ann. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Jens Ackermann [FDP])


ürde hier Eintritt verlangt, würde die Attraktivität der
aturparke sicherlich leiden.

Dagegen begrüße ich die im Antrag der Koalitions-
raktionen enthaltenen Forderungen an die Bundesregie-
ung.


(Zuruf des Abg. Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP])


Kollege Friedrich, wenn Sie, anstatt Zurufe zu ma-
hen, lieber eine Zwischenfrage stellen wollen, wäre ich
elbstverständlich gerne bereit, diese zuzulassen und zu
eantworten. –


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Nein! Das würde ja nur Ihre Redezeit verlängern!)


Sie dienen dem Ziel, die Nationalen Naturlandschaf-
en auch weiterhin nachhaltig für den Tourismus zu nut-
en. Die Bundesregierung ist bereit – diese Bemerkung
ichte ich insbesondere an die Opposition –, die genann-
en Maßnahmen zu prüfen und sie, sofern sie zweckmä-
ig erscheinen, im Rahmen ihrer Möglichkeiten in die
at umzusetzen. Das ist Aufgabe des Parlaments.

Die Bundesregierung wird sich diesem Problem ganz
esonders widmen und dafür Sorge tragen, dass sich un-
ere Naturparke, Nationalparke und Biosphärenreservate
m Rahmen solcher Maßnahmen und Vorgaben auch
eiterhin so großartig entwickeln können, wie es in der
ergangenheit der Fall war.

Für Ihre Aufmerksamkeit darf ich mich herzlich be-
anken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609120900

Nächster Redner ist der Kollege Jens Ackermann,

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Jens Ackermann (FDP):
Rede ID: ID1609121000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unsere

ationalen Naturlandschaften sind reizvolle Urlaubs-






(A) )



(B) )


Jens Ackermann
ziele, und sie sind mehr als das: Sie sind für unsere Ge-
sundheit und für unser Wohlbefinden notwendig. Sie
stellen, besonders für strukturschwache Regionen, das
Zukunftspotenzial dar. Hier wird deutlich, wie wichtig
die Natur als Wirtschaftsfaktor ist. Mit ausreichender
Wertschätzung durchgeführt, entsteht eine Win-win-Si-
tuation für alle: für die Natur und für die Menschen.


(Beifall bei der FDP)


Das letzte Jahr war das Jahr der Naturparke und stand
unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Im
vorliegenden Antrag wird dies hervorgehoben. Lobende
Worte für Horst Köhler aus den Reihen der Union – in
letzter Zeit selten. Die FDP-Fraktion begrüßt dieses Lob
und unterstützt den Antrag der Koalition.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Deutschland hat viel zu bieten und wird als Urlaubs-
land immer beliebter.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Insbesondere Bayern! Das muss man mal sagen!)


Den gemeinsamen Dachverband Nationale Naturland-
schaften zu schaffen, war gut und richtig. Die gemein-
same Präsentation von Naturparks, Biosphärenreserva-
ten und Nationalparks ermöglicht eine effektive
Vermarktung. Die Vereinigten Staaten und Großbritan-
nien waren hier Vorbilder. Ich würde mir wünschen, dass
wir auch in anderen Politikfeldern öfter über den Teller-
rand hinausschauen.

Dass wir eine schöne Heimat haben, ist der Gesell-
schaft bewusst. Ein Beispiel möchte ich Ihnen nennen:
den Harz, einen Nationalpark mitten in Deutschland,
eine Naturlandschaft, die Niedersachsen und Sachsen-
Anhalt miteinander verbindet. Im ehemaligen Todes-
streifen konnte sich eine ursprüngliche Tierwelt erhalten.
Die intakte Natur wird zu einem Hoffnungsträger für die
gesamte Region.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Von der Hauptstadt Berlin ist es nur ein Katzensprung in
den Harz, und er ist sehr leicht mit der Bahn zu errei-
chen. Die Region Harz, aber auch die Region Fläming
haben die Naturlandschaft als wichtigen Wirtschaftsfak-
tor erkannt. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass durch
Tourismus in Großschutzgebieten willkommene Einnah-
men entstehen, die für die Region förderlich sind. Natur
und Tourismus können davon profitieren. Daher unter-
stützen wir den Antrag der Koalitionsfraktionen.

Zum Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Auch in
diesem Antrag steht Gutes und Richtiges. Es wird er-
kannt, dass Naturschutzgebiete für die regionale Ent-
wicklung Positives leisten können. Die Einführung von
Naturtaxen sollte jedoch nur dort in Erwägung gezogen
werden, wo die wirtschaftlichen Verhältnisse keine an-
dere Möglichkeit lassen. In dem vorliegenden Fall ist so
etwas aber nicht notwendig. Außerdem sind öffentliche
Wälder bereits von den Mitbürgerinnen und Mitbürgern
finanziert worden. Sie sind deshalb öffentlich zu halten;

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(C (D ine zusätzliche Naturtaxe ist hier nicht zu rechtfertigen. eshalb lehnen wir diesen Antrag ab. Naturschutz mit den Menschen, dies ist eine langjähige Forderung der FDP. Auch die Initiative Nationale aturlandschaft fördert das Miteinander von Mensch nd Natur. Nur wer die Natur kennt, vermag ihren Wert ichtig zu schätzen. Das fehlende Bewusstsein für den ert des Naturerbes führt zu Missachtung und zu Zertörung. Nur wer um den Wert der Natur weiß, kann verntwortlich handeln. Verbote und Regulierungen sind ange nicht so effektiv und nachhaltig wie das Handeln uf der Grundlage von Vernunft und Eigenverantworung. aturschutz und Tourismus sind zwei Seiten einer Meaille. Ich gebe das Wort dem Kollegen Dirk Becker, SPD raktion. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen nd Kollegen! Beide Vorredner haben betont, dass Naurschutz und Tourismus zwei Seiten derselben Medaille ind. Die SPD praktiziert das: indem ein Naturschutzpoitiker und ein Tourismuspolitiker zu diesem Thema reen werden. Im Jahr 1921 wurde in der Lüneburger Heide der rste Naturpark in Deutschland gegründet. Schon daals, bei den ersten Gründungen, waren sowohl der Na urschutzgedanke als auch die Bewahrung von großräuigen Landschaften für die Erholung der Menschen Ziel nd Aufgabe. Wir haben von Herrn Hinsken bereits gehört, wie iele Naturparke, Nationalparke und Biosphärenreserate es mittlerweile in Deutschland gibt, die sich nunehr unter der Dachmarke Nationale Naturlandschaften usammengeschlossen haben und mit einheitlichem Ercheinungsbild sowie einheitlicher Kommunikation auf olitischer Ebene und in der öffentlichen Darstellung uftreten. Insgesamt umfassen sie rund ein Viertel der läche der Bundesrepublik Deutschland und sind esentlicher Bestandteil des Schutzgebietsnetzes Natura 2000“ sowie, soweit es um die Biosphärenreserate geht, des weltweiten Schutzgebietsnetzes der NESCO. Jedes Schutzgebiet für sich ist ein einzigartiger chauplatz der Natur und gewährt – das haben wir von errn Hinsken schon anschaulich gehört – faszinierende inblicke in die Genialität, die Bedeutung, die Schöneit, den Erholungswert und sicherlich auch die Verletzichkeit der Natur. Schutzgebiete bedeuten also nicht nur aturschutz, sondern sie sind auch Erholungsund Dirk Becker Erlebnisraum für die Menschen sowie ein wesentlicher Faktor der Regionalentwicklung, also der regionalen Wertschöpfung. Diese Bedeutung nimmt ständig zu. Das wird durch einige Zahlen, die auch im Antrag ausgeführt sind, deutlich. Ich will zwei Beispiele nennen: In der Müritz betrug der Bruttoumsatz durch Besuchereinnahmen 13,4 Millionen Euro. 630 Arbeitsplätze wurden geschaffen. Im Altmühltal belief sich der Bruttoumsatz auf 20,7 Millionen Euro, 483 Arbeitsplätze waren zu verzeichnen. Das beweist: Naturschutz ist auch praktizierter Jobmotor und nicht Jobkiller. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Klaus Brähmig [CDU/CSU] und der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der FDP)


(Otto Fricke [FDP]: Sehr gut!)


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609121100

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dirk Becker (SPD):
Rede ID: ID1609121200




(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD)


Dies gilt jedoch nur so lange – das muss aus umwelt-
politischer Sicht klar sein –, wie der Schutzaspekt der
Natur an erster Stelle steht. Negative Eingriffe in die
Natur haben immer auch negative Auswirkungen auf ih-
ren touristischen Stellenwert.

Die Nationalen Naturlandschaften nehmen aber auch
eine besondere Bedeutung im Rahmen der nationalen
Biodiversitätsstrategie ein. Das findet sich so auch im
Koalitionsantrag wieder. Ich möchte beispielsweise das
Wattenmeer erwähnen, das mit seinen 278 000 Hektar
nach dem tropischen Regenwald das zweitproduktivste
Ökosystem der Welt und ein Feuchtgebiet von interna-
tionaler Bedeutung ist.


(Reinhold Hemker [SPD]: Sehr richtig!)


4 000 Arten, die im Wattenmeer leben, hätten ohne den
Schutz des Wattenmeeres keine Überlebenschance ge-
habt. Auf andere Bereiche könnte man ebenso zu spre-
chen kommen. Ich denke aber, auch hierdurch wird
schon deutlich, welche Bedeutung die Nationalen Natur-
landschaften für den Naturschutz insgesamt haben.

Ich bedaure jedoch – damit muss ich etwas aus mei-
ner Herkunftsregion plaudern –, dass die Bedeutung
noch nicht in allen Regionen hinreichend deutlich ge-
worden ist.


(Ulrich Kelber [SPD]: In den Regionen schon, in manchen Landesregierungen nicht!)


In der Diskussion über den Nationalpark Senne bzw.
das Biosphärenreservat Senne haben wir leider immer
wieder mit Widerständen zu kämpfen, zuletzt mit eini-
gen Landräten, die die Bedeutung und die regionale Ent-
wicklungschance immer noch nicht erkannt haben. Da-
ran werden wir aber weiter arbeiten, um auch dort zu
größeren Erfolgen zu kommen.


(Beifall bei der SPD – Ulrich Kelber [SPD]: Der Ministerpräsident hat es auch nicht erkannt! – Reinhold Hemker [SPD]: Wir fahren da einmal hin!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, durch den
Antrag der Koalitionsfraktionen wird die nachhaltige
Entwicklung bereits bestehender Gebiete gestärkt, die
Bedeutung und die Einbeziehung in die nationale Bio-

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(C (D iversitätsstrategie unterstrichen, ein regionaler Enticklungsanreiz für weitere Gebietsplanungen gesetzt nd damit auch ein Bezug zum Nationalpark bzw. Biophärenreservat Senne hergestellt. Dementsprechend darf ich Sie alle heute um Zustimung zum Antrag der Koalitionsfraktionen bitten. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ilja Seifert, Frak ion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol egen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf den ribünen! Im vergangenen Jahr hatten wir das Jahr der aturparke, und fast niemand hat es gemerkt. Das ist ehr bedauerlich. Aber immerhin: Zumindest heute bechäftigt sich der Bundestag einmal damit. Das haben wir Ihnen zu verdanken, liebe Kolleginnen nd Kollegen von den Bündnisgrünen. Sie haben den rsten Antrag eingebracht. Die Koalition hat ihren Anrag nachgereicht. ch finde, dass beide Anträge sehr viel Positives enthalen. Wir werden ihnen übrigens zustimmen, liebe Kollein. Das ist keine Frage: Vernünftige Vorhaben können ir unterstützen. Ich muss sogar erstaunt feststellen, ass der Antrag der Koalition besser ist als der der Grüen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609121300

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609121400

(Annette Faße [SPD]: Aber er ist gut!)


Ehre, wem Ehre gebührt. Ihr habt ja auch ein bisschen
bgeschrieben.

Aber lassen Sie uns darüber reden, was noch zu tun
st. Naturparke sind gut. Das ist schon von vielen Seiten
etont worden; ich will es nicht wiederholen. Reden wir
ieber darüber, wie wir sie noch besser nutzen können.
ch mache drei Vorschläge.

Erstens wäre es sehr sinnvoll, wenn wir es erreichen
ürden, dass alle Schulklassen in allen Schulen mehr-
als im Jahr Schülerinnen- und Schülerreisen unter-

ehmen könnten. Dann würden Ausflüge in die Natur-
arke – das können auch Tagesreisen sein – zur
elbstverständlichkeit. Die Schülerinnen und Schüler

nsbesondere aus den Großstädten könnten sich daran
ewöhnen, sich in den Naturparken zu bewegen, mit Na-
ur nachhaltig umzugehen und Naturerlebnisse zu genie-
en.

Zweitens fällt in den Naturparken jede Menge Arbeit
n. Dort sind aber relativ wenig Menschen beschäftigt,
eil Naturparke nicht profitorientiert und damit zumin-
est aus betriebswirtschaftlicher Sicht kein Geschäft






(A) )



(B) )


Dr. Ilja Seifert
sind. Insofern ist dort sehr viel ehrenamtliches Engage-
ment gefragt. Das ist positiv, und viele Menschen wollen
sich dort ehrenamtlich und unentgeltlich engagieren.
Gleichzeitig bieten die Naturparke eine hervorragende
Möglichkeit – eben weil sie nicht profitorientiert sind –,
einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor zu
schaffen und dort nachhaltig und langfristig Arbeits-
plätze nach tariflichen Löhnen zu schaffen, von denen
die Menschen aus der Umgebung tatsächlich leben kön-
nen. Das wäre Wirtschaftsförderung für die gesamte Re-
gion in einem sehr positiven Sinn.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Lassen Sie uns darüber nachdenken, und legen Sie Ihre
Scheuklappen gegenüber einem öffentlich geförderten
Sektor ab!

Drittens sind Naturparke von Natur aus nicht barrie-
refrei. Das hat Natur nun einmal an sich. Aber gerade des-
halb bieten sie hervorragende Möglichkeiten zu zeigen,
dass, gute und kluge Wege vorausgesetzt, Naturerlebnisse
für Menschen mit Behinderungen – für Blinde, Rollstuhl-
fahrerinnen und Rollstuhlfahrer und andere – geschaffen
werden können, die dann, wenn sie erst einmal installiert
sind, wiederum allen nützen. Wenn beispielsweise eine
Moorlandschaft mit Holzwegen begehbar bzw. berollbar
gemacht wird, dann sind diese Wege allen zugänglich.

Mit dem Baumkronenpfad im Nationalpark Hainich
in Thüringen zum Beispiel wurde etwas Tolles geschaf-
fen. Bedauerlicherweise musste aber der Aufzug nach-
träglich von den Behindertenverbänden erkämpft wer-
den. Das wurde extrem teuer und hat den Nachteil, dass
die behinderten Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer
die Spitze des Turmes nicht erreichen können. Das ist
schade. Wenn der Fahrstuhl von Anfang an eingeplant
worden wäre, dann wäre auch dies möglich gewesen.
Das zeigt, was möglich ist, wenn man vernünftig plant.

Folgen Sie diesen Vorschlägen! Lassen Sie uns das,
was wir heute beschließen, weiterführen. Die Nationale
Koordinierungsstelle Tourismus für Alle – NatKo – hat
entsprechende Vorschläge unterbreitet und Publikatio-
nen herausgegeben, die ich Ihnen allen empfehlen kann.
Ich kann uns allen nur empfehlen, die Naturparke zu be-
suchen.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609121500

Ich gebe das Wort der Kollegin Undine Kurth, Bünd-

nis 90/Die Grünen.

Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Liebe Gäste auf den Rängen! In einer
Pressekonferenz des Bundesumweltministers wurde ges-
tern berichtet, wie stark gefährdet viele Biotope und
Landschaftsformen in Deutschland sind. Ein Problem ist
der zu hohe Flächenverbrauch. Ein weiteres Problem

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(C (D st die Übernutzung der Kulturlandschaft. Ein gutes nstrument gegen diese Entwicklung ist, Landschaft in erschiedener Form unter Schutz zu stellen, beispielseise als Naturparke. Deswegen ist das letzte Jahr zum ahr der Naturparke erklärt worden. Alle haben dies beeits gelobt; wir alle waren damit einverstanden und fanen das richtig. Es ist auch darauf hingewiesen worden, wie groß die echselbeziehung zwischen intakter Natur und der öglichkeit, mit ihr im Tourismusbereich zu wirtschaf en, ist. Das ist auch völlig richtig, Herr Hinsken hat daon berichtet. Man muss aber anmerken: Ihr Antrag trägt ie Überschrift „Nationale Naturlandschaften – Chancen ür Naturschutz, Tourismus, Umweltbildung und nachaltige Regionalentwicklung“. Das Spektrum ist also chon etwas breiter. Es ist auch richtig, noch einmal auf Folgendes hinzueisen: Ein solches Jahr der Naturparke kann den Beanntheitsgrad von Naturparken erhöhen und dafür soren, dass mehr Aufmerksamkeit für die Potenziale, die arin stecken, erzeugt wird. Es kann auch dazu beitraen, das alte Vorurteil, Schutz hieße, man dürfe nicht utzen, abzubauen. Denn das ist völlig falsch. Deshalb haben wir einen Antrag gestellt, in dem nicht ur steht, was klasse und schön ist, sondern der darauf bzielt zu prüfen, wie dieses Instrument der Naturparke wenn es so gut ist – besser genutzt werden kann und elche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation von aturparken dienen. Das ist das Entscheidende. Wir üssen prüfen, was wir unternehmen können, damit ein ut eingeschlagener Weg noch besser wird. Uns ist von Ihnen, von der Koalition, vorgeworfen orden, dass sich unser Antrag nur mit dem Thema Na urparke befasst. Wir glauben, dass es Naturparke durchus verdient haben, einmal besonders herausgestellt weren, weil sie nämlich gerne übersehen werden, auch ihr otenzial für regionale Entwicklung. Deshalb meinen ir, dass es angemessen ist, sich mit diesem Thema zu efassen. ir wollen noch einmal darauf hinweisen, welchen staren Beitrag Naturparke für die Regionalentwicklung, ür den Erhalt der Vielfalt in der Natur leisten. Wenn wir schon gegenseitig über unsere Anträge ureilen, dann wäre es wünschenswert, wenn wir sie auch orher gelesen hätten. Deshalb wundert es mich sehr, ass Sie alle uns vorwerfen, wir wollten eine Taxe erheen. In unserem Antrag steht nur, man möge bitte prüen, ob das Erheben einer Taxe ein richtiger Weg ist. Ich eine, das ist ein ziemlich großer Unterschied. Es ist auch richtigerweise gesagt worden, dass es in egionen wie der Müritz ganz erhebliche Wirtschaftsef ekte gibt, dass dort mit Tourismus relativ viel Geld verient wird. Trotzdem berichtet der Nationalparkleiter, ass für die Ranger keine Mittel mehr zur Verfügung steen. Vielleicht ist es also doch richtig zu überlegen, wie an all die Gäste daran beteiligen kann, diese gute und Undine Kurth intakte Natur zu erhalten. Ich kann nicht verstehen, dass man schon die Prüfung der Einführung einer solchen Taxe ablehnt. Wie gesagt: Es gibt viele Möglichkeiten der Unterstützung. Wir müssen prüfen, wie man etwas für Nationalparke und ihre Entwicklung tun kann. Herr Hinsken, Sie meinten, es gebe keinen besseren Zeitpunkt, um diese Anträge zu diskutieren. Ich hätte schon einen besseren gefunden, nämlich das letzte Jahr, das Jahr der Naturparke. Wir hängen mit der Diskussion ziemlich hinterher. Es ist bereits gesagt worden: Wir haben zuerst einen Antrag zu diesem Thema eingebracht. Wir finden es völlig in Ordnung, dass man in diesem Rahmen über verschiedene Anträge diskutiert. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, weil nicht einzusehen ist, etwas nur aus Prinzip abzulehnen. Wenn ein Vorschlag vernünftig ist, dann müssten wir doch in der Lage sein, gemeinsam richtige Schritte zu gehen. Deshalb bin ich sehr gespannt, Herr Hemker, wie Sie jetzt begründen werden, dass man unserem Antrag nicht zustimmen kann, wo doch in den Anträgen fast Identisches steht. Die Überprüfung der Einführung einer Taxe kann ja auch nicht das Problem sein. Ich kann nur sagen: Wir haben unseren Antrag deutlich früher eingebracht als Sie. Deshalb möchte ich abschließend Hans Kollhoff zitieren, einen unter Architekten bekannten Mann, der immer gesagt hat: „Wer mich kopiert, vermeidet das Schlimmste.“ Der letzte Redner in dieser Debatte ist der Kollege Reinhold Hemker von der SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle gen! Liebe Undine Kurth, wir werden sicherlich in absehbarer Zeit einen Bericht der Bundesregierung, vertreten durch Ernst Hinsken, erhalten, in dessen Rahmen wir noch einmal über das Thema Gebühren – ich strapaziere mal nicht den Begriff Naturtaxe – für die besondere Nutzung der drei Bereiche der Naturlandschaften diskutieren müssen. Das ist überhaupt keine Frage. Es gibt im Übrigen einige Bundesländer bzw. Regionen, die für die Nutzung bestimmter naturnaher Gebiete schon solche Gebühren erheben. Wir werden also sicherlich über diesen Punkt reden. Ich will mich nicht darüber auslassen, wer anlässlich des Jahres der Naturparke als Erster vorgeschlagen hat, darüber im Parlament zu diskutieren; das lohnt sich nicht. Wir werden sicherlich deutlich machen, dass alle, die sich auf den Weg gemacht haben, gute Beiträge zu dieser Diskussion geleistet haben. Das hat schon die erste Beratung im Fachausschuss gezeigt. Mir geht es jedenfalls um das, was der Beauftragte der Bundesregierung für Tourismus, Ernst Hinsken, gesagt hat. Wir haben überall dort, wo Naturschutzgebiete ausgewiesen s m e B J a t g h n M B r t l s n a v N v v M g b a g e w – N ü e s – g n d A d D E d B D d l v w r l i (C (D ind, eine hohe Akzeptanz erreicht. Man hat Verträge it Landwirten gemacht. Man hat es geschafft, dass sich hrenamtlich tätige Naturschutzorganisationen wie UND und NABU sowie Jäger und Pfleger, die in den agdgenossenschaften tätig sind – ich könnte noch viele ndere nennen –, schon heute engagieren, wenn es um ouristische Besucher in den betreffenden Regionen eht. So wurden zum Beispiel – das hat Ilja Seifert vorin angedeutet – wunderbare Naturlehrpfade angelegt. (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1609121600
Dr. Reinhold Hemker (SPD):
Rede ID: ID1609121700

Übrigens, Ilja, ich lade dich herzlich ein, einmal mei-
en Wahlkreis zu besuchen. Du hattest ja die in den
ooren und Hochmooren angelegten Naturlehrpfade als
eispiel genannt. Jeder von uns, der sich in diesem Be-

eich engagiert, möchte so etwas Wunderschönes zeigen.

Durch die genannten Maßnahmen nimmt die Akzep-
anz zu. Davon haben nicht nur die Menschen, die dort
eben, sondern auch die Menschen, die dorthin kommen,
owohl im ideellen als auch im immateriellen Bereich ei-
en sehr großen Gewinn. In meinem Wahlkreis, der nahe
n der Grenze zu den Niederlanden liegt, sind das in
ielfältiger Hinsicht unsere Freunde und Gäste aus den
iederlanden. Bei uns im Teutoburger Wald, wo sich die
on mir genannten Gruppen engagieren, wurden sehr
iele Angebote gemacht. – Lieber Daniel, du weißt als
ünsteraner natürlich, wie schön es bei uns ist. Genauso

erne komme ich nach Münster, um die dortigen Ange-
ote des Stadttourismus wahrzunehmen.

In den letzten Jahren gab es eine Fülle von Diplom-
rbeiten zu diesem Thema nicht nur in den Fachabteilun-
en für Tourismus an den Universitäten. Inzwischen gibt
s viel Literatur darüber. Auf der diesjährigen ITB
urde mir noch einmal deutlich, dass die drei Bereiche
Natur, Tourismus und Menschen – erst zusammen zum
aturschutz führen. Wenn man Landschaften sich selbst
berlässt und sie nicht als Kulturlandschaften begreift,
gal ob es sich um Naturparke, Nationalparke oder Bio-
phärenreservate handelt, wenn man sie nicht erschließt
ich verstehe das als Antwort auf meinen lieben Kolle-
en Ilja Seifert –, wenn Natur und Naturlandschaften
icht zum Thema im Schulunterricht gemacht werden,
ann werden wir nicht weiterkommen, wenn es um die
kzeptanz der Menschen geht, wie es der Beauftragte
er Bundesregierung für Tourismus formuliert hat.

Die Nähe zur Natur wird den Menschen nicht nur in
eutschland in der Freizeit bzw. in den Ferien vermittelt.
s ist sehr wichtig, dass die Menschen, die nicht wie ich
as Glück haben, naturnah zu wohnen, sondern in den
allungszentren leben, die Natur wieder neu begreifen.
as ist zum Beispiel im Urlaub auf einem Bauernhof, in
er Nähe eines Naturschutzgebietes, auf einem Natur-
ehrpfad oder auf Fortbildungsveranstaltungen der eben
on mir genannten Naturschutzverbände möglich. Wenn
ir das schaffen, dann werden wir in den nächsten Jah-

en den Standort Deutschland und insbesondere die länd-
ichen Räume mit den genannten Gebieten bereichern.

Liebe Undine Kurth, ich freue mich darauf, dass wir
n absehbarer Zeit im Fachausschuss auch über die The-






(A) )



(B) )


Reinhold Hemker
men eures Antrags sprechen werden. Ich hätte mir für
heute einen fraktionsübergreifenden Antrag gewünscht.
Aber wie so oft haben wir es angesichts der Tagesord-
nung, der Geschäftsordnung und unseres Umgangs mit-
einander nicht geschafft, einen solchen Antrag vorzule-
gen. Wir finden zudem oft nicht die Zeit, uns
zusammenzusetzen und einen fraktionsübergreifenden
Antrag zu erarbeiten. Ich freue mich aber, dass der Ko-
alitionsantrag gleich wahrscheinlich einstimmig ange-
nommen wird. Es wäre sicherlich schön gewesen, den
Antrag der Grünen zu berücksichtigen. Aber, liebe
Undine, wir werden euren Antrag mit Hinweis auf die
Geschäftsordnung ablehnen. So ist nun einmal die „Klei-
derordnung“.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609121800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Tourismus zu dem An-
trag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD mit dem Ti-
tel „Nationale Naturlandschaften – Chancen für
Naturschutz, Tourismus, Umweltbildung und nachhal-
tige Regionalentwicklung“. Der Ausschuss empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4269,
den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf
Drucksache 16/3298 anzunehmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig ange-
nommen.

Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit
dem Titel „Naturparke – Chancen für Naturschutz und
Regionalentwicklung konsequent nutzen“. Der Aus-
schuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/4278, den Antrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3095 abzu-
lehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-
fehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktionen
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(14. Ausschuss)

Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad
Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Ausgleich für neue Arbeitszeitmodelle in
Krankenhäusern vorziehen

– Drucksachen 16/670, 16/4596 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Frank Spieth

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(C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rederin das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin arion Caspers-Merk. M Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir eraten einen Antrag der FDP-Fraktion, die wünscht, ass die 700 Millionen Euro, die wir als Zusatzinitiative ur Verfügung gestellt haben – wir und nicht Sie –, früer abgerufen werden können. Der Antrag hört sich zuächst einmal gut an, aber die Fragen sind doch erlaubt: ird dieses Geld tatsächlich benötigt? Wurden diese ittel in der Vergangenheit abgerufen? Und vor allen ingen: Ist das etwas, das die Krankenhäuser, die Proleme mit modernen Arbeitszeitmodellen haben, wirkich weiterbringt? In der Anhörung mit Fachleuten, die wir zu diesem hema durchgeführt hatten, wurde gesagt, dass im Jahr 006 für jedes Krankenhaus in Deutschland durchchnittlich 200 000 Euro für Personalmaßnahmen im usammenhang mit der Einführung neuer Arbeitszeitodelle zur Verfügung standen, diese Mittel aber über aupt nicht ausgeschöpft wurden. Nur 79 Prozent dieser ittel wurden 2006 im Durchschnitt tatsächlich ausge chöpft; im Jahr 2007 waren es durchschnittlich 3 Prozent. Das heißt, Sie beantragen, die Bereitstellung ieser Mittel vorzuziehen – Sie tun also so, als sei Eile onnöten – und noch etwas draufzulegen, obwohl dies isher gar nicht nötig ist, weil die Mittel gar nicht ausgechöpft wurden. Dabei müssten wir uns doch erst einmal ragen: Warum werden zur Verfügung gestellte Mittel icht ausgeschöpft, und was können wir hier tun? Schaut man genau hin, dann stellt man interessantereise fest, dass es Bundesländer gibt, in denen die Mittel u 90 Prozent in Anspruch genommen werden – zum eispiel in Brandenburg, Bremen oder Mecklenburgorpommern –, dass es aber auch Länder gibt, in denen ie Inanspruchnahme unter 70 Prozent liegt – wie in erlin mit 49 Prozent oder in Hamburg mit 53 Prozent. n der Anhörung teilte der Verband der Angestelltenrankenkassen zudem mit, dass nach seinen Erkenntnis en nur 72 Prozent der Krankenhäuser mit bis zu 00 Betten die Mittel tatsächlich in Anspruch nehmen. Wenn wir es mit diesem Vorgang ernst meinen und en Krankenhäusern helfen wollen, moderne Arbeitseitmodelle umzusetzen, dann müssen wir doch denjenien helfen, die offensichtlich Schwierigkeiten haben, an iese Mittel heranzukommen. Deswegen geht der Antrag, zusätzliche Mittel vorzuehen, obwohl die, die schon vorhanden sind, gar nicht usgegeben werden, völlig ins Leere. Ihr Antrag springt lso zu kurz, er trifft die Falschen, und er löst die strukurellen Probleme, die wir in den Krankenhäusern haben, icht. Für uns ist der entscheidende Punkt, dass wir im Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk Dialog mit den Ländern – Sie wissen, dass diese für den Bereich Krankenhäuser zuständig sind – dafür sorgen wollen, dass gerade in den kleineren Krankenhäusern diese Mittel noch stärker in Anspruch genommen werden. Hier können wir helfen, Strukturen zu erhalten. Hier können wir helfen, indem wir darauf hinweisen, dass diese Mittel vorhanden sind und fließen können. Hier können wir wirklich etwas tun, um moderne Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Ihr Antrag springt wie immer zu kurz, er ist populistisch, und vor allen Dingen sagen Sie nicht, wie das Vorziehen des Finanzvolumens finanziert werden sollte. Die Antwort auf diese Frage bleiben Sie uns wie immer schuldig. Wir stehen dazu, dass den Krankenhäusern geholfen werden muss. Deswegen werden wir den kleinen Krankenhäusern helfen, an die Mittel heranzukommen. Es ist aber nicht notwendig, jetzt in Aktionismus zu verfallen, da ausreichend Mittel zur Verfügung stehen. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt der Kollege Daniel Bahr von der FDP-Fraktion. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle gen! Frau Staatssekretärin Caspers-Merk hat ausgeführt, dass, obwohl seit 1. Januar dieses Jahres eine Regelung in Kraft ist, dass Bereitschaftszeit als Arbeitszeit gilt, noch nicht alle Krankenhäuser diese Regelung umgesetzt haben. Selbst die Zahlen, mit denen Sie sich rühmen, besagen, dass es immer noch eine stattliche Zahl von Krankenhäusern gibt, die eben nicht in der Lage sind, neue Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Die Bundesregierung hat mehrfach die Frist zur Umsetzung dieser Regelung hinausgezögert. Aber seit dem 1. Januar 2007 hätten diese Arbeitszeitmodelle umgesetzt werden müssen. Es steht außer Frage, dass es noch nicht alle Krankenhäuser gemacht haben. Deshalb stellt sich die Frage, was die Politik tun kann, um die Krankenhäuser, die sich noch nicht in der Lage fühlen, das umzusetzen, zu unterstützen. Es sind gerade die kleineren und mittleren Krankenhäuser, wie wir in der Ausschussberatung und auch in der Anhörung festgestellt haben, die nicht in der Lage sind, neue Arbeitszeitmodelle umzusetzen. Nach einer Erhebung nannten 32 Prozent der Krankenhäuser als Grund, warum sie noch nicht eine neue Arbeitszeitregelung umgesetzt haben, Finanzierungsprobleme. Auch geben schon heute 26 Prozent der Krankenhäuser an, die Modelle deswegen nicht umzusetzen, weil sie den Mehrbedarf an Ärzten nicht decken könnten. Frau CaspersMerk, Sie sagen jetzt – das ist etwas Erfreuliches; denn es war bisher nicht zu hören, dass Sie daran arbeiten –, dass Sie Modelle unterstützen bzw. sich überlegen wollen, wie man kleinere Krankenhäuser unterstützt. Sie wollen eine Debatte darüber, wie wir die kleineren und m d g k K I u G h e u e E H d t V z e u l b F z s N l s r w d k f z d i k w s B Z s b A u k W s D d r d (C (D ittleren Krankenhäuser unterstützen können. Allerings muss ich Ihnen von der schwarz-roten Bundesreierung schon vorwerfen, dass Sie sich gar keine Gedanen darüber machen, wie Sie die kleinen und mittleren rankenhäuser unterstützen können. (Heinz Lanfermann [FDP]: Die werden belastet!)

Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1609121900

(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609122000

(Beifall bei der FDP)

Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1609122100

m Gegenteil: Sie erhöhen die Lasten für die kleineren
nd mittleren Krankenhäuser.

Wie sieht denn die Realität aus? Durch die
esundheitsreform 2007 sind die Lasten der Kranken-
äuser gestiegen. Sie haben die Krankenhäuser nicht
twa bei der Umsetzung dieser neuen Arbeitszeitmodelle
nterstützt, sondern sie haben ihnen weitere Lasten auf-
rlegt.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Frank Spieth [DIE LINKE])


in Sparopfer von 250 Millionen Euro entzieht den
äusern wichtige finanzielle Mittel. Das belastet gerade
ie kleineren und mittleren Krankenhäuser und beein-
rächtigt die qualitativ hochwertige, flächendeckende
ersorgung der Bevölkerung, da Finanzkürzungen
wangsläufig mit Einsparungen im Leistungsbereich
inhergehen. Dazu kommt die Mehrwertsteuererhöhung
m 3 Prozentpunkte, die die Krankenhäuser in Deutsch-
and insgesamt mit vermutlich etwa 500 Millionen Euro
elastet, und die Anschubfinanzierung für die integrierte
inanzierung, die den Krankenhäusern zunächst finan-
ielle Mittel entzieht. Es bleibt die Frage offen, ob sie im
elben Umfang finanzielle Mittel zurückbekommen.
icht zuletzt sind die Tariferhöhungen zu erwähnen. Die

iegen nicht in Ihrer Verantwortung – das will ich nicht
agen –, dafür ist nicht die schwarz-rote Bundesregie-
ung verantwortlich. Aber wir müssen doch ehrlicher-
eise die Situation der Krankenhäuser sehen. Wir haben
och alle gemeinsam ein Interesse daran, dass gerade die
leineren und mittleren Krankenhäuser ihre Aufgabe der
lächendeckenden Versorgung bewältigen können. Nicht
uletzt ist die Umstellung auf die neue Finanzierung mit
em Fallpauschalensystem – wir befinden uns bis 2009
n der Konvergenzphase – zu erwähnen. Schließlich
ommt die Umsetzung der Arbeitszeitmodelle hinzu.

In diesem Umfeld belasten Sie die Krankenhäuser
eiter und geben ihnen eben nicht die Unterstützung, die

ie brauchen. Wir, alle Fraktionen hier im Deutschen
undestag, wollten gemeinschaftlich dafür sorgen, dass
ustände beendet werden, die dadurch gekennzeichnet
ind, dass Ärzte nicht mehr mit voller Konzentration ar-
eiten können und überlastet sind. Ein übermüdeter
rzt hat nach 24 Stunden Arbeit noch eine Reaktions-
nd Konzentrationsfähigkeit, als ob er ein Promille Al-
ohol im Blut hätte. Er dürfte nicht mehr Auto fahren.
äre er der Fahrer, würden wir nicht in sein Auto ein-

teigen; denn wir müssten Angst um unser Leben haben.
ie Situation in den Krankenhäusern ist so, dass Ärzte in
iesem Zustand noch operieren und versuchen, Leben zu
etten.

Ich kann den Frust vieler Ärzte verstehen. Wir spüren
iesen Frust. Gerade in den Krankenhäusern verschlech-






(A) )



(B) )


Daniel Bahr (Münster)

tern sich die Arbeitsbedingungen zusehends. Immer
mehr junge Menschen gehen nach Abschluss ihres Me-
dizinstudiums in Deutschland ins Ausland, um dort als
Arzt zu arbeiten. Ärztemangel wird die Folge sein, und
darunter werden die Patienten zu leiden haben. Also
müssen wir uns doch Gedanken darüber machen, wie
wir die Arbeitsbedingungen verbessern können.

Die FDP hat nichts anderes als Sie vorgeschlagen: dass
die zur Umsetzung solcher Arbeitszeitmodelle – Bereit-
schaftszeit soll als Arbeitszeit gelten – zur Verfügung ge-
stellten Mittel bis ins Jahr 2009 aufwachsen. Wir sind für
eine Vorziehung der Bereitstellung dieser Mittel. Sie soll-
ten nicht erst im Jahr 2009 in vollem Umfang zur Verfü-
gung stehen, sondern jetzt. Das wäre gerade für die
Krankenhäuser ein Signal zur Umsetzung dieser Arbeits-
zeitmodelle. Die heutige gesetzliche Regelung sieht vor,
dass die Krankenhäuser diese Arbeitszeitmodelle umset-
zen. Ich wiederhole: Es bringt den Krankenhäusern
nichts, dass diese Mittel erst im Jahr 2009 in vollem Um-
fang zur Verfügung stehen.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Gib sofort, und du gibst doppelt!)


Stimmen Sie unserem Antrag also zu! Unterstützen
Sie die Krankenhäuser! Sorgen Sie dafür, dass diese
Mittel schon ab diesem Jahr in vollem Umfang von
700 Millionen Euro abgerufen werden können, damit die
Krankenhäuser diese Arbeitszeitmodelle schnellstmög-
lich umsetzen können!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609122200

Das Wort hat jetzt der Kollege Willi Zylajew von der

CDU/CSU-Fraktion.


Willi Zylajew (CDU):
Rede ID: ID1609122300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

haben vom Antragsteller erfahren, welche Intention hin-
ter diesem Antrag steckt. Die Staatssekretärin hat auf das
Zahlenwerk der letzten Jahre zurückgeschaut. Wir kön-
nen feststellen, dass die Mittel nicht ausgeschöpft wor-
den sind.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie müssen nach vorne schauen, Herr Kollege!)


– Herr Lanfermann, bleiben Sie ruhig!

Wir haben im Jahre 2003 100 Millionen Euro bereit-
gestellt, im Jahre 2004 200 Millionen Euro, im Jahre 2005
300 Millionen Euro und in diesem Jahr 500 Millionen
Euro. Sie fordern in Ihrem Antrag, dass in diesem Jahr
200 Millionen Euro mehr bereitgestellt werden. Das wä-
ren dann – wahrscheinlich haben Sie auch schon das
nächste Jahr im Auge – insgesamt 300 Millionen Euro
mehr. Lieber Daniel Bahr, es wäre sinnvoll, diese Mittel
im Gesundheitsbereich bereitzustellen, wenn sie abgeru-
fen würden. Da dies nicht geschieht, macht dieser An-
trag keinen Sinn.

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(C (D Nicht wir können moderne Arbeitszeitmodelle in den rankenhäusern einführen; vielmehr müssen die Verbes erungen in den Krankenhäusern geschehen, was nicht er Fall ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


ch wiederhole: In den Krankenhäusern muss das Ent-
cheidende geschehen. In den Krankenhäusern müssen
ie Dienste optimiert werden. In den Krankenhäusern
uss die Einstellung weiterer Ärztinnen und Ärzte erfol-

en. Allein die Mittelbereitstellung hilft hier nicht.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Die Mittelbereitstellung hilft schon weiter!)


Kollege Lanfermann, gestatten Sie mir eine Zwi-
chenbemerkung: Es war so schön, Sie im Gesundheits-
usschuss zu erleben. Als wir bei den Beratungen der
esundheitsreform in dem einen oder anderen Bereich

usätzliche Leistungen und zusätzliche Ausgaben veran-
asst haben, war es justament die FDP, die immer wieder
esagt hat: Das ist zu teuer, das ist zu viel, das ist unver-
retbar. Jetzt, da die Reform verabschiedet ist, stellen Sie
usgabeträchtige Anträge und versuchen, uns sicherlich
och ein Stück weit zu übertreffen. Das ist keine seriöse
rbeit.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Der Antrag ist von Anfang 2006! Das wissen Sie auch! – Heinz Lanfermann [FDP]: Sie versuchen nur, abzulenken!)


Wenn Sie sich die Zahlen vor Augen halten, stellen Sie
est, dass Sie es sind, die ablenken wollen.

Wir haben im Jahr 2003 76,5 Prozent der bereitge-
tellten Mittel benötigt. 2004 haben wir dann immerhin
9 Prozent der bereitgestellten Mittel benötigt. 2005
urden 77 Prozent der bereitgestellten Mittel abgerufen.
und 80 Millionen Euro wurden nicht abgerufen, ob-
ohl sie bereitgestellt waren. 2006 wurden 83 Prozent
wahrscheinlich haben Ihre Mitarbeiter Ihnen diese Zahl

ur Vorbereitung auf diese Debatte genannt – der bereit-
estellten Mittel abgerufen. Diese Zahl verschweigen
ie. Das heißt, im letzten Jahr wurden nur 83 Prozent der
ittel ausgeschöpft.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Aber es steigt doch dauernd! Je länger es dauert, desto mehr werden die Mittel benötigt, Herr Kollege!)


Ich merke: Sie haben sich die Zahlen nicht gemerkt. Es
aren 76 Prozent, 79 Prozent, 77 Prozent und 83 Pro-

ent.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Er hat die Systematik gar nicht verstanden!)


s geht rauf und runter.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: In der Tendenz nach oben! – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wenn von 700 Millionen Euro 83 Prozent abgerufen würden, wäre das mehr als jetzt! Das ist Mathematik!)







(A) )



(B) )


Willi Zylajew
– Wenn sie abgerufen würden! Sie werden aber nicht ab-
gerufen. Die Summe steht zur Verfügung. Das ist nicht
Mathematik, das ist Rechnen.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der FDP: Rechnen muss man können!)


– Das können wir, im Unterschied zu Ihnen.

Wer sich außerhalb des Plenarsaals umhört, der er-
fährt, warum diese Mittel nicht abgerufen werden. Ich
denke, auch Sie wissen das.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609122400

Herr Kollege Zylajew, erlauben Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Bahr?


Willi Zylajew (CDU):
Rede ID: ID1609122500

Aber mit Vergnügen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609122600

Herr Bahr.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1609122700

Herr Kollege Zylajew, stimmen Sie mir zu, dass dann,

wenn jedes Jahr die zur Verfügung stehenden Mittel um
100 Millionen Euro steigen und der Anteil der abgerufe-
nen Mittel immer ungefähr drei Viertel beträgt – 75 Pro-
zent, 77 Prozent; am Ende waren es 83 Prozent – und
vor diesem Hintergrund statt 500 Millionen Euro in die-
sem Jahr 700 Millionen Euro zur Verfügung gestellt
würden, erwartungsgemäß die Quote erreicht würde, das
heißt, dass dann nicht die vollen 700 Millionen Euro,
aber möglicherweise 620 Millionen Euro abgerufen wür-
den


(Lachen bei der SPD und der CDU)


und damit wesentlich mehr Krankenhäuser die Möglich-
keit hätten, Arbeitszeitmodelle umzusetzen?


(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: So eine Frage dürfen Sie gar nicht zulassen, Herr Präsident! – Zuruf von der CDU/CSU: Ernst bleiben!)



Willi Zylajew (CDU):
Rede ID: ID1609122800

Herr Bahr, ich stimme Ihnen insoweit zu, dass 83 Pro-

zent von 700 Millionen Euro mehr wären als 83 Prozent
von 500 Millionen Euro.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Vielen Dank! – Heinz Lanfermann [FDP]: Richtig! – Weitere Zurufe – Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP] nimmt wieder Platz)


– Das war der erste Teil. Nun zum zweiten Teil der Ant-
wort; Herr Kollege, wenn Sie noch die Disziplin aufbrin-
gen und sich auch das noch anhören würden!

Wenn wir im letzten Jahr 100 Millionen Euro drauf-
gelegt hätten, wären nicht 83 Prozent abgeflossen, son-
dern 67 Prozent.


(Elke Ferner [SPD]: Genau!)


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(C (D ir orientieren uns aber nicht an den Prozentzahlen, ondern an den abgerufenen Mitteln. as können Sie gern nachrechnen. Das stimmt. Auch hne Rechenmaschine sage ich Ihnen: Das sind 16 Proentpunkte weniger. Ich bedanke mich ausdrücklich für die Zwischenrage, (Zuruf von der CDU/CSU: Beim „Schiffe versenken“ sagt man „Abgeschossen“! – Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Die Rheinländer sind ganz schön helle! Ihr solltet euch vor Rheinländern fürchten!)


(Elke Ferner [SPD]: So ist das!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


eil das die Chance gab, noch einmal zu sehen, wo bei
hnen Gedankengänge falsch sind.

Ich würde jetzt gern zum Thema zurückkommen. –
er außerhalb des Plenarsaals mit Ärzten, Verwaltungs-

eitern, Betriebs- und Personalräten spricht, der erfährt,
ass es beispielsweise auch an der Akzeptanz fehlt. Sie
itieren gern das Deutsche Krankenhausinstitut. Das ha-
en Sie heute natürlich nicht gemacht. Das sagt nämlich:
ei 40 Prozent der Ärzte ist keine Akzeptanz für die mo-
ernen, neuen Arbeitszeitmodelle vorhanden. – Daran
üssen wir arbeiten. Darum haben wir uns gemeinsam
irklich ernsthaft zu kümmern. Auch wir sind daran in-

eressiert, dass 100 Prozent abgerufen werden, auch
00 Prozent von 700 Millionen Euro abgerufen werden.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Es werden nie 100 Prozent abgerufen!)


ir müssen an diesen Dingen ein Stück weit arbeiten.

Die breite Öffentlichkeit muss zur Kenntnis nehmen:
003, 2004, 2005, 2006 hat jedes, aber auch jedes Kran-
enhaus die Mittel erhalten, die es angefordert hat, um
oderne Arbeitszeitmodelle zu finanzieren.


(Beifall der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU])


ie Mittel sind ausgezahlt worden. Aus unserer Sicht ist
s relativ unwahrscheinlich, dass wir bei Bereitstellung
iner höheren Summe zu deutlich besseren Ergebnissen
ämen. Wir hoffen, dass die Mittel in diesem Jahr zu-
indest zu 90 Prozent ausgeschöpft werden. Wir stellen

uch mehr Mittel bereit.

Ich wiederhole: Kein Antrag auf zusätzlich 0,2 Pro-
ent des Budgets wurde wegen fehlender Mittel abge-
ehnt. Insofern haben wir unseren Beitrag geleistet. Auch
ir wollen keine 24-Stunden-Dienste. Wir wollen keine
rzte, die ihren Dienst überlastet verrichten müssen. Wir
ollen die Mittel bereitstellen. Dies tun wir verlässlich.
ies tun wir auch 2007, 2008 und 2009, wie das verein-
art war.

Wir würden uns freuen, wenn Sie, anstatt solche po-
ulistischen Anträge zu stellen, ein Stück weit gesell-
chaftlich mit darauf hinwirkten, dass Krankenhäuser,






(A) )



(B) )


Willi Zylajew
Belegschaften neue Modelle entwickeln, fahren und um-
setzen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ich habe noch keinen Vorschlag der Koalition dazu gehört, wie das besser werden soll!)


Das tut den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den
Krankenhäusern, aber ganz besonders auch den Patien-
ten gut.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609122900

Das Wort hat der Kollege Frank Spieth von der Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Frank Spieth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609123000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! An der Fantasie der Plan-
erfüllungsdiskussion und dem, was da an Tonnenideolo-
gie verborgen worden ist, ist die Wirtschaft der DDR ge-
scheitert.


(Zuruf von der FDP: Was ist denn das für eine Diktion?)


Ein Stück weit – so ist mein Eindruck nach Ihrem
Beitrag, Herr Zylajew – wird daran möglicherweise das
Unterfangen scheitern, moderne Arbeitszeiten in den
Kliniken zu realisieren.


(Zuruf von der SPD: Das ist eine Diskriminierung der Arbeit in den Krankenhäusern!)


Tatsache ist, dass die Kliniken in den zurückliegenden
Jahren schon eine Menge gemacht haben, um die über
die bereitgestellten Mittel möglichen Arbeitszeitregelun-
gen und -bedingungen zu verbessern; dies kann aber
deutlich beschleunigt werden. Die bisherigen Anstren-
gungen reichen eindeutig nicht aus, um in den Kliniken
tatsächlich humane Arbeitsbedingungen für das medi-
zinische Personal zu schaffen. Deshalb müssen nach un-
serer Auffassung – das wird entsprechend dem FDP-An-
trag von der Fraktion der Linken voll unterstützt – sofort
jährlich die vollen 700 Millionen Euro zur Verfügung
gestellt werden, um allen Kliniken, auch den kleinen, die
Chance einzuräumen, diese Regelung zu realisieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Bundesgesundheitsministerium vertritt die Auf-
fassung, eine Erhöhung der Mittel sei überflüssig – sie
wird darin von der Großen Koalition unterstützt –, weil
die bisher bereitgestellten Mittel nicht abgerufen worden
seien. Damit aber liegen das Gesundheitsministerium
und Sie, meine Damen und Herren von der Großen Ko-
alition, nach unserer Einschätzung absolut daneben.


(Beifall bei der LINKEN und der FDP)


Ich meine, dass die Umsetzung des Arbeitszeitgeset-
zes und der -regelungen ganz wesentlich von den Tarif-
abschlüssen des vergangenen Jahres abhängt. Die ärztli-

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(C (D hen Tarife sind erst Mitte des Jahres 2006 festgelegt orden. Seitdem – so die Deutsche Krankenhausgesell chaft – hat sich die Zahl der stationären Einrichtungen, ie eine konforme Arbeitszeitregelung gefunden haben, esentlich erhöht. Des Weiteren möchte ich die Bundesregierung daran rinnern, dass sie selbst es war – Sie, meine Damen und erren von der Großen Koalition –, die eine verzögerte msetzung mit zu verantworten haben, da Sie die Frist ur Umstellung der Arbeitszeitmodelle im vergangenen ahr vom 1. Januar 2006 auf den 1. Januar 2007 verschoen haben. (Zuruf von der SPD: Sie wissen doch, dass das gar nicht stimmt!)


Hätte man den Druck auf die Krankenhausbetreiber
rhöht, statt ihn herauszunehmen, wären wir heute mit
icherheit einen großen Schritt weiter.

Darüber hinaus sind die aufsichtsrechtlichen Bemü-
ungen der Länder mangelhaft, sodass eine Überprü-
ung der Arbeitszeiten in den Kliniken fast nie erfolgt
st. Mit der im FDP-Antrag geforderten Aufstockung der

ittel würde die Umstellung der Arbeitszeitregelungen
eschleunigt. Ich frage mich, ob sich das Ministerium
arüber klar ist, dass jedes Krankenhaus nur den Anteil
eines Budgets für sich zusätzlich aushandeln kann. Die
KG beklagt seit langem, dass die Häuser mit einem zu-

ätzlichen Bedarf dadurch ausgebremst und die bereit-
tehenden Mittel nicht abgefordert werden. Bei diesen
igiden Vorgaben ist es kein Wunder, dass nur rund
3 Prozent der Mittel zugeteilt worden sind. Anstatt die
erbleibenden Mittel auf die antragstellenden Kliniken
u verteilen, werden diese nicht verwandt. Es ist also
achlich falsch, zu behaupten, weil die Mittel nicht voll
bgerufen worden sind, bestünde keine Not und keine
otwendigkeit dazu. Das ist nach meiner Auffassung

ormal und bürokratisch, vor allen Dingen aber praxis-
ern.


(Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


Wenn wir es ernst meinen mit der Verbesserung der
rbeitsbedingungen in den Krankenhäusern, ist das so-

ortige Vorziehen der Bereitstellung der Mittel von ele-
entarer Bedeutung. Wir wollen die qualitativ hochwer-

ige Versorgung in unseren Krankenhäusern erhalten.
ie Aufstockung des ärztlichen Personals darf dabei

ber nicht weiter zulasten der Pflegekräfte gehen. So ist
ie Zahl der Pflegekräfte im stationären Bereich von
995 bis 2005 um 14 Prozent gesunken.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Pfui!)


benso wie die ärztliche Versorgung ist die verantwortli-
he Pflege Bedingung für einen hohen Qualitätsstandard
nd einen erfolgreichen Gesundungsprozess der Kran-
en.

Das Problem der überlangen Arbeitszeiten und der
ichteinhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist noch lange
icht gelöst. Die Gewerkschaften beklagen, dass selbst
n den Kliniken, die gesetzeskonforme Arbeitszeitmo-
elle eingeführt haben, Ärzte angehalten werden, län-






(A) )



(B) )


Frank Spieth
gere Dienste zu leisten. Ihnen werden Ruhezeiten und
sonstiger Ausgleich verspätet oder gar nicht gewährt.
Das hat etwas mit Finanzen zu tun. Diesem ausbeuteri-
schen Treiben muss schnellstens ein Riegel vorgescho-
ben werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Harald Terpe [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese Missstände können mit verschärften Kontrollen
der Aufsichtbehörden einerseits und der Bereitstellung
der Mittel andererseits bekämpft werden.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609123100

Herr Kollege Spieth, kommen Sie bitte zum Schluss.


Frank Spieth (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609123200

Ich komme zum Schluss.

Mein Fazit: Kliniken unternehmen verstärkt Anstren-
gungen. Wir sollten sie dabei unterstützen und alles tun,
um das nicht auf dem Rücken des Personals zu betrei-
ben. Deshalb stimmen wir für den Antrag der FDP.


(Beifall bei der LINKEN – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das ist eine gute Entscheidung!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609123300

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Harald Terpe von

Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609123400

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen

und Kollegen! Die Entstehung und Umsetzung des Ar-
beitszeitgesetzes für das ärztliche Personal im Kranken-
haussektor infolge der EU-Richtlinie ist eine Geschichte
aus Ignoranz, Verzögerung und Taktieren. Wurde zu-
nächst das Problem der Überstunden mit der Gefahr der
Übermüdung ignoriert, gab es später mit exekutiver und
legislativer Billigung eine wiederholte Verzögerung der
Umsetzung. Ich habe das Gefühl, dass auch jetzt Taktie-
ren und Verzögerung die Spielregel ist;


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ignorieren!)


denn die geplante Gegenfinanzierung wird über den
Vollzugszeitpunkt des Arbeitszeitgesetzes, den 1. Januar
2007, hinaus gestreckt und verzögert.

Der Sachverhalt ist allgemein bekannt: Im Jahre 2003
wurde, durchaus plausibel – die Staatssekretärin hat ge-
sagt, es waren wir und nicht die FDP; darauf will ich
jetzt gar nicht eingehen –, davon ausgegangen, dass das
Arbeitszeitgesetz einen zusätzlichen Personal- und da-
mit auch Finanzbedarf erfordert.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Da hat die FDP nie widersprochen!)


Deshalb wurden, ebenfalls plausibel, für das damals an-
gestrebte Jahr der Umsetzung, nämlich 2009, 700 Millio-
nen Euro kalkuliert. Stellt man in Rechnung, dass die
Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes eine Reduzierung der
Arbeitszeit um 15 bis 20 Prozent erforderlich macht

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(C (D zw. machte, so sind etwa 10 Prozent zusätzliche Ärztend Ärztinnenstellen, die sich aus 700 Millionen Euro fianzieren lassen, ein Gutteil der Lösung. Man muss beonen, dass es da auch um Personaleinstellungen geht. Wo liegt für Sie, meine Damen und Herren aus der oalition, also das Problem, die, wie gesagt, plausibel alkulierten Mittel bereits 2007 einzustellen, wenn doch ie Vollzugsfrist 2007 abgelaufen ist? Da wird argumeniert – wir haben ja eine sehr launige Rede von Herrn ylajew (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Eine rheinische Rede! Rheinische Frohnatur!)


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Ganz genau!)


nd auch von der Staatssekretärin gehört –, die Mittel
eien 2005 nur zu 77 Prozent ausgeschöpft worden. In
iesem Zusammenhang drängt sich mir das Gefühl auf,
ass – in Abwandlung des Sprichwortes „Papier ist ge-
uldig“ – Zahlen durchaus geduldig sind. Ich kann mich
edenfalls gut daran erinnern, dass in der Anhörung ge-
agt wurde, zwar habe ein höherer Prozentsatz von Kli-
iken versucht, das Arbeitszeitgesetz umzusetzen; aber
ur 23 Prozent aller Ärztinnen und Ärzte seien erfasst.
it den Zahlen ist das immer so eine Sache; es kommt

mmer darauf an, was man daraus lesen will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Man muss das vor allen Dingen vor dem Hintergrund
ehen, dass das Gros der Krankenhäuser erst die letzten
onate und Tage des Jahres 2006 genutzt hat, um über-

aupt an die Umsetzung zu denken bzw. eine Neustruk-
urierung abzuschließen. Ein Teil – das betrifft vor allem
ie kleinen Krankenhäuser – hat das noch nicht gemacht.
ir werden darauf noch zurückkommen.

Ich möchte an dieser Stelle auch darauf hinweisen,
ass es gerade die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
en Krankenhäusern sind und nicht die Politik, die dan-
enswerterweise die innovativen Konzepte entwickeln
nd umsetzen, und das unter erheblichen finanziellen
elastungen.

Zur Umsetzungsrealität gehört aber auch, dass der er-
öhte Anforderungsdruck, nämlich in verkürzter Ar-
eitszeit den gleichen Arbeitsumfang zu realisieren, zu
iner Veränderung, wenn nicht gar zu einer Verschlech-
erung der Behandlungskontinuität für den Patienten
ührt. Arbeit von Ärztinnen und Ärzten beispielsweise
m Schichtsystem birgt das Risiko, dass das System von
atientenvisite, Diagnostik und Therapie aus einer Hand
erloren geht. Vertraute Bilateralität wird durch unper-
önliche Multilateralität potenziell verdrängt. Da stellt
ich die Frage der Betreuungsqualität.

Auch die Argumentation, mehr Mittel zur Lösung des
rbeitszeitproblems würden den Schuldenabbau behin-
ern, ist meiner Ansicht nach eine unzulässige Problem-
ermischung. Denn das wäre ein Art Quersubventionie-
ung. Natürlich sind auch wir der Meinung, dass die

ittel zielgenau eingesetzt und die besonderen struktu-
ellen Probleme kleinerer und mittlerer Krankenhäuser






(A) )



(B) )


Dr. Harald Terpe
berücksichtigt werden müssen. Aber, liebe Kolleginnen
und Kollegen aus der Koalition, dies halte ich eher für
einen wesentlichen Grund, die Mittel jetzt bereitzustel-
len.

Nicht die billigste Umsetzungsvariante, sondern die
mit dem besten Effekt hinsichtlich der Behandlungsqua-
lität sollte realisiert werden. Stimmen Sie deshalb mit
uns Grünen für den Antrag der FDP!

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609123500

Als letzter Redner hat der Kollege Eike Hovermann

von der SPD-Fraktion das Wort.


Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1609123600

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich

glaube nicht, dass wir allein mit der Fokussierung auf
das Thema „Beantragte und verausgabte Mittel“ das Pro-
blem im Kern treffen. Ich werde darauf, soweit dies in
fünf Minuten möglich ist, noch eingehen.

Ich darf zunächst einmal daran erinnern, dass Klagen
von spanischen und deutschen Ärzten den Europäi-
schen Gerichtshof seinerzeit völlig zu Recht veranlasst
haben, den Bereitschaftsdienst komplett als Arbeitszeit
anzuerkennen. Das ist der Ausgangspunkt und nichts an-
deres. Mit diesem Urteil hat der Gerichtshof seinen Bei-
trag dazu geleistet, unzumutbare Belastungen von Ärz-
ten, die oft zulasten der Versorgungsqualität und damit
natürlich auch zulasten der Lebensqualität der Patienten
gegangen sind, zu beenden. Insofern war das Urteil gut
und richtig und auch sinnvoll hinsichtlich erster Schritte
zum Abbau von Frustrationen bei vielen Ärzten und von
oftmals teamfeindlichen hierarchischen Strukturen. Das
war alles Gegenstand der Urteils und der Untersuchun-
gen des Europäischen Gerichtshofes.

Natürlich – jetzt komme ich zum Kern – bereitete und
bereitet die Umsetzung des Urteils Schwierigkeiten. Die
Kernprobleme waren überwiegend finanzieller Natur.

Um die Umsetzung der europäischen Arbeitszeitvorga-
ben in den Krankenhäusern zu unterstützen, stellt die
Bundesregierung, wie schon so oft gesagt, 700 Millionen
Euro bis 2009 in jährlichen Tranchen zur Verfügung. Die
FDP will nun, dass diese Gelder vorzeitig ausgeschüttet
werden. Diese Zielvorstellung lehnen wir ab. Die Gründe
für diese Ablehnung sind unter anderem folgende:

Die Anhörung zu unserem Arbeitszeitmodell – von
Ihnen beantragt; Sie erinnern sich – hat gezeigt, dass
auch unerwünschte Mitnahmeeffekte auftreten können,
sprich: ein zweckentfremdeter Einsatz von Mitteln. Un-
ter dem finanziellen Druck, unter dem viele Kliniken
stehen, ist das so.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Woher kommt der Druck?)



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(C (D Warten Sie es ab! Sonst stelle ich gleich genauso Rechungen an wie Herr Zylajew. Ein von der DKG in Auftrag gegebenes Gutachten hat ezeigt, dass Forderungen oft überzogen waren und etwa ie Verkürzung des Bereitschaftsdienstes und die Einührung von zeitversetzten Diensten keine echten neuen rbeitszeitmodelle darstellen. Auch das ist eine Zweck ntfremdung des Mitteleinsatzes. Es gilt natürlich, Herr Bahr, bei der Verteilung von eldern zukünftig mehr als bisher auf die Auswirkun en auf größere und kleinere Kliniken zu achten nd damit auch auf die Sicherstellung der Versorgung im ändlichen Raum im Vergleich zu den Ballungszentrum. ber, Herr Bahr, zu glauben, dass dieses durch eine früh eitige Vergabe von Mitteln für neue Arbeitszeitmodelle enn erreicht werden könnte, lässt die Augen vor den eienen strukturellen Problemen verschließen, die wir voraben zu lösen. Im Übrigen ist auch der FDP-Fraktion im Zusammenang mit der Situation der Krankenhäuser doch bekannt, ass es ein Wegbrechen der dualen Finanzierung und eien Investitionsstau gibt. Diese Probleme werden nicht urch vorzeitiges Ausschütten von Geldern für Arbeitseitmodelle gelöst. Die Krankenhäuser haben auch chwierigkeiten mit den Zusatzausgaben aufgrund der rhöhung der Mehrwertsteuer. Das ist natürlich keine rage. Das hat aber mit dem, was Sie jetzt fordern, überaupt nichts zu tun. Ebenso ist sicherlich bekannt, dass die kommenden arifabschlüsse zu Belastungen führen werden. Herr pieth, zusätzliche Ausgaben müssen aber im System erirtschaftet werden können. Man kann jetzt nicht sagen: enn wir die Vergabe der Gelder für die Arbeitszeitmo elle vorzögen, wäre das Problem sozusagen en passant elöst. Das glaube ich nicht; denn das entscheidende roblem – – Herr Kollege Hovermann, ich möchte Sie ungern un erbrechen; aber der Kollege Terpe würde Ihnen gerne ine Zwischenfrage stellen. Darf ich meinen Gedanken noch zu Ende führen? Bitte schön. Neben den zu erwartenden Belastungen durch kom ende Tarifabschlüsse ist vor allem das folgende entcheidende Problem bekannt – Herr Spieth, die vorzeiige Vergabe von Geldern hat nichts damit zu tun; sie löst Eike Hovermann das Problem nicht –: die Schere zwischen dem Anstieg der Grundlohnsumme auf der einen Seite, der im Jahre 2007 wahrscheinlich bei 0,2 bis 0,3 Prozent liegen wird, und dem Anstieg der Kosten auf der anderen Seite, der bei 3 bis 3,5 Prozent liegen wird. Das ist die eigentliche Problematik, (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Jetzt bin ich auf die Lösung gespannt, Herr Hovermann!)


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Aha!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609123700
Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1609123800
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609123900

(Heiterkeit)

Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1609124000




(A) )


(B) )


angesichts deren die Umsetzung von Arbeitszeitmodellen
natürlich Schwierigkeiten bereitet, insbesondere – das ist
gar keine Frage – bei kleineren Krankenhäusern. Zu glau-
ben, diese strukturellen, finanziellen Probleme könnten
gelöst werden, indem man jetzt abrupt Zahlungen vor-
zieht – –


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Was ist Ihr Lösungsvorschlag, Herr Hovermann?)


– Sie können mir eine Zwischenfrage stellen; dann kann
ich darauf antworten.


(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609124100

Herr Kollege Hovermann, der Kollege Terpe wollte

Ihnen ja eine Frage stellen.


Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1609124200

Das darf er jetzt auch.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609124300

Bitte schön.


Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1609124400

Ich habe noch neun Sekunden, Herr Terpe. – Zum

Abschluss wollte ich nur sagen: Qualität geht vor
Schnelligkeit; die FDP will sehr schnell sein, wir wollen
qualitätsbewusst arbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das haben wir bei der Gesundheitsreform gesehen!)



Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609124500

Ich weiß, dass nur der Präsident jetzt das Recht hätte,

zu sagen: Jetzt sind auch schon die neun Sekunden abge-
laufen. Ich möchte Ihnen, Herr Hovermann, trotzdem
eine Frage stellen: Können Sie als Arzt meine Erfahrung
bestätigen, dass die Umstellung von Arbeitszeitmodellen
in kleineren und mittleren Krankenhäusern naturgemäß
schwieriger als in großen Krankenhäusern ist, die es ein-
facher haben, innovative Konzepte umzusetzen?


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Klar!)


Können Sie auch bestätigen, dass zur Umsetzung der Ar-
beitszeitgesetzgebung in kleinen und mittleren Kranken-
häusern vor allen Dingen personalintensive Maßnahmen
ergriffen werden müssen? Aus diesem Grund konnten

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(C (D ie kleinen und mittleren Krankenhäuser gar kein Geld nfordern: Sie hatten gar nicht die Möglichkeit, das mit hrem Personal umzusetzen. Zuerst möchte ich sagen: Ich bin kein Arzt; ich werde ber andauernd in diese Berufsgruppe eingeordnet bzw. romoviert. Mit der Zeit lernt man, damit umzugehen. Natürlich trifft die Erfahrung, die Sie gemacht haben, u. Wenn Sie generell von kleinen und mittleren Kranenhäusern sprechen, stimmt das nicht ganz – da muss an schon sehr genau hinschauen –; denn es gibt pezialkrankenhäuser, die damit sehr gut zurechtkomen. Ich nehme aber Ihren Gedanken auf. Die Realität ei der Versorgung sieht so aus, dass die kleineren Kranenhäuser überwiegend entweder schließen oder fusioieren. Es ist aber falsch, jetzt zu glauben, man könnte hnen helfen, wenn man die Vergabe von Geldern abrupt orzieht. Vielleicht wird versucht, mithilfe der Anträge esser ins Gespräch zu kommen. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ich habe keinen Alternativvorschlag gehört, Herr Hovermann!)


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Sehr gute Frage!)

Eike Hovermann (SPD):
Rede ID: ID1609124600

Der Alternativvorschlag ist: Um Planungssicherheit zu
rlangen, sollte man die in Tranchen zur Verfügung ge-
tellten Gelder in dem vereinbarten Zeitraum verausga-
en und dann schauen, wo in den Krankenhäusern damit
eue Arbeitszeitmodelle umgesetzt worden sind und was
avon übertragbar ist. Dies kann man eben nicht durch
bruptes Vorziehen erreichen. Wenn die Krankenhäuser
etzt nicht in der Lage sind, sind sie es auch in einem hal-
en Jahr nicht, wenn ein Sack Geld auf ihrem Tisch
iegt.

Vielen Dank.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Frank Spieth [DIE LINKE]: So sehr ich Sie schätze: Das ist falsch!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609124700

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion der
DP mit dem Titel „Ausgleich für neue Arbeitszeitmo-
elle in Krankenhäusern vorziehen“. Der Ausschuss
mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
he 16/4596, den Antrag der Fraktion der FDP auf
rucksache 16/670 abzulehnen. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
er Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Opposi-
ionsfraktionen angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu der






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Unterrichtung durch den Bundesbeauftragten für
den Datenschutz

Tätigkeitsbericht 2003 und 2004 des Bundes-
beauftragten für den Datenschutz

– 20. Tätigkeitsbericht –

– Drucksachen 15/5252, 16/4882 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Beatrix Philipp
Klaus Uwe Benneter
Gisela Piltz
Jan Korte
Silke Stokar von Neuforn

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Kollegin Beatrix Philipp von der CDU/CSU-
Fraktion das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Beatrix Philipp (CDU):
Rede ID: ID1609124800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Aus-

schuss habe ich gesagt, dass mancher Wein dadurch bes-
ser wird, dass man ihn liegen lässt. Auf einen Daten-
schutzbericht, der sich auf die Jahre 2003 und 2004
bezieht, trifft das allerdings überhaupt nicht zu. Ich
möchte aber nicht verhehlen, dass unter dem Vorgänger
im Amt des Datenschutzbeauftragten, Herrn Dr. Jacob,
sehr viel mehr Ruhe und Sachlichkeit geherrscht haben
und manche Auseinandersetzung, die heute stattfindet,
nicht stattgefunden hat.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spricht für Herrn Schaar!)


Das ist ja auch in Ordnung. Ich kritisiere das gar nicht;
ich stelle das nur fest.

Bevor ich dennoch auf Herrn Schaar eingehe, möchte
ich ein Zitat vorbringen, von dem ich meine, dass es gut
in diesen Zusammenhang passt:

Ein Kompromiss, das ist die Kunst, einen Kuchen
so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte
Stück bekommen.

Dieses Zitat wird Ludwig Erhard zugeschrieben. Ich
weiß nicht ganz genau, ob er die Große Koalition damit
gemeint hat. Er hätte damit aber auch die Ihnen vorlie-
gende gemeinsame Erklärung zum 20. Datenschutzbe-
richt gemeint haben können. Es ist nämlich gute Tradi-
tion, dass sich alle Fraktionen dieses Hauses in diesem
Bereich, der eigentlich immer sehr kontrovers diskutiert
wird, auf etwas Gemeinsames einigen und das der stau-
nenden Öffentlichkeit zur Kenntnis bringen.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] – Jörg Tauss [SPD]: Lassen Sie mich einmal klatschen! Die Stelle ist schon einen Beifall wert!)


– Herr Tauss, ich kann nicht gerade behaupten, dass ich
Sie die ganze Zeit vermisst hätte. Ich finde es aber toll,

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(C (D ass Sie sich an dieser Debatte gleich zu Beginn durch egeisterungsbekundungen beteiligen, (Jörg Tauss [SPD]: Sehen Sie! Wenn Sie so etwas Vernünftiges sagen!)


bwohl Sie sich in den letzten Wochen und Monaten rar-
emacht haben und an der gemeinsamen Entschließung
berhaupt nicht beteiligt waren. Wir sind gespannt, wie
ie sich zu dieser Sache, an der Sie nicht beteiligt waren,
leich äußern werden. Wir sind, wie gesagt, ausgespro-
hen positiv gestimmt.

Ich möchte nicht versäumen, mich ausdrücklich bei
en Berichterstatterinnen und Berichterstattern, bei den
amen und Herren aus den diversen Ministerien, die bei
er Formulierung sehr hilfreich waren, sowie bei dem
atenschutzbeauftragten und seinen, aber auch unseren

igenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns bei
er Erstellung dieser gemeinsamen Erklärung hilfreich
ur Seite standen und die in der Vorbereitung sehr aktiv
aren, zu bedanken.

Im Vergleich mit den anderen Grundrechten ist der
chutz personenbezogener Daten als Recht auf infor-
ationelle Selbstbestimmung mit seinen gut 24 Jahren

in relativ junges Grundrecht. Nicht erst seit den Terror-
ngriffen vom 11. September 2001 ist der Datenschutz
tärker in das Bewusstsein und den Alltag der Bevölke-
ung gerückt.

Zahlreiche technologische Innovationen, zum Bei-
piel die Datenübertragung durch WLAN oder die zu-
unftsträchtige RFID-Technologie, haben erheblich zur
ensibilisierung der Bevölkerung beigetragen. „Sensi-
ilisierung“ heißt: Sie sind im wahrsten Sinne des Wor-
es angerührt, von Beunruhigung bis hin zu Angst. An
iesen neuen Technologien werden aber auch große Er-
artungen geknüpft.

Herr Bürsch, den wir freudig erregt in unserer Mitte
egrüßen, der als Berichterstatter dabei war, lenkt Herrn
auss leider vom Zuhören ab. Darum werden wir gleich
in Problem haben, wenn Herr Tauss sich hier äußert.
as ist jedenfalls zu erwarten.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich bin multitaskingfähig! – Gegenruf der Abg. Gisela Piltz [FDP]: Männer sind nicht multitaskingfähig!)


Ich kann Frau Piltz nur zustimmen: Männer können
icht zwei Sachen gleichzeitig. Das wissen wir ja.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP] – Jörg Tauss [SPD]: Ich bin durchgegendert bis auf die Knochen!)


a hier weniger Frauen als Männer vertreten sind, ist der
eifall reduziert.

Aus der erhöhten Sensibilität ergeben sich Konse-
uenzen:

Erstens besteht die Notwendigkeit, den Datenschutz
u modernisieren. Wir haben am 5. März dieses Jahres
emeinsam eine richtig gute Anhörung durchgeführt.


(Jörg Tauss [SPD]: Da war ich auch!)







(A) )



(B) )


Beatrix Philipp
In dieser Anhörung wurden insbesondere die einge-
schränkten Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen
das Datenschutzrecht, fehlendes Unrechtsbewusstsein
bei vielen Unternehmen, aber auch Widersprüche hin-
sichtlich bußgeldbewehrter Tatbestände als Hauptdefi-
zite des geltenden Rechts benannt. So stellt zum Beispiel
die unzulässige Speicherung von Daten zwar eine Ord-
nungswidrigkeit dar, das rechtswidrige Nutzen dieser
Daten jedoch nicht. Deswegen fand ich es ausgespro-
chen interessant – man muss der Sache sicherlich inten-
siver nachgehen –, dass der Sachverständige Professor
Abel bei der Anhörung klar zum Ausdruck gebracht hat,
dass eine Modernisierung des Datenschutzrechtes we-
der in einem großen Wurf noch durch eine Vielzahl ein-
zelfallbezogener Regelungen und Rechtsvorschriften ge-
lingen kann.

Aber er sieht insbesondere im Bereich des Zivilrechtes
Verbesserungsmöglichkeiten, etwa durch die Konkreti-
sierung des Wettbewerbsrechts. So hat er ausgeführt – ich
darf das in Erinnerung rufen –: Datenschutzrechtliche
Verstöße und auch das Unterlassen datenschutzrechtlich
erforderlicher Maßnahmen würden dann als unlauterer
Vorsprung durch Rechtsbruch angesehen und mit dem
wettbewerbsrechtlichen Instrumentarium geahndet. Ich
glaube, dass diese Sichtweise sehr interessant ist. Wir
sollten etwas intensiver darüber nachdenken.

Zweitens. Eine weitere Forderung ist die nach einem
Datenschutzaudit nach § 9 a des Bundesdatenschutzge-
setzes. Da stehen wir trotz heftiger Bedenken vor der
Beschlussfassung. Natürlich folgen wir der guten parla-
mentarischen Gepflogenheit, die Konsequenzen nach ei-
nem Beschluss mitzutragen.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] und der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Gisela Piltz [FDP]: Warum hat die SPD das in zwei Legislaturperioden nicht hinbekommen?)


Denn wir haben uns darauf geeinigt, dass es in jedem
Fall freiwillig sein wird. Es soll auch unbürokratisch
sein. Diese beiden Bedingungen waren für uns ausrei-
chend, um dem Kompromiss zuzustimmen. Keinesfalls
darf es zu einer indirekten Benachteiligung von kleinen
und mittleren Unternehmen kommen. Natürlich darf es
auch nicht von der Finanzkraft eines Unternehmens ab-
hängen. Hier wird es auf die Kreativität aller Beteiligten
ankommen.

Drittens. Ein gemeinsamer Standpunkt zum Thema
RFID. Hier gilt es, wie im Datenschutz insgesamt die
Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Deswe-
gen haben wir in die Ihnen vorliegende gemeinsame Ent-
schließung einige Bedingungen geschrieben.

Bei aller Gemeinsamkeit gibt es, wie bereits erwähnt,
nach wie vor gravierende Unterschiede beim Daten-
schutz, insbesondere in sicherheitspolitischen Fragen.
Ich nenne nur das Thema Biometrie. Diese Technologie
hat bereits in Deutschland Einzug gehalten und Anwen-
dung gefunden. Ich denke zum Beispiel an Frankfurt,
aber auch an heute Morgen und die zurückliegenden
Diskussionen zwischen der CDU/CSU-Bundestagsfrak-

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(C (D ion und der der SPD. Wir sind uns über die exakte Anendung und Umsetzung noch nicht ganz einig. Aber ir sind auf einem guten Weg und geben auch da die offnung auf eine gemeinsame Lösung nicht auf. Das ilotprojekt am Frankfurter Flughafen – ich erwähne es ier noch einmal – hat bei der Bevölkerung große Akeptanz gefunden. Das darf man sicherlich sagen. Ich fasse zusammen: Die CDU/CSU-Fraktion steht ür einen aufgeklärten und vor allen Dingen pragmatichen Datenschutz, der nicht im luftleeren Raum steht, ondern immer von Fall zu Fall hinter kollidierende echtsgüter zurückzutreten hat, und zwar dann, wenn ie Abwägung so ausgeht, wie ich es eben beschrieben abe. Gerade heute in Anbetracht unseres sicherheitspoitischen Umfeldes, in dem zwischen innerer und äußerer icherheit nicht mehr eindeutig unterschieden werden ann, darf Datenschutz nicht dazu instrumentalisiert erden, sicherheitspolitisch notwendige Maßnahmen zu lockieren. Wir nehmen die Sorgen der Menschen in unserem and ernst. Wir warnen aber davor, so wie es gestern der erliner Datenschutzbeauftragte, Herr Dr. Dix, wieder inmal bei der Vorstellung seines Jahresberichts getan at, davon zu sprechen, dass wir vor einer Überwahungsund Präventionsgesellschaft stehen. Das ist siherlich nicht hilfreich, wenn man einen sinnvollen Daenschutz will. Ich hoffe für die Zukunft darauf, dass wir bei dem euen, eigentlich schon auf dem Tisch liegenden Datenchutzbericht für die beiden folgenden Jahre ebenfalls zu iner sachlichen Diskussion über dieses Thema gelanen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609124900

Das Wort hat jetzt die Kollegin Gisela Piltz von der

DP-Fraktion.


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1609125000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Un-

efähr alle zwei Jahre, wenn nicht gerade eine Neuwahl
es Bundestages dazwischenkommt, befassen wir uns
ier fraktionsübergreifend mit dem Datenschutz. Ich
inde es gut, dass es auch in diesem Jahr zu einer Fortset-
ung der schon von Frau Philipp angesprochenen Tradi-
on gekommen ist: Wir haben eine fraktionsübergreifende
rklärung zum 20. Bericht des Datenschutzbeauftragten.

Ebenso wie Frau Philipp möchte ich mich zunächst
ei meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken, insbe-
ondere bei Ihnen, Herr Bürsch. Dass Sie heute nicht zu
iesem Thema sprechen, finde ich schade, weil Sie Teil
es Ganzen waren;


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Da bin ich doch großzügig!)







(A) )



(B) )


Gisela Piltz
auch das muss man einmal sagen. Ich möchte mich auch
bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie bei
denen der Ministerien bedanken, auch wenn sie man-
ches, was wir gerne gehabt hätten, fleißig verhindert ha-
ben. Ganz besonders bedanke ich mich beim Bundesbe-
auftragten für den Datenschutz,


(Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


der auf der Tribüne sitzt und uns zuhört, und bei seinen
Mitarbeitern. Herzlichen Dank für Ihre Arbeit!

Am vorliegenden Beschluss wird deutlich, dass der
Datenschutz ein Thema ist, zu dem sich das Parlament
die Informationen, die es erhalten möchte, erkämpfen
muss. Wenn wir nur darauf warten, dass uns die Regie-
rung etwas vorlegt, dauert das in der Regel lange.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Leider sehr richtig!)


Es wurden eine Menge positiver Aspekte erwähnt.
Von Bedeutung sind aber auch die Forderungen nach ei-
nem Datenschutzaudit und einem Arbeitnehmerdaten-
schutzgesetz, die leider schon zum wiederholten Male
von uns erhoben werden mussten. Herr Tauss, zu der Be-
merkung, die Sie eben gemacht haben, möchte ich Ihnen
sagen: Sie regieren jetzt schon in der dritten Legislatur-
periode in Folge. Es ist wirklich ein Armutszeugnis, das
Sie das noch nicht hinbekommen haben; das habe ich
auch schon im Ausschuss gesagt. Die Grünen haben das
Datenschutzauditgesetz bestimmt nicht verhindert. Ich
hoffe, dass Sie sich jetzt einmal an das halten, was Sie
hier großspurig verkünden.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Jörg Tauss [SPD]: Ja, ja!)


Wir haben zu SWIFT, zur Übermittlung von Fluggast-
daten, zur Genomanalyse und zur Gesundheitskarte eine
Position gefunden. Mehr wäre sicherlich gut gewesen.
Aber das, was wir hier erreicht haben, ist für den Daten-
schutz besser als nichts.

Besonders hervorheben möchte ich folgende Punkte:
Wir fordern gemeinsam als Parlament, in der dritten
Säule der EU einen hohen und harmonisierten Daten-
schutzstandard zu verwirklichen. Darüber hinaus for-
dert das Parlament die Bundesregierung auf, dieses
Thema noch während ihrer EU-Ratspräsidentschaft zu
einem Ende zu bringen. Ich wünsche Ihnen viel Glück
dabei, über die – wie hieß es in einer Ihrer Vorlagen so
schön? – politische Orientierungsdebatte hinauszukom-
men und einen Beschluss zu fassen, der uns allen etwas
bringt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Interessant ist auch, dass Sie es geschafft haben, die
RFID-Technologie zu erwähnen. Sie stellt nämlich eine
neue Dimension für den Datenschutz dar, weil sie es er-
möglicht, aus diesem Chip Daten zu lesen, ohne dass
man davon etwas bemerkt. Es ist ein erfreulicher Fort-
schritt, dass die Regierungsfraktionen erkannt haben,

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(C (D ass hier Handlungsbedarf besteht. Ich kann mich erinern, dass das, als ich Anfang 2004 eine diesbezügliche nfrage gestellt habe, noch ganz anders war. Daher öchte ich loben, dass bei Ihnen ein Erkenntnisgewinn rfolgt ist. Ich freue mich vor allem darüber, dass wir offensichtich auf dem richtigen Weg sind, wenn es darum geht, en Datenschutz zu modernisieren. Aus meiner Sicht hat ine wirklich eindrucksvolle Anhörung stattgefunden, uf die Frau Kollegin Philipp bereits Bezug genommen at. Diese Anhörung hat gezeigt, dass wir von einem aßnahmeorientierten zu einem zielorientierten Daten chutz kommen müssen. Das wird eine Aufgabe aller raktionen sein. Ich nehme die Einladung, die Beatrix hilipp im Ausschuss geäußert hat, ideologiefrei über ie Modernisierung des Datenschutzes zu diskutieren, m Namen meiner Fraktion gerne an. Wir sind dazu in er Lage. Wenn es etwas nützt, helfen wir gerne. Leider gibt es aber auch Themen, die uns fehlen, zum eispiel das bereits angesprochene Thema Biometrie. ir wollten dafür sorgen, dass biometrische Daten nur rhoben und verwendet werden, wenn dies erforderlich, innvoll und verhältnismäßig ist und wenn Maßnahmen um Schutz vor Missbrauch getroffen werden. Das ist ei der Gesetzgebung eigentlich eine Selbstverständlicheit. Der Text, den wir zu diesem Zweck formuliert haen, war relativ harmlos. Da Sie – vor allen Dingen auf ruck des BMI – nicht einmal wollten, dass dieser Text n unserem Beschluss enthalten ist, habe ich die Beürchtung, dass Sie, wenn es um die Einführung des lektronischen Personalausweises geht, hinter diesen ielen zurückbleiben. Wir werden sehr genau verfolgen, b dem wirklich so ist. Darüber hinaus fehlt uns eine gemeinsame Entschlieung zur Kontenabfrage. In der letzten Entschließung ar dieses Thema noch enthalten. Es ist schade, dass wir ns hier nicht einigen konnten. Das ist für den Datenchutz ein trauriges Kapitel. (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Völlig richtig!)


rsprünglich ging es einmal um Terrorbekämpfung.
etzt geht es darum, Steuerhinterziehung zu bekämpfen.
ir wurde erzählt – daran kann ich mich noch sehr ge-

au erinnern –, dass die jetzige Staatssekretärin im Bun-
esfinanzministerium, als es im Vermittlungsausschuss
m das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit ging,
esagt hat, dass die Abfrage der Kontenstammdaten ab
em Moment, in dem es eine Abgeltungsteuer gibt, ent-
ällt. Meine Damen und Herren, an dieses Versprechen
erden wir Sie immer wieder erinnern. Das ist das
chicksal, das viele Gesetze teilen: Sie werden für die
errorabwehr gemacht und treffen schließlich jeden. Das

st etwas, was wir als Datenschützer immer im Blick ha-
en müssen.

Es gibt beim Datenschutz noch viel zu tun. Wir wer-
en uns daran beteiligen; denn der Datenschutz ist die
emeinsame Aufgabe des Parlamentes.

Herzlichen Dank.






(A) )



(B) )


Gisela Piltz

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609125100

Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg Tauss von der

SPD-Fraktion.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609125200

Herr Präsident! Hochverehrte Kollegin Philipp, man

hat mir in unseren gemeinsamen Besprechungen immer
wieder signalisiert, es würde Sie eher irritieren, wenn ich
teilnähme. Dass Sie mich derart vermissen, hätte ich
nicht gedacht. Aber ich freue mich sehr darüber. Ich
werde das nächste Mal wieder verstärkt persönlich prä-
sent sein und nicht nur in Gestalt meines Mitarbeiters da-
ran mitwirken.

Dem lieben Kollegen Bürsch, der die Hauptarbeit ge-
macht hat, möchte ich dafür recht herzlich danken.


(Ralf Göbel [CDU/CSU]: Er ist ja Berichterstatter!)


– Er ist hier Berichterstatter, selbstverständlich.

Ich koordiniere für meine Fraktion die unterschiedli-
chen Bereiche des Datenschutzes, übrigens auch den Ge-
sundheitsdatenschutz. Wir haben viele Themen, an de-
nen wir gemeinsam arbeiten.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tauss redet, Bürsch handelt nicht!)


Frau Kollegin Piltz, Sie kritisieren, dass wir in der
letzten Legislaturperiode und auch bis jetzt kein Daten-
schutzauditgesetz vorgelegt haben. Kollegin Stokar
und ich waren darüber nicht sehr glücklich. Doch wir
haben den Reformprozess auf drei Teile ausgelegt – in
dieser Kontinuität stehen wir – und gesagt: Als Erstes
muss – das ist völlig klar – die Datenschutzrichtlinie
umgesetzt werden. Da haben wir bewusst reingeschrie-
ben – übrigens auch gegen manchen Widerstand –, dass
wir ein Datenschutzaudit wollen. Dann kam das Infor-
mationsfreiheitsgesetz. Wir haben uns damit Zeit gelas-
sen, und es ist ein gutes Gesetz, ein gründliches Gesetz
geworden.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja, ich hätte das schneller gekonnt!)


Die dritte Stufe kam dann nicht wegen der Bundestags-
wahl. Ich freue mich sehr, dass wir uns nach dem, was
die Kollegin Philipp hier vorgetragen hat, jetzt mit unse-
rem neuen Koalitionspartner diesem Projekt zuwenden
können.

Auch ich begrüße sehr, dass wir uns in 13 – nicht nur
in wichtigen – Bereichen des Datenschutzes auf eine ge-
meinsame Position einigen konnten. Kollegin Piltz, ich
hätte mir ebenfalls an anderer Stelle eine deutliche Posi-
tionierung gewünscht. Sagen wir einmal so: Wenn Herr
Westerwelle Rot-Gelb-Grün nicht verhindert hätte, hät-

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(C (D en wir in Fragen des Datenschutzes möglicherweise ine noch fortschrittlichere Situation im Lande. (Gisela Piltz [FDP]: Es gibt Farbenspiele, die mag ich mir gar nicht vorstellen!)


ber jetzt haben wir einen neuen, liebenswerten Koali-
ionspartner, mit dem wir uns auch bemühen, zu entspre-
henden Regelungen zu kommen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Koalitionskrise!)


Ach was, überhaupt nicht. Die sind ganz happy, mit
ns zusammenarbeiten zu dürfen. Die Kollegin Philipp
st ja ein lebender Beweis dafür. Was haben wir uns frü-
er nicht immer gekabbelt! Heute klatsche ich für Sie
chon als Erster, noch bevor ihre eigenen Fraktionskolle-
innen und -kollegen klatschen.

Also, ich bin zufrieden mit dieser Entschließung und
edanke mich bei allen, die an ihrer Erarbeitung beteiligt
aren.

Ich will für die SPD-Fraktion feststellen, dass Daten-
chutz für uns unabdingbarer Grundrechtsschutz ist. Er
st im Zeitalter der Informationsgesellschaft eine unver-
ichtbare Bedingung für das Funktionieren jeglichen de-
okratischen Gemeinwesens. Er ist kein lästiges An-

ängsel, er ist keine überflüssige Bürokratie, er ist
oraussetzung dafür, dass auch in der Informationsgesell-
chaft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
ein Grundrecht, wie uns das Bundesverfassungsgericht
n vielen Entscheidungen immer wieder ausdrücklich be-
tätigt hat; dafür sind wir an dieser Stelle außerordent-
ich dankbar – durchgesetzt werden kann.


(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])


Zu Recht hat Herr Schaar – Herr Schaar, ich freue
ich, dass Sie hier sind – die Gefährdungspotenziale

nd Risiken, über die wir uns unterhalten müssen, kon-
ret benannt: Die RFIDs, die Funkchips, die an verschie-
enen Stellen zum Einsatz kommen, bieten natürlich
eue Möglichkeiten zur Erstellung personenbezogener
erhaltens-, Nutzungs- oder gar Bewegungsprofile. Wir
önnen so etwas aber verhindern, wir können Technik
atenschutzrechtlich gestalten. Dafür brauchen wir aller-
ings gesellschaftspolitische Akzeptanz.

Das deutsche Datenschutzrecht – das hat auch die An-
örung vor einigen Wochen deutlich gemacht – hat Vor-
ildfunktion für viele Staaten der Welt. Aber es ist an
ielen Stellen in die Jahre gekommen: Wir kommen
aum hinterher, die technischen Entwicklungen gesetz-
eberisch aufzugreifen. Diese zunehmende Konvergenz
er Technik auch im Datenschutz muss uns herausfor-
ern. Wir müssen das Datenschutzrecht modernisieren
nd fortentwickeln und hierbei – da stimme ich Ihnen,
iebe Kollegin Philipp, völlig zu – zu unbürokratischen
nd effizienten Instrumenten kommen.

Ein solches modernes und effizientes Datenschutz-
echt ist ein wirtschaftlicher Standortvorteil. Es geht
ier nicht nur darum, dem Datenschutz gegenüber den
ürgerinnen und Bürgern als Grundrecht zum Durch-
ruch zu verhelfen, sondern es ist, wie gesagt, als Instru-






(A) )



(B) )


Jörg Tauss
ment auch ein Standortvorteil. Das ziert Deutschland
übrigens. Wir kritisieren ja oft, dass der Sicher-
heitsbegriff – Risikokapital und Ähnliches – bei uns et-
was desavouiert ist. Die Sicherheit, die bei uns auch kul-
turell verankert und ein Grundbedürfnis der Bevölke-
rung ist, können wir auch zu einem Wettbewerbsvorteil
machen, nämlich über die IT-Sicherheit als der anderen
Seite der Medaille des Datenschutzes. Diese Chance
sollten wir auch ökonomisch nutzen. Ein Instrument da-
für kann ein Datenschutzaudit sein, wie es in § 9 a des
Bundesdatenschutzgesetzes vorgesehen ist.

Herr Staatssekretär, wir haben kürzlich in einer Be-
sprechung eine erste Runde veranstaltet. Liebe Kollegin
Piltz, insofern kann ich Sie beruhigen: Wir sind nicht nur
untereinander im Gespräch.


(Gisela Piltz [FDP]: Sie können mich gar nicht beruhigen!)


– Ich kann Sie jederzeit beruhigen, überhaupt kein Pro-
blem; fühlen Sie sich völlig entspannt. – Wir haben diese
Frage in einer sehr entspannten Sitzung mit dem Herrn
Staatssekretär erörtert. In der Tat haben wir gesagt, dass
wir jetzt die Gespräche mit der Wirtschaft und den Wirt-
schaftsverbänden führen wollen, um auszuloten, wo de-
ren Interessen liegen.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Intelligenter Ansatz!)


Es ist völlig klar – ich kann es nur noch einmal
betonen –: Wir wollen ein auf dem Prinzip der Freiwil-
ligkeit beruhendes Datenschutzaudit. Sonst hätten wir ja
auch keinen Wettbewerbsvorteil. Es würde keinen Sinn
machen, wenn man das zu einer Zwangsmaßnahme ma-
chen würde. Wir wollen den Wettbewerb hier in den
Mittelpunkt stellen.

Dass es immer mehr Firmen gibt, die davon überzeugt
sind, zeigt das jüngste Beispiel, das mich sehr überrascht
hat. Ich habe hier oft genug auf Microsoft herumgehackt
und sogar einmal gesagt, der Deutsche Bundestag solle
eine Microsoft-freie Zone werden.


(Beifall bei der LINKEN)


– Sie verwenden auch nicht in jedem Bezirk die richtige
Software; das ist jetzt aber nicht mein Punkt. – Ich be-
grüße es ausdrücklich, dass sich die Firma Microsoft – um
einmal eine Firma zu nennen – diesem Auditierungsver-
fahren in Schleswig-Holstein unterzogen hat. Das ist eine
wirklich erfreuliche Entwicklung.


(Gisela Piltz [FDP]: Aber nicht das ganze Unternehmen dort!)


Wie gesagt: Das ist eine Chance für den Datenschutz
und für diese Fortentwicklung.

Lassen Sie mich dies als Forschungspolitiker sagen:
Es gibt natürlich auch noch eine Reihe anderer Punkte
beim technologischen und wissenschaftlichen Fort-
schritt, die wir betrachten müssen. Ich spreche jetzt die
molekulargenetische Forschung an, die ja auch im Be-
richt des Datenschutzbeauftragten eine wichtige Rolle
spielt. Hier gibt es Chancen, aber auch Möglichkeiten
des Missbrauchs und Risiken, gerade auch bei geneti-

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(C (D chen Untersuchungen für medizinische Zwecke im Vericherungsbereich und im Arbeitsleben, Frau Kollegin. Ich sage dies in aller Deutlichkeit: Ich war gegenüber inem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz immer skepisch. Ich habe mir immer gewünscht, dass der Datenchutz nicht immer mehr in Sonderbereiche zersplittert. arüber kann man aber in der Tat reden. Richtig ist al erdings die Feststellung, dass gerade genetische Unteruchungen für medizinische Zwecke zu erheblichen Prolemen führen können. Dieses Thema sollte uns eschäftigen. Wenn wir hier die Gemeinsamkeit so finen wie in dem anderen Bereich auch, finde ich das gut. Die biometrischen Verfahren sind angesprochen woren. Ich sage in aller Deutlichkeit, dass die Biometrie ür mich keine Sache von Übel ist. Sie ist für mich aber uch nicht so, wie das gelegentlich dargestellt wird: enn wir die Biometrie in allen möglichen Ausweisen aben, bricht ein – was weiß ich – sicherheitspolitisches aradies aus. Damit können auch erhebliche Probleme erbunden sein. Spätestens dann, wenn es um den Persoalausweis geht – ich glaube, auch beim Pass –, werden ir darüber natürlich nochmals reden müssen. Die Bioetrie muss Sinn machen und natürlich muss dabei wie bei anderen Dingen auch – der informationellen elbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger Rechung getragen werden. Das gilt übrigens auch für die Vorratsdatenspeicheung, der wir uns im Bundestag bereits mit einem Anrag zugewandt haben. Ich nehme das, was die Datenchutzbeauftragten hier vorgetragen haben, sehr ernst. s kommt natürlich darauf an, dass wir uns auch für dieen Bereich überlegen, wo möglicherweise ein zusätzlihes Risiko für den Datenschutz entstehen kann, dem ein Gewinn an innerer Sicherheit auch nur annähernd ntgegensteht. Wir als SPD-Bundestagsfraktion stellen uns selbsterständlich der Verantwortung für eine wirkungsvolle riminalitätsbekämpfung. Das ist überhaupt gar keine rage. Gerade auch hier im parlamentarischen Verfahren uss es aber zu einem sachgerechten Interessenaus leich zwischen den Freiheitsrechten der Bürgerinnen nd Bürger und dem Interesse an einer effektiven Straferfolgung kommen. Datenschutz ist kein Thema, das unter ferner liefen zu ehandeln ist. Er ist ein Bürgerrecht und stellt einen tandortvorteil dar. Insofern sage ich denjenigen herzlihen Dank, die am Datenschutzbericht und an der Entchließung dazu mitgewirkt haben. Ich bin sicher, dass emeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten auch von iesem Parlament weitere Impulse für den Datenschutz n Deutschland ausgehen werden, Herr Schaar. Wenn dies fraktionsübergreifend und mit der Zustimung der Kollegin Philipp, über die ich mich immer reue, erfolgt, dann werden wir auch für die Bürgerechte in diesem Bereich etwas bewirken. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609125300

Das Wort hat jetzt der Kollege Jan Korte von der

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609125400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auch wir von der Linksfraktion danken Peter Schaar und
seinem Team für den vorgelegten Bericht.

Problematisch ist, dass unsere Diskussion zwei Jahre
zu spät kommt. Denn wenn wir zum Beispiel die Auslas-
sungen im Datenschutzbericht zum Thema Antiterrorda-
tei und Trennung von Polizei und Geheimdiensten
ausführlich gelesen und bestenfalls logische Schlussfol-
gerungen gezogen hätten, dann hätten wir das Anti-Ter-
ror-Datei-Gesetz nicht in der geltenden Fassung verab-
schiedet. Das muss in Zukunft schneller gehen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Umso erfreulicher ist – darin schließe ich mich dem
Dank und dem Lob an –, dass wir es geschafft haben,
heute mit allen Fraktionen gemeinsam eine Entschlie-
ßung einzubringen, in der – das freut gerade die Links-
fraktion – an vorderer Stelle der Arbeitnehmerdaten-
schutz eingefordert wird. Das ist gut und bedeutet vor
allem die politische Unterstützung der Arbeit des Daten-
schutzbeauftragten. Deshalb hält es meine Fraktion für
sinnvoll, diese Entschließung mitzutragen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Spätestens seit dem Volkszählungsurteil ist das infor-
mationelle Selbstbestimmungsrecht ein Grundrecht,
auf das sich der Datenschutzbeauftragte und viele an-
dere, auch zivilgesellschaftliche, Organisationen in die-
sem Bereich berufen.

Wir müssen uns in der heutigen Debatte auch fragen,
in welcher gesellschaftspolitischen Situation wir über das
Thema diskutieren. Wir haben fast wöchentlich darüber
debattiert und können konstatieren, dass es offenbar einen
wachsenden Datenhunger von Staat und Wirtschaft gibt.
Ich nenne nur die Stichworte Onlinedurchsuchungen, An-
titerrordatei und Vorratsdatenspeicherung. Der Daten-
schutz muss intensiver diskutiert werden. Er muss das
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ver-
teidigen und schützen.

Lassen Sie mich mit einem konkreten Beispiel verdeut-
lichen, was ich mit gesellschaftspolitischer Dimension
meine. In Stade – auch dazu finden Sie im Tätigkeitsbericht
des Datenschutzbeauftragten einiges – überwachen mitt-
lerweile mehr als 300 Videokameras zwei Straßenzüge
und filmen mittlerweile bis in die Wohnzimmer hinein.
Das hat auch etwas mit der Alltagsarbeit von Datenschüt-
zern zu tun. Denn das hat auch Folgen für die Demokratie.
Wo Menschen ständig flächendeckend überwacht werden
– sei es mit Videokameras oder Onlinedurchsuchungen,
was auch immer –, sind sie nicht mehr souverän und kön-

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(C (D en nicht mehr souverän entscheiden. Das gefährdet die ubstanz der Demokratie. Deswegen ist das ein wichtiges hema. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Jörg Tauss [SPD]: Vor allem gehen die Kriminellen woanders hin!)


Dass die Kriminellen woanders hingehen – wie man in
roßbritannien studieren kann –, kommt noch hinzu.

Viele Formulierungen in der Entschließung sind rela-
iv vage gehalten. Dabei hat das BMI sehr großen Ein-
luss genommen; zwar nicht unbedingt zu ihrem Vorteil,
ber das ist nicht zu ändern. Trotzdem haben wir damit
ine tragfähige Basis.

Die Union hätte es vielleicht in der Tradition des
erz’schen Steuerkonzepts lieber gesehen, das Vorha-

en auf Bierdeckelgröße einzudampfen. Aber wir haben
ut gestritten, und dabei ist ein guter Kompromiss he-
ausgekommen. Trotzdem glaube ich, dass wir uns zur-
eit in der gesellschaftlichen Situation befinden, dass der
llwissende Staat langsam, aber sicher zur Realität wird
nd dass es ein völlig unhaltbares Sicherheitsverspre-
hen vonseiten der Bundesregierung und des Innenmi-
isteriums gibt, das nicht zu rechtfertigen und im Übri-
en auch nicht haltbar ist.

Bei allen von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen gibt
s Begehrlichkeiten, die sich eben nicht nur gegen Terro-
ismus oder organisierte Kriminalität richten. Kulturpoli-
iker der Union wollen mit der Vorratsdatenspeicherung
eenager beim Musik-Download stellen. Mautdaten sol-

en für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zweck-
ntfremdet werden. Mit der Bankkontenauskunft werden
icht etwa mafiöse Strukturen bekämpft, wie sie zum Bei-
piel derzeit bei Siemens sichtbar werden; vielmehr soll
amit Studenten nachspioniert werden, die vielleicht
7 Euro BAföG zu viel kassiert haben. Das ist der falsche
eg, und es macht die gesellschaftspolitische Dimension

eutlich.

Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung. Der Daten-
chutz hat auch eine soziale Dimension.

Denn wer von morgens bis abends damit beschäftigt
st, über die Runden zu kommen, ist nicht mündig und
ouverän, ein Recht wie auf Datenschutz und informa-
ionelle Selbstbestimmtheit in Anspruch zu nehmen.
eswegen hat das Thema Datenschutz auch eine soziale
omponente. Wir wollen mündige Bürger, die einen

ufrechten Gang gehen.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609125500

Das Wort hat jetzt der fraktionslose Kollege Gert
inkelmeier.






(A) )



(B) )


Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609125600

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es

ist erfreulich, dass sich die Fraktionen zumindest in eini-
gen Punkten auf gemeinsame Forderungen zum Daten-
schutz verständigen konnten.


(Jörg Tauss [SPD]: 13!)


Aber selbstverständlich kommt sofort die Frage auf,
in welchen Punkten die Differenzen zu finden sind. Wir
haben hier in den letzten Monaten sehr oft über Themen
im Datenschutz gestritten. Da ließen sich mehr Unter-
schiede als Gemeinsamkeiten entdecken.

Ich erinnere an die Debatte zur Antiterrordatei, von
der immer noch viele meinen, dass sie verfassungswid-
rig ist. Vermutlich wird es dem Gesetz zur zentralen
Antiterrordatei genauso ergehen wie dem Gesetz zum
großen Lauschangriff und dem Luftsicherheitsgesetz.

Ich erinnere auch an die Debatte zu den biometri-
schen Reisepässen. Obwohl Sicherheitsexperten, Com-
puterfreaks und Bürgerrechtler schon im Vorfeld auf er-
hebliche Risiken hingewiesen hatten, wurden die ersten
Pässe im November 2005 ausgegeben. Die Warnung des
obersten Datenschützers dieses Landes, Peter Schaar,
der mahnte, Sorgfalt müsse vor Schnelligkeit gehen,
wurde nicht gehört. Nun haben sich die RFID-Chips in
den Pässen als keineswegs sicher erwiesen. Jetzt muss
dieser Schnellschussschaden im Nachhinein behoben
werden.

Um noch ein wenig bei der Biometrie zu bleiben: Im
Mainzer Hauptbahnhof wurde im Herbst letzten Jahres
ein Pilotprojekt zur Erprobung biometrischer Gesichts-
erkennung gestartet. Das sogenannte Mainzer Modell
ist noch ein Testversuch. Sollte es gelingen, dann werden
bald alle Personen, die sich in der Öffentlichkeit aufhal-
ten, vollständig kontrolliert werden können. Dabei ist die
Debatte über die Beschränkung von Biometrieeinsätzen
noch nicht einmal ansatzweise geführt.


(Jörg Tauss [SPD]: Wir haben hierzu sogar eine Technikfolgenabschätzung durchgeführt!)


– Noch nicht einmal ansatzweise in der Öffentlich-
keit, Herr Tauss.

Vor kurzem ging es im Bundestag um die Weitergabe
von Fluggastdaten. Morgen reden wir über die Telekom-
munikationsüberwachung, und im Dezember haben wir
über die Onlinedurchsuchungen debattiert. Zwar hat der
Bundesgerichtshof inzwischen entschieden, dass diese
mit der Strafprozessordnung nicht vereinbar sind.


(Jörg Tauss [SPD]: Gute Entscheidung!)


Aber der Bundesinnenminister bastelt bereits halböf-
fentlich an einer gesetzlichen Grundlage für seine Bun-
destrojaner.

Die Aufzählung der datenschutzrelevanten Debatten
im Bundestag offenbart die stetig steigende staatliche
Datensammelwut. Der Drang zur Rundumbespitzelung
ist spürbar. Nur leider werden die Rufer in der Wüste
– wie es der Datenschutzbeauftragte der Bundesregie-
rung ist – viel zu selten gehört.

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(C (D Eigentlich hatte das Bundesverfassungsgericht in seiem Volkszählungsurteil von 1983 die systematische, aschinell gestützte Durchleuchtung der Bevölkerung erboten. Nur will sich daran seit dem 11. Septemer 2001 niemand mehr so recht erinnern. Im seither errschenden Sicherheitswahn bleiben die Bürgerrechte unehmend auf der Strecke. Auch deshalb möchte ich och einmal an das erinnern, was Peter Schaar in einem nterview mit der „Berliner Zeitung“ im vergangenen ahr prophezeite: Ich erkenne zwar keine bewusste Planung zur Einführung eines Überwachungsstaates. … Wir sind aber auf dem Weg in eine Überwachungsgesellschaft. nd genau dies gilt es zu verhindern. Vielen Dank. Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt at jetzt die Kollegin Silke Stokar von Neuforn von der raktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609125700

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist

chön, dass sich alle Fraktionen erneut auf eine gemein-
ame Entschließung zum Datenschutzbericht verständigt
aben. Das ist gute Tradition des Parlaments. Ich be-
anke mich bei allen, die daran mitgewirkt haben. Mein
esonderer Dank geht an Peter Schaar und sein Haus.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und der LINKEN)


Ich finde es allerdings weniger erfreulich, dass die ge-
einsame Entschließung zum letzten Datenschutzbe-

icht, die wir mit einstimmigem Votum des Parlaments
erabschiedet haben, nahezu folgenlos blieb. Es wäre
ut, wenn die Bundesregierung nicht nur auf ihrer Bank
äße und mitschriebe, sondern im Parlament einmal
eutlich machte, warum einstimmig gefasste Beschlüsse
issachtet werden. Ich mache mir die Arbeit mit dem
atenschutz doch nicht umsonst. Wir haben uns nach
ochenlangen und intensiven Diskussionen auf Punkte
erständigt. Wir gehen davon aus, dass das, was wir an
ie Bundesregierung weitergeben, von ihr nicht nur ab-
eheftet wird.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehen Sie, der Staatssekretär nickt begeistert!)


Wir müssen uns allerdings ein Stück weit an die ei-
ene Nase fassen. Wir, das Parlament, sind schließlich
er Gesetzgeber. Wir haben oft genug die Erfahrung ge-
acht, dass jede Regierung ein Hemmnis für die Moder-

isierung des Datenschutzrechtes ist. Warum handeln
ir nicht? Die Antwort auf den passiven Widerstand der






(A) )



(B) )


Silke Stokar von Neuforn
Regierung kann doch nur das aktive Handeln des Parla-
mentes sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben erfolgreich das Informationsfreiheitsgesetz
gegen alle Widerstände aus den Ministerien auf den Weg
gebracht. Lassen Sie uns jetzt gemeinsam einen vernünf-
tigen Entwurf eines Datenschutzauditgesetzes erarbeiten
und nicht länger darauf warten, dass irgendwann einmal
ein Gesetzentwurf aus dem BMI kommt. Ich warte da-
rauf bereits seit drei Jahren. Es ist genug Zeit vergangen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Bürsch [SPD]: So wenig?)


Wir müssen allerdings erkennen, dass der Grund-
rechtsschutz im Parlament nicht immer in guten Händen
ist. Wir haben in den vergangenen Jahren die Erfahrung
gemacht, dass es das Bundesverfassungsgericht ist, das
den Datenhunger der Innenministerien immer wieder
stoppt und die Grenzen setzt, die erforderlich sind, um
den Kernbereich des Privaten zu schützen. Die Bürgerin-
nen und Bürger haben jedenfalls das Vertrauen verloren
und glauben nicht, dass die Vorratsdatenspeicherung
im Parlament gestoppt wird. 10 000 Bürgerinnen und
Bürger bereiten eine Sammelklage vor. Ich habe mich
dieser Sammelklage angeschlossen und rufe dazu auf, an
der Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung
am 14. April in Frankfurt teilzunehmen. Wir haben hier
eine letzte Chance, deutlich zu machen, dass der Grund-
rechtsschutz vom Parlament ernst genommen wird. Wir
sind diejenigen, die verhindern können, dass die Online-
durchsuchung, das Eindringen des Staates in unsere pri-
vaten Computer, das illegale Handeln der Geheimdienste
heutzutage, im Nachhinein eine gesetzliche Grundlage
findet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Wir haben uns im Sicherheitsbereich nicht einigen
können. Mir geht die von Bundesinnenminister Schäuble
vorgestellte Antiterrordatei zu weit. Wir, die Grünen,
wollen verhindern, dass sich die Bürgerinnen und Bürger
daran gewöhnen, an allen möglichen Stellen ihren Fin-
gerabdruck zu geben. Wir lehnen den Fingerabdruck
als weiteres biometrisches Merkmal in Pass und Aus-
weis ab. Wir wollen zudem nicht, dass ein hoheitliches
Ausweisdokument privatwirtschaftlich genutzt wird. Die
Karte für alles ist in datenschutzrechtlicher Hinsicht
nicht vertretbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich gemacht,
dass nicht alles, was technisch möglich ist, zur Video-
überwachung eingesetzt werden darf. Die Videoüber-
wachung darf im öffentlichen Raum nur zielgerichtet
eingesetzt werden. Wir, die Grünen, bekennen uns dazu.
Der Datenschutz setzt der inneren Sicherheit Grenzen.
Es ist Aufgabe des Parlamentes, diese verfassungsrecht-
lichen Grenzen bei der Gesetzgebung zu beachten. Es
dürfen nicht ständig Gesetze, die mit großer Mehrheit
verabschiedet werden, anschließend vom Bundesverfas-

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(C (D ungsgericht kassiert werden. Irgendwann sollten wir araus die Konsequenzen ziehen. Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609125800
Unsere Aufgabe sind die Wahrung des Grundrechts-

chutzes und die Achtung der Verfassung bei der Gesetz-
ebung.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609125900

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Innenausschusses zu dem Tätigkeits-
ericht 2003 und 2004 des Bundesbeauftragten für den
atenschutz. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Be-

chlussempfehlung auf Drucksache 16/4882, in Kennt-
is des genannten Berichts auf Drucksache 15/5252 eine
ntschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-
chlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
ie Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja
Kipping, Kornelia Möller, Dr. Barbara Höll, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Innovative Arbeitsförderung ermöglichen –
Projektförderung nach § 10 SGB III zulassen

– Drucksache 16/3889 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion der Linken fünf Minuten erhalten soll. Gibt es
iderspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
erin das Wort der Kollegin Katja Kipping von der Frak-
ion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609126000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Arbeitslo-

igkeit wider Willen ist für alle, die davon betroffen sind,
in enormes Problem. Schon deswegen sind wir in der
flicht, alles Sinnvolle zu unternehmen, um Arbeitslo-
igkeit wider Willen abzubauen. Dazu gibt es nicht die
ine Maßnahme, die das Problem in Gänze löst. Es
edarf vielmehr eines breiten Mixes verschiedener Maß-
ahmen. Das geht von Arbeitszeitverkürzung über öf-
entliche Beschäftigung bis hin zu innovativen regiona-
en Projekten.






(A) )



(B) )


Katja Kipping
Ein solches Projekt hat es in Sachsen gegeben; die
Rede ist von „Teilzeit plus“. „Teilzeit plus“ funktio-
nierte wie folgt: Drohten einem Handwerksunternehmen
wegen schlechter Auftragslage entweder Insolvenz oder
Entlassungen, so konnte es die Teilnahme an „Teilzeit
plus“ vereinbaren. Die Mitarbeiter gingen auf Teilzeit,
bekamen aber trotzdem weiterhin 80 Prozent des Loh-
nes. Das Unternehmen zahlte davon bloß 50 Prozent, die
Differenz wurde von der Bundesagentur übernommen.
In der freigestellten Zeit wurde sinnvolle, gesellschaft-
lich notwendige Arbeit bei gemeinnützigen Vereinen ge-
leistet.

Nach zwei Jahren „Teilzeit plus“ wurde eine klare Bi-
lanz gezogen: Dieses Projekt kennt nur Gewinner. Die
Handwerksunternehmen waren froh, dass sie, wenn sie
in eine schwierige Lage gerieten, ihre Leute nicht entlas-
sen mussten. Die Vereine profitierten davon, dass sie
wirklich kompetente Leute bekamen. Den Mitarbeitern
selber blieb die Arbeitslosigkeit erspart, und sie haben
bei den Vereinen interessante Kontakte knüpfen können,
die sie später – etwa nach dem Eintritt in die Rente –
fortführen könnten. Die Bundesagentur zahlte den Zu-
schuss; aber dieser Zuschuss war für sie allemal preis-
werter, als es die Finanzierung von Arbeitslosigkeit ge-
wesen wäre.

Als ich zum ersten Mal von diesem Projekt hörte,
wollte ich selbst nicht so recht glauben, dass es wirklich
ein Projekt gibt, aus dem alle Beteiligten als Gewinner
hervorgehen. Deswegen habe ich gemeinsam mit der
Kreishandwerkerschaft, mit den Vereinen und mit der
sächsischen Bundesagentur für Arbeit einen internen
Workshop durchgeführt. Ich war erstaunt: Die breite Zu-
stimmung – gerade auch von den beteiligten Handwerks-
unternehmen – war überwältigend. Selbst die sächsische
Bundesagentur hat unterstrichen, dass sie dieses Projekt
sehr gerne gefördert hat.

Mich hat vor allem nachdenklich gestimmt, dass meh-
rere Handwerksunternehmen Mitarbeiter entlassen
mussten, nachdem dieses Projekt eingestellt werden
musste; denn leider hat es 2003 eine interne Entschei-
dung der Bundesagentur für Arbeit gegeben, von nun an
nur noch Einzelpersonen zu fördern und die Projektför-
derung zukünftig zu unterlassen. Das muss man sich ein-
mal vorstellen: Ein Projekt, das von allen Beteiligten als
Gewinn angesehen wird und für das sogar das nötige
Geld vorhanden war, muss wegen bürokratischer Prinzi-
pienreiterei eingestellt werden. Ich finde, das ist ein
Skandal.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Besonders bedauerlich finde ich, dass die Bundesre-
gierung das bisherige Vorgehen der Bundesagentur teilt.
Herr Andres, ich habe in einer Kleinen Anfrage nachge-
fragt, und Sie haben sich in Ihrer Antwort die bisherige
Position der Bundesagentur zu eigen gemacht. Sie sagen,
der regionale Förderbedarf werde mit den bestehenden
Instrumenten befriedigt und sei abgedeckt. Ich persön-
lich habe da einen anderen Eindruck gewinnen können.
Zum Beispiel für Sachsen weiß ich sehr genau, dass in-
novative Projekte wie „Teilzeit plus“ das bestehende In-

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(C (D trumentarium wirksam ergänzen würden. Vor allen Dinen würden Projekte wie „Teilzeit plus“ so manche rohende Arbeitslosigkeit verhindern und abwenden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Der § 10 Abs. 3 des SGB III, der Projektförderung er-
öglicht, besteht noch. Wir brauchten also noch nicht

inmal eine Gesetzesänderung, um Projektförderung
ieder möglich zu machen. Das Einzige, was wir
rauchten, ist, dass eine unternehmensinterne Entschei-
ung der Bundesagentur für Arbeit revidiert und richtig-
estellt wird. Wir, die Linke, meinen, es kann nicht Auf-
abe der Bundesregierung und der Bundesagentur für
rbeit sein, dass man innovative Projekte, die Arbeitslo-

igkeit verhindern, behindert. Im Gegenteil: Sie müssen
olche Projekte unterstützen. Deswegen fordern wir Sie,
eine Damen und Herren von der Bundesregierung, auf:
ehmen Sie Ihren Einfluss auf die Bundesagentur für
rbeit wahr, und lassen Sie die Förderung von solchen

nnovativen Arbeitsmarktprojekten wie „Teilzeit plus“,
ie von allen Beteiligten als Gewinn wahrgenommen
erden, wieder zu!

Besten Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609126100

Das Wort hat jetzt der Kollege Peter Rauen von der

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1609126200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Frau Kipping hat eben das Projekt einer klassi-
chen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beschrieben, das
n den Jahren 2002 bis 2004 in Dresden durchgeführt
urde. Solche Maßnahmen bezahlt die Bundesagentur

ür Arbeit heute Gott sei Dank nicht mehr. Wie richtig
as ist, beweist Ihre eigene Begründung in Ihrem An-
rag. Es heißt da – ich darf zitieren –:

Mit diesem Projekt wurden zwar keine neuen Ar-
beitsplätze geschaffen, aber immerhin die Beschäf-
tigten in Handwerksbetrieben vor dem Schicksal
der Arbeitslosigkeit bewahrt.

as wir brauchen, sind neue Arbeitsplätze und keine
innlosen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, für die das
eld der Beitragszahler verpulvert wird.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Rauen, was reden Sie da?)


Ich empfehle Ihnen, Frau Kipping, den Arbeits-
arktreport des Bezirks Dresden von heute durchzu-

esen. Dort heißt es:

Die Nachfrage nach Arbeitskräften bewegte sich
weiterhin auf hohem Niveau. So wurden den Mitar-
beitern des gemeinsamen Arbeitgeber-Services der
Agentur für Arbeit Dresden und der ARGE Dres-
den im Berichtsmonat 1.183 Arbeitsstellen zur






(A) )



(B) )


Peter Rauen
Besetzung auf dem 1. Arbeitsmarkt gemeldet …
Von Januar bis März dieses Jahres gab es 762 Stel-
lenmeldungen mehr als im gleichen Zeitraum des
Jahres 2006.

Jetzt kommt es: Genau über diejenigen, die damals in
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen waren, steht hier:

Eine besonders starke Nachfrage nach Arbeitskräf-
ten war vor allem aus dem verarbeitenden Ge-
werbe, dem Baugewerbe, dem Gastgewerbe und
den unternehmensnahen Dienstleistungen festzu-
stellen.

Wenn man sich dies vor Augen hält, dann ist eines
festzustellen: Am Arbeitsmarkt ist eine wichtige Trend-
wende erfolgt. Wir haben im März dieses Jahres – ges-
tern wurde es gemeldet – 870 000 Arbeitslose weniger
als im Vorjahresmonat. Viel wichtiger aber ist aus mei-
ner Sicht die Entwicklung bei den sozialversicherungs-
pflichtig Beschäftigten. Ich habe das einmal in einer
Grafik dargestellt. Wir hatten von September 2000 bis
einschließlich März 2006, also über 65 Monate, im Ver-
gleich zum jeweiligen Vorjahresmonat einen Rückgang
der Zahl der ordentlich Beschäftigten. Insgesamt waren
es 1,8 Millionen in diesen 65 Monaten. Wir haben im
zurückliegenden Jahr, zum ersten Mal im April begin-
nend, einen ständigen Aufwuchs bei den sozialversiche-
rungspflichtig Beschäftigten, zuletzt im Januar – die
Meldung kommt immer zwei Monate später als die der
Arbeitslosenzahlen – ein Plus von 624 000.


(Beifall bei der CDU/CSU – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie uns damit sagen? Brauchen wir keine aktive Beschäftigungspolitik mehr?)


Das ist das, was wir brauchen. Wenn wir weiterhin
mehr ordentliche Beschäftigungsverhältnisse in Deutsch-
land haben wollen, kommen wir an einer Voraussetzung
nicht vorbei: Die Senkung der Lohnzusatzkosten muss
weitergehen. Sie ist ohne Alternative. Arbeit muss wieder
bezahlbar werden, und die Menschen, die arbeiten, müs-
sen netto wieder mehr in der Tasche haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Antrag der Linken aber zielt genau in die entge-
gengesetzte Richtung. Vordergründig suggeriert er einen
Weg zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Anhand der Umver-
teilung von Beitragsgeldern aus der Arbeitslosenversi-
cherung sollen Arbeitsplätze flächendeckend subventio-
niert werden. Wege zur Schaffung von Arbeitsplätzen
aufzuzeigen, sieht der Antrag allerdings nicht vor. So
wird das Dresdener Vorzeigeprojekt der Linken bloßge-
stellt.

Der Antrag der Linken fordert die Bundesregierung
vielmehr auf, die Bundesagentur für Arbeit zu einer Än-
derung ihrer Geschäftspolitik zu bewegen. Dabei handelt
es sich im Übrigen um eine Geschäftspolitik, die allein
mit Blick auf die Bilanzen und Vermittlungsquoten nur
als äußerst erfolgreich bezeichnet werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D ie einzelnen Agenturen haben in kurzer Zeit erreicht, rbeitslose schneller wieder in Beschäftigung zu bringen. eispielsweise lag die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld 004 im Durchschnitt bei 167 Tagen; im Jahr 2006 waren s im Durchschnitt nur noch 153 Tage. Herr Kollege Rauen, erlauben Sie eine Zwischenfrage er Kollegin Kipping? Ja, bitte schön. Sehr geehrter Kollege, Sie haben die in Dresden und nderenorts durchgeführten Projekte als „Arbeitsbechaffungsmaßnahme“ diffamiert. Vielleicht liegt dies aran, dass Ihre ideologischen Scheuklappen Sie daran ehindert haben, sich mit diesem Projekt zu beschäftien. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Mit Ideologie kennen Sie sich ja aus! – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das sagt die Richtige!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609126300
Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1609126400
Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609126500

ie erklären Sie sich, dass bei einer anonymisierten
uswertung 100 Prozent der beteiligten Unternehmer
sie stehen, was das Parteibuch angeht, Ihrer Partei
ahrscheinlich näher als meiner – dieses Projekt als po-

itiv bis sehr positiv bewertet haben?


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1609126600

Frau Kipping, wir reden über ein Projekt, das 2002

is 2004 stattgefunden hat. Ich habe eben deutlich ge-
acht, dass die Zahl der Beschäftigten in diesem Zeit-

aum kontinuierlich – von Monat zu Monat – zurückge-
angen ist. Diesen Weg können wir nicht fortsetzen. Das
aren Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Arbeitsbe-
irtschaftung, was überhaupt nicht weiterführt. Deshalb
abe ich aus dem aktuellen Arbeitsmarktreport des Be-
irks Dresden zitiert. Daraus geht hervor, wie die Wirt-
chaft in ein und derselben Stadt wieder prosperiert. Die
achfrage des ersten Arbeitsmarkts nach Arbeitskräften

st gestiegen. Nur wenn diese Nachfrage größer wird, be-
teht die Möglichkeit, aus dem arbeitsmarktpolitischen
ilemma herauszukommen. Das ewiggestrige Bewirt-

chaften von Arbeit macht keinen Sinn.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609126700

Erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage der Kolle-

in Kipping?


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1609126800

Ja, bitte schön.


Katja Kipping (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609126900

Besten Dank, Herr Kollege. – Das Resümee Ihrer Ar-

umentation wäre, sich klar gegen öffentliche Beschäfti-
ung auszusprechen. Wie ist Ihr eindeutiges Plädoyer ge-






(A) )



(B) )


Katja Kipping
gen öffentliche Beschäftigung vereinbar mit dem – auch
aus den Reihen Ihrer Fraktion – immer wiederholten Lob
für Projekte wie die in Bad Schmiedeberg?


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1609127000

Frau Kipping, Sie haben doch mitbekommen, dass

wir die individuelle Förderung vorangetrieben haben,
und zwar mit großem Erfolg.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie haben sich gerade gegen öffentliche Beschäftigung ausgesprochen!)


Für Beschäftigung können Unternehmer sorgen und
nicht der Staat. Sämtliche Arbeitsplätze, die am Tropf
des Staates hängen, sind unsicher. Sie werden irgend-
wann nicht mehr da sein. Es wird so getan, als seien sie
wirtschaftlich. Es handelt sich aber um eine reine Ar-
beitsbewirtschaftung, die nicht zielführend ist. Einer der
größten Irrglauben der letzten Zeit war es, zu glauben,
die Arbeitslosigkeit mit immer mehr Arbeitsbewirtschaf-
tung abbauen zu können. Dieser Irrglaube ist einfach
nicht zielführend. Auch wenn Sie diesem Irrglauben
noch anhängen, ist er für uns nicht zukunftsweisend.


(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Kipping [DIE LINKE]: Wir werden Sie zitieren!)


Durch die Hintertür der Projektförderung im Rahmen
der freien Förderung nach § 10 SGB III – ich wieder-
hole, was Sie eben gesagt haben – soll nach Auffassung
der Linken die Arbeitslosigkeit auf regionaler Ebene be-
kämpft werden. Im Jahr 2003 hat die Bundesagentur für
Arbeit jedoch die Möglichkeit zu ebendieser Projektför-
derung ausgesetzt. Nach Auskunft der Bundesagentur
erfolgte die Aussetzung der freien Förderung vor dem
Hintergrund, dass im Rahmen der Maßnahmen Hartz I
bis Hartz III bereits zahlreiche neue Förderinstrumente
in das SGB III eingeführt wurden, die zuvor im Rahmen
der freien Förderung finanziert worden waren, zum Bei-
spiel Eingliederungszuschüsse und die Förderung älterer
Arbeitnehmer.

Darüber hinaus ist die Projektförderung mit Blick auf
die zu erstellenden Förder- und Finanzpläne sowie die
Verwendungsnachweisprüfung sehr komplex. Zudem
hat es in der Vergangenheit durch die interne Revision
der BA und durch den Bundesrechnungshof massive Be-
anstandungen bei der freien Förderung gegeben.

Ich möchte es noch einmal betonen: Die Bundesagen-
tur für Arbeit hat richtig und sinnvoll gehandelt. Sie hat
durch die Aussetzung der Projektförderung dem Miss-
brauch bei Eingliederungsgeldern einen Riegel vorge-
schoben. Zum einen sind diese Eingliederungsmittel vor
allen Dingen für die Individualförderung vorgesehen.
Das heißt, persönliche Hemmnisse, die einer beruflichen
Eingliederung im Weg stehen, also ganz individueller
Art sind, dürfen auch mit unkonventionellen Mitteln be-
seitigt werden. Zum anderen sieht der § 10 SGB III in al-
ler Deutlichkeit vor:

Bei Leistungen an Arbeitgeber ist darauf zu achten,
Wettbewerbsverfälschungen



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(C (D also Belastungen des ersten Arbeitsmarkts – zu vermeiden. Die BA hat vor allem deswegen absolut richtig geandelt, weil sie verhindert hat, dass die Mitgliedsbeiräge der einzelnen sozialversicherungspflichtig Bechäftigten für eine dauerhafte und zugleich unsinnige irtschaftsförderung missbraucht werden. Wir wissen s aus leidvoller Erfahrung: Arbeitsplätze, die am Tropf remder Gelder hängen, sind weder sicher noch daueraft. Sie gaukeln Wirtschaft lediglich vor; eine solche irtschaft existiert aber nicht. Sie sind vor allem eines: ie sind nicht finanzierbar. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Jetzt finanziert die sächsische BA die Arbeitslosigkeit!)


Um eine erhöhte Kaufkraft der Arbeitnehmer zu er-
eichen, ohne dabei Arbeitsplätze zu gefährden, müssen
uerst die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Genau
afür hat die Bundesagentur für Arbeit gesorgt, indem
ie mit den anvertrauten Beiträgen sparsam umgegangen
st und durch den erwirtschafteten Überschuss die Sen-
ung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenversicherung
m 2,3 Prozentpunkte ermöglichte. Schließlich bringt
Prozent Beitragssatzsenkung beim lohnsteuerzahlen-

en Arbeitnehmer genauso viel an Kaufkraftzuwachs
ie eine 3-prozentige Lohnerhöhung.


(Zustimmung der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])


Da durch den Anstieg der Zahl der Beschäftigten of-
enbar weitere Überschüsse bei der Bundesagentur für
rbeit auflaufen, müssen diese ausschließlich zur weite-

en Beitragssatzsenkung verwandt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


lles andere wäre für den sich erholenden Arbeitsmarkt
ontraproduktiv.

Schauen wir auf die aktuellen Zahlen des Arbeits-
arkts, so stellen wir fest: Es gibt wenig Grund zum Un-
ut. Wir haben bei Umfragen in letzter Zeit gehört, dass

0 Prozent der Firmen ihre Lage positiv beurteilen und
ass über 45 Prozent, vor allen Dingen im Mittelstand,
aran denken, wieder neu einzustellen.

Nutzen wir jetzt also die geradezu historische Chance
es derzeitigen Aufschwungs, um zuerst die Lohnneben-
osten zu reduzieren, anstatt durch erneute Arbeits-
arktprogramme den noch zarten Aufschwung am Ar-

eitsmarkt wieder zu ersticken!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist durchaus möglich, glaube ich, dass in absehba-
er Zeit die Zahl der ordentlich Beschäftigten monatlich
tärker zunimmt, als die Arbeitslosigkeit abnimmt.
enn wir das erreicht haben, haben wir einen wichtigen
urchbruch auf dem Arbeitsmarkt erzielt. Ich halte ihn

ür möglich – aber nicht mit den Konzepten von gestern,
ondern mit den modernen Konzepten der heutigen Ko-
litionsregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )


)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609127100

Das Wort hat jetzt der Kollege Heinz-Peter Haustein

von der FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Heinz-Peter Haustein (FDP):
Rede ID: ID1609127200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Der Antrag der Linken, um den es hier geht, ent-
hält viele schöne Formulierungen.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das war schon alles!)


Da ist die Rede von innovativen, von regional veranker-
ten und von dezentralen Ansätzen. Das alles sind Voka-
beln, die einem Liberalen wie mir gefallen.

Auch der Gedanke der Projektförderung nach § 10
SGB III ist richtig. Die Vorstellung, dass Erwerbslose
oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte in Zusammenarbeit
mit dem staatlichen Träger Projekte entwickeln, ent-
spricht der meinen. Es ist richtig, den Menschen die
Möglichkeit an die Hand zu geben, sich eigenverant-
wortlich und unter Bezug auf die lokalen Verhältnisse ih-
rer Situation anzunehmen.

In dem Antrag heißt es aber auch:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf, die Bundesagentur für Arbeit zu einer
Änderung ihrer Geschäftspolitik zu bewegen, um
zukünftig wieder Projektförderungen nach § 10
SGB III zu ermöglichen.

Die FDP hat besondere Probleme damit, überflüssiger
Bürokratie sowie unnützen Vorschriften und Regelungen
zuzustimmen. Wir wollten schon immer eine schlanke
Verwaltung.


(Beifall bei der FDP)


Da werden Sie sicherlich verstehen, dass wir Ihren An-
trag nicht unterstützen können, sondern uns der Stimme
enthalten.

Im Ernst: Der Gedanke Ihres Antrages, wie ich ihn
wiedergegeben habe, ist richtig. Es ist richtig, auf die lo-
kalen Kräfte, auf die Arbeitsagenturen vor Ort zu setzen.
Wenn die FDP immer wieder sagt – das muss sie auch
tun –: „Die Bundesagentur für Arbeit muss aufgelöst
werden“, dann heißt das nicht, dass sie abgeschafft ge-
hört.


(Beifall bei der FDP – Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagt denn Herr Niebel dazu?)


Sie hat ihre Berechtigung. Wir wollen aber eine dezen-
trale Arbeitsvermittlung. Die Landkreise und Kommu-
nen vor Ort können das besser. Das genau ist unser An-
satzpunkt.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sag doch mal deine ehrliche Meinung!)


Der Überbau der Verwaltung in Nürnberg ist nicht das
Ideale. Dabei sage ich ausdrücklich: Die Mitarbeiterin-

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(C (D en und Mitarbeiter in Nürnberg, bei den Landesarbeitsmtern und in den Arbeitsämtern vor Ort machen eine ute Arbeit. Aber der Ansatz ist falsch. Das System timmt so nicht. Gestalten Sie es föderalistisch! Geben ie den Ländern und Kommunen die Arbeitsvermittlung n die Hand! (Beifall bei der FDP – Zuruf von der CDU/ CSU: Die wollen das doch gar nicht!)


as ist der eine Punkt.

Der andere Punkt ist viel wichtiger. Wir wollen, dass
rbeit vermittelt wird. Wir reden von Arbeitsvermitt-

ung, von Förderprogrammen, von SGB II, SGB III und
onst was. Wir müssen aber auch Arbeitsplätze schaffen.
as kann die Arbeitsagentur nicht. Wir als Politiker ha-
en die Rahmenbedingungen richtig zu gestalten.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das machen wir doch!)


ie Rahmenbedingungen sind eben nicht sehr optimal,
uch wenn die Große Koalition sich daran erfreut – auch
ch freue mich darüber –, dass es mehr Arbeitsplätze
ibt.

Wir machen aber einen grundlegenden Fehler: Wir
ühren die Reformen, die erforderlich sind, um Nach-
altigkeit zu erreichen, nicht durch. Wir geben uns damit
ufrieden, dass mehr Arbeitsplätze, vor allem mehr ver-
icherungspflichtige Arbeitsplätze, entstehen. Aber das
eicht nicht aus. Den Herausforderungen, die bei uns im
ande durch die Globalisierung und durch Umstruktu-

ierungen entstehen, müssen wir mit richtigen Reformen
egegnen. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die so
estaltet sind, dass nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen
erden. Wir brauchen auch keinen dritten und vierten
rbeitsmarkt, sondern gestärkte Firmen. Dazu gehören
ürokratieabbau und eine richtige Unternehmensteuer-

eform. Dazu gehört auch, dass man die Rahmenbedin-
ungen so gestaltet, dass gerne eingestellt wird. Auch
er Kündigungsschutz ist in seiner jetzigen Form nicht
ptimal; das muss man einfach so sagen.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/ CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


Erst wenn wir das alles bewerkstelligen, wird es auch
it den Arbeitsplätzen langfristig aufwärtsgehen; das
uss doch unser Ziel sein. Es werden genug Ausbil-

ungsplätze da sein. Es gibt die Lissabonstrategie. Wir
üssen sie nur mit Leben erfüllen und dafür kämpfen,

ass in diesem Lande wieder Vollbeschäftigung einzieht,
ass jeder, der arbeiten möchte und kann, einen Arbeits-
latz hat. Spätestens dann, wenn jeder einen Arbeitsplatz
at, brauchen wir – das werden Sie mir zugestehen –
eine Arbeitsvermittlung mehr. Dann brauchen wir
eine Arbeitsagentur in Nürnberg mehr. Das ist das rich-
ige Ziel. Wir brauchen so viele Arbeitsplätze, dass es
einer Arbeitslosenvermittlung mehr bedarf.


(Beifall bei der FDP)


Ich denke, dies ist möglich und machbar. Dieses Ziel
uss man sich aber auch setzen, anstatt, wie es derzeit

eschieht, jede Woche über irgendein Problem der Ar-

(B)







(A) )



(B) )


Heinz-Peter Haustein
beitslosigkeit zu sprechen und viel zu wenig über die
Förderung von Unternehmen. Die Gängelung von Unter-
nehmen durch Statistik, Bürokratie und Bestimmungen,
die wir den Unternehmen auferlegen, muss aufhören.
Wenn es uns gelingt, mehr Arbeitsplätze zu schaffen,
dann brauchen wir auch keine Arbeitsagentur mehr. Das
muss der Kerngedanke sein.

In diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erz-
gebirge.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609127300

Das Wort hat die Kollegin Gabriele Lösekrug-Möller

von der SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Gabriele Lösekrug-Möller (SPD):
Rede ID: ID1609127400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns liegt

ein Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel vor:
„Innovative Arbeitsförderung ermöglichen – Projektför-
derung nach § 10 SGB III zulassen“. Wer – frage ich Sie –
kann schon gegen innovative Arbeitsförderung sein?
Wahrscheinlich haben auch Sie sich gesagt, dass das im
Prinzip gar nicht geht. Aber dieser Antrag macht es
möglich, dass man sich auch dagegen ausspricht. Warum
ist das so?

Die SPD-Fraktion, für die ich hier spreche, braucht
diesen Antrag in der Tat nicht,


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Die CDU/CSU auch nicht!)


zumal er wenig innovativ ist; denn die Bundestagsdruck-
sachen 16/2349 und 16/2406 aus dem August 2006 ent-
halten in der Tat alles, was zum heutigen Tagesord-
nungspunkt zu sagen ist.

Fragte die Linke doch vor einem Dreivierteljahr nach,
warum das Projekt „Teilzeit plus“, gefördert nach eben-
diesem Paragrafen, 2004 eingestellt wurde und wer dies
entschieden habe; Frau Kipping, Sie haben das heute
Abend freundlicherweise erneut vorgetragen. Die Ant-
wort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben
des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum
15. August übermittelt.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Meinen Sie, dass das Parlament nichts mehr zu sagen hat, nachdem die Regierung das beantwortet hat?)


Aber offenkundig haben Sie sich mit den ausführlichen
Antworten nicht hinreichend auseinandergesetzt; sonst
wäre es wohl gar nicht zu dem Antrag gekommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb noch einmal zum Mithören für Sie und für
uns alle zum Verstehen die zwei wirklich ausschlagge-
benden Gründe, warum das Instrument nur noch sehr
eingeschränkt angewandt wird. Herr Rauen hat einen
wesentlichen Punkt schon genannt: Der Bundesrech-
nungshof hat wiederholt die Handhabung beanstandet.

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(C (D r hat sogar die Streichung der Projektförderung geforert. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hat er nicht!)


Hat er doch; aber Sie werden sicher darauf eingehen,
rau Pothmer. Nicht immer haben Sie recht.


(Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Frau Pothmer weiß das immer besser! – Gegenruf der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich höre Ihnen immer aufmerksam zu, Herr Andres!)


Zweitens betreffen die ab 2003 neu eingeführten In-
trumente in erheblichem Umfang das Einsatzfeld der
reien Förderung. Von daher hat sich der Bedarf an Pro-
ektförderung deutlich reduziert. Auf das Projekt in
resden gehe ich gleich noch ein.

Meine Damen und Herren, eigentlich wissen wir das
lles schon. Liest man Ihren Antrag, könnte man aller-
ings auf die Idee kommen, nur die Mittel nach § 10
GB III dürften für innovative, regional verankerte und
ezentrale Ansätze genutzt werden. Man bekommt den
indruck, nur in 10 Prozent der Fälle dürfe die Agentur
berhaupt auf diese Weise tätig werden; bei den übrigen
0 Prozent sei es verboten, innovativ zu sein, regional
erankerte Maßnahmen zu treffen oder gar dezentrale
nsätze zu befördern.

Gerade Sie nehmen doch bei den Debatten im Fach-
usschuss und im Plenum immer wieder für sich in An-
pruch, dass Sie ganz besonders, mehr als alle anderen
bgeordneten, die Arbeit der Agenturen vor Ort kennen.
enn das auch nur zur Hälfte zuträfe, dann wüssten Sie,
ie viel innovative und regional verankerte Arbeit in
en Agenturen geleistet wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ber wer halb leere Gläser sehen will, der blickt eben
icht auf den vorhandenen guten Inhalt – schade eigent-
ich.

Vielleicht geht es ja auch um etwas ganz anderes.


(Katja Kipping [DIE LINKE]: Es spricht doch nichts dagegen, aufzufüllen!)


Wenn Sie mir zuhören würden, Frau Kipping, könnten
ie gegebenenfalls etwas lernen; aber passen Sie auf, das
önnte gefährlich sein. – Denn wenn man die Begrün-
ung Ihres Antrages liest, wird deutlich, worum es geht.
ie haben hier noch einmal ein Projekt dargelegt, das
eines Erachtens ein durchaus gutes war, allerdings ein

egrenztes und zeitlich befristetes, und zwar aus einem
uten Grund: Es sollte in einer konjunkturschwachen
hase helfen, Beschäftigte in Handwerksbetrieben zu
alten. Die Bundesagentur hat neben diesem Projekt al-
erdings auch viele andere verschiedene innovative In-
trumente entwickelt und genutzt. Was die Bundesagen-
ur allerdings nicht in ihrem Aufgabenkatalog hat, ist das
nstrument der Wirtschaftsförderung. Wenn Sie jetzt
öchten, dass im Prinzip eine Entfristung solcher Pro-

ekte stattfindet, ist das kein Arbeitsmarktinstrument






(A) )



(B) )


Gabriele Lösekrug-Möller
mehr, sondern eine gezielte Maßnahme für sich beteili-
gende Betriebe.

Die brauchen wir aber nicht. Denn es hat eine andere
– sehr erfreuliche – Entwicklung gegeben, von der ich
berichten will; vielleicht hören Sie mir ja diesmal zu.
Wir haben mit milliardenschweren Investitionen
Schwung in den Arbeitsmarkt bringen können. Wir ha-
ben mit Reformen einen erfreulichen Rückgang der Zahl
der Arbeitslosen in unserem Land befördert. Wir haben
– ich will nur diese Beispiele nennen – durch energeti-
sche Gebäudesanierung und die Absetzbarkeit von
Handwerkerleistungen für jede Menge Innovation ge-
sorgt. Das Resultat ist eine solide Perspektive des Auf-
schwungs.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Deshalb sind die Auftragsbücher im Handwerk voll.
Ich habe gerade in dieser Woche bei den Berliner Wirt-
schaftsgesprächen hören können, wie der Präsident der
Berliner Handwerkskammer genau diese Maßnahmen
lobte und sagte, dass er das höchst angenehme Problem
habe, dass er gar nicht alle Aufträge prompt erledigen
könne. Das hat mir als Rückmeldung gut gefallen.

Ich fasse also zusammen: Wir haben Grund, uns zu
freuen über eine kraftvolle wirtschaftliche Entwicklung,
über einen Arbeitsmarkt, der davon profitiert, und über
eine Agentur für Arbeit, die in der Lage ist, auch ohne
das von Ihnen Beantragte gute Arbeit zu leisten. Aber
auch da würden Sie wieder sagen, dass das Glas halb
leer ist.

Ich habe eingangs auf zwei Drucksachen verwiesen.
Aus der Anfrage wurde ein Antrag. Die Methode ist be-
kannt; innovativ ist das nicht. Aber seien wir ehrlich:
Haben wir das wirklich erwartet?

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1609127500

Das Wort hat die Kollegin Brigitte Pothmer vom

Bündnis 90/Die Grünen.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Jetzt bin ich aber gespannt!)



Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609127600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Rauen, wenn man das, was Sie hier vorgetragen haben,
einmal konsequent zu Ende denkt, dann hieße das, dass
das Bundesministerium für Arbeit alle Maßnahmen im
Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik einstellt.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Davon habe ich kein Wort gesagt!)


– Sie haben hier vorgetragen: Es gibt einen Aufschwung,
soundso viele Arbeitsplätze sind in dieser Zeit entstan-
den; deswegen brauchen wir das alles gar nicht mehr.

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(C (D (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sie müssen einmal zuhören!)


Ich will Ihnen, Herr Rauen, aber sagen, dass wir nach
ie vor einen sehr gespaltenen Arbeitsmarkt haben.
ach wie vor profitieren von diesem Aufschwung im
esentlichen die Kurzzeitarbeitslosen und die qualifi-

ierten Arbeitslosen. Alle Arbeitsmarktexperten warnen
ns davor, die Augen vor der Tatsache zu verschließen,
ass es seit vielen Jahren eine hohe Sockelarbeitslosig-
eit in Deutschland gibt. Wir müssen diesen Auf-
chwung jetzt nutzen, um mit einer aktiven Arbeits-
arktpolitik auch diesen Menschen eine Chance zu

eben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Reine Bewirtschaftung!)


Die Projektförderung kann tatsächlich ein geeignetes
nstrument sein – ich betone: ein Instrument –, um einen
eitrag dazu zu leisten, diesen Menschen zu helfen.
enn die Problemstellungen auf dem Arbeitsmarkt sind

n der Tat regional sehr unterschiedlich. Es kann absolut
innvoll sein – auch mit finanzieller Unterstützung der
rbeitsagenturen –, Projekte zu entwickeln und aufzu-
auen, die präventiv wirken und damit einen Beitrag
azu leisten, dass Arbeitslosigkeit gar nicht erst entsteht.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)


Frau Lösekrug-Möller, dieses Instrument hat Rot-
rün auf den Weg gebracht. Wir fanden es damals rich-

ig. Angesichts von über 4 Millionen Arbeitslosen, da-
unter 2 Millionen Langzeitarbeitslose, kann man nicht
agen, man brauche solche Instrumente nicht. Es geht
icht um ein einzelnes Projekt. Es geht vielmehr darum,
b das Instrument Projektförderung sinnvoll ist oder
icht. Ich sage Ihnen: Es ist ein sinnvolles Instrument.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Insgesamt muss gelten: Der Vielfalt der Problemlagen
rbeitsloser Menschen muss eine ebenso große Vielfalt
on Angeboten an Förderinstrumenten entgegengestellt
erden.


(Gabriele Lösekrug-Möller [SPD]: Morgen sagen Sie, dass es zu viele Instrumente sind!)


assen Sie uns dieses Instrument doch vor Ort anbieten!
eine Agentur wird gezwungen, dieses Instrument in
nspruch zu nehmen. Nur diejenigen Agenturen werden

s in Anspruch nehmen, denen ein entsprechendes An-
ebot fehlt. Geben wir ihnen doch in Gottes Namen die
öglichkeit, dieses Angebot zu entwickeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es stimmt doch gar nicht, dass der Bundesrech-
ungshof gesagt hat, die Projektförderung an und für
ich sei schlecht und dürfe es auf keinen Fall mehr ge-
en. Der Bundesrechnungshof hat die Bundesagentur für
rbeit vielmehr dafür kritisiert, dass sie keine verbindli-

hen Rahmenbedingungen für diese Projektförderung






(A) )



(B) )


Brigitte Pothmer
entwickelt hat. Er hat gesagt, dass die Bundesagentur für
Arbeit ihre Hausaufgaben machen muss, wenn sie dieses
Instrument weiter einsetzen möchte. Das hat die Bun-
desagentur aber nicht gemacht.


(Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


Die Bundesagentur hat dieses Instrument kurzerhand ge-
strichen. Da können wir als Parlamentarier, die wir die-
ses Instrument ausdrücklich wollen, doch nicht jubeln.
Wir müssen vielmehr verlangen, dass dieses Instrument
weiterhin zur Verfügung gestellt wird.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Das war richtig! Das waren nur Drehtüreffekte! Verpulverung der Beiträge von Arbeitnehmern!)


– Nein, Herr Rauen, es geht hier nicht um mehr Geld.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Doch! Genauso ist es!)


Es geht darum, den Instrumentenkasten weiterhin viel-
fältig zu gestalten.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Da kennt sich heute schon niemand mehr aus!)


Wir sind dafür. Es ist sinnvoll, dieses Instrument weiter
zur Verfügung zu stellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die Tatsache, dass hier ein innovatives Instrument ge-
strichen wurde, ist aus meiner Sicht Ausdruck einer
Misstrauenskultur.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das sagt die Richtige!)


Es gibt eine Misstrauenskultur der Bundesagentur für
Arbeit, in Teilen der Bundesregierung aber auch den Ak-
teuren vor Ort gegenüber.

Ich werbe dafür, diese Misstrauenskultur schleunigst
abzubauen;


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


denn wenn wir so weitermachen, dann ersticken wir die
Motivation und die Innovationsbereitschaft, die es in den
Argen nach wie vor gibt. Wenn wir eine individuelle
Förderung tatsächlich wollen – das wollen wir doch, das
ist doch unser Versprechen –, dann müssen wir die
Durchführung und Gestaltung auf regionaler Ebene er-
möglichen und müssen wir die Handlungsfreiheit der
Argen stärken; darum bitte ich Sie.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609127700

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3889 an die in der Tagesordnung aufge-

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(C (D ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einerstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung o beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes – Drucksache 16/4692 – – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes – Drucksache 16/4149 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – Drucksache 16/4876 – Berichterstattung: Abgeordnete Marlene Mortler Gustav Herzog Hans-Michael Goldmann Dr. Kirsten Tackmann Ulrike Höfken Die Reden der Kollegen Mortler, Herzog, Goldmann, ackmann und Höfken sind zu Protokoll gegeben.1)


Damit kann ich die Aussprache schließen.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der
undesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
ur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzab-
atzfondsgesetzes. Der Ausschuss für Ernährung, Land-
irtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt unter Nr. 1

einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4876,
en Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Druck-
ache 16/4692 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
urf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von
DU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-

ion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion des Bünd-
isses 90/Die Grünen angenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-

ntwurf ist mit dem gleichen Stimmverhältnis wie zuvor
ngenommen.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
ache 16/4876 empfiehlt der Ausschuss für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz, den von den
raktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
ntwurf eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfonds-

Anlage 3






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
gesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes auf Druck-
sache 16/4149 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstim-
mig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe,
Hans-Christian Ströbele und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Indigene Völker – Ratifizierung des Überein-
kommens der Internationalen Arbeitsorgani-
sation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in
Stämmen lebende Völker in unabhängigen
Staaten

– Drucksachen 16/1971, 16/4838 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Wolf Bauer
Walter Riester
Dr. Karl Addicks
Hüseyin-Kenan Aydin
Thilo Hoppe

Die Reden folgender Kollegen sind zu Protokoll ge-
geben: Kollege Bauer, Kollegin Riemann-Hanewinckel,
Kollege Addicks, Kollege Aydin und Kollege Hoppe.1)


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nein! Herr Kollege Hoppe spricht!)


– Entschuldigung.

Ich erteile Kollegen Hoppe das Wort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609127800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein

letzter Mohikaner ist in dieser Debatte übrig geblieben.
Ich möchte Ihnen zunächst erklären, warum ich darauf
bestanden habe, heute meine Rede zu dem Thema
„Rechte der indigenen Völker“ zu halten. Das liegt zum
einen an der langen Vorgeschichte dieses Sachverhalts,
zum anderen an einem hohen Besucher, der heute extra
wegen dieser Debatte in den Deutschen Bundestag ge-
kommen ist – ich möchte ihn herzlich begrüßen –: Herrn
Rodolfo Stavenhagen aus Mexiko, UNO-Sonder-
berichterstatter für die Rechte der indigenen Völker.
Herzlich willkommen!


(Beifall)


Nun zu der langen Vorgeschichte dieses Antrags.
Bereits im Dezember 2002 wurde hier in diesem Hause
ein großer Antrag zur Umsetzung der Menschenrechte
verabschiedet. Unter einem der vielen Spiegelstriche des

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s1) Anlage 4

(C (D ntrags wurde die Bundesregierung aufgefordert, die LO-Konvention Nr. 169 mit dem Ziel der Stärkung der ndigenen Völker zu ratifizieren. Die ILO ist eine Organisation im System der Vereinten ationen. Diese Konvention wurde bereits 1989 verab chiedet. In Deutschland wirbt ein großes Bündnis aus ranziskanern, Amnesty International, Gesellschaft für edrohte Völker, verschiedenen kirchlichen Hilfswerken nd vielen anderen Organisationen dafür, dass auch eutschland diese Konvention ratifiziert. Offiziell prüft die Bundesregierung seit 1989. (Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu lange!)


ie Regierung Kohl und die Regierung Schröder haben
eprüft, auch die Regierung Merkel prüft. Vielleicht war
s naiv von mir, zu glauben, dass mit dem Beschluss des
eutschen Bundestages vom Dezember 2002 der Durch-
ruch erzielt worden sei.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Wer hat denn damals regiert? Da hat doch Frau Pothmer regiert! – Gegenruf der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wären die längst ratifiziert! Das wäre gut gewesen!)


In verschiedenen Fachgesprächen ist mir klar geworden,
ass die einzelnen Ressorts in verschiedene Richtungen
rängen: Vom Auswärtigen Amt und vom Entwick-
ungshilfeministerium wurde stets eine Zustimmung zu
iner Ratifizierung signalisiert, was wir sehr begrüßt haben.
as Verteidigungsministerium hat zunächst Bedenken
eäußert, weil man Angst um ein Tiefflugübungsgebiet
n Kanada hatte. Nachdem dieses Tieffluggebiet ge-
chlossen wurde, wurden diese Bedenken aber zurück-
estellt. Auf der Bremse standen damals wie heute


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Frau Pothmer!)


er Wirtschaftsminister und der Innenminister mit teils
bsurden bis bizarren Argumenten. Zum Beispiel wurde
as Argument vorgebracht, dass Minderheiten in Deutsch-
nd, zum Beispiel die Roma – später wurden sogar die
riesen genannt –,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Friesen sind eine Minderheit im Deutschen Bundestag!)


uf die Idee kommen könnten, sich als indigenes und in
tämmen lebendes Volk zu outen und auf Minderheiten-
echte zu pochen. Da ich aus dem Wahlkreis Aurich-
mden komme, hätte ich das mit großer Heiterkeit auf-
enommen, wenn es nicht so traurig wäre.

Diese Argumente sind natürlich vorgeschoben. Was
teht dahinter? Bei der ILO-Konvention 169 geht es darum,
ie Rechte von indigenen Völkern, zum Beispiel der
anomami-Indianer in Brasilien, zu stärken. Diese
echte geraten immer dann unter Druck, wenn man in
en Stammesgebieten dieser Indianergemeinschaften
odenschätze entdeckt. Dann rücken die Bulldozer sehr

chnell heran. Dann kommen Investoren und halten den






(A) )



(B) )


Thilo Hoppe
Eingeborenen gekaufte, teilweise über Korruption erhaltene
Landtitel unter die Nase. Dann kommt es zur Vertrei-
bung, zum Verlust des traditionellen Siedlungsgebietes.
Hätte Deutschland die ILO-Konvention 169 ratifiziert,
wären Geschäfte wie das der Westdeutschen Landes-
bank, die Finanzierung einer Pipeline in Ecuador, die mit
starken Beeinträchtigungen für Indigene in Ecuador ver-
bunden ist, zumindest erschwert worden.

Die Vereinten Nationen bitten uns um die Ratifizie-
rung dieser Konvention.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


Das gilt auch für die kirchlichen Hilfswerke und das
große Bündnis der NGOs.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Auch Länder, die auf ihrem eigenen Territorium keine
Indigenen haben, wie die Niederlande und Spanien, haben
diese Konvention ratifiziert. Es ist nun wirklich an der
Zeit, dass Deutschland sich einen Ruck gibt und eben-
falls der Ratifizierung zustimmt.

Ich bitte Sie, das Votum der Menschenrechtsorganisa-
tionen, der Kirchen und der Vereinten Nationen zu hören
und deshalb unserem Antrag zuzustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609127900

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung zu dem Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen mit dem Titel „Indigene Völker – Ratifizierung
des Übereinkommens der Internationalen Arbeitsorgani-
sation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen le-
bende Völker in unabhängigen Staaten“. Der Ausschuss
empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 16/4838, den Antrag der Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/1971 ab-
zulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke
und Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b auf:

a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/
CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines
Dritten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitie-
rungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der
politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR
– Drucksache 16/4842 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)


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(C (D Petitionsausschuss Innenausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO b)

Schneider (Saarbrücken), Petra Pau, Dr. Gesine
Lötzsch und der Fraktion der LINKEN einge-
brachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur
Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vor-
schriften für politisch Verfolgte im Beitritts-
gebiet und zur Einführung einer Opferrente

(Opferrentengesetz)


– Drucksache 16/4846 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Petitionsausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
arl-Christian Dressel, SPD-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carl-Christian Dressel (SPD):
Rede ID: ID1609128000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen-

tand unserer Debatte ist der Entwurf eines Dritten SED-
nrechtsbereinigungsgesetzes. Ich denke, wir sind uns alle

inig, wenn ich zu Beginn feststelle: Wiedergutmachen
assen sich die Verbrechen, die von der SED-Diktatur,
ie von Partei und Staat in der DDR begangen wurden,
urch eine finanzielle Regelung sicher nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


aher erscheint es mir wichtig, diesen Diskurs ohne
opulistische Anbiederungen zu führen. Denn gerade
ieses Thema sollte nicht missbraucht werden, um billigen
eifall zu erheischen. Wir sind es den Opfern schuldig,
iese Diskussion mit Ernst und größtem Respekt zu führen.

Vor fast vier Wochen haben wir diese Debatte an
ieser Stelle schon einmal geführt, als wir am 1. März
ie Eckpunkte verabschiedet haben. Ich verstehe bei
estem Willen nicht, dass die PDS jetzt kurzfristig einen
esetzesentwurf vorlegt.


(Zuruf von der LINKEN: Wir heißen Die Linke!)


Ja, hätten Sie doch bei der letzten Diskussion Herrn
ieland zugehört. Er hat gesagt: Heute nennen Sie sich






(A) )



(B) )


Dr. Carl-Christian Dressel
Linkspartei; morgen können Sie sich anders nennen. Bis
vor kurzem hießen Sie noch SED/PDS; davor hießen Sie
SED. Vergessen wir das nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir erkennen sie immer, egal wie sie heißen!)


Ich empfinde es hier als Hohn, wenn Sie sich als die
Opfervertreter, als Anwalt der Opfer darstellen, wenn
Sie hier so tun, als seien Sie die weißesten aller weißen
Schafe. Aber Ihr Weißwaschungsprogramm unterstütze
ich von dieser Stelle aus nicht. Sie sind die Partei der
Wölfe, egal ob sie nun Mischa heißen oder nicht. Das ist
mir letzte Woche erst wieder klargeworden, als Sie,
Kollegin Jelpke, oder die Kollegin Lötzsch die schönen
Zustände und die schöne Sportförderung in der DDR
wieder bis in den Himmel gelobt haben. Da fehlen mir
schlichtweg die Worte. Davon kann einem nur schlecht
werden.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der LINKEN)


Statt sich hier konstruktiv in den Prozess und die Dis-
kussion einzubringen,


(Zurufe von der LINKEN)


legen Sie wieder einmal einen populistischen Gesetz-
entwurf mit vielen schönen Formulierungen vor. Viele
Vorschläge sind ja durchaus bedenkenswert; man weiß
ja, dass sie nicht von Ihnen stammen. Hören Sie auf,
ungedeckte Schecks auszustellen. Kollege Wieland von
den Grünen hat Ihnen das letzte Mal zu Recht empfohlen:
Suchen Sie das, was Ihre Vorgänger rechtzeitig auf die
Seite geschafft haben, nämlich das SED-Parteivermögen.
Damit ließe sich sehr viel für viele Opfergruppen tun,
zum Beispiel für die Zwangsausgesiedelten, die auf bru-
talste Weise von Haus und Hof vertrieben wurden, nur
weil sie in der Sperrzone wohnten, oder für die Schüler,
denen die Zukunftsaussichten verbaut wurden. Ihr
Gesetzentwurf ist und bleibt ein starkes Stück.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir in diesem Hohen Hause haben seit 1990 einiges
zur Verbesserung der Situation der Opfer auf den Weg
gebracht. Insgesamt betrachtet sind die derzeitigen
Regelungen für die Opfer freilich unbefriedigend. Viele
Täter befinden sich jetzt im Alter in einer guten Situa-
tion, während die Opfer häufig noch traumatisiert und
materiell schlecht gestellt sind. Wir haben jetzt die Mög-
lichkeit, einen großen Schritt zu tun, um die Situation
vieler Betroffener nachhaltig zu verbessern,


(Zuruf von der LINKEN)


so wie wir es bereits im Koalitionsvertrag vereinbart und
am 1. März hier im Deutschen Bundestag beschlossen
haben. Dass Sie Ihre Textbausteine, die Sie in jeder Dis-
kussion gebetsmühlenartig wiederholen, auch in dieser

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(C (D ebatte anführen, das halte ich für eine Würdelosigkeit, ie ihresgleichen sucht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Zur Sache. Am 31. Dezember 2007 laufen die An-
ragsfristen in den drei Rehabilitierungsgesetzen aus.
bwohl diese Fristen bereits mehrfach verlängert wor-
en sind, ist festzustellen, dass die Zahl der Anträge
eit der letzten Fristverlängerung nicht wesentlich zu-
ückgegangen ist. Viele potenziell Berechtigte haben bis
etzt noch keinen Antrag auf Rehabilitierung gestellt.
iejenigen, die ihre Ansprüche erst jetzt geltend ma-

hen, sollen diese Möglichkeit auch weiterhin haben.
afür sorgen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf,
er drei Ansatzpunkte umfasst:

Erstens. Der Gesetzentwurf sieht die Einführung einer
pferpension für die Menschen vor, die sechs Monate
nd länger in Haft saßen und wirtschaftlich bedürftig
ind. Von der Summe in Höhe von 250 Euro pro Monat
erden nach unseren Berechnungen etwa 16 000 Men-

chen profitieren. Die Einführung einer Bedürftigkeits-
renze, die freilich diskutabel ist, erscheint notwendig,
m ein einheitliches System der Entschädigung der Op-
er der Diktaturen in Deutschland zu schaffen.

Zweitens. Die Antragsfristen werden, wie von mir be-
eits angesprochen, verlängert. Bis zum Ablauf der Fris-
en können die Ansprüche weiterhin geltend gemacht
erden. Ich hoffe, dass zahlreiche Opfer diese Möglich-
eit noch wahrnehmen werden. Es ist klar, dass jemand,
er aufgrund von Verfolgung traumatisiert ist, nicht so-
ort „Hier!“ schreit, weil er dazu einfach nicht in der
age ist. Darauf muss jetzt jeder Betroffene aufmerksam
emacht werden, um seine Rechte auch nach langer
berlegung noch wahrnehmen zu können.

Drittens. Die Mittel für die Stiftung für ehemalige po-
itische Häftlinge werden von 1,6 Millionen Euro auf
Millionen Euro pro Jahr aufgestockt.

Der Gesetzentwurf liegt nun vor. Im Rahmen unserer
iskussion müssen wir Änderungswünsche, die es mit
icherheit gibt, mit der erforderlichen Sorgfalt und
rnsthaftigkeit prüfen und dabei auch den Opfern und

hren Verbänden sowie den Sachverständigen Gelegen-
eit zur Stellungnahme geben.

Ich möchte Sie alle bitten, das Ihrige zu tun, damit wir
u einer raschen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes
ommen.


(Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE]: Hartz IV lässt grüßen!)


iele der Adressaten sind alt. Sie haben 17 Jahre nach
er Wiederherstellung der deutschen Einheit einen An-
pruch darauf, nicht noch länger warten zu müssen. Alle
m Bundestag vertretenen Fraktionen sollten dazu ihren
eitrag leisten. Eine besondere Verantwortung könnte
ie PDS übernehmen, wenn sie sich dieser Verantwor-
ung stellen und dieses Thema nicht nur für billigen Kla-

auk missbrauchen würde.






(A) )



(B) )


Dr. Carl-Christian Dressel

(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Wir stellen uns der Verantwortung! Im Gegensatz zu Ihnen!)


Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609128100

Als Nächste hat das Wort Kollegin Andrea Voßhoff,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Andrea Astrid Voßhoff (CDU):
Rede ID: ID1609128200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!

Wenn zwei Mitglieder der beiden Regierungsfraktionen
gleich hintereinander reden, kann es sein, dass sich die
eine oder andere Aussage wiederholt; wir werden es se-
hen.

Der Kollege Dressel sagte bereits – wir wissen das –:
Am 1. März dieses Jahres haben wir in diesem Hause zu-
letzt über Änderungen des SED-Unrechtsbereinigungs-
gesetzes diskutiert. Anlass war das von CDU/CSU und
SPD eingebrachte Eckpunktepapier für die Erarbeitung
des Entwurfs eines Dritten SED-Unrechtsbereinigungs-
gesetzes. Heute, vier Wochen später, liegt der Gesetzent-
wurf vor. Es ist gut und zu begrüßen, dass dieser Gesetz-
entwurf den am 1. März dieses Jahres vorgestellten
Eckpunkten zügig gefolgt ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Carl-Christian Dressel [SPD] und des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich darf an dieser Stelle dem Justizministerium für die
Hilfestellung bei der Formulierung ganz herzlich dan-
ken.

Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, bevor
ich auf die Inhalte des Gesetzentwurfes eingehe, eine
grundsätzliche Vorbemerkung: 17 Jahre nach dem Fall
der Mauer diskutieren wir erneut, wie schon häufig, über
Änderungen und damit Verbesserungen des SED-Un-
rechtsbereinigungsgesetzes. Ist das nach so langer Zeit
noch notwendig? Ich sage ein klares Ja. Lassen Sie mich
dazu zwei Bemerkungen machen: Zum einen ist es not-
wendig und richtig, die angemessene Würdigung der
Opfer der SED-Diktatur immer wieder auf die politi-
sche Tagesordnung zu setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Carl-Christian Dressel [SPD] und des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


In den 17 Jahren, die seit der Wiedervereinigung vergan-
gen sind, gab es immer wieder ein Fortschreiten des Pro-
zesses der Erkenntnis und der Aufarbeitung der SED-
Diktatur und ihrer Folgen und damit auch genauere
Kenntnisse über Umfang und Ausmaß des Unrechts, das
so viele Betroffene erlitten haben. Aus diesem Erkennt-
nisprozess heraus haben wir die bestehenden Regelun-
gen auch 17 Jahre nach der Wiedervereinigung immer

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(C (D ieder auf den Prüfstand zu stellen. Die hier in Rede steenden Opfer der SED-Diktatur waren die Ersten, die er zweiten Diktatur auf deutschem Boden den Gehoram verweigerten und für demokratische Rechte eingereten sind. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Carl-Christian Dressel [SPD] und des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


s sind die Menschen, die sich in der DDR für Freiheit
nd gegen die Diktatur eingesetzt haben.

Der Umgang mit diesen Opfern ist immer auch ein
radmesser für den Zustand der Menschlichkeit und des
emokratischen Grundverständnisses in unserer Gesell-
chaft. Wir wissen, dass viele Betroffene Jahre gebraucht
aben – manche noch Jahre brauchen werden; der Kol-
ege Dressel erwähnte es –, bis sie über das erlittene
chicksal sprechen können und ihre daraus resultieren-
en Rechte in Anspruch nehmen. Die immer noch hohe
ährliche Zahl der Menschen, die Leistungen nach den
ehabilitierungsgesetzen beantragen, zeigt, dass dieses
apitel des Rehabilitierungsrechtes noch nicht geschlos-

en werden darf. Wenn wir mit unserem Gesetzentwurf
ie Ausschlussfristen für die Antragstellung erneut ver-
ängern wollen, ist dies daher nur konsequent.

Zum anderen haben wir uns immer wieder die Frage
u stellen, ob wir mit den Rehabilitierungsgesetzen und
en in den Folgejahren vorgenommenen Änderungen
ach unserem heutigen Kenntnisstand über Wirkungen
nd Ergebnisse der bestehenden Entschädigungsregelun-
en das getan haben, was notwendig, geboten und dem
chicksal der Opfer angemessen ist. Dabei haben wir
ntwicklungen der Rechtsprechung zu berücksichtigen,
ie die bisherigen Regelungen in neuem Licht erschei-
en lassen und die Notwendigkeit zur Folge haben, Leis-
ungen zu verbessern und zielgenauer auszugestalten.

In diesem Zusammenhang will ich die Auswirkungen
er Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht
n den vergangenen Jahren gefällt hat, ansprechen: Das
undesverfassungsgericht hat die Kappung der Renten
er privilegierten, staatsnahen Personenkreise, die
er Gesetzgeber vorgenommen hatte, aufgehoben. Dies
ührte für die genannten Personen zu erheblichen Ver-
esserungen im Versorgungs- und Rentenrecht. Für die
ED-Opfer stellt sich zwangsläufig die Frage – auch wir
aben sie uns zu stellen –, wie wir mit der dadurch ent-
tandenen, immer wieder konstatierten moralischen Ge-
echtigkeitslücke umgehen. Die Opfer fragen konkret:

ie geht der Rechtsstaat mit denen um, die im Dienste
es Unrechtsapparates SED wirkten, und wie behandelt
r die, die durch ihre Zivilcourage Opfer ebendieses Un-
echtsapparates wurden?

Es ist heute schon gesagt worden: Wiedergutmachen
ässt sich das, was die Opfer der SED-Diktatur erfahren
aben, nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


er Gesetzgeber hat mit den Rehabilitierungsgesetzen
eit der Wiedervereinigung nur versuchen können, die






(A) )



(B) )


Andrea Astrid Voßhoff
Folgen für die Betroffenen abzumildern. So unbefriedi-
gend die Debatten im Bundestag und vor allem ihre Er-
gebnisse für die Opfer waren und vielleicht auch noch
sind, weil sie aus ihrer Sicht nicht weit genug gehen – sie
waren immer ein Zeichen. Ich denke, ich spreche für die
Fraktionen, die, in unterschiedlicher Kombination, seit
der Wiedervereinigung die Bundesregierung gestellt ha-
ben, wenn ich sage: Wir waren stets um einen gangbaren
Weg bemüht, wir haben stets gerungen, wie wir mit den
speziellen Fragen der Entschädigung der SED-Opfer
umzugehen haben und was wir tun können. Die mehrfa-
chen Änderungen der Rehabilitierungsgesetze haben im
Ergebnis immer dazu geführt, dass die Situation der Op-
fer, wenn auch manchmal in kleinen Schritten, verbes-
sert wurde.

Ich sage auch selbstkritisch dazu, dass die Debatten,
die in diesem Hause darüber stattgefunden haben,
manchmal von gegenseitigen Vorhaltungen begleitet wa-
ren, je nachdem, wer in der Regierungsverantwortung
war – sei es Schwarz-Gelb oder Rot-Grün – und nach
Meinung der Opposition mehr hätte tun können. Auch
heute diskutieren wir wieder, welche Verbesserungen
wir im Bereich der SED-Unrechtsbereinigung auf den
Weg bringen können und wollen. Zum Kerngehalt dieses
Gesetzentwurfes gehört – das ist schon angesprochen
worden – die Schaffung einer Opferrente von monatlich
250 Euro für diejenigen, die unter der Diktatur der SED
besonders schwer gelitten haben: die ehemaligen politi-
schen Häftlinge. Wir von der CDU/CSU haben uns in
den vergangenen Jahren nachhaltig für eine Entschädi-
gung in Form einer Opferpension, also einen weiteren
Ausgleich für das Unrecht, das die betroffenen Personen
erlitten haben, eingesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die SPD hat dankenswerterweise mitgezogen; wir konn-
ten es im Koalitionsvertrag vereinbaren. Heute debattie-
ren wir unter anderem über die inhaltliche Ausgestaltung
ebendieser Opferpension. Damit setzt die Große Koali-
tion ein notwendiges Zeichen dafür, dass die Opfer der
SED-Diktatur eine weitere sichtbare und angemessene
Würdigung erfahren sollen und auch müssen.

Ja, ich räume ein: Der Erhalt der Opferrente ist an Be-
dingungen geknüpft, die nicht frei von Kritik sind. Ich
nenne insbesondere die Voraussetzungen zum Erhalt der
Renten, und zwar die Mindesthaftzeit und die wirt-
schaftliche Bedürftigkeit der Antragsteller.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Ich weiß, dass viele Betroffene ihr erlittenes Schick-
sal durch die jetzt vorgelegte und damit geplante Ausge-
staltung der Opferpension nicht in ausreichendem Maße
gewürdigt sehen. Ich kenne die Argumentation der Kriti-
ker dieses Entwurfs – insbesondere gegen diese Voraus-
setzung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit. Sie argumen-
tieren damit, dass die materielle Anerkennung eines
erlittenen Unrechts nicht an die Einkommenssituation
des Opfers gekoppelt werden darf. Ich begrüße es daher
auch, dass wir bei der Erstellung des Gesetzentwurfs er-

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(C (D eichen konnten, dass das Einkommen des Ehegatten der eines Partners, mit dem der Betroffene in einer Leensgemeinschaft lebt, bei der Ermittlung der Einkomensgrenze außen vor bleiben soll. s kommt somit nur auf das Einkommen des Betroffeen an. Ich habe sehr viel Verständnis für die Kritik, die an ieser Bedürftigkeitsregelung geübt wird, und ich nehme ie auch sehr ernst. Gleichwohl müssen wir die Ausgetaltung der Entschädigungen der Opfer nach 1945 auch nter der Prämisse der Orientierung an den Entschädiungen für die Opfer von vor 1945 betrachten. Dies haen wir getan. Die Beratungen werden zeigen – darauf offe ich –, ob und welche Spielräume es unter Berückichtigung der vorgenannten Prämissen gibt. Ich denke, n einer Anhörung, die wir dazu durchführen sollten, ird es Gelegenheit geben, dies auch entsprechend zu ntersuchen. Trotz aller Kritik: Mit diesem Gesetzenturf von CDU/CSU und SPD wird eine Opferpension ür den betroffenen Personenkreis erstmals Realität. Das st eine wichtige und notwendige Botschaft an die beroffenen Opfer. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich sagte es bereits: Weitere Inhalte des Gesetzent-
urfs sind im Kern die Verlängerung der Antragsfristen
insichtlich der Ansprüche nach den Rehabilitierungsge-
etzen sowie die geplante Aufstockung der Mittel für die
tiftung für ehemalige politische Häftlinge.

Ich denke, wir sollten bei den anstehenden Beratun-
en intensiv dazu übergehen und die Zeit nutzen, die
ritik der Opferverbände an einzelnen Punkten des Ge-

etzes sehr sorgsam zu prüfen sowie die Praktikabilität
inzelner Umsetzungsregelungen auch noch einmal zu
interfragen. Wir sind den SED-Opfern in besonderer
eise verpflichtet. Das sollten wir auch zur Grundlage

nserer Beratungen machen.

Mir sei noch eine abschließende Bemerkung zum
eute auch vorliegenden Gesetzentwurf der Fraktion Die
inke erlaubt. Ich habe Ihren Antrag aufmerksam gele-
en. Neben Ihren inhaltlichen Forderungen ist mir vor al-
em Ihre Wortwahl aufgefallen – nicht in dem von Ihnen
orgeschlagenen Gesetzestext, aber in dem Vorspann
nd in der Begründung Ihres Entwurfs. Sie sprechen im-
er nur von den – ich zitiere – „politisch Verfolgten im
eitrittsgebiet“. Sie schreiben – ich zitiere –:

Die betroffenen Personen aus dem Beitrittsgebiet
nahmen persönliche und soziale Nachteile hin, um
Gesellschaftskritik zu üben.

Was Sie mit „persönlichen und sozialen Nachteilen“
mschreiben, meine Damen und Herren von der Frak-
ion Die Linke,


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Stasiknast!)


ar oftmals Stasihaft mit psychischer Folter.






(A) )



(B) )


Andrea Astrid Voßhoff

(Beifall des Abg. Dr. Carl-Christian Dressel [SPD])


Was Sie mit „Gesellschaftskritik“ umschreiben, waren
das mutige Eintreten von Menschen für Demokratie und
Freiheit und der ebenso mutige Widerstand gegen die
SED-Diktatur, den es anzuerkennen und zu würdigen
gilt.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es wäre wünschenswert gewesen, wenn Sie dies in
Ihrem Gesetzentwurf auch klar zum Ausdruck gebracht
hätten. Vor allem hätte ich mir aber gewünscht, dass Sie
bei der Begründung Ihres Gesetzentwurfs einmal auch
konkret die genannt hätten, die für das Schicksal der
meisten Opfer verantwortlich sind, nämlich die SED.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für die Glaubwürdigkeit Ihres Gesetzentwurfs wäre dies
sehr förderlich gewesen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609128300

Ich erteile Kollegen Volker Schneider, Fraktion Die

Linke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609128400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Bereits anlässlich der Beratung der von der Regie-
rungskoalition eingebrachten Eckpunkte für ein Drittes
SED-Unrechtsbereinigungsgesetz habe ich für meine
Fraktion festgestellt, dass die Koalition die selbst gesetz-
ten Ziele mit ihren Vorschlägen deutlich verfehlt. Leider
muss ich heute feststellen, dass Sie mit dem vorliegen-
den Gesetzentwurf noch hinter den Ankündigungen Ih-
rer Eckpunkte zurückbleiben.

Am 1. März 2007 strich Kollege Scholz heraus, dass
die Mittel für die Häftlingshilfestiftung aufgestockt wer-
den. Die Umsetzung dieses Vorschlags hätte meine Frak-
tion begrüßt. In Ihrem Gesetzentwurf ist davon keine
Rede mehr.


(Iris Gleicke [SPD]: Man muss besonders wenig belesen sein, um einen solchen Satz zu sagen!)


Kollege Vaatz unterstellte der Kollegin Leutheusser-
Schnarrenberger, dass sie bezüglich der Bedürftigkeits-
prüfung einen falschen Zungenschlag in die Debatte ge-
bracht hätte.

Ich darf Sie zitieren, Kollege Vaatz:

Nach meiner Auffassung kommt es dabei auf die
letzte Einkommensteuererklärung an. Das ist inso-
fern ein völlig normaler technischer Vorgang, den
man nicht zu hoch bewerten sollte.

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(C (D Dann erklären Sie uns doch, Herr Kollege Vaatz, waum Sie diese Erklärung nach dem vorliegenden Gesetzntwurf gleich zweimal im Jahr einsehen wollen. Welhen Grund gibt es, diese Prozedur alle sechs Monate zu iederholen? (Iris Gleicke [SPD]: Wenn Sie das SGB XII kennen würden, würde sich das von selbst erschließen!)


Ich wiederhole, was ich in der letzten Debatte zu die-
em Thema gesagt habe: Wenn Sie wirklich eine Aner-
ennung durchlittenen Unrechts anstreben, dann können
ie eine monatliche Zuwendung, wie Sie es nennen,
icht vom Einkommensniveau der Bezugsberechtigten
bhängig machen.

Opfer wird man nicht dadurch, dass man heute be-
ürftig ist. Wenn Sie wirklich „die gesellschaftliche Be-
eutung des mutigen Einsatzes für eine rechtsstaatliche
nd freiheitliche Ordnung als beispielgebend herausstel-
en“ wollen, wie es der Bundesrat 2004 formulierte, ist
uch eine Beschränkung der Bezugsberechtigten auf
aftopfer mit einer mindestens sechsmonatigen Haft-
auer nicht nachvollziehbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Fraktion fordert deshalb die Einbeziehung al-
r Verfolgtengruppen, die bisher von den gesetzlichen
egelungen ausgeschlossen oder durch diese benachtei-
gt wurden, wie Zivildeportierte, verfolgte Schülerinnen
nd Schüler und Opfer von Zersetzungsmaßnahmen. Nun
ind – damit haben Sie völlig recht, Kollege Dressel – na-
ezu alle von uns vorgelegten Vorschläge nicht neu. Sie
ind bereits von einigen anwesenden Kolleginnen und
ollegen vorgebracht und von den hier vertretenen Par-
ien behandelt worden. Aber immer wieder ist die Um-

etzung solcher Vorschläge an finanzpolitischen Erwä-
ungen gescheitert. Das galt bereits für das von der
emokratisch gewählten zehnten Volkskammer der DDR
990 einstimmig mit den Stimmen der PDS verabschie-
ete Rehabilitierungsgesetz.

Nun sprechen Sie mit großer Leidenschaft – das war
ei Herrn Dressel der Fall, und auch seine Nachfolgerin
at sich ähnlich geäußert – und heftigen Emotionen mei-
er Fraktion das moralische Recht ab, uns an der Debatte
u beteiligen. Kollege Wieland hatte in der letzten De-
atte diesen Part übernommen. Damals hat er behauptet
Kollege Dressel hat es heute wiederholt –, die PDS
abe systematisch Parteivermögen ins Ausland transfe-
iert, statt sie für einen Täter-Opfer-Ausgleich zu ver-
enden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat er!)


as ist falsch.


(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der SPD)


Kollege Wieland weiß das nur allzu genau. Ich darf
en ehemaligen CDU-Abgeordneten Dr. von
ammerstein, der von 1998 bis 2006 Vorsitzender der
nabhängigen Kommission Parteivermögen war und be-






(A) )



(B) )


Volker Schneider (Saarbrücken)

stimmt unverdächtig ist, PDS-freundlich eingestellt zu
sein, zitieren,


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat es nicht gefunden!)


der in einem Interview mit der „Südthüringer Zeitung“
in Bezug auf solche Spekulationen erklärt hat:

1995 hat die Partei einen Vergleich mit uns ge-
schlossen und notariell versichert, dass sie alles
mitgeteilt hätte, was sie wüsste. Und sie haben das
verbunden mit einer Vertragsstrafe. Das hieß: Hät-
ten wir noch etwas gefunden und nachweisen kön-
nen, dass die PDS-Führung von den Geldern ge-
wusst hat, dann hätte sie noch mal das Doppelte an
Vertragsstrafe zahlen müssen.

Jetzt wird es interessant. Auf die Nachfrage „Kam es
dazu?“ erklärte er weiter:

Nein. Wir haben das der Partei nie nachweisen kön-
nen.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Ja, nachweisen!)


Und die Parteiführung – das waren damals Gysi,
Bisky und Bartsch – konnte sich auf so eine Ver-
tragsstrafe eigentlich nur eingelassen haben, wenn
sie uns die Wahrheit gesagt haben. Deshalb möchte
ich ihr da nichts unterstellen.

Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609128500

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist beendet. Wenn Sie sie

verlängern wollen, können Sie eine Zwischenfrage zu-
lassen.


Andrea Astrid Voßhoff (CDU):
Rede ID: ID1609128600

Herr Kollege Schneider, Sie zitieren aus einem Inter-

view mit Herrn von Hammerstein. Darf ich Sie fragen,
ob Sie auch den Passus in dem Artikel kennen, der mit
folgender Frage an Herrn von Hammerstein beginnt:
„Was war die spektakulärste Entdeckung“? Ich zitiere
die Antwort von Herrn von Hammerstein:

Vielleicht der Fall Putnik im Spätherbst 1990. Es
ging um eine Moskauer Firma namens Putnik, die
Konten im Ausland hatte, vor allem in Norwegen.
Auf diese Konten hat die Partei Millionenbeträge
überwiesen. Damit habe sie Forderungen erfüllt, die
Putnik gegen die SED hätte, hieß es bei der Partei.
Aber wir haben nachgebohrt. Gysi ist sogar nach
Moskau geflogen. Doch in Moskau war man nicht
bereit, diese Legende aufrechtzuerhalten. Gysi
musste den Schwindel einräumen und die Partei die
Gelder herausgeben. Das war schon ziemlich spek-
takulär.

Ist Ihnen dieser Passus auch bekannt?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ein dreistes Stück ist das! Typisch Saarländer! – JochenKonrad Fromme [CDU/CSU]: Auch noch w T e v t d G – k t K d z s D g V n i f g R v (C (D falsch zitieren! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)



Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609128700

Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, dann beant-

orte ich gerne Ihre Frage. Natürlich ist mir auch dieser
eil des Interviews bekannt, wie Ihnen wahrscheinlich
in weiterer Teil des Interviews bekannt ist, in dem da-
on die Rede ist, welche Gelder tatsächlich ins Ausland
ransferiert wurden und dass es sich dabei wohl um Gel-
er gehandelt hat, die aus der Abteilung von Schalck-
olodkowski und der Stasi transferiert wurden.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist doch eine Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der SPD)


Wenn Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen beruhigen
önnen, dann kann ich auch Ihre Frage beantworten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609128800

Herr Kollege, Sie haben doch eine laute Stimme.


Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609128900

Soll ich noch lauter reden? Gut.

Weiter ist Ihnen bekannt – auch das geht aus dem In-
erview hervor –, dass die PDS an die Unabhängige
ommission 1,6 Milliarden Euro abgeführt hat und dass
iese vorwiegend für gemeinnützige Zwecke im Osten
ur Verfügung gestellt wurden, insbesondere zum Bei-
piel auch für die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-
iktatur. Ist das richtig oder nicht?


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Frage beantworten!)


Herr Präsident, ich möchte noch einen letzten Satz sa-
en.


(Zuruf von der LINKEN – Gegenruf von der SPD: Möchten Sie etwas zur Aufklärung beitragen, Frau Kollegin?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609129000

Sagen Sie doch Ihren letzten Satz!


Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609129100

Das ist nicht ganz so einfach, Herr Präsident.

Wir haben konsequent an der Aufarbeitung unserer
ergangenheit gearbeitet und werden das auch in der
euen Partei tun. Genau deshalb streiten wir hier auch
m Bewusstsein unserer besonderen Verantwortung da-
ür, dass die Opfer politischer Verfolgung eine Würdi-
ung und Wertschätzung erfahren, die ihrer historischen
olle entspricht.


(Beifall bei der LINKEN – Maria Michalk [CDU/CSU]: Unglaublich!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609129200

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Wieland

on der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.






(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609129300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich

dachte, dass wir unsere Reden zu Protokoll geben kön-
nen, aber nach dem, was Sie, Kollege Schneider, eben
gesagt haben, bin ich wirklich froh, noch etwas sagen zu
können.

Wenn Sie wirklich, so, wie Sie behaupten, Ihre Gelder
zur Verfügung gestellt hätten, dann hätten wir diese
Kommission gar nicht gebraucht,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


die in ihrem Schlussbericht bedauert, dass sie – trotz
Einsatz von Detektiven, die weltweit gefahndet haben –
nur einen Bruchteil erreicht hat. Jahrelang wurde prozes-
siert, zum Beispiel vor dem Verwaltungsgericht und vor
dem Oberverwaltungsgericht Berlin, Stichwort Rote Fini
Österreich, weil Sie eben nichts herausgeben wollten,


(Zuruf von der LINKEN)


weil man Sie zwingen musste. Es hat zur Wendezeit
rechtskräftige Verurteilungen Ihrer Kassenwarte ge-
geben. Sie sind rechtskräftig dafür verurteilt worden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Nun machen Sie hier Geschichtsrevision und erklären
gleichzeitig: Wir arbeiten unsere Vergangenheit auf. –
Das tun Sie, indem Sie sie verfälschen, indem Sie lügen.
Das ist Ihre Art der Aufarbeitung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist ein dreistes Stück!)


Die zweite Masche ist: Sie schreiben einen Gesetzent-
wurf, als schrieben Sie über fremde Personen, als ginge
das SED-Unrecht – und darum geht es, um Ihr Unrecht –
Sie gar nichts an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Sie stellen sich aber hier hin und fordern für Ihre Frak-
tion, dass die Mittel erhöht werden müssen. Die Steuer-
zahler zahlen schon jetzt 1,6 Milliarden Euro Zusatz-
renten für Ihre Nomenklatur, die sich im Rentenalter
gut versorgen lässt. Das zahlen die Steuerzahler in Ost
und West.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


Wenn sie jetzt auch noch – und sie werden es tun –
Ehrenpensionen zahlen, dann sind Sie die allerletzten,
die etwas zur Höhe der Beträge zu sagen haben. Das sei
einmal ganz deutlich vorneweggestellt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Deswegen bleibe ich dabei: Sie sollten in dieser De-
batte vom moralischen und politischen Standpunkt aus
betrachtet schweigen. Rechtlich gesehen können Sie hier
vortragen, das ist Ihr Recht.

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(C (D Soweit waren wir eigentlich schon am 1. März, aber ie wollten und mussten es offenbar noch einmal hören. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


(Zurufe von der LINKEN)


Das wurde hier deutlich gesagt. Sie haben es ange-
ündigt, es gibt Kritik daran, es gibt Kritik von den Be-
roffenen. Wir alle haben sie gehört. Ich habe es eben
ehr gerne gehört, dass Sie gesagt haben: Wir wollen
och Spielraum in der Beratung schaffen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der SPD)


ch habe es gerne gehört, und das ist auch nötig.

Nach wie vor ist für uns der Hauptkritikpunkt, dass
inge wie Zersetzungsmaßnahmen auch gegenüber
chülerinnen und Schülern ausgeblendet werden und ge-
agt wird: Eine Verfolgung beginnt erst ab einem halben
ahr DDR-Haft. Das wird nicht gehen.

Ich habe zur Höhe der Summe schon beim letzten
al gesagt: Gerade Sie, die CDU, haben in der letzten

egislaturperiode eine Summe von 500 Euro in die An-
räge geschrieben. Sie haben diese Summe sozusagen in
ie Welt gesetzt. Von daher ist es kein Wunder, dass
iele schockiert sind, dass es jetzt nur noch die Hälfte
ein soll, und dass das von vielen für unzureichend ge-
alten wird. Auch darüber muss noch einmal gesprochen
erden.

Es ist unlogisch, dass man einerseits von einer Aner-
ennungs- und Ehrenpension spricht und andererseits
estimmt, diese Anerkennung und Ehrung bekommt nur
erjenige, der bedürftig ist.


(Beifall des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ind denn die anderen nicht zu ehren? Das ist doch ein
klatanter Widerspruch. Dabei darf es meines Erachtens
icht bleiben. Diese unsägliche Bedürftigkeitsklausel
uss fallen. Sonst haben wir im Ergebnis – es tut mir

eid, das sagen zu müssen – Opfer erster und zweiter
lasse.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


ie Fristen werden nun verlängert. Aber man sollte ein-
al darüber nachdenken, ob eine völlige Entfristung

icht ein Weg in die Zukunft ist.

Abschließend: Hubertus Knabe hat im Zusammen-
ang mit dieser Debatte daran erinnert, dass derjenige,
er zehn Jahre im Zuchthaus Bautzen als Wärter Dienst
at, heute mehr bekommt als derjenige, der dort 20 Jahre
n Haft saß. Das müssen wir ändern. Solange dies nicht
o befriedigend geregelt ist, dass auch die Opfer damit
eben können, so lange ist die innere Einheit unseres
andes noch nicht hergestellt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609129400

Ich schließe die Aussprache.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent-
würfe auf den Drucksachen 16/4842 und 16/4846 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das
ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniel
Bahr (Münster), Paul K. Friedhoff, Heinz
Lanfermann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Umlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung
im Krankheitsfall auf freiwillige Basis stellen

– Drucksache 16/2674 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Arbeit und Soziales

Folgende Kollegen haben ihre Reden zu Protokoll gege-
ben: Max Straubinger, Jella Teuchner, Heinz Lanfermann,
Frank Spieth und Birgitt Bender.2)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/2674 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja
Seifert, Klaus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Gesetz zum Ausgleich behinderungsbedingter

(Nachteilsausgleichsgesetz – NAG)


– Drucksache 16/3698 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Die Kollegen Hubert Hüppe, Jörg Rohde, Ilja Seifert
und Markus Kurth sowie die Kollegin Silvia Schmidt ha-
ben ihre Reden zu Protokoll gegeben.3)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3698 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

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1) Anlage 5
2) Anlage 6
3) Anlage 7

4)

5)

(C (D Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Die EU-Zentralasienstrategie mit Leben füllen – Drucksache 16/4852 – Überweisungsvorschlag Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Die Kollegen Manfred Grund, Johannes Pflug, Harald eibrecht, Hakki Keskin und die Kollegin Marieluise eck sowie Staatsminister Gernot Erler haben ihre Reen zu Protokoll gegeben.4)


Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
rucksache 16/4852 zur federführenden Beratung an
en Auswärtigen Ausschuss und zur Mitberatung an den
usschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe,
en Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ntwicklung sowie den Ausschuss für Angelegenheiten
er Europäischen Union zu überweisen. Gibt es ander-
eitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die
berweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun
Bluhm, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Öffentlichen Verkehr in den neuen Bundeslän-
dern nicht gefährden – Verkehrsflächenberei-
nigungsgesetz verlängern

– Drucksache 16/4856 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Die Kollegen Marco Wanderwitz, Peter Danckert und
eter Hettlich sowie die Kolleginnen Sabine
eutheusser-Schnarrenberger und Heidrun Bluhm haben

hre Reden zu Protokoll gegeben.5)

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
rucksache 16/4856 zur federführenden Beratung an
en Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Aus-
chuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu über-
eisen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht
er Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Omid
Nouripour, Dr. Gerhard Schick, Silke Stokar von

Anlage 8
Anlage 9






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Neuforn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

SWIFT-Fall aufklären – Datenschutz im inter-
nationalen Zahlungsverkehr wieder herstellen

– Drucksache 16/4066 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela
Piltz, Dr. Volker Wissing, Jens Ackermann, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – Zu-
griff US-amerikanischer Stellen auf SWIFT-
Daten unverzüglich stoppen und Vorgang um-
fassend aufklären

– Drucksache 16/4184 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien

Die Kollegen Georg Fahrenschon, Lothar Binding,
Gisela Piltz, Dr. Axel Troost und Omid Nouripour haben
ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/4066 und 16/4184 an die in der Tages-
ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind
die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b auf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Harald
Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln
für neuartige Therapien sicherstellen

– Drucksache 16/4853 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(14. Ausschuss)

gierung

Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-
schen Parlaments und des Rates über Arzneimit-
tel für neuartige Therapien und zur Änderung

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1) Anlage 10 2)

(C (D der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung KOM – Drucksachen 16/419 Nr. 2.7, 16/2182 – Berichterstattung: Abgeordneter Jens Ackermann Die Kollegen Hubert Hüppe, Dr. Marlies Volkmer, ichael Kauch, Frank Spieth und Dr. Harald Terpe haben hre Reden zu Protokoll gegeben.2)


(EG) Nr. 726/2004 (inkl. 15023/05) ADD 1


Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
rucksache 16/4853 zur federführenden Beratung an
en Ausschuss für Gesundheit und zur Mitberatung an
en Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol-
enabschätzung sowie an den Ausschuss für die Angele-
enheiten der Europäischen Union zu überweisen. Gibt
s dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der
all. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesund-
eit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
ber einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-
chen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für
euartige Therapien. Der Ausschuss empfiehlt in seiner
eschlussempfehlung auf Drucksache 16/2182, in Kennt-
is der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen.
er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer

timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
mpfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD
nd Grünen bei Enthaltung von FDP und Linken ange-
ommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Renate Künast, Fritz Kuhn und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Für eine Schließung des Forschungsendlagers
Asse II unter Atomrecht und eine schnelle
Rückholung der Abfälle

– Drucksache 16/4771 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Federführung strittig

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
rhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist
as so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin
ylvia Kotting-Uhl, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-
en, das Wort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Anlage 11






(A) )



(B) )


Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1609129500

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Meine Fraktion fordert mit dem vorliegenden Antrag die
Rückholung von Atommüll aus einem Endlager, in das
seit 20 Jahren Wasser eindringt, und die Unterstellung
dieses Atommülllagers unter das Atomrecht.

Das Atommülllager, für das wir unglaublicherweise
diese beiden Forderungen überhaupt stellen müssen, ist
die sogenannte Asse II bei Wolfenbüttel, vor 40 Jahren
als Forschungsendlager konzipiert. Die ersten Atom-
müllfässer wurden dort 1967 eingelagert; das war
20 Jahre vor Tschernobyl, und mit Atomkraft und mit
ihrem Müll ging man damals offenbar relativ lax um.

Die ersten Fässer wurden noch ordentlich gestapelt,
dann ging man aus Zeitgründen dazu über, die Fässer zu
verstürzen. Heute liegt der Großteil der 125 000 Fässer
kreuz und quer, beschädigt und mit Salzgranulat ver-
mischt in den Kammern des Salzstocks. Diese relativ
wilde Einlagerung ist die Ursache für die immense
Höhe der berechneten Kosten einer Rückholung und der
Hauptgrund, warum eine Rückholung von den Verant-
wortlichen als nicht machbar betrachtet wird. Formal
sind es technische und sicherheitsrelevante Aspekte, die
gegen eine Rückholung des Mülls sprechen.

Die Betreibergesellschaft GSF hat sich ein Gutachten
erstellen lassen, in dem davon ausgegangen wird, dass
das Grubengebäude nur bis etwa 2014 stabil genug für
die Durchführung von Untertagearbeiten sein wird, die
Rückholung aber 25 Jahre dauern würde. Statt den Müll
rückzuholen, soll die Grube also stabilisiert und berg-
rechtsgemäß sicher abgeschlossen werden. Was aber
kann „sicher“ denn heißen bei einem Grubengebäude,
das in einem Berg liegt, der sich bewegt – konvergiert –,
dessen Deckgebirge bereits verstürzt, also eingebrochen
ist, das einen beständigen Wasserzufluss hat, von dem
man nicht weiß, woher er kommt, und das in direkter
Verbindung mit dem Trinkwasserzufluss einer nahe ge-
legenen Stadt steht?

Sicher abschließen unter Bergrecht heißt, das Gru-
bengebäude mit Magnesiumchlorid zu stabilisieren, den
Zutritt der Flüssigkeit in die mit Atommüll gefüllten
Kammern mit Betonbarrieren zu verhindern zu versuchen
und dann die beiden Schächte zu schließen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
hat uns auf unsere Kleine Anfrage am 16. Oktober letzten
Jahres unter anderem geantwortet: „Der Zustand der ein-
gelagerten Fässer wird nicht überwacht.“ Ich zitiere aus
der Broschüre der GSF „Asse – ein Bergwerk wird ge-
schlossen“:

Nachdem die Schachtanlage Asse einmal wie vorge-
sehen gefüllt und abgedichtet ist, werden die Doku-
mente in mehrfacher Ausfertigung bei den zuständi-
gen Genehmigungsbehörden hinterlegt, um sie für
künftige Generationen zu bewahren.

Es reizt mich, an dieser Stelle zu sagen: Dann kann den
zukünftigen Generationen nichts mehr passieren.


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(C (D (Jörg Tauss [SPD]: Besser, als wenn sie es auch noch wegwerfen würden! Das würde ich ihnen auch noch zutrauen!)


Herr Tauss, das Ganze ist tatsächlich zu makaber für
ynismus und auch für Ihren Spaß. – So kann es doch
ohl nicht gehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir diskutieren hier öfter in aller Ernsthaftigkeit, welche
edingungen ein Standort für die Endlagerung von
tommüll erfüllen muss. Wir haben da durchaus di-
ergierende Vorstellungen, aber unser gemeinsames
iedrigstes Level liegt doch wohl deutlich höher als das,
as der Bevölkerung um Wolfenbüttel hier zugemutet
ird. Glücklicherweise steht das Bergamt Clausthal-
ellerfeld hier nicht an der Seite der GSF und hat den
ntrag zur Flutung und zur Schließung der Asse jetzt

rst einmal abgelehnt, und zwar wegen des fehlenden
icherheitsnachweises. Das stärkt meinen Glauben an
eutsche Behörden.

Trotz dieses richtigen Entscheides ist das Bergamt
etztlich aber die falsche genehmigende Behörde. Der
mgang mit dem Atommüll, die Frage, was dort wie zu
n ist, um nicht nur die zukünftigen Generationen, sondern

uch die jetzt dort lebende vor Schäden, zum Beispiel
or kontaminiertem Trinkwasser, zu schützen, und auch
er richtige Umgang mit den Ängsten und Sorgen der
evölkerung ist nur unter Atomrecht leistbar. Das ein-
lagbare Recht beispielsweise zur Einsicht in Unterlagen
st etwas völlig anderes als von der Betreibergesellschaft
efilterte freiwillige Informationen.

Das niedersächsische Umweltministerium hat zwi-
chenzeitlich Bundesminister Gabriel zugesichert, ihn über
en Stand der Prüfung der eingereichten Schließungs-
nterlagen auf dem Laufenden zu halten. Damit – so der
ortige Landrat Röhmann – sei sichergestellt, dass in allen
hasen des Verfahrens atomrechtliche Fragestellungen
nd Prüfkriterien einbezogen und berücksichtigt werden
önnen. Schön, aber warum nur die Möglichkeit eröffnen,
arum atomrechtliche Fragestellungen und Prüfkriterien
icht zur Grundbedingung machen? Worum geht es hier
enn? Um Atommüll, meine Damen und Herren. Unsere
indeutige Forderung ist, alle weiteren Maßnahmen nach
tomrecht durchzuführen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben es hier schon lange nicht mehr mit einem
orschungsstandort zu tun, sondern mit einem handfesten
eologischen Endlagerproblem. Die Rückholung der
tomaren Abfälle aus dem unsicheren Endlager stellt
ich uns derzeit als einzig realistische Option für einen
ngemessenen Umgang mit dem Atommüll und für den
chutz der Bevölkerung dar. Sollten sich andere Verfah-
ensweisen in einem transparenten Vergleich mit einem
icht höheren Gefahrenpotenzial als die Rückholung
arstellen, dann können wir über Alternativen reden.
isher sehen wir keine.

Das Forschungsziel der Asse II war übrigens, sichere
ndlagertechniken zu entwickeln. Dieses Ziel ist ganz
ffensichtlich grandios verfehlt worden. Das tatsächliche
orschungsergebnis ist die größtmögliche Unsicherheit






(A) )



(B) )


Sylvia Kotting-Uhl
eines Endlagers. Auch wer Atomkraft befürwortet,
müsste von daher größtes Interesse daran haben, dieses
Forschungsergebnis so nicht stehen zu lassen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609129600

Ich erteile das Wort Kollegen Axel Fischer, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Weltweit sind mehr als
440 Kernkraftwerke in Betrieb.


(Ulrich Kelber [SPD]: Nein, nur noch 434! Es sind sechs stillgelegt worden!)


In den nächsten zehn Jahren werden 120 bis 140 neue
Kernkraftwerkprojekte realisiert.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und 150 abgeschaltet!)


Die Uranvorräte reichen für mehr als 1 000 Jahre, auch
wenn Sie das in Zwischenrufen bezweifeln mögen. Der
Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung beträgt
derzeit weltweit 16 Prozent.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und sinkt!)


China will in großem Stil fossile Brennstoffe durch
Kernenergie ersetzen und plant 30 neue Kernkraftwerke.


(Ulrich Kelber [SPD]: Und noch mehr erneuerbare Energien! Schauen Sie sich die chinesischen Programme an!)


Auch wenn Ihnen das nicht gefallen mag: Finnland baut
derzeit sein fünftes Kernkraftwerk – auch mit deutscher
Technik, ein Glück; wir sind immer noch vorne mit da-
bei – und plant schon das nächste. Schweden ist 1997
– nach dem Ausstieg – wieder in die Kernkraft eingestiegen
und hat unbefristete Betriebsgenehmigungen für seine
Kernkraftwerke erteilt.


(Ulrich Kelber [SPD]: Stimmt nicht!)


– Das stimmt sehr wohl, Herr Kollege.


(Ulrich Kelber [SPD]: Die meisten stehen aber gerade still!)


Warum erzähle ich das,


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Damit es Tauss begreift!)


obwohl wir heute über einen Antrag zur Schließung der
Schachtanlage Asse debattieren? Der Grund ist einfach;
vielleicht werden auch Sie ihn nach meinen Ausführungen
verstehen. Auch wenn der Atomausstieg Deutschlands
besiegelt sein sollte, brauchen nicht nur wir, sondern
auch andere Länder Endlager. Der Kollege Krummacher
hat völlig recht – er betont es auch im Ausschuss immer
wieder –: Endlager sollen die letzte Ruhestätte für die radio-
aktiven Rückstände sein, die einer weiteren Verwertung
nicht mehr zugeführt werden können.

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(C (D In Deutschland haben wir dank der Endlager und der icherheitsforschung wertvolle Erkenntnisse und einen ohen Wissensstand, was die Einlagerung von radioktiven Abfällen angeht. Das gilt nicht nur für Karlsruhe, ondern auch für viele andere Forschungseinrichtungen, ieber Kollege Tauss. Hier spielt die Schachtanlage Asse ine wichtige, hervorgehobene Rolle. (Zuruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Da stimmen Sie zu. Es freut mich sehr, dass vonseiten
er Grünen Zustimmung kommt. Ich bitte, das im Proto-
oll entsprechend zu vermerken.

Dort wurden über Jahrzehnte die Entwicklung und die
rprobung von Methoden zur Einlagerung von wärme-
rzeugenden, vor allem von hochradioaktiven Abfällen
rfolgreich erforscht und damit zusammenhängende sicher-
eitstechnische Fragen bearbeitet. Die Einlagerung der
ässer mit leicht- und mittelradioaktiven Abfällen bis
979, die Sie auch in Ihrem Antrag benennen, diente
azu, unterschiedliche Einlagerungstechniken zu unter-
uchen. Art, Menge und Zusammensetzung der Abfälle
ind aus dieser Zeit bekannt. Wir haben Einlagerungen
n der Salzformation. Das Salzgestein wurde mit dem
iel einer Abschirmung gegen die Biosphäre beobachtet.
s kam zu einem dauerhaften Einschluss und zur Erpro-
ung verschiedener Einlagerungstechniken.

Als am 30. Juni 1995 das dortige Forschungsinstitut
ach 30 Jahren erfolgreicher Arbeit aufgelöst wurde,
egann eine neue Ära. Seither bereitet die GSF die
chließung der Anlage nach Bundesberggesetz vor.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das ist die Leugnung von Realität!)


sse ist das erste Bergwerk mit radioaktiven Abfällen,
as geschlossen wird.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das einzige Bergwerk!)


as ist ebenso wie die vormalige Erforschung der End-
agerung radioaktiver Abfälle eine Pionieraufgabe, der
ir uns als Mitglieder einer zukunftsoffenen und inno-
ativen Gesellschaft gerne stellen. Dass im Fall der
chließung dieses Bergwerks sichergestellt werden wird,
ass den Vorschriften nach Bergrecht, Atomrecht und
asserrecht Genüge getan wird, das ist für mich, für
eine Fraktion und, wie ich denke, auch für die Koali-

ion eine Selbstverständlichkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Das klingt so, als wüssten Sie gar nicht, was Sie da vortragen! – Ulrich Kelber [SPD]: Ich möchte einmal wissen, wer Ihnen das aufgeschrieben hat! Sie leugnen die Realität!)


Ich bin etwas überrascht, dass es bei der SPD-Fraktion
n Unterstützung für diese Aussagen fehlt. Die Dinge,
ie ich angesprochen habe, müssten in der Koalition
ohl unstrittig sein.


(Marco Bülow [SPD]: Der Atomausstieg müsste auch unstrittig sein! Steht im Koalitionsvertrag! Das ist gar keine Frage!)







(A) )



(B) )


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)

So ist es auch vorgesehen, wenn ich mich nicht irre. Wir
wollen die eingelagerten radioaktiven Abfälle gefahrlos
von der Biosphäre fernhalten bzw. abschließen. Auch
das müsste von der SPD-Fraktion eigentlich mitgetragen
werden. Das unterscheidet uns von den Grünen.

Wenn ich den Antrag der Grünen richtig gelesen
habe, dann wollen Sie die radioaktiven Abfälle jetzt zu-
rückholen,


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Richtig!)


umkonditionieren und dann wieder zwischenlagern, das
heißt zurückholen in die Biosphäre.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Dies soll geschehen, ohne überhaupt geprüft zu haben,
ob das derzeitige Schließungskonzept der Schachtanlage
geeignet ist.

Ich habe Ihren Antrag gut studiert: Sie behaupten zwar
gleich im ersten Absatz, die Sicherheit des Endlagers sei
„nicht mehr gewährleistet“, im Weiteren bleiben Sie jedoch
den Nachweis für Ihre Behauptung schuldig. Trotz der
fast drei Seiten Text gehen Sie nur äußerst oberflächlich
und auch einseitig auf das vorliegende Schließungskonzept
ein. Es geht bei weitem nicht nur um die Einbringung eines
Schutzfluids, das deutlich schwerer als Salzwasser ist,
sodass selbst bei Transportprozessen etwaige gelöste radio-
aktive Stoffe im Fluid unterhalb des Salzwassers Rich-
tung Erdmitte verbleiben. Sie fordern in Ihrem Antrag
die Bundesregierung auf, alle notwendigen Schritte ein-
zuleiten, um das Grubengelände zu stabilisieren. Gleich-
zeitig unterschlagen Sie aber,


(Jörg Tauss [SPD]: Was?)


dass die Einleitung des Schutzfluids genau die von Ihnen
geforderte Wirkung hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was ist mit dem Wasserzulauf? – Ulrich Kelber [SPD]: Wissen Sie, dass das physikalisch zu 100 Prozent gar nicht möglich ist?)


Sie unterschlagen auch, dass vielfältige weitere techni-
sche Maßnahmen vorgesehen sind, um die radioaktiven
Abfälle sicher zu lagern.


(Ulrich Kelber [SPD]: Eine Vorlesung in Fischer-Technik!)


Dazu gehören zum Beispiel die Verfüllung von Rest-
hohlräumen mit Salz, der Einbau von Magnesiumdepots
und der Bau von Strömungsbarrieren im Bereich der
Einlagerungskammern.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schmeißen wir den restlichen Abfall doch auch noch da rein!)


Hier sollten Sie offen und ehrlich argumentieren und
nicht durch Verschweigen und mit Berufung auf Dritte
unnötig Ängste und Schrecken erzeugen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal die Bevölkerung dort!)


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(C (D Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten im Rahmen er Endlagerforschung, die sich mit Wassereinbrüchen n Salzgestein beschäftigen, kommen zu Ergebnissen, ie Ihren Behauptungen diametral gegenüberstehen. Es st vielerorts gute bergbauliche Praxis, Probleme mit asserdurchlässigem Salzgestein auf diese Weise zu lö en. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig, aber ohne Atommüll im Bergbau!)


b dies in Asse geht, wird derzeit, wenn ich mich nicht
rre, amtlich geprüft.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist schon abgelehnt!)


Sie bestätigen das. – Über die Ergebnisse dieser Prü-
ung sollten wir uns dann unterhalten, wenn die Informa-
ionen vorliegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Als ich in Ihrem Antrag weiter unten von der Suche
ach dem bestmöglichen Standort gelesen habe, konnte
ch mich des Eindrucks nicht erwehren, Ihr Antrag ziele
eniger auf die Schachtanlage Asse als vielmehr auf den
chacht Konrad.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja!)


Was Sie hier vorschlagen, ist – Sie müssen entschul-
igen – wirklich grotesk. Wir haben mit Asse eine
chachtanlage mit radioaktiven Abfällen, deren Eignung

m Hinblick auf die endgültige Schließung derzeit ge-
rüft wird. Im Erfolgsfall wäre die Schachtanlage 2013
eschlossen, die Abfälle wären dauerhaft entsorgt; sozu-
agen: Klappe zu, Affe tot.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber hallo! Da ist mehr als der Affe tot!)


ch bin der Überzeugung, dass wir ein solches sicheres
ndlager brauchen, um radioaktive Abfälle dauerhaft

icher zu entsorgen. Wenn Asse sicher sein sollte, wenn
sse geeignet ist, dann besteht aus meiner Sicht auch
ein vernünftiger Grund mehr, weitere Mittel und Ener-
ie aufzuwenden, um unter Umständen weitere Stand-
rte zu finden, die gegebenenfalls auch geeignet oder
ventuell noch besser geeignet sind.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder genauso gut geeignet!)


ine solche Vorgehensweise mag vielleicht bei Paa-
ungswettbewerben pubertierender Teenager weit ver-
reitet sein;


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind wir aber beide nicht mehr!)


ür die Auswahl von Endlagern halte ich diese für frag-
ürdig.


(Ulrich Kelber [SPD]: Das fordern Sie aber von der Schweiz!)







(A) )



(B) )


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)

Ein Beispiel mag das deutlich machen: Eine Lande-
bahn muss das Gewicht des landenden Flugzeugs aus-
halten. Wenn die Prüfung dann ergibt: „Jawohl, die
Tragfähigkeit reicht aus“, dann muss man doch nicht
nach einer anderen Landebahn Ausschau halten, die
noch schwerere Flugzeuge aufnehmen kann. Das ist wi-
dersinnig; das macht keinen Sinn.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609129700

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schluss mit dem Paarungsverhalten!)


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Herr Präsident, das werde ich nach Ihrer Ermunterung

gern tun.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollten Sie jetzt sagen?)


2014 wäre voraussichtlich der früheste Zeitpunkt, an
dem die Vorbereitungen abgeschlossen werden könnten,
um die Abfälle überhaupt wieder an die Oberfläche zu
holen. Das kann man keinesfalls übers Knie brechen,
und das geht deshalb nicht von heute auf morgen.

Was wollen wir gemeinsam machen? Es macht Sinn,
Ihren Antrag im Ausschuss zu diskutieren.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gut!)


Das wäre der richtige Weg. Deswegen schlage ich vor,
diesen Antrag an den Ausschuss für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung zur federführenden Be-
ratung zu überweisen.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP] – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das wird er automatisch!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609129800

Die Kollegin Angelika Brunkhorst, FDP, hat ihre

Rede zu Protokoll gegeben.1)


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war nach der letzten Rede heute auch genug!)


Deswegen erteile ich jetzt Kollegen Jörg Tauss, SPD-
Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1609129900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Kollege Fischer, bei der Flugzeuggeschichte ist
mir gerade das Beispiel der Hummel eingefallen. Die hat

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1) Anlage 12

(C (D in Gewicht von 1,2 Gramm und eine Flügelfläche von ,75 Quadratzentimetern. Nach allen Regeln der Flugunst – Frau Kollegin Aigner kann das bestätigen – kann ieses Vieh nicht fliegen, und es fliegt trotzdem. Frau Kotting-Uhl, mir ist wirklich nicht nach Spaß umute. Ich weiß nicht, wie Sie zu dieser Annahme geommen sind. Wir sollten hier und heute Abend seriös arüber diskutieren. Es gibt besorgniserregende Zutände im sogenannten Forschungsendlager Asse. Die Bundesregierung, das Bundesministerium für Bilung und Forschung und das Bundesministerium für mwelt und Naturschutz, auch die örtlichen Behörden üssen dieses Thema selbstverständlich ernst nehmen. ie nehmen es auch ernst; das ist doch überhaupt keine rage. Wir wollen in der Tat sehr sorgfältig prüfen, ob diese rage nach Atomrecht und nicht nach Bergrecht geklärt erden muss. Eines aber muss auch klar sein: Es hilft ichts, wenn wir für die Klärung dieser Frage Jahre räuchten, während die Ängste der Menschen in dieser eit zunehmen und wir weiterhin Probleme in diesem ereich haben. Herr Kollege Fischer, Sie haben die Kernkraft und deen positives Wirken angesprochen. Am liebsten hätte ch Ihnen empfohlen: Gehen Sie einmal hin und baden ie darin! (Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: In der Kernkraft oder in der Asse?)


ieber Koalitionspartner, wir wissen ja, dass wir da un-
erschiedliche Auffassungen haben. Aber wenn es noch
ines Beweises bedurft hätte, wie fahrlässig – übrigens
uch heute noch – in weiten Teilen der Welt mit radioak-
ivem Müll, mit Kernkraft umgegangen wird, dann ist
sse II ein zentraler Beleg für den sorglosen Umgang
it den Risiken der Atomenergie. Da gibt es auch

ichts zu beschönigen.


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Dann informieren Sie sich einmal richtig über das Thema, bevor Sie hier solch einen Käse erzählen! Das ist ja peinlich!)


Natürlich informiere ich mich über das Thema; sonst
ürde ich, Kollege Fischer, diese Rede gar nicht halten
önnen. Voraussetzung dafür, eine Rede halten zu kön-
en, ist bei uns, dass man sich vorher informiert. Das ist
in Grundsatz.


(Beifall bei der SPD – Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Ist ja peinlich, was Sie hier abliefern! Lesen Sie das doch noch mal nach!)


Wir haben 125 000 Fässer.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Wer war denn damals in der Regierung? Meine Güte! Das darf doch wohl nicht wahr sein!)







(A) )



(B) )


Jörg Tauss
– Stellen Sie doch einmal eine Zwischenfrage. – Damals,
Kollege Fischer, gab es die feste Überzeugung, dass Tro-
ckenheit und Standortsicherheit gewährleistet sind.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Jetzt hören Sie endlich mal auf!)


– Ich weiß gar nicht, warum mein Wahlkreiskollege,
mein lieber Koalitionspartner, so herumrandaliert.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Könnt ihr nicht einen anderen Redner nehmen als diesen hier! Das ist ja unglaublich!)


– Das ist ja richtig gut heute Abend.

Seit Ende der 80er-Jahre, Kollege Fischer, haben wir
einen permanenten Laugenzutritt von 12,5 Kubikmetern
Salzlösung pro Tag. Dieser Laugenzutritt verschärft das
Problem. Das ist der Punkt.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Der muss doch von Wissenschaft ein bisschen Ahnung haben!)


Aus diesem Grunde muss man sagen, dass die anste-
hende Schließung des Bergwerkes und die Zukunft der
dort lagernden Abfälle mit großer Aufmerksamkeit be-
trachtet werden müssen.


(Beifall bei der SPD)


Kollege Fischer, da Sie das alles besser wissen, rege
ich an: Stellen Sie doch einmal einen Antrag im Aus-
schuss, dass das Bundesministerium für Bildung und
Forschung die Finanzierung der Forschungsarbeiten in
diesem Bereich einstellen möge. Dass wir daran for-
schen, zeigt, dass wir die Ängste der Bevölkerung ernst
nehmen, anstatt einen solchen Unfug zu erzählen, wie
Sie es heute Abend tun. Lassen Sie mich das einmal in
dieser Deutlichkeit sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


– Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht es bei uns im
Wahlkreis immer zu. Wir sind ein munteres Völkchen da
in Baden. Aber deswegen brauchen sich die anderen dort
hinten nicht auch noch aufzuregen.

Wir müssen also gucken, wie der materiell-inhaltliche
Unterschied zwischen einem Verfahren nach Atomrecht
und einem Verfahren nach Bergrecht ist und ob es dadurch
zu Verzögerungen kommt, das heißt, ob eine sorgfältige
Prüfung die Maßnahmen zur Sicherung des Forschungs-
bergwerks Asse II möglicherweise eher verzögert denn
fördert. Wenn sich das nicht verzögert, würde ich sagen,
dass man darüber reden kann.

Ich habe das Forschungsprojekt angesprochen.
Schwerpunkt ist bei uns selbstverständlich die Prüfung,
wie das Grubengebäude gesichert werden kann; das ist
völlig klar. Wir müssen uns angucken, wie die 100 000
Kubikmeter radioaktive Abfälle – das ist mein Dissens
möglicherweise auch zu den Grünen – herausgeholt wer-
den können oder ob es nicht tatsächlich besser wäre, sie
unten zu lassen

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(C (D (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn das besser ist, ist es okay!)


nd nach einem entsprechenden Verfahren zu suchen.
as sind in der Tat Punkte, über die man – auch wissen-

chaftlich – sprechen muss; denn auch das Öko-Institut
nd andere haben durchaus Bedenken, den Abfall he-
auszuholen.

Last, but not least, auch wenn wir alle uns über die
sse und das, was dort passiert, zu Recht aufregen: Die
eschichte ist eine Lehre für den Umgang mit riskanten
echnologien. Sie beweist, dass Kernkraft nicht verant-
ortbar ist, auch nicht in naher Zukunft. Aus diesem
runde sollten wir an der Koalitionsvereinbarung, die

inen Ausstieg aus dieser riskanten, nicht zu verantwor-
enden Technologie vorsieht, wie es auch mit der Kanz-
erin vereinbart ist, festhalten und im Übrigen nicht wei-
er Millionen von Euros für diesen alten Unfug
usgeben. In Karlsruhe haben wir auch einen Beweis.
erade brauchen wir wieder 50 Millionen für den Ab-
ruch unserer Wiederaufarbeitungsanlage. Nein, es ist
erantwortungslos. Die Zukunft liegt woanders. Trotz-
em muss man sich selbstverständlich um die Asse küm-
ern und die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Axel E. Fischer [KarlsruheLand] [CDU/CSU]: Bravo! Super!)


Jetzt haben Sie etwas gelernt; hervorragend.

(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Endlich habe ich Sie auf meiner Linie! Genau das habe ich auch gesagt! Spitze! Sie sind lernfähig, Herr Tauss!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609130000

Ich bin gespannt, ob es so temperamentvoll weiter-

eht. Deswegen erteile ich Kollegin Dorothée Menzner,
raktion Die Linke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1609130100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit

0 Jahren bin ich Niedersächsin. Aufgewachsen bin ich
n Südhessen, in Sichtweite des AKW Biblis. Mich be-
leitet die Atomenergie also schon ein Leben lang.

Gerade in Niedersachsen kommen wir um die Frage
es Zwischenlagers und Endlagers nicht herum. Selbst
enn wir sofort aus der Atomenergie aussteigen würden:
ir haben riesige Mengen atomaren Mülls, und noch ist

icht klar, wie wir diese sicher für Jahrtausende lagern
önnen. Nur, um einmal eine Vorstellung davon zu be-
ommen: Es ist gerade einmal 7 000 Jahre her, da liefen
nsere Vorfahren noch keulenschwingend durch die
älder.


(Lachen bei der FDP – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Manche tun es immer noch!)


Asse II als einziges atomares Endlager der Bundesre-
ublik macht das ganze Dilemma deutlich. Es wurde an-






(A) )



(B) )


Dorothée Menzner
gesprochen: 125 000 Fass schwachradioaktiver Müll sind
eingelagert, 1 300 Fass mittelradioaktiver, das Ganze als
Forschungsbergwerk deklariert, niemals atomrechtlich
genehmigt.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Richtig!)


Auch für die Schließung wurde kein atomrechtliches
Verfahren eingeleitet, obwohl der Niedersächsische
Landtag 2006 die Notwendigkeit eines solchen Verfah-
rens festgestellt hat. Weder – auch das muss ich jetzt ein-
mal sagen – Herr Gabriel noch Herr Trittin hat sich da in
der Vergangenheit mit Ruhm bekleckert.

Was wir derzeit in Asse II erleben, ist der GAU eines
Atommülllagers. Es gab in Asse immer Probleme durch
Wasserzutritt; aber seit 1988 sind sie akut. Seitdem tritt
kontinuierlich Lauge aus. Zeugen, die im Bergwerk wa-
ren und sich das angesehen haben, sagen: Da tropft es
nicht, sondern da rauscht das Wasser aus dem Berg. –
Die Austrittsstelle nähert sich immer mehr den Lager-
kammern an.

Zwar hat der Betreiber beteuert, das Lager sei sicher.
Aber jetzt muss er zugeben: So ganz sicher ist es wohl
nicht. Das, was uns immer als Langzeitsicherheit ver-
sprochen wurde, hat nicht einmal 20 Jahre gehalten. Da
stellt sich für mich schon die Frage, wie es mit der viel-
beschworenen Langzeitsicherheit von Schacht Konrad
und Gorleben aussieht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen das
Thema Atomkraft, egal wie wir zur derzeitigen Nutzung
stehen, nicht weiter als Glaubensfrage betrachten. Wir
müssen gemeinsam erreichen, dass die Forderungen des
AK End umgesetzt werden und dass die sicherste Lö-
sung Realität wird.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Maßgebend müssen wissenschaftliche Kriterien sein und
nicht die Frage der Kosten, der Durchsetzbarkeit oder ob
es der Atomlobby gefällt. In diesem Atommonopoly gilt
jetzt: Zurück auf Los, Kernkraft zügig abschalten – mir
wäre lieber, wenn das schneller geschehen würde, als es
bisher vereinbart ist – und vor allem nach wissenschaft-
lichen Kriterien die geeignetste Lagerstätte für die Ab-
fälle, die nun einmal da sind, finden.

Dies bedeutet ganz konkret für Asse II: Erstens. Ob
Rückholung, teilweise Rückholung oder Verbleib des
Mülls, es muss schnellstens untersucht werden, wie die
Strahlenlast für die Bevölkerung, für die Anwohner
möglichst gering gehalten werden kann. Zweitens. Es
dürfen keine Fakten geschaffen werden, die eine Rück-
holung perspektivisch unmöglich machen. Drittens. Es
müssen zügig weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des
rutschenden Berges ergriffen werden; auch das wurde
hier sehr anschaulich gezeigt. Viertens. Es muss endlich
– und vor allem schnell – ein atomrechtliches Planfest-
stellungsverfahren zur Schließung von Asse II eingelei-
tet werden.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Als Fazit bleibt mir nur zu sagen: Wir als Linke plä-
ieren für die Schließung der Asse nach Atomrecht und
icht nach Bergrecht. Dabei muss nach wissenschaftli-
hen Kriterien entschieden werden, was zu tun ist und
ie mit dem Atommüll umzugehen ist. Da muss ich lei-
er in Richtung der Grünen sagen: Die Forderung nach
iner sofortigen Rückholung ohne genaue vorherige Prü-
ung kommt mir sehr wie Aktionismus vor.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht so nicht drin! Noch mal lesen!)


ies würde abermals bedeuten, das Thema Atom als
laubensfrage zu behandeln. Ich möchte, dass wir auf-
rund konkreter wissenschaftlicher Untersuchungen ge-
einsam entscheiden, was das Sicherste und Unschäd-

ichste ist.

Danke.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609130200

Als letzter Redner hat Kollege Christoph Pries, SPD-

raktion, das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Christoph Pries (SPD):
Rede ID: ID1609130300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Die sogenannte Einrichtung zur Versuchsend-
agerung im ehemaligen Salzbergwerk Asse II ist ein
roblem. Im Versuchsendlager Asse II wurden zwischen
967 und 1978 durch die Betreibergesellschaft GSF rund
25 000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktiven Ab-
ällen eingelagert. Zum Zeitpunkt der Einlagerung hatte
ie Betreibergesellschaft öffentlich erklärt, dass das For-
chungsbergwerk sowohl langfristig trocken als auch
tandsicher sei. Diese Aussagen haben sich inzwischen
ls falsch erwiesen.


(Jörg Tauss [SPD]: Leider!)


Seit 1988 gibt es in der Asse einen Salzlaugenzufluss
on 12,5 Kubikmetern pro Tag. Dies stellt nach Auffas-
ung der Betreibergesellschaft ein unkalkulierbares Ri-
iko für die Stabilität des Grubengebäudes dar. Mit Blick
uf die Geschichte der Asse und die Fehlprognosen der
ergangenen 40 Jahre ist sehr gut nachvollziehbar, dass
ie Bevölkerung der umliegenden Gemeinden die
chließung des Bergwerkes mit großer Aufmerksamkeit
nd Sorge verfolgt.


(Beifall bei der SPD)


Die SPD-Bundestagsfraktion nimmt diese Sorgen und
öte der Bevölkerung sehr ernst.


(Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Nicht nur die SPD!)







(A) )



(B) )


Christoph Pries
Wir sind deshalb der Auffassung, dass unter den gegebe-
nen schwierigen Bedingungen die beste Lösung zum
Wohle der betroffenen Menschen gefunden werden
muss.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diese beste Lösung beinhaltet auch, dass die Prakti-
kabilität einer Rückholung unter sicherheits- und
strahlenschutztechnischen Aspekten kritisch geprüft
werden muss. Zentrale Fragen, die in diesem Zusam-
menhang beantwortet werden müssen, sind:

Erstens. Wie ist die Standsicherheit des Grubengebäu-
des zu beurteilen? Zweitens. Gibt es Möglichkeiten, die
Stabilität des Grubengebäudes zu erhöhen, um Zeit für
eine mögliche Rückholung der radioaktiven Abfälle zu
gewinnen? Drittens. Wie hoch ist die Gefahr, dass ohne
eine sofortige Schließung des Grubengebäudes eine Ver-
füllung und ordnungsgemäße Schließung durch stei-
gende Laugenzuflüsse verhindert wird? Viertens. In wel-
cher Relation steht dieses Gefahrenpotenzial im
Vergleich zu den Langzeitrisiken der vorgesehenen
Schließung ohne Rückholung der Abfälle?

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
finanziert im Rahmen der Projektbegleitung eine Ausar-
beitung zur Rückholbarkeit der eingelagerten radioakti-
ven Abfälle. Es erfüllt damit eine langjährige Forderung
der betroffenen Bevölkerung. Die Bundestagsfraktion
der SPD begrüßt dies ausdrücklich.


(Beifall bei der SPD)


Die Betreibergesellschaft hat inzwischen ein Lang-
zeitsicherheitskonzept für die Schließung des Bergwer-
kes Asse II erstellt und den zuständigen Behörden zur
Prüfung zugeleitet. Unabhängig von der Frage, ob
Atomrecht oder Bergrecht gilt, dürfen die Prüfungsmaß-
stäbe des vorgesehenen bergrechtlichen Verfahrens nicht
hinter den atomrechtlichen zurückbleiben.


(Jörg Tauss [SPD]: Richtig!)


Gleiches gilt für die Transparenz des Verfahrens.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dazu zählt meiner Meinung nach auch, dass nach der
vorgesehenen Schließung des Bergwerkes ohne Rückho-
lung der eingelagerten Abfälle in jedem Fall eine regel-
mäßige Umgebungsüberwachung erfolgen muss.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das hat doch das BMBF zugesagt!)


Mögliche Gefahren für die Bevölkerung müssen
rechtzeitig erkannt werden. Hierzu hat mir die Bundes-
ministerin für Bildung und Forschung im Juli 2006 Fol-
gendes mitgeteilt: Die Betreibergesellschaft wird ge-
meinsam mit dem Bundesamt für Strahlenschutz die
Thematik der Umgebungsüberwachung erörtern. Ziel ist
es, ein einheitliches Vorgehen bei der Schließung der
Schachtanlage Asse und des Endlagers Morsleben abzu-
stimmen. Das begrüße ich ausdrücklich.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU])


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1)

(C (D Abschließend möchte ich feststellen, dass uns gerade ie Probleme, die wir mit dem sogenannten Versuchsndlager Asse II haben, eine Mahnung sein sollen, eine ahnung, dass es bei der Endlagerung aller radioaktiven bfälle nicht in erster Linie um Schnelligkeit geht. Es ommt vielmehr auf die richtige Auswahl an. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 16/4771 an die in der Tagesordnung aufge ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist edoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und der PD wünschen Federführung beim Ausschuss für Bilung, Forschung und Technikfolgenabschätzung; die raktion des Bündnisses 90/Die Grünen wünscht Federührung beim Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und eaktorsicherheit. Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der raktion des Bündnisses 90/Die Grünen abstimmen. Wer timmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Überweisungsorschlag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD egen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der raktionen der CDU/CSU und der SPD – also über eine berweisung an den Forschungsausschuss – abstimmen. er stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Überweisungsorschlag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD egen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenomen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Marieluise Beck Beck Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Politische Lösungen sind Voraussetzung für Frieden in Somalia – Drucksache 16/4759 – Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Die Kollegen Anke Eymer arina Schuster, Norman Paech und Uschi Eid haben hre Reden zu Protokoll gegeben.1)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1609130400

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/4759 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-

Anlage 13






(A) (C)



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse

verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 25:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Lutz
Heilmann, Dorothée Menzner, Heidrun Bluhm,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
LINKEN

Kein Bau einer festen Fehmarnbelt-Que-
rung – Fährkonzept verbessern

– zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder
Steenblock, Winfried Hermann, Dr. Anton
Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Statt fester Fehmarnbelt-Querung – Für ein
ökologisch und finanziell nachhaltiges Ver-
kehrskonzept

– Drucksachen 16/3668, 16/3798, 16/4630 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Gero Storjohann

Die Kollegen Gero Storjohann, Hans-Joachim
Hacker, Patrick Döring, Lutz Heilmann und Rainder
Steenblock haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)

Damit kommen wir zur Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf
Drucksache 16/4630.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksache 16/4630 die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Druck-
sache 16/3668 mit dem Titel „Kein Bau einer festen Feh-
marnbelt-Querung – Fährkonzept verbessern“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der
FDP gegen die Stimmen der Linksfraktion und der Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/4630 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung
des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
auf Drucksache 16/3798 mit dem Titel „Statt fester Feh-
marnbelt-Querung – Für ein ökologisch und finanziell
nachhaltiges Verkehrskonzept“. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der glei-
chen Mehrheit wie zuvor angenommen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages ein auf morgen, Freitag, den 30. März, 9 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen eine
ruhige Nacht.
1) Anlage 14
(D