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ID1609122000

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    Vokabeln: 1
    1. \n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/91 Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Michael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Bosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Wolfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . Thomas Rachel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Julia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9122 C 9124 D 9126 D 9128 A 9129 B 9130 C 9131 A 9131 C 9144 A 9145 C 9146 D 9147 D 9148 D 9149 D 9151 B 9152 B 9153 B Deutscher B Stenografisch 91. Sitz Berlin, Donnerstag, d I n h a l Wahl des Abgeordneten Hermann-Josef Scharf als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 26 c und 33 b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Tagesordnungspunkt 3: Vereinbarte Debatte: Patientenverfügungen Joachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . J O D H J R D D D 9119 A 9119 B 9120 A 9120 A 9120 C (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . . 9132 C 9133 D undestag er Bericht ung en 29. März 2007 t : osef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . laf Scholz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ené Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hans Georg Faust (CDU/CSU) . . . . . . . . etlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 9135 A 9136 A 9137 B 9138 C 9139 C 9140 C 9141 C 9142 C 9143 B Dr. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Daniela Raab (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 9154 B 9155 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Rolf Stöckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Bundeswahlgesetzes (Drucksache 16/1036) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 15. Dezem- ber 2003 über Politischen Dialog und Zusammenarbeit zwischen der Europäi- schen Gemeinschaft und ihren Mit- gliedstaaten einerseits und der Repu- blik Costa Rica, der Republik El Salvador, der Republik Guatemala, der Republik Honduras, der Republik Nicaragua und der Republik Panama andererseits (Drucksache 16/4716) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum Schutz vor Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland durch das Verbreiten von hochwertigen Erdfernerkundungsda- ten (Satellitendatensicherheitsgesetz – SatDSiG) (Drucksache 16/4763) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Zwei- ten Gesetzes zum Abbau bürokrati- scher Hemmnisse insbesondere in der mittelständischen Wirtschaft (Drucksache 16/4764) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dorothée Menzner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Drucksache 16/4858) . . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Peter Hettlich, Christine Scheel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Zügig Grundsteuerreform auf den Weg bringen (Drucksache 16/1147) . . . . . . . . . . . . . . . . g h i j k l m 9156 A 9157 A 9158 B 9158 B 9158 C 9158 C 9158 D 9158 D ) Antrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, Margareta Wolf (Frankfurt) und der Frak- tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN: Reformpartnerschaften mit Af- rika intensivieren – Afrika muss auf die Tagesordnung des G-8-Gipfels in Deutschland 2007 (Drucksache 16/2651) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Das Internationale Polarjahr 2007/2008 und Konsequenzen für eine deutsche Beteiligung (Drucksache 16/4454) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Alexander Ulrich, Monika Knoche, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Keine Unterstützung von Militäreinsätzen aus dem Europäi- schen Entwicklungsfonds (Drucksache 16/4490) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Lothar Bisky, Cornelia Hirsch, Dr. Lukrezia Jochimsen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Einrichtung des Europäischen Technologieinstituts ver- hindern (Drucksache 16/4625) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Dr. Thea Dückert, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mit Mitteln des Europäischen Sozial- fonds Migrantinnen und Migranten so- wie Personen fördern, die Asyl bzw. in- ternationalen Schutz erhalten oder beantragt haben (Drucksache 16/4772) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Gudrun Kopp, Birgit Homburger, Markus Löning, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Bürokratie abbauen – Zeitumstel- lung abschaffen und Sommerzeit per- manent einführen (Drucksache 16/4773) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Ingbert Liebing, Marie-Luise Dött, Katherina Reiche (Pots- dam), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Christoph Pries, Marco Bülow, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz der Wale sicherstellen (Drucksache 16/4843) . . . . . . . . . . . . . . . 9159 A 9159 A 9159 B 9159 B 9159 B 9159 C 9159 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 III n) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationaler Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der Bundesrepublik Deutschland 2004 (Drucksache 15/5205) . . . . . . . . . . . . . . . . o) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Dritter Versorgungsbericht der Bun- desregierung (Drucksache 15/5821) . . . . . . . . . . . . . . . . p) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Erfahrungsbericht der Bundes- regierung über die Durchführung des Stammzellgesetzes (Zweiter Stammzell- bericht) (Drucksache 16/4050) . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Peter Hettlich, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Energieeinsparung zügig verabschieden – Energieausweis als Bedarfsausweis ein- führen (Drucksache 16/4787) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Marina Schuster, Dr. Werner Hoyer, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Katastrophe in Simbabwe verhindern (Drucksache 16/4859) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: a) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkom- mens vom 5. Oktober 1973 über die Erteilung europäischer Patente (Eu- ropäisches Patentübereinkommen) (Drucksachen 16/4375, 16/4877) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Akte vom 29. November 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Pa- tente (Drucksachen 16/4382, 16/4877) . . . . c d e f g Z a 9159 D 9159 D 9160 A 9160 A 9160 A 9160 B 9160 C ) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Kerstin Andreae, Christine Scheel, Dr. Gerhard Schick, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Für starke und handlungsfähige Kommunen (Drucksachen 16/371, 16/2501) . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr. Volker Wissing, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Mehrwertsteuersatz für apothe- kenpflichtige Arzneimittel (Drucksachen 16/3013, 16/3164) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Winfried Nachtwei, Alexander Bonde, Jürgen Trittin, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Waffen unter Kontrolle – Für eine umfassende Be- grenzung und Kontrolle des Handels mit Kleinwaffen und Munition (Drucksachen 16/1967, 16/3875) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Horst Friedrich (Bayreuth), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der FDP: Beleuch- tete Dachwerbeträger auf Taxen zulas- sen (Drucksachen 16/3050, 16/4597) . . . . . . . ) – l) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 195, 196, 197, 198, 199 und 200 zu Petitionen (Drucksachen 16/4751, 16/4752, 16/4753, 16/4754, 16/4755, 16/4756) . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 4: ) – i) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208 und 209 zu Petitionen (Drucksachen 16/4866, 16/4867, 16/4868, 16/4869, 16/4870, 16/4871, 16/4872, 16/4873, 16/4874) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9160 D 9161 A 9161 B 9161 C 9161 C 9162 B IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktio- nen der CDU/CSU und SPD: Die aktuelle Lage der Menschenrechte in Simbabwe Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brunhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Sibylle Laurischk, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Unterhaltsrecht ohne weiteres Zögern sozial und verantwor- tungsbewusst den gesellschaftlichen Rah- menbedingungen anpassen (Drucksachen 16/891, 16/4860) . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . T B s n – – – – ( 1 A U D C K M K 9163 A 9164 A 9165 B 9166 A 9167 A 9168 C 9169 D 9170 C 9171 C 9172 C 9173 D 9174 A 9175 A 9175 B 9176 C 9179 B 9180 B 9181 D 9183 A 9184 A agesordnungspunkt 5: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Bildung, Forschung und Tech- ikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Grütters, Ilse Aigner, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Jörg Tauss, Nicolette Kressl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Hoch- schulpakt erfolgreich umsetzen zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken) und der Fraktion der LIN- KEN: Hochschulpakt 2020 – Kapazi- tätsausbau und soziale Öffnung zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Priska Hinz (Her- born), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Hochschulpakt 2020 zum Erfolg bringen – Studienplätze bedarfs- gerecht und zügig ausbauen zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Barth, Cornelia Pieper, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Qualität der Hochschul- lehre sichern – den Hochschulpakt 2020 erfolgreich abschließen und weiterent- wickeln Drucksachen 16/4563, 16/3278, 16/3281, 6/3290, 16/4875) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . we Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . ornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . laus Hagemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 9185 A 9185 C 9187 A 9188 B 9189 D 9191 B 9192 D 9194 B 9195 C 9196 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 V Tagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente und der Durchführungsrichtlinie der Kommis- sion (Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungs- gesetz) (Drucksachen 16/4028, 16/4037, 16/4883, 16/4899) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: a) Antrag der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Nešković, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN- KEN: Grundsätzliche Überprüfung der Abschiebungshaft, ihrer rechtlichen Grundlagen und der Inhaftierungspra- xis in Deutschland (Drucksache 16/3537) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Humanitäre Standards bei Rückführungen achten (Drucksache 16/4851) . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Helmut Brandt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . Reinhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T a b H M C D H T a b S P A M E 9197 B 9197 C 9198 D 9200 A 9201 C 9202 B 9203 B 9203 B 9203 C 9204 D 9206 C 9207 C 9208 B 9208 D 9209 B 9210 D agesordnungspunkt 8: ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der ERP- Wirtschaftsförderung (ERP-Wirtschafts- förderungsneuordnungsgesetz) (Drucksache 16/4664) . . . . . . . . . . . . . . . ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sonderver- mögens für das Jahr 2007 (ERP-Wirt- schaftsplangesetz 2007) (Drucksachen 16/4376, 16/4881) . . . . . . . artmut Schauerte, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristian Lange (Backnang) (SPD) . . . . . . . . r. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . ans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 9: ) Antrag der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Sylvia Kotting-Uhl, Cornelia Behm, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Sicher- heit geht vor – Besonders terroranfäl- lige Atomreaktoren abschalten (Drucksache 16/3960) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Hans-Josef Fell, Dr. Reinhard Loske, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Schnelle Einführung innovativer erneu- erbarer Energien nur mit Atomausstieg – Ablehnung der Laufzeitverlängerung für Biblis A ein richtiger Schritt (Drucksache 16/4770) . . . . . . . . . . . . . . . ylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hilipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ngelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . arco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . va Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . 9211 D 9212 A 9212 B 9214 A 9215 A 9216 C 9217 C 9218 A 9218 D 9218 D 9219 D 9221 A 9222 A 9223 C 9224 C VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Horst Meierhofer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Reinhold Hemker, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Nationale Natur- landschaften – Chancen für Natur- schutz, Tourismus, Umweltbildung und nachhaltige Regionalentwicklung (Drucksachen 16/3298, 16/4269) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Cornelia Behm, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Natur- parke – Chancen für Naturschutz und Regionalentwicklung konsequent nut- zen (Drucksachen 16/3095, 16/4278) . . . . . . . Ernst Hinsken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Jens Ackermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . Reinhold Hemker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem An- trag der Abgeordneten Daniel Bahr (Münster), Heinz Lanfermann, Dr. Konrad Schily, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ausgleich für neue Arbeitszeitmodelle in Krankenhäusern vorziehen (Drucksachen 16/670, 16/4596) . . . . . . . . Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D W F D E T B a B T B s ( B G J J G S T A K A I P s ( K P H G B 9225 C 9226 C 9227 A 9227 B 9227 C 9228 D 9229 C 9230 C 9231 B 9232 B 9233 B 9233 C aniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . illi Zylajew (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . r. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ike Hovermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 12: eschlussempfehlung und Bericht des Innen- usschusses zu der Unterrichtung durch den undesbeauftragten für den Datenschutz: ätigkeitsbericht 2003 und 2004 des undesbeauftragten für den Daten- chutz – 20. Tätigkeitsbericht – Drucksachen 15/5252, 16/4882) . . . . . . . . . . eatrix Philipp (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . isela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . örg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . ilke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 13: ntrag der Abgeordneten Katja Kipping, ornelia Möller, Dr. Barbara Höll, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: nnovative Arbeitsförderung ermöglichen – rojektförderung nach § 10 SGB III zulas- en Drucksache 16/3889) . . . . . . . . . . . . . . . . . . atja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . eter Rauen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Katja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . einz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . abriele Lösekrug-Möller (SPD) . . . . . . . . . rigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9234 A 9235 B 9236 A 9237 A 9238 B 9239 A 9240 B 9240 D 9241 A 9242 D 9244 A 9246 A 9247 A 9247 C 9248 C 9248 D 9249 D 9250 C 9252 A 9253 A 9254 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 VII Tagesordnungspunkt 14: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ab- satzfondsgesetzes und des Holzabsatz- fondsgesetzes (Drucksachen 16/4692, 16/4876) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes (Drucksachen 16/4149, 16/4876) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abge- ordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Indigene Völker – Ratifizierung des Übereinkommens der In- ternationalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen le- bende Völker in unabhängigen Staaten (Drucksachen 16/1971, 16/4838) . . . . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Ver- besserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR (Drucksache 16/4842) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Schneider (Saarbrücken), Petra Pau, Dr. Gesine Lötzsch und der Fraktion der LINKEN eingebrachten Entwurfs ei- nes Dritten Gesetzes zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif- ten für politisch Verfolgte im Beitritts- gebiet und zur Einführung einer Opfer- rente (Opferrentengesetz) (Drucksache 16/4846) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Carl-Christian Dressel (SPD) . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V W T A t w F z B ( T A K A G d g ( T A ( B t D f ( T A K A Ö l c ( T a 9255 C 9255 C 9256 A 9256 B 9257 B 9257 C 9257 D 9259 A olker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 17: ntrag der Abgeordneten Daniel Bahr (Müns- er), Paul K. Friedhoff, Heinz Lanfermann, eiterer Abgeordneter und der Fraktion der DP: Umlageverfahren U1 zur Entgeltfort- ahlung im Krankheitsfall auf freiwillige asis stellen Drucksache 16/2674) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 18: ntrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, laus Ernst, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: esetz zum Ausgleich behinderungsbe- ingter Nachteile vorlegen (Nachteilsaus- leichsgesetz – NAG) Drucksache 16/3698) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: ntrag der Abgeordneten Marieluise Beck Bremen), Volker Beck (Köln), Birgitt ender, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: ie EU-Zentralasienstrategie mit Leben üllen Drucksache 16/4852) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 20: ntrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, atrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: ffentlichen Verkehr in den neuen Bundes- ändern nicht gefährden – Verkehrsflä- henbereinigungsgesetz verlängern Drucksache 16/4856) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: ) Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Dr. Gerhard Schick, Silke 9261 B 9262 B 9263 A 9264 A 9264 B 9294 C 9264 C VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Stokar von Neuforn, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: SWIFT-Fall auf- klären – Datenschutz im internationa- len Zahlungsverkehr wieder herstellen (Drucksache 16/4066) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Volker Wissing, Jens Ackermann, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – Zugriff US-amerikanischer Stellen auf SWIFT-Daten unverzüglich stoppen und Vorgang umfassend auf- klären (Drucksache 16/4184) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien sicherstellen (Drucksache 16/4853) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Ra- tes über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verord- nung (EG) Nr. 726/2004 (inkl. 15023/05) ADD 1 KOM (2005) 567 endg.; Ratsdok. 15023/05 (Drucksachen 16/419 Nr. 2.7, 16/2182) . . Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Renate Künast, Fritz Kuhn und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine Schließung des Forschungsendlagers Asse II unter Atomrecht und eine schnelle Rückholung der Abfälle (Drucksache 16/4771) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D C T A M ( t P f ( T B s l – – N A L A Z P p V D O N 9264 D 9265 A 9265 B 9265 B 9265 D 9266 A 9267 A 9269 B orothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . hristoph Pries (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 24: ntrag der Abgeordneten Dr. Uschi Eid, arieluise Beck (Bremen), Volker Beck Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- ion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: olitische Lösungen sind Voraussetzung ür Frieden in Somalia Drucksache 16/4759) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 25: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Verkehr, Bau und Stadtentwick- ung zu dem Antrag der Abgeordneten Lutz Heilmann, Dorothée Menzner, Heidrun Bluhm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Kein Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung – Fähr- konzept verbessern zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Statt fester Fehmarnbelt- Querung – Für ein ökologisch und fi- nanziell nachhaltiges Verkehrskonzept (Drucksachen 16/3668, 16/3798, 16/4630) ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: atientenverfügungen (Tagesordnungs- unkt 3) olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) . . . . . . tto Fricke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . orbert Geis (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 9270 D 9271 D 9272 D 9273 C 9273 D 9275 A 9275 A 9275 D 9276 C 9278 D Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 IX Heinz-Peter Haustein (FDP) . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatz- fondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 14) Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Indigene Völker – Ratifizierung des Übereinkommens der Internationalen Ar- beitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen lebende Völker in unabhän- gigen Staaten (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ver- besserung rehabilitierungsrechtlicher Vor- schriften für Opfer der politischen Verfol- gung in der ehemaligen DDR – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ver- besserung rehabilitierungsrechtlicher Vor- ( S A Z d g l M J H F B A Z d r a p H S J D M A Z d m M J H D 9279 D 9280 C 9282 D 9283 C 9284 A 9285 B 9287 A 9287 B 9288 A 9289 B 9290 B 9291 C 9292 D 9293 B schriften für politisch Verfolgte im Bei- trittsgebiet und zur Einführung einer Opferrente (Opferrentengesetz) Tagesordnungspunkt 16 a und b) abine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Umlageverfahren U1 zur Ent- eltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwil- ige Basis stellen (Tagesordnungspunkt 17) ax Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ella Teuchner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . einz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . irgitt Bender (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Gesetz zum Ausgleich behinde- ungsbedingter Nachteile vorlegen (Nachteils- usgleichsgesetz – NAG) (Tagesordnungs- unkt 18) ubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . ilvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . örg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Die EU-Zentralasienstrategie it Leben füllen (Tagesordnungspunkt 19) anfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ohannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . arald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 9294 A 9294 C 9295 C 9296 C 9297 B 9298 B 9298 D 9299 D 9301 D 9303 B 9304 C 9305 D 9307 B 9308 C 9309 B X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Öffentlichen Verkehr in den neuen Bundesländern nicht gefährden – Ver- kehrsflächenbereinigungsgesetz verlängern (Tagesordnungspunkt 20) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – SWIFT-Fall aufklären – Datenschutz im internationalen Zahlungsverkehr wieder herstellen – Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – Zugriff US-amerikanischer Stellen auf SWIFT-Daten unverzüglich stoppen und Vorgang umfassend aufklären (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Antrag: Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien si- cherstellen – ( H D M F D A Z A e s n A A Z d r o A B M D D A Z d d – 9310 A 9311 B 9312 B 9313 C 9314 C 9315 A 9315 D 9316 C 9317 A 9318 C 9320 A 9320 B Beschlussempfehlung und Bericht zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien und zur Änderung der Richtli- nie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (inkl. 15023/05) ADD 1 Tagesordnungspunkt 22 a und b) ubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Marlies Volkmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . rank Spieth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . r. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 12 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntrags: Für eine Schließung des Forschungs- ndlagers Asse II unter Atomrecht und eine chnelle Rückholung der Abfälle (Tagesord- ungspunkt 23) ngelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . nlage 13 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Politische Lösungen sind Vo- aussetzung für Frieden in Somalia (Tages- rdnungspunkt 24) nke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . runhilde Irber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . arina Schuster (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 14 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts zu en Anträgen: Kein Bau einer festen Fehmarnbelt-Que- rung – Fährkonzept verbessern 9321 C 9322 B 9323 B 9324 B 9325 A 9325 D 9326 D 9328 A 9329 A 9330 A 9330 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 XI – Statt fester Fehmarnbelt-Querung – Für ein ökologisch und finanziell nachhaltiges Verkehrskonzept (Tagesordnungspunkt 25) Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Hacker (SPD) . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .9331 D 9332 D 9334 B 9335 B 9336 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9119 (A) ) (B) ) 91. Sitz Berlin, Donnerstag, d Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9275 (A) ) (B) ) genannte irreversible tödliche Krankheiten? Was nütztMargareta DIE GRÜNEN Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten A „ M F a m h W D n u d K F s l g W n s k A h o l g t p b g S J t e t l M A D s g m s k Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich von Bismarck, Carl-Eduard CDU/CSU 29.03.2007 Bulmahn, Edelgard SPD 29.03.2007 Burchardt, Ulla SPD 29.03.2007 Dreibus, Werner DIE LINKE 29.03.2007 Ernstberger, Petra SPD 29.03.2007 Friedhoff, Paul K. FDP 29.03.2007 Gabriel, Sigmar SPD 29.03.2007 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 29.03.2007 Griefahn, Monika SPD 29.03.2007 Hilsberg, Stephan SPD 29.03.2007 Kolbe, Manfred CDU/CSU 29.03.2007 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 29.03.2007 Dr. Lötzsch, Gesine DIE LINKE 29.03.2007 Lopez, Helga SPD 29.03.2007 Merten, Ulrike SPD 29.03.2007 Raidel, Hans CDU/CSU 29.03.2007 Roth (Esslingen), Karin SPD 29.03.2007 Runde, Ortwin SPD 29.03.2007 Schily, Otto SPD 29.03.2007 Seehofer, Horst CDU/CSU 29.03.2007 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.03.2007 Thönnes, Franz SPD 29.03.2007 Weisskirchen (Wiesloch), Gert SPD 29.03.2007 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 29.03.2007 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 29.03.2007 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht nlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Patientenverfügungen (Tages- ordnungspunkt 3) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des enschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Die rage des Psalmisten, was den Menschen – und damit uch seinen Willen – denn ausmacht, ist Ausgangspunkt einer Überlegungen und meiner Zweifel an der Sinn- aftigkeit einer neuen gesetzlichen Regelung für die irksamkeit und Reichweite einer Patientenverfügung. ie Frage ist: Sind wir immer derselbe Mensch? Oder ist icht vielmehr richtig, dass die Welt sich ändert und wir ns in ihr? Meine Erfahrung aus über sechs Jahren Tätigkeit in er Altenpflege ist, dass Menschen aus Angst vor rankheit und Behinderung den Wunsch äußern, für den all einer bestimmten Einschränkung ihrer Gesundheit terben zu wollen. Als manche dieser Menschen tatsäch- ich in die Situation kamen, dass ihre Gesundheit so ein- eschränkt war, äußerten sie auf einmal einen aktuellen illen zum Leben. Sie konnten ihrem Leben mit all sei- en Einschränkungen genügend abgewinnen, was sie ich noch als Gesunde nicht vorstellen konnten. Vor diesem Hintergrund bin ich von der Notwendig- eit eines neuen Gesetzes noch nicht überzeugt. Jede nordnung oder Unterlassung einer medizinischen Be- andlung muss sich am aktuellen Willen des Patienten rientieren. Alles andere ist mindestens eine Körperver- etzung. Auf jeden Fall darf eine Regelung nicht einen vergan- enen Willen eins zu eins für den aktuellen Willen hal- en. Man würde sich sonst über einen zentralen Gesichts- unkt des Menschseins hinwegsetzen. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Bei der De- atte um Patientenverfügungen sollten wir uns von zwei anz grundlegenden Werten leiten lassen: von der elbstbestimmung und von der Würde des Menschen. eder Mensch sollte die Möglichkeit haben, in jeder Si- uation möglichst selbstbestimmt zu handeln. Das zum inen. Zum anderen sollte jeder Mensch in jeder Situa- ion, also auch bei Krankheit – egal, wie lebensbedroh- ich diese ist –, seine Würde bewahren dürfen. Diesen aßstab setzt allein schon das Grundgesetz in seinem rt. 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. iese beiden Aspekte gehören für mich untrennbar zu- ammen. Was hat es für einen Sinn, in einer Patientenverfü- ung selbstbestimmt und rechtlich klar festzulegen, dass an beispielsweise bei unheilbarer Krankheit in Würde terben will, wenn diese Verfügung keine bindende Wir- ung entfaltet? Oder wenn sie eingeschränkt ist auf so- 9276 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) eine Verfügung, wenn der Arzt den klaren Willen des Pa- tienten mehr als eine Kann-Bestimmung betrachtet? Oder wenn die Verwandtschaft über ein Vormund- schaftsgericht den Willen des Patienten leicht aushebeln kann? Bei der Frage, wie verbindlich eine Patientenverfü- gung sein soll, gibt es meiner Ansicht nach einen Rege- lungsbedarf. Hier ist der Gesetzgeber gefordert. Es geht nicht darum, dass sich Politiker „in jede Sterbesituation“ einmischen wollen, wie mancher Verbandsvertreter wet- tert – nein, es geht darum, einen rechtlichen Rahmen zu setzen, der einen selbstbestimmten und würdevollen Umgang der Betroffenen mit ihrem eigenen Schicksal ermöglicht. Das schafft nicht nur für die Patienten Klar- heit, sondern auch für Ärztinnen und Ärzte. Auch diese brauchen Rechtssicherheit. Man sollte hier allerdings nicht zu viel vom Gesetzge- ber erwarten. Krankheit und Sterben sind sehr individu- elle Vorgänge. Auch gesetzlich geregelte Patientenverfü- gungen werden nicht alle Wechselfälle des Lebens voraussehen und erfassen können. Gerade auf diesem so sensiblen Feld menschlichen Lebens brauchen wir einen humanen Umgang mit Kranken und Sterbenden. Dazu gehört, deren Wille zu respektieren. Und wenn ich mir hier eine persönliche Bemerkung erlauben darf: Ich zum Beispiel will nicht bis an mein Lebensende an Apparaten dahinvegetieren. Natürlich kann es passieren – und es passiert sicher jeden Tag –, dass Kranke sich schon aufgegeben haben und das Weiterleben für sinnlos halten. Dabei bestünde ärztlicherseits durchaus noch die Chance zu einer Ver- besserung ihrer Lage. In diesem Punkt halte ich – bevor eine Patientenverfügung verfasst wird – die ausführliche Beratung durch den behandelnden Arzt oder den Arzt des Vertrauens für wichtig. Damit diese Beratung nicht an finanziellen Problemen scheitert, ist es unter Umstän- den überlegenswert, diese über die Krankenkassen abre- chenbar zu gestalten. Ergänzend zur Patientenverfügung sollte weiterhin die Möglichkeit zu einer Vorsorgevollmacht bestehen. Diese sollte aber nicht so gestaltet sein, dass der in der Patientenverfügung niedergelegte Wille des Patienten letztlich ausgehebelt werden kann. Zu achten ist meiner Ansicht nach auch auf gewisse zeitliche Nähe. Heutzutage werden schon in jungen Jah- ren Patientenverfügungen verfasst, die festlegen, was möglicherweise erst ab jenseits des 50. Lebensjahres eintritt. Eine Notwendigkeit, vorsorgliche Patientenver- fügungen beispielsweise alle zehn Jahre zu erneuern, schützt Menschen, die ihre Meinung im Laufe des Le- bens ändern, vor unbeabsichtigten Folgen. Die Einschränkung der Patientenverfügung auf irre- versible Leiden, die mit an Sicherheit grenzender Wahr- scheinlichkeit zum Tode führen, ist unlogisch und unak- zeptabel. Die Maßstäbe dessen, was irreversibel ist, können sich schon morgen ändern, dann ist auch die Pa- tientenverfügung hinfällig. Die Einschränkung über- sieht darüber hinaus, dass Menschen auch aus anderen Gründen als unheilbar tödlichen Krankheiten ihrer Fä- h d W l h s s Z n r l e w u T D F D m v s w n s h n h u I w D r a w S M h l d R g d n F s g u p d S m (C (D igkeit beraubt werden können, ihren Willen gegenüber en Ärzten klar zu äußern. Das betrifft beispielsweise achkomapatienten oder psychisch Erkrankte. Der Umgang mit Patientenverfügungen ist ein sensib- es Thema. Wir sollten gemeinsam sorgsam damit umge- en. Otto Fricke (FDP): Alles hat seine Zeit. Reden hat eine Zeit, Schweigen hat seine Zeit. Debattieren hat eine Zeit, Beschließen hat seine Zeit. Lieben hat seine eit, Geliebt werden hat seine Zeit. Verantwortung über- ehmen hat seine Zeit, Loslassen hat seine Zeit. Gebo- enwerden hat seine Zeit, und Sterben hat seine Zeit. Die Lebenserwartung von uns Menschen ist in den etzten Jahrzehnten drastisch gestiegen – dennoch ist sie ndlich, und auch das Sterben hat stets seine Zeit. Doch ie erkennen wir für uns, für unsere Angehörigen, für nsere Patienten, wann es an der Zeit ist, zu sterben, den od zu erwarten und ihm nichts mehr entgegenzusetzen? er vorsorglich dokumentierte Wille des Betroffenen, in orm einer Patientenverfügung, ist dabei sehr hilfreich. eswegen ist mir dieses Thema wichtig, und ich mache ich seit langem für eine möglichst klare und möglichst erlässliche, gesetzliche Regelung stark. Doch sollte die- er hinterlegte Wille, der in einer Situation erklärt urde, die der Betroffene mit all seinen Umständen och gar nicht kannte, die einzige und alleinige Ent- cheidungsgrundlage sein? Es ist nicht an mir, mich heute zu offenbaren. Ich abe mich längst positioniert: Welcher Position ich zu- eige, können Sie aus dem Rubrum eines Antrages erse- en, der ihnen vorliegt. Das mindert die Überraschung nd räumt mir doch gleichsam ein Privileg ein: Ich habe hnen heute nicht zu erklären, was ich denke, sondern, arum ich es denke. Das will ich tun. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich werbe in dieser ebatte für die Selbstbestimmung des Menschen und ede nicht gegen sie. Ich werbe für sie als Abgeordneter, ls Familienvater, als Liberaler und – ich sage das be- usst – als Christ. Doch ich werbe auch dafür, dass wir elbstbestimmung nicht reduzieren auf das, was ein ensch in einem Moment will, und nicht schon darin se- en, was ein Mensch in einem Moment einmal schrift- ich niedergelegt hat. Die Frage, um die es heute geht, ist zu schwierig, als ass sie einfache Rechnungen erlaubte. Die einfachste echnung ist diese: Je weiter Patientenverfügungen zu- elassen werden und je unbedingter sie Beachtung fin- en, umso mehr ist dem Selbstbestimmungsrecht Ge- üge getan. In diesem Freiheitsverständnis liegt ein ehlschluss. Meine Überzeugung ist: Es ist gerade das Selbstbe- timmungsrecht, das dazu mahnt, sorgsam mit Verfügun- en umzugehen, ihre Reichweite bedacht zu begrenzen nd ihre Verbindlichkeit verständig zu deuten. Das mag aradox erscheinen: Da redet einer für eine Begrenzung er äußeren Selbstbestimmung im Namen der inneren elbstbestimmung. Da spricht einer für Grenzen im Na- en der Freiheit. Da wirbt einer für eine Haltung, die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9277 (A) ) (B) ) von Verantwortung gefüttert ist. Ich will darstellen, was mich dahin leitet und warum die vermeintlichen Para- doxa nur scheinbare sind. Ich bin selbst Familienvater. Mit meiner Frau habe ich drei Kinder. Wie wir es mit der Familie und den Kindern halten, ist für mich eine Gretchenfrage, an der sich eine ethische Entscheidung wesentlich zu messen hat. Wie aber könnte ein Fall aussehen: Da hat ein Vater keine rechte Lust mehr auf das Leben und trifft eine Pa- tientenverfügung, im Falle eines Unfalls keine Bluttrans- fusionen zuzulassen. Da geschieht dieser Unfall; verliert er Blut, ist er auf Transfusionen sofort angewiesen. Soll dann tatsächlich diese Verfügung maßgeblich sein? Soll dem Vater die mögliche und zumutbare Transfusion nicht angehen dürfen, weil er das so will und obwohl er so viele hinterlässt? Reicht es, zu sagen: „Er will das doch so“, um das Unglück der Frau und Kinder zu recht- fertigen? „Er will das doch so“ – das könnte reichen, wenn man Selbstbestimmung bloß als die prinzipiell unbegrenzbare Möglichkeit der Entscheidung eines Subjektes über all seine eigenen Angelegenheiten versteht. „Er will das doch so“ – ist das aber nicht vielleicht zu wenig? Ist das Individuum, das sonst so in Beziehungen so sehr einge- bunden ist, in diesen Einschränkungen plötzlich wieder so unbegrenzt? Das Individuum als Autokrat über sich selbst – kann das die Selbstbestimmung sein, die wir meinen und wollen? Die Frage zu stellen, heißt, sie zu verneinen. Kein Mensch steht für sich allein. Der Mensch schmiedet nicht an seinem Glück allein, sondern an dem vieler an- derer – mehr oder minder – mit. Selbstbestimmung fin- det im Egoismus nicht ihren Grund, sondern ihre Grenze. Uns allen gebührt Freiheit. Wie aber unsere Freiheit beschaffen ist, bestimmen wir selbst. Das ist das Wun- derbare an der Freiheit: dass sie nicht rasch verwelkt und gleich vergeht, sondern dass sie Früchte trägt, die von Dauer sind. Die reichste Frucht der Freiheit sind die Bin- dungen, die wir frei eingehen, und die Verantwortung, die wir frei übernehmen – die festen Räume der Entfal- tung, die wir uns frei schaffen, und der befreiende Aus- bruch aus der Enge der isolierten eigenen Existenz. Frei- heit verwirklicht sich in der Verantwortung, die wir herstellen können. Aber Verantwortung prägt auch Frei- heit. Sie erhebt die Verwirklichung der Freiheit vom Ausdruck in einem bestimmten Moment zur Entfaltung in der Zeit. Die selbst bestimmte Verantwortung ist daher nicht von jetzt auf gleich ohne Belang, nur weil wir das nicht mehr wollen, was wir frei gewählt haben. Für Juristen ist das selbstverständlich: Pflichten, die man übernimmt, beschränken die spätere Deutungshoheit über die eigene Autonomie. Nicht jedes juristische Ergebnis ist gleich ethisch richtig. Ich komme zurück zu dem Familienvater: Wer eine Familie gründet und Kinder in die Welt setzt, dessen Freiheit ist durch Verantwortung geprägt. Begibt er sich s T d ü b b i V F z G G d E p m d m t w d v t v i d D n n s g n w G F u n b s d h w N u d n g b w t G s w m (C (D einer Pflichten, im Leben oder durch den erwählten od, übt er zwar einen Akt der Selbstbestimmung über as eigene, aber noch mehr einen der Fremdbestimmung ber anderer Leben, das seiner Familie, aus. Die selbst estimmte Entscheidung jetzt hat gegenüber der selbst estimmten Bindung früher ein geringeres Gewicht. Es st deshalb kein Akt der Fremdbestimmung, sondern die erwirklichung fortwirkender Selbstbestimmung, dem amilienvater oder der Mutter – den eigenen Tode nicht u gewähren. Freiheit in Verantwortung setzt dem eigenen Willen renzen. Auch für die Patientenverfügung gelten diese renzen. Es ist daher richtig, Patientenverfügungen in er Reichweite zu begrenzen: Nicht jeder Anlass genügt. rst der unumkehrbar tödlich verlaufende Krankheits- rozess vermag die Grenzen der eigenen Selbstbestim- ung aufzuheben. Erst er erlaubt die Verfügung; denn ann ist es die Frage, wann die Zeit zum Sterben kom- en soll, nicht, ob. Eine zweite Frage ist zu stellen: Ist eigentlich eine Pa- ientenverfügung Ausdruck der Selbstbestimmung, und ann kann sie es sein? Wie verlässlich spiegelt der nie- ergelegte den tatsächlichen Willen wider? Wie sehr ermag sie den eigentlichen Willen des Verfügenden zu reffen, der die Worte seiner Verfügung umsetzt? Ich will or zu viel Optimismus warnen. Der Moment der Entscheidung über das eigene Leben st kaum einmal in idealer Weise frei: Verfügen wir früh, ann liegt der „Schleier des Nichtwissens“ über uns. enn wir verfügen über eine Situation, die wir vielleicht icht einmal ahnen, für einen Menschen, der wir noch icht sind. Wer weiß heute, wie er morgen denkt? Wer oll heute wissen, wie er morgen fühlt und was er mor- en will? Der Wille von gestern wird nicht heute wahr, ur deshalb, weil er schriftlich niedergelegt ist. Verfügen ir erst spät, wenn die Situation schon da ist und der rund unserer Verfügung bereits besteht, dann mag es urcht sein und Sorge, Schmerz und Verzweiflung, die ns die Hand leiten. Dann betrifft der Schleier vielleicht icht mehr unser Wissen, aber unser Wollen doch. Der Respekt vor der Entscheidung des Nächsten ge- ietet auch die Akzeptanz der Umstände, unter denen er ie trifft, und der Möglichkeiten, die er hat. Ich warne avor, diese schriftliche Verfügungen als Dogma zu se- en, das schon deshalb gültig ist, weil es geschrieben urde. Selbst beim Testament, bei dem es „nur“ um den achlass und nicht mehr um das Leben geht, ziehen wir ns nicht auf den bloßen Wortlaut zurück, sondern heben en mutmaßlichen Willen des Erblassers aus Sorge, sei- en tatsächlichen Willen zu verfehlen, als Auslegungs- rundlage über den bloßen Text. Wo wie hier die Entscheidung für oder gegen das Le- en zu fallen hat, sorge ich mich umso mehr darum, dass ir allein dem frühen Wort vertrauen und nicht dem spä- eren Ausdruck des Augenblicks: der Mimik und der estik. Ich werbe dafür, dass wir auf den ganzen Men- chen hören, wenn er uns Zeichen sendet, dass er leben ill. Was auf Papier steht, ist nicht bereits in Stein ge- eißelt. 9278 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Patientenverfügungen sind notwendig – ein Zweifel daran besteht nicht. Doch sind sie zugleich in hohem Maße unsicher und zweifelbehaftet, weil aktueller und antizipierter Wille nicht gleich, teilweise nicht einmal ähnlich sind. Das spricht dafür, sie auf die notwendigen Fälle zu reduzieren – den unumkehrbar tödlichen Krank- heitsverlauf und das Wachkoma. Ein dritter Grund leitet mich: die Sorge um die Huma- nität der Pflege. Es mag Sie verwundern, dies von einem Liberalen zu hören, und deshalb sage ich es bewusst, aber mit großem Bedacht: Ich habe Sorge vor einem Markt, in dem das Leben handelbar wird. Ich habe Sorge davor, dass auf dem Markt der Pflege und der Betreu- ung, wo die Ressourcen immer knapper, die Bedürfnisse jedoch immer größer werden, die Patientenverfügungen zu einem knappen, marktgängigen Gut werden. Die Vor- stellung, dass ein Seniorenheim die Aufnahme von Pfle- genden implizit oder explizit von einer „großzügigen Pa- tientenverfügung“ abhängig machen könnte – ich habe oft versucht, sie als unvernünftige, als unwahrscheinli- che, als abwegige Vorstellung abzutun. Es gelingt mir nicht. Ich bin daher davon überzeugt: Wenn Patienten- verfügungen Humanität vermehren sollen und nicht ver- mindern, dann muss ihre Ausgestaltung von Vorsicht und Bedacht getragen sein. Die am meisten humanisti- sche ist nicht stets die humanste Lösung. Die Beratung heute im Plenum ist nicht der Schluss- punkt der Debatte, sondern – zumindest formal – ihr An- fang. Ich hoffe, dass am Ende der Beratung ein Ergebnis stehen wird, das möglichst viele Kolleginnen und Kolle- gen mit ihrem Gewissen, mit ihren ethischen Prinzipien und eventuell ihren religiösen Überzeugungen vereinba- ren können werden. Die Fragen, die wir hier behandeln, sind letzte Fragen. Aber eine letzte Antwort auf sie gibt es nicht. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, am Ende eine Antwort zu versuchen, die man eine möglichst ge- meinsame nennen können wird und die einen ethischen Grundkonsens des Parlaments zu einem Rechtstext ver- fasst. Entscheidend für das Ziel, das man erreicht, ist aber der Weg, den man geht, und damit der Punkt, von dem aus man ihn beginnt. Beide Ausgangspunkte, die uns ge- genwärtig zur Wahl stehen, sind nicht vollends die mei- nen. Der von mir unterstützte Gesetzentwurf aber kommt der Regelung, die ich mir vorstelle, weit näher. Die ethischen Linien, die ihn leiten, teile ich, auch wenn ich ihnen nicht in die Verästelung jedes Einzelergebnis- ses – etwa die Maßgeblichkeit „guter Sitten“ für die Wirksamkeit einer Verfügung – folge. Ich habe mich deshalb entschieden, den Gesetzentwurf mitzustellen. Ich sage nicht: Was hier vorliegt, ist mein Endergebnis. Doch es ist mein Ausgangspunkt, ein guter Ausgangs- punkt. Ich habe eben von der Verantwortung gesprochen, die mit Freiheit einhergeht. Sie trifft auch uns. Mit der Frei- heit des Abgeordneten, die bei einer Gewissensentschei- dung wie dieser – jedenfalls in meiner Fraktion – zu ih- rem vollen Recht findet, verbindet sich unsere Verantwortung für die Entscheidung, die wir in voller Freiheit treffen können. Sie wird vielleicht uns selbst be- t f w w E d V v a s r m D E w d B b k ü Z m i u m m m T s s g k e G g M b M d n g Z m W d s J d d l M (C (D reffen, die, die wir lieben, die, die uns nahe stehen, die, ür die wir hoffen und oft auch beten. Wenn das Be- usstsein dieser Verantwortung unsere Beratungen trägt, ird manche Debatte kontrovers und pointiert, aber das rgebnis ein differenziertes sein. Und wenn allein schon unsere ernsthafte Debatte azu führt, dass mehr Menschen auf das Instrument der erfügung aufmerksam werden, sich informieren und on ihm Gebrauch machen, dann hat sie mehr bewirkt ls viele Gesetze an Folgen erbringen. Ein Letztes: Ich habe den Eindruck, dass unsere Ge- ellschaft immer mehr nach Sinn, Zweck und Ziel unse- es Lebens sucht und deshalb die Auseinandersetzung it dem Ende des Lebens verdrängt, wo immer sie kann. ie Auseinandersetzung mit dem Tod macht uns unsere ndlichkeit bewusst, sie zeigt aber zugleich deutlich, ie sehr wir uns mit dem Jetzt und dem Hier auseinan- ersetzen müssen. So paradox es auch klingen mag: Das ewusstsein vom Tode schärft die Bewusstheit des Le- ens. Nur wer weiß, dass alle Entwicklung ein Ende hat, ann seine eigene Entwicklung gestalten. Nur wer nicht bersieht, wie knapp die Zeit auf Erden ist, wird jene eit, die ihm gegeben ist, nutzen. Unsere Konfrontation mit dem Ende des Lebens, die anches Mal nahezu ein Tabu in unserer Gesellschaft st, finden wir in den Bereichen Organspende, Testament nd eben der Patientenverfügung am deutlichsten. Eine oderne Gesellschaft muss aber die Auseinandersetzung it dem Thema suchen. Alleine deshalb ist die parla- entarische Debatte über die beste Lösung schon ein eil derselben. Denn Glück ist kein Ziel des Lebens, ondern ein wesentlicher Teil desselben. Norbert Geis (CDU/CSU): Die Patientenverfügung tellt eine Möglichkeit dar, die Selbstbestimmung fort- elten zu lassen, wenn die aktuelle Entscheidungsfähig- eit verloren gegangen ist. Die Zahl der im Umlauf befindlichen Formulare für ine Patientenverfügung beträgt weit über hundert. Die ründe für das Interesse sind unterschiedlich. Eine roße Rolle spielt die Angst vieler alleinlebender alter enschen. Sie spüren von Tag zu Tag mehr, wie die Le- enskräfte schwinden und sie mehr und mehr auf andere enschen angewiesen sind. Sie wollen nicht, dass sie ann, wenn sie sich selbst nicht mehr bestimmen kön- en, von den Entscheidungen fremder Menschen abhän- ig und ihnen hilflos ausgeliefert sind. Hinzu kommen die Forschritte in der Medizin, die weifel aufkommen lassen, ob alles, was die Medizin achen kann, auch wirklich dem Wohlergehen und den ünschen der Menschen entspricht. Zweifellos spielt auch ein überzogenes Verständnis er eigenen Fähigkeit zur Autonomie eine Rolle. Mit der tärker werdenden Individualisierung tritt seit den 60er- ahren die Selbstbestimmung der Menschen in den Vor- ergrund. Damit setzt auch ein Wandel vom Verständnis er Würde des Menschen ein. Es herrscht die Vorstel- ung, dass nicht das Leben, nicht die Tatsache, dass der ensch als Mensch geboren wird, ihm Würde verleiht. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9279 (A) ) (B) ) Vielmehr, so die vorherrschende Einstellung, ist die Würde des Menschen allein abhängig von seiner Fähig- keit, über sich selbst zu bestimmen und Fremdbestim- mung abzuwehren. Dieses selbstbestimmte Leben soll bis zum Tod möglich sein. Dann, wenn der Mensch die eigene Entscheidungsfähigkeit durch Krankheit verliert, soll die Patientenverfügung helfen, den eigenen Willen gegen die eigenen Verwandten, gegen das Pflegeperso- nal, gegen die Ärzte durchzusetzen. Das ärztliche und pflegerische Ethos der Fürsorge wird dabei pauschal als Fremdbestimmung angesehen. Deshalb ist für die Medizin mehr und mehr nicht mehr das Wohlergehen des Patienten oberster Grundsatz ärzt- licher und pflegerischer Behandlung. Der Wille des Pa- tienten steht im Vordergrund und ist auch dann zu befol- gen, wenn der Mensch sich dadurch vermeidbaren Schaden zufügt. Die Rechtsprechung ist dieser Entwicklung gefolgt und hat den Patientenwillen in den Vordergrund gestellt. Dabei trat immer mehr in den Hintergrund, dass Ärzte und Pflegepersonal aus eigener Verantwortung handeln und nicht nur Erfüllungsgehilfen des Patienten sind. Wohl gilt für beide Entwürfe, die inzwischen vorge- legt wurden, der Grundsatz, dass die völlig freie Reich- weite der Patientenverfügung dann keine Geltung haben kann, wenn der Patient von den behandelnden Ärzten und dem Pflegepersonal die aktive Sterbehilfe verlangt. Tötung auf Verlangen wird auch im Stünker-Entwurf ab- gelehnt. Doch stellt sich schon jetzt die Frage, wie lange noch. Beide Entwürfe stimmen darin überein, dass in den Fällen, in denen das Grundleiden einen irreversiblen Verlauf genommen hat und der Tod in kurzer Zeit eintre- ten wird, der Wille des Patienten volle Geltung haben soll. Insoweit folgen beide Entwürfe dem Gebot, dass der Patient ein Recht darauf hat, dass sein Tod nicht hinaus- gezögert, der Sterbevorgang nicht künstlich verlängert wird, sondern dass er in Würde dem Tod entgegengehen kann. Dann, wenn der Tod unmittelbar bevorsteht, darf also die ärztliche Behandlung abgebrochen werden, darf auch die künstliche Beatmung beendet werden, dürfen auch Schmerzmittel verabreicht werden, auch wenn da- durch das Leben verkürzt wird, weil diese Behandlung der Linderung der Schmerzen dient, nicht aber der Tö- tung des Patienten. In all diesen Handlungen und Unter- lassungen liegt keine aktive Sterbehilfe, sondern allen- falls eine passive, nicht strafbare, sondern im konkreten Fall sogar gebotene Sterbehilfe vor. Die Entwürfe gehen aber in den Fällen auseinander, in denen eine schwere Krankheit vorliegt, die aber nicht unmittelbar zum Tod führt. Es handelt sich um Fälle des Wachkomas oder der schwersten Demenz. In diesen Fäl- len will der Entwurf des Abgeordneten Stünker die Patientenverfügung bedingungslos gelten lassen. Der Bosbach-Entwurf sieht eine Beschränkung der Reich- weite der Patientenverfügung vor. Die unbedingte Geltung der Patientenverfügung ent- spricht nicht dem realen Leben. Ein in einer Patientenver- fügung festgelegter Wille kann nicht mit dem aktuellen W g m e z k k li li B d a a n k d b f s v d r i h g g i B f V p d d G d P g m n P F g f ß K d w K i t ü g P w r (C (D illen vor dem Eintritt der Entscheidungsunfähigkeit leichgesetzt werden. Eine Patientenverfügung kann un- öglich den konkreten Einzelfall genau erfassen, „Denn ine Patientenverfügung ist immer eine Willensäußerung u einem vorangegangenen Zeitpunkt in Unkenntnis der onkreten Umständen eines späteren Krankheitsfalles. Wir önnen im Vorhinein zwar vermuten, aber nicht unumstöß- ch wissen, was wir in einem solchen Krankheitsfall wirk- ch wollen“, schreibt Bosbach in seinem Entwurf – egründung E, Seite 11. Deshalb sieht der Bosbach-Entwurf vor, dass zumin- est die Basisversorgung, was als Nahrungszufuhr und ls sonstige pflegerische Maßnahmen zu verstehen ist, uch gegen den in der Patientenverfügung ausgesproche- en Willen dem entscheidungsunfähigen Patienten zu- ommen muss. Diese Basisversorgung richtet sich auf ie Erhaltung des Lebens und ist nicht lediglich, wie eim sterbenden Patienten, Linderung der Schmerzen. Diese Beschränkung der Reichweite durch die so de- inierte Basisversorgung ist zweifellos eine richtige Ent- cheidung. Es kann von den behandelnden Ärzten und on dem Pflegepersonal nicht verlangt werden, dass sie urch Unterlassung eine Tötung des Patienten herbeifüh- en. Anders verhält es sich beim aktuellen Willen. Dieser st zu beachten. Niemand kann gegen seinen Willen be- andelt werden. Der Wille, der in der Patientenverfü- ung niedergelegt ist, kann dem aktuellen Willen nicht leichgesetzt werden. Die Patientenverfügung kann bei hrer Abfassung gar nicht vorausbestimmen, wie sich der etroffene im konkreten Fall bei voller Entscheidungs- ähigkeit entscheiden würde. Sie stellt daher nur eine ermutung dar. Daher sind die Ärzte und ist das Pflege- ersonal nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Im Wi- erspruch dazu aber soll der in der Verfügung zum Aus- ruck gekommene Wille des Patienten dennoch dann eltung haben, wenn es um die Verabreichung von Me- ikamenten geht. Hunger und Durst dürfen entgegen der atientenverfügung gestillt werden. Die Basisversor- ung darf vorgenommen werden, nicht aber die Medika- entierung. Dies ist ein Widerspruch. Deshalb darf nach meiner Auffassung für solche Fälle icht die unmittelbare rechtliche Bindungswirkung der atientenverfügung gesetzlich festgelegt werden. Für die älle, in welchen der Patient trotz schwerer Krankheit ute Aussicht hat, sein Leben fortzusetzen, darf die Ver- ügung nicht so behandelt werden, wie der aktuell geäu- erte Wille. Es ist nicht erkennbar, ob der Patient, der im oma liegt, tatsächlich noch an seinem Willen, den er in er Patientenverfügung geäußert hat, festhalten will. Wir issen nichts über die inneren Vorgänge, die sich im oma abspielen. Hier bleibt nur die Vermutung. Deshalb st es nicht zu rechtfertigen, in diesen Fällen durch Un- erlassen den Tod eines Menschen herbeizuführen. Heinz-Peter Haustein (FDP): Wir reden hier heute ber die Patientenverfügung, ein Thema, das uns alle an- eht, es betrifft jeden Menschen. Auch ist es kein neues roblem. Die hier in Rede stehenden Fragen sind so alt ie die Menschheit. Und doch gab es bislang weder die ichtige Aufklärung darüber, noch herrscht – auch nur 9280 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) ansatzweise – Klarheit über diese zum Teil komplexen rechtlichen Fragen. Die 200 existierenden Ratgeber und Leitfäden sind für dieses Durcheinander ebenso ein Be- leg, wie die teilweise kuriosen Antworten, die man er- hält, wenn man Menschen einmal nach der Thematik Pa- tientenverfügung befragt. Die Tatsache, dass lediglich 8 bis 14 Prozent der Menschen überhaupt eine Patienten- verfügung verfasst haben, zeigt die Notwendigkeit, auf diesem Feld aktiv zu werden. Für einen überzeugten Liberalen gibt es kaum eine zentralere Frage als die nach der eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensführung. Nichts liegt ei- nem Liberalen mehr am Herzen als das Selbstbestim- mungsrecht als Kern der Würde des Menschen – und diese ist, wie es im Grundgesetz steht, unantastbar. Von daher kann nach meiner tiefen Überzeugung am Ende dieser Diskussion nur ein Ergebnis feststehen: die Gültigkeit der Verfügung eines Menschen, die er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte einmal für das Eintre- ten bestimmter Umstände getroffen hat. Jedes Pferd, wenn es todkrank oder tödlich verletzt ist, bekommt den Gnadenschuss. Einem Mensch, kann man das Recht, sich selbst in bestimmten Lebensphasen und Lebenssi- tuationen gegen lebensverlängernde Maßnahmen zu ent- scheiden, nicht verwehren. Es muss nur endlich klar ge- regelt werden. Auch Bundespräsident Köhler hat sich 2005 dafür ausgesprochen, dass jeder Mensch in jeder Lebensphase selbst entscheiden kann, ob und welchen lebensverlän- gernden Maßnahmen er sich unterziehen möchte. Ebenso hat der Nationale Ethikrat 2005 in überwiegen- der Zahl seiner Mitglieder festgestellt, dass sowohl die Reichweite als auch die Verbindlichkeit der Verfügung nicht auf bestimmte Lebensphasen beschränkt werden sollen. Natürlich muss all das auf Freiwilligkeit beruhen. Niemand darf zur Verfassung einer Patientenverfügung gedrängt werden. Die Diskussion um die schwierige Frage, ob der vor- mals geäußerte Wille des Betroffenen auch noch dem tatsächlichen Willen in der aktuellen Situation entspre- che, was insbesondere bei Demenz zum Problem wird, ist ernst zu nehmen. Sie ist jedoch dadurch weitestge- hend auszuschließen, dass man die Praxis der Verfügung entsprechend gestaltet und regelt. Je konkreter, präziser, umfassender und aktueller die Patientenverfügung ver- fasst ist, umso weniger Raum bleibt für Interpretationen über den erklärten und den tatsächlichen Willen des Be- troffenen. Daher muss es hier eigentlich die dringlichste Aufgabe sein, das Verfassen der Patientenverfügung zu regeln. Anstatt über die Interpretation von Willensbe- kundungen zu reden, muss das Ziel sein, einen einheitli- chen Ratgeber und entsprechende Formulare und Vor- drucke zu entwickeln, die möglichst wenig Spielraum zulassen. Das Beachten der Ziele der größtmöglichen Konkretisierung, Detailliertheit und besonders der Aktua- lität kann viel dazu beitragen, Interpretationsspielräume zu minimieren. Dazu bedarf es stärkerer Aufklärung der Menschen zu den Möglichkeiten der Patientenverfü- gung, den rechtlichen Konsequenzen, die daraus folgen, sowie den neusten medizinischen Entwicklungen, bei- s M g W a G n S s s b n s r R b A s l e e n e v E T t n s J v I m v g m f g B a p e M q e b D h i s W (C (D pielsweise der Palliativmedizin oder der technischen öglichkeiten der Lebensverlängerung. Wir müssen die Menschen in die Lage versetzen, ei- enverantwortlich über ihr Lebensende zu entscheiden. enn die Menschen umfassend informiert sind, sind sie uch imstande, von ihrem Recht auf Selbstbestimmung ebrauch zu machen. Und sie werden dieses Recht auch utzen. Ich bitte, den Antrag der FDP zu unterstützen. Lassen ie uns die Patientenverfügung regeln, damit die Men- chen in die Lage versetzt werden können, selbstbe- timmt zu leben. Fritz Rudolf Körper (SPD): In der Koalitionsverein- arung haben die Koalitionsparteien beschlossen, „in der euen Legislaturperiode die Diskussion über eine ge- etzliche Absicherung der Patientenverfügung fortzufüh- en und abzuschließen“. Diese Vereinbarung geht zu echt davon aus, dass wir eine umfassende Diskussion enötigen. Die Patientenverfügung und ihre gesetzliche bsicherung betrifft die existenziellen Belange der Men- chen. Sie betrifft ihre Ängste vor einer Zwangsbehand- ung, aber auch vor einem vorzeitigen Ende, sie betrifft thische und verfassungsrechtliche Fragen. Ich begrüße s daher sehr, dass wir uns die Zeit für eine Diskussion ehmen, bevor die im Raum stehenden Gruppenanträge ingebracht werden. Die Vereinbarung, die Diskussion über die Patienten- erfügung „abzuschließen“, bedeutet, dass wir zu einem rgebnis kommen wollen, das dem Bedürfnis großer eile der Bevölkerung nach Rechtssicherheit Rechnung rägt. Ich möchte zur Veranschaulichung dieses Bedürf- isses aus zwei der überaus zahlreichen Briefen zu die- em Thema zitieren, die an das Bundesministerium der ustiz gerichtet wurden: „Ich bin 82 Jahre alt und auf eine wirksame Patienten- erfügung angewiesen. Völlig verunsichert durch eine nformation eines Rechtsanwalts wende ich mich an Sie it der Bitte um Hilfe. Der Anwalt sagt, eine Patienten- erfügung sei nur wirksam, wenn sie komplett von Hand eschrieben und notariell beglaubigt sei. Außerdem üsse sie durch Zeugen bestätigt werden. Ist meine Ver- ügung jetzt unwirksam?“ Eine 85-Jährige: „Ich habe eine Patientenverfügung emacht, die ich ständig bei mir trage. Mein 90-jähriger ekannter kam in das Krankenhaus. Die Kinder haben lle Papiere mitgebracht. Sie haben ihn jahrelang ge- flegt und wollten, dass er nun ohne Schmerzen den Tod rdulden kann. Aber alle Vorsorge war umsonst. Der ann wurde trotz Koma mit Operationen aller Art ge- uält. Kann man nicht endlich der Patientenverfügung ine gesetzliche Grundlage geben?“ Nach Schätzung der deutschen Hospizstiftung gibt es ereits jetzt über 7 Millionen Patientenverfügungen. iese Menschen – von denen ich gerade zwei zitiert abe – befürchten, schwersten ärztlichen Eingriffen in hre körperliche Integrität nur deswegen ausgeliefert zu ein, weil sie eines Tages nicht mehr zur Äußerung ihres illens in der Lage sind. Sie verlangen das Recht, auch Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9281 (A) ) (B) ) für diesen Fall im Wege der Patientenverfügung selbst eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung be- trifft im Kern die Frage, ob und unter welchen Umstän- den der Lauf der Dinge als Schicksal hingenommen wer- den soll oder ob dieser Lauf durch ärztliche Eingriffe unter allen Umständen aufgehalten werden soll, auch ge- gen den zuvor erklärten Willen des Betroffenen. Nicht nur die Betroffenen, auch die Angehörigen, die Ärzte, die Pfleger und die rechtlichen Vertreter des Ster- benden haben einen Anspruch auf einen klaren rechtli- chen Rahmen, der die Verbindlichkeit der Patientenver- fügung für alle Beteiligten klarstellt. Der BGH hat zwar mit Beschluss vom 17. März 2003 die Bindungswirkung der Patientenverfügung grundsätz- lich anerkannt, gleichzeitig aber eine gesetzliche Rege- lung angemahnt. In der Tat besteht ein dringender Klä- rungsbedarf im Hinblick auf die Reichweite einer Patientenverfügung, im Hinblick auf die formellen Vo- raussetzungen einer wirksamen Patientenverfügung und im Hinblick auf die Einschaltung des Vormundschafts- gerichts. Die Patientenverfügung ist ein Instrument der Vor- sorge. Mit ihrer Hilfe können die Bürgerinnen und Bürger vorsorgend darüber entscheiden, ob im Fall ihrer späteren Entscheidungsunfähigkeit unter bestimmten Umständen ärztliche Eingriffe vorgenommen werden dürfen oder aber nicht. Letzteres läuft im Grenzfall auf die Anwei- sung des Betroffenen hinaus, das Sterben geschehen zu lassen und auf ärztliche Gegenmaßnahmen zu verzichten. Vor einer Auseinandersetzung mit den Einzelheiten der vorliegenden Gesetzesvorschläge sollten wir uns mit einer Grundsatzfrage auseinandersetzen. Sie betrifft un- ser eigenes Selbstverständnis als Gesetzgeber und unser Verständnis von der Kompetenz der Bürgerinnen und Bürger, selbstverantwortlich ihre eigene Entscheidung zu treffen: Wollen wir dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Eigenverantwortlichkeit entsprechen, oder wollen wir die Entscheidungsfreiheit der Bürgerin- nen und Bürger aufgrund der Schwierigkeiten, die unbe- stritten mit einer zeitlich vorgelagerten Entscheidung verbunden sind, per Gesetz einschränken? Das Thema „Patientenverfügung“ weckt die verschie- densten Ängste, auch bei uns Abgeordneten. Es geht um eine Problematik, die mit dem Lebensende, mit einem Leben mit Behinderungen, mit schwersten Eingriffen und letztlich mit dem Tod verbunden ist. Wer eine Pa- tientenverfügung verfasst hat, kennt das Zögern vor ei- ner Festlegung. Aber wir müssen hier ganz klar zweier- lei auseinanderhalten: Die Schwierigkeiten und Ängste, die mit einer Festlegung für jeden von uns verbunden sind, mögen ein guter Grund dafür sein, selbst von einer Patientenverfügung abzusehen. Aber sind sie kein Grund dafür, anderen Menschen die Option einer selbstverant- wortlichen Selbstbestimmung zu nehmen! Damit wür- den wir als Gesetzgeber unsere persönliche Entschei- dung als Abgeordnete an die Stelle der Entscheidung durch die Betroffenen setzen. Damit bin ich bei dem Hauptstreitpunkt angelangt, der sogenannten Reichweitenbegrenzung, wie sie in dem E R t g o n F n c W ä f l s D „ L t G s – H n d t n t f d t F m d C s r e ß e r A u i d u t C a f d P v ü k d s (C (D ntwurf eines Gruppenantrags der Kollegen Bosbach, öspel, Winkler und Fricke vorgesehen ist. Reichwei- enbegrenzung bedeutet: eine Patientenverfügung ist rundsätzlich unbeachtlich, wenn sie die Nichtvornahme der den Abbruch lebenserhaltender medizinischer Maß- ahmen anordnet. Eine Ausnahme gilt – abgesehen vom all des Wachkoma – nur dann, wenn das Grundleiden ach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar einen tödli- hen Verlauf angenommen hat. In dem unscheinbaren örtchen „unumkehrbar“ ist versteckt, dass sämtliche rztliche Maßnahmen auch gegen den Willen des Betrof- enen erlaubt sein sollen, die den tödlichen Verlauf mög- icherweise „umkehren“ können, was immer das heißen oll. Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Jörg- ietrich Hoppe, sagt hierzu im „Spiegel“ dieser Woche: Die Reichweitenbeschränkung führt praktisch zu einer ebensverlängerung um jeden Preis. Das lehnt die Ärz- eschaft klar ab.“ Dem kann ich nur zustimmen. Im gleichen „Spiegel“- espräch wird eine der Folgen einer Reichweitenbe- chränkung beschrieben: Ein 98-jähriger Greis müsste entgegen seinem eindeutigen Willen – nach einem erzstillstand auch dann reanimiert werden, wenn er da- ach mit schwersten Hirnschäden künstlich ernährt wer- en müsste. Und warum? Nur deshalb, weil dies eben echnisch machbar ist. Genau dies wollen all die Millio- en Bürgerinnen und Bürger verhindern, die eine Patien- enverfügung abgefasst haben. Selbstverständlich kann nur ein Arzt aufgrund seiner achlichen Kenntnisse die Prognose stellen, ob eine me- izinische Maßnahme – möglicherweise – das Leben ret- en oder auch nur verlängern kann. Das steht außer rage. Die Befürworter einer Reichweitenbeschränkung achen von dieser, Prognose allerdings eine entschei- ende rechtliche Folge abhängig: Nur wenn der Arzt die hance einer Rettung oder Lebensverlängerung aus- chließt, soll der Patientenwille in den fraglichen Fällen echtlich verbindlich sein. Dies bedeutet, dass nicht nur in sicherer sondern auch ein unsicherer, sogar ein äu- erst unsicherer, ein nur theoretisch möglicher Heilungs- rfolg dazu zwingt, ärztliche Maßnahmen durchzufüh- en. Mit einem derartigen Gesetz würden wir, die bgeordneten, über den Willen unserer Mitbürgerinnen nd -bürger hinweggehen. Wir, nicht die Ärzte, würden hren Willen für unbeachtlich erklären. Eine Prognose ist gerade bei den hier infrage stehen- en schweren Gesundheitsschäden naturgemäß immer nsicher. So ist beispielsweise der Erfolg einer Chemo- herapie nur begrenzt vorhersehbar. Also müsste eine hemotherapie aufgrund der gesetzlichen Vorgaben uch gegen den erklärten Willen des Patienten durchge- ührt werden, falls dieser sich nicht mehr aktuell gegen iesen Eingriff wehren kann. Wir, die Befürworter einer unbegrenzt verbindlichen atientenverfügung, sehen uns hingegen moralisch und erfassungsrechtlich dazu verpflichtet, die Entscheidung ber einen personalen Kernbereich, dem Eingriff in die örperliche Unversehrtheit, demjenigen zu ermöglichen, er die Folgen dieser Entscheidung zu tragen hat. Wir ind der Ansicht, dass den Betroffenen auch dann ein 9282 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Recht auf Entscheidung über ärztliche Eingriffe zu- kommt, wenn diese Entscheidung zwangsläufig nur im Vorfeld der kritischen Situation getroffen werden kann. Die Patientenverfügung ist eine Option. Das heißt, es steht den Bürgerinnen und Bürgern frei, ob sie überhaupt eine derartige Entscheidung treffen wollen, ob und unter welchen Bedingungen sie mit einer Patientenverfügung ärztliche Maßnahmen einschränken, oder ob sie im Ge- genteil eine möglichst umfassende ärztliche Versorgung verfügen wollen. Die Befürworter einer Einschränkung der Verfügungs- macht des Patienten argumentieren mit einem angebli- chen Spannungsverhältnis zwischen der freien Entschei- dung des Bürgers und seinem – angeblich – objektiv bestimmbaren Wohl. Oder sie berufen sich auf eine Pflicht des Staates zum Lebensschutz. Ich möchte hier nicht diskutieren, ob der Staat im Wege des Gesetzes ge- gen den freien Willen des Betroffenen körperliche Ein- griffe mit dem Ziel des Lebensschutzes ermöglichen darf. Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zu einer derartigen Vorgabe besteht mit Sicherheit nicht. Also müssen wir das Ergebnis dieser Meinung poli- tisch bewerten: Diejenigen, die sich selbst zum Schützer fremden Lebens ernannt haben, kommen im Ergebnis dazu, die Freiheit der Bürger aus Fürsorgegründen in ei- nem zentralen Kernbereich der Selbstbestimmung einzu- schränken. Sie begründen dies mit dem angeblich „ob- jektiv“ bestimmbaren Wohl der Betroffenen. Ich weiß nicht, woher sie den Maßstab dieses „objektiven“ Wohls hernehmen wollen. Das menschliche „Wohl“ ist aus mei- ner Sicht im Gegenteil eine sehr subjektive Angelegen- heit. Die angebliche „Objektivität“ des Wohls wird da- durch erzeugt, dass der Maßstab des Betroffenen durch den eigenen Maßstab ersetzt wird. Ich halte dies für nicht verantwortbar. Wir Abgeordneten des Deutschen Bundestages sollten uns im Gegenteil damit bescheiden, den Bürgerinnen und Bürgern den Rahmen für eine – mögliche – Entscheidung zur Verfügung zu stellen. Wir können und sollten nicht anstelle der Bürger entscheiden wollen. Denn hinter dem Arzt können wir uns nicht ver- stecken: Es ist nicht der Arzt, der über die Durchführung einer Maßnahme entscheidet. Der Arzt gibt lediglich eine Prognose über den Erfolg möglicher medizinischer Maßnahmen ab. Es wäre der Gesetzgeber, der im Wege einer Reichweitenbegrenzung an die ärztliche Prognose die gesetzliche Folge knüpft, dass die mögliche ärztliche Maßnahme auch gegen den Willen des Betroffenen durchzuführen ist. Diese Entscheidung hätte allein der Gesetzgeber zu verantworten. Der Arzt wäre nur das Werkzeug, und der Patient das Objekt einer gesetzlichen Entscheidung. Ich halte eine derartige Anmaßung des Gesetzgebers für unverantwortlich. Die Argumente derjenigen, die eine derartige Rege- lung befürworten, überzeugen nicht. Selbstverständlich ist die Patientenverfügung eine Anweisung für eine künftige Entscheidungssituation. Die Patientenverfü- gung wird zu einem Zeitpunkt verfasst, in der die fragli- che Situation nur vorgestellt, möglicherweise bei ande- ren Menschen oder mithilfe der Medien miterlebt, aber eben nicht unmittelbar am eigenen Leib erfahren werden k m s S s e b ü w t u e d u l p t d W m s s S m F j m k h w m d M t d a S m e P d E s s v J j b P d f E (C (D ann. Das bestreitet niemand. Es bestreitet auch nie- and, dass das Leben mit amputierten Beinen oder quer- chnittsgelähmt oder in einem sogenannten vegetativen tatus für einen gesunden Menschen nur schwer vor- tellbar ist. Doch was folgt daraus? Dass andere darüber ntscheiden sollen? Zunächst einmal ist dies nicht grundsätzlich ein Pro- lem nur der Patientenverfügung. Auch ein Patient, der ber eine unmittelbar anstehende Amputation selbst be- usst entscheiden kann, kann sich die Folgen der Opera- ion nur vorstellen. Die Folgen sind immer zukünftig nd werden erst später erlebt und durchlitten. Ist dies twa ein Argument gegen die Selbstbestimmung auch es aktuell einwilligungsfähigen Patienten? Dann müssen wir klar sehen, dass der Ausgangspunkt nserer Überlegungen zur Patientenverfügung darin iegt, dass eine Entscheidung des Patienten zum Zeit- unkt des Eingriffs nicht möglich ist. Nicht die Patien- enverfügung, sondern die Wege des Schicksals schaffen ieses Problem. Die Patientenverfügung ist der einzige eg, um dieses Problem im Wege der Selbstbestim- ung dennoch zu entscheiden. Eine vorgezogene Ent- cheidung ist der einzige Weg, wenn aktuell nicht ent- chieden werden kann. Wer dies als nur „vermeintliche elbstbestimmung“ kritisiert, stellt die Selbstbestim- ung insgesamt infrage. Die Alternative heißt schlicht remdbestimmung; Fremdbestimmung, in der das „ob- ektive Wohl“ des Patienten gegen seinen Willen und da- it gegen ihn selbst ausgespielt wird. Die Problematik einer vorsorgenden Entscheidung ann daher aus meiner Sicht nur folgende Konsequenzen aben: Jeder, der eine Patientenverfügung verfassen ill, sollte sich im eigenen Interesse so umfassend und it dem gleichen Ernst informieren, als ob die Entschei- ung unmittelbar anstünde. Der Gesetzgeber sollte den enschen empfehlen, sich vor Abfassung einer Patien- enverfügung von einem Arzt, einem Rechtsanwalt, von en Beratungsstellen der Kirchen oder anderer Verbände usführlich beraten zu lassen. Die Patientenverfügung ist eine Option, mehr nicht. ie soll dazu dienen, den Menschen aus der Logik des edizinisch Machbaren zu befreien, da diese Logik die xistenzielle Dimension des Schicksals nicht kennt. Die atientenverfügung soll dazu dienen, den Respekt vor er Würde des Menschen mit dem Respekt vor seinen ntscheidungen zu verbinden, da die Nichtbeachtung eines Willens die Nichtbeachtung seiner Würde nach ich zieht. Niemand wird gezwungen, sich durch eine Patienten- erfügung festzulegen. Der Entwurf des Kollegen oachim Stünker gibt nur die Freiheit, dies jederzeit und ederzeit widerrufbar zu tun. Eine nur eingeschränkt ver- indliche Patientenverfügung unterwirft hingegen den atienten dem Regime des medizinisch Machbaren. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Vor meinem Stu- ium habe ich ein Jahr in einer kirchlichen Einrichtung ür geistig und mehrfach Behinderte gearbeitet. Diese rfahrung hat mich sehr geprägt, sie ist für mich ein Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9283 (A) ) (B) ) wichtiger Grund, bei der anstehenden gesetzlichen Re- gelung der Patientenverfügungen nur einer solchen Fas- sung zuzustimmen, die das Recht auf Selbstbestimmung in keiner Weise einschränkt. Neben den gesetzlichen Grundlagen, die nun von uns auf den Weg gebracht werden müssen, fragen wir aber meiner Meinung nach viel zu wenig nach den gesell- schaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen Men- schen in unserem Land Alter und Krankheit, Pflegebe- dürftigkeit und schließlich den Prozess des Sterbens durchmachen. Die Verantwortung der Politik für diese Bedingungen ist aber genauso groß, wenn nicht noch größer als die dafür, einzelne Fragen gesetzlich zu re- geln. Ärzte und Patienten begegnen sich nicht in einem idea- len Raum, sondern unter konkreten gesellschaftlichen Bedingungen. Von unserem Gesundheitswesen wurde in den letzten Jahren vor allem eines verlangt: Kostensen- kung, Wenn in einem System nicht genug Geld vorhan- den ist, geht dies immer zulasten seines schwächsten Gliedes, und das ist eindeutig der Patient. Das von der Bundesärztekammer beschworene Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten basiert auf der Vorausset- zung, dass der Arzt alles in seinen Möglichkeiten Ste- hende tun wird, die Leiden des Patienten zu lindern. Wenn den Medizinern allerdings immer engere ökono- mische Grenzen gesetzt werden, beeinflussen diese, be- wusst und unbewusst, ihre ärztlichen Entscheidungen. Das wissen wir nicht erst seit der Einführung der Arznei- mittelbudgetierung. Freunde, die hier in Berlin seit Jahren eine ambulante Hauskrankenpflege betreiben, berichteten mir über fol- gende Erfahrungen: Häufiger als früher treffen heute hoch betagte, multimorbide Patienten, die aufgrund aku- ter Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert werden, auf Ärzte, deren Entscheidung lautet: „Da machen wir nichts mehr.“ Gegebenenfalls könnte das Leben dieser Patienten durch therapeutische Maßnahmen – ich rede hier bewusst noch nicht einmal von intensivmedizini- scher Behandlung – verlängert werden. Doch nicht im- mer werden Patienten und Angehörige überhaupt über diese Möglichkeiten aufgeklärt. Ebenso ist zu erleben, dass Entscheidungen zum Beginn kostenintensiver The- rapien bei chronischen Erkrankungen, etwa von Dialyse- behandlungen, zu Ungunsten der Patienten zeitlich so weit wie möglich nach hinten verschoben werden. Es gibt offenbar bereits jetzt eine Art Aufwand-Nutzen-Ab- wägung, die nicht zuerst nach dem Wohl und auch nicht nach dem Willen des Patienten fragt. Dagegen dürften auch Patientenverfügung machtlos sein. Oder sollte man für solche Fälle das bisher Selbstverständliche verfügen: Ich wünsche ausdrücklich, dass bei mir alle vorhandenen medizinischen Möglichkeiten der Lebensverlängerung angewandt werden? Die medizinische Forschung bringt immer neue, aber auch immer teurere Therapien hervor. Für wen werden sie infrage kommen? Und bei wem wird die Entscheidung darüber liegen? Beim Arzt, bei der Krankenkasse oder bei der Hausbank? Wenn Menschen aus Angst davor, hilflos, abhängig und ihrer Würde beraubt zu werden, Patientenverfügun- g a d m m s u b D f w D m g s t n t N A v K s T a l k g c d D r s m s a l F v t t f z f t n B t s f i r l m (C (D en erstellen, in denen sie alle möglichen Behandlungen blehnen, um lieber zu sterben, als dies zu erleiden, ist ie Sicherung ihres formalen Rechtes auf Selbstbestim- ung nur die eine Seite der Medaille. Die andere aber üsste darin bestehen, dass die Gesellschaft ihre Res- ourcen zielgerichtet einsetzt, um diesen durchaus nicht nberechtigten Ängsten den Boden zu entziehen. Ich bin esorgt darüber, dass dieses Problem in der bisherigen ebatte kaum thematisiert wurde, denn es rührt an ver- assungsmäßig verbriefte Grundrechte, die zu schützen ir alle aufgerufen sind. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): er Deutsche Bundestag hat heute eine Debatte über die ögliche gesetzliche Regelung für Patientenverfügun- en begonnen. Diese Debatte sehr intensiv, offen und achlich zu führen, ist angesichts der ethischen und fak- ischen Bedeutung des Themas und möglicher Folgen ei- er gesetzlichen Regelung besonders wichtig und rich- ig. In kaum einer anderen Debatte gibt es eine so große otwendigkeit der freien Gewissensentscheidung der bgeordneten sowie des tiefen gegenseitigen Respekts or dem Abstimmungsverhalten der Kolleginnen und ollegen, unabhängig von deren Ausrichtung. Neben den aktuell in Erarbeitung befindlichen Ge- etzentwürfen wird in der öffentlichen Debatte zum hema von vielen Seiten zu bedenken geben, dass die ktuelle Rechtslage ausreicht und weitergehende gesetz- iche Regelungen neue Probleme und Konflikte bringen önnen. Bei detaillierter Betrachtung der derzeit vorlie- enden Entwürfe teile ich diese Bedenken. Bereits heute gibt es Möglichkeiten einer weit rei- henden und verbindlichen Patientenverfügung. Über eren Möglichkeiten sollte besser aufgeklärt werden. och die Debatte gilt es aus meiner Sicht breiter zu füh- en: Wir brauchen eine neue, palliative Kultur im Zu- ammenhang mit schwerer Krankheit und Sterben. Leben verläuft in sich wandelnden Phasen. Es ist aus einer Sicht nur schwer möglich, in einer Phase zu wis- en, wie man in der nächsten Phase Veränderungen und uch Krankheit bewertet, und zu wissen, wie man dann eben will. Der Wille des Menschen kann sich ändern, in ragen des Lebens allemal. Es gibt zahlreiche Beispiele on vermeintlich unheilbar Kranken oder Komapatien- en, die entgegen der ärztlichen Prognosen eine qualita- iv positive Entwicklung in ihrem Krankheitsverlauf er- ahren konnten. Eine verbindliche gesetzliche Regelung u Patientenverfügungen begrenzt eine individuelle, achlich fundierte und trotzdem ethisch orientierte Bera- ung und Begleitung von Schwerkranken. Sie kann so zu euen Problemen und Gewissenskonflikten für Ärzte, etreuungspersonal und Angehörige führen. Die Diskussion um die Rechtsverbindlichkeit von Pa- ientenverfügungen ist auch eine Debatte um gesell- chaftliche Werte. Das grundsätzliche Recht auf Leben ür jeden Menschen darf nicht zur Disposition stehen. Es st Aufgabe des Gesetzgebers, das irreversible Lebens- echt unbedingt zu schützen. Es gilt daher eine Entwick- ung zu verhindern, bei der bestimmte Krankheitsbilder it Vorstellungen eines lebensunwerten Lebens verbun- 9284 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) den werden. Es darf außerdem keinesfalls geschehen, dass in unserer Gesellschaft Druck auf ältere und chro- nisch kranke Menschen entsteht, durch Vorsorge und entsprechende Verfügungen dafür zu sorgen, dass sie der Gesellschaft im Krankheitsfall nicht „zur Last“ fallen. Die Begleitung und Pflege kranker und sterbender Men- schen ist eine moralische Verpflichtung und ein besonde- rer gesellschaftlicher Wert. Es muss stets klar sein, dass sich unsere Gesellschaft dieser Verantwortung bewusst ist und kranke, behinderte und auch sterbende Menschen solidarisch trägt und unterstützt. Michael Roth (Heringen) (SPD): Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dies gilt im Leben wie im Sterben. Menschen sollen in Würde ster- ben. Nicht wenige zweifeln, ob das gelingt. Wir leben in einer Zeit, die uns immer wieder suggeriert, alles sei möglich, beherrsch- und gestaltbar. Oftmals setzen wir das im Hinblick auf unsere persönliche Lebensführung mit vermeintlicher Autonomie gleich. Aber haben wir uns nicht doch eher den Verwertungsprinzipien des Marktes allzu sehr unterworfen? Wir sehen nicht allein in Dingen, sondern auch im eigenen Leben oft nicht mehr den Wert, sondern nur noch den Preis. Der Wert des Lebens, seine Unveräußerlichkeit, seine Einzigartig- keit geraten öfter in den Hintergrund. Individuelle Schwächen sind auszumerzen, der Mensch soll stets und überall funktionieren. Dass auch das Sterben seine Zeit hat, ist uns fremd geworden. Wir schweigen uns dazu aus. Aus dem Schweigen erwächst Angst, Angst vor Krankheit, vor Schmerz, dem Alleinsein. Während noch vor wenigen Jahrzehnten die Angst vor mangelnder medizinischer Versorgung im Vordergrund stand, wird unser Denken heute bestimmt von der Angst vor medizinischer „Über- versorgung“. Niemand will der sogenannten Apparate- medizin hilflos ausgeliefert sein. Wir behaupten, keine Angst vor dem Tod, nur vor dem Sterben zu haben. So wie wir unser gesamtes Leben in Beziehung zu Anderen setzen, zu Familie und Freunden, so gilt dies auch für das Sterben. Unser ganzes Leben ist davon geprägt, Ver- antwortung für sich und andere zu übernehmen. Dies schließt Abhängigkeit voneinander ein und fordert ge- genseitige Hilfeleistung. Warum sollten diese Beziehun- gen in Phasen schwerster Erkrankung, des Sterbens nicht mehr belastbar sein? Darf man seinen Angehörigen in der letzten Lebensphase nicht mehr zur Last fallen? Ist es gerechtfertigt, das Warten auf den Tod zwanghaft zu verkürzen, um Schmerzen und Hinfälligkeit zu entge- hen? All dies verstört uns und kulminiert in einer emotio- nal geführten Debatte um Patientenverfügungen. Nicht wenige meinen ernsthaft, sich selbst und ihren Angehö- rigen durch schriftliche Verfügungen solche Zumutun- gen ersparen zu können. Selbstverständlich haben die Patientenverfügungen ihren Wert, sind Hilfe für Familie, Pflegende und Ärzteschaft, geben Orientierung in Pha- sen der Unsicherheit und des Zweifels. Aber sie sind kein taugliches Instrument zur Erleichterung des Ster- bens, dürfen es auch nicht sein. W G E s w d B c b s B i s b l d s M d d G w s r i g z u d i ö w s k t k k t m b s g h v n d c g K s s e (C (D Wer den Schwerstkranken, den Sterbenden ihre ürde bewahren will, muss Beistand und Hilfe leisten. erade dies ist Ausdruck menschlicher Freiheit. Wer am nde seines Lebensweges angekommen ist, hat An- pruch auf Fürsorge und Betreuung. Sterbende sollen eitestgehend schmerzfrei dem Tod entgegengehen. Für ie Angehörigen ist dies oftmals mit einer ungeheuren elastung und Zumutung verbunden, physisch wie psy- hisch. Jeder von uns, der sich in einer solchen Situation efunden hat, wird dies sicher bestätigen können. Aber in „Zumutung“ steckt „Mut“: Es erfordert Mut, ich auf einen Sterbenskranken einzulassen. Aus der armherzigkeit, die man selbst aufzubringen bereit und n der Lage ist, erwächst auch Hoffnung, dass einem elbst Barmherzigkeit zuteil werden kann. Angehörige rauchen dabei alle Unterstützung: organisatorisch, zeit- ich, finanziell. Und immer dann, wenn Sterbebegleitung urch Freunde und Familie nicht zu gewährleisten ist, ind Hospize sinnvolle Alternativen. Es gilt, denen zu danken, die sich dieser Aufgabe mit ut, Ausdauer und Kraft widmen. Das ist gelebte Soli- arität, ja Liebe zum Nächsten. Im Rahmen der Reform der Pflegeversicherung ist em angemessen Rechnung zu tragen. Das kostet viel eld. Aber es wird dringend gebraucht – der Menschen- ürde wegen. Ebenso sind die Förderung und der ver- tärkte Einsatz der Palliativmedizin nachdrücklich vo- anzutreiben. Wir brauchen ein flächendeckendes, ntegriertes Angebot von Schmerztherapiebehandlun- en, Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sowie Hospi- en. Hier sehe ich maßgeblich die Politik, insbesondere ns als Gesetzgeber, in der Pflicht. Im Mittelpunkt unseres Handelns hat die Fürsorge für en Patienten zu stehen. Wenn es medizinisch möglich st, muss dem Patienten eine neue Lebensperspektive er- ffnet werden. Die medizinische Entwicklung schreitet eiter rasant voran mit vielen neuen Chancen, trotz chwerster Krankheit menschenwürdig weiterleben zu önnen. Dem muss auch die Patientenverfügung Rechnung ragen. Sie ist daher zwangsläufig zu begrenzen. Dies ann mit dem garantierten Recht auf Selbstbestimmung ollidieren. Aber es ist schon abstrus, wie die Befürwor- er einer schrankenlosen Geltung der Patientenverfügung it extremen Einzelfällen die Debatte in ihrem Sinne zu eeinflussen trachten. Die rechtliche und moralische Un- icherheit, selbst bei detailliert formulierten Verfügun- en, bleibt doch bestehen. Machen sich Ärzte und Ange- örige allein dadurch schuldig, dass sie den ermeintlichen oder tatsächlichen Willen des Patienten icht konsequent umsetzen? Oder macht sich nicht auch erjenige zumindest moralisch schuldig, der Lebens- hancen, mögen sie auch gering sein, bewusst ignoriert? Unabhängig von der Abfassung von Patientenverfü- ungen besteht stets Interpretationsbedarf. Endgültige larheit vermag kein noch so detailgenaues Gesetz zu chaffen. Es kann nur im Sinne des Schwerstkranken ein, wenn Angehörige, Pflegende und Ärzte möglichst ng und vertrauensvoll zusammenwirken, um eine dem Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9285 (A) ) (B) ) Kranken gerecht werdende und verantwortbare Ent- scheidung zu treffen. Patientenverfügungen können ein Mittel sein, die Be- dingungen des Sterbens humaner zu gestalten. Der maß- geblich vom Kollegen Rene Röspel erarbeitete Gesetz- entwurf trägt meinen persönlichen Erwartungen und Anforderungen am ehesten Rechnung. Es ist für mich akzeptabel, dass bei unwiederbringlichem Bewusstseins- verlust lebenserhaltende Maßnahmen auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten beendet werden. Es handelt sich hierbei zumeist um Schwerstkranke, nicht Sterbende. Ich begrüße daher den Vorschlag, dass hier das Vormund- schaftsgericht die letzte Entscheidung zu treffen hat. Dass wir darüber streiten, ist mehr als selbstverständ- lich. Aus meiner Arbeit in der Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD weiß ich, dass Für und Wider über Verbindlichkeit und Reichweite, über Voraussetzun- gen und Gültigkeit von Patientenverfügungen mitunter hart aufeinanderstoßen, ein Konsens auch innerhalb ei- ner Gruppe evangelischer Christinnen und Christen nur schwer herstellbar ist. Umso schwieriger dürfte uns dies hier im Deutschen Bundestag fallen. Entscheidungen entlang parteipolitischer Überzeu- gungen sind für mich undenkbar. Jeder von uns ist auf- gerufen, im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung sein Gewissen sorgsam zu prüfen. Gegenseitiger Res- pekt und fairer Umgang sind dabei eine Grundvorausset- zung. Die Unantastbarkeit der Würde des Menschen – im Leben und Sterben – ist zu achten und zu schützen. Um nicht weniger geht es. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 14) Marlene Mortler (CDU/CSU): Die Stellungnahmen in der Ausschussanhörung waren eindeutig: Keiner der Sachverständigen stellte das Absatzfondsgesetz infrage. In Detailfragen wird zwar Bedarf für Anpassungen gese- hen; diese sind aber nicht Gegenstand der Gesetzesno- velle. Vor allem aus Sicht der Molkereiwirtschaft hat sich das System der zentralen Absatzförderung in vollem Umfang bewährt. Sie ist die größte Gruppe von Bei- tragszahlern. Zweck des Absatzfondsgesetzes ist die Sicherung der Marktstellung und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft. Diese Auf- gabenstellung ist trotz des gemeinsamen Binnenmarktes nicht überholt, sondern durch die Folgen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik notwendiger denn je. Die Wirtschaft sieht die Aufgabe der CMA im We- sentlichen darin, durch gezielte Marketingmaßnahmen d U s U f E a G H a z g S n h v b D b W A g d d g d d n v t z r r s s s k G v f V n v d g s g w s (C (D ie Voraussetzungen für den Absatz von Produkten aller nternehmen der deutschen Land- und Ernährungswirt- chaft zu schaffen. Auf diesen Absatzförderungsmaßnahmen können die nternehmen individuell aufbauen und sie gegebenen- alls ergänzen. Das Absatzfondsgesetz ist mit dem Verfassungs- und uroparecht vereinbar; ebenso wird die Finanzierungsart ls Sonderabgabe als weiterhin erforderlich angesehen. Zwar wird die künftige Rahmenregelung der EU die renzen für erlaubte Werbebeihilfen etwas enger ziehen; inweise auf die Herkunft von Erzeugnissen werden ber im Rahmen nationaler oder regionaler Gütezeichen ulässig sein. Damit wird auch die künftige Regelung enügend Spielraum für Maßnahmen bieten, die den inn und Zweck des Absatzfondsgesetzes erfüllen. Die kontinuierliche Herausstellung des Nutzens einer achhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft mit ihren ochwertigen Produkten bewirkt, dass die Werthaltigkeit on Nahrungsmitteln stärker ins Bewusstsein der Ver- raucher dringt und ihre Kaufentscheidung beeinflusst. ieses ist vor allem angesichts der Ausgaben der Ver- raucher für das immer breiter werdende Angebot an aren und Dienstleistungen erforderlich, mit denen die usgaben für Nahrungsmittel konkurrieren müssen. Es eht letztlich darum, dem Thema „Essen und Trinken“ urch eine positive Darstellung heimischer Agrarpro- ukte insgesamt einen deutlich höheren Stellenwert zu eben. Leider ist der Kontakt zum Landwirt für die Mehrheit er Bevölkerung nicht mehr selbstverständlich. So pro- uzieren deutsche Bäuerinnen und Bauern heute in ei- em gesellschaftlichen Umfeld, das sich immer weiter on der Landwirtschaft entfernt. Gerade die aktuellen Widersprüche gegen die Abgabe reffen genau hier ins Mark. Die Folgen durch die er- wungenen Mittelkürzungen sind bereits jetzt gravie- end. Die tiefen Einschnitte, zum Beispiel beim zentral- egionalen Marketing im Inland, werden die Kluft zwi- chen Stadt und Land noch vertiefen. Letztendlich geht es bei der Arbeit der zentralen Ab- atzförderung auch darum, die Wertigkeit und Wert- chätzung heimischer Nahrungsmittel stärker in den Fo- us der Verbraucherinnen und Verbraucher zu rücken. Ich bin mir bewusst, dass das Absatzfondsgesetz in rundrechte der Abgabenbelasteten eingreift und daher erfassungsrechtlich beurteilt werden muss. Angezwei- elt werden verschiedentlich die verfassungsrechtlichen oraussetzungen der Homogenität sowie der Gruppen- ützigkeit. Hierzu gibt es die eindeutigen Ausführungen on Dr. Cornils. Sie verdeutlichen, dass am Vorliegen er Voraussetzungen zur Homogenität der durch die Ab- abe betroffenen Gruppe im Ergebnis kein Zweifel be- teht und die verfassungsrechtliche Voraussetzung der ruppennützigen Verwendung des Abgabenaufkommens eiterhin gegeben ist. Ich bin überzeugt, dass die Unternehmen der deut- chen Land- und Ernährungswirtschaft, die den Absatz- 9286 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) fonds finanzieren, deswegen eine homogene Gruppe bil- den, weil sie weiterhin durch eine gemeinsame Interessenlage verbunden sind. Ihr gemeinsames Inte- resse ist, ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem inländi- schen, dem europäischen und dem Weltmarkt zu bündeln und zu stärken. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1990 das Absatzfondsgesetz verfassungsrechtlich überprüft und die Verfassungmäßigkeit bestätigt. Auch 17 Jahre später hat sich daran nichts geändert, weil die Anforderungen an Homogenität und Gruppennützigkeit auch weiterhin erfüllt sind. Die Verfassungskonformität belegt auch ein aktueller Beschluss des Verwaltungsgerichts München. In diesem Beschluss kommt das VG München zu dem Ergebnis, dass keine schwerwiegenden Zweifel an der Vereinbar- keit des Absatzfondsgesetzes mit dem Grundgesetz be- stehen. Zur gruppennützigen Verwendung des Abgabenauf- kommens sei gesagt, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur darauf ankommt, dass die Verwendung im überwiegenden Interesse der Gesamtgruppe erfolgt. Urproduzenten, Verwerter und Vermarkter bilden dabei die Gesamtgruppe. Dies gilt auch für die homogene Gruppe der Forst- und Holzwirtschaft. Aufgrund der kleinteiligen Struktur mit viel Privatwaldbesitz in Deutschland wird die ge- meinschaftliche Holzwerbung von der Branche sehr po- sitiv gesehen. Zwar ist aufgrund der europäischen Rah- menregelung für staatliche Beihilfen nur eine Holzwerbung ohne Herkunftsangabe gestattet, dennoch wird der Holzabsatzfonds begrüßt. Anders als beim Ab- satzfonds gibt es keine nennenswerten Einsprüche gegen die Abgabe. Die vorgesehenen Änderungen werden positiv als Bü- rokratieabbau aufgenommen. Ohne den Holzabsatzfonds müssten sich die vielen Besitzer bzw. Betriebe zusam- menschließen, um eine gemeinsame holzabsatzför- dernde Werbung finanzieren zu können. Auch deshalb ist der Holzabsatzfonds in der Branche unumstritten. Die klaren Aussagen der Experten bestätigen die Haltung der Union und sorgen für geordnete Verhältnisse. In Bezug auf die europarechtliche Vereinbarkeit des Absatzfondsgesetzes möchte ich hervorheben, dass sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil aus dem Jahr 2002 lediglich zur Öffnung des CMA-Gütezeichens geäußert hat. Er hat sich nicht zum Absatzfondsgesetz geäußert und somit die zentrale Absatzförderung nicht infrage gestellt. Erst 2004 hat die EU-Kommission das Absatzfondsgesetz beihilferechtlich erneut genehmigt. Im aktuellen Gemeinschaftsrahmen ist nunmehr wie- der Werbung für Gütezeichen mit sekundärer Ursprungs- bezeichnung möglich. Auch ist Werbung für Produkte mit geschützter Ursprungsbezeichnung möglich. Diese wird sogar mit EU-Mitteln kofinanziert. Zu einer zentralen Absatzförderung gibt es keine Al- ternative. Diese Maßnahmen sind immens wichtig für die Sicherung und Erschließung neuer Exportmärkte. e i w m ß z a d n g r B ö s L d s u u z d i P T w e M E w J u i k n W m A g t A V d s ä k e n A t ü d (C (D Deutschland zählt nach wie vor zu den größten Agrar- xporteuren der Welt. Im letzten Jahr wurden Agrargüter m Wert von rund 40,8 Milliarden Euro exportiert. 1970 aren es erst 1,3 Milliarden Euro. Diese Spitzenposition öchten, wollen und müssen wir behalten! Zusammen mit den Auslandsbüros der CMA erschlie- en deutsche Unternehmen Exportmärkte. Hierzu wären ahlreiche Unternehmen, allein kaum in der Lage. Auch ndere Länder außerhalb und innerhalb der EU haben en Stellenwert von Inlands- und Auslandswerbemaß- ahmen zwischenzeitlich erkannt. Viele haben ver- leichbare Organisationen aufgebaut, um den Absatz ih- er Produkte im Binnen- und Weltmarkt zu fördern. eihilferechtliche Genehmigungen von Maßnahmen der sterreichischen AMA und der britischen staatlichen In- titutionen „Food from Britain“ und „English Beef and amb Executive“ durch die EU-Kommission belegen ies. Beide Organisationen vergeben ebenfalls Qualitäts- iegel für landwirtschaftliche Produkte, deren Herkunft nd Qualität sie überprüft haben. Auch in Frankreich nd in den Niederlanden sind die Aufwendungen pro- entual wesentlich höher als in Deutschland. Die CMA hat hier für die deutsche Agrarwirtschaft in en vergangenen Jahren wertvolle Arbeit geleistet und st ebenso unverzichtbar wie die ZMP, die mit ihrer reisberichterstattung und ihren Marktanalysen zur ransparenz der Märkte beiträgt. Stichwort Transparenz: Von Gegnern des Absatzfonds ird Transparenz bei der Mittelvergabe immer wieder ingefordert; zuletzt in der Ausschussanhörung Anfang ärz. Allerdings nimmt man es selber nicht so genau. inen der fordernden Experten bat ich um die Zahlen, ie viel Projektmittel sie von der CMA in den letzten ahren erhalten haben. Bis heute habe ich keine Antwort. Als deutsche Agrarpolitikerin stehen die Interessen nserer heimischen Land- und Forstwirtschaft für mich m Vordergrund. Sie stehen für heimische Wirtschafts- raft und Arbeitsplätze, die nicht exportiert werden kön- en. Dies sind wichtige gesamtwirtschaftliche Aspekte. ir sind stolz auf die Produkte und Leistungen der hei- ischen Erzeuger. Wir beschließen Änderungen, um ein zukunftsfähiges bsatzfondsgesetz zu schaffen. Mit diesem Änderungs- esetz möchten wir erstens die aufgabenbezogene Ver- eilung der Ausgabenlast neu regeln, zweitens die im bsatzfondsgesetz verankerte gegenseitige personelle erzahnung aufheben und drittens die Zahl der Mitglie- er des Verwaltungsrates des Absatzfonds erhöhen und eine Zusammensetzung zugunsten der Landwirtschaft ndern. Die Politik hat die Wichtigkeit des Absatzfonds er- annt und schnell gehandelt. Es bleibt aber auch noch ine ganze Menge zu tun. Die Ausgestaltung der Maß- ahmen ist allerdings nicht Sache des Parlamentes. Es ist ufgabe der Wirtschaft, die Unterstützung und Akzep- anz in ihren jeweiligen Bereichen herzustellen. Ich bin berzeugt, dass die Wirtschaft ihren Teil zum Gelingen es Gesetzes beitragen wird und muss. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9287 (A) ) (B) ) Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute abschlie- ßend die Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes und setzen damit längst über- fällige Forderungen, unter anderem vom Rechnungshof, um. Das Absatzfondsgesetz – genauer gesagt: das Gesetz über die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzför- derung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft – ist seit dem 26. Juni 1969 in Kraft, ins Leben gerufen von einer Großen Koalition. Das Gesetz wurde verschie- dene Male geändert, zuletzt von der rot-grünen Mehrheit im Jahr 2002. Damals haben wir insbesondere die Be- lange des Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzes mit aufgenommen und die personelle Besetzung des Verwal- tungsrates entsprechend der neuen Zielsetzungen ange- passt. Diese Änderungen wurden von der EU-Kommis- sion umfangreich geprüft und notifiziert. Eine weitere, bereits 2004 intensiv beratene und mit der heute debat- tierten in vielen Punkten übereinstimmenden Gesetzes- änderung ist zu meinem Bedauern im Vermittlungsaus- schuss der letzten, verkürzten Legislatur gestrandet. Ich möchte in dieser Debatte für meine Fraktion Fol- gendes deutlich machen. Die deutsche Land- und Ernäh- rungswirtschaft ist leistungs- und wettbewerbsfähig. Da- mit sie erfolgreich bleibt, sind ihre Märkte im Inland, innerhalb der Gemeinschaft und in der ganzen Welt zu pflegen und weiter zu erschließen. Hierzu ist der ein- zelne Erzeuger nicht umfassend in der Lage und dafür gibt es den Absatzfonds und seine Ausführungsgesell- schaften. Sie sind die Werkzeuge, die wir brauchen und für die es sich zu werben und zu streiten lohnt. Dabei stehen sie nicht außerhalb von Kritik, nein – aber wer das zentrale Agrarmarketing erhalten möchte, muss bereit sein zu Reformen. Wir wollen diese Verän- derungen! Wir wollen das zentrale Agrarmarketing er- halten, die daran geübte Kritik aufgreifen, breit diskutie- ren und strukturelle Änderungen durchsetzen. Ob dafür, jenseits dieser kleinen Novelle, gesetzliche Maßnahmen notwendig sind oder die Arbeit alleine über die Verwal- tungs- und Aufsichtsgremien geleistet werden kann, wird die Diskussion in den nächsten Monaten zeigen. Und wir wollen diese Diskussionen! Wir wollen auch damit deutlich machen, dass dieses Gesetz der Verfas- sung entspricht und EU-konform ist. Die vorliegende Gesetzesnovelle ist in der Experten- anhörung des Ausschusses für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz von allen Sachverständi- gen befürwortet worden. Ich werbe auch deshalb um Ihre Zustimmung. Eine weitergehende Kritik an der Ab- satzförderung ist für mich keine vernünftige Begrün- dung, sich der Stimme zu enthalten oder dagegen zu stimmen. Wer die zentrale Absatzförderung reformieren will, muss sie zunächst erhalten. Hans-Michael Goldmann (FDP): Die FDP wird der kleinen Novelle zum Absatzfondsgesetz zustimmen. Die kleine Novelle kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie am Kernproblem vorbeigeht. Ein Blick in die Be- gründung offenbart uns, worum es bei dieser Novelle wirklich geht: dem Bundesverfassungsgericht eine R G W h V d k r M s s P t z W d b F M h s h W D d f li g V s G s g b E r d la r A s A d b w f L r E d 3 W u z r w b k (C (D echtfertigung zu liefern, das Absatzfondsgesetz im rundsatz als verfassungsgemäß einzustufen. Ob dieser eg erfolgversprechend ist, bleibt abzuwarten. Die An- örung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und erbraucherschutz hat aber deutlich zutage gefördert, ass wir dringend eine Grundsatzdebatte über die Zu- unft des Absatzfondsgesetzes benötigen. Seit 1969 wird von den Produzenten des grünen Be- eichs eine Zwangsabgabe erhoben, um mit zentralen arketingstrategien den Absatz und Export landwirt- chaftlicher Produkte zu fördern. Doch Werbung, die peziell auf die deutsche Herkunft landwirtschaftlicher rodukte abstellt, ist seit einem Urteil des EuGH verbo- en. Die Unzufriedenheit unter den Bauern über die Effi- ienz der CMA ist hoch. Viele fühlen sich durch die erbung schlicht nicht vertreten, müssen aber trotzdem ie Abgabe zahlen und andere bezweifeln, dass die Wer- ung der CMA für sie irgendwelche Vorteile bietet. Die rage, welchen Nutzen ganz allgemeine Werbung für ilch oder Blumen oder Ähnliches für die Landwirte at, wurde nicht nur nicht zufriedenstellend beantwortet, ondern die Stellungnahme von Herrn Professor Becker at ja sehr eindrucksvoll aufgezeigt, wie sinnlos solche erbung ist. Zwangssysteme unterliegen in einer rechtsstaatlichen emokratie immer einem besonderen Rechtfertigungs- ruck. Der Nutzen für die zwanghaft Beglückten muss of- ensichtlich sein. Als Liberaler bevorzuge ich grundsätz- ch freiwillige Systeme. Doch wenn es ein Zwangssystem ibt, muss die Gruppennützlichkeit Voraussetzung für die erfassungsmäßigkeit des jeweiligen Zwangssystems ein. Auch wenn einige Experten in der Anhörung diese ruppennützligkeit als gegeben ansahen, meine Zweifel ind geblieben. Ich denke wir kommen an einer grundle- enden Reform des Absatzfonds und der CMA nicht vor- ei. Immer wieder wird insbesondere auf den Nutzen der xportförderung abgestellt. Doch die Landwirte profitie- en doch nur höchstens indirekt hiervon, weil vor allem ie Ernährungswirtschaft Träger des Exports ist. Die Aus- ndsmessenbetreuung wird vor allem von der Ernäh- ungswirtschaft genutzt, also zum Beispiel von Lidl und ldi. Welcher landwirtschaftliche Produzent setzt denn eine Produkte tatsächlich über Auslandsmessen direkt im usland ab? Der Hähnchenmäster beliefert Wiesenhof, er Fleischproduzent Tönnies, der Obst- und Gemüse- auer Krefeld und so weiter. Wie profitieren diese Land- irte denn von der Exportförderung oder der Absatz- örderung allgemein? Ich finde es seltsam, dass die andwirte ihre Exportförderung selber bezahlen, wäh- end das Bundeswirtschaftsministerium 180 Millionen uro Steuermittel für die gesamte Außenwirtschaftsför- erung des nicht grünen Bereichs einsetzt und allein 6 Millionen Euro für die Auslandsmessenbetreuung. arum müssen Bauern dies aus eigener Tasche bezahlen nd für den nicht grünen Bereich bezahlt dies der Steuer- ahler? Diese Fragen wurden auch in den Ausschussbe- atungen nicht zufriedenstellend geklärt. Insbesondere die sogenannten Flaschenhalsbetriebe enden sich immer wieder gegen den Absatzfonds und estreiten den Sinn und Zweck des zentralen Absatzmar- etings. Angesichts dessen, dass die meisten landwirt- 9288 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) schaftlichen Betriebe doch nur noch beim regionalen Marketing einen direkten Kontakt zum Endverbraucher haben, stellt sich auch mir die Frage, worin der Sinn liegt, in allgemeiner Werbung zum Beispiel Milch anzu- preisen? Der Bauernverband spricht davon, dass die CMA- Werbung ganz allgemein dem Verbraucher die Werthal- tigkeit landwirtschaftlicher Produkte vermitteln soll. Aber glaubt denn wirklich jemand, dass die CMA Ein- fluss auf die Verbraucherentscheidung nehmen könnte, lieber ein Buch, einen CD-Player, Designkleidung oder ein Stück Qualitätsfleisch zu kaufen? Der Rechtferti- gungsdruck unter dem der Absatzonds steht, hat durch das aktuelle Gesetzgebungsverfahren nicht nachgelas- sen. Liebe Kollegen von der Großen Koalition, mit eurer kleinen Novelle habt ihr es euch zu leicht gemacht. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird nicht vor 2009 erwartet. Wir hätten die Zeit für eine umfassende Reform nutzen sollen. Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand, deshalb ist es sehr fraglich, darauf zu vertrauen, dass das BVerfG schon nicht das Absatz- fondsgesetz für verfassungswidrig erklären wird. Selbst von denen, die grundsätzlich für den Erhalt des Absatz- fonds eintreten, gibt es eine Reihe von grundlegenden Reformforderungen, um die Effizienz der CMA zu erhö- hen. Diese Diskussion bis nach einem Urteil zu verschie- ben halte ich für falsch. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.): Über den nun zur Abstimmung vorgelegten Gesetzentwurf der Koalition zum Absatzfondsgesetz wurde sehr intensiv diskutiert. Und das, obwohl die vorgeschlagenen Ände- rungen und die auch im Gesetz geregelte Zentrale Markt- und Preisberichtsstelle, ZMP, kaum strittig sind. Aber es wird eben auch der dringende Regelungsbedarf bei der CMA nicht aufgegriffen, und das, obwohl er in der Gesetzesbegründung dargelegt wird. Der Gesetzent- wurf trägt damit nicht zur Lösung der eigentlichen Pro- bleme des Absatzfonds bei. Es bleibt bei der Intransparenz, es bleibt bei der gerin- gen Wirksamkeit, es bleibt bei dem zu geringen Nutzen für die Beitragszahlerinnen und -zahler, es bleibt bei den rechtlichen und inhaltlichen Bedenken. Aus diesem Grund lehnen wir diese Mini-Novelle ab. Dass eine Absatzförderung sinnvoll ist, bestreitet ja niemand. Die Frage ist aber: Wie wird gefördert, und wer bezahlt das? Lassen Sie mich nun zu einigen konkreten Kritik- punkten kommen: Erstens: Finanzierungssystematik. Der Absatzfond fi- nanziert sich über Zwangsabgaben. Das halten wir für antiquiert, möglicherweise ist es nach aktueller Rechts- lage auf EU- und Bundesebene sogar rechtswidrig. Hinzu kommt, dass eine wachsende Zahl der unfreiwilli- gen Beitragszahlerinnen und -zahler keinen Nutzen se- hen. Genau hier setzen die Klagen betroffener Milchbau- ern an. Sie finanzieren mit knapp 38 Prozent der Beiträge einen Löwenanteil des Absatzfonds. Aber ob- w r t d e v 1 l w f h S t e e W A S f t K z d e i z s g s r v D l f i f u d d h e d w k w z F L r e b l t G M P K r (C (D ohl der schon eine halbe Ewigkeit existiert, hat sich ge- ade für diese Erzeugergruppe die Lage eher verschlech- ert. Selbst im Jahr 2002, als die Milchpreise aufgrund er BSE-Krise kurzfristig einen Spitzenwert von 32 Cent rreichten, entsprach das Preisniveau gerade einmal dem on 1987. Seither sind die Preise wieder um mehr als 0 Prozent auf durchschnittlich 28 Cent gesunken. Das iegt unter dem Erzeugerkostenniveau. Viele Betriebe erden das auf Dauer nicht überstehen. In ihrer verzwei- elten Lage werden sogar Lieferboykotts angedroht. Was at also der Absatzfond den Milcherzeugern gebracht? ind Milchverbrauch und Absatz von Molkereiproduk- en gestiegen? Haben sich die Verbraucherpreise durch rfolgreiches Marketing stabilisiert? Nichts davon ist ingetreten und die Frage danach muss erlaubt sein: elche Leistung gibt es für den Zwangsbeitrag? Das im usschuss ausgerechnet die CDU beim Absatzfond das olidarprinzip einfordert, ist nach der Gesundheits„re- orm“ zynisch. Ich stelle dagegen die Frage: Wer profi- iert denn eigentlich wirklich vom Absatzfonds? Zweitens: Mangel an Transparenz, Ineffizienz und ontrolle. Diese Frage führt zwangsläufig zum zweiten entralen Kritikpunkt: Viele der derzeitigen Maßnahmen es Absatzfonds sind nicht transparent, ineffizient und ntziehen sich jeglicher Kontrolle. Diese Kritik war auch n der Ausschussanhörung deutlich vernehmbar. So ist um Beispiel unbekannt, wie viel Aufwand für den Ab- atz und das Marketing in Drittländern außerhalb der EU etätigt wird. Seitens der EU-Absatzförderung werden olche Maßnahmen unterstützt. Laut Kommissionsbe- icht vom Anfang dieses Jahres ist es nicht gelungen, die on der Kommission eingestellten Mittel auszunutzen. ie mangelnde Transparenz der Absatzfondsausgaben ässt eine genauere Bewertung der Aktivitäten leider of- ensichtlich nicht zu. Natürlich betreiben andere Länder, nsbesondere die USA und Kanada, aufwendige Absatz- örderung. Aber zumeist in einer völlig anderen Struktur nd mit dem Anspruch einer ordentlichen Evaluierung er Maßnahmen. Ich halte das für so selbstverständlich, ass ich sehr erstaunt bin. Schon der in der Ausschussan- örung von Professor Becker geäußerte Verdacht auf inen solchen Mangel beim Absatzfonds hätte zum Han- eln zwingen müssen. Das kann doch nicht geduldet erden. Drittens: Rechtliche Zulässigkeit und Produkt- annibalismus. Die EU-Zulässigkeit des Absatzfonds ird sehr unterschiedlich bewertet. Die EU-Richtlinien ur Absatzförderung schreiben eine produktbezogene örderung vor. Warum aber soll ein Brandenburger andwirt die Werbung für französischen Käse finanzie- en? Ich kann nachvollziehen, dass sich ihm das kaum rschließt. Durch die allgemeine Marktsättigung im Le- ensmittelbereich kommt es zudem zum Produktkaniba- ismus, das heißt, Werbeerfolge für die eine Produktgat- ung verdrängt Verbrauchs- und Marktanteile anderer attungen. Die innereuropäische Verflechtung der ärkte führt dazu, dass eine Absatzförderung für eine roduktgattung zwangsläufig auch die ausländische onkurrenz fördert. Hier zahlen die deutschen Erzeuge- innen und Erzeuger über eine gesetzlich geregelte Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9289 (A) ) (B) ) Zwangsabgabe die Absatzförderung der innereuropäi- schen Mitbewerber mit – übrigens ohne Gegenleistung. Viele Landwirtinnen und Landwirte zahlen deshalb – zu- sätzlich zu den Zwangsabgaben des Absatzfonds – völlig freiwillig für das Marketing eigener Produkte mit beson- derer Qualität oder Regionalität. Die Integration solcher erfolgreicher Marketingaktivitäten in die Absatzförde- rung würde Akzeptanz und Effizienz deutlich verbessern. Viertens: Verfassungsmäßigkeit der Zwangsbeiträge. In der Anhörung am 7. März wurden zur Verfassungs- mäßigkeit sehr unterschiedliche Positionen durch die Experten vertreten. Die Entscheidung des Bundesverfas- sungsgerichts wird Ende des nächsten Jahres erwartet. Aber die Argumentation des Verwaltungsgerichts Köln liegt vor. Es hat die Zwangsabgabe aus nachvollziehba- ren Gründen abgelehnt. Was, liebe Kolleginnen und Kollegen, hindert uns als Gesetzgeber eigentlich daran, unabhängig von noch aus- stehenden gerichtlichen Entscheidungen ein zukunfts- fähigeres und breiter akzeptiertes System der Absatzför- derung zu gestalten? Selbst die Vertreter der Koalition haben im Ausschuss betont, dass eine umfassende Re- form des Absatzfondsgesetzes erforderlich ist. Warum tun sie es dann nicht? Vielleicht liegt das Hauptproblem darin, alte Zöpfe abzuschneiden, um sich dann unvoreingenommen nach neuen Systemen der Absatzförderung umzusehen, übri- gens ausdrücklich auch im Interesse der Beschäftigten der CMA und ZMP. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Bes- tenfalls unwirksam“ – so betitelte die Zeitschrift „Wer- ben und Verkaufen“ in ihrer Ausgabe vom 15. März die- ses Jahres ihren Artikel über unsere Anhörung im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz zur Novelle des Absatzfondsgesetzes. Ein hartes Urteil über die CMA bei einem Jahresetat von 100 Millionen Euro, gespeist aus den Zwangsbeiträgen der landwirtschaftlichen Erzeuger! Dieses Pauschalurteil ist sicherlich überzogen und so nicht zutreffend. Allerdings besteht die Kritik am Ab- satzfonds zu Recht, und das zur Debatte stehende Ab- satzfondsgesetz gehört auch nach der heutigen Abstim- mung grundsätzlich auf den Prüfstand. Das wurde durch die Anhörung am 7. März eindeutig bestätigt. Professor Tilman Becker von der Universität Hohenheim bei- spielsweise schätzt die Effizienz der generischen Wer- bung als sehr gering ein. Er verweist in seiner Stellung- nahme auf eine Reihe weiterer Wissenschaftler, die zu ähnlichen Einschätzungen kommen. Die Werbemaßnah- men der CMA seien überwiegend auf das Ziel ausgerich- tet, den Namen der CMA positiv aufzuladen. Damit würde die ganze Angelegenheit zum Selbstzweck. Deutlich wurde aber auch, dass sich die Kritik an der Arbeit der CMA entzündet und die Sinnhaftigkeit und Qualität der Arbeit der Zentralen Markt- und Preisbe- richtsstelle – ZMP – allgemein anerkannt wird. d g w s B s d c V v m u r e n s I g d n d k m s m l A i s d Z d V r s A t ü S d V n w w e d d k g d A z c d H (C (D Die Legitimationskrise des Absatzfonds hat sich urch die sich aus EU-Recht ergebenden Einschränkun- en der herkunftsbezogenen Werbung und die vom Ver- altungsgericht Köln geäußerten Zweifel an der Verfas- ungskonformität dramatisch verschärft. Der Kölner eschluss ist dabei der Auslöser der Klage- und Wider- pruchswelle, aber die Ursache ist mangelnde Rücken- eckung und Akzeptanz. Die ablehnende Haltung ist si- her durch die nicht vorhandene Bereitschaft bei den erantwortlichen verstärkt worden, auf die seit Jahren orgebrachte Kritik angemessen zu reagieren. Allerdings wäre ein ersatzloser Wegfall eines Ge- einschaftsmarketings und der unabhängigen Markt- nd Preisberichtserstattung für die Land- und Ernäh- ungswirtschaft in Deutschland durchaus ein Verlust und in Wettbewerbsnachteil gegenüber der Land- und Er- ährungswirtschaft innerhalb der Europäischen Gemein- chaft, da es in anderen Mitgliedstaaten vergleichbare nstrumente gibt. Das Marketing im Lebensmittelbereich änzlich der Lebensmittelindustrie zu überlassen, wäre em Ziel der Förderung eines gesundheitsbewussten Er- ährungsverhaltens nicht dienlich und nicht im Sinne es Verbraucherschutzes. Um dem Gemeinschaftsmar- eting eine Zukunft zu geben und die Kritik aufzuneh- en, brauchen wir mehr als diese formale Novelle. Die Abgaben zum Absatzfonds haben quasi fiskali- chen Charakter. Eine Geheimhaltung widerspricht de- okratischen Prinzipien. Eine Berichtspflicht zur Offen- egung der Einnahmen und Ausgaben sollte im bsatzfondsgesetz verankert werden. Ebenso müssen die landwirtschaftlichen Erzeuger in hrer Bandbreite angemessen in den Gremien vertreten ein. Das wird weder durch das bestehende Gesetz noch urch die vorgesehene Änderung gewährleistet. Dem entralausschuss der Deutschen Landwirtschaft werden ie Vorschlagsrechte für sämtliche landwirtschaftlichen ertreter im Verwaltungsrat des Absatzfonds einge- äumt. Der Zentralausschuss ist aber lediglich ein Zu- ammenschluss von vier Verbänden der deutschen grarwirtschaft. Er stellt keine offizielle Interessenver- retung der deutschen Landwirtschaft dar. Er verfügt ber keine Organe und keine demokratisch legitimierten trukturen. Daher ist es nicht nachvollziehbar, warum iese Einrichtung zusätzlich zu den sieben bisherigen ertretern auch noch das Vorschlagsrecht für die fünf eu zu vergebenden Sitze erhält. Insbesondere die Land- irtschaft aus den neuen Bundesländern, die Nebener- erbslandwirte und die in der Arbeitsgemeinschaft bäu- rliche Landwirtschaft organisierten Betriebe werden urch den Zentralausschuss nur unzureichend vertreten. Die generische Werbung wird ganz überwiegend von en Experten als wirkungslos oder doch weitgehend wir- ungslos eingeschätzt. Für Ärger sorgten in der Vergan- enheit auch einige der gewählten Werbemaßnahmen, ie von einigen als sexistisch wahrgenommen wurden. ndere Vorwürfe von Verbraucherseite lauten, es sei un- ulässige Werbung mit nicht wissenschaftlich abgesi- herten gesundheitsbezogenen Aussagen betrieben wor- en, und es seien Produkte aus tierquälerischen altungsformen beworben worden. 9290 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Um der Kritik gerecht zu werden und Klarheit hin- sichtlich der Aufgaben und Schwerpunktsetzung zu schaffen, muss dieses im Gesetz verankert werden. Pro- duktdifferenzierung, Förderung von Wertschöpfungsket- ten, Regionalität, Qualität und Lebensmittelsicherheit, Produkt- und Technologieinnovation, Wertschätzung ge- sunder Lebensmittel sind die Bereiche, die dabei ge- stärkt werden müssen. Das zentral-regionale Marketing wird übrigens meist positiv beurteilt; auch das ist durch die Anhörung sehr deutlich geworden. Leider sind trotz öffentlicher Bekundungen seitens des Vorsitzenden des Verwaltungsrates und Präsident des Deutschen Bauern- verbandes, Gerd Sonnleitner, beim Absatzfonds keiner- lei Ansätze für eine Neuorientierung erkennbar. Bei den Sparmaßnahmen im Haushalt 2007 wurden alle Kürzun- gen nach der Rasenmähermethode vorgenommen. Die CMA führt statt nachprüfbarer Erfolgskontrollen umfangreiche Untersuchungen zur Überprüfung ihres ei- genen Bekanntheitsgrades durch. Es muss daher eine un- abhängige Evaluierung der Maßnahmen gewährleistet werden. Auch das sollte im Gesetz verankert werden. Die Monopolstellung der CMA ist nicht zeitgemäß und trägt wesentlich zur Ineffizienz der Maßnahmen bei. Daher muss das Gesetz die Aufgabenbereiche klar defi- nieren. Durch Ausschreibungs- und Vergabeverfahren muss – wie in anderen Bereichen auch – mehr Wettbe- werb und Dynamik in das System hinein. Diese kleine Novelle des Absatzfondsgesetzes trägt insgesamt nicht zur Lösung der anstehenden Probleme bei. Den Einwendungen des Verwaltungsgerichts Köln wird sie ebenfalls nicht gerecht. Sie ist nicht geeignet, die Akzeptanz der Absatzförderung bei Beitragszahlern oder in der Öffentlichkeit zu verbessern. Wir werden da- her dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Indigene Völker – Ra- tifizierung des Übereinkommens der Internatio- nalen Arbeitsorganisation (IAO) Nr. 169 über Indigene und in Stämmen lebende Völker in un- abhängigen Staaten (Tagesordnungspunkt 15) Dr. Wolf Bauer (CDU/CSU): Wir stehen heute vor dem Problem, über einen Antrag zu beraten, dem wir ei- gentlich in weiten Teilen zustimmen können und wollen, ihn aber doch aus bestimmten Gründen ablehnen müs- sen. Der Teil des Antrags, dem wir zustimmen können, befasst sich mit der Situation indigener Völker in Ent- wicklungsländern und wie wir deren Situation verbes- sern können. Aber der Antrag beinhaltet auch die Forde- rung, das IAO-Übereinkommen über Indigene Völker in Deutschland zu ratifizieren und damit hier bei uns zu geltendem Recht zu machen. Und daher stellt sich zunächst die Frage, wie sich die Situation der in Deutschland lebenden indigenen Völker darstellt und ob eine Ratifizierung des Übereinkommens i s b S r m f s m v g i v A m i S r g t s a A C z t s E B a T b z b d v s v l n s n b u k s u B d d d f z i e (C (D hre Situation verbessern würde? Die Antwort kann nur ein, dass eine Anwendung auf die in Deutschland le- enden nationalen Minderheiten wie Friesen, Dänen und orben nicht zielführend ist, da diese Volksgruppen weit eichende Rechte genießen und auch in Anspruch neh- en. Dies wird auch von allen Seiten anerkannt und ge- ördert. Viel entscheidender für die Beantwortung der Frage ind für mich entsprechende Aussagen aus den Bundes- inisterien für Wirtschaft und Inneres, aus denen her- orgeht, dass es in diesen Häusern wohl die Befürchtung ibt, dass eine Ratifizierung des Übereinkommens nicht m Einklang mit nationalem Recht steht. Die Ministerien erweisen auf mögliche Verzögerung von Projekten der ußenwirtschaftsförderung und neue rechtliche Rah- enbedingungen für bestimmte Indigene Volksgruppen n Deutschland, die daraus möglicherweise bestimmte onderrechte für sich ableiten könnten. Solange diese echtlichen Fragen für Deutschland nicht abschließend eklärt sind, können wir als CDU/CSU-Bundestagsfrak- ion dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen nicht zu- timmen. Trotz dieser „nationalen“ Einwände möchte ich hier ber klarstellen, dass sich viele richtige und wichtige ussagen im vorgelegten Antrag finden, die wir als DU/CSU-Bundestagsfraktion ausdrücklich unterstüt- en. Dabei möchte ich vor allem die Analyse der Situa- ion von indigenen Völkern besonders in Lateinamerika owie daraus resultierende Folgerungen für die deutsche ntwicklungszusammenarbeit herausstellen. Wenn man sich einmal vergegenwärtigt, dass allein in olivien 62 Prozent der Bevölkerung indigenen Völkern ngehören und dem gegenüberstellt, dass vom indigenen eil der Bevölkerung 52 Prozent in extremer Armut le- en, vom übrigen Teil der Bevölkerung aber nur 27 Pro- ent – dann stimmen sie mir sicherlich zu, dass wir uns emühen müssen, die Lebenssituation für Angehörige er Indigenen Völker dort zu verbessern. Dabei ist Boli- ien kein Einzelfall – ähnliche Zahlen gibt es auch bei- pielsweise zu Ecuador, Peru oder Guatemala. Dies hat iele Ursachen, die ich hier nicht alle nennen kann – es iegt oftmals an der Diskriminierung beim Zugang zu Fi- anzdienstleistungen oder Ausbildung, an Rechtsun- icherheit oder an Konflikten im Bereich der Raumord- ung oder des Landrechts. Doch diese prekäre Situation ist der Bundesregierung ekannt und sie hat entsprechende Schritte eingeleitet, m sie zu bessern. So hat sie eigens zu diesem Themen- omplex ein Konzept mit dem Titel „Entwicklungszu- ammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika nd der Karibik“ erarbeitet. Hiermit soll der besonderen edeutung der Indigenen Völker für die Entwicklung er Länder, in denen sie leben, Rechnung getragen wer- en. In diesem Konzept werden Maßnahmen genannt, ie im vorgelegten Antrag gefordert werden – insofern asse ich viele Passagen des Antrags auch als Unterstüt- ung für die bisherige Politik der Bundesregierung auf. Die Entwicklung Lateinamerikas und anderer Länder st nur dann nachhaltig, wenn auch die indigenen Völker ingebunden und gefördert werden. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9291 (A) ) (B) ) Dabei müssen wir uns zum Ziel setzen, nicht nur die Lebensbedingungen der Indigenen Völker im engeren Sinne zu verbessern, sondern auch ihre politische Orga- nisations- und Partizipationsfähigkeit zu fördern. Ich möchte an dieser Stelle folgendes Zitat wiedergeben: „In der Geschichte Guatemalas haben wir Mayas immer nur unser Recht ausgeübt, zu wählen, nicht aber gewählt zu werden.“ Dies sagte jüngst Rigoberta Menchú bei ihrer Ankündigung, für das Präsidentenamt in Guatemala zu kandidieren. Sie gehört wie 40 Prozent ihrer Landsleute zur Volksgruppe der Maya und hat für ihr bisheriges Ein- treten für die Rechte der Indios 1992 den Friedensnobel- preis erhalten. Wir dürfen aber auch die Rolle der Indigenen Völker in anderen Entwicklungsfeldern nicht vergessen: Indi- gene Völker leisten dort, wo sie noch in unmittelbarer Nähe zu natürlichen Ressourcen und biologischer Viel- falt leben und wirtschaften, einen unschätzbaren Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität. Hinzu kommt ihre Rolle als Teil des Weltkulturerbes. Erwähnenswert ist auch ihr Potenzial zur Entwicklung ihrer Staaten und Gesell- schaften. Diese Analyse wird auch von der internationalen Staatengemeinschaft geteilt und entsprechend umge- setzt. So gibt es im Rahmen des UN-Systems zahlreiche Gremien und Resolutionen, die sich mit der Verbesse- rung der Situation von Indigenen Völkern befassen. Dies geschieht auf vielfältigste Art und Weise – beispiels- weise durch die Unterstützung regionaler Dachverbände Indigener Völker und ihrer Vertreter bei der Wahrneh- mung ihrer Interessen gegenüber den Regierungen und auf internationaler Ebene. Gerade dieses Instrumentarium hat sich bewährt und ist auch ein Element der deutschen Entwicklungszusam- menarbeit. So kooperiert das BMZ mit der COICA (Co- ordinadora de las Organizaciones Indigenas de la Cuenca Amazónica), die die Interessen der indigenen Amazonasvölker vertritt, oder dem Zentralamerikani- schen Rat Indigener Völker, kurz CICA. Ebenfalls wer- den Vertreter indigener Völker bei der Planung und Durchführung der deutschen Entwicklungszusammenar- beit einbezogen und bringen so ihre Erfahrungen und Ideen in die Projekte ein. Denn nur gemeinsam mit dem Wissen und Erfah- rungsschatz der Indigenen Völker können Projekte Aus- sicht auf Erfolg haben und eine nachhaltige Wirkung er- zielen. Nun wird das alles auch im entwicklungspolitischen Teil des vorliegenden Antrags gefordert und ich betone ausdrücklich, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dies unterstützt. Auch wird gelegentlich eine Solidarrati- fikation gefordert. Meines Erachtens nach greift dieses Argument zumindest für Lateinamerika nicht, denn ab- gesehen von ganz wenigen Ausnahmen haben alle lateinamerikanischen Länder das Übereinkommen ratifi- ziert. Die meisten Verfassungen lateinamerikanischer Länder erkennen die nationale Gesellschaft mittlerweile als multiethnisch oder multikulturell an und sprechen den indigenen Bevölkerungsgruppen entsprechende Rechte zu. S W n U n V a g a e D s n g d R v w h b n g k W I z S s d n D w m n 4 k 5 s b s c r t t z G a c T R R v t b (C (D Dies sind alles ermutigende und viel versprechende ignale, auch wenn sie insgesamt noch nicht ausreichen. ir müssen die indigenen Völker und die Länder, in de- en sie leben, weiter in ihren Bemühungen unterstützen. nd – ich betone nochmals – der Antrag enthält in sei- em entwicklungspolitischem Teil richtige und wichtige orschläge dazu. Insgesamt müssen wir den Antrag aber us den genannten Gründen ablehnen, auch wenn ich leichwohl hoffe, dass wir Mittel und Wege finden, die ngesprochenen Probleme zu überwinden, um das Über- inkommen Nr. 169 über indigene Völker auch in eutschland ratifizieren zu können. Christel Riemann-Hanewinckel (SPD): Stellen Sie ich vor, wir hier in Deutschland wären Angehörige ei- es indigenen Volkes und andere Gesellschaften oder roße Wirtschaftsunternehmen kämen hierher und wür- en unseren Lebensraum zerstören, unsere natürlichen essourcen ausbeuten, uns demokratische Beteiligung orenthalten und uns elementare politische Rechte ver- eigern. Wir würden diskriminiert und ausgegrenzt, wir ätten keine Rechtssicherheit, keinen Zugang zu Schul- ildung, zu medizinischer Grundversorgung und zu Fi- anzdienstleistungen. Kurz: Wir wären in Europa weit- ehend vom politischen, wirtschaftlichen, sozialen und ulturellen Leben ausgeschlossen. Jetzt frage ich Sie: ürden Sie sich für oder gegen die Ratifizierung der LO-Konvention 169 entscheiden? Die ILO-Konvention 169 ist seit 1989 das bisher ein- ige internationale Vertragswerk mit völkerrechtlichem tatus, das die Rechte indigener oder in Stammesgesell- chaften lebender Bevölkerungsgruppen schützt. Von en insgesamt 177 Mitgliedstaaten der Vereinten Natio- en haben nur 18 Länder dieses Vertragswerk ratifiziert. as ist eine enttäuschende Bilanz. In Europa sind Nor- egen, die Niederlande, Dänemark und zuletzt Spanien it gutem Beispiel vorangegangen. Die Vereinten Natio- en schätzen, dass weltweit zwischen 300 und 00 Millionen Menschen Angehörige indigener Bevöl- erungsgruppen sind. Sie leben in mehr als 000 Gemeinschaften und in mehr als 70 Ländern die- er Erde. Zusammen bilden sie fast 5 Prozent der Welt- evölkerung. Die ILO-Konvention 169 erkennt indigene Gemein- chaften als „Völker“ an, wenngleich auch ohne staatli- he Souveränität, aber als kollektive Besitzer eines Ter- itoriums und als Gemeinschaften mit eigenen raditionellen Selbstverwaltungsorganen. Die Konven- ion hat zum Ziel, Schutz und Anspruch auf eine Viel- ahl von Grundrechten für die Angehörigen indigener ruppen rechtsverbindlich zu regeln. Dies betrifft unter nderem das Recht auf ihre eigene Lebensweise, Spra- he und Kultur, das Recht auf traditionelles Land oder erritorium sowie die Nutzung der dort vorhandenen essourcen, das Recht auf Selbstverwaltung und das echt auf spezielle Konsultations- und Partizipations- erfahren bei allen Vorhaben, die Einfluss auf das Terri- orium oder die Lebensweise von indigenen Gruppen ha- en. 9292 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Im Jahr 2002 hat der Deutsche Bundestag die Bun- desregierung aufgefordert, die ILO-Konvention 169 zu ratifizieren. Dieser Aufforderung ist die Bundesregie- rung bis heute nicht nachgekommen. Nicht nur die Frak- tion des Bündnisses 90/Die Grünen, sondern auch die Menschenrechts- und die Entwicklungspolitiker und -po- litikerinnen der SPD-Bundestagsfraktion halten die For- derung nach einer Ratifikation für notwendig und wich- tig. Wir müssen uns aber eingestehen, dass es uns auch unter Rot-Grün nicht gelungen ist, unsere Fraktionskol- leginnen und -kollegen – vor allem aus der Innenpolitik, der Verteidigungs- und der auswärtigen Politik, aber auch die Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern – zu dieser wichtigen Entscheidung zu bewegen. In den Debatten der vergangenen Jahre wurde viel- fach das Argument zitiert, Deutschland müsse die ILO- Konvention 169 nicht zeichnen, da sie für den Geltungs- bereich des Grundgesetzes rechtlich ohne Konsequenzen wäre. Diese Auffassung wird der Rolle Deutschlands in der Welt nicht gerecht. Das Bundesministerium für wirt- schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung plädiert schon seit 1996 unter unterschiedlichen Ministerinnen und Ministern dafür, die ILO-Konvention 169 nicht nur in der Entwicklungspolitik, sondern auch in der Außen- und Wirtschaftspolitik zu einem übergreifenden Bezugs- rahmen für bilaterale Beziehungen zu anderen Ländern zu machen. Erst Ende 2006 hat Bundesministerin Heidi Wieczorek-Zeul ein neues Konzept vorgelegt. Die Grundlage für dieses neue Konzept sind die Evaluierung des ersten BMZ-Konzeptes von 1996 und die Ergebnisse von Konsultationsprozessen mit Vertreterinnen und Ver- tretern indigener und internationaler Organisationen. Ich nenne ein paar der wichtigsten Empfehlungen: erstens bessere Verankerung der Belange indigener Völ- ker in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, vor allem, wenn es um Vorhaben der guten Regierungsfüh- rung geht, zweitens Einbeziehung indigener Völker und Organisationen als zentrale Akteure in jegliche Planung und Umsetzung, drittens Verbindung der Demokratieför- derung mit interkulturellem Dialog und viertens Berück- sichtigung und Unterstützung des Themas in Krisenprä- vention und Konfliktbearbeitung. Eine wichtige Forderung der indigenen Vertreterinnen und Vertreter ist für mich die Forderung nach mehr Beteiligung bei bila- teralen und regionalen Vorhaben mit staatlichen Institu- tionen und insgesamt ein größeres Maß an direkter Zu- sammenarbeit. 1995 proklamierten die Vereinten Nationen die inter- nationale Dekade der „Indigenen Bevölkerungen“, von 1994 bis 2004. Das Motto hieß „Indigene Völker – Part- nerschaft in Aktion“. In den Bereichen Menschenrechte, Umwelt, Gesundheit und Bildung sollte die internatio- nale Zusammenarbeit ausgebaut werden. Erfolge dieser Dekade waren die Berufung eines VN-Sonderberichter- statters und die Gründung des ständigen Forums für indi- gene Fragen im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialra- tes Ecosoc. Trotzdem ist das Fazit deprimierend: Die Dekade trug nicht dazu bei, die allgemeine Lebenssitua- tion der Indigenen zu verbessern. Deshalb rief die VN- Generalversammlung im Dezember 2004 zu einer „ d A d u a b z S d u t ü b P l 1 u g b k r S H B s l S u r t D a F z a z t g i D A d S g n T d s s V m E z e (C (D Zweiten Internationalen Dekade der indigenen Völker er Welt“ auf. Indigene Völker sind unverhältnismäßig stark von rmut, Arbeitslosigkeit, Krankheit, unzureichender Bil- ung und Kindersterblichkeit betroffen. Die Millenni- msziele greifen insgesamt diese Themen auf. Es ist ber notwendig, die spezielle Situation indigener Völker ei der Verwirklichung der Millenniumsentwicklungs- iele zu berücksichtigen. Multilaterale und bilaterale Geber haben spezielle trategien und Leitlinien für die Zusammenarbeit mit in- igenen Völkern entwickelt: Die Weltbank hat einen mfangreichen Konsultationsprozess geführt, und die in- eramerikanische Entwicklungsbank verabschiedete berarbeitete Leitlinien. Beide haben sich für die ver- indliche Vorgabe entschieden, dass indigene Völker an rojekten, die sie direkt oder indirekt betreffen, zu betei- igen sind. Auch der Rat der europäischen Union hat sich 998 für die grundsätzliche Berücksichtigung der Rechte nd Anliegen der indigenen Völker als Querschnittsauf- abe ausgesprochen. Er hat Kriterien definiert, die in der ilateralen EZ der EU-Mitgliedsländer zum Ausdruck ommen sollen. Das Europaparlament hat alle Mitgliedstaaten aufge- ufen, die ILO-Konvention 169 über „Indigene und in tämmen lebende Völker“ zu ratifizieren. Ich habe die offnung noch nicht aufgegeben, dass die deutsche undesregierung den Wünschen der Ministerin für wirt- chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und Tei- en des Parlaments folgen wird. Dr. Karl Addicks (FDP): Die Achtung und der chutz indigener Völker sind in den letzten Jahren mehr nd mehr beachtet worden. Dies befürworten wir Libe- ale ausdrücklich! Die in Stämmen lebenden Völker leis- en einen besonderen Beitrag zur kulturellen Vielfalt. abei gilt es besonders, sowohl den Erfahrungsschatz ls auch das naturspezifische Wissen dieser Völker als undus für den Schutz der Biodiversität zu erhalten und u nutzen. In der Entwicklungszusammenarbeit, aber uch in der Umweltpolitik gilt es, dieses Wissen zu nut- en und zu berücksichtigen. Ich denke, in diesen Punk- en sind wir uns alle einig. Viele nationale und internationale Initiativen und Or- anisationen haben dies erkannt und sich den Schutz der ndigenen Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben. ies ist zu begrüßen. Zu nennen sind zum Beispiel die rbeitsgruppe über indigene Bevölkerungen, das Stän- ige Forum über indigene Angelegenheiten sowie der onderberichterstatter zur Lage der Menschenrechte und rundlegenden Freiheiten indigener Völker. Dies sind ur einige Beispiele, die aber verdeutlichen, dass dieses hema erkannt und diskutiert wird. Die FDP sieht zu- em keinen Bedarf an einer zusätzlichen Initiative. Sie elbst, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, agen dies auch in Ihrem Antrag. Der Schutz indigener ölker sei bereits in zahlreichen internationalen Abkom- en aufgegriffen worden. Sowohl auf europäischer bene als auch bei den Vereinten Nationen sind bereits ahlreiche Bestrebungen zum Schutz indigener Völker rfolgreich zum Abschluss gekommen. Warum also ein Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9293 (A) ) (B) ) weiteres Abkommen, das meines Erachtens keinen zu- sätzlichen Nutzen enthält? Und noch eines finde ich sehr merkwürdig. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie selbst haben es in Ihrer rot-grünen Regierungskoalition in der Hand gehabt, die IAO Nr. 169 zu ratifizieren. Warum ha- ben Sie das nicht getan? Wo sie doch Regierungsverant- wortung und die nötige Mehrheit im Plenum hatten. Es wäre also – wenn sie es gewollt hätten – ein Leichtes ge- wesen, diese Ratifikation vorzunehmen. Da kann ich Ih- ren jetzigen Vorstoß nicht ganz ernst nehmen. Doch nicht nur die Frage nach dem zusätzlichen Nut- zen stellt sich für uns Liberale. Auch sehen wir in der IAO Nr. 169 das Problem der Unterscheidung zwischen indigener und nichtindigener Bevölkerung. Wir Liberale glauben an die Universalität der Menschenrechte. Eine Unterscheidung zwischen indigenen und nichtindigenen Individuen sollte es für uns nicht geben. Diese Art der Positivauslesen lehnen wir ebenso ab wie auch jede an- dere Form der Diskriminierung. Das ist auch der Haupt- grund, warum wir diesem Antrag nicht zustimmen kön- nen. Eine weitere Forderung in Ihrem Antrag besteht in ei- ner stärkeren Berücksichtigung indigener Völker in der Entwicklungszusammenarbeit sowie auch als Dialog- partner. Dies ist in vielen Fällen bereits vorhanden, und da stellt sich für mich ebenso die Frage: Warum muss hier eine Unterscheidung erfolgen? Diese Art von Dis- kriminierung können wir Liberale nicht unterstützen. Für uns haben alle Menschen die gleichen Rechte. Unser Ziel muss es vielmehr sein, dass die Menschenrechte weltweit geschützt, geachtet und eingefordert werden. Das muss unser aller Ziel sein. Wir Liberale lehnen aus diesen Gründen den Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zur Ratifika- tion der IAO Nr. 169 ab. Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE): Zu den indi- genen Völkern zählen weltweit rund 300 Millionen Menschen. Sie gehören in vielen Ländern zu denjenigen, die am meisten unter Unterdrückung und Ausgrenzung zu leiden haben. Im Zentrum der Konflikte mit Regie- rungen und internationalen Unternehmen steht das Recht der Indigenen auf ihr eigenes Land. In Sibirien werden Rentierhirten von Ölfirmen aus ih- rem Land vertrieben. In Botswana sollte das Buschvolk der San aus der Zentralkalahari verschwinden, damit für die Tourismusindustrie ein Naturreservat ohne Men- schen entstehen kann. Der zuständige UN-Sonderberichterstatter Stavenha- gen merkte dazu heute in einer Pressekonferenz bitter an, dass „in manchen Ländern Wildtiere mehr Rechte genießen als die dort lebenden indigenen Völker.“ Das 1989 beschlossene Übereinkommen 169 der IAO über die Rechte der Indigenen legt deshalb in Art. 15 fest, dass die betreffenden Völker an der Nutzung, Be- wirtschaftung und Erhaltung der natürlichen Ressourcen zu beteiligen sind. In Art. 16 heißt es, dass „die betref- f a R k h e d U d G d k Ö w m e z d d a V B d G d V s S K t d V e d i V s v B E s e A (C (D enden Völker aus dem von ihnen besiedelten Land nicht usgesiedelt werden dürfen.“ Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass die egierungsparteien einer Ratifizierung dieses Überein- ommens zustimmen. Doch trotz der intensiven Bemü- ungen meines Kollegen Hoppe, der nun schon seit 2002 ine Vielzahl von Gesprächen mit Vertretern der zustän- igen Ministerien geführt hat, stemmen sich SPD und nion mit aller Macht dagegen. Federführend ist hier as Wirtschaftsministerium. Offenkundig will Herr los, dass deutsche Firmen auch in Zukunft überall auf er Welt ungeachtet der Menschenrechte indigener Völ- er ihre Geschäftsinteressen wahren können. Ich nenne an dieser Stelle nur die 2003 fertig gestellte lpipeline in Ecuador, die von der West LB finanziert urde. Für dieses Projekt wurden die in der Region hei- ischen Indianer mit Waffengewalt vertrieben. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass das IAO-Über- inkommen 169 allein keine Gewähr für die Durchset- ung der Rechte der Indigenen bietet. Denn Ecuador hat as Übereinkommen ratifiziert. Doch die Ratifizierung urch die Bundesrepublik würde unweigerlich die Frage ufwerfen, ob die Rechte der Indigenen nicht auch in den ergaberichtlinien etwa bei der Erteilung von Hermes- ürgschaften eine Rolle spielen sollten oder bei der Kre- itvergabe einer landeseigenen Bank wie der West LB. Wir, Die Linke, unterstützen deshalb den Antrag der rünen ohne Wenn und Aber. Dies ist auch ein Signal er Solidarität gegenüber den Aktivisten der indigenen ölker, die aktuell in Guatemala ihren dritten amerikani- chen Kontinentalgipfel abhalten. Dass ihr Widerstand Erfolg haben kann, bewiesen die an im afrikanischen Botswana. Deren jahrelanger ampf hat dazu geführt, dass ein Gericht nun ihre Ver- reibung aus der Kalahari für illegal erklärt hat! Lassen Sie mich noch eines anfügen. Das Verhalten er großen Kolonialmächte gegenüber den indigenen ölkern war schon immer besonders schändlich. Um nur in Beispiel zu nennen, das noch immer aktuell ist: Nach em Erwerb der Insel Diego Garcia im Indischen Ozean n den 60-Jahren hat Großbritannien das dort lebende olk zwangsdeportiert, nicht im Interesse von Öl-Multis, ondern um die Insel dem US-amerikanischen Militär zu erpachten. So konnten von dort aus 1991 und 2003 die omber starten, um Hunderttausende im Irak zu morden. Die einstigen Inselbewohner sind heute Bürger der U. Doch ihr Zwangsexil dauert an. Es stünde der deut- chen Ratspräsidentschaft gut zu Gesicht, ihr Schicksal ndlich zu einem Thema in der EU zu erklären. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Rede Zur Beratung: – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Verbesse- rung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif- ten für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR 9294 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Verbesse- rung rehabilitierungsrechtlicher Vorschrif- ten für politisch Verfolgte im Beitrittsgebiet und zur Einführung einer Opferrente (Op- ferrentengesetz) (Tagesordnungspunkt 16a und b) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Auch wenn die letzte Debatte zum Thema erst wenige Wochen zurückliegt, scheint es mir erforderlich, dass wir uns hierüber heute noch einmal austauschen. Denn der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, nimmt leider nichts von dem auf, was in der letzten Debatte, aber auch außerparlamentarisch, an Kritik geäußert worden ist. Die FDP ist davon überzeugt, dass es nach der massiven Kri- tik, die bei weitem nicht nur parteipolitisch motiviert war, geboten ist, die rechtspolitischen und vor allem fis- kalischen Spielräume neu auszuloten. Sie hingegen ver- fahren nach dem Prinzip „Augen zu und durch“. Das wird der Bedeutung des Gesetzgebungsvorhabens nicht gerecht. Das, wie Sie es nennen, Dritte Gesetz zur Verbesse- rung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften wird eine Art Schlussgesetz sein. Machen wir uns doch nichts vor, ein Viertes oder gar Fünftes Gesetz wird es nicht mehr geben. Das wäre den Betroffenen auch nicht zumutbar. Viele stehen in ihrem achten oder neunten Lebensjahr- zehnt. Deshalb müssen wir uns bei diesem Gesetz sicher sein können, dass keine Opfer, die billigerweise einen Anspruch haben sollten, vergessen werden. Nach dem, was bisher vorliegt, bin ich mir da aber nicht so sicher. Sie selbst gehen von rund 80 000 ehemaligen politischen Häftlingen mit einer Haftdauer von mindestens sechs Monaten aus. Davon sollen knapp 16 000 in den Genuss einer monatlichen Zahlung von 250 Euro kommen. Wird dies wirklich dem Anspruch gerecht, allen Bürgerinnen und Bürgern, deren fundamentale Menschenrechte von Staat und Partei schwerwiegend verletzt wurden, Ge- rechtigkeit und Anerkennung widerfahren zu lassen? Was ist mit Schülern, die aus politischen Gründen die Schule beenden mussten? Was ist mit Opfern von Zer- setzungsmaßnahmen der Stasi, eindrucksvoll nachzule- sen in einem Artikel der Frankfurter Rundschau vom 23. März? Der Gesetzentwurf gibt darauf keine Antwort. Sie sagen nur, sie kämen um die Bedürftigkeitsprüfung nicht umhin. Alles andere liefe auf eine Besserstellung der Opfer des SED-Regimes gegenüber anderen Opfern, insbesondere solchen des NS-Terrors, hinaus. Der Ge- setzentwurf enthält hierzu eine Reihe von Behauptun- gen. Eine vertiefte Auseinandersetzung hingegen fehlt. Ich behalte mir daher ausdrücklich vor, hierzu eine Stellungnahme des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages einzuholen. Solange diese Frage nicht abschließend geklärt ist, muss ich mit vielen Be- troffenen und ihren Verbänden unverändert davon ausge- hen, dass der eng gezogene Kreis der Anspruchsberech- tigten und die geringe Höhe der Opferpension allein fiskalpolitisch motiviert sind, muss ich davon ausgehen, dass Ihnen der Finanzminister bei diesem Gesetzentwurf die Feder geführt hat. h u l a d z u t O w h U k s A h U h A e d F w v d w n a i s D A M s n K w 3 b g l d G w k v (C (D Die FDP-Bundestagsfraktion hat heute davon abgese- en, einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen, obwohl es ns ein Leichtes gewesen wäre, den Entwurf aus der etzten Wahlperiode erneut einzubringen. Wir erneuern n dieser Stelle vielmehr unser Angebot, an der Lösung er Fragen, die uns heute beschäftigen, konstruktiv mit- uwirken. Am Ende dieses Prozesses sollte eine würdige nd dem Einsatz der Betroffenen für Freiheit, Demokra- ie und Rechtsstaatlichkeit angemessene Lösung stehen. hne substanzielle Änderungen an dem Gesetzentwurf ird es hierzu nicht kommen. Sollte der Gesetzentwurf ingegen Ihr letztes Wort sein, werden Sie auf unsere nterstützung nicht bauen können. Einer Lösung auf fis- alisch niedrigstem Niveau können und werden wir un- ere Hand nicht reichen. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Umlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwillige Basis stellen (Tagesordnungs- punkt 17) Max Straubinger (CDU/CSU): Wir diskutieren eute einen Antrag der FDP-Fraktion, in dem diese das mlageverfahren U1 zur Entgeltfortzahlung im Krank- eitsfall auf freiwillige Basis zu stellen und somit die bschaffung der gegenwärtigen Regelung fordert. Lassen Sie uns die Begründung der FDP-Fraktion inmal betrachten: Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber as Risiko der Lohnfortzahlung. Somit stellt sich die rage, wie der einzelne Betrieb dieses Risikos schultern ill, ob er das Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter indi- iduell oder kollektiv tragen möchte. Aus guten Grün- en hat man sich für die Kollektivierung entschieden, as meines Erachtens auch von der Mehrzahl der klei- en und mittleren Betriebe nicht nur akzeptiert, sondern uch gewünscht wird. Mit der Neugestaltung des Lohnfortzahlungsgesetzes st die Bundesregierung, dem Urteil des Bundesverfas- ungsgerichts vom 18. November 2003 nachgekommen. as Bundesverfassungsgericht stellte fest, dass der rbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 utterschutzgesetz jedenfalls dann nicht mehr verfas- ungsmäßig ist, wenn im Rahmen des Umlageverfahren ach dem Lohnfortzahlungsgesetz diese Kosten nur leinbetrieben von bis zu 20 Arbeitnehmern erstattet erden. Da mittlere und größere Unternehmen mit bis zu 0 Beschäftigten nicht an diesem Verfahren teilnahmen, estand nach den Feststellungen des Bundesverfassungs- erichts die Möglichkeit, dass die Frauen bei der Einstel- ung benachteiligt werden. Hierin lag ein Verstoß gegen as Gleichberechtigungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 des rundgesetzes. Mit dem Gesetz wurde die festgestellte Verfassungs- idrigkeit beseitigt. Das Umlageverfahren, was sie hier ritisieren, wurde den aktuellen Strukturen in der Sozial- ersicherung angeglichen und weiterentwickelt, sodass Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9295 (A) ) (B) ) insgesamt eine gerechtere Verteilung der Belastung er- reicht wurde. Im Antrag wird auch dem Umlageverfah- ren U1 zu große Bürokratie unterstellt. In das Umlageverfahren U1 wurden nun erstmalig auch Angestellte miteinbezogen, denn bis dahin war die Erstattung nur für Arbeiter und Auszubildende vorgese- hen. Damit wurde die Unterscheidung zwischen Arbei- tern und Angestellten aufgehoben. Mit dem Wegfall der Unterscheidung wurde das Urnlageverfahren vereinfacht und trägt zum Abbau der Bürokratie bei. Zudem leistet auch die Erweiterung des Umlageverfahrens auf die Er- satz- und Betriebskassen einen zusätzlichen Beitrag zum Bürokratieabbau. Des Weiteren kann die Durchführung des Umlagever- fahrens auch auf eine andere Kasse oder einen Landes- oder Bundesverband übertragen werden. Bislang sahen die Regelungen des Lohnfortzahlungsgesetzes vor, dass jede Krankenkasse das Umlageverfahren eigenverant- wortlich durchführt. Auch den Vorwurf, dass das Umlageverfahren U1 zu zeitaufwendig ist und hohe Verwaltungskosten mit sich bringt, kann ich nicht nachvollziehen. Deshalb ist der Vorwurf des Bürokratieaufwandes nicht gerechtfertigt. Die Arbeitgeber haben weiterhin die Möglichkeit, kostengünstige Angebote der Krankenkassen auszusu- chen. Auch die Wählbarkeit des Erstattungssatzes im Lohnfortzahlungsfall zwischen 40 und 80 Prozent nimmt auf betriebsindividuelle Bedürfnisse und finanzielle Be- lastungen Rücksicht. Gegenwärtig wählen nach Aussage meiner örtlichen AOK die allermeisten Betriebe den höheren Erstattungs- satz von 80 Prozent. Damit wird deutlich, dass die Be- triebe an einem höheren Erstattungsbetrag interessiert sind. Mit dieser Entscheidung dokumentieren die Be- triebe selbst die Akzeptanz einer kollektiven Lösung über das Umlageverfahren U1. Damit auch weiterhin stabile Beitragssätze, wie sie derzeit festzustellen sind, gewährleistet werden können, ist es notwendig, am kol- lektiven System festzuhalten. Eine freiwillige Wahlmöglichkeit, ob man am Umla- geverfahren teilnimmt oder nicht, würde nur eine Entmi- schung der Risiken bedeuten. Büroberufe mit vermeint- lich niedrigem Krankheits- und Unfallrisiko würden sich dann möglicherweise aus dem kollektiven System verab- schieden. Damit müssten Berufe mit höherem Risiko hö- here Beitragssätze schultern. Auch kann ich ihre Vermutung, dass Arbeitgeber auf- grund des Umlagesystems U1 keine gesundheitsfördern- den Arbeitsbedingungen schaffen wollen, die zu einem niedrigen Krankheitsstand führen, nicht nachvollziehen. Jeder Arbeitgeber hat ein Interesse, dass jeder seiner Ar- beitnehmer pünktlich und gesund zur Arbeit erscheint, damit die anfallenden Aufträge und Arbeiten zeitgerecht und für die Kunden zufriedenstellend erledigt werden können. Es kann festgestellt werden, dass die Betriebe eine hohe Akzeptanz dem Umlageverfahren U l entgegen- bringen und deshalb ist es geboten, am bewährten Sys- t t B L s u M w w l m U l f d t i h a v d W z G n d d t c a z w b b A d z s f a G P a d d s s v a l a (C (D em festzuhalten. Deswegen wird die CDU/CSU-Frak- ion ihren Antrag ablehnen. Jella Teuchner (SPD): Im November 2005 hat der undestag das zurzeit gültige Umlageverfahren bei der ohnfortzahlung im Krankheitsfall beschlossen. Zuge- timmt haben fast alle Fraktionen. Nur die Kolleginnen nd Kollegen von der FDP haben sich damals enthalten. it dem Gesetz über den Ausgleich von Arbeitgeberauf- endungen haben wir damals genau das beschlossen, as die FDP heute wieder abschaffen will: Mit der Um- age wurden unkalkulierbare Risiken für Unternehmen it bis zu 30 Mitarbeitern kalkulierbar gemacht. Mit dem Antrag der FDP soll das Umlageverfahren 1 zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf freiwil- ige Basis gestellt werden. Das bedeutet im Klartext: Sie ordert die Abschaffung des Umlageverfahrens U1, also ie Abschaffung des Ausgleichsverfahrens der Kleinun- ernehmen bei Entgeltfortzahlung eines Arbeitnehmers m Krankheitsfall. Die FDP hat recht: Die Lohnfortzahlung im Krank- eitsfall ist ein unternehmerisches Risiko. Sie möchte es m liebsten durch eine Absenkung der Lohnfortzahlung erringern. Die FDP weiß, dass sie damit aber nicht urchkommen wird. Die Begründung des Antrages ist dann auch nur die iederholung des ewigen Mantras: zu bürokratisch, mit u vielen Kosten verbunden, zu ineffizient und mit der efahr des Trittbrettfahrertums behaftet. Das ist alles ichts Neues. Neu ist auch nicht, dass die Begründung urch nichts belegt ist. Hauptsache, die Ideologie passt! Die FDP macht mit diesem Antrag wieder einmal eutlich, was sie eigentlich haben will: Sie will kollek- ive Risiken privatisieren, die solidarische Krankenversi- herung aushöhlen, die solidarische Pflegeversicherung ushöhlen und auch das Umlageverfahren zur Lohnfort- ahlung aushöhlen. Die Umlage der Arbeitgeber bei der Lohnfortzahlung urde geschaffen, um wirtschaftliche Härten für Klein- etriebe durch krankheitsbedingten Ausfall von Mitar- eitern zu vermeiden. Durch eine Freiwilligkeit, wie im ntrag gefordert, würden die wirtschaftlichen Härten für iese Kleinbetriebe eben nicht vermieden. Die Umset- ung würde ein Problem für die kleineren Betriebe chaffen, das bisher gut gelöst ist. Sicher kann der Aus- all eines Mitarbeiters oft kompensiert werden. Das ist ja uch nicht der Härtefall. Was aber, wenn durch eine rippewelle in einem Betrieb nicht nur eine oder zwei ersonen, sondern vielleicht zehn fehlen? Dann kann die nfallende Arbeit nicht mehr durch andere Mitarbeiter ieses Betriebes mit erledigt werden. Die FDP erkennt in ihren Antrag doch selbst an, dass iese Umlage sinnvoll ist. Sie will nur eine andere Lö- ung. Sie sagt, es sollte jedem Arbeitgeber freigestellt ein, ob er das Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter indi- iduell tragen will oder ob er hierfür eine Versicherung bschließen möchte. Das heißt: Die FDP will letztend- ich die Umlage in die private Versicherungswirtschaft uslagern und ihr so ein neues Geschäftsfeld erschlie- 9296 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) ßen. Das hat sicherlich mit dem System, das wir im Mo- ment haben und das es zu erhalten gilt, überhaupt nichts zu tun. Privatisierte Krankenversicherung, möglichst eine privatisierte Rentenversicherung, individuelle Versiche- rungen statt der Umlagen: Das hat System. Die ständige Begründung: Das ist effizienter, das ist kostengünstiger, das ist viel besser. Den Glauben der FDP möchte ich haben! Vielleicht sollte die FDP ihre Politik nicht an dem ausrichten, was sie glaubt, sondern an dem, was wir alle wissen. Im Antrag heißt es, die Umlage würde den Anreiz vermindern, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen zu schaffen. Die FDP weiß doch ganz genau, dass das nicht stimmt: Die Arbeitgeber können Erstattungssätze wählen, die ihren unterschiedlich gelagerten Interessen entsprechen. Es stimmt also nicht, wenn sie schreibt, dass solche Anreize bisher vermindert werden. Bei- spielsweise kann ein Arbeitgeber, der selbst Anstrengun- gen zur Schaffung eines gesunden Betriebsklimas unter- nommen hat, Kosten sparen, indem er sich für eine geringe Erstattungshöhe und so für einen niedrigeren Umlagesatz entscheidet. Das erlaubt die derzeit gültige Ausgestaltung der U1; das will die FDP anscheinend nicht wahrhaben. Es hilft nichts: Sie kann die Realität nicht an ihre Konzepte anpassen; auch ihre Konzepte müssen zur Realität passen. Wir führen diese Auseinandersetzung ja nicht zum ersten Mal. Das Prinzip, das wir in der solidarischen Krankenversicherung und in der sozialen Pflegeversi- cherung haben, das Prinzip der Solidarität, wird und muss auch in Zukunft tragen. Wie soll das anders funk- tionieren und finanziert werden in Zukunft, wenn nicht die finanziell Stärkeren für die finanziell Schwächeren einstehen? Wir sind der Meinung: Das muss so bleiben! Wir haben im November auch die U2 – Aufwendungen für den Mutterschutz – geändert. Auch das ist ein unter- nehmerisches Risiko. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass Frauen durch das Lohnfort- zahlungsgesetz bei der Einstellung benachteiligt werden können. Diese Benachteiligung kann durch eine Umlage ausgeglichen werden. Die FDP geht in ihrem Antrag nicht auf die Umlage zum Mutterschutz ein. Sie weiß, dass sie das in noch größere Erklärungsnöte bringen würde. Dennoch will ich daran noch mal erinnern: Es geht bei diesen Umlagen nicht nur um Geldumverteilung, es geht auch darum, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht be- nachteiligt werden. Das taucht bei der FDP nicht auf, das scheint sie nicht zu interessieren. Mit ihrem Antrag macht sie sich zum Mündel der pri- vaten Versicherungswirtschaft; der will sie ein neues Ge- schäftsfeld erschließen. Da machen wir nicht mit. Es wird auch weiterhin das gelten, was wir im November 2005 beschlossen haben: Mit der Ausweitung des U1-Umlage- verfahrens auf die Betriebe bis 30 Beschäftigte ist die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für 90 Prozent aller Unternehmen umlagefinanziert; diese Unternehmen blei- b d g t E t i n r h 3 m A le T lu 8 G in k m s s z n i m t I e a n b g r D G K v s I r K c s w B d E „ f w d D (C (D en in einem solidarischen System. Dies ist sinnvoll und as wollen wir nicht ändern. Heinz Lanfermann (FDP): Weil damals die Zeit we- en früherer Versäumnisse drängte, hat die Große Koali- ion im Dezember 2005 in einer Art Eilverfahren eine ntscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Mut- erschaftsgeld umgesetzt und die Gelegenheit genutzt, m selben Atemzug die Voraussetzungen für die soge- annte U1-Umlage zu ändern, ohne dass hierfür eine echtliche oder tatsächliche Notwendigkeit bestanden ätte. Mit der U1-Umlage sind Arbeitgeber mit bis zu 0 Beschäftigten zu einer Zwangsabgabe verpflichtet. Sie üssen an die jeweilige gesetzliche Krankenkasse ihrer rbeiter und Angestellten einen Umlagebetrag dafür zah- n, dass sie im Krankheitsfall der Beschäftigten einen eil der Aufwendungen, die aufgrund der Entgeltfortzah- ng entstehen, erstattet bekommen; in der Regel 0 Prozent. Das klingt zunächst gut gemeint, ist aber das egenteil von richtig. In Wirklichkeit kommt hier das sbesondere von der SPD favorisierte „Vorsorge-Gieß- annenprinzip“ zum Tragen: Eine einzige Pflanze könnte al in Zukunft Wasser benötigen, wir gießen jetzt vor- ichtshalber alle, notfalls bis zum Ertrinken. – Der „vor- orgende Sozialstaat“ treibt schon Blüten. Tatsächlich gehört die Krankheit eines Beschäftigten um originären Risiko eines Unternehmens und muss icht zwangsweise abgesichert werden. Vor allem aber st das U1-Verfahren bürokratisch, zeitaufwendig und it hohen Verwaltungskosten sowohl aufseiten der Be- riebe als auch aufseiten der Krankenkassen verbunden. m Extremfall muss die Umlage für jeden Mitarbeiter an ine andere Krankenkasse mit anderen Umlagesätzen bgeführt und mit anderen Erstattungssätzen abgerech- et werden. Viele mittelständische Betriebe wären dank- ar, mit dieser für die allermeisten von ihnen überflüssi- en Risikodämpfung nicht mehr belastet zu werden. Mit der U1-Umlage verringert sich außerdem der An- eiz, für seine Mitarbeiter eigenverantwortlich zu sorgen. abei kann der Arbeitgeber in hohem Maße durch die estaltung der Arbeitsbedingungen Einfluss auf den rankenstand im Unternehmen nehmen. Mit den Um- erteilungsmechanismen werden zudem Fehlanreize ge- etzt, die Kosten auf andere Unternehmen abzuwälzen. m schlimmsten Falle werden Mitarbeiter bei einer ge- ingen Auslastung des Betriebs dazu angeregt, in den rankenstand zu gehen, sodass die Umverteilungsme- hanismen greifen. Leider handelt es sich um ein Bei- piel aus dem wahren Leben. Mit dem U1-Verfahren erden Betriebe mit niedrigem Krankenstand und gutem etriebsklima benachteiligt. Kleine und mittelständische Unternehmen brauchen as U1-Verfahren nicht – und sie wollen es auch nicht. ine kollektive Risikoabsicherung ist nicht erforderlich; Rund-um-sorglos-Pakete“ des Staates sind nicht ge- ragt. Denn es ist für jedes Unternehmen, das dies ünscht, ohne Weiteres möglich, sich freiwillig gegen as Krankheitsrisiko seiner Mitarbeiter zu versichern. eshalb gilt hier erst recht der Grundsatz, dass der Staat Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9297 (A) ) (B) ) sich nicht in Bereiche einmischen soll, die der originären Verantwortung des Unternehmens obliegen. Anstelle mit immer neuen Regelungen zu Umverteilungsverfahren konfrontiert zu werden, brauchen gerade klein- und mit- telständische Unternehmen dringend eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine stabile Ordnungspolitik, auf die Verlass ist. Stattdessen werden sie mit Mehrwertsteu- ererhöhung, steigenden Krankenkassenbeiträgen und immer neuen bürokratischen Erfordernissen weiter be- lastet. Die Große Koalition vergisst zu gern, dass der Mittelstand das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist und dass eine verlässliche Mittelstandspolitik nicht zu- letzt eine gute Arbeitsmarktpolitik ist. Anstelle den Mit- telstand mit immer neuen Belastungen zu belegen, muss er gestärkt werden. Drei Viertel aller sozialversiche- rungspflichtigen Arbeitsplätze und über 80 Prozent der Ausbildungsplätze stellt der Mittelstand. Die FDP fordert daher, die U1-Umlage im Arbeitge- berausgleichsgesetz abzuschaffen, das Umlageverfahren auf freiwillige Basis zu stellen und damit einen sinnvol- len Beitrag zum Bürokratieabbau zu leisten. Wie über- flüssig und absurd die U1-Umlage ist, zeigt ein Beispiel aus dem eigenen Hause. Auch Bundestagsabgeordnete als private Arbeitgeber im Sinne des Arbeitgeberaus- gleichsgesetzes müssen am Umlageverfahren teilneh- men. Zwar besteht für den einzelnen Abgeordneten in keiner Weise ein wirtschaftliches Risiko, weil er ja nur als formaler Arbeitgeber fungiert und die Gehaltskosten für die Mitarbeiter direkt aus dem Bundeshaushalt be- zahlt werden. Gleichwohl fällt er per Definition auf- grund der geringen Anzahl seiner Beschäftigten und sei- ner rechtlichen Eigenschaft als privater Arbeitgeber in die Zwangsversicherung. Ohne dass der Sinn dieser Um- lageregelung überhaupt erreicht werden kann, werden hier Mehrkosten für das Jahr 2007 von 1 462 000 Euro erzeugt. Es zeigt sich wieder einmal, dass Umverteilung kein Wert an sich ist, sondern vielfach nur zu Mehrkos- ten ohne Mehrwert führt. Frank Spieth (DIE LINKE): Der Antrag der FDP ist unnötig und überflüssig wie ein Kropf. Die FDP gibt vor, Bürokratie abbauen zu wollen, um so angeblich un- sinnige Verwaltungskosten einzusparen. Dies ist ein vor- geschobenes Argument; tatsächlich sollen Arbeitgeber von Beitragszahlungen befreit werden. Aber stimmt das und ist das wirklich von Vorteil für die Arbeitgeber? In den ersten sechs Wochen einer Krankschreibung muss der Arbeitgeber dem Beschäftigten seinen Lohn weiterzahlen. Erst ab der siebten Woche setzt das Kran- kengeld ein, das von der Krankenkasse getragen wird. Ein großer Arbeitgeber kann die Kosten der Lohnfort- zahlung kalkulieren und Ausfälle kompensieren. Arbeit- geber mit wenigen Beschäftigten und Umsatz trifft die Erkrankung ihrer Mitarbeiter jedoch heftiger, da sie die plötzlich fehlende Arbeitskraft schlechter ersetzen kön- nen. Für einen Betrieb mit vier Mitarbeitern ist es eine große Belastung, wenn zwei Mitarbeiter gleichzeitig fehlen und durch eine neu eingestellte Kraft ersetzt wer- den müssen. e a g i g m g n h l K 1 K T t f K o P m r u h s s e f a w d g d i m P b o a K b F R R b e ß V e n s l B (C (D Das Umlageverfahren U1, um das es heute geht, ist ine Versicherung, die kleine Arbeitgeber mit weniger ls 30 Beschäftigten abschließen müssen. Diese Arbeit- eber zahlen einen Beitrag und sind im Krankheitsfall hrer Mitarbeiter versichert: im Regelfall zahlt die Umla- ekasse 80 Prozent der Lohnfortzahlung; 20 Prozent uss also der Arbeitgeber dann noch selbst leisten. Es ibt aber auch Unternehmer, die diese Versicherung icht wollen und sich gegenüber anderen Betrieben mit öherem Krankenstand nicht solidarisch erweisen wol- en. Diese hatten bis ins Jahr 2006 hinein bei einigen rankenkassen die Möglichkeit, Billigtarife mit nur 0 Prozent Umlage zu wählen; 90 Prozent waren im rankheitsfall aus eigener Tasche zu zahlen. Für diese arife waren entsprechend niedrige Beiträge zu entrich- en. Dies kam de facto einer Aushebelung des U1-Ver- ahrens gleich; die Arbeitgeber konnten sich je nach rankenstand aussuchen, ob sie die Versicherung wollen der nicht. Das Bundessozialgericht hatte entschieden, dass diese raxis so nicht in Ordnung ist. Mindestens zu 50 Prozent uss ein Arbeitgeber sich absichern, so urteilte das Ge- icht. Die Koalition ist hinter dieses Urteil zurückgegangen nd hat den Mindestumlagesatz im Zuge des „Gesund- eitsreform“ genannten GKV-Wettbewerbsstärkungsge- etzes erst kürzlich von 50 Prozent auf 40 Prozent ge- enkt. Aber immerhin: Die Koalition hat sich dazu ntschließen können, eine Mindestgrenze gesetzlich estzuschreiben. Ich will mich auch nicht um 10 Prozent streiten; was ber auffallend ist: Im Juli 2006 gibt es besagtes Urteil, elches die bestehende Gesetzeslücke schließt und so ie Arbeitgeber zu Solidarität untereinander verpflichtet; erade einmal zwei Monate und einen Tag später bringt ie FDP den heute zu beratenden Antrag als Drucksache ns Parlament ein, der zum Ziel hat, dies rückgängig zu achen. Dies ist keine am Allgemeinwohl orientierte olitik, sondern Klientelpolitik in Reinkultur. Der FDP-Antrag ist widersinnig: Wenn man den Ar- eitgebern freistellt, sich an der Solidarität zu beteiligen der auch nicht, werden sich diejenigen Unternehmen us der Solidarität verabschieden, die einen niedrigen rankenstand haben, die etwas größer sind und die Ar- eitskräfte leichter umdisponieren können. Nach der DP-Methode steigen die Arbeitgeber mit geringerem isiko aus, und es bleiben die Arbeitgeber mit hohem isiko. Dies hat zur Folge, dass die verbleibenden Ar- eitgeber, die weiterhin an der U1-Umlage teilnehmen, inen immer höheren Beitrag aufbringen müssen. Au- erdem würden bei dann sinkenden Fallzahlen auch die erwaltungskosten pro Fall steigen, die sich derzeit auf inem moderaten Niveau befinden. Die FDP gaukelt hier Freiwilligkeit vor und weiß ge- au, dass die Einführung von Freiwilligkeit in solidari- chen Systemen diese Systeme selbst zerstört. Grenzen- ose Freiheit hat mit Sozialstaatlichkeit nichts zu tun. Es muss eine Mindestgrenze geben, wie auch vom undessozialgericht festgestellt wurde. Die Fraktion Die 9298 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Linke würde sich wünschen, dieser Mindestsatz läge hö- her als die von der Koalition beschlossenen 40 Prozent; die 0 Prozent der FDP sind aber definitiv nicht akzepta- bel und würden das Verfahren ad absurdum führen und an die Wand fahren. Die Praxis, dass die Arbeitgeber sich bei einer Kasse zwischen mehreren Tarifen entscheiden können, wurde vom Bundessozialgericht verboten, von der Koalition in der Gesundheitsdeform zum 1. April wieder legalisiert. Wir lehnen eine solche Rosinenpickerei, die es einigen Arbeitgebern ermöglicht, zulasten anderer Arbeitgeber den eigenen Umlagesatz zu reduzieren, ab und fordern einen einzigen Umlagesatz für alle Betriebe. Die FDP führt als ein weiteres Argument gegen das U1-Verfahren an, dass sich im Einzelfall Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Zeiten mit schlechtem Auftragsstand zusammentun könnten und sich der Arbeitnehmer auf Kosten der anderen Arbeitgeber krankschreiben lässt. Dies ist nicht falsch; ein solcher Missbrauch findet ver- einzelt sicherlich statt. Es gibt aber noch eine weitere Methode, wie Arbeitgeber sich um die Löhne Ihrer Mit- arbeiter drücken können, die, falls der FDP-Antrag er- folgreich wäre, sicherlich stärker genutzt würde: Ein Ar- beitgeber kann bei wirtschaftlichen Problemen seine Arbeitnehmer auch entlassen, mit dem Versprechen, sie in besseren Zeiten wieder einzustellen. Dann würden aber – nicht wie im U1-Verfahren nur die Arbeitgeber, sondern auch die Arbeitnehmer die Kosten tragen, und zwar die Hälfte, über die Arbeitslosenversicherung. Dieser Antrag ist keine Initiative gegen unnötige Bürokratie und unnötige Kosten, wie es die FDP vorgau- kelt, sondern ein Antrag, der die Interessen der größeren Arbeitgeber gegen die Interessen der kleinen und mittel- ständischen Betriebe und gegen die Interessen der dort beschäftigten Arbeitnehmer durchzusetzen versucht. Die Fraktion Die Linke, lehnt das Ansinnen der FDP deshalb ab. Birgit Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin verwundert, dass die FDP mit der Einbringung die- ses Antrags neun Monate nach der Verabschiedung des Aufwendungsausgleichsgesetzes die faktische Abschaf- fung des Umlageverfahrens zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für Unternehmen mit bis zu 30 Beschäf- tigten fordert. Sowohl in den Ausschussberatungen als auch im Plenum war Ende 2005 von der FDP keinerlei Kritik an diesem Verfahren geäußert worden. Sie begründen die Abschaffung mit dem bürokrati- schen und zeitaufwendigen Verfahren. Dabei wurde das Verfahren deutlich vereinfacht und damit bisherige Bü- rokratie abgebaut: Die Ungleichbehandlung von Arbei- tern und Arbeiterinnen und von Angestellten wurde ab- geschafft. Es gelten einheitliche – und nicht jeweils krankenkassenspezifische – Regelungen im Bereich Er- stattungssätze. Ebenso ist die Frage, welche Unterneh- men sich an dieser Umlage beteiligen, nun einheitlich geregelt. Unternehmen mit 20 bis 30 Beschäftigten müs- sen nicht überprüfen, ob bzw. für welchen Arbeitnehmer bzw. welche Arbeitnehmerin überhaupt eine Umlage zu zahlen ist. r z k k e W v h r G a E s A a G w e i F D t e f d t s g d k v b u a z c g Ü k k A n A h r M (C (D Diese Vereinheitlichungen sind eine notwendige Vo- aussetzung dafür, dass Krankenkassen diese Aufgabe ukünftig an eine kassenübergreifende Stelle übertragen önnen. Diese Chance sollte von den gesetzlichen Kran- enkassen genutzt werden. Dies würde zu weiteren Ver- infachungen für die Betriebe führen. Nun zu dem Argument, dass durch diese Regelung irtschaftlichkeitsanreize fehlten und Trittbrettfahrer- erhalten auftreten könne. Ein echtes Trittbrettfahrerver- alten setzt voraus, dass der Output, den die Mitarbeite- in bzw. der Mitarbeiter erzielt, geringer wäre als ihr ehalt plus der Umlage – ein Geschäftsverhalten, das uf Dauer nicht durchzuhalten wäre und ein schnelles nde des Unternehmens zur Konsequenz hätte. Es ist chon fast absurd anzunehmen, dass Arbeitgeber ihre rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lieber krank als n ihrem Arbeitsplatz sehen würden. Demgegenüber stehen die positiven Effekte und die rundidee des Umlageverfahrens. Kleine Unternehmen erden davor geschützt, alleine durch die Krankheit von inem oder mehreren Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern ns wirtschaftliche Aus katapultiert zu werden. Dies ist örderung des Klein- und Mittelstandes im besten Sinn. enn gerade Kleinstunternehmen, die in derartige Situa- ionen kommen können, stricken ihre Budgets oft sehr ng. Kurzfristig würden sie auf notwendige Rücklagen ür solche Fälle verzichten – das hätte im Fall der Fälle ann extreme Auswirkungen auf sie und ihre Beschäftig- en. Dem gilt es vorzubeugen und die gesetzlich vorge- chriebene Umlage beizubehalten. Beobachten sollten wir in jedem Fall, ob kassenüber- reifende Stellen entstehen. Diskussionswürdig ist, ob ieser Prozess durch die Einführung der Wahlmöglich- eit von Betrieben, alle Beschäftigten bei einer Kranken- ersicherung zu versichern, beschleunigt werden kann zw. soll. Denn dies hätte für die Verwaltung der Umlage nd die Betriebe Synergieeffekte. Damit würden aber uch die sehr unterschiedlichen Beitragssätze – Beiträge wischen 0,1 Prozent und drei Prozent des rentenversi- herungspflichtigen Einkommens sind mir bekannt – auf- rund der differierenden Versichertenstruktur nivelliert. ber Vereinfachungen im Sinne einer zentralen Stelle önnen wir diskutieren. Ebenso fordere ich die Kranken- assen auf, wie vom BDA vorgeschlagen, für einheitliche ntrags- und Erstattungsformulare sowie deren elektro- ische Übermittlung Sorge zu tragen. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Gesetz zum Aus- gleich behinderungsbedingter Nachteile vorle- gen (Nachteilsausgleichsgesetz – NAG) (Tages- ordnungspunkt 18) Hubert Hüppe (CDU/CSU): Der zur Debatte ste- ende Antrag der Fraktion Die Linke fordert die Bundes- egierung dazu auf, ein Nachteilsausgleichgesetz für enschen mit Behinderung vorzulegen. Auf den ersten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9299 (A) ) (B) ) Blick enthält dieser Antrag all das, was sich behinderten- politische Sprecher so wünschen: einen bedarfsdecken- den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile, eine Stärkung der selbstbestimmten Teilhabe von Menschen mit Behinderung, eine Vereinheitlichung des Behinder- tenrechts. Jeder Politiker, der sich mit dieser Thematik beschäf- tigt, weiß, wie schwer es ist, nur eines der genannten Ziele zu erreichen. Das Wissen um diese Schwierigkei- ten ist wohl auch ein Grund dafür, warum die Fraktion Die Linke keinen Gesetzentwurf vorlegt, sondern die Bundesregierung lediglich aufgefordert werden soll, ein solches Gesetz vorzulegen. Ein weiterer Grund, warum Die Linke keinen Gesetzentwurf vorlegt, könnte wohl die Bezifferung der Kosten sein, die bei Vorlage benannt werden müssen. Hierzu schweigt sich der Antrag aus. Soll der Bund nun grundsätzlich die Eingliederungs- hilfe übernehmen oder nur die Mehrkosten, die der Vor- schlag mit sich bringt? Welcher Anteil soll auf die Pfle- geversicherung entfallen, für die im Übrigen der Grad der Behinderung von mindestens 50 zunächst einmal keine Rolle spielt? Wie errechnen sich die einzelnen An- sprüche aus den verschiedenen anderen Sozialversiche- rungen sowie aus Eingliederungshilfe oder Jugendhilfe? Alles Fragen, auf die im Antrag keine Antworten zu fin- den sind. Bei aller Kritik nennt der Antrag einige Probleme, die in Angriff genommen werden müssten: Der Behörden- dschungel, den jeder Antragsteller zu überwinden hat, muss gelichtet werden. Die Zuständigkeitsklärung stellt sich oft als schwierig dar und endet für manche Men- schen in einem Behördenmarathon. Die von der Fraktion Die Linke geforderte Stelle, die vieles klären soll und den schon erwähnten Behördenmarathon eindämmen könnte, gibt es bereits. Dies ist die Aufgabe der soge- nannten Gemeinsamen Servicestellen. Sie sollen Men- schen mit Behinderungen im Regel- und Antragsgewirr Hilfe leisten und unterstützen. Allerdings kennt kaum je- mand die Gemeinsamen Servicestellen, und manchmal habe ich das Gefühl, das ist manchen Stellen auch ganz recht. Hier muss dringend etwas geschehen. Den Vor- schlag, die persönliche Assistenz in den Berufsstand zu heben, halte ich für gut und richtig. Mir ist zum Beispiel ein Fall bekannt, in dem eine Frau mit Lernschwierigkei- ten die Assistenz für einen körperlich Behinderten über- nommen hat. Somit hat diese Frau – die ansonsten kaum Möglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt hätte – eine sinnvolle und bezahlte Tätigkeit. Die genannten Probleme müssen gelöst werden. Der vorliegende Antrag ist zur Problemlösung allerdings un- geeignet. Ihm liegt ein Widerspruch zugrunde, den ich nicht verschweigen möchte, nämlich: Dort, wo Die Linke mit in der Regierungsverantwortung steht, wird gerne mal an Leistungen gespart und gekürzt. So ist in Berlin unter einer rot-roten Koalition nicht nur das Blindengeld gekürzt worden, sondern es wurden darüber hinaus Einsparungen im Bereich der Behindertenfahr- dienste, Mobilitätshilfen und Wohlfahrtsverbände vor- genommen. Mecklenburg-Vorpommern – bis 2006 re- giert durch eine rot-rote Koalition – hat als vorletztes B f B w d m M D p s s d r f K w s c s d t n S z s g b W n d t t A A d m l T t w l w w w d r R E P l L g (C (D undesland das Behindertengleichstellungsgesetz einge- ührt. Auch die Beteiligung des Landes am Persönlichen udget fiel dürftig aus. Ich finde es nicht in Ordnung, enn Die Linke auf Bundesebene alles Erdenkliche for- ert und dort, wo sie selbst regiert, bei den Menschen it Behinderung spart. Die Große Koalition hingegen hat in den vergangenen onaten bereits eine Menge auf den Weg gebracht. urch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz dürfen rivate Versicherungsträger niemanden mehr zurückwei- en, weil er behindert ist. Zudem ist es Hotels und Gast- tätten nunmehr untersagt, Menschen mit Behinderung en Zutritt zu verwehren. Im Zuge der Gesundheits- eform wurde der Anspruch auf Rehabilitation einge- ührt. Des Weiteren kann ein Anspruch auf häusliche rankenpflege in Wohneinrichtungen geltend gemacht erden. Schwerbehinderte Arbeitslose, die besonders chwer vermittelbar sind, haben in Zukunft mehr Chan- en auf dem Arbeitsmarkt. Unternehmer, die diese chwerbehinderten Menschen einstellen, werden bei er Rückzahlung von Eingliederungszuschüssen entlas- et. Einstellungsanreize werden künftig steigen. Richtig ist, dass Menschen mit Behinderung häufig icht zu ihrem Recht kommen. Sie werden von der einen telle zur nächsten geschickt. Einige geben dann früh- eitig auf oder erhalten die beantragte Hilfe erst sehr pät. Vieles von den Forderungen im Antrag ist im SGB IX eregelt. Werden beispielsweise Leistungen zur Teilhabe eantragt, müssen die Rehaträger innerhalb von zwei ochen feststellen, ob sie zuständig sind. Wenn dies icht so ist, dann müssen sie den Antrag unverzüglich an ie – nach ihrer Meinung zuständige Stelle – weiterlei- en. Ebenso gibt es Fristen für die Bearbeitung von An- rägen. Innerhalb von drei Wochen nach Eingang des ntrags muss über den Antrag entschieden werden. ber leider ist auch hier die Praxis nicht selten eine an- ere. Hier muss nicht das Gesetz geändert werden, hier uss einfach das Gesetz eingehalten werden. Zum Schluss noch einige Anmerkungen zum Persön- ichen Budget. Dem Persönlichen Budget kommt in der at eine bedeutende Rolle für eine moderne Behinder- enpolitik zu. Die Selbstbestimmung der Betroffenen ird hierdurch gestärkt. Obwohl es auch beim Persön- ichen Budget noch viele Ängste, Ungereimtheiten und ieder einmal Zuständigkeitsrangeleien gibt, müssen ir hier über Parteigrenzen hinweg für dieses Instrument erben. Notfalls muss gesetzgeberisch eingegriffen wer- en, um die Probleme zu lösen. Wir alle wissen: Es gibt viel Handlungsbedarf im Be- eich der Politik für Menschen mit Behinderung. Große eformen wie bei der Pflegeversicherung und die ingliederungshilfe stehen uns bevor. Zur Lösung der robleme der Betroffenen hilft der vorliegende Antrag eider nicht weiter. Silvia Schmidt (Eisleben) (SPD): Der Antrag der inksfraktion, ein „Nachteilsausgleichgesetz“ vorzule- en, benennt viele Probleme und Aspekte, die mir als 9300 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Behindertenbeauftragte meiner Fraktion bestens bekannt sind. Wir wollen, dass alle Menschen die einen individu- ellen Bedarf haben, diesen auch erhalten. Wir wollen Fa- milien unterstützen und ambulante Leistungen stärken. Mit der Reform der Pflegeversicherung werden wir das weiterführen. Die Vorschläge von Karin Evers-Meyer und der Verbände zu einer teilhabeorientierten Pflege sind hier Leitlinie. Im Jahr 2001 haben wir das SGB IX eingeführt. Das SGB IX hat wesentliche Teile des Rechts für Menschen mit Behinderung zusammengeführt. Zuerst einmal ha- ben wir mit den Betroffenen ein gutes Gesetz gemacht, das weit über einfache Änderungen an den Leistungen der Rehabilitation und der Teilhabe hinausgeht. Das ha- ben auch die Experten auf der gestrigen Tagung der Deutschen Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaf- ten bestätigt. Das SGB IX wurde mit Instrumenten ver- sehen, die behinderungsbedingten Bedarfen zur medizi- nischen Rehabilitation, zur Selbstbestimmung und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und am Arbeits- leben Rechnung tragen. Wir haben uns ganz bewusst daran orientiert, welche besonderen Bedürfnisse zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe für Menschen mit Behinde- rungen bestehen und wie diese so schnell und bedarfs- gerecht wie möglich zum Antragsteller gelangen. Die selbstbestimmte Teilhabe wird im SGB IX durch das Wunsch- und Wahlrecht des § 9 ausgedrückt. Dies stellt sicher, dass die zu erbringenden Leistungen nicht nur am objektiv zu ermittelnden Bedarf, sondern auch an den subjektiven Bedürfnissen des Alters, der Familie, des Geschlechts sowie der persönlichen Lebenssituation der Menschen mit Behinderung auszurichten sind. Hierfür ist das Persönliche Budget zentral. 2008 ist der Rechtsanspruch auf das Persönliche Budget zu erfül- len. Die Modellphase ist dann beendet. Nach dem Be- richt der Bundesregierung zur Situation des Persönlichen Budgets bin ich insgesamt zuversichtlich, dass wir die bestehenden Herausforderungen der Leistungserbrin- gung und auch der Zuständigkeiten lösen können. Be- sonders Kostenträger wie die Renten- und Unfallversi- cherung sind stärker an der Finanzierung zu beteiligen. Das Persönliche Budget ist eine neue Leistungsform, die es ermöglicht, den individuellen Bedarf im Rahmen zu ermitteln und in einer Koordinierung der Rehabilitati- onsträger als Komplexleistung zu erbringen. Daher ist hier eine Novellierung im Sinne ihres An- trags auch nicht erforderlich. Die Ausweitung des Per- sönlichen Budgets, wie sie es vorschlagen, ist nicht ziel- führend. Bereits jetzt werden bedarfsgerechte, am Wunsch- und Wahlrecht orientierte Leistungen aus den Leistungsgesetzen über das Persönliche Budget erbracht. Behinderte Menschen können mit dem Persönlichen Budget nach § 17 SGB IX als Auftraggeber und Exper- ten in eigener Sache selbst bestimmen, welche Leistun- gen zur Teilhabe sie nach Maßgabe der Bedarfsermitt- lung benötigen und vor allem, wer sie erbringen soll. Die Werbung für das Persönliche Budget wird fortge- setzt und in diesem Jahr noch einmal verstärkt. Es gilt, d t f m d v d d k S e B t w d z w D n d e t e t n t e d a r k w m h s t g d e l p m b z S g B S Ü b r n I g (C (D ie Probleme klar zu benennen, zu lösen und durch posi- ive Beispiele einen Schub für die Akzeptanz zu schaf- en. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich gemeinsam it dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und er Beauftragten der Bundesregierung für die Belange on Menschen mit Behinderung, Karin Evers-Meyer, für as Persönliche Budget einsetzen. Der Antrag fordert zahlreiche Veränderungen, die auf ie „personale Assistenz“ ausgerichtet sind. Schon heute ann auch jeder schwerbehinderte Mensch mittels einer ervicestelle in seiner Nähe, Leistungen aus einer Hand rhalten. Diese soll ihm dabei – so sagt der § 22 SGB IX –, eratung und Unterstützung hinsichtlich des Rehabilita- ionsbedarfs und der Antragstellung geben. Nun wissen ir, dass nicht überall im Bundesgebiet der Idealzustand es § 22 vorzufinden ist. Es gibt Probleme in der Umset- ung der geforderten Beratung und Unterstützung. Wir ollen das verbessern, anstatt neue Stellen zu schaffen. ie geforderte Verlagerung auf die Versorgungsämter ist icht sinnvoll. Der gesetzliche Anspruch ist klar. Wir arbeiten nun aran, diesen Anspruch mit Leben zu füllen. Hier bedarf s des verstärkten Engagements der Verbände und Be- roffenen. Es gibt Verbände und Menschen, die sich sehr ffektiv und energisch für ihre Rechte einsetzen. Frau Elke Bartz vom Forum selbstbestimmte Assis- enz, ForseA, hat zum Beispiel für einen Betroffenen ei- en persönlichen Anspruch auf Assistenz- und Rehabili- ationsleistungen eingefordert und diese im Rahmen ines persönlichen Budgets von 10 000 Euro auch urchgesetzt. Ich kenne Rehaträger, Unfallkassen, aber uch einige Sozialhilfeträger, die sich auf die Anforde- ungen des SGB IX umstellen. Es gibt einen hohen Auf- lärungs- und Schulungsbedarf auf dieser Seite. Hier erden wir ansetzen, um das zu verbessern, was wir ge- einsam mit den Betroffenen auf den Weg gebracht aben. Deswegen ist es außerordentlich wichtig, die gemein- amen Servicestellen weiter bekannt machen, sie zu un- erstützen, aber auch stetig auf die Verwirklichung der esetzlichen Ansprüche hinzuwirken. Im Übrigen: Ob ie Versorgungsämter den Anspruch der Betroffenen so rfüllen würden, wie sie sich das vorstellen, bleibt frag- ich. Menschen mit Behinderungen haben bereits einen ersönlichen Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz ge- äß § 102 SGB IX und § 270 a SGB III. Damit besteht ereits die Möglichkeit einer regelmäßigen Unterstüt- ung am Arbeitsplatz – unabhängig von Art und chwere der Behinderung und finanziert aus der Aus- leichsabgabe. Arbeitsassistenz ist ein entscheidender austein der beruflichen Rehabilitation und Integration chwerbehinderter und von großer Bedeutung beim bergang behinderter Menschen in den allgemeinen Ar- eitsmarkt. Auch die Assistenzleistungen der Eingliede- ungshilfe stehen den Menschen mit Behinderungen ach Maßgabe des individuellen Bedarfs zur Verfügung. ch sehe hier ein Umsetzungsproblem und keinen gesetz- eberischen Handlungsbedarf. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9301 (A) ) (B) ) Weiterhin gibt es viele offene Fragen in dem Antrag. Offen gesagt, mehr Fragen als Antworten: Sie verlieren zum Beispiel leider wenig Worte darüber, wie diese Leistungsausweitung – und darauf läuft es hinaus – ef- fektiv finanziert werden soll. Wo nehmen Sie zum Bei- spiel die erwähnten Steuermittel her? Ich bitte, auch zu bedenken, dass wir steigende Kosten in der Eingliede- rungshilfe haben, unter denen schon jetzt Länder und Kommunen stöhnen. Ihr Vorschlag führt zu einer massiven und unabsehba- ren Leistungsausweitung für circa 6,7 Millionen schwer- behinderte Menschen in Deutschland. Es ist ganz klar: der Gedanke, Hilfe aus einer Hand für die Betroffenen zu organisieren, ist ein lohnenswertes Ziel. Das wollen wir gemeinsam erreichen. Aber ich bin anderer Auffas- sung, wie das gehen kann. Fordern allein genügt nicht. Die Realität heißt auch hier: „Föderalismus“! Ich könnte mir die Finanzierung aller Rehaleistungen ähnlich einer wie im Gesundheitsfonds durchaus vorstellen. Es ist aber meines Erachtens mit geltendem Recht nicht vereinbar, Gelder der unterschiedlichsten gesetzli- chen Versorgungssysteme sowie der privaten Versiche- rungen zur Finanzierung von Teilhabeleistungen zu ver- wenden. Es ist auch fraglich, ob eine solche Regelung Bestand vor dem Bundesverfassungsgericht hätte. Die gesetzliche Unfallversicherung orientiert sich nämlich am Kausalitätsprinzip sowie an der Naturalrestitution des BGB. Das heißt: der eingetretene Schaden soll mög- lichst vollständig ausgeglichen werden. Er wird aber nur dann ausgeglichen, wenn und soweit ein Schadensfall eintritt, und nicht pauschal als finanzieller Ausgleich jeglicher Behinderung. Hier gibt es also eine Diskrepanz zwischen dem Zweck der Leistungen, die gebündelt werden sollen, und der vorgesehenen Verwendung. Es handelt sich hier um zweckbestimmte Mittel. Diese können nicht so einfach als Leistungen zur Teilhabe für alle zweckentfremdet werden. Mit einem Federstrich soll eine Struktur unter- schiedlicher Träger für Teilhabeleistungen geändert wer- den, die sich in Jahrzehnten entwickelt hat. Das ist alles sehr realitätsfern. Die geforderte Einkommens- und vermögensunab- hängige Leistungserbringung ist nicht nur nicht realisier- bar, sondern auch mit den beschriebenen Mitteln nicht zu finanzieren. Leistungen zur Assistenz zu bündeln, ist ein guter Gedanke. Ich bin dafür, dass der Betroffene seine Leistungen aus einer Hand bekommt. Genau das ist Ziel des SGB IX. Seit 2001 haben wir die Servicestel- len; hier kommt die Dienstleistung zu den Menschen. Aber: Assistenzleistungen können nur in dem Rahmen gewährt werden, in dem die Leistungen gesetzlich fest- gelegt sind. Die Hilfe zur Pflege als eine Möglichkeit, Assistenzleistungen zu finanzieren, ist beispielsweise einkommens- und vermögensabhängig ausgestaltet. Die Pflegeversicherungsleistungen sind gedeckelt. Aus dem Antrag geht nicht hervor, wie sie das unter einen Hut be- kommen wollen. Deswegen: Lassen Sie uns das SGB IX umsetzen. Lassen Sie uns die sehr guten Ansätze weiter verfolgen und nicht einen ziellosen Systemwechsel pro- pagieren. v D s a t L V T v b s w r A R 2 d A r D s b g b S k r m e s f w t s a k te li d q c e d t r r g g r f t (C (D Hier möchte ich auf den Vorschlag der Bündelung on Leistungen bei den Versorgungsämtern eingehen: iese sind je nach Bundesland völlig unterschiedlich trukturiert. Nach der Föderalismusreform hat der Bund uch keinen Einfluss mehr auf die Behördenorganisa- ion. Zudem wären die eher kleinen Ämter mit den asten dieser Leistungsverwaltung völlig überlastet. ersorgungsämter haben ganz andere Aufgaben, als eilhabeleistungen auf der Grundlage des SGB IX zu erwalten. Ein langer Prozess mit vielen Übergangspro- lemen würde herbeigeführt, und das zulasten der Men- chen. Lassen Sie uns doch die Servicestellen vor Ort eiterentwickeln und auf dem aufbauen, was schon er- eicht worden ist. Es gibt im SGB III und auch im SGB XII bereits den nspruch auf bedarfsgerechte Assistenzleistungen. Im ahmen eines Persönlichen Budgets können diese ab 008 bundesweit rechtsverbindlich eingefordert wer- en. Insofern erledigt sich die Forderung nach, wie es im ntrag heißt, „personaler Assistenz“. Auch die Forde- ung nach Mehrbedarfen für Reisekosten ist unsinnig. er von mir erwähnte schwerbehinderte Mensch hat in einem Budget einen Anteil für Reisekosten bewilligt ekommen. So verhält es sich auch bei anderen Leistun- en. Wir haben mit dem SGB IX ein Gesetz gemacht, das ehinderte Menschen aktiv beteiligt, ihre Teilhabe und elbstbestimmung fördert und die Leistungsgewährung oordiniert. Die Vereinfachung der Leistungsgewäh- ung ist bereits auf den Weg gebracht. Arbeiten Sie daran it, dass das Persönliche Budget zum Erfolg wird und rkennen Sie, dass das SGB IX Realität ist und keine ge- etzlichen Ergänzungen dieser Art braucht. Was es wirklich braucht, ist unser aller Engagement ür die Umsetzung! Die Lebenssituation der Betroffenen ird eher verbessert, wenn wir uns diesem Ziel konzen- riert widmen, als ständig neue Anlaufstellen und Ge- etze zu erfinden. Ich denke daher, dass wir hier durch- us ausreichende Regelungen getroffen haben. Es ommt – wie gesagt – auf die Umsetzung der eingeführ- n Instrumente an. Dabei sind aber nicht nur die Rehabi- tationsträger sondern auch die Menschen selbst gefragt. Der Antrag ist abzulehnen, weil er Regelungen for- ert, die es effektiv schon gibt und weil er in der Konse- uenz Leistungen ausweitet – ohne eine Finanzierung si- herzustellen; von der Frage der Verfassungsmäßigkeit inmal ganz zu schweigen. Jörg Rohde (FDP): Ich begrüße es ausdrücklich, ass die Fraktion der Linken mit dem vorgelegten An- rag die Diskussion um die Organisation und Finanzie- ung von Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinde- ung anstößt. Die Oppositionsfraktionen sind hier efordert, denn die Bundesregierung praktiziert seit lan- em das Prinzip der drei Affen: Nichts sehen, nichts hö- en, nichts sagen. Der demografische Wandel hat unsere Gesellschaft est im Griff: Immer mehr Menschen werden immer äl- er. Dies gilt in besonderem Maße auch für Menschen 9302 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) mit Behinderung. Hier verschärfen sich die Probleme der Pflege und Betreuung überproportional, weil ältere Menschen mit Behinderung oftmals keine Angehörigen mehr haben, die für sie da sind und große Teile der Pflege und Betreuung leisten könnten. Nicht nur deshalb ist in der Sozialpolitik die Einglie- derungshilfe für die Kommunen das größte Sorgenkind. Die Kosten der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung sind in den letzten 15 Jahren kontinuierlich angestiegen. Nach Informationen des Deutschen Städte- und Gemeindebundes stiegen die Leistungen für behin- derte Menschen zwischen 1991 und 2005 jährlich um 8,5 Prozent von vier Milliarden Euro auf 11,8 Milliarden Euro an. Bald 50 Prozent aller kommunalen Sozialhilfe- leistungen werden heute für behinderte Menschen aufge- wendet. Es steht zu befürchten, dass angesichts der schwieri- gen Haushaltslage der Kommunen in Deutschland das Hilfesystem für Menschen mit Behinderung in der der- zeitigen Form nicht mehr lange zu finanzieren ist. Je stärker aber die Kommunen gezwungenermaßen auf die Kostenbremse treten müssen, desto mehr wird die Be- hindertenpolitik zum finanziellen Verschiebebahnhof. Der im vergangenen Jahr gerade noch abgewendete Vor- stoß, das Bruttoprinzip in der Eingliederungshilfe abzu- schaffen, zeigt, in welche Richtung falsche Reformvor- schläge gehen können. Die Bundesregierung sieht die Probleme der Einglie- derungshilfe durchaus, sieht sich aber nicht in der Ver- antwortung, hier aktiv zu werden. Der Bund sieht allein die Länder in der Verantwortung. Dies hat die Bundesre- gierung auf Anfrage der FDP mehrfach bekräftigt. Vertreter der Bundesregierung haben in diesem Jahr bereits mehrfach außerhalb des Parlamentes angekün- digt, dass noch in diesem Jahr die Bundesregierung die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe in Angriff nehmen will. Das begrüße ich. Ich bin allerdings ge- spannt, wohin diese Weiterentwicklung führen soll, wenn der Bund bereits im Vorfeld ausschließt, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Erst gestern hat mir Staatssekretär Thönnes auf meine Frage zur Stagnation in der Frühförderung mitgeteilt, die Bundesregierung sehe keine Veranlassung zu gesetzge- berischen Korrekturen am SGB IX. Apropos SGB IX: 2001 wurde mit diesem Gesetzeswerk ein Meilenstein für die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Men- schen gesetzt. Bewusst wurden vom Gesetzgeber viele Regelungen offen formuliert, um den Sozialhilfeträgern Spielräume bei der Umsetzung und der Anpassung an funktionierende Strukturen zu gewähren. Schon bald erkannte man jedoch, dass sich die Um- setzung des SGB IX nicht so leicht und zügig entwi- ckelte wie zunächst erhofft. Also wurde 2003 von der Bundesregierung eine Homepage mit dem programmati- schen Namen www.sgb-IX-umsetzen.de online gestellt. Der damalige Behindertenbeauftragte Karl Hermann Haack erklärte den Zweck der Homepage so: Dadurch wird eine einzigartige, lebendige Informa- tionsplattform für die Anwender und die Leistungs- a d a w g m r U r r m w d r t s n F k l t D b d n A k s b B d u z z h e m B h w g l g g e d d h G (C (D berechtigten des SGB IX …, die in dieser Form bis- lang für kein Sozialgesetz besteht. Diese Internetseite ist somit Teil eines Prozesses der „ler- nenden Gesetzgebung“. Was für ein schöner Traum. Die Realität sieht leider nders aus: Der letzte Bericht über die Situation behin- erter Menschen auf www.sgb-IX-umsetzen.de datiert us dem Jahr 2004. Anhörungen und Werkstattgespräche urden ebenfalls nur bis 2004 dokumentiert, gleiches ilt für Stellungnahmen. Die letzten Reden und Presse- itteilungen sind aus dem Jahr 2005. Und auch die Rub- ik „Politische Diskussion“ endet 2005. Leider endete 2005 nicht nur das Projekt „SGB-IX- msetzen“, sondern auch die Politik der Bundesregie- ung für Menschen mit Behinderung. Die Bundesregie- ung verschließt die Augen vor den Umsetzungsproble- en des SGB IX genauso wie vor dem stetig achsenden Kostendruck auf die Sozialhilfeträger. Bei- es erfolgt zulasten behinderter Menschen: Verunsiche- ungen und Zukunftsängste sind die Folge. Man kann darüber streiten, ob der von der Linksfrak- ion vorgelegte Vorschlag für ein Nachteilsausgleichsge- etz die richtige Lösung ist. Manchen Aspekten kann ich ur widersprechen, so zum Beispiel der unverrückbaren estlegung, dass unterschiedliche regionale Preisniveaus eine Auswirkung auf die Bedarfsfestsetzung haben sol- en. Hier wünsche ich mir mehr Flexibilität und Gerech- igkeit. Der Antrag kann aber der Einstieg in eine iskussion über die zukünftige Finanzierung von Teilha- eleistungen sein. Allerdings ist es dazu notwendig, dass ie Regierungsfraktionen dieses Diskussionsangebot an- ehmen. Eine Anhörung im Bundestagsausschuss für rbeit und Soziales sollte der erste Schritt in dieser Dis- ussion sein. Die FDP hat sich seit jeher dafür eingesetzt, den Ge- etzes- und Vorschriftendschungel zu lichten. Dies gilt in esonderem Maß für die ausufernde Gesetzeslage in der ehindertenpolitik. Es hilft niemandem, erst recht nicht en Hilfesuchenden, wenn nur schwer nachvollziehbar nd nicht eindeutig ist, von wem welche Hilfestellungen u erwarten sind. Das Ziel eines eigenen Leistungsgeset- es für behinderte Menschen muss deshalb sein, die bis- er bestehenden Regelungen zusammenzufassen, zu ver- infachen und somit transparenter und effektiver zu achen. Auch eine im Umfang begrenzte Beteiligung des undes an den Leistungen zur Rehabilitation und Teil- abe von Menschen mit Behinderung muss diskutiert erden. Die Kommunen dürfen mit den Kosten der Ein- liederungsleistungen nicht alleingelassen werden, so- ange sie nicht im Rahmen des föderalen Finanzaus- leichs bessergestellt werden. Die FDP spricht sich für die Einführung eines Bürger- eldes aus. Das Bürgergeld bündelt eine Fülle von steu- rfinanzierten Sozialleistungen, die von den verschie- ensten Stellen ausbezahlt werden. Ziel ist es, sowohl iese Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld II, Sozial- ilfe – ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen –, rundsicherung, Wohngeld und BAföG, als auch das Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9303 (A) ) (B) ) Kindergeld und die mit dem liberalen Reformkonzept für die Kranken- und Pflegeversicherung verbundene steuerfinanzierte Unterstützungsleistung für Kinder und für Personen mit unzureichendem Einkommen im Bür- gergeld zusammenzufassen. Das Bürgergeld wird so zu einem Universaltransfer, der mit der Einkommensbe- steuerung zu einem Steuertransfersystem aus einem Guss verbunden wird. Für Menschen mit Behinderungen bzw. deren Ange- hörige schlagen wir im Rahmen des Bürgergeldkonzepts einen zusätzlichen Bürgergeldanspruch vor. Für die Be- messung des zusätzlichen Leistungsanspruchs sind Art und Schwere der Behinderung und der individuelle Pfle- gebedarf maßgebend. Zusätzlich müssen der Förderbe- darf und gegebenenfalls der Beaufsichtigungsbedarf be- rücksichtigt werden. Ein Mindestbetrag wird bei Vorliegen einer Behinderung grundsätzlich gewährt. Dieser Bürgergeldanspruch soll auch die Familien entlasten, die den größten Teil an Förderung und Pflege übernehmen. Die FDP möchte dies ausdrücklich aner- kennen. Außerdem werden die bisher gewährten Nach- teilsausgleiche durch das unbürokratische Bürgergeld er- setzt. Schwerbehinderte Menschen erhalten mit dem Bürgergeld eine Art Budget, über das sie selbst entschei- den können. Dies soll die Position der behinderten Men- schen zum Beispiel gegenüber den Einrichtungen der Behindertenhilfe stärken. Aber auch die Entscheidungs- spielräume, wo und wie sie leben, werden vergrößert. Auch der Deutsche Verein hat schon vor längerem ei- nen Vorschlag für ein Bundesteilhabegeld vorgelegt, der bislang von der Bundesregierung ohne jede Diskussion abgelehnt wird. Mehrere Landschaftsverbände, die Bun- desarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträ- ger und viele Sozialverbände sprechen sich gleichfalls für ein Bundesteilhabegesetz aus. Wenn der Bund sich einer solchen Lösung verweigert, muss er dies begrün- den und erklären, wovon die Kommunen mittel- und langfristig die steigenden Kosten durch Eingliederungs- leistungen bestreiten sollen. Ich freue mich auf eine ausführliche Diskussion des Antrages der Linksfraktion im Ausschuss und hoffe, dass wir gemeinsam eine Anhörung beschließen. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Wir befinden uns im „Europäischen Jahr der Chancengleichheit für alle“. Wir schauen in wenigen Wochen auf fünf Jahre Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen, BGG. Morgen, am 30. März 2007, beginnt am Sitz der UNO in New York die Unterzeichnung der im Dezember 2006 be- schlossenen „Konvention zur Förderung und zum Schutz der Rechte und Würde behinderter Menschen“. Ich freue mich, dass Deutschland durch die Behindertenbeauf- tragte, unsere Kollegin Karin Evers-Meyer, dieses Dokument als eines der ersten Länder offiziell unter- zeichnet. Die, auch von den Betroffenen selbst, hart er- kämpfte Konvention konkretisiert die Menschenrechte von weltweit rund 650 Millionen behinderten Menschen. Die Konvention verpflichtet die 192 UN-Mitgliedstaaten unter anderem, Menschen mit Behinderungen durch S d h s B H k n s s a t s n l d s w z g g t R B d P g p n r M h z v t u z r K p s a D o w M E A t d f (C (D chaffung von Barrierefreiheit, gemeinsame Schulbil- ung und Schutz vor Diskriminierung umfassende Teil- abe zu ermöglichen. Was aber nützen politische Willenserklärungen und chöne Worte auf Wahlkampfveranstaltungen oder zu enefiz-Gala-Dinners, wenn sie nicht durch praktisches andeln untersetzt werden? Nach wie vor unterliegen die realen Teilhabemöglich- eiten von Menschen mit Behinderungen und/oder chro- ischen und seelischen Erkrankungen größeren Er- chwernissen als bei anderen Menschen. Das betrifft owohl die Alltagsbewältigung und Arbeitsplatzsuche ls auch die Nutzung von Kultur- und Freizeitaktivitä- en. Barrieren in baulicher wie kommunikativer Hinsicht ind trotz BGG und Verordnungen zur Barrierefreiheit och vielerorts anzutreffen. Dadurch ist auch die Persön- ichkeitsentfaltung der Betroffenen beeinträchtigt. Wer em Sinn von Art. 3 Satz l Grundgesetz „Alle Menschen ind vor dem Gesetz gleich“ wirklich Rechnung tragen ill, muss, den real existierenden ungleichen Vorausset- ungen folgend, ungleiche Maßnahmen treffen. Konkret esagt: behinderungsbedingte Nachteile müssen ausge- lichen werden. Nur so können Chancengleichheit und Chancengerech- igkeit hergestellt werden. Die bestehenden gesetzlichen egelungen sind dafür unzureichend. Sie setzen in vielen ereichen auf das ehrenamtliche Engagement der behin- erten Menschen sowie ihrer Freunde und Angehörigen. ermanente Überforderung wird dabei billigend in Kauf enommen. Die dadurch entstehenden finanziellen, kör- erlichen und seelischen Zusatzbelastungen dieser Perso- en werden von der Gesellschaft bisher weitgehend igno- iert. Um einer besseren Teilhabeermöglichung behinderter enschen näher zu kommen und Chancengerechtigkeit erzustellen, legt Die Linke den Antrag für ein „Gesetz um Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile“, NAG, or. Sein grundlegendes Prinzip soll sein: Gleiche Leis- ung bei vergleichbarer Beeinträchtigung. Bisher werden nterschiedliche Leistungen nach verschiedenen Geset- en und Kriterien erbracht, je nachdem, ob die Behinde- ung von Geburt an besteht oder durch einen Unfall oder rankheit und „Verschleiß“ erworben wurde. Schwerpunkt der Nachteilsausgleichsleistungen soll ersonale Assistenz in vielfältigen Erscheinungsformen ein. Dabei richtet sich der Umfang personaler Assistenz m individuellen Bedarf des behinderten Menschen aus. as neue Persönliche Budget soll durch einmalige und/ der regelmäßige Leistungen erweitert werden können, enn der behinderte Mensch im Einzelfall plausible ehrbedarfe hat; insbesondere bei Kindererziehung und lternassistenz, Kleiderkosten, Reisekosten, auch für ssistentinnen und Assistenten, Reinigungskosten, Kos- en für Wohnraum, Wärme, Heil- und Hilfsmittel, behin- erungsadäquater Größe und Ausstattung von Personen- ahrzeugen etc. 9304 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Wir wollen das Finalitätsprinzip konsequent umset- zen. Demnach richten sich Leistungsansprüche nicht mehr nach der Ursache der Beeinträchtigung, Kausali- tätsprinzip. Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, noch im Jahre 2007 ein Gesetz zum Ausgleich be- hinderungsbedingter Nachteile vorzulegen, dass dem Ziel der Stärkung der selbstbestimmten Teilhabe behin- derter Menschen am Gemeinschaftsleben gerecht wird, dass dem Ziel eines bedarfsdeckenden Ausgleichs behin- derungsbedingter Nachteile gerecht wird und dass dem Ziel der Vereinheitlichung des Behindertenrechts und der gesetzlichen Gleichstellung aller behinderten Men- schen untereinander und mit nichtbehinderten Menschen gerecht wird. Gleiche, vergleichbare und oder ähnliche Leistungen, die zurzeit nach verschiedenen Gesetzen und Verordnun- gen sowie Anspruchsvoraussetzungen erbracht werden, werden zusammengezogen und, wo erforderlich, den ge- genwärtigen Bedürfnissen und neuen technischen Mög- lichkeiten angepasst. Teilhabe und Persönlichkeitsentfaltung umfassen alle Lebensbereiche: von der Intimsphäre über Wohnen, Ler- nen, Arbeiten, Alltagsbewältigung, Kultur, Sport, Ur- laub, Freizeitgestaltung bis zu bürgerschaftlichem Enga- gement, religiöser und politischer Betätigung usw. Die Linksfraktion legt mit diesem Antrag ein Konzept vor, dass über die bereits genannten Punkte hinaus fol- gende wesentliche Inhalte in einem Gesetz festschreiben will: Erstens sollen mit dem NAG behinderungsbedingte Nachteile in allen gesellschaftlichen Bereichen für jede Behinderungsart ab einem Grad der Behinderung von 50 Prozent unter Zugrundelegung einheitlicher Maß- stäbe ausgeglichen werden. Zweitens können Leistungen nur zweckgebunden verwendet werden. Bei der Inanspruchnahme von Leis- tungen im Rahmen des neuen Persönlichen Budgets sind diese an die Person der bzw. des Anspruchsberechtigten gebunden. Sie stehen ihr bzw. ihm unabhängig von ihrer bzw. seiner Wohnform, dem Familienstand und der Ar- beitsweise bzw. Ausbildungsform zu. Sollten Verände- rungen den Budgetbedarf – Assistenzbedarf in Stunden – verändern, ist die Leistung zum Zeitpunkt des Beginns dieser Veränderung anzupassen. Das Verhältnis zwi- schen den Anspruchsberechtigten und deren Assistenten bzw. Trägereinrichtungen bleibt vertraglichen Regelun- gen vorbehalten. Assistenten können auch Ehe- oder Le- benspartner sein. Drittens sind NAG-Leistungen als einkommens- und vermögensunabhängige Ansprüche auszugestalten. NAG-Leistungen sind im Sinne des Steuerrechts kein Einkommen der Anspruchsberechtigten. Viertens soll die Höhe der konkret zu gewährenden Leistungen grundsätzlich nach bundeseinheitlich festge- legten Maßstäben bestimmt werden. Die Ausführung des NAG wird den Versorgungsämtern übertragen. Ihnen wird auch die mit dem Gesetz in Zusammenhang ste- hende Mittelverwaltung anvertraut. Sie sind der alleinige A l p s e b u d k b T r t k A A e g s ü s z v V v c d S d e k d f d d s i d g g w e v m k S t r h u E l u H (C (D nsprechpartner für die Berechtigten, die dadurch wirk- ich alle Leistungen aus einer Hand bekommen. Fünftens werden die Leistungen aus Zahlungsver- flichtungen – von Versicherungen, Berufsgenossen- chaften, Schadensverursachern usw. – sowie aus Steu- reinnahmen des Bundes finanziert. Dazu werden die ereits jetzt über die verschiedenen Leistungsgesetze nd vertraglichen Regelungen vorhandenen Mittel bei en Versorgungsämtern gebündelt. Das Konzept ist ein Ergebnis jahrzehntelanger Dis- ussionen innerhalb der emanzipatorischen Behinderten- ewegung. Wie Sie wissen, empfinde ich mich als festen eil dieser Bewegung. Es freut mich also, nunmehr An- egungen aus der Debatte der Betroffenen in die unmit- elbare parlamentarische Beratung überführen helfen zu önnen. Ich freue mich auf engagierte Beratungen in den usschüssen und gehe davon aus, dass in einer großen nhörung sachkundige Betroffene von allen Fraktionen ingeladen werden, um dieses Konzept mit ihren Anre- ungen und Erfahrungen anzureichern. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Men- chen mit Behinderungen bewegen sich in einem schwer berschaubaren Dschungel unterschiedlicher Leistungs- ysteme und Institutionen. Es gibt Systeme, die das Prin- ip des Schadensausgleichs verfolgen – etwa die Unfall- ersicherung. Daneben stehen Systeme der sozialen orsorge, die dem Versicherungsprinzip und dem Äqui- alenzprinzip folgen – so zum Beispiel die Pflegeversi- herung oder die Arbeitslosenversicherung. Und es gibt as System der sozialen Hilfen, das dem Prinzip der ubsidiarität folgt – zuvörderst die Sozialhilfe. Es gibt, arauf aufbauend, unterschiedliche Leistungsträger, von- inander abweichende Leistungsvoraussetzungen sowie onkurrierende Zuständigkeiten. Alles in allem führt iese Zersplitterung des Hilfesystems in der Praxis häu- ig zu fehlender Bedarfsorientierung und falscher Be- arfssteuerung. In der Tat wäre eine Vereinheitlichung es Leistungsrechts für Menschen mit Behinderungen innvoll. Der Antrag des Kollegen Ilja Seifert beschreibt nsofern ein anzustrebendes Ziel. In den vergangenen Jahren hat sich allerdings bereits er Versuch, mehr Konvergenz in der Leistungserbrin- ung und mehr Kooperation zwischen den Leistungsträ- ern herbeizuführen, als außerordentlich schwierig er- iesen. Umso unrealistischer erscheint der Versuch, in inem Zug die verschiedenen staatlichen Ebenen und die erschiedenen Zweige der Sozialversicherung zusam- enzuführen. Sinnvoller wäre es, in einem ersten kon- reten Schritt abgestuft im Rahmen der bestehenden ysteme die Voraussetzungen für eine einheitliche Leis- ungserbringung zu schaffen. Das dürfte bereits schwie- ig genug sein. Denn über eins sind wir uns wohl alle im Klaren: Wir aben es mit enormen Beharrungstendenzen der Kosten- nd Leistungsträger zu tun. Insbesondere im System der ingliederungshilfe ist es bislang nur unzureichend ge- ungen, den Bedürfnissen nach mehr Selbstständigkeit nd Selbstbestimmung nachzukommen. Das System der ilfen in seiner jetzigen Form wird den Lebenswirklich- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9305 (A) ) (B) ) keiten längst nicht mehr gerecht und schöpft die zur Ver- fügung stehenden Möglichkeiten zur Verwirklichung ei- nes eigenständigen Lebens nicht aus. Daher setzt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ihren Schwerpunkt auf die Reform dieses Bereichs, ohne das Gesamtbild aus dem Blick zu verlieren. Wie stellt sich die Lage im Bereich der Eingliede- rungshilfe dar? Die institutionelle Struktur im System der Eingliederungshilfe ist in weiten Teilen ineffizient und nicht in der Lage, bedarfsgerechte Leistungserbrin- gung zu organisieren. Ein viel zu großer Teil der Sozial- hilfeträger ist ausschließlich kurzfristigen Kosten- Nutzen-Kalkülen zugewandt und zugleich innovations- feindlich. Bis zum heutigen Tage versäumt es die Mehr- heit der Sozialhilfeträger, den Bedürfnissen und Wün- schen nach ambulanten Leistungen im notwendigen Umfang nachzukommen. In einigen Bundesländern gibt es immer noch die ge- trennte Zuständigkeit örtlicher und überörtlicher Sozial- hilfeträger, die sich für die Steuerung der Eingliede- rungshilfe als äußerst ineffizient erwiesen hat. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg haben die über- örtlichen Sozialhilfeträger abgeschafft und allein den Städten und Kreisen die Eingliederungshilfe übertragen. Ein einheitliches System der Leistungserbringung mit gemeinsamen Qualitätsstandards und gemeinsamen Kri- terien ist dadurch zusätzlich erschwert worden. Willkür- liches Handeln der Sozialhilfeträger wurde hingegen er- leichtert. Angesichts dieser strukturellen Defizite aufseiten der Kommunen bedarf es notwendig einer fachlichen Wei- terentwicklung, bevor es hinreichend zu einer Kostenbe- teiligung des Bundes kommt. Solange es keine Verände- rung der Mehrheit der Sozialhilfeträger im Sinne der eingangs aufgeführten Grundsätze der Leistungserbrin- gung in der Sozialhilfe kommt, wäre eine finanzielle Be- teiligung des Bundes an einem ohnehin unzulänglichen System sogar schädlich. Vor diesem Hintergrund sind meine Fraktion und ich gerade dabei, passgenaue und zielführende Lösungsvor- schläge im Rahmen der Reform zur Eingliederungshilfe zu erarbeiten. Wir schlagen vor, den Schritt von Men- schen mit Behinderungen in die eigene Häuslichkeit deutlich stärker als bisher zu fördern und zu unterstüt- zen. Es müssen leistungsrechtlich verursachte Blocka- den abgeschafft und positive Anreize gesetzt werden, um den selbstbestimmten Wechsel von stationärer zu ambulanter Wohnform zu ermöglichen. Nur die konse- quente Verfolgung dieses Zieles führt zu einer Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Hierfür halte ich es für notwendig, die ambulanten Leistungen der Eingliederungshilfe – SGB XII/Sozial- hilfe – als bedarfsgerechte, einkommens- und vermögens- unabhängige, budgetfähige Leistungen zur Verfügung zu stellen. Ein flächendeckender Aufbau von Koordinie- rungshilfen und Beratungsangeboten könnte insbeson- dere Menschen mit sogenannten geistigen Behinderun- gen auf ein selbstständiges Leben vorbereiten und im Bedarfsfall eine Unterstützung anbieten. f e z d t Z t g v d b s e s b d s z i w w H d w e S t n E a R s U R o s u k s g A Z ß a t m m (C (D Zudem scheint es angebracht, die bisher geleisteten inanziellen Nachteilsausgleiche zusammenzufassen und inheitlich als Leistung des Bundes zu zahlen. Dabei ist u überlegen, einige spezifische Nachteilsausgleiche wie ie unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr, Freibe- räge bei Wohngeld und Wohnungsbauförderung von der usammenführung auszunehmen. Die zusammengefass- en Leistungen stünden den Menschen mit Behinderun- en, die selbstständig leben, direkt ohne Anrechnung on Vermögen und Einkommen zur Verfügung, auch ann, wenn sie eine Werkstatt für behinderte Menschen esuchen. Außerdem muss das Potenzial des von Ihnen ange- prochenen und von der rot-grünen Vorgängerregierung ingeführten Persönlichen Budgets als Alternative zur tationären Unterbringung weiter gestärkt werden. Die isherigen Erfahrungen aus den Modellregionen zeigen, ass die „erforderliche Beratung und Unterstützung“, die ogenannte Budgetassistenz, gewährleistet und finan- iert werden muss. Zur verbesserten Inanspruchnahme st künftig auf eine „Deckelung“ zu verzichten. Der ge- ährte Budgetbeitrag muss die Kosten der bisher ge- ährten Sachleistungen für ambulante oder stationäre ilfen überschreiten dürfen. Wir gehen davon aus, dass ies ohnehin nur in wenigen Fällen tatsächlich eintreten ird. Ich denke, die von mir umrissenen Themen bieten ine gute Grundlage, die Schwachpunkte des bisherigen ystems der Eingliederungshilfe zielgenau und innova- iv anzugehen. Eine Reform muss aber auch die gegebe- en Umstände und Konstellationen berücksichtigen. ine umfassende und bedingungslose Zusammenfassung ller Leistungen scheitert zum jetzigen Zeitpunkt an der ealität und wird schnell in der Bedeutungslosigkeit ver- chwinden. Am morgigen Freitag wird die Bundesregierung die N-Konvention zur Förderung und zum Schutz der echte und Würde behinderter Menschen in New York ffiziell unterzeichnen. Das Jahr 2007 ist das Europäi- che Jahr der Chancengleichheit für alle. Lassen Sie uns nter diesen günstigen Vorzeichen gemeinsam nach kon- reten Vorschlägen suchen, die volle Teilhabe und das elbstbestimmte Leben von Menschen mit Behinderun- en zu verwirklichen. nlage 8 Zu Protokoll gegeben Reden zur Beratung des Antrags: Die EU-Zentral- asienstrategie mit Leben füllen (Tagesordnungs- punkt 19) Manfred Grund (CDU/CSU): Der Zeitpunkt für die entralasiendebatte ist gut gewählt – der deutsche Au- enminister Dr. Frank-Walter Steinmeier ist am Dienstag n der Spitze einer EU-Delegation in Zentralasien einge- roffen. In der kasachischen Hauptstadt Astana wird er it seinen Amtskollegen aus allen fünf Staaten zusam- enkommen. 9306 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Damit ist der deutsche Außenminister nach seiner Reise von Ende Oktober/Anfang November des letzten Jahres innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Male in dieser Region. Allein dies ist eine begrüßenswerte Akzentuie- rung der deutschen Außenpolitik. Zentralasien – das klingt für viele noch nach Seiden- straße, orientalischer Prachtentfaltung und gleichzeitig nach Rückständigkeit. Bei Zentralasien, bestehend aus Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, handelt es sich um ein Gebiet so groß wie Europa, in dem aber lediglich 60 Millionen Men- schen leben. Das deutsche und das europäische Engagement in Zentralasien mögen für die Mehrheit der Deutschen nicht sofort einleuchtend sein. Denn Zentralasien liegt nicht im Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit und produziert kaum aufregende Schlagzeilen. Dabei ha- ben die Staaten Zentralasiens ab 2001 ihren Luftraum für die Einheiten der Antiterrorkoalition geöffnet, und Usbe- kistan und Kirgisistan ermöglichen die Nutzung ihres Luftwaffenraums im Kampf gegen den Talibanterror in Afghanistan. Aber schon die Meldungen über den Umsturz in Kir- gisistan im März 2005, über die Revolte in Andischan in Usbekistan im Mai 2005 oder der überraschende Tod des turkmenischen Diktators Saparmurat Nijasow am 21. Dezember letzten Jahres fanden kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Und doch hat die Europäische Union Deutschland be- auftragt, eine Strategie für Zentralasien auszuarbeiten. Angela Merkel sagte nach dem EU-Gipfel vom Dezem- ber 2006, es liege im Interesse der Union, sich um diese Weltgegend zu kümmern und sie nicht Russland oder China zu überlassen. Es gibt mindestens drei gute Gründe dafür: Erstens: Zentralasien befindet sich nördlich des aus Pakistan, Afghanistan und dem Iran bestehenden Krisen- gebietes, unternimmt aber Anstrengungen, nicht in die Konflikte und Krisen hineingezogen zu werden. Zweitens: Die Region muss sich vor Fundamentalis- ten schützen. Dritens: Die Region ist wichtig, weil reich an Roh- stoffen, vor allem reich an Energiequellen. Es geht also um eine geopolitische und um eine ener- giepolitische Bedeutung Zentralasiens. Sicherheit und Stabilität in Zentralasien sind sowohl für jedes der fünf Länder wichtig als auch für uns Europäer. Denn die Re- gion grenzt an die Kaukasusregion und damit ans Schwarze Meer. Mit Rumänien, Bulgarien und Grie- chenland ist die EU über das Schwarze Meer und die Kaukasusregion quasi Nachbar Zentralasiens. Die Län- der Zentralasiens werden leider als Transitstrecke für Drogen, organisierte Kriminalität und internationalen Terrorismus aus Afghanistan auf dem Weg nach Mittel- europa genutzt. Ohne Stabilität in Zentralasien wird eine Befriedung Afghanistans, dessen nördlicher Teil Zen- tralasien zuzurechen ist, nicht gelingen. E a s w u e n z ß m W t w D E R r l t d l R V o t u A u ü p s s E f b e S i Z e 7 s m n A m a k B t l E (C (D Die Länder Zentralasiens gewinnen auch für die nergiesicherheit Deutschlands und der EU immer mehr n Bedeutung. Im kaspischen Raum und in Zentralasien ind etwa 4 Prozent aller Weltenergiereserven nachge- iesen. Im Sinne einer notwendigen Diversifizierung nserer Energieversorgung erhalten diese Vorkommen ine wachsende strategische Bedeutung. Die EU will eue Energiequellen für sich erschließen, während die entralasiatischen Staaten nach neuen Exportwegen au- erhalb Russlands suchen. Um die Gas- und Ölvorkommen in Kasachstan, Turk- enistan und Usbekistan ist aber auch ein regelrechter ettlauf von Russland, China, den USA und Großbri- annien zu beobachten. Da kommt Deutschland spät, enn nicht zu spät. Das mag daran liegen, dass wir in eutschland kein namhaftes, weltweit operierendes nergieunternehmen haben, aber auch daran, dass diese egion jahrelang im Wahrnehmungsschatten einer stark ussland- und chinaorientierten deutschen Außenpolitik ag. Wie dem auch sei – Russland benötigt seinerseits zen- ralasiatisches Gas für seine Lieferverpflichtungen und en immensen Eigenverbrauch; China hat die ersten angfristigen Abkommen und Zukäufe getätigt. Und: ussland und China stehen außerdem jederzeit für eine ertiefung der nachbarschaftlichen Beziehungen bereit, hne dazu aus Sicht der jeweiligen Staatsführungen läs- ige Forderungen nach Einhaltung der Menschenrechte nd mehr Demokratie zu stellen. Was muss eine EU-Zentralasienstrategie neben dem spekt der Energieversorgung beinhalten? Übergeordnetes Ziel ist die Förderung von Sicherheit nd Stabilität in der Region. Dies kann nur schrittweise ber Rechtsstaatlichkeit, Förderung demokratischer und luraler Strukturen sowie die Gewährleistung der Men- chenrechte erreicht werden. Weiterhin werden europäi- ches Wissen und Investitionen für die wirtschaftliche ntwicklung und die Armutsbekämpfung benötigt sowie ür Jugend und Bildung, Energie und Umwelt. Bei Aus- ildung und Studium wäre es wünschenswert, könnten uropäische Hochschulen und Universitäten stärker für tudenten aus Zentralasien geöffnet werden. Mit Sorge st zu beobachten, dass islamische Länder Studenten aus entralasien auch mittels Stipendien einladen und dann ine fundamentalistische Ausbildung offerieren. Es ist sehr zu begrüßen, dass die EU bis 2013 etwa 50 Millionen Euro an Projektmitteln zur Verfügung tellen will. Schwerpunkte der neuen Konzepte sind Ar- utsbekämpfung, Straßenbau – auch Ansätze einer euen Seidenstraße –, neue Öl- und Gasleitungen, die usbildung von Sicherheitskräften sowie die Eindäm- ung des Drogentransits nach Europa. Wichtig sind uch die Verbesserung der Umweltsituation und die Be- ämpfung der Wasserknappheit. Der heute zur Debatte stehende Antrag von ündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Die EU-Zen- ralasienstrategie mit Leben füllen“ nimmt sehr ausführ- ich auf die Problemlage Bezug und erwartet, dass die U in den vorgenannten Politikfeldern tätig wird. Dies Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9307 (A) ) (B) ) ist zu begrüßen. Auch zu begrüßen ist die im Antrag ge- forderte Vertiefung der Zusammenarbeit der zentralasia- tischen Länder untereinander und die Heraushebung der Bedeutung der OSZE in der zentralasiatischen Region. Die länderübergreifende Zusammenarbeit ist tatsäch- lich beklagenswert. Die Länder Zentralasiens, insbeson- dere Kasachstan und Usbekistan, sehen sich eher in regionaler Konkurrenz zueinander. Grenz- und Zusam- menarbeitshindernisse werden eher auf- als abgebaut. Kasachstan bewirbt sich für 2009 um den OSZE-Vor- sitz. Die Bundesregierung hat klargestellt, diese Bewer- bung zu unterstützen. Das ist ein begrüßungswerter An- satz, weil damit stärker auf die Umsetzung der OSZE- Prinzipien eingewirkt werden kann. Andere OSZE-Län- der wie Großbritannien und die USA haben dazu noch eine andere Auffassung. Zur Situation der Menschenrechte, die in der Tat in al- len Ländern Zentralasiens beklagenswert ist, hat sich der Deutsche Bundestag mehrfach geäußert. Wir sind der Meinung, dass der Kampf gegen nationalen und interna- tionalen Terrorismus kein Freifahrtschein für die Ein- schränkung von Menschrechten sein darf, wobei auch eine zu schnelle Festlegung und quasi eine Vorverurtei- lung wie nach den Ereignissen in Andischan dem Men- schenrechtsdialog eher schädlich denn förderlich ist. Auch hier können mehr Ausgewogenheit und der Dialog mit den Staatsregierungen zielführender sein. Zielführend ist auch die Zusammenarbeit mit der Shanghai Cooperation Organisation. Diese vereint die asiatischen Akteure wie China, Russland und die zen- tralasiatischen Staaten. Die SCO durchläuft eine Ent- wicklung von einem Sicherheitsforum zu einer Plattform umfassender sicherheitspolitischer und wirtschaftspoliti- scher Kooperationen. Länder wie Kasachstan haben da- bei durchaus Gewicht. Kasachstan sollte aus mehreren Gründen stärker ins Blickfeld deutscher und europäischer Außenpolitik ge- nommen werden. Das Land ist Brücke und Mittler zwi- schen Europa und Asien. Es hat eine bemerkenswerte wirtschaftliche Entwicklung genommen, bei vergleichs- weise guter innerer und äußerer Stabilität. Bei Gesprä- chen in Astana findet man in den Ministerien und ande- ren Schaltstellen gut ausgebildete junge Leute, die aufgeschlossen und kooperativ sind. Einen solchen Generationenwechsel und Eliteaufbau mit zu befördern, wäre neben wirtschafts- und sicher- heitspolitischer Zusammenarbeit ein lohnendes Ziel der zukünftigen EU-Zentralasienstrategie. Johannes Pflug (SPD): „Die EU-Zentralasienstrate- gie mit Leben füllen“ – das ist Titel des Antrags des Bündnisses 90/Die Grünen, und ich frage mich: Mit wie viel Leben darf man eine Strategie entwickeln, ohne sie zu überfrachten? Vom 30. Oktober bis 4. November vergangenen Jah- res hatte ich Gelegenheit mit einigen Kolleginnen und Kollegen als Begleitung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier die fünf Staaten Zentralasiens z e d s l t Z c m N l i t w s S I D m T h u v t E s n t u d l s t A d s h p s s o e s M g z z w Z H n n s (C (D u besuchen. Fünf Staaten in fünf Tagen – an Leben hat s dieser Reise sicher nicht gemangelt. Ich habe mir in iesen Tagen aber vor allem ein Bild von der Region elbst machen können. Deshalb stimme ich mit dem ana- ytischen Teil dieses Antrags weitgehend überein und eile dessen Grundtenor: Die strategische Bedeutung von entralasien wächst. Zentralasien ist die Schnittstelle zwischen russischem, hinesischem und amerikanischem Einfluss und steht da- it im Brennglas globaler Sicherheitspolitik. Die direkte achbarschaft der Region wirkt zunehmend als Kata- ysator für den Bedeutungszuwachs, Zentralasien wird mmer mehr zur Transitregion für Opium aus Afghanis- an und andere Drogen. Die Durchfuhr von Schmuggel- aren, Menschenhandel und organisierte Kriminalität ind an der Tagesordnung. Aber die zentralasiatischen taaten sind eben auch Importländer für islamistische deen aus Saudi-Arabien, Pakistan und anderen Ländern. iese Probleme sind heute schon deutlich sichtbar. Das acht Zentralasien zum Spielfeld im Kampf gegen den error, den internationalen Drogentransit und Menschen- andel. Ein entscheidender Faktor ist bislang noch unsichtbar nter der Erde: Die Region hat die größten Energiereser- en weltweit. Dieser Aspekt verdeutlicht den Bedeu- ungszuwachs vielleicht am besten: Während wir uns in uropa und Deutschland um unsere Energieversorgung orgen, schlummern unter der Erde von Zentralasien icht nur Öl und Gas, sondern auch viele andere wich- ige Bodenschätze, insbesondere in Kasachstan. Doch wir werden dieser wachsenden geopolitischen nd wirtschaftlichen Bedeutung nicht dadurch gerecht, ass wir den Ländern dieser Region unsere Wertvorstel- ungen und Demokratiewünsche präsentieren und dafür trategische und wirtschaftliche Zusammenarbeit anbie- en. Leider tut Bündnis 90/Die Grünen das mit seinem ntrag zu sehr. Die EU hat eine sehr lebendige Zentralasienstrategie, ie einen Teil der von Bündnis 90/Die Grünen aufge- tellten Forderungen bereits aufgreift. Diese Strategie at sowohl einen integrativen wie einen bilateralen Teil. Beim integrativen Ansatz setzt die EU zwei Schwer- unkte. Zum einen wollen wir eine Sicherheitspartner- chaft, die alle fünf zentralasiatischen Staaten ein- chließt. Mit dieser Partnerschaft sollen Terrorgefahr, rganisierte Kriminalität, Drogen- und Menschenhandel ingedämmt werden. Zum anderen fokussiert dieser An- atz auf die Infrastruktur der Region zur Versorgung der enschen mit Energie, Wasser und Gesundheit. Hierbei ilt es zu beachten, dass so gut wie keine Kooperation wischen den einzelnen Staaten besteht. Die Konflikte wischen den Öl- und Gasstaaten einerseits und den asserbesitzenden andererseits nehmen zu. Ein stabiles entralasien hätte einen großen Effekt auf ganz Asien. ier kann die EU eine wichtige Moderatoren- und Part- errolle übernehmen. Der bilaterale Teil basiert auf einer zentralen Erkennt- is der EU selbst: So wie Europa aus Ländern mit unter- chiedlichem kulturellen und historischen Hintergrund 9308 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) besteht, müssen wir auch in Zentralasien die jeweiligen Eigenarten der fünf Teilrepubliken erkennen. Um nur ei- nen Gegensatz an zwei Beispielen zu verdeutlichen: Während sich Turkmenistan nach dem Tod von Staats- präsident Nijasow gerade neu ordnet, strebt Kasachstan den OSZE-Vorsitz 2009 an. Diese Tendenz halte ich für richtig. Kasachstan kann aber nur auf unsere Unterstüt- zung hoffen, wenn es gleichzeitig den Acquis der OSZE uneingeschränkt übernimmt. Der vorliegende Antrag trägt diesen Punkten Rech- nung und ich stimme mit Bündnis 90/Die Grünen über- ein – so wie ich diesem Antrag in vielen Punkten meine Zustimmung geben würde. Es gibt nur leider einen zen- tralen Unterschied zwischen dem, was man fordern will, und dem, was man fordern kann. Wer diesen Unter- schied ignoriert, handelt kontraproduktiv. Nehmen wir nur die Menschenrechtspolitik als Beispiel: In der Tat fehlt es den zentralasiatischen Ländern immer noch an grundsätzlicher Stabilität, an demokratischen Grundwer- ten und an dem, was wir Zivilgesellschaft nennen. Des- halb verweist Bündnis 90/Die Grünen auch zu Recht in fünf seiner 24 Forderungen auf die Menschenrechte. Doch bei unserer Reise habe ich natürlich auch erkannt, dass die Mächtigen der zentralasiatischen Länder nur wi- derwillig bereit zu Gesprächen über das Thema Men- schenrechte sind. Unsere Forderungen müssen im richtigen Verhältnis zu unseren Angeboten stehen. Um es ganz deutlich zu sagen: Die EU bleibt mit ihrer finanziellen Unterstüt- zung weit hinter dem zurück, was die USA, China, Japan und andere zahlen. Deshalb bitte ich eines zu bedenken: Wir können nicht auf offene Ohren hoffen, wenn wir mit fast leeren Händen kommen. Ich teile die Mehrheit der Forderungen von Bündnis 90/Die Grünen. Nicht von un- gefähr sind viele dieser Forderungen bereits in der EU- Strategie enthalten – die wesentlichen Inhalte in kompri- mierter Form. Natürlich sollten wir den Menschen- rechtsschutz auch in fünf verschiedenen Forderungen an die Region Zentralasien herantragen und damit seine Re- levanz betonen. Die Frage ist aber: Wollen wir nur For- derungen erheben, oder wollen wir diese auch durchset- zen? Wer hier zu viel fordert, dem wird die Haustür zugeschlagen, bevor er das Wohnzimmer überhaupt se- hen kann. Wir als EU können als Partner für die Region und Moderator zwischen den Staaten agieren. Und wir kön- nen versuchen, unser europäisches Modell in all seinen Farben und Formen zu präsentieren und als Vorbild an- zubieten. Wir müssen allerdings versuchen, zwischen Werten und Interessen zu balancieren. Nur dann werden wir ernst genommen werden. Die Grünen wollen mit ihrem Antrag „die EU-Zen- tralasienstrategie mit Leben füllen“. Ich möchte das auch. Deshalb sollten wir diesen Antrag in den Aus- schüssen beraten, aber wir sollten einen zentralen Fehler nicht machen: Sie überfrachten den Antrag so weit mit Forderungen, dass er zu platzen droht. Dann wäre nie- mandem mit einer EU-Strategie geholfen: Europa nicht und den Menschen in Zentralasien schon gar nicht. g d d P k d s K w a z s p u A Z r h b s g w e k w E V m t s v z g h E s l d s s T Ö s v p l g g z (C (D Harald Leibrecht (FDP): Wir Liberale begrüßen rundsätzlich, dass Zentralasien oben auf die Agenda er deutschen EU-Ratspräsidentschaft gesetzt wurde. Ich denke, wir sind uns einig, dass die Sichtbarkeit er EU in der Region momentan unzureichend ist. Die roblemfelder, die es anzugehen gilt, sind dagegen be- annt und zahlreich: die eklatante Menschenrechtslage, ie fehlende Rechtsstaatlichkeit, Drogen- und Men- chenhandel, Kriminalität, Armut, mangelnde regionale ooperation, Probleme des Grenzmanagements, Um- eltprobleme – um nur einige zu nennen. Es ist in unserem eigenen Interesse, die fünf zentral- siatischen Staaten bei der Bewältigung dieser Probleme u unterstützen. Denn nur in einer stabilen zentralasiati- chen Region wird es uns möglich sein, gute, belastbare olitische und wirtschaftliche Beziehungen zu dieser für ns immer wichtiger werdenden Region aufzubauen. uch muss unser Engagement in Afghanistan in diesem usammenhang gesehen werden. Ein Überschwappen eligiösen Fundamentalismus und Terrorismus hätte ver- eerende Auswirkungen. Gleichzeitig stehen wir in Zentralasien vor einer pro- lematischen Lage: Auf der einen Seite haben wir in die- er Region ganz konkrete sicherheitspolitische und ener- iepolitische Interessen. Auf der anderen Seite haben ir es mit zum Teil totalitären politischen Systemen und iner desaströsen Menschenrechtslage zu tun. Der Grünen-Antrag gibt auf diese Problematik leider eine Antwort, sondern bleibt unkonkret. Er enthält ge- iss viele wichtige Aspekte – jedoch auch nichts Neues. r unterscheidet sich in diesem Sinne kaum von den orstellungen der Bundesregierung. Die fünf zentralasiatische Staaten – Kasachstan, Turk- enistan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan – eilen zwar das postsowjetische Erbe, unterscheiden ich, aber ansonsten erheblich. Unterschiedliche Länder erlangen natürlich auch nach unterschiedlichen Ansät- en. Daher darf es auch nicht ausschließlich bei dem re- ionalen Ansatz bleiben, den die EU in der Vergangen- eit verfolgt hat. Kasachstan und Turkmenistan verzeichnen erhebliche innahmen aufgrund ihres Reichtums an Energieroh- toffen. Kasachstan ist gerade dabei, sich der Baku-Tbi- isi-Ceyhan-Pipeline anzuschließen, durch die Öl aus em kaspischen Raum über den Kaukasus an das türki- che Mittelmeer transportiert wird. Das Land erhofft ich, die Gesamtproduktion bis 2015 auf 150 Millionen onnen zu erhöhen und damit zu den weltweit führenden lproduzenten aufzusteigen. Die Signifikanz Kasach- tans und auch Turkmenistans mit seinen enormen Gas- orkommen ist so für die künftige europäische Energie- olitik und -sicherheit nicht zu unterschätzen. Nichtsdestotrotz darf der regionale Ansatz nicht gänz- ich aufgegeben werden. Viele der Probleme in der Re- ion können nur in Zusammenarbeit mit allen Staaten elöst werden. Leider war in den letzten Jahren die Bereitschaft der entralasiatischen Staaten zu regionaler Kooperation Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9309 (A) ) (B) ) sehr eingeschränkt. Es gibt derzeit keine auf die fünf zentralasiatischen Staaten beschränkte Regionalorgani- sation mehr. Es ist zu hoffen, dass die Isolationspolitik Turkmenistans nach dem Tod des Turkmenbaschi ein Ende hat. Usbekistans Zollbarrieren und Verminung der Grenzabschnitte zu seinen Nachbarn sind auch nicht das, was man als vertrauensbildende Maßnahmen bezeichnen würde. Hinzu kommen insgesamt stark personalisierte Machtstrukturen, die ein Hemmschuh für regionale Inte- gration sind. Einige der EU-Projekte sind in der Vergangenheit in der Region durchaus positiv aufgenommen worden, wie zum Beispiel die kürzlich zusammengelegten Pro- gramme für Grenzmanagement und Bekämpfung von Drogentransit durch Zentralasien. Deutschland und Europa müssen diese regionalen Projekte weiter fördern und auch Kooperationen wie die Shanghai Organisation für Zusammenarbeit, SCO, neu bewerten. Nicht zu Unrecht hatte der Westen die SCO in der Vergangenheit als inhaltslose Integrationsblase be- trachtet. Europa darf die Entwicklungen der letzten Jahre aber nicht verschlafen und Zentralasien nicht Russland und China überlassen, die jetzt schon in den Bereichen Energie und Sicherheit enger zusammenarbeiten. Einen letzten Aspekt möchte ich nennen, der mir so- wohl bei den Grünen als auch bei der Bundesregierung fehlt: die wichtige Rolle, die die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik bei der europäischen Zentralasienstrate- gie spielen kann. Gerade auf zivilgesellschaftlicher Ebene, gerade im Umgang mit Ländern, wo sich die Be- ziehungen auf staatlicher Ebene nicht gerade problemlos und durch offene Kommunikation auszeichnen, ist das Instrument der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik von unschätzbarem Wert. Auf meiner Reise durch Zentralasien vergangenen November habe ich in den Gesprächen, gerade in Turk- menistan, erlebt, wie groß das Misstrauen und wie klein die Bereitschaft des Entgegenkommens ist. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik kann hier ein guter Zugang sein und muss in der Tat als eine der tragenden Säulen der deutschen Außenpolitik gesehen werden. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE): Wie die Antragstel- ler begrüße ich die Initiativen der EU unter der deut- schen Ratspräsidentschaft, die Beziehungen zu den fünf Staaten der zentralasiatischen Region zu intensivieren. Dies ist eine Chance, zur Förderung von Frieden und Stabilität beizutragen. Wir werden immer wieder daran erinnert, wie bedeut- sam heute die Sicherung unserer Energieversorgung in Europa geworden ist. Die zentralasiatische Region spielt hierbei eine hervorragende Rolle. Allein dieser Sachver- halt macht uns zu Partnern, und diese Partnerschaft soll- ten wir pflegen. Ich möchte betonen, dass unsere Bezie- hungen sich keinesfalls auf wirtschaftliche Interessen reduzieren lassen dürfen und dass sie sich auf einem ab- solut partnerschaftlichen Niveau abzuspielen haben! Frieden und Wohlstand, Sicherheit und Freiheit sollen nicht lediglich in Europa gelten, sondern überall in der W w s i a v f s E t t k d c d e u f S Ü i k w r s g s d L h s n S u i s n d e A p g P m v w f k l f h w d (C (D elt und auch in unseren Nachbarschaftsregionen. Dies ar und ist der Grund für die Attraktivität der Europäi- chen Union und den enormen Fortschritt, der sich mit hr verknüpft. Die ökonomischen Beziehungen, welche die zentral- siatischen Staaten und die EU verbinden, sollten ebenso ertieft werden wie die politischen und kulturellen. Es wird sich jedoch im Rahmen eines solchen, gut reundschaftlich geführten Dialogs nicht vermeiden las- en, auf gewisse Probleme zu sprechen zu kommen. Die uropäische Union und die Bundesrepublik Deutschland reten nach innen wie nach außen strikt für die Einhal- ung der Menschenrechte ein. Vor diesem Hintergrund önnen und dürfen wir nicht die Augen verschließen vor er Lage der Menschenrechte in Zentralasien. Persönli- he Freiheiten und die Pressefreiheit sind in diesen Län- ern nach wie vor nicht ausreichend gesichert. Die Lage twa in den usbekischen Gefängnissen ist inakzeptabel, nd eine Aufklärung der Ereignisse in Andischan ist er- orderlich. Staatliche Folter und Repression dürfen in keinem taat der Welt Normalität sein. Diese ist unsere feste berzeugung. Deshalb ist die Lage der Menschenrechte n Usbekistan eine, die wir als die Linke und als Demo- raten so nicht hinnehmen können und nicht hinnehmen ollen. Ich durfte mir im Oktober des vergangenen Jah- es im Rahmen einer Reise des Menschenrechtsaus- chusses nach Usbekistan selbst ein Bild von der dorti- en Situation machen. Und in der Tat: Die Verhältnisse cheinen von unserer Warte der erlebten 50 Jahre in Frie- en und Demokratie sehr bedenklich. Wenn wir mit den ändern der Region einen Dialog auf gleicher Augen- öhe führen wollen, müssen wir jedoch zwei sehr ent- cheidende Aspekte beachten. Egal ob Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkme- istan oder Tadschikistan: Es handelt sich um sehr junge taaten, die allesamt in einer schwierigen ökonomischen nd weltpolitischen Zeit, zu Beginn der 1990er-Jahre, hre Souveränität erlangten. Auch wenn uns viele Zu- tände besorgen: Das Erlernen demokratischen Mitei- anders braucht Zeit, und diese Zeit sollte man den Län- ern Zentralasiens – bei aller Kritik – auch zugestehen. Ein zweiter Punkt, den man von dieser deutschen und uropäischen Warte nicht sehen will oder kann, ist die ngst der dortigen laizistischen Gesellschaften vor dem olitischen Islam. Die Gefahr, die vom Islamismus aus- eht, hat in dieser Nachbarregion zu Afghanistan und akistan eine wesentlich andere Qualität. Der Islamis- us ist in der Region eine reale Gefahr und keine bloß irtuelle, wie die Antragsteller unterstellen. Auch wenn ir mit den Maßnahmen, die gegen die Islamisten ergrif- en werden, natürlich nicht immer einverstanden sein önnen, sollten wir bedenken, dass es gerade diese säku- aren Staaten mit muslimischer Bevölkerung sind, die ür uns als Partner immer wichtiger werden! Bei allem Respekt voreinander und bei allen Bemü- ungen, keinem Staat und keinem Volk unsere Lebens- eise aufzuzwingen, bin ich der festen Überzeugung, ass auch Usbekistan und die anderen Länder Zentral- 9310 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) asiens von den Erfahrungen profitieren können, die wir in Europa in den letzten fünf Jahrzehnten gemacht ha- ben. Diese Erfahrung lautet, dass Wohlstand und Freiheit immer nur gemeinsam zu haben sind. Unfreiheit und Unterdrückung sind nicht lediglich gesellschaftliche Missstände, sondern sie führen immer auch zu wirt- schaftlicher Stagnation. Korruption und Armut sind ihre Folgen. Der Appell an die dortigen Regierungen, diesen Zusammenhang zu erkennen, ist, davon bin ich fest überzeugt, mindestens so wichtig wie die schnell in Be- vormundung resultierenden Kontroll- und Sanktionsme- chanismen, die Sie in Ihrem Antrag vorschlagen. Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bündnis 90/Die Grünen begrüßt die Aufmerk- samkeit, die der Region Zentralasiens in der letzen Zeit und insbesondere unter der EU-Ratspräsidentschaft zu- teil wird. Bündnis 90/Die Grünen begrüßt auch und ins- besondere die Pläne der Bundesregierung unter der EU- Ratspräsidentschaft eine eigenständige Strategie für die Region zu entwickeln. Meine Fraktion hat sich seit län- gerem und sehr intensiv mit der aufstrebenden Region in Asien befasst. Heute liegt Ihnen unsere Strategie dazu vor. Fünf Staaten Zentralasiens, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan, sind in letzten Jahren stärker in den Fokus der Weltöffentlich- keit gerückt. Mit einem Wirtschaftswachstum von 10 Pro- zent jährlich entwickelt sich die Region dynamisch. Die Europäische Union, insbesondere Deutschland, ist ein wichtiger Handelspartner der Länder Zentralasiens. Die Bedeutung Zentralasiens als Beschaffungsmarkt für Energieträger und mineralische Rohstoffe wird für die Versorgungssicherheit Deutschlands und der EU weiter wachsen. Dazu kommt ein Verbrauchermarkt mit circa 56 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, der ins- besondere an deutschen Produkten ein ausgeprägtes In- teresse hat. Kasachstan stellt derzeit für die EU den wichtigsten Handelspartner unter den fünf zentralasia- tischen Staaten dar. Neben einer Ausrichtung auf die EU pflegen alle fünf Staaten enge bilaterale Handelsbeziehungen zu Russ- land. Zudem wächst die Bedeutung anderer Partner wie China, USA, Japan und Iran. In der Region nimmt die Er- kenntnis zu, dass regionale Kooperation von Bedeutung ist. Von besonderem Gewicht sind hier die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft und die Shanghai Cooperation Organisation, SCO, in der neben den zentralasiatischen Staaten auch Russland und China vertreten sind. Die EU darf hier nicht im Abseits stehen, sondern sollte Wege ausloten, um sich aktiv in die Kooperationen einzubrin- gen und auch direkten Kontakt zu Russland und China über Fragen von europäischen Interessen in Zentralasien zu suchen. Die wesentlichsten Entwicklungshemmnisse für die Wirtschaft und für ausländische Investitionen sind je- doch die politische Instabilität, die mangelnde Rechts- staatlichkeit und die insgesamt besorgniserregende Men- schenrechtslage in der Region. Die gravierend schlechte M M n V L s te g s c a e r d n E K d s s l j i t w t d f k b d s G t u V N U s – s K z S u d O t f t Z f D P K (C (D enschenrechtslage betrifft insbesondere den Schutz vor isshandlungen und Folter, das Justizwesen, die Mei- ungs- und Pressefreiheit und das Versammlungs- und ereinigungsrecht. Die Todesstrafe ist noch nicht in allen ändern vollständig abgeschafft. Nichtregierungsorgani- ationen sowie Menschenrechtsverteidigerinnen und -ver- idiger sind harschen Restriktionen und Verfolgung aus- esetzt. Menschenrechts- und Rechtsstaatsdialog sind omit ein wesentlicher Bestandteil einer auf wirtschaftli- he Entwicklung und Stabilität angelegten Strategie. Nach wie vor existiert keine umfassende Zusammen- rbeit zwischen den fünf Staaten. Jedes Land verfolgt in rster Linie seine eigenen Interessen. Die Vertiefung der egionalen Zusammenarbeit kann nach Erkenntnissen es Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen ei- en großen Beitrag zur politischen und wirtschaftlichen ntwicklung der Region leisten. Daher sollte regionale ooperation vonseiten der EU gefördert werden; denn ie zentralen Herausforderungen in den Bereichen Was- erverteilung, Drogenbekämpfung, Umweltschutz, Ge- undheitswesen und Transport lassen sich nur regional ösen. Daneben sollte die EU jedoch auch gezielte Pro- ekte, bezogen auf die einzelnen Länder, entwickeln, die hren jeweiligen Besonderheiten und politischen Struk- uren gerecht werden. Nichtsdestotrotz muss sich die EU auch darüber be- usst sein, wie instabil die einzelnen Länder und wie au- oritär die Regime geführt sind. Das Verhältnis zwischen er EU und den einzelnen Staaten kann so immer wieder undamental belastet werden. Im Falle Usbekistans be- am das unlängst Außenminister Frank-Walter Steinmeier ei seiner Reise zu spüren. Dazu möchte ich nur sagen, dass auch Usbekistan an ie Charta der Vereinten Nationen gebunden ist und Ver- töße gegen die Menschenrechte von der internationalen emeinschaft nicht toleriert werden. Usbekistan ist Ver- ragspartei des Internationalen Paktes für bürgerliche nd politische Rechte. Im Einklang damit stand auch das erhalten der Menschenrechtsverteidigerin Umida iazowa, Mutter eines zweijährigen Sohnes, die nun in ntersuchungshaft sitzt. Die Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwi- chen der EU und allen fünf zentralasiatischen Staaten die Ratifizierungen Tadschikistans und Turkmenistans tehen noch aus – beinhalten die Möglichkeit, zu den ooperationsräten Unterausschüsse für Menschenrechte u bilden. Dies sollte für alle fünf zentralasiatischen taaten geprüft und im Rahmen der Zentralasienstrategie mgesetzt werden. Im Bereich der Rechtsstaatsförderung sollte die EU ie Zusammenarbeit mit den VN, dem Europarat und der SZE vertiefen. Gerade die OSZE, der alle Staaten Zen- ralasiens angehören, hat eine wichtige Verbindungs- unktion zwischen der EU und Zentralasien. Dieses Po- enzial wird aber nicht ausgeschöpft. Das OSZE- entrum in Aschgabat ist seit Jahren kaum mehr arbeits- ähig. Das OSZE-Zentrum in Taschkent wurde auf ruck der usbekischen Regierung reduziert auf einen rojektkoordinator. Das Mandat des OSZE-Zentrums in asachstan wurde von der Regierung in Almaty zu- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9311 (A) ) (B) ) nächst nur bis Mitte 2007 verlängert. Kirgisistan hat be- reits angekündigt, die Frage der Verlängerung eines um- fassenden Mandats des Zentrums erneut prüfen zu wollen. Im „Astana-Appell von GUS-Staaten an OSZE- Partner“ haben Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan sich unter anderem gegen den Fortbe- stand unabhängiger OSZE-Wahlbeobachtung gestellt. Die EU sollte sich in ihrer Politik gegenüber den zen- tralasiatischen Staaten deutlich für unabhängige Wahlbe- obachtung und unabhängige institutionelle Beobachtung von Menschenrechtsverletzungen in der Region einset- zen. Kasachstan bewirbt sich um den OSZE-Vorsitz für das Jahr 2009. Der OSZE-Vorsitz ist eine Führungsrolle im Rahmen der Organisation mit Verantwortung und Autorität. Das Land, das den Vorsitz innehat, sollte die Werte und Verpflichtungen der OSZE repräsentieren. Kasachstan muss jetzt zeigen, dass es zur Übernahme solcher Verantwortung bereit und in der Lage ist. Neben sichtbaren nationalen Fortschritten in der Umsetzung der OSZE-Standards müsste Kasachstan auch zeigen, dass es bereit und in der Lage ist, in der OSZE eine aktive Rolle zur Beförderung des wertvollen OSZE-Acquis zu spielen. Ein weiterer Bestandteil der EU-Zentralasienstrate- gie muss eine klare sicherheitspolitische Zielsetzung sein. Diktatorische Regime sind sicherheitspolitische Ri- sikofallen. Ein Stabilitätsaufbau in Afghanistan kann nicht ohne Stabilität in Zentralasien gelingen. Ein großes Problem, das in der Zentralasienstrategie aufgegriffen werden muss, ist der Drogen- und Menschen- handel und eine wachsende organisierte Kriminalität. Da- rüber hinaus sollte sich die Politik der EU gegenüber Zen- tralasien mit der Bildung islamistischer Gruppierungen, insbesondere mit der politischen Instrumentalisierung dieses Feindbildes in der Region auseinandersetzen. Ein gravierendes Sicherheitsproblem zum Beispiel im usbe- kischen Ferghanatal, Andijan, ist, dass wirtschaftlich-so- ziale Not in der Bevölkerung als Ursache für gesellschaft- liche Unruhe nicht angegangen wird. Statt grundlegende Reformen anzugehen, werden islamistische Feindbilder aufgebaut und Reformkräfte in der Zivilgesellschaft poli- tisch verfolgt. Dies schafft einen Nährboden für radikale Kräfte. Ziel der EU-Zentralasienstrategie sollte deshalb auch sein, die Einbindung moderater islamischer Akteure zu fördern, die großes Ansehen genießen, und eine wichtige Mittlerfunktion wahrzunehmen. Neben Wirtschafts- und Sozialreformen kommt es auch darauf an, ein Angebot öffentlicher Grundbildung für die breite Bevölkerung zu sichern. Zentralasien ist zu Recht in den europäischen Fokus gerückt. Jetzt kommt es darauf an, die Potenziale der Region zu nutzen. Menschenrechtspolitik sollte da- bei endlich als europäische Interessenpolitik gesehen werden. Gernot Erler, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die EU hat gestern beim Treffen der EU-Außenminister- Troika mit den fünf zentralasiatischen Staaten in Astana einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Kooperation m Z b t s d w r w d G z d s a d g n f s r E t b d r H z l s z z i r t t G m u d B t P e m m s d l d d A (C (D it Zentralasien und damit zur Ausarbeitung einer EU- entralasien-Strategie getan. Wie Sie wissen, hat der Europäische Rat im Dezem- er 2006 die deutsche EU-Ratspräsidentschaft beauf- ragt, bis zum Juni dieses Jahres Leitlinien für eine Zu- ammenarbeit der EU mit Zentralasien vorzulegen. Bei er gestrigen Aussprache in der kasachischen Hauptstadt urde erneut deutlich, dass dies auch auf großes Inte- esse und Unterstützung in Zentralasien selber stößt. Dieser Aspekt ist der Bundesregierung besonders ichtig. Die EU-Zentralasien-Strategie soll nicht über ie Köpfe der Staaten hinweg formuliert werden. leichwohl muss die EU darauf achten, den Willen der entralasiatischen Staaten zu bilateraler Kooperation mit er EU auch in Ansätze zum Ausbau der regionalen Zu- ammenarbeit umzumünzen. Es geht darum, Zentral- sien in eine vertiefte Partnerschaft mit der EU einzubin- en. Unser Ziel ist der Aufbau stabiler, offener und erechter Gesellschaften auf der Basis anerkannter inter- ationaler Werte und Normen. Deshalb wird die EU den Bereichen gute Regierungs- ührung, Rechtsstaat, Menschenrechte und Demokrati- ierung wie auch dem Bildungs- und Ausbildungsbe- eich besondere Bedeutung beimessen. Sie ist bereit, ihre rfahrungen und Kenntnisse in diesem Bereich in Zen- ralasien einzubringen. Dazu gehört auch verstärkte Zusammenarbeit bei glo- alisierten Herausforderungen wie dem Kampf gegen as organisierte Verbrechen und den internationalen Ter- orismus sowie Drogen-, Menschen- und Waffenhandel. ier wird die Etablierung moderner, offener und gleich- eitig sicherer Grenzen in Zentralasien ein zentrales An- iegen der EU mit großer wirtschaftlicher Bedeutung ein. Auf dieser Grundlage haben wir im Gespräch mit den entralasiatischen Staaten folgende Bereiche identifi- iert, in denen wir besonders großes Potenzial für eine ntensivere Zusammenarbeit sehen: erstens gute Regie- ungsführung, Rechtsstaat und Menschenrechte, zwei- ens wirtschaftliche Entwicklung, Freihandel und Inves- itionen, drittens Bildung und Ausbildung, viertens renzmanagement, Kampf gegen die organisierte Kri- inalität, internationalen Terrorismus, Drogen-, Waffen- nd Menschenhandel und fünftens Energie. Auf beson- eres Interesse der zentralasiatischen Staaten würde eine ildungs- und Ausbildungsinitiative der EU für Zen- ralasien stoßen. Sie würde der jungen Generation neue erspektiven bieten. Im Bereich Menschenrechte zeichnet sich ebenfalls ine vertiefte Zusammenarbeit ab. Die EU beabsichtigt, it jedem der zentralasiatischen Staaten einen regel- äßigen, strukturierten und ergebnisorientierten Men- chenrechtsdialog einzurichten. Anderen Bereichen wie er Unterstützung wirtschaftlicher und sozialer Entwick- ung in Zentralasien, Fragen des Grenzmanagements und er Energie- und Umweltkooperation wird die EU auf er Grundlage bestehender EU-Programme künftig mehr ufmerksamkeit widmen. 9312 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Neben mehr Geberkoordinierung wollen wir die Zu- sammenarbeit mit der OSZE und anderen multilateralen Organisationen und Foren wie den IFIs intensivieren. Dazu gehört unter anderem auch die Shanghai Organisa- tion. Durch die Stärkung dieser Strukturen wollen wir re- gionale Kooperation in Zentralasien fördern. Dies alles geschieht in dem Verständnis, dass wir nur mit einem ausgewogenen, partnerschaftlichen Ansatz Si- cherheit, Stabilität und Prosperität in Zentralasien in un- serem und im dortigen Interesse fördern können. Dieser Ansatz muss die spezifischen Anliegen der zentralasiati- schen Staaten ernst nehmen. Und er muss die regionalen Herausforderungen in den Blick nehmen. Ausgewogen- heit heißt schließlich auch, die Beziehungen zu den zen- tralasiatischen Staaten in ihrer gesamten Breite voranzu- bringen. Das schließt nach unserem Verständnis auch substanzielle Fortschritte in den Bereichen Rechtsstaat- lichkeit und Menschenrechtsschutz ein. Dies alles muss transparent gestaltet werden, um Vertrauen in Zentral- asien, aber auch bei anderen internationalen Akteuren in der Region zu schaffen. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Öffentlichen Ver- kehr in den neuen Bundesländern nicht gefähr- den – Verkehrsflächenbereinigungsgesetz ver- längern (Tagesordnungspunkt 20) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Dem vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke, die Übergangsregelung des Verkehrsflächenbereinigungsgesetzes über den Frist- ablauf zum 30. Juni 2007 hinaus zu verlängern, wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht zustimmen. Zur Erläuterung möchte ich zunächst den historischen Hintergrund der betreffenden Regelung aufzeigen. Eine Vielzahl von Grundstücken privater Eigentümer wurde zu Zeiten der ehemaligen DDR für öffentliche Zwecke in Anspruch genommen, ohne dass ihre förmliche Über- führung in sogenanntes Volkseigentum oder eine recht- lich verbindliche Regelung der Nutzungsverhältnisse er- folgt ist. Trotz dieses durchaus zweifelhaften Besitzanspruches der öffentlichen Hand wurde durch den bundesdeutschen Gesetzgeber eine befristete Über- gangslösung zugunsten der weiteren Nutzung bzw. des Erwerbs solcher Grundstücke durch die öffentliche Hand im Verkehrsflächenbereinigungsgesetz geschaffen. Die- ses Gesetz löste die am 30. September 2001 ausgelau- fene Regelung in Art. 233 § 2 a IX EGBGB ab. Das Ge- setz gilt für die von Art. 3 des Einigungsvertrages erfassten Grundstücke privater Eigentümer, sofern sie frühestens seit dem 9. Mai 1945 und vor dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe in An- spruch genommen wurden. Das Gesetz sieht vor, dass die öffentlichen Nutzer für weiterhin zu öffentlichen Zwecken benötigte Flächen ein bis zum 30. Juni 2007 befristetes Ankaufsrecht zu be- s d b i z N W t e K s g r d k ü g M G f s s J c n Z k e k d n Z i u c z r s o n V d E g g K G R w h s w B a f (C (D onders günstigen Konditionen, die erheblich unterhalb es Verkehrswerts liegen, haben. Bei Verkehrsflächen eträgt der Kaufpreis 20 Prozent des Bodenpreises eines n gleicher Lage gelegenen unbebauten Grundstücks. Bis ur Bereinigung der Rechtsverhältnisse entweder durch utzungsaufgabe der öffentlichen Hand oder Ankauf bei eiternutzung für öffentliche Zwecke steht dem priva- en Eigentümer lediglich die Zahlung eines Nutzungs- ntgeltes zu, das ebenfalls erheblich unter marktüblichen onditionen liegt, da zur Berechnung der nach dem Ge- etz sich ergebende niedrige potenzielle Kaufpreis zu- runde gelegt wird. Mit dieser Übergangslösung bis zur endgültigen Be- einigung der Rechtsverhältnisse sollte vermieden wer- en, dass die Kommunen in den neuen Ländern mit An- aufsforderungen durch private Grundstückseigentümer berfordert werden. Durch die langfristige Übergangsre- elung wurde den Kommunen bis zum 30. Juni 2007 die öglichkeit eingeräumt, zunächst zu überprüfen, welche rundstücke im Privateigentum dauerhaft weiter für öf- entliche Zwecke benötigt werden, und in der Folge ent- prechend die zum verbilligten Erwerb dieser Liegen- chaften notwendigen Haushaltsmittel über mehrere ahre in die jeweiligen Planungen einzustellen. Entscheidender Punkt ist nun, dass, falls der öffentli- he Nutzer sein Ankaufsrecht bis zum 30. Juni 2007 icht ausgeübt hat, der privater Eigentümer ab diesem eitpunkt den Ankauf seines Grundstücks zum Ver- ehrswert verlangen oder ein marktgerechtes Nutzungs- ntgelt für die Eintragung einer Dienstbarkeit fordern ann. Mit Ablauf der Übergangsfrist wird demnach in er Folgezeit die endgültige Klärung der Rechtsverhält- isse an den Grundstücken herbeigeführt, die zu diesem eitpunkt trotz fortdauernder öffentlicher Nutzung noch mmer im Privateigentum sind. Anders als nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz nterliegt der private Eigentümer nach dem Verkehrsflä- henbereinigungsgesetz nämlich einem Kontrahierungs- wang. Die von der PDS nun geforderte Fristverlänge- ung würde bedeuten, dass private Eigentümer weiterhin tillhalten und sich mit dem geringen Nutzungsentgelt der dem abgesenkten Kaufpreis, wenn es der Kommu- en recht ist, begnügen müssten. Dies ist mit unserem erständnis des Eigentumsschutzes im Jahre 17 der eutschen Einheit unvereinbar. Das unbefriedigende Rechtsverhältnis für den privaten igentümer würde weiterhin aufrechterhalten, obgleich erade die Übergangsfrist im Verkehrsflächenbereini- ungsgesetz das Ergebnis eines ausführlich diskutierten ompromisses von Beratungen einer Bund-Länder- ruppe war, der den Interessen beider Seiten ausreichend echnung getragen hat. Uns ist kein Grund ersichtlich, arum sich diese Ausgangslage grundlegend verändert aben soll, warum die Verlängerung der Übergangslö- ung zulasten der privaten Eigentümer gerechtfertigt äre. Mit einer Fristverlängerung würde das Vertrauen der etroffenen nachhaltig enttäuscht, die möglicherweise uch schon Dispositionen hinsichtlich ihrer Grundstücke ür die Zeit nach dem 30. Juni 2007 getroffen haben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9313 (A) ) (B) ) Rechtssicherheit ist ein hohes Gut. Eine ständige sach- grundlose Verlängerung von mit Sachgrund versehenen Übergangsfristen darf nicht der Regelfall werden. Es ist nur sehr schwer nachvollziehbar, warum über Einzelfälle hinaus nach weit mehr als zehn Jahren immer noch keine Klärung auf diesem Gebiet seitens der Kom- munen erfolgen konnte. Dabei ist insbesondere zu be- rücksichtigen, dass das Gesetz während der Übergangs- frist ja einen Erwerb der weiterhin für öffentliche Zwecke beanspruchten Grundstücke zu einem erheblich unter dem Verkehrswert liegenden Preis zugunsten der Kommunen ermöglicht hat. Der Antrag der Fraktion Die Linke stützt seine Be- gründung darauf, dass sich gezeigt hat, dass eine Viel- zahl von betroffenen Kommunen ihr notarielles Kauf- vertragsangebot nicht bis zum vorgesehenen Stichtag abgeben könne. Große Erbengemeinschaften oder die späte Erkenntnis, dass man während schon begonnener Baumaßnahmen in privates Eigentum eingreife, werden als Gründe angeführt. Nach Auffassung der Fraktion Die Linke solle mit einer Fristverlängerung dem drohenden baldigen Erlöschen des im Gesetz geregelten Ankaufs- rechts und der danach vermeintlich entstehenden Rechts- unsicherheit abgeholfen werden. Hierzu ist zu sagen, dass es einer Verlängerung nicht bedarf, da selbstverständlich auch nach Ablauf der Frist am 30. Juni 2007 eine Rechtsbereinigung möglich sein wird. Nur mit dem Unterschied, dass dann endlich „nor- male“ Rechtspositionen gelten werden. Der Unterschied wird nämlich der sein, dass nun nach langen Jahren der Rechtsunsicherheit endlich dem Eigentümer das Recht zugestanden wird, selbst eine Klärung der Rechtsposi- tion an seinem Grundstück herbeizuführen. Er kann nun endgültig einseitig bestimmen, wie er die Eigentumslage seines Grundstücks behandelt wissen möchte. Das be- deutet, er kann ab diesem Zeitpunkt die Kommune ver- pflichten, sein von ihr für öffentliche Zwecke genutztes Eigentum zum Verkehrswert anzukaufen oder eine ent- geltliche Dienstbarkeit daran bestellen lassen, die eine marktüblichen Nutzungsvergütung vorsieht, und er ist nicht länger zum Ausharren verpflichtet. Die weiter angeführte Problematik vermeintlich zu spät erkannter privater Eigentumsrechte während laufen- der Bauarbeiten kann wohl kaum eine ernstgemeinte Un- termauerung der Forderung der Fristverlängerung sein. Die verspätete Erkenntnis, dass beim Bau zum Beispiel einer öffentlichen Straße Privateigentum überbaut wird – schlimm genug, wenn dies so stattfindet – kann wohl kaum dem privaten Eigentümer zur Last gelegt werden. Unabhängig hiervon ist auch nach dem Ablauf der Frist die Rechtsbereinigung zugunsten der öffentlichen Hand möglich. Bei Vorliegen der entsprechenden spe- zialgesetzlichen Voraussetzungen ist eine Enteignung für öffentliche Zwecke nicht ausgeschlossen. Allerdings wäre dann entsprechend der grundgesetzlichen Eigen- tumsgarantie der volle Verkehrswert als Ausgleich zu zahlen. Und gerade dieser Punkt ist entscheidend für die Erkenntnis, worum es hier tatsächlich geht. Wir stehen unverrückbar zur Eigentumsgarantie als zentralem Punkt des Grundgesetzes. Daher ist es nach Ablauf der langen Ü n d z v L n f S P H t i D s a s l F d e – J i z f G s b g t s t w a H w A D s k e a c i Z e e G r G h v G (C (D bergangsfrist nunmehr höchste Zeit, dass die allgemei- en Regelungen in ganz Deutschland Anwendung fin- en. Es darf nicht länger Grundeigentum erster und weiter Klasse geben. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn substantiiert orgetragen würde, dass die Kommunen in den neuen ändern systematisch an einer vernünftigen Rechtsberei- igung nach den Übergangsbedingungen des Verkehrs- lächenbereinigungsgesetzes gehindert gewesen wären. tichhaltige Gründe hierfür kann ich dem Antrag der DS nicht entnehmen. Hätte aus Sicht der Bundesländer andlungsbedarf bestanden, wären die kommunalen In- eressen in Verhandlungen mit der Bundesregierung oder m Wege einer Bundesratsinitiative eingebracht worden. as ist alles nicht der Fall. Ich bin selbst Stadtrat meiner Heimatstadt Hohen- tein-Ernstthal und kommunalpolitisch engagiert. Auch us meiner diesbezüglichen Praxis kann ich Ihnen nur agen, dass Sie Scheindebatten vom Zaun brechen wol- en. Wir werden diese nicht führen. Dr. Peter Danckert (SPD): Den Kollegen von der raktion Die Linke verdanken wir heute den Umstand, ass wir noch zu so später Stunde hier an dieser Stelle ine Thematik behandeln, für die es aus meiner Sicht und der des federführenden Bundesministeriums der ustiz – keinen Handlungsbedarf gibt. Die Linke fordert n ihrem Antrag die Bundesregierung auf, das „Gesetz ur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Verkehrs- lächen und anderen öffentlich genutzten privaten rundstücken“, kurz Verkehrsflächenbereinigungsge- etz (VerkFlBerG), über die gegenwärtig geltende Frist is 30. Juni 2007 hinaus um drei weitere Jahre zu verlän- ern. Das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz vom 26. Ok- ober 2001 regelt die Rechtsverhältnisse an Grund- tücken in den neuen Bundesländern, die im Privateigen- um stehen, aber zu öffentlichen Zwecken genutzt erden. Die gesetzliche Neuregelung erfolgte seinerzeit ufgrund einer Initiative der neuen Länder. Vor dem intergrund von Art. 14 GG war eine nicht einfache Ab- ägung zwischen dem Eigentum und dem Wohle der llgemeinheit vorzunehmen (Art. 14 Abs. 3 GG). ieses Gesetz räumt dem öffentlichen Nutzer unter be- timmten Voraussetzungen ein Erwerbsrecht an Ver- ehrsflächen gegenüber dem Grundstückseigentümer in. Dies betrifft in erster Linie Verkehrsflächen, aber uch zum Beispiel für Verwaltungszwecke genutzte Flä- hen und Gebäude. Handlungsbedarf ergab sich aus dem Umstand, dass n der DDR oftmals private Grundstücke für öffentliche wecke in Anspruch genommen worden sind, ohne dass ine förmliche Überführung des Grundstücks in Volks- igentum stattgefunden hätte oder die Nutzung des rundstücks gegenüber dem Eigentümer sonst auf eine echtliche Grundlage gestellt worden wäre. Diese rundstücke blieben in Privateigentum und sind es auch eute noch. Das Gesetz ermöglichte den Kommunen, om Eigentümer bis zum 30. Juni 2007 den Verkauf des rundstücks zu stark abgesenkten Preisen (§§ 5 und 6) 9314 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) zu verlangen. Der Gesetzgeber hat seinerzeit ganz be- wusst in § 8 eine Abschlussfrist normiert, um, wie es in der Begründung hieß, „den baldigen Ankauf der für öf- fentliche Zwecke genutzten Grundstücke zu bewirken“ und damit auch eine „zügige Bereinigung“ zu realisie- ren. Diese Regelung entspricht dem sich aus Art. 14 GG ergebenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das heißt konkret eine Abwägung zwischen dem grundge- setzlichen Schutz des Eigentums und dem Wohl der All- gemeinheit. Nach Ablauf der Abschlussfrist verbleiben einige „unbereinigte Fälle“, in denen der Grundstücksei- gentümer die Wahl hat, ob er von der Gemeinde den An- kauf verlangt oder aber ein Nutzungsentgelt fordert, das so lange zu zahlen wäre, wie die öffentliche Nutzung fortbesteht. Die Linke ist der Ansicht, dass eine Vielzahl der be- troffenen Kommunen nicht in der Lage sein wird, den Grundstückseigentümern bis zu diesem Stichtag ihr no- tarielles Kaufvertragsangebot zu übermitteln, und strebt deshalb eine Fristverlängerung an. Gestatten Sie mir hierzu folgende Anmerkungen: Das Gesetz mit der kon- kreten Abschlussfrist ist das Ergebnis von Beratungen einer auf Initiative der Ost-Justizministerkonferenz 1999 gebildeten Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Diese Ab- schlussfrist nach § 8, die man auch als eine Ausschluss- frist werten kann, war ein Kompromiss zwischen den widerstreitenden Interessen der Beteiligten. Zu beden- ken war, dass die Grundstückseigentümer bei Ablauf der Frist über einen Zeitraum von fast 17 Jahren nach der Wiedervereinigung keinen Zugriff auf das Grundeigen- tum hatten. Zugleich war den öffentlichen Nutzern bereits bei der Erarbeitung des Gesetzes das Problem der noch ausstehenden sachenrechtlichen Bereinigung seit langem bekannt. Zur Durchführung der notwendigen vorbereitenden Maßnahmen (Vermessungsarbeiten, Feststellung der Eigentumsverhältnisse) zur rechtlichen Bereinigung stand ausreichend Zeit – nämlich sechs Jahre – zur Verfügung. Darüber hinaus impliziert der Ablauf der Frist nicht die Notwendigkeit, alle Verträge bis zum Stichtag fertig abzuwickeln. Auch nach Frist- ablauf ist die Rechtsbereinigung möglich, wenn auch der Grundstückseigentümer damit einverstanden ist. Nach Ablauf der Abschlussfrist kann allerdings der Grund- stückseigentümer alleine darüber entscheiden, ob er die Fläche an den öffentlichen Nutzer verkauft oder die Zah- lung eines Nutzungsentgeltes fordert oder schlicht nichts unternimmt. Wenn der öffentliche Nutzer an der Erlan- gung des Eigentums am Grundstück gegen den Willen des Grundstückseigentümers interessiert ist, kommt ge- gebenenfalls eine Enteignung nach den jeweiligen Spe- zialvorschriften (unter anderem den Straßengesetzen der Länder) – allerdings gegen Entschädigung in Höhe des Verkehrswertes – in Betracht. Einer Fristverlängerung stehen – und dies ist nicht ganz unerheblich – verfassungsrechtliche Bedenken ent- gegen: Die trotz der öffentlich-rechtlichen Nutzung der Grundstücke bestehenden (eingeschränkten) Eigentums- rechte der Grundstückseigentümer fallen unter den Schutz von Art. 14 Abs. l Satz l GG. Jede Änderung der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse muss sich daher insbesondere an den Grundsätzen des Vertrauensschutzes u l e u l e V B e t k r d v N f n g B s A n N d A d g m d s ü s S s d m i s k f L b e c H r Z t d t z f v P (C (D nd der Verhältnismäßigkeit messen lassen. Die erheb- iche Belastung der Grundstückseigentümer, die über inen langen Zeitraum zur Passivität gezwungen sind, nd die Tatsache, dass den öffentlichen Nutzern der Ab- auf der Abschlussfrist frühzeitig bekannt war, begründen rnsthafte verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erlängerung der Frist. Letztlich bleibt es den neuen undesländern unbenommen, ihre Interessen im Wege iner Bundesratsinitiative wahrzunehmen. Vor dem Hin- ergrund erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken ann ich den Ländern allerdings nicht zu diesem Schritt aten. Wir sehen der Ausschussberatung entgegen, und ich enke, ich kann heute schon ankündigen, dass wir den orliegenden Antrag ablehnen werden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): ach dem Willen des Gesetzgebers sollte das Verkehrs- lächenbereinigungsgesetz von 2001 die Rechtsverhält- isse an seit DDR-Zeiten öffentlich genutzten Privat- rundstücken endgültig regeln – so nachzulesen in der eschlussempfehlung und dem Bericht des Rechtsaus- chusses vom 25. September 2001. Schenkt man dem ntrag der Fraktion Die Linke Glauben, ist dieses Ziel icht erreicht worden, denn anderenfalls gäbe es keine otwendigkeit, die vorgesehenen Fristen um weitere rei Jahre bis zum 30. Juni 2010 zu verlängern. Die Frage, die sich stellt, ist: Woran liegt das? Laut ntrag gibt es Schwierigkeiten bei den Recherchen zu en betroffenen Grundstücken. Dies sei dem Umstand eschuldet, dass es sich bei den Grundstückseigentü- ern oft um große Erbengemeinschaften handele bzw. ass sich erst im Rahmen von Baumaßnahmen heraus- telle, dass zum Beispiel öffentliche Straßen zum Teil ber private Grundstücke verlaufen. Die Richtigkeit die- es Tatsachenvortrags unterstellt, fragt sich, wer diese chwierigkeiten zu vertreten hat, der private Grund- tückseigentümer oder die öffentliche Hand. Schon im Gesetzgebungsverfahren hat die Fraktion er FDP kritisiert, dass vonseiten der Länder und Kom- unen nicht aufgezeigt worden sei, welche Grundstücke n welchem Umfang und zu welchen Werten betroffen eien. Die Fraktion der PDS äußerte sich ähnlich. Sie ritisierte, dass keine Angaben über die Zahl der betrof- enen Grundstücke vorlägen. Seit dieser Kritik sind weitere fünfeinhalb Jahre ins and gegangen. Warum diese Zeit nicht ausgereicht ha- en soll, die Grundstücks- und Eigentumsverhältnisse ndgültig zu klären, leuchtet mir nicht ein. Jedenfalls rei- hen mir die hierzu vorgetragenen Tatsachen nicht aus. ier wäre eine Einschätzung der Bundesregierung hilf- eich. Denn eins steht fest: Eine Fristverlängerung „auf uruf“ kann und darf es nicht geben. Diese ginge einsei- ig zulasten der Grundstückseigentümer, obwohl vieles afür spricht, dass diese die behaupteten Schwierigkei- en nicht zu vertreten haben. Dann wäre es aber nicht ak- eptabel, dass Eigentümer für weitere drei Jahre der Ge- ahr ausgesetzt werden, ihr Grundstück zwangsweise erkaufen zu müssen, und dies möglicherweise zu einem reis, bei dem sie noch draufzahlen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9315 (A) ) (B) ) Wie Sie wissen, begegnete die Kaufpreisregelung be- reits im Gesetzgebungsverfahren verfassungsrechtli- chen Bedenken. Insbesondere für Eigentümer, deren Grundstücke mit alten, in der Höhe über den gesetzli- chen Kaufpreisanspruch hinausgehenden Grundpfand- rechten belastet waren, wurde die Gefahr einer „zweiten Enteignung“ gesehen. Für die FDP darf das Auseinanderfallen von Grund- stückseigentum und Grundstücksnutzung abseits von Miet- und Pachtverhältnissen nicht zu einem Dauerzu- stand werden. Sollte man zu dem Ergebnis kommen, dass eine Fristverlängerung unumgänglich ist, wären deshalb flankierende Maßnahmen vorzusehen, um die Beendigung dieses Zustandes, der im deutschen Recht ein Fremdkörper ist, zu beschleunigen. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Die Erfüllung öffent- licher Aufgaben erfolgt in den neuen Bundesländern in einer Vielzahl von Fällen auf privaten Grundstücken. Die erforderliche Rechtsgrundlage dafür schafft das Sa- chenrechtsbereinigungsgesetz und in Ergänzung seit 2001 das Verkehrsflächenbereinigungsgesetz. Das Ge- setz ermöglicht den Kommunen in den neuen Bundes- ländern den Erwerb von Privatgrundstücken zu einem ermäßigten Preis, wenn die betreffenden Grundstücke zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben oder als Ver- kehrsflächen tatsächlich in Anspruch genommen wurden und auch zukünftig für diese Zwecke benötigt werden. Dazu zählen insbesondere Verkehrsflächen im engeren Sinne, das heißt öffentliche Straßen auf privaten Flä- chen, Park- und Grünanlagen. Daneben existiert auch die Möglichkeit des Zukaufs von privaten Grundstücken, die zur Erfüllung einer sons- tigen Verwaltungsaufgabe mit einem Gebäude, zum Bei- spiel Kindergärten, Schulen, Rathäuser oder sonstiger baulicher Anlagen wie zum Beispiel Spielplätzen und Sportanlagen bebaut worden waren und weiterhin benö- tigt werden. Ausnahmsweise kann die Bestellung des milderen Mittels einer persönlich beschränkten Dienst- barkeit ausreichen, wenn der Eigentumserwerb zur Si- cherung der öffentlichen Nutzung den Eigentümer durch den Eigentumsverlust unverhältnismäßig belasten würde. Dies kann etwa bei einer Untertunnelung des Grundstücks oder bei einem Brückenpfeiler auf einem ansonsten landwirtschaftlich genutzten Grundstück der Fall sein. Der Nutzer hat das Recht auf Durchführung einer Be- reinigung der Rechtsverhältnisse an für öffentliche Zwe- cke genutzten Flächen. § 8 Abs. 1 sieht vor, dass der öf- fentliche Nutzer bis zum Ablauf des 30. Juni 2007 das Erwerbsrecht nach § 3 Abs. 1 Satz 1 durch Abgabe eines notariell beurkundeten Angebots zum Abschluss eines Kaufvertrages ausgeübt haben muss. Nach Ablauf dieser Frist soll der öffentliche Nutzer nun keine Möglichkeit mehr haben, seinerseits die Rechtsbereinigung einzulei- ten. Sein Recht, den Vertragsabschluss zu verlangen, er- lischt. Dieses Recht geht dann auf den oder die Grund- stückseigentümer über. A d w c z n s m s o v m g B c f l G n d R E s l B D w s b c d d m d b g z K A ü s d g E F n d ü t u m m I g (C (D Die vorgesehene Ausschlussfrist sollte dem zügigen nkauf und damit dem Ziel einer zügigen Bereinigung ienen. Aufgrund der Vielzahl der bisher bekannt ge- ordenen Fälle sowie der Schwierigkeiten bei den Re- herchen zu den betroffenen Grundstücken hat sich ge- eigt, dass eine Vielzahl der betroffenen Kommunen ihr otarielles Kaufvertragsangebot nicht bis zu dem vorge- ehenen Stichtag an die Grundstückseigentümer über- itteln kann. Dies ist unter anderem dem Umstand ge- chuldet, dass es sich bei den Grundstückseigentümern ft um große Erbengemeinschaften handelt, noch nicht ollständig aktualisierte Grundstückskataster in den Ge- einden vorliegen oder noch strittige Rückübertra- ungsansprüche vorliegen bzw. sich erst im Rahmen von aumaßnahmen herausstellt, dass zum Beispiel öffentli- he Straßen zum Teil über private Grundstücke verlau- en. Außerdem kann der Übergang des Rechts auf Ver- angen zur Flächenbereinigung auf den oder die rundstückseigentümer durchaus als Investitionshemm- is und entgegen dem öffentlichen Interesse wirken, da ie Kommune ihr Initiativrecht verliert. Die begrüßenswerten Ziele des Gesetzes, nämlich echtssicherheit für Nutzer und Eigentümer zu schaffen, igentümer angemessen zu entschädigen sowie Grund- tücksnutzung und Grundstückseigentum für die öffent- iche Hand zusammenzuführen, ist unter den gegebenen edingungen und der gesetzten Frist nicht erreichbar. urchschnittlich fehlen noch 30 bis 40 Prozent der not- endigen Vertragsabwicklungen. Dies ist regional unter- chiedlich. Sollte eine Fristverlängerung nicht erreicht werden, leibt den Gemeinden nur die Möglichkeit des ordentli- hen Ankaufs der Grundstücke zum Verkehrswert, was ie öffentlichen Haushalte weiter belasten würde, und as Risiko birgt, dass der private Grundstückseigentü- er sich einem Verkauf auch verweigern kann. Damit ist ie Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben auf den etroffenen Grundstücken zukünftig in Gefahr. Aus den enannten Gründen ist eine Fristverlängerung des Geset- es dringend geboten. Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Liebe ollegin Heidrun Bluhm, bei allem Respekt, aber der ntrag Ihrer Fraktion ist ebenso wie die heutige Debatte berflüssig. Ich frage mich, ob wir wirklich nichts Bes- eres zu tun haben, als uns heute und auf diese Weise mit em Verkehrsflächenbereinigungsgesetz zu beschäfti- en. Und ich sage Ihnen an dieser Stelle auch deutlich: s ärgert mich, dass es im legitimen Wettbewerb der raktionen offensichtlich nur noch um Quantität und icht mehr um Qualität bei den Anträgen geht. Aber azu später mehr. Erinnern Sie sich noch, wie wir kürzlich gemeinsam ber die Große Koalition und ihren kurzfristig aufgesetz- en Antrag zum Bericht zur Situation der Wohnungs- nd Immobilienwirtschaft gelästert haben? Jetzt kom- en Sie selber mit einem Antrag aus der Tiefe des Rau- es. Dankenswerterweise wurde der Text uns vorab von hrem Büro zu Verfügung gestellt, sodass wir wenigstens estern wussten, über was wir heute diskutieren sollen. 9316 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Heute habe ich sogar noch die Drucksachennummer er- fahren, als ich Ihren Antrag in der Hauspost vorfand. Der Ausgangspunkt scheint ja offensichtlich ein Rundschreiben des Gemeinde- und Städtebundes Thü- ringen vom 9. Februar 2007 an alle thüringischen Bun- destagsabgeordneten gewesen zu sein. Auf den ersten Blick scheint wie immer dringender Handlungsbedarf gegeben zu sein. Aber anstatt den Sachverhalt erst ein- mal zu überprüfen, haben Sie einfach den Brieftext wort- wörtlich in Ihren Antrag übernommen. Was sollte das ei- gentlich? Wollen Sie damit dem Gemeinde- und Städtebund Thüringen signalisieren, dass Sie die Einzi- gen sind, die sich des Themas annehmen? Ich habe gestern den Kollegen Ernst Kranz von der SPD gefragt, wie er denn mit diesem Brief umgegangen sei, und er teilte mir mit, dass er zunächst einmal die Kommunen in seinem Wahlkreis um Stellungnahme ge- beten hätte. Der Rücklauf hätte keine Erkenntnis gebracht, dass in Thüringen noch Handlungsbedarf bestünde. Der Kollege Uwe Barth von der FDP hat den Weg der Frage- stunde am gestrigen Tage beschritten. Das ist aus meiner Sicht die zunächst gebotene und seriöse Vorgehensweise bei so einem Sachverhalt. Sie wissen genauso gut wie die Kolleginnen und Kollegen, dass Ihnen auch noch andere Instrumente wie zum Beispiel eine schriftliche Frage oder eine Kleine Anfrage zur Verfügung gestanden hätten. Die Antwort der Bundesregierung durch den Parla- mentarischen Staatssekretär Hartenbach spricht Bände, und ich empfehle Ihnen das gründliche Studium; denn eigentlich hat sich mit dieser Antwort Ihr Antrag erle- digt: Erstens. Es war den öffentlichen Nutzern seit dem Er- lass des Gesetzes bekannt, dass sie das Problem der sa- chenrechtlichen Bereinigung anzugehen hatten und dies keine unbillige Härte für sie darstellen würde. Daher wurde ja das Gesetz auch ausdrücklich befristet. Zweitens. Die Rechtsverhältnisse können auch nach dem Fristablauf immer noch rechtsbereinigt werden. Das bedeutet, dass dann eine einvernehmliche Regelung mit dem Grundstückseigentümer über die Nutzung des Grundstücks und einen eventuellen Kauf oder ein Nut- zungsentgelt herbeigeführt werden muss. Drittens. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind erheblich. Im Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes heißt es: „Das Eigentum und das Erbrecht werden ge- währleistet.“ Eine Fristverlängerung verstößt sowohl ge- gen den Vertrauensschutz als auch gegen die Verhältnis- mäßigkeit. Ich kann nicht erkennen, welche triftigen Gründe dafür sprechen, dass es hier über 17 Jahre nach der Vereinigung immer noch ein Sonderrecht Ost geben muss? Viertens. Last, but not least weist Herr Hartenbach darauf hin, dass es den Bundesländern unbenommen bleibt, eine eigene Bundesratsinitiative zu starten. Dem muss ich nichts hinzufügen. Diese Antworten und die Rechercheergebnisse mei- ner Kollegen aus Thüringen lassen deutlich erkennen, dass Ihr Antrag schon überholt war, bevor Sie ihn einge- b g A l e g w b d z v V r N z W G K S d 2 1 l d S U r a d Ü S i W e n P e p i (C (D racht haben. Jetzt ist es an Ihnen, das Gegenteil zu bele- en. Darauf bin ich sehr gespannt. nlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – SWIFT-Fall aufklären – Datenschutz im in- ternationalen Zahlungsverkehr wieder her- stellen – Deutsche EU-Ratspräsidentschaft nutzen – Zugriff US-amerikanischer Stellen auf SWIFT-Daten unverzüglich stoppen und Vorgang umfassend aufklären (Tagesordnungspunkt 21 a und b) Georg Fahrenschon (CDU/CSU): In der grundsätz- ichen Einschätzung der Sachlage sind wir uns sicherlich inig: Die Bedingungen, unter denen SWIFT in der Ver- angenheit gearbeitet hat, müssen gründlich aufgeklärt erden. Dabei kommt auf die Bundesregierung eine esondere Verantwortung zu; denn Ziel der EU und der eutschen Ratspräsidentschaft muss es sein, eine Lösung u erreichen, die einerseits dem Erfordernis einer effekti- en Bekämpfung des Terrorismus und andererseits den orgaben europäischen Datenschutzrechtes sowie einem eibungslosen Zahlungsverkehr gerecht wird. Schon 1973 war es das Ziel, ein sicheres internationales achrichtenübermittlungssystem für Finanztransaktionen u schaffen. Damals wurde die SWIFT, Society für orldwide Interbank Financial Telecommunication, als enossenschaft belgischen Rechts von der internationalen reditwirtschaft gegründet. SWIFT verfügt über einen WIFT-Server in Belgien und einen in den USA, auf em eine Datenspiegelung erfolgt. Wie nach Presseberichten in den USA im Sommer 006 bekannt wurde, haben US-Behörden nach dem 1. September 2001 vor dem Hintergrund einer behörd- ichen Beschlagnahmeordnung mehrfach Transaktions- aten von SWIFT angefordert. Wie wir heute wissen, hat WIFT diese Daten auf Anfrage herausgegeben und den S-Behörden zur Auswertung für die Zwecke der Terro- ismusbekämpfung überlassen. Inzwischen ist weiterhin uch geklärt, dass es hierbei weder zu einer Vollstreckung er Beschlagnahmeordnung noch zu einer richterlichen berprüfung oder einer nachträglichen Information der WIFT-Nutzer gekommen ist. Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, seiner nternationalen Dimension und seiner juristischen ürdigung sowohl in Deutschland wie auch in anderen uropäischen Ländern sind die Ermittlungen jedoch och nicht abgeschlossen. Ob und inwieweit SWIFT gegen seine vertraglichen flichten gegenüber seinen Nutzern verstoßen hat bzw. in Verstoß der Nutzer gegenüber Verschwiegenheits- flichten gegenüber ihren Kunden vorliegt, wird derzeit ntensiv geprüft und zwischen den Datenschutzaufsichts- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9317 (A) ) (B) ) behörden, den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder und dem ZKA diskutiert. Des Weiteren hat die deutsche Ratspräsidentschaft gemeinsam mit der KOM die Gespräche mit dem US- Treasury aufgenommen. Ziel dieser Gespräche ist eine breite Sachverhaltsaufklärung sowie die Auslotung der Verhandlungsbereitschaft der USA. Denn darüber müssen wir uns hier einig sein: Wir können nur gemeinsam mit EU und den USA zu einer Lösung kommen. Dies setzt jedoch eine enge und vertrauensvolle transatlantische Zusammenarbeit voraus. Vor diesem Hintergrund ist für CDU und CSU klar: Die gemeinsame Nutzung von Daten und Informationen ist ein wertvolles Instrument zur Bekämpfung des interna- tionalen Terrorismus und der damit zusammenhängenden Verbrechen. Sie muss aber auf einer tragfähigen Rechts- grundlage erfolgen. In diesem Sinne ist zunächst eine vollständige und gründliche Aufklärung des Sachverhalts notwendig. Auf Basis der dadurch erlangten Erkenntnisse kann dann über weitere Schritte nachgedacht werden. Vorschnelle Schlüsse – wie sie in Ihren beiden Anträgen formuliert werden – sind hier jedoch wenig förderlich. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wenn wir kul- turelle Grundüberzeugungen aufgeben oder in Zweifel ziehen lassen, weil es Terrorismus in der Welt gibt, ha- ben wir gegen den Terrorismus schon verloren, lange be- vor wir begonnen haben, ihn zu bekämpfen. Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus werden leider immer wieder auch Grundpfeiler unseres westlichen, freiheitlichen Rechts- und Demokratiever- ständnisses zur Disposition gestellt. Dazu gehören das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Schutz personenbezogener Daten. Der freiheitliche Rechtsstaat hat sich darauf ver- pflichtet, diese Rechte zu schützen und zu verteidigen – auch und gerade vor dem Zugriff der eigenen Behörden und Dienststellen. Diese Rechtsauffassung gehört zu den international akzeptierten Standards des Verfassungs- rechts. Welcher Wert dieser Norm gerade auch in den Außenbeziehungen demokratisch verfasster Staaten bei- gemessen und mit welchem Eifer sie verteidigt wird, zeigt sich besonders dann, wenn sie in Konflikt mit an- deren politischen Zielsetzungen und Strategien – wie beispielsweise dem „Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ – gerät und die Exekutive in ihren Zu- griffsrechten und ihrer Alleinentscheidungskompetenz beschneidet. Im konkreten Fall zielt meine Kritik auf die Übermitt- lung personenbezogener Daten über den internationalen Zahlungsverkehr durch die Society For Worldwide Inter- bank Financial Telecommunication, kurz: SWIFT, an US-amerikanische Geheimdienstbehörden seit 2001 ohne Klärung der Rechtsgrundlage. Die EU-Daten- schutzbeauftragten teilen diese Rechtsauffassung und kritisieren das Verhalten von SWIFT und den ange- schlossenen Banken als Verstoß gegen die europäische Datenschutzrichtlinie. Mit Blick auf die fundamentalen kulturellen Unterschiede, die sich schon aufgrund des F T U f s s b t U o z g j s m v i i n ü t h m a z d r S w m R s b t w t t ä h k S A d Z „ s a J h ü v d V D s u (C (D irst Amendment to the United States Constitution als eil der United States Bill of Rights hinsichtlich des mgangs mit Gewaltdarstellungen, rechtsradikalen In- ormationen, pornografischen Darstellungen etc. fest- tellen lassen, müssen wir solche Vorgänge, die sich zwi- chen den USA und Europa bzw. Deutschland abspielen, esonders sensibel wahrnehmen und gegebenenfalls un- erbinden. Die Auffassungsunterschiede zwischen den SA und europäischen Staaten, was offen gehandelt der verboten werden sollte und welche Daten schüt- enswert sind und welche nicht, sind offensichtlich recht roß – oder genauer: Die Auffassungsunterschiede der eweiligen Administrationen sind groß. Bei SWIFT handelt es sich um die Betreibergesell- chaft eines Telekommunikationsnetzwerkes zum auto- atisierten Austausch von standardisierten Zahlungs- erkehrsnachrichten zwischen Kreditinstituten im nternationalen Zahlungsverkehr. Die Gesellschaft hat hren Sitz in Belgien, ihre Aufgabe ist die Schaffung ei- es modernen und sicheren internationalen Nachrichten- bermittlungssystems für internationale Finanztransak- ionen. Daneben wird SWIFT in Deutschland bereits eute in begrenztem Umfang auch im Zusammenhang it nationalen Zahlungsverkehrsaufträgen genutzt, vor llem bei Bank-zu-Bank-Großbetragszahlungen und Eil- ahlungen. Die praktische Bedeutung von SWIFT für en nationalen Zahlungsverkehr dürfte mit der Einfüh- ung von SEPA zunehmen. Andere Anbieter, die diesen ervice weltweit anbieten, gibt es derzeit nicht. Umso ichtiger ist die grenzüberschreitende Kontrolle dieser onopolartigen Strukturen durch den demokratischen echtsstaat. Die Ermittlungen zur Aufklärung des grenzüber- chreitenden Sachverhaltes der Übermittlung personen- ezogener Daten durch SWIFT an US-Behörden gestal- en sich aufgrund der rechtlichen Komplexität, der iderstreitenden juristischen Bewertung der Legitima- ion der Datenanforderung und der zögerlichen Informa- ionspolitik der US-amerikanischen Regierungsstellen ußerst schwierig und langwierig. Die Bundesregierung at sich allerdings dankenswerterweise schon seit Be- anntwerden der Vorwürfe der Datenweitergabe von WIFT an US-Behörden intensiv für eine Lösung und ufklärung dieses Sachverhaltes eingesetzt. Nach Auskunft des US-Finanzministeriums erfolgte ie Anforderung von Transaktionsdaten an SWIFT zum weck der Terrorismusbekämpfung auf Grundlage von administrative subpoenas“. Die administrativen Be- chlagnahmeanordnungen wurden unter Bezugnahme uf den International Economic Powers Act aus dem ahr 1977 gerechtfertigt. SWIFT, die über einen Server in den USA verfügt, at die angeforderten Datensätze den US-Behörden berlassen, ohne dass die Beschlagnahmeanordnungen ollstreckt, die Datenübergabe richterlich überprüft oder ie betroffenen SWIFT-Nutzer informiert wurden. Der orstand von SWIFT vertritt die Rechtsauffassung, die atenweitergabe sei rechtmäßig und erforderlich gewe- en, um nicht gegen amerikanisches Recht zu verstoßen nd somit Sanktionen zu vermeiden. Es existiert eine 9318 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Rahmenvereinbarung zwischen SWIFT und den ameri- kanischen Behörden, die sicherstellen soll, dass die Da- tenmenge möglichst gering gehalten wird; auch nach Be- kanntwerden des Sachverhaltes im Jahre 2006 werden allerdings weiterhin Daten mit personenbezogenen In- formationen übertragen. Die Mitteilung der US-Behörden, wonach das Pro- gramm zur Aufdeckung von Finanzströmen immer nur dann eingesetzt worden sei, wenn konkrete Anhalts- punkte auf terroristische Aktivitäten von Personen oder Organisationen vorgelegen hätten, und es sich daher um eine zielgenaue, anlassbezogene Suche nach abgrenzba- ren Datenmengen gehandelt habe, kann nach unserer geltenden Rechtsauffassung nicht befriedigen. Zentrale Informationen, die für eine rechtsstaatliche Kontrolle der Vorgänge unabdingbar sind, stehen weder der Bundesre- gierung noch dem Bundestag zur Verfügung. Dazu gehö- ren Auskünfte über: die verwendeten Methoden der Datenauswertung, den Umfang der von SWIFT übermit- telten Daten, die Kenntnis und Beteiligung deutscher Banken an der Datenübergabe – grundsätzlich ist Ban- ken die Übermittlung personenbezogener Daten an SWIFT innerhalb der Europäischen Union und in einem Drittstaat erlaubt, wenn diese im Rahmen der Ausfüh- rung eines Zahlungsauftrages des Kunden erfolgt; kri- tisch zu bewerten ist meines Erachtens allerdings die Rechtmäßigkeit der Übermittlung von personenbezoge- nen Daten an Dritte, die als Verstoß gegen die Ver- schwiegenheitspflicht gegenüber dem Auftrag gebenden Kunden und damit als Verletzung der bankvertraglichen Nebenpflicht zu bewerten ist –, die Betroffenheit deut- scher Bankkunden, die Weiterverwendung der Daten. Im Raum steht der Vorwurf, durch die Einsichtnahme US- amerikanischer Behörden in zum Teil betriebswirtschaft- lich sensible Informationen entstünden ausländischen Unternehmen Wettbewerbsnachteile. Das Europäische Parlament hat dazu am 6. Juli 2006 den Entschließungs- antrag B6 – 0391/06 an SWIFT, Banken, die Europäi- sche Zentralbank, die Kommission und die Ratspräsi- dentschaft verabschiedet, in dem die Datenherausgabe und -auswertung verurteilt und die Anschuldigung der Wirtschafts- und Industriespionage erhoben werden. Er- mittlungen des belgischen Justizministeriums und der belgischen Financial Intelligence Unit, die aufgrund der Organisation der SWIFT nach belgischem Genossen- schaftsrecht die Zuständigkeit für sich in Anspruch neh- men, sind noch nicht abgeschlossen. Das Ziel muss bei der Datenübermittlung an ausländi- sche Behörden zur Terrorbekämpfung daher lauten, die Grundsätze des Datenschutzes nach den entsprechenden Vorschriften der Europäischen Union, das Bankgeheim- nis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung privater und gewerblicher Bankkunden im Zusammen- wirken mit der Bundesregierung und unseren Partnern in der Europäischen Union zu wahren. Im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft hat die Bun- desregierung mit Unterstützung der Kommission am 27. Februar 2007 Sondierungsgespräche mit der US- Treasury geführt. Für die weitere Diskussion ist die Ver- handlungsbereitschaft der USA von zentraler Bedeu- tung. Weiteren Gesprächen mit den USA kommt daher e d A a d e t u z t T d E b ü n d G u s d t s d e w u t u U b d n g T d K f h t d g f r G A Z f b v v n (C (D ine besondere Rolle zu. Hierbei werden auch Fragen er Aufbewahrzeit der Daten, des Datenzugangs und ufsichtsfragen zu klären sein. Die Bundesregierung hat ngekündigt – mit Blick auf die vorstehenden Anträge –, en Deutschen Bundestag über den Fortgang und die auf uropäischer Ebene zu erzielende Lösung zu unterrich- en. Gemeinsames Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft nd der Europäischen Kommission ist es, eine Lösung u erreichen, die einerseits dem Erfordernis einer effek- iven Bekämpfung des Terrorismus, einschließlich der errorismusfinanzierung, und gleichzeitig den Vorgaben es europäischen Datenschutzrechtes, insbesondere der G-Datenschutzrichtlinie 95/46/EG, sowie einem rei- ungslosen Zahlungsverkehr Rechnung trägt. Ich fasse zusammen: Sicher sind wir uns fraktions- bergreifend einig, dass der Datenschutz auch im inter- ationalen Zahlungsverkehr wieder herzustellen ist und ass der Datenschutz sowohl die nationalstaatlichen renzen überwinden muss, als auch nicht vor den Türen nserer Verbündeten Halt machen darf. Ich bin froh, dass ich unserer Regierung unmittelbar nach Bekanntwerden er Weitergabe von SWIFT-Daten an US-Behörden ers- ens um Aufklärung kümmert, zweitens aber auch an Lö- ungen für diesen komplexen Sachverhalt arbeitet. An ieser Stelle habe ich den Applaus des ganzes Hauses ingeplant. Gisela Piltz (FDP): Die Frage, die wir uns immer ieder stellen müssen, ist: Wie viele Einschränkungen m der Sicherheit willen vertragen die Bürgerrechte, ver- rägt die Freiheit, die unsere Gesellschaft, unseren Staat, nser Grundgesetz ausmacht? Die Annahme, von der die S-amerikanische Administration seit dem 11. Septem- er 2001 ausgeht, ist aber umgekehrt: Freiheit gefährdet ie Sicherheit. Von genau diesem Gedanken sind Aktio- en wie der Zugriff auf die SWIFT-Daten durch die CIA etragen. Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, dass wir den errorismus mit aller Kraft bekämpfen müssen. Aber wir ürfen doch dabei nie aus den Augen verlieren, dass der ampf gegen den Terrorismus zugleich auch ein Kampf ür die Freiheit ist. Denn es gilt doch gerade, die Frei- eit, die Bürgerrechte zu bewahren, die uns die Terroris- en wegbomben wollen. Deshalb muss jede Maßnahme, ie geeignet erscheint, gegen Terroristen vorzugehen, enau abgewogen werden gegen die Freiheiten, die da- ür eingeschränkt oder infrage gestellt werden. Natürlich ist die Kenntnis der Finanzierung des Terro- ismus sehr wichtig, um den Bin Ladens und anderen die rundlage ihres verbrecherischen Handelns zu entziehen. ber die großangelegte Überwachung des internationalen ahlungsverkehrs durch Zugriff auf die SWIFT-Daten ördert vor allem eines zutage: Millionen von personen- ezogenen Daten von unbescholtenen Bürgern, Millionen on unternehmensbezogenen Daten, die unter den Schutz on Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen fallen. Es ist ja nicht so, dass Otto Normalbürger heutzutage icht am internationalen Zahlungsverkehr teilnimmt. Da Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9319 (A) ) (B) ) kauft Lieschen Müller Sammlertassen bei ebay in den USA und Hänschen Meier bestellt in Australien ein coo- les Surfboard. Die Durchführung von internationalen Fi- nanztransaktionen ist kein Grund, jemanden per se für verdächtig zu halten. Dementsprechend gibt es über- haupt keine Begründung, alle SWIFT-Daten im Zugriff zu haben. Denn damit erhält man zwangsläufig ver- dachtsunabhängig Zugriff auf unendlich viele Daten un- endlich vieler Bürgerinnen und Bürger sowie Unterneh- men. Das steht eklatant im Widerspruch zu den Grundsät- zen des deutschen und europäischen Datenschutzrechts. Über die Einhaltung dieser Grundsätze zu wachen, wäre Aufgabe der Bundesregierung gewesen – spätestens mit der Information des Innenministeriums und des Finanz- ministeriums durch die US-Botschaft am Vorabend der Berichterstattung in der „New York Times“ im Juni ver- gangenen Jahres hätte die Bundesregierung das Problem angehen müssen. Es ist ein Unding, dass die Bundesre- gierung es nicht für nötig erachtete, unverzüglich das Parlament in Kenntnis zu setzen, um den Vorgang aufzu- klären und den Missstand zu beheben. Die Bundesregie- rung hat es sträflich vernachlässigt, die personenbezoge- nen Daten ihrer Bürgerinnen und Bürger insbesondere im besonders sensiblen Feld der Finanztransfers zu schützen. Der Schutz der Bankdaten ist Conditio sine qua non für das Vertrauen der Menschen in den Finanz- verkehr. Wenn wir die Lissabonstrategie ernst nehmen und Europa zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt machen wollen, dann werden internationale Trans- aktionen zunehmen, weil sich Bürgerinnen und Bürger ebenso wie Unternehmen verstärkt über nationale Gren- zen hinweg wirtschaftlich betätigen. Wenn aber zugleich die Menschen und Unternehmen befürchten müssen, dass ihr internationales Engagement zu Bespitzelung führt, noch dazu in einer Weise, bei der die Betroffenen keine Auskunftsansprüche und keine Löschungs- oder Berichtigungsansprüche haben, dann kommt die Dyna- mik zum Erliegen. Es geht dabei einmal um den Schutz der personenbe- zogenen Daten, zum anderen aber auch um den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Eine Über- wachung des internationalen Finanzverkehrs öffnet der Industrie- und Wirtschaftsspionage Tür und Tor. US- amerikanische Behörden erhalten Zugriff auf die Identi- tät des Überweisenden, des Empfängers, des Verwen- dungszwecks sowie der Summe der Überweisung. Da- raus lassen sich ganz erhebliche Rückschlüsse auf Wirtschaftsunternehmen und deren Geschäftspartner zie- hen. Machen wir uns doch nichts vor: Nicht erst, seit der Generaldirektor für Justiz und Inneres der EU-Kommis- sion, Jonathan Faull, erklärte, dass es den USA nicht nur um Terrorismusbekämpfung geht, ahnen wir, dass hier auch ganz handfeste wirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Auch, wenn Jonathan Faull ebenfalls erklärte, es gehe auch der EU nicht nur um den Datenschutz, so ist das doch der Aspekt, der ganz zentral ist. Der Zugriff auf die SWIFT-Daten gleicht einer Schleppnetzfahndung: Alles, was zufällig des Weges kommt, landet erst einmal im Netz. Und beim Aussortieren kann man ja vielleicht a g D r d Ü b c b P d t s s w s ü w p r w B s b v c w g g r v S d h d t l s d m w d le d a D n k n s G e t e s s s (C (D uch noch das ein oder andere Wertvolle finden, was ei- entlich gar nicht vom eigentlichen Ziel gedeckt war. enn das Ziel ist laut Auskunft der Amerikaner, Terro- isten zu finden und ihnen den Geldhahn zuzudrehen, in- em internationale Finanzströme überwacht werden. ber den Erfolg der ganzen Aktion ist im Übrigen nichts ekannt geworden – wie überhaupt die SWIFT-Überwa- hung insgesamt von verdächtiger Geheimniskrämerei egleitet wurde. Die Aussagen des US-amerikanischen räsidenten, George W. Bush, es handele sich um Lan- esverrat, über die Angelegenheit öffentlich zu berich- en, sind in diesem Zusammenhang bezeichnend. Umso chlimmer ist es, dass sich die Bundesregierung an die- er Vertuschung beteiligt und nicht schon beim Bekannt- erden erster Hinweise interveniert hat. Zumindest er- taunlich ist auch, dass die Bundesbank bereits seit 2002 ber den Zugriff auf die SWIFT-Daten informiert war, ie die Staatssekretärin Barbara Hendricks auf meine arlamentarischen Fragen ausführt, aber die Bundes- egierung angeblich davon vor dem 22. Juni 2006 nichts usste. Das sollte nach meiner Auffassung auch die undesregierung bedenklich stimmen, dass Daten deut- cher Bürgerinnen und Bürger in großem Stil an ihr vor- ei und ohne Einhaltung rechtsstaatlicher Regularien on einem ausländischen Staat gesammelt und in wel- her Art und Weise auch immer verwertet wurden und erden. An dem gesamten Fall wird vor diesem Hinter- rund eine Geringschätzung und Missachtung der Bür- errechte überdeutlich, die die Politik der Bundesregie- ung leider ohnehin prägt, insbesondere wenn es um eine ermeintliche oder tatsächliche Steigerung der inneren icherheit geht. Die Bundesregierung ist in der Pflicht, insbesondere a Deutschland derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne- at, gegenüber den Vereinigten Staaten keinen Zweifel aran zu lassen, dass die Überwachung der SWIFT-Da- en nicht gebilligt wird, und sich zügig und nachdrück- ich dafür einzusetzen, dass der Zugriff durch amerikani- che Sicherheitsbehörden umgehend beendet wird und ass bereits vorhandene Daten gelöscht werden. Um derartige Vorfälle für die Zukunft zu unterbinden, üssen Lösungen auf internationaler Ebene gefunden erden, um den Schutz der Bürgerrechte, zu denen auch ie informationelle Selbstbestimmung gehört, zu gewähr- isten. Nach den Flugpassagierdaten und der Auswertung er Telekommunikationsverbindungsdaten durch US- merikanische Behörden zeigt auch der Fall der SWIFT- aten, dass dringender Handlungsbedarf besteht, damit icht durch die internationale Zusammenarbeit zur Be- ämpfung des Terrorismus die Bürgerrechte in Europa ach und nach ausgehöhlt werden. Dass dabei der We- entlichkeitsgrundsatz, wonach über schwerwiegende rundrechtseingriffe jedenfalls immer das Parlament zu ntscheiden hat, auch von der Bundesregierung missach- et wird, da nicht einmal eine Information von sich aus rfolgte, ist dabei besonders zu kritisieren. Die Bundesregierung muss weiterhin die EU-Ratsprä- identschaft nutzen, um im Bereich der innergemein- chaftlichen Strafverfolgung klare Regeln für den Daten- chutz aufzustellen. 9320 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Datenschutz und Ban- ken, für Die Linke ist das ein Bereich, den wir sehr differen- ziert betrachten. Sie wissen: Wir sehen einerseits das so- genannte „Bankgeheimnis“ sehr kritisch. Ich spreche hier vom „sogenannten Bankgeheimnis“, weil wir alle wis- sen: Entgegen einer weitverbreiteten Ansicht gibt es kein allgemeines gesetzliches Bankgeheimnis. Es ist – sieht man von § 30 a Abgabenordnung ab, dessen Reichweite sehr umstritten ist – nicht viel mehr, aber auch nicht viel weniger als die Zusage der Bank an den Kunden: Ja- wohl, ich gehe mit deinen Daten vertraulich um. Während wir uns da grundsätzlich durchaus vorstellen könnten, einiges zu ändern, sagen wir im konkreten Fall: Hier muss bestehenden Datenschutzregeln eindeutig zur Durchsetzung verholfen werden. Was wir hier beobachtet haben, hat nichts zu tun mit unserer wohlbegründeten Position, dass in anderen Bereichen das „Bankgeheimnis“ durchaus zu relativieren ist. Hier wurden ohne Wissen der Bankkundinnen und -kunden in umfangreichem Ausmaß sensible Daten weitergegeben. Hier wurde gegen Datenschutzrecht verstoßen. Das kann nicht toleriert werden. Hier haben Aufsichtsbehörden beide Augen zu- gedrückt – auch das kritisiert Die Linke. Das alles hat nichts mit einer – steuerpolitisch fundier- ten und datenschutzrechtlich abgesicherten – Relativierung des sogenannten „Bankgeheimnisses“ zu tun, wie wir sie gleichzeitig fordern. Daher sagen wir klar: Auch wir sehen hier Handlungsbedarf. Besonders bedenklich ist für uns dabei, dass die zuständigen Aufsichtsbehörden in der Bundesrepublik wie auch auf EU-Ebene für dieses Thema nicht hinreichend sensibilisiert zu sein scheinen. Genau in diesem Punkt sehen wir auch bei den Anträgen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der FDP Diskussionsbedarf: Die Bankenaufsicht wird in der EWU schwerpunktmäßig von den nationalen Finanzauf- sichtsbehörden durchgeführt, nicht von den Zentralbanken. Die Finanzaufsichtsbehörden haben – das wissen wir alle – den entscheidenden Vorteil, dass sie im Gegensatz zu den Zentralbanken vom Einfluss demokratischer Kontrolle eben nicht systematisch abgeschottet sind. Er- lauben Sie mir den Gedanken: Vielleicht ist es gerade diese Ausrichtung der Zentralbanken – Unabhängigkeit und Fixierung auf das Ziel der Geldwertstabilität –, die sie, zum Beispiel für Datenschutzfragen, so unsensibel haben werden lassen. Natürlich, es sind die Zentralbanken, denen die EU- Datenschutzbeauftragten eine präziser definierte Rolle bei der Datenschutzkontrolle zugewiesen haben. Und na- türlich, die europäischen Zentralbanken sind bereits heute mit einem Sitz im SWIFT-Aufsichtsgremium vertreten. Vor dem Hintergrund meiner Bedenken rege ich an: Wir sollten in den kommenden Diskussionen noch einmal darüber nachdenken, ob es nicht sinnvoller sein könnte, auf die nationalen Bankaufseher – also hier die BaFin – zu setzen, anstelle die Diskussion von vorneherein aus- schließlich auf die Zentralbanken zu begrenzen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kampf gegen die weltweiten Netzwerke des Terro- rismus ist nur dann effektiv, wenn er international ge- f t Z d d w P a u u P s t a a i s h S b c B a d s n T a b R b s F n w M m i b S D w d S K i t h w s V E I (C (D ührt wird. Dazu müssen wir eng mit unseren Verbünde- en zusammenarbeiten. Vor allem die transatlantische usammenarbeit mit unseren US-amerikanischen Freun- en spielt hier eine zentrale Rolle. Die Kooperation mit en Vereinigten Staaten von Amerika ist unverzichtbar. Doch ist der Kampf gegen den Terror nur dann glaub- ürdig, wenn die europäischen Staaten ebenso wie unser artner, die USA, hierbei rechtsstaatliche Prinzipien chten. Rechtsstaatlichkeit und der Schutz der Bürger- nd Freiheitsrechte sind der Maßstab unseres Handelns – nd sie müssen es bleiben. Wenn wir die Bürger- und ersönlichkeitsrechte der Menschen einschränken, dann pielen wir den Feinden der freien Welt in die Hände. Um die Persönlichkeitsrechte zu sichern, ist ein effek- iver Datenschutz unerlässlich. Der Datenschutz darf lso im Zuge der Terrorismusbekämpfung nicht miss- chtet oder sogar außer Kraft gesetzt wird. Leider hat es n letzter Zeit Fälle gegeben, in denen die Datenschutz- tandards der Bürger und Bürgerinnen der EU ausge- öhlt wurden. Einer dieser Fälle ist die sogenannte WIFT-Affäre, auf die sich die vorliegenden Anträge eziehen. Die Society for Worldwide Interbank Financial Tele- ommunication, SWIFT, ist ein privates Unternehmen in ankenbesitz. Ende Juni 2006 wurde bekannt, dass US- merikanische Behörden, darunter auch die Geheim- ienste, seit Jahren Transaktionsdaten der SWIFT be- chlagnahmen. Es heißt, diese hochsensiblen Daten die- en zur Recherche nach geheimen Finanzquellen von erroristen. Dadurch geraten die Gesetzgebung unserer merikanischen Partner und ihre Mittel zur Terrorismus- ekämpfung in Konflikt mit unseren europäischen echtsstandards. SWIFT mit Sitz im belgischen La Hulpe unterliegt elgischen und damit – in Umsetzung der EU-Daten- chutzrichtlinie – europäischen Rechtsstandards. Das ist akt. Offensichtlich sind im Vorfeld der Datentransfers otwendige rechtliche Prüfungen nicht unternommen orden. Dies führte dazu, dass im Fall SWIFT eine issachtung europäischer Datenschutzvorschriften öglich wurde. Auch deutsche Nutzerbanken sind hier nvolviert. Die Deutsche Bank und die Hypo-Vereins- ank sind im SWIFT-Vorstand vertreten. Sie hätten dafür orge tragen müssen, dass deutsche und die europäische atenschutzstandards gegenüber den USA eingehalten erden. Das haben sie aber nicht getan. Anscheinend fehlt es sowohl bei SWIFT als auch bei en Nutzer- und den Zentralbanken an der notwendigen ensibilität, wenn es um den Schutz der Daten ihrer unden geht. Es besteht ein enormes Aufsichtsproblem nnerhalb von SWIFT, welches dazu führte, dass die Da- en der Kunden ungeschützt weitergegeben wurden. Bis eute ist unklar, welche und wie viele Daten übermittelt urden. Ebenso ist unklar, wie die US-Behörden die ge- ammelten Daten eingesetzt haben. So verspielt man ertrauen, das für den Finanzstandort Deutschland bzw. uropa unerlässlich ist. Die Bundesregierung muss daher dringend handeln. m Rahmen der deutschen EU-Präsidentschaft muss sie Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9321 (A) ) (B) ) gemeinsam mit den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass die bisherige Praxis des Datentransfers von SWIFT an die Vereinigten Staaten schnellstmöglich ein- gestellt wird. Von der US-Regierung erwarten wir eine umfassende Aufklärung der SWIFT-Affäre. Aufklärung erwarten wir konkret zur ausgewerteten Datenmenge, zu den Verar- beitungsmethoden, zur Speicherdauer und zur Löschung von Daten. Der genaue Inhalt der Übereinkunft zum Datenschutz, die zwischen dem US-Finanzministerium und SWIFT getroffen wurde, muss endlich offengelegt werden. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, die Zuständigkeiten und Aufsichtspflichten auf europäischer und nationaler Ebene bei SWIFT und den beteiligten Banken konsequent zu klären. Welcher Aufsichtsrat, welcher Vorstand würde denn so billig davonkommen, wenn er illegale Aktivitäten seiner Gesellschaft nicht an- prangert? Schließlich muss dringend untersucht werden, ob bei den Transfers auch gezielt Daten zum Zweck der Wirt- schaftsspionage ausgewertet wurden. Auch dieser Punkt ist von größter Bedeutung für den Schutz europäischer Unternehmen vor illegalen Konkurrenzaktivitäten. Die- ser Schutz ist ein integraler Bestandteil der Rechtssicher- heit, die wir unserer Wirtschaft schuldig sind. Die EU-Datenschutzbeauftragten schlagen im Zusam- menhang mit der SWIFT-Affäre vor, die Aufsichtspflicht der Zentralbanken – also der Bundesbank und der Euro- päischen Zentralbank – auch bei den datenschutzrecht- lichen Belangen klar zu definieren und sie explizit zu verpflichten, die Datenschutzbehörden rechtzeitig zu in- formieren. Wir unterstützen diese Vorschläge ausdrück- lich. Wenn diese Vorschläge umgesetzt werden, können wir eine Transparenz erreichen, die einen Fall wie die SWIFT-Affäre künftig verhindern würde. SWIFT ist leider nur ein Beispiel dafür, dass in der Kooperation zwischen der EU und den USA noch viel Klärungs- und Regelungsbedarf besteht. Ein anderes Beispiel ist die Weitergabe von Fluggastdaten. Hier wird nach der Intervention des Europäischen Gerichtshofes derzeit ein neues Abkommen zwischen der EU und den USA verhandelt. Auch hier muss dem Datenschutz Ge- nüge getan werden. Es ist dringend notwendig, dass wir in der Koopera- tion mit Drittstaaten europäische Datenschutzstandards sichern. Die EU und die USA müssen schnellstmöglich einen Weg finden, effektiv zu kooperieren, ohne dabei rechtsstaatliche Prinzipien auszuhöhlen. Nur so können wir den Terror rechtsstaatlich und glaubwürdig bekämp- fen. Die umgehende Aufklärung der SWIFT-Affäre ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Auch im Inte- resse der Bürgerinnen und Bürger muss der Datenschutz im internationalen Zahlungsverkehr wiederhergestellt werden. Vertrauen zu schaffen, das ist zwingend erforderlich für den Erhalt einer guten internationalen Zusammenar- beit und für den Erhalt eines attraktiven Finanzstandorts Europa. A s t n a V s w W s z v H c f t d e s d e f s D k B h D g t a b r a z s s B (C (D nlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Antrag: Bioethische Grundsätze auch bei Arzneimitteln für neuartige Therapien si- cherstellen – Beschlussempfehlung und Bericht zu der Unterrichtung: Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige The- rapien und zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG und der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (inkl. 15023/05) ADD 1 (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Hubert Hüppe (CDU/CSU): Wir verzeichnen wis- enschaftliche Fortschritte bei neuartigen Therapieme- hoden, vor allem bei Gewebezüchtungen, dem soge- annten Tissue-Engineering, und Zelltherapien. Aber uch die Gentherapie könnte nach den Rückschlägen der ergangenheit wieder mehr Bedeutung erlangen. Bei- pielsweise lässt sich aus adulten Stammzellen der Haar- urzel eines Patienten Haut züchten, die erfolgreich unden verschließt. Es können Verbrennungen durch ogenannte allogene Zelltherapie mit aufbereiteten Haut- ellen eines Zellspenders behandelt werden. Es gibt viel- ersprechende klinische Studien zur Behandlung von erzinfarkten mit adulten Stammzellen aus dem Kno- henmark des Patienten. Es ist gut, dass es solche Fortschritte gibt. Allerdings ehlt bisher für diese neuartigen Therapien ein geeigne- er gesetzlicher Rahmen in der Europäischen Union. We- er Arzneimittel- noch Medizinprodukterecht bieten ine zufriedenstellende Regelung. Der Verordnungsvor- chlag der Europäischen Kommission wird intensiv in en Ausschüssen des Europäischen Parlaments beraten, r ist auch Grundlage der vorliegenden Beschlussemp- ehlung des Gesundheitsausschusses. Die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschus- es und der vorliegende Antrag der Grünen spiegeln eine iskussion im Gesundheitsausschuss wider, in der wir einen unüberwindlichen Dissens haben. Im Gegenteil: ereits im Ausschuss haben wir Einigkeit festgestellt insichtlich der Intention unserer Forderung, dass die in eutschland bestehenden ethisch begründeten Regelun- en durch die Verordnung nicht relativiert oder gar un- erlaufen werden. Diese Formulierung wurde letztlich uch von den Grünen unterstützt. Wir haben damit gemeinsam eine Position umschrie- en, die der Antrag der Grünen heute in einigen, das äume ich gerne ein, bedeutenden Punkten noch einmal usbuchstabiert. Wir stimmen darin überein, dass embryonale Stamm- ellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausge- chlossen werden sollten. Denn hier gilt es, den unter- chiedlichen Sichtweisen der Mitgliedstaaten in diesem ereich Rechung zu tragen und die Rechte der nationa- 9322 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) len Gesetzgeber zu wahren. Lassen Sie mich anfügen: Therapeutika auf Basis embryonaler Stammzellen sind nicht einmal am Horizont zu erkennen, und nach allem, was derzeit absehbar ist, sind sie sehr unwahrscheinlich, auch angesichts des stetig wachsenden therapeutischen Einsatzes adulter Stammzellen. Es ist aber dennoch rich- tig, dass wir unsere auch ethisch begründete Position zum Ausdruck bringen. Wir wollen weiterhin, dass Produkte, die auf Eingrif- fen in die menschliche Keimbahn beruhen, nicht zuge- lassen werden. Denn eine solche Zulassung würde dem europaweiten Konsens gegen Eingriffe in die menschli- che Keimbahn widersprechen. Gleichermaßen müssen Produkte, die auf Zellen und Geweben von Mensch- Tier-Hybriden oder Chimären beruhen, von der Zulas- sung ausgeschlossen werden. Das Prinzip der Nichtkommerzialisierung des menschlichen Körpers ist nicht nur ein ethischer Grund- satz, sondern dient insbesondere auch dem Schutz poten- zieller Spender. Wir wollen daher, dass es auch in der derzeit diskutierten EU-Verordnung umfassend gewähr- leistet ist und lediglich eine Kostenerstattung bei der Zell- und Gewebespende zugelassen wird. Unsere Haltung findet eine wichtige Stütze in dem Beschluss des Rechtsausschusses des Europäischen Par- laments vom Juli vergangenen Jahres, den auch die Kol- leginnen und Kollegen der EVP/ED-Fraktion und viele andere im Europäischen Parlament fraktionsübergrei- fend unterstützt haben. Es ist bedauerlich, dass heute die Verhandlungen in Brüssel vorläufig gescheitert sind, weil der Minsterrat sich geweigert hat, über die Position des Rechtsaus- schusses des Europäischen Parlaments zu sprechen. Wir wissen und begrüßen, dass die Bundesregierung im EU-Gesundheitsministerrat zielstrebig auf die Verab- schiedung des Verordnungsvorschlages hinarbeitet und unter deutscher Präsidentschaft eine Einigung anstrebt. Die Bundesregierung hat dabei auch die Probleme des Mittelstandes im Auge, und auch im Interesse kleiner und mittlerer Unternehmen unterstützen wir die Bemü- hungen der Bundesregierung zugunsten der Option einer nationalen Zulassung, insbesondere für autologe Präpa- rate. Die Bundesregierung kann sich darüber hinaus auch im Umgang mit den ethisch sensiblen Fragen und bei der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips unseres Rückhalts sicher sein. Der Antrag der Grünen dokumentiert, dass dieser Rückhalt nicht an Fraktionsgrenzen gebunden ist. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Auch wenn Arzneimit- tel für neuartige Therapien bisher in der Öffentlichkeit noch weitgehend unbekannt sind, so wecken sie dennoch große Hoffnungen – aber auch erhebliche ethische Be- denken. Einerseits erhoffen wir uns, mithilfe der Bio- technologie neue Antworten auf viele bisher unheilbare Krankheiten wie Parkinson zu finden, andererseits schrecken wir zum Beispiel davor zurück, Eingriffe in den genetischen Code vorzunehmen, die nicht wieder rückgängig gemacht werden können und deren Folgen n w Z u p G E L e n s p u l z R p e u i p R d f N k P M w c M e w i P w s d e g d w f s r S G v n w M h e g G g (C (D iemand abschätzen kann. Unter neuartigen Therapien erden zumeist verstanden: die Zelltherapie, bei der ellen außerhalb des menschlichen Körpers präpariert nd in erkrankte Organe eines Patienten zurückver- flanzt werden; die Gentherapie, also das Einfügen von enen in die Zellen eines Patienten zur Behandlung von rbkrankheiten sowie das Tissue Engineering. Beim etztgenannten werden Gewebe kultiviert, um sie dann inem Patienten zu implantieren. Bisher gibt es allerdings noch kein marktfähiges Arz- eimittel für eine solche neuartige Therapie. Das wird ich aber ändern! Es gibt bereits zahlreiche Forschungs- rojekte und klinische Studien zu neuartigen Therapien, nd es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Zu- assungsstellen mit konkreten Anträgen auseinanderset- en müssen. Bis dahin müssen wir eine vernünftige echtsgrundlage geschaffen haben, und zwar auf euro- äischer Ebene. Denn bisher herrscht in Europa wahrlich in heilloses Durcheinander: In einigen Mitgliedstaaten nterliegen neuartige Therapien dem Arzneimittelrecht, n anderen dem Medizinprodukterecht oder dem Trans- lantationsrecht. Nur eines ist den unterschiedlichen echtsgrundlagen gemein: Sie sind nicht in der Lage, ie Arzneimittel für neuartige Therapien adäquat zu er- assen. Diese Situation ist nicht nur für die Hersteller von achteil, die mit einem schier unüberwindbaren Büro- ratieaufwand konfrontiert sind, sondern auch für die atientinnen und Patienten, denen auf diesem Weg die öglichkeiten modernster Heilmethoden vorenthalten erden. Aus diesem Grund brauchen wir eine einheitli- he europäische Regelung. Zulassungen für neuartige edikamente sollen in Zukunft überall in der EU nach inheitlichen Standards ablaufen. Deswegen brauchen ir eine europäische Verordnung zu diesem Thema, und ch hoffe inständig, dass die Kollegen im Europäischen arlament sich auf einen tragbaren Kompromiss einigen erden und der Rat genauso wie die Kommission kon- truktiv an einer Lösung mitarbeitet. Ich bin mir sicher, ass die deutsche Ratspräsidentschaft ihren Teil zu einer invernehmlichen Regelung beitragen wird. Aus Sicht der SPD muss im Mittelpunkt allen gesetz- eberischen Handelns immer die Sicherheit und Qualität er Arzneimittel für neuartige Therapien stehen. Genauso ie bei herkömmlichen Arzneimitteln muss der Nutzen ür die Patientinnen und Patienten eindeutig nachgewie- en, und müssen die Nebenwirkungen bekannt sein. Ge- ade beim bereits erwähnten Tissue Engineering ist im inne der Patientensicherheit eminent wichtig, dass das ewebe bis zum ursprünglichen Spender nahtlos zurück- erfolgt werden kann. Andernfalls kann weder Sicherheit och Qualität konsequent gewährleistet werden. Zudem ürde das Fehlen von Transparenz dem kommerziellen issbrauch Tür und Tor öffnen. Neben der Gewährleistung von Qualität und Sicher- eit spielen die ethischen Grenzen aus unserer Sicht eine ntscheidende Rolle. Es gibt gerade in der Biotechnolo- ie Grenzen, die wir niemals überschreiten dürfen. lücklicherweise herrscht zumindest in Europa weitest- ehend Konsens darüber, was nicht erlaubt sein sollte. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9323 (A) ) (B) ) Dazu zählen insbesondere Eingriffe in die menschliche Keimbahn, das Verbot sogenannter Chimären oder Hy- bride – also Mischlebewesen zwischen Mensch und Tier – sowie die Kommerzialisierung des menschlichen Kör- pers und seiner Bestandteile. Ich würde es begrüßen, wenn diese Verbote nicht den Mitgliedstaaten überlassen werden, sondern EU-weit ausgesprochen werden. Denn schließlich ist die Europäische Union ja eine Gemein- schaft mit gemeinsamen Werten. Die Grünen plädieren in ihrem Antrag zu den Arznei- mitteln für neuartige Therapien dafür, dass embryonale Stammzellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung ausgeschlossen werden. Das deutsche Embryonen- schutzgesetz verbietet die Herstellung und die Zerstö- rung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwe- cken. In anderen europäischen Ländern wird die Forschung mit embryonalen Stammzellen hingegen libe- raler gehandhabt. Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, was würden Sie denn mit einem Ausschluss aus dem Geltungsbereich der Verordnung er- reichen? Ist es nicht besser, wenn die europaweit hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards dieser Verordnung auch für Forschung an embryonalen Stammzellen gel- ten? Auch wenn die Mehrheit dieses Hauses die For- schung aus ethischen Gründen ablehnt, so kann doch nicht verhindert werden, dass einige EU-Staaten eine an- dere Position vertreten. Wenn dies so ist, dann sollten wir uns doch zumindest im Sinne des Patientenschutzes für hohe Standards in diesen Ländern einsetzen. Unter anderem aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag ab- lehnen. Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich einen weiteren Aspekt der EU-Verordnung ansprechen, der ge- rade für mich als Parlamentarierin aus den neuen Bun- desländern von besonderer Bedeutung ist. Es wurde in den letzten Jahren viel Geld in die Förderung kleiner, in- novativer Unternehmen investiert. Nicht nur in den neuen Bundesländern, die sich nach wie vor in einer sehr schwierigen Situation befinden, setzen solche Start-ups und kleine und mittelständische Unternehmen wichtige Impulse für die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Entwicklung einer Region. Viele dieser kleinen innovati- ven Firmen arbeiten im Bereich der Biotechnologie, mit Spezialisierung auf den Bereich Gewebe. Wenn diese Unternehmen in Zukunft nur noch europäische Zulas- sungen bekommen können, stellt das für sie einen erheb- lichen Mehraufwand dar. Denn meist erstreckt sich das Arbeitsgebiet der Firmen nur auf die Region, in der sie ansässig sind. Zulassungen nur für Deutschland, wie es bisher gehandhabt wird, reichen diesen Unternehmen vollkommen aus. Es ist wirtschafts- und standortpoli- tisch völlig inakzeptabel, wenn den Firmen das Leben unnötig schwer gemacht wird. Ich plädiere deshalb da- für, das Gebot der Subsidiarität zu berücksichtigen und die Möglichkeit der nationalen Zulassung aufrechtzuer- halten. Michael Kauch (FDP): Es ist gut, dass der Deutsche Bundestag sich aktiv am Prozess zur Verabschiedung ei- n r K d a t d d Z s e f A k g h n r e w c s e w d g e o S l s l e r s s d m t i e g e k r b l f s N l P T (C (D er EU-Verordnung über Arzneimittel für neuartige The- apien beteiligt. Nach dem Vorschlag der Europäischen ommission handelt es sich dabei um die Gentherapie, ie Zelltherapie und das sogenannte Tissue-Engineering, lso die Herstellung von Produkten zur Gewebeersatz- herapie. Diese neuartigen Therapien sind zurzeit weder urch das Arzneimittelrecht noch durch das Medizinpro- ukterecht zufriedenstellend geregelt und gefördert. Wir begrüßen deshalb ausdrücklich, dass künftig die ulassung von Arzneimitteln für neuartige Therapien owie die Kriterien für die Sicherheit solcher Produkte uropaweit einheitlich geregelt werden sollen. Dies ist ür einen funktionierenden Binnenmarkt mit sicheren rzneimitteln sehr wichtig. Gleichzeitig müssen wir die Wettbewerbsfähigkeit leiner und mittlerer Unternehmen im Blick haben, die erade in Deutschland in diesem Bereich tätig sind. Des- alb setzen wir uns auch für die Möglichkeit einer natio- alen Zulassung für neuartige Therapien ein; denn ge- ade für kleine und mittelständische Unternehmen ist zu rwarten, dass ein zentrales Zulassungsverfahren zu auf- endig und zu teuer ist. Wir wollen aber die Marktchan- en dieser Unternehmen sichern. Denn sie sind ein be- onderer Innovationsmotor – auch dafür, dass Patienten ine optimale Therapie bekommen können. Hier sind ir also auf der Seite der Bundesregierung. Wir sind auch auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, ass für Krankenhäuser und Unternehmen Erleichterun- en bei der Herstellung von Medikamenten für individu- lle Patienten gelten sollen, also im Bereich autologer der gerichteter Gewebespenden. Aber genug des Lobes; denn leider gibt es auch chattenseiten. So wollen Sie Arzneimittel in Deutsch- and nicht zulassen, weil sie nicht der hiesigen Ethik ent- prechen, will heißen: der Ethik der Mehrheit dieses Par- aments. Wieder einmal geht es wohl insbesondere um mbryonale Stammzellen. Wir streiten nunmehr seit Jah- en darum, in welchem Umfang in Deutschland die For- chung an embryonalen Stammzellen ermöglicht werden oll. Wie Sie wissen, sehen wir Liberale langfristig in er Stammzellenforschung eine erhebliche Chance der edizinischen Forschung, heute unheilbare Krankhei- en wie Diabetes, Parkinson oder Mukoviszidose in hren Ursachen zu erforschen und neue Therapien zu ntwickeln. Aber auch für die Gewinnung von Organ- ewebe und Organen kann die Stammzellenforschung ine große Hilfe sein. Auf Dauer werden wir auch in Deutschland um ein lares Ja oder Nein zur Stammzelltechnologie nicht he- umkommen. Es ist wenig glaubwürdig, uns moralisch edenklich erscheinende Forschungsarbeiten im Aus- and durchführen zu lassen. Jetzt wollen Sie auch noch ür die Anwendungsergebnisse moderner Medizinfor- chung eine Mauer an der deutschen Grenze aufbauen. ur so kann man die Beschlussempfehlung in Ihrem etzten Punkt verstehen. Ich frage Sie: Wollen Sie deutschen Patientinnen und atienten tatsächlich zumuten, für eine aussichtsreiche herapie, die das deutsche Zulassungsverfahren wegen 9324 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Ihrer Ethik nicht bestanden hat, ins Ausland zu reisen? Wollen Sie wirklich schwerkranken Menschen eine in anderen EU-Ländern zugelassene Therapie verwehren, die die einzige Aussicht auf Linderung oder gar Heilung ihrer Leiden ist? Ich frage das insbesondere Sie, werte Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen; denn die Forderungen in Ihrem Antrag bedeuten genau das – nur auf einem anderen Weg –, da Sie Stammzell- produkte gleich ganz aus dem europäischen Verfahren ausschließen wollen. Ein deutscher Sonderweg ist keine Lösung. Wenn uns daran gelegen ist, EU-weit ausgewogene ethische Krite- rien durchzusetzen, dann wäre es ein Irrweg, sich aus der Diskussion zu verabschieden und sich darauf zurückzu- ziehen, dass wir unsere ethischen Vorstellungen in einem nationalen Reservat pflegen und vor der „bösen“ weiten Welt da draußen unsere Augen schließen. Solch ein Rückfall in die Kleinstaaterei ist nicht im Interesse der Patienten, dient nicht dazu, einen vernünftigen ethischen Kompromiss zu finden. Er vereitelt wichtige medizini- sche Innovationen für die Patienten und sorgt höchstens dafür, dass der Technologiestandort Deutschland voll- ends ins Hintertreffen gerät. Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf einen ideo- logischen Reflex des Grünen-Antrags eingehen: auf das Thema „Anonymität der Gewebespende“. Diese ist ethisch ja nur relevant bei der Lebendspende, und hier muss man stärker differenzieren, als es die Grünen in ih- rem Antrag tun. Vor allem kann man die Grundsatzfrage von Geweberichtlinie und Gewebegesetz nicht en pas- sant durch diese Richtlinie, in der es nur um einen Teil- bereich des Gewebes geht, regeln. Die Anhörung zum Gewebegesetz hat gezeigt, dass Anonymität bei der Knochenmarkspende kontraproduktiv ist und in der Re- produktionsmedizin gegen die Rechte der aus der Spende hervorgehenden Kinder verstieße. All das ist noch ein Grund, den Antrag vom Bündnis 90/Die Grü- nen abzulehnen. Frank Spieth (DIE LINKE): Es ist sehr bedauerlich, dass die Beschlussempfehlung zum Thema: „Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates über Arzneimittel für neuartige Therapien“ nur am Rande be- handelt und abgestimmt wird. Dies ist deshalb bedauer- lich, weil Brüssel in Zukunft die Verantwortung für bio- ethisch höchst brisante Sachverhalte übertragen bekom- men soll. Die nationalstaatliche Politik hat dann bei der Zulassung dieser Mittel nichts mehr zu regeln. Damit be- steht die Gefahr, dass die in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlichen ethischen Grundhaltungen obsolet werden. Darum müssen wir als Abgeordnete, als Bundestag, der Bundesregierung eines in aller Deutlichkeit mit auf den Weg nach Brüssel geben, nämlich alles zu unterneh- men, um zu verhindern, dass die bei uns geltenden ethi- schen Werte durch Europa nicht verändert beziehungs- weise umgekrempelt werden können. Ich bin sicher nicht der Einzige, der mit dem Titel „Arzneimittel für neuartige Therapien“ nicht sofort et- was anfangen kann. Deshalb muss man darauf aufmerk- s z t m D m r k b s l t l m d R v w B K Z T d F z t n d v f d e P s d v d d d g t d a M k i c s b Z d z z E g (C (D am machen, dass besonders innovative Arzneimittel, um Beispiel Gentherapeutika, somatische Zelltherapeu- ika und Produkte aus Gewebezüchtungen, damit ge- eint werden. Und spätestens dann wird man hellhörig. enn dazu zählen biotechnologische Anwendungen auf enschliches Gewebe unterschiedlichster Art. Die Forschung erzielt in diesem Bereich revolutionie- ende Fortschritte, für viele Erkrankungen und Leiden ann dies eine ungeahnte gesundheitliche Verbesserung edeuten. Darum sollten wir gerade die in Deutschland ehr aktiven und innovationsfreudigen kleinen und mitt- eren Unternehmen fördern und sie nicht durch bürokra- ische Auflagen in EU-Verordnungen behindern. Andererseits darf man aber nicht aus den Augen ver- ieren, dass diese biotechnologische Forschung mit enschlichem Gewebe auch Ausmaße annehmen kann, ie ethisch höchst bedenklich sind. Wir tragen als Parlamentarier Verantwortung dafür, egelungen für die Züchtung menschlichen Gewebes orwegnehmend einzuführen, ohne konkret zu wissen, elche Entwicklungen da auf uns zu kommen. Denn die iotechnologie könnte durchaus nicht nur mit Haut, norpel oder Knochen hantieren, sondern in nicht ferner ukunft auch künstliche menschliche Organe, Mensch- ier-Hybride oder andere Mischwesen erzeugen. Durch en biotechnologischen Fortschritt kann in Zukunft auch rankenstein machbar werden, und das dürfen wir nicht ulassen. Die Fraktion Die Linke begrüßt es, dass die Koali- ionsfraktionen in der geplanten EU-Verordnung nicht ur Segen für Patientinnen und Patienten vermuten, son- ern die bio-ethischen Probleme mitbedenken. Die orgelegte Entschließung und die darin enthaltenen Auf- orderungen an die Bundesregierung gehen im Kern urchaus in die richtige Richtung. Wir erwarten aber in inigen Punkten eine deutlichere und verbindlichere ositionierung. Damit Forschung und Herstellung dieser peziellen Arzneimittel für neuartige Therapien nicht in ie falsche Richtung gelenkt und technologische Heils- ersprechen vorwärts getrieben werden, muss die Bun- esregierung vom deutschen Parlament beauftragt wer- en, sich in Brüssel für Folgendes stark zu machen: In en Ländern, in denen es aus ethischen Gründen engere esetzliche Regelungen gibt, müssen diese auch zukünf- ig weiter gelten dürfen! Produkte, die durch Eingriffe in ie menschliche Keimbahn erzeugt werden, dürfen nicht m Markt zugelassen werden! Züchtungen, die halb aus ensch und halb aus Tier bestehen, dürfen nicht in Ver- ehr gebracht werden! Dies sollte die Bundesregierung n Brüssel durchsetzen oder es zumindest intensiv versu- hen. Vor allem sollte sich die Bundesregierung dafür ein- etzen, dass über diese Verordnung für ganz Europa ver- indlich geregelt wird, dass die Spende von Gewebe und ellen nur absolut freiwillig und unbezahlt erfolgen arf! Der Handel mit Geweben und Zellen unter Ausnut- ung von Armut und mit dem einzigen Ziel der Profiter- ielung muss verhindert werden! Doch wenn man den ntwurf für ein Gewebegesetz, den die Bundesregierung erade vorgelegt hat, anschaut, dann kann man nur be- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9325 (A) ) (B) ) dingt optimistisch sein. Die Koalition hat zwar die wei- tere Beratung dieses Gesetzentwurfs ausgesetzt, nach- dem von allen Seiten massive Kritik geäußert wurde; die geänderte Fassung werden wir entsprechend kritisch be- gleiten. Wir müssen aufmerksam verfolgen, ob und wie sich die Bundesregierung in Brüssel für den Erhalt der ethi- schen Grundsätze einsetzen wird. Obwohl wir diesen Entschließungsantrag grundsätzlich unterstützen, hat die Fraktion Die Linke gerade vor dem Hintergrund der Debatte um das Gewebegesetzes, aber auch einiger in der Entschließung fehlender wesentlicher Punkte vor, sich zu enthalten. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Europaparlament wird im April 2007 über eine Verord- nung entschieden, mit der die Zulassung von neuartigen Gen-, Zell- und Gewebetherapeutika europaweit einheit- lich geregelt werden soll. Die Verordnung wird – wenn sie eines Tages in Kraft tritt – auch in Deutschland direkt und unmittelbar gelten. Ein hoher Sicherheitsstandard gerade bei neuartigen Therapien, bei denen bislang zwangsläufig noch nicht so viele Erfahrungen gesammelt werden konnten wie bei „klassischen“ Arzneimitteln, ist durchaus zu begrüßen. Der Verordnungsentwurf hat allerdings ein Problem: Er unterscheidet nicht nach Art der Therapie. Er erfasst da- mit auch solche aus embryonalen Stammzellen, aus Mensch-Tier-Hybriden und solche, die auf Eingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen. Wir halten diese Therapeutika für ethisch nicht zu rechtfertigen und leh- nen es ab, dass sie via Verordnung in Deutschland zuge- lassen sind und gehandelt oder angewendet werden dür- fen. Die Bundesregierung hat hier anscheinend weniger Bedenken. In ihrem Bericht vom 27. Februar dieses Jah- res erklärt sie: Alle Arzneimittel für neuartige Therapien sollen zu- nächst einmal den hohen Sicherheitsstandards, die mit der Verordnung festgelegt werden, entsprechen und das aufwendige zentrale Zulassungsverfahren durchlaufen. Die Mitgliedstaaten selbst sollten dann auf der Basis eines nationalen ethischen Konsenses in der Lage sein zu entscheiden, welche Produkte in ihrem nationalen Be- reich angewendet werden. So schön wie das klingt – das wird nur leider rechtlich nicht möglich sein, solange die Verordnung in der beste- henden Fassung verabschiedet wird. Verordnungen sollen die rechtlichen Regelungen im Binnenmarkt vereinheitlichen und lassen es aus diesem Grund nur sehr begrenzt zu, dass Mitgliedstaaten kon- kurrierende eigene nationale Gesetze beibehalten. Vor diesem Hintergrund ist bekanntermaßen äußerst umstrit- ten, ob Art. 28 des Verordnungsentwurfs, der die Mög- lichkeit einer nationalen gesetzlichen Ausnahmerege- lung eröffnen soll, überhaupt rechtlich zulässig ist. Sollte dieser umstrittene Artikel nach Inkrafttreten der Verord- nung vom Europäischen Gerichtshof für unzulässig er- klärt werden, wären damit auch die genannten ethisch u l s l s B d z a G G l E m h z h d E d f S s t A w K r S A c h J F A E r A k m m w o d Z c d (C (D mstrittenen, hinsichtlich der Stammzellen sogar gesetz- ich verbotenen Therapien in Deutschland zugelassen. Die Bundesregierung hat diese Gefahr bisher unver- tändlicherweise verharmlost und lediglich gebetsmüh- enartig auf die Ausnahmeregelung im Entwurf verwie- en. Das ist verantwortungslos. Man kann von der undesregierung erwarten, dass sie sich dafür einsetzt, ass die ethischen Maßstäbe insbesondere des Stamm- ellgesetzes nicht unterlaufen werden. Man kann von ihr uch erwarten, dass sie die Beachtung von ethischen rundsätzen nicht – wie dies auch beim Entwurf zum ewebegesetz zu beobachten war – mit einem pauscha- en Verweis auf Sicherheitsstandards aushebelt. Wir fordern die Bundesregierung auf: Nehmen Sie die mpfehlungen des Rechtsausschusses des Europaparla- ents ernst! Setzen Sie sich bei den anstehenden Ver- andlungen im Rat dafür ein, dass embryonale Stamm- ellen aus dem Geltungsbereich der Verordnung erausgenommen werden! Setzen Sie sich dafür ein, ass Produkte, die auf Mensch-Tier-Hybriden oder auf ingriffen in die menschliche Keimbahn beruhen, von er Zulassung ausgeschlossen werden! Setzen Sie sich erner dafür ein, dass die freiwillige und unbezahlte pende von Geweben und Zellen verbindlich festge- chrieben wird und ihre Beschaffung nicht gewinnorien- iert erfolgt! nlage 12 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Für eine Schließung des Forschungsendlagers Asse II unter Atom- recht und eine schnelle Rückholung der Abfälle (Tagesordnungspunkt 23) Angelika Brunkhorst (FDP): Dem Erkundungsberg- erk Asse ist es zu verdanken, dass wir heute fundierte enntnisse über die Möglichkeiten einer sicheren Endlage- ung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen in alzstöcken haben. Nach der Einstellung des Gewinnbergbaus in der sse im Jahr 1964 waren Hohlräume von insgesamt irca 5 Millionen Kubikmeter aufgefahren, von denen eute noch circa 500 000 Kubikmeter unverfüllt sind. Im ahre 1965 wurde die Schachtanlage durch das GSF- orschungszentrum für Umwelt und Gesundheit im uftrag des Bundes erworben, um Forschungs- und ntwicklungsarbeiten auf dem Gebiet der Tiefenlagerung adioaktiver Abfälle durchzuführen. Im Rahmen dieser rbeiten wurden zur Erprobung von Einlagerungstechni- en in der Zeit von 1967 bis 1978 circa 125 000 Gebinde it schwachradioaktiven Abfällen und circa 1 300 Gebinde it mittelradioaktiven Abfällen eingelagert. Nach 1979 urden nur noch Forschungs- und Entwicklungsarbeiten hne radioaktive Abfälle durchgeführt. Ab 1993 wurde ie Projektmittelförderung des Bundes für die seit langer eit im Forschungsbergwerk Asse laufenden Großversu- he eingestellt, sodass für das Bergwerk keine Verwen- ung bestand. Seit dieser Zeit sind die Arbeiten zur 9326 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) Schließung der Schachtanlage aufgenommen und bis heute fortgeführt worden. Die Arbeiten in der Schachtanlage unterliegen dem Bun- desberggesetz und werden von der niedersächsischen Berg- behörde genehmigt und überwacht. Durch die Bergaufsicht des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) war und ist die niedersächsische Landesregierung in der Vergangenheit bis heute über alle Ereignisse, Vorgänge und Arbeiten in der Schachtanlage Asse bestens informiert und an den Entscheidungsfindungen beteiligt. So ist das LBEG als Aufsichtsbehörde auch über die Laugen- zutritte seit 1988 voll informiert. Das Problem des Laugenzutritts ist auf die damalige Durchführung des Gewinnungsbergbaus zurückzuführen, da der Salzabbau zu nahe am Salzsattelrand erfolgte. Die leergeförderten Hohlräume aus dem Salzabbau blieben unverfüllt stehen, was zu einer Auflockerung des anstehen- den Salzgesteins im Salzsattelrandbereich führte. Den Lösungszutritten in der Asse II hat man seit 1988 entgegengewirkt, indem man mit Bergwerksresten aus dem Kalibergwerk Ronnenberg die Südwestflanke verfüllt hat. Die täglich anfallende Lauge – Natriumchlorid – von circa 12 Kubikmeter hat man bis zum Jahr 2003 dem Haldenmaterial aus Ronnenberg zugesetzt, um den Staub zu binden. Im Gesteinsversatz, dem Übergang von Salzgestein ins angrenzende Carnallitgestein, rechnet man mit circa 40 Prozent Porosität. Um hier Nachlösungsprozesse im Bergwerk zu vermeiden, wird in den Poren des Versatzes Magnesiumchlorid versetzt. Magnesiumchlorid bewirkt nach Bewertung von Experten ein Gleichgewicht im Gestein. Es greift nicht an, wie Sie, werte Kollegen von den Grünen, unterstellen. Im Rahmen der laufenden Stilllegungsarbeiten bzw. der bergmännischen Verwahrung der Schachtanlage Asse ist vorgesehen, alle verbleibenden aufgefahrenen Hohl- räume zu verfüllen und Strömungsbarrieren einzubauen, um eine Migration der NaCl-Laugenzuflüsse zu verhindern. Letztendlich, wenn alle geplanten bergbaulichen Maß- nahmen beendet sind, wird die Asse II mit Magnesium- chlorid – in einer Verdünnung – geflutet. Liebe Kollegen von den Grünen, Ihre Forderung nach einer Auslagerung der Abfälle würde nach einer aktuell angefertigten ingenieurtechnischen Untersuchung einen Zeitraum von 25 Jahren in Anspruch nehmen. Diese 25 Jahre wären mit einer anhaltenden geotechnischen Auflockerung des Salzstockes verbunden. Daraus entsteht das Risiko eines möglichen Verbruchs im Bergwerk oder einer drastischen Erhöhung des Salzlösungszutritts. Und all das während der laufenden Untersuchungen. Wollen Sie dieses Risiko wirklich eingehen? Auch dem Versuch, aus den Erkenntnissen aus dem Forschungsbergwerk Asse II auf Gorleben zu schließen, trete ich entschieden entgegen. Bei der Einrichtung eines Endlagers werden in einem jungfräulichen Salzstock wie Gorleben nur Bruchteile des Asse’schen Hohlraums auf- gefahren. g g b I v S j d d s S b M d B d l a S w d G b K K a i li z F h g e e K D B A G ü O p l A (C (D Ein grundlegendes Prinzip des Endlagerbergbaus sind roße Sicherheitsabstände der Grubenbaue zum Nachbar- ebirge am Salzstockrand, während im Gewinnungs- ergbau die kostengünstige Förderung von Salzen unter nkaufnahme von Risiken im Vordergrund steht. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, der auch ersucht, aus der Problematik der Laugenzutritte in der chachtanlage Asse politisches Kapital zu schlagen, verliert edwede Glaubwürdigkeit vor dem Hintergrund, dass iese Problematik der niedersächsischen Landesregierung urch Information der niedersächsischen Bergbehörde eit 1988 im Detail bekannt war. In der Zeit der von der PD geführten Landesregierung von Juni 1990 bis Fe- ruar 2003 hätten also genügend Gelegenheiten für aßnahmen zur Gefahrenabwehr bestanden, sofern enn die Situation auf der Asse von der niedersächsischen ergbehörde als ernsthafte Gefährdung angesehen wor- en wäre. Sowohl gegen den schon skrupellos zu nennenden eichtfertigen Umgang mit den Ängsten der Bevölkerung ls auch gegen den fachlich völlig falschen Bezug zum tandort Gorleben durch den Umweltminister ist einzu- irken, damit dieser zu einer seriösen und fachlich fun- ierten Politik zurückkehrt. Die GSF – das Forschungszentrum für Umwelt und esundheit – hat am 29. Januar 2007 ihren Abschluss- etriebsplan, bestehend aus 34 Unterlagen, mit einer urzfassung des Sicherheitsberichts vorgelegt. Diese urzfassung ist eine Populärfassung und wurde voreilig ls der eigentliche Sicherheitsbericht angesehen – dies st aber nicht so. Es ist seit 1997 nach IAEA und OECD ein ganzheit- cher Sicherheitsnachweis zu führen, das heißt aber auch u erörtern, was in der Phase nach der Verfüllung des orschungsbergwerks passiert. Der umfassende Sicher- eitsbericht wird noch von einem Expertengremium eprüft. Danach tritt ein komplexes Verfahren ein. Im rsten Quartal 2008 tritt man in die öffentliche Erörterung in. Die Unterlagen werden ausgelegt und betroffene ommunen und Bürger können ihre Einwände vorbringen. amit ist die Gleichwertigkeit in der Informationsweise ergrecht/Atomrecht gegeben. nlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Antrags: Politische Lösungen sind Voraussetzungen für Frieden in Somalia (Tagesordnungspunkt 24) Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): Die aktuellen eschehnisse in Somalia seit letztem Jahr, die Macht- bernahme durch die Islamischen Gerichte, UIC – Union f Islamic Courts – und ihre Vertreibung auch durch äthio- ische Truppen, der Anstieg von Gewalt trotz der ange- aufenen Mission der Afrikanischen Union – AMISOM, frican Union Mission to Somalia – sind erschreckend. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9327 (A) ) (B) ) Dass die internationale Gemeinschaft darauf reagiert hat und auch weiter versucht, im Sinne einer friedlichen Lösung Einfluss zu nehmen, ist richtig und notwendig. Ich begrüße die Resolution der Vereinten Nationen 1744 und die Bereitschaft der Afrikanischen Union, sich hier zu engagieren. Dabei verkenne ich nicht die problemati- sche Lage, in der die Mission der AU aktuell ist. Von einer Sollstärke von 8 000 Mann kann nur geträumt werden. Die Beteiligung afrikanischer Länder beschränkt sich im Wesentlichen auf Uganda, und auch hier sind erst 1 300 Mann im Einsatz. Man muss keine Kassandra sein, um hier an einem schnellen Erfolg zu zweifeln. Umso mehr ist es wichtig, in aller Konsequenz und ge- botenen Eile Schritte hin zu einer politischen Lösung zu suchen und zu gehen. Der vorliegende Antrag unterstreicht zu Recht die be- sondere Verantwortung Deutschlands. In diesen Mona- ten unserer EU-Ratspräsidentschaft können wir wichtige Weichen stellen, und das geschieht auch. Die EU hat jüngst wieder ihre Bereitschaft bekräftigt, sich für einen Prozess der Aussöhnung als Vorausset- zung für einen Wiederaufbau staatlicher Strukturen im Lande einzusetzen. Dabei nimmt der „Dialog zur Ver- söhnung“ eine Schlüsselrolle ein. Es ist unverzichtbar und richtig, dass die EU in Aussicht gestellte Gelder wesentlich an die Durchführung dieses Prozesses der Aussöhnung bindet. Am Gelingen dieses notwendigen ersten Schritts ist die EU – sind wir aus Deutschland – aktiv beteiligt. Die EU und Deutschland im Besonderen gehören zu jenen – und ich möchte betonen: zu den wenigen – inter- nationalen Gesprächspartnern, die von den Beteiligten nicht einseitig einer Partei zugeordnet werden und damit ihre Fähigkeit zu moderieren und zu unterstützen verlo- ren hätten. Um die politischen Voraussetzungen für das Gelingen eines Aussöhnungsprozesses zu finden, muss auch nach internationalen Akteuren gesucht werden, die bei den Beteiligten akzeptiert werden. Auch Mitgliedern der Islamischen Liga, zu der auch Somalia gehört, könnte und sollte hier eine wichtige Rolle zukommen. Aber auch Deutschland ist ein wohl akzeptierter Ge- sprächspartner, und ich bin froh, dass unsere Bundes- regierung dementsprechend schon tätig ist. Wir nutzen dieses gute Ansehen Deutschlands aktuell auch, um die Bereitschaft für diesen Versöhnungsprozess nachzufra- gen und aufzubauen. Daher ist die Bundesregierung seit Wochen in Gesprächen in der Region und in den Nach- barländern wie zum Beispiel mit der Regierung des Jemen. Das sind aber auch Gespräche mit Vertretern der isla- mischen Gerichte. Von den ungefähr elf islamischen Ge- richtshöfen werden von Experten zwei als explizit extre- mistisch eingestuft. Die große Mehrheit ist moderat. Traditionell gehören die Somalis einem gemäßigten sun- nitischen Islam an. Auf dem Nationalen Forum der Muslimischen Führer in Kenia am 26. November 2006 wurde ausdrücklich un- terstrichen: Es wird eine dauerhafte Lösung der Krise in S r p d w g s s d i d i D K i s B e d f d s n s V m a A l h A d u s m m e z m s r d w s T S v w Ü s s m f i v (C (D omalia niemals ohne oder gegen die islamischen Ge- ichte geben können. – Deutlicher kann auch die Rats- räsidentschaft dies nicht ausdrücken, wenn sie zusagt, en Prozess politisch und finanziell zu unterstützen, enn alle wichtigen Beteiligten in vollem Umfang ein- ebunden werden, darunter die Clan-Ältesten, islami- che Führer, Vertreter der Wirtschaft, der Zivilgesell- chaft und Frauen. Diesen letzten Punkt, die „Beteiligung der Frauen“, er in der Erklärung der Präsidentschaft der EU zur Lage n Somalia extra mit aufgeführt ist, begrüße ich aus- rücklich. Die nicht gleichberechtigte Lage der Frauen n vielen Gebieten in Afrika ist schon oft in anderen ebatten genannt worden. Auch bei der Lösung dieses onfliktes ist dies ein wichtiges Element, nicht nur um n den neu aufzubauenden Strukturen in Somalia Men- chenrechtsverletzungen und Frauendiskriminierung von eginn an zu bekämpfen. Es geht auch darum, dass es inen Dialog zwischen beteiligten Religionsführern in ieser Richtung gibt. Das ist auch ein wichtiges Zeichen ür uns im Westen, um zu begreifen, dass das Wort von er „Sharia“ und ihren Vertretern auch in einem kon- truktiven Aussöhnungsprozess seinen Platz haben kann. Der notwendige Dialog der Versöhnung braucht nicht ur die Beteiligung aller, er braucht auch die Bereit- chaft der internationalen Partner, den Islam und seine ertreter differenziert wahrzunehmen. Eines der Argu- ente islamistischer Demagogen ist, dem Westen eine ggressive, undifferenzierte Islamphobie vorzuwerfen. uch hier in Somalia, wo der Kontakt zwischen west- icher Welt und dem Islam ein besonderes Potenzial hat, aben wir die Chance, zu zeigen, dass dies nicht stimmt. uf der Grundlage der Menschenrechte – und die Rechte er Frauen gehören dazu – gibt es keine Religion, die nsere Politik bevorzugt oder benachteiligt. Die islamischen Gerichte haben im Augenblick cheinbar auch die beste Chance, mäßigend auf extre- istische Tendenzen im Land einzuwirken – ein Grund ehr, die moderaten Mitglieder der UIC in den Prozess inzubinden. Die Bereitschaft der Übergangsregierung u einem solchen Dialog wäre auch ein wichtiges Ele- ent, ihr in der Bevölkerung mehr Rückhalt zu ver- chaffen. Das Einwirken der EU und der Bundesregie- ung auf Präsident Yussuf ist hier unverzichtbar. Dass ie Versöhnungskonferenz auf Ende April verschoben erden musste, darf nicht den Eindruck erwecken, sie ei verzichtbar. Dabei knüpfen Vertreter der UIC ihre eilnahme auch bei einer Konferenz in Somalia an eine icherheitsgarantie. Diese Garantie kann im Augenblick on der Übergangsregierung realistisch nicht erwartet erden. Das macht noch einmal deutlich, dass in dieser bergangsphase, an deren Ende eine durch demokrati- che Wahlen legitimierte Regierung für ganz Somalia tehen muss, im Augenblick nur die internationale Ge- einschaft, die AU, soweit überhaupt möglich, Garant ür Sicherheit sein kann. Ich halte es auch für richtig, dass die Bundesregierung n ihren Bemühungen den Ansatz der Parallelität weiter erfolgt, das heißt: sowohl die Unterstützung des Ver- 9328 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) söhnungsprozesses weiter unterstützt als auch auf die Schaffung von Sicherheit durch AMISOM setzt. Einen weiteren wichtigen Punkt sehe ich darin, dass eine Lösung nur auf regionaler Ebene zu erreichen ist. Die Situation der Somalis ist nicht zuletzt deshalb so komplex, weil wir auch hier wieder vor einem Scherben- haufen der Geschichte stehen: angefangen bei der will- kürlichen Grenzziehung in der Kolonialzeit bis hin zu Entscheidungen im 20. Jahrhundert, die für die Somalis, aber nicht mit ihnen getroffen wurden. Wir müssen als internationale Akteure begreifen, bei Konflikten dieser Art den Partner zu sehen und nicht ganze Länder oder Völker zu instrumentalisieren. Das Rad der Geschichte aber lässt sich nicht zurück- drehen. Die UN-Resolution weist darauf hin, dass es um den Aufbau staatlicher Strukturen in den Grenzen des heute bestehenden Somalia geht. Diese Sicherheit muss garantiert bleiben – auch für jene Nachbarn, in deren Staatsgebiet große somalische Minderheiten leben. Den- noch ist es richtig, dass es keine dauerhafte und friedli- che Lösung geben kann, wenn Interessen oder Konflikte aus Nachbarstaaten in Somalia ausgetragen werden. Um den deutschen Beitrag zu einer friedlichen und dauerhaften Lösung in Somalia zu unterstützen, würde ich mir wünschen, dass wir mit allen Fraktionen guten willens hier im Hause zu einem gemeinsamen Antrag finden können. Brunhilde Irber (SPD): Das Scheitern der UNOSOM-II-Mission Mitte der 1990er-Jahre ist uns al- len noch in schmerzlicher Erinnerung. Eine furchtbare Hungersnot kostete circa 300 000 Menschen das Leben. Dennoch kamen die Bürgerkriegsparteien nicht zur Be- sinnung und verwickelten die UN-Soldaten in die Ausei- nandersetzungen der rivalisierenden Clans. Seitdem hat es drei Versöhnungskonferenzen gege- ben, die Arta-Konferenz im August 2000, die von Kenia ausgerichtete Versöhnungskonferenz im Oktober 2002 und die Friedens- und Versöhnungskonferenz für Soma- lia im Jahr 2004, die ebenfalls in Kenia stattfand. Der Übergangsregierung ist es aber nicht gelungen, für Stabilität im Land zu sorgen. Seit Dezember 2006 hat sich die Situation erheblich verschärft. Trotz der Resolu- tion 1725 des VN-Sicherheitsrates ist es nicht gelungen, ein Waffenembargo wirksam umzusetzen. Was bisher bleibt, ist der auf Papier geschriebene Appell an alle Konfliktparteien, sich an bereits getroffene Absprachen zu halten. Das ist zu wenig, um eine Zukunftsstrategie zu entwickeln, wie die in diesen Tagen wieder aufgeflamm- ten Gefechte in Mogadischu zeigen. Mit dem Beschluss des Friedens- und Sicherheitsrates der Afrikanischen Union vom 19. Januar 2007 für eine AU-Friedensmission sind Hoffnungen verbunden, den innersomalischen Friedensdialog wieder in Gang zu bringen. Am 16. April soll eine zweimonatige Versöh- nungskonferenz beginnen, an der die politischen Führer, die Clanführer und die Vertreter der Zivilgesellschaft be- teiligt werden sollen. s l e r D a 1 ä b p d U a r d I t a b M F i i S f g b d c e D g v l d U D r V z L s (C (D Da die Probleme letztlich nur durch den innersomali- chen Dialog nachhaltig gelöst werden können, muss al- es unternommen werden, die Versöhnungskonferenz zu inem Erfolg zu führen. So ist es auch in der Sicherheits- atsresolution 1744 vom 20. Februar 2007 festgehalten. arin heißt es: „… ersucht den Generalsekretär. Den Übergangs- Bundesinstitutionen bei der Durchführung des Kon- gresses der nationalen Aussöhnung sowie darüber hinaus in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union, der Liga der arabischen Staaten und der Zwischenstaatlichen Behörde für Entwicklung bei der Förderung eines fortdauernden, alle Seiten ein- schließenden politischen Prozesses behilflich zu sein. Derzeit sieht es allerdings nicht danach aus. Denn uch heute wird in Mogadischu geschossen. Mindestens 5 Menschen kamen bei Hubschrauberangriffen der thiopischen Armee auf islamische Milizionäre ums Le- en. 130 Menschen sollen verletzt worden sein. Die Bundesregierung bemüht sich, den Versöhnungs- rozess zu unterstützen. Derzeit sind unter deutscher Fe- erführung diplomatische Aktivitäten der Europäischen nion im Gange. Sie zielen darauf ab, die Einbindung ller relevanten politischen Kräfte in den Dialog zu er- eichen. Dies gilt selbstverständlich auch für den Dialog mit en moderaten Führern der islamischen Gerichtshöfe. m vorliegenden Antrag ist davon die Rede, dass die EU rotz entsprechender Bemühungen dieser Gruppierung uf Gesprächswünsche nicht reagiert hätte. Ich habe mir estätigen lassen, dass das Gegenteil der Fall ist. Anfang ärz 2007 hat es solche Gespräche gegeben. Bei der ülle von Akteuren ist es natürlich möglich, dass nicht mmer alle und sofort erreicht werden können. Tatsache st jedoch, dass sich die Bundesregierung in diesem inne konstruktiv einbringt. Dies gilt im Übrigen auch ür die Unterstützung des Verfassungsprozesses. Hier ibt es bereits konkrete Überlegungen. Zentral ist in der Tat die Effektivität der durch die AU eschlossenen Friedensmission AMISOM. Dazu gehört as Erreichen der Sollstärke ebenso wie eine entspre- hende finanzielle Ausstattung. Wie problematisch sich ine Unterfinanzierung auswirken kann, haben wir in arfur gesehen. Für die Unterstützung von AMISOM ibt es Bewegung, zum Beispiel was die Auszahlung on Geldern für die Afrikanische Friedensfazilität anbe- angt. Schließlich muss es uns – wie heute schon während er Simbabwedebatte erwähnt – um die flankierende nterstützung beim Wiederaufbau des Landes gehen. afür werden unter anderem die EU-Mittel aus dem Eu- opäischen Entwicklungsfonds aufgestockt. Krieg ist bekanntlich die schlimmste und unsinnigste ersion der Kapitalvernichtung. Denn in Bürgerkriegen erstören die Kämpfer sozusagen ihre eigenen künftigen ebensgrundlagen. Alle afrikanischen Konfliktherde bergen das Risiko, ich zu Flächenbränden auszuweiten. Dies gilt in beson- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9329 (A) ) (B) ) derer Weise für das Horn von Afrika. Für die in den letz- ten Jahren deutlich erkennbaren Fortschritte einer pan- afrikanischen Entwicklung käme dies einer Katastrophe gleich. Die Afrikanische Union braucht jede Unterstüt- zung, um den afrikanischen Stabilitätsprozess weiter vo- ranzutreiben. Die Europäische Union und die G-8-Staaten haben sich mit ihrer Afrikastrategie und dem Afrika-Aktions- plan die Unterstützung der AU auf die Fahnen geschrie- ben. Dass dies nicht nur in Verbalnoten, sondern auch in praktischer Weise geschieht, zeigt sich gerade in Soma- lia. Der Versöhnungsprozess selbst muss aber von der somalischen Bevölkerung getragen werden. Deshalb ap- pelliere ich an die Akteure vor Ort, sich an die Vereinba- rungen für einen Versöhnungsprozess zu halten und die Kampfhandlungen einzustellen. Marina Schuster (FDP): Die Uhrzeit unserer Debatte entspricht leider in keiner Weise der Aktualität und Bedeutung des Themas. Ich verbinde meine Rede hier mit der Hoffnung und dem ausdrücklichen Wunsch, über die Situation in Somalia in Zukunft zu einer deutlich früheren Tageszeit zu debattieren. Denn die Lage vor Ort in Somalia ist nach wie vor äußerst angespannt. Nachdem das große Medieninteresse mit Beendigung der Kriegshandlungen Anfang des Jahres kontinuierlich nachließ, ist das Land keineswegs zur Ruhe gekommen. Denken wir nur an den tragischen Vorfall vom vergangenen Samstag: Beim Abschuss eines Flugzeugs der afrikanischen Friedensmission in Somalia sind elf Menschen an Bord ums Leben gekommen. Die Opfer, Besatzung und Inge- nieure, sollten nach Angaben eines Sprechers der somali- schen Übergangsregierung ein anderes Flugzeug der AU-Mission reparieren. Nach Augenzeugenberichten wurde die Maschine kurz nach dem Start von einer Ra- kete getroffen. Sie ging in Flammen auf und schlug in einem Außenbezirk Mogadischus auf. Dies bedeutet ei- nen herben Rückschlag für die Friedensbemühungen der AU. Am Wochenende scheiterten zudem die Friedensver- handlungen zwischen Vertretern des Hawiye-Clans und den äthiopischen Truppen, die weitere Militäraktionen gegen die Aufständischen angekündigt hatten, hinter denen sie Anhänger der islamischen Milizen vermutet. Hunderte Somalier flohen in Bussen und mit Eselskarren aus der Hauptstadt Mogadischu. Wegen der anhaltenden Unsicher- heit blieben alle Schulen in Mogadischu geschlossen. Bei den mehrtägigen Kämpfen in der vergangenen Woche wurden mindestens 300 Verletzte in Krankenhäusern behandelt. Über die genaue Zahl der Toten kann nur spekuliert werden. Das sind äußerst beunruhigende Ent- wicklungen. Hier sind wir auch schon beim Kern des Problems: Solange die in der Bevölkerung vor Ort als Besatzer wahrgenommenen äthiopischen Truppen im Land sind und die AU-Mission AMISOM ihr Mandat noch nicht in vollem Umfang ausüben kann, wird sich die Sicherheits- lage nicht deutlich entspannen. Es ist nach wie vor unklar, welche Staaten Truppenkontingente stellen – Uganda möchte ich hier als positives Beispiel ausnehmen – und w w d a m D U p S d w d p e E d w u b S v S d k h s i g k w v e g is r m g a n S i z ti k S w u w G e S B l L (C (D ie diese von der Bevölkerung in Somalia akzeptiert erden. Externe Akteure wie Äthiopien, die USA und ie Arabische Liga gelten vor Ort als diskreditiert. Dennoch kann es für Somalia nur eine politische Lösung uf dem Weg zum Frieden geben. Militärische Maßnah- en sind dabei lediglich das Mittel, nicht der Zweck. aher begrüße ich den Tenor des Antrages der Kollegin schi Eid ausdrücklich. Dieser innenpolitische Friedens- rozess aus dem Land heraus ist aber leider nicht in icht. Die höchste Glaubwürdigkeit genießt offenbar zurzeit ie Somaliakontaktgruppe. Daher ruhen verständlicher- eise auch viele Hoffnungen auf der Ratspräsidentschaft er EU. Für den 16. April hat der somalische Übergangs- räsident Yusuf eine zweimonatige Versöhnungskonferenz inberufen. Ich appelliere an die Bundesregierung, ihren influss im Rahmen der gegenwärtigen Doppelpräsi- entschaft geltend zu machen, diese Konferenz und die eitere innersomalische Entwicklung konstruktiv zu nterstützen. Denn es gibt noch zahlreiche offene Fragen: Wie können eispielsweise alle Clans in der politischen Entwicklung omalias angemessen berücksichtigt werden? Welche ölkerrechtliche Perspektive kann es für die Region omaliland geben, und wie wirkt sich dies wiederum auf ie politische Einheit des Landes aus? Wie können ünftig moderate Mitglieder der islamischen Gerichts- öfe politisch eingebunden werden? Gerade zur letzten Frage müssen wir Folgendes kon- tatieren: Die Union der Islamischen Gerichtshöfe hat n der somalischen Bevölkerung durchaus Sympathien enossen, und zwar zum einen als Gegengewicht zu den orrupten Warlords und Clanführern und zum anderen, eil sie eine vergleichbar hohe Stabilität in den von ihnen erwalteten Gebieten gewährleistet haben. Es wäre daher in großer Fehler, die UIC en bloc als islamistische oder ar terroristische Vereinigung zu verurteilen. Essenziell t, dass im Land selbst das Gespräch der TGF (Übergangs- egierung) mit moderaten Kräften der UIC gesucht werden uss. Wenn es tatsächlich zutrifft, dass Gesprächswünsche emäßigter UIC-Angehöriger von der EU grundsätzlich usgeschlagen wurden, müssen wir uns fragen, ob hier icht ein wichtiges Fenster für die weitere Entwicklung omalias fahrlässig geschlossen wurde. Hierzu erwarte ch von der Bundesregierung Aufklärung. Weiterhin habe ich den Eindruck, dass nach wie vor u wenig über den erforderlichen regionalen Ansatz disku- ert wird. Mit einem rein einzelstaatlichen Ansatz wird ein dauerhafter Frieden einkehren. Denn die Lage in omalia können wir letztendlich nur beurteilen, wenn ir die Interessen von Staaten wie Äthiopien, Eritrea nd Kenia, aber auch weiterer Staaten wie beispiels- eise Syrien und Saudi-Arabien kennen. Gerade der renzkonflikt zwischen Eritrea und Äthiopien ist doch ine der Ursachen für die Instabilität am Horn von Afrika. olange dieser Konflikt nicht gelöst ist, werden sich die eziehungen zwischen Eritrea und Äthiopien nie norma- isieren. Es ist daher wichtig, diese Staaten in künftige ösungsansätze einzubeziehen, sie gleichzeitig aber 9330 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) auch in die Pflicht zu nehmen. Dazu gehört auch die Frage der strittigen Grenzziehung. Wir müssen uns von deutscher, europäischer und inter- nationaler Seite massiv für einen Interessenausgleich zwischen den innersomalischen Parteien und den Regional- mächten einsetzen, damit die AMISOM-Mission auf der Grundlage einer allgemeinen Akzeptanz endlich ihre Ar- beit aufnehmen kann und damit der politische Friedens- prozess in Gang kommt. Ich wiederhole meine Forderung aus vorhergehenden Afrikadebatten: Eine bessere Zusammenarbeit und Un- terstützung der AU – sei es personell, zum Beispiel bei der Schulung, finanziell und organisatorisch beim Aufbau der Strukturen – ist unerlässlich. Wenn wir es mit der „african ownership“ ernst meinen, dürfen wir die AU nicht im Regen stehen lassen. Dr. Norman Paech (DIE LINKE): Seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 ist Somalia faktisch ohne Regierung und zerrissen von Kämpfen rivalisierender Gruppen. Es ist das immer wieder zitierte Beispiel eines Failed State, eines gescheiterten Staates. Das vollstän- dige Fehlen öffentlicher Infrastruktur und die desolate Sicherheitssituation machen Somalia vor allem anfällig für die Einmischung durch benachbarte Staaten. So tragen Äthiopien und Eritrea ihre Grenzkonflikte über die Unterstützung der rivalisierenden Kräfte in So- malia aus. Äthiopien wollte mit seinem Einmarsch in Somalia vor allem die Union der Islamischen Gerichte – UIC – verjagen, der es immerhin gelungen war, nach knapp fünfzehn Jahren Chaos eine gewisse Sicherheit im Lande wiederherzustellen. Wir sollten allerdings nicht übersehen, dass auch an- dere Staaten und vor allem die USA in dem Konflikt ihre Interessen verfolgen. Derzeit verdächtigen die USA die UIC, mit al-Qaida zu kooperieren und begründen ihre Luftangriffe mit ihrem „weltweiten Krieg gegen den Terror“. Das Horn von Afrika ist aber nicht nur wegen seiner beträchtlichen Öl- und Gasvorräte, sondern auch wegen seiner strategischen Position gegenüber der arabi- schen Halbinsel, der ölreichsten Region der Erde, von erheblicher strategischer Bedeutung. So wenig hiervon zurzeit in den Medien die Rede ist: Diese Vorräte sind nicht verschwunden und werden mit der Sicherung und Stabilisierung Somalias wieder in den Vordergrund der Interessen treten. Die USA haben auch Äthiopien beim Einmarsch in Somalia unterstützt. Seitdem hat sich die Situation wie- der drastisch verschlechtert. Die Übergangsregierung ist zwar formal wieder an der Macht, hat aber bei der Be- völkerung kaum Zustimmung. Denn sie hat die alten Warlords, die Korruption und die alte Unsicherheit wie- der mitgebracht. In dieser Situation beschloss der Friedens- und Si- cherheitsrat der AU am 19. Januar 2007 die Entsendung einer Friedensmission nach Somalia, der sogenannten AMISOM. Dass diese Mission scheitern wird, ist allzu offensichtlich: Sie ist auf sechs Monate begrenzt und wird sich in dieser Zeit nicht einmal installiert, ge- s M u s D U e m a w A R b l d B s R i m j m l w u t e K h D d d z n r m g d g l n e e k z Ä f s d r n M s Ü (C (D chweige denn, ihre Arbeit aufgenommen haben. Die ission wird auf breiten Widerstand in der Bevölkerung nd bei der UIC stoßen, da sie eine Regierung stärken oll, die in der Bevölkerung weitgehend abgelehnt wird. ies wird sich mit der geplanten Überführung in eine N-Mission nicht ändern. Weder die AMISOM noch ine UN-Mission werden die Probleme lösen. Denn eine ilitärische Präsenz in Somalia, unter welcher Führung uch immer, wird allen Dialogbemühungen entgegen- irken. Dies lehren uns die beiden anderen Fronten des ntiterrorkampfes, Afghanistan und Irak. Letztendlich wird nur eine demokratisch gewählte egierung eine nachhaltige Stabilisierung des Landes ewirken können. Hierzu muss es dringend zu Verhand- ungsgesprächen zwischen der Übergangsregierung und er UIC kommen. Darin stimmen wir dem Antrag von ündnis 90/Die Grünen zu. An einem solchen Dialog ollten auch die Länder des afrikanischen und arabischen aums unbedingt teilnehmen, die nicht in den Konflikt nvolviert sind. Wir fordern die Bundesregierung auf, mit ihren Ver- ittlungsdiensten diesen Prozess zu unterstützen. Um edoch einen solchen Dialog überhaupt zu ermöglichen, uss sich die äthiopische Armee vollständig aus Soma- ia zurückziehen und das Waffenembargo durchgesetzt erden, müssen die USA ihre Luftangriffe einstellen nd die Nachbarstaaten dazu gebracht werden, ihre Un- erstützung der Konfliktparteien aufzugeben. Dr. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aktu- ll spitz sich der Somaliakonflikt deutlich zu. Die ämpfe und Anschläge in Mogadischu intensivieren und äufen sich und veranlassen Zehntausende zur Flucht. ie humanitäre Lage spitzt sich zu. Die Bundesregierung steht derzeit als Ratspräsidentin er EU in besonderer Verantwortung dafür, Frieden und ie Wiederherstellung staatlicher Strukturen in Somalia u fördern. Dies kann nur gelingen, wenn die internatio- ale Gemeinschaft gleichzeitig der inneren und der egionalen Komplexität des Konflikts gerecht wird. Sie uss rational mit den politischen islamischen Bewegun- en umgehen und den Konflikt nicht vorwiegend als Teil es Kampfes gegen den islamistischen Terrorismus be- reifen. Nur zu gerne würde ich den Optimismus internationa- er Erklärungen teilen, die davon ausgehen, dass sich ach dem äthiopischen Einmarsch vom Jahresende 2006 ine neue Friedenschance aufgetan hat. Doch die aktu- lle Eskalation belegt, dass in Somalia eine neue Kräfte- onstellation entstanden ist, die konfliktträchtiger ist als uvor. Mit der Union der Islamischen Gerichtshöfe hat thiopien – ermutigt durch die USA – einen handlungs- ähigen Akteur zerschlagen, der sich trotz einiger Men- chenrechtsverletzungen die Anerkennung weiter Teile er Bevölkerung erworben hat. Erstmals seit langen Jah- en verbesserten die Gerichtshöfe im letzten Jahr nicht ur die öffentliche Sicherheit deutlich, sondern auch die öglichkeiten, Handel zu treiben. Der Einmarsch tärkte dagegen die nicht repräsentative somalische bergangsregierung, die eine Mehrheit der Somalis als Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9331 (A) ) (B) ) völlig illegitim betrachtet – auch weil sie von dem als Gegner empfundenen Nachbarstaat Äthiopien gestützt wird. Selbst Diplomaten beschreiben sie mehr oder min- der offen als inkompetent und intransigent. Aufgabe der Friedenstruppe der Afrikanischen Union, der AMISOM, ist es nun unter anderem, diese Über- gangsregierung zu unterstützen. Dazu hat der UN-Si- cherheitsrat ihr im Februar das Mandat erteilt. Doch AMISOM kann Frieden nicht militärisch herbeizwingen. Erfolgreich sein wird sie nur, wenn sie eine politische Einigung zwischen den Somalis absichert und die Bevöl- kerung AMISOM nicht als Konfliktpartei betrachtet. Am Anfang und im Mittelpunkt aller Friedensbemühun- gen müssen auch bei der Bundesregierung ernsthafte, aktive und international abgestimmte Initiativen für eine innersomalische Einigung stehen. Daher muss die Über- gangsregierung dazu bewegt werden, alle relevanten Ak- teure in einen politischen Dialog und in die Mitte April beginnende nationale Versöhnungskonferenz einzube- ziehen. Dies betrifft alle Clans, besonders die Hawiye, aber auch all jene islamistischen Kräfte, die ihre Ver- pflichtung erneuern und einhalten, den Terrorismus zu verurteilen und die territoriale Integrität der Nachbar- staaten zu respektieren. Ziel der politischen Gespräche muss es auch sein, die somalische Regierung so umzu- bilden, dass sie deutlich repräsentativer wird. Ist eine politische Übereinkunft der Somalis erreicht, fordere ich die Bundesregierung dazu auf, dazu beizutra- gen, dass AMISOM vollständig entsandt, adäquat finan- ziert und ausgerüstet wird und so zusammengesetzt ist, dass sie als unparteiisch wahrgenommen wird. Sie soll die Initiative dafür ergreifen, dass ein konfliktsensibler internationaler Wiederaufbauplan aufgelegt wird, der aber keine Strukturen schafft, die anfällig sind für Kor- ruption und Machtabsicherung. Darin sollen die Bele- bung der Wirtschaft, aber auch die freiwillige Entwaff- nung und die Demobilisierung und Reintegration von Soldaten im Vordergrund stehen. Aktuell ist besonders darauf zu achten, dass die Stabi- lität des demokratischen Somalilands nicht gefährdet wird, das sich 1991 für unabhängig erklärt hat. Zugleich sollte die Bundesregierung sorgfältig prüfen, ob derzeit Initiativen friedenspolitisch sinnvoll sind, die den lau- fenden Klärungsprozess fördern, ob die Unabhängigkeit Somalilands international anerkannt wird. Es kann aber gar nicht genug betont werden, dass ein Frieden in Somalia – und schon gar keiner, der über Jahre hinweg trägt – nicht erreicht werden kann, ohne dass die regionalen Verflechtungen aktiv angegangen werden, die für den Konflikt in Somalia überaus ent- scheidend sind. Denn die Konflikte am Horn von Afrika und die oft widerstreitenden Interessen zahlreicher Staa- ten der Region erschweren politische Lösungen ent- scheidend und fachen die Auseinandersetzungen inner- halb Somalias teils wesentlich an. Von herausragender Bedeutung ist dabei der Grenz- konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea. Äthiopien wei- gert sich noch immer, die Grenzziehung anzuerkennen – entgegen seiner Zusage und Pflicht aus dem Friedensab- kommen von 2000, einen internationalen Schiedsspruch a n K M w G r s O a Ü g i S te te n s z in S P w d v g d d a s A W d D d G r m b d e E (C (D nzuerkennen. Was hat das mit Somalia zu tun? Nicht ur in Somalia tragen beide Länder ihren bilateralen onflikt stellvertretend an anderen Orten aus nach dem otto: Der Freund meines Feindes ist mein Feind. Ob- ohl Eritrea ein säkularer Staat ist, unterstützt es aus der egnerschaft zu Äthiopien heraus die Islamischen Ge- ichtshöfe. Aus deren Reihen wurden immer wieder An- prüche auf den von Somalis bewohnten äthiopischen gaden erhoben und zum „Dschihad“ gegen Äthiopien ufgerufen. Äthiopien hingegen stützt die somalische bergangsregierung. Es waren nicht zuletzt die Drohun- en der Gerichtshöfe und die amerikanischen Interessen m Antiterrorkampf, die Äthiopien zum Einmarsch in omalia bewogen. Ich fordere die Bundesregierung auf, sich aktiv an in- rnationalen Initiativen, vor allem der Norwegens, zu be- iligen, den Konflikt zwischen Äthiopien und Eritrea ei- er dauerhaften friedlichen Lösung zuzuführen. Zweitens ollte sie sich um einen umfassenden regionalen Dialog wischen Nachbarstaaten und Regionalmächten bemühen, dem ein fairer Ausgleich der Sicherheitsinteressen aller taaten gelingen kann. Drittens muss die regionale EU- artnerschaft mit dem Horn von Afrika aktiv unterstützt erden. Schließlich soll die Bundesregierung Initiativen afür ergreifen, dass das UN-Waffenembargo nicht mehr on verschiedenen Seiten unterlaufen werden kann. Die Bundesregierung ist als EU-Ratspräsidentin auf- erufen, aktiv und initiativ an einer internationalen Frie- ensstrategie mitzuwirken, die alle relevanten Aspekte es Konflikts anspricht. An ihr sollen sowohl die EU als uch die Afrikanische Union und die arabisch-islami- chen Staaten beteiligt sein. nlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: – Kein Bau einer festen Fehmarnbelt-Que- rung – Fährkonzepte verbessern – Statt fester Fehmarnbelt-Querung für ein ökologisch und finanziell nachhaltiges Ver- kehrskonzept (Tagesordnungspunkt 25) Gero Storjohann (CDU/CSU): Am vergangenen ochenende haben wir hier in Berlin den 50. Jahrestag er Unterzeichnung der Römischen Verträge gefeiert. iese Verträge, zu deren Unterzeichnern im Jahre 1957 ie Bundesrepublik Deutschland gehörte, waren die rundlage für das Zusammenwachsen Europas. Sie wa- en Grundlage für die Gründung der Europäischen Ge- einschaft und der jetzigen Europäischen Union. Das Königreich Dänemark ist der EG im Jahre 1973 eigetreten. Es hat nicht nur dadurch, sondern auch urch eine wichtige europäische Infrastrukturmaßnahme inen erheblichen Beitrag zum Zusammenwachsen uropas geleistet: Ich spreche vom Bau der Öresund- 9332 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) brücke zwischen Kopenhagen in Dänemark und Malmö in Schweden. Diese Brücke hat zur guten Nachbarschaft und zur Stärkung der Wirtschaft im Großraum Kopen- hagen/Malmö einen wichtigen Beitrag geleistet. Heute kommt es nicht mehr darauf an, ob man in Schweden lebt und in Kopenhagen arbeitet oder umgekehrt – die Öresundbrücke verbindet Menschen, sie verbindet zwei EU-Staaten im nördlichen Europa. Lassen Sie mich an dieser Stelle dem Königreich Dänemark Dank sagen für das unbeirrte Eintreten und für den Bau dieser Brücke: Mange tak, Danmark! Die Erfolgsgeschichte der Öresundbrücke sollte uns allen Ansporn sein, kraftvoll für ein weiteres wichtiges Verkehrsprojekt in Europa einzutreten: den Bau der fes- ten Fehmarnbelt-Querung zwischen Deutschland und Dänemark. Was jedoch machen die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und von den Linken? Anstatt sich vom Wagemut unserer dänischen Nachbarn beim Brückenbau anstecken zu lassen, legen uns die Kollegin- nen und Kollegen Anträge vor, die dem Zusammen- wachsen Europas alles andere als dienlich sind. Auch deshalb werden wir sie ablehnen. Wir brauchen diese Brücke, weil die feste Querung des Fehmarnbelts das letzte Glied in einer wirtschaftli- chen Kette zwischen Nord- und Mitteleuropa ist. Dieses „missing link“ in Europa fehlt noch, diese Verbindung muss endlich hergestellt werden. Das gilt gerade und be- sonders für den Schienenverkehr. Durch den Ausbau der Schienenwege über die feste Fehmarnbelt-Querung kann der Containerverkehr zwischen Deutschland und Skan- dinavien effektiv und schnell abgewickelt werden. Wir brauchen mehr Verkehr auf der Schiene, und das geht nur über eine feste Verbindung. Die Verkehrsprognosen sprechen hier für sich: Aktuell überqueren sieben Perso- nenzüge und kein einziger Güterzug mit den dortigen Fähren den Fehmarnbelt. Im Jahre 2015, zur erwarteten Fertigstellung der Brücke, werden es 40 Personenzüge und 43 bis 61 Güterzüge pro Tag sein, die dann die feste Fehmarnbelt-Querung nutzen werden. 40 Personenzüge, das entspricht 4 000 Bahnreisenden pro Tag. Ohne feste Fehmarnbelt-Querung müsste die bestehende Schienen- verbindung über Flensburg–Neumünster verkehrstech- nisch überholt werden. Dafür stehen auf absehbare Zeit keine Finanzmittel zur Verfügung, denn das kann nicht über eine Maut gegenfinanziert werden, wie es bei der festen Fehmarnbelt-Querung vorgesehen ist. Als Alter- native würde dann verstärkt das Flugzeug zur Verkür- zung der Reisezeit genutzt werden. Wie Sie sicherlich wissen, verkehren die Fähren über den Fehmarnbelt zwischen Puttgarden und Rødby mehr- wertsteuerfrei. Das bedeutet, dass die Reederei Scand- lines ihre Gewinne auf dieser Route mehrwertsteuerfrei erwirtschaftet. Die Erhebung einer Maut für die Benut- zung von Brücken ist jedoch mehrwertsteuerpflichtig. Dies ist ein Aspekt, den man bei der Beurteilung der Kosten für den Bau der festen Fehmarnbelt-Querung be- rücksichtigen muss. Der Verkehr auf der Öresundbrücke zwischen Kopenhagen und Malmö ist inzwischen so stark angewachsen, dass Vielfahrern auf dieser Brücke inzwischen Rabatte gewährt werden. Auch die andere Brücke in Dänemark, diejenige über den Großen Belt, ist d n w V 8 k w d p W s D s p m N s R u R D d s ä b h f i s F e s g s b f s r R u r s C A D t G s 1 B w w s a m (C (D erart erfolgreich, dass der Mautpreis seit Inbetrieb- ahme dieses Bauwerks schon zweimal abgesenkt erden konnte. Das für das Jahr 2015 prognostizierte erkehrsaufkommen für den Fehmarnbelt von bis zu 000 Personenkraftwagen und bis zu 1 300 Last- raftwagen täglich lässt hier einen ähnlichen Erfolg er- arten – nicht zu vergessen die Mauteinahmen durch en bereits erwähnten Bahnverkehr, die über den Fahr- reis abgerechnet werden. Zahlreiche Gespräche, die ich in den vergangenen ochen mit Vertretern von dänischer Politik und Wirt- chaft geführt habe, haben eines ganz deutlich gezeigt: ie Beziehungen zwischen Deutschland und Dänemark ind hervorragend. Immer wieder wird betont, dass die raktizierte Bereitschaft der Bundesregierung, im Rah- en der europäischen Zusammenarbeit kleine und große achbarstaaten gleichermaßen ernst zu nehmen, bei- pielhaft ist. Berlin nimmt eine zunehmend zentrale olle im Konzert der 27 Nationen ein, loben die Dänen – nd dies unabhängig von unserer augenblicklichen EU- atspräsidentschaft. Großes Unverständnis wird in änemark daher über die rückwärtsgewandten Anträge er Oppositionsfraktionen der Linken und des Bündnis- es 90/Die Grünen zur festen Fehmarnbelt-Querung ge- ußert. Ihre Einstellung zum Projekt „Feste Fehmarn- elt-Querung“ ruft in Kopenhagen nur Kopfschütteln ervor. Dabei zeigen uns doch gerade die Dänen, wie er- olgreich Brückenbauprojekte sein können! Größter Handelspartner Dänemarks in Deutschland st Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Schleswig-Hol- tein, Niedersachsen, Bayern und Hamburg. Das sind die akten. Wir sollten dem Königreich Dänemark daher inen regen und reibungslosen Warenaustausch mit die- en Bundesländern über die feste Fehmarnbelt-Querung ewährleisten. Das kommt nicht nur Dänemark zugute, ondern auch uns in Deutschland. Die feste Fehmarn- elt-Querung ist daher nicht irgendeine Brücke. Die este Fehmarnbelt-Querung wird erheblich zu wirt- chaftlichem Wohlstand beitragen. Nicht nur im Groß- aum Hamburg–Kopenhagen, sondern eben auch an hein, Donau und Isar. Lassen Sie uns daher Zukunft machen! Lassen Sie ns den Brückenschlag über den Fehmarnbelt realisie- en, um Skandinavien und Deutschland in Europa wirt- chaftlich noch enger miteinander zu verflechten! Die DU/CSU-Fraktion wird der Beschlussempfehlung des usschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des eutschen Bundestages daher zustimmen und die An- räge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die rünen damit ablehnen. Hans-Joachim Hacker (SPD): Der sachliche Gegen- tand der beiden Anträge war in erster Lesung bereits am 4. Dezember 2006 auf der Tagesordnung des Deutschen undestages. Wer sich das Protokoll der Beratung ansieht, ird feststellen, dass die Reden zu Protokoll gegeben urden. Unabhängig davon ist den schriftlichen Diskus- ionsbeiträgen zu entnehmen, dass sich die Berichterstatter usführlich mit dem Themenkomplex, der die Fragen einer öglichen festen Fehmarnbelt-Querung beinhalten, befasst Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9333 (A) ) (B) ) haben. Ich könnte insofern auf die damalige Argumentation verweisen. Das würde dem Thema jedoch nicht gerecht werden, denn in die heutige Debatte sollte eine Wertung der Beratung im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung einfließen. Zugleich ist über den Stand der weiteren Gespräche auf Regierungsebene eine Bewertung vorzunehmen. Beide vorliegenden Anträge beinhalten die Ablehnung des Baus einer festen Fehmarnbelt-Querung. Sie sind jedoch nicht deckungsgleich. Der PDS-Antrag enthält eine Entschließung gegen den Bau einer festen Fehmarnbelt- Querung und fordert stattdessen eine Verbesserung des Fährkonzeptes. Für den von der PDS geforderten Planungsstopp gibt es keine sachliche Grundlage; denn Planungen finden derzeit nicht statt, und eine Einordnung in nationale Verkehrsplanungsdokumente hat bislang nicht stattgefunden. Richtig ist, und das weiß jeder, der sich mit der Thematik beschäftigt hat, dass in der Koalitions- vereinbarung vom 11. November 2005 die Prüfung der Fehmarnbelt-Querung als internationales PPP-Referenz- vorhaben festgeschrieben wurde. Wir befinden uns derzeit in einer Phase, in der die Realisierungsmöglichkeiten untersucht werden. Der PDS-Antrag überspringt diese Phase und nimmt das Ergebnis der Prüfung vorweg. Einer solchen Betrachtungsweise kann man sich nicht an- schließen, denn sie ist nicht sachgerecht. Die Forderung im PDS-Antrag an die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die bestehende Fährverbindung optimiert wird, ist nicht umsetzbar. Völlig verkannt wird, dass das Fährkonzept von der Betreiberreederei, der Scandlines AG, aufgestellt wird, auf die die Bundes- regierung in betriebswirtschaftlichen Fragen keinen Einfluss ausüben kann. Wir haben diese Frage in der Beratung im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtent- wicklung ausführlich diskutiert, aber scheinbar haben die Fakten, dass der Vorstand eines Unternehmens die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen in eigener Verantwortung trägt, bei der PDS keine Überzeugungs- kraft entwickelt. Im PDS-Antrag leuchtet wieder die alte Idee der Staatswirtschaft durch. Das kommt auch in einem weiteren Punkt zum Ausdruck, der die Aufforderung an die Bundesregierung enthält, mit der dänischen Regierung und der Landesregierung Schleswig-Holstein das Ziel zu verfolgen, gemeinsam mit dem Kreis Ostholstein und dem dänischen Amt Storstroms Konzepte zur Stärkung der wirtschaftlichen Situation dieser Regionen zu erarbeiten und diese finanziell zu unterstützen. Um es klar zu sagen: Hierfür ist die Bundesregierung nicht zuständig. Die regionale Wirtschaftsentwicklung ist nicht Bundesauf- gabe, insofern geht diese Forderung völlig ins Leere. Der Antrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü- nen, der auf ein ökologisch und finanziell nachhaltiges Verkehrskonzept abstellt, enthält wie der PDS-Antrag die Forderung nach Aufgabe der Pläne zum Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung und der Pläne zur Finan- zierung durch öffentliche Gelder wie auch die Forderung nach Optimierung des Fährkonzepts der Reederei Scand- lines. Was diesen Forderungskatalog angeht, verweise ich auf meine Bewertung der gleichlautenden Forderungen i z B n e d s n m tr z m B v e m p A J B D g N ß e H a b p w k w l d d n s z M W r C p Q E l d E A E a d F P a (C (D m Antrag der PDS-Fraktion. Dem ist weiter nichts hin- uzufügen. Auf zwei weitere Punkte im Antrag der Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen will ich an dieser Stelle jedoch äher eingehen: Der Antrag auf Drucksache 16/3798 nthält unter den Ziffern 4 und 5 Forderungen nach Ausbau es Nordostseekanals und nach Elektrifizierung der Bahn- trecke Hamburg–Lübeck. Ich halte diese Forderungen ach prioritärer Behandlung dieser Infrastrukturmaßnah- en in der Sache für richtig. Es bedarf aber keines An- ages, um der Umsetzung dieser Forderungen Gewicht u verleihen. Wie ist der Stand der Dinge bei diesen Bau- aßnahmen? Erstens. Der Ausbau des Nordostseekanals ist im undeshaushalt mit insgesamt 130 Millionen Euro eranschlagt. Für das laufende Jahr ist die Ausreichung iner ersten Ratenzahlung vorgesehen. Das Bundes- inisterium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung rüft derzeit, ob ein Antrag auf Planfeststellung für den usbau der Oststrecke des Nordostseekanals auf das ahr 2008 vorgezogen werden kann. Der Bund wird in runsbüttel eine neue Schleusenkammer finanzieren. ie dies betreffenden Teilplanungen sind in Auftrag egeben worden. Von der Baumaßnahme werden der eubau einer dritten Schleusenkammer und die anschlie- ende Instandsetzung der beiden alten großen Kammern rfasst. Zweitens. Die Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke amburg–Lübeck und der zweigleisige Ausbau des Teil- bschnitts Schwartau–Waldhalle–Lübeck–Kücknitz sind ereits Bestandteil des „Zwei-Milliarden-Euro-Verkehrs- rogramms-Teilschiene“. Die Finanzierungsvereinbarung urde am 15. September 2005 unterzeichnet. Die Gesamt- osten der Maßnahme betragen 149,1 Millionen Euro, ovon der Bund finanzielle Mittel in Höhe von 135 Mil- ionen Euro bereitstellt. Das Gesamtvorhaben soll nach en derzeitigen Planungen der DB-Netz AG im Laufe es Jahres 2009 fertig werden. Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Bünd- is 90/Die Grünen, die Bundesregierung und die Koalition ind bei wichtigen Infrastrukturmaßnahmen in der Region wischen Hamburg und der Ostsee am Ball. Die Idee eines etroexpress von Kiel nach Hamburg ist jedoch aus irtschaftlichkeitsgründen nicht zu vertreten. Die Landes- egierung Schleswig-Holstein sieht hierfür keine reale hance. Ich komme zurück zum Kernthema der beiden Op- ositionsanträge, den Bau einer festen Fehmarnbelt- uerung, und stelle die Frage: Können wir heute eine ntscheidung für oder gegen den Bau treffen? Die Antwort autet eindeutig Nein. Es gibt heute keinen Entschei- ungsbedarf, weil die Grundlagen für eine derartige ntscheidung nicht bestehen. Und im Übrigen an die dresse der PDS-Abgeordneten im Verkehrsausschuss: ntgegen Ihrer öffentlichen Darstellung hat der Verkehrs- usschuss des Deutschen Bundestages mit der Ablehnung er beiden Anträge kein Votum für den Bau der festen ehmarnbelt-Querung abgegeben. Die Koalition hat rüf- und Beratungsbedarf für das Gesamtkonzept und lle damit in Verbindung stehenden Fragen. Die beiden 9334 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) vorliegenden Anträge wollen jedoch eine Entscheidung vorwegnehmen, ohne eine Abwägung der Argumente Pro und Contra vorgenommen zu haben. Gerade einer solchen Verfahrensweise kann sich die SPD-Bundestagsfraktion nicht anschließen. Für uns steht fest – das hatte ich in meiner Rede am 14. Dezember 2006 bereits ausgeführt – dass wir uns nicht auf ein finanzielles Risiko zulasten der öffentlichen Hand einlassen werden. Ich finde, der Bundesverkehrs- minister Wolfgang Tiefensee hat in den letzten Monaten das Thema sehr verantwortungsbewusst behandelt. In Gesprächen mit der dänischen Regierung und der Landes- regierung Schleswig-Holstein sind die Rahmenbedin- gungen für ein PPP-Projekt Feste Fehmarnbelt-Querung untersucht worden. Hierbei sind natürlich auch die Fragen eines tragfähigen Finanzierungskonzeptes und möglicher Staatsgarantiezusagen erörtert worden. Dieser Fragen- komplex befindet sich nach wie vor in der Verhand- lungsphase. Kein ernsthafter Verhandlungspartner kann Einzelheiten der Gespräche auf den Markt tragen. Ich bin sicher, dass der Bundesverkehrsminister in den nächsten Wochen das Ergebnis seiner intensiven Bemü- hungen dem Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vorstellen wird. Für mich ist auch klar, dass bei einer ernsthaften Er- wägung des Baus einer festen Fehmarnbelt-Querung eine Reihe von umweltrelevanten und verkehrstechnischen Fragestellungen einer ausführlichen Prüfung zu unterziehen sind. Im Oktober 2006 sind die Ergebnisse eines infor- mellen Konsultationsverfahrens vorgestellt worden, an dem die Öffentlichkeit, Verbände und Behörden beteiligt waren. Klar ist, dass dieses Umweltkonsultationsverfahren nicht die notwendigen Umweltverträglichkeitsprüfungen und die gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeits- beteiligungen ersetzen kann. Erst, wenn alle damit in Verbindung stehenden Fragen bewertet und beantwortet worden sind, ist die Grundlage für die Entscheidung über den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung ge- schaffen worden. Wenn die SPD-Bundestagsfraktion zusammen mit dem Koalitionspartner und vermutlich der FDP die beiden Anträge ablehnen wird, geschieht dies auch aus dem Grund, dass wir uns die Option für einen sachlich not- wendigen Abwägungsprozess offen halten wollen. Eine Entscheidung zum Bau der festen Fehmarnbelt-Querung ist weder in der Verkehrsausschussberatung am 28. Februar 2007 getroffen worden, noch erfolgt diese mit der Ablehnung der beiden Anträge. Wir haben gute Gründe, die beiden Anträge abzulehnen, weil die Koalition eine Entscheidung erst dann treffen wird, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen. Dies ist heute nicht der Fall, daher ist die Ablehnung der beiden Anträge logisch. Patrick Döring (FDP): Wir reden heute Abend zu später Stunde über zwei Anträge, die zwar vermutlich mit der großen Mehrheit des Hauses – auch von uns – abgelehnt werden. Die Entwicklung der letzten Wochen lässt aber vermuten, dass Linke und Grüne leider trotz- dem bekommen, was sie wollen: ein schnelles Ende des Projektes Fehmarnbelt-Querung. Das ist freilich kein V i v d A d g d r E K a r P d n f g I d d w p h g t n v e V P l n d W e n g s s p A S n s p d r B b d r n P s (C (D erdienst der linken und linkeren Oppositionsfraktionen n diesem Haus – dieser fragwürdige Lorbeer gebührt ielmehr der SPD-Fraktion, die in dieser Sache sogar en eigenen Minister düpiert. Die sozialdemokratischen bgeordneten der fünf Küstenländer haben jedenfalls urch lautstarke Äußerungen über die Medien deutlich emacht, dass das Geld für die Querung und die notwen- igen Hinterlandanbindungen erst in zehn oder 15 Jah- en verfügbar ist. Ehrlicher wäre es gewesen, gleich die instellung des Projektes zu fordern; denn das wäre die onsequenz. Für den Fall hätte sich der Herr Minister uch die Konferenzen mit dem dänischen Kollegen spa- en können. Natürlich ist es richtig, die Frage zu stellen, ob das rojekt richtig kalkuliert ist und sich rechnen wird. Aber as ist eben eine Frage; eine abschließende Antwort ken- en wir noch nicht. Die FDP hat sich deshalb immer da- ür ausgesprochen, das Vorhaben unaufgeregt, unvorein- enommen und ergebnisoffen zu prüfen. Wenn ein nvestor mit Land, Bund und Dänemark einig wird, muss er Bundestag seinen Anteil festlegen. Bis dahin gilt, ass die feste Querung des Fehmarnbelt ein wünschens- erter Beitrag für die Entwicklung des transeuro- äischen Verkehrsnetzes wäre. Die Sozialdemokraten aben sich hingegen nun auch in das Lager derjenigen eschlagen, die offenbar durch einen Blick in die Kris- allkugel schon jetzt die Antworten auf alle Fragen ken- en. Dieses Verfahren wird unsere dänischen Freunde sehr erwundern, die deutlich gemacht haben, dass sie auch ine stärkere finanzielle Beteiligung in Betracht zögen. or allem aber wird damit die ohnehin schon schwache osition von Minister Tiefensee durch das unverantwort- iche Verhalten seiner eigenen Fraktion weiter untermi- iert. Es ist in der Tat ein trauriges Schauspiel, das wir ieser Tage erleben: die endgültige Entzauberung eines underkindes. In Leipzig war Wolfgang Tiefensee noch in kleiner König. In Berlin ist er nur noch Überbringer etter Grußworte. Die Liste seiner Fehler und Niederla- en ist lang. Bei der Bahnreform lässt Minister Tiefensee ich von Mehdorn vorführen. Von einem tragfähigen Ge- etzentwurf sind wir weiter entfernt denn je. Besonders einlich beim Thema Bahn: Des Ministers vollkommene hnungslosigkeit über den desaströsen Zustand des chienennetzes. Beim Rat der EU-Verkehrsminister wurde dann auch och die Verkehrsagenda der deutschen Ratspräsident- chaft vor die Wand gefahren. Das europäische Prestige- rogramm Galileo und das Luftverkehrsabkommen mit en USA stehen auf der Kippe. Jetzt, nachdem die Union dem Minister bei der Bahn- eform schon nicht mehr folgt, fängt auch noch die SPD- undestagsfraktion an, seine Autorität in der Fehmarn- elt-Frage zu untergraben. Das ist keine Erosion mehr, as ist bald ein ausgemachter machtpolitischer Erd- utsch. Ich frage mich ernsthaft, wie ein Minister, der icht einmal in dieser Frage auf die Unterstützung seiner artei zählen kann, sich zum Beispiel in der noch viel chwierigeren Bahnfrage oder bei den komplizierten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 9335 (A) ) (B) ) Verhandlungen mit dem Galileo-Konsortium behaupten will. Da können Sie, mit Verlaub Frau Dr. Wetzel, in den Medien noch so oft erklären, dass Sie und Ihre Mitstreiter dem Minister den Rücken stärken. Tatsächlich läuft es doch darauf hinaus, dass Sie ihn in dieser Frage im Regen stehen lassen. Denn anders als Sie es zum Beispiel im „Hamburger Abendblatt“ darstellen, hat die Frage der Fi- nanzierung von Hinterlandanbindungen nun rein gar nichts mit dem finanziellen Anteil der Dänen an diesem Projekt zu tun, ganz zu schweigen davon, dass ich auch nicht gehört habe, dass Sie Ihre Position geändert hätten, nachdem die Dänen sich in dieser Frage kompromissbe- reit gezeigt haben. Natürlich müssen – wenn die Ent- scheidungen für die Fehmarnbelt-Querung gefällt wird – auch entsprechende Hinterlandanbindungen vorhanden sein. Das ist eine conditio sine qua non, um überhaupt die Tragfähigkeit des Projektes zu gewährleisten. Aber wenn – ich betone: wenn – wir feststellen, dass die Fehmarn- belt-Querung ein lohnendes Projekt ist und gebaut wer- den soll, dann erhalten die dafür notwendigen Neu- und Ausbauten zur Hinterlandanbindung natürlich eine ganz andere Priorität. Denn in diesem Fall würde sich natür- lich die Auslastung dieser Verkehrswege ganz anders ge- stalten, als bei den ursprünglichen Prognosen des Bun- desverkehrswegeplans angenommen wurde. Ihrer Logik folgend, sollen wir zunächst die Hinterlandanbindung bauen, bevor die Querung entschieden würde; das kann es doch wohl nicht sein. Wenn Sie die Fehmarnbelt-Querung partout nicht wollen, Frau Wetzel, dann sagen Sie das auch. Dann stimmen sie heute für die vorliegenden Anträge der Grü- nen und der Linksfraktion. Das wäre wenigstens ehrlich, und dann wüssten auch Minister Tiefensee und die Lan- desregierung in Schleswig-Holstein – an der sie ja betei- ligt sind – endlich, woran sie wären. Aber ich weiß na- türlich, dass das nicht passieren wird. Wir können leider nicht anders, als diesen Vorgang mit Besorgnis zur Kenntnis zu nehmen. Ein schwacher Minis- ter mag dem Oppositionspolitiker eine Freude sein – sel- ten war Kritik an einem Verkehrsminister so einfach und so berechtigt. Doch zugleich muss ein solcher Zustand jedem verantwortungsbewussten Volksvertreter, ob in der Opposition oder in der Regierung, zuwider sein. Denn den Schaden hat das Land. Ich kann sie, verehrte Damen und Herren von der SPD, daher nur dazu auffor- dern, sich heute klar zu einer ergebnisoffenen Prüfung der Fehmarnbelt-Querung zu bekennen und jeder vorei- ligen Entscheidung entschieden entgegenzutreten. Mit ihrer Haltung schaden sie dem Ansehen Deutschlands und der Regierung – nicht nur bei der Fehmarnbelt- Frage. Lutz Heilmann (DIE LINKE): Wir befinden uns in der letzten Sitzungswoche vor Ostern. Nicht Weihnach- ten. Die feste Fehmarnbelt-Querung erinnert aber an kindliche Weihnachtswünsche. Mit realistischer Politik hat sie nichts zu tun. So wie vielen sogenannten Ver- kehrsexperten ein Blick auf die Straßenkarte genügt, um festzustellen, dass sich darauf ein großes Loch befindet u s w c m A S B l b A b S I d u k n i s H E F u M e G t T s h u m P g t M m l e n W g m w D s r B m u z (C (D nd folglich eine neue Autobahn gebraucht wird, so chwelgen einige Politiker aus dem Norden und Nord- esten in Brückenphantasien. Aber während die kindli- hen Weihnachtswunschlisten meist finanziell im Rah- en bleiben, soll ihr Traum, für mich ist es ein lbtraum, 5,5 Milliarden Euro kosten. Die bestehende Fährverbindung ist gut und effektiv. ie kann bei Bedarf weiter verbessert werden – zu einem ruchteil der Kosten der Brücke. Außerdem sichert al- ein diese Fährverbindung über tausend Arbeitsplätze – ei der Brücke wird es nur ein Bruchteil davon sein. uch durch die Brücke selber werden kaum neue Ar- eitsplätze entstehen. Schließlich werden hier nicht zwei tädte, sondern nur Rapsfelder miteinander verbunden. ch war persönlich bei der Vorstellung des Gutachtens zu en regionalen wirtschaftlichen Effekten der Brücke – nd war sehr enttäuscht. Denn dieses Gutachten zeigt eine konkreten Perspektiven auf, sondern stützt sich ur auf vage Vermutungen. Die Ansicht, dass die Brücke wirtschaftlich unnötig st, vertritt übrigens auch das Kieler Institut für Weltwirt- chaft, dem wohl niemand unterstellen wird, es sei ein ort von linker oder ökologisch motivierter Politik. Während also die erhofften positiven wirtschaftlichen ffekte mehr als fragwürdig sind, liegen die negativen olgen klar auf der Hand: Erstens der Verlust von Arbeitsplätzen bei den Fähren nd Häfen, nicht nur auf Fehmarn, sondern auch in ecklenburg-Vorpommern. Zweitens eine massive Be- inträchtigung der Meeresökologie und eine erhebliche efährdung der Zugvögel. Und drittens der Verlust der ouristischen Attraktivität von Fehmarn, wenn diese zur ransitstrecke ausgebaut wird und die Brücke die Land- chaft verschandelt. Deshalb fordere ich Sie dazu auf: Lassen Sie uns jetzt ier und heute endlich einen Schlussstrich unter diese nsinnige Planung setzen. Und Kollege Hacker, Ihnen öchte ich noch sagen: Wir können eben nicht weitere rüfungsergebnisse abwarten. Denn wenn die Bundesre- ierung erst einmal eine Vereinbarung mit Dänemark ge- roffen hat, dann sind Sie bestimmt der letzte, der den ut hat, dies im Bundestag wieder zu revidieren. Auch das Bundesverkehrsministerium sieht die Feh- arnbelt-Querung erfreulicherweise nicht als vordring- ich an. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das nur ine taktische Aussage war, damit die Dänen die volle fi- anzielle Last und das gesamte Risiko übernehmen. enn es aber der Versuch war, dass Projekt zu beerdi- en, ohne dafür die politische Verantwortung überneh- en zu müssen, so war die Strategie bislang sogar teil- eise erfolgreich. Jedenfalls mehrt sich auch in änemark die Einsicht, dass die von Deutschland vorge- chlagene Lastenverteilung nicht gerade gerecht ist. Als Bundespolitiker könnte man sich natürlich zu- ücklehnen, wenn Deutschland praktisch nichts für die rücke bezahlt, weil Dänemark fast alles übernehmen uss. Ich bin aber Abgeordneter aus Schleswig-Holstein nd als solcher liegen mir die von der Landesregierung ugesagten 60 Millionen Euro schwer im Magen. Ange- 9336 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 91. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 (A) ) (B) ) sichts der Gesamtkosten klingt das natürlich wenig. An- gesichts der Mittelkürzungen in der letzten Zeit ist das aber sehr viel. So hat Schleswig-Holstein bei den Schü- lerverkehren, dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld für Be- amte und dem Kommunalen Finanzausgleich erheblich gekürzt. Und einer mit dem Bundespreis für Effizienz ausgezeichneten Alphabetisierungskampagne der Volks- hochschulen wurde das Budget gestrichen: Einsparung ganze 100 000 Euro. 60 Millionen Euro sind also eine ganze Menge Geld für ein armes Bundesland wie Schleswig-Holstein, die für wesentlich wichtigere Auf- gaben als eine überflüssige Brücke gebraucht werden! Auf wie wackligen Beinen das ganze Projekt steht zeigt auch, dass großzügig 1,5 Milliarden Euro Zuschuss aus TEN-Mitteln eingeplant werden. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern auch unredlich. Die EU wurde ge- rade auf 27 Mitglieder erweitert. Meinen Sie nicht, dass Europa keine dringlicheren Aufgaben hat als zwei alten, reichen Mitgliedstaaten eine Brücke zu spendieren? Aus den gut 8 Milliarden Euro TEN-Mitteln, die bis 2013 zur Verfügung stehen, sollen 30 Projekte mit ge- schätzten Kosten von insgesamt 600 Milliarden Euro fi- nanziert werden. Glauben Sie im Ernst, die EU bewilligt – wenn Sie überhaupt etwas bewilligt – den Höchstsatz von 30 Prozent? Und beanspruchen Sie damit nicht Geld, das viel dringender für den Ausbau der Verkehrs- wege in die ost- und mitteleuropäischen Staaten ge- braucht wird? Angela Merkels Rede zu 50 Jahren EU be- jubeln, um bei der nächsten Gelegenheit den nationalen Egoismus bis zum Exzess auszuleben, das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren von der Großen Koalition. Schon seit 45 Jahren wird der Bau einer festen Que- rung über den Fehmarnbelt zwischen Deutschland und Dänemark diskutiert. Lassen Sie uns diesen Albtraum jetzt beenden, damit wir in einigen Jahren nicht das 50- jährige Jubiläum der gescheiterten Brückenträume feiern müssen. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Noch ist es nicht offiziell, doch die Spatzen pfei- fen es von Dächern: Die Pläne für den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung sind so gut wie vom Tisch. Für die Europäische Union hat das Projekt keine Prio- rität. Wie neuerdings auch aus dem Bundesverkehrsmi- nisterium zu hören ist, misst die EU der festen Brücke vom deutschen Puttgarden zum dänischen Rodby keine europäische Bedeutung bei. Das ist richtig so. Das Pro- jekt ist ein regionales Infrastrukturprojekt. Ohne die Fi- nanzspritze der EU ist das Projekt nicht zu realisieren. Allein für den Bau der Brücke werden rund vier Milliar- den Euro veranschlagt. Dazu kommen rund eineinhalb Milliarden Euro, um die Brücke an die bestehenden Ver- kehrsnetze anzubinden. Private Investoren sind abgesprungen, nachdem be- kannt wurde, dass voraussichtlich nicht annähernd so viele Autofahrer die feste Beltquerung nutzen würden, wie von der schleswig-holsteinischen Landesregierung behauptet. So werden wohl auch die Mauteinnahmen w D d S d g W d e b s i t w i C e t L F g a f d b h D S w g L g s n t S s s j V V t u s i S L a z n T D (C (D eit geringer ausfallen als ursprünglich angenommen. ie privaten Geldgeber bestehen darauf, dass die Bun- esregierung die Refinanzierung über Mautgebühren mit taatsgarantien absichert. Decken die Einnahmen aus en Mautgebühren die Kredite nicht, müssen die Steuer- elder die Lücken füllen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verkehrsminister olfgang Tiefensee haben jedoch schon vor Wochen eutlich gemacht, dass sich die Bundesregierung nicht im rhofften Umfang an den Kosten für den Bau der Brücke eteiligen wird. Die Kosten für die Hinterlandanbindung ind nicht im Bundesverkehrswegeplan eingestellt. Es ist nzwischen mehr als unwahrscheinlich, dass sie im zwei- en Investitionsrahmenplan 2011 bis 2015 bereitgestellt erden. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hält an hrer Traumtänzerei fest. Ministerpräsident Peter Harry arstensen und Verkehrsminister Dietrich Austermann rklären wiederholend, die Zuschüsse der EU seien in rockenen Tüchern. Diese Hoffnungen haben sich als uftschlösser erwiesen. Dieses Ergebnis ist ein Erfolg. Bekanntlich hat die raktion des Bündnisses 90/Die Grünen dieses ökolo- isch und ökonomisch unsinnige Projekt von Anfang an bgelehnt. Das Projekt ist ein ökologisches Abenteuer, inanziell unvertretbar, kostet Arbeitsplätze und gefähr- et die bestehende Fährlinie. Wir freuen uns, wenn diese unsinnigen Pläne endlich egraben werden. Weniger erfreulich ist, dass die Bezie- ungen zur dänischen Seite Schaden genommen haben. ie dänische Regierung fühlt sich von der Regierung chleswig-Holsteins hingehalten, mit Recht. Die schles- ig-holsteinische Landesregierung hat Versprechungen emacht, denen offensichtlich jede Grundlage fehlte. Der neueste Vorstoß der schleswig-holsteinischen andesregierung musste das Fass zum Überlaufen brin- en: Die Dänen sollten die Finanzlücke schließen und tatt der Hälfte bis zu 80 Prozent zuschießen und damit ahezu das komplette finanzielle Risiko alleine schul- ern. Das Hin und Her der Deutschen hat auf dänischer eite für Ärger gesorgt und das Interesse schwinden las- en. In der aktuellen Debatte bezweifeln dänische Wis- enschaftler und Verkehrspolitiker den Nutzen des Pro- ekts. Sie fordern stattdessen eine innerdänische erbindung zwischen Jütland und Seeland. Nun ist Schadensbegrenzung im deutsch-dänischen erhältnis gefragt. Die Bundesregierung wäre gut bera- en, Einfluss auf die Kieler Landesregierung zu nehmen nd intellektuelle Überzeugungsarbeit zu leisten. Dabei ollte die Berliner Große Koalition der Großen Koalition n Kiel klare inhaltliche Vorgaben machen. Der erste chritt wären offene Worte der schleswig-holsteinischen andesregierung. Sie sollte ehrlich sein und sich ein für lle Mal von ihrem Prestigeprojekt verabschieden. Der weite Schritt wäre, zukunftsfähige Infrastrukturmaß- ahmen nicht länger zu blockieren und in nachhaltigen ourismus und den Ausbau der Fährverbindung nach änemark zu investieren. 91. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. März 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Marion Caspers-Merk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    (Beifall bei der SPD)





    (A) )


    (B) )


    (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

(Beifall bei der FDP)

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Daniel Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    m Gegenteil: Sie erhöhen die Lasten für die kleineren
    nd mittleren Krankenhäuser.

    Wie sieht denn die Realität aus? Durch die
    esundheitsreform 2007 sind die Lasten der Kranken-
    äuser gestiegen. Sie haben die Krankenhäuser nicht
    twa bei der Umsetzung dieser neuen Arbeitszeitmodelle
    nterstützt, sondern sie haben ihnen weitere Lasten auf-
    rlegt.


    (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Frank Spieth [DIE LINKE])


    in Sparopfer von 250 Millionen Euro entzieht den
    äusern wichtige finanzielle Mittel. Das belastet gerade
    ie kleineren und mittleren Krankenhäuser und beein-
    rächtigt die qualitativ hochwertige, flächendeckende
    ersorgung der Bevölkerung, da Finanzkürzungen
    wangsläufig mit Einsparungen im Leistungsbereich
    inhergehen. Dazu kommt die Mehrwertsteuererhöhung
    m 3 Prozentpunkte, die die Krankenhäuser in Deutsch-
    and insgesamt mit vermutlich etwa 500 Millionen Euro
    elastet, und die Anschubfinanzierung für die integrierte
    inanzierung, die den Krankenhäusern zunächst finan-
    ielle Mittel entzieht. Es bleibt die Frage offen, ob sie im
    elben Umfang finanzielle Mittel zurückbekommen.
    icht zuletzt sind die Tariferhöhungen zu erwähnen. Die

    iegen nicht in Ihrer Verantwortung – das will ich nicht
    agen –, dafür ist nicht die schwarz-rote Bundesregie-
    ung verantwortlich. Aber wir müssen doch ehrlicher-
    eise die Situation der Krankenhäuser sehen. Wir haben
    och alle gemeinsam ein Interesse daran, dass gerade die
    leineren und mittleren Krankenhäuser ihre Aufgabe der
    lächendeckenden Versorgung bewältigen können. Nicht
    uletzt ist die Umstellung auf die neue Finanzierung mit
    em Fallpauschalensystem – wir befinden uns bis 2009
    n der Konvergenzphase – zu erwähnen. Schließlich
    ommt die Umsetzung der Arbeitszeitmodelle hinzu.

    In diesem Umfeld belasten Sie die Krankenhäuser
    eiter und geben ihnen eben nicht die Unterstützung, die

    ie brauchen. Wir, alle Fraktionen hier im Deutschen
    undestag, wollten gemeinschaftlich dafür sorgen, dass
    ustände beendet werden, die dadurch gekennzeichnet
    ind, dass Ärzte nicht mehr mit voller Konzentration ar-
    eiten können und überlastet sind. Ein übermüdeter
    rzt hat nach 24 Stunden Arbeit noch eine Reaktions-
    nd Konzentrationsfähigkeit, als ob er ein Promille Al-
    ohol im Blut hätte. Er dürfte nicht mehr Auto fahren.
    äre er der Fahrer, würden wir nicht in sein Auto ein-

    teigen; denn wir müssten Angst um unser Leben haben.
    ie Situation in den Krankenhäusern ist so, dass Ärzte in
    iesem Zustand noch operieren und versuchen, Leben zu
    etten.

    Ich kann den Frust vieler Ärzte verstehen. Wir spüren
    iesen Frust. Gerade in den Krankenhäusern verschlech-






    (A) )



    (B) )


    Daniel Bahr (Münster)

    tern sich die Arbeitsbedingungen zusehends. Immer
    mehr junge Menschen gehen nach Abschluss ihres Me-
    dizinstudiums in Deutschland ins Ausland, um dort als
    Arzt zu arbeiten. Ärztemangel wird die Folge sein, und
    darunter werden die Patienten zu leiden haben. Also
    müssen wir uns doch Gedanken darüber machen, wie
    wir die Arbeitsbedingungen verbessern können.

    Die FDP hat nichts anderes als Sie vorgeschlagen: dass
    die zur Umsetzung solcher Arbeitszeitmodelle – Bereit-
    schaftszeit soll als Arbeitszeit gelten – zur Verfügung ge-
    stellten Mittel bis ins Jahr 2009 aufwachsen. Wir sind für
    eine Vorziehung der Bereitstellung dieser Mittel. Sie soll-
    ten nicht erst im Jahr 2009 in vollem Umfang zur Verfü-
    gung stehen, sondern jetzt. Das wäre gerade für die
    Krankenhäuser ein Signal zur Umsetzung dieser Arbeits-
    zeitmodelle. Die heutige gesetzliche Regelung sieht vor,
    dass die Krankenhäuser diese Arbeitszeitmodelle umset-
    zen. Ich wiederhole: Es bringt den Krankenhäusern
    nichts, dass diese Mittel erst im Jahr 2009 in vollem Um-
    fang zur Verfügung stehen.


    (Heinz Lanfermann [FDP]: Gib sofort, und du gibst doppelt!)


    Stimmen Sie unserem Antrag also zu! Unterstützen
    Sie die Krankenhäuser! Sorgen Sie dafür, dass diese
    Mittel schon ab diesem Jahr in vollem Umfang von
    700 Millionen Euro abgerufen werden können, damit die
    Krankenhäuser diese Arbeitszeitmodelle schnellstmög-
    lich umsetzen können!

    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


    (Beifall bei der FDP)