Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Sitzung ist eröffnet.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Beratung des Antrags der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräftean dem Einsatz einer Internationalen Sicher-heitsunterstützungstruppe in Afghanistan un-ter Führung der NATO auf Grundlage der Re-solutionen 1386 , 1413 (2002), 1444
, 1510 (2003), 1563 (2004), 1623 (2005)
und 1707 des Sicherheitsrates der Ver-einten Nationen– Drucksache 16/4298 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürBrauKaNVWnrwdJfdeRedetdie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-außenminister, Dr. Frank-Walter Steinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren Abgeordneten! Wieder einmal beschäftigt dasThema Afghanistan den Deutschen Bundestag. Schonfünf Jahre lang engagieren wir uns für Friedederaufbau in diesem Land. Die Erinnerungschläge von Washington und New York beginzu verblassen.
Wir haben in Afghanistan viel erreicht. Besonders imorden des Landes, wo die Bundeswehr arbeitet underantwortung trägt, hat sich die Situation verbessert.ir haben Straßen und Schulen gebaut. Wir haben Brun-en gebohrt. Millionen von Flüchtlingen konnten zu-ückkehren. 7 Millionen Jungen und Mädchen könnenieder eine Schule besuchen.
Es muss aber auch gesagt werden: Vor allem im Sü-en des Landes hat sich die Situation im vergangenenahr verschärft. Dort vollzieht sich der Wiederaufbauür viele Afghanen nicht schnell genug. Dort kämpfenie Taliban gegen den Fortschritt für die Menschen, weilr aus dem Westen kommt und weil er den Erfolg ihrerextreligiösen Ideologie untergräbt. Darum kämpfen die Ta-libankräfte dort nicht nur gegen die NATO, sondern zer-stören auch gerade wieder aufgebaute Schulen und an-dere Projekte, die dem Wohle der Menschen dienen. Ausdiesem Grund darf der Einfluss der Taliban im Südenund Südosten des Landes nicht weiter anwachsen.
Afghanistan wird nur dann eine gute Zukunft haben,wenn auch der Süden und der Osten des Landes von derwachsenden Stabilität, die wir im Norden sehen, profi-tieren. Diese Stabilität konnte erst durch das Tätigseinundeswehr, sondern auch vieler zivilernen wachsen. Wir haben uns vielfach beier deutschen Bundeswehr bedankt. Dash heute tun. Wir wollen uns heute abern und Wie-an die An-nt langsamnicht nur der BHilfsorganisatioden Soldaten dwollen wir auc
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierauch bei den Helfern der vielen zivilen Hilfsorganisatio-nen von dieser Stelle aus bedanken.
Wir können dennoch nicht darüber hinwegsehen, dassdie gegensätzliche Entwicklung in den einzelnen TeilenAfghanistans, die ich gerade geschildert habe, auch dasBündnis, die Solidarität innerhalb der NATO, auf eineharte Probe stellt. Als vor Jahren verschiedene Verant-wortlichkeitszonen in Afghanistan eingerichtet wurden,war das in dieser Form vielleicht noch nicht absehbar.Obwohl sich das Anschlagsniveau im Norden – ichsprach gerade davon – im Laufe des letzten Jahres erhöhthat, ist die Lage in den unter deutschem Command ste-henden Nordprovinzen immer noch stabiler und ruhigerals anderswo.Andere Nationen – nicht nur die USA, sondern auchdie Niederlande, Dänemark und Kanada – befinden sichim Süden des Landes in einem Einsatz, der viele ihrerSoldaten das Leben gekostet hat. Manche werfen unsund anderen vor, dass die Lastenverteilung im Bündnismanchmal nicht fair ist. Um das ganz klar zu sagen: Ichhalte diesen Vorwurf, soweit er sich an uns gerichtet hat– in der Debatte vor dem letzten NATO-Gipfel in Rigahaben das viele verfolgt –, für unberechtigt.
Denn es ist doch nach wie vor so, dass wir mit unseren2 800 Soldaten zu den größten Truppenstellern innerhalbder ISAF gehören. Wir Deutsche haben in den vergange-nen Monaten viel dafür getan, unsere politischen An-strengungen für die Zukunft Afghanistans weiter zu er-höhen. Dies geschieht bilateral und durch europäischeInitiativen.Erst gestern hat die Bundesregierung angekündigt– Dank an den BMZ-Haushalt –, unseren Anteil für denzivilen Aufbau um weitere 20 Millionen Euro zu erhö-hen.
Dieses Geld wird auch in Zukunft für Schulausbildung,für Krankenversorgung und für Infrastruktur im weites-ten Sinne zur Verfügung stehen. Nicht nur das: Sie wis-sen, dass wir uns auf europäischer Ebene mit anderendafür eingesetzt haben, dass unsere Anstrengungen unddie der Italiener beim Polizeiaufbau und beim Aufbaudes Justizapparates von anderen europäischen Nationenunterstützt werden. Die entsprechenden Beschlüsse wur-den im letzten Allgemeinen Rat vor zwei Wochen ge-fasst.Im NATO-Rat – auch das muss erwähnt werden – ha-ben wir mit anderen eine Debatte über eine bessere Ver-knüpfung von zivilen und militärischen Maßnahmenangestrengt. Nicht nur das: Wir haben auch eine Debatteüber den Stellenwert ziviler Wiederaufbaumaßnahmenangeregt.dSrrmAPkWMsDufdueddLswdnzdLeirtSDsgtIeOKOdnOfhdM
lle kennen den Anlass ihrer Präsenz. Der Anlass ihrerräsenz ist: Afghanistan muss wieder auf die Beineommen, muss alleine lebensfähig werden.Deshalb werden wir und viele andere ihre zivileniederaufbauanstrengungen ausweiten. Sie haben heuteorgen gelesen, dass zum Beispiel Kanada die Eigenan-trengungen jetzt um weitere 100 Millionen Euro erhöht.as ist erfreulich. Aber so erfreulich das ist, es machtnsere militärische Präsenz in Zukunft noch nicht über-lüssig. Die NATO hat beim Einsatz für den Frieden iner Vergangenheit zusätzliche Aufgaben übernommennd den Bedarf für weitere Hilfe angemeldet. Ich haltes für unabdingbar, an solche Hilfen zu denken, damiter Einsatz der ISAF insgesamt gelingt.Ob das nun so ist oder nicht, ob der eine oder andereas wahrhaben will oder nicht: Die Aufklärung aus deruft kann nun einmal – der Verteidigungsminister wirdicher darauf hinweisen – kein System so gewährleistenie die RECCE-Tornados unserer Bundeswehr. Ihre Bil-er verbessern das Lagebild für die ISAF-Mission, die-en damit auch dem Schutz der ISAF-Soldaten, undwar in ganz Afghanistan, auch jener, die sich in beson-ers schwierigen Einsatzgebieten im Süden befinden.etztlich kommt ein verbessertes Lagebild – um das gehts hier – auch den zivilen Helfern und der Bevölkerungn Afghanistan selbst zugute.
Die Entsendung der Tornados ist ein Zeichen unse-er Unterstützung der ISAF und der NATO in Afghanis-an in zweifellos schwieriger Zeit. Ich sage: Aus meinericht sind wir diese Solidarität dem Bündnis schuldig.eshalb sind wir bei der schwersten Aufgabe in der Ge-chichte dieses politisch-militärischen Bündnisses jetztefragt. Kanadier, Niederländer und US-Amerikaner bit-en um die Tornados ausschließlich im Auftrag derSAF-Mission. Ich kann Ihnen versichern: Aufklärungs-rgebnisse werden eingeschränkt und kontrolliert an dieEF-Mission übermittelt, die sich, wie Sie wissen, demampf gegen den Terror widmet. So steht es im ISAF-perationsplan.Wir haben einen sogenannten Close Air Support iniesem Mandat explizit ausgeschlossen. Aber es wäreicht ehrlich, wenn ich nicht hinzufügen würde: DieEF ist natürlich kein Teufelswerk, weil sie militärischür die langfristige Befriedung Afghanistans kämpft. Wiraben seit Anbeginn beides, ISAF und OEF, für notwen-ig gehalten. Vergessen wir bitte nicht: Auch die ISAF-ission ist auf Hilfe durch OEF-Soldaten angewiesen.
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Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierWie ich weiß, haben manche im Bundestag die Sorge,dass die Bundeswehr Zug um Zug in eine mehr oder we-niger unkontrollierte militärische Auseinandersetzunghineinschlittert. Ich teile diese Sorge nicht. Ich möchtedarauf hinweisen, dass wir bestimmte Formen des Ein-satzes der Tornados, nämlich den unmittelbaren Kampf-bezug, ausdrücklich ausgeschlossen haben. Wir stellendie Tornados nur für Aufklärungszwecke zur Verfügung.Ich verstehe das Unwohlsein einiger Abgeordneterhier im Haus; das habe ich signalisiert. Viele fragen– diese Fragen haben mich erreicht –, ob der militärischeKampf im Süden Afghanistans nicht Ausdruck einer ge-wissen politischen Hilflosigkeit ist. Manche zweifeln, obein langfristiger Frieden in Afghanistan mit dem derzei-tigen Konzept möglich ist, und fragen nach einerExitstrategie.Meine Damen und Herren, ich will all diesen unange-nehmen Fragen nicht ausweichen, sondern eindeutig ent-gegnen: Nein, nach meiner festen Überzeugung ist derAfghanistaneinsatz nicht gescheitert. Er wäre nur danngescheitert, wenn wir die erforderlichen Hilfen und Mit-tel für unsere politische Strategie zum Wiederaufbau,die natürlich weiterhin von militärischen Einsätzen be-gleitet sein muss, jetzt nicht zur Verfügung stellen.
Niemand will, dass die Bundeswehr bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag in Afghanistan bleibt. Unser Konzeptzielt darauf, dass die Region um Afghanistan ihre Kon-flikte langfristig selbst löst. Darum arbeiten wir gemein-sam mit anderen Partnern zum Beispiel daran, dass dieSpannungen zwischen Afghanistan und Pakistanüberwunden werden und der Boden für eine rationaleZusammenarbeit zwischen diesen beiden Ländern berei-tet wird. Wir haben die Außenminister Afghanistans undPakistans gerade erst zum nächsten G-8-Außenminister-treffen eingeladen, um die Möglichkeit einer konstrukti-ven Zusammenarbeit zu schaffen.
Ich komme zum Schluss. Wir müssen verhindern,dass Afghanistan wieder zu einer Ausbildungsstätte fürden internationalen Terrorismus wird. Wir müssen denMenschen in Afghanistan demonstrieren, dass die Teil-habe an Wohlstand, an Bildung und Forschung bessereChancen für ihre Kinder und Enkel birgt als ein Lebenunter den Zwängen radikaler Islamisten. Ich habe dasschon bei anderer Gelegenheit gesagt – der eine oder an-dere wird sich erinnern –, aber ich will es mit Nachdruckwiederholen: Afghanistan ist nur verloren, wenn wir esverloren geben.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Werner Hoyer, FDP-
Fraktion.
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Wir dürfen auch nicht übersehen, was es bedeutenwürde, wenn wir nicht hinreichend Einfluss nehmen aufdie Kommandokette. Da sind gestern bei uns in derFraktion wichtige Antworten vom Verteidigungsministergegeben worden.Die Bundesregierung hat das Abstimmungsverhaltenvieler hier im Hause, auch aus unserer Fraktion, nochimmer in der Hand, glaube ich. Wir wollen eben sehen,dass tatsächlich ein Strategiewechsel des Bündnissesauch insofern sichtbar wird, als die Priorität des Politi-schen vor dem Militärischen wieder deutlich erkennbarwird; dass die Aufbauarbeit nicht nur als Nebenkriegs-schauplatz begriffen wird, sondern als unsere Hauptauf-gabe. Gleichwohl vergessen wir nicht, weswegen wirüberhaupt in Afghanistan sind, nämlich um nach den Er-eignissen des 11. Septembers 2001 al-Qaida und die Ta-liban zu bekämpfen und den Terrorismus, der von diesenOrganisationen ausgeht, aus unserem eigenen Lande her-auszuhalten; das darf man bei all dem nicht vergessen.
Die Bundesregierung wird uns auch deutlich machenmüssen, dass sie sich der Verantwortung für ISAF insge-samt bewusst ist. Es wird ja häufig so getan, als würdenwir schöne, saubere Aufgaben im Norden wahrnehmen,während andere im Süden die Drecksarbeit machen. Soist es nicht. Wir müssen uns klarmachen: Die NATO ba-siert im Grunde auf dem Konsensprinzip; das gilt dannauch für eine NATO-Operation wie ISAF. Wir dürfennach meiner Auffassung auch nicht ungerecht sein ge-genüber unseren Partnern, wenn wir unseren Ansatz imNorden – die Vernetzung von Zivilem und Militärischem –für überlegen halten. Allerdings müssen wir dem auchTaten folgen lassen. Ich finde, die Ansätze im BereichPolizeizusammenarbeit, Justiz, Entwicklungspolitik sindeher mäßig. Die Art der Zusammenarbeit mit der militä-rischen Seite ist es ebenfalls.Von daher müssen wir sehr aufpassen, dass wir dieanderen nicht in ein falsches Licht rücken. Das gilt auchfür die Weitergabe von Ergebnissen. Dabei – das magSie vielleicht überraschen – bin ich sehr viel großzügigeraswwuukmdbDgHdFsdziesPnddARsSWDGnVdWiüVNd
Wir Liberalen werden den Antrag unvoreingenom-en prüfen und am nächsten Dienstag darüber entschei-en. Wir sind uns der Verantwortung, die wir tragen, ineiden Richtungen völlig bewusst.
Das Wort hat der Bundesverteidigungsministerr. Franz Josef Jung.
Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-ung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Bundesregierung hat entschieden, der Bitteer NATO zu entsprechen und die Lücke hinsichtlich derähigkeiten zur Luftaufklärung in Afghanistan zuchließen, und sie bittet das Parlament, diese Entschei-ung mit großer Zustimmung mitzutragen.Was ist der Sinn und Zweck, diese Aufklärungslückeu schließen? Tatsache ist, dass sich die Sicherheitslagen Afghanistan im letzten Jahr verschlechtert hat. Es istine erhebliche Zunahme der Zahl der Selbstmordan-chläge und Angriffe auf unsere Soldaten – sei es mitanzerfäusten oder anderen Geschossen – zu verzeich-en. Ich habe deshalb schon im letzten Jahr entschieden,ass der Schutz unserer Soldaten erhöht wird, und zwarurch geschützte Fahrzeuge, aber auch durch unsereufklärungsdrohne LUNA, die der Aufklärung in einemadius von 40 Kilometern dient.Jetzt geht es darum, die Aufklärungslücke für Ge-amtafghanistan zu schließen, auch im Interesse deschutzes unserer Soldaten, der Soldaten von ISAF, deriederaufbauteams, aber auch der zivilen Bevölkerung.ies entspricht der Bitte der NATO, und es ist derrund, warum wir um Zustimmung für dieses Mandatachsuchen.
Wir haben mit der NATO abgestimmt, wie wir dieerantwortung wahrnehmen. Daran hat sich auch trotzer einen oder anderen Irritation, die sich in der letztenoche vielleicht ergeben hat, nichts geändert. Tatsachest: Wir haben zunächst im Norden die Verantwortungbernommen. Dann haben die Italiener im Westen dieerantwortung übernommen, die Briten, Kanadier undiederländer im Süden, die Amerikaner im Osten undie Franzosen in Kabul.
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Bundesminister Dr. Franz Josef JungDie Ausweitung auf den Süden ist im Juli letzten Jah-res und auf den Osten im Oktober des letzten Jahres ab-geschlossen worden. Das hatte zur Folge, dass jetzt auchdie Amerikaner und die Briten dem ISAF-Mandat unddamit auch der NATO-Kommandoführung unterworfensind und dass wir eine Gesamtverantwortung für Sicher-heit und Wiederaufbau in Afghanistan haben.Das hat auch etwas damit zu tun, wie sich nunmehrdie Verantwortung unserer Soldaten in den Kom-mandostrukturen darstellt. Manchmal wird argumen-tiert, die Kommandostruktur sei einseitig durch die Ver-einigten Staaten von Amerika geprägt. Dies ist nichtzutreffend. Tatsache ist: Wir haben heute eine Komman-dostruktur mit dem NATO-Oberbefehlshaber, GeneralCraddock – einem Amerikaner –, aber in der NATO-Kommandostruktur in Brunssum ist unser GeneralRamms für Afghanistan verantwortlich. In der unmittel-baren Kommandostruktur in Afghanistan ist GeneralMcNeil, ein Amerikaner, zuständig, aber Stabschef imHauptquartier der ISAF ist unser General Kasdorf.Ich will damit deutlich machen, was für die Umset-zung, die militärische Verantwortung und die Gesamt-strategie, die wir für notwendig erachten – ich kommegleich darauf zurück –, nämlich militärische Sicherheitzu gewährleisten, aber auch den Wiederaufbau voranzu-treiben, gilt: ohne Sicherheit keine Entwicklung, aberohne Entwicklung auch keine Sicherheit. Das ist die Phi-losophie, die sicherstellt, dass wir in Afghanistan erfolg-reich sein werden.
Unsere Tornados haben hervorragende Fähigkeiten;der Außenminister hat darauf hingewiesen. Sie könnenbei der Tagaufklärung in einer Höhe von bis zu8,5 Kilometern auch bei schlechtem Wetter und einerGeschwindigkeit von über 1 000 km/h exakte Bilder lie-fern und Nachtaufklärung durch Infrarot betreiben. Siegewährleisten damit, dass Schutzfunktionen verhältnis-mäßiger und angemessener wahrgenommen und dass da-mit Risiken im Vorfeld beseitigt werden können. Dasmacht den Schutz deutlich, den die Tornados gewähr-leisten.Die Soldaten der Bundeswehr operieren mit einemMandat der Vereinten Nationen, und zwar sowohl imRahmen von ISAF als auch im Rahmen von OEF. Wiroperieren auf der Grundlage des Völkerrechtes. AndereDarstellungen entsprechen nicht der Wahrheit; diese willich hier deutlich zurückweisen.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat entschie-den, dass selbstverständlich beide Mandate unterstütztwerden; denn die Operation „Enduring Freedom“, dieder Terrorismusbekämpfung dient, zielt genauso auf dieGewährleistung der Sicherheit, die Stabilisierung undden Wiederaufbau ab wie das ISAF-Mandat. Deshalbhaben wir klar und deutlich gemacht, dass die Anforde-rung der Tornados durch ISAF erfolgt, dass aber dann,wenn es notwendig ist – so ist die Formulierung im Ope-rationsplan –, die entsprechenden Daten an die OEF wei-tUcgVtcbubffndssegßhzvtdWssmaszwhLusgKkafWDgazeAdsAkd
eshalb bitte ich Sie, diese Entscheidung der Bundesre-ierung zu unterstützen. Ich halte das auch im Hinblickuf unsere Soldatinnen und Soldaten für notwendig.Ich will noch einmal unterstreichen: Der Tornado hatwei Fähigkeiten. Er hat die Aufklärungsfähigkeit, undr hat die Kampffähigkeit. Es wird jetzt eindeutig dieufklärungsfähigkeit nachgefragt. Selbstverständlich ister Selbstschutz gegeben. Aber ich will auch deutlichagen: Der Einsatz unserer Soldatinnen und Soldaten infghanistan ist mit Risiken verbunden. Er ist mit Risi-en auch für Leib und Leben unserer Soldaten verbun-en. Sie machen dies im Interesse unserer Sicherheit und
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Bundesminister Dr. Franz Josef Jungeiner Entwicklung, die dazu beiträgt, dass Afghanistannicht wieder zu einem Ausbildungszentrum für Terroris-ten wird. Um all das und um eine positive Entwicklungzu gewährleisten – dazu dient jetzt unsere Entscheidung,mit der Aufklärungsfähigkeit eine Lücke zu schließen.Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.Besten Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Paul Schäfer, Frak-
tion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In die-sem Haus fallen wichtige Entscheidungen, noch wichti-gere und ganz besonders wichtige. Diese hier ist ganzbesonders wichtig. Es geht um die Frage: Verstrickt sichdie Bundesrepublik mit der Entsendung der Tornadosmehr und mehr in ein Kriegsgeschehen, aus dem es keinEntrinnen mehr gibt, oder werden mit dem Nein zur Ent-sendung der Tornados die Weichen für einen Truppenab-zug und für den zivilen Aufbau des Landes gestellt? Dasist die Grundfrage.
Machen wir uns nichts vor: Mit den sechs bis achtTornados werden wir ein nicht mehr wegzudenkenderBestandteil eines robusten Kampfeinsatzes, der mit einerFrühjahrsoffensive der NATO – so heißt es – beginnt,dessen Ende aber ungewiss ist. Machen wir uns nichtsvor: Die Bilder aus den Tornados sind nicht für das Fa-milienalbum und nicht für die Wetterkarte. Hier werdenals militärisch wichtig erachtete Ziele aufgeklärt, diedann mit militärischen Mitteln – sprich: Bomben undRaketen – bekämpft werden sollen. Dass die gesamteNATO-Armada inzwischen nicht unbeträchtlich aufge-stockt wird, zeigt, wie ernst man das meint. Außerdemsollen die Tornados die britischen Harriers ersetzen, diedamit für unmittelbare Kampfeinsätze frei werden. Ge-walteskalation ist vorprogrammiert. Umso wichtiger isthier jetzt unser Nein.
ISAF war ursprünglich eine reine Schutztruppe derNATO zur Sicherung des zivilen Aufbaus.
Zeitgleich wurde ein harter Kampf, ein harter Krieg ge-gen den Terror im Süden des Landes geführt. Jetzt habenwir eine Ausweitung von ISAF. Man hätte annehmenkönnen, dass die allzu robusten Kampfverbände durcheine Schutztruppe ersetzt würden. Aber wir erleben eineeigenartige Umkehrung: ISAF führt heute Luftkrieg,ISAF ist inzwischen an robusten Bodenoperationen be-teiligt. ISAF und „Enduring Freedom“ sind zwar formalnoch getrennte, aber nicht mehr zu trennende Militärein-sKWdWDnuGSsekzMSedliwfddDarsFudSvsSHmnvnßamgdD
Aus dem Irak ist doch zu lernen. Mit überlegenentreitkräften einen Krieg zu gewinnen, ist gar nicht sochwierig. Mission accomplished, Mission erfüllt. Aberine dauerhafte Befriedung und eine nachhaltige demo-ratische Entwicklung sind nicht zu erreichen, dies nichtuletzt deshalb, weil viele Unschuldige sterben undenschen unter diesen Zerstörungen leiden müssen.Die Militärs können Ihnen nicht garantieren, dass siechmuggelkarawanen und lose Talibantrupps genau aus-inanderhalten können. Sie können nicht garantieren,ass man untergetauchte Widerstandskämpfer und Zivi-isten fein säuberlich auseinanderhalten kann. Deshalbst klar: Es werden Unschuldige getötet werden, und daserden bewaffnete Dschihadisten als Rechtfertigung da-ür nehmen, dass sie den Terror hierher tragen. Wenn wirabei sind, wenn an der Gewaltspirale gedreht wird,ann ist es nicht aus der Luft gegriffen, zu sagen:eutschlands Sicherheit wird am Hindukusch gefährdet.
Terroristen muss man entgegentreten – wohl wahr! –;ber man darf ihnen keinerlei Nährboden bieten. Da-über, wie man diesen Nährboden trockenlegt, muss ge-prochen werden. Gesprochen werden muss über denrust und den Zorn der Menschen, vor allem im Südennd Osten des Landes. Dass es nicht vorangeht, dass sichie Lage verschlechtert hat, zeigen neuere Studien, dieie einfach nicht zur Kenntnis nehmen, zum Beispiel dieom Senlis Council. Wir haben heute Morgen festge-tellt, dass die Regierung diese Studie gar nicht kennt.o ist die Lage.Die Befürworter der Tornadoentsendung setzen ihreoffnung jetzt auf eine Art Doppelstrategie: einerseitsehr Krieg, andererseits mehr Entwicklungsinvestitio-en. Aber das ist nicht einmal ein Nullsummenspiel. Wieiele Mittel vor Ort tatsächlich ankommen, steht auf ei-em anderen Blatt.Afghanistan gilt als das erste Beispiel eines von au-en erzwungenen Regimewechsels. Heute gilt es auchls Referenzprojekt für die NATO, um zu zeigen, wiean gescheiterte Staaten aufzubauen gedenkt. Ichlaube, dieser Weg führt in die Sackgasse. Wir solltenaher umkehren, ehe es zu spät ist.Das sieht übrigens die überwiegende Mehrzahl dereutschen genauso. Diese Menschen sind gegen die
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Paul Schäfer
Tornadoentsendung. Wenn Politiker der Großen Koali-tion jetzt laut darüber nachdenken, ob wir zukünftigmehr Vorratsbeschlüsse des Parlaments brauchen, sozeugt das, wie ich finde, nicht von urdemokratischer Ge-sinnung. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Hören Sieauf die Leute! Ändern Sie Ihre Politik! Fangen Sie damitan, die deutschen Truppen aus Afghanistan zurückzuzie-hen!Danke.
Nächster Redner ist der Kollege Fritz Kuhn, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Wenn man von der Linken und der PDS ein-mal konkret hören würde, wie nach ihrer Vorstellung derinternationale Terrorismus effektiv bekämpft, die zivileGesellschaft in Afghanistan unter den jetzt im Landeherrschenden Bedingungen gestärkt und der Staat aufge-baut werden können,
dann würden sie an Glaubwürdigkeit gewinnen. Aberdazu sagen die Linken in diesen Debatten nie etwas.
Ich will für meine Fraktion sagen, dass wir zum deut-schen und internationalen zivilen und auch militärischenEngagement in Afghanistan im Grundsatz stehen. Wirstehen zu ISAF als der klassischen Verbindung von mili-tärischer Sicherheit auf der einen Seite und zivilem Auf-bau und Nation-Building auf der anderen Seite.Wir haben über den Antrag der Bundesregierung zuentscheiden, ob man das ISAF-Mandat um den Einsatzvon sechs bis acht Tornados ergänzen soll. Das ist eineschwierige Situation, die ich erläutern will. Die Situationist schwierig, weil nicht ganz klar ist – Herr Hoyer, erstnach Prüfung dieser Frage wird meine Fraktion nächstenDienstag endgültig entscheiden –, ob der vieldiskutierteStrategiewechsel im Zusammenhang mit dem, was inAfghanistan bezüglich ISAF geschieht, tatsächlich statt-findet oder ob er nur auf der Ebene verbaler Bekundun-gen, sozusagen PR-mäßig bzw. proklamatorisch, abläuft.Es geht darum, ob er vor Ort, also da, wo die Menschensind, wirklich umgesetzt wird. Das ist zum jetzigen Zeit-punkt eine schwer entscheidbare Frage.Mitglieder unserer Fraktion haben in unserer heutigenFraktionssitzung gesagt: Ich bin für ISAF und den damitverbundenen Ansatz. – Diese Kollegen sind aber skep-tisch, ob dieser Ansatz unter den jetzigen Bedingungendurch den Einsatz von Tornados gestärkt werden kann.Andere Mitglieder unserer Fraktion sagen: Jawohl, wirunterstützen dies, weil wir die Hoffnung haben, dass einStrategiewechsel stattfindet und dass der Einsatz vonTShdiagGgtsTnMsmfslbzawdddAmbsdhdüPswienatkdzohBFL
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Das Wort hat der Kollege Walter Kolbow, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auch die SPD-Bundestagsfraktion ist der Meinung, dasses gut ist, dass wir heute über diesen Antrag der Bundes-regierung diskutieren und eine politische Entscheidunghier in diesem Parlament einer juristischen Auslegungvorziehen.
Natürlich sind die Fragen, die gestellt worden sind, biszur Entscheidung im Deutschen Bundestag in der nächs-ten Woche noch zu beantworten. Aber es ist auch schoneine Reihe von Antworten gegeben worden. Wenn manwill, dann kann man diese Antworten zu seiner Entschei-dungsfindung heranziehen.
Auch im Interesse der Zeitersparnis will ich hier aufdas verweisen dürfen, was der Außenminister und derVerteidigungsminister zu den politischen, strategischen,abeAlAUaWuTWddau„wtihAdvGmlzMngOaNKdwssamKmlIkt
Also: Greifen wir es auf! Setzen wir im Süden undsten fort, was wir – wir wollen uns da nicht hervortun,ber sollten das doch selbstbewusst sagen dürfen – imorden begonnen haben!Ich bin schon der Meinung, verehrter Herr Kollegeuhn, dass der Strategiewechsel greift. Wenn Sie sichie „development zones“ der Briten und auch die Ent-icklung bei unseren amerikanischen Partnern an-chauen, stellen Sie in diesem Zusammenhang Fort-chritte fest. Die PRTs, die Stabilitätsinseln, von denenus in die Provinzen hinein das zivile Wiederaufbauele-ent gestärkt werden soll, sind mittlerweile unter ISAF-ommando, und unsere Verbündeten nehmen mehr undehr die Ansicht auf, dass es ohne Fortschritt beim zivi-en Wiederaufbau nicht geht.
Ich erwähne die 200 Millionen Dollar der Kanadier.ch will an dieser Stelle einmal sagen dürfen, dass unsereanadischen Freunde in Afghanistan einen beispielhaf-en Dienst leisten.
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Walter Kolbow2 000 Soldaten und Soldatinnen von 33 000 insgesamtsind im Süden Afghanistans. Sie haben jetzt200 Millionen Dollar für den zivilen Wiederaufbau fürden Süden gegeben, natürlich auch deshalb, weil dieFreunde in Kanada erkannt haben, dass mit Mitteln fürden zivilen Aufbau auch Selbstschutz betrieben wird so-wie natürlich den Afghaninnen und Afghanen genutztwird.Das vermisse ich bei der sogenannten politischen Lin-ken in diesem Hause.
Sie überinterpretieren das Militärische, und Sie sagenkein Wort zum Gedanken des Schutzes unserer Soldatin-nen und Soldaten,
kein Wort zum Gedanken des Schutzes der zivilen Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter und kein Wort zum Schutzder afghanischen Bürgerinnen und Bürger vor terroristi-schen Anschlägen der Taliban.
Nun ein Satz zu denen, die der Meinung sind, wirwürden uns hier völkerrechtswidrig verhalten. Dies sindMandate, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen,der Inhaber des internationalen Gewaltmonopols, be-schlossen hat. In deren Rahmen handeln wir.
Unser Selbstverständnis, das der politischen, aber auchder militärischen Leitung, nicht nur im Verteidigungs-ministerium, das Selbstverständnis dieser Republikspricht für sich; völkerrechtswidrige Einsätze findennicht statt.
Ich denke, dass wir angesichts der Guerillataktik derTaliban und des Risikos einer fortschreitenden Entfrem-dung der Bevölkerung aus verschiedenen Gründen, auchwegen der Vernichtung von Mohnanbauflächen ohneausreichende Alternativen, verpflichtet sind, gerade imSüden und im Osten verstärkt auf Stabilisierungsstrate-gien zu setzen. Ich denke, wo immer es geht, sollten wirauf die gewonnenen lokalen und regionalen Erkennt-nisse und auf die Unterstützung von Kräften aus diesemBereich setzen; darauf sollten wir nicht verzichten. Poli-tische Komplementärkomponenten sollten wir auf natio-naler, aber auch auf internationaler Ebene weiterentwi-ckeln.Frau Bundeskanzlerin, Herr Außenminister, Herr Ver-teidigungsminister, ich denke, dass da auch von derEuropäischen Union, die ein 600-Millionen-Euro-Pro-gramm eingebracht hat, insgesamt noch mehr getan wer-den kann, um die NATO zu ergänzen, die natürlich einpolitischer Partner ist, ein Partner, der aber mit seinemmilitärischen Know-how recht verstandene ergänzendeUcdssnmdagwsezFWgnDttBDsdbrwrhIiPDDdwbAf
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Sie haben sich jetzt anders entschieden. Wir erwartennun aber, dass Sie uns darlegen, wie sichergestellt wird,dass das nicht zulasten der Ausrüstung und Ausstattungder Soldatinnen und Soldaten im Einsatz geht.
Ein letzter Punkt, der vierte, der aus unserer Sicht vonzentraler Bedeutung ist: Ich finde es nicht gut, dass sichdie mangelhafte Informationspolitik der Bundesregie-rung gegenüber dem Parlament auch bei diesem Mandat,das Sie jetzt zur Abstimmung stellen, weiter fortsetzt.Bis heute haben Sie uns die Einsichtnahme in das Anfor-derungsschreiben der NATO verwehrt. Die FDP hält dasfür nicht hinnehmbar. Es ist doch nicht so, dass es sichbei diesem Schreiben um ein Privatschreiben handelnwürde. Es handelt sich um eine offizielle AnforderungdsArKndlCDtkOuMIhssrsBdseEdussEahdsdsegdsSpgz
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Die Anschläge vom 11. September 2001 auf NewYork und Washington und auch die nachfolgenden An-schläge, etwa in London oder Madrid, wurden möglich,weil sich Afghanistan zu einem Trainingszentrum fürTerroristen entwickelt hatte. Das aber zeigt, wie wichtigdie Aufgabe von ISAF und OEF ist, zu verhindern, dassdiese Kräfte wieder die Oberhand gewinnen und Afgha-nistan erneut ein Failing State wird, von dem eine terro-ristische Bedrohung für die internationale Gemeinschaftund damit auch für unsere Sicherheit ausgeht. Das darfnicht wieder der Fall sein.
Dass diese Gefahr besteht, ist nicht von der Hand zuweisen. In ihrem neuesten Propagandavideo drohen dieTaliban und al-Qaida mit 4 000 bereitstehenden Selbst-mordattentätern und 10 000 Dschihadkämpfern. Durchdie Entsendung der Tornados können wir durch Aufklä-rung über deren Aktivitäten unsere Bündnispartner un-terstützen. In diesem Punkt, Herr Kollege Kuhn, mussich Ihre Darstellung korrigieren. Für eine effiziente Be-kämpfung dieser Terrorkräfte muss es auch möglichsein, die Ergebnisse unserer Aufklärungsflüge unserenVerbündeten, wie es im Mandat heißt, restriktiv zur Ver-fügung zu stellen. Das ist nicht nur eine Frage der Soli-darität mit unseren Bündnispartnern, zumal ja auch dieBundeswehr mit einem gültigen Mandat an OEF betei-ligt ist. Je erfolgreicher unsere Verbündeten im Kampfgegen die Taliban und al-Qaida sind, desto besser kannISAF seine Stabilisierungsaufgabe wahrnehmen.
Ich sage für meine Fraktion mit aller Deutlichkeit:Wir halten an der bestehenden Aufteilung in Regional-kommandos fest. Deutschland leistet mit der Verantwor-tung für fünf Wiederaufbauteams in neun nordafghani-schen Provinzen einen erfolgreichen Beitrag zurStabilisierung Afghanistans. Die Sicherheitsrisiken imNorden des Landes sind zwar von anderer Qualität alsim Süden – der Außenminister hat es dargestellt –; dochauch unsere Soldaten leisten einen gefährlichen und un-verzichtbaren Einsatz. Dafür möchte ich unseren Solda-tinnen und Soldaten besonders danken.
Zu unserer besonderen Verantwortung für das Regio-nalkommando Nord gehört auch, dass die Bundeswehrfür begrenzte Unterstützungsmaßnahmen in Gesamt-afghanistan eingesetzt werden kann, und zwar, wie es imISAF-Mandat wörtlich heißt:… für zeitlich und im Umfang begrenzte Unterstüt-zungsmaßnahmen, sofern diese Unterstützungs-maßnahmen zur Erfüllung des ISAF-Gesamtauftra-ges unabweisbar sind.IdntLhDtßAltbtsmdsdzrlsaEdcIDrgvnrHggEdwuüDamesd
Im Januar konstatierten die Teilnehmer des interna-ionalen Koordinierungstreffens für Afghanistan dreiesonders wichtige Faktoren für die zivilen Aufbauleis-ungen: erstens die fortgesetzte Reform des Sicherheits-ektors, zweitens eine bessere Verknüpfung ziviler undilitärischer Maßnahmen und drittens die Steigerunger afghanischen Eigenverantwortung.Heute hat sich das von uns entwickelte Konzept derogenannten PRTs im Bündnis durchgesetzt. Die Bun-esregierung hat in den NATO-Gremien immer denivil-militärischen Ansatz vertreten. Jetzt zeigt sich, wieichtig dieses Konzept ist.Bei der Reform des Sicherheitssektors hat Deutsch-and mit 40 Polizeiausbildern mehr als 15 000 afghani-che Polizeikräfte für die mittlere und höhere Laufbahnusgebildet. Ab Mai sollen diese Anstrengungen in eineSVP-Mission übergehen, wodurch die Zahl der Ausbil-er, Herr Kollege Kuhn, auf 160 erhöht wird und flä-hendeckender ausgebildet werden kann.Zudem sollen 70 Rechtsexperten entsandt werden, dietalien beim Aufbau der afghanischen Justiz ablösen.iese europäische Bündelung im Sicherheitssektor istichtig. Was nützt eine gut ausgebildete Polizei, die Dro-enhändler dingfest macht, wenn diese hinterher nichtor Gericht gestellt werden können?Afghanistan kann nicht gewonnen werden, wennicht im Süden Stabilität geschaffen wird. Die Bevölke-ung dort muss schneller die Vorteile der internationalenilfe spüren. Dazu gehören zunächst die Grundversor-ung mit Wasser und Strom auf dem Lande, ein ständi-er Dialog mit lokalen Vertretern und eine effiziententwicklungshilfe. Entwicklungsprojekte müssen zu-em als afghanische Projekte erkennbar sein. Dies istichtig für das Selbstbewusstsein dieses stolzen Volkesnd für eine größere Loyalität der Bevölkerung gegen-ber der Regierung Karzai.Gestatten Sie mir zum Schluss ein Wort zu Pakistan.ort werden islamistische Terroristen ausgebildet undusgerüstet. Diese dringen dann über die 2 500 Kilo-eter lange Grenze wieder in den Süden Afghanistansin. Pakistan ist ein unverzichtbarer Partner zur Stabili-ierung Afghanistans. Wir müssen beide Regierungen,ie Regierung in Kabul und die Regierung in Islamabad,
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Dr. Andreas Schockenhofffür eine stärkere Zusammenarbeit beim Aufbau einer ge-meinsamen, wirksamen Grenzkontrolle gewinnen.Wir müssen von unserem pakistanischen Partnermehr Unterstützung und Kooperation im Kampf gegenden Terror einfordern. Aber man darf ihn nicht wie imZusammenhang mit der amerikanisch-indischen Nukle-arkooperation im vergangenen März vor den Kopf sto-ßen. Wir brauchen ein modernes und moderates Pakistanals wichtigen Partner für die Bewältigung der Herausfor-derungen in Afghanistan, aber auch im Mittleren undNahen Osten insgesamt.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Monika Knoche, Fraktion
Die Linke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen!
Herr Kolbow, ich muss schon sagen: Was Sie hier an ei-
nem Punkt vorgetragen haben,
stimmt überhaupt nicht: Die OEF hat kein UNO-Man-
dat.
Sie können sich doch nicht hier hinstellen und sagen,
dass das alles verfassungs- und völkerrechtlich vollkom-
men gedeckt sei!
Selbst die ISAF verändert ihren Auftrag.
– Entschuldigen Sie bitte! Was sind denn die Gründe, die
einige Abgeordnete in diesem Haus dazu bewogen ha-
ben, die Frage zu stellen, ob sich der Deutsche Bundes-
tag nach den Maßgaben unserer Verfassung mit dieser
Frage heute überhaupt beschäftigen kann?
Das hat doch nichts damit zu tun, ob wir eine Parla-
mentsarmee haben oder nicht. Entscheidend ist vielmehr
die Frage, ob es verfassungsrechtlich richtig ist, in die-
sem Rahmen zu verfahren. Wer denkt denn heute eigent-
lich noch an die Verfassung, wenn es um die Ausweitung
der Einsätze im Rahmen der Kriegsführung und damit
um ein verändertes NATO-Selbstverständnis geht? Das
ist die wichtige Frage, die wir zu stellen haben.
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Frau Kollegin, der Kollege Schockenhoff würde
erne eine Zwischenfrage stellen.
Nein, ich möchte sie nicht zulassen.
Der Afghanistaneinsatz – das weiß die Bevölkerung –st nicht auf dem Willen des gesamten Hauses gegründet.ie Linke hat sich immer dagegen ausgesprochen. Herruhn und Herr Steinmeier, Sie wissen ganz genau, dassamals, als es um den Afghanistankrieg ging, beide Re-ierungsparteien ihre Fraktionen mehr oder wenigerurch die Vertrauensfrage genötigt haben, diesemriegseinsatz zuzustimmen.
un Sie nicht so, als werde diesem Krieg in diesem Hausnd in diesem Land nicht widersprochen! Das ist einfachicht wahr.Man kann nicht, weil die militärische Strategie nichtrfolgreich ist, sagen: Wir müssen noch mehr – von un-erer Warte aus – Falsches tun. – Ist dies angesichts deru erwartenden Frühjahrsoffensive und der grauenvol-en Ankündigung, dass schon 2 000 Selbstmordatten-äter bereitstehen, wirklich richtig? Man muss sich dieseimension einmal vorstellen. Dieser Einsatz, der derEF dienlich sein soll, steht damit in Zusammenhang,as seitens der CDU/CSU formuliert worden ist: Dieseronflikt kann den Erfolg nicht konterkarieren. – Wel-hen Erfolg, bitte sehr, kann dieser Krieg gegen den Ter-or vorweisen? Wenn wir die Kriterien von Good Gover-ance heranziehen, müssen wir doch offen sagen: Dieegierung Karzai ist von Korruption durchdrungen, undie Drogenbarone sitzen in der Regierung.
a sind doch keine Mohnfelder abzubrennen. Vielmehruss die Frage gestellt werden, ob das Ziel der ISAF,iese Regierung zu schützen, überhaupt erfüllt werdenann.Wir argumentieren zielstrebig und lassen uns auchicht von einer verantwortungsvollen Exit-Strategie ab-ringen. Diese Exit-Strategie sieht nicht vor, dass mor-en die Soldaten zurückgezogen werden. Sie gewähr-eistet vielmehr den Polizeiaufbau, sichert die zivilen
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Monika KnocheInfrastrukturen, stärkt kontinuierlich und massiv die Si-tuation der Frauen
und beinhaltet eine neue Drogenpolitik.Sie müssen die Frage beantworten, ob die Rekrutie-rung der Taliban nicht ursächlich etwas damit zu tun hat,dass der Krieg gegen den Terror das falsche Mittel war.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
Kollegen Schockenhoff.
Liebe Frau Kollegin Knoche, ich setze Sie darüber in
Kenntnis, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
mit der Resolution 1373 die Operation „Enduring
Freedom“ mandatiert hat und dass damit eine eindeutige
völkerrechtliche Rechtsgrundlage für diese Operation
gegeben ist.
Frau Kollegin Knoche, bitte.
Ich möchte Sie auf Folgendes hinweisen: Wir in der
Fraktion diskutieren über eine solche Frage mit großer
Ernsthaftigkeit. Ob die OEF nur erwähnt wird oder ob
sie ein originäres Mandat hat, ist schon ein Unterschied.
Aber ich möchte etwas anderes sagen:
Ist die CDU/CSU nicht in der Lage, denjenigen promi-
nenten und sehr kenntnisreichen Vertretern ihrer Frak-
tion, die verfassungsrechtliche Bedenken erhoben haben,
einige Minuten Redezeit einzuräumen, damit sie diese
hier vorne vortragen können? Das stünde meiner Ansicht
nach der CDU/CSU viel mehr an, als hier so zu tun, als
gebe es keine verfassungsrechtlichen Bedenken und als
seien alle Tätigkeiten, die vor Ort militärisch durchge-
führt werden, von der UNO gedeckt. Das wird in Zwei-
fel gezogen. Diese Zweifel sollten Sie nicht nivellieren.
Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei,
Bündnis 90/Die Grünen.
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Nun komme ich aber zum Thema. Aus militärischericht ist ein Tornado in Afghanistan nützlich für mehrlexibilität bei der Aufklärung; je flexibler und präziserie Aufklärung, desto besser. Allerdings muss man ehrli-herweise dazusagen, dass auch in Militärkreisen dieringlichkeit des Tornados für die Sicherheit von ISAF,elinde gesagt, strittig ist. Es ist aber eine Verharm-osung, wenn der Tornadoeinsatz nur als Hilfs- undchutzeinsatz beschrieben wird. Natürlich hat er dieseeilfunktion. Vor allem im Süden hat er aber selbstver-tändlich auch die Teilfunktion der Kampfunterstüt-ung. Das lässt sich nicht bestreiten.Für mich und meine Fraktion ist klar – das ist keinerundsatzfrage –, dass in Afghanistan an verschiedenentellen gekämpft werden muss. Die Frage ist allerdings,ie und nach welcher Strategie die Kämpfe dort ablau-en. Dazu muss man zur Kenntnis nehmen, was einochangesehener Thinktank aus London, das Senlisouncil, zweimal in Studien gesagt hat, zuletzt in die-em Februar: Es habe im Süden – bezogen auf die Pro-inzen Helmand und Kandahar – „mehr Zerstörung alsufbau“ gegeben, und es wurden „Freunde verloren undeinde gewonnen“. – Hierzu muss die Bundesregierungtwas sagen. Bis heute Vormittag konnte die Bundes-egierung dazu nichts sagen. Ich möchte sehr, dass sieiese Aussagen widerlegen kann. Das ist ein wichtigerontext für den Einsatz der Tornados.Ein anderer Punkt ist der Strategiewechsel. Seit mehrls einem halben Jahr wird dieser gefordert. Es geht umie Gewichtung der militärischen und der zivilen Säule,s geht um Koordination und Kohärenz. Auf demATO-Gipfel wurde dies ebenfalls beschworen. Wennan genauer hinschaut, muss man feststellen, dass diemsetzung dieses Strategiewechsels in Trippelschrittenrfolgt, wo die Zeit enorm drängt.
Es ist gut, dass das Schlüsselprojekt Polizeiaufbauetzt mit der EU läuft. Aber wir müssen – anders als bis-er – den Anspruch an den Herausforderungen messen.ezogen auf die Herausforderungen geschieht hier nochiel zu wenig.
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Winfried NachtweiDie Drogenbekämpfung läuft ungebremst kontra-produktiv mit dem Vorrang für die Felderzerstörung. So-lange in diesen Fragen keine Klarheit über die richtigeRichtung herrscht und solange kein deutlicher Strategie-wandel glaubwürdig gemacht wird, so lange kann icheine Zustimmung nicht empfehlen.Vor fünf Monaten hatten wir 14 Parlamentarierinnenaus Afghanistan hier. Ich wiederhole, was ich denen da-mals gesagt habe: Erstens. Wir wissen, warum wir inAfghanistan sind. Zweitens. Wir lassen Sie nicht imStich. Drittens. Wir versprechen, dass wir die notwendi-gen Strategieänderungen forcieren. – Sie haben gehört,dass wir in unserer Fraktion bezogen auf den Einsatz derTornados uneinig sind. Aber bezogen auf diese Bot-schaft – und das ist unser Wille – sind wir uns sehr einig,ich glaube, auch mit dem größten Teil dieses Hauses.Danke.
Das Wort hat der Kollege Detlef Dzembritzki, SPD-
Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar,dass wir diese Diskussion hier führen können. MancherBeitrag, der heute eingebracht worden ist, war notwen-dig und hilfreich. Dies signalisiert, dass wir diese Dis-kussion fortsetzen müssen, und zwar – ich appellieredazu zum wiederholten Male – nicht nur dann, wenn esum ein militärisches Mandat geht.
Ich komme gerade aus Afghanistan. Ich war in derletzten Woche dort, erst gemeinsam mit unserem Frak-tionsvorsitzenden und Walter Kolbow in Kunduz undMasar-i-Scharif und dann in Kabul. Ich will nicht arro-gant oder borniert erscheinen, aber wenn ich gemessenan meinen Eindrücken von dieser Reise diese Diskussionverfolge, werde ich nachdenklich.Ich will vorweg einige Eindrücke wiedergeben: Es istimmer wieder spannend, unsere Bundeswehr im Einsatzzu erleben. In Masar-i-Scharif habe ich im April des ver-gangenen Jahres in einer Einöde mit Mühe und Not ineinem Zelt ein bisschen Schatten gefunden. Heute gibtes dort – das ist eine beachtliche logistische Leistung –ein Zentrum, das der Bundeswehr vor Ort strategischeMöglichkeiten an die Hand gibt, das den Schutz der Sol-daten gewährleistet und die Möglichkeit eröffnet, in dieProvinz hineinzuwirken.Andererseits habe ich aber ein Land gesehen, in dem,wenn man sich die Handys und die Autos wegdenkt,eine Situation vorherrscht, wie sie in Deutschland mögli-cherweise nach dem Dreißigjährigen Krieg bestand.Wuffshmcmtkgptd2MdSdAfdbDsmPnnmZgnrw–wgsspumdwrD
Wir müssten viel mehr Zeit haben, um die kritischenrgumente aufnehmen zu können. Ich habe mich immerür einen Strategiewechsel ausgesprochen. Wir müssenie Diskussion darüber aber so führen, dass wir nichtorniert und arrogant erscheinen.
ie PRTs haben übrigens die Amerikaner erfunden; dasage ich der Gerechtigkeit wegen.Wir wissen, dass die USA ungefähr 50 Prozent derateriellen Ressourcen in Afghanistan einbringen. Dieolizei ist zu Recht angesprochen worden. Ich könnte ei-iges dazu sagen, auch im positiven Sinne. Wir haben ei-en Etat von 12 Millionen Euro. Die Amerikaner gebenehr als 1 Milliarde Dollar in dieses Projekt. In diesemusammenhang müsste man eigentlich über unser richti-es Konzept und das bedenkliche Konzept der amerika-ischen Kollegen diskutieren. Ich frage einmal rheto-isch: Sind wir eigentlich richtig aufgestellt? Versetzenir unsere Regierung in die Lage, all das einzubringenauch in den internationalen Diskussionsprozessen –,as notwendig wäre, um einen Strategiewechsel zu be-ünstigen? Ich bin der Meinung, dass zusätzliche Unter-tützung notwendig ist. Man müsste schauen, ob die Bot-chaften wirklich optimal ausgestattet sind, ob dieersonelle Ausstattung des BMZ wirklich optimal ist, obnsere Haushaltsordnung in Kabul eingehalten werdenuss oder ob wir uns nicht flexiblerer Instrumente be-ienen sollten? Können wir vielleicht zu einer Auftrags-irtschaft kommen, die sich an dem Notwendigen aus-ichtet und nicht an der Kameralistik der Bundesrepublikeutschland?
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Detlef DzembritzkiAuch wenn ich damit in einer Diskussion über denEinsatz von Tornados kleinkariert erscheinen könnte,will ich Ihnen eines sagen: Lieber Kollege Kuhn, Sie ha-ben zu Recht die Polizei angesprochen. Das Team, daszurzeit vor Ort ist – sie sind immer für ein Jahr dort –,hat einen hervorragenden Eindruck auf mich gemacht.Es sind hochmotivierte Kollegen; sie sind unwahrschein-lich sympathisch, aus meiner Sicht auch sehr erfolgreich.Unterhalten Sie sich einmal mit den Kollegen! DieseKollegen haben mir erzählt – ich muss jetzt zum Innen-minister schauen –,
dass die Bundesreisekostenordnung angewandt wird,was zur Folge hat – das ist abstrus –, dass ein ledigerPolizist die Heimreisekosten nicht erstattet bekommt,obwohl er zu Hause zwei Kinder und eine feste Partnerinhat. Ich will das nicht ausdehnen; aber solange eine Bun-desregierung, ein Innenministerium nicht in der Lage ist,ein Höchstmaß an Flexibilität zu gewährleisten, um diejungen Leute für den Einsatz zu motivieren, frage ichmich, wie wir unsere Vorschläge für die Weiterentwick-lung Afghanistans umsetzen wollen.
Ich habe das ein wenig ironisch eingebracht, um aufzu-zeigen, wie sehr wir selbst Gefangene unserer eigenenPerfektion sind, was zur Folge hat, dass wir uns nicht inder Weise entwickeln können, wie es eigentlich notwen-dig wäre.Aus meiner Sicht signalisieren uns alle – das habendie Gespräche mit den Regierungsmitgliedern gezeigt,mit dem Außenminister, der als Gesprächspartner amstärksten etwas einbringen kann, und mit dem Innen-minister; aber ich denke hier auch an Tom Koenigs undHerrn Vendrell von der Europäischen Union –, dass sieden Tornadoeinsatz begrüßen, unterstützen und dass dasletztendlich – ich muss das aufgrund der Kürze der Zeitso sagen – eine notwendige Aktion ist, um unsere Soli-darität mit unseren Partnerinnen und Partnern zu zeigen.Ich stelle einmal die rhetorische Frage – über die soll-ten wir einmal in den Ausschüssen diskutieren –, wie ei-gentlich unsere Haltung ist, wenn die Kanadier oder dieNiederländer sagen, dass sie nach Hause gehen. Wiesieht denn dann unsere Gesamtkonzeption aus? Ichschließe mich hier Winnie Nachtwei an, dessen Appellich voll unterstreiche. Wir haben den Parlamentarierin-nen zugesagt, dass wir sie nicht allein lassen. Dann müs-sen wir aber insgesamt eine Atmosphäre herstellen, dievon Solidarität und gemeinsamer Verantwortung getra-gen ist. Wir müssen unseren Job so gut machen, dass wirdie Chance haben, dort zum Erfolg zu kommen.Häufig wird von einer Exit-Strategie gesprochen.
– Ich habe das schon einmal hier im Plenum angespro-chen, Frau Kollegin; aber ich will das nicht nur auf IhreFraktion beziehen. – Ich empfehle allen Kolleginnen undKollegen – im Grunde wäre es eine viel spannendere De-bczsrgztdlWdsmevIBgMnstjzIdmPsWusmRzwPen
Das Wort hat der Kollege Gert Winkelmeier.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!ch weiß nicht, ob es Ihnen ähnlich gegangen ist wie mir.ei der Lektüre des heute zur Debatte stehenden Antra-es habe ich das Wort „Tornado“ gesucht. Wir reden seitonaten über die Verlegung von Tornados nach Afgha-istan. Im Antrag der Bundesregierung suchte unduchte ich die Tornados. Ich fand aber nur „Fähigkei-en“, so weit das Auge reicht, Fähigkeiten zu allem undedem: zur Sicherung, zur logistischen Unterstützung,ur Führung, zur sanitätsdienstlichen Versorgung usw.Ich war schon ganz verzweifelt und wollte aufgeben.ch glaubte, ich hätte die in allen Medien tobende Torna-odebatte der letzten Monate bloß geträumt. Doch da ka-en sie doch noch, die Tornados, ganz hinten unterunkt 7 und unter Punkt 10, ganz klein und winzig, un-chuldig, ganz versteckt, unter ferner liefen mit denorten „darüber hinaus“ eingeleitet, so als ginge es nochm ein paar Gummibärchen für die Soldaten, damit sieich fern der Heimat nicht so einsam fühlen. Aber im-erhin kommt Ihnen, meine Damen und Herren von deregierung, dann doch noch das Wort „Aufklärungsflug-eug“ aus der Feder. Da ist Ihnen beim Korrekturlesenohl der Schrecken in die Glieder gefahren; denn unterunkt 10 haben Sie die Tornados ganz flugs wieder zuinem „Einsatzmodul“ verniedlicht. Das klingt so tech-isch harmlos, und die Menschen kriegen nicht so
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Gert Winkelmeierschnell mit, dass es um Krieg geht. Schön verschleiernwollen Sie das.Das Wort „Tornado“ taucht übrigens nur zweimal inIhrem Antrag auf, der Begriff „Fähigkeiten“ dagegensiebenmal. Wissen Sie was? Ich mache Ihnen einen Vor-schlag: Lassen Sie das Wort „Soldaten“ bei zukünftigenAnträgen doch auch weg. Ersetzen Sie es durch das Wort„Fähigkeiten“. Das hätte zwei Vorteile: Erstens könnteman sich die weibliche Form einsparen. Zweitens müss-ten Sie dann auch nicht mehr über Ehrenmale nachden-ken, zum Beispiel Ehrenmale für abhandengekommeneFähigkeiten.Dem Herrn Bundestagspräsidenten kann und will ichkeine Vorschriften machen. Ich kann nur sagen: Wäreich an seiner Stelle gewesen, hätte ich dieses mit denKoalitionsspitzen ausgehandelte Orwellsche Neusprech-werk nicht entgegengenommen. Es stellt den Versuchdar, das Parlament und die Öffentlichkeit zu verdum-men. Ich hätte zur Bundeskanzlerin gesagt: Thema ver-fehlt, setzen, sechs!
Denn dieser Antrag ist die würdelose Fortsetzung derunsäglichen Versuche der Bundesregierung, einen glas-klaren Kampfeinsatz in so etwas wie einen humanitärenEinsatz umzulügen.
Werte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie einenBlick in die Lehrunterlagen der Luftwaffe werfen, wer-den Sie Folgendes feststellen: Bei den sogenanntenRecce-Tornados handelt es sich um „Luftkriegsmittel“,die im Rahmen verbundener Luftkriegsoperationen zurAufklärung eingesetzt werden. Luftkriegsoperationenfinden also nicht im Krankenhaus statt.
Mangels einer gegnerischen Luftwaffe dienen sie in Af-ghanistan der Bekämpfung des Gegners am Boden. Auf-klärung ist nicht nur integraler Bestandteil dieses offen-siven Krieges aus der Luft, sondern seine unabdingbareVoraussetzung. Dies wird durch das Adjektiv „verbun-den“ ausgedrückt. Im Klartext: Ohne Luftbilder keineBomben. Bomben führen zu Kollateralschäden, also zurTötung unschuldiger Zivilisten. Herr Kuhn, die Stärkungder Zivilgesellschaft werden wir mit Sicherheit nichtdurch den Einsatz zusätzlicher Bomben erreichen. Dasses um Bomben geht, wird im Antrag durch die Verwen-dung anderer Begriffe kaschiert.Die Abgeordneten, die dem zustimmen, halten denKrieg gegen Afghanen, die sich gegen ihre Besatzerwehren, offensichtlich für richtig und wollen rund35 Millionen Euro dafür ausgeben. Herr Verteidigungs-minister, ich fordere Sie auf: Stehen Sie bitte auchsprachlich zu Ihrem Antrag, nennen Sie die Dinge beimNamen, und drücken Sie sie nicht verschlüsselt aus.Oder schämen Sie sich Ihrer kriegerischen Absichten?Tg1KEcklddmdFGCHBguIwALncdedbtpnStgbL
Das Wort hat der Kollege Karl-Theodor Freiherr zuuttenberg, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Diese Debatte wirft die Fragen auf, welchesild von Afghanistan wir unserer Entscheidung zu-runde legen und welches Bild von Einsatzstrukturennd Rechtsgrundlagen unsere Entscheidung bestimmt.ch muss sagen: Was die Rechtsgrundlagen anbelangt,ar Ihr Auftritt, Frau Knoche, bemerkenswert.
n dieser Stelle danke ich dem Kollegen Schockenhoff:esen bildet und hebt gelegentlich das Niveau der eige-en Rede.
Ich komme auf unser Bild von Afghanistan zu spre-hen. Sicherlich ist es wenig hilfreich, nur die Erfolge inen Vordergrund zu stellen. Ebenso wenig hilfreich ists, nur die Defizite zu betonen. Fatal wird es allerdingsann, meine Damen und Herren von der Linken, wennewusst falsche Bilder gezeichnet und scheinbare Reali-äten in die Welt gesetzt werden, um letztlich nur innen-olitischen Stimmungslagen zu genügen. Das reichticht aus; denn der Konflikt in Afghanistan nimmt miticherheit keine Rücksicht darauf, was uns innenpoli-isch zuzumuten ist. Hier sollten wir sehr vorsichtig ar-umentieren.Was ist ein realistisches Bild von Afghanistan? Voneiden Ministern wurde angesprochen, dass sich dieage im Jahre 2006 verschlechtert hat. Manche sprechen
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Karl-Theodor Freiherr zu Guttenbergsogar von einer dramatischen Verschlechterung. Eindeutliches Wiedererstarken der Taliban ist unbestreitbar.Der Bundesaußenminister hat darauf hingewiesen – an-dere auch –: Die Sicherheitsstatistiken machen deutlich,dass sich die Zukunft Afghanistans im Süden des Landesentscheiden wird. Nur wenn es gelingt, die Sicherheitauch im Süden wiederherzustellen und zu gewährleisten,dass die Bevölkerung ihre Grundbedürfnisse befriedigenkann, kann einem Erstarken der Taliban, einer Hinwen-dung zu den Taliban, plausibel und anständig entgegen-gewirkt werden. Gerade vor diesem Hintergrund machtdas vernetzte Sicherheitskonzept, das der Bundesver-teidigungsminister angesprochen hat, Sinn, und es bringtmich zu der Einschätzung, Herr Kollege Schäfer, dasswir unsere Soldaten eben nicht aus Afghanistan abziehendürfen; dass wir dieses Land eben nicht in die Verant-wortung der zivilen Kräfte übergeben und sich selbstüberlassen können; dass wir eben nicht davon ausgehenkönnen, dass Afghanistan in absehbarer Zeit ohne zivilewie militärische Hilfe und Unterstützung von außenfunktionsfähig sein wird. Alles andere würde bedeuten,einer Illusion zu erliegen.
Angesichts des Wiedererstarkens der Taliban darfauch einmal ein Blick zurück gewagt werden: ImJahr 2001 kontrollierten die Taliban etwa 90 Prozent Af-ghanistans. Damals war es Mädchen verboten, zurSchule zu gehen. Kino, Fernsehen, Internet, Kameras,Video, weltliche Musik – das alles war damals verboten.Frauen war jegliche Arbeit außerhalb des Hauses verbo-ten; das führte dazu, dass viele Frauen dazu gezwungenwaren, auf der Straße zu betteln.
Herr Kollege, ich muss Sie unterbrechen, weil der
Kollege Gehrcke eine Zwischenfrage stellen möchte.
Zu den Damen in Afghanistan, Herr Kollege
Gehrcke? Gerne, bitte sehr.
Herr Dr. zu Guttenberg, Sie argumentieren ähnlichwie der Außenminister und der Verteidigungsministerdamit, dass sich die Lage in Afghanistan verschlechterthat. Ich glaube, in diesem Punkt kann es keine Differenzgeben. Mich würde interessieren, ob Sie auch etwas dazusagen können, warum sich die Lage in Afghanistan der-maßen dramatisch verschlechtert hat, welche Hinter-gründe möglicherweise dazu geführt haben. Es nützt janichts, zu sagen: „Es ist alles schlechter geworden – wirhaben nichts damit zu tun“, wenn man nicht über dieHintergründe nachdenkt und argumentiert. Darummöchte ich Sie gerne bitten.
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Herr Kollege Gehrcke, vielen Dank für diese Nach-rage. Ihre Nachfrage bezieht sich im Grunde auf denüden und auf den Osten Afghanistans. Im Norden Af-hanistans hat sich die Lage alles andere als verschlech-ert, und zwar gerade aufgrund der Tatsache, dass wirort einem vernetzten Konzept nachgegangen sind – dasllerdings Soldaten impliziert. Diese Notwendigkeit,oldaten zu haben, wollen Sie weiterhin absprechen. Ichöchte nicht wissen, wie es um den Norden Afghanis-ans heute ohne eine dortige Stationierung von Soldatentünde!
Blicken wir noch einmal zurück auf die Zeit der Ta-iban – diese Zeit blenden Sie ja völlig aus, Herrehrcke –: Frauen hatten keine Rechte, sie mussten ih-en Körper verhüllen. Frauen war ärztliche Behandlungur in männlicher Begleitung und nur durch weiblicherzte erlaubt. – Dies muss man sich wieder einmal inrinnerung rufen! – Sie konnten also im Grunde über-aupt nicht behandelt werden; denn eine berufliche Tä-igkeit war Frauen ja nicht erlaubt. Frauen durften dasaus nur in Begleitung männlicher Verwandtschaft ver-assen. Männer wurden inhaftiert und es wurde ihnen dierügelstrafe angedroht, wenn zum Beispiel der Bart zuurz war. Mutmaßlichen Verbrechern wurden Körper-eile amputiert. Es gab öffentliche Hinrichtungen, Steini-ungen und Erschießungen. Es gab die Zerstörung vonötterbildnissen und ähnliche Dinge. Meine Damen underren, Herr Gehrcke, wir sollten uns auch daran erin-ern, wenn es darum geht, unser Afghanistan-Engage-ent der letzten Jahre zu beurteilen! Auch das muss vonnserer Seite berücksichtigt werden!
Der entscheidende Faktor ist das Zusammenspiel vonivilem Aufbau und militärischer Befriedung. Wirüssen uns bewusst sein: Verabschieden wir uns jetztzw. in absehbarer Zeit – das ist gerade Ihr Vorschlag,err Gehrcke – von einer dieser Komponenten, dann ge-en wir Afghanistan auf, dann geben wir diese Regie-ung auf, und dann geben wir faktisch die Menschen iniesem Lande auf. Das kann nicht gewollt sein, das kannicht unser Ziel sein!
as soll nicht bedeuten, dass wir nicht gelegentlich auchelbstkritisch sein müssen, dass „zivilmilitärische“ Kon-epte kein Verbesserungspotenzial enthielten und diebstimmung zwischen diesen beiden Komponentenicht weiter optimiert werden könnte. Es soll auch nichtedeuten, dass eine tatsächliche konzeptionelle Ressort-ohärenz zwischen den beteiligten Ressorts nicht statt-inden darf und soll. Insbesondere müssen nämlich dieonzepte der unterschiedlichen Bündnispartner zusam-engeführt werden.
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Karl-Theodor Freiherr zu GuttenbergZu OEF und ISAF: Grenzziehungen zwischen Man-daten sollten Trennlinien nicht kaschieren, sondern ver-deutlichen. Es bleibt eine Aufgabe für uns alle – in derZukunft auch für die Bundesregierung –, uns immer wie-der deutlich zu machen, wo diese Trennlinien verlaufen.Schließlich darf der heute diskutierte und in meinenAugen sehr wichtige Ausweitungsschritt nicht dazu füh-ren, dass ein klaffend offenes Einfallstor für weitere Be-gehrlichkeiten gegenüber unseren Soldaten entsteht.Darauf dürfen wir als Abgeordnete des Bundestags hin-weisen.Wir dürfen Afghanistan nicht aufgeben. Wir müssenim Rahmen dessen bleiben, was wir auch tatsächlich an-bieten und leisten können. Wir dürfen uns keiner Illusionhingeben: Bis sich Afghanistan – auch im Interesse un-serer eigenen Sicherheit – aus eigener Kraft über Wasserhalten kann und wird, werden noch einige Jahre verge-hen. Diese Zeit werden wir brauchen. Aber wir müssendieses Ziel konsequent verfolgen. Deswegen ist unsereUnterstützung angebracht, und diese Unterstützung wer-den wir nächste Woche auch leisten.Herzlichen Dank.
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem
Kollegen Gehrcke.
Herr Kollege zu Guttenberg, Ihre Antwort war, ehr-
lich gesagt, keine Antwort auf meine Frage, und das wis-
sen Sie auch selber. Deswegen möchte ich ein paar
Punkte in Erinnerung rufen, die ich für unsere Debatte
enorm wichtig finde.
Kann es nicht sein, dass ein immer größer werdender
Teil der Bevölkerung in Afghanistan – sie unterscheidet
nicht zwischen ISAF und der Operation „Enduring Free-
dom“ – die Truppen immer stärker als Besatzungstrup-
pen statt als Befreier empfindet? Ich habe mir die Mühe
gemacht, mit russischen bzw. damals sowjetischen Ge-
nerälen zu reden, die in Afghanistan während der russi-
schen Besatzung das Kommando innehatten. Deren Ar-
gumente waren fast identisch mit denen, die Sie heute
vorgetragen haben. Sie haben angeregt, zu vergleichen,
was zu der damaligen Zeit von den Regierungen – bei
denen es sich um von außen eingesetzte Regierungen ge-
handelt hat – an Frauenbefreiung, Bildung und Infra-
struktur geleistet worden ist. Wenn Sie das mit der Situa-
tion heute vergleichen, ist festzustellen: Afghanistan war
schon sehr viel weiter, und trotzdem sind die sowjeti-
schen Truppen geschlagen worden, weil man weder Re-
volution noch Demokratie nach westlichen Vorstellun-
gen exportieren kann.
Das ist für mich der Hintergrund der gesamten Pro-
blematik. Sie wollen nicht verstehen, dass ein politischer
Kurswechsel erforderlich ist.
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Herr Kollege Gehrcke, vielen Dank. Ich finde es be-
erkenswert, dass Sie die heutige UN-Mission in einem
temzug mit der Besatzung Russlands nennen.
as mag Ihrer Romantik entsprechen; unserer entspricht
s nicht.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.1)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/4298 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Energie- und umweltpolitische Konsequenzen
der Bundesregierung aufgrund des Klimabe-
richtes des Weltklimarates IPCC
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
ichael Kauch, FDP.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DerPCC-Klimareport und der Stern-Bericht machen deut-ich: Wir müssen jetzt handeln, um kommenden Genera-ionen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen.ach Auffassung der FDP und – so denke ich – des gan-en Hauses müssen wir es schaffen, den Temperaturan-tieg auf zwei Grad zu begrenzen. Dabei muss die Euro-äische Union mit gutem Beispiel vorangehen. Dieinseitige Verpflichtung der EU auf dem letzten EU-Um-eltrat, 20 Prozent CO2-Emissionen bis 2020 einzuspa-en, ist ein Anfang. Doch ich erinnere an Folgendes: DieDP und der gesamte Bundestag haben immerZu Protokoll gegebene Rede des Abg. Willy Wimmer
siehe Anlage 2
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Michael Kauch30 Prozent gefordert, und zwar unkonditioniert. Die20-Prozent-Forderung stammt nicht von der Bundesre-gierung, sondern von der EU-Kommission. Deshalbfinde ich es schon bemerkenswert, dass sich der Bun-desumweltminister vor die versammelte Öffentlichkeitstellt und sagt: Das ist der Erfolg der deutschen Ratsprä-sidentschaft. – Gerade das ist es nicht.
Wir sollten nicht vergessen: Der europäische Anteilan den globalen Emissionen beträgt nur etwa ein Fünftel.Wenn wir einen Durchbruch im Klimaschutz erreichenwollen, dann müssen wir die großen Emittenten mit insBoot holen: die USA, Indien und China. Das ist zwarschwerer, als sich in der Europäischen Union durchzu-setzen, aber nicht unmöglich. Die Chancen stehen so gutwie lange nicht mehr. Wir erleben einen Stimmungswan-del in den Vereinigten Staaten. Deshalb ist Ihre eigentli-che Bewährungsprobe, Herr Gabriel, nicht der Europäi-sche Rat; die Frage ist, ob sich die Bundesregierungbeim G-8-Gipfel im Juni in Heiligendamm durchsetzenwird, damit wir hier zu verbindlichen Zielen für die wei-teren Verhandlungen kommen.
Wir brauchen in Deutschland mehr Energieeffizienzund einen Energiemix der Zukunft mit dem Ziel, die fos-silen Energieträger nach und nach zu ersetzen. Dabeimüssen alle Seiten Ideologien über Bord werfen. Allenvoran brauchen wir deutlich mehr erneuerbare Energien.Das geht nicht ohne staatliche Förderung.
Um die Klimaschutzziele in den nächsten 20 Jahren zuerreichen, brauchen wir aber auch die Kernkraft alsÜbergangstechnologie. Eine Verlängerung der Laufzei-ten der Kernkraftwerke ist erforderlich, solange erneuer-bare Energien und CO2-freie Kohletechnik im Grund-lastbereich nicht in ausreichendem Maß zur Verfügungstehen.
Studien der Internationalen Energieagentur zeigen aber,dass vor allem die Energieeffizienz und die CO2-Ab-scheidung bei Kohlekraftwerken das größte globale Ein-sparpotenzial besitzen. Selbst wenn wir meinten, wirbräuchten das Potenzial bei der CO2-Abscheidung inDeutschland nicht zu nutzen: Die Kohle in Chinas Erdewird verbrannt werden. Die Frage ist nur, mit welcherTechnologie. Ich meine, es sollte mit guter deutscherTechnologie geschehen. Deshalb müssen wir uns hierengagieren.
Ich habe die erneuerbaren Energien angesprochen.Jahrelang hat die Bundesregierung ihre Nutzung imWärmemarkt im Vergleich zur Stromproduktion ver-nachlässigt. Auch heute herrscht in der Koalition dasblanke Chaos, wenn es um die Frage geht, ob und wiemenWFWIelzmhüsfZluAtnaSstefamndMSdmwGtC
Neben der Biomasse hat die Solarenergie eine großeukunft. Deutsche Unternehmen haben hier die Techno-ogieführerschaft. Das müssen wir nutzen, ökonomischnd ökologisch. Gerade im Wärmemarkt und auf denuslandsmärkten liegen ungenutzte Chancen.Doch was tut die Bundesregierung? Wirtschaftsminis-erium, Umweltministerium und Entwicklungshilfemi-isterium haben keine abgestimmte Strategie. Herr Glosls federführender Minister verschläft das Thema total.chauen Sie sich an, was in Entwicklungsländern, bei-pielsweise in Afrika, passiert! Mitten in Wüstengebie-en laufen Dieselgeneratoren, und die Stromversorgungrfolgt in einer Insellösung. Das ist ein klassisches Feldür Solarenergie, mit der man schon heute wirtschaftlichrbeiten könnte. Wenn man sich aber auf den Auslands-ärkten nicht engagiert und stattdessen lieber im verreg-eten Deutschland Solaranlagen mit hohen Sätzen för-ert, dann kommt so etwas heraus, und dann werdenittel falsch verwendet. Deshalb müssen wir an diesertelle umsteuern.
Herr Kollege Kauch, in der Aktuellen Stunde beträgt
ie Redezeit fünf Minuten.
Ja. – Abschließend möchte ich sagen, dass wir zusam-
en ein Klimaschutzprogramm erarbeiten müssen, das
irklich konsistent ist; denn Klimaschutz ist mehr als
lühbirnen, Toyota und andere Einzelvorschläge, die
äglich durch die Medien gejagt werden.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Marie-Luise Dött,DU/CSU-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meinelieben Kolleginnen und Kollegen von der FDP, eigent-lich habe ich immer geglaubt, dass sich die FDP ernst-haft mit der Klimaschutzproblematik beschäftigt.
Die heutige Aktuelle Stunde belehrt mich jedoch einesSchlechteren.
Sie erwarten doch nicht allen Ernstes, dass sich diesesgewichtige Thema mal so in einer Stunde abhandelnlässt.
Da zeigen die grünen Kollegen mehr Seriosität,
wenn sie für morgen eine geordnete Debatte über Klima-schutz und Verkehr auf die Tagesordnung heben. Mit ei-ner aktuellen FDP-Stunde wird man diesem Thema nichtgerecht.Diese Aktuelle Stunde ist eher die verkrampfte Suchenach einer weiteren Schlagzeile in den Medien. Schlag-zeilen allerdings haben wir seit dem Bericht des Weltkli-marates in den letzten Wochen zur Genüge gehabt. Wo-ran es immer noch mangelt, sind realistische Vorschläge,wie man den wachsenden Sorgen der Menschen begeg-net. Darüber würde sich eine gutvorbereitete Diskussionlohnen. Zugegebenermaßen ist das dann aber vielleichtnicht ganz so schlagzeilenträchtig. Den „Schweiß derEdlen“, wie unser Kollege Herr Riesenhuber immer sagt,wäre es allemal wert.Ich wundere mich in den letzten Tagen zunehmendüber den Einfallsreichtum aller politischen Parteien– leider manchmal auch der meinen – im Erfinden vonPatentrezepten, mit denen wir den Klimawandel stoppensollen. Ein Glanzstück kreativer Realpolitik sind Diskus-sionen über Sonntagsfahrverbote, Politikerwerbung fürausländische Automarken und Verbot von Glühbirnenjedenfalls nicht. Mit solchen Kinkerlitzchen schaffen wires höchstens, dass sich die Leute wieder einmal mitSchaudern von der Politik abwenden. Dem Klima hilftdas nicht.Das Wettrennen um immer höhere Treibhausgasre-duktionen und Ausbauziele für erneuerbare Energiennimmt ebenso manchmal komödiantische – oder besser:tragikomische – Züge an. Den Klimaoscar wird dann derbekommen, der als erster hundert sagt. Das ist dann aberdummerweise auch hundertprozentig unrealistisch. SeriösePolitik läuft anders.
Real ist, dass die Zahl der Menschen auf diesem Pla-neten bis 2030 um etwa 50 Prozent ansteigen wird unddass diese Menschen ein Recht auf eine gesicherte Ver-sDKbWbfuhRkgdDimAeWwDWdbMwwöamvmfaAsüghErdUAs
as mag manche mentale Probleme bereiten; aber dieahrheit ist oftmals sehr hart.Wahr ist auch, dass wir zum Beispiel bei der Nutzunger Biomasse zur Energiegewinnung mancherortsereits jetzt an Grenzen stoßen. Horrend gestiegeneaispreise in Mexiko, zunehmende Konversion land-irtschaftlich wertvoller Flächen von der Nahrungsge-innung zur Energieerzeugung in Südamerika, Palm-lplantagen statt Regenwald in Südostasien: Werngesichts solcher Entwicklungen die Nutzung der Bio-asse noch immer wie eine allseligmachende Monstranzor sich herträgt, redet einem ökologischen Imperialis-us das Wort.
Zur Wahrheit gehört auch, dass ein Verzicht auf dieriedliche Nutzung der Kernenergie alle Klimaziele – re-listische und erst recht unrealistische – konterkariert.
lle anderen um uns herum haben das verstanden undchütteln zu Recht den Kopf über uns. Aber ich bin festberzeugt: Viele heutige Kernkraftgegner werden ir-endwann in der Realität ankommen. Ich werde sie dannerzlich willkommen heißen.Zur Realität gehört weiter, dass Klimaschutz undnergiepolitik nicht erst mit dem Bericht des Weltklima-ates entdeckt wurden. Die Klimarahmenkonvention undas Kiotoprotokoll wurden ganz wesentlich durch CDU-mweltminister zum Erfolg geführt. Klaus Töpfer undngela Merkel haben klimapolitische Geschichte ge-chrieben.
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Marie-Luise DöttDer Klimawandel ist ein ernstes Problem, und des-halb sollten wir es ernsthaft diskutieren; das heißt Ver-zicht auf Schnellschüsse, populistische Phrasen –
Frau Kollegin!
– und Effekthascherei. Realismus ist das Gebot der
Stunde.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Eva Bulling-
Schröter, Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der dramatische IPCC-Bericht fordert ein energischesHandeln, und zwar bereits in den nächsten zehn bis15 Jahren. Wir sollten uns einmal bildlich vorstellen– ich glaube, Herr Schellnhuber hat es so dargestellt –:Es gibt ein Zeitfenster, das zehn bis 15 Jahre geöffnet ist,bevor es unwiderbringlich geschlossen ist. Das müssenwir den Kindern und den Kindeskindern sagen. Welt-weit, in Europa und auch in der Bundesrepublik müssenwir unserer Verantwortung gegenüber den zukünftigenGenerationen gerecht werden.Ich komme jetzt auf das Ziel zu sprechen, bis2020 40 Prozent des CO2-Ausstoßes einzusparen. Siehaben immer noch nicht verbindlich erklärt, dass unserLand das einhalten will. Darauf warten wir immer noch.
– Herr Kelber, schauen Sie sich bitte den Beschluss an. –Sie haben eine solche Erklärung an die EU-CO2-Minde-rung von 30 Prozent gekoppelt. Die EU hat allerdingsnicht beschlossen, 30 Prozent einzusparen; laut Energie-paket der Kommission soll sich die EU nur dann dazubekennen, 30 Prozent einzusparen, wenn sich alle Indus-triestaaten zur Erreichung dieses Ziels verpflichten. An-sonsten sind minus 20 Prozent anzustreben. Bitte,schauen Sie in die Papiere.Wir müssen Frau Merkel noch einmal dazu auffor-dern, im Rahmen der EU-Präsidentschaft und auch beimG-8-Gipfel in Heiligendamm etwas durchzusetzen. InHeiligendamm werden auch wir sie unterstützen.
– Das ist doch die Unterstützung.
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Wohin sich der Energiemix in den nächsten 50 Jahrenntwickelt, wird insbesondere durch die Erneuerung desraftwerkparks bestimmt, die zu großen Teilen in dieächste Emissionshandelsperiode fallen wird. Darum einaar Worte zum jüngst revidierten NAP II, zum Vertei-ungsplan der Zertifikate.
Zu begrüßen ist hier die auf Druck der EU nunmehrm 26 Millionen Tonnen deutlich nach unten korrigiertemissionsobergrenze.
um Vergleich: Der noch bis Ende dieses Jahres lau-ende erste Zuteilungsplan, welcher unter Rot-Grün ver-bschiedet wurde, sieht de facto eine Erhöhung dermissionen vor, und zwar um 6,5 Prozent.
un sind es mit den 456 Millionen Tonnen für den Zeit-aum 2008 bis 2012 immerhin rund 7,5 Prozent wenigeregenüber dem Vergleichszeitraum 2000 bis 2005.Die Art der Zuteilung für Altanlagen hat sich geän-ert. Zukünftig orientiert sich die Zuteilung an festgeleg-en Standards und nicht mehr an den Emissionen derergangenheit. Ich denke, die Lenkungswirkung wirdier wesentlich besser sein.Bedauerlich ist aus unserer Sicht allerdings die Tren-ung in Kraftwerke, die mit festen Brennstoffen, undolche, die mit Gas betrieben werden. Dass die Erst-enannten so viele CO2-Zertifikate bekommen, wie einurchschnittliches Steinkohlenkraftwerk ausstoßenürde, geht zulasten der klimaschädlicheren Braun-ohle, was erst einmal in Ordnung ist. Es entsteht sober kaum Druck, von der Steinkohle auf das deutlichmissionsärmere Gas zu wechseln; denn Gaskraftwerkerhalten nur halb so viele Zertifikate.Den intelligenteren Weg sind Schweden und Großbri-annien gegangen. Dort erhalten alle Neuanlagen brenn-toffunabhängig nur so viele Emissionsrechte, wie einffizientes Gaskraftwerk benötigen würde. Das nenne
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Eva Bulling-Schröterich einen Anreiz zum Brennstoffwechsel. Bitte überle-gen Sie noch einmal!Die große Frage ist nun, ob die vielen angekündigtenneuen Steinkohlenkraftwerke tatsächlich gebaut werden.Das wäre, gelinde gesagt, eine Katastrophe; denn dannwürde Deutschland alle Klimaschutzziele verfehlen.Bitte überlegen Sie noch einmal, in welche Richtung wirgehen wollen. Wollen wir das wirklich, wollen wir wirk-lich CO2 emittieren?Das größte Manko des aktuellen Zuteilungsplanes ist– diesen Hinweis möchte ich Ihnen nicht ersparen; er ge-hört einfach dazu – die weiterhin kostenlose Vergabe derZertifikate. Sie sichert den Stromkonzernen MilliardenExtraprofite zulasten der Verbraucher. Sie erzielen nachunseren Berechnungen Windfall-Profits in Höhe von5 Milliarden Euro im Jahr; es kann auch ein bisschenmehr sein. Dieses Geld wollen wir für den Staatshaus-halt haben. Wir hätten auch einen guten Vorschlag be-züglich der Verwendung: für regenerative Energien. Ge-meinsam würde uns sehr viel einfallen. Da könnten wirtrefflich streiten im Sinne von CO2-Reduzierung undKlimaschutz.Danke.
Nächster Redner ist der Kollege Frank Schwabe für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Nach den Aussagen der di-versen IPCC-Berichte – manche sind ja schon öffentlichgeworden, obwohl sie noch nicht offiziell veröffentlichtworden sind; diese Aussagen sind alle sehr realistisch –gibt es drei Erkenntnisse.Erstens. Der Mensch ändert das Klima. Das ist nichtmehr zu bestreiten.Zweitens. Das hat jetzt und in Zukunft dramatischeAuswirkungen. Wenn wir das 2-Grad-Ziel nicht über-schreiten wollen – das dürfen wir auch nicht –, dannmüssen wir uns bei ungefähr 420 ppm einpendeln unddürfen nicht darüber hinausgehen. Es gibt also eine neueDramatik; denn bisher sind wir immer von 450 ppm aus-gegangen.Drittens. Wir haben vielleicht noch zehn bis 15 JahreZeit, um massiv umzusteuern.Das Ganze kann man jetzt so oder so sehen. Mankönnte sagen: Um Gottes willen, das ist ja eine erschre-ckende Erkenntnis. Unsere Lebensweise ist nicht zu-kunftsfähig. – Bei dieser Feststellung erschrickt man ersteinmal. Man könnte es aber auch positiver formulierenund sagen: Es geht; denn es ist noch nicht zu spät.ngddW2nAs–DrairwdeGww–nDnzwmIMwWWwkiksedeDt
Die Logik ist also: Wir müssen vorwegmarschieren.ir müssen die USA dazubekommen. Da ist Bewegung.ir müssen es dann schaffen, auch die Schwellenländer,o die CO2-Emissionen in Zukunft steigen, dazuzube-ommen.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Debatte hatn den letzten Monaten eine unglaubliche Dynamik be-ommen – mit Auswirkungen auch für die Situation die-er Gesellschaft, glaube ich, die wir alle noch gar nichtinschätzen können. Es gibt allerdings auch Stilblüten iner Debatte. Eine Stilblüte war die Frage der Glühbirnen –in in der Tat sehr wichtiges und interessantes Thema.ass aber gerade die Australier, die pro Kopf den höchs-en CO2-Ausstoß haben, jetzt mit solchen Vorschlägen
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Frank Schwabegekommen sind, vielleicht auch gedacht haben, das wärees dann gewesen, ist schon etwas seltsam.Eine zweite Stilblüte ist in der Tat die Debatte um dieAtomenergie. Wer da alles jetzt Klimaschutz betreibenwill und schon immer der größte Klimaschützer war,wundert schon sehr. Das sind nämlich diejenigen, die– das Thema Emissionshandel ist gerade angesprochenworden – unbedingt, auf Deuwel komm raus jetzt einBraunkohle-Benchmark durchsetzen wollen. Das sindgenau diejenigen, die sagen: Mit der Atomenergie wol-len wir das Klima retten. – Hinter diese Argumentationkann man schon ein Fragezeichen setzen. Man mussvielleicht auch sagen: Manches in der Debatte führt indie Irre.
Es gibt drei Bedingungen, dem Klimawandel zu be-gegnen. Erstens wissenschaftliche Erkenntnisse – die ha-ben wir jetzt –, zweitens Unterstützung durch die Men-schen, die Wählerinnen und Wähler – die haben wirauch; das kann man feststellen – und drittens politischerMut; den brauchen wir, und zwar alle gemeinsam. Wirbrauchen klare, verbindliche Ziele. Wir brauchen Zieleim Bereich der Energieeffizienz; denn die Energieeffi-zienz ist keine Frage des Könnens, sondern eine Fragedes Wollens. Ich finde es gut, dass man sich in den imDeutschen Bundestag vertretenen Parteien offenbar aufneue Ziele verständigt. Auch die Förderung der erneuer-baren Energien ist keine Frage des Könnens, sonderneine Frage des Wollens.Um das noch einmal klarzustellen: Wir wollen, dassEuropa bis 2012 30 Prozent einspart. Deutschland sollsich bekennen – und bekennt sich – zum 40-Prozent-Ziel. Wir wollen dann mithelfen, anzustoßen, dass wiralle gemeinsam im Dezember in Indonesien ein Ver-handlungsmandat für Kioto II bekommen.In der Debatte in den letzten Wochen ist deutlich ge-worden, dass die Selbstverpflichtungen ausgedient ha-ben. Das, denke ich, kann man hier feststellen, auch an-lässlich der Debatte um den CO2-Ausstoß von PKWs.
Die Selbstverpflichtungen haben ausgedient. Es ist not-wendig, dass Politik mutig ist, dass Politik Rahmenbe-dingungen setzt und bestimmte Grenzwerte vorgibt. Dasist gut für das Weltklima, für die Debatte um den Klima-wandel; es ist aber auch gut – davon bin ich fest über-zeugt – für die heimische Wirtschaft und für die heimi-sche Industrie, weil nur diejenigen, die zukünftigProdukte klimagerecht herstellen, auch weltweit erfolg-reich sein können.Vielen Dank.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!n der Tat ist es schwierig, in fünf Minuten in einer Ak-uellen Stunde über dieses Thema zu reden. Ich will esrotzdem versuchen, zumal man sich über jeden Lern-ortschritt freuen sollte, liebe Kolleginnen und Kollegenon der FDP. Ich erinnere mich noch an die Zeit zwi-chen 1998 und 2005, in der Sie von 18 Umweltgesetzen8 abgelehnt haben, darunter auch das Erneuerbare-nergien-Gesetz. Sie sind nun einen Schritt weiterge-ommen, allerdings noch nicht so ganz weit; denn wennie sagen, man solle in Deutschland, diesem verregneteneutschland, wie wir gerade wieder sehen, darauf ver-ichten, die Nutzung der Solarenergie auszubauen, istas ein großer Fehler. Sie verkennen, dass man zuerstuf den Heimatmärkten Kompetenz demonstrierenuss, um dann durch große Serien Kostensenkungen zurreichen und auf den Weltmärkten mitzuspielen. Dieseatsache haben Sie noch nicht ganz verstanden.
Kollegin Dött sprach davon, dass Realismus das Ge-ot der Stunde sei. Dem will ich ausdrücklich beipflich-en; allerdings denke ich, dass ich Realismus anders in-erpretiere als sie. Wenn man sich die Zahlen, die ebenchon vom Kollegen Schwabe angesprochen wurden,or Augen führt, dann kann einem ganz schön schwinde-ig werden – um das ganz deutlich zu sagen –: Vorindus-riell lag die CO2-Konzentration bei 280 ppm, also Tei-en pro Million; jetzt liegt sie bei 383 ppm, jedes Jahrteigt die Zahl um 2,5 ppm. Die Klimaforscher sagen,ie Zahl müsse bei maximal 420 ppm stabilisiert wer-en, um einen Klimawandel zu verhindern, der nichtehr kontrollierbar wäre. Deswegen heißt Realismus iner Problemanalyse heute Radikalität im Handeln. Dasst unsere Interpretation des Ganzen.
Jetzt kurz zu dem, was aktuell beschlossen wird.enn man sich diese Zahlen vor Augen führt – wir müs-en bis 2050 mindestens minus 80 Prozent erreichen;esser wäre, wir würden Mitte dieses Jahrhunderts koh-enstofffrei wirtschaften –, erkennt man, dass die Ziele,ie jetzt vom Umweltministerrat in Brüssel beschlossenorden sind, keinen historischen Durchbruch bedeuten;ie Entscheidung ist eher ein bisschen hasenfüßig. Herrinister, Sie sagen, es sei ein historischer Durchbruch;ch würde Ihnen gerne beipflichten. Selbst die Europäi-che Union nimmt sich nicht mehr vor, als den CO2-Aus-toß bis 2020 gegenüber 1990 um 20 Prozent zu reduzie-en. Eine Reduzierung um 20 Prozent in 30 Jahrenedeutet, dass der Ausstoß jährlich um nur ein zwei Drit-el Prozentpünktchen gesenkt werden soll. Das ist keinistorischer Durchbruch; das ist Halbherzigkeit.
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Dr. Reinhard Loske
Hinzu kommt, dass jeder sein eigenes Handeln kondi-tioniert. Es gibt im Moment das Paradox, dass jeder seinHandeln an das Handeln anderer knüpft: Die Bundesre-gierung sagt: Wir reduzieren den CO2-Ausstoß um40 Prozent, wenn die EU ihn um 30 Prozent senkt. DieEU sagt: Wir senken den Ausstoß um 30 Prozent, wennandere ihn auch um 30 Prozent senken. Anstatt eine Vor-reiterrolle einzunehmen, beäugt man sich gegenseitig.Auch das zeugt nicht von besonderem Mut.
Wir kritisieren auch, dass die Ziele im Bereich der er-neuerbaren Energien – ihr Anteil an der Energieversor-gung soll 20 Prozent betragen – unverbindlich im Raumstehen, also nicht verbindlich vereinbart worden sind.Wir hätten von den Umweltministern mehr erwartet. DieEnergie- und Wirtschaftsminister haben es gerne unver-bindlich; von den Umweltministern hätte ich allerdingsschon erwartet, dass sie sagen: Das muss verbindlichfestgeschrieben werden. Dies wurde aber nicht durchge-setzt.Genauso ist es mit den CO2-Grenzwerten bei den Au-tomobilen. Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass sichdie Umweltminister, die normalerweise beim Klima-schutz am stärksten auf die Tube drücken, dem Vor-schlag von Herrn Dimas – ein Grenzwert von120 Gramm CO2 pro Kilometer bis 2012 – angeschlos-sen hätten und nicht den faulen Kompromiss nachgebe-tet hätten, der zwischen Industriekommissar Verheugen,der Bundesregierung und der restlichen Kommissionvereinbart wurde. Es wäre mutig gewesen, sich HerrnDimas anzuschließen. An Mut fehlt es leider aber auchhier.
Ich komme zu einem Thema, das innenpolitisch eineRolle spielt. Den Vorschlag, herkömmliche Glühlampenzu verbieten, konnte man in der Tat karikieren. DerGrundgedanke ist vollkommen richtig: Warum sollenwir noch Technologien einsetzen, die einen Wirkungs-grad von nur 5 Prozent haben, die gar nicht mehr auf derHöhe der Zeit sind? Wenn ich das richtig sehe, sagen wiralle hier im Hause: Wir wollen den Top-Runner-Ansatzverfolgen. Das heißt, bei elektrischen Anwendungensetzt der Beste den Standard; wer diesen Standard nichtinnerhalb von drei oder fünf Jahren erfüllt, der fliegtvom Markt. Das halte ich für einen guten Ansatz. Ich er-warte aber von der Bundesregierung, dass sie das nichtnur als Idee in den Raum wirft, sondern dass sie jetzt beider Umsetzung der Eco-Design-Richtlinie und bei derEnergieeffizienzrichtlinie wirklich Nägel mit Köpfenmacht, sodass alle elektrischen Anwendungen, die nichteffizient sind, so schnell wie möglich vom Markt flie-gen. Das erreicht man nicht über Verbote, sondern überden Top-Runner-Ansatz. Da muss jetzt aber etwas kom-men. Wir erwarten, dass Sie nicht nur ankündigen, son-dern auch wirklich liefern.gvdl2zgkwdvtlkshfAdVdbCDmÜJtuodbgdgodsis
Der letzte Punkt – dann bin ich fertig, Frau Präsiden-in –: die Vorschläge von Herrn Tiefensee zur Umstel-ung bei der Kfz-Steuer. Man hätte sich darüber freuenönnen, dass Herr Tiefensee vorschlägt, die Kfz-Steuero umzustellen, dass ihre Höhe vom CO2-Ausstoß ab-ängt. Darüber diskutieren wir schon seit Jahren. Dannragt man nach: Ist das im Kabinett abgestimmt? Dientwort lautet: Nein, das war so eine Idee. Ist das miten Ländern abgestimmt? Nein, das war so eine Idee.on der Regierung erwarte ich nicht nur gute Ideen, son-ern auch umsetzungsfähige Vorschläge. Daran hapert esei dieser Regierung im Moment leider noch.Danke schön.
Nun hat das Wort der Kollege Andreas Jung für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!er neue Bericht des IPCC ist in dieser Deutlichkeit dra-atisch; aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen:berraschen kann er niemanden. Wir haben ja überahre den Erkenntnisfortschritt verfolgt; schon die letz-en Berichte des IPCC sind in diese Richtung gegangen,nd wir selber merken, wenn wir nur herausschauender herausgehen, dass sich schon heute etwas verän-ert. Spätestens jetzt müsste aber der Letzte kapiert ha-en: Wir reden nicht nur darüber, ob der Klimawandel ir-endwann kommt, sondern der Klimawandel ist schona und beschleunigt sich.Wir müssen jetzt handeln, weil wir – das ist schon an-esprochen worden – nur noch ein Zeitfenster von zehnder 15 Jahren haben, um tatsächlich wirksam zu han-eln. Deshalb geht von diesem Bericht an alle die Bot-chaft aus: Die Zeit des Redens und der schönen Wortest vorbei! Wir müssen entschieden, konsequent und ent-chlossen handeln!
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Andreas Jung
Ich kann Sie beruhigen: Die Große Koalition hat diesvon der ersten Stunde an getan. Sie hat ja nicht nur das,was Rot-Grün gemacht hat, weitergeführt – ich denke anden Bereich der regenerativen Energien mit dem EEG,wo wir genau das, was Sie getan haben, weitergeführthaben –, sondern wir haben das Maßnahmenpaket sogarnoch aufgestockt. So haben wir für Energiesparpro-gramme und das Gebäudesanierungsprogramm Mittel inerheblichem Umfange in die Hand genommen – über4 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode – und ma-chen damit in diesen Bereichen mehr als Rot-Grün in derletzten Wahlperiode. Dasselbe gilt auch für den Nationa-len Allokationsplan II. Wir haben die Ziele der Europäi-schen Kommission akzeptiert und machen damit auch indiesem Bereich mehr als die Vorgängerregierung.Vor allem: Die Bundesregierung und die Bundeskanz-lerin ganz persönlich haben sich darüber hinaus vom ers-ten Augenblick an zu der Vorreiterrolle bekannt, die dieBundesrepublik Deutschland über viele Regierungenhinweg im Klimaschutz eingenommen hat.
Deshalb hat sie im Rahmen der Vorbereitung der deut-schen Präsidentschaften im Europäischen Rat und derG 8 gesagt: Klimaschutz ist für uns ein Topthema. Ichdenke, hier müssen wir anknüpfen. Deshalb muss analle, die bisher beim Klimaschutz außen vor stehen– von den Schwellenländern über China bis hin zu denUSA –, die Botschaft gesandt werden: Macht mit undkommt mit ins Boot! Die USA müssen wir an ihre Ver-antwortung als Führungsmacht, die sie ja sein wollen, er-innern und ihnen deutlich machen: Eine Führungsmachtkann nur ein solcher Staat sein, der sich bei Maßnahmengegen den Klimawandel nicht verweigert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Handeln,nicht Reden – das muss auch unsere Botschaft an dieLufthansa und an die Schweiz sein. So droht nämlichjetzt die Lufthansa damit, dass sie, wenn wir den Flug-verkehr in den Emissionshandel miteinbeziehen – dashalte ich für notwendig und unverzichtbar –, Flüge vonFrankfurt nach Zürich verlagern würde. Das kann nichtsein. Da müssen wir die Schweiz daran erinnern, dass ihrzuständiger Minister Moritz Leuenberger in Nairobisagte, die Schweiz wolle eine weltweite CO2-Steuer.Nachdem er in Nairobi so stark aufgetreten ist, erwartenwir, dass er das dann auch zu Hause umsetzt. DieSchweiz muss verhindern, dass sie zu einer CO2-Oasefür klimaschädlichen Flugverkehr wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grü-nen, ich will auch Ihnen noch eine Botschaft mit auf denWeg geben. Nachdem ich in der letzten Woche für dieNmWHhdWrvlslslsdHGneeaVkzshgtawfDdfLdanDmwnwzo
Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Gudrun Kopp
ür die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren undamen! Lassen Sie mich vorweg einmal klarstellen, waser Kollege Kauch eben hier für die FDP-Bundestags-raktion zur Nutzung der Solartechnologie gesagt hat.ieber Herr Loske, er hat ganz klar davon gesprochen,ass der Schwerpunkt der Nutzung der Solartechnologieuf ausländischen Märkten zu sehen sein soll; er haticht gesagt, dass sie aus Deutschland zu verbannen sei.as ist ein sehr wichtiger Unterschied.Im Übrigen vermisse ich in dieser Debatte wieder ein-al konkrete Konzepte. Frau Dött, Sie haben hier Ab-ehrgefechte geführt, indem Sie gesagt haben, was allesicht geht und wer was wo und wie falsch macht. Aberir hätten heute sehr gerne einmal etwas über Ihr Kon-ept gehört. Wie steht beispielsweise diese Koalitionder wenigstens die CDU/CSU zum Wärmegesetz? Will
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8152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007
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Gudrun Koppsie das Wärmegesetz nun, oder will sie es nicht? Undwie stehen Sie zu einem Wärmegesetz auf der Grundlageeiner Mengensteuerung, wie die FDP es vorgeschlagenhat?
Aber vielleicht hören wir dazu ja noch etwas.Die Grünen und andere sprechen sich gegen die Koh-leverstromung aus. Außerdem lehnen die Grünen dieweitere Nutzung der Kernenergie ab; in der Koalitiongibt es über dieses Thema Streit. Wie wollen Sie denndie Energieversorgung und den Umweltschutz zueinan-derbringen? Natürlich muss man sehen, was realistischist. Die fossilen Energieträger werden noch eine Weilegebraucht werden. Allerdings müssen wir sehr großenWert darauf legen, dass die neuesten Technologien ver-wendet werden. Insofern setzen wir auf die verstärkteFörderung der Clean-Coal-Technologie. Aber insgesamtsind wir der Überzeugung, dass ein breit angelegterEmissionshandel tatsächlich das beste Lenkungsinstru-ment sein könnte
und dass es neben dem Zertifikatehandel, unter den alleEnergiebereiche zu fassen sind, die Parallelinstrumente,die wir heute haben, wie das EEG, die KWK oder vielesmehr, nicht weiterhin geben sollte.
Verfügbare Energie ist ein Wohlstandsbarometer. DieKlimaschutzdebatte ist ja nicht neu; wir müssten eigent-lich längst wissen, was die Stunde geschlagen hat. Indiesem Zusammenhang möchte ich Ihnen, vor allem andie Adresse der Regierung und der Koalitionsfraktionengerichtet, etwas vorhalten. Die neueste Studie von A. T.Kearney zeigt, dass in allen Ländern, in denen eine Libe-ralisierung und Regulierung des Energiemarktes erfolgtist, die jeweiligen Regierungen die Steuern und Abgabenenorm erhöht haben. Durch die derzeitige Regulierungwurde bislang – das hat die Bundesnetzagentur vor zweiTagen kundgetan – eine Kostenreduzierung der Netzge-bühren im Strombereich von 2 Milliarden Euro und imGasbereich von 800 Millionen Euro erreicht. Das istpositiv. Jetzt darf aber der Staat nicht diese Lücke füllen,indem er die Steuern und Abgaben erhöht.Ich nenne Ihnen einmal ein paar eindrucksvolle Zah-len aus dieser sehr interessanten Studie: Ein Durch-schnittshaushalt hatte in 2006 Energiekosten von681 Euro. Davon gingen Steuern und Abgaben in Höhevon rund einem Drittel, nämlich 264 Euro, ab. Von die-sen 264 Euro blieben 164 Euro im Staatshaushalt. Siewurden nicht zur Förderung der erneuerbaren Energienoder von Ähnlichem eingesetzt, sondern über10 Milliarden Euro wurden allein im vergangenen Jahrin den Staatshaushalt geschleust.
AbswgsusdSpItwSSAWhBWnuWKukButKMrnAMwlm
nd die unseren Wirtschaftsstandort und die europäischeirtschaft nicht schwächen.Herzlichen Dank.
Nun erteile ich das Wort für die SPD-Fraktion dem
ollegen Dr. Sascha Raabe.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Der Klimawandel hat negative Auswir-ungen auf die Industrieländer und auf die gesamte Welt.esonders hart trifft es aber die Entwicklungsländer, dienter diesem Wandel am stärksten leiden. Es gibt exis-enzbedrohende Überflutungen von Inselstaaten und vonüstenmetropolen, wodurch Ernten vernichtet und vieleenschenleben regelrecht weggeschwemmt werden.Wir tragen eine besondere Verantwortung; denn wäh-end wir in den Industriestaaten mit einem relativ klei-en Anteil an der Weltbevölkerung den weitaus größtennteil am weltweiten Energieverbrauch haben, muss dieehrheit der Menschen in den armen Ländern, wo vieleniger Energie als bei uns verbraucht wird, daruntereiden.Fast 2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zuoderner Energieversorgung. Beispielsweise werden in
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Dr. Sascha RaabeAfrika 70 Prozent der Energie aus Holz gewonnen.Wenn wir wollen, dass die Entwicklung in diesen Län-dern vorankommt, dann müssen wir bei dem, was wirtun, Vorbild sein. Das ist schon gesagt worden, und dasist richtig.Betrachten wir einmal Indien und China und das dor-tige Wirtschaftswachstum. In diesen beiden Ländern le-ben zusammen 2,4 Milliarden Menschen. Die USA unddie EU haben zusammen nur 789 Millionen Menschen.Das heißt, in China und Indien leben schon jetzt dreimalso viel Menschen wie in den USA und in der Europäi-schen Union. Diese Menschen haben ein Recht auf Ent-wicklung. Wie wir wollen sie im Wohlstand leben. Wirdürfen ihnen das nicht verwehren.Die Diskussion, ob ein paar Glühbirnen ausgetauschtwerden sollen, können wir völlig vergessen, wenn wirnicht unseren Beitrag dazu leisten, dass die Entwicklungin diesen Ländern anders verläuft als bei uns. Die Men-schen dort sollen zu Wohlstand kommen, wobei abernicht die gleichen Fehler wie bei uns gemacht werdensollen.
Herr Kauch, Sie hatten vorhin in Ihrer Rede vollkom-men richtig ausgeführt: Wenn man China und Indien mitins Boot holen will, dann muss man dafür sorgen, dasssie ihre Kohlekraftwerke mit deutscher Technologie aus-statten können. Davon profitiert unsere Wirtschaft, unddie Luft wird sauberer.Aber angesichts der Tatsache, dass die FDP-Fraktiondiese Aktuelle Stunde beantragt hat, komme ich mir vorwie im falschen Film. Denn Ihr Fraktions- und Partei-vorsitzender Westerwelle sagt in jeder Debatte, bei-spielsweise auch in der Haushaltsdebatte: Wir ver-schwenden deutsche Steuergelder, wenn wir mit ChinaEntwicklungszusammenarbeit betreiben. – Was machenwir denn in China? Wir geben China Anreize, saubereTechnologien einzusetzen. Wir geben den Chinesen bei-spielsweise die ersten zehn Kohlefilter umsonst mit demZiel, dass sie die nächsten 100 selbst kaufen. Was Sierichtigerweise für gut halten, prangert Ihr Partei- undFraktionsvorsitzender in jeder Rede an. Mittlerweile hatja selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie, derBDI, der nun wirklich keine sozialdemokratische Um-weltpolitik vertritt, Herrn Westerwelle angeschrieben undgesagt, er schade dem deutschen Mittelstand, der deut-schen Industrie und dem Weltklima.Ich fordere Ihre Fraktion auf: Hören Sie mit dem Un-sinn auf, das zu geißeln, was gut für das Weltklima undgut für die Menschen ist! Wir wollen den Einsatz der er-neuerbaren Energien auch in China und in Indien. Dassollten Sie, sehr geehrter Herr Kauch, dem HerrnWesterwelle endlich einmal mit auf den Weg geben.
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enn ich persönlich glaube: Nur wenn die Menschen,ie dort vor Ort leben, einen nachhaltigen Nutzen davonaben, können die Wälder tatsächlich geschützt werden.Liebe Frau Kopp und Herr Kauch, ich erinnere micharan, dass Sie von der FDP, wenn es in Diskussionenarum ging, im Rahmen der WTO Umweltstandards zuereinbaren oder dafür zu sorgen, dass nur noch Holzach Deutschland eingeführt wird, das zertifiziert ist, dasmmer als einen Anschlag auf den freien Welthandel undie Marktwirtschaft angesehen und dies abgelehnt ha-en.
etzt beantragen Sie eine solche Aktuelle Stunde. Das isticht redlich, Frau Kopp.Sie haben gefragt: Wo ist unser Konzept? Unser Kon-ept ist, dass wir in den Entwicklungsländern mit00 Millionen bzw. 500 Millionen Euro in den Bereicher erneuerbaren Energien und für Energieeffizienz in-estieren, dass wir dafür sorgen, dass dort, wo die richtigroßen Potenziale sind, eine saubere Luft ist, und dassir das Klima schützen. Das ist immer noch besser alser Marktradikalismus und Populismus Ihres Herrnesterwelle. Damit muss endlich einmal Schluss sein.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist nun der Kollege Dr. Georg
üßlein für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Derlimawandel ist und war von Anfang an, und zwar auchchon vor dem Stern-Bericht, Thema der Großen Koali-ion. Wer es nicht glaubt, möge in den Koalitionsvertraglicken.
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8154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007
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Dr. Georg NüßleinAber der Klimawandel ist ein Thema – das hat ebenschon der Kollege Raabe ausgeführt –, das man nationalnicht lösen kann. Da ist zunächst einmal die EuropäischeUnion gefragt, wo wir in unserer Ratspräsidentschaft na-türlich Akzente setzen müssen. Ich persönlich wünschemir, dass wir solche Akzente auch über diese Präsident-schaft hinaus setzen können, dass es ein zentrales Themableibt, auf das sich die Europäische Union im Sinne ei-ner echten und notwendigen Subsidiarität konzentriert.Mir wäre es lieber, die EU würde sich mit diesen The-men beschäftigen und nicht mit anderen, zum Beispiel– um ein aktuelles Beispiel zu nennen – mit dem Grün-buch zum städtischen Nahverkehr und anderen Dingen,bei denen die Leute nicht mehr verstehen, was das dieEuropäische Union angeht.Ich wünsche mir auch eine wohlausgewogene Lasten-verteilung zwischen den EU-Staaten. Die deutsche Wirt-schaft darf nicht über Gebühr belastet werden. Das isteine Frage der Akzeptanz sowohl der EuropäischenUnion als auch des wichtigen Themas des Klimaschut-zes.Was Deutschlands nationales Handeln angeht, so leis-ten wir in Bezug auf klimaschädliche Emissionen einenBeitrag von 3,19 Prozent. Das macht auf der einen Seitedeutlich, dass wir dieses Problem nicht allein lösen kön-nen. Auf der anderen Seite aber kann man nicht einfachsagen: Dieses Thema geht uns nichts an. Wir müssenvielmehr Vorbild im doppelten Sinne sein, nämlich zumeinen als moderner Industriestaat. Denn man wird unsnatürlich fragen – da bin ich bei den Entwicklungs- undSchwellenländern, Herr Kollege –: Was muten wir unsselbst zu? Gleichzeitig steht natürlich die Frage imRaum: Was kann man von anderen verlangen, insbeson-dere von den Entwicklungsländern, die natürlich einenAnspruch auf Entwicklung haben?Wir haben in diesem Zusammenhang auch noch eineandere Vorbildfunktion, nämlich im Sinne eines Techno-logieführers. Wir brauchen einen Technologietransfersowohl im Bereich der erneuerbaren Energien als auchbei der Kernenergie. Wir können nicht wegdiskutieren,dass es diese weltweit weiterhin geben wird.
Aus meiner Sicht und aus Sicht der CSU sind in die-sem Zusammenhang zwei Instrumente entscheidend:Das ist zum einen die Gebäudesanierung. KollegeLoske, Sie haben uns vorhin vorgeworfen, wir seien dazu zaghaft. Das hätten Sie in viel größerem Ausmaßwährend Ihrer Regierungszeit machen können! Ich fragemich, warum Sie es nicht getan haben.
Das andere entscheidende Instrument sind ganz klardie erneuerbaren Energien. Wenn man sich die Bilanzanschaut, stellt man fest, dass es im letzten Jahr gelun-gen ist, im Zusammenhang mit den erneuerbaren Ener-gien 97 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. 44 Millio-nen Tonnen davon stammen aus dem EEG, also aus demStrombereich. Da tut sich also einiges.HedbssTvdmDmeeDvddvDkDdwDrglenaHSsh
Ich sage das in dieser Deutlichkeit, weil es in diesemause den einen oder anderen gibt, der versucht, dasine Instrument gegen das andere auszuspielen, der sagt,er Emissionshandel sei viel besser und spannender. Ichitte jedoch, zu überlegen, um welche Größenordnung esich handelt. Beim Emissionshandel haben wir ein Ein-parziel von 50 Millionen Tonnen bis zum Jahr 2012.rotz Diskussion auf gewiss hohem intellektuellem Ni-eau haben wir keinen solchen Wirkungsgrad wie beien erneuerbaren Energien. Ich bin der Meinung, wirüssen dieses Instrument noch viel offensiver ausbauen.as gilt auch – das habe ich auch schon einmal alseine persönliche Meinung dargestellt – im Bereich derrneuerbaren Wärme, weil dort statistisch nachweislichin hohes Potenzial zu heben ist.
Ich sage abschließend: Wir müssen bei der ganzeniskussion zu dem Realismus zurückkehren, der vorhinon der Kollegin Dött schon angemahnt worden ist. Wirürfen uns nicht besserrechnen als wir sind. Ich meineamit die Prognosen zum Rückgang des Primärenergie-erbrauchs. Hier nehmen wir Zahlen aus der Zeit dereutschen Einigung, übertragen diese einfach in die Zu-unft und tun so, als ob der Energieverbrauch ineutschland zurückginge. Wir reden über Effizienzen,ie es dann nicht geben wird, wenn wir – was wir alleünschen – ein Wirtschaftswachstum haben werden.ann wird es nicht zu Energieeinsparungen kommen.Wir brauchen einen Energiemix, der vertretbar undealistisch den Energiebedarf dieses Landes deckt. Daseht nur, wenn dieser Energiemix möglichst breit ange-egt ist: von den erneuerbaren Energien bis hin zur Kern-nergie. Lassen Sie uns diesen Weg vertretbar und ver-ünftig gehen, dann lösen wir Klimaprobleme und tunuch etwas für Arbeitsplätze in diesem Land.Vielen herzlichen Dank.
Für die Bundesregierung erteile ich nun das Worterrn Bundesminister Dr. – nein, Entschuldigung –igmar Gabriel.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit:Frau Präsidentin, das wäre „humoris causa“. Von da-er vielen Dank.
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Bundesminister Sigmar GabrielMeine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat,der IPCC-Bericht, der mehrfach zitiert wurde, also derBericht der Klimawissenschaftler und der Regierungs-vertreter, sagt, dass wir zur Erreichung unseres Ziels, dieErderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts unter2 Grad zu halten, nur noch relativ wenig Zeit haben.Die Prozentzahlen, die in der heutigen Debatte überdie Senkung der CO2-Emissionen eine Rolle gespielt ha-ben, messen sich alle an diesem Ziel. Um die Erderwär-mung bis zum Ende des Jahrhunderts unter 2 Grad zuhalten, müssen wir die CO2-Emissionen bis zur Mittedes Jahrhunderts um 60 bis 80 Prozent reduziert haben.Um das zu erreichen, müssen wir sie bis zum Jahr 2020um 30 Prozent reduziert haben.Jetzt fangen wir einmal an, darüber zu reden, was derUmweltrat der Europäischen Union beschlossen hat.Herr Dr. Loske, was Sie hier die ganze Zeit behaupten,ist einfach falsch.
Der Umweltrat hat beschlossen: Wir wollen in Europadafür eintreten und in internationalen Verhandlungen er-reichen, dass die CO2-Emissionen bis zur Mitte des Jahr-hunderts um 60 bis 80 Prozent sinken. In internationalenVerhandlungen wollen wir eine Reduzierung um30 Prozent bis zum Jahr 2020 erreichen. Das ist exaktder Beschluss des Umweltrates. Das ist das, was derDeutsche Bundestag immer wollte. Das ist das, was dieKlimawissenschaftler wollen. Es ist – nehmen Sie es mirnicht übel; in der Debatte machen Sie sonst einen vielgradlinigeren Eindruck – Volksverdummung, zu behaup-ten, die Europäische Union habe dieses 30-Prozent-Zielnicht beschlossen. Das ist unter der deutschen Ratspräsi-dentschaft beschlossen worden.
Vor zwei Jahren hätte kein Mensch gedacht, dass dieEuropäische Union ein solches Ziel beschließen würde.Damals ist nie von Binding Targets, von bindenden Zie-len, die Rede gewesen. Darum ist es von historischer Be-deutung, dass die Europäische Union unter der deut-schen Ratspräsidentschaft gesagt hat: Wenn wir in deninternationalen Verhandlungen eine Reduzierung um30 Prozent nicht erreichen – also: im schlimmsten anzu-nehmenden Fall –, wird die Europäische Union eine Re-duzierung um mindestens 20 Prozent im Alleingang vor-nehmen.Herr Loske, kein Land, keine Region der Erde mitAusnahme der Europäischen Union hat bis zum heutigenTag einen solchen Beschluss gefasst. Das ist ein histori-scher Beschluss, der unglaublich wegweisend ist. Er istübrigens auch die Voraussetzung, um andere zu Ver-handlungen zu bewegen. Wenn Sie denen sagen: „Völligegal, was ihr macht, wir reduzieren um 30 Prozent!“,warum sollten diese Länder denn dann noch in Verhand-lungen mit uns eintreten? Das ist ein wirklich wegwei-sender Beschluss.Mit der beschlossenen Reduzierung um mindestens20 Prozent sagen wir allen Investoren in der Energie-wrte–RzmhgRLiirRuskwnkkueh–IGdDtRzasdd1gTlui
Herr Fell, Sie wären froh gewesen, wenn Sie in Ihreregierungszeit einen solchen Beschluss hätten durchset-en können. Machen Sie doch nicht das klein, was Sieit Ihrer Arbeit in der rot-grünen Koalition begonnenaben und was jetzt in der Großen Koalition zum Erfolgeführt werden konnte. Reden Sie die internationaleolle Deutschlands doch nicht kleiner. Kein anderesand in Europa außer Deutschland hätte das, so glaubech, so ohne Weiteres hinbekommen. Ich weiß, wovonch rede. Die Vertreter der anderen europäischen Regie-ungen hatten doch keine Angst vor dem Beschluss einereduzierung um 30 Prozent weltweit, sondern vor dernilateral, innerhalb der Europäischen Union beschlos-enen Reduzierung um 20 Prozent. Jetzt ist klar: Dasommt auf jeden Fall. Genug Länder haben gehofft, dassir das auf die internationalen Verhandlungen vertagen,ach dem Motto: Schauen wir einmal, was dabei heraus-ommt. Wir sagen der Energiewirtschaft: Macht Eucheine Illusionen. Heute gilt das Ziel einer Reduzierungm 8 Prozent gegenüber 1990. Nach 2012 gilt das Zieliner Reduzierung um mindestens 20 Prozent.Das bedeutet übrigens auch eine Investitionssicher-eit.
Auch für die Kohle, na klar. Herr Fell, Ihr Parteitag hathre Illusionen abgelehnt, als Sie beantragt haben, dierünen mögen doch bitte den vollständigen Ausstieg auser Kohle beschließen.
ie Parteitagsmitglieder waren realistischer als die Ver-reter der Grünen im Deutschen Bundestag. Das ist dieealität in der Kohledebatte.
Der Ausstieg aus der Kernenergie bis 2020 bei einemeitgleichen Ausstieg aus der Kohle ist eine ziemlichbenteuerliche Vorstellung. Was wir brauchen, sind bes-ere, effizientere Kohlekraftwerke als die alten Dinger,ie herumstehen. Sie machen den Leuten vor, dass wirie auch noch abschalten könnten und wir bis 202000 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Ener-ieträgern gewinnen könnten. Das ist ein schönerraum. Wir wollen aber reale Politik machen. Wir wol-en, dass sich im Klimaschutz wirklich etwas bewegt,nd nicht nur Reden im Bundestag halten. Herr Fell, dasst der Unterschied zwischen uns.
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Bundesminister Sigmar Gabriel– Ich habe mir das, was hier gesagt worden ist, genau an-gehört.Die unilateral beschlossene Reduzierung um20 Prozent ist die Voraussetzung für Verhandlungen.Eine Reduzierung um 30 Prozent wollen wir erreichen.Damit die Größenordnung dessen, was wir jetzt be-schlossen haben, klar wird: In der Europäischen Union– Stichwort: Kiotoprotokoll – haben wir jetzt ein Klima-schutzziel von 8 Prozent. Wir sind bei 1,2 Prozent unddamit weit weg von dem 8-Prozent-Ziel. Wir wollen eineReduzierung um 20 Prozent, eigentlich um 30 Prozenterreichen. Das macht klar, dass wir hier nicht über einautofreies Wochenende oder so reden. Wir reden überden Umbau der Industriegesellschaft bei der Form derEnergieproduktion und der Energiekonsumtion. Das isteine technologische Herausforderung, die es in diesemLand so noch nicht gegeben hat.Zur Rolle Deutschlands. Deutschland ist der größteEmittent in der Europäischen Union, weil wir das größteIndustrieland sind und übrigens auch bleiben wollen. Al-lerdings haben wir den größten Beitrag zu den bisheri-gen Zielen der Europäischen Union geleistet. 75 Prozentder Einsparungen der CO2-Emissionen in der Europäi-schen Union erbringt dieses Land. Man muss nun nichtdarüber jubeln, dass wir die größten Emittenten sind,aber man sollte sagen, dass sich dieses Land zu seinerVerantwortung für Klimaschutz bekennt, unter der deut-schen Präsidentschaft allemal und übrigens auch schondavor. Es gibt eine Kontinuität von Klaus Töpfer überAngela Merkel, Jürgen Trittin bis zur heutigen Regie-rung. Ich finde, das darf man einmal sagen. Man mussnicht alles in Grund und Boden reden, was dieses Landauf die Beine gestellt hat. Das ist schon ganz bemerkens-wert.
Übrigens ist die Reduktion der CO2-Emissionen um40 Prozent, die der Bundestag kurz vor der Konferenz inNairobi beschlossen hat, ganz logisch. Wenn wir interna-tional 30 Prozent erreichen wollen, dann wird es Lasten-verteilungen geben. Dies wird dazu führen, dass diesesLand mehr erbringen muss als andere. Es war kein be-sonderer politischer Akt, dies zu beschließen. Sie müs-sen nur die Grundrechenarten beherrschen, dann kom-men Sie, wenn Sie wollen, zu diesem Ergebnis.Frau Kopp hat gefragt: Was ist das Konzept? DieseFrage beantworte ich Ihnen. Das Konzept besteht ausvier Instrumenten. Erstens gibt es den Emissionshandel.Ich möchte einmal eine Größenordnung dazu nennen: Inder ersten Periode haben wir 2 Millionen Tonnen CO2pro Jahr eingespart. Das war nicht besonders viel. Hiergibt es sozusagen eine Lernkurve. Dann haben wir einenVorschlag gemacht. Dadurch haben wir 46 MillionenTonnen eingespart. Jetzt durch den EU-Beschluss, der inDeutschland zu erheblichen Debatten geführt hat, sindwir im Emissionshandel bei 57 Millionen Tonnen CO2,die wir pro Jahr einsparen. Da haben alle eine Lernkurvehd–dwgtdd–PWSmwwrwrpSZsvwruasfB2Gstwcmsg
Es geht auch darum, dass wir nicht nur darauf achtenüssen, was für die Wirtschaft verträglich ist – darüberird in Deutschland viel geredet –, sondern auch darauf,as für die Menschen verträglich ist, die heute Schwie-igkeiten haben, sich mit ihrem Nettoeinkommen einearme Wohnung oder eine Tankfüllung zu leisten.
Zweiter Punkt des Konzepts: der Ausbau erneuerba-er Energien. Das ist eine Erfolgsstory in der Bundesre-ublik, übrigens gegen Ihren Widerstand. Herr Loske,ie haben an einer Stelle völlig Recht. Das verbindlicheiel, das die Räte in der Europäischen Union beschlos-en haben, dass die erneuerbaren Energien einen Anteilon 20 Prozent an der Primärenergie ausmachen sollen,ar unzureichend. Ich bin froh, dass die Bundeskanzle-in gesagt hat, dass sie das mit auf den Rat der Staats-nd Regierungschefs nimmt. Allerdings, Herr Loske,uch die Umweltminister gehen mit Kabinettsbeschlüs-en dorthin. Das wissen Sie. Es ist unter anderem amranzösischen Widerstand gescheitert.Ich wäre dankbar, wenn die, die das wollen, nicht dieundesregierung dafür beschimpfen, dass sie für0 Prozent eintritt, sondern vielleicht einmal in ihrenremien, zum Beispiel in den Fraktionen im Europäi-chen Parlament, dafür sorgen, dass durch ihre Schwes-er- und Brüderparteien zu Hause der Druck entwickeltird, von dem Sie vorgeben, dass Sie ihn hier entwi-keln.
Herr Minister, Sie müssen bitte zum Schluss kom-en.Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit:Dritter Punkt: Energieeffizienz. Dazu ist schon vielesagt worden.
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Ich muss Sie dringend darauf hinweisen, dass Sie zum
Schluss kommen müssen.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit:
Ja, vielen Dank, Frau Präsidentin.
Der letzte Punkt, über den wir wahrscheinlich noch
weiter debattieren werden, ist CCS.
Es geht für die Bevölkerung auf der Welt in der Tat
um ein Problem, das ähnlich gelagert ist wie die Bedro-
hung durch atomare Waffen. Deswegen werden wir uns
mit diesem Thema international weiter auseinanderset-
zen müssen. Aber die Führerschaft Europas und die Fä-
higkeit Deutschlands, das voranzutreiben, sollten wir im
eigenen Parlament nicht ständig unter den Scheffel stel-
len.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist nun der Kollege Philipp Mißfelder,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte zunächst einmal, ohne dass der Eindruck ent-steht, in der Großen Koalition sei man bei jedem Themaeiner Meinung,
das unterstützen, was der Minister vorhin zu den Be-schlüssen auf europäischer Ebene gesagt hat. Ich glaube,dass dies ein wirklicher Fortschritt ist und dass diezweite Bemerkung dazu richtig war: Nicht nur die Ab-sichts- und Zielbeschreibungen, die stattgefunden haben,sind zu betrachten, sondern auch das, was tatsächlich er-reicht worden ist.Ich denke, in diesem Haus besteht ein grundsätzlicherKonsens, dass wir mit dem, was wir bei der Emis-sionseinsparung bisher erreicht haben, noch weit vondem entfernt sind, was wirklich notwendig wäre. Ichglaube, die Diskussion der vergangenen Wochen warsehr wichtig, um in der Bevölkerung ein Bewusstseindafür zu schaffen. Dass diese Debatte geführt wurde,war für die Akzeptanz der Umweltpolitik von Bedeu-tung. Aber wir müssen besonders vorsichtig sein, wennversucht wird, daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.Ich möchte jetzt keine Einzelbeispiele aufgreifen – inden vergangenen Wochen ist schon viel zu den ThemenHybridauto, erneuerbare Energien und Glühbirnen ge-sagt worden –, sondern nur festhalten: Nicht jeder Vor-schlag, der gemacht wurde, ist tatsächlich realistisch.Wir sollten aufpassen, welches Gesellschaftsbild wirletztendlich vermitteln. Ist eine solche Gesellschaft über-hem–UsümmstüacfdtüdszdegbnggvDDggt
Herr Fell, wir vertreten zwar in vielen Punkten dermwelt- und insbesondere der Energiepolitik unter-chiedliche Auffassungen. Aber wir stimmen doch darinberein, dass wir vor allem Marktanreizmodelle schaffenüssen, um die Interessen der Industrie und die ökono-ischen Interessen unseres Landes mit unseren ökologi-chen Zielen in Einklang bringen zu können.
Man sollte bei allem, was vorgeschlagen wird, realis-isch bleiben und auch die eigene Position immer wiederberprüfen. Das geschieht, wie Sie beobachten können,uch in der Union. Wir diskutieren munter darüber, wel-her Weg in der Umweltpolitik der beste ist. Mittlerweileindet man bei uns ein hohes Maß an Offenheit.
Die gleiche Offenheit, die Sie immer von uns einfor-ern, fordern wir von unserem Koalitionspartner und na-ürlich auch von den Grünen ein, wenn es darum geht, zuberprüfen, welcher Weg in der Energiepolitik genereller richtige ist. Wenn man über Klimaschutzzielepricht, dann muss man die weltweiten Entwicklungenur Kenntnis nehmen. Es ist nun einmal so – ich weiß,ass Sie sich gleich wieder aufregen werden –, dass zuiner vernünftigen Klimapolitik auch die Kernenergieehört.
Die Panikmache, die an der einen oder anderen Stelleetrieben wird, macht keinen Sinn. Man kann nicht ei-erseits vor der großen Klimakatastrophe warnen, ohneleichzeitig zu erklären, wie das Potenzial an Kernener-ie, das als emissionsfreier Energieträger in Deutschlandorhanden ist, eingespart und ersetzt werden kann.
azu gibt es keine realistischen Vorschläge.
eshalb muss man über den besseren Weg in der Ener-iepolitik diskutieren.Nachdem ich den Minister und die Sozialdemokratenelobt habe – Herr Kelber, das werde ich gerne wiederun, zumindest solange die Große Koalition hält –,
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Philipp Mißfeldermöchte ich nun meinem Wahlkreiskollegen Schwabe,der sich gerade kritisch über die „Recklinghäuser Zei-tung“ geäußert hat, erwidern: Der Kommentar, der in un-serer Lokalzeitung stand, trifft tatsächlich das Bewusst-sein vieler Menschen. Wir müssen in der Umweltpolitikdarauf achten, dass wir nicht durch viele Einzelvor-schläge Panikmache betreiben und dadurch die Legiti-mation, die wir haben, um vernünftige politische Ent-scheidungen zu treffen, unnötig erschweren.Vielen Dank.
Nächster Redner ist nun der Kollege Marco Bülow
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Kolleginnen und Kollegen! Eine Schlagzeile nach demErscheinen des IPPC-Berichts lautete: Der Mensch istverantwortlich für den Klimawandel. – Das wussten wirschon vorher. Vor 30 Jahren haben ähnliche Berichte zu-tage gebracht, dass der Mensch höchstwahrscheinlichdafür verantwortlich ist. Dass das Wort „höchstwahr-scheinlich“ verwendet wurde, hat leider nicht dazu ge-führt, dass hinreichende Maßnahmen ergriffen wurden.Sonst wären wir heute einen Riesenschritt weiter. Eswurde zwar ein Anfang gemacht, und es wurden guteBeschlüsse gefasst. Aber im Prinzip hat sich nur einesverändert: Der CO2-Ausstoß ist weiter gestiegen.Heute, 30 Jahre später, müssen alle, auch die großenSkeptiker, zugeben, dass der Mensch für den Klimawan-del verantwortlich ist und wir wohl das eine oder anderewerden unternehmen müssen. An der heutigen Debattezeigt sich allerdings auch, wie schnell wir immer nochunterschiedlicher Meinung sind. Es wird darauf hinge-wiesen, dass wir der Wirtschaft nicht schaden dürfen undnoch einmal genau über die Ziele sprechen müssen, undes wird die Frage gestellt, ob Deutschland bei diesemThema denn wirklich Vorreiter sein muss. Ich finde, inden letzten 30 Jahren haben wir nicht sehr viel dazuge-lernt.Denn eines ist doch wohl klar: Wenn wir die erneu-erbaren Energien ausbauen, wenn wir mehr für die Ener-gieeffizienz tun, dann schaden wir der Wirtschaft nicht,sondern wir nutzen ihr: Über 200 000 Menschen habenim Bereich der erneuerbaren Energien Arbeit gefunden.Bei mehr Energieeffizienz könnten es noch viel mehrsein. Das spricht eine deutliche Sprache: Das Land, dasbeim Klimaschutz Vorreiter sein wird, wird eine wirt-schaftliche Macht entfalten, der wegen des Drucks, dender Klimawandel ausübt, ganz viele Länder nachfolgenmüssen. Deswegen ist es keine Schadensrechnung, son-dern eine Nutzenrechnung, die wir aufstellen müssen.
Auch diese Erkenntnis ist nicht neu, ich bin nicht derErste, der das hier sagt; aber anscheinend muss man esleider noch einmal wiederholen.ikAa–geEhDwzdWsdbeducnfMaDOngdghvkDtbswmv1kwfw
Die Hauptbotschaft des Berichtes muss doch lauten:ir müssen schnell handeln, und die Handlungen müs-en weitreichend und mutig sein. Dazu müssen wir iner Diskussion klarstellen, welche Maßnahmen wirrauchen. Fangen wir mit denen an, bei denen wir unsinig sind: Es gibt eine breite Mehrheit in diesem Haus,ass wir Maßnahmen wie die Kraft-Wärme-Kopplungnd ähnliche brauchen. Da sollten wir den Anfang ma-hen. Ich denke, dazu wird der Kollege Becker gleichoch etwas sagen.Zweitens. Wir müssen überlegen, wo wir bei uns an-angen können, damit wir glaubwürdig sind, damit dieenschen nicht sagen, wir reden nur. Wir müssen alsouch selbst handeln. Wir sollten beispielsweise über dieienstwagenflotte des Bundestages einmal nachdenken.
der nehmen wir die Flüge, die die Bundestagsabgeord-eten machen, zum Teil machen müssen. Es gibt ein Pro-ramm, bei dem man zuzahlen kann, um die Schäden,ie man anrichtet, zumindest zu neutralisieren.Drittens. Wir müssen auch dort handeln, wo es Ge-enwind gibt, wo Lobbygruppen sich stark aufgestelltaben. Wir müssen auch Dinge beschließen, für die manielleicht nicht nur Beifall aus der Bevölkerung be-ommt.Viertens. Wir brauchen ein klares Bekenntniseutschlands zu seiner Vorreiterrolle; der Bundesminis-er hat das auf den Konferenzen deutlich gemacht. Wirrauchen diese technologische Vorreiterrolle aus wirt-chaftlichen Gründen, aber auch weil wir eine Verant-ortung haben. Deshalb kann ich die Diskussion ananchen Stellen nicht nachvollziehen. Im Durchschnitterursacht jeder Deutsche heute den Ausstoß von0 Tonnen CO2 im Jahr. Jetzt kann man nicht sagen: Dasann man schlecht vergleichen mit Brasilien oder China,ir sind ja viel industrialisierter. 1950, als die Industrieür 61 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich war,ar das so. Doch mittlerweile hat sich das Verhältnis in
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Marco BülowDeutschland umgekehrt: Heute ist der größte Teil derCO2-Emissionen dem Verkehr und den Verbrauchern ge-schuldet. Von daher glaube ich, dass wir gut daran tun,wenn gerade Deutschland seine CO2-Emissionen redu-ziert. Das heißt nicht, dass sich die anderen europäischenStaaten nicht auch bemühen müssten – im Gegenteil.Aber wir müssen als Vorreiter vorangehen, um sagen zukönnen: Wenn ihr es nicht tut – wir haben es gemacht.Wir können andere nur dazu bewegen, zu folgen, wennwir selber Vorbild sind, wenn auch wir bereit sind, etwaszu tun.Der Klimawandel kommt; aber noch haben wir dieChance, zumindest einige seiner Folgen abzuwenden.Wir alle tragen eine Verantwortung dafür; das ist an vie-len Stellen erwähnt worden. Es müssen mehrere Sachenzusammenkommen. Natürlich kann Deutschland denKlimawandel nicht allein abschwächen. Auch in Chinamuss es ein Umdenken geben. Dort gibt es einige Um-weltbewegte, die sagen: So kann es nicht weitergehen,auf diesem Weg darf China nicht bleiben. Diese Leutemüssen sich durchsetzen; sie müssen von uns gestärktwerden. Auch in den USA muss es ein Umdenken ge-ben. Auch dafür gibt es gute Anzeichen, gerade im Senatund bei vielen Abgeordneten aus allen Parteien in denUSA. Wenn die drei Akteure China, die USA und dieEuropäische Union – mit den Entscheidungen, die wirschon getroffen haben; mit Deutschland als Vorreiter –zusammenkommen, dann haben wir eine echte Chance,dem Klimawandel zu begegnen, dann sind wir einenRiesenschritt weiter. Aber dazu brauchen wir Mut, unddiesen Mut müssen wir nicht nur bei Reden, sondern vorallem bei Entscheidungen unter Beweis stellen.Vielen Dank.
Nun hat das Wort der Kollege Dirk Becker für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Mir ging es ähnlich wie Frau Dött, als ich zur Kenntnisnehmen musste, dass diese Aktuelle Stunde anberaumtwar. Die Motivation der FDP war nicht wirklich ein Rät-sel. Sehr geehrter Herr Kauch, Kollegin Kopp, im End-effekt sind die Erwartungen, die man an Ihren Beitraghaben konnte, voll und ganz erfüllt worden: Ein kleinerAnteil erneuerbarer Energien wird bejaht; ein bisschenEffizienz wäre schön. In erster Linie darf es aber nichtmehr kosten. Es darf nicht zulasten der Wirtschaft ge-hen. Marco Bülow hat es eben bereits angesprochen.Dabei zeigt sich das Kurzzeitgedächtnis in der Politik.Wir diskutieren über den IPCC-Bericht; hingegen ist derStern-Bericht, der uns klargemacht hat, dass Unterlas-sungen im Klimaschutz teurer werden als eine en-gaVFWasswgdEwKägiwwSsmVV4zngWkhnzlesusAmfWdmdgt
on daher war Ihr Beitrag in dieser Aktuellen Stunde,rau Kopp – so leid es mir tut; ich schätze Sie als meineahlkreiskollegin sehr –, deutlich am Thema vorbei.
Deutlich wird aber auch – das richtet sich an den Ko-litionspartner –, dass die Diskussion über den Klima-chutz unterschwellig dafür genutzt wird, eine Renais-ance der Atomenergie zu beflügeln. Es geht auf einmalieder die Mär um, die Technologie der Atomenergie seieeignet, unser Klima zu schützen. Wir brauchen aber anieser Stelle keinen energiepolitischen Salto rückwärts.inige sind offensichtlich beratungsresistent, was denirklichen Nutzen der Atomenergie und den Beitrag derernenergie zur klimapolitischen Wende angeht. Daranndern auch die großen PR-Aktionen und Werbekampa-nen nichts, die die Atomlobby derzeit schaltet.Einer der größten Fehler in der gesamten Diskussionst, dass immer wieder Energie mit Strom gleichgesetztird. Das ist mitnichten der Fall. Nur 16 Prozent deseltweiten Energieverbrauchs beziehen sich auf dentromsektor. Die Möglichkeiten, allein auf dem Strom-ektor bzw. über Atomkraftwerke zu nennenswerten Kli-aschutzmaßnahmen zu kommen, stehen in keinemerhältnis zu anderen wirksamen Maßnahmen.
erschiedene Studien zeigen, dass wir in Deutschland0 neue Atomkraftwerke errichten müssten, um das Zielu erreichen, komplett auf vermeintlich CO2-freie Tech-ologie zu setzen.Bei dieser Betrachtung wird ein gewaltiger Fehler be-angen: Wir richten den Fokus nicht auf den Bereich derärme, sondern allein auf die Stromerzeugung. Damitomme ich zu dem, was Marco Bülow angesprochenat. Es gibt eine wesentlich bessere Möglichkeit, zu ei-er klimafreundlichen Nutzung der eingesetzten Energieu kommen, und zwar durch die Kraft-Wärme-Kopp-ung. Anders als bei der Atomenergie werden hierbei ininem Prozess Strom und Wärme erzeugt. Wir könneno bis zu 90 Prozent der eingesetzten Energie in Wärmend Strom umwandeln. Wir haben bei anderen klassi-chen Energieformen wie Kohle oder auch bei dertomenergie eine Nutzung von 30 bis 35 Prozent. Beiodernen GuD-Kraftwerken liegt die Auslastung unge-ähr bei 55 Prozent. Das heißt, im Bereich der Kraft-ärme-Kopplung ist eine zwei- bis dreifache Steigerunger Energieeffizienz möglich. Daher ist für uns Sozialde-okraten die Kraft-Wärme-Kopplung eine der entschei-enden Punkte in der Diskussion über den Klimaschutz,erade mit Blick auf den Bereich der Energieeffizienz.
Ich möchte daher auch sehr deutlich an den Koali-ionsvertrag erinnern. Beide Koalitionsparteien haben
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8160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007
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Dirk Beckersich im Koalitionsvertrag zur Kraft-Wärme-Kopplunggeäußert. Uns liegt mittlerweile der Bericht des Wirt-schaftsministeriums und des Umweltministeriums vor.Wir wissen, dass die bisherigen Klimaschutzziele nichterreicht werden können. Von daher bedarf es nun einerengagierten Ausformulierung und Novellierung desKraft-Wärme-Kopplungsgesetzes.Ich möchte an den Koalitionspartner appellieren, nunauch in diesem Bereich die Vereinbarung umzusetzen.Für die SPD-Fraktion gestatten Sie mir, darauf hinzu-weisen, dass wir im März den Entwurf einer Novellie-rung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vorlegenwerden. Für uns geht es darum, nicht nur die Moderni-sierung im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung, sondernausdrücklich auch den Neubau von Kraft-Wärme-Kopp-lungsanlagen zu fördern.Darüber hinaus bekennen wir uns zu unserem Ziel,den Anteil der Stromerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung bis zum Jahr 2020 auf 25 Prozent zu erhöhen.Um die Frage zu beantworten: Es gibt klare Hand-lungsfelder in der Großen Koalition. Wir haben Strate-gien in den Bereichen der erneuerbaren Energien, desEnergiesparens und der Energieeffizienz. Das sind dieKonsequenzen, die wir Sozialdemokraten aus den Erfor-dernissen des Klimaschutzes ziehen. Wir werden daherdiese Politik kontinuierlich fortsetzen. Den Atomnostal-gikern muss ich sehr deutlich sagen: Ihren Weg werdenwir nicht mitgehen; denn dieser Weg ist aus unsererSicht ein Weg in die energiepolitische Sackgasse.Herzlichen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 2:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettssitzung mitgeteilt: Fortentwicklung des Gen-technikrechts.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaftund Verbraucherschutz, Horst Seehofer.Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,Landwirtschaft und Verbraucherschutz:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Ich würde eigentlich lieber über den – wieich gerade erfahren habe – sagenhaften Überschuss derKrankenkassen im Jahr 2006 infolge der vorletzten Ge-sundheitsreform reden. Aber ich rede jetzt über den heu-tigen Kabinettsbeschluss zum Gentechnikrecht.Das Bundeskabinett hat heute ein umfassendes Eck-punktepapier zur Novellierung des Gentechnikrechts be-schlossen. In unserer Koalitionsvereinbarung ist festge-legt, dass die Anwendung und die Entwicklung derGzMllEdszGsPinrdssdDjguGeDdddddFiwrevdgGeAgsFszwnsAsdwzvn
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Ich war sehr froh, dass die deutsche Wirtschaft erklärthat, sie sei bereit, anstelle eines gesetzlichen Haftungs-fonds in Individualverträge mit den Anbauern einzutre-ten, um mögliche wirtschaftliche Schäden aufzufangen.Wichtig ist mir, dass es bei der wirtschaftlichen Anwen-dung von Gentechnik nicht zu einer Haftung aus Steuer-geldern und damit aus dem Bundeshaushalt kommt.Ich glaube, dass es mit diesem Punkt und einer gan-zen Reihe weiterer Punkte, die in diesem hochkomple-xen Gebilde eine Rolle spielen, gelungen ist, eine sehrverantwortliche und sensible Interessensabwägungdurchzuführen. Vor allem ist es uns mit diesem Eck-punktepapier gelungen, diesen Interessenausgleich, dendie Bevölkerung von uns erwartet, zu wahren, nämlichdass wir einerseits vorsichtig und zurückhaltend mit demThema umgehen, andererseits aber auch die Chancen fürdie Bundesrepublik Deutschland, die sich mit einerneuen Technologie ergeben, nicht verspielen.Nun wird die Umsetzung in Gesetze und Verordnun-gen erfolgen. Die Koexistenzregeln werden in erster Li-nie in Form einer Rechtsverordnung umzusetzen sein,manche Regeln, zum Beispiel das vereinfachte Verfah-ren bei der Freisetzung, in Form von Gesetzen.SgSeDfjSkWpSisdsübSnrntrisPmmIkKdesggrbbwgwrs
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Es läuft nicht so, wie uns immer unterstellt wird, dassir als Regierung warten, bis uns jemand sagt, was wirun dürfen, und es dann tun.Wir wollen in Deutschland eine relativ jungeechnologie, wenn man sie in großem Maßstab betrach-et, dort nutzen, wo sie Chancen bietet, insbesondere in
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Bundesminister Horst Seehoferder Forschung, aber wir wollen dort, wo wir Risiken se-hen, die Risiken ausschalten. Das ist das Motiv. Wir be-dienen uns des Sachverstands von Wissenschaftlern, derWirtschaft und von Kritikern – ich habe mit allen Kriti-kern mehrfach gesprochen –, und dann ist es politischeVerantwortung, einen Interessenausgleich herbeizufüh-ren. Wir lassen uns nicht von irgendjemand bevormun-den.
Nun erteile ich der Kollegin Cornelia Behm das Wort.
Herr Minister, vielen Dank für den Bericht.
Sie wären vor der Zulassung neuer gentechnisch ver-
änderter Sorten vielleicht gut beraten gewesen, die gute
fachliche Praxis, von der so viel die Rede ist, zu regeln.
Eine Anhörung zu diesem Thema hat traurige Ergeb-
nisse ausgewiesen. Es bestehen große Unsicherheiten.
Sie sprechen jetzt von 150 Metern Abstand. Ich frage
mich natürlich ganz besorgt, wie Sie bei einem Abstand
von 150 Metern zum Feld mit gentechnisch veränderten
Pflanzen – welche auch immer das dann sein mögen –
die Interessen der Imker berücksichtigen wollen und
werden; denn Bienen haben bekanntermaßen einen sehr
weiten Aktionsradius.
Ebenso besorgt stimmt mich die Frage: Wie regeln
Sie denn die Koexistenz der Stoffströme bei der guten
fachlichen Praxis? Dazu habe ich überhaupt noch kein
Wort gehört. Es ist ein essenzielles Anrecht der Verbrau-
cherinnen und Verbraucher, dass Folgendes hundertpro-
zentig sichergestellt ist: Wenn auf dem Weg vom Acker
zum Nutzungsort Bestandteile gentechnisch veränderter
Produktion in die Nahrungs- oder Futtermittel kommen,
geht das nicht ohne Kennzeichnung. Uns ist bei der An-
hörung aufgezeigt worden, wie viele Möglichkeiten der
Vermischung es gibt. Darauf hätte ich gerne eine Ant-
wort.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Zum Ersten. Auch wenn es immer wieder behauptet
wird, wird es nicht richtig: Ich habe noch keine einzige
gentechnisch veränderte Pflanze zugelassen. Das war al-
les vor meiner Zeit. Daran waren Sie nicht unbeteiligt.
Das Einzige, was ich nach dem Regierungsantritt zu ver-
antworten habe: Eine gentechnisch zugelassene Pflanze
wurde ins Sortenregister der Bundesrepublik Deutsch-
land eingetragen.
Das hat aber mit einer gentechnischen Genehmigung
nichts zu tun, null Komma null zu tun. Meine Vorgänge-
rin, der Sie nicht ganz fernstehen, war an der gentechni-
schen Zulassung von Pflanzen entschieden mehr betei-
ligt als ich.
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ie einzige Antwort auf diese Frage der Ströme ist die
ennzeichnung.
Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Antonofreiter.
Vielen Dank, Herr Minister, für den Bericht.Vorweg ein ganz kurzer Punkt und dann eine Frageum Raps. Sie haben vorhin recht damit gehabt, dassaps ein ganz großes Problem ist. Aber ich kann Sierösten: Raps kreuzt nicht mit jeder Wildpflanze aus, wieie gemeint haben; Raps kreuzt nur mit einem Teil derildpflanzen aus dem Bereich der Kreuzblütler aus.Meine Frage dazu ist: Wie wollen Sie das beim Rapsicherstellen? Machen Sie ein Gentechnikgesetz nur fürais, oder machen Sie ein Gentechnikgesetz, das gene-ell gilt? Wir alle wissen: Raps hat nahe Verwandte iner einheimischen Flora. Die kreuzen aus. Abstandsre-elungen sind damit nicht möglich usw. Deshalb meinerage: Ist Ihr Gentechnikgesetz für Mais, oder ist es einenerelles Gentechnikgesetz?Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz:Wenn wir Bayern „jeder“ sagen, ist auch „viele“ ge-eint. Also, wir haben beide recht.
Trotzdem bleibt das Problem. Ich halte das Problemeim Raps nicht für lösbar, wenn es um die Koexistenzeht. Ob Sie mit „viele“ recht haben oder ich mit „jeder“
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Bundesminister Horst Seehoferrecht habe, es ist nicht lösbar, wenn es um die Koexis-tenz geht – jedenfalls so, wie ich Koexistenz definiere.Das Gentechnikgesetz ist ein Gesetz, das generell gilt.Die guten Regeln der fachlichen Praxis, die in einerRechtsverordnung festgelegt werden sollen, müssen wirauf einzelne Pflanzensorten abstellen. Was wir jetzt re-geln, bezieht sich auf den Mais.
Nun hat das Wort die Kollegin Ursula Heinen.
Herr Minister, auch von mir herzlichen Dank für die
Darstellung, insbesondere für den wichtigen Teil Präzi-
sierung der Haftungsregelungen.
Nachdem es nicht dazu gekommen ist, dass ein Haf-
tungsfonds oder Ausgleichsfonds etc. gebildet wird,
würde mich in dem Zusammenhang interessieren, wie
jetzt die Selbstverpflichtung der Wirtschaftsverbände
aussehen wird. Es geht ja darum, Landwirte, die die gute
fachliche Praxis einhalten, besonders zu schützen, wenn
es doch zu Verunreinigungen etc. gekommen ist.
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Ich gebe das Ergebnis unserer fast einjährigen Unter-
suchung und all der Gespräche, die stattgefunden haben,
wieder: Eine Versicherung ist aus versicherungsmathe-
matischen Gründen momentan nicht möglich. Ich habe
selbst mehrfach mit den Versicherungschefs gesprochen:
Es gebe noch viele Unwägbarkeiten, die eine Versiche-
rungslösung unmöglich machen.
Zum Haftungsfonds möchte ich sagen: Stellen Sie
sich vor, die Regierung hätte heute ein Gesetz beschlos-
sen, das eine neue Abgabe in der Bundesrepublik
Deutschland vorsieht und regelt, wer sie bezahlt, welche
Höhe sie hat, wo sie hinterlegt wird, für welche Schäden
man damit aufkommt, was geschieht, wenn nicht bezahlt
wird. Sie kennen die Situation im wirtschaftlichen Be-
reich: Dort sind sehr viele Kleine, aber auch sehr starke
Große unterwegs. Deshalb ist es objektiv betrachtet
nicht möglich, einen Haftungsfonds einzurichten. Die
Wirtschaft hat uns übermittelt, dass ein gesetzlicher Haf-
tungsfonds keine adäquate Lösung sei. Sie hat in der Sa-
che recht.
Wir waren sehr erfreut, dass die Wirtschaft und an-
dere, zum Beispiel der Bauernverband, sagen: Die Haf-
tung soll nicht dem einzelnen Bauern überlassen sein.
Die Wirtschaft insgesamt, beispielsweise die Sortenher-
steller, wird – sie hat einer entsprechenden Selbstver-
pflichtung zugestimmt – für den Schaden des einzelnen
Anbauers haften. Die Selbstverpflichtung ist in meiner
Anwesenheit abgegeben und auch schriftlich festgehal-
ten worden. Sie muss jetzt spezifiziert werden. Die Wirt-
schaft hat den Anspruch, dass die Regierung sagt, wie
sie sich das insgesamt vorstellt.
Der nächste Schritt, bei dem die Selbstverpflichtung
konkretisiert wird, steht jetzt bevor. Das könnte zum
Beispiel so aussehen: Man könnte schlicht und einfach
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ann ist für mich wichtig: Wer haftet denn dann in so ei-em Fall, und wer kommt für diese Schäden auf?Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,andwirtschaft und Verbraucherschutz:Was die Zufriedenheit betrifft: Sie werden mir nach-ehen können, dass es, wenn innerhalb des Kabinetts beiinem so komplexen und sensiblen Feld der Interessen-usgleich gelingt, weltfremd wäre, wenn man damiticht zufrieden wäre.Der andere Punkt: Wir ändern – auch dies sollten Sieitieren – das Gesetz nicht. Wir stellen nur das klar, waseute im Gesetz steht, nämlich dass – jedenfalls dann,enn kein Verschulden vorliegt – für die Folgenbeseiti-ung kein Anspruch auf Schadenersatz gegenüber demnbauer besteht. Sie kennen das berühmte Beispiel derahlsen-Kekse: Wenn weiterverarbeitet wird und keinerschulden vorliegt, fallen all die Schäden, die darausntstehen, nicht auf den Anbauer zurück. Das ist einerer Punkte – das hatte ich mit Ihrer Fraktion besprochen –,en wir in den nächsten Monaten im Rahmen des Sym-osiums zu Haftungsfragen etc. mit der Elite des deut-chen Haftungsrechts durchleuchten werden.Fragen kann man immer schnell stellen, auch dierage: Wer zahlt die Testkosten?
an kommt dann aber immer an den Punkt – dieses Pro-lem haben Sie genauso wie wir –: Wie löst man dieserage, die man in den Raum stellt? Natürlich werden wirm Gesetzgebungsverfahren weiter Gehirnschmalz ein-etzen; das ist ja der Sinn eines parlamentarischen Ver-ahrens.Frau Kollegin, Sie haben in diesem Zusammenhangen Eingang von E-Mails und Ähnlichem angesprochen.ir haben als Parlamentarier schon die Aufgabe, Men-chen von einer Sache zu überzeugen, und dürfen nichtinfach Stimmungen aufnehmen. Ich habe das Beispielus der Medizin nicht umsonst genannt: Die gleicheneute, die oft fundamentalistisch gegen die Nutzung ei-er Technologie zu Felde ziehen, sind dann, wenn deregen der Anwendung zur Verfügung steht, die Ersten,ie den Segen in Anspruch nehmen wollen. Ich möchteermeiden, dass wir dort, wo es in der Gentechnik posi-ive Chancen gibt, diese verschlafen und dann die jewei-igen Produkte oder auch das Wissen aus dem Auslandeziehen. Das ist meine Motivation.
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Bundesminister Horst SeehoferAber das geht – das sollte klar sein – nicht um denPreis der Fahrlässigkeit.Darüber sollten wir mit den Menschen diskutieren.Denn wenn Sie die E-Mails, die wir bekommen, an-schauen, dann stellen Sie fest, dass die jeweiligen Ver-fasser es am liebsten hätten, wenn wir uns mit dem gan-zen Thema gar nicht beschäftigen und so etwas in derBundesrepublik Deutschland überhaupt nicht stattfindenlassen würden.
Wir haben die Zeit schon etwas überschritten, Frau
Kollegin.
Ich beeile mich. Wenn Sie sagen, dass wir bei der Ro-
ten Gentechnik diese Ängste irgendwann einmal über-
wunden haben, muss ich dann davon ausgehen, dass wir
jetzt einfach warten und die Zeit für uns arbeiten lassen,
um auch die Ängste im Hinblick auf die Grüne Gentech-
nik zu überwinden?
Horst Seehofer, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz:
Nein, ich habe schon vor ein paar Minuten ausdrück-
lich hinzugefügt, dass die Nützlichkeit der Pflanzen, die
im Lebensmittel- und Futtermittelbereich von Bedeu-
tung sind, von den Menschen nicht so hoch eingeschätzt
wird, wie das in der Medizin der Fall ist. Das wird ein
anderer Prozess werden.
Aber ich rede ja hauptsächlich über die nächste Gene-
ration. Im Food-Bereich wird es sehr schwer werden. Sie
erleben doch das Gleiche wie ich: Wo immer ich in
Deutschland hinkomme, ist – jedenfalls in den meisten
Bereichen – eine ganze Menge Widerstand seitens der
Kirchen, der Landfrauen, der Gemeinden, der kommu-
nalen Politiker und der Wirtschaft vorhanden.
Diesen Widerstand müssen wir ernst nehmen. Ich
glaube, die Regierung hat dies sehr sensibel in dieses
Eckpunktepapier aufgenommen.
Herr Minister, ich danke Ihnen für die Beantwortung
der Fragen. Wir haben zwar die dafür vorgesehene Zeit
etwas überschritten. Aber ich denke, das ist angesichts
der Bedeutung dieses Themas angemessen.
Ich beende die Regierungsbefragung und rufe
Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 16/4367, 16/4390 –
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Ja. Mir leuchtet überhaupt nicht ein, warum es für den
Arbeitgeber im stärkeren eigenen Interesse sein soll,
wenn die Arbeitskräfte selber mit dem Auto statt mit öf-
fentlichen Verkehrsmitteln kommen. Das ist mir einfach
unklar. Dass Sie sagen, es sei im Interesse des Arbeitge-
bers, den Arbeitskräften einen kostenlosen Parkplatz zur
Verfügung zu stellen, damit diese nicht nach einem su-
chen müssen, leuchtet mir ein. Aber wieso ist das Inte-
resse daran im Verhältnis höher als daran, dass sie mit
öffentlichen Verkehrsmitteln kommen? Dies könnte von
weitaus größerem Interesse für den Arbeitgeber sein, da
die Arbeitnehmer weniger gestresst und entspannter an-
kommen. Es kommt zu weniger Ausfällen, da es sicherer
ist, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, usw.
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Herr Kollege Hofreiter, das ist in der Tat eine Ein-
schätzung, die nicht vollständig von der Hand zu weisen
ist. Ich kann Ihre Beurteilung aus Ihrer Sicht sehr gut
verstehen.
Ich hatte Ihnen aber gerade gesagt, dass nach objekti-
ven Gesichtspunkten entschieden wird, welches Inte-
resse im Vordergrund steht: das Arbeitgeber- oder das
Arbeitnehmerinteresse. Der bisherigen höchstrichterli-
chen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes liegt genau
diese Beurteilung zugrunde. Es ist nicht von der Hand zu
weisen, dass bei einer Einstellungsänderung von Arbeit-
gebern die höchstrichterliche Rechtsprechung in Zukunft
möglicherweise anders erfolgen könnte. Natürlich kön-
nen sich Wertungen – Wie beurteilt man A oder B? –
auch bei den Gerichten ändern. Das ist keine Frage.
Ich hatte aber den Ausweg gleichsam gewiesen, in-
dem ich auf die Jobtickets hingewiesen habe. Entschei-
dend ist, wie man im Betrieb damit umgeht. Gibt man
den Arbeitnehmern einen Barzuschuss, damit sie sich
ein Ticket des öffentlichen Personennahverkehrs erwer-
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Nein.
Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Dr. Hermann Otto
olms auf:
Hat die Bundesregierung Informationen darüber, dass pri-
vate Veräußerungsgewinne in der Schweiz, Österreich, Lu-
xemburg, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden so-
wie den USA besteuert werden, und, wenn ja, welche
Steuersätze, Freibeträge und Spekulationsfristen für private
Veräußerungsgewinne gelten in den genannten Ländern?
D
Herr Kollege Solms, nach vorliegenden Informatio-
en werden private Veräußerungsgewinne in Frankreich,
talien, Luxemburg, Schweden, Großbritannien wie in
nsgesamt 17 Mitgliedstaaten der Europäischen Union
nd den USA besteuert. In Österreich sind private Ver-
ußerungsgewinne grundsätzlich nicht steuerpflichtig, es
ei denn, es handelt sich um Spekulationsgeschäfte oder
esentliche Beteiligungen.
oweit Sie dies wünschen, bin ich gern bereit, Ihnen zur
onkreten Ausgestaltung der Steuerpflicht in den von Ih-
en genannten Ländern eine Aufzeichnung zu übersen-
en. In der Schweiz sind private Veräußerungsgewinne
teuerfrei.
Sie haben eine Zusatzfrage, bitte.
Ich möchte die Zusatzfragen gerne nach Beantwor-
ung der zweiten Frage stellen.
Dann rufe ich die Frage 7 des Abgeordnetenr. Hermann Otto Solms auf:
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8170 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007
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Vizepräsidentin Petra PauSieht die Bundesregierung angesichts der in der Schweiz,Österreich, Luxemburg, Frankreich, Großbritannien, Italien,Schweden und den USA geltenden Regelungen für privateVeräußerungsgewinne die Gefahr, dass es bei Einführung ei-ner Abgeltungsteuer in Höhe von circa 28,5 Prozent inklusiveSolidaritätszuschlag und Kirchensteuer zu einer Kapitalfluchtaus Deutschland kommen könnte?D
Die Bundesregierung teilt derartige Befürchtungen
nicht. Zum einen müssen Steuerpflichtige auch bei einer
Kapitalanlage im Ausland die steuerrelevanten Tatbe-
stände, also laufende Zinsen, Dividenden oder Veräuße-
rungsgeschäfte, in der Einkommensteuererklärung ange-
ben, da eine Kapitalanlage im Ausland die deutsche
Steuerpflicht nicht entfallen lässt und das Besteuerungs-
regime im Ausland insoweit nicht von Belang ist. Zum
anderen wird eine verstärkte Abwanderung von Kapital
ins Ausland gerade dadurch vermieden, dass die Steuer-
pflichtigen hinsichtlich ihrer Zinseinkünfte zukünftig
nicht mehr dem bisher geltenden progressiven Steuersatz
von 42 bzw. bis zu 45 Prozent zuzüglich Solidaritätszu-
schlag sowie gegebenenfalls Kirchensteuer unterliegen,
sondern lediglich ein die Einkommensteuer abgeltender
Steuersatz von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszu-
schlag sowie gegebenenfalls Kirchensteuer Anwendung
findet.
Weiterhin wird die im Rahmen der Unternehmensteu-
erreform beabsichtigte Einführung einer Besteuerung
von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften
außerhalb der bisherigen Einjahresfrist nicht zu einer
massiven Verlagerung von Depots ins Ausland führen.
Es trifft zwar, isoliert betrachtet, zu, dass die Einführung
einer uneingeschränkten Wertpapierveräußerungsge-
winnbesteuerung bei einer Haltedauer von mehr als ei-
nem Jahr für den Anleger bei Veräußerungsgewinnen zu
einer steuerlichen Mehrbelastung führen kann; genauso
richtig ist allerdings auf der anderen Seite, dass Veräuße-
rungsverluste künftig auch nach Ablauf eines Jahres
steuermindernd zu berücksichtigen sein werden. Bereits
diese Wechselwirkung zeigt, dass die Beurteilung des
Gesamtkonzepts der Abgeltungsteuer nicht auf einzelne
Teilaspekte eingeengt werden darf.
Außerdem fallen im Zusammenhang mit der Kapital-
anlage in Wertpapieren neben einmaligen Veräußerungs-
gewinnen auch laufende Zinsen und Dividenden an. Für
den Anleger ist daher neben der steuerrechtlichen Be-
handlung langfristiger Veräußerungsgewinne ebenso die
Frage bedeutsam, wie kurzfristige Umschichtungen im
Depot und laufende Erträge künftig behandelt werden.
Die Abgeltungsteuer wird dabei für die meisten privaten
Anleger insgesamt gesehen gegenüber dem derzeitigen
Recht die deutlich attraktivere Alternative darstellen, zu-
mal sich die geringere steuerliche Belastung der laufen-
den Erträge auch auf die Wertentwicklung langfristiger
Anlagen vorteilhaft auswirkt.
Im Übrigen wird die einheitliche Behandlung der un-
terschiedlichen Kapitalanlageformen gegenüber dem
heutigen Recht ein Höchstmaß an steuerrechtlicher
Transparenz und übrigens auch Vereinfachungen bieten.
Die Rendite wird sich künftig nach rein betriebswirt-
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nser gemeinsames Interesse ist es, diese Anleger dazuu bewegen, ihr Anlagekapital zu offenbaren oder nacheutschland zurückzutransferieren.Deswegen ist es doch wichtig, zu überlegen, welcheotive die Menschen bewegen könnten, diesen Weg zuehen. Ich glaube, die Androhung, dass Veräußerungs-ewinne, die bislang steuerfrei waren, nun mit knapp0 Prozent besteuert werden sollen, ist für die betroffe-en Personen keine Anregung, ihr Anlagekapital nacheutschland zurückzuverlagern.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007 8171
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Herr Kollege Solms, mir ist bisher in allen Debatten,
die wir im Zusammenhang mit der Abgeltungsteuer hat-
ten – wir führen solche Debatten im politischen Raum
seit vielen Jahren –, immer dargetan worden, dass den
Vermögenden daran läge, Anonymität zu bewahren und
dass sie deswegen eine Abgeltungsteuer befürworteten,
die anonym und direkt von der Quelle her, nämlich von
der depotführenden Bank – sofern es sich um Veräuße-
rungsgewinne oder um Dividendenerträge handelt –, an
das Finanzamt abgeführt würde, ohne dass die Anony-
mität des Inhabers eines solchen Depots oder Kontos of-
fenbar wird.
Nachdem dies ab dem Jahr 2009 durch eine anonyme
Abgeltungsteuer sichergestellt werden soll, erhebt sich
jetzt eine neue Debatte, die Sie hier darstellen. Ich gehe
davon aus, dass Sie sie sich nicht persönlich zu eigen
machen. Man kann von einem Abgeordneten des Deut-
schen Bundestages nicht erwarten, dass er in diesem Ho-
hen Hause Verständnis für Steuerhinterziehung äußert;
das nehme ich von Ihnen nicht an. Insofern glaube ich,
dass wir jetzt nicht in eine neue Schieflage der Debatte
kommen sollten. Die Anonymität wird zukünftig ge-
währleistet sein.
Der Bürger, der möglicherweise gleichzeitig Veräuße-
rungsverluste geltend machen will, tut gut daran, sich
von seiner Bank die Erträgnisaufstellung geben zu lassen
und sie aufzubewahren, damit er in einem späteren Fall
die Saldierung machen kann. Wenn er zu einem späteren
Zeitpunkt Veräußerungsverluste erleidet, wird er diese
geltend machen können. Das wird in dieser sogenannten
Schedule eingearbeitet sein. Früher versteuerte Gewinne
werden mit anfallenden Verlusten verrechnet werden
können. Dies ist neu. Insofern müsste insbesondere je-
mand, der zu risikoreichen Anlagen neigt, daran interes-
siert sein, sich die Möglichkeit der Verlustverrechnung
zu eröffnen.
Im Übrigen ist die abgeltende Wirkung der Kapitaler-
tragsbesteuerung und der Veräußerungsgewinnbesteue-
rung für die große Mehrheit der Steuerpflichtigen eine
Erleichterung. Denn wir bleiben auf jeden Fall – auch
inklusive Solidaritätszuschlag und möglicherweise Kir-
chensteuer – in einer Größenordnung von etwa 28 Pro-
zent, also deutlich unter 30 Prozent. Unter den Kapital-
anlegern befindet sich ein überproportional hoher Anteil
von Bürgerinnen und Bürgern, die aufgrund ihres Ein-
kommens dem Spitzensteuersatz unterliegen.
Sie haben die Möglichkeit zu zwei weiteren Nachfra-
gen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretä-
rin, nur damit es hier kein Missverständnis gibt: Die Ab-
geltungsteuer auf Zinsen und Dividenden wird von uns
ausdrücklich begrüßt. Dies wird zu einer deutlichen Ver-
einfachung der Verfahren und zu mehr Vertrauen bei den
Anlegern führen. Es geht mir darum, ob die Bundesre-
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007 8173
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8174 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007
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Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – In dem Referen-
tenentwurf ist von Raucherräumen und Raucherberei-
chen die Rede. Ist davon auszugehen, dass damit das
Gleiche gemeint ist, oder handelt es sich dabei um ver-
schiedene Definitionen bzw. verschiedene Räumlichkei-
ten?
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Für uns ist von der Anlage des Gesetzentwurfes her
ganz klar, dass wir nur den abgeschlossenen Raum mei-
nen. Wenn man in einem Raum Nichtraucher- und Rau-
cherzonen hat, dann ist der Nichtraucherschutz faktisch
nicht mehr gewährleistet. Insofern ist wichtig, dass der
Raucherraum abgeschlossen ist.
Haben Sie noch eine weitere Nachfrage? – Das ist
nicht der Fall. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 30 und 31 des Kollegen Jörg Rohde wer-
den schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.
Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter
auf:
Wann wird die Strecke München–Kempten–Immen-
stadt–Lindau, deren Infrastrukturertüchtigung für den Neige-
technikzugeinsatz laut Unterlagen der DB Regio von 1999
schon 2001 abgeschlossen sein sollte, für bogenschnelles Fah-
ren hergerichtet sein, und warum wurden die dazu erforderli-
chen Baumaßnahmen nicht in die im November 2006 beendete
Generalsanierung des Schienennetzes im Allgäu integriert?
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Frau Präsidentin! Herr Kollege Hofreiter, bei der Stre-
cke München–Kempten–Immenstadt–Lindau handelt es
sich um eine Strecke des Schienenpersonennahverkehrs.
Die Länder, in diesem Fall der Freistaat Bayern, können
in ihrer Funktion als Aufgabenträger für den SPNV die
Prioritäten für Investitionen in die Infrastruktur des
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Vielen Dank für diese doch relativ klaren Ausführun-
en, Frau Staatssekretärin. Ich hätte schon noch eine
rage. Wie erklären Sie sich eigentlich das Verhalten der
B AG, die zu 100 Prozent in Bundesbesitz ist und da-
er eigentlich komplett in die Verantwortung Ihres Mi-
isteriums fällt? Sie ist in Bundesbesitz und nicht in
änderbesitz. Diese Firma, für die Ihr Ministerium ver-
ntwortlich ist, schreibt: Die Realisierung des Konzeptes
llgäu-Schwaben-Takt-Neu und der Einsatz von Neige-
echnikzügen sind ab dem Fahrplanwechsel 2001 vorge-
ehen. Zu diesem Zeitpunkt wird die Ertüchtigung der
nfrastruktur abgeschlossen sein. – Das ist offensichtlich
ine Falschaussage, die die DB AG getroffen hat. Das ist
ur ein Beispiel von ganz vielen. Hat das irgendwelche
onsequenzen?
K
Herr Kollege Hofreiter, wie ich ausgeführt habe, ha-
en sich in der Prioritätensetzung des Freistaates Bayern
eränderungen ergeben. Was die Investitionen angeht,
o ist die Prioritätensetzung allein Sache des Freistaates
ayern. Insofern wird sich auch die DB AG an die Ver-
nderungen des Bestell- und Investitionsverhaltens des
reistaates Bayern anzupassen haben. Es ist auch deut-
ich geworden, dass es zwischen den beiden Partnern
och keine Einigung gibt. Insofern dürfte das, was Sie
itiert haben, eine Aussage der Vergangenheit sein, aber
icht eine der Gegenwart.
Sie können eine zweite Nachfrage stellen.
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8176 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007
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Wann haben sich denn diese Prioritätensetzungen ex-akt verändert? War das 1999, oder war das 2001? Sie ha-ben relativ klar gesagt, dass der Freistaat Bayern das pri-oritär nicht mehr will. Aber er wollte es einmal. Wannexakt war der Zeitpunkt?K
Ich kann Ihnen diese Auskunft nicht geben, weil mir
die Unterlagen dazu nicht vorliegen. Ich werde aber prü-
fen, ob wir das feststellen können. Dann werden wir Sie
darüber informieren.
Danke.
Wir kommen zur Frage 33 des Kollegen Barth:
Trifft es zu, dass der Deutsche Wetterdienst, eine teil-
rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbe-
reich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtent-
wicklung, seine Niederlassung in Leipzig von derzeit
70,5 Planstellen auf 17 Planstellen verkleinern wird, und,
wenn ja, was sind die Gründe hierfür?
K
Frau Präsidentin! Herr Kollege Barth, der Deutsche
Wetterdienst plant, den Personalbestand seiner Nieder-
lassung in Leipzig von derzeit 70,5 Stellen auf 17 Stellen
zu verringern. Dieser Vorschlag ist Teil eines Maßnah-
menpakets im Rahmen der Weiterentwicklung der Stra-
tegie des Deutschen Wetterdienstes bis zum Jahr 2015,
das dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadt-
entwicklung zur Prüfung und Zustimmung vorliegt. Der
Deutsche Wetterdienst hat seit 1993 die gesetzlichen
Stelleneinsparungen erfüllt. Er muss auch weiterhin mit
einem Rückgang der ihm zur Verfügung stehenden per-
sonellen Ressourcen rechnen.
Gleichzeitig fällt ihm als wissenschaftlich-techni-
schem Dienstleister mit umfassender Verantwortung für
die Daseinsvorsorge in den Bereichen Meteorologie und
Klimaüberwachung die Aufgabe zu, die operativen Pro-
zesse der Wettervorhersage und der Wetterwarnungen
weiter zu optimieren. Dazu bedarf es einer mittelfristig
ausgerichteten Strategie. Diese sieht vor, die Produk-
tionsverfahren stärker zu zentralisieren und kleinere
dezentrale Niederlassungen zu schließen. Ohne eine si-
gnifikante Straffung seiner Standortstruktur wird der
Deutsche Wetterdienst weiteren Personaleinsparungen
nicht entsprechen können.
Nach diesen Überlegungen erhält Leipzig in Zukunft
den Status einer regionalen Wetterberatungsstelle, die
vom nationalen Warndienst der Vorhersage- und Bera-
tungszentrale in Offenburg rund um die Uhr mit Infor-
mationen versorgt wird und die in konkreten Warnsitua-
tionen den ständigen Kontakt zu den Kunden und
insbesondere zu den Katastrophenschutzeinrichtungen
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ine Person, b): 63 Personen, c): keine, d): zwei Perso-
en, e): keine, f): keine, g): zwei Personen. Dasselbe be-
ogen auf Nr. 7: a): eine Person, b) bis f): jeweils keine
erson.
Damit müsste ich Ihre Frage, auch in den Einzelhei-
en, mindestens formal beantwortet haben.
Herr Kollege Dehm hat die Möglichkeit zu zwei
achfragen.
ch rufe dann auch die Frage 36 des Kollegen Diether
ehm auf:
Wie bewertet die Bundesregierung den Nutzen der Geset-
zesänderung für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutsch-
land und für das Ansehen der Verfassungsorgane?
itte, Herr Staatsminister.
B
Die erhebliche Anzahl an Überprüfungsgesuchen be-egt den nach wie vor hohen Bedarf und das Interesse anufklärung. Durch den Erhalt weitgehender Überprü-ungsmöglichkeiten kann gewährleistet werden, dasseine ehemaligen Mitarbeiter des Staatssicherheitsdiens-es unerkannt Mitglieder der Bundesregierung oder einerandesregierung, Abgeordnete, Angehörige kommuna-
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8178 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 28. Februar 2007
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Staatsminister Bernd Neumannler Vertretungskörperschaften, kommunale Wahlbeamte,Behördenleiter, Richter sowie hohe Soldaten werden.Dass die Öffentlichkeit auf diese Gewissheit vertrauenkann, bewertet die Bundesregierung als überaus wichtigfür das Ansehen der Verfassungsorgane.Soweit die Frage auf den Nutzen für die Sicherheitder Bundesrepublik Deutschland abhebt, zielt sie offen-bar auf die nunmehr explizit geregelten Sicherheits- undZuverlässigkeitsüberprüfungen. Dass insoweit eine ein-deutige Regelung geschaffen worden ist und nicht dermit einer gewissen Auslegungsunsicherheit behafteteAusnahmetatbestand des § 52 Abs. 1 des Bundeszentral-registergesetzes bemüht werden muss, bewertet die Bun-desregierung als Gewinn für die Sicherheit der Bundes-republik.Die auffallend hohen Antragszahlen in diesem Be-reich sprechen für sich.So weit die Antwort auf Ihre Fragen.
Danke, Herr Staatsminister. – Kollege Dehm, Sie ha-
ben das Wort für die erste Nachfrage.
Herr Staatsminister, vielleicht kann ich die beiden
Fachfragen im Zusammenhang stellen; das würde Zeit
sparen.
Zu Beginn der Legislatur hat eine Kollegin der Grü-
nen bei einem Redebeitrag von mir dazwischengerufen,
ich hätte Wolf Biermann für die damalige Stasi als des-
sen damaliger Manager bespitzelt. Ich habe der Kollegin
daraufhin angeboten, dass sie in meinem Büro die zuge-
schriebene Akte mit meiner Abschöpfung einsehen
kann.
Darin ist nämlich nachzulesen, dass die Akte bereits
wenige Wochen, nachdem ich Anfang 1977 Biermanns
Manager geworden war, vom MfS mit dem enttäuschten
Hinweis beendet wurde, ich stünde unbelehrbar zu
Bahro und Biermann.
1977 legte mich die Stasi darum sogar in die DDR-Ein-
reisefahndung.
Dennoch gab es 1996 eine Pressekampagne mit dem
Hinweis, ich sei IM gewesen und bis zur Wende geblie-
ben.
Meine erste Frage ist, warum die rechtsstaatliche
Unschuldsvermutung in die Akteneinsichtspraxis der
Birthler-Behörde keinen Eingang gefunden hat.
Ich konnte mich gegen die Vorwürfe zunächst über-
haupt nicht wehren.
Kollege Dehm, bitte versuchen Sie, die Frage zu for-
mulieren.
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Der Staatsminister hat die Möglichkeit, auf die Fra-
en zu antworten.
B
Herr Kollege Dehm, in Ihrer Frage kommt die persön-iche Betroffenheit zum Ausdruck; das ist nachvollzieh-ar. Ich bin jetzt nicht in der Lage, Ihren Fall im Einzel-en zu bewerten – ganz abgesehen davon, dass ich nichtitarbeiter der Birthler-Behörde bin. Dazu müsste manort nachfragen.Generell möchte ich sagen, dass die weitere Überprü-ungsmöglichkeit für besondere Verantwortungsträger,nsbesondere im öffentlichen Bereich, die wir geschaffenaben, auch die Chance bietet, Klärung herbeizuführen.
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(C)
(D)
Staatsminister Bernd NeumannEs geht nicht immer nur um Belastung, sondern auch umdie Chance, Auskunft zu bekommen.
Das bietet auch die Möglichkeit, von Verdächtigungenfreizukommen. Das kann ich generell dazu sagen.Deshalb glaube ich, dass die Novellierung, die wirEnde des letzten Jahres mit großer Mehrheit beschlossenhaben, rechtsstaatlich ist und auch jeder rechtlichenÜberprüfung durch die zuständigen Gerichte standhaltenwird. Insofern glaube ich, dass dies verantwortbar ist.Aber Ihren Einzelfall kann ich, wie gesagt, aus demStand nicht beurteilen. Das steht mir auch nicht zu. Dasmüsste gegebenenfalls von denen, die dafür zuständigsind, beantwortet werden.
Danke, Herr Staatsminister.
Da die Fragen 37 und 38 des Kollegen Waitz und
Ende dieses Geschäftsbereichs.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
riums für Arbeit und Soziales auf. Die Frage 41 des Kol-
legen Niebel sowie die Fragen 42 und 43 des Kollegen
Burgbacher werden schriftlich beantwortet. Die
Frage 44 der Kollegin Hirsch wurde zurückgezogen.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amtes. Die Fragen 45 und 46 des Kollegen
Steenblock werden schriftlich beantwortet; die Frage 47
der Kollegin Behm wird ebenfalls schriftlich beantwor-
tet.
Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 1. März 2007,
9 Uhr, ein.
Ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg bei all Ihren Vor-
haben heute Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.