Protokoll:
16079

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 79

  • date_rangeDatum: 1. Februar 2007

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:56 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/79 c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Sechzehntes Hauptgutachten der Mo- nopolkommission 2004/2005 (Drucksache 16/2460) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Anlagenband zum Sechzehnten Haupt- gutachten der Monopolkommission 2004/2005 (Drucksache 16/2461) . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos, Bundesminister BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ludwig Stiegler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ Ruck, Anette Hübinger, Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Gabriele Groneberg, Dr. Bärbel Kofler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die deutsche G-8- und EU-Präsidentschaft – neue Impulse für die Entwicklungspolitik (Drucksache 16/4160) . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zwölfter Bericht zur Entwicklungspoli- tik der Bundesregierung (Drucksache 15/5815) . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Karl Addicks, Harald Leibrecht, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Entwicklungszu- 7789 C 7789 D 7789 D 7792 C 7794 B 7797 A 7813 C 7813 D Deutscher B Stenografisch 79. Sitz Berlin, Donnerstag, de I n h a l Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahreswirtschaftsbericht 2007 der Bun- desregierung Den Aufschwung für Reformen nutzen (Drucksache 16/4170) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Jahresgutachten 2006/07 des Sachver- ständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Drucksache 16/3450) . . . . . . . . . . . . . . . . D M D R L J G T a 7787 A 7789 A 7789 B 7789 C DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Glos (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 7798 D 7801 A undestag er Bericht ung n 1. Februar 2007 t : r. Michael Meister (CDU/CSU) . . . . . . . . . artin Zeil (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rainer Wend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . oland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . aurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU) . . . . . . oachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arrelt Duin (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 4: ) Antrag der Abgeordneten Dr. Christian 7802 B 7804 D 7806 A 7806 C 7807 C 7808 D 7811 A 7812 C sammenarbeit mit Schwellenländern auf eine neue Grundlage stellen (Drucksache 16/3839) . . . . . . . . . . . . . . . 7814 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 d) Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Ute Koczy, Jürgen Trittin, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Reformen für eine gerechte Globalisierung – Deutsche G-8-Präsidentschaft für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung nutzen (Drucksache 16/4151) . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Riester (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Sascha Raabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 34: a) Erste Beratung des vom Bundesrat einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reduzierung und Beschleunigung von immissionsschutzrechtlichen Genehmi- gungsverfahren (Drucksache 16/1337) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Verzicht auf den Verkauf und das Überlassen von über- schüssigem Wehrmaterial (Drucksache 16/3350) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Stopp von staatli- chen Bürgschaften für Rüstungsexporte (Drucksache 16/3697) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Dr. Christel Happach-Kasan, Hans- Michael Goldmann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der FDP: Gründung eines Deutschen Biomasseforschungs- zentrums vorantreiben (Drucksache 16/3838) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und T A H g t ( Z a b T a b c 7814 A 7814 B 7816 A 7817 A 7818 B 7820 B 7821 A 7822 C 7823 D 7824 C 7826 A 7827 C 7827 C 7827 C 7827 D der Fraktion der FDP: Telekommunika- tionsmärkte in Entwicklungsländern liberalisieren – Die digitale Spaltung überwinden (Drucksache 16/4059) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 32: ntrag der Abgeordneten Elke Hoff, Birgit omburger, Dr. Rainer Stinner, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der FDP: Attrak- ivität des Soldatenberufes steigern Drucksache 16/2836) . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 2: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Kai Gehring und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Re- form des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonde- ren Fällen (Transsexuellengesetz – TSG) (Drucksache 16/4148) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Diaspora – Potenziale von Migrantinnen und Migranten für die Entwicklung der Herkunftsländer nutzen (Drucksache 16/4164) . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 35: ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes (Drucksachen 16/2919, 16/4193) . . . . . . . ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umweltverträg- lichkeit von Wasch- und Reinigungsmit- teln (Wasch- und Reinigungsmittelge- setz – WRMG) (Drucksachen 16/3654, 16/4188) . . . . . . . ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Bereini- gung von Bundesrecht im Zuständig- keitsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und des Bundesministeriums für Arbeit und So- ziales (Drucksachen 16/3657, 16/4196) . . . . . . . 7827 D 7828 A 7828 A 7828 A 7828 C 7828 D 7829 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 III d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 21. Mai 2003 über Schadstofffreiset- zungs- und -verbringungsregister (Drucksachen 16/3755, 16/4189) . . . . . . . e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Pro- tokolls über Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregister vom 21. Mai 2003 sowie zur Durchführung der Ver- ordnung (EG) Nr. 166/2006 (Drucksachen 16/3756, 16/4189) . . . . . . . f) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu der Ver- einbarung vom 11. April 2006 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Re- publik Polen über die Durchführung des Übereinkommens vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeits- prüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Vertragsgesetz zur Deutsch- Polnischen UVP-Vereinbarung) (Drucksachen 16/4011, 16/4190) . . . . . . . g) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einfüh- rung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen Ratsdok. 13076/06 (Drucksachen 16/4105 Nr. 2.96, 16/4192) h) Beschlussempfehlung des Rechtsaus- schusses: Übersicht 5 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfas- sungsgericht (Drucksache 16/4058) . . . . . . . . . . . . . . . . i)–q) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 162, 163, 164, 165, 166, 167, 168, 169 und 170 zu Petitionen (Drucksachen 16/4067, 16/4068, 16/4069, 16/4070, 16/4071, 16/4072, 16/4073, 16/4074, 16/4075) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: a)–i) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 171, 172, Z A d s t O D D F I G W K M S D G A T a b c 7829 B 7829 C 7830 A 7830 B 7830 C 7830 C 173, 174, 175, 176, 177, 178 und 179 zu Petitionen (Drucksachen 16/4172, 16/4173, 16/4174, 16/4175, 16/4176, 16/4177, 16/4178, 16/4179, 16/4180) . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 4: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er LINKEN: Protestaktionen der Gewerk- chaften zur Heraufsetzung des Rentenal- ers skar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . r. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . ranz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . erner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . laus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ax Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ilvia Schmidt (Eisleben) (SPD) . . . . . . . . . . r. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . regor Amann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . nton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 5: ) Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bre- men), Birgitt Bender, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Mädchen und Frauen vor Genitalverstümmelung schützen (Drucksache 16/3542) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Dr. Karl Addicks, Burkhardt Müller-Sönksen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Genitalver- stümmelung von Mädchen und Frauen ächten und bekämpfen (Drucksache 16/3842) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Monika Knoche, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Weibliche Genitalver- 7831 A 7832 B 7833 C 7834 D 7836 A 7837 C 7839 A 7840 A 7841 B 7842 C 7843 C 7844 B 7845 C 7846 B 7847 C 7847 D IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 stümmelung verhindern – Menschen- rechte durchsetzen (Drucksache 16/4152) . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . Ursula Heinen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michaela Noll (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Renate Gradistanac (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 6: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 20. Oktober 2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen (Drucksachen 16/3711, 16/4144) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: UNESCO-Übereinkommen zur kultu- rellen Vielfalt schnell ratifizieren (Drucksachen 16/457, 16/4144) . . . . . . . . c) – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Übereinkommen vom 14. November 1970 über Maßnah- men zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (Drucksachen 16/1372, 16/4145) . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maß- nahmen zum Verbot und zur Verhü- tung der rechtswidrigen Einfuhr, W C S D D M H M M T E e R ( B M M J D K T A ( K F z r ( H D D D W 7847 D 7848 A 7849 C 7850 D 7851 C 7852 D 7854 A 7855 A 7856 A 7857 B 7858 B 7858 D 7859 A 7859 D 7860 A 7860 B Ausfuhr und Übereignung von Kul- turgut (Ausführungsgesetz zum Kul- turgutübereinkommen – KGÜAG) (Drucksachen 16/1371, 16/4145) . . . . olfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Waitz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . teffen Reiche (Cottbus) (SPD) . . . . . . . . . . . r. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . r. Uschi Eid (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . . onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . onika Griefahn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur eform des Versicherungsvertragsrechts Drucksache 16/3945) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . echthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . arco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . laus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: ntrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto Frankfurt), Christoph Waitz, Jürgen oppelin, weiterer Abgeordneter und der raktion der FDP: Hauptstadtkulturfinan- ierung des Bundes in einem Staatsvertrag egeln Drucksache 16/3667) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . . orothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . r. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . r. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7860 B 7860 C 7862 C 7864 B 7866 A 7867 B 7868 D 7870 C 7871 A 7871 C 7873 D 7874 A 7875 A 7876 B 7877 D 7878 C 7879 D 7881 A 7881 B 7882 C 7884 B 7885 B 7887 B Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 V Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Johann-Henrich Krummacher, Ilse Aigner, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Ab- geordneten Swen Schulz (Spandau), Jörg Tauss, René Röspel, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion der SPD: Geistes- und Sozialwissenschaften stärken (Drucksache 16/4161) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saar- brücken), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Perspektiven für die Geistes- und Sozialwissenschaften verbessern (Drucksache 16/4154) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der FDP: Geis- tes-, Sozial- und Kulturwissenschaften stärken (Drucksache 16/4153) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Johann-Henrich Krummacher (CDU/CSU) . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Wolfgang Gehrcke, Hüseyin- Kenan Aydin, Dr. Diether Dehm, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der LINKEN: Dauergenehmigungen für Militärflüge auf- heben (Drucksachen 16/857, 16/3831) . . . . . . . . . . . Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G W J T Z d A c r s ( T A D s R ( i Z A S L F Z k ( M K D G W G T Z d G v ( 7888 B 7888 B 7888 C 7888 D 7889 B 7890 C 7891 C 7893 B 7894 A 7895 A 7895 B 7897 B 7898 B ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 11: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines chten Gesetzes zur Änderung des Versi- herungsaufsichtsgesetzes sowie zur Ände- ung des Finanzdienstleistungsaufsichtsge- etzes und anderer Vorschriften Drucksachen 16/1937, 16/2210, 16/4191) . . agesordnungspunkt 12: ntrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ IE GRÜNEN: Anforderungen an eine trategische Partnerschaft der EU mit ussland Drucksache 16/4155) . . . . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 6: ntrag der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, abine Leutheusser-Schnarrenberger, Harald eibrecht, weiterer Abgeordneter und der raktion der FDP: Für eine konstruktive usammenarbeit mit Russland und einen ritischen Dialog Drucksache 16/4165) . . . . . . . . . . . . . . . . . . arieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . arl-Georg Wellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . r. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ernot Erler, Staatsminister AA . . . . . . . . . . olfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . agesordnungspunkt 13: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines esetzes zur Vereinfachung des Insolvenz- erfahrens Drucksachen 16/3227, 16/4194) . . . . . . . . . . 7899 D 7900 B 7901 B 7901 B 7902 B 7902 D 7902 D 7903 A 7904 A 7905 B 7906 B 7907 A 7908 A 7909 B VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Änderung des Stammzell- gesetzes (Drucksache 16/383) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung eisenbahn- rechtlicher Vorschriften (Drucksachen 16/2703, 16/3037, 16/4169) . . Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Döring (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Enak Ferlemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord- nung zum Widerruf der Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsmaßnah- men (Drucksache 16/4244) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 7: Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Gleichstellung der eingetra- genen Lebenspartnerschaft vollenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Sabine Leutheusser- Schnarrenberger, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Gleiche Rechte, gleiche Pflichten – Be- nachteiligungen von Lebenspartner- schaften abbauen (Drucksachen 16/497, 16/565, 16/4057) . . . . V U M D C Z B s s B o A G V z p T d a K ( i Z B s H – – ( T A J F 7909 C 7909 D 7910 A 7911 A 7911 D 7913 A 7913 D 7914 D 7915 C 7915 D olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . te Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . hristine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 8: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für die Angelegenheiten der Europäi- chen Union zu der Unterrichtung durch die undesregierung: Vorschlag für eine Ver- rdnung des Rates zur Errichtung einer gentur der Europäischen Union für die rundrechte orschlag für einen Beschluss des Rates ur Ermächtigung der Agentur der Euro- äischen Union für die Grundrechte, ihre ätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI es Vertrags über die Europäische Union uszuüben OM (2005) 280 endg.; Ratsdok. 10774/05 Drucksachen 16/150 Nr. 2.65, 16/4246) . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 9: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Menschenrechte und Humanitäre ilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Rainder Steenblock, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken – Man- dat der Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Eine Grund- rechteagentur der EU wird nicht ge- braucht Drucksachen 16/3617, 16/3621, 16/4195) . . agesordnungspunkt 16: ntrag der Abgeordneten Petra Pau, Ulla elpke, Sevim Dağdelen, Jan Korte und der raktion der LINKEN: Änderung des Bun- 7916 A 7917 A 7917 D 7918 C 7919 C 7920 B 7921 B 7921 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 VII despolizeigesetzes für Auslandseinsätze der Bundespolizei (Drucksache 16/3421) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften (Drucksache 16/4138) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sicherheitslücken bei biometrischen Pässen beseitigen (Drucksache 16/854) . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Gisela Piltz, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Keine Einführung des elektro- nischen Personalausweises (Drucksache 16/3046) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56 a der Geschäftsordnung: Tech- nikfolgenabschätzung hier: TA-Projekt: Biometrie und Aus- weisdokumente – Leistungsfähigkeit, politische Rahmenbedingungen, rechtli- che Ausgestaltung Zweiter Sachstandsbericht (Drucksache 15/4000) . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln) und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Daten- schutz und Bürgerrecht bei der Einfüh- rung biometrischer Ausweise wahren (Drucksache 16/4159) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Bärbel Höhn, Jerzy Montag, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Verbot von Telefonwerbung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam durchsetzen (Drucksache 16/4156) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur N ( T A G D n c s A f ( T E e E V ( T A K o H M ( T a b c 7922 A 7922 C 7922 C 7922 D 7922 D 7923 A 7923 B euregelung des Rechtsberatungsrechts Drucksache 16/3655) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 20: ntrag der Abgeordneten Hans-Michael oldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, r. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeord- eter und der Fraktion der FDP: Planungssi- herheit für Landwirte und Milchwirt- chaft durch definitiven Beschluss zum uslaufen der Milchquotenregelung schaf- en Drucksache 16/3345) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: rste Beratung des von der Bundesregierung ingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur rgänzung des Rechts zur Anfechtung der aterschaft Drucksache 16/3291) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 22: ntrag der Abgeordneten Jörn Wunderlich, laus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der LINKEN: eimbericht im Bundestag diskutieren – issstände offenlegen und bekämpfen Drucksache 16/3696) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 23: ) Antrag der Abgeordneten Dorothee Bär, Ilse Aigner, Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Renate Schmidt (Nürnberg), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Jörg Tauss, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD: BAföG an neue Entwicklungen anpassen – Aus- zubildende mit Kindern unterstützen, Auslandsaufenthalte erleichtern, Mi- grantenförderung verbessern und Hin- zuverdienstgrenzen erhöhen (Drucksache 16/4162) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Ina Lenke, Uwe Barth, Sibylle Laurischk, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Stu- dierende Mütter durch die Sofortmaß- nahme Baby-BAföG unterstützen (Drucksache 16/3142) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saar- brücken), weiterer Abgeordneter und der 7923 D 7924 A 7924 B 7924 C 7924 D 7924 D VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 Fraktion der LINKEN: Statt Nullrunde – BAföG angleichen (Drucksache 16/4157) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Sofortmaß- nahmen beim BAföG – für mehr Zugangsgerechtigkeit und höhere Bil- dungsbeteiligung (Drucksache 16/4158) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ab- satzfondsgesetzes und des Holzabsatz- fondsgesetzes (Drucksache 16/4149) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 12. Septem- ber 2002 zum Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen Doping (Drucksache 16/4012) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 11: Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN: Bekämpfung des Dopings im Sport (Drucksache 16/4166) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Be- schlussempfehlung: Sammelübersicht 167 zu Petitionen (Drucksache 16/4072) . . . . . . . . . . A N s F L F A Z E V p S A Z d d s t t K D F D D A Z d c n D D S W J A A Z d 7925 A 7925 A 7925 C 7925 C 7925 D 7926 C 7926 A, B 7927 A 2927 B nlage 3 euabdruck der Antwort des Parlamentari- chen Staatssekretärs Peter Altmaier auf die ragen der Abgeordneten Petra Pau (DIE INKE) (78. Sitzung, Drucksache 16/4133, ragen 6 und 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Rede zur Beratung des ntwurfs eines Gesetzes zur Reform des ersicherungsvertragsrechts (Tagesordnungs- unkt 7) evim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Än- erung des Versicherungsaufsichtsgesetzes owie zur Änderung des Finanzdienstleis- ungsaufsichtsgesetzes und anderer Vorschrif- en (Tagesordnungspunkt 11) laus-Peter Flosbach (CDU/CSU) . . . . . . . . r. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . rank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfa- hung des Insolvenzverfahrens (Tagesord- ungspunkt 13) r. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . irk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . abine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung 7927 C 7927 D 7928 D 7929 D 7930 D 7931 B 7931 D 7932 C 7934 B 7935 A 7935 C 7936 C 7937 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 IX des Stammzellgesetzes (Tagesordnungs- punkt 14) Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Flach (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Vorschlag für eine Verord- nung des Rates zur Errichtung einer Agen- tur der Europäischen Union für die Grund- rechte Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Euro- päischen Union für die Grundrechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszuüben – Antrag: Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken – Mandat der Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten – Antrag: Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht gebraucht (Zusatztagesordnungspunkte 8 und 9) Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Thomas Silberhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . Christian Ahrendt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Änderung des Bundespolizeige- setzes für Auslandseinsätze der Bundespolizei (Tagesordnungspunkt 16) Ralf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . S G A Z – – – – – ( o F G J W P G A Z d S w p J D D H K B 7937 D 7939 A 7939 D 7940 C 7941 D 7942 D 7943 B 7944 A 7945 A 7945 D 7946 B 7946 B 7947 C 7948 C 7949 C 7950 A ilke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . nlage 10 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften Antrag: Sicherheitslücken bei biometri- schen Pässen beseitigen Antrag: Keine Einführung des elektroni- schen Personalausweises Bericht: Technikfolgenabschätzung hier: TA-Projekt: Biometrie und Ausweis- dokumente – Leistungsfähigkeit, politi- sche Rahmenbedingungen, rechtliche Ausgestaltung Zweiter Sachstandsbericht Antrag: Datenschutz und Bürgerrecht bei der Einführung biometrischer Ausweise wahren Tagesordnungspunkt 26 a bis d, Zusatztages- rdnungspunkt 10) rank Hofmann (Volkach) (SPD) . . . . . . . . . . isela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . an Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eter Altmaier, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . nlage 11 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Verbot von Telefonwerbung zum chutz der Verbraucherinnen und Verbraucher irksam durchsetzen (Tagesordnungs- unkt 18) ulia Klöckner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . irk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . arin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . ärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7950 D 7951 B 7952 B 7953 B 7955 A 7956 A 7956 D 7958 B 7958 D 7960 A 7961 A 7961 D 7963 A 7963 C X Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts (Tagesordnungs- punkt 19) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Planungssicherheit für Land- wirte und Milchwirtschaft durch definitiven Beschluss zum Auslaufen der Milchquotenre- gelung schaffen (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . Hans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Vaterschaft (Tagesordnungspunkt 21) Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Z d k k M W S D B A Z d – – – – ( D R U C K A A Z d d f M G H 7964 A 7965 B 7967 A 7968 A 7969 D 7970 D 7971 D 7973 B 7974 A 7974 D 7975 B 7976 B 7977 B 7978 A 7979 B 7980 A 7981 A nlage 15 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Heimbericht im Bundestag dis- utieren – Missstände offenlegen und be- ämpfen (Tagesordnungspunkt 22) arkus Grübel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . olfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . ibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . ritta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 16 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Anträge: BAföG an neue Entwicklungen anpassen – Auszubildende mit Kindern unterstützen, Auslandsaufenthalte erleichtern, Migran- tenförderung verbessern und Hinzuver- dienstgrenzen erhöhen Studierende Mütter durch die Sofortmaß- nahme Baby-BAföG unterstützen Statt Nullrunde – BAföG angleichen Sofortmaßnahmen beim BAföG – für mehr Zugangsgerechtigkeit und höhere Bildungsbeteiligung Tagesordnungspunkt 23 a bis d) orothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . enate Schmidt (Nürnberg) (SPD) . . . . . . . . we Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ornelia Hirsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . ai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas Storm, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 17 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung es Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatz- ondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 17) arlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . 7981 A 7982 D 7983 C 7984 C 7985 C 7986 B 7987 A 7988 A 7989 A 7989 D 7990 D 7992 B 7993 D 7994 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 XI Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatz- protokoll vom 12. September 2002 zum Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen Doping – Antrag: Bekämpfung des Dopings im Sport (Tagesordnungspunkt 25, Zusatztagesord- nungspunkt 11) Bernd Heynemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Katrin Kunert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7995 A 7996 B 7997 C 7998 C 7999 B 8000 B 8001 A 8001 D 8002 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7787 (A) ) (B) ) 79. Sitz Berlin, Donnerstag, de Beginn: 9.0
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    Berichtigungen 78. Sitzung, Seite IV Anlage 6 und Seite 7782 (D), Die Frage 17 wurde von der Parlamentarischen Staats- sekretärin Marion Caspers-Merk beantwortet. 78. Sitzung, Seite 7782 (D) vierter Absatz, der erste Satz ist wie folgt zu lesen: „In der privaten Krankenver- sicherung waren im Jahr 2005 laut Angaben des PKV- Verbandes 1,55 Millionen Kinder voll versichert.“ Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7927 (A) (C) (B) (D) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelübersicht 167 zu Petitionen (Drucksache 16/4072) Ich erkläre im Namen der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN, dass unser Votum „Nein“ lautet. Anlage 3 Neuabdruck der Antwort des Parl. Staatssekretärs Peter Altmaier auf die Fragen der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE) (78. Sit- zung, Drucksache 16/4133, Fragen 6 und 7): Wie vielen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, die im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder ei- ner Aufenthaltsberechtigung waren, ist seit 1998 diese Auf- enthaltserlaubnis nach § 44 Abs. 1 Nr. 3 des Ausländergeset- zes nach unfreiwilliger Abwesenheit von sechs Monaten entzogen worden? Wie oft wurde in derlei Fällen von Bundes- oder Landes- behörden derjenige Staat und dessen Behörden, in dem sich der Ausländer unfreiwillig aufhielt, gebeten, ihm seinen Rei- sepass abzunehmen und einer deutschen konsularischen Ver- tretung zu überlassen, damit diese den darin befindlichen Auf- enthaltstitel für Deutschland als ungültig abstempeln konnte? Derzeit (Stand 31. Dezember 2006) sind im Auslän- derzentralregister (AZR) rund 2,9 Millionen aufhältige Drittstaatsangehörige mit einer unbefristeten Aufent- haltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung oder Niederlas- sungserlaubnis bzw. vom Erfordernis einer Aufenthalts- erlaubnis befreite Personen erfasst. Daneben wird gegebenenfalls der Sachverhalt „Aufenthaltstitel wider- rufen/erloschen“ gespeichert, nicht aber die Gründe für einen Widerruf oder ein Erlöschen des Aufenthaltstitels. Angaben zu den Fragen 1 und 2 können daher nicht ge- macht werden. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrecht (Tages- ordnungspunkt 7) Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Wir sprechen heute über den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versi- cherungsvertragsrechts. Dies ist schon deshalb erfreu- lich, weil das bisher bestehende auf seinen 100. Geburts- tag zusteuert und sich schon längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit befindet. Noch erfreulicher ist, dass die Reformbestrebungen – anders als in vielen anderen Bereichen der Justizpoli- tik – in die richtige Richtung gehen. Hat es die Große Koalition bisher nahezu ausnahmslos geschafft, das Wort „Reform“ als Synonym für Rechtsverkürzungen zu gebrauchen, erfährt der Verbraucherschutz hier tatsäch- lich einige grundlegende Verbesserungen. Zu nennen ist beispielsweise die überfällige Aufgabe des Alles-oder- Nichts-Prinzips. Die Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes war durch europarechtliche Vorgaben und ein Urteil der Ihnen gut bekannten Damen und Herren aus Karlsruhe entscheidend bedingt. Hinsichtlich des Knackpunktes der Reform, der Beteiligung der Kunden an den ange- häuften stillen Reserven der Versicherungen, war sie so- Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Barthle, Norbert CDU/CSU 01.02.2007 Bülow, Marco SPD 01.02.2007 Burchardt, Ulla SPD 01.02.2007 Eichel, Hans SPD 01.02.2007 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 01.02.2007 Heil, Hubertus SPD 01.02.2007 Hempelmann, Rolf SPD 01.02.2007 Hilsberg, Stephan SPD 01.02.2007 Kasparick, Ulrich SPD 01.02.2007 Dr. Krogmann, Martina CDU/CSU 01.02.2007 Lopez, Helga SPD 01.02.2007 Merten, Ulrike SPD 01.02.2007 Müller (Düsseldorf), Michael SPD 01.02.2007 Nahles, Andrea SPD 01.02.2007 Pflug, Johannes SPD 01.02.2007 Ramelow, Bodo DIE LINKE 01.02.2007 Schäfer (Bochum), Axel SPD 01.02.2007 Dr. Schavan, Annette CDU/CSU 01.02.2007 Schummer, Uwe CDU/CSU 01.02.2007 Dr. Tabillion, Rainer SPD 01.02.2007 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 01.02.2007 Westrich, Lydia SPD 01.02.2007 7928 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) gar erzwungen. Die Hüter unserer Verfassung prangerten nämlich an, dass die an den Inhaber einer Lebensver- sicherung ausgezahlte Gewinnbeteiligung zu gering sei, da eine Berücksichtigung der stillen Reserven der Versi- cherungen nicht erfolge. Dies verstoße gegen die Grund- rechte der Versicherten aus Art. 2 Abs. und Art. 14 Abs. l GG. Eine angemessene Beteiligung der Verbrau- cher sei durch den Gesetzgeber bis zum Ende des Jahres 2007 zu gewährleisten, so das Bundesverfassungsgericht weiter. Nur am Rande sei bemerkt: Im Umkehrschluss ergibt sich daraus, dass bislang eine verfassungswidrige und damit ungerechtfertigte Bereicherung der Versicherungs- unternehmen auf Kosten der Verbraucher erfolgte. Dafür trägt der Gesetzgeber die Verantwortung. Es ist seine originäre Aufgabe, eine Wirtschafts- und Rechtsordnung zu schaffen, die den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Davon sind wir weit entfernt. Aber wenigstens hier, wo der Bürger als Verbraucher auftritt, erscheint er der Bundesregierung schützenswert. Zumin- dest für ihn wird jetzt der Versuch unternommen, ein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Nach dem Gesetzentwurf sollen die Inhaber von Le- bensversicherungen nunmehr immerhin zur Hälfte an den stillen Reserven, die mit ihrem Vermögen und dem Vermögen anderer Versicherter erwirtschaftet wurden, beteiligt werden. Dies begrüßen wir ausdrücklich. Wir halten auch die gesetzliche Vorgabe einer festen Auszah- lungsquote für richtig. Diese schafft Rechtssicherheit, wohingegen die ursprünglich im Referentenentwurf vor- gesehene „angemessene“ Beteiligung die Definitionsho- heit über die Angemessenheit bei den Versicherungsun- ternehmen beließ. Der Verbraucher sollte in den vorprogrammierten Zweifelsfällen auf den langen und mühsamen Rechtsweg verwiesen werden. Die Frage der Überschussbeteiligung ist untrennbar mit einem anderen zentralen Punkt der Reform verbun- den. Denn nur wer weiß, wie groß der ganze Kuchen ist, kann erkennen, ob sein Stück angemessen ist oder ob er mit Krümeln abgespeist wird. Von entscheidender Be- deutung für die Überschussbeteiligung, aber auch für das gesamte Versicherungsvertragsrecht ist also Transparenz in allen Bereichen. Nur durch sie ist sichergestellt, dass der Verbraucher nicht das Opfer einer Mogelpackung wird. Nur sie befähigt ihn, das Versicherungswesen vom Versicherungsunwesen zu unterscheiden. Der Begriff Transparenz hat im Moment Hochkon- junktur. Doch nicht überall, wo „Transparenz“ drauf- steht, ist auch Transparenz drin. Gerade diejenigen, die wirkliche Transparenz scheuen wie der Teufel das Weih- wasser, reden von ihr allenthalben und verfahren dabei leider allzu oft nach dem Motto: Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Unter wirklicher Transparenz im Versicherungsvertragsrecht verstehen wir, dass die derzeit vermengten Vorgänge Versicherung, Sparen und Dienstleistungen und die dafür aufgebrach- ten und aufzubringenden Gelder der Versicherten vom Angebot des Versicherungsvertrags bis in die Bilanzen getrennt und identifizierbar gemacht werden. Nur so kann verhindert werden, dass – wie bisher – Gewinne aus Überschüssen der Versicherungs- und Sparvorgänge den Unternehmen statt den Versicherten zugutekommen. Im vorliegenden Entwurf sind in diesem Bereich ent- scheidende Fortschritte erzielt worden. Zu erwähnen sind die verbesserte Beratung und Information der Versi- cherungsnehmer im Vorfeld des Vertragsabschlusses und der Abschied vom Policenmodell. Allerdings besteht hier unter anderem an einem entscheidenden Punkt Nachbesserungsbedarf: Nach dem Entwurf sollen Minis- terien durch Verordnung festlegen, welche Informatio- nen der Versicherer vor dem Abschluss einer Lebensver- sicherung über zu erwartende Leistungen und Kosten mitteilen muss. Es ist sogar in das Belieben der Verwal- tung gestellt, ob sie Transparenz bei anderen Versiche- rungsverträgen, die entscheidende Elemente der Lebens- versicherung enthalten, überhaupt vorschreibt oder nicht. Diese Regelung lehnen wir aus zwei Gründen ab: Zum einen sind die Informationspflichten für Lebensver- sicherungen zwingend auch auf Unfall- und Berufsunfä- higkeitsversicherungen mit Beitragsrückgewähr und an- dere kapitalbildende Versicherungen auszuweiten. Zum anderen betrifft die Entscheidung über Informations- pflichten die Hauptleistungspflichten des Vertrages. Mit ihr steht und fällt ein guter Teil des intendierten Verbrau- cherschutzes. Sie hat der Gesetzgeber daher selbst zu treffen. Um zu diesem Schluss zu gelangen, muss man gar nicht die vielfältigen Medienberichte über den guten Kontakt zwischen Lobbyisten und Ministerien bemühen, denn schon das Prinzip der Gewaltenteilung legt nahe: Der Bundestag darf sich in dieser wesentlichen Frage nicht aus der Verantwortung stehlen. Er schuldet dem Verbraucher wie dem Bürger Transparenz. Keinem von beiden darf die Katze im Sack verkauft werden. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Achten Geset- zes zur Änderung des Versicherungsaufsichts- gesetzes sowie zur Änderung des Finanzdienst- leistungsaufsichtsgesetzes und anderer Vor- schriften (Tagesordnungspunkt 11) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Wir debattie- ren heute über die Umsetzung einer europäischen Richt- linie. Es geht wieder einmal um das Thema der Schaf- fung eines Binnenmarktes in Europa. Konkret geht es unter anderem um die Aufsicht von Rückversicherungs- unternehmen. Das sind Versicherungsunternehmen, die sich wegen der Höhe des Risikos selbst bei anderen Versicherungsunternehmen versichern, also rückversi- chern. Hierzulande ansässige Rückversicherungsunter- nehmen unterliegen jetzt nach dem Sitzlandprinzip als Inländer in Deutschland der Aufsicht. Denn nicht nur für den Verbraucher ist es wichtig, dass sein Vertragspartner, das Versicherungsunternehmen, jederzeit den Versiche- rungsschutz gewährleistet. Das gilt auch für die Versi- cherungsunternehmen, die zusätzlichen Versicherungs- schutz bei einem Rückversicherungsunternehmen einge- kauft haben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7929 (A) (C) (B) (D) Dieses Thema hat für uns eine große Bedeutung, weil deutsche Rückversicherungsunternehmen weltweit füh- rend sind. Wenn wir also die Aufsicht über Rückversi- cherungsunternehmen in Europa harmonisieren, dann wollen wir gleiche Bedingungen für alle Versicherungs- unternehmen in Europa. Gleichzeitig müssen wir aber beachten, dass die Rückversicherungsunternehmen nicht nur in Europa, sondern weltweit tätig sind. Wir dürfen unseren Unternehmen keine Fußangeln anlegen, sondern wir müssen die internationale Wettbewerbsfähigkeit im Auge behalten. Das ist uns mit Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht gelungen. Und ich danke den Oppo- sitionsparteien, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, dass wir mit großer Mehrheit das Gesetz verabschieden kön- nen. Eine gute Versicherungsaufsicht ist auch im interna- tionalen Geschäft ein Qualitätsmerkmal. Die Regeln der Aufsicht dürfen allerdings nicht strangulierend sein, ge- rade wenn es um weltweiten Wettbewerb geht. Wir müs- sen stets beachten, was weltweit Standard ist. Das heißt wenn wir Mindestbestimmungen definieren, müssen diese international kompatibel sein, denn Rückversiche- rungsunternehmen kooperieren wegen der großen Risi- ken in aller Regel mit anderen international tätigen Rückversicherern. Nationale Alleingänge machen kei- nen Sinn. Ich freue mich, dass auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – das ist die deutsche Versicherungsaufsicht – dies so sieht. Wir haben bei unseren Beratungen sehr intensiv die Aufsicht bei Konzernen diskutiert, insbesondere wenn eine Bündelung über Holdinggesellschaften erfolgt. Die 7. Novelle des Versicherungsaufsichtsgesetzes hat dies im Wesentlichen bereits geregelt, denn die Aufsicht kann heute in die Holdinggesellschaften eingreifen, wenn sie es für notwendig hält. Wir wollen die Aufsicht nur dort, wo Schutzgründe eine Versicherungsaufsicht verlangen. Wir wollen keine neue Bürokratie für die Unternehmen mit kostenträchtigen und zeitintensiven Berichtspflich- ten der Holdingsgesellschaften aufbauen, beispielsweise wenn aus betriebswirtschaftlichen Gründen ohne unmit- telbaren Kontakt zum Versicherungsnehmer oder wegen der Spartentrennung Zwischenholdings eingerichtet wer- den. Die Aufsicht muß überall dort Zugriff haben, wo Leitungsfunktionen für den Konzern und damit auch für Erstversicherungsunternehmen ausgeübt werden. Wir stimmen mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleis- tungsaufsicht darin überein, dass die Aufsicht nicht greift, wo nachweislich keine Leitungsfunktion ausgeübt wird. Die öffentliche Anhörung von Experten sowie die Beratungen im Ausschuss haben zu zahlreichen Verän- derungen des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung geführt, beispielsweise Veränderungen von Begriffsdefi- nitionen. So haben wir international tätige deutsche Unternehmen dadurch stärken können, dass die Versiche- rungsvermittlung als verbundenes Geschäft von Rück- versicherungsunternehmen angesehen wird. Die speziel- len Vorschriften über die Versicherungsvermittlung gelten damit nicht beim Betreiben von Rückversicherun- gen. Dies wäre im Auslandsgeschäft für deutsche Rück- versicherer von Nachteil gewesen. In einem anderen Zu- sammenhang haben wir die Definition der Pensionskasse geändert. Nach der bisherigen Definition sollten Leistun- gen aus der Pensionskasse erst dann möglich sein, wenn das Erwerbseinkommen weggefallen war. Wir bringen mit der Neudefinition das Aufsichtsrecht mit den arbeits- und steuerlichen Regeln in Einklang, wonach Zahlungen aus der BAV bereits ab dem 60. Lebensjahr möglich sind, also auch Teilrenten möglich sind, soweit das normale Erwerbseinkommen zum Beispiel wegen Teilzeitarbeit reduziert ist. Die weitere Entwicklung der BAV wird uns auch bei den Aufsichtsthemen begleiten. So wollen wir bei einer weiteren Novellierung des Versicherungsaufsichtsgeset- zes auch das Thema der kapitalmäßigen Unterdeckung bei Pensionsfonds angehen. Diese Durchführungsform der BAV wird nach der Umsetzung der Pensionsfonds-Richtlinie deutlich zu- nehmen. Wir haben insbesondere größeren Unternehmen hier eine Möglichkeit eröffnet, eine langfristig angelegte und finanzierte BAV für Mitarbeiter einzurichten. Wenn Pensionsfonds in Deutschland aufgelegt werden sollen, müssen kurzzeitige, für Pensionsfonds typische Unter- deckungen möglich sein, zumal eine Sicherung durch den PSV – Pensions-Sicherungs-Verein – und durch die Nachschusspflicht des Arbeitgebers gewährleistet ist. Ich fasse zusammen: Dieses Gesetz sichert eine quali- fizierte Aufsicht, unterstützt die in Deutschland ansässi- gen Unternehmen und macht den deutschen Finanzmarkt für neue und ausländische Anbieter von Finanzdienst- leistungen attraktiv. Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD): Der zur Abstim- mung stehende Entwurf eines Achten Gesetzes zur Än- derung des Versicherungsaufsichtsgesetzes setzt im We- sentlichen die europäische Richtlinie 2005/68/EG über die Rückversicherung in nationales Recht um. In den vergangenen Jahren wurde von globalen Fi- nanzmarktinstitutionen wie zum Beispiel dem Internatio- nalen Währungsfonds (IWF) immer wieder das Fehlen harmonisierter Regeln für die Rückversicherungsaufsicht auf Gemeinschaftsebene kritisiert. Diese Lücke im Aufsichtsrahmen für Finanzdienstleistungen wurde schließlich im Herbst 2005 durch die Rückversiche- rungsrichtlinie gefüllt. Sie harmonisiert die derzeit noch unterschiedlichen Aufsichtssysteme über Rückversiche- rungsunternehmen innerhalb der EU und bedeutet einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Schaffung eines EU- Versicherungsbinnenmarktes. Deutschland hat mit der VAG-Novelle 2004 bereits Teile der damals noch in der Diskussion befindlichen Rückversicherungsrichtlinie vorweggenommen: Seit Ende 2004 werden die Rückversicherungsunternehmen in Deutschland wie Erstversicherungsunternehmen be- aufsichtigt. Das schließt Zulassung, gegebenenfalls Wi- derruf der Zulassung, eine laufende Rechts- und Finanz- aufsicht, die Überwachung der Kapitalanlagen und die Aufsicht über die vorhandenen Eigenmittel ein. Mit dem vorliegenden Umsetzungsgesetz wird das deutsche Versicherungsaufsichtssystem vervollständigt 7930 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) und steht darüber hinaus in Einklang mit internationalen Standards und Entwicklungen. Die Richtlinienbestimmungen werden eins zu eins umgesetzt. Von den nun erstmals für Rückversicherungs- unternehmen geltenden Regelungen möchte ich beson- ders hervorheben: die Einführung des Prinzips der Sitz- landaufsicht, die Europäische Aktiengesellschaft als zulässige Unternehmensrechtsform, die zusätzliche Be- aufsichtigung über Rückversicherer im Rahmen einer Versicherungsgruppe, die Einführung von Vorschriften über die Finanzrückversicherung, die Beaufsichtigung von Versicherungs-Zweckgesellschaften und die Einfüh- rung der Beaufsichtigung der Niederlassungen von Rückversicherungsunternehmen aus Drittstaaten. Die Finanzrückversicherung ist in letzter Zeit in der internationalen Öffentlichkeit sehr kritisch diskutiert worden. Finanzrückversicherung enthält oft keinen oder nur einen unbedeutenden Risikotransfer und versucht unter anderem Zahlungsströme zu glätten. Allerdings kann es so auch zur Bilanzkosmetik kommen; die Gren- zen sind insoweit fließend. So gibt es etwa verschleierte Darlehen: Das Versicherungsunternehmen erhält vom Rückversicherer eine Provision, die mit den Prämien getilgt wird. Daher trifft der Gesetzentwurf auch Rege- lungen zur Finanzrückversicherung, die nach der Richt- linie möglich, aber nicht zwingend sind. In Deutschland – also in einem der weltweit führenden Rückversiche- rungsmärkte – wird so der internationalen Entwicklung Rechnung getragen und für Rechtssicherheit und Trans- parenz in diesem bisher mehr oder weniger ungeregelten Bereich gesorgt. Die Rückversicherungsrichtlinie enthält eine weitere Option zur Einführung spezieller Versicherungszweck- gesellschaften, die Versicherungsrisiken übernehmen, ohne selbst Versicherungs- oder Rückversicherungsun- ternehmen zu sein, und diese Risiken vollständig über die Emission von Schuldtiteln oder über einen anderen Finanzierungsmechanismus absichern. Der Gesetzent- wurf erklärt essenzielle Bestimmungen des Aufsichts- rechts für auf solche Gesellschaften anwendbar und er- möglicht damit ihre Ansiedlung auch in Deutschland, was den Finanzplatz weiter fördert. Die öffentliche Anhörung am 29. November vergan- genen Jahres hat eine gute Gelegenheit gegeben, die kri- tischen Punkte des Gesetzentwurfs noch einmal zu über- prüfen. Der Finanzausschuss und die mitberatenden Ausschüsse für Wirtschaft und für Recht haben folgende Änderungen des Regierungsentwurfes beschlossen: Erstens: Holdingaufsicht. Es werden nur solche Zwi- schenholdings, die nachweislich Leitungsfunktionen ausüben, der Aufsicht der BaFin unterstellt. Damit wird eine unnötige Belastung der Versicherungskonzerne ver- mieden. Zweitens: Versicherungsvermittlung. Es wird klarge- stellt, dass es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit im Sinne der EU-Vermittler-Richtlinie handelt, wenn Erst- und Rückversicherungen füreinander Kunden akquirie- ren. Drittens: Eigenmittelanforderungen an die neuen Ver- sicherungszweckgesellschaften. Da diese Gesellschaf- ten Risiken verbriefen und an den Markt weitergeben, benötigen sie keine den Versicherungsunternehmen ent- sprechende Kapitalausstattung. Viertens: Definition der Pensionskassen. Es wird aus- drücklich klargestellt, dass auch vor Eintritt des Ruhe- standes, während der Altersteilzeit bereits entsprechende teilweise Rentenauszahlungen möglich sind. Dieses ist bereits jetzt so Praxis. Pensionskassen sind Einrichtun- gen der betrieblichen Altersvorsorge, nicht der Vermö- gensbildung, das heißt, sie sollen nicht Leistungen wäh- rend des vollen Erwerbslebens gewähren. Fünftens: Antidiskriminierungsrichtlinie. Dies ist für viele ein Reizwort, aber die Richtlinie hinterlässt ihre Spuren auch im Versicherungswesen. Soweit Versiche- rungsunternehmen unterschiedliche Prämien für Männer und Frauen verlangen, haben sie die Daten, auf deren Grundlage kalkuliert wurde, zu veröffentlichen. Das heißt nicht, dass wettbewerbssensible, unternehmensin- terne Daten zu veröffentlichen sind; es reicht der Hin- weis auf Veröffentlichungen anderer Stellen. Hinsicht- lich der Aktualisierung der Daten reicht es aus, dies richtlinienkonform „regelmäßig“ vorzuschreiben, aller- dings besteht aufgrund der EU-Richtlinie alle fünf Jahre Berichtspflicht der BaFin gegenüber der Kommission. Die Verabschiedung des vorliegenden Gesetzentwurfs ist sowohl für die Versicherten als auch für die Versiche- rer gut. Wir schaffen es, das Vertrauen in die Versiche- rungslandschaft weiter zu schützen und auszubauen und den Verbraucherschutz zu stärken. Frank Schäffler (FDP): Die FDP-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Novellierung des Versi- cherungsaufsichtsgesetzes zustimmen. Unser Ziel ist es, den Standort Deutschland für Rückversicherungsunter- nehmen zu stärken. Wir denken, dass uns dies durch die Einführung internationaler Standards zum Zweck der eu- ropäischen Harmonisierung gelingt. Zustimmungsfähig ist der Gesetzentwurf aber nicht von Anfang an gewe- sen, sondern er ist dies erst im Rahmen der Ausschuss- beratungen geworden. Insbesondere im Bereich der Hol- dingaufsicht hatte der vom Bundesfinanzministerium erarbeitete Gesetzentwurf zusätzliche Bürokratie vorge- sehen, indem die Aufsicht auch mittelbare Beteiligungen umfassen sollte. Dies wurde auch auf unser Drängen hin nachgebessert, sodass insbesondere Familienunterneh- men nun nicht unnötiger Bürokratie unterliegen. Als Wermutstropfen bleiben die zusätzlichen Ein- griffsrechte – beispielsweise Durchsuchungsrechte – der BaFin. Wir denken, dass die Versicherungsbranche kei- nen Anlass gegeben hat, die Kompetenzen der Aufsicht in diesem Maße auszuweiten, dies haben wir frühzeitig deutlich gemacht. Bei unserer Diskussion ist jedoch insgesamt nicht so sehr kontrovers, was im Gesetzentwurf steht, sondern was nicht darin steht. Union und SPD sind mit der 8. Novelle des VAG die notwendigen Veränderungen in der betrieblichen Altersvorsorge nicht angegangen, son- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7931 (A) (C) (B) (D) dern haben die notwendigen Verbesserungen insbeson- dere beim Durchführungsweg der Pensionsfonds auf die 9. Novellierung des VAG verschoben. Zwar kommt diese bereits in diesem Jahr, dennoch wird mit dem Auf- schieben unnötige Zeit verloren. Dabei wäre gerade die Förderung von Pensionsfonds ein wichtiger Beitrag, um das von Union und SPD propagierte Vorhaben zu unter- stützen, die Beteiligung von Arbeitnehmern an Unter- nehmen zu verbessern. Pensionsfonds können bis zu 100 Prozent in Aktien- werte investieren und sind über den Pensionssicherungs- verein gegen den Verlust der Beiträge geschützt. Die Ko- alition will einen neuen Durchführungsweg schaffen, der eine direkte Beteiligung am Unternehmen vorsieht. Sie erhöht damit das Risiko eines Totalverlustes der Alters- vorsorge von vielen Arbeitnehmern, wenn sie dies tat- sächlich durchsetzt. Besser wäre es, wenn das Risiko der Aktienanlage breit gestreut würde, wie dies beispiels- weise bei Pensionsfonds der Fall ist. Eines zusätzlichen Durchführungswegs bedarf es nicht. Der Deutsche Aktienindex hatte im vergangenen Jahr eine Schwankungsbreite von 25 Prozent, am Ende ist der DAX um 22 Prozent in 2006 gestiegen. Das heißt: Schwankungen sind bei Aktienanlagen normal. Ent- scheidend für die Altersvorsorge ist, dass es langfristig zu einem Wertzuwachs kommt. Daher müssen wir im VAG auch die Möglichkeiten der Unterdeckung von Pensionsfonds verbessern. Eine höhere Bandbreite, über die bisherige 5-Prozent-Grenze hinaus, ist notwendig, um den Durchführungsweg attrak- tiv zu machen. Nur so können wir den Standort verbes- sern und die Auslagerung von Deckungsstöcken, insbe- sondere großer Unternehmen ins Ausland, zu verhindern. Wir sollten hier zügig nachlegen. Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Vor zwei Wochen, um genau diese Uhrzeit, waren wir alle auf dem Nach- hauseweg, unfreiwillig. Wir haben die Plenarsitzung vorzeitig beendet, um vor dem Sturm „Kyrill“ sicher nach Hause zu kommen. Was hat das nun mit dem Versi- cherungsaufsichtsgesetz zu tun? Nicht nur wir mussten unsere Beratungen unterbrechen. In ganz Europa wurden Schäden angerichtet, die in die Milliarden gehen. Dass das keine größeren volkswirtschaftlichen Verwerfungen ausgelöst hat, zeigt einmal mehr, wie wichtig ein welt- weit stabiles Rückversicherungssystem ist. Aber wir wissen auch: Trotz des enorm gestiegenen Schadenaufwands, den die Rückversicherer schultern müssen, geht es der Branche insgesamt sehr gut: Fast alle Rückversicherer weisen Gewinne aus, bei nicht we- nigen finden wir außerordentliche Gewinne. Insgesamt fließen allein den deutschen Rückversicherern rund 50 Milliarden Euro an Beiträgen pro Jahr zu – eine Summe von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeu- tung. Vor diesem Hintergrund sage ich ganz deutlich: Auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive brauchen wir eine Versicherungsaufsicht und eine Versicherungs- regulierung, die sicherstellt, dass im Fall des Falles Ver- sicherer die eingetretenen Risiken schultern können. Aus dieser Perspektive beinhaltet der Gesetzentwurf einige Regelungen, die in die richtige Richtung gehen. Andererseits finden sich aber auch Deregulierungen, die wir nicht unterstützen: Die Ausdehnung des Beobachtungshorizonts der BaFin, die in einigen Bereichen vorgesehen ist, begrü- ßen wir. Dies ist eine sinnvolle Verbesserung und kann dazu beitragen, dass riskante Operationen von (Rück-) Versicherern ausbleiben oder frühzeitiger aufgedeckt werden. Das Gesamtgefüge der Versicherungswirtschaft wird so gestärkt. Die Linke hat in der Anhörung die Änderung der Be- richtspflicht über die angesetzten Verkehrs- bzw. Bilanz- werte problematisiert. Diese Maßnahme lehnen wir ab: Gerade die Versicherungswirtschaft selbst betont, dass das Immobilienvermögen für sie von herausragender und zunehmender Bedeutung ist. Deshalb sollte es der Aufsichtsbehörde in diesem Bereich möglich sein, einen umfassenden Überblick über die Branche zu behalten. Einzelprüfungen allein werden dies nicht leisten können. Auch bei den nachgereichten Änderungen der Regie- rungsparteien ergibt sich für die Linke ein gemischtes Bild: So begrüßen wir etwa die Klarstellung, dass auch die Versicherungsvermittlung dem Geschäftsbetrieb ei- nes Versicherungsunternehmens zuzuordnen ist; damit fällt sie unter die Versicherungsaufsicht. Auch die An- passung der Kapitalausstattungsvorschriften an die Preis- entwicklung ist vernünftig, genauso wie Maßnahmen, die zur Stärkung der Handlungsfähigkeit der BaFin bei- tragen. Da gehen wir ganz mit Ihnen. Aber eins verstehe ich nicht, das müssen Sie mir ein- mal erklären: Dass Männer und Frauen von der Versi- cherungswirtschaft unterschiedlich behandelt werden dürfen, ist für uns schlicht und einfach ein Skandal und verstößt unserer Auffassung nach gegen das Grundge- setz. Hier kann man den Markt nicht einfach laufen las- sen und zusehen, wie Diskriminierung stattfindet. Hier müssen wir eingreifen und dafür sorgen, dass Männer und Frauen zu gleichen Konditionen eine Versicherung abschließen dürfen. Dies geht auch an die Adresse der Grünen: Auch Ihr Änderungsantrag flickschustert an der Festschreibung dieser Ungleichbehandlung herum, an- statt sie rundweg abzulehnen, wie man es bei Ihrer Partei vielleicht hätte erwarten dürfen. Vor diesem Hintergrund sagt die Fraktion Die Linke: Der Gesetzentwurf enthält Verbesserungen, kein Zwei- fel. Aber solange unsere Bedenken an vielen Punkten nicht ausgeräumt werden, können wir dem Gesetzent- wurf nicht zustimmen, sondern werden uns enthalten. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der 8. Novelle zum Versicherungsaufsichtsgesetz wird die Umsetzung der EU-Rückversicherungsrichtli- nie vervollständigt abgeschlossen. Damit vollzieht Deutschland einen weiteren Schritt im Sinne des 1999 beschlossenen Aktionsplans für Finanzdienstleistungen der Europäischen Union, FSAP: Es entstehen im Sektor der Rückversicherung die Voraussetzungen für einen europäischen Binnenmarkt. 7932 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Was den Inhalt des Umsetzungsgesetzes anbelangt, befürworten wir die zentralen Punkte. So werden insbesondere die Einführung der Sitzland- aufsicht, die Beschränkung des Unternehmenszwecks auf die Rückversicherungstätigkeit und damit verbun- dene Geschäfte, die Europäische Aktiengesellschaft als zulässige Unternehmensrechtsform, die Einführung des Instituts der Bestandsübertragung und die zusätzliche Beaufsichtigung über Rückversicherer im Rahmen einer Versicherungsgruppe sowie die Einführung der Beauf- sichtigung der Niederlassungen von Rückversicherungs- unternehmen aus Drittstaaten zu erhöhter Rechtssicher- heit und Transparenz beitragen. Des Weiteren ist die Einführung der Finanzrückversicherung zu begrüßen, um Deutschland als einen der führenden Rückversiche- rungsmärkte mit Regelungen auf diesem Gebiet auszu- statten und der internationalen Entwicklung dieses bis- her kaum geregelten Bereichs Rechnung zu tragen. Auch die im Zuge der öffentlichen Anhörung gefundenen Ergebnisse zu den aufsichtsrechtlichen Fragen von Ver- sicherungs-Holdinggesellschaften und Versicherungs- Zweckgesellschaften finden unsere Zustimmung. Hingegen sind wir keineswegs mit dem Änderungs- antrag der Koalitionsfraktionen und der FDP zur Anti- diskriminierung im Versicherungsrecht einverstanden. Demnach wird lediglich eine Veröffentlichungspflicht für die Berechnungsgrundlagen von unterschiedlichen Tarifen für Männer und Frauen festgelegt. Das geht uns nicht weit genug. Es ist nicht gelungen, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, AGG, für das Versicherungs- wesen weiterzuentwickeln und weitergehende Transpa- renz der Tarifermittlung der Versicherungsunternehmen wirksam zu verankern. Stattdessen wurde nur den Mini- malanforderungen der EU-Richtlinie zur Gleichbehand- lung von Männern und Frauen beim Zugang zu Dienst- leistungen Genüge getan. Die Bundesregierung scheint einer sturen Eins-zu-eins-Umsetzung von Richtlinien mehr Bedeutung beizumessen, als die Chance einer wirksamen Verhinderung von Diskriminierung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen. Ein effektiver Minderheitenschutz sieht anders aus. In unserem Änderungsantrag treten wir deshalb dafür ein, dass nicht nur bei unterschiedlichen Prämien oder Leistungen für Frauen und Männer, sondern auch bei unterschiedlicher Behandlung wegen Religion, Behinde- rung, Alter oder sexueller Identität diejenigen versiche- rungsmathematischen und statistischen Daten in ver- ständlicher Form zu veröffentlichen sind, aus denen die Berücksichtigung dieser Merkmale als Faktor der Risi- kobewertung abgeleitet werden. Auf Verlangen müssten diese Informationen zudem schriftlich übermittelt wer- den. Auf diesem Wege würde die Berechnungsweise der Versicherungsunternehmen transparent gemacht und ei- ner politischen Bewertung zugeführt. Ferner sind die Vorgaben des AGG auch für bereits bestehende Kran- kenversicherungsverträge verpflichtend zu machen und Altverträge umzustellen, sofern das Versicherungsunter- nehmen grundsätzlich weiter geschlechtsabhängig kal- kuliert und nur die Kosten im Zusammenhang mit Mut- terschaft und Schwangerschaft auf alle Verträge verteilt. Wir befürworten in diesem Zusammenhang eine Prämi- enanpassungspflicht. Die von den Koalitionsfraktionen lediglich fakultativ vorgesehene Anpassungsberechti- gung ist nicht ausreichend. Es kann nicht im Ermessen der Unternehmen stehen, ob durch die Tarifgestaltung der bewährte Grundsatz des § 12 Abs. 4 Satz 2 VAG ge- wahrt bleibt. Wir formulieren nach wie vor das Ziel, die Regelungen des AGG für das Versicherungswesen dahin gehend weiterzuentwickeln, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei Prämien und Leistungen vollständig abgebaut werden – Unisex-Tarife – und nicht risikoad- äquate Kriterien ausscheiden. Unsere Vorschläge in diese Richtung wurden aber im parlamentarischen Verfahren mit Formalargumenten zur Seite gewischt, vor einer inhaltlichen Auseinanderset- zung hat sich die Koalition bis zuletzt gescheut. So stimmen wir zwar dem vorliegenden Gesetzent- wurf zu. Enttäuschend aber bleibt, dass die Bundesregie- rung im Bereich der Antidiskriminierung über eine euro- parechtlich vorgegebene Minimallösung nicht hinaus gekommen ist. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (Tages- ordnungspunkt 13) Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Mit dem Ersetzen der alten Konkursordnung durch die neue Insolvenzord- nung Anfang 1999 wurde nicht nur ein lateinischer Begriff durch einen anderen ersetzt, sondern damit war eine neue Weichenstellung verbunden, die einen Para- digmenwechsel für das deutsche Recht darstellte. Die Konkursordnung hatte ihrem Namen mehr als alle Ehre gemacht. Im Vordergrund stand die Befriedigung der Gläubiger und nicht eine mögliche Sanierung des Unter- nehmens. Was zunächst positiv für den Gläubiger er- scheint, muss aber gesamtwirtschaftlich gesehen nicht aufgehen. Je weniger Insolvenzen in ein geordnetes Verfahren überfuhrt werden können, desto weniger Rechtssicher- heit herrscht auch für den Gläubiger. Daher profitiert auch der Gläubiger davon, wenn es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt. Seit der Einführung der In- solvenzordnung haben sich die Eröffnungsquoten deut- lich erhöht. Das zeigt, dass die richtige Richtung einge- schlagen wurde. Nichtsdestotrotz gibt es Änderungs- und Optimie- rungsbedarf in dieser Insolvenzordnung. Wir müssen weiterhin nach Wegen suchen, wie möglichst viele Be- triebe gerettet werden können – gerettet werden nicht vor dem, sondern im Insolvenzverfahren. Der Wechsel von der Konkurs- zur Insolvenzordnung muss endlich auch in den Köpfen nachvollzogen werden. Nicht die Abwicklung und das Scheitern einer Unternehmung sollte zuerst gesehen werden, sondern der mögliche Neuanfang. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7933 (A) (C) (B) (D) Nach der fundamentalen Umstellung zur Insolvenz- ordnung war davon auszugehen, dass sich im Zuge der Anwendung der neuen gesetzlichen Regelungen an der einen oder anderen Stelle Änderungsbedarf ergeben würde. Demnach geht es im vorliegenden Gesetzentwurf auch nicht um grundlegende Änderungen in der Insol- venzordnung, sondern wir nehmen mit den vorgeschla- genen Änderungen eine weitere Feinjustierung vor, die dem Ziel der Insolvenzordnung dient, möglichst viele Betriebe, die in Schwierigkeiten geraten sind, wieder auf eine gerade Bahn zu bringen. Dies wurde anscheinend auch so von der Öffentlichkeit wahrgenommen, da die- ses Gesetzesvorhaben der Bundesregierung selbst in der Fachöffentlichkeit kein größeres Echo auslöste. Trotz- dem gab es auch kritische Anmerkungen. Insbesondere wurde vonseiten potenzieller Gläubiger Einwände erho- ben. Große Befürchtungen hat bei den Gläubigern die Ein- fügung des § 21 Abs. 2 Satz l Nr. 5 in die Insolvenzord- nung ausgelöst. Nach dieser Vorschrift soll der Insolvenz- verwalter in die Lage versetzt werden, Gegenstände, die sich in seinem Besitz befinden, an denen der Gläubiger aber ein Absonderungsrecht oder ein Aussonderungs- recht hat, dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen. Da- bei darf der Insolvenzverwalter keineswegs willkürlich vorgehen, sondern er kann die Herausgabe an den Gläu- bigern nur dann vereiteln, wenn dieser Gegenstand zur Fortführung des Unternehmens von erheblicher Bedeu- tung ist. Der Insolvenzverwalter muss also ein außeror- dentliches Interesse an dem Verbleib des Gegenstandes im insolventen Betrieb haben. Demnach sieht der Ge- setzentwurf durchaus Hürden vor, die eine unangemes- sene Inanspruchnahme des Gläubigers ausschließen. Die Bedenken von Warenlieferanten und Leasing- geber gegen diese Regelung sind zwar verständlich, schießen aber über das Ziel hinaus. Insbesondere kann hier nicht von einer Enteignung die Rede sein, wie dies in einigen Stellungnahmen vorgebracht wurde. Der für den Betrieb wichtige, geleaste Gegenstand wird vom Insolvenzverwalter für die Dauer des Eröffnungsverfah- rens weiter genutzt. Der Gegenstand als solcher bleibt aber erhalten. Ein problematischer Eingriff in die Eigentümerposi- tion würde nur dann stattfinden, wenn die Nutzung durch den Insolvenzverwalter entschädigungslos erfol- gen würde. Das ist aber nicht der Fall. Ein durch die Nutzung eingetretener Wertverlust ist auszugleichen. Außerdem findet auf diese Fälle auch Zinszahlungs- pflicht aus § 169 Insolvenzordnung Anwendung. Damit erhält der Leasinggeber auch einen Ausgleich dafür, dass ein eventuell schnellere Verwertung sich durch das Ein- ziehungsverbot nicht realisieren lässt. Schwierig ist al- lerdings, aus der heutigen Warte, die faktische Werthal- tigkeit dieser Forderung zu beurteilen, ich bin gerne bereit, mich dieser Problematik im Rahmen des heran- nahenden nächsten Entwurfs zur Änderung der Insolvenz- ordnung noch einmal zu stellen. Auch die Einwände der Warenlieferanten sind zwar verständlich, aber auch hier sollte man zunächst nüch- tern die Rechtslage betrachten. Denn der Insolvenzver- walter kann sich durch die Regelung in § 21 Insolvenz- ordnung keineswegs als Herr über das Warenlager aufschwingen und es nach seinem Belieben der Verwer- tung zuführen. Der Gegenstand als solcher muss auf jeden Fall weiterhin im Betrieb verbleiben. Von der er- laubten Nutzungshandlung ist demnach die Verwertung eines Gegenstandes nicht umfasst. Will der Insolvenz- verwalter daher Waren verkaufen, die dem insolventen Unternehmen unter Eigentumsvorbehalt geliefert wur- den, kann er dies nur mit Zustimmung des Lieferanten tun. Allerdings will ich auch nicht drum herumreden. Die Regelung stellt natürlich eine Verschlechterung der Rechtsposition des Gläubigers von Mobiliarsicherheiten dar. Aber es ist nun einmal unsere Aufgabe als Parla- mentarier, zwischen verschiedenen Interessen abzuwä- gen. Und dies tun wir an dieser Stelle. Dem Eingriff in die Rechte der Gläubiger steht die Möglichkeit gegen- über, mehr Betriebe als bisher zur Verfahrenseröffnung zu bringen und so die Chancen einer Sanierung zu erhö- hen. Mehr weitergeführte Betriebe bedeuten auch mehr weitergeführte Verträge. Ich hoffe, daß dies auch bei den Zahlen berücksichtigt wurde, die nun als Verlustzahlen in der Öffentlichkeit genannt wurden. Auf Kritik ist auch die Regelung gestoßen, dem Insol- venzverwalter bei einem Mietvertrag des Schuldners ein Sonderkündigungsrecht einzuräumen. Unabhängig von dem Bestehen einer längeren Kündigungsfrist soll der Insolvenzverwalter in Zukunft die Gelegenheit haben, das Miet- oder Pachtverhältnis innerhalb von drei Mona- ten zu beenden. Ein gleichgelagertes Recht wird dem Vermieter bzw. Verpächter jedoch nicht eingeräumt. Und dies hat durchaus seine Gründe. Es geht hier darum, den Gläubiger vor Kurzschlusshandlungen zu bewahren, die sich auch für ihn wirtschaftlich negativ auswirken kön- nen. Denn jede Kündigung eines Miet- oder Pachtvertra- ges innerhalb von drei Monaten durch den Eigentümer schneidet jedem Insolvenzverwalter die Möglichkeit ab, den Betrieb weiterzuführen und wieder auf ein wirt- schaftlich solides Fundament zu stellen. Dem Ziel der Insolvenzordnung würde daher eine derartige Regelung sogar entgegenstehen. Ähnlich der Debatte, die wir im Rahmen des Gesetzes über elektronische Handelsregister und Genossen- schaftsregister sowie das Unternehmensregister in die- sem Hause geführt haben, stellt sich auch bei den Insol- venzbekanntmachungen die Frage, wie wir mit der Veröffentlichungspflicht umgehen. Die endgültige Um- stellung auf elektronische Register ist nur noch eine Frage der Zeit. Der Staat kann nicht immer nur moderne Technologien propagieren, aber dann einen Rückzieher machen, wenn es um den praktischen Einsatz derartiger Mittel geht. Die Veröffentlichung von Insolvenzbekannt- machungen im Internet bietet eine schnelle, umfassende und kostengünstige Form der Information für die Gläu- biger. Gleichwohl war es richtig und wichtig, Übergänge zu schaffen, um die Personen, deren Informationsquelle noch primär das gedruckte Wort ist, an die Umstellung zu gewöhnen. Dabei sollten wir aber aufpassen, dass wir an dieser Stelle nicht einen Schritt vor und zwei zurück machen. 7934 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Einen wichtigen Punkt möchte ich gerne noch anspre- chen, der leider keine Aufnahme in diesen Gesetzent- wurf mehr gefunden hat, der aber mittelfristig von uns aufgegriffen werden sollte: Es geht dabei um die Insol- venzfestigkeit von Lizenzverträgen über geistiges Eigen- tum. Dem Insolvenzverwalter steht es im Moment frei, über die Weiterführung von Lizenzverträgen zu ent- scheiden, da das Gesetz ihm hierzu ein Wahlrecht an die Hand gibt. Das kann aber zu fatalen wirtschaftlichen Folgen führen. Nehmen wir zum Beispiel ein Pharmaun- ternehmen, welches ein Wirkstoffpatent von einer Bio- technologiefirma lizenziert. Das Unternehmen kann nach dem Abschluss des Lizenzvertrages noch nicht sofort mit der Produktion beginnen. Vielmehr sind zu- nächst umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsleis- tungen vorzunehmen, die nicht nur hohe Investitionen erfordern, sondern sich auch über einen langen Zeitraum erstrecken. Im Durchschnitt kostet die Entwicklung von Medikamenten über 600 Millionen Euro. Diese Investi- tionen verteilen sich über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Macht der Insolvenzverwalter von seinem Wahlrecht in der Weise Gebrauch, dass er die Vertrags- bindung auflöst, bedeutet dies für den Lizenznehmer nicht nur das Ende der Forschungsarbeit, sondern even- tuell sogar das Ende der Produktion. Was hier für die forschende Industrie auf dem Spiel steht, geht weit über ein Sonderopfer hinaus und stellt eine Schwächung des Wirtschaftsstandortes Deutschland dar. Die Problematik ist in Juristenkreisen zwar schon länger bekannt, tauchte für uns Parlamentarier aber erst recht kurzfristig auf, sodass sie in diesem Gesetzentwurf noch keinen Nie- derschlag finden kann, zumal die Regelung mit dem internationalen Rechtsverkehr kompatibel sein muss. Nichtsdestotrotz sehe ich an dieser Stelle einen dringen- den Regelungsbedarf, den wir so schnell wie möglich in Angriff nehmen sollten. Da dieser Gesetzentwurf nicht der letzte zum Insol- venzrecht sein wird, bin ich auch zuversichtlich, dass wir in absehbarer Zeit zu einer Regelung kommen werden, die auch der wirtschaftlichen Bedeutung geistigen Eigen- tums gerecht wird. Dirk Manzewski (SPD): Am heutigen Abend debat- tieren wir hier abschließend über den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Vereinfachung des Insolvenz- verfahrens. Mit dem Gesetzesentwurf werden erforderliche An- passungen an die Anfang 1999 in Kraft getretene Insol- venzordnung vorgenommen. Das Gesetz greift dabei ins- besondere in der Vergangenheit festgestellte Defizite im Unternehmensinsolvenzverfahren auf. Die in diesem Zusammenhang vorgenommenen Än- derungen halte ich insbesondere unter Berücksichtigung der Änderungsanträge für insgesamt sehr gelungen. Richtig ist, dass bei der Auswahl des Insolvenzver- walters nunmehr die Verwendung sogenannter geschlos- sener Listen unzulässig ist. Die Gerichte müssen künftig die Insolvenzverwalter aus dem Kreis aller Personen auswählen, die sich zur Übernahme von Insolvenzver- waltungen bereiterklärt haben. Der Gesetzesentwurf sorgt damit nicht nur für mehr Transparenz bei der Auswahl des Insolvenzverwalters durch das Gericht; er berücksichtigt damit auch die Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2004, das insoweit die Beachtung des Gleichbehand- lungsgrundsatzes anmahnte. Ich habe mich übrigens im Laufe des Verfahrens da- von überzeugen lassen, das die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit, die Bereitschaft zur Übernahme auf be- stimmte Insolvenzverwaltungen zu beschränken, richtig ist. Fehlt es jemand noch an praktischer Erfahrung, hilft es niemandem weiter, ihn mit einer schwierigen Unter- nehmensinsolvenz zu konfrontieren. Auch eine Speziali- sierung in diesem Bereich muss nicht unbedingt falsch sein. Soweit in Insolvenzsachen von Printveröffentlichun- gen Abstand genommen und als Regelfall nur noch eine elektronische Bekanntmachung im Internet stattfinden sollte, finde ich es richtig, dass nunmehr in einer Über- gangszeit noch „altes“ und „neues“ System nebeneinan- derlaufen können. Die Bekanntmachungen sollen in erster Linie den Gläubigern dienen. Ob diese von heute auf morgen im- mer wieder einmal pro forma diese Internetplattform aufsuchen werden, um sich über etwaige Insolvenzen von Schuldnern zu informieren, erscheint zweifelhaft. So durchgesetzt hat sich die Arbeit mit dem Internet ins- besondere bei den kleineren KMUs noch nicht. Insoweit macht es durchaus Sinn, sie sich zunächst hieran gewöh- nen zu lassen. Ich hoffe, dass die Länder dies aufgreifen werden. Insbesondere die IHKs und regionalen Handwerks- kammern sehe ich übrigens in der Verpflichtung inner- halb der Übergangszeit ihre Mitglieder auf die bundes- einheitliche Internetplattform vorzubereiten. Soweit eine Regelung geschaffen werden soll, nach der der Insolvenzverwalter die Möglichkeit hat, das Ver- mögen aus einer selbstständigen Tätigkeit des Schuld- ners nicht zur Insolvenzmasse zu zählen, um den Schuldner so zu der selbstständigen Tätigkeit zu moti- vieren, habe ich nach den vorgenommenen Änderungen keine Bedenken mehr. Es schien mir in diesem Zusammenhang nicht unpro- blematisch zu sein, bei reiner Duldung der Fortführung der gewerblichen Tätigkeit durch den Insolvenzschuld- ner, die durch den sogenannten Neuerwerb begründeten Verbindlichkeiten automatisch zu Masseverbindlichkei- ten werden zu lassen. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können an sich Masseverbindlichkeiten nur noch durch den Insol- venzverwalter oder aus der Insolvenzmasse heraus be- gründet werden, über die der Schuldner aber ja nicht mehr verfügen darf. Durch die nunmehr vorgenommene Klarstellung sehe ich diese Problematik als beseitigt an. Uns liegt damit nunmehr ein für mich gelungener Entwurf vor, um dessen Annahme ich Sie bitten möchte. Erlauben Sie mir, nochmals meiner Freude darüber Ausdruck zu verleihen, dass von der Bundesregierung in Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7935 (A) (C) (B) (D) der Begründung zu diesem Gesetzesentwurf zutreffend darauf hingewiesen wird, dass die „neue“ Insolvenzord- nung sich bewährt und im Gegensatz zur „alten“ Kon- kursordnung zu einer viel größeren Eröffnungsquote ge- führt hat. Diese Erkenntnis hätte uns beim sogenannten Gesetz zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfech- tung viele Diskussionen erspart. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Es ist schon denkwürdig: Nun stehen wir beinahe sitzungs- wöchentlich hier und debattieren über das Insolvenz- recht. Zugegeben, hierbei handelt es sich um ein wichti- ges Rechtsgebiet. Doch das allein erklärt die Sitzungshäufigkeit nicht. Der Grund liegt vielmehr da- rin, dass das, was eigentlich zusammengehört, auseinan- dergerissen wird. Die Folge sind immer kleinteiligere und immer mehr am Einzelfall orientierte Gesetzent- würfe. Was fehlt, ist die große Linie, was fehlt, ist der Wille, zu kodifizieren und nicht nur den Einzelfall zu regeln. Darauf haben Sie, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Krings, im Rechtsausschuss zu Recht hingewiesen. Es wäre schön, wenn die Bundesregierung zukünftig nach dieser Einsicht handelte und sich um mehr Kohä- renz in der Gesetzgebung bemühte. Wozu schlecht synchronisierte Gesetzgebungsverfah- ren führen, durften wir bei der Frage, wie der Ko- pierschutz auszugestalten sei, beobachten. Der Ge- setzentwurf der Bundesregierung sah vor, die Kopierschutzregelung mit der Begründung zu streichen, diese laufe ins Leere. Tatsächlich lief hier jedoch nichts leer, sondern etwas schief, denn die Regelung, die gestri- chen werde sollte, gab es schon gar nicht mehr, sie war bereits durch das zum 1. Januar 2007 in Kraft getretene EHUG in Wegfall geraten. Fehler passieren. Aber Fehler lassen sich auch vermeiden, beispielsweise durch Ver- zicht auf eine Gesetzgebung, die sich selbst überholt. Aber auch inhaltlich haben mich die Ausführungen der Bundesregierung zum Datenschutz ehrlich gesagt nicht überzeugt. Die Verbreitung von Daten im Internet hat schon eine andere Qualität als das Kopieren von Zei- tungsveröffentlichungen per Hand. Hier geht es nicht um ein paar Handzettel, die in Briefkästen landen. Hier geht es um die Potenzierung von Daten durch Kopiervor- gänge im weltweiten Netz. Dass hier ein zuverlässiger Kopierschutz technisch nicht möglich sei, trifft so nicht zu, denn es gibt technischen Kopierschutz. Die Absichts- erklärung der großen Koalition, die Frage im Zusam- menhang mit der Novellierung des Bundesdatenschutz- gesetzes regeln zu wollen, ist da nicht sehr befriedigend. Von einer solchen Novellierung ist seit vielen, vielen Jahren die Rede, ohne dass sich bis heute etwas getan hätte. Es wäre daher richtig gewesen, die Kopierschutz- regelung wieder ins Gesetz zu schreiben, wie von der FDP beantragt. Das wäre mehr gewesen als gar nichts, und man hätte die Zeit nutzen können, über technische und rechtliche Alternativen nachzudenken. Dass die FDP dem Gesetzentwurf heute gleichwohl zustimmen wird, hängt damit zusammen, dass wir das Ziel, das Insolvenzverfahren zu vereinfachen, uneinge- schränkt begrüßen und die hierzu vorgeschlagenen Maß- nahmen im Wesentlichen unterstützen. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Umstellung auf den elektroni- schen Betrieb. Allerdings haben wir Wert darauf gelegt, dass zumindest für eine Übergangsfrist zusätzlich zu der öffentlichen Bekanntmachung im Internet eine Bekannt- machung in Printmedien erfolgen kann. Wir hätten uns gewünscht, Sie hätten sich dabei noch enger an die deut- lich großzügigere Übergangsregelung für die Publika- tion von Eintragungen in das Handelsregister angelehnt. Doch immerhin: Die jetzt vorgesehene Übergangsrege- lung ist mehr als gar nichts. Ich danke Ihnen ausdrück- lich, dass Sie sich hier vernünftigen Erwägungen nicht verschlossen haben. Diese Beratungskultur sollten wir beibehalten, wenn es nun darum gehen wird, das Verbraucherinsolvenzver- fahren zu überarbeiten und wenn es weiterhin darum ge- hen wird, Anliegen, die in diesem Gesetzgebungsverfah- ren nicht mehr berücksichtigt werden konnten, angemessen zu prüfen. Hierzu zählt für die FDP bei- spielsweise die Auseinandersetzung mit der Frage der Insolvenzfestigkeit von Lizenzverträgen über geistiges Eigentum. Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Wenn eines Ta- ges aus dem Justizministerium eine Vorlage herein- kommt, in der durch fehlerhafte Gesetzesverweisung Hunde und Katzen für prozessführungsbefugt erklärt werden, dann können Sie eigentlich nur hoffen, dass eine der drei Oppositionsfraktionen Ihnen einen Änderungs- antrag schenkt, der diesen Unfug rechtzeitig verhindert – weil Sie ihn sonst ungerührt beschließen! Im Unter- schied zu Ihnen lesen wir die Vorlagen der Regierung tatsächlich, auch wenn das natürlich Schweiß kostet und Ärger verursacht. Der heute zu behandelnde Gesetzentwurf zur Verein- fachung des Insolvenzverfahrens hatte – bis vorgestern – noch die Aufhebung des § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Insol- venzordnung vorgesehen, eine Norm, die Sie zum Leid- wesen des Datenschutzes bereits am Ende des letzten Jahres aufgehoben hatten. Dieser Unfug fiel zuerst mei- ner Fraktion auf, sprach sich dann unter den Opposi- tionsfraktionen herum, gelangte auch zur Auskunft an den Bundesdatenschutzbeauftragten und sorgte bald al- lerorts für Kopfschütteln. Nur Ihnen ist natürlich überhaupt nichts aufgefallen. Sie haben es heute der FDP-Fraktion zu verdanken, die sich mit einem Antrag für die Wiedereinführung der ge- strichenen Norm einsetzte, dass Sie am Ende doch noch Bescheid bekamen. Dass den Mitarbeiterinnen und Mit- arbeitern im Justizministerium auch einmal dumme Feh- ler passieren, ist menschlich und verständlich. Ich frage mich aber, wie erklärt werden kann, dass Sie als Abge- ordnete trotz der umfangreichen inhaltlichen Schützen- hilfe eines Justizministeriums nicht dazu kommen, selbst zu lesen und zu prüfen, was Sie in der Verantwortung Ih- res Mandates als Gesetz verabschieden. Stimmen Sie doch zur Abwechslung auch mal für ein paar Vorlagen meiner Fraktion. Die müssen Sie ja vorher auch nicht unbedingt lesen, und dann ginge vielleicht auch einmal etwas Gutes aus dieser Praxis hervor. 7936 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Ich will Ihnen aber sicherheitshalber sagen, was Sie heute aus der dritten Lesung in die nahe Rechtswirklich- keit schicken. § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 der Insolvenzord- nung regelte bis zum Ablauf des 31. Dezember 2006 eine datenschutzrechtlich höchst bedeutsame Frage: Bei Veröffentlichungen des Insolvenzgerichtes in digitaler Form war sicherzustellen, dass die veröffentlichten Da- ten nicht kopiert werden können. Man muss durchaus kein IT-Fachmann sein, um den dahinterstehenden Zweck zu begreifen: Eine Löschungs- frist macht überhaupt nur dann Sinn, wenn nach ihrem Ablauf von einer grundsätzlichen Unzugänglichkeit der gelöschten Inhalte ausgegangen werden kann. Und da- von kann gerade nicht ausgegangen werden, wenn die an einer Stelle gelöschten Daten an Millionen anderen Stel- len weiterhin in kopierter Form vorhanden sind. Such- maschinen wie Google oder Altavista legen automatisch Spiegelungen aller Webinhalte und Datensätze an, auf die mit den möglichen Suchergebnissen verwiesen wird. Und auch private Nutzer sind in der Lage, mit genau drei Mausklicks jeden ungesicherten Webinhalt auf die hei- mische Festplatte zu ziehen. Eine Löschungsfrist wird damit zum allergrößten Unfug, weil sie regeln will, wor- auf gar kein Einfluss besteht. Ebenso könnten Sie sich mühen, per Gesetz das Wetter des nächsten Jahres fest- zulegen. Sie hatten zwei verfassungsgemäße Möglichkeiten zur Lösung des Problems, die Sie beide nicht genutzt ha- ben. Erstens hätten Sie von einer Veröffentlichung der Insolvenz im Internet Abstand nehmen können, weil Sie davon ausgehen, dass eine Kopie der Daten in keinem Fall verhindert werden kann. Das hätte das Problem ge- löst. Oder aber Sie hätten § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 der In- solvenzordnung wieder einführen und zugleich dafür Sorge tragen müssen, dass veröffentlichte Daten gerade nicht kopiert werden können. Das wäre etwa möglich gewesen durch einen Kopierschutz oder durch einen da- teiinternen Prozess, der den Gebrauch der Daten nach dem Ablauf der Frist verhindert. Ihre Kinder werden Ih- nen vielleicht erklären können, dass es bereits heute ko- piergeschützte Musikdateien und auch Anwendungspro- gramme gibt, die nach dem Ablauf einer Lizenz absolut unbrauchbar werden. Sie aber wählten die dritte, nicht verfassungsgemäße Regelungsmöglichkeit, die Internetveröffentlichungen ohne Kopierschutz vorsieht. Sie muten dem Land heute ein Gesetz zu, in dem das Grundrecht auf informatio- nelle Selbstbestimmung nur deshalb verletzt wird, weil Sie keine Lust hatten, darüber nachzudenken, wie es zu schützen sei. Indem Sie zunächst beabsichtigten, § 9 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 zu streichen und nun nach Aufklärung über die Rechtslage eine Wiedereinführung ablehnen, bringen Sie zum Ausdruck, dass Ihnen ein Grundrecht nur so viel wert ist, wie der Stand der Technik hergibt. Das ist inak- zeptabel. Der Stand der Technik vermag Sie nicht von Ihren verfassungsmäßigen Pflichten zu entbinden. Es ist Ihre Pflicht als Gesetzgeber, Gesetze zu verab- schieden, die die Grundrechte wahren, und es ist Ihre Pflicht, ein Gesetz bleiben zu lassen, wenn Sie davon ausgehen, dass eine Grundrechtswahrung nicht garan- tiert werden kann. Und es ist jammerschade, dass man Ihnen diese Pflichten überhaupt erklären muss. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 1. Januar 1999 ist das Konkursrecht durch ein neues In- solvenzrecht ersetzt worden. Nach über 120 Jahren – die alte Konkursordnung stammte aus dem Jahre 1871 – ging der Gesetzgeber zum Teil völlig neue Wege. Nicht mehr der Grundgedanke des wirtschaftlichen Endes von überschuldeten und zahlungsunfähigen Rechtspersonen, sondern die Idee einer zweiten Chance wurde dem neuen Insolvenzrecht zugrunde gelegt. Ein besonderer Beleg dafür ist die eingeführte Verbraucherinsolvenz. Im Jahre 2001 wurde dieser Grundgedanke mit der Ausdehnung der Regelinsolvenz auf Selbstständige und Freiberufler weitergeführt. Der Grundgedanke einer zweiten Chance ist Aus- druck eines menschenrechtlich und sozial geprägten Vorgehens. Dabei wird Menschen, die in unüberwind- bare wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, ein – wenn auch schwieriger – Weg eröffnet, in Zukunft wieder am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben selbstbestimmt teilnehmen zu können. Dies geschieht nicht einseitig zulasten der Gläubiger, verschiebt aber die Gewichte zugunsten der insolventen Schuldner. Diese Folge der Reform des Konkursrechts zum Insol- venzrecht war gewollt und hat sich bis heute im Grund- satz als der richtige Weg erwiesen. Es kann nicht ausbleiben, dass bei einem so grund- sätzlichen gesetzlichen Neuanfang nach einiger Zeit der praktischen Überprüfung Schwachstellen zum Vorschein kommen und Ungereimtheiten sichtbar werden. Deshalb war es richtig, dass die Konferenz der Justizministerin- nen und Justizminister schon 1999 und dann in einem zweiten Schritt 2000 Überprüfungen des neuen Insol- venzrechts beschlossen hat. Der letzte Abschlussbericht datiert aus dem Juni 2002. Leider hat es über sechs Jahre gedauert, bis die Bundesregierung die Schlussfolgerun- gen dieses Berichts und weitere Anregungen aus der Pra- xis im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zur Vereinfa- chung des Insolvenzverfahrens umgesetzt hat. Das Gesetz kommt spät – das ist zu kritisieren –, aber es ist im Wesentlichen notwendig, gut und richtig; und dies wird von uns Grünen ausdrücklich gelobt. Im Einzelnen ist es gut und richtig – das wird auch vom Bundesverfassungsgericht gefordert –, dass an den Amtsgerichten keine geschlossenen Listen von poten- ziellen Insolvenzverwaltern mehr geführt werden. Ein Insolvenzverwalter ist aus dem Kreis aller zur Über- nahme bereiten Personen zu wählen. Die Behebung von Defiziten des Unternehmensinsol- venzverfahrens wird von uns unterstützt. Das Gleiche gilt für die neuen Vorschriften, mit denen noch besser als bisher Sanierungen durchgeführt und Selbstständigen die weitere Tätigkeit ermöglicht werden soll. Ich komme nun zu einem kritischen Punkt, den wir hier im Bundestag bereits anlässlich der Einrichtung des elektronischen Handelsregisters diskutiert haben. Die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7937 (A) (C) (B) (D) notwendige Verlagerung der öffentlichen Bekanntma- chungen auf das Internet schafft nicht nur Erleichterun- gen und spart nicht nur Kosten. Es bringt auch Probleme, besonders für die Zeitungsverlage, die seit vielen Jahr- zehnten eine Plattform dieser Veröffentlichungen waren und sich auf die neue Rechtslage einstellen müssen. Die im Rechtsausschuss eingefügte Frist bis zum Jahr 2008 hilft wenig, aber sie hilft etwas. Im Internet ist ein ver- stärkter Datenschutz gefragt. Deshalb bleibt es auch nach der Debatte im Rechtsausschuss gestern ungeklärt, weshalb die Koalition die Vorschrift des § 9 Insolvenz- ordnung partout ändern und auf den „nach dem Stand der Technik“ möglichen Kopierschutz verzichtet. Ob hierdurch gravierender Datenmissbrauch ermöglicht wird, werden die Datenschutzbeauftragten und werden wir alle zu beobachten haben. Sollte es insoweit zu einer Reform der Reform kommen müssen, bleibt zu hoffen, dass nicht Jahre ins Land gehen, bis die Bundesregie- rung reagiert. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Mit dem vorliegenden Ge- setzentwurf beheben wir Defizite im Regelinsolvenzver- fahren, die uns von der Praxis aufgezeigt worden sind. Es geht daher überwiegend um technische Verbesserun- gen des Verfahrensablaufs, und unsere Vorschläge sind gut aufgenommen worden. Bei einigen Punkten wurden allerdings Zweifel angemeldet. Darauf möchte ich kurz eingehen. Zunächst zur Auswahl des Insolvenzverwalters: Hier wollen wir, dass Insolvenzverwalter ihre Bereitschaft zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen auf bestimmte Verfahren beschränken können. Ich halte diese Regelung für richtig. Damit ermöglichen wir es den Richtern, im jeweiligen Verfahren eine zügige Eignungsprüfung vor- zunehmen und das Auswahlermessen unter Berücksich- tigung der Größe und Art des jeweiligen Verfahrens sachgerecht auszuüben. Hinzukommt: Es gibt heute Insolvenzverwalter, die sich auf Unternehmensinsolvenzen spezialisiert haben, und es gibt Insolvenzverwalter, die ausschließlich Ver- braucherinsolvenzen bearbeiten und oft nicht bereit sind, Unternehmensinsolvenzverfahren zu übernehmen. Wenn man so einen Verbraucherinsolvenzfachmann oder einen Berufsanfänger zur Übernahme der Verwaltung von gro- ßen Unternehmensinsolvenzen verpflichtet, nutzt das niemandem. Eine weitere wichtige Änderung betrifft die öffentli- che Bekanntmachung über das Internet. Bisher sah das Gesetz ein Wahlrecht für die Landesjustizveraltungen vor. Die Bekanntmachungen konnten entweder in die Printmedien oder in das Internet eingestellt werden. Mitt- lerweile haben alle Länder die Veröffentlichung im Inter- net gewählt. Allerdings steht es ihnen frei, wieder zu den Printveröffentlichungen zurückzukehren. Die Internet- veröffentlichung soll nun zur Pflicht werden. Für einen Übergangszeitraum von zwei Jahren wird den Landesjus- tizverwaltungen aber ein gewisses Wahlrecht erhalten bleiben: Die Länder können die Bekanntmachungen ne- ben dem Internet auch in Printmedien vornehmen. Die neu eingeführte Kann-Bestimmung erlaubt es den Län- dern, weiterhin flexibel auf eventuelle Veränderungen der Bekanntmachungsmöglichkeiten zu reagieren. Die Veröffentlichung im Internet kommt übrigens nicht zuletzt den Insolvenzgläubigern zugute, da sich da- mit die Verfahrenskosten ganz erheblich reduzieren. Das führt bereits jetzt zu einem statistisch erkennbaren An- stieg bei den Verfahrenseröffnungen. Abschließend möchte ich noch auf einen Punkt einge- hen, den wir in diesem Gesetzgebungsverfahren ändern wollen und der mehr Rechtssicherheit bringen wird: Falls der Schuldner eine selbstständige Tätigkeit ausübt, kann der Insolvenzverwalter zukünftig erklären, dass Vermögen aus dieser Tätigkeit nicht zur Masse gehört. Wo der Insolvenzverwalter schweigt und lediglich die Tätigkeit des Schuldners duldet, könnte über die Masse- zugehörigkeit des aus selbstständiger Tätigkeit resultie- renden Vermögens Zweifel entstehen. Deshalb ist vorge- sehen, dass der Insolvenzverwalter eine Erklärung darüber abgeben muss. ob dieses Vermögen zur Insol- venzmasse gehört oder nicht. Ich bin sicher: Das Gesetz wird zu einer deutlichen Entlastung der Insolvenzgerichte, zu Kosteneinsparun- gen bei den Ländern und zu mehr Verfahrenseröffnun- gen beitragen. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes (Tagesord- nungspunkt 14) Eberhard Gienger (CDU/CSU): Mit der Biotechno- logie verbinden sich wie mit fast keinem anderen For- schungsgebiet große gesellschaftliche Hoffnungen. Die Hoffnungen werden aber begleitet von Ängsten und Sor- gen. Vielen Menschen wird „unheimlich“. Sie fragen sich, ob sich Forscher als „Zauberlehrlinge“ des Lebens betätigen. Sie fürchten ethische Dammbrüche, die unsere Gesellschaft verändern könnten. Die Menschen erwarten von der Politik zu Recht, dass sie Rahmenbedingungen so setzt, dass diese neue Technik zum Positiven genutzt werden kann. Für uns als CDU/CSU-Bundestagsfraktion stellt es eine enorme Herausforderung dar, Technologie- und Forschungsfreundlichkeit mit unserer klaren Position zum Lebensschutz verantwortlich in Einklang zu brin- gen. Als vor fast fünf Jahren das Stammzellimportgesetz verabschiedet worden ist, ist den deutschen Forschern erlaubt worden, mit embryonalen humanen Stammzellen zu arbeiten, ohne jedoch Anreize für die Tötung von Embryonen zu geben. Lassen Sie mich hier kurz den Unterschied zwischen dem Stammzellgesetz, um das es heute hier geht, und dem Embryonenschutzgesetz erläutern. Das Embryonenschutzgesetz schützt den Embryo, das Stammzellgesetz befasst sich nur mittelbar mit hohen 7938 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Rechtsgütern. Stammzellen sind nicht totipotent und ha- ben kein Potenzial, sich zum Menschen zu entwickeln. Die Schutzintensität ist deshalb nicht vergleichbar. Am 1. Juli 2002 ist das Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit der Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzel- len in Kraft getreten. Mit diesem Stammzellgesetz sollte eine gesetzliche Regelung für die Einfuhr und Verwen- dung humaner embryonaler Stammzellen getroffen werden, die nicht in rechtlichem und ethischem Wertungswiderspruch zum hohen Schutzniveau des Em- bryonenschutzgesetzes steht. Gleichzeitig sollte der Forschungsfreiheit und den In- teressen kranker Menschen an der Entwicklung neuer Zelltherapien bzw. Zellgenerationsprodukte angemes- sen Rechnung getragen werden. Der Zweck des Stammzellgesetzes ist in § 1 Nr. 1, 2 und 3 verankert: Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen zu verbieten, zu vermeiden, dass von Deutschland aus eine Gewinnung embryonaler Stamm- zellen oder eine Erzeugung von Embryonen zur Gewin- nung embryonaler Stammzellen veranlasst wird und Vo- raussetzungen zu bestimmen, unter denen die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen aus- nahmsweise zu Forschungszwecken zulässig sind. Ich möchte nochmals klarstellen, dass es eine ganz klare Regelung gibt: Die Einfuhr und die Verwendung humaner embryonaler Stammzellen, hES-Zellen, sind grundsätzlich verboten und nur mit Genehmigung der zuständigen Behörde ausschließlich für Forschungszwe- cke erlaubt. Ohne Genehmigung sind die Einfuhr und die Verwendung strafbar. Es dürfen embryonale Stamm- zellen allenfalls importiert und verwendet werden, wenn nach Überzeugung der Genehmigungsbehörde und der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellforschung feststeht, dass hochrangige Forschungsziele damit ver- bunden sind und Erkenntnisse nicht ohne embryonale Stammzellen gewonnen werden können. Daran werden wir nicht rütteln. Zudem enthält das Stammzellgesetz eine Stichtagsre- gelung, die besagt, dass nur mit embryonalen Stammzel- len geforscht werden darf, die vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden; dies gilt auch für das Herkunftsland. Mit dieser Stichtagsregelung will das Gesetz verhindern, dass im Ausland vorhandene Embryonen für Zwecke deutscher Forschung getötet werden. Aus dem Blickwinkel der in Deutschland tätigen For- scher stellt sich diese feste Stichtagsregelung als proble- matisch dar. Die Stellungnahme der Deutschen For- schungsgemeinschaft zur Stammzellforschung vom November 2006 macht deutlich, dass wir uns mit dem Stammzellgesetz von 2001 erneut beschäftigen müssen. Im Berichtzeitraum 2004/2005 hat es weltweit auf dem Gebiet der Stammzellforschung erhebliche Fort- schritte gegeben. Es ist gelungen, sowohl hES-Zelllinien ohne tierische Zusätze und Verunreinigung wie auch zu- nehmend Stammzelllinien mit spezifischen genetischen Defekten herzustellen, die der Krankheitsanalyse dienen können. Eine Aussage des Berichts ist, dass auf For- schungsarbeiten mit humanen embryonalen Stammzel- len derzeit nicht verzichtet werden kann. Grundlagen- kenntnisse für mögliche spätere therapeutische Ansätze könnten nur in parallelen Arbeiten an adulten wie em- bryonalen Stammzellen gewonnen werden. Zum anderen geht es um die Übertragbarkeit von Erkenntnissen aus der Arbeit mit tierischen Stammzellen auf die Anwen- dung am Menschen. Vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungstandes ist vor allem die Frage zu klären, in- wieweit deutsche Forscher durch den Verzicht auf neu- ere Stammzelllinien von wichtigen Feldern der Grundla- genforschung abgekoppelt werden. Darüber hinaus haben Forscher ein weiteres Problem: das der Rechtsunklarheit bei internationalen Kooperatio- nen. Deutsche Forscher sind zunehmend verunsichert und fühlen sich von internationalen Kooperationen mehr und mehr ausgeschlossen. Denn bisher machen sich Amtsträger, beamtete Hochschullehrer, auch Wissen- schaftler an staatsnahen Forschungseinrichtungen straf- bar, wenn sie im Ausland an nach dem deutschen Stammzellgesetz nicht erlaubten humanen embryonalen Stammzellen arbeiten. Strittig ist, ob das Stammzellge- setz in seiner Wirkung auf das Inland beschränkt ist oder nicht. Wenn es nicht auf das Inland beschränkt ist, dann greift § 9 Strafgesetzbuch, und deutsche Wissenschaftler machen sich schon beim Austausch mit Kollegen im Ausland, die nicht mit gesetzeskonformen Stammzell- linien arbeiten, strafbar. Zwar hat die Stichtagsregelung seinerzeit die Mög- lichkeit eröffnet, Grundlagenforschung zu betreiben, aber die deutschen Forscher sind nun der Meinung, dass angesichts der inzwischen weltweit erzielten Erkenntnis- fortschritte in der Stammzellforschung und angesichts des zunehmend deutlicher werdenden Ausschlusses deutscher Stammzellforscher aus internationalen Ko- operationen die Stichtagsregelung nicht mehr genüge und zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer mehr an ein völliges Verbot der Forschung mit hES-Zellen in Deutschland heranreiche. Dabei widerspricht eine vom Gesetz herbeigeführte verbotsgleiche Wirkung dem er- klärten Ziel des Stammzellgesetzes selbst, nämlich die Stammzellforschung in Deutschland nicht zu verhindern. Hier müssen wir gemeinsam Lösungen finden. Die Dinge sind schwierig. Was wir brauchen, ist eine echte Werteorientierung. Die Werteorientierung heißt Lebensschutz. Aber sie beinhaltet auch, dass wir uns in der Stammzellforschung Wege offenhalten müssen. Denn ein kategorisches Nein ist keine ethische Haltung. Ob unser Stammzellgesetz weiterentwickelt werden muss, gilt es vorurteilsfrei zu prüfen. Deshalb haben wir im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfol- genabschätzung einvernehmlich auf Vorschlag der Aus- schussvorsitzenden Ulla Burchardt beschlossen, eine öf- fentliche Anhörung zu diesem Thema anzusetzen, um sowohl die Aspekte der Forschung wie auch ethische und rechtliche Gesichtspunkte zu diskutieren. Im Mittel- punkt wird die Frage stehen, ob eine Änderung des be- stehenden Stammzellgesetzes wirklich nötig ist. Die An- hörung wird voraussichtlich am 9. Mai stattfinden. Doch eine gänzliche Abschaffung der Stichtagsregelung, so wie es die FDP und die DFG in ihren Anträgen fordern, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7939 (A) (C) (B) (D) ist mit der Union nicht zu machen. Eventuell wäre eine Verschiebung des Stichtages, so wie es sogar die EKD vorschlägt, ein Kompromiss. Wir fordern die Forscher auf, Alternativen zur jetzigen Regelung aufzuzeigen, ohne eine grenzenlose Freigabe zu ermöglichen. Rene Röspel (SPD): Am 30. Januar 2002 fand im Bundestag die Grundsatzdebatte zum Thema Stammzell- forschung und Embryonenschutz statt. Eine Vielzahl von Fragen wurde in einer sehr ernsthaften Debatte ange- sprochen: Wann beginnt menschliches Leben? Ab wann kommt menschlichem Leben der grundgesetzlich garan- tierte Schutz der Menschenwürde zu? Kann es gerecht- fertigt sein, dass menschliches Leben (auch in seiner frü- hesten Form) zu Forschungszwecken zerstört wird? Gibt es Alternativen zur embryonalen Stammzellforschung? Für diese parlamentarische Debatte und für die öffent- liche Diskussion gab es eine ganze Reihe guter theoreti- scher Grundlagen verschiedener Herkunft. Umfassende Bewertungen der juristischen Hintergründe, des natur- wissenschaftlichen und medizinischen Sachstands, mög- licher Entwicklungen und der ethischen Problematik wurden unter anderem von der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages, durch Stellungnahmen der Kir- chen, Forschungsorganisationen und der Wirtschaft ge- liefert. Die Antworten und Beiträge von 40 Abgeordneten fielen unterschiedlich aus und basierten auf den indivi- duellen Wertehaltungen. Zur Abstimmung standen drei Anträge: die Ablehnung der Forschung mit embryonalen Stammzellen, deren begrenzte Zulassung und ein An- trag, der einen begrenzten Import von Stammzelllinien zulassen wollte. Die sehr intensive Diskussion von mehr als zwei Jah- ren mündete letztlich in einer Entscheidung des Bundes- tages für das Stammzellgesetz, das es erlaubt, vor dem Stichtag 1. Januar 2002 hergestellte embryonale Stamm- zelllinien unter bestimmten Bedingungen aus dem Aus- land zu importieren. Auch wenn ich gegen die embryo- nale Stammzellforschung war und bin, habe ich das Stammzellgesetz wie viele andere mitgetragen, um es zu einem starken Kompromiss zu machen. Das am 1. Juli 2002 in Kraft getretene Stammzellgesetz gibt deutschen Forschern die Möglichkeiten, um die sie gebeten hatten. Es hat die gesellschaftliche und parlamentarische De- batte in einer ethisch umstrittenen Frage befriedet und in ruhige Bahnen gelenkt. Wer diesen starken, nicht einmal fünf Jahre jungen Kompromiss aufkündigen will, braucht sehr gute Gründe. Die FDP will mit ihrem vorgelegten Antrag diesen Kompromiss aufheben. Nachvollziehbare – geschweige denn gute – Gründe aber liefert sie nicht. Die FDP spricht in ihrem Antrag davon, dass bei der embryonalen Stammzellforschung die Entwicklungen zeigten, dass die Aussichten auf neue Heilungsmethoden für schwerste Erkrankungen wie zum Beispiel Herzinfarkt und Multiple Sklerose am größten sind. Ist das wirklich so? In den letzten Jahren hat es bereits gigantische Inves- titionen in die Stammzellforschung gegeben. Aus dem Bundeshaushalt der USA wurden seit 2001 130 Millio- nen US-Dollar für die Forschung mit embryonalen Stammzellen ausgegeben. Der US-Bundesstaat Kalifor- nien stellt 3 Milliarden US-Dollar für eine Stammzellini- tiative für die nächsten zehn Jahre zur Verfügung. Davon sind allein 300 Millionen US-Dollar für humane embryo- nale Stammzellen vorgesehen – ein Programm für adulte Stammzellen ist allerdings nur angekündigt. Großbritan- nien förderte die Stammzellforschung bis 2005 mit jähr- lich 40 Millionen Euro, ab 2006 sogar mit 75 Millionen Euro jährlich. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist nicht untätig geblieben. Über das Bundesministerium für Bildung und Forschung wurden seit 1999 13 Millionen Euro und über die Deutsche Forschungsgemeinschaft über 50 Millionen Euro für Stammzellforschung ausge- geben. Allerdings: Der Großteil der deutschen Mittel wird für die ethisch unproblematische adulte Stammzell- forschung verwendet. Sieht man sich vor diesem Hintergrund die Ergeb- nisse an, wie sie der Stellungnahme der DFG, dem Stammzellbericht oder der Ausarbeitung des wissen- schaftlichen Dienstes entnommen werden können, wird deutlich, dass es trotz der immensen vom Ausland einge- setzten Mittel keinerlei therapeutischen Ansätze mit em- bryonalen Stammzellen des Menschen gibt. Berichte über erfolgreiche Versuche stammen maximal von Tier- modellen. Zu den adulten gewebespezifischen Zellen schreibt die DFG jedoch auf Seite 21 unten: … die therapeutische Nutzung gewebespezifischer Stammzellen ist bisher nur in Ausnahmefällen möglich. Es stimmt, dass adulte Stammzellen nur in Ausnah- mefällen therapeutisch genutzt werden können, aber sie können benutzt werden. Bei embryonalen Stammzellen gibt es die Therapie nicht einmal im Ansatz. Liegen wir also so falsch, wenn wir die begrenzten Mittel für die schon therapeutisch nutzbaren adulten Stammzellen verwenden und nicht den ethisch umstritte- nen Weg gehen? Nein. Wir sollten uns sogar noch stär- ker auf Stammzellen aus Nabelschnurblut und andere Alternativen konzentrieren. Die FDP spricht in ihrem Antrag wieder davon, em- bryonale Stammzellforschung sei „ein Gebot der Ethik“. Ich halte das für falsch. Ein Gebot der Ethik ist es, end- lich bei den vielen betroffenen kranken Menschen nicht durch falsche Heilsversprechen Hoffnungen zu wecken, die nicht erfüllbar sind. Wir wollen keine falschen Hoffnungen wecken, son- dern verantwortungsvoll mit ethisch schwierigen Fragen umgehen. Deshalb haben wir für den Mai die Durchfüh- rung einer Ausschussanhörung beschlossen, in der wir mit externen Sachverständigen darüber diskutieren wer- den, ob die Begründungen der Befürworter ausreichen, um den Stammzellkompromiss aufzukündigen. Ulrike Flach (FDP): Ziel des FDP-Antrages ist es, den Glaubensstreit um die Forschung an embryonalen 7940 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Stammzellen auf rationale Entscheidungen zurückzufüh- ren. Wir wollen nicht aufrechnen, ob die Forschung mit embryonalen Stammzellen oder mit adulten Stammzellen erfolgversprechender ist; wir brauchen beides und wir haben bei beidem Erfolge und Rückschläge. Wir wollen deutlich machen, dass die bisherige Regelung weder denjenigen dient, die aus moralischen Gründen jede For- schung an embryonalen Stammzellen ablehnen, noch jenen, die aus ebenso moralischen Gründen jede Chance zur Entwicklung von Therapien für schwere Krankheiten nutzen wollen. Fakt ist: Wer fundamentalistisch jede Forschung ablehnt, der kann auch mit einer Verschiebung des Stichtages nicht zufrieden sein. Das ist der Widerspruch im Vorschlag von Bischof Huber: Entweder ist die Forschung mora- lisch nicht zu rechtfertigen; dann ist sie es zu keinem Zeitpunkt der Entstehung der Embryonen. Oder sie ist es, und dann ist sie moralisch sogar geboten, um kranken Menschen zu helfen. Dann bedarf es aber keines Stichtages. Wir meinen, wir brauchen inzwischen dringend eine Abschaffung des Stichtages: erstens, weil unsere Wis- senschaftler keinen Zugang zu Stammzelllinien haben, die jünger als fünf Jahre sind. Diese älteren Linien sind zum Teil kontaminiert, sie spielen in internationalen Forschungsprojekten keine Rolle mehr, und sie sind für unsere Forscher oft nur mit Auflagen und finanziellen Aufwendungen nach einem langen Genehmigungsverfah- ren nutzbar. Die deutsche Stammzellforschung isoliert sich international, weil Kooperationen immer unter dem Damoklesschwert der Strafbarkeit von Mitwirkung an Forschung im Ausland stehen. Deshalb brauchen wir zweitens eine Entkriminalisierung mit der Streichung der Auslandstatbestände. Es kann nicht sein, dass ein deutscher Wissenschaftler, der seinem englischen Kollegen Literatur schickt oder ihn telefonisch berät, Angst haben muss, sich strafbar zu machen. Das ist nicht nur die Meinung der FDP und der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sondern auch vieler Abgeord- neter in nahezu allen Fraktionen dieses Hauses. Deshalb werden wir als Liberale bei allen Abgeordneten dafür werben, den Forschern in Deutschland die Mög- lichkeiten zu geben, die Wissenschaftler in Ländern mit uns verwandten ethischen Normen und Standards haben: Großbritannien, Belgien, Skandinavien. Das sind Länder, deren Menschenrechtsverständnis dem unseren nicht nachsteht und in denen die Kirchen zum Teil eine völlig andere Linie vertreten. Heilsversprechen sind fehl am Platze; das wissen wir, und das hat auch die DFG in ihrem sehr zurückhaltenden Gutachten deutlich gemacht. Wir gehen davon aus, dass diese Fragen wie in der Vergangenheit auch diesmal vom Parlament ohne Druck aus der Regierung in Form von Gruppenanträgen ent- schieden werden. Insofern ist es schade, dass die heutige Debatte nicht zu einer günstigeren Tageszeit stattfindet; denn wir wollen für dieses Thema eine große Medien- aufmerksamkeit und eine breite Diskussion in der Öffent- lichkeit. Die Umfrage zur Akzeptanz der Stammzellenforschung gibt nämlich nur einen Teil der öffentlichen Meinung wieder. Es ist immer eine Frage der Fragestellung: Wenn Sie fragen: Wollen Sie, dass Embryonen für die Forschung getötet werden, werden Sie ein überwiegendes Nein bekommen. Wenn Sie fragen, wollen Sie, dass embryonale Stammzellen für die Therapie schwerstkranker Menschen genutzt werden können, werden Sie ein überwiegendes Ja bekommen. Deshalb sind solche Momentbefragungen wenig aussagekräftig. Das Thema muss wieder auf die Tagesordnung: Unser FDP-Antrag gibt die Initialzündung zur Befassung im Forschungsausschuss. Ich bin sicher, dass sich nach der Anhörung im Frühjahr fraktionsübergreifende Gruppen bilden werden; und das ist auch gut so. Die Entschei- dungskompetenz liegt beim Parlament und nicht bei der Bundesregierung. Ich freue mich auf viele Gespräche mit den Kollegen und werbe für unsere liberale Position. Monika Knoche (DIE LINKE.): Schon die Problem- beschreibung, die den FDP-Antrag einleitet, ist nicht korrekt. Die Begründung entspricht nicht dem Stand heutiger Erkenntnisse. Es ist nämlich mitnichten richtig, dass das Stammzellgesetz aus dem Jahr 2002 die deut- sche Forschung in die internationale Isolation verweist. Richtig ist, dass es zu erstaunlichen neuen Funden ge- kommen ist. Der durch das Gesetz bewusst gesetzte Stichtag hat sich nicht als Forschungshindernis erwie- sen, sondern die Forschung nach Alternativen angeregt. Denn neben den bekannten embryonalen Stammzellen im Nabelschnurblut konnten zum Beispiel neben ande- ren embryonalen Stammzellfunden jetzt auch embryo- nale Stammzellen im Fruchtwasser gefunden werden. Das ist ein großartiger Gewinn für die Grundlagenfor- schung. Hier kann sich die Forschungslandschaft „frei“ bedienen und Erkenntnisse gewinnen, ohne dass ein Mensch in einem frühen Stadium der Verzweckung ge- opfert würde. Das herausragende Gebot der Menschenwürde, das einzuhalten dem Gesetzgeber auferlegt ist, hat erwiese- nermaßen nicht zu einem Ende der embryonalen Stamm- zellforschung geführt; sie kann auf ethisch unproblema- tische Felder verlegt werden. Die Forderung der adulten Stammzellforschung ist richtig und sollte auch weiter mit öffentlichen Mitteln stärker unterlegt werden. Dane- ben sollten aber auch neue Wege zur Gewinnung embryo- naler Stammzellen, ohne Embryonen töten zu müssen, vorrangig gefördert werden. Diesen gewichtigen neuen Sachverhalt würdigen Sie von der FDP leider nicht, obgleich er davon zeugt, dass es keiner Verwerfung und Vernichtung des menschlichen Lebens in seinen frühesten Stadien bedarf, um mehr über das Geheimnis des Werdens des Menschen zu erfahren. Der Deutsche Bundestag hat in einer verantwortungs- vollen Art und Weise im Jahr 2002 einen Kompromiss in der Frage des Imports embryonaler Stammzellen gefun- den. Wie viele andere Abgeordnete im Hause bin auch ich bei der Auffassung geblieben, dass die Gültigkeit des Menschenwürdeprinzips als historisch-humanisti- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7941 (A) (C) (B) (D) sche Leistung in unserem Grundgesetz schon durch die- sen Kompromiss verletzt wird. Jedoch, niemand der Gegnerinnen und Gegner des Stammzellimports hat sich gegen die Stammzellforschung ausgesprochen, wohl aber ist der Forschungsschwerpunkt auf die adulte Stammzellforschung gelegt worden. Denn schon nach wenigen Jahren hat sich die Wichtigkeit der adulten Zel- len für Therapien erwiesen. Die embryonale Stammzell- forschung kann dies natürlich nicht aufweisen. Dies müssen Sie in Ihrem Antrag registrieren und dürfen nicht ein verzerrtes Bild zeigen. Das im Jahr 2007 entstandene Papier des Wissen- schaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages kann der embryonalen Stammzellenforschung, bezogen auf die von Ihnen behaupteten Potenziale, nur ein schmales Zeugnis ausstellen. Frühestens in 20 Jahren können eventuell die Grundlagenforschungen Ergebnisse zeiti- gen. Was für welche das dann sein werden, wissen wir nicht. Was wir aber heute genau wissen, ist, dass adulte Stammzellen seit vier Jahrzehnten klinisch angewandt werden können. Dabei werden bei verschiedenen Indika- tionen gute Effekte erzielt. Insbesondere ist in einigen Fällen nicht klar, wie die gesundheitsfördernden Wir- kungen zustande kommen. Hier noch intensiver zu for- schen und mehr Geld aufzuwenden ist vor dem ethischen Hintergrund und angesichts des Heilungsauftrages und Leidlinderungsanspekts das Gebot der Stunde. Und hier soll sich Deutschland etablieren – als der internationale Standort für adulte Stammzellforschung. Das halten wir für besonders anstrebenswert. Im Januar 2007 gab es in den USA 1 229 klinische Studien mit adulten Stammzellen, und die Grundlagen- forschung, das Tagesgeschäft, sind eben klinische Stu- dien mit embryonalen Stammzellen. Wenn Sie von der FDP sagen: „Die Ausschöpfung der Heilungsmöglichkeiten bei Krankheiten wie dem Herz- infarkt, wie sie zum Beispiel durch die embryonale Stammzellforschung entwickelt werden können, ist ein Gebot der Ethik“, dann ist das nahe an Irreführung. Ob sich mit solchen Botschaften heute noch Börsenhypes erzielen lassen, sei dahingestellt. Einzig für die Patent- gebung mag derzeit Nutzen generiert werden. Aber das ist nicht der Handlungsauftrag des Gesetzgebers. Bezogen auf die menschenrechtliche und verfas- sungsdogmatische Einordnung der Frage des Status des Embryos, den der Bundestag im Jahr 2002 im Stamm- zellgesetz und im Embryonenschutzgesetz vorgenom- men hat, muss man schon staunen, mit welcher Chuzpe die FDP-Fraktion ihren Antrag begründet. Sie sagt: Üb- rig gebliebene Embryonen, die nicht den Uterus der Frau erreichen, sollen künftig für die Gewinnung von Stamm- zellen vernichtet werden können. Dazu sage ich: Leben ist zweckfrei. Das gilt auch für den Embryo in einem frühen Stadium, der aus der künstlichen Befruchtung entstanden ist. Ihrem hierin geäußerten Utilitarismus, ihrer Nützlich- keitsethik fehlt jedwede verfassungs- und menschen- rechtliche Einordnung und Begründung. Dass die FDP einen so wenig komplex begründeten Antrag vorlegt, er- staunt mich. Dass sie bezogen auf die Embryonenver- werfung das Wort von der Doppelmoral einführt, mutet befremdlich an. Zwar bin auch ich der Auffassung, dass der beste- hende Stammzellimportkompromiss eine Doppelmoral darstellt. Deutsche Embryonen dürfen nicht getötet wer- den, ausländische embryonale Stammzellen aber impor- tiert werden. Zwischen Leben und Tod gibt es keinen Kompromiss. Die Natur kennt nur je einen der Zustände. Daran kommt auch eine Gesetzesakrobatik nicht vorbei. Aus dem Stammzellkompromiss aber zu schlussfolgern, es sollten gleich alle Regeln fallen, im Sinne von „anything goes“, ist meines Erachtens ein Zeugnis da- von, dass Sie einer interessengeleiteten Ethik den Vor- zug geben, einer Ethik, die bar von Barrieren ist. Das ist nicht der Grundgesetzauftrag, den ich aus der Verfas- sung ablese. Der FDP-Antrag ist heute in der ersten Lesung. Es wird eine öffentliche Anhörung geben. Dabei werden der Zweite Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Durchführung des Stammzellgesetzes und die Ausarbei- tung des Wissenschaftlichen Dienstes hilfreiche Beach- tung finden. Und so, hoffe ich, werden korrekte Darstel- lungen über das Leistungsvermögen von embryonalen Stammzellen für Therapien dazu beitragen können, dass Sie Ihre meines Erachtens übereuphorischen Erwartun- gen an die embryonale Stammzellforschung den Realitä- ten anpassen. Meine persönliche Erwartung ist auch, dass der Deutsche Bundestag den gebotenen Respekt ge- genüber der Gesetzgebung von 2002 aufbringt und seine Zukunftsfähigkeit anerkennt. Wir haben uns als Abge- ordnete der 14. Legislatur diesen Aufgabe gestellt und ein Gesetz geschaffen, dessen ethischer und rechtlicher Bestand sich nicht einfach relativieren lässt. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Ende letzten Jahres ist die Debatte um das deut- sche Stammzellgesetz wieder neu entflammt, seit die DFG ihre Stellungnahme zur Änderung des Stammzell- gesetzes vorgestellt hat. Die Forderungen nach Aufhe- bung der Stichtagsregelung werden damit begründet, dass das Gesetz die Forschung in Deutschland behin- dere. Durch den Gesetzesentwurf der FDP wird die For- derung der DFG nun ins Parlament getragen und zur Ab- stimmung gestellt. Die damalige Festlegung auf eine gesetzliche Rege- lung für die Stammzellforschung war eine Verständi- gung, die von Abgeordneten getroffen wurde in Abwä- gung ethischer Positionen und der Möglichkeit, Grundlagenforschung zu betreiben. Gibt es nun gravie- rende Gründe, diesen gesellschaftlichen Frieden aufzu- kündigen? Die DFG führt dazu drei Hauptargumente an: erstens wissenschaftliche Gründe, zweitens rechtliche Gründe und drittens ethische Gründe. Zu Punkt eins. Als erheblichen Nachteil nennt die DFG die Verunreinigung der embryonalen Stammzellli- nien, die vor 2002 gewonnen wurden. Internationale Forschungsergebnisse mit neueren embryonalen Stamm- zelllinien in der Grundlagenforschung zeigen allerdings 7942 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) keine wesentlichen Erfolge, die Aussicht auf Anwen- dung in klinischen Studien und therapeutischen Erfolg geben würden. Weiterhin betont die DFG selbst, dass derzeit kein se- riöser Wissenschaftler einen Antrag auf klinische Stu- dien stelle, da die Forschung mit neueren embryonalen Stammzellen noch weit entfernt sei von dem Stadium, damit klinische Forschung zu betreiben. Auch sagen sie, dass alle embryonalen Stammzellen, also auch die neuen Stammzelllinien, mit der Zeit durch genetische und epi- genetische Veränderungen instabil würden und stärker zu Mutationen neigten. Eine Verschiebung des Stichtags, wie der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland, Bi- schof Wolfgang Huber, vorschlug, ist demnach wenig sinnvoll und würde sich zu einem nachlaufenden Stich- tag entwickeln, da auch die dann neu zugelassenen Stammzellen irgendwann genetische bzw. epigenetische Veränderungen aufweisen würden. Zu Punkt zwei. Das rechtliche Argument der DFG ist, dass die mögliche Kriminalisierung durch das Stamm- zellgesetz nach wie vor einen erheblichen Nachteil für deutsche Forscher darstellen würde, da diese aus Angst vor Strafbarkeit sich nicht an Forschungsprojekten der embryonalen Stammzellforschung beteiligen würden. Zunehmend würden deutsche Forscher über Probleme in der Zusammenarbeit mit Forschern im Ausland auf die- sem Gebiet klagen. Der Inlandsbezug der entsprechenden Regelung im Stammzellgesetz bei Verstoß gegen die Genehmigung von Einfuhr und Arbeit an embryonalen Stammzellen in Deutschland ist nach wie vor unbestritten. Die Frage, ob es Beihilfe zu einer Straftat sei, wenn ein deutscher For- scher mit einem ausländischen Forscher ein Telefonat über ein Projekt mit embryonalen Stammzellen führt, die nach 2002 gewonnen wurden, verunsichere die Forscher. Dies führe zu Nichtbeteiligung an internationalen Pro- jekten auf diesem Gebiet. Wir sehen dieses angebliche Problem nicht so, nicht nur, weil es dazu unterschiedliche rechtliche Ausarbei- tungen gibt, sondern auch, weil unter anderem bisher keine Anzeige wegen Beihilfe zu einer Straftat bekannt ist. Trotzdem nehmen wir das Argument, dass Forscher deswegen verunsichert sein könnten, ernst und werden uns in einer Anhörung im Forschungsausschuss im Mai Klarheit verschaffen. Zu Punkt drei. Neue ethische Gesichtspunkte haben sich seit der Debatte um das Stammzellgesetz 2002 nicht ergeben. Der ethische Konflikt um die verschiedenen Positionen zur Menschenwürde konnte schon damals nicht ausgeräumt werden. Bedenken gegen den Ver- brauch menschlicher Embryonen für Forschung und the- rapeutische Anwendung bestehen immer noch, und es gibt keine neuen Erkenntnisse, die Waagschale in die eine oder andere Richtung zu verschieben. Das hat auch erst kürzlich eine Umfrage von Infratest ergeben. Frau Flach sagte hierzu in den Medien, dass Umfragen nicht ihre Politik bestimmen würde. Anschei- nend gilt das nur für bestimmte Umfragen; denn noch in einer Rede im Bundestag im September drängten Sie auf eine Änderung des Stammzellgesetzes, weil „laut Um- frageergebnissen“ deutsche Stammzellforscher auswan- dern würden. Wir halten das bestehende Stammzellgesetz nach wie vor für richtig und sehen keinen Anlass für Abschaffung oder Verschiebung des Stichtages. Diese Haltung wird nicht zuletzt durch die Ergebnisse des 2. Erfahrungsbe- richtes der Bundesregierung zum Stammzellgesetz und die jüngste Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Diens- tes bestätigt. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Vorschlag für eine Verord- nung des Rates zur Errichtung einer Agen- tur der Europäischen Union für die Grund- rechte Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Europäi- schen Union für die Grundrechte, ihre Tä- tigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszu- üben – Antrag: Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken – Mandat der Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten – Antrag: Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht gebraucht (Zusatztagesordnungspunkte 8 und 9) Holger Haibach (CDU/CSU): Die Einrichtung einer Agentur für die Grundrechte auf EU-Ebene hat den Deutschen Bundestag in vielen Ausschusssitzungen und einigen Plenardebatten beschäftigt. Das ist auch richtig so. Denn an der Einrichtung dieser Agentur kann man exemplarisch eine der Grundfragen des internationalen Grund- und Menschenrechtsschutzes festmachen: Wie viele neue Institutionen, Vereinbarungen und Überein- kommen braucht es zum Schutz der Menschenrechte? Wo soll in Zukunft unser Schwerpunkt liegen? Bei der Umsetzung und Stärkung der bereits reichlich vorhande- nen Instrumente und Verträge oder bei der Schaffung von neuen? Mein Eindruck, den ich in fünf Jahren Beschäftigung mit Menschenrechten gewonnen habe, ist, dass es uns nicht an Institutionen und Papieren fehlt, sondern vielerorts an dem Willen, die Leitsätze der Grund- und Menschen- rechte Wirklichkeit werden zu lassen. Insofern, und das kommt ja auch im Antrag der Koalition zum Ausdruck, gab und gibt es Gründe, an der Sinnhaftigkeit und dem Mandat der Grundrechteagentur zu zweifeln. Zweifel sind auch deshalb erlaubt, weil es bei den vorhandenen Instrumenten oftmals nicht nur an dem Willen zur Durch- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7943 (A) (C) (B) (D) setzung mangelt, sondern auch an den entsprechenden Ressourcen, vor allem an Personal und Geld. Die EU verfügt bereits über ein beachtliches Instrumen- tarium zum Grundrechte- und Menschenrechtsschutz. Darüber hinaus gibt es mit dem Europäischen Men- schenrechtsgerichtshof eine ausgesprochen glaubwürdige und erfolgreiche Institution, an die sich Menschen in den Mitgliedstaaten des Europarats und damit auch der EU wenden können, um ihre individuellen Anliegen vorzu- bringen und durchzusetzen. Dieser Menschenrechts- gerichtshof hat sich in den letzten Jahren als dermaßen erfolgreich erwiesen, dass er inzwischen – so paradox es klingen mag – an diesem Erfolg quasi zu ersticken droht, weil die Zahl der anhängigen und nicht erledigten Fälle von Jahr zu Jahr immer größer wird und mittlerweile bei über 80 000 liegt. Dem ist nur abzuhelfen, wenn der Gerichtshof reformiert wird – hier sei auf das 14. Zusatz- protokoll zur EMRK verwiesen. Und gleichzeitig bedarf es eben auch eines erhöhten Einsatzes von Ressourcen – Geld und Personal. Wenn also der gesamte Europarat inklusive des Gerichtshofes mit gerade einmal 15 Millionen Euro pro Jahr finanziert wird und gleichzeitig für die Grund- rechteagentur beinahe 30 Millionen Euro im endgültigen Ausbau bereitgestellt werden sollen, dann muss die Frage erlaubt sein, ob die Mittel richtig gewichtet und eingesetzt sind. Wenn denn nun so viel Geld für diese Agentur zur Verfügung steht, dann gilt es jetzt, darauf zu achten, dass die Agentur einen klaren Auftrag bekommt und dass Doppelungen mit den Aufgaben des Menschenrechts- gerichtshofs vermieden werden. Dieser Aufgabe tragen meiner Meinung nach die Bemühungen der Bundes- regierung Rechnung. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass ein Vertreter des Gerichtshofs ständig an der Arbeit der Agentur beteiligt ist und somit eine Chance besteht, dafür zu sorgen, dass Gerichtshof und Agentur sich ergänzen und sich nicht doppeln; dass die Agentur ihre Aufgabe, nämlich Hilfe bei Implementierung und Be- obachtung der Menschrechtslage innerhalb der EU, so wahrnimmt, dass ihre Arbeit einen tatsächlichen Mehr- wert bietet. Deshalb spreche ich auch dafür, die Beschlussemp- fehlung des Europaausschusses zu unterstützen, weil ich der Überzeugung bin, dass sie den Bedenken des Bundes- tags Rechnung trägt und zum anderen aber auch die Tatsache anerkennt, dass es aller Voraussicht nach eine solche Agentur geben wird. Es mag verwundern, dass auch die Menschenrechtspolitiker in diesem Hause sich schwertun mit der neuen Agentur. Aber gerade uns ist sehr bewusst, dass ein Mehr von Gremien nicht immer automatisch auch ein Mehr an Grund- und Menschen- rechten bedeutet. Zusammenfassend gilt: Wir haben viele Institutionen, wir produzieren viel Papier. Was wir jetzt und in Zukunft brauchen, ist der Wille zur Tat. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Fast ein Jahr lang haben wir uns nun ausführlich und immer wieder mit der Errichtung einer EU-Grundrechteagentur befasst. Eine der Schwierigkeiten in dieser Debatte lag darin, dass die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten schon einige Jahre länger über dieses Vorhaben verhandeln. Dieser Um- stand wird uns bei EU-Vorlagen weiterhin regelmäßig begegnen. Die vorbereitenden Arbeiten auf EU-Ebene sind meist schon weit gediehen, bis wir im Bundestag förmlich über eine Initiative unterrichtet werden. Um auf die Beschlussfassung im Rat Einfluss nehmen zu können, ist es deshalb besonders wichtig, die Ver- handlungen auf der Arbeitsebene kritisch und vor allem ständig zu begleiten. Darum haben wir uns mit großem Einsatz, wenn auch mit nur bescheidenem Erfolg be- müht. Den beteiligten Kolleginnen und Kollegen aus al- len Fraktionen danke ich dafür, dass wir uns bei dem Vorschlag zur Errichtung einer EU-Grundrechteagentur eine Art „schwebende Zuständigkeit“ erhalten haben, die nach meinem Dafürhalten unsere generelle Verfah- rensweise bei EU-Vorlagen werden muss, mit denen wir uns näher auseinandersetzen wollen. Solche Vorhaben dürfen nicht mit einer einmaligen Befassung im Aus- schuss abgewürgt werden, sondern müssen so lange of- fen gehalten werden, bis die Beschlussfassung in Brüssel erfolgt ist. Unsere intensiven Beratungen zur EU-Grund- rechteagentur in gleich fünf Ausschusssitzungen waren insoweit stilbildend. In der Sache nehme ich zur Kenntnis, dass die Bun- desregierung an der bereits im Jahr 2003 getroffenen po- litischen Grundentscheidung festhält, eine Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte zu errichten. Die Tatsache, dass diese Zusage offenbar Bestandteil ei- nes Verhandlungspakets war, zu dem unter anderem die Errichtung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit in Köln zählte, macht die Haltung der Bundesregierung zwar nachvollziehbar, aber nicht leichter akzeptabel. Den erheblichen und von allen Seiten dieses Hauses ge- äußerten Bedenken kommt es entgegen, dass die Agen- tur wenigstens nicht auf eigene Initiative im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Straf- sachen tätig werden darf und ihre Arbeit grundsätzlich auf die EU und ihre Mitgliedstaaten begrenzt bleibt. Da der Verordnungsvorschlag nicht der Zustimmung des Bundestages bedarf, zu der ich mich – wie ich schon im Europaausschuss unablässig deutlich gemacht habe – niemals bereitgefunden hätte, müssen wir uns darauf konzentrieren, vernünftig zu gestalten, was wir nicht mehr aufhalten können. Es freut mich sehr, dass wir uns in breitem Einvernehmen darauf verständigen konnten, eine deutlich geringere personelle und finanzielle Aus- stattung der Grundrechteagentur anzustreben, als die Kommission vorgeschlagen hat. Es wäre nachgerade grotesk, wenn wir für Beamte, die über die Lage der Grundrechte im Allgemeinen Daten sammeln und Be- richte schreiben, mehr Geld übrig hätten, als etwa dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Ver- fügung steht, bei dem 80 000 Verfahren zu konkreten Menschenrechtsverletzungen anhängig sind. Es ist daher nur folgerichtig, dass wir uns gemeinsam für eine bes- sere Ausstattung des Menschenrechtsgerichtshofes in Straßburg aussprechen. Der Bundesregierung möchte ich ausdrücklich für ihre Bereitschaft danken, uns in diesen Punkten mit allen ihr zu Gebote stehenden Möglichkei- ten nachhaltig zu unterstützen. 7944 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Wir müssen die Errichtung der Grundrechteagentur zum Anlass nehmen, die stetig wachsende Zahl neuer bü- rokratischer Einrichtungen der EU sehr kritisch zu hin- terfragen. Ich hege eine grundlegende Abneigung gegen das Ansinnen, immer neue Sonderbehörden zu schaffen, weil es unserem erklärten Ziel, Bürokratie abzubauen, dia- metral widerspricht. Die EU-Verwaltung verliert gewal- tig an Effizienz, wenn immer mehr Aufgaben auf neue Einrichtungen verlagert werden, die meist nicht in die Kommission eingegliedert sind, sondern ihr Eigenleben führen. Dieses Phänomen der „Institutionitis“ muss dringend therapiert werden. Wir werden uns deshalb in den nächs- ten Monaten daran machen, die Tätigkeit und Ausstat- tung aller EU-Agenturen – der bestehenden ebenso wie der geplanten – systematisch zu überprüfen und Vor- schläge zur Verwaltungsvereinfachung und zum Büro- kratieabbau vorzulegen. Die EU-Verwaltung darf nicht länger als Steinbruch für nationale Begehrlichkeiten missbraucht werden, sondern muss im Interesse der Bür- gerinnen und Bürger schlankere und effizientere Struktu- ren erhalten. Christoph Strässer (SPD): Im Zuge der fortschrei- tenden Integration und gerade auch des Erweiterungs- prozesses spielt die Achtung der Menschenrechte auch in der EU eine immer größere Rolle. Das ist eine wich- tige Entwicklung. Insofern ist die Idee einer EU-Grund- rechteagentur zur Stärkung des präventiven Menschen- rechtsschutz in der EU vom Grundsatz her richtig und wichtig. Die neue Grundrechteagentur soll den relevanten Or- ganen, Einrichtungen und Agenturen der Gemeinschaft und deren Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Ge- meinschaftsrechts in Bezug auf die Grundrechte Unter- stützung gewähren und ihnen Fachkenntnisse bereitstel- len, um ihnen die uneingeschränkte Achtung der Grundrechte zu erleichtern. Die Behörde soll zugleich erfolgreiche Beispiele für den Schutz der Grundrechte in den EU-Staaten aufzeigen. Sie beschäftigt sich außer- dem mit Fragen häuslicher Gewalt, der Einwanderung und Diskriminierung, den Rechten von Asylbewerbern sowie Fragen des gesellschaftlichen Mehrwerts durch die Wahrung der Grundrechte. Dabei wird eine enge Zu- sammenarbeit mit Sozialpartnern, Hochschulen und Menschenrechtsorganisationen angestrebt. Die Agentur soll anders als der Gerichtshof für Menschenrechte keine Beschwerdeinstanz sein, sondern grundrechtsrelevante Informationen sammeln und auswerten sowie die Öf- fentlichkeit für Grundrechtsfragen sensibilisieren. Diese Zielsetzung ist als prinzipiell sinnvoll zu begrü- ßen. Doch gab und gibt es große Bedenken bezüglich der Ausgestaltung der Grundrechteagentur bis hin zu ihrer völligen Ablehnung. Diese Bedenken, von denen ich ei- nige teile, sind vor allem die befürchtete Doppelarbeit und die überflüssige Konkurrenz von existierenden und funktionierenden europäischen Menschenrechtsschutz- institutionen. Auch meiner Ansicht nach darf es auf gar keinen Fall dazu kommen, dass es eine Doppelung und Konkurrenz von Institutionen gibt, die zu einer Ein- schränkung des Menschenrechtsschutzes in Europa führt und zudem eine Verschwendung von Steuergeldern zur Folge hätte. Es ist dennoch – gerade bei dem gegenwärtigen Ver- handlungsstand – nicht mehr die Frage zu stellen, ob es eine Grundrechteagentur geben soll, sondern wie sie ausgestaltet sein muss, um unseren Ansprüchen von Menschenrechtsschutz, Effektivität, Bürokratieabbau und Bürgerfreundlichkeit zu entsprechen. Der nun ge- troffene Kompromiss von 5. Dezember 2006 im Rat für Justiz und Inneres versucht, nicht zuletzt aufgrund der Forderungen Deutschlands, diesen vielfach geäußerten Bedenken Rechnung zu tragen, Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem die enge Begrenzung des inhaltlichen und räumlichen Tätig- keitsbereichs der Agentur in diesem Kompromiss. In- haltlich ist die Agentur begrenzt auf das Gemeinschafts- recht. Sie beinhaltet den Verzicht auf eine Verpflichtung der Einbeziehung der polizeilichen und justiziellen Zu- sammenarbeit in Strafsachen. Um ein Ausufern der räumlichen Anstrengungen der Grundrechteagentur zu vermeiden, sind ihre Aktivitäten außerdem auf die EU und deren Mitgliedstaaten beschränkt. Zudem hat die Agentur keine Rolle im Bereich des Art. 7 EUV, welcher ein Vorgehen bei Gefahr einer schwerwiegenden Verlet- zung grundlegender Prinzipien wie Menschenrechte und Demokratie durch einen Mitgliedstaat beinhaltet. Schließlich, und das ist bezüglich der allgemein geäu- ßerten Bedenken von besonderer Bedeutung, soll für die Grundrechteagentur ein Kooperationsabkommen zwi- schen der Gemeinschaft und dem Europarat zugrunde gelegt werden. Um eine Verselbstständigung der Arbeit der Agentur zu vermeiden, muss sie zudem ihre Arbeit mit dem Europarat koordinieren. Um also Doppelarbeit zu vermeiden und Synergien zu nutzen, ist eine beson- ders enge Zusammenarbeit mit dem Europarat vorgese- hen. Diese Kompromisslinien sind grundsätzlich zu begrü- ßen. Denn sie sind das Ergebnis der Vermeidung von Doppelungen und sinnloser verschwenderischer Kon- kurrenz. Es bleiben jedoch noch offene Fragen, die mit dem Kompromiss nicht geregelt werden konnten. So werden Haushalt und Personal nicht in der Verordnung geregelt. Sie sind vielmehr Gegenstand des ordentlichen Haus- haltsverfahrens. Wir müssen uns deshalb weiterhin für eine kooperativ und ökonomisch sinnvoll ausgerichtete Grundrechteagentur starkmachen, die ihre Arbeit effek- tiv verfolgen kann. Deshalb ist es nun in erster Linie wichtig, die praktische Ausgestaltung der Grundrechte- agentur achtsam zu begleiten. Grundsätzlich, und das ist von besonderer Bedeutung, sollte die Installation der Agentur zudem begleitet sein von dem Beitritt der Euro- päischen Union zur EMRK. Denn damit würde man den EU-Bürgern ermöglichen, den EGMR gegen grund- rechtswidrige Akte der EU-Institutionen anzurufen. Ich plädiere deshalb zum wiederholten Mal für den Beitritt der EU zur EMRK und unterstütze damit ausdrücklich hierauf gerichtete Aktivitäten der Bundesregierung. In Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7945 (A) (C) (B) (D) Kombination mit der Agentur würde so der Menschen- rechtsschutz in Europa erheblich an Qualität gewinnen. Außerdem muss der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte finanziell und personell deutlich besser ausgestattet werden, damit die etwa 80 000 anhängigen Verfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden können. Denn das Menschenrechtsschutzsystem Euro- pas wird von den Bürgern erst dann ernst genommen, wenn ihre Klagen vor dem EGMR auch tatsächlich in ei- nem angemessenen Zeitrahmen behandelt werden kön- nen. Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Die EU-Grundrech- teagentur hat eine doppelte Aufgabenstellung – viel- leicht ist die Debatte ja auch deshalb von doppelter Ver- wirrung geprägt. Aufgabe ist es, durch die Beobachtung der Grund- rechteentwicklung in den Mitgliedstaaten, der Samm- lung von Daten zum Beispiel über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sowie durch fachkundige Analysen alle Institutionen der EU und ihrer Länder bei der uneingeschränkten Achtung der Grundrechte zu un- terstützen. Zugleich wird mit der Einrichtung einer dezentralen Behörde in einem der Mitgliedstaaten, hier Österreich, der föderale Charakter des europäischen Einigungspro- zesses sichtbar gemacht und somit möglichen Gefähr- dungen durch einen europäischen Zentralstaat entgegen- gewirkt. Die Debatte in Deutschland über die Grundrechte- agentur hatte sich seit 2003 am Umfang der Aufgaben und dem folgend an der finanziellen und personellen Ausstattung entzündet. So weit, so verständlich. Unverständlich ist, warum zum Beispiel die FDP erst in der Schlussphase der Umsetzung die Einrichtung ge- nerell infrage stellt. Das hat zweierlei Konsequenzen: Zum einen tun die Liberalen so, als ließe sich jetzt noch an der generellen Zustimmung zweier Bundesre- gierungen etwas ändern. Wer in Europa bei einstimmi- gen Beschlüssen wie in diesem Fall glauben machen will, man könne in der Schlussrunde noch blockieren, der schadet entweder deutschen Einflussmöglichkeiten oder hat von den tatsächlichen Entscheidungsprozessen in der EU keine Ahnung – schlimmstenfalls beides. Der Deutsche Bundestag hat über drei Jahre hinweg unsere Regierung positioniert und kontrolliert. Wir ha- ben als Abgeordnete damit tatsächlich Einfluss auf Brüs- seler Entscheidungen genommen, kritisch, wie es unsere Aufgabe ist, zum Beispiel in Fragen Strafsachen, Ver- meidung von Doppelarbeit und Verhinderung unnötiger Bürokratie. Auch wenn wir nicht alle unsere Vorstellun- gen realisieren konnten, so wissen wir doch, dass Ent- scheidungen in Brüssel letztlich zwischen Rat und Parla- ment getroffen werden müssen, und das ist auch richtig so. Zum anderen ist es völlig unglaubwürdig, wenn man- che in Deutschland plötzlich eine neue Agentur im Nachbarland Österreich ablehnen, obwohl wir uns bisher als großer Profiteur dezentraler europäischer Einrichtun- gen erwiesen haben. Ich erinnere daran: Das europäische Währungsinstitut, heute als Europäische Zentralbank wichtigstes neues EU-Organ, hat seinen Sitz in Frankfurt am Main. Das europäische Patentamt – wenn auch for- mal nicht eine EU-Behörde, so doch von herausragender kontinentaler Bedeutung – arbeitet erfolgreich in Mün- chen. Die europäische Agentur für Flugsicherheit konnte auf unser Drängen hin in Köln angesiedelt werden. Die neue Gleichstellungsagentur wurde von manchen deutschen Politikern, die die Grundrechteagentur kriti- siert hatten, jetzt ausdrücklich unterstützt – das mag ver- stehen, wer will. Die SPD-Bundestagsfraktion kann dem vorliegenden Antrag, der natürlich auch ein Koalitionskompromiss ist, voll zustimmen. Wir befinden uns damit auch im Ein- klang mit den Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra- ten im Europäischen Parlament. Die FDP ist gleich zweifach gespalten: zwischen der Bejahung des Grund- rechteschutzes und der Ablehnung der Agentur im Bun- destag einerseits und der Zustimmung der FDP in der li- beralen Fraktion des EP zur Grundrechteagentur andererseits. Mit einer solchen Haltung erreicht man in der Politik auf Dauer bekanntlich nichts. Erreicht hat die FDP allerdings, dass im Europäischen Parlament wie in vielen anderen EU-Staaten Kopfschütteln und Unver- ständnis über das herrscht, was seit zwei Monaten öffentlich durch die Debatten im Europaausschuss aus- getragen wurde. Die so wichtige deutsche Ratspräsident- schaft darf allerdings nicht durch politische Unkenntnis und taktische Spielchen beeinträchtigt werden. Christian Ahrendt (FDP): Wir brauchen in Europa weder eine Agentur für Gleichstellung noch eine Agentur für Grundrechte. Diese Auffassung teilen viele Abge- ordnete dieses Hauses. Die Regierungskoalition – und so etwas kommt nicht sehr oft vor – hat daher auch ein entsprechendes Votum in ihre Antragsbegründung aufge- nommen. Dort ist vermerkt – ich zitiere –: „Von einigen Abgeordneten wird die Einrichtung einer EU-Grund- rechteagentur generell abgelehnt.“ Tatsächlich dürfte es sich hierbei um die Mehrheit handeln. Und es gibt gute Gründe, die Einrichtung einer Grundrechteagentur abzu- lehnen: Erstens. Aufgabe der Agentur ist es, grundrechtsrele- vante Daten zu sammeln, etwa über die Folgen unions- rechtlicher Maßnahmen. Weiter stehen im Aufgabenfokus eine gutachterliche Tätigkeit sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Grundrechte. Ein wirklicher Bedarf für ein solches Aufgabenspektrum besteht nicht. Ohne Not werden für eine neue Bürokratie anfänglich Haus- haltsmittel von 16 Millionen Euro bereitgestellt, die bis zum Jahr 2013 auf jährlich 29 Millionen Euro anwachsen. Mit dieser Agenturitis sind wir aber nicht am Ende. Die nächste Agentur ist schon beschlossen. Der Agentur für Grundrechte folgt die Agentur für Gleichstellung. Es geht tatsächlich nicht um Grundrechte und Grundrech- teschutz, sondern um Institutionenbildung, getreu dem Motto: Jedem Mitgliedstaat seine eigene Institution. 7946 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Zweitens. Das Geld für die Grundrechteagentur wäre anderswo besser angelegt. Am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sind 89 900 Klagen wegen konkreter Verletzungen von Grundrechten anhängig. Davon sind im Jahr 2006 rund 23 400 Verfahren nicht einmal einer Kammer zur Entscheidung zugewiesen worden. Die Kläger warten bis zu fünf oder mehr Jahre auf ein Urteil. Nun mag man meinen, so viele Gerichtsverfahren sprä- chen förmlich für die Einrichtung einer Grundrechte- agentur. Dies ist ein Trugschluss. Die Menschen wollen bei der Verletzung ihrer Grundrechte konkrete Hilfe. Deswegen wenden sie sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dies erklärt auch die Zunahme der Klagen. Es gibt kein schärferes Schwert für die Durchsetzung von Grundrechten als ein Gerichts- urteil, in dem gegen einen beklagten Staat eine konkrete Grundrechtsverletzung festgestellt wird. Wer also Grund- rechte in Europa wirklich schützen und den Menschen helfen will, plädiert für eine bessere finanzielle Ausstat- tung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Um 16 Millionen Euro höhere Zuwendungen an den Europäischen Gerichtshof für Menschrechte im Jahr 2007 und bis 2013 dann 29 Millionen Euro würde eine nachhaltige Verfahrensbeschleunigung bedeuten und effektiven Grundrechteschutz schaffen. Die hohe Zahl der Eingaben belegt zudem auch, dass die Menschen längst für ihre Grundrechte sensibilisiert sind. Doch was nützt jede Sensibilisierung, wenn die Chance einer effektiven Rechtsdurchsetzung fehlt. Neue Bürokratien und Datensammelstellen verbessern den Grundrechte- schutz in Europa jedenfalls nicht. Drittens. Die Bundesregierung hat mit ihrem Ja zur Ein- richtung der Grundrechteagentur den Bundestag auf das Schärfste brüskiert. Dass alle Fraktionen diese Einrichtung für entbehrlich hielten, war vor der Abstimmung im Europäischen Rat bekannt. Gleichwohl hat sich die Regierung hierüber hinweggesetzt. Diese Missachtung des Parlaments kann künftig nicht ohne Folgen bleiben. Der Ausschuss für europäische Angelegenheiten muss des- wegen in der Zukunft der Bundesregierung verbindliche Vorgaben in der Europapolitik mit auf den Weg geben. Bei der bloßen Ankündigung anlässlich des Streites um die Grundrechteagentur kann es jedenfalls nicht bleiben. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE): Mit einer Mehrheit der Stimmen aus Vertretern der Union und der SPD hat der EU-Ausschuss des Deutschen Bundestages gestern der Errichtung einer EU-Grundrechteagentur mit Sitz in Wien zugestimmt. Diese Entscheidung ist bedauerlich. Wie bekannt ist, hat es hierüber im Ausschuss in den Monaten vorher wiederholt kontroverse Diskussionen gegeben. Wie die Vertreter der Linken, haben auch die Kollegen von der FDP oft ihre Kritik an einer solchen Agentur deutlich gemacht. Die Fraktion Die Linke, ist gegen die Errichtung der vorgesehenen Grundrechteagentur. Gründe hierfür gibt es viele. Ziel der Einrichtung sei, dass die Agentur den rele- vanten Organen, Einrichtungen, Ämtern und Agenturen der EU und deren Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Gemeinschaftsrechts in Bezug auf die Grundrechte unterstützen und Fachkenntnisse bereitstellen soll, um ihnen die uneingeschränkte Einhaltung der Grundrechte zu erleichtern. Es ist nach wie vor nicht ersichtlich, wa- rum für diese Aufgabe eine solche Agentur aufgebaut werden soll. Nebenbei bemerkt, ist die neoliberale Be- zeichnung „Agentur“ für eine Einrichtung, die sich mit dem Schutz von Grundrechten befassen soll, höchst un- passend. Die bereits seit 1998 in Wien bestehende Euro- päische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ist mit den nötigen personellen wie finanziellen Mitteln ausgestattet, wenn auch diese Mittel bisher nicht effizient genug für die Bewältigung der Aufgaben genutzt worden sind. Zudem könnten andere, bereits vorhandene Institutio- nen wie der Europarat durch eine personelle und finanzi- elle Aufstockung die Funktionen, die nun die EU- Grundrechteagentur“ haben soll, problemlos überneh- men und diese Arbeiten sogar auf die Nachbarländer der EU ausweiten. Diese wären nämlich: europaweit ver- gleichbare Informationen und Daten zu sammeln, For- schungsarbeiten durchzuführen und Gutachten zu erstel- len. Nach Auffassung der Fraktion Die Linke wäre der Europarat die richtige Institution, in dessen Rahmen eine solche Einrichtung entstehen sollte. Für die Finanzierung des Aufbaus der vorgesehenen Einrichtung und für die späteren Budgets ist eine schritt- weise Aufstockung von 16 Millionen Euro im Jahr 2007 bis zu 29 Millionen Euro im Jahr 2013 geplant. Nur um eine Vorstellung zu bekommen: Der Jahreshaushalt der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die bisher für diese Themen zuständig war, beträgt 8 Millionen Euro. Würde man weitaus geringere Summen, als für die Errichtung der „Agentur“ vorgesehen sind, beispielsweise dem Europa- rat zukommen lassen, könnte man innerhalb dieser be- reits bestehenden Institution zu dem gleichen Ergebnis kommen. Wir benötigen in Europa einen Abbau der Bürokratie, nicht den Aufbau weiterer Bürokratien. Zudem sollte verantwortungsvoller mit den finanziellen Mitteln der EU umgegangen werden. Die Funktionalität und Effi- zienz sollten stets das Ziel von Investitionen sein. Mit der Errichtung einer Grundrechteagentur in Wien wird man diesem Anspruch nicht gerecht! Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eigentlich hatten wir erwartet, die Abgeordneten der Koalition würden sich in dieser Woche vor allem darauf konzentrieren, wenigstens die gröbsten Fehler ihrer völ- lig vermurksten Gesundheitsreform zu beheben. Doch wandten sich einige Koalitionsabgeordnete – sei es, um sich davor zu drücken, oder, weil sie eh alle Hoffnungen aufgeben haben – einem anderen Thema zu: der EU- Grundrechteagentur. Die Diskussion der letzten Monate zu diesem Thema wird dem Schutz der Grundrechte in der EU leider nicht gerecht. Wir alle wollen fraktionsübergreifend die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7947 (A) (C) (B) (D) Grundrechte in der EU und weltweit sichern. Wir alle wollen eine glaubwürdige Menschenrechtspolitik in der EU. Wir alle wollen, dass Mängel im Bereich des Grundrechteschutzes aufgehoben werden. Umstritten ist hier einzig die Frage, ob der Grundrechteschutz in der EU eine eigene Agentur braucht und wie eine solche Agentur aussehen sollte. Diese Frage ist aus der Sicht meiner Fraktion eher formaler Natur. Ganz anders ist dies im Falle der Grundrechtecharta. Auf deren Inkraft- treten muss die deutsche Ratspräsidentschaft einen abso- luten Fokus legen. Mich verwundert daher, mit welcher Intensität vor allem die FDP die Diskussion um die Grundrechteagentur führt. Mit ihrem Antrag richten sie ihren Blick in die Vergangenheit, aber leisten keinen Beitrag zu der Herausforderung, vor der wir nun stehen. Fakt ist, dass die Agentur zum 1. März 2007 ihre Ar- beit aufnehmen wird. Daher geht es nun darum, das Mandat der Agentur sinnvoll zu gestalten. Hierfür möchte ich drei der zentralen Kriterien benennen: Erstens. Es darf keine Doppelungen bei den Zustän- digkeiten mit den bereits bestehenden Institutionen ge- ben. Mit dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof gibt es bereits eine funktionierende Struktur, die Anlauf- stelle für die Bürgerinnen und Bürger Europas ist; sie ist aber heillos überlastet. Dies darf bei der EU-Grundrech- teagentur nicht der Fall sein. Sie ist keine Beschwerdein- stanz, sondern soll auf Anfrage der EU-Organe grund- rechterelevante Informationen zu den EU-Politiken und deren Umsetzung in den Mitgliedstaaten sammeln und auswerten. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Agentur ihre gesammelte Expertise dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischen Menschenrechtsge- richtshof bereitstellt. Damit bin ich auch schon beim zweiten Kriterium. Es ist unabdingbar, das Mandat der Agentur so auszugestal- ten, dass sie wirklich unabhängig arbeitet und vor allem inhaltlich tätig wird, wo ihr Input am meisten gebraucht wird. Deshalb muss das Mandat der Agentur uneinge- schränkt auch auf die Politiken der polizeilichen und jus- tiziellen Zusammenarbeit ausgeweitet werden. Denn ge- rade in diesem grundrechtesensiblen Bereich ist eine zusätzliche Expertise häufig wünschenswert, um eine bessere Folgenabschätzung der Politik zu unterstützen. Drittens muss die geografische Reichweite der Agen- tur neben den Mitgliedstaaten der EU auch die Beitritts- länder, die Kandidatenstaaten und alle Staaten des west- lichen Balkans, die seit dem Gipfel von Thessaloniki über eine prinzipielle EU-Beitrittsperspektive verfügen, umfassen. Einige Worte zum Umgang der Bundesregierung mit der Grundrechteagentur: Die Bundesregierung hat bei der Aushandlung des Mandats der Agentur – ich zitiere aus dem Brief der Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel vom 24. Januar diesen Jahres an den Vorsitzen- den des Europaausschusses – „eine restriktive Haltung“ eingenommen. Im Zuge der Verhandlungen ist der Bun- desregierung irgendwann aufgefallen, dass die Agentur mit dem Minimandat einen Personalstamm von etwa 100 Mitarbeitern vielleicht gar nicht mehr braucht. Statt aber nun nochmals zu überdenken, ob die „restriktive Haltung“ wirklich im Sinne des Grundrechteschutzes ist, bringen die Koalitionsfraktionen im letzten Augenblick einen Antrag ein, in dem sie für die Kürzung der Mittel der Agentur kämpfen. Dem Beobachter bleiben nur noch zwei Interpreta- tionsmöglichkeiten: Entweder überblickte die Bundesre- gierung nicht frühzeitig genug die Folgen ihres Handelns – das wäre kein Zeugnis von Kompetenz – oder wir haben es hier mit einer Salamitaktik der besonderen Art zu tun: Am einen Ende beschneidet die Bundesregierung die Kompetenzen der Agentur, am anderen Ende kürzen die Koalitionsfraktionen deren Mittel. Das wiederum wäre kein Zeugnis von Transparenz. Genau dies braucht Europa aber, um die Vertrauenskrise der Bürgerinnen und Bürger zu überwinden. Transparenz schafft Ver- trauen. Dem tragen wir Grüne mit unserem Antrag Rechnung. Wir hoffen dabei auf die breite Unterstützung des Hauses. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Änderung des Bun- despolizeigesetzes für Auslandseinsätze der Bundespolizei (Tagesordnungspunkt 16) Ralf Göbel (CDU/CSU): Wieder einmal versucht die Linke mit einem Antrag den Eindruck zu erwecken, die deutschen Sicherheitsbehörden würden sich verselbst- ständigen und außerhalb des ihnen vorgegebenen rechtli- chen Rahmens arbeiten. Das wird schon beim Lesen des ersten Satzes deutlich. Dort wird unterstellt, die Aus- landseinsätze der Bundespolizei würden sich zu einem „beliebigen und parlamentarisch unkontrollierbaren vor- militärischen Instrument der deutschen Außenpolitik in Krisen- und Konfliktregionen“ entwickeln. Ich halte diese Unterstellung schlicht für eine Unver- schämtheit, sie passt aber in die seit Monaten zu be- obachtende Strategie der Nachfolger der Staatspartei der ehemaligen DDR. Die deutschen Sicherheitsbehörden werden systematisch in ein schlechtes Licht gerückt. Nach den Nachrichtendiensten und der Bundeswehr ist jetzt die Bundespolizei an der Reihe. Für meine Fraktion weise ich diese böswilligen Unterstellungen zurück. Zu Beginn meiner Rede nehme ich die Gelegenheit wahr, allen Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei, die im Ausland im Interesse unseres Landes und für unser Land Dienst verrichten, herzlich zu danken und ihnen Erfolg für die weitere Arbeit zu wünschen. Der Antrag der Linken zeigt neben der beschriebenen ideologischen Ausrichtung auch eine bedenkliche Un- kenntnis der einzelnen Rechtsvorschriften auf. Der Einsatz von Polizeibeamten nach § 65 Abs. 2 Bundespolizeigesetz setzt voraus, dass völkerrechtliche Vereinbarungen dies vorsehen oder das Bundesministe- rium des Innern im Einvernehmen mit den zuständigen Stellen des anderen Staates einer Tätigkeit von Beamten der Bundespolizei im Ausland allgemein oder im Einzel- fall zustimmt. Auf dieser Grundlage können einzelne 7948 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Vollzugsbeamte entsandt werden. Es ist keine Auslands- verwendung der Organisation „Bundespolizei“, wie dies in § 8 Bundespolizeigesetz geregelt ist. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Beispiele für diese Verwendung sind: Verbindungsbe- amte, polizeiliche Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, Polizeiübungen, Dokumentenberater, Verhinderung von Sabotagehandlungen oder auch jetzt der Einsatz von fünf Polizeibeamten im Libanon, der die Unterstützung der libanesischen Polizei bei der Sicherheit des Luftverkehrs zum Gegenstand hat. Im letzteren Fall ist, wie die Linke in ihrem Antrag selber ausführt, eine Information des Parlamentes er- folgt. Ich sehe keine Notwendigkeit, bei diesen Fällen eine gesetzliche Regelung einzuführen, die eine ver- pflichtende Vorabinformation des Parlaments und ein Rückholrecht vergleichbar § 8 Abs. 1 letzter Satz konsti- tuiert. Die Möglichkeit des Einsatzes im Rahmen völker- rechtlicher Vereinbarungen wird im Übrigen durch das Parlament selber eröffnet. Ich denke etwa an das Mon- dorfer Abkommen oder jüngst den Vertrag von Prüm. Wir haben beide Vereinbarungen hier im Deutschen Bundestag debattiert und den Rahmen für den Einsatz von Bundespolizeibeamten durch unsere Zustimmung zu den jeweiligen Gesetzen selber gesetzt. Es kann also in keinem Fall die Rede davon sein, dass Bundespolizeibeamte sich in einer rechtlichen Grauzone bewegen, wie dies die Linke mit ihrem Antrag suggerie- ren will. Ich komme zum zweiten Teil, dem Einsatz der Bun- despolizei als Organisation nach § 8 Bundespolizeige- setz. Man stelle sich folgende Situation vor: Eine Bot- schaft im Ausland wird von einer radikalen Gruppierung besetzt. Deutsche Botschaftsangehörige werden als Gei- seln gefangen gehalten, ihre Ermordung wird angedroht. Der ausländische Staat unternimmt selber nichts, stimmt aber einer Befreiungsaktion durch deutsche Polizeiange- hörige zu. Oder eine weitere Situation: Ein deutsches Flugzeug wird gekapert und auf einem Flughafen im Ausland zur Landung gezwungen. Die Insassen sind Geiseln, ihre Er- schießung wird angedroht. Die nationale Polizei dieses Landes ist nicht in der Lage, dieser Situation Herr zu werden. Sie stimmt dem Einsatz deutscher Polizeikräfte zur Befreiung der Geiseln zu. Sie erinnern sich sicher- lich alle, dass wir diese Situation kennen, es geschah vor 30 Jahren in Mogadischu. Diese Fälle sind, was den Einsatz der Bundespolizei in solchen Lagen betrifft, geregelt in § 8 Abs. 2 Bundespo- lizeigesetz. Der Einsatz der Bundespolizei betrifft einen Einsatz zur Rettung von Personen aus einer gegenwärti- gen Gefahr für Leib und Leben nach einer bilateralen Ab- sprache mit dem betroffenen Staat. In diesen beiden beschriebenen Situationen soll nun nach dem Willen der Linken folgendes passieren: Wäh- rend die Geiseln um ihr Leben bangen, wird der Deut- sche Bundestag zu einer Beratung einberufen. Die Abge- ordneten debattieren in den Arbeitsgruppen, in der Fraktion, in den Ausschüssen und dann im Plenum über Einzelheiten des Einsatzes und über die Frage, ob die Bundespolizei zur Rettung eingesetzt werden darf. Alles wird von der Presse intensiv begleitet, was natürlich auch die Geiselnehmer in Zeiten moderner Kommunika- tionsmittel interessiert verfolgen werden. Die Geiseln bangen derweil um ihr Leben und warten weiterhin auf ihre Befreiung, während sich die Geiselnehmer in aller Ruhe auf den bevorstehenden Einsatz bundesdeutscher Polizisten vorbereiten. Dieses Szenario zeigt, wie absurd der Antrag der Lin- ken ist und welche unverantwortlichen Folgen daraus entstehen würden. Ich kann die Kolleginnen und Kolle- gen nur auffordern, diesen Antrag zurückzunehmen und bitte herzlich, uns mit solchen unsinnigen Anträgen in Zukunft zu verschonen. Wolfgang Gunkel (SPD): Die Fraktion der Linken verlangt mit ihrem Antrag auf Drucksache 16/3421 eine Änderung des Bundespolizeigesetzes für Auslandsein- sätze der Bundespolizei. Jeder Einsatz soll einem Parla- mentsvorbehalt unterliegen, das heißt, der Bundestag entscheidet, ob Polizeieinsätze im Ausland stattfinden sollen. Als ehemaliger Polizeipräsident stehe ich Einsätzen der Polizei – auch im Ausland – grundsätzlich positiv gegenüber. Denn die Hilfe, die in Krisenregionen wie Kosovo, Afghanistan oder Irak derzeit am dringendsten gebraucht wird, ist die Hilfe beim Aufbau von zivilge- sellschaftlichen und staatlichen Strukturen. Großer Teile dieser Hilfe können meiner Meinung nach sehr effektiv von deutschen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten geleistet werden. Man sollte auch nicht vergessen, dass ein besseres Bild bei der Bevölkerung entsteht, wenn sie nicht ständig mit militärischer Präsenz in Form von pa- trouillierenden Soldaten konfrontiert wird. Trotz meiner eben bereits beschriebenen grundsätzli- chen Akzeptanz von Auslandseinsätzen der Bundespoli- zei kann ich das Vorgehen der Fraktion Die Linke nicht unterstützen. Sie beantragt, dass die Einsätze nur noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Parlamentes stattfinden sollen. Dass dieses Vorhaben nach der derzei- tigen Rechtslage zum einen verfassungsrechtlich be- denklich und zum anderen auch nicht zweckmäßig ist, möchte ich Ihnen an drei Punkten erläutern. Zum ersten missachten die Antragssteller das Gewal- tenteilungsprinzip, das bereits im Grundgesetz festge- schrieben ist. Die auswärtige Gewalt ist dem Kompe- tenzbereich der Exekutive zugeordnet. Lediglich der Einsatz bewaffneter Streitkräfte, also der Einsatz der Bundeswehr, stellt hier eine Ausnahme dar; ich finde: an dieser Stelle zu Recht. Ich bin froh, dass wir eine „Parla- mentsarmee“ in Deutschland haben und die Verantwor- tung für diese Einsätze auf die breiten Schultern des Bundestags gelegt wird. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat festgelegt, dass Einsätze der Bundeswehr unter einen Parlamentsvorbehalt zu stellen sind. In der Entscheidung Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7949 (A) (C) (B) (D) des Bundesverfassungsgerichts gibt es nicht den gerings- ten Anhaltspunkt dafür, dass sich der Parlamentsvorbe- halt für die Streitkräfte auch auf die Bundespolizei er- strecken soll. In der Verfassungstradition Deutschlands war und ist der Einsatz der Polizei stets eine Angelegen- heit der Verwaltung – der Exekutive. Gerade der im Antrag kritisierte Fall – die Unterstüt- zung der Grenzkontrolle im Libanon durch vier Bundes- polizeibeamtinnen und -beamten, also der Einsatz zu nichtkriegerischen Zwecken – fällt damit primär in den Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich der Exekutive. Dieser Eigenbereich exekutiver Handlungsbefugnis und Verantwortlichkeit ist verfassungsrechtlich festgelegt. Ein Verstoß dagegen würde die grundgesetzlich garan- tierte Gewaltenteilung ad absurdum führen. Und genau deshalb ist ein Parlamentsvorbehalt und damit eine Ent- scheidung der Legislative an dieser Stelle verfassungs- widrig. Zweitens ist ein solcher Parlamentsvorbehalt, wenn man sich einmal die Vielfalt polizeilicher Auslandsein- sätze vor Augen führt, auch nicht zweckmäßig. Deutsche Polizeibeamtinnen und -beamte schützen die deutschen Auslandsvertretungen, unterstützen europäische Grenz- polizeien im Rahmen der Europäischen Union oder sind als Kontaktbeamte in aller Welt unterwegs. Wollte man tatsächlich für jeden einzelnen Punkt dieses breiten Spektrums eine Entscheidung des Deutschen Bundesta- ges herbeiführen? Und wie entscheidet sich, ob ein Ein- satz unter Parlamentsvorbehalt zu stellen ist? Nach der Gefährlichkeit des Einsatzes? Nach dem Umfang des Einsatzes? Antworten auf diese Fragen findet der Antrag der Fraktion Die Linke leider nicht. Zuletzt stellt sich für mich noch eine weitere Frage: Warum soll ein nichtkriegerischer Einsatz der Bundes- polizei einem Parlamentsvorbehalt unterliegen, nicht aber die ebenfalls nichtkriegerische Intervention mit di- plomatischen Mitteln oder der ebenfalls nichtkriegeri- sche Einsatz ziviler Hilfsorganisation, zum Beispiel durch das Technische Hilfswerk, THW? Dieser Abgren- zung stellt sich der vorliegende Antrag ebenfalls nicht. Die Antragsteller fordern, Auslandseinsätze der Bun- despolizei nicht zu einem beliebigen und parlamenta- risch unkontrollierbaren vormilitärischen Instrument der deutschen Außenpolitik in Krisen- und Konfliktregionen werden zu lassen. An dieser Stelle interessiert mich sehr, wie die Antragsteller das von ihnen verwendete „vormi- litärisch“ definieren. Wenn nach der Logik der Links- fraktion hierfür das Umfeld der Krisen- und Konfliktsi- tuation entscheidend sein sollte, müsste sie auch andere humanitäre Interventionen wie durch das Rote Kreuz in einem ähnlichen Krisenumfeld als „vormilitärisch“ qua- lifizieren. Wenn jemand dieser Logik folgen möchte, dann würde er vielleicht auch dem Antrag zustimmen können. Ich kann das aus diesem Grund und den anderen von mir genannten Gründen nicht und lehne deshalb den An- trag der Linksfraktion im Namen der SPD-Fraktion ab. Ich möchte es aber nicht versäumen, darauf hinzuwei- sen, dass die Problematik eines Parlamentsvorbehalts für Auslandseinsätze der Bundespolizei anders zu bewerten ist, wenn die von Bundesinnenminister Dr. Schäuble ge- forderte Dienstpflicht für Auslandseinsätze in das zur angekündigten Reform der Bundespolizei zu ändernde Bundespolizeigesetz aufgenommen wird. Hier wird sehr wohl zu differenzieren sein, wen man und mit welchem Auftrag man in Auslandseinsätze schickt. Denkbär wäre es, die bisherige Rückholbefugnis des Bundestages ge- mäß § 8 Abs. l Satz 5 Bundespolizeigesetz in eine Ent- sendebefugnis umzuwandeln. Dies wird aber zu gegebe- ner Zeit zu entscheiden sein. Gisela Piltz (FDP): Seit 1989 beteiligt sich die Bundespolizei, vormals Bundesgrenzschutz, an interna- tionalen Friedensmissionen. Seitdem haben mehr als 1 700 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei an sol- chen Verwendungen freiwillig teilgenommen. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei allen für ihren Einsatz bedanken. Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt die Beteili- gung deutscher Polizisten und Polizistinnen an Aus- landsmissionen. Die Schaffung sicherer Lebensbedin- gungen und Zukunftsperspektiven für die Menschen in den Krisengebieten ist nicht nur ein Aspekt von Außen- politik, sondern dient auch dem Schutz der inneren Si- cherheit. Hierbei darf aber Folgendes nicht vergessen werden: Der Einsatz darf nur im Rahmen zivilen Krisenmanage- ments nach Beendigung eventueller bewaffneter Ausei- nandersetzungen erfolgen. Damit das Trennungsgebot auch hier beachtet wird, ist das zivile Krisenmanage- ment dann allein Aufgabe der Polizei. Die Fraktion Die Linke beanstandet in ihrem Antrag, dass die Voraussetzungen für Auslandseinsätze der Bun- despolizei, Informationspflichten der Bundesregierung und Kontrollmöglichkeiten des Parlaments im Bundes- polizeigesetz nicht ausreichend geregelt sind. Tatsäch- lich bietet das Bundespolizeigesetz dem Parlament nur wenige Beteiligungsrechte bei Auslandseinsätzen der Bundespolizei: § 8 BPolG sieht für das Parlament das Recht auf Unterrichtung und ein sogenanntes Rückhol- recht vor. Stärkere Mitwirkungsrechte – wie zum Bei- spiel eine Zustimmungspflicht oder Kontrollmöglichkei- ten über den Einsatz – sind im Rahmen des § 8 BPolG nicht geregelt. Die von den Linken erhobene Forderung nach einem Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze ist durchaus überdenkenswert. Aufgrund der deutlich erhöhten Aus- landseinsätze der Bundespolizei in den letzten Jahren bedarf es auch nach unserer Auffassung einer stärkeren Beteiligung des Parlaments. Oftmals erhalten die Parla- mentarier nur durch Nachfragen in den Ausschüssen oder direkte Anfragen an die Bundesregierung umfas- sende Informationen über aktuelle Einsätze. Hierbei ist die konkrete Ausgestaltung eines Parla- mentsvorbehalts nach Ansicht der FDP-Bundestagsfrak- tion noch völlig offen und sollte Gegenstand intensiver parlamentarischer Beratungen werden. 7950 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Auch Auslandsverwendungen der Bundespolizei nach § 64 Bundespolizeigesetz unterliegen bisher keiner konkreten Vorabinformation des Parlaments. Hier sieht die FDP-Bundestagsfraktion Nachbesserungsbedarf. Zu- mindest entsprechende Beratungen in den Ausschüssen – wenn Sicherheitsinteressen geltend gemacht werden, natürlich auch vertraulich – sind notwendig, um den Par- lamentariern angemessener Form die notwendigen Infor- mationen zu geben. Die Bundesregierung hat im November letzten Jahres eine Umstrukturierung der Bundespolizei angekündigt. Die FDP-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregie- rung auf, diese Ankündigungen auch zum Anlass zu nehmen, Beteiligungs- und Informationsrechte des Par- laments bei Auslandseinsätzen der Bundespolizei zu überdenken. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Vor wenigen Tagen erst konnten wir erfahren, wie hochaktuell und notwendig unser Antrag ist, den Bundestag über Auslandseinsätze der Polizei abstimmen zu lassen. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete am Montag über Pläne des Bundes- innenministeriums, Bundespolizisten künftig auch gegen ihren Willen ins Ausland zu schicken, sei es der Balkan oder Afghanistan. „Die Polizei wird in diesen Ländern ebenso dringend gebraucht wie das Militär“, wurde der Kollege Michael Hartmann von der SPD-Fraktion zi- tiert. Das zeigt: Die Bundesregierung militarisiert die Poli- zei, und die Polizei wird zur Militarisierung der Außen- politik missbraucht. Nicht nur die Fraktion Die Linke lehnt das ab, sondern auch die Betroffenen selbst. Konrad Freiberg, der Chef der Gewerkschaft der Polizei, stellte fest: „Wer zum Grenzschutz gegangen ist, hat doch niemals damit rechnen müssen, lebensgefährliche Jobs am Hindukusch zu übernehmen.“ Der Mann hat völlig Recht. Seit 1996 waren über 1 800 deutsche Polizisten in Bosnien-Herzegowina. Seit dem Angriff der NATO auf Jugoslawien sind außerdem über 2 300 Polizisten in die besetzte Provinz Kosovo geschickt worden. Deutsche Polizisten leiten in Afghanistan die Ausbildung der dor- tigen Polizei, und sie haben sich an der Ausbildung ira- kischer Polizisten beteiligt. Indem sie dort sogenannte Antiterrortechniken vermitteln, wird Deutschland zur aktiven Kriegspartei. Es ist absurd, dass der Bundestag hier nicht gefragt wird. Insgesamt waren in den letzten zehn Jahren weit über 4 000 Polizisten im Auslandseinsatz. Polizeimissionen sind ein herausragendes Instrument der deutschen Außenpolitik geworden. Die bevorzugten Ziele sind da- bei nicht zufällig jene Länder, in denen auch die Bundes- wehr steht. Polizeieinsätze werden zunehmend zum Mit- tel, um eine militarisierte, auf Krieg gestützte Außenpo- litik abzusichern. Die Militärdoktrin der Europäi- schen Union sieht vor, einen aus 6 000 Beamten bestehenden Polizeipool aufzubauen, der als flan- kierende Maßnahme für Militäreinsätze gedacht ist. Die Bundesregierung hat dafür 900 Polizisten zugesagt. Wenn sie Polizeibeamte auch noch zwangsweise in alle Welt schicken will, genauso wie Soldaten, dann be- stätigt sie damit: Die Entsendung von Polizeieinheiten und die Entsendung von Militäreinheiten sind zwei Sei- ten der gleichen Medaille. Wir sehen nicht ein, dass der Bundestag nur über die eine Seite abstimmen soll und bei der anderen nicht gefragt wird. Deswegen wollen wir, dass der Bundestag über Auslandseinsätze der Bun- despolizei vorab informiert wird und über Polizeimissio- nen der EU oder der UNO abstimmen muss. Der Parla- mentsvorbehalt für Polizeieinsätze ist überfällig. Er ist die logische Konsequenz aus dem Parlamentsvorbehalt, dem auch die Bundeswehr unterliegt. Lassen Sie mich noch auf Einsätze nach § 65 des Bundespolizeigesetzes eingehen. Die Bundesregierung kann aufgrund bilateraler Vereinbarungen mit einem an- deren Staat Polizeikräfte entsenden, ohne das Parlament überhaupt zu informieren. Für diese Politik der Geheim- haltung gibt es natürlich einen Grund. Die Polizisten, die vorigen Sommer ohne Wissen des Parlaments in den Libanon geschickt wurden, sollten am Flughafen Beirut dafür sorgen, dass niemand vor dem Krieg und dem Elend nach Deutschland fliehen konnte. Dafür hat sich Deutschland in den Krieg eingeschaltet, völlig am Parla- ment vorbei. Die Polizisten, die im Rahmen der Grenzschutzagen- tur FRONTEX eingesetzt werden, helfen dabei, die Fes- tung Europa dichtzumachen. Deswegen müssen immer mehr Menschen im Mittelmeer und im Atlantik weite und gefahrvolle Wege nehmen, und immer mehr kom- men dabei ums Leben. Das sind natürlich Aufgaben, über die man nicht gerne spricht. Wir sind aber der Mei- nung: Es muss öffentlich darüber diskutiert werden, was die Polizei im Ausland macht. Deswegen wollen wir dem Bundestag zu seinem längst überfälligen Recht ver- helfen. Silke Stokar von Neuforn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundespolizei wie die Polizeien der Länder sind beteiligt an internationalen und europäi- schen Polizeimissionen. Was vor einigen Jahren noch Modellcharakter hatte, ist heute zu einer dauerhaften Aufgabe der Polizei geworden. Die deutschen Polizeibe- amten leisten im Ausland eine hoch anerkannte Arbeit. Für den Einsatz in oft nicht ungefährlichen Polizeimis- sionen – lassen Sie mich hier insbesondere den Einsatz in Afghanistan, aber auch im Kosovo ansprechen – will ich mich an dieser Stelle im Namen der grünen Bundes- tagsfraktion bedanken. Durch jüngste Presseäußerungen von Bundesinnen- minister Schäuble sind die Auslandseinsätze der Bun- despolizei in die öffentliche Debatte gerückt. Wie schon bei der Reform der Bundespolizei erfahren die betroffe- nen Polizeibeamten von der geplanten Veränderung der Aufgabenwahrnehmung aus der Presse. Gewerkschaft- liche Beteiligung scheint im BMI und beim Bundes- innenminister ein Fremdwort zu sein. Wir fordern hier nachdrücklich eine transparente Auswertung der bisheri- gen Auslandseinsätze und eine frühzeitige Beteiligung Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7951 (A) (C) (B) (D) der Beschäftigten und der Gewerkschaften an möglichen Veränderungen. Nachdem Schäuble in der Vergangenheit mit seinen Plänen, die Bundeswehr im Inneren einzusetzen, ge- scheitert ist, dreht er jetzt den Spieß um und will sich eine Ersatzarmee zulegen, die marschiert, wenn er es will. Wir wollen weder eine Militarisierung der Innen- politik noch eine Militarisierung der Polizei in Auslands- einsätzen. Für uns gelten klare Bedingungen für internationale und europäische Polizeimissionen: Polizeimissionen im Ausland brauchen ein Mandat, entweder von der UNO oder von der EU. Polizeimissionen im Ausland dürfen nur in militärisch befriedeten Gebieten stattfinden, und die Teilnahme an solchen Auslandseinsätzen muss frei- willig sein. Polizei darf nicht in einer Grauzone zwi- schen polizeilichen und militärischen Aufgaben einge- setzt werden. Die von Schäuble offensichtlich geplante Dienst- pflicht für Auslandseinsätze der Bundespolizei lehnen wir entschieden ab. Der Auslandseinsatz ist freiwillig, weil er im Vergleich zur Inlandsverwendung unter einem erhöhten Risiko erfolgt. Es gab auch nie einen Mangel an Freiwilligen. Insofern ist überhaupt kein sachlicher Grund ersichtlich, warum dieser Einsatz zu einer Zwangsveranstaltung gemacht werden sollte. Wir wollen zukünftig auch bei Auslandseinsätzen der Bundespolizei einen Parlamentsvorbehalt, wie er bei Einsätzen der Bundeswehr gute Parlamentstradition ist. In der Vergangenheit gab es Einsätze, von denen das Parlament nicht einmal formell unterrichtet wurde. Die parlamentarische Unterrichtung zu laufenden Auslands- einsätzen der Bundespolizei ist völlig unzureichend. Je nach Art des Einsatzes sollte das Parlament mit einer In- formationspflicht bzw. einem Parlamentsvorbehalt ein- gebunden werden. Die Auslandshundertschaft in Gifhorn, die derzeit aufgebaut wird, sehen wir sehr kritisch. In den laufenden Auslandsmissionen werden vielfältige Erfahrungen ge- braucht. Die hohe Qualität der deutschen Polizeimissio- nen wird gerade dadurch erreicht, dass je nach Auftrag und Inhalt des Mandates Polizeibeamte aus dem Einzel- dienst von Bund und Ländern sich freiwillig und auf Zeit für den Auslandseinsatz melden. Wir sehen die Gefahr, dass hier eine Sondereinheit der Bundespolizei aufge- baut wird, die dann mit militärischer Bewaffnung zur Unterstützung der Bundeswehr in noch nicht befriedeten Gebieten eingesetzt wird. Dann haben wir den militäri- schen Einsatz der Bundeswehr im Ausland, und auch das, Herr Schäuble, wollen wir nicht. Gert Winkelmeier (fraktionslos): Auslandseinsätze der Bundespolizei stehen erst seit wenigen Tagen wieder im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die Diskussion, die von Kollegen der SPD erneut angeheizt worden ist, dreht sich um die Freiwilligkeit. Unser Thema heute ist die parlamentarische Kon- trolle. Angeblich ist gewährleistet, dass militärische Ak- tionen der Bundeswehr und die Aufgaben der Polizei, beispielsweise in Afghanistan, strikt voneinander ge- trennt sind. Dennoch befinden sich die Angehörigen der Bundespolizei in Krisengebieten. Insofern darf nicht dem Innenministerium alleine überlassen sein, wohin, wann und wie viele Polizisten ins Ausland entsandt werden. Künftig muss mehr Trans- parenz herrschen und mehr parlamentarische Kontrolle möglich sein! Es zeugt entweder von schlechtem Stil oder aber von – zumindest ansatzweise – schlechtem Gewissen, wenn die Mitglieder dieses Parlamentes erst durch Medienbe- richte von bereits eingeleiteten oder erfolgten Auslands- einsätzen der Bundespolizei erfahren. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn es sich bei der betroffenen Region um ein Krisen – oder gar Kampfgebiet handelt – wie es im Libanon im vergangenen August zweifelsohne der Fall war. Öffentlichkeit war vonseiten der Regierung nicht ge- wollt, weil noch keine endgültige internationale Mission auf Basis einer UN-Resolution ausgehandelt war. Alles sollte so geheim wie möglich vonstattengehen. Eine schnelle und unmissverständliche Regelung im Bundespolizeigesetz für Auslandseinsätze der Bundes- polizei ist deshalb überfällig. Die Regierung darf den „außenpolitischen Exportschlager“ Bundespolizei – wie GdP-Chef Freiberg recht zutreffend formuliert hat – nicht nach eigenem Gutdünken einsetzen. Deutschland war schon immer Exportweltmeister, aber das muss doch nicht auch noch für die Bundespolizei gelten! Die Gewerkschaft der Polizei warnt davor, dass die zunehmenden Auslandseinsätze die ohnehin schon über- lasteten Kollegen im Inland noch empfindlich treffen werden. 7 000 Polizisten weniger als noch vor fünf Jahren be- finden sich in der Bundesrepublik Deutschland im Dienst. Zeitgleich aber wird immer wieder von politi- scher Seite gefordert, mehr Polizisten zur Aufbauhilfe in krisengeschüttelte Gebiete zu entsenden. Ich zitiere hierzu den Vorsitzenden der GdP, Konrad Freiberg: Es wird immer verrückter: Einerseits will der Bundesverteidigungsminister Jung die Bundes- wehr u. a. in Bosnien abziehen, weil sie überlastet ist, andererseits soll die Bundeswehr aber die Polizei im Innern verstärken. Und die Polizei ist nach Auffassung von Bundes- innenminister Schäuble personell nicht in der Lage, die Menschen im Innern vor Terroranschlä- gen zu schützen (siehe Fußballweltmeister- schaft), aber andererseits soll die Polizei verstärkt im Ausland eingesetzt werden. Ich glaube, es fehlt den politisch Verantwortlichen die Orientie- rung. Hier hat Herr Freiberg recht! Eine Änderung des Polizeigesetzes zur parlamentari- schen Kontrolle von Auslandseinsätzen der Bundespoli- zei könnte dazu beitragen, dass die Orientierungslosig- 7952 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) keit der Verantwortlichen gemindert wird. Zudem könnten Sie, meine Damen und Herren in der Regierung, dann auf die Hilfe der gewählten Parlamentarier zählen! Auch sollte gesetzlich geregelt werden: Erstens. Auslandseinsätze von Polizisten müssen prinzipiell freiwillig erfolgen. Es darf keine Dienstver- pflichtung geben. Zweitens. Der Einsatz der Bundespolizei darf auf kei- nen Fall in Kampfgebieten erfolgen. Drittens. Die Bundespolizei soll ausbilden: sie darf sich aber nicht in die Polizeiaufgaben vor Ort einmi- schen. Und das alles muss vom Parlament kontrolliert wer- den können. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften – Antrag: Sicherheitslücken bei biometrischen Pässen beseitigen – Antrag: Keine Einführung des elektroni- schen Personalausweises – Bericht: Technikfolgenabschätzung hier: TA- Projekt: Biometrie und Ausweisdokumente – Leistungsfähigkeit, politische Rahmenbe- dingungen, rechtliche Ausgestaltung Zweiter Sachstandsbericht – Antrag: Datenschutz und Bürgerrecht bei der Einführung biometrischer Ausweise wahren (Tagesordnungspunkt 26 a bis d, Zusatztages- ordnungspunkt 10) Frank Hofmann (Volkach) (SPD): In den Abend-/ Nachtstunden innerhalb von 30 Minuten einen Gesetz- entwurf, drei Anträge und einen Ausschussbericht zu be- raten, wie es ursprünglich vorgesehen war, ist eine Zu- mutung und wird dem Thema in keiner Weise gerecht. Soweit sich der Gesetzentwurf der Bundesregierung auf die Umsetzung der Verordnung (EG)2252/2004 be- zieht, sei daran erinnert, dass sich im Terrorismus- bekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 noch der natio- nale Gesetzgeber für zuständig gehalten hat. Kann der EU-Rat diese Zuständigkeit durch eigene Aktivitäten einfach außer Kraft setzen? Die jetzt besonders eilbedürftige Vorlage soll nun bis Mai 2007 abgeschlossen sein. Weshalb dann aber gleich auch noch viele andere Gesetzesänderungen angehängt werden – vom Ausländerzentralregistergesetz bis zum Wehrpflichtgesetz –, die zwar zum großen Teil einen Sachzusammenhang, aber keine Eilbedürftigkeit haben, erschließt sich mir nur bedingt. Nach den Anschlägen am 11. September 2001 hat sich die Sicherheitsarchitektur Deutschlands, Europas und der Welt grundlegend verändert. Keine Rede zur in- neren Sicherheit unseres Landes kommt mehr ohne den eindringlichen Hinweis auf diesen schrecklichen Terror- anschlag aus. Die fortdauernde Bedrohung durch den internationa- len Terrorismus macht es erforderlich, auch das Pass- recht anzupassen, indem biometrische Merkmale – Ge- sichtsbild und Fingerabdrücke – in unsere Pässe eingefügt werden. So wird eine stärkere Bindung des Ausweisdokuments an den Passinhaber ermöglicht und ein Sicherheitsgewinn geschaffen: Die Fälschungs- sicherheit des Reisepasses wird erhöht, die Verwendung von gestohlenen Papieren wird erschwert und die Kon- trollen in sicherheitssensiblen Bereichen, wie beispiels- weise an Flughäfen, werden beschleunigt bzw. effizien- ter durchführbar. Jedoch dürfen weder sicherheitspolitisch sinnvolle Maßnahmen noch terroristische Bedrohungsszenarien den wesentlichen Blick auf den Schutz der bürgerlichen Freiheiten und Grundrechte verstellen. Das fragile Gleichgewicht zwischen Freiheit und Sicherheit muss immer wieder aufs Neue austariert werden. Dieser Pro- zess kann nur in Gestalt eines kritischen öffentlichen Diskurses stattfinden. Dazu gehört auch, dass wir uns als nationaler Gesetzgeber sicherheitspolitische Notwendig- keiten nicht von europäischen Ratsverordnungen diktie- ren lassen. Auch wenn diese Vorhaben von der eigenen Regierung initiiert sind, bleibt die schlussendliche Ver- antwortung für die konkrete Umsetzung beim Parlament. In der Zukunft ist es unerlässlich, dass die Parlaments- fraktionen stärker in die Europapolitik der Regierung eingebunden werden. So wird die SPD genau darauf achten, dass beispielsweise bei der Erfassung, Übermitt- lung und Speicherung der Fingerabdrücke die Interessen des Datenschutzes gewahrt bleiben. Für uns ist Daten- schutz kein Lippenbekenntnis, sondern ein wesentliches Element des Grundrechtsschutzes und damit Grund- voraussetzung für das Funktionieren unserer demokrati- schen Gesellschaft. Gleiches gilt auch für den Minder- heitenschutz, der in der Regelung zum Geschlechtsein- trag in Pässen bei transsexuellen Personen zum Aus- druck kommt. Der vorliegende Änderungsentwurf, insbesondere im nicht EU-spezifischen Teil, hat jedoch kleinere Schwä- chen, die es noch genauer unter die Lupe zu nehmen gilt: Wenn im Zusammenhang mit dem Passgesetz auch Än- derungen vorgenommen werden sollen, die Straßenver- kehrsordnungswidrigkeiten betreffen, dann hat dies nichts mehr mit den Folgen des 11. September zu tun. Wenn man solche Maßnahmen in Sicherheitsgesetzen verankert, dann macht man es den Gegnern leicht in ihrer Argumentation, es ginge vermehrt um die Krimina- lisierung und Bestrafung unbescholtener Bürger. Zum kritischen Diskurs in der Öffentlichkeit gehört auch die Berücksichtigung der Empfindungen der Bür- gerinnen und Bürger in unserem Land. So müssen wir Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7953 (A) (C) (B) (D) uns bewusst machen, dass die erstmalige Erhebung von Fingerabdrücken zur Identifizierung in Personaldoku- menten in der Bevölkerung mit der erkennungsdienstli- chen Behandlung von Kriminellen verknüpft werden könnte. Allerdings werden heute Fingerabdruckscanner benutzt und keine Stempelkissen mehr. Diese moderne Technik hat eine höhere Akzeptanz. Die Anträge von FDP und Bündnis 90/Die Grünen Fraktion sind leider nur wenig hilfreich. Die Sicherheits- bedenken wirken wie in Anträge gekleidete Presseerklä- rungen, die weniger den rechtlichen und technischen Realitäten entsprechen als dem Versuch, mit einem dif- fusen Zerrbild Ängste in der Bevölkerung vor einem Überwachungsstaat zu erzeugen. Auch wir stellen uns die Frage nach der Fehleranfälligkeit und Manipulierbar- keit von biometrischen Systemen. Wir werden uns, ge- stützt auf technischen Sachverstand, ein realistisches Bild von der Lage machen und auch etwaige Risiken dieser Technologie im Verhältnis zu ihrem Nutzen abwä- gen. Parteipolitisch motivierte Polemik bringt uns an dieser Stelle aber nicht weiter. Das heißt nicht, dass wir uns den sicherheitspolitischen Herausforderungen nicht stellen müssen. Aber klar ist: Es gibt keine bundesweite Datenbank der biometrischen Daten. Die Fingerabdrü- cke sind lediglich im Pass, das Lichtbild ist im Pass und beim Passamt. Trotz Datenschutz dürfen wir uns technischen Inno- vationen nicht verschließen. Durch biometrische Merk- male im Pass wird es möglich, die Identität von Perso- nen, vor allem bei Grenzkontrollen, durch Vergleich mit den Merkmalen der kontrollierten Person festzustellen. Dies verhindert in großem Maße die missbräuchliche Nutzung und ermöglicht eine schnellere sowie exaktere Kontrolle. Mehr Sicherheit und geringere Wartezeiten an den Grenzen sind die Folge. Die Daten auf dem Chip im Pass sind gegen unberechtigten Zugriff gesichert und werden auch nur dort gespeichert. Eine anderweitige, möglicherweise gar zentrale Speicherung, wird es nicht geben; darf es nicht geben und ist in diesem Gesetzent- wurf ausgeschlossen. Durch die Einführung eines durch- gängig elektronischen Verfahrens zur Passbeantragung werden die Effizienz und die Sicherheit des Beantra- gungsvorgangs erhöht. Dies bringt also auch Vorteile für den Bürger, dem keine zusätzlichen, über die Passgebühr hinausgehenden Kosten entstehen. Die SPD wird an ihrer bewährten Maxime der Sicher- heitspolitik mit Augenmaß, die sie bereits bei der Anti- terrordatei und beim Terrorismusbekämpfungsergän- zungsgesetz unter Beweis gestellt hat, festhalten. Sozialdemokratische Politik führt nicht in den Überwa- chungsstaat, sondern gestaltet einen sicheren Bürger- rechtsstaat. Gisela Piltz (FDP): Biometrie in Pass und Ausweis ist offenbar ein heißes Eisen. Schon Rot-Grün und nun auch Schwarz-Rot haben es offenbar am liebsten, wenn dieses Thema möglichst gar nicht öffentlich zur Sprache kommt, deshalb auch heute wieder die Beratung zu spä- ter Stunde. Otto Schily hat kräftig daran gearbeitet, die Einfüh- rung biometrischer Merkmale einschließlich der sehr umstrittenen Fingerabdrücke in Reisedokumente europa- weit durchzudrücken, ohne dass darüber im Deutschen Bundestag überhaupt gesprochen wurde. Heute sitzt der damalige politische Akteur Otto Schily im Aufsichtsrat eines Biometrieunternehmens. Von dort mag Otto Schily auf die Vermeidung jeder Dis- kussion über Sinn und Unsinn von biometrischen Merk- malen in Reisepässen sehr zufrieden zurückblicken. Denn mit der Einführung der digitalen Gesichtsbilder hat Deutschland einen gigantischen Feldversuch für die Bio- metrietechnik gestartet, und das ohne jeden Probelauf. Es schadet aber der Demokratie, wenn eine gesellschaft- liche Auseinandersetzung über die Herrschaft der Men- schen über ihre biometrischen Daten nicht stattfindet, wenn diese Daten ohne jede Diskussion Gegenstand der staatlichen Kontrolle werden. Es geht bei den biometrischen Daten nicht um irgend- welche Daten, es geht um die elementarsten Daten, die es für einen Menschen geben kann. Es geht um unsere biologische Identität. Diese Daten können Auskunft über Erbkrankheiten geben und über die Abstammung, die Verwandtschaft der Menschen. Diese Daten geben Aus- kunft über den höchstpersönlichsten Lebensbereich, der sich denken lässt. Die Frage ist nun: Geht Schwarz-Rot mit diesem Thema verantwortungsvoller um als Otto Schily? Die FDP-Bundestagsfraktion hat bereits im März vergange- nen Jahres einen Antrag gestellt, die offenbarten Sicher- heitslücken der Reisepässe zu schließen. Über diesen Antrag beraten wir nun – fast ein Jahr später. Die Sicher- heit der Pässe hat sich inzwischen nicht verbessert. Lei- der hat sich der Umgang mit dem Thema nicht wirklich verändert. Trotz unseres Drängens wird der Punkt nun immer noch mehr in der Nacht als am Tag behandelt. Dieses Thema soll offenbar um keinen Preis zu einer Zeit behandelt werden, an dem eine Rede ein größeres Auditorium findet. Auch sonst versucht die Regierung alles, das Thema herunterzuspielen. Erst werden vollendete europäische Tatsachen geschaffen, nun heißt es, die – wohl bemerkt von Deutschland maßgeblich mit gesetzten – europäi- schen Vorgaben würden bloß umgesetzt. Dabei gehen wir über die ohnehin im weltweiten Maßstab sehr weit gehenden europäischen Vorgaben noch ein deutliches Stück weit hinaus. Die Bundesregierung möchte letztlich die biometri- schen Merkmale auch in jeden Personalausweis integrie- ren. Die Merkmale werden zwar noch nicht endgültig mit den hier von der Bundesregierung vorgelegten Än- derungen in die Personalausweise aufgenommen, aber die Pläne sind hinlänglich bekannt. Es wird so getan, als wäre Biometrie in Reisepass und Personalausweis letzt- lich dasselbe und die Veränderungen Europa geschuldet. Dies ist schlicht falsch. Richtig ist: Die EU schlägt lediglich einen Standard für biometrische Merkmale in Personalausweisen vor. Nationale ID-Dokumente fallen nach einhelliger Mei- 7954 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) nung nicht einmal in den Zuständigkeitsbereich der EU. Ob wir biometrische Merkmale auch in den Personalaus- weisen haben wollen, diese Entscheidung liegt allein bei uns hier im Bundestag. Wir sollten gut abwägen, ob wir diese Veränderung dann auch wollen. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung die Aufnahme auch der digitalen Fingerabdrücke europa- weit durchgesetzt, und aus welchen Gründen will die Bundesregierung biometrische Merkmale auch in die Personalausweise implementieren? Die Argumente, wel- che für die Einführung dieser Merkmale herhalten müs- sen, sind Fälschungssicherheit und die Möglichkeit der Identitätsüberprüfung. Nur für diese Zwecke sieht die EU-Verordnung die Verwendung der biometrischen Da- ten vor. Fälschungssicherheit, also die Gewissheit, dass die zuständigen Behörden in Deutschland den Pass bzw. Ausweis ausgestellt haben, erreicht man nicht durch bio- metrische Daten des Inhabers. Dafür gibt es zahlreiche technische Vorrichtungen. Die Identitätsüberprüfung, also die Gewissheit, dass derjenige, welcher den Pass oder Ausweis in den Händen hält auch derjenige ist, für den dieser ausgestellt wurde, ist in der Praxis ein zu ge- ringes Problem, um diese umfangreiche Aufrüstung zu rechtfertigen. Die kriminalistisch so interessanten Fin- gerabdrücke braucht es für diese Zwecke ohnehin nicht, das Gesichtsbild würde völlig ausreichen. Was sind also die wirklichen Motive für die Einfüh- rung der Biometrie in Pässen und Personalausweisen? Ein Blick in die Details der Veränderungen ist sehr auf- schlussreich. Da heißt es in dem von der Bundesregie- rung vorgeschlagenen neuen § 2 c des Gesetzes über Personalausweise: Im Falle der Übermittlung von Lichtbildern an die Polizei- und Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten kann der Abruf des Lichtbildes im automatisierten Verfahren erfolgen. Aha! Das klingt natürlich sehr praktisch. Einen Perso- nalausweis muss im Gegensatz zum Reisepass jeder ha- ben – jedenfalls jeder, der nicht schon einen Reisepass hat. Damit ist sichergestellt, dass letztlich jede durch Bil- der festgehaltene Ordnungswidrigkeit anhand der dann später in die Registerdatenbanken eingespeisten biome- trischen Gesichtsmerkmale des Täters aufgeklärt werden kann. Das eröffnet in Kombination mit der ebenfalls in- tensiv betriebenen Ausweitung der Videoüberwachung natürlich ganz neue Möglichkeiten – nicht nur für Ver- kehrsordnungswidrigkeiten. Mehrere biometrische Merkmale ergeben überhaupt nur Sinn, wenn mit den Daten eine Identitätsfeststellung ermöglicht werden soll. Das heißt, es soll letztlich völlig unabhängig von Pass und Ausweis anhand biometrischer Daten festgestellt werden können, um wen es sich han- delt. Einen automatischen Abgleich der Fingerabdrücke mit den Datenbanken des BKA – welcher von den EU- Vorgaben eben gerade nicht gedeckt ist – sehen die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Änderungen für Drittstaatsangehörige bereits vor. Für uns alle kann das später, wenn die Infrastruktur dafür steht, jederzeit um- gesetzt werden. Das hat aber mit der Funktion des Passes und des Personalausweises als Legitimationspapier nicht mehr das Geringste zu tun. Die Notwendigkeit eines Ausweispapiers wird offenbar nur benutzt, um an unsere biometrischen Daten zu kommen. Die räumliche Reichweite der Identifizierung ist un- begrenzt. Über die fortschreitende Vernetzung der Da- tenbanken trägt gerade Deutschland entscheidend zum Aufbau einer weltweiten Struktur allgegenwärtiger Iden- tifizierung bei. George Orwell hatte wohl einfach nicht genug Phantasie, um sich diese schöne neue Ordnungs- welt so vorzustellen. Um es klar zu sagen: Wir werden nicht von den USA getrieben; sie sammeln biometrische Daten ihrer eigenen Staatsbürger aus datenschutzrechtlichen Gründen bis- lang noch nicht ein. Wir werden nicht von Europa getrie- ben; vielmehr treiben wir die anderen Mitgliedstaaten in Europa. Deutschland ist der Vorreiter einer neuen bio- metrischen Überwachungswelle; dies darf nicht länger hinter zugezogenen Vorhängen passieren, über diese po- litischen Entscheidungen muss endlich auch von Grund auf diskutiert werden. Wenn man aber biometrische Merkmale der Men- schen in so großer Zahl speichert, dann ist es umso wich- tiger, die größte Sorgfalt auf die Korrektheit und die Verhinderung der Zweckentfremdung dieser Daten anzu- wenden. Wer hier konkrete, wirksame Maßnahmen er- wartet, wird von dem Gesetzentwurf leider bitter ent- täuscht. Es fehlt nach wie vor die Möglichkeit für den Passinhaber, sich selbstständig über den gespeicherten Inhalt seiner Daten Kenntnis zu verschaffen. Hierfür muss er sich erst mit seiner Passbehörde auseinanderset- zen. Zu konkreten Maßnahmen zur Datensicherheit schweigt sich der Gesetzentwurf vollständig aus. Die Kostenberechnungen im Gesetzentwurf sind nicht seriös. Dazu heißt es im Gesetzentwurf, die Kosten werden „im Wesentlichen“ durch die Passgebühren ab- gedeckt. Dies mag für die bloße Anschaffung der Tech- nik in den Passbehörden richtig sein. Es wird darüber hi- naus aber auch mehr Personal benötigt, um die biometrischen Pässe zu bearbeiten – bei den Passbehör- den wie bei allen anderen mit den Pässen befassten Be- hörden. Auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion hat das Auswärtige Amt bereits eingeräumt, ab 2007 den Konsularbereich wegen der bevorstehenden Einführung biometrischer Pässe weltweit personell nachhaltig ver- stärken zu müssen. Auch auf die Kommunen kommen zusätzliche Belas- tungen zu. Während das BMI den Verwaltungskostenan- teil auf 14,37 Euro herunterrechnet, schätzt der Deutsche Städtetag die Höhe auf 23,86 Euro pro Exemplar. Allein in meiner Stadt Düsseldorf wurden im letzten Jahr 350 000 Euro außerplanmäßig für die Kosten der Be- schaffung der neuen biometrischen Reisepässe einge- stellt. Im Ergebnis bedeutet das: Die Bundesdruckerei reicht ihre Rechnungen inklusive Gewinnanteil einfach weiter und die Kommunen zahlen die Zeche. Davon ist aber im Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7955 (A) (C) (B) (D) Gesetzentwurf leider nicht die Rede, sondern die Bun- desregierung redet sich mit Unwissenheit heraus. Wir sollten uns alle miteinander fragen, ob und wofür wir die biometrischen Merkmale in den Pässen und Per- sonalausweisen wirklich brauchen. Denn der Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wirkt bei biometrischen Daten schwer. Wir müssen uns bei je- dem Einsatz dieser Daten die Frage nach der Verhältnis- mäßigkeit stellen. Wenn es letztlich darum geht, jedwede Straftat oder auch Ordnungswidrigkeit anhand einer möglichst totalen Überwachung und der Möglichkeit der automatischen Identitätsfeststellung aufzuklären, dann geht dies über das für die FDP-Bundestagsfraktion er- trägliche Maß weit hinaus. Es ist noch nicht zu spät; wir können die umfassende Preisgabe unserer biometrischen Daten hier im Bundes- tag aufhalten. Wir brauchen keine automatisierten Fin- gerabdruckabgleiche der Passdaten mit Datenbanken des BKA. Haben wir die Biometrie in den Personalauswei- sen, dann entkommt niemand mehr der staatlichen Kon- trolle über seine biometrischen Daten. Jan Korte (DIE LINKE): Im von der Bundesregie- rung vorgelegten Gesetzentwurf zur Änderung des Pass- gesetzes ist ein wenig Licht, aber viel Schatten. Tatsäch- lich zu begrüßen sind Änderungen für Transsexuelle, deren Reisesituation deutlich verbessert wird, weil ihnen künftig erniedrigende Fragen und exzessive Leibesvisi- tationen an Flughäfen erspart bleiben. Das ist ein guter Schritt hin zur Wahrung der Würde dieser Menschen. Mehr ist zum Thema Licht nicht zu sagen. Denn an- sonsten tut die Bundesregierung, was sie immer tut. Ohne Not greift sie in die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ein und will nach einschlägiger Meinung rechts- widrig Daten speichern. Die Debatte um die Gesichts- erkennung klingt mir noch in den Ohren. Nun geht es um die Speicherung von Fingerabdrücken, nicht nur in Päs- sen, sondern auch im Personalausweis und anderen Do- kumenten. Die Linke lehnt dieses Ansinnen aus vielen Gründen ab. Ich nenne vier: Erstens. Die Verschlüsselung der Daten auf den RFID-Chips ist nicht sicher. Experten ist es ohne große Mühe gelungen, bei den bisherigen Varianten die Daten der Chips, die kontaktlos per Funk übertragen werden, zu entschlüsseln. Die Bundesregierung gibt schon heute biometrische Daten aus der Gesichtserkennung preis. Künftig sollen es die Fingerabdruckdaten und langfristig womöglich auch noch die Iris sein. Unbeschadet aller anderen Kritik an der Verwendung biometrischer Merk- male in Ausweisdokumenten sollte es doch einleuchtend sein, dass die Mindestanforderung, nämlich eine sichere Verschlüsselung und damit der verlässliche Schutz vor Missbrauch, gewährleistet sein müssen. Wird weiterhin auf eine sichere Technik verzichtet, gefährdet die Bun- desregierung nicht nur die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger, sie geht auch das Risiko ein, dass die neuen Ausweisdokumente zwar teuer, aber mitnichten fäl- schungssicher sind, wenn sich jeder mit einem billigen Empfänger der Daten bedienen kann, die von Funkchips ausgesendet werden. Zweitens. Die sichere Erfassung und Verwendung von Fingerabdrücken ist im Massenverfahren nicht mög- lich. Die optimistische Schätzung des Büros für Tech- nikfolgenabschätzung besagt, dass die Fehlerquote bei 2 Prozent liegt. Das bedeutet, dass bei weit mehr als 1 Million Bundsbürgern Daten fehlerhaft sein werden, Tendenz steigend. Die Konsequenz wird auch hier inqui- sitorisches Kontrollieren auf Flughäfen und bei Grenz- übergängen sein, die für die Betroffenen nicht nur pein- lich sind. Durch die hohe Fehlerquote kann es zu Verwechslungen kommen, die unschuldige Bürger wo- möglich mit Ermittlungsverfahren konfrontieren, in de- nen sie selbst technische Fehler nachweisen müssten, da die Behörden fälschlicherweise davon ausgehen, dass die Technik keine Fehler macht. Das Gegenteil ist der Fall. Ich halte es für unverantwortlich, eine derart unaus- gereifte Technik auf die Menschen loszulassen. Drittens. Wie alle elektronisch hinterlegten biometri- schen Daten wirkt auch der gespeicherte Fingerabdruck ausgrenzend, weil bei einer Vielzahl von Menschen die- ses Datum nicht korrekt erfassbar ist. Ein weiterer Grund, von diesem irrsinnigen Vorhaben abzurücken; denn es grenzt Menschen mit Handicaps weiter aus. Viertens. Jenseits der technischen Erwägungen stellt sich bei der Einführung biometrischer Ausweise auch besonders die Bürgerrechtsfrage. Die Linke hält biome- trische Ausweisdokumente, so wie es beabsichtigt ist, für nicht vereinbar mit den Bürgerrechten. Die biometri- schen Daten, die auf Funkchips in Ausweisdokumenten gespeichert werden sollen, sind personenbezogene Da- ten. Das heißt in der Konsequenz, dass sie einer strikten Zweckbindung unterliegen. Der Bundesinnenminister ist nicht in der Lage, diesen schlichten Grundsatz zu befol- gen; denn die Daten der Gesichtserkennung sollen künf- tig beispielsweise zur Klärung von Bußgeldverfahren automatisiert herangezogen werden können. Zweck der Daten auf einem Ausweisdokument ist es aber doch, dass der Inhaber identifiziert und das Dokument seinem Inhaber eindeutig zugeordnet werden können. Jede an- dere Verwendung der Daten wäre eine Erweiterung des Zwecks und damit eindeutig rechtswidrig. Innenminister Schäuble pflegt auch mit dem neuen Passgesetz seine Datensammelobsession. Auch dieses Mal plant der Innenminister einen weitreichenden Rechtsverstoß. Denn die Abrufbarkeit der biometrischen Daten für andere Zwecke kommt einer Speicherung der Daten auf Vorrat gleich. Das allein ist ein Problem. Weil aber nicht nur Pässe, sondern auch Personalausweise von der Änderung betroffen sind – und das ohne Not – werden die biometrischen Daten fast aller Bundesbürger auf Vorrat gespeichert und in einer Referenzdatei zusam- mengeführt. Das ist in der Konsequenz nichts anderes als die Einführung einer universellen Personenkennziffer durch die Hintertüre. Genau das ist nach einhelliger Mei- nung nahezu aller Experten nicht statthaft. Ich stelle fest, dass die Technik für die Verwendung biometrischer Daten in Ausweisdokumenten weder si- cher noch hinreichend leistungsfähig ist. Der Zweckbin- dungsgrundsatz wird durch die beabsichtigte Regelung verletzt. Die Maßnahme ist nicht verhältnismäßig, weil 7956 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) fatale Nebenwirkungen für die Betroffenen nicht mini- miert, sondern billigend in Kauf genommen werden. Deshalb lehnen wir die Einführung des biometrischen Personalausweises ab, deshalb wollen wir die Fingerab- drücke nicht gespeichert haben, deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, den Bürgerrechten und dem Da- tenschutz endlich die nötige Priorität einzuräumen. Neh- men Sie sich deshalb die vorliegenden Anträge zu Her- zen, und lassen Sie ab von dieser Änderung des Passgesetzes. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deutschland hat die Präsidentschaft in der Europäischen Union für sechs Monate übernommen. Da ist es gut, wenn man Vorreiter in europäischen Fragen ist. Dabei sollte man aber nicht vom Pferd fallen, wie sie das hier mit der beabsichtigten Änderung es Passgesetzes tun. Es stimmt, dass die EU-Verordnung biometrische Merk- male in Pässen vorschreibt. Sie sagt aber nicht, welche, und fordert auch nicht auf, sie jetzt schon einzuführen. Trotzdem wollen Sie mit Ihrem Gesetzesentwurf schon heute Fingerabdrücke in den Reisepässen einführen und morgen wollen Sie das auch im Bundespersonalausweis tun. Dafür haben Sie sich ausgerechnet den Fingerabdruck ausgesucht. Gerade der Fingerabdruck ist nun wirklich nicht fälschungssicher. Es gibt da eine sehr instruktive Anleitung von Chaos Computer Club im Internet. Zur Fälschung des Fingerabdrucks braucht es nur: den De- ckel einer Plastikflasche, etwas Sekundenkleber, eine Digitalkamera, etwas Holzleim und einen hautfreund- lichen Kleber. Sicherheit setzt sich anders zusammen. Reden Sie sich bitte nicht mit der EU-Verordnung heraus. Die zwingt sie weder, den Fingerabdruck über- haupt, geschweige denn ihn so früh einzuführen. Es heißt in der englischen Originalfassung – ich habe das extra einmal nachgeschlagen – nur „die Mitgliedstaaten sollen“ Fingerabdrücke einführen. Verpflichtend ist das nicht. Sie „sollten“ ja auch alle morgen der Gesundheits- reform zustimmen. Für die, die dagegen stimmen wol- len: Es wird Ihnen kein Leid daraus erwachsen. Verstehen Sie mich nicht falsch. Wir sind nicht strikt gegen die Einführung biometrischer Merkmale. Aber sie müssen sicher sein, und der Datenschutz muss gewahrt werden. Das können Sie und wollen Sie auch nicht ga- rantieren. Die neuen Pässe sind nicht fälschungssicher. Gegenüber den jetzigen guten Pässen wird es einen Rückschritt geben. Das sagen Ihre eigenen Experten bei der Bundesdruckerei. Gerade biometrische Erkennungs- systeme haben immer noch eine inakzeptabel hohe Feh- lerrate. Die neuen Pässe können damit sogar einen Ab- bau von Sicherheit bedeuten. Dort, wo man sich auf die scheinbar sichere Technik verlässt, kann man anschei- nend auf gut ausgebildete Beamte und Beamtinnen ver- zichten. Dabei weiß jeder: Die Technik ist immer nur so gut, wie derjenige, der sie bedient. Für die Entwicklung und Erprobung hätten wir uns noch mehr Zeit ge- wünscht. Stattdessen legen Sie überhastet ein Gesetz vor, das wegen der rasanten technischen Entwicklung sicher- lich bald nachbesserungsfahig sein wird. Datenschutz sieht anders aus, vor allem, weil durch die Speicherung der biometrischen Daten eine Referenz- datei entstehen kann. Die Gefahr gibt es. Ich meine, auch der Bundesinnenminister sieht darin gar keine Gefahr, sondern sogar eine Chance, eine Chance für noch mehr Überwachung und noch mehr Abbau von Freiheit. Worauf ich anspiele ist Folgendes: Sie planen eine Reform der Melderegister. Wenn man die Angaben über den Wohnort und die dort eingegebenen Lichtbilder mit der Datei verbindet, haben Sie die Referenzdatei, dann haben sie die Datei, die Ihnen die totale Überwachung der Bürgerinnen und Bürger ermöglicht. Je mehr Dateien Sie schaffen, desto stärker werden sie diese Dateien auch verknüpfen. Wenn sie es nicht durch Bundesgesetz oder Kooperationen mit den Ländern tun, machen Sie es über den Umweg EU oder indem Sie sich in eine völkerrecht- liche Verpflichtung wie bei den Fluggastdaten flüchten. Vor dem Weg des Passgesetztes warne ich Sie. Man kann biometrische Daten einführen. Aber das muss si- cher geschehen und den Datenschutz verbessern, nicht ihn abbauen. Deshalb fordere ich Sie auf: Verzichten Sie auf die Einführung biometrischer Daten im Bundesper- sonalausweis! Machen Sie die Speicherung und Auswer- tung dieser Daten erst einmal sicher, und erproben sie die Technik doch erst einmal ausgiebig in der Praxis. Verzichten Sie auch generell auf die Speicherung von Fingerabdrücken, denn diese sind nicht sicher. Lassen Sie lieber die Finger von der Referenzdatei und von al- lem, was dabei helfen kann, eine Referenzdatei aufzu- bauen. Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Zum 1. November 2005 wurde der elektronische Pass in Deutschland erfolgreich einge- führt. Er enthält einen Chip, auf dem als erstes biometri- sches Merkmal das Lichtbild des Passinhabers elektro- nisch gespeichert ist. Mit dem vorliegenden Gesetz werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Deutschland ab November 2007 in Umsetzung der EG- Verordnung zu biometrischen Merkmalen in Pässen elektronische Reisepässe ausstellen kann, in deren Chips neben dem Lichtbild auch Fingerabdrücke gespeichert werden. Kern des Entwurfes sind die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die Erhebung der Fingerabdrücke durch die Passbehörden sowie die Regelung der Befug- nisse der den Pass und dessen Inhaber kontrollierenden Stellen. Deshalb lassen Sie mich nachfolgend die wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang beantworten. Warum wollen wir den Einsatz von Biometrie in Per- sonaldokumenten? – Weil die Technik einen wichtigen Beitrag für die Innere Sicherheit leisten kann. Dies wird insbesondere deutlich, wenn wir den Schengenraum als Ganzes betrachten. Es gibt europäische Länder, deren Personaldokumente sich mit einem Farbkopierer täu- schend echt nachahmen lassen, weil Sicherheitsmerk- male wie Hologramme und dergleichen fehlen. Diese Schwachstellen haben sich Kriminelle in der Vergangen- heit systematisch zunutze gemacht. Dank der EG-Ver- ordnung zu Pässen und Reisedokumenten kann dieses Sicherheitsgefälle in Europa nun abgebaut werden, denn einheitliche, verbindliche Standards liegen jetzt vor. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7957 (A) (C) (B) (D) Dazu gehört der Chip mit zwei biometrischen Merkma- len: zunächst mit digitalem Passfoto, im zweiten Schritt kommen die Fingerabdrücke hinzu. Die Chiptechnologie ist nicht nur eine erhebliche Hürde für Dokumentenfäl- scher, sondern sie ermöglicht eine neue Qualität der Grenzkontrolle: Zukünftig wird maschinell prüfbar sein, ob diejenige Person, die einen Pass vorlegt, auch tatsäch- lich der Passinhaber ist. Denn Foto und Fingerabdrücke im Chip können mit live an der Grenze erhobenen bio- metrischen Merkmalen verglichen werden. Selbstver- ständlich muss das auf nationaler Ebene im Detail gere- gelt werden. Das führt mich zu meiner nächsten Frage. Was wollen wir im neuen Passgesetz regeln? – Um es kurz zu sagen: die Erhebung, Speicherung und Kontrolle der Fingerabdrücke, also den elektronischen Reisepass der zweiten Generation. Bislang wird ja in den Chips der seit November 2005 ausgegebenen elektronischen Pässe nur ein biometrisches Merkmal gespeichert, das Pass- foto. Über 2,6 Millionen dieser Dokumente haben wir bislang in Deutschland ausgegeben. Während das Foto in Papierform schon seit jeher Bestandteil von Pässen war, stellen die Fingerabdrücke nun eine neue Qualität persönlicher Daten im Pass dar. Dem trägt der Passge- setzentwurf durch klare Vorgaben Rechnung: Zum einen wird eine bundesweite Datenbank mit biometrischen Da- ten ausdrücklich ausgeschlossen. Abgesehen von der Speicherung des Lichtbildes im örtlichen Passregister, werden die biometrischen Daten ausschließlich im E-Pass-Chip gespeichert. Bürgerinnen und Bürger haben ihre Daten also buchstäblich in der Hand. Zum anderen ist der Zugriff auf diese biometrischen Daten im Chip ausschließlich für klar definierte behördliche Kontroll- zwecke vorgesehen. Lassen Sie mich Ihnen weitere Punkte des Passge- setzentwurfs benennen, aus denen sich unsere sicher- heitspolitische Strategie in Sachen Biometrie deutlich ablesen lässt: Der E-Pass ist kein Selbstzweck, sondern Teil eines integrierten Konzepts. Dazu gehören auf EU-Ebene auch die geplante Einführung des Visuminformationssystems und der biometriegestützten Aufenthaltskarte. Ziel ist es, alle Menschen im Schengenraum sicher zu identifizie- ren – egal, ob sie als EU-Bürger, internationaler Tourist oder Asylsuchender die Grenze passieren. Entscheidend ist ein gemeinsamer hoher Dokumenten- und Kontroll- standard im gesamten Schengenraum. Dies spiegelt sich im Passgesetzentwurf wider. So sollen Rechtsgrundla- gen geschaffen werden, um biometriegestützte Identi- tätsüberprüfungen auch bei Unionsbürgern, Drittstaats- angehörigen und Asylbewerbern durchführen zu können. Bei Drittstaatsangehörigen soll darüber hinaus ein – verdachtsunabhängiger – Abgleich der Lichtbilder und Fingerabdrücke mit den Datenbeständen des BKA ermöglicht werden. Dies ist insbesondere bei der Ein- reise dann erforderlich, wenn im Rahmen der Visumer- teilung eine Identitätsüberprüfung noch nicht stattgefun- den hat. So viel zum Passgesetzentwurf. Ich möchte nun im letzten Teil meiner Ausführungen auf einige Details der FDP-Anträge eingehen, die ich un- ter folgende Frage subsumiert habe: Sind der elektronische Reisepass und der elektroni- sche Personalausweis für unsere Bürgerinnen und Bür- ger ein Datenschutzrisiko? Meine klare Antwort: Nein. Lassen Sie mich mit dem E-Pass beginnen. Dazu nenne ich als Stichworte das zuvor erwähnte Verbot einer bun- desweiten Datenbank und dass die Fingerabdrücke im Chip ausschließlich hoheitlichen Kontrollzwecken vor- behalten bleiben. Es bleibt also nur die Frage nach der Sicherheit der Daten im Chip selbst, und dafür haben wir Vorsorge getroffen. Aus dem FDP-Antrag zu biometri- schen Pässen wird deutlich, dass gegenüber diesen Vor- kehrungen Misstrauen besteht, aber auch, dass die tech- nischen Mechanismen im Detail nicht bekannt sind. Denn die im Antrag formulierten Annahmen entspre- chen nicht der Faktenlage. Ein Beispiel: Es wird behauptet, dass die im Chip ge- speicherten Daten bei aktivem Auslesen in bis zu 10 Me- ter Entfernung empfangen werden können. Das ist weit von der Realität entfernt: Nach Untersuchungen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik ist das aktive Auslesen eines E-Pass-Chips nur in einer Entfernung von wenigen Zentimetern möglich. Um elek- tronische Pässe auslösen zu können, muss ein Lesegerät also bis auf eine geringe Entfernung an den Pass heran- kommen, Pass und Lesegerät müssen sich einige Sekun- den in Ruhe befinden, und die Passnummer, das Ge- burtsdatum des Inhabers und das Ablaufdatum des Reisepasses müssen bekannt sein bzw. in einem aufwen- digen Verfahren „geraten“ werden. Zweite Behauptung: beim passiven Auslesen, also dem Empfang der Daten eines von einem berechtigten Lesegerät aktivierten Chips, zum Beispiel bei der Grenz- kontrolle, sei der Empfang in bis zu 30 Metern Entfer- nung möglich. Auch das ist nicht richtig: Ein fehlerfreies passives Mitlesen ist nach Untersuchungen des BSI nur unter optimalen Bedingungen und in einer Entfernung von weniger als 3 Metern möglich. Und noch ein Beispiel aus dem FDP-Antrag: Die Ver- schlüsselungsstärke von rund 56 Bit sei nicht ausrei- chend. Auch das ist falsch. Stattdessen handelt es sich um ein sogenanntes Hybrid-Verfahren, bei dem die Kommunikation zwischen Chip und Lesegerät mit ei- nem 112-Bit-Schlüssel verschlüsselt ist. Lediglich der Schlüsselaustausch erfolgt mit einer Stärke von 56 Bit. Dies wird als völlig ausreichend angesehen. Der Auf- wand, einen solchen Schlüssel zu ermitteln, stünde doch in keinem Verhältnis zum Informationsgewinn. Wo ist also das Bedrohungspotenzial? Der Schutz der im E-Pass gespeicherten personenbezogenen Daten ist an- gemessen und ausreichend. Ich könnte hier noch mehr technische Details nennen, möchte mich aber kurz fas- sen. Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf in Sachen Chipsicherheit. Bisher konnte in keinem einzi- gen Fall ein elektronischer Reisepass gefälscht oder ge- klont werden. Und das wird auch so bleiben. Auch die Ausführungen der FDP im Antrag zum elektronischen Personalausweis sind nicht geeignet, die Bundesregierung von ihrem Vorhaben der Einführung im Jahr 2008 abzubringen. Der elektronische Personal- ausweis wird kein Datenschutzrisiko sein. Im Gegenteil: Der neue Ausweis ist die Antwort auf bestehende Si- cherheitslücken – und damit Datenschutzdefizite –, die 7958 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) heute beispielsweise im Internet bestehen. Sie alle ken- nen das Problem der Datenspionage beim Onlineban- king! Der neue Ausweis gibt dem zukünftigen Doku- menteninhaber die Möglichkeit, unter eigener Kontrolle seine Daten zuverlässig im Internet zu übermitteln. Nie- mand braucht mehr Angst zu haben, dass ein Unbefugter heimlich Konten online abräumt oder im Internet unter falschem Namen Geschäfte macht. Der Ausweisinhaber wird sogar auswählen können, ob nur Name, Adresse oder vielleicht nur die Altersangabe elektronisch über- mittelt werden soll. Die technischen Möglichkeiten, die die Chiptechnologie insbesondere für Internetanwendun- gen bietet, sollten wir unseren Bürgerinnen und Bürgern nicht vorenthalten. Schließlich ist das Internet längst zu einem wichtigen Bestandteil unseres Alltags geworden. Für Behörden und Unternehmen – Stichworte E-Govern- ment und E-Business – ist eine solche sichere Online- identifizierung zudem Voraussetzung, um Gewissheit zu haben, mit wem sie kommunizieren. Für den elektronischen Personalausweis sehe ich da- her keine Veranlassung für einen Kurswechsel in unse- ren Planungen. Dennoch nimmt die Bundesregierung be- stehende Ängste und Vorbehalte gegen den Einsatz der Biometrie und Chiptechnologie ernst. Wir sind bestrebt, Irrtümer und Missverständnisse auszuräumen. Dabei set- zen wir auch auf Berichte wie den vorliegenden zur Technikfolgenabschätzung, der insgesamt einen guten Überblick zur Biometrienutzung für Dokumente und Grenzkontrollen bietet. Zwar ist der Ansatz des Berichts insgesamt richtig, jedoch sind eine Reihe der dort enthal- tenen Informationen mittlerweile überholt. Eine Befas- sung des fast zweieinhalb Jahre alten Berichts vor dem Hintergrund des inzwischen eingetretenen Fortschritts erscheint mir daher nicht mehr geboten. Lassen Sie mich noch eines zu den neuen Pässen und Ausweisen und der Biometrie insgesamt sagen: Wir soll- ten die neuen Technologien nicht pauschal verurteilen, sondern auf reeller Faktenbasis ihre Chancen prüfen und nutzen! Dabei muss das Grundrecht unserer Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung ge- nauso geschützt werden wie ihre Sicherheit. Gert Winkelmeier (fraktionslos): „Denn sie wissen, was wir tun!“ titelte „Die Zeit“ vor anderthalb Jahren ei- nen aufschlussreichen Artikel zum Thema Geheim- dienste, Polizei und Bürgerrechte. Anlass war die bevor- stehende Einführung des biometrischen Reisepasses. Sicherheitsexperten, Computerfreaks und Bürgerrechtler hatten schon im Vorfeld auf erhebliche Risiken hinge- wiesen. Auch der oberste Datenschützer dieses Landes, Peter Schaar, warnte in seinem Tätigkeitsbericht im April 2005 vor einem Schnellschuss: Sorgfalt müsse vor Schnelligkeit gehen. Dennoch wurden die ersten neuen Pässe im November 2005 eingeführt. Der ehemalige In- nenminister Schily sah, wie eines seiner Lieblingskinder das Licht der Welt erblickte. Nur am Rande möchte ich nochmals auf die Anekdote hinweisen, dass der Innen- minister a. D. inzwischen eine Minderheitenbeteiligung an der Firma besitzt, die diese biometrischen Reisedoku- mente anbietet. Derweil haben die Experten ihre Bedenken auch praktisch belegen können: Den Code des RFID-Chips hatte eine niederländische Sicherheitsfirma bereits inner- halb von zwei Stunden nach der Aufzeichnung ent- schlüsselt. Danach lagen Geburtsdatum, Foto und Fin- gerabdruck des Passinhabers im Klartext vor. Anleitungen, wie man sich ein RFID-Chip-Lesegerät selber bauen kann, lassen sich inzwischen aus dem Inter- net runterladen. Dem deutschen Sicherheitsexperten Lukas Grunwald ist es gelungen, den Chip zu klonen. Auch ist es nach seinen Angaben möglich, einen Pass mit einem fremden Chip zu ergänzen. Die Lesegeräte nutzen nur den nächstgelegenen Chip. Grunwald nennt das Design der E-Pässe einen „totalen Hirnschaden“. Ein altes deutsches Sprichwort besagt: „Aus Schaden wird man klug.“ Nur scheint es nicht immer zuzutreffen. Es wäre wirklich vernünftig, auf die weitere Ausgabe der biometrischen Pässe zu verzichten, bis ein sicheres und anpassungsfähiges System für den Chip entwickelt worden ist. Sollte dies nicht gelingen – und davon ist bei der Rasanz der technischen Entwicklungen eigentlich auszugehen –, ließe sich auch problemlos ganz auf die- ses Dokument verzichten. Denn eigentlich hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsur- teil von 1983 die systematische, maschinell gestützte Durchleuchtung der Bevölkerung verboten. Nur will sich daran seit dem 11. September niemand mehr so recht erinnern. Am biometrischen Pass haben sich die Sicherheits- mängel des biometrischen Chips bereits offenbart. Wes- halb dann auf die Einführung des biometrischen Perso- nalausweises nicht gänzlich verzichtet wird, ist nur schwer nachvollziehbar. Zudem wird aufgrund der be- stehenden Ausweispflicht jeder Bürger verpflichtet, seine biometrischen Merkmale abzugeben. Das ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf informa- tionelle Selbstbestimmung. Die bürgerlichen Freiheits- rechte werden ein weiteres Mal geschädigt. Wir haben es hier also mit einem doppelten Schaden zu tun: einem technischen am biometrischen Chip und einem von Sicherheitspolitikern gewollten ideellen an den Bürgerrechten. Aber aus Schaden wird man anschei- nend nicht immer klug; vor allen Dingen dann nicht, wenn man es nicht will! Im Sicherheitswahn nach dem 11. September will man lieber wissen, was wir tun. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Verbot von Telefon- werbung zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam durchsetzen (Tages- ordnungspunkt 18) Julia Klöckner (CDU/CSU): Mit dem Antrag „Ver- bot von Telefonwerbung zum Schutz der Verbraucherin- nen und Verbraucher wirksam durchsetzen“, wird ein Problem angesprochen, womit wir uns schon seit gerau- mer Zeit beschäftigen. Deshalb stimme ich zunächst auch einmal zu: Wir brauchen eine bessere Durchset- zung des Gesetzes gegen unerlaubte Telefonwerbung. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7959 (A) (C) (B) (D) Das Problem ist bekannt. Bleibt zu klären, wie wir hier zu einer Lösung kommen. Schauen wir uns doch einmal die jetzige Rechtslage an: In Deutschland gibt es seit drei Jahren ein Verbot von belästigender Telefon- werbung. Trotz dieses Verbotes durch Art. 7 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb haben sich ungebetene Telefonanrufe bei Verbrauchern immens ausgeweitet. Die Klagen und Erfahrungen von Bürgerin- nen und Bürgern sind uns allen bekannt. Das von der rot- grünen Bundesregierung in der vergangenen Legislatur eingebrachte Gesetz ist in seiner Anwendung leider zahnlos. Gerade die Fraktion der Grünen hatte sich genau für den jetzt geltenden Passus im UWG einge- setzt. Es sieht etwas nach „schlankem Fuß“ aus, aus der Oppositionslage heraus neue Lösungsansätze zu fordern, die man selbst in der damaligen Regierungsverantwor- tung hätte geben können, aber nicht hat. Warum wird gegen das geltende Gesetz verstoßen? Weil sich Anbieter durch diese Anrufe den Vertrieb oft minderwertiger, überteuerter und riskanter Produkte oder Verträge erhoffen und auch erzielen, und sich der Verbraucher nur selten dagegen wehrt. Natürlich dürfen wir die gesamte Callcenterbranche und das Telefon- marketing als solche nicht verteufeln. Wichtig ist, dass wir zwischen schwarzen Schafen und seriösen Unterneh- men unterscheiden. Die Callcenterbranche entwickelte sich in den vergangenen Jahren wirtschaftlich gut. Die Arbeitsplätze müssen hier langfristig gesichert sein und dürfen nicht unter dem schlechten Ruf krimineller Un- ternehmen leiden. Viele seriöse Callcenter rufen erst nach vorheriger und schriftlicher Einwilligung an oder betreuen auf diese Weise ihre Stammkunden. Nach der jetzigen Rechtslage handelt es sich aber bei den sogenannten Cold Calls, wenn also die Privatperso- nen zuvor nicht eingewilligt haben, um eine unzumut- bare Belästigung. Das Schema ist immer gleich: Die An- rufe erfolgen zumeist abends und am Wochenende und versprechen mit Stimmen vom Band oder Callcentermit- arbeitern eine Urlaubsreise, einen lukrativen Zweitjob, hohe Gewinne, günstige Kredite oder die Bitte um Teil- nahme an Meinungsumfragen. Die Beschwerden in mei- nem Wahlkreis, aber auch bei den Verbraucherzentralen haben enorm zugenommen. Besonders ältere Menschen wissen nicht, wie sie gegen solche Belästigungen vorge- hen sollen und welche Rechte sie haben. Oftmals geben sie dubiosen Firmen ihre Kontonummer und werden re- gelrecht abgezockt. Die Alternative kann hier aber ge- wiss nicht sein, immer erst den Anrufbeantworte laufen zu lassen. Neben den Anrufautomaten, die zumeist unwahre Ge- winnmitteilungen auf Anrufbeantwortern von Festnetz- telefonen hinterlassen, ist ein weiterer neuer Trend be- sonders ärgerlich: sogenannte Pin-Anrufe. Bei diesen Anrufen wird gezielt ein einmaliges Rufzeichen übertra- gen und danach die Anwahl beendet. Dies reicht aus, um über die Clip-Funktion etwa eine hochpreisige Mehr- wertdienstnummer zu übertragen. Das Erscheinen der Nummer animiert dann auf dem Telefondisplay zum teue- ren Rückruf. Wollen Verbraucher gegen solche illegalen Anrufe vorgehen, müssen sie eine Vielzahl von Informationen sammeln. Der Angerufene muss sich beispielsweise no- tieren, wann der Anruf eingeht und – wenn möglich – welche Nummer auf dem Display erscheint. Ebenso muss nach dem Namen der Firma und nach dem Grund des Anrufes gefragt werden. Mit diesen Notizen können sich die Betroffenen an die Verbraucherzentrale oder die Wettbewerbszentrale wenden, damit diese rechtlich mit Unterlassungsansprüchen gegen die schwarzen Schafe vorgehen können. Da dies aber die wenigsten Verbrau- cher wissen und der Weg umständlich und für die beläs- tigenden Anrufer nicht abschreckend genug ist, bleiben viele solcher Anrufe ungeahndet. Der Zuwachs unerlaubter Telefonwerbung lässt sich in Zahlen belegen: Die aktuelle Umfrage der Gesell- schaft für Konsumforschung vom Januar 2007 ist ein weiteres Indiz dafür, dass wir hier etwas tun müssen. Mit 72,5 Millionen Werbeanrufen im dritten Quartal ver- zeichnete die Branche im Vergleich zum vorherigen Quartal einen Zuwachs von 31,3 Prozent. Dabei haben vor allem Lotterien und Gewinnspiele mit 25,3 Prozent die Nase vorne, gefolgt vom Telekommunikationsbe- reich. Allein im ersten Quartal erfasste die Gesellschaft für Konsumforschung 82,6 Millionen ungebetene telefo- nische Werbekontakte. 66,1 Prozent der befragten Anru- fer empfanden die Anrufe als störend und 63,7 Prozent der Befragten brachen das Telefonat sogar frühzeitig ab. Man sieht, wir haben das Problem erkannt. Eine von der Fraktion der Grünen geforderte Gewinnabschöpfung ist wenig hilfreich und konstruktiv: Denn gerade der An- ruf zu Werbezwecken erfolgt stets vorsätzlich. Dies wird auch vor keinem Gericht mit Erfolg zu bestreiten sein. Eine Verschärfung des § 10 des UWG ist vor diesem Hintergrund und in diesem Zusammenhang deshalb we- der erforderlich noch zielführend. Anders ausgedrückt: Wir müssen bei allen Forderungen auf die Rechtssyste- matik achten; das UWG hat zivilgesetzlichen Charakter. Um illegaler Telefonwerbung gerecht zu werden, benöti- gen wir eine Vielzahl von Maßnahmenbündeln, und selbst dann ist vor allem auch der Verbraucher gefragt. Denn ohne eine ausreichende Sachverhaltsdarlegung oder eine Zeugenaussage im Verfahren wird eine effek- tive Rechtsverfolgung bei illegaler Telefonwerbung kaum möglich sein. Flächendeckende Aufklärung tut hier genauso not wie eine bessere Vernetzung der betei- ligten Gruppen, zum Beispiel der Verbraucherzentrale, der Netzagentur, der Wettbewerbszentrale, der Callcen- ter und der Unternehmen. Und eines darf man hierbei trotz allem nicht vergessen: Selbst wenn wir verschärft gegen illegale Telefonwerbung vorgehen, die Anrufe aus dem Ausland zum Beispiel werden wir so nicht verhin- dern. Die Kolleginnen und Kollegen können sicher sein, dass wir der Sache nachgehen werden. Deshalb werden wir auch eine fraktionsinterne Anhörung zu diesem Thema durchführen, um so konstruktive und vor allem zielführende Lösungsansätze zu finden. Die Einstufung als Ordnungswidrigkeit und das Belegen mit einem Buß- geld oder die Regelung, dass telefonische Verträge einer Unterschrift bedürfen oder dass das Widerrufsrecht an- 7960 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) ders gestaltet wird, sind zwar Überlegungen. Sinn macht aber nur das, was auch zum Ziel führt. Die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen wissen es doch am besten. Sie hätten ja in der vergangenen Legis- laturperiode handeln können. Nun gilt Gründlichkeit vor Schnelligkeit – Gesetze müssen auch anwendbar und wirkungsvoll sein. Mit Aktionismen allein ist dem Ver- braucher noch nicht geholfen. Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Ein deutscher Schlagersänger beklagte sich vor einigen Jahren: „Kein Schwein ruft mich an, keine Sau interessiert sich für mich, solange ich hier wohn’, ist es fast wie Hohn, schweigt das Telefon.“ Diese Situation empfand der Sänger Max Raabe für die heutige Zeit wohl zu Recht als außergewöhnlich, und er fuhr deshalb fort: „Den Zu- stand find ich höchst fatal, für heut’ge Zeiten nicht nor- mal, wo jeder nur darüber klagt, das Telefon an Nerven nagt.“ Wir wissen nicht, welche Anrufe sich Herr Raabe wünschte. Allerdings wissen wir, dass allein im Zeit- raum von Januar bis März 2006 82,6 Millionen Werbe- anrufe in Deutschland getätigt wurden. Statistisch wurde damit jeder Deutsche in diesem Quartalsabschnitt min- destens einmal angerufen. Tendenz steigend. Nach Un- tersuchungen der Gesellschaft für Konsumforschung stieg die Zahl der Werbeanrufe in den ersten drei Quarta- len 2006 gegenüber dem Vorjahr um 31,3 Prozent, und bei einem Besuch in der Verbraucherzentrale meiner Heimatstadt Mönchengladbach hatte ich bereits im letz- ten Jahr Gelegenheit, mich von der Zunahme der Ver- braucherbeschwerden über unerbetene Werbeanrufe und unsolide Geschäftspraktiken am Telefon zu überzeugen. Allerdings – und auch das sollten wir uns vor Augen hal- ten – ist nicht jeder Werbeanruf auch gleich ein Verstoß gegen die Vorschriften des UWG. Daher halte ich grundsätzlich die Regelung in § 7 UWG für richtig und zielführend. Dieser Paragraf regelt, dass ein Anruf dann eine unzumutbare Belästigung darstellt, wenn er eine Werbung gegenüber einem Ver- braucher zum Inhalt hat, die ohne dessen Einwilligung geschieht Das erkennt offenbar auch der Antrag der Grünen an, der lediglich Änderungen auf der Rechtsfol- genseite vorschlägt. Der Gesetzgeber hat demnach einen Tatbestand geschaffen, der die Grenzen unerlaubter Telefonwerbung klar umreißt und daher auch in der Rechtspraxis handhabbar ist. Ob die zur Verfügung ge- stellten Sanktionsmechanismen allerdings abschreckend genug sind, um unseriöse Werbeanrufe vom Verbraucher fernzuhalten, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die von den Grünen vorgeschlagenen Änderungen gehen in die gleiche Richtung wie die Forderungen, die bereits die Verbraucherschutzverbände in die öffentliche Debatte eingebracht haben. Diese Vorschläge sind zu- nächst auf ihre Tauglichkeit hin zu überprüfen. Die Ver- braucherverbände bieten gleich ein ganzes Arsenal von Sanktionsmöglichkeiten an. Unsere Aufgabe im Deut- schen Bundestag ist es nun, zu untersuchen, ob und in- wieweit die einzelnen Optionen die Verbraucher wirk- lich besser vor unerwünschten Werbeanrufen schützen können. Nicht alle Vorschläge überzeugen mich jeden- falls auf Anhieb. Als ein Beispiel will ich hier die Ausweitung des Ge- winnabschöpfungsanspruchs nennen. Nach den Vorstel- lungen der Grünen soll der Anspruch bereits bei einem grob fahrlässig handelnden Unternehmen eintreten, wäh- rend die jetzige Rechtslage ein vorsätzliches Verhalten vorschreibt. Die Gewinnabschöpfung ist ein scharfes Schwert. Auch wenn lediglich der Gewinn abgeschöpft wird und damit beispielsweise Herstellungskosten oder Betriebskosten noch in Abzug zu bringen sind, führt der Einbezug einer Vielzahl von Verträgen zu durchaus statt- lichen Summen. Da wo der Gesetzgeber bislang Ge- winnabschöpfung angeordnet hat, will er gerade diese drakonische Sanktion; denn schließlich steht bei der Ge- winnabschöpfung die Abschreckungswirkung im Vor- dergrund und nicht ein Vermögensausgleich. Diese abschreckende Wirkung darf sich schon aus rechtsstaatlichen Gründen aber nur dann entfalten, wenn dem auch ein entsprechendes Unrechtsverhalten gegen- übersteht. Schon im Rahmen der Debatte der letzten No- vellierung des UWG wurde die Frage erörtert, warum ein fahrlässiges Verhalten nicht ausreicht, um eine Ge- winnabschöpfung anzuordnen. Fahrlässig handelt grund- sätzlich nämlich bereits die Person, die in Kenntnis des Sachverhalts wettbewerbswidrig handelt. Insbesondere handelt im Wettbewerbsrecht nach BGH-Rechtspre- chung derjenige fahrlässig, der sich im Grenzbereich wettbewerbsrechtlicher Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit bewegt und daher mit einer anderen Beurteilung seines zumindest bedenklichen Verhaltens rechnen muss. Ob der jetzige Vorschlag der Grünen nun gänzlich an- ders zu bewerten ist als entsprechende Vorstöße bei der Novellierung des UWG in der letzten Wahlperiode, nur weil er sich nun auf „grobe“ Fahrlässigkeit beschränkt, ist mir noch nicht ganz ersichtlich. Auch wenn der Ge- winnabschöpfungsanspruch nur die Fälle betreffen soll, in denen die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße nicht beachtet wurde, macht es bei dieser Art der Sank- tion doch einen gravierenden Unterschied, ob sich eine Person bewusst für eine Rechtsverletzung entscheidet oder nicht. Aber auch hier sagen wir eine unvoreinge- nommene Prüfung zu. Noch mehr Probleme bereitet aus meiner Sicht aber der Vorschlag, den abgeschöpften Gewinn verpflichtend an Einrichtungen des Verbraucherschutzes zu übertra- gen. Das wäre aus meiner Sicht überhaupt nur dann zu diskutieren, wenn die Verbraucherschutzverbände die einzigen Einrichtungen wären, die den Anspruch auf Ge- winnabschöpfung geltend machen könnten. Der ein- schlägige § 10 UWG bezieht sich indes nicht nur auf Verbraucherschutzverbände, sondern beispielsweise auch auf Kammern. Mit welchen Argumenten hier eine Ungleichbehandlung unter den verschiedenen Klagebe- fugten gerechtfertigt werden soll, sehe ich mit großer Spannung entgegen. Die Einfuhrung eines Bußgeldtatbestandes halte ich da schon für interessanter. Auch hier werden wir uns ge- nau ansehen, ob hierdurch eine echte Verbesserung für die Verbraucher erreicht werden kann. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7961 (A) (C) (B) (D) Die Änderungen der UWG-Novelle sind keine zwei- einhalb Jahre in Kraft, und eine solide Evaluation über die Bewährung dieser Vorschriften in der Rechtspraxis hat noch nicht stattgefunden. Es ist uns daher in dieser Debatte nicht damit geholfen, Schnellschüsse in typi- scher Oppositionsmanier abzufeuern, wie dies bei die- sem Antrag der Grünen offensichtlich geschieht. Innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir bereits im letzten Jahr eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema gegründet, weil auch wir mit der Einhaltung der Anrufverbote aus § 7 UWG nicht zufrieden sind. Wir werden uns in den nächsten Wochen mit der Problematik und mit möglichen Lösungsansätzen gründlich auseinan- dersetzen. Ich freue mich also dann auf konstruktive Gespräche mit den Fraktionen dieses Hauses im Inte- resse einer praktischen und verbraucherfreundlichen Lö- sung – schon alleine, damit Menschen wie Max Raabe sich noch wirklich auf Telefonanrufe freuen können und das Telefon kein Instrument wird, das nur noch „an Ner- ven nagt“. Dirk Manzewski (SPD): Wir debattieren am heuti- gen Abend über einen Antrag der Fraktion des Bünd- nisses 90/Die Grünen zur wirksamen Durchsetzung des Telefonwerbungsverbotes. Das Grundanliegen des Antrages ist durchaus begrü- ßenswert. Würde man in der Öffentlichkeit eine Um- frage starten, würde mit Sicherheit die Mehrheit der Be- völkerung Telefonwerbung ablehnen. Wir sollten uns jedoch vor populistischen Schnellschüssen hüten, die uns nicht weiterhelfen. Auch wenn ich selbst den Eindruck habe, dass es trotz des Telefonwerbungsverbots nach wie vor zu ungewoll- ten Werbeanrufen kommt, muss ich zum Beispiel ehrli- cherweise eingestehen, dass mir gesicherte Erkenntnisse über das tatsächliche Ausmaß dieser Belästigung nicht vorliegen. Dies sollte aber zunächst geklärt werden, um grundsätzlich den Bedarf nach etwaigen neuen Regeln festzustellen. Die Zahlen hierüber variieren nämlich er- heblich. Während der Antrag von circa 82,6 Millionen telefo- nischen Werbekontakten allein im ersten Quartal 2006 ausgeht, berichtet die Zentrale zur Bekämpfung unlaute- ren Wettbewerbs nur von einigen hundert Beschwerden pro Jahr, wobei allerdings eine hohe Dunkelziffer zuge- standen wird. Ich meine, dass dies zunächst geklärt wer- den sollte. Wir müssen uns auch fragen, ob die gemachten Vor- schläge geeignet sind, Verbraucher wirksamer vor unge- wollten Werbeanrufen zu schützen. Wir dürfen ja nicht verkennen, dass unerwünschte Werbeanrufe schon jetzt verboten sind. Dies beinhaltet übrigens, dass bereits jetzt Unterlas- sungs- und Schadensersatz- sowie Gewinnabschöp- fungsansprüche bestehen. Der Verbraucher ist zudem – es geht ja hier um Fernabsatzverträge – durch ein um- fassendes Widerrufs- und Rückgaberecht geschützt. Soweit konkret ein Bußgeldtatbestand gefordert wird, bleibt anzumerken, dass die Verfolgung unerwünschter Telefonwerbung in der Regel daran scheitert, dass die Identität des Anrufers auf der anderen Seite nicht zu er- mitteln ist. Hieran wird aber die Einführung eines Buß- geldtatbestandes nichts ändern. Zudem dürfen wir nicht verkennen, dass uner- wünschte Werbeanrufe zwar belästigend und nervend, aber gleichwohl nicht mit dem Vergleichbar sind, was wir ansonsten für ordnungswidrig oder strafwürdig er- achten. Letzteres wird im Übrigen auch dazu führen, dass es Probleme bei den Auskunftsersuchen zur Identitätsfest- stellung geben wird, jedenfalls dann, wenn es das Fern- meldegeheimnis betrifft. Soweit vorgeschlagen wird, dass die Gewinnabschöp- fung bereits bei grob fahrlässigem Verhalten greifen soll, bleibt anzumerken, dass dies keinen Sinn macht, weil Werbeanrufe in der Regel ohnehin vorsätzlich gemacht werden und damit bereits vom geltenden Recht umfasst werden. Ich nehme interessiert zur Kenntnis, dass man in die- sem Zusammenhang plötzlich offenbar den Gewinnab- schöpfungsanspruch für geeignet ansieht. Soweit der ab- geschöpfte Gewinn verpflichtend an Einrichtungen des Verbraucherschutzes abgeführt werden soll, halte ich dies für nichtzielführend. Ich meine, es sollte um die Sa- che gehen, und kein finanzieller Anreiz für die klagebe- fugten Verbände geschaffen werden. Ich rate daher den Beteiligten dazu, die Diskussion zu versachlichen. Das BMJ hat gestern mit den Beteiligten eine Verbändeanhörung durchgeführt. Ich bin gespannt auf die Auswertung und kündige schon jetzt an, dass wir uns an der Diskussion über das streitbefangene Thema rege beteiligen werden. Hans Michael Goldmann (FDP): Donnerstag, 23.20 Uhr, das Telefon klingelt. Und es ist nicht etwa mein Parlamentarischer Geschäftsführer, der mir sagen will, dass TOP 18 der heutigen Tagesordnung aufgerufen wird, sondern es ist eine nette weibliche Stimme vom Band, die mir ins Ohr säuselt, ich habe gewonnen und müsse nur noch diese 0900er-Nummer anrufen, um mei- nen tollen Gewinn abzurufen. Solche Anrufe sind nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich denn sie verleiten gutgläubige Bürgerinnen und Bürger dazu, teure 0900er-Nummern anzurufen, um einen gar nicht existenten Gewinn abzurufen oder – noch schlimmer – um dann erst in die Fänge unseriöser Fir- men zu geraten, die ihnen mit diesen oder jenen Verträ- gen das Geld aus der Tasche ziehen wollen. Telefonanrufe zu gewerblichen Zwecken sind in Deutschland nur dann erlaubt, wenn bereits eine ge- schäftliche Beziehung besteht oder der Angerufene vorher eingewilligt hat. Doch dieses Verbot des soge- nannten Cold Callings interessiert eine Reihe von Unter- nehmen offensichtlich überhaupt nicht, wie die Zahlen der immer weiter ansteigenden unerlaubten Werbeanrufe 7962 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) zeigen. Solche Anrufe stellen einen besonders hinterlis- tigen Weg dar, um Menschen mit Überrumpelungstaktik zu unvorteilhaften Geschäftsabschlüssen zu bewegen. Denn das Telefon in der privaten Wohnung ist ein Teil der Privatsphäre. Ein Werbeanruf dort erwischt die meis- ten Menschen unvorbereitet – und genau das soll ausge- nutzt werden. Die Zunahme solcher unerlaubten Werbemethoden ist tatsächlich zu einem großen Problem geworden. Wir müssen deshalb auch ernsthaft überlegen, wie wir dem begegnen. Ich halte aber nichts davon, jetzt mit Schnell- schüssen Gesetze zu schaffen, die bestenfalls in Geset- zesform gegossener Good Will sind. Davon hat am Ende kein Verbraucher etwas. Es muss in diesem Zusammenhang auch klargestellt werden: Die weit überwiegende Mehrheit der Unterneh- men in Deutschland hält sich bezüglich Telefonmarke- ting an das geltende Recht, das zudem in Deutschland restriktiver ist als in fast allen anderen EU-Staaten. Es darf daher nicht sein, die gesamte Werbebranche unter Generalverdacht zu stellen, mit unerlaubten Werbeanru- fen die Verbraucherinnen und Verbraucher zu belästigen. Es darf auch nicht unser Ziel sein, gesetzliche Regelun- gen zu verlangen, die am Ende auch die seriösen Werbe- treibenden und werbenden Unternehmen knebeln, die durchaus ein Interesse an einer gesetzeskonformen Di- rektansprache von Verbrauchern haben können. Das gilt gerade für kleine und neu gegründete Unternehmen, die sich andere Formen der Kundenansprache nicht oder noch nicht leisten können. Nichtsdestotrotz stellen unerlaubte Werbeanrufe in Privathaushalten einen gesetzeswidrigen und grundsätz- lich mit dem Recht auf Privatsphäre unvereinbaren Ein- griff in Verbraucherrechte dar. Das Verbot des Cold Cal- lings im UWG muss konsequent durchgesetzt werden. Allerdings ist das Problem weniger, ob Bußgelder ver- hängt werden können oder nicht, sondern die Frage der Ermittlung, wer der Anrufer ist. Auf diese entscheidende Frage wird in dem Antrag keine Antwort gegeben. Denn Bußgelder können nur dann durchgesetzt werden, wenn bekannt ist, wer sich unerlaubter Methoden bedient hat. Dies ist aber in den allermeisten Fällen technisch fast unmöglich, wenn Nummern unterdrückt werden oder die Anrufe aus dem Ausland stammen. Fragwürdig ist auch die Forderung nach einer Locke- rung des Verschuldensmaßstabs bei der Abschöpfung von Unrechtsgewinnen. Es ist richtig, dass der Gewinn- abschöpfungsanspruch nur selten durchgesetzt werden kann. Es ist aber ebenso richtig, dass die Norm jedenfalls eine Ausnahme in unserem Rechtssystem darstellt, mit der dem Zivilrecht quasi eine strafende Funktion zu- kommt. Eine solche Ausnahme muss strenge Vorausset- zungen haben, um nicht durch einen zu weiten Anwen- dungsbereich die Funktion des Zivilrechts zur Regelung von Rechtsverhältnissen zwischen Privaten hin zu einem Instrument des Strafrechts auszudehnen. Die Abschöpfung von Unrechtsgewinnen im Zivil- prozess zugunsten des Fiskus kann durchaus eine diszi- plinierende Funktion erfüllen, da im Zweifel hohe Sum- men im Raume stehen. Aber auch genau deshalb muss die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Die geforderte Ausweitung der tatbestandlichen Voraussetzungen auf die grobe Fahrlässigkeit bedarf auf jeden Fall einer sehr genauen Abwägung sowohl hinsichtlich der Systematik des Zivilrechts als auch hinsichtlich der Verhältnis- mäßigkeit. Aus gutem Grunde ist im UWG vorgesehen, dass der abgeschöpfte Unrechtsgewinn dem Fiskus zufließen soll, um nicht die klagebefugten Verbände zum Kläger aus finanziellem Eigeninteresse zu machen, sondern die Klagen auf die Fälle zu beschränken, in denen ein über- greifendes Interesse durch die Verbände wahrgenommen wird. Die Forderung der Grünen, die abgeschöpften Ge- winne nunmehr durch die Hintertür quasi doch den Ver- bänden zukommen zu lassen, setzt diese einem Verdacht aus, der ihre Integrität beschädigen kann. Allerdings muss sehr wohl darüber nachgedacht wer- den, ob in Fällen, in denen die Verbände eine derartige Klage anstrengen wollen und ein größeres gesellschaft- liches und auch volkswirtschaftliches Interesse an der Klärung der Frage besteht, der Staat nicht eine Ausfall- bürgschaft für die Kosten der Rechtsverfolgung über- nehmen kann. Denn regelmäßig erreichen die Streitwerte eine Höhe, die bedingt, dass für die klagebefugten Ver- bände das Prozesskostenrisiko finanziell zu hoch ist. In solchen Fällen aber kann es auch durchaus im Interesse des Staates sein, die klagebefugten Verbände darin zu unterstützen, die Unrechtsgewinne für den Fiskus zu er- streiten. Bei der Frage des Gewinnanspruchs gilt es, sich noch einmal sorgfältig mit dem umfangreichen Material, das noch aus der UWG-Novelle aus der 15. Wahlperiode vorliegt, auseinanderzusetzen. Was noch vor kurzer Zeit richtig war, kann heute noch nicht komplett falsch sein. Wir müssen aufpassen, dass die Gesetzgebung in diesem Bereich nicht zu kurzatmig wird. Es wird eine Zeit dau- ern, bis sich das dem deutschen Recht eher fremde In- strument des Gewinnabschöpfungsanspruchs wirklich durchsetzen wird. Notwendig ist – und das kommt in dem Antrag, den wir hier beraten, leider überhaupt nicht vor – insbeson- dere Verbraucheraufklärung. Es muss jedem klarge- macht werden, dass er unerlaubte Werbeanrufe nicht dul- den muss und was er selbst aktiv dagegen tun kann. Besonders ist es erforderlich, eine höhere Sensibilität im Umgang mit den persönlichen Daten bei den Verbrau- cherinnen und Verbrauchern zu wecken – zur Vermei- dung von Spam am Telefon oder bei E-Mails trägt be- sonders bei, wenn Telefonnummern oder E-Mail- Adressen nicht wahllos gestreut werden. Jeder Verbrau- cher muss sich hier auch seiner Eigenverantwortung be- wusst sein, aber auch seine Rechte kennen und wissen, wie und mit wessen Unterstützung – beispielsweise nämlich der Verbraucherzentralen – er sie durchsetzen kann. Ich würde mir aber auch wünschen, dass der Ansatz der Werbebranche, sich durch einen Ehrenkodex selbst Maßnahmen aufzuerlegen, die es schwarzen Schafen schwerer machen, berücksichtigt wird, wenn wir über schärfere gesetzliche Maßnahmen beraten. Ich halte es Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7963 (A) (C) (B) (D) für einen vielversprechenden Weg, die Selbstheilungs- kräfte des Marktes durch notwendige gesetzliche Maß- nahmen zu flankieren. Wir müssen dabei aber aufpassen, dass wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und die Ansätze, die aus der Wirtschaft selbst kommen, ab- würgen. Karin Binder (DIE LINKE): „Guten Tag, unser Zu- fallsgenerator hat Sie als Gewinnerin eines unserer heu- tigen Hauptpreise ermittelt …“ Wer von uns hat nicht schon einmal eine ähnliche Begrüßung am Telefon er- fahren? Eine freundliche, aber unverbindliche Band- stimme fordert uns auf, nur noch unsere Adresse anzuge- ben, damit der Gewinn geliefert werden könne. Bei solchen Anrufen lege ich sofort auf, weil ich weiß, wozu sie stattfinden. Aber viele Menschen wissen es nicht, ge- ben im guten Glauben ihre Adresse an und befinden sich ab sofort im erlauchten Kreis derer, die jetzt öfter ange- rufen und telefonisch umworben werden. Unerwünschte Telefonwerbung ist ein wachsendes Problem. Die Rechtslage aber ist in der Praxis äußerst schwammig. Zwar hat jede Bürgerin und jeder Bürger einen Unterlassungsanspruch gegen unerwünschte und belästigende Telefonwerbung, aber den Schutz der eige- nen Privatsphäre durchzusetzen ist schwierig. Die Be- troffenen müssen die Belästigung selbst zivilrechtlich zur Ahndung bringen und diese detailliert beweisen. Es gibt zwar das Verbot, aber keinen durchgreifenden Buß- geldtatbestand. Das wird der massenhaften Anzahl der Verstöße nicht gerecht. In der aktuellen Ausgabe der Stiftung Warentest ist die Situation kurz und klar darge- legt. Die schwarzen Schafe werden namentlich benannt. Zwar sind die kalten Werbeanrufe verboten. Aber die Strafe für den Verstoß steht in keinem Verhältnis zu dem möglichen Gewinn. Selbst Firmen, die abgemahnt wur- den, machen munter weiter. Das Verbot im Rahmen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb genügt of- fensichtlich nicht. Härtere Sanktionen wie höhere Buß- gelder und wirksamere Gewinnabschöpfungsmöglich- keiten scheinen erforderlich. Das nächste Problem stellt sich dann jedoch für die Bürgerinnen und Bürger bei der Anzeige- und Beweis- last im Bußgeldverfahren. Es werden praktikablere und sachgerechtere Lösungen zur Sicherstellung der Ahn- dung gebraucht. Die Verbraucherschutzorganisationen haben da bereits einiges geleistet. Die Verbraucherzen- tralen haben zwar die Möglichkeit, einen Unterlassungs- anspruch im Wege eines Abmahnverfahrens durchzuset- zen, notfalls mit einer Verbandsklage. Die Unterlassungsverpflichtungen der Firmen gelten dann gegenüber allen Betroffenen; bei Verstößen dagegen drohen empfindliche Geldstrafen. Aber auch hier ist die Voraussetzung für den Erfolg solcher Verfahren die Kenntnis und Beweisbarkeit der relevanten Daten. Sonst sind die von den zuständigen Ministerien im Oktober 2006 ins Gespräch gebrachten Bußgelder wirkungslos, ähnlich wie die bereits jetzt strafbelegten Unterlassungs- ansprüche. Bußgelder wirken nur, wenn auch das Risiko besteht, für die Rechtsverstöße belangt zu werden. Der Gesetzgeber muss die Telefonwerber verpflich- ten, gegenüber dem Angerufenen ihre Daten zu Beginn des Gesprächs zur Rückverfolgbarkeit offenzulegen. Der Gestörte darf nicht die alleinige Ermittlungs- und Be- weislast tragen. Geprüft werden muss der Vorgang mit- tels Verbindungsnachweis beim Störer. Um wirksame und effektive Lösungen zu finden, sollten wir die Erfah- rungen der Verbraucherschutzorganisationen und der Datenschützer ebenso nutzen wie die Möglichkeiten neuer Technik in der Telekommunikation. Es geht dabei nicht allein um den Schutz der Privat- sphäre. Es geht auch um den Schutz vor Überrumpelung und unlauteren Angeboten, denen vor allem Menschen mit kleinem Geldbeutel ausgeliefert sind. Die sehen sich nach solchen Telefongesprächen plötzlich mit Geldfor- derungen eines Unternehmens konfrontiert, mit dem sie angeblich irgendwelche Verträge eingegangen sind. Viele Menschen tappen so in die sogenannte Schulden- falle. Wenn wir nicht immer mehr Schuldnerberatungsstel- len einrichten wollen, müssen wir dagegen etwas tun. Es ist Aufgabe der Bundesregierung, jetzt zügig ihrer Ver- antwortung nachzukommen und wirksame Gesetzesvor- schläge zu erarbeiten. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Uner- wünschte Telefonwerbung ist in der Bundesrepublik ein Massenphänomen. Jeden Tag werden Verbraucherinnen und Verbraucher tausdendfach durch belästigende Wer- beanrufe schikaniert und geschädigt. Allein für das erste Quartal 2006 hat eine Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung über 80 Millionen unaufgeforderte Werbeanrufe festgestellt. Das bedeutet 900 000 Belästi- gungen pro Tag, 900 000 Störungen der Privatsphäre, 900 000 Versuche von Unternehmen, sich mit unlauteren Praktiken einen Wettbewerbsvorteil zu erschleichen. Und viel zu oft geht das Kalkül der schwarzen Schafe der Werbebranche auf. Wenn die überrumpelten Ver- braucher nicht immer wieder „Nein“ sagen, haben sie, ohne es zu ahnen, schon einen Vertragsabschluss einge- leitet, zu dem sie sich unter normalen Umständen nie- mals bereitgefunden hätten. Gerade die schwächsten und am wenigsten geschäftskundigen Marktteilnehmer dro- hen dabei, unter die Räder zu kommen. Diesem Unwe- sen muss ein Riegel vorgeschoben werden. Das von Rot-Grün 2004 im UWG verankerte Verbot von Telefonwerbung ohne vorheriges Einverständnis der Verbraucher war ein erster wichtiger Schritt in diese Richtung. Aber die Praxis zeigt, dass das Verbot die Werbetreibenden nicht abschreckt, weil wirksame Sank- tionsmöglichkeiten fehlen. Die schwarzen Schafe der Branche müssen derzeit weder empfindliche Bußgelder fürchten noch die Abschöpfung ihrer Unrechtsgewinne. An diesen beiden Punkten setzt unser grüner Antrag an, um belästigende Telefonwerbung endgültig unattraktiv zu machen. Wir fordern, dass unerbetene Telefonwerbung zu- künftig als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit Bußgel- dern von bis zu 50 000 Euro sanktioniert wird. Außerdem 7964 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) müssen die Voraussetzungen der Gewinnabschöpfung er- leichtert werden, um bestehende Probleme beim Beweis vorsätzlichen Handelns zu beseitigen. Bisher hat die große Koalition im Verbraucherschutz wenig zustande gebracht. Auf eine Verbesserung der Fahrgastrechte oder auf ein Girokonto für jedermann warten Verbraucherinnen und Verbraucher bis heute ver- geblich, ebenso auf die angekündigte zügige Neuvorlage des Verbraucherinformationsgesetzes. Auch dem Pro- blem der belästigenden Telefonwerbung hat sich die Bundesregierung nur zögerlich genähert. Umso dringen- der ist es, jetzt zu handeln. Ich habe den ermutigenden Eindruck, das wird auch in den Koalitionsfraktionen zu- nehmend so gesehen. Lassen Sie uns in dieser Frage zu- sammenarbeiten und gemeinsam dafür sorgen, dass die tägliche Belästigung von Verbraucherinnen und Verbrau- chern durch unerwünschte Telefonwerbung bald ein Ende hat. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts (Tages- ordnungspunkt 19) Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung das Gesetz zur Neuregelung des Rechtsbe- ratungsrechts. Kernpunkt dieses Gesetzentwurfs der Bundesregierung ist das neue Rechtsdienstleistungsge- setz, mit dem das bisherige – mittlerweile in die Jahre gekommene – Rechtsberatungsgesetz abgelöst werden soll. Die Neuregelung ist erforderlich geworden, weil die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht, Bun- desgerichtshof und Bundesverwaltungsgericht verschie- dene Lockerungen des grundsätzlichen Rechtsbera- tungsverbots im Rechtsberatungsgesetz für Personen, die nicht Volljuristen sind, bewirkt hat. Die Gerichte ha- ben dabei dieses Rechtsberatungsverbot im Lichte des Grundrechts der Berufsfreiheit in Art. 12 des Grundge- setzes ausgelegt und den Begriff der erlaubnispflichtigen Rechtsberatung, definiert in diesem Lichte, einschrän- kend definiert. Sie liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur vor, wenn es sich um eine umfassende und vollwertige Beratung des Recht- suchenden in zumindest einem Teilgebiet des Rechts handelt und wenn Kern und Schwerpunkt der Tätigkeit auf rechtlichem Gebiet liegen. Daraus hat die gerichtli- che Praxis gefolgert, dass beispielsweise die Testaments- vollstreckung, die Insolvenzberatung – im Gegensatz zur Insolvenzverwaltung – oder auch eine unentgeltliche Rechtsberatung in bestimmten Ausnahmefällen ohne eine Rechtsberatungserlaubnis zulässig sind. Alles in al- lem wird das geltende Rechtsberatungsgesetz dieser Lage nicht mehr optimal gerecht, sodass eine Neukon- zeption notwendig geworden ist. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden diese verfassungsgerichtlichen Vorgaben aufgegriffen und in einem neuen Rechtsdienstleistungsgesetz umgesetzt. Das Rechtsdienstleistungsgesetz regelt nur die außer- gerichtliche Erbringung von Rechtsdienstleistungen. Oberste Maxime der Neuregelung muss der Erhalt der hohen Qualität der Rechtsberatung für die rechtsuchen- den Bürgerinnen und Bürger in Deutschland sein. Das Rechtsberatungsrecht muss in dieser Hinsicht vor allem auch Verbraucherschutzinteressen Rechnung tragen. Es ist Verbraucherschutz. Nur Volljuristen, das heißt in der Regel Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte, können eine solche Beratung leisten. Nur diese Berufsgruppe ist sowohl von ihrer Ausbildung als auch aufgrund beson- derer berufsrechtlicher Anforderungen – Unabhängig- keit, Verschwiegenheitspflicht, Haftungsregeln – her in der Lage, den Erwartungen der Bürger in diesem Be- reich gerecht zu werden. Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass der Gesetzentwurf der Bundesregie- rung davon ausgeht, dass auch weiterhin eine umfas- sende und vollwertige Rechtsberatung nur von Rechts- anwältinnen und Rechtsanwälten geleistet werden soll. Deshalb ist es auch richtig, dass das Rechtsdienstleis- tungsgesetz hinsichtlich der Rechtsberatung bei der bis- herigen Systematik eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt bleibt. Das heißt, Rechtsberatung darf grundsätzlich nur mit einer entsprechenden Erlaubnis angeboten werden. Im Hinblick auf die im Gesetzentwurf vorgesehenen Öffnungen des Rechtsberatungsrechts für andere Berufs- gruppen ist von weiten Teilen der Anwaltschaft Kritik geäußert worden. Diese Kritik wird vonseiten der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion im Wesentlichen geteilt. Die aufgrund der Rechtsprechung der Bundesgerichte not- wendig gewordenen Öffnungen des anwaltlichen Bera- tungsmonopols werden deshalb im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens intensiv daraufhin überprüft werden, ob die insoweit gefundenen Regelungen insbe- sondere unter dem Aspekt der Qualitätssicherung ange- messen und zielführend sind. Dieser Prüfungsbedarf betrifft etwa die Begriffsdefi- nition der Rechtsdienstleistung, bei der darauf geachtet werden muss, dass die relevanten Fälle der Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten hinreichend erfasst wer- den. Vor diesem Hintergrund erscheint fraglich, ob etwa die komplette Herausnahme der Mediation aus dem Be- griff der Rechtsdienstleistung sachgerecht ist. Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen werden die im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen der Rechts- dienstleistung im Zusammenhang mit einer anderen Tätig- keit, der sogenannten Nebenleistung, sein. Diese Tätig- keiten sollen nach dem Gesetzentwurf erlaubnisfrei sein. Hier wird zu beachten sein, dass die Nebenleistung im Verhältnis zur nichtrechtsdienstleistenden Hauptleistung immer nur dienende Funktion haben kann bzw. zur Erfül- lung der vertraglichen Pflichten erforderlich sein muss. Dabei müssen auch Umgehungsmöglichkeiten dergestalt vermieden werden, dass umfangreiche Rechtsdienstleis- tungen zur Vertragspflicht der nicht juristischen Haupt- tätigkeit gemacht werden können. Die Regelungen zur Zusammenarbeit von Rechtsan- wälten mit anderen Berufen bedürfen ebenfalls der kriti- schen Überprüfung. So soll nach dem Gesetzentwurf je- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7965 (A) (C) (B) (D) dermann die Erbringung von Rechtsdienstleistungen erlaubt sein, wenn er sich hierfür nur eines Anwalts be- dient. Die Mandatsbeziehung kommt in diesen Fällen le- diglich durch die Vermittlung von Dritten zustande. Dies darf nicht dazu führen, dass Anwälte etwa im „Hinter- zimmer“ von Kfz-Werkstätten agieren und gegenüber dem Mandanten überhaupt nicht persönlich in Erschei- nung treten. Der Rechtsuchende hätte dann keinerlei Möglichkeiten, Qualität und Seriosität des Anwalts ein- zuschätzen und persönliches Vertrauen zum Anwalt auf- zubauen. Die Grundbedingung des Aufbaus einer ge- deihlichen Mandatsbeziehung bliebe unerfüllt und der Vorgang der Rechtsberatung für den Rechtsuchenden gänzlich intransparent. Er könnte weder beurteilen noch überprüfen, ob der juristische Laie sein Rechtsbera- tungsbedürfnis vollständig und unverfälscht an den An- walt weiterleitet. Umgekehrt könnte die Weiterleitung einer korrekten anwaltlichen Rechtsberatung durch den Laien unvollständig oder verfälschend sein. Letztlich muss in diesem Zusammenhang auch vermieden wer- den, dass der Rechtsuchende im Haftungsfalle mögli- cherweise nur einen Anspruch gegen den nicht haft- pflichtversicherten Laienanbieter hätte. Schließlich sollten auch die im Gesetzentwurf vorge- sehenen Änderungen in Bezug auf Sozietäten von Rechtsanwälten mit anderen Berufen überarbeitet wer- den. Bislang ist es Rechtsanwälten lediglich erlaubt, sich mit Steuerberatern, Steuerbevollmächtigten, Wirt- schaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern zu einer So- zietät zusammenzuschließen. Dieser Kreis der sozietäts- fähigen Berufe soll nunmehr dahin gehend erweitert werden, dass Rechtsanwälten auch die gemeinsame Be- rufsausübung mit sogenannten vereinbaren Berufen ge- stattet wird. Hier erscheint aus verschiedenen Gründen eine Präzisierung notwendig. Einerseits muss der Schutz des rechtsuchenden Bürgers im Auge behalten werden – anwaltliches Berufsgeheimnis –, und andererseits darf es nicht zu einer ufer- und grundlosen Ausweitung von Zeugnisverweigerungsrechten, die Rechtsanwälten aus gutem Grunde zustehen, kommen. Es liegt also noch ein gehöriges Stück Arbeit vor uns. Ich bin zuversichtlich, dass es im Verlauf der Beratungen im Rechtsausschuss gelingen wird, in den genannten Punkten im konstruktiven Dialog mit der Bundesregie- rung zu entsprechenden Verbesserungen zu gelangen. Christine Lambrecht (SPD): Seit circa sechs Mona- ten liegen Anträge der Fraktion der Grünen und der FDP vor, die sich beide mit Veränderungen der Bedingungen von Lebenspartnerschaften beschäftigen. Im Rechtsaus- schuss konnten die Koalitionsfraktionen hierzu nicht ab- schließend Stellung nehmen, weil in dieser Frage noch keine Übereinstimmung erzielt werden konnte. Sie – von den Oppositionsfraktionen – haben daher nach der Ge- schäftsordnung des Deutschen Bundestages das Recht, einen Bericht zu fordern. Sie fordern mit Ihrem Antrag erneut die Vollendung der eingetragenen Lebenspartnerschaften. Auch ich sehe hier noch Handlungsbedarf, denn es geht um die Abrun- dung eines großen Reformprojekts, das bereits in der vorletzten Legislaturperiode mit dem Lebenspartner- schaftsgesetz begann. Aber ein kurzer Blick in die Vergangenheit zeigt: Wir könnten mit der Vollendung des Reformprojekts längst schon weiter sein, wenn es nicht in den letzten Jahren er- hebliche Widerstände gegeben hätte. Ich erinnere daran, dass im Jahr 2001 ein umfassender Gesetzentwurf vor- lag, der bis auf die Adoption genau das enthielt, was hier jetzt gefordert wird. All das, was heute in dem Antrag der Grünen und auch in dem Antrag der FDP gefordert wird, könnte schon seit 2001 für all die Betroffenen ei- nen Fortschritt in ihrer persönlichen Lebenssituation be- deuten. Warum ist dies noch keine Realität? Hier im Deut- schen Bundestag hat Rot-Grün dieses Gesetz mit seiner Mehrheit beschlossen. Die Stimmen dagegen kamen aus der CDU/CSU. Es gab aber auch Gegenstimmen aus der FDP. Sie haben mit der Begründung gegen dieses Gesetz gestimmt, es sei mit dem in der Verfassung garantierten Grundrecht auf den besonderen Schutz der Ehe nicht zu vereinbaren. Es folgte dann 2002 das bekannte Urteil des Bundes- verfassungsgerichts, das uns den Weg für die weitge- hende Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner- schaft mit der Ehe freigemacht hat. Dort heißt es unmissverständlich: „Der besondere Schutz der Ehe in Art. 6 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nicht, für die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Rechte und Pflichten vorzusehen, die denen der Ehe gleich oder nahe kommen.“ Es kam zu einer Wandlung. Das Gesetz war entgegen der Meinung der selbsternannten Verfas- sungsexperten der FDP sehr wohl mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie in Zusammenhang zu brin- gen. Die FDP hat dann erklärt, dass sie das Gesetz ak- zeptiert. Im Jahr 2005 war sie auch bereit, Änderungen mit zu tragen. Diesen richtigen und sinnvollen Weg haben wir in den vergangenen beiden Legislaturperioden mit dem Le- benspartnerschaftsgesetz und seiner Überarbeitung ein- geschlagen. Seit dem 1. August 2001 ist das Lebenspart- nerschaftsgesetz in Kraft und am 1. Januar 2005 ist auch unser Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartner- schaftsrechts in Kraft getreten. Die Beratungen haben gezeigt und die Erfahrungen haben uns recht gegeben: Die Lebenspartnerschaft ist ein Rechtsinstitut, dessen Akzeptanz – ebenso wie die damit verbundenen rechtli- chen Regelungen – immer weiter zunimmt. Damit ist es bereits jetzt möglich und in großen Teilen auch realisiert, Ehen und Lebensgemeinschaften gesetzlich gleichzu- stellen. Die offenen Punkte, welche die Lebenspartnerschaf- ten noch von der Ehe unterscheiden, waren bereits Ge- genstand des Zustimmungspflichtigen Lebenspartner- schaftsergänzungsgesetzes, das 2002 im Bundesrat gescheitert ist. Wir haben uns mit unserem Koalitions- partner über diese Punkte abzustimmen, und es bedarf diesbezüglich noch zahlreicher Beratungen. Frau Gra- nold hat sich in ihrer Rede fast vor einem Jahr offen für Änderungen gezeigt, was Anlass zur Hoffnung gibt. Sie hat eingeräumt, dass Anpassungen vorzunehmen sind, 7966 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) die das Steuerrecht, das Erbschaftsteuerrecht und auch das Beamtenrecht betreffen. Sie hat auch angekündigt, sich in den Ausschüssen eingehend damit befassen zu wollen, in welchem Umfang Anpassungen vorgenom- men werden müssen, und die Gleichstellung, auch was die Privilegien betrifft, BAföG, voranzutreiben. Sie hat sich gesprächs- und kompromissbereit gezeigt mit Aus- nahme der Adoption, auch hinsichtlich der Zuständigkeit für die Begründung der Lebenspartnerschaften. Von da- her bin ich verhalten optimistisch, dass wir hier zu Ver- änderungen kommen. Im Einzelnen wären meiner Meinung nach noch fol- gende fünf Punkte anzugehen: Die Einführung der Zuständigkeit des Standesbeam- ten für die Begründung der Lebenspartnerschaft. Damit soll endlich klargestellt werden: Lebenspartnerschaften könnten im gleichen Rahmen geschlossen werden wie Ehen. Deshalb wollen wir auch vorsehen, dass die Be- gründung der Lebenspartnerschaft in genauso würdiger Form erfolgen soll wie die Eheschließung. Die Lebenspartnerschaft ist ein rechtlich relevantes Merkmal des Personenstandes eines Menschen, zum Beispiel auf den Gebieten des Familienrechts und des Erbrechts. Deshalb sind die Mitwirkung bei der Begrün- dung der Lebenspartnerschaft, ihre Dokumentation in ei- nem Personenstandsregister und die weiteren damit ver- bundenen Tätigkeiten bei dem Standesbeamten anzusiedeln, dessen Hauptaufgabe in der Beurkundung des Personenstandes besteht. Die bis zum Inkrafttreten der Änderung begründeten Lebenspartnerschaften sollen in dieses neue Verfahren durch Abgabe der Lebenspartnerschaftsbücher oder ähn- licher Urkundensammlungen an den zuständigen Stan- desbeamten überführt werden. Die vollständige Gleichstellung im Steuerrecht. Es gibt in unserer Zeit angesichts der Vielzahl kinderloser Ehen einerseits und der wachsenden Zahl gleichge- schlechtlicher Partnerschaften, in denen Kinder aufgezo- gen werden, für eine Ungleichbehandlung keinen über- zeugenden Grund mehr. Im Einkommensteuergesetz geht es uns vor allem um Folgendes: Lebenspartner sol- len unter den gleichen Bedingungen zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung wählen können wie Ehegatten. Damit ergänzen wir das sogenannte Ehe- gatten-Splitting um ein Lebenspartner-Splitting. Außerdem sollen die Lebenspartner beim Aufbau ei- ner ergänzenden Altersvorsorge wie zum Beispiel der Riester-Rente die gleiche steuerliche Förderung wie Ehegatten erhalten. Für sie soll also die gleiche Kombi- nation aus staatlichem Zuschuss in Form der Altersvor- sorgezulage und steuerlichen Sonderausgabenabzugs- möglichkeiten zur Verfügung stehen. Zudem wollen wir es einem Lebenspartner ermöglichen, das vom verstor- benen Partner aufgebaute steuerlich geförderte Alters- vorsorgevermögen auf einen eigenen Vorsorgevertrag zu überführen, ohne dass diese Transaktion besteuert wird. Im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz wollen wir unter anderem regeln: Lebenspartner sollen den gleichen Freibetrag wie Ehegatten erhalten. Der überlebende Le- benspartner soll wie ein überlebender Ehegatte einen be- sonderen Versorgungsfreibetrag erhalten. Die steuerlichen Folgen für das Ende von Güter- und Zugewinngemeinschaft durch Tod werden auf Lebens- partnerschaften erstreckt. Leben die Lebenspartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und wird der Güterstand durch Tod beendet, soll ein entste- hender Ausgleichsanspruch in demselben Umfang steu- erfrei bleiben, wie er im Fall der Zugewinngemeinschaft unter Ehegatten steuerfrei bleibt. Im Grunderwerbsteuergesetz wollen wir unter ande- rem die Steuererleichterungen für Ehegatten und weitere Angehörige auf Lebenspartner und weitere Angehörige übertragen. Steuerbefreit wäre danach in Zukunft zum Beispiel die Grundstücksübertragung zwischen Lebens- partnern. Angleichungen im Beamten- und Soldatenrecht ein- schließlich der Hinterbliebenenversorgung. Wir wollen sicherstellen, dass die enge persönliche Bindung der Le- benspartner auch im Beamten- und Soldatenrecht gebüh- rend berücksichtigt wird. Deshalb sollen die Vorschrif- ten, die sich auf die Ehepartner der Beamten und Soldaten sowie ihre übrige Familie beziehen, entspre- chend auf Lebenspartner angewandt werden. Dafür soll es neben Änderungen im Bundesbeamten- und Soldatenrecht auch eine entsprechende Änderung des Beamtenrechtsrahmengesetzes geben, das Vorgaben für das gesamte Beamtenrecht macht. Damit sind neben den Bundesbeamten auch die Beamten in den Ländern, Gemeinden und in anderen Körperschaften des öffentli- chen Rechts von der Gleichstellung der Lebenspartner- schaft mit der Ehe erfasst Der Bund kann diese Gleichstellung für Bundesbe- amte und Soldaten näher ausgestalten: Es sollen nament- lich die Bestimmungen über Beamte, ihre Ehegatten und ihre weitere Familie auf Beamte, die in einer Lebens- partnerschaft leben, entsprechend Anwendung finden. Dies gilt zum Beispiel für den Familienzuschlag auf die Besoldung, der in der ersten Stufe bereits für verheira- tete Beamte gewährt wird. Auch die Vorschriften über verwitwete Beamte sollen für Beamte nach dem Tod des Lebenspartners entspre- chend gelten. Sie erhalten dann zum Beispiel Zahlungen, die dem Witwen- bzw. Witwergeld entsprechen. Anpassen wollen wir auch die Vorschriften über geschiedene Beamte für Beamte nach Auflösung einer Lebenspartnerschaft. So soll etwa das Ruhegehalt eines Beamten auch bei der Aufhebung einer Lebenspartner- schaft entsprechend den Rentenanwartschaften gekürzt werden, die sein Partner aus der aufgehobenen Lebens- partnerschaft vom Familiengericht zugesprochen be- kommen hat. Damit der Gleichlauf zwischen dem Recht der Beam- ten und der Rechtsstellung der Soldaten gewährleistet bleibt, wollen wir das Soldaten- und das Soldatenversor- gungsgesetz entsprechend dem Beamtenrecht ändern und die Lebenspartner und ihre Familie einbeziehen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7967 (A) (C) (B) (D) Die Lebenspartnerschaft soll auch im Ausbildungs- und Ausbildungsförderungsrecht berücksichtigt werden. Bei der Förderung nach dem BAföG und dem Aufstiegs- fortbildungsförderungsgesetz wird zum Beispiel der Ehegatte unter anderm bei der Bedarfs- und der Einkom- mensberechnung berücksichtigt. Dies soll in Zukunft ge- nauso für Lebenspartner gelten. Wir von der SPD wollen die Partner einer Lebenspart- nerschaft schließlich auch in sozialrechtlichen Leis- tungsgesetzen den Ehegatten vollkommen gleichstellen. Die bisher von der Gleichstellung noch nicht erfassten sozialrechtlichen Leistungsgesetze wollen wir jetzt auch noch einbeziehen. Das betrifft etwa das Unterhaltsvor- schussgesetz, das HIV-Hilfegesetz und das Wohngeldge- setz. Wir werden uns mit dem Thema weiter beschäftigen, Überzeugungsarbeit leisten. Insofern bitte ich um etwas Geduld. Wir bleiben am Ball. Mechthild Dyckmans (FDP): Die Reform des Rechtsberatungsgesetzes hat einen langen Vorlauf. Be- reits im Frühjahr 2004 hat das Bundesjustizministerium einen entsprechenden Gesetzentwurf angekündigt. Da- mals drohte die Bundesregierung mit dem ganz großen Wurf. So war ursprünglich vorgesehen, die Rechtsbera- tung auch für Diplomjuristen zu öffnen. Von dieser Überlegung hat die Bundesregierung jedoch zum Glück schnell Abstand genommen. Erst jetzt, drei Jahre später, ist es der Bundesregierung endlich gelungen, einen Ge- setzentwurf zur ersten Lesung im Bundestag vorzulegen. Eine grundlegende Reform des Rechtsberatungs- gesetzes ist sicherlich grundsätzlich notwendig. Es ist er- forderlich, das Gesetz den Deregulierungsbestrebungen der Europäischen Kommission im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs und an die geänderten gesell- schaftlichen Bedürfnisse anzupassen. Der Beratungs- bedarf in Rechtsangelegenheiten ist insgesamt in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Die zunehmende eu- ropäische und internationale Öffnung des Rechtsbera- tungsmarktes erhöht diesen Konkurrenzdruck weiter. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einem Be- schluss aus dem Jahre 2004 darauf hingewiesen, dass das Rechtsberatungsgesetz einem Alterungsprozess un- terliege und sich der Norminhalt mit dem Wandel des Umfelds sozialer Verhältnisse und gesellschaftspoliti- scher Anschauungen ändern könne. Wichtig und zentral für die FDP-Bundestagsfraktion ist es, dass der Rechtsu- chende qualifizierten Rechtsschutz erhält und daher das hohe Niveau unseres Rechtsgewährungssystems erhalten bleibt. Daher begrüßen wir, dass der Gesetzentwurf da- ran festhält, dass die Vertretung von Mandanten vor Ge- richt auch künftig nur durch Rechtsanwälte erfolgen darf. Für die FDP-Bundestagsfraktion ist entscheidend, dass der Schutz der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger sowie ihr Vertrauen in eine qualifizierte Rechts- beratung auch weiterhin gewährleistet bleiben. Diesen Grundsätzen fühlen wir uns verpflichtet. Das Rechtsberatungsgesetz war und ist in erster Linie ein Verbraucherschutzgesetz. Auch das Bundesverfas- sungsgericht hat mehrfach klargestellt, dass das Rechts- beratungsgesetz dem Schutz des Rechtsuchenden sowie der geordneten Rechtspflege diene. Es ist ein verfehlter Denkansatz, zu glauben, mit der völligen Freigabe des Rechtsberatungsmarktes könne der Dienstleistungssek- tor gestärkt werden. Zwischen Rechtsanwälten und allen anderen rechtsberatenden Dienstleistern besteht ein er- heblicher Unterschied. Der Kontakt des Bürgers zum Recht ist keine handelsübliche Ware. Das dem Rechtsan- walt entgegengebrachte Vertrauen beruht nicht allein auf Fachwissen, sondern auf seiner Personen als Ganzes. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt, dass der Gesetz- entwurf der Bundesregierung an diesen Maßstäben weit- gehend festhält. Dennoch möchte ich auf einige Rege- lungen hinweisen, die aus unserer Sicht bedenklich sind. Nicht gelungen ist der Begriff der Rechtsdienstleis- tung in § 2 Abs. l des Gesetzentwurfs. Die Formulie- rung, wonach Rechtsdienstleistung eine Tätigkeit ist, die eine „besondere“ rechtliche Prüfung des Einzelfalls er- fordere, ist sehr unbestimmt und wird in der Praxis zu Schwierigkeiten führen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Gerichte damit zu beschäftigen haben, wann eine „allgemeine“ und wann eine „besondere“ rechtliche Prüfung erforderlich ist. Problematisch ist auch die Regelung über die Neben- leistung in § 5. Hiernach sind Nebenleistungen als Rechtsdienstleistungen auch dann erlaubt, wenn sie zur Erfüllung der mit der Haupttätigkeit verbundenen ver- traglichen Pflichten gehören. Diese Formulierung birgt die Gefahr in sich, dass vertraglich geregelt werden kann, welchen Umfang die Nebenleistung als Rechts- dienstleistung haben soll. Damit kann der eigentliche Zweck des Gesetzes, wonach die Nebenleistung im Hin- blick auf die Hauptleistung eine untergeordnete Rolle spielen soll, umgangen werden. Der Schutz der recht- suchenden Bürger muss auch bei der Rechtsberatung als Nebenleistung gewahrt werden. Auch die Rechtsbera- tung als Nebenleistung bedarf bestimmter Anforderun- gen an Qualität und Kontrolle. Für verfehlt halten wir die Regelung in § 5 Abs. 3, wonach Rechtsdienstleistungen unter Hinzuziehung ei- ner Person erbracht werden dürfen, der die selbststän- dige entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistun- gen erlaubt ist. Damit wird der Anwalt zum Erfüllungsgehilfen degradiert. Es besteht kein vertragli- ches Verhältnis zwischen dem rechtsuchenden Bürger und dem Anwalt. Es ist sogar davon auszugehen, dass es in vielen Fällen zu keinerlei Kontakt zwischen beiden kommt. Diese Konstruktion ist mit dem Selbstverständ- nis und dem Berufsbild eines Rechtsanwalts nicht ver- einbar. Hinzu kommt, dass der Kunde keinerlei Ansprü- che gegen den Anwalt hat. Er kann sich lediglich an seinen Vertragspartner wenden, dem die anwaltlichen Berufspflichten nicht zustehen. Die Regelung in § 6, wonach unentgeltliche Rechts- dienstleistungen auch durch Laien erlaubt sind, wenn sie unter Anleitung einer rechtskundigen Person erfolgen, ist vor dem Hintergrund des Vertrauens des rechtsuchen- den Bürgers auf eine qualifizierte Rechtsberatung be- denklich. Im vergangenen Jahr hat der Bundesgerichts- hof einen Fall entschieden, in dem einem Mieter zu 7968 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Recht das Mietverhältnis gekündigt wurde, weil dieser sich aufgrund einer unsorgfältigen Beratung durch den Mieterschutzverein falsch verhalten hatte. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass Mieter auch für schuldhaftes Verhalten des von ihnen eingeschalteten Mieterschutz- vereins einzustehen haben. Dies zeigt, welche gravieren- den Auswirkungen eine unqualifizierte Rechtsberatung haben kann. Aus Sicht der FDP ist es daher notwendig, auch die unentgeltliche Rechtsberatung außerhalb fami- liärer oder ähnlich enger persönlicher Beziehungen auf Personen zu beschränken, die über eine entsprechende Qualifikation verfügen. Insgesamt zeigt sich, dass es noch einen erheblichen Beratungsbedarf gibt, um ein Einvernehmen über das Rechtsdienstleistungsgesetz herzustellen. Aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion ist eine Sachverständigenanhö- rung im federführenden Rechtsausschuss unumgänglich. Die FDP erklärt sich bereit, an einer Lösung mitzuwir- ken, die sowohl die unabhängige und qualifizierte Rechtsberatung im Interesse der Verbraucher sichert als auch insgesamt geeignet ist, auf die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre und den sich wan- delnden Rechtsberatungsmarkt angemessen zu reagie- ren. Es ist eine gute Tradition, dass Gesetzentwürfe zur Reform der Rechtspflege mit großer Mehrheit im Deut- schen Bundestag verabschiedet werden. In diesem Sinne hoffe ich auf eine konstruktive und sorgfältige Beratung des Gesetzentwurfs. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Heute ist ein wichti- ger Tag für die bundesdeutsche Justiz. Denn das Bundes- justizministerium hat nach jahrelanger Weigerung einen längst überfälligen Schritt getan: Es legt einen Gesetz- entwurf vor, mit dem das aus dem Jahre 1935 stam- mende Rechtsberatungsgesetz aufgehoben werden soll. Eine Lobrede ist trotzdem nicht angebracht. Das ist keine besondere Leistung, sondern vielmehr ein – wie gesagt – spät und zudem halbherzig gegangener Schritt. Denn dieser Gesetzentwurf begnügt sich leider nicht mit der Aufhebung des nationalsozialistischen Rechtsbe- ratungsgesetzes, welches sich ursprünglich durch die Beseitigung der Gewerbe- und Betätigungsfreiheit im Bereich der Rechtsberatung vor allem gegen Juden, aber auch gegen alle anderen politisch missliebigen, aus ihren Berufen verjagten Juristen richtete. Vielmehr wird fast unverändert an der untragbaren Einschränkung der un- entgeltlichen, altruistischen Rechtsberatung festgehal- ten und die außergerichtliche Rechtsberatung weiter über Gebühr reglementiert. Damit wird das Herz des al- ten Rechtsberatungsgesetzes nicht angetastet und schlägt im neuen Rechtsdienstleistungsgesetz weiter. Unentgeltliche Rechtsberatung wurde durch das Rechtsberatungsgesetz 1935 einem Erlaubnisvorbehalt unterstellt. Diese Erlaubnis wurde aufgrund einer antise- mitischen Durchführungsvorschrift Juden generell nicht erteilt. Das zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Gewerk- schaften, gemeinnützigen Organisationen und größeren Gemeinden in Form der öffentlichen Rechtsauskunft auf- gebaute Netz an Rechtsberatungsstellen eröffnete allen Bürgerinnen und Bürgern einen unentgeltlichen Zugang zur Rechtsberatung. Nach der Zerschlagung der Gewerk- schaften während des Nationalsozialismus wurde die Rechtsberatung durch die NSDAP und ihre Untergliede- rungen – alle sozialen Organisationen wurden zu Unter- organisationen derselben erklärt – übernommen, aber mit anderer Zwecksetzung: der Abwehr solidarischen Han- delns und der Durchsetzung nationalsozialistischer In- doktrination. Nach dem Ende des NS-Regimes erfolgte dann je- doch nicht, was jeder vernünftige Mensch erwarten würde: die Aufhebung des Rechtsberatungsgesetzes. Vielmehr begnügte man sich mit der Streichung der Worte „NSDAP“ und anderer gemäß den Alliierten Kontrollratsgesetzen. Dies führte nun dazu, dass das Un- recht an den bis 1933 tätigen Rechtsberatungsstellen nicht wieder gutgemacht wurde, sondern das Verbot ein quasiabsolutes wurde. Während der Geltung des Geset- zes diente dieses immer dazu, die Monopolstellung der Rechtsanwältinnen zu sichern und bürgerschaftliches Engagement zu verhindern. Selbst Gewerkschaften wurde anstelle der vor Geltung des Gesetzes möglichen, alle Lebensbereiche abdeckenden Beratung und Vertre- tung nach 1945 nur der Bereich des Arbeits- und Sozial- rechts geöffnet. Die juristischen Attacken gegenüber al- truistischer Rechtsberatung auf der Grundlage des Rechtsberatungsgesetzes sind unzählig. Die Fälle sind so unfassbar, dass ich eine kleine Auswahl darstellen will. Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden unter anderem von Ausländerbehörden gegen in ihrer Freizeit tätige Helfer angestrengt, die sich um Flüchtlinge kümmerten. Nicht einmal vor der Androhung, die traumatisierten Folteropfer wegen der Rechtsberatung zu vernehmen, wurde zurückgeschreckt. Ein Konflikt mit dem Rechts- beratungsgesetz wurde auch angenommen bei der For- mulierung von Anträgen auf Gewährung des Bleibe- rechts. Selbst hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Kirchengemein- den wurde verboten, sozialhilfeberechtigten Flüchtlin- gen mit Rechtsrat zur Seite zu stehen, also beispiels- weise im Widerspruchsverfahren. In Stuttgart wurde auf Betreiben der dortigen Rechtsanwaltskammer der Cari- tasverband verurteilt, die Tätigkeit seiner Flüchtlingsbe- ratungsstelle einzuschränken. Nicht einmal ein Sozial- hilfeträger durfte einen Sozialhilfeempfänger gegenüber der Krankenkasse unterstützen. Auch ein von Jura- studenten gegründeter, unentgeltliche Rechtsberatung anbietender Verein „Studentische Selbsthilfe e. V.“ zählte zu den Leidtragenden des Rechtsberatungsgeset- zes. Nun mag man gewillt sein, diesen Verboten die Mög- lichkeiten des Beratungshilfegesetzes entgegenzuhalten. Doch dieses bot kein ausreichendes Äquivalent zur altru- istischen Rechtsberatung. Denn die Gebühren waren und sind viel zu gering, als dass ein wirklicher Anreiz für anwaltschaftliches Engagement von diesem ausgehen könnte. Ganz zu schweigen von dem bürokratischen Aufwand für die Erlangung der Beratungsgebühr! Das Rätsel, warum selbst der durch altruistische Beratung entstehende Spareffekt hinsichtlich der Gewährung von Prozesskosten und Beratungshilfe keinen Anreiz für die „Kassen leer“-Ideologen in der Bundesrepublik zu bie- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7969 (A) (C) (B) (D) ten vermochte, bleibt unbeantwortbar. Die Geschichte der Entstehung und Fortgeltung des Rechtsberatungsge- setzes bis zum heutigen Tage zeigt, dass einzig die er- satzlose Streichung dieses Nazimachwerks angemessen ist. Was erleben wir nun stattdessen? Das vorgeschlagene Rechtsdienstleistungsgesetz tritt das traurige Erbe des Rechtsberatungsgesetzes an. Ent- gegen aller Beteuerungen ist dies kein Glanzwerk des Verbraucherschutzes, sondern vor allem ein Zugeständ- nis an die nach Marktöffnung schreienden Dienstleister, die das Quasimonopol der Anwaltschaft nicht länger ak- zeptieren wollen. Der Einleitungstext des Gesetzent- wurfs lässt zwar hoffen: eine „zeitgemäße gesetzliche Regelung“ solle das Rechtsberatungsgesetz ablösen, Ziele seien der Schutz der Rechtsuchenden und die „Stärkung bürgerschaftlichen Engagements“. Die Erwar- tungshaltung wird noch angereichert durch die Aussage, dies alles ginge einher mit „Deregulierung und Entbüro- kratisierung“. Doch Enttäuschung stellt sich ein mit der Lektüre des so wohlfeil beworbenen Gesetzes. Wir wer- den im Verlaufe der Beratungen im Rechtsausschuss auf die vielfältigen Bedenken gegenüber dem neuen Rechts- dienstleistungsgesetz im Einzelnen eingehen. Einige die- ser Bedenken möchte ich bereits hier näher ausführen. Die altruistische Rechtsberatung soll auch in Zukunft nur ausnahmsweise, nämlich innerhalb familiärer, nach- barschaftlicher oder ähnlich enger persönlicher Bezie- hungen möglich sein. Alle anderen juristisch Bewan- derten sollen nur dann anderen Menschen uneigennützig – nach dem Gesetzentwurf „unentgeltlich“ – helfen dür- fen, wenn sie entweder Volljurist oder -juristin sind oder unter deren Anleitung stehen. Genau an dieser willkür- lichen Unterscheidung macht sich die Ideologie des Gesetzentwurfs dingfest: Welchen Unterschied für die Qualität der Rechtspflege oder den Schutz der Rechtsu- chenden macht es, ob die Rechtsdienstleistung innerhalb nachbarschaftlicher Verhältnisse oder von engagierten Menschen gegenüber losen Bekannten erfolgt? Für das Bundesjustizministerium scheint festzustehen: Traue keinem, der Gutes will. Und nimm keine Leistung ohne Gegenleistung an. Hier nimmt das Verwertungsdenken schon groteske Züge an. Die Entwurfsverfasser bleiben den Nachweis schuldig, dass der Rechtsrat des Nachbarn per se besser sei als der einer ehemaligen Verwaltungs- angestellten, die ihren Mitmenschen einfach so Rat- schläge zum Widerspruchsverfahren in einem ihr be- kannten Rechtsgebiet erteilt. Die Angst vor dem Fremden nährt diese Ideologie, vielleicht auch die Furcht vor gut beratenen Bürgerinnen und Bürgern, die nicht hohe Gebühren scheuen müssten, um Rat in Din- gen zu erhalten, deren Verständnis ihnen zugleich durch die Bürokratie zwanghaft unterstellt wird. Man erwartet von den Bürgerinnen und Bürgern, dass diese sich an Recht und Gesetz halten, verwehrt ihnen aber die Mög- lichkeit, sich gegenseitig beim Verständnis des Paragra- fendschungels zu helfen. Schlichtweg empörend finde ich folgende Zeilen im Gesetzentwurf: Das Recht darf als höchstrangiges Gemeinschafts- gut grundsätzlich nicht in die Hände unqualifizier- ter Personen gelangen, da es als „gelebtes Recht“ maßgeblich durch die Personen beeinflusst und fortentwickelt wird, die Recht beruflich anwenden. Abgesehen davon, dass die Logik dieses Satz sich wohl nur Eingeweihten erschließt, ist die hier geäußerte Hal- tung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern als Stö- renfriede ein Skandal. Ein weiteres Problem stellt sich für die uneigennützi- gen Vereinigungen. Ihnen soll die Rechtsberatung zwar prinzipiell nach dem Gesetz erlaubt sein, sie müssen sich dabei jedoch zumindest der Anleitung durch Volljuristin- nen und -juristen bedienen. Damit statuiert die vermeint- liche Erlaubnis durch die hohen Anforderungen in Wirklichkeit ein praktisches Verbot. Denn kleine Verei- nigungen können sich derartige Unterstützung wohl in den seltensten Fällen leisten. Selbst wenn sie einen Juris- ten zur unentgeltlichen Mitarbeit gewinnen könnten, bliebe es bei der Begrenzung auf die Beratung von Ver- einsmitgliedern. Zu guter Letzt möchte ich Folgendes nicht verschwei- gen: Auch wenn der Gesetzentwurf zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe nicht auf dem Mist des Bundesjustiz- ministeriums gewachsen ist, ist er doch ganz nach Art des Hauses. Genauso wie der ebenfalls aus dem Bundes- rat stammende Gesetzentwurf zur Einführung von allge- meinen Gebühren für die Sozialgerichtsbarkeit dient er der Verkürzung des Rechtsstaats, nicht dessen Ausbau. Denkt man alle drei Entwürfe zusammen, ergibt sich in Wechselwirkung mit den sozialen Kürzungen der letzten Jahre folgendes Bild: Erst werden die Bürgerinnen und Bürger ihrer sozialen Rechte beraubt und anschließend jeder Möglichkeit, sich dagegen mit rechtsstaatlichen Mitteln zu wehren. Denn zukünftig soll die Gewährung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich unter unzumutba- ren Voraussetzungen stehen und der Gang zum Sozialge- richt zusätzliches Geld kosten, was die Menschen nicht haben. Gegenseitige unentgeltliche Hilfe wird ihnen schließlich untersagt, weil das Recht ja „als höchstrangi- ges Gemeinschaftsgut grundsätzlich nicht in die Hände unqualifizierter Personen gelangen“ darf. Es wird ein hartes Stück Arbeit, aus dieser Mogel- packung ein Gesetz zu machen, dass die altruistische Rechtsberatung ihrer gesellschaftlichen Bedeutung ent- sprechend regelt. Wir werden uns darüber hinaus – im Interesse der Bürgerinnen und Bürger – dafür einsetzen, dass der Schutz der Schwachen auch im Bereich der ent- geltlichen Rechtsberatung im Vordergrund steht. Das Vertrauen der Rechtsuchenden in eine gute, kostengüns- tige Rechtdienstleistung muss in unserer verrechtlichten Gesellschaft wieder mehr Gewicht erlangen. Meine Fraktion steht hierfür bereit. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Ver- trauen ist gut. Anwalt ist besser.“, mit diesem Slogan wirbt der deutsche Anwaltverein. Und die Bundesrechts- anwaltkammer erklärt: „Anwälte – mit Recht im Markt“. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist nicht nur Wer- bung für einen honorigen Beruf. Die Anwaltschaft er- füllt mit ihrem Angebot sachkundiger rechtlicher Bera- tung und Vertretung eine Aufgabe von Verfassungsrang. Sie garantiert, dass der postulierte Rechtsstaat Bundesre- 7970 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) publik Deutschland auch im praktischen Leben der Bür- gerinnen und Bürger ein Rechtsstaat ist. Deswegen ist die Neuregelung des Rechtsberatungsrechts weit mehr als eine Neuregelung der anwaltlichen Berufsausübung. Wir regeln damit den Zugang zum Recht für alle Bürge- rinnen und Bürger. Denn jeder kann in eine Situation ge- raten, in der er auf anwaltlichen Rat und anwaltliche Tat angewiesen ist. Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass sie dann kompetente, diskrete Hilfe und Ver- tretung ihrer Interessen erhalten. Der Zugang zu dieser Dienstleistung muss zugleich so schnell, leicht und bar- rierefrei sein, dass sie den Rat auch tatsächlich in An- spruch nehmen. Das Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahr 1935, das nun vom Rechtsdienstleistungsgesetz und weiteren Re- gelungen abgelöst werden soll, ist trotz einiger Änderun- gen veraltet und bedarf dringend einer Generalrevision. Es ist historisch – das sollten wir nicht vergessen – nicht als ein Gesetz zur Herstellung der Rechtsstaatlichkeit, sondern zur Eliminierung der jüdischen Anwaltschaft in Deutschland entstanden. Vorarbeiten einer Reform gab es schon unter der rot-grünen Regierung. Das Projekt konnte aber wegen des vorzeitigen Endes der 15. Wahl- periode nicht abgeschlossen werden. Deswegen begrü- ßen wir Grüne, dass der Reformansatz weiterverfolgt wird. Was gilt es zu bewahren und wo müssen wir neues Recht schaffen? Wir Grüne wollen als Grundsatz hoch- halten: Die Rechtsberatung und die Vertretung rechtli- cher Interessen muss im Kern in der Hand einer dafür qualifizierten, verschwiegenen, unabhängigen, den Inte- ressen der Mandantschaft verpflichteten Anwaltschaft bleiben. Denn dieser Schutz der Rechtsuchenden auf hohem Niveau gehört zu den wichtigen Erfordernissen eines rechtsstaatlich organisierten Gemeinwesens. Das Vertrauen in das Recht muss gesichert werden durch die Rahmenbedingungen für die Beratung über eine immer kompliziertere Rechtsordnung in einer immer kompli- zierter werdenden Welt. Die beratende Person hat hier eine wichtige Mittlerposition. Der Staat kann dem Rechtsberatungsmarkt deshalb nicht einfach freien Lauf lassen. Er muss ihn in geordnete Bahnen lenken, damit alle sicher ans Ziel kommen, die auf rechtliche Beratung angewiesen sind. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind dafür ausgebildet. Sie bieten wegen ihrer Ver- schwiegenheit, ihrer einseitigen und eindeutigen Aus- richtung auf die Interessen ihrer Mandanten und ihrer strikten Verpflichtung auf das Recht und die Rechtsstaat- lichkeit, die mit nur ihnen zustehenden Vorrechten ein- hergehen, die beste Gewähr für eine objektive und quali- tativ hochwertige Rechtsdienstleistung. Auf der anderen Seite darf die Rechtsdienstleistung kein Pfrund einer Anwaltschaft sein, die sich nach Art der Zünfte gegen unliebsame, aber in Teilbereichen auch kompetente Konkurrenten abschottet. Gewisse einfache und ausdrücklich fachspezifische rechtliche Auskünfte können auch von Nichtanwälten erteilt werden. Eine ge- wisse Öffnung des Marktes ist daher erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat hier bereits Maßstäbe ge- setzt. Ebenso müssen europarechtliche Vorgaben beach- tet werden. Wir wollen das Rechtsberatungsrecht so wei- terentwickeln, dass es seiner Funktion besser gerecht werden kann. Es soll Chancengleichheit herstellen, Schutz und Unterstützung für Menschen bieten, die sich in einer schwächeren Position als andere befinden, und es soll nicht zuletzt dazu beitragen, dass Rechtsnormen in Rechtswirklichkeit umgesetzt werden. Uns Grünen ist insbesondere die jetzt vorgesehene Erleichterung der so- genannten karitativen Rechtsberatung wichtig. Damit können Selbsthilfegruppen, soziale Beratungsstellen, Verbände wie zum Beispiel amnesty international oder die Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienst- verweigerer aus Gewissensgründen und Vereine der Flüchtlingshilfe mit juristischer Unterstützung im Hin- tergrund Menschen Rechtsrat erteilen, die wegen der da- mit verbundenen Kosten oder aus anderen Gründen kei- nen Anwalt und keine Anwältin aufsuchen würden. Der Regierungsentwurf packt die wichtigen Probleme an den Hörnern. Ob alle Griffe richtig gesetzt sind, muss jetzt im Einzelnen geprüft werden. Wir werden uns in den Beratungen einige wichtige Einzelfragen nochmals intensiv anschauen. Ich nenne nur die Annexberatung durch Nichtanwälte, die Öffnung der Beratung durch große und mächtige Verbände und Vereine oder die Aus- gestaltung der dauerhaften Zusammenarbeit zwischen Anwaltschaft und anderen Berufen. Die Regelung an- waltlicher Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger sollte kein parteipolitisches Streitthema werden. Wir Grüne sichern unsere konstruktive Mitarbeit zu und erwarten von der Großen Koalition eine Ausgestaltung der Beratungen und Beachtung der Argumente vor allem der Selbstorganisationen der deutschen Anwaltschaft, die am Ende eine einmütige Entscheidung des Bundesta- ges ermöglicht. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Der Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, den wir heute in erster Lesung beraten, schlägt vor, das Rechts- beratungsgesetz aus dem Jahr 1935 durch ein zeitgemä- ßes Rechtsdienstleistungsgesetz, das RDG, zu ersetzen. Es besteht dabei – übrigens auch innerhalb der Anwalt- schaft – ein breiter Konsens, dass diese grundlegende Reform notwendig ist, notwendig deshalb, weil das alte Rechtsberatungsgesetz in den vergangenen Jahren durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts und der Bundes- gerichte so weit eingeschränkt wurde, dass es in seinem Wortlaut ohne genaue Kenntnis dieser Rechtsprechung gar nicht mehr angewandt werden kann, notwendig aber auch, weil wir eine moderne, zeitgemäße gesetzliche Re- gelung brauchen, um Forderungen nach einer immer weiter gehenden Freigabe der Rechtsberatung begegnen zu können, die vor allem aus Europa gekommen sind und weiter kommen werden. Mit dem RDG schaffen wir eine solche europarechts- und verfassungskonforme Regelung, mit der wir uns klar und eindeutig zu einer grundsätzlichen Beibehaltung des sogenannten Anwaltsmonopols für den gesamten Kern- bereich rechtlicher Dienstleistungen bekennen. Dies be- trifft einerseits die Vertretung vor Gericht, die auch künftig grundsätzlich in Anwaltshand gehört. Aber auch außergerichtliche Rechtsdienstleistungen sollen im Grundsatz den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7971 (A) (C) (B) (D) als den, wie es in § 3 der Bundesrechtsanwaltsordnung heißt, „berufenen unabhängigen Beratern und Vertretern in allen Rechtsangelegenheiten“ vorbehalten bleiben. Öffnungen gegenüber den Vorschriften des geltenden Rechtsberatungsgesetzes enthält der Entwurf des RDG allerdings dort, wo sie durch die erwähnten Gerichtsent- scheidungen vorgezeichnet sind: Zunächst soll das im Rechtsberatungsgesetz angelegte Verbot der unentgeltli- chen, insbesondere karitativen Rechtsberatung insge- samt aufgehoben werden. Bis heute untersagen Behör- den oder Gerichte unter Berufung auf das Rechtsberatungsgesetz sogar Steuerberatern oder Wirt- schaftsprüfern etwa die Beratung und Vertretung des ei- genen Ehe- oder Lebenspartners in dessen Rentenange- legenheiten, oder sie schränken die Sozialrechtsberatung bedürftiger Personen durch kirchliche Einrichtungen und Wohlfahrtsverbände ein. Eine so rigide Überregulierung ist, wie auch das Bundesverfassungsgericht für die un- entgeltliche altruistische Rechtsberatung durch einen pensionierten Richter im berühmt gewordenen Fall „Kramer“ entschieden hat, nicht zu rechtfertigen. Deshalb sollen künftig unentgeltliche Rechtsdienst- leistungen sowohl im Familien- und Freundeskreis als auch bei der Rechtsberatung durch karitative Einrichtun- gen grundsätzlich erlaubt sein. Der erforderliche Schutz der Rechtsuchenden wird bei der karitativen Rechtsbera- tung dadurch gewährleistet, dass sie nur durch oder unter Anleitung von Volljuristen erbracht werden darf und im Fall dauerhaft unqualifizierter Rechtsdienstleistungen untersagt werden kann. Im Mittelpunkt des Interesses der Anwaltschaft stand und steht allerdings nicht so sehr diese wichtige Öffnung der unentgeltlichen Rechtsberatung, sondern die Rege- lung zur Zulässigkeit rechtsdienstleistender Nebenleis- tungen durch Nichtanwälte im wirtschaftlichen, gewerb- lichen Bereich. Auch für diesen Bereich haben die Gerichte seit Mitte der 1990er-Jahre zunehmend Öffnun- gen überall dort durchgesetzt, wo rechtliche Tätigkeiten nicht den Kern und Schwerpunkt einer im Wesentlichen wirtschaftlich ausgerichteten Dienstleistung darstellen. Manche Bereiche, etwa die Fördermittelberatung oder die Testamentsvollstreckung, wurden ganz aus dem An- wendungsbereich des Rechtsberatungsgesetzes heraus- genommenen; in anderen Bereichen, etwa der Insolvenz- und Sanierungsberatung, wurde den in diesem Bereich hochqualifizierten Betriebswirten, Steuerberatern und Kaufleuten eine sehr weitreichende „Annexkompetenz“ zuerkannt. An diesen Mindeststandards ist der vorliegende Ge- setzentwurf ausgerichtet. Seine Formulierungen sind – übrigens in Abstimmung und zuletzt im Konsens mit Spitzenvertretern von Bundesrechtsanwaltskammer und Deutschem Anwaltverein – so gewählt, dass sie einer- seits die gebotenen Öffnungen ermöglichen und anderer- seits die Grenzen zulässiger Rechtsberatung deutlich hervorheben. Wer wie einzelne Verbandsvertreter vor- schlägt, hinter diesen Formulierungen zurückzubleiben und die Zulässigkeit rechtsdienstleistender Nebenleis- tungen noch weiter einzuschränken, wird den verfas- sungs- und europarechtlichen Vorgaben nicht mehr ge- recht. Zudem würde die Möglichkeit vertan, im Randbereich rechtlicher Dienstleistungen mehr Wettbe- werb, mehr wirtschaftliche Chancen und Entwicklungs- möglichkeiten zu schaffen. Erlaubt sei bei diesen Stichworten eine abschließende Anmerkung zu den Marktchancen, die der vorliegende Gesetzentwurf auch und gerade für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eröffnet. Ihnen bleibt nicht nur der Kernbereich rechtsdienstleistender Tätigkeit exklusiv vorbehalten, was in Europa längst nicht die Regel ist. Anwälte sollen darüber hinaus die Möglichkeit erhalten, berufliche Verbindungen mit Angehörigen anderer freier oder auch gewerblicher Berufe einzugehen und sich so neue Beratungsmärkte und Tätigkeitsfelder zu erschlie- ßen. Eine künftig mögliche Sozietät etwa mit Unterneh- mensberatern, Architekten oder auch – man denke an das Arzthaftungsrecht – mit Medizinern wird der An- waltschaft und den Rechtsuchenden insgesamt nicht schaden, sondern nutzen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Rechtsanwältin und der Rechtsanwalt innerhalb dieser beruflichen Verbindungen unabhängig und nur den Interessen des Mandanten verpflichtet bleiben. Dies gewährleisten die Regelungen des Gesetzentwurfs, die der Deutsche Anwaltverein übrigens fast wortgleich in seinen jüngst vorgelegten Vorschlag für eine BRAO-Re- form übernommen hat. Auch dies zeigt: Der Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts entspricht den Interessen aller Beteiligten, nicht zuletzt denjenigen einer aufgeschlossenen, zukunftsorientierten Anwaltschaft. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Planungssicherheit für Landwirte und Milchwirtschaft durch defi- nitiven Beschluss zum Auslaufen der Milchquo- tenregelung schaffen (Tagesordnungspunkt 29) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Auch wenn unser heutiger Tagesordnungspunkt zu sehr später Stunde auf- gerufen wird – Deutschlands Milchkühe schlafen um diese Uhrzeit bereits friedlich –, so soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir heute über eine Fragestellung von großer Tragweite zu beraten haben. Es geht um nicht weniger als um grundlegende Weichenstellungen für die Zukunft der deutschen Milchproduktion und -wirtschaft. Der Milchsektor nimmt innerhalb der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft eine herausragende Stellung ein: Die Bundesrepublik ist der größte Milchproduzent innerhalb der Europäischen Union, weltweit die Num- mer fünf. An der Milch hängen in hohem Maße Wert- schöpfung und Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und in den ländlichen Regionen. Seit 1984 unterliegt die Milcherzeugung in der Euro- päischen Union dem Quotensystem. Dieses hat, das müssen wir unumwunden feststellen, alle ihr zugrunde- liegenden Zielsetzungen deutlich verfehlt: Die Überpro- duktion von 20 Prozent wurde nicht gesenkt; weder sind die Einkünfte der Milchproduzenten auf ein auskömmli- 7972 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) ches Maß angewachsen, noch wurde der in allen Berei- chen der Landwirtschaft stattfindende langfristige Struk- turwandel konstruktiv flankiert. Stattdessen wird in Deutschland jeder Milchproduzent unzumutbar belastet: Auf jedes Kilogramm abgelieferter Milch entfallen 3 bis 3,5 Cent reine Quotenkosten, mithin mehr als 10 Prozent des Erlöses. Auf die Jahresproduktion bezogen sprechen wir über eine Gesamtsumme von etwa 800 bis 900 Mil- lionen Euro, die unseren Milchbetrieben fehlen, nicht zuletzt zur Anpassung an das Weltmarktniveau und für die hierfür notwendigen Investitionen. Die negative Bilanz der Quotenregelung ist nicht nur meine private Meinung, sondern alle mit den Fragen des Milchmarktes befassten Fachleute sind sich in dieser Hinsicht einig. Die dem Antrag der FDP-Fraktion, über den wir heute zu beraten haben, zugrundeliegende Ana- lyse ist zweifelsohne richtig, aber sie ist mittlerweile Allgemeingut, um nicht zu sagen eine Binsenweisheit. In dieser Hinsicht zeigte sich die größte Oppositionsfrak- tion also weder besonders originell noch besonders weise. Die aus dem Scheitern des Quotensystems zu zie- hende Folgerung liegt ebenso auf der Hand: Es gehört abgeschafft! Auch dies ist keineswegs ein Geistesblitz des Kollegen Goldmann und seiner Fraktion – die Sache ist evident und bedarf keiner grundsätzlichen Diskus- sion. Es stellt sich also nicht die Frage des Ob, sondern wir müssen über das Wann und vor allem das Wie spre- chen. Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass wir möglichst rasch die notwendigen Entscheidungen treffen und verbindliche Positionen erarbeiten müssen. Unsere Milchbauern und das milchverarbeitende Gewerbe brau- chen eine möglichst langfristige Planungs- und Investi- tionssicherheit. Die Bundesregierung ist dringend aufge- fordert, noch während der deutschen Ratspräsidentschaft einen eindeutigen Standpunkt einzunehmen und auf EU- Ebene die deutschen Interessen adäquat zu vertreten. Spätestens mit dem 2008 anstehenden „Health Check“ müssen wir einen Ausstiegskorridor aus der Quote ver- bindlich vereinbaren. Die wichtigste Wegmarke ist das Jahr 2013, nach dem die Exporterstattungen wegfallen und aller Voraussicht nach auch die aktuellen WTO-Ver- handlungen endlich abgeschlossen sein werden. Hinter die bereits gemachten Zugeständnisse werden wir – das muss allen klar sein – nicht mehr zurückgehen können. Es bleibt die letzte und in meinen Augen entschei- dende Frage: Wie soll der Ausstieg aus dem Quotensys- tem vollzogen, ausgestaltet und begleitet werden? Was das politische Instrumentarium für den Ausstieg angeht, so habe ich eine klare und eindeutige Meinung: Eine schrittweise Absenkung der Superabgabe ist in meinen Augen am besten geeignet, um einen allmählichen, glei- tenden Abschied von der Milchquote zu nehmen. Expan- dierende Betriebe würden auf ihrem Weg hin zur Wettbewerbsfähigkeit unter Weltmarktbedingungen zu- nehmend entlastet, die obsolet gewordene Quote allmäh- lich bis zur Bedeutungslosigkeit entwertet und damit faktisch beseitigt. Alle anderen in diesem Zusammen- hang diskutierten Instrumente, beispielsweise eine inter- oder besser transnationale Saldierung, ein Quotenhandel über Staatsgrenzen hinweg oder eine Aufstockung der Quote sind wegen des damit verbundenen immensen Bü- rokratieaufwandes und den zwangsläufig auf Brüsseler Ebene entstehenden politischen Streitereien mit Nach- druck abzulehnen. Die Frage nach dem Wie umfasst allerdings deutlich mehr als nur die politischen Ausstiegsoptionen. Wir müssen uns über die mittel- und langfristigen Folgen nicht nur für die internationalen Märkte, sondern auch für die Betriebe und für unsere ländlichen Regionen Ge- danken machen. Gerade zu diesem wesentlichen Punkt finde ich in dem vorliegenden Antrag überhaupt nichts: Einmal mehr wiederholen die Freidemokraten ihr Glau- bensbekenntnis, das auch durch jahre- und jahrzehnte- langes Wiederholen nicht richtig wird: Der Markt wird es schon richten. – Genau das wird er eben nicht! Eine solche Politik des reinen Marktliberalismus ließe viele Menschen in weiten Teilen unseres Landes im Regen stehen. Das ist unverantwortlich, kaltschnäuzig und mit uns Sozialdemokraten selbstverständlich nicht zu ma- chen! Natürlich wird die Zukunft einen beschleunigten Strukturwandel mit sich bringen. Diesen muss und wird die Politik flankierend begleiten und mitgestalten. Unter den künftigen Wettbewerbsbedingungen wird es in vie- len Regionen nicht mehr möglich sein, allein von der herkömmlichen Milchproduktion zu leben. Um eine flä- chendeckende Bewirtschaftung auch für die Zukunft zu gewährleisten, die Wertschöpfung in diesen Gebieten zu sichern und Arbeitsplätze zu schaffen, gilt es, alternative oder komplementäre Einkommensquellen zu erschlie- ßen, auszubauen und nachhaltig zu sichern. In diesem Zusammenhang gibt es zahlreiche Optionen. Über die Biomassestrategie, die rapide wachsende Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebensmitteln und Perspekti- ven des Tourismus ist bereits hinlänglich gesprochen worden. Unser besonderes Augenmerk verdient in diesem Zu- sammenhang die Honorierung öffentlicher Güter. Das bedeutet beispielsweise, dass die Landwirte in Regionen, aus denen sich die Milchkuhhaltung zurückzieht, die be- stehenden Grünlandstandorte erhalten und durch exten- sive Bewirtschaftung die Biodiversität erhalten und si- chern können. Eine solche gesellschaftlich erwünschte Dienstleistung kann durchaus zu einem durch Marktme- chanismen entstehenden Preis honoriert werden. Eine strukturell sinnlose Verteilung entsprechender Mittel nach dem altbekannten Gießkannenprinzip kann und darf es hier – das will ich klarstellen – jedoch ebenso wenig geben wie die Wahrung vermeintlicher Besitz- stände. Die politische Konsequenz ist klar: Umstellungshil- fen, um die Einkommens- und Wertschöpfungsbasis zu verbreitern wie auch die angemessene Entlohnung für gesellschaftlich erwünschte Leistungen stellen die Zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik vor große Aufgaben. Daher gilt es, diese Zweite Säule nicht zu überfordern, sondern sie zu stärken. Doch auch die zu- kunftsorientierten expandierenden Milchproduzenten brauchen unsere Hilfe. Zunächst einmal müssen wir of- fen darüber diskutieren, wie wir innerhalb der EU glei- che Wettbewerbsbedingungen gewährleisten können. Hier ist sicherlich zunächst darüber nachzudenken, die Top-ups über das Jahr 2010 hinaus bei diesen Betrieben Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7973 (A) (C) (B) (D) zu belassen. Vielfach wird zudem der Weg zu Wettbe- werbsfähigkeit an den internationalen Märkten hohen Bedarf an Investitionen mit sich bringen. Auch hier kann die Politik durch befristete Programme zur Investitions- förderung helfen. Als Instrument der Wahl sehe ich staatlich garantierte Ausfallbürgschaften an – sie bieten gegenüber unmittelbaren Finanzhilfen bessere Perspekti- ven, dass die eingesetzten Mittel nachhaltige strukturelle Wirkungen zeitigen. Es ist mir ein besonderes Anliegen, die Milchindus- trie in diesem Zusammenhang in die Pflicht zu nehmen. Die Mittel für die Anpassung an künftige Marktstruktu- ren müssen aus eigener Kraft aufgebracht werden. Die zwangsläufig entstehenden Kosten dürfen nicht über niedrigere Auszahlungspreise den Landwirten aufgebür- det werden. Angesichts vielfach bestehender regionaler Nachfragemonopole ist über neue Mechanismen der Preisbildung, beispielsweise über Milchbörsen oder Er- zeugerzusammenschlüsse, nachzudenken. Sowohl die Sicherung von Arbeit und Wertschöpfung in benachtei- ligten Regionen als auch die Hinführung der wettbe- werbsfähigen Betriebe an härter werdende Wettbewerbs- bedingungen wird sehr viel Geld kosten. Doch das derzeitige Marktordnungssystem, das, wie gesagt, eher schadet als nützt, gibt es ja auch keineswegs umsonst: Im Jahr 2006 musste die EU hierfür mehr als 850 Millio- nen Euro aufwenden. In dieser Summe sind, darauf möchte ich deutlich hinweisen, die Milchprämien kei- neswegs enthalten. Dieses Geld ist einer sinnvollen und nachhaltigen Strukturpolitik zuzuführen. Ich fasse zusammen: Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass das derzeitige Milchquotensystem versagt hat und ein frühestmöglicher Ausstieg die einzig ver- nünftige Option ist. Die dafür notwendigen politischen Entscheidungen sind umgehend zu treffen, um Pla- nungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Der Ausstieg aus der Quote wird den Strukturwandel in die- sem Bereich der Landwirtschaft deutlich beschleunigen. Diesen Prozess gilt es flankierend zu begleiten und zu- kunftsorientiert mitzugestalten. Dieser letzte Aspekt fehlt in dem vorliegenden Antrag völlig. Wir Sozialde- mokraten bekennen uns zu unserer Verantwortung für die Menschen. Sie ist die fundamentale Leitlinie unserer Politik für die ländlichen Räume. Daher können und werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. Hans-Michael Goldmann (FDP): Die deutsche Milchwirtschaft ist mit einem Umsatz von etwa 20 Mil- liarden Euro/Jahr und einem Exportvolumen von rund 4 Milliarden Euro eine Schlüsselbranche der deutschen Ernährungswirtschaft. Über 100 000 landwirtschaftliche Betriebe bilden das Rückgrat der Milchwirtschaft. In über 100 überwiegend mittelständischen Unternehmen mit insgesamt fast 40 000 Mitarbeitern werden täglich 75 000 Tonnen Milch zu hochwertigen Nahrungsmitteln verarbeitet. Damit werden allein in Deutschland mehr als 20 Prozent der Milch aller 25 EU-Staaten verarbeitet. Doch mit der Milch verbinden viele auch Begriffe wie Milchseen und Butterberge. Diese beiden Begriffe präg- ten über lange Zeit die Agrardiskussion, in den 70er- und frühen 80er-Jahren. Die EU führte 1984 schließlich die Milchquote ein, die zunächst einen Teil der Überproduk- tion stoppte. Doch ihr zentrales Ziel, die Herstellung ei- nes Marktgleichgewichts, hat sie nie erreicht. In der Folge hat das Scheitern der Milchquote zu sinkenden Milcherzeugerpreisen und fallenden Einkommen in der Milchwirtschaft beigetragen. Weiterhin wurde durch die Milchquote der Strukturwandel in Landwirtschaft und Milchwirtschaft erheblich verteuert. Nur Spitzenbetriebe sind in der Lage, die notwendigen Nettoinvestitionen für ein Wachstum zu rentablen Größeneinheiten zu tätigen. Die so gekennzeichnete heutige Struktur birgt somit den zukünftigen, zwangsläufigen Strukturwandel in sich. Daran hat auch die Milchquotenregelung nichts geän- dert. Die hohen Quotenkosten bedeuten vor allem für Junglandwirte und Wachstumsbetriebe zusätzliche In- vestitionskosten und eine Wachstums- bzw. Einstiegs- hürde. Die staatliche Regulierung des europäischen Milchmarktes hat damit nicht die Erwartungen von Landwirten und Milchwirtschaft erfüllt, sodass in der Agrarpolitik verstärkt auf marktwirtschaftliche Lösun- gen gesetzt wird. Nun gilt es, den Landwirten so schnell wie möglich zu sagen, dass sie sich auf ein Ende der Milchquote ab 2015 einstellen müssen. Wir alle müssen dazu beitragen, dass überall die Erkenntnis wächst, dass staatliche Len- kungssysteme nicht funktionieren und die Landwirte sich wieder auf den Markt einstellen müssen. Wir müs- sen verhindern, dass durch ein zu zögerliches Handeln falsche Investitionssignale gesetzt werden. „Die Milch- quote ist gescheitert und läuft 2015 aus!“, das ist die Botschaft, die wir aussenden müssen. Deshalb bin ich dankbar, dass sowohl Frau Kommissarin Fischer Boel, auf der IGW, als auch Minister Seehofer, gestern in un- serer Ausschusssitzung, dies so klar gesagt haben. Viele Milchbauern sind immer noch gegen das Ende der Milchquote, weil sie Furcht vor freier Marktwirtschaft haben, Furcht vor Preisdruck und heftigerem Struktur- wandel. Sie bevorzugen Marktregulierungen, Eingriffe des Staates, Mengenbegrenzungen und Ausgleichszah- lungen. Sie meinen, dass das mit einer Milchquote zu schaffen ist, wenn „die Beamten das nur mal endlich richtig machen würden“. Doch diese Wünsche kann die Milchquote nicht erfül- len, das lehrt die Erfahrung der letzten 23 Jahre. Unab- hängig von der eigenen Meinung muss man auch klar sa- gen, dass die Milchquote schon deshalb auslaufen wird, weil es auf europäischer Ebene keinen Willen zur Fort- setzung gibt. Im Rat müssten jedoch 75 Prozent der Stimmen für eine Fortsetzung abgegeben werden. Dies wird nicht geschehen. Die FDP begrüßt, dass der Bauernverband sich der- zeit intensiv mit dieser Problematik beschäftigt und dies zum Schwerpunktthema des nächsten Bauerntages ma- chen wird. Unsere parlamentarischen Beratungen und die Auseinandersetzung mit dem Thema auf berufsstän- discher Ebene werden dazu beitragen, allen klar zu ma- chen, dass sie sich künftig auf den Markt einstellen müs- sen. Ich bin überzeugt, dass die Landwirte vor dem Markt keine Angst zu haben brauchen. Die weltweite Nachfrage nach Milch und Milchprodukten steigt. Un- 7974 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) sere leistungsfähigen Betriebe werden sich nicht nur am Markt behaupten können, sie werden auch davon profi- tieren. Auch wenn es unmodern geworden scheint: Manchmal kann ein Blick über den Atlantik weiterhel- fen. In den USA stand und steht man nämlich vor ähnli- chen Problemen wie in Europa. Allerdings gab es dort nie eine Quote. Stattdessen hat man dort ein freiwilliges Programm aufgelegt, das helfen soll, die Milchmenge zu verringern: Die Erzeuger zahlen einen Beitrag in eine Kasse ein, aus der wiederum Milchkühe aufgekauft und geschlachtet werden, um so Milch aus dem Markt zu nehmen. Inzwischen sind drei Viertel der Milchbauern an dieses System angeschlossen. Zwischen 2003 und 2005 ist es so gelungen 1,5 Prozent der Milchproduktion aus dem Markt zu nehmen. Dies Beispiel zeigt, dass Bauern ohne staatliche Bürokratie zu intelligenten Lö- sungen kommen, die dazu beitragen, Marktprobleme zu lösen. Ich verschließe allerdings nicht die Augen davor, dass der zu erwartende Verdichtungsprozess bei der Milch- produktion in den benachteiligten Regionen zu größeren Problemen führen wird. Die FDP begrüßt es daher, dass der Minister angekündigt hat, sich diesem Problem zu stellen. Ein Begleitprogramm für benachteiligte Gebiete ist richtig und sinnvoll. Wir werden diesen Diskussions- prozess konstruktiv begleiten. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die FDP for- dert einen möglichst schnellen Beschluss zum Ausstieg aus der Milchquote am 31. März 2015. Ihre Lösung der Probleme im Milchsektor lautet: Markt, Markt und noch mal Markt. Im Sinne ihrer neoliberalen Ideologie löst der globalisierte Markt alle Probleme. Jeder Milchvieh- halter in der Eifel, im Taunus, Schwarzwald oder Erzge- birge soll das Paradies des globalen Wettbewerbs genie- ßen. So würde der Freiraum geschaffen für Wachstum, steigende Produktion und die gewaltigen Einkommens- steigerungen, die sich mit den globalen Weltmarktbedin- gungen einstellen. Welch eine neoliberale Seifenblase! Der vor einer Woche in der bayerischen Landesvertre- tung stattgefundene milchpolitische Frühschoppen zeigte schon, wohin der Hase laufen soll: Nach den Vorstellungen eines französischen Managers der Milch- industrie – des familiengeführten Konzerns Lactalis – braucht Europa 2020 nur noch zwei Konzernzentralen – für Nord- und Südeuropa – um die Milcherfassung, die Verarbeitung und Vermarktung wettbewerbsfähig zu or- ganisieren. Die beiden Konzerne können dann – in enger Absprache natürlich – alles regeln: von der Regionalver- marktung und Bioproduktion bis zur industriellen Roh- stoffproduktion für Arzneimittel und anderes mehr. Es soll in diesem Szenario fast selbstverständlich sein, dass alle davon profitieren. Den Mengenbedarf regeln die Konzerne in Abstimmung mit der Marktlage, und die Preise natürlich auch. Keine Frage, dass damit die Milchbäuerinnenn und Milchbauern im Hunsrück, im Westen Frankreichs oder in Polen rosigen Zeiten entge- gensehen. Völlig richtig ist aus unserer Sicht die Analyse der FDP über die katastrophalen Folgen der Aufstockungen der Quoten in den vergangenen Jahren über die Selbst- versorgung hinaus. Der permanente Überschuss auf dem EU-Milchmarkt führt zum für die Milchviehbetriebe rui- nösen Preisdruck. Aktuell drohen die Betriebe mit Stopp der Lieferungen an die Molkereien, wenn der Basispreis nicht auf betriebswirtschaftlich notwendige 40 Cent pro Liter erhöht und damit fast verdoppelt wird. Der aktuelle Preis ist infolge der durch überhöhte Quoten ausgelösten Überschüsse auf einem Dumping-Niveau angekommen, auf dem nur ganz wenige Milchviehbetriebe in einigen Regionen noch kostendeckend arbeiten können. Gleich- zeitig kosten die Exportsubventionen der EU sehr viel Geld. Offen ist, ob die Weltmarktangebote aus der EU das gesamte Preisniveau in der Welt drücken und damit sogar landwirtschaftliche Existenzen außerhalb Europas bedrohen. Die subventionierten Exporte von Milchpro- dukten tun dies ganz bestimmt. Auf der anderen Seite ist es über die Quoten in den vergangenen Jahren gelungen, die Milchproduktion in Regionen zu halten, die ohne die Quote schon längst keine Milchviehhaltung mehr hätten. Diese ist übrigens durchaus auch von touristischer Bedeutung. Über lange Jahre ist und war die Planbarkeit für die Milcherzeuger gewährleistet. Vielen Betrieben ist mit einer alleinigen Ausrichtung auf einen globalisierten Agrarmarkt nicht geholfen. Viele Landwirtinnen und Landwirte sind daher beunruhigt; die Meinungsvielfalt über die Quote ist in- nerhalb des Berufsstandes mindestens ebenso groß wie in der Politik. Die Lösung der Probleme liegt dabei nicht allein in der Abschaffung der Quote, obwohl das heutige System natürlich nicht zukunftsfähig ist. Wie eine Weiterent- wicklung der Milchproduktion in Europa aussehen sollte, bedarf gründlicher Überlegungen. Für viele pro- duktive Standorte ist sicherlich die Abschaffung der Quote und die völlige Freigabe des Milchmarktes eine interessante Option. Aber wäre das die Lösung für die vielfältigen, sehr unterschiedlichen Regionen Europas? Muss nicht über Lösungen nachgedacht werden für Ge- biete, in denen die Milcherzeugung eine Grundlage schafft für weitaus mehr als für einen anonymen globa- len Wettbewerb um den „Rohstoff“ Milch? Mit einem vorschnellen Beschluss zum Ausstieg aus der Milchquote ohne Wenn und Aber und ohne eine Be- gleitung der Betriebe in eine Zukunft, die eine nachhal- tige Entwicklung bietet, werden ländliche Räume zer- stört und Perspektiven verbaut. Eine solche Lösung lehnt Die Linke ab. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Thema Milch wird die Diskussion häufig allzu sehr auf die Frage der Beibehaltung oder Abschaffung der Milch- quoten nach 2014 verkürzt. So auch im vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion. Dabei geraten die Bedräng- nisse und Sorgen, unter denen viele Milchbauern und Milchbäuerinnen heute leiden, leicht aus dem Blick. Fakt ist: Der Verfall des Milchpreises bedroht immer mehr Milchviehbetriebe in ihrer Existenz. Dieses Pro- blem wird durch die von der Bundesregierung zu verant- wortenden drastischen Kürzungen bei den Fördermitteln Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7975 (A) (C) (B) (D) der zweiten Säule und den Wegfall von Landesförderun- gen für die Grünlandregionen dramatisch verschärft. Von dieser politischen Verantwortung für die heutige Situa- tion der Milchbäuerinnen und Milchbauern dürfen De- batten über die Zukunft der Milchquote nicht ablenken. Richtig ist: Wir müssen uns auf ein Auslaufen des Milchquotensystems zum Milchwirtschaftsjahr 2014/ 2015 einstellen. Das heißt aber, wir müssen als Politik klarstellen, was an die Stelle des Quotensystems treten und wie es mit der Milchwirtschaft weitergehen soll. Aus Sicht meiner Fraktion stehen dabei drei Grund- sätze im Mittelpunkt. Erstens muss sich unsere Politik in erster Linie an den aktiv wirtschaftenden Milchbauern orientieren, nicht an den Sofamelkern. Zweitens muss Milchwirtschaft auch in den Mittelge- birgsregionen möglich bleiben. Gerade dort ist eine nachhaltige Milchwirtschaft mit Blick auf Wirtschafts- struktur, Tourismus und ökologische Vielfalt unverzicht- bar. Und schließlich wollen wir eine natur- und tierge- rechte Milchviehhaltung gewährleisten. Die Industriali- sierung der Tierhaltung, die wir gerade bei den Schwei- nen erleben, kann und darf für die Kühe kein Vorbild werden. Es kann also nicht darum gehen, einfach nur die Milchquote abzuschaffen und alles weitere den Markt- kräften zu überlassen, wie sich die FDP das vorstellt. Not tut eine aktive und vorausschauende Politik, für die wir mehr Spielräume im Rahmen der zweiten Säule der Agrarförderung brauchen. Deshalb wird die grüne Frak- tion nicht nachlassen, die Kürzungen bei der zweiten Säule und die Blockadehaltung der Bundesregierung bei der fakultativen Modulation zu kritisieren. Das sind grundlegend falsche Weichenstellungen, die der Zu- kunftsfähigkeit der Landwirtschaft insgesamt schaden und ganz besonders den Milchbäuerinnen und Milchbau- ern! Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundes- minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz: Die Einführung der Milchquotenregelung im Jahr 1984 erfolgte als Reaktion auf eine nicht mehr kon- trollierbare Situation auf dem EU-Milchmarkt. Die La- gerbestände an Butter und Magermilchpulver erreichten ein Rekordniveau. Die Ausgaben für den EU-Milch- markt drohten, den Haushaltsrahmen zu sprengen. Der subventionierte Absatz der Überschüsse auf Drittlands- märkten führte in einem zunehmenden Maße zu Konflik- ten mit wichtigen Handelspartnern. Die EG-Kommission wie auch die Mehrheit der Mit- gliedstaaten waren damals der Auffassung – und jetzt zi- tiere ich –: „dass zur Wiederherstellung des Gleichge- wichts im Milchsektor eine Kontingentierung die wirksamste und in ihrer Auswirkung auf die Erzeuger einkommen die am wenigsten einschneidende Maß- nahme sei“. Angesichts der gesunkenen Milchpreise und der zu erwartenden veränderten Rahmenbedingungen – hier vor allem der Abbau von Exporterstattungen und des Außen- schutzes – wird in Politik und Milchwirtschaft die Frage nach der Zukunft der Milchquote intensiv diskutiert. Wachstumswillige Betriebe fordern die Abschaffung der Quotenregelung. Andererseits befürchten Milcher- zeuger auf weniger wettbewerbsfähigen Standorten das Aus der Milcherzeugung in diesen Regionen. Beide Ar- gumente nimmt die Bundesregierung sehr ernst. Die derzeitige Quotenregelung läuft mit dem Quoten- jahr 2014/15 aus, wenn zuvor keine andere Entschei- dung getroffen wird. Sollte man in der EU mehrheitlich zu der Auffassung gelangen, dass mit einem mengenre- gulierenden Instrument wie der Quotenregelung die künftigen Herausforderungen auf dem EU-Milchmarkt nicht bewältigt werden können, ist es nur logisch, keine andere staatliche Regulierung einzuführen. Nun zur zeitlichen Perspektive: Es ist davon auszuge- hen, dass die Zukunft der Quotenregelung im Rahmen des sogenannten Health Check im Jahr 2008 seitens der EU-Kommission thematisiert wird. Agrarkommissarin Fischer Boel hat wiederholt erklärt, dass sie die Quoten- regelung nicht mehr für zeitgemäß hält und eine Verlän- gerung über das Jahr 2015 hinaus ablehnt. Sie hat ange- kündigt, die Kommission werde Ende 2007/Anfang 2008 einen Bericht zum Milchmarkt vorlegen. Mit der Vorlage dieses Berichts durch die Kommission fällt auf EU-Ebene der Startschuss für eine intensive Diskussion der Milchproblematik. Selbstverständlich wird Bundesminister Seehofer im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auch Ge- spräche mit seinen Kollegen aus anderen EU-Mitglied- staaten zur künftigen Ausgestaltung der EU-Milch- marktordnung führen. Er beabsichtigt, zur Frage, ob die Quotenregelung noch ein Zukunftsmodell für den EU- Milchmarkt sein kann, bis zum Sommer eine Position aus deutscher Sicht zu formulieren. Eine Bund/Länder-Arbeitsgruppe wird – wie von den Amtschefs von Bund und Ländern auf ihrer Konferenz am 18. Januar beschlossen – die mit einem möglichen Quotenausstieg im Zusammenhang stehenden Fragen aufarbeiten und zur Herbstkonferenz der Agrarminister Ergebnisse für die weitere Diskussion auf EU-Ebene vorlegen. Hier geht es vor allem darum, wie ein Quoten- ausstieg, insbesondere auch im Hinblick auf notwendige Begleitmaßnahmen, gestaltet werden kann. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, welche Möglichkeiten Bund und Länder haben, die Landwirt- schaft auf den Standorten zu stärken, auf denen bei wei- terer Reduzierung der Stützung im Milchbereich und Auslaufen der Quote die Einstellung der landwirtschaft- lichen Flächennutzung droht. Wir wollen die Landwirte dabei unterstützen, auch auf diesen Standorten wirt- schaftliche Perspektiven zu entwickeln. Wir brauchen die landwirtschaftliche Wertschöpfung in den Regionen. Was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrifft, so hat die Politik der Bundesregierung bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Einschätzung der wirt- 7976 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) schaftlichen Lage durch die Landwirte beigetragen. Diese Verbesserung in der Einschätzung ihrer Zukunfts- perspektiven wird auch von den Milchviehbetrieben mit- getragen. Dies zeigen Erhebungen des Konjunkturbaro- meters Agrar. Milch und Milcherzeugnisse sind zudem die bedeu- tendsten Produkte im Bereich des deutschen Außenhan- dels Land- und Ernährungswirtschaft. Im Jahr 2005 wur- den für 5,2 Milliarden Euro Milch und Milcherzeugnisse exportiert. Dies entsprach einem Anteil von rund 15 Pro- zent der gesamten deutschen Ausfuhren an Gütern der Land- und Ernährungswirtschaft. Schätzungen für das Jahr 2006 zeigen, dass sich die Situation weiter verbes- sert hat. Demnächst werde ich ein Branchengespräch führen, um weitere Möglichkeiten der Exportförderung auszuloten. Wir brauchen den Absatz auf den heimischen Märk- ten und in Drittländern, und dazu brauchen wir eine wettbewerbsfähige Milch- und Molkereiwirtschaft. Zu deren Entwicklung wird die Bundesregierung auch wei- terhin mit allem Nachdruck beitragen. Regionale land- wirtschaftliche Wertschöpfung mit oder ohne Milch und Dienstleistungen der Landwirtschaft insbesondere für die Landschaftspflege, den Artenschutz und den Touris- mus werden zukünftig die Standbeine der Landwirt- schaft in den benachteiligten Regionen sein. Die Bundesregierung wird darauf drängen, bei der EU wie bei den Ländern, dass die notwendigen Rahmenbe- dingungen dafür geschaffen werden. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Va- terschaft (Tagesordnungspunkt 21) Ute Granold (CDU/CSU): Wir befassen uns heute in erster Lesung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregie- rung „Zur Ergänzung des Rechts zur Anfechtung der Va- terschaft“. Die CDU/CSU-Fraktion hatte bereits in der vergange- nen Legislaturperiode auf die Problematik hingewiesen. Daraufhin haben wir uns im Koalitionsvertrag darauf ge- einigt, gemeinsam einen entsprechenden Gesetzentwurf zu erarbeiten. Lassen Sie mich in einigen Worten den Hintergrund unserer Initiative skizzieren. Bei Scheinvaterschaften erkennt ein Mann eine Vater- schaft an, obwohl er weder der leibliche Vater ist noch zu dem Kind in einer sozial-familiären Beziehung steht. Konkret heißt das, dass Frauen ohne Chance auf ein Asyl- oder Aufenthaltsrecht in Deutschland ihr Kind zur Welt bringen und ein deutscher oder ein ausländischer Mann mit gesichertem Aufenthaltsstatus unmittelbar vor bzw. nach der Geburt die Vaterschaft anerkennt. Mit der Anerkennung erwirbt das Kind die deutsche Staats- angehörigkeit. Die Mütter erhalten hingegen ein von der deutschen Staatsbürgerschaft des Kindes abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Das Gleiche gilt für etwaige weitere Kinder, die nach Deutschland nachreisen bzw. hier ver- bleiben dürfen. Darüber hinaus erlangen alle Beteiligten einen Anspruch auf Sozialgeld. Wenn die Vaterschaftsanerkennung ausschließlich auf Vorteile im Staatsangehörigkeits- und Ausländerrecht zielt und nicht um des Kindes willen geschieht, muss es möglich sein, diese missbräuchliche Vaterschaftsanerken- nung anzufechten. Da jedoch eine Anfechtungsmöglichkeit durch Behörden derzeit gesetzlich nicht geregelt ist, muss das Bürgerliche Gesetzbuch um ein Anfechtungs- recht für eine öffentliche Stelle ergänzt werden. Wir müssen vor dem Hintergrund der ständig zuneh- menden Missbrauchsfälle diese Gesetzeslücke nun zügig schließen. Allein im Zeitraum von Frühjahr 2003 bis Frühjahr 2004 betrug die Zahl der Verdachtsfälle des Leistungsmissbrauchs und der Erschleichung von Auf- enthaltstiteln bundesweit 1 694. Zudem lässt sich feststellen, dass immer stärker profes- sionelle Schleuserbanden in der organisierten Vermittlung von „Vaterschaften“ ein neues und lukratives Geschäfts- feld entdeckt haben, in dem mit geringem Risiko sehr hohe Profite zu erzielen sind. Auf die anerkennenden Väter kommt dabei mangels finanzieller Leistungsfähigkeit keinerlei Unterhaltsver- pflichtung und somit kein materieller Nachteil zu. Auch strafrechtliche Konsequenzen brauchen sie bislang nicht zu fürchten. Anders als bei der Scheinehe ist die Anerken- nung nicht-leiblicher Kinder aus sachfremden Motiven legal. Außerdem haben sich in jüngster Zeit die Berichte von im Ausland lebenden Deutschen verstärkt, die die Vaterschaft von dort lebenden ausländischen Kindern anerkennen. Auch diese erhalten in der Folge die deutsche Staatsbürgerschaft, was ihnen, ihren Müttern sowie etwa- igen Geschwistern die Möglichkeit eröffnet, in Deutsch- land zu leben. Besonders drastisch ist in diesem Zusam- menhang der Fall eines in Paraguay lebenden Deutschen, der dort und in anderen Ländern die Vater- schaft von mehr als 300 ausländischen Kindern anerkannt hat. Dies unterstreicht noch einmal deutlich die Dring- lichkeit einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Der vorliegende Gesetzentwurf bietet eine umsichtige und ausgewogene Lösung an. Wir beabsichtigen damit – wie bereits gesagt –, die Regelungen zur Anfechtung der Vaterschaft im Bürgerlichen Gesetzbuch um ein Anfechtungsrecht für eine öffentliche Stelle zu ergänzen. Die für die Anfechtung zuständige Behörde sollen die Länder entsprechend den Bedürfnissen selbst bestimmen können. Die Anfechtung ist danach nur erfolgreich, wenn zwi- schen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial- familiäre Beziehung besteht oder zum Zeitpunkt der Anerkennung bestanden hat. Dadurch wird verhindert, dass durch die Anfechtung eine vom Grundgesetz in Art. 6 geschützte Familie auseinandergerissen wird. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7977 (A) (C) (B) (D) Außerdem setzt die Anfechtung voraus, dass durch die Anerkennung der Vaterschaft rechtliche Voraussetzungen für die erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils geschaffen werden. Hier- durch wird sichergestellt, dass nur jene Missbrauchsfälle erfasst werden, die wir mit diesem Gesetz unterbinden wollen. Soweit das Familiengericht der Anfechtungsklage stattgibt, entfällt die Vaterschaft des Anerkennenden mit Rückwirkung auf den Tag der Geburt des Kindes. Mit dem vorliegenden Entwurf wird das Konzept der Kindschafts- rechtsreform von 1998 gewahrt. Die damalige Reform hatte die Elternautonomie gestärkt und die Entstehung von Familien gefördert, indem sie das Zustandekommen einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung allein an die notariell beurkundete Erklärung des Vaters sowie der Zustimmung der Mutter knüpft. Dieser Gedanke wird mit dem neuen Anfechtungsrecht der Behörden dem Grunde nach nicht angetastet. Soziale Vaterschaften, also jene Beziehungen, bei denen zwischen dem Anerkennenden und dem Kind tatsächlich eine sozial-familiäre Beziehung besteht bzw. bestanden hat, bleiben auch in Zukunft geschützt. Nicht schützenswert sind jedoch solche Anerkennun- gen, die ausschließlich erfolgen, um ausländerrechtliche Vorteile zu erlangen. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu beachten, dass die Folgen solcher missbräuchlichen Anerkennungen besonders für die betroffenen Kinder verheerend sind. Die Anerkennung durch den „falschen“ Vater vereitelt ihre Rechte auf Kenntnis ihrer Abstammung sowie auf den Umgang mit dem leiblichen Vater. Wir stehen nun am Beginn des Gesetzgebungsverfah- rens. Die CDU/CSU hofft, dass am Ende ein Gesetz auf den Weg gebracht werden kann, das die Missbrauchs- möglichkeiten verhindert. Klaus Uwe Benneter (SPD): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir unsere Vereinbarung im Ko- alitionsvertrag umsetzen, den „Missbrauch von Vater- schaftsanerkennungen zur Erlangung von Vorteilen im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht … durch ge- eignete Maßnahmen, beispielsweise die Schaffung eines Anfechtungsrechts einer öffentlichen Stelle, (zu) unter- binden“. Durch die Kindschaftsrechtsreform von 1998 hat der Gesetzgeber die Elternautonomie gestärkt und die Ent- stehung von Familien gefördert, indem das Zustande- kommen einer wirksamen Vaterschaftsanerkennung al- lein an formgebundene Erklärungen des Vaters und der Mutter geknüpft ist. Damit hat sich der Gesetzgeber be- wusst davon verabschiedet, die Anerkennung an eine be- hördliche Zustimmung zu knüpfen. Es geht darum, den- jenigen anerkennenden Vater zu unterstützen, der Verantwortungsbereitschaft für das Kind zeigt und unter- haltspflichtig wird. Nicht schützenswert jedoch ist der anerkennende Mann, der erkennbar keinen väterlichen Bezug – weder sozial noch biologisch – zum Kind aufweist, sondern le- diglich die aufenthaltsrechtliche Konsequenz einer Va- terschaftsanerkennung zum Ziel hat. Im Zusammenhang mit dem Aufenthaltsstatus beteiligter Personen gibt es nämlich Fälle, in denen Männer eine Vaterschaft aner- kennen, die weder die biologischen Väter der Kinder sind noch ein soziales Vater-Kind-Verhältnis haben oder anstreben und zudem die aus einer Vaterschaft folgende Unterhaltspflicht mangels Leistungsfähigkeit nicht zu fürchten brauchen. Derartige Vaterschaftsanerkennun- gen sind vom Schutzzweck der Kindschaftsrechtsreform nicht gedeckt. Mir fehlt bislang jedoch ausreichend belastbares Zah- lenmaterial über die Größenordnung der Missbräuche in diesem Bereich. Auch wenn mir klar ist, dass es keine konkreten Zahlen geben kann, solange es an Rechts- grundlagen fehlt, die eine Erhebung solcher Zahlen er- möglicht, erwarte ich von der notwendigen Sachverstän- digenanhörung hierzu weitere Erkenntnisse. Die Innenminister der Länder haben für die Zeit vom 1. April 2003 bis zum 31. März 2004 bei ihren Auslän- derbehörden Fallzahlen erhoben. Danach wurde 1 694 unverheirateten ausländischen Müttern eines deutschen Kindes, die im Zeitpunkt der Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren, aufgrund der Vaterschaftsaner- kennung ein Aufenthaltstitel erteilt. Selbstverständlich können diese Zahlen nicht belegen, in wie vielen Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vaterschaftsaner- kennungen handelt. Sie zeigen aber einen nicht unerheb- lichen Rahmen, in dem missbräuchliche Vaterschafts- anerkennungen stattfinden können. Es ist nicht unser Anliegen, einen Generalverdacht gegen binationale Familien zu konstruieren. Ganz im Gegenteil wollen wir die Einzelfälle aufdecken, um da- durch zielgenau derartige Ansinnen zu entkräften und das Ansehen der Kindschaftsreform und die Elternrechte zu stärken. Der Gesetzentwurf sieht ausdrücklich vor, dass die Behörden nur tätig werden müssen, wenn „kon- krete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Vo- raussetzungen für ein behördliches Anfechtungsrecht … vorliegen“. Das geplante behördliche Anfechtungsrecht stellt da- her gerade keinen Eingriff in die Eltern-Kind-Beziehung dar, da weder eine leibliche noch eine soziale Beziehung zwischen Kind und angeblichem Vater besteht. Es han- delt sich schließlich weder um den biologischen noch um den sozialen Vater. Damit kann auch keine Verlet- zung der Rechte aus Art. 6 Grundgesetz vorliegen. Auch Bedenken im Hinblick auf Art. 16 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip verfangen meines Erachtens nicht. Das Erschleichen ei- ner Aufenthaltserlaubnis durch Täuschung kann keinen Vertrauenstatbestand begründen. Dass das Kind seine deutsche Staatsangehörigkeit nachträglich wieder ver- liert, ist logische Konsequenz. Die zeitliche Begrenzung der behördlichen Anfechtungsmöglichkeit muss hier Schutz vor unbilligen Härten bieten. Zu erörtern bleibt weiter, ob und wenn ja in welcher Weise dieser Verlust der Staatsangehörigkeit einer ausdrücklichen gesetzli- chen Regelung bedarf. 7978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Persönlich freue ich mich, dass wir eine Regelung ge- funden haben, die die herausragende und wichtige Auf- gabe der Jugendämter honoriert. Anders als andere Be- hörden werden die Jugendämter nur dann zu einer aufenthaltsrechtlichen Mitteilung verpflichtet, wenn da- durch die eigene Aufgabe nicht gefährdet ist. Die Ju- gendämter werden in ihrer Neutralität gestärkt. Hilfebe- dürftige Familien dürfen nicht abgeschreckt werden. Sie können weiter auf vertrauensvolle Zusammenarbeit bauen. Dieser sensible Bereich braucht behutsame Regelun- gen. Sowenig wie die Vaterschaftsanerkennung miss- braucht werden darf, sowenig dürfen Elternautonomie angetastet oder binationale Ehen unter Generalverdacht gestellt werden. An diesen Prämissen werden wir den vorliegenden Entwurf messen und beurteilen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): Die Bundesregierung greift mit diesem Gesetzentwurf in den Kernbereich familiärer und personeller Selbstbe- stimmung ein. Das uns heute zur ersten Beratung vorlie- gende Gesetz basiert auf Vermutungen, Unterstellungen und Misstrauen gegenüber nichtehelicher Elternschaft in binationalen oder ausländischen Familien. Es geht der Bundesregierung um bisher nicht belegte Fälle von Va- terschaftsanerkennungen, die angeblich nur getätigt wer- den, um entweder Kind und Mutter oder dem anerken- nenden Vater einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland zu ermöglichen. Dies soll durch ein Vater- schaftsanfechtungsrecht staatlicher Behörden verhindert werden. Als Grundlage für die Notwendigkeit dieses Gesetz- entwurfs wird vor allem eine Zahl angeführt: 1 694. Die Zahl stammt aus einer Erhebung bei Ausländerbehörden im Zeitraum vom l. April 2003 bis 31. März 2004 und umfasst die Anzahl der unverheirateten ausländischen Frauen, die im Zeitpunkt einer Vaterschaftsanerkennung ausreisepflichtig waren und einen Aufenthaltstitel erhiel- ten. Wie die Bundesregierung in der Begründung des Gesetzentwurfs zugibt, belegen diese Zahlen nur eines: Die Zahl der ausländischen unverheirateten Frauen, die zur Ausreise verpflichtet waren, als ein Mann ihr Kind als das seinige anerkannte. Diese Zahl kann nicht bele- gen, dass diese Anerkennungen missbräuchlich waren und nur getätigt wurden, um Mutter und Kind den Auf- enthalt in Deutschland zu ermöglichen. Über diese Zahl hinaus hat die Bundesregierung bis heute keine weiteren Daten oder Studien vorgelegt, die ansatzweise einen sol- chen Missbrauch belegen können. Staatliche Eingriffe in dem geplanten Umfang können auf der bisherigen Da- tengrundlage aus meiner Sicht nicht begründet werden. Die Idee eines Vaterschaftsanfechtungsrechts für staatliche Behörden zur Bekämpfung angeblicher miss- bräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen ist nicht neu. Vaterschaftsanerkennungen zum Erhalt der Staatsange- hörigkeit und von Aufenthaltsrechten prangerte bereits die Unions-Fraktion in der vergangenen Wahlperiode an und forderte ein Anfechtungsrecht für Behörden. Diese Forderung der Union stieß damals nicht nur auf Ableh- nung der FDP, sondern auch auf Ablehnung der SPD. Ich darf Kollegin Fograscher an dieser Stelle zitieren: Es „wird ein Teil der Bevölkerung unter Generalverdacht genommen, denn es ist nicht gesichert, ob es sich bei diesen Zahlen wirklich um Scheinvaterschaften handelt oder die anerkennenden Väter nicht doch die biologi- schen Väter sind.“ Hier muss ich der Kollegin der SPD recht geben – warum sehen Sie das heute anders? Denn damals hielten sie einen „derart massiven Eingriff in das seit 1998 geltende neue Kindschaftsrecht“ auf „dieser ungesicherten Datenlage“ für „nicht vertretbar“. Die Zahlen des damaligen Antrags der Union bilden nun die Grundlage des Gesetzentwurfs. Wieso sind diese Zahlen nun eine ausreichende und sichere Datenlage? Und noch etwas anderes macht stutzig: Wenn von an- geblichen Missbrauchsfällen eine Notwendigkeit für gravierende Gesetzesänderungen abgeleitet wird – wie ist es zu erklären, dass der Gesetzentwurf auf alten Zah- len aus den Jahren 2003/2004 basiert und zwischenzeit- lich keine „gesicherte Datenlage“ geschaffen wurde? Nun zu den geplanten Änderungen: Staatliche Behör- den sollen das Recht bekommen, bestimmte Vater- schaftsanerkennungen vor Gericht anzufechten. Be- schränkt wird dieses Anfechtungsrecht auf die Anerkennungen, durch die die rechtlichen Voraussetzun- gen für eine erlaubte Einreise oder den erlaubten Aufent- halt des Kindes oder eines Elternteiles geschaffen wer- den können. Damit kommt dieses Anfechtungsrecht den Behörden nur zu, wenn entweder Mutter und Kind oder der Vater nicht deutsche Staatsangehörige sind oder kei- nen gesicherten Aufenthalt in Deutschland haben. Der Anfechtung vorgeschaltet sind Misstrauen gegenüber bi- nationalen und ausländischen Familien. Diese werden einem nicht zu akzeptierenden Generalverdacht unter- worfen. Eine weitere Voraussetzung einer für die Behörde er- folgreichen Vaterschaftsanfechtung ist, dass zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-famili- äre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerken- nung oder des Todes bestanden hat. Dieser Tatbestand ist zum einen unklar und stellt zum anderen nicht nur für die Praxis der Verwaltungsbehörden, sondern vor allem für alle binationalen und ausländischen Familien eine große Unsicherheit dar. Eine Erforschung der Abstam- mung und der familiären Lebenssituation wird als Regel- fall die Folge der geplanten Gesetzesänderungen sein. Die künftigen massiven Eingriffe und Nachforschungen in der Intimsphäre der Familien sind durch Interessen des Allgemeinwohls nicht gerechtfertigt. Es ist vielmehr zu befürchten, dass eine ausländische oder binationale Familie, in der die Eltern nicht verheiratet sind, sich nur von dem Generalverdacht befreien kann, indem sie den Ausländerbehörden oder Standesämtern eine tatsächli- che genetische Vaterschaft nachweist. Dies kann nicht hingenommen werden. Die Auswirkungen und Ziele des Gesetzentwurfs wer- den auch durch die historische Entwicklung des Kind- schafts- und Abstammungsrechts deutlich: Der deutsche Gesetzgeber hat unter Regierungsbeteiligung der Libera- len mit der Kindschaftsreform 1998 deutlich gemacht, dass staatliche Interventionen in Kernbereiche der Fami- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7979 (A) (C) (B) (D) lie – zu denen ohne Zweifel auch die Frage der Vater- schaft und der Vaterschaftsanerkennung gehört – keinen Platz in einem modernen Familien- und Abstammungs- recht haben. Wie der heute zu beratende Gesetzentwurf zutreffend feststellt, wurde mit gutem Grund die bis da- hin bestehende Bevormundung der Mutter eines nicht- ehelich geborenen Kindes durch die Amtspflegschaft des Jugendamtes abgeschafft und die Rechte der Mutter ge- stärkt. Wie die Gesetzesbegründung weiterhin richtig feststellt, sollte der Mutter eines nichtehelichen Kindes nicht weiter Misstrauen entgegengebracht werden. Nun will die Bundesregierung dieses Vertrauen wieder ein- schränken – aber nur bei Beteiligung von Ausländern, und dies in Zeiten des Antidiskriminierungsgesetzes. Wie erklären Sie diese so offensichtliche Diskriminie- rung und Stigmatisierung nichtehelicher Kinder binatio- naler und ausländischer Eltern? Denn die Rechte, die den unehelichen Kindern binationaler oder ausländischer Eltern durch eine staatliche Anfechtung genommen wer- den, bleiben bei ehelichen Kindern aus ausländischen und binationalen Familien bestehen. Eine Ungleichbe- handlung nichtehelicher Kinder und nichtehelicher El- ternschaft ist nicht vertretbar. Verfassungsrechtliche Bedenken sind ein weiterer As- pekt bei diesem Gesetzentwurf, sowohl in Bezug auf das Elternrecht, gem. Art. 6 Abs. 2 GG als auch hinsichtlich Art. 6 Abs. l GG. Eltern-Kind-Gemeinschaften sind in- sofern geschützt, als sie ihre Gemeinschaften in familiä- rer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei gestalten können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesver- fassungsgerichtes ist das Verhältnis des Kindes – auch des nichtehelichen – sowohl zu seiner Mutter als auch zu seinem Vater geschützt. Der Anerkennung einer Vater- schaft folgen Unterhalts- und erbrechtliche Ansprüche des Kindes. Diese Rechte werden dem Kind genommen, wenn der Staat die Vaterschaftsanerkennung erfolgreich anficht. Dies kann nicht die Absicht des Gesetzgebers sein, der sich seit Jahrzehnten bemüht, das Kindeswohl zu wahren und zu fördern. Eines ist am Ende der ersten Lesung in aller Deutlich- keit festzuhalten: Eine Stigmatisierung und Diskriminie- rung binationaler und ausländischer Familien ist mit der FDP nicht zu beschließen. Wenn sich Missbräuche im relevanten Maße nachweisen ließen, stehen wir der Dis- kussion über Lösungswege offen – das Abstammungs- recht ist hier aber der falsche Weg. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Die Debatte um Scheinasylanten und Scheinehen erlebt heute ihre Fortsetzung. Die Union und SPD beabsichtigen, ein neues Feld zu eröffnen, auf dem sie Menschen mit aus- ländischer Staatsangehörigkeit des Missbrauchs guten deutschen Rechts verdächtigen können: die Scheinväter. Nach dem Asylrecht und der Ehe ist nun die Vaterschaft an der Reihe. Zukünftig können deutsche Behörden bi- nationale Paare einer ganzen Prozessur an Verdächtigun- gen, Befragungen und Entrechtung unterwerfen. Ideologisch lässt der hier vorliegende Gesetzentwurf das Bild des Asylmissbrauchs wieder aufleben. Praktisch ist der Kampf gegen die sogenannte Scheinvaterschaft eine weitere Maßnahme, um den Familiennachzug einzu- schränken. Dabei wird hier ein Gesetzentwurf vorgelegt, ohne dass überhaupt eine empirische Datenbasis exis- tiert, die die Häufigkeit von Scheinvaterschaften begrün- den kann. Den Umgang der Bundesregierung mit dem Mangel an empirischen Daten halte ich für höchst unse- riös. Denn der Gesetzentwurf heizt die Debatte mit be- achtlich hohen Zahlen auf. Warum tut sie dies, wenn sie gleichzeitig einräumt, dass diese Zahlen lediglich die un- verheirateten Mütter eines deutschen Kindes zusammen- fassen, die über eine Vaterschaftsanerkennung einen Auf- enthaltstitel erhielten? Die Bundesregierung tut das, weil sie diese Personengruppe generell unter Generalverdacht stellen will. Außerdem bringt das BMJ in einer Presse- mitteilung ein drastisches Beispiel eines Obdachlosen, der für eine Scheinvaterschaft Geld kassiert. Gleichzeitig sollen hier angeblich organisierte Strukturen am Werke sein – nachzulesen auf Seite 11 des Gesetzentwurfs. Diese Zahlen und diese Beispiele werden von der Presse gerne aufgegriffen, ohne dass sie auf real nachgewiese- nen Tatsachen beruhen. Das ist kein seriöser Umgang mit dem Thema, sondern ein Missbrauch von Zahlen. Der Gesetzgeber ist auch nicht daran interessiert, wahrheits- widrige Vaterschaftsanerkennungen grundsätzlich zu be- seitigen. Denn allein binationalen Partnerschaften wer- den unter einen Generalverdacht der Scheinvaterschaft gestellt. Die Konsequenzen dieses Generalverdachts sind für die Betroffenen gravierend. Um den Missbrauch von einigen wenigen zu bekämpfen, werden wichtige Grund- rechte von binationalen Familien eingeschränkt. Denn eins ist klar: Auch wenn der Gesetzentwurf so tut, als ob der Tatbestand der sozial-familiären Beziehung eindeutig bestimmt ist, ist dem realiter nicht so. Letztendlich müs- sen die Behördenmitarbeiter beurteilen und interpretie- ren, ob tatsächlich Verantwortung übernommen wird oder eine Scheinvaterschaft vorliegt. Ich möchte hier niemandem willkürliches Verhalten unterstellen, aber dieses Gesetz regt Standes- und Ju- gendämter sowie die Ausländerbehörden gerade zum Misstrauen an, weil es die Straftat voraussetzt. Es macht Vermutungen zu einem notwendigen Bestandteil, um ein Verfahren einzuleiten. Schon jetzt ist vorauszusehen, dass unzählige binationale Eltern zu Unrecht betroffen sein werden. Und wie wir das aus der deutschen Ge- schichte bereits kennen, wird es immer Bürgerinnen und Bürger geben, die Gesetze dafür nutzen, Unschuldige zu denunzieren. Allein schon der Verdacht hätte aber für die Betroffe- nen weitreichende Einschränkungen von Grundrechten zur Folge. So kann für die Dauer eines Verfahrens die Verlängerung eines Aufenthaltstitels ausgesetzt werden oder eine Familienzusammenführung unterbleiben. Für äußerst problematisch halte ich außerdem die allgemeine Mitteilungspflicht von öffentlichen Stellen an die Aus- länderbehörde bei Verdacht auf Scheinvaterschaften. Ich erachte es politisch für falsch, aufenthaltsrechtliche Kontrollfunktionen auf Behörden zu verlagern, die einen ganz anderen gesellschaftlichen Auftrag besitzen und deren Arbeit auf einem Vertrauensverhältnis beruht. Hiermit meine ich vor allem das Jugendamt, aber auch Kindertagesstätten würden darunter fallen. 7980 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Das eigentliche Problem mit den Scheinvaterschaften ist ein ganz anderes. Sie sollten sich mal die Frage stel- len, warum Menschen überhaupt Scheinvaterschaften eingehen. Warum klammern sich Menschen, die hier seit Jahren leben und von Abschiebung bedroht sind, an je- den Strohhalm, der sich ihnen bietet? Die Bundestags- fraktion Die Linke hält das restriktive Aufenthaltsgesetz für das eigentliche Problem: Erst eine Politik, die Ein- wanderung verhindert, Flüchtlingen kaum noch Schutz vor Verfolgung bietet, die Abschiebemaschinerie ankur- belt und ein dauerhaftes Bleiberecht verweigert, zwingt Menschen dazu, solche Rechtslücken zu nutzen. Statt den Generalverdacht gegen binationale Paare zu schü- ren, sollten Sie die Aufenthaltsmöglichkeiten verbes- sern. Damit würden Sie mal was Sinnvolles tun. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜ- NEN): Ein zentraler Schwachpunkt des vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes der Bundesregierung zur Er- gänzung des Rechts auf Anfechtung der Vaterschaft ist es, dass die Bundesregierung nicht imstande ist, darzule- gen, ob es in Deutschland überhaupt in relevantem Um- fang den behaupteten Missbrauch von Vaterschaftsaner- kennungen gibt. Die Zahlen, auf die sich der Gesetzentwurf stützt, können nämlich – so auf Seite 11 in der Gesetzesbegründung – „nicht belegen, in wie vie- len Fällen es sich tatsächlich um missbräuchliche Vater- schaftsanerkennungen handelt (...) Sie zeigen aber einen nicht unerheblichen Rahmen, in dem missbräuchliche Vaterschaftsanerkennungen stattfinden können.“ Ein Ge- setz zur Ergänzung des Rechts auf Anfechtung der Va- terschaft bedarf aber einer validen rechtstatsächlichen Datengrundlage über das Phänomen, das man bekämp- fen möchte, und keine hypothetischen Vermutungen über einen möglicherweise stattfindenden Rechtsmiss- brauch. Schließlich ist der Gesetzentwurf mit gravieren- den Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte der Betroffe- nen verbunden. Die Ermächtigung einer – von den Bundesländern zu bestimmenden – Behörde zur Anfechtung der Vater- schaft schwächt überdies die seit 1961 schrittweise er- reichte familienrechtliche Absicherung der Elternauto- nomie. Die Elternautonomie gewährleistet insbesondere § 1595 BGB, der für die wirksame Vaterschaftsanerken- nung allein die formgebundenen Erklärungen des aner- kennenden Vaters und der Mutter verlangt. Um vermute- ten ausländerrechtlichen Belangen Rechnung zu tragen, lässt der Entwurf der Bundesregierung das 1961 abge- schaffte Anfechtungsrecht öffentlicher Stellen wieder aufleben. Auf diese Weise werden schwerwiegende Ein- griffe in den Bestand der Familie und die Elternautono- mie möglich, die das Familienrecht nicht zuletzt auch mit der Kindschaftsreform gegen Eingriffe staatlicher Behörden abgesichert hatte. Die im Entwurf vorgesehene Ermächtigung staatli- cher Behörden zur Anfechtung der Vaterschaft stellt die Elternautonomie infrage, ohne dass vorrangige schutz- bedürftige familiäre Beziehungen diesen Eingriff recht- fertigen. Das vorgeschlagene Mittel des behördlichen Anfechtungsrechtes ist zur Abwehr des behaupteten Missbrauchs weder erforderlich noch angemessen. Die Bundesregierung hat es weiterhin nicht geschafft, das zentrale Problem ihres Anliegens, nämlich die be- hördliche Beweis- und Begründungspflicht im Zusam- menhang mit der Anfechtung einer Vaterschaft, zu lösen. Bei der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Lö- sung darf es aus unserer Sicht keinesfalls bleiben; denn diese stellt Eltern, die nur über einen unsicheren Aufent- haltsstatus verfügen, unter einen unzulässigen Gene- ralverdacht. Auch Menschen mit ungesichertem Auf- enthaltsstatus, mit finanziellen und psychischen Schwierigkeiten versuchen, ein ganz normales Leben zu führen. Sie verlieben sich, gehen Beziehungen ein und gestalten diese. Wenn dabei Bindungen mit einem Deut- schen entstehen, dürfen diese nicht generell unter dem Verdacht des Erschleichens von Vorteilen gesehen wer- den. Aus der Gesetzesbegründung wird ersichtlich, dass die anfechtungsberechtigte Behörde im Hinblick auf ihre Darlegungslast einseitig begünstigt wird; Sie muss ledig- lich „Umstände“ vortragen, die gegen die Vaterschaft sprechen. Hierfür soll es – so die Gesetzesbegründung weiter – schon genügen, wenn die Anfechtungsbehörde das (Nicht-)Vorliegen des Zusammenlebens in häusli- cher Gemeinschaft in Beziehung setzt zur aus fänder- rechtlichen Situation der Beteiligten. Soweit dies ge- schehen ist, sei es Aufgabe der Anfechtungsgegner, zu ihrer Beziehung im Einzelnen vorzutragen. Darüber hinaus kann der Umstand, dass keine häusli- che Gemeinschaft vorliegt oder noch keine sozial-fami- liäre Beziehung aufgebaut wurde, allein nicht ausrei- chend sein für ein Anfechtungsrecht des Staates. Es kann hierfür eine Vielzahl objektiver Gründen geben, etwa wenn sich ein Elternteil im Ausland befindet. Völlig aus dem Blick geraten sind bei dem Gesetzent- wurf die Kinder und damit die Achtung des Kindes- wohls. Die Kinder werden durch Anfechtungsverfahren ihrer Väter beraubt, ohne einen anderen Vater als Be- zugsperson zu erhalten. Sie werden für wahrheitswidrige Angaben ihrer Mütter bestraft, auch noch nach Jahren, und dies härter als die verursachenden Personen, ob- gleich sie nichts dazu beigetragen haben. Die Kinder können nicht in Rechtssicherheit aufwachsen, da diese nur vermeintlich besteht. Gleichwohl fühlt sich das Kind dieser Gesellschaft zugehörig und wird in dieser soziali- siert. Der vorliegende Gesetzentwurf steht daher dem Kindeswohl in vielen Punkten entgegen. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt eine bestimmte spezielle Personengruppe unter Generalverdacht, rechtli- che Vorteile durch wahrheitswidrige Angaben zu erlan- gen. Bei einer derart niedrigen Verdachtsschwelle, wie sie die Bundesregierung vorschlägt, wird praktisch jede soziale Vaterschaft für ein Kind, dessen Mutter lediglich über einen unsicheren Aufenthaltsstatus verfügt, mit ei- ner Anfechtungsklage rechnen müssen, wenn Vater und Kind nicht zusammenleben – und dies, obwohl bislang nur Einzelfälle bekannt geworden sind. Wir sind klar gegen ein Zurückdrehen der Kind- schaftsrechtsreform. Der Gesetzgeber hatte damals bei dieser Reform bewusst auf eine behördliche Beteiligung bei der Vaterschaftsfeststellung unehelicher Kinder ver- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7981 (A) (C) (B) (D) zichtet und damit die Rechte der Mütter gestärkt. Staatli- che Stellen haben weder bei ehelichen noch bei uneheli- chen Kindern von Deutschen das Recht, die Vaterschaft des biologischen oder auch des sozialen Vaters in Zwei- fel zu ziehen. Gleiches muss auch für die Kinder von ausländischen Vätern oder Müttern und binationale Paare gelten. Wir lehnen den vorliegenden Gesetzesent- wurf daher ab. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin der Justiz: Der vorliegende Gesetzent- wurf hat viel mit der Kindschaftsrechtsreform von 1998 zu tun, die seit über acht Jahren mit viel Engagement umgesetzt wird. Die Reform hat die Elternautonomie ge- stärkt und die Entstehung von Familien gefördert, weil unsere Gesellschaft Kinder braucht und weil Kinder Vä- ter brauchen. Die Vaterschaftsanerkennung ist deshalb nicht mehr von einer staatlichen Überprüfung oder gar Genehmigung abhängig. Damit fördern und schützen wir gemäß dem Auftrag des Grundgesetzes die leibli- chen wie die sozialen Vaterschaften. Soziale Vaterschaft bedeutet aber, die elterliche Ver- antwortung tatsächlich und nicht nur auf dem Papier zu übernehmen. Die Länder haben hier in ihrer Verwaltungs- praxis eine problematische Entwicklung festgestellt und den Sachverhalt in der Innenministerkonferenz aufgear- beitet. Es gibt Vaterschaften, die nur aus einem einzigen Grund anerkannt werden: um staatsangehörigkeits- und ausländerrechtliche Vorteile zu erlangen. Die Vaterschaft wird nur zum Schein anerkannt und ist nicht auf ein Va- ter-Kind-Verhältnis gerichtet. Die Unterhaltspflichten brauchen den Scheinvater oft mangels Leistungsfähig- keit nicht weiter zu kümmern. Das ist ein Missbrauch der Kindschaftsrechtsreform und gefährdet die Akzep- tanz dieser Reform. Deshalb hat die Bundesregierung eine Ergänzung des Anfechtungsrechts vorgelegt. Bei diesem Gesetz handelt sich um ein sensibles Un- terfangen. Wir mussten das Anfechtungsrecht zielgenau auf die zweckwidrigen Vaterschaftsanerkennungen rich- ten, damit wir nicht in die Rechte der Familien eingrei- fen. Die Reaktionen des Bundesrates und vieler Fachver- bände bescheinigen uns, dass dieses Ziel erreicht worden ist. Die Anfechtung der Vaterschaft kann nur Erfolg ha- ben, wenn erstens der Anerkennende nicht der biologi- sche Vater des Kindes ist, wenn zweitens zwischen dem Kind und dem Anerkennenden keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt der Anerkennung bestanden hat und drittens die Vaterschaftsanerkennung tatsächlich ausländerrechtliche Vorteile nach sich gezo- gen hat. Ich betone: Auf Ablehnung stößt dabei nicht der legi- time Wunsch ausländischer Menschen nach einem gesi- cherten Aufenthalt in Deutschland. Missbilligt wird aber der Missbrauch einer Vaterschansanerkennung für diese Zwecke. Wenn das Vorhaben gleichwohl bei manchen Verbän- den auf Ablehnung stößt, liegt das vor allem an der Sorge vor einem „Generalverdacht“ gegen binationale Familien und Partnerschaften. Wir haben diese Kritik sehr ernst genommen und jedes Detail unseres Entwurfs in den letzten Monaten nochmals sorgfältig auf den Prüf- stand gestellt, ob es entweder die Effektivität des Geset- zes gefährden oder aber umgekehrt über das Ziel hinaus- schießen und binationale Familie beinträchtigen kann. Die Bestimmung der anfechtungsberechtigten Be- hörde haben wir dabei aus guten Gründen den Ländern überlassen. Die Stellungnahmen zum Gesetzentwurf ha- ben uns sehr deutlich gemacht, dass auf Länderebene ganz verschiedene Lösungen sachgerecht sein können. Ich bin zuversichtlich, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung eine gute Grundlage für zügige und zielführende Beratungen im Bundestag sein wird. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Heimbericht im Bundestag diskutieren – Missstände offenlegen und bekämpfen (Tagesordnungspunkt 22) Markus Grübel (CDU/CSU): Wir beschäftigen uns mit einem Antrag der Fraktion Die Linke, der – das ist keine Frage – ein sicherlich bedeutsames Thema, näm- lich das Heimrecht bzw. den Heimbericht, anspricht, je- doch ist der Bundestag für diesen Antrag der falsche Adressat. Daher – ich schicke es gleich voraus – lehnen wir den Antrag ab. Man kann ja gerne unterschiedlicher Ansicht darüber sein, ob es richtig war, das Heimrecht weitgehend auf die Länder zu übertragen. Aber es ist nun einmal Fakt, dass mit dem Inkrafttreten der Föderalismusreform die öffentlichrechtlichen Vorschriften des Heimrechts, zu denen auch die Berichtspflicht gemäß § 22 des Heimge- setzes gehört, in die ausschließliche Gesetzgebungskom- petenz der Länder übergegangen sind. Sowohl Bundes- tag als auch Bundesrat sind damit für diese Materie nicht mehr die zuständigen gesetzgebenden Körperschaften. Im Übrigen wurde diese Frage schon einmal im Plenum – im Rahmen einer Fragestunde vor zwei Monaten – ausführlich debattiert. Abgesehen von der rechtlichen Sachlage würde es kaum Sinn machen, über etwas zu diskutieren, für das man nicht mehr zuständig ist und bei dem man folglich auch keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr besitzt. Es wäre sicherlich auch nicht angemessen, gegenüber der Öffentlichkeit Eindruck zu erwecken, dass der Bund noch eine Zuständigkeit besäße. Die Schlussfolgerungen oder besser gesagt die politi- schen Konsequenzen müssen zukünftig die Länder zie- hen. Da muss man einfach einmal abwarten. Nach mei- nen Informationen haben die Länder zwar noch keine eigenen Heimgesetze verabschiedet; ich bin aber sehr zuversichtlich, dass die Länder mit den Informationen des Heimberichts sorgfältig umgehen, sie bewerten wer- den und dann auch die notwendigen und richtigen Kon- sequenzen ziehen werden. Es gibt keinen Grund, an dem Gestaltungswillen bzw. der Kompetenz der Länder zu zweifeln. 7982 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Der Heimbericht, der sich aufgrund einer komplexen Auswertung von Daten- und Zahlenmaterial um ein Jahr verzögerte, ist seit Mitte Oktober 2006 als Onlinepubli- kation auf der Homepage des BMFSFJ eingestellt und damit für alle Interessierten öffentlich zugänglich. Hie- rüber wurden auch die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke in Kenntnis gesetzt. Zudem haben alle Mitglieder des zuständigen Ausschusses ein Druck- exemplar erhalten. Damit wurde meines Erachtens aus- reichend Öffentlichkeit gewährt. Zur Qualitätssicherung in Heimen möchte ich Folgen- des anmerken: Entgegen ihrer Wertung kommt der Heimbericht auf Seite 2 Mitte zu folgender Einschät- zung: Die Qualität der stationären Versorgung ist, wie die Fakten dieses Berichts belegen, erheblich besser als es öffentlich geführte Debatten und einzelne Berichte gele- gentlich vermuten lassen. Gute Pflege und Betreuung ist möglich und wird in den Heimen grundsätzlich auch praktiziert. Der Heimbericht belegt eindeutig, dass sich die Be- dingungen für ältere Menschen in Heimen stetig verbes- sert haben: Der steigende Anteil an Einzelzimmern trägt dem Bedürfnis nach Privatheit Rechnung. Moderne und bewohnerfreundliche Standards werden beim Neubau und bei der Renovierung von Einrichtungen stationärer Altenhilfe zugrunde gelegt. Die sogenannten neuen Wohnmodelle, in denen die Bewohnerinnen und Bewoh- ner ihren Alltag weitestgehend eigenständig gestalten können, breiten sich immer mehr aus. In den Kernberei- chen der Pflege und Betreuung wurde in den vergange- nen Jahren mehr Personal eingesetzt. Die gesetzlich vorgeschriebene Fachkraftquote wird in allen Bundes- ländern erfüllt. Bei den Einrichtungsträgern und ihren Verbänden haben Fragen der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements einen hohen Stellenwert, sodass erforderliche Änderungen in der Betriebsorganisation der Heime zum Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner umgesetzt werden können. Neben diesen Verbesserungen im Bereich der Heim- versorgung nimmt der Bericht auch künftige Herausfor- derungen und noch bestehende Defizite stationärer Ver- sorgung und Pflege in den Blick: So sollen bestimmte, auf demenzerkrankte ältere Menschen ausgerichtete Be- treuungskonzepte überall feste Bestandteile der Heim- versorgung werden. Zudem werden Ansätze zur Verbes- serung der Sterbebegleitung und der palliativen Versorgung gesehen. Befürchtungen, dass mit der Verlagerung der Gesetz- gebungskompetenz für das Heimrecht auf die Länder ge- mäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG ein Qualitätsverlust ver- bunden sein könnte, teile ich nicht. Mehr Wettbewerb kann auch zu höheren Qualitätsgewinnen führen. Im Üb- rigen ist die Umsetzung des Heimgesetzes und damit die Auslegung der im Heimrecht verankerten Standards schon immer eigenverantwortliche Angelegenheit der Länder gewesen. Mit Blick auf die jetzt anstehende Reform der Pflege- versicherung ist eine Diskussion über den künftigen Stellenwert stationärer Versorgung unverzichtbar. Eine wichtige Aufgabe bleibt die Entbürokratisierung in der Pflege, damit die Qualität der stationären Versorgung er- halten und auch bezahlbar bleibt. In nicht allzu langer Zeit werden wir uns an dieser Stelle darüber unterhalten, wie man das Ziel erreichen kann, die stationäre Heim- versorgung so zu gestalten, dass Lebensqualität, Würde und Selbstbestimmung auch vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Veränderungen aufgrund des demografi- schen Wandels garantiert bleiben. Zur angeführten Kritik eines UN-Ausschusses aus dem Jahr 2001, die in der deutschen Öffentlichkeit große Aufmerksamkeit erregte und mitunter zu einer Verunsi- cherung älterer Menschen führte, möchte ich gerne Fol- gendes anmerken: Die Zahlenangaben in Bezug auf Pfle- gemängel waren nicht hinreichend valide, das wurde auch von der Mehrzahl der Länder bestätigt. Im Prinzip handelte es sich damals um pauschale Vorwürfe, die nicht belegt werden konnten. Mängel und Missstände gab und gibt es immer wieder; das kann man nicht in Gänze verhindern. Man kann aber dafür sorgen, dass sich die Situation in Pflegeheimen verbessert. Das hat die damalige Bundesregierung mit einer Reihe von Maß- nahmen auch getan. Sowohl das novellierte Heimgesetz als auch das Pflege-Qualitätssicherungsgesetz (PQsG) von 2002 waren Grundlage für eine verbesserte interne und externe Qualitätssicherung in den Pflegeeinrichtun- gen. Weiterhin wurde zur bundeseinheitlichen Ausbil- dung und zur Verbesserung des Berufsbildes der Alten- pflegerin und des Altenpflegers ein Altenpflegegesetz verabschiedet. Zudem wurden zur Umsetzung des Heim- gesetzes und des PQsG die Heimmindestbauverordnung zur Verbesserung der räumlichen Bedingungen und die Heimmitwirkungsverordnung erarbeitet. Daneben wur- den vielfältige Vorhaben und Projekte in Angriff genom- men, wie zum Beispiel die Entwicklung von Expertenstandards, die Expertise „Qualität in stationären Pflegeeinrichtungen“, das Modellprogramm „Altenhil- festrukturen der Zukunft“. Darüber hinaus wurden lang- fristig Gelder für die angewandte Pflegeforschung zur Verfügung gestellt. Alles in allem zeigt doch auch der jetzt vorgelegte Heimbericht, dass die Vorwürfe bzw. Behauptungen des UN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kultu- relle Rechte von 2001 für Deutschland nicht zutreffen. Wolfgang Spanier (SPD): Wir diskutieren und ent- scheiden heute über den Antrag der Fraktion Die Linke „Heimbericht im Bundestag diskutieren – Missstände offen legen und bekämpfen“. Um es gleich vorweg zu sagen: Die SPD-Bundestagsfraktion wird diesen Antrag ablehnen. Ich weiß, das könnte Anlass zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen sein. Ist der erste Heimbericht der Bundesregierung so unwichtig, dass es sich für den Bundestag nicht lohnt, ihn zu debattieren? Hat die SPD- Bundestagsfraktion etwa kein Interesse, Missstände in Heimen offenzulegen und zu bekämpfen? Beides ist natürlich nicht der Fall. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7983 (A) (C) (B) (D) Der Bericht über die Situation der Heime und die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner verdient die besondere Aufmerksamkeit aller politisch Verant- wortlichen. Wir erwarten, dass er als Informationsquelle und als Planungsgrundlage von den Verantwortlichen in Politik, Praxis und Fachöffentlichkeit genutzt wird. Die Lebensqualität der Menschen, die in Heimen leben, ist für uns eine moralische, aber auch eine politische Verpflichtung. Selbstverständlich bedeutet das nicht nur, dass die Hinweise des Heimberichts auf Missstände und Mängel ernst genommen werden müssen, sondern dass alles getan werden muss, um diese zu beseitigen. Ich bin davon überzeugt, in dieser Einschätzung stimmen wir alle überein, über die Parteigrenzen hinweg. Der Bericht hätte bereits im Jahre 2004 vorgelegt werden müssen und wurde erst im Oktober 2006 auf der Homepage des Bundesministeriums für Frauen, Senioren, Familie und Jugend veröffentlicht. Er ist also der Öffent- lichkeit und damit allen politisch Verantwortlichen zugänglich. Alle Mitglieder unseres Fachausschusses haben selbstverständlich ein Druckexemplar erhalten. Die Bundesregierung verzichtete auf eine offizielle Weiterleitung des Berichts an den Deutschen Bundestag, da das Heimrecht nach der Föderalismusreform in die Gesetzgebungskompetenz der Länder übergegangen ist. Nach § 22 des Heimgesetzes muss das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den gesetz- gebenden Körperschaften des Bundes berichten. Der Bund hat aber eben keine gesetzgebenden Kompetenzen mehr. An dieser Stelle will ich noch einmal ausdrücklich betonen: Die Fachpolitiker der SPD-Bundestagsfraktion wie auch der Union und – dessen bin ich mir sicher – aller Fraktionen des Bundestages wollten die Kompetenz für das Heimrecht beim Bund erhalten. Das war leider nicht durchsetzbar. Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben die Bundesländer darauf bestanden, die gesetz- gebende Kompetenz für das Heimrecht übertragen zu bekommen. Entsprechend haben die Landesregierungen votiert – unabhängig von der parteipolitischen Konstel- lation, ob das Land Bayern, das Land NRW oder auch Berlin. Das Bundesministerium hat hier nur konsequent ge- handelt. Der Bundestag hat nun einmal nicht mehr die Gesetzgebungskompetenz. Natürlich könnte er über den Bericht debattieren, aber er könnte keinerlei politische Konsequenzen ziehen. Der Eindruck in der Öffentlichkeit wäre fatal. Der Bund würde den Eindruck erwecken, als habe er eine Verantwortung für diesen Bereich, obwohl er keinerlei Gestaltungsmöglichkeiten mehr hat. Die Öffentlichkeit würde aber zu Recht erwarten, dass wir aus diesem Bericht Konsequenzen ziehen. Das ist der Grund, weswegen wir Ihren Antrag ab- lehnen, die Bundesregierung aufzufordern, den Heim- bericht offiziell dem Deutschen Bundestag zuzuleiten. Wir wenden uns auch gegen die polemische Überspitzung Ihres Antrags. Der Antrag der Linken überzeichnet und verzerrt den sachlichen Befund des Berichts, der – das steht auf Seite 12 des Berichts – tatsächlich davon ausgeht, dass „schwere Missstände … vereinzelt vorkommen, jedoch nicht den Heimalltag prägen“. Natürlich ist es wichtig, Missstände zu erkennen. Selbstverständlich erwarten wir, dass diese Missstände und die Mängel in der Pflege beseitigt werden. Für Ihre Skandalisierung und Diffa- mierung der Heime gibt der Heimbericht aber keinerlei Anlass. Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass die Situation der Heimbewohnerinnen und -bewohner durch zahlreiche Maßnahmen, die Pflegequalität und die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen zu gewährleisten, verbessert wurde. Ich nenne das verpflichtende Instrument des Qualitätsmanagements, verankert im SGB XI, die Stärkung der Heimmitwirkung über Heimbeiräte, die Selbstbestimmung von betreuten Personen im Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz 2005, die Verbesserung der Altenpflegeausbildung, pflegerische Verbesserungen, wie zum Beispiel Modelle zur Sturz- und Dekubitus- prophylaxe. Dazu gehören auch das Modellprogramm „Altenhilfestrukturen“ und verschiedene Programme, die neue Wohnformen unterstützen, die neue Wohnformen als Alternative zum Heim bzw. als Strukturveränderung im Heim fördern. Wir erwarten, dass diese positiven Ansätze, soweit sie jetzt in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegen, weiterentwickelt werden. Wir erwarten, dass die Landes- parlamente ihrer neuen Verantwortung gemäß die Anre- gungen und Schlussfolgerungen aus dem Heimbericht aufgreifen. Sibylle Laurischk (FDP): Der Umgang der Bundes- regierung mit dem Ersten Heimbericht zeigt, welch of- fene Flanke die Pflegepolitik für sie darstellt. Bereits die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zur Reform der Pflegeversicherung, die nur als ungenügend bezeichnet werden kann, lässt uns für die Zukunft das Schlimmste befürchten. Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Leistungsverbesserun- gen werden schon wieder zurückgenommen, ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff soll erst nach der Reform de- finiert werden. Das bedeutet, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Und nun drückt sich die Regierung auch noch vor einer Bewertung des Heimberichts. Man sei mit der Verschiebung der Gesetzeskompetenz durch die Födera- lismusreform an die Bundesländer für eine Weiterent- wicklung des Heimrechts nicht mehr zuständig und müsse sich daher den Ergebnissen des Berichts nicht mehr widmen. Übersehen wird dabei, dass die Bundes- regierung für den im Heimbericht betrachtenden Zeit- raum für das Heimrecht zuständig war. Daher ist eine Befassung im Bundestag mit den Zuständen in den deut- schen Heimen politisch geboten, wenn auch vielleicht für die Regierung nicht besonders schmeichelhaft. Daher stimme ich dem Antrag auf formelle Zuleitung des Be- richts an den Bundestag ausdrücklich zu. Eine Debatte über diese Fragen des Älterwerdens steht dem Bundes- tag gut an. Die öffentliche Meinung über Pflegeheime ist verhee- rend. Schockierende Berichte in den Medien und eine immer hilfloser erscheinende Pflegebürokratie lassen die Menschen nach Auswegen suchen. Nach einer Studie 7984 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) wollen sich 32 Prozent der Befragten lieber das Leben nehmen, als zum Pflegefall zu werden. Die Zahlen für die Zustimmung zur aktiven Sterbehilfe steigen immer mehr an. Die Angst, in hilfloser Lage im Heim dahinzu- vegetieren, ist die Schreckensvorstellung Nummer eins in unserer Gesellschaft. Der Heimbericht versucht, dem überzeichneten Bild entgegenzuwirken: Die Qualität der stationären Versor- gung sei erheblich besser, als es öffentlich geführte De- batten und einzelne Berichte vermuten lassen. Gute Pflege und Betreuung sei möglich und werde in den Hei- men grundsätzlich auch praktiziert. Dies ist in dieser Pauschalität genauso wenig zielführend wie reißerische Presseberichte über Vernachlässigung. Die Realität muss nüchtern betrachtet werden, um dann die Konsequenzen daraus zu ziehen. Ob 83 Minuten durchschnittliche individuelle Pflege- zeit am Tag, wie der Heimbericht eine Studie aus Nordrhein-Westfalen zitiert, ausreichen, um ein men- schenwürdiges Leben, wie wir alle es verstehen, zu er- möglichen, kann man diskutieren. Wichtiger ist: Die Mitarbeiter müssen endlich die Möglichkeit bekommen, sich ausreichend um den einzelnen Bewohner zu küm- mern. Die starke Zunahme der physischen und vor allem der psychischen Krankheitsfälle bei den Mitarbeitern sind aber die Symptome der Überforderung. Exempla- risch sieht man das Dilemma bei der steigenden Zahl der freiheitsentziehenden Maßnahmen. Diese sind leider an der Tagesordnung – und besonders zu kritisieren, wenn sie zur Arbeitserleichterung des Personals und nicht zum Schutz der Betroffenen unternommen werden. Realistischerweise darf man aber auch keine indivi- duelle soziale Betreuung rund um die Uhr erwarten. Hier sind flankierende Initiativen zu unterstützen, die gerade auf Basis bürgerschaftlichen Engagements Ansprache und Zerstreuung für Bewohner bieten, die dies in zuneh- mendem Maße nicht mehr durch die Familie erwarten können. Leider äußert sich der Bericht nicht detailliert zur psychosozialen Situation der Bewohner. Ebenso feh- len weiterführende Hinweise auf Probleme im Zusam- menhang mit der steigenden Zahl von Bewohnern mit Migrationshintergrund. Angesichts der ersten türkischen Altenheime, die in Berlin eröffnen, ist ein kurzer Hin- weis auf die Notwendigkeit von kultursensibler Alten- pflege zu wenig. Hier hätte ich mir einen größeren Schwerpunkt gewünscht. Der Bericht schlägt zur Weiterentwicklung der Heime folgende Maßnahmen vor: Position der Bewohnerinnen und Bewohner stärken, bedarfsgerechte Wohn- und Be- treuungsformen ausbauen, die Pflege entbürokratisieren sowie endlich einen sichtbaren Qualitätswettbewerb der Einrichtungen ermöglichen. Letzteres muss durch ein verbessertes Qualitätsmanagement und eine höhere Transparenz des Heimgeschehens erreicht werden. Dies geht in die richtige Richtung. Die FDP-Fraktion hat in ihrem Antrag „Entbürokratisierung der Pflege vorantrei- ben – Qualität und Transparenz der stationären Pflege erhöhen“ Forderungen aufgestellt, deren Erfüllung zu einer deutlichen, auch kurzfristigen Verbesserung der Situation in den Heimen führen werden und die über die allgemeinen Forderungen des Berichtes sowie des „Run- den Tisches Pflege“ vom Herbst 2005 hinausgehen. Die Debatte über die Situation in unseren Heimen ist dringend erforderlich, und die Bundesregierung verpasst eine Chance für eine rationale Beschäftigung mit diesem Thema, um unrealistischen Schreckenszenarien entge- genzutreten. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): 160 000 Menschen le- ben derzeit in der Bundesrepublik in sogenannten Groß- einrichtungen. Ich nehme an, keiner der Bundestagsab- geordneten, kein Mitglied der Bundesregierung und keiner ihrer Spitzenbeamten möchte Nummer 160 001 sein. Warum ist das Leben im Heim für Sie persönlich so ziemlich das Schlimmste, was Sie sich vorstellen können, wenn Sie infolge von Krankheit, Unfall oder Alter auf Hilfe und Assistenz angewiesen sind? Weil Sie wissen oder ahnen, wie es ist in so einem „Heim“! Am l. Dezember 2006 startete die Bundesinitiative „Daheim statt Heim“. Unsere Kollegin Silvia Schmidt, die Behindertenbeauftragte der SPD-Fraktion, hat mit weiteren Persönlichkeiten aus der Behindertenbewegung, aus Politik und Medien diese Initiative angestoßen. Als einer der Erstunterzeichner möchte ich von dieser Stelle ausdrücklich für die Bundesinitiative und deren Forderun- gen werben: Schließen Sie sich an! „Daheim statt Heim“, das heißt für Menschen mit Behinderungen und/oder Pflege- und Assistenzbedarf, in ihrer eigenen Wohnung im selbst gewählten und gewohn- ten Umfeld leben zu können. Zur Verwirklichung des gesetzlich normierten Wunsch- und Wahlrechtes müssen sie die nötige Unterstützung bekommen. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Bundesinitiative: einen Baustopp für neue Heime, den Abbau bestehender Heimplätze, den flächendeckenden Aus- und Aufbau individuell-bedarfs- deckender vernetzter Unterstützungsangebote für ältere und behinderte Menschen, die Garantie der Wahl- möglichkeiten der Betroffenen, unter anderem durch persönliche Budgets, die Gewährleistung des Grundsatzes „Daheim statt Heim“ in allen gesetzes- und verwaltungs- technischen Regelungen auf allen Ebenen und in der Praxis, die Beteiligung der Betroffenen an dem Reform- prozess nach der Devise „Nichts über uns ohne uns“. Ich hoffe und wünsche, dass viele weitere Mitglieder des Bundestages die Initiative unterzeichnen, aktiv unter- stützen und der Bundestag diese Forderungen sehr bald gemeinsam mit dem Heimbericht der Bundesregierung debattieren wird. Anlässlich des Welttages der Menschen mit Behinderun- gen am 3. Dezember stand am 30. November 2006 der Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen beim Bund sowie zwei weitere Anträge betreffend der Teilhabe behinderter Menschen auf der Tagesordnung des Bundestages. Nach 23.00 Uhr sollten in einer halben Stunde die behinderten- politischen Themen beraten werden. Der Antrag der Linksfraktion zum Heimbericht der Bundesregierung Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7985 (A) (C) (B) (D) sollte heute Nacht nach 2 Uhr in einer halben Stunde diskutiert werden. Die Einordnung von behindertenpoli- tischen Themen in die Tagesordnung spricht für sich, die Abgabe der Reden zu Protokoll statt die Rede vor leerem Haus zu solcher Uhrzeit ist die logische Konsequenz. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend veröffentlichte im Oktober dieses Jahres mit zweijähriger Verspätung den ersten Bericht über die Situation der Heime und der Betreuung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner auf ihrer Internetseite. In diesem Heimbericht ist erwähnt, dass auf eine offizielle Weiterleitung des Berichts an den Deutschen Bundestag verzichtet wird, da nach der Föderalismusreform das Heimrecht nicht mehr in Bundeskompetenz liege. Das Heimgesetz gilt aber (inklusive der in § 22 genannten Berichtspflicht an die gesetzgebenden Organe) so lange fort, bis die Länder eigene Heimgesetze beschlossen haben. Das ist bisher nicht der Fall. Die Bundesregierung ist also weiterhin an das Heimgesetz gebunden. Außerdem bestand die Berichtspflicht schon vor mehr als zwei Jahren. Der Heimbericht weist darauf hin, dass Qualitätsmängel in den unterschiedlichen Bereichen des Heimgeschehens sowie in verschiedenen Schweregraden auftreten. Das Spektrum reicht von offener Gewalt bis hin zu gefährlicher Pflege. Repräsentative Daten dazu liegen bislang nicht vor. Einer jährlichen Prüfung werden nicht alle Heime unter- zogen, obwohl dies in § 15 des Heimgesetzes gesetzlich vorgeschrieben ist. Die genaue Prüfquote ist nicht bekannt. Der Anteil unangemeldeter – und damit effektiver – Prü- fungen schwankt in den Bundesländern erheblich. Internationale Menschenrechtsausschüsse kritisierten bereits die sehr unbefriedigenden Zustände in deutschen Pflegeheimen. So äußerte 2001 der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR), der die Einhaltung des UN-Sozialpakts überwacht, seine „große Besorgnis über die menschenunwürdigen Zustände in Pflegeheimen“ und forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, „Sofortmaßnahmen“ zur Verbesserung der Situation zu ergreifen. Große soziale Verbände doku- mentieren immer wieder, dass sich die Situation in vielen Heimen noch immer nicht verbessert hat und Pflege- bedürftige – häufig aus Personalmangel – menschenunwür- dig behandelt werden. Für den Bereich Menschenrechte/ Menschenwürde ist die Bundesregierung weiterhin – auch nach der Föderalismusreform – zuständig. Deswegen fordert die Linksfraktion die Bundesregie- rung auf, den Bericht über die Situation der Heime und der Betreuung ihrer Bewohnerinnen und Bewohner, wie in § 22 des Heimgesetzes vorgeschrieben, offiziell dem Deutschen Bundestag zuzuleiten, damit dieser den Bericht ausführlich (und hoffentlich nicht erst wieder spät in der Nacht) debattiert. Mit dem Antrag der Linksfraktion auf Einsetzung einer Enquete-Kommission „Ethik, Recht und Finanzierung des Wohnens mit Assistenz“ vom April 2006 sowie dem Antrag der Linksfraktion zur Vorlage eines Gesetzes zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile vom November 2006 gibt es zur Thematik Diskussionsange- bote, die von großen Teilen der Behindertenbewegung getragen werden. Es mangelt also nicht an Lösungsange- boten für dringende Probleme. Aber – bisher – an der Bereitschaft der Mehrheit dieses Hohen Hauses, diese Vorschläge aufzugreifen. Wir brauchen die Debatte und vor allem endlich einen wirklichen Paradigmenwechsel: Nicht mehr Heim son- dern „Daheim statt Heim!“ Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diesen Antrag der Fraktion Die Linke hätte sich die Bundesregierung ersparen können. Er ist die Konse- quenz einer missglückten Föderalismusreform. Der An- trag konnte nur zustande kommen, weil zwar in den Be- schlüssen zur Föderalismusreform festgelegt wurde, dass das Heimrecht in Zukunft Ländersache sein soll, Landesgesetze aber noch nicht vorhanden sind und folg- lich der Bund zuständig bleibt. Unsere Fraktion hat er- hebliche Bedenken gegen die Verlagerung des Heim- rechts auf die Länder geäußert, sie war in keiner Weise sachlich begründet. Wir haben früh auf den Umstand aufmerksam gemacht, dass gerade beim Heimrecht un- klare Zustände entstehen werden, wenn diese Materie an die Länder gegeben wird. Und wie sich zeigt, sollten wir recht behalten. Niemand – weder die Ministerin noch der Staatsse- kretär – konnte uns erklären, warum beispielsweise in Schleswig-Holstein in Zukunft andere Qualitätsstan- dards oder Regelungen möglich sein sollten als in Rhein- land-Pfalz, für die Betroffenen und ihre Angehörigen ein äußerst irritierender und intransparenter Zustand. „Keine Sorge“, so wurde uns vonseiten der Bundesregierung versichert, „sobald das Heimrecht an die Länder geht, werden die sich zusammensetzen und umgehend Lan- desgesetze auf den Weg bringen.“ Kaum war die Födera- lismusreform beschlossen, sah die Lage ganz anders aus. Es sei rechtlich sowieso nicht möglich, dass sich die Länder mit dem gesamten Heimrecht auseinandersetzen; denn ein Großteil der Bestimmungen sei auch weiterhin ureigene Bundeskompetenz, so die Bundesregierung – völlig neue Töne plötzlich. Mir scheint, der Bundesregierung selbst fehlt zurzeit der Überblick. Man versucht derzeit, sämtliche Bestim- mungen zum Heimrecht auseinanderzudividieren, um überhaupt sagen zu können, wer für was in Zukunft zu- ständig sein wird. Dieses Problem hatten nicht nur zahl- reiche Verbände in ihren Stellungnahmen schon früh zum Ausdruck gebracht, es war auch das Ergebnis eines Fachgesprächs unserer Fraktion. Die einhellige Auffas- sung war: keine Verlagerung des Heimrechts an die Län- der. Das sahen auch die Expertinnen und Experten in der Anhörung zur Föderalismusreform so. Sie plädierten in der Mehrzahl eindringlich dafür, das Heimrecht zu refor- mieren, aber im Interesse der Betroffenen und ihrer An- gehörigen sowie einheitlicher Qualitätsstandards dieses in Bundeskompetenz zu belassen. Bis heute hat noch kein einziges Bundesland einen konkreten neuen Vor- schlag vorgelegt, wie es in Zukunft in dieser Frage ver- fahren will. Die Lage ist äußerst kompliziert und hat durch die Föderalismusreform eher zur Verwirrung als zu Klarheit und Transparenz beigetragen. 7986 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) In dieser Situation nun veröffentlicht das Familienmi- nisterium einen Bericht auf ihrer Homepage, der einen Einblick in die Situation von Heimen und den Menschen, die dort leben, gibt. Eine parlamentarische Diskussion ist vonseiten der Großen Koalition mit Verweis auf die Verla- gerung des Heimrechts an die Länder nicht vorgesehen. Dabei ist der Bericht eine erste Quelle für umfassendes Datenmaterial und vergleichende Betrachtungen. Er ist also mehr als notwendig, um uns verlässliche Zahlen und Fakten zu nennen. Er fokussiert sich insbesondere auf Pflegeheime, weil hier der Informationsstand noch erheb- lich zu wünschen übrig lässt. In Anbetracht der demogra- fischen Entwicklung, die auf eine Zunahme von Pflegebe- dürftigen hindeutet, sind wir gut beraten, diesem Thema eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Noch haben wir Zeit, mit den Kenntnissen und Daten die Entwicklung von morgen zu beeinflussen, und noch sind wir, die Bun- desebene, zuständig. Noch ist es unsere Pflicht, sich mit diesem Sachverhalt zu beschäftigen, auch wenn man- chem das nicht passt. Die Bundesregierung macht es sich zu einfach, wenn sie diesen Bericht – mit Hinweis auf fehlende Zuständig- keit – einer parlamentarischen Debatte vorenthält. Es be- steht nicht nur Handlungsbedarf, wofür dieser Bericht eine gute Grundlage ist, es ist auch nach wie vor die Zu- ständigkeit des Bundes, in diesem Bereich tätig zu sein. Hierin stimmen wir mit der Fraktion Die Linke überein. Nicht teilen können wir jedoch die ausschließliche Fo- kussierung auf mögliche Missstände. Es ist richtig und wichtig, Missstände in Heimen offenzulegen, sich für den Schutz und die Rechte von Menschen in Heimen einzusetzen, aber ihre Herangehensweise wird dem Be- richt insgesamt nicht gerecht. Auch wir sehen die Bun- desregierung in der Pflicht, eine Diskussion des Berichts im Parlament zu ermöglichen. Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – BAföG an neue Entwicklungen anpassen – Auszubildende mit Kindern unterstützen, Auslandsaufenthalte erleichtern, Migran- tenförderung verbessern und Hinzuver- dienstgrenzen erhöhen – Studierende Mütter durch die Softortmaß- nahme Baby-BAföG unterstützen – Statt Nullrunde – BAföG angleichen – Sofortmaßnahmen beim BAföG – für mehr Zugangsgerechtigkeit und höhere Bildungs- beteiligung (Tagesordnungspunkt 23 a bis d) Dorothee Bär (CDU/CSU): Unser Ziel ist: Die För- derung durch das BAföG muss an neue Entwicklungen angepasst werden. Was bedeutet das? Für uns sind dabei fünf Punkte wichtig, mir persönlich davon einer ganz be- sonders: Erstens. Die Förderung von Familien während der Ausbildungszeit. Schon jetzt wird die Erziehung von Kindern im BAföG berücksichtigt: Wird beispielsweise während der Ausbildungszeit ein Kind betreut, kann die Förderungsdauer verlängert werden. Das ist für uns jedoch noch nicht ausreichend. Wir wollen Studierende mit Kind während des Studiums di- rekt fördern. Dies halte ich insbesondere für wichtig, um Akademikern eine frühere Familiengründung zu erleich- tern. Es darf nicht mehr heißen: Kind oder Studium, son- dern Kind und Studium! Ein pauschaler Betreuungszuschlag von 113 Euro pro Kind und Monat ist dafür aus meiner Sicht der Weg in die richtige Richtung. Diese Förderung soll allen förde- rungsberechtigten Auszubildenden mit Kind zustehen, nicht nur den Studierenden. In den Verhandlungen werde ich mich deshalb für eine Förderung einsetzen, die abhängig von der Zahl der Kinder ist. Ich fordere Herrn Steinbrück auf, die Mittel dafür freizugeben. Es muss bereits für junge Menschen deutlich sein, dass Kinder in dieser Gesellschaft will- kommen sind. Kind und Karriere dürfen genauso wenig ein Widerspruch sein wie Kind und Ausbildung. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Auslandsausbil- dung. Ich habe selbst erlebt, wie bereichernd ein Aufent- halt im Ausland ist. Ich halte es deshalb für elementar, dass eine solche Möglichkeit allen offensteht. Die För- derung eines Vollstudiums im Ausland ist derzeit nicht möglich. Europa wächst jedoch immer weiter zusam- men. Der Bolognaprozess macht gute Fortschritte und ermöglicht flexibles Studieren. Wir halten es daher für folgerichtig, auf die einjährige Orientierungsphase im Inland zu verzichten. Diese Zeit kann sinnvoller einge- setzt werden. Auch ein Auslandsaufenthalt im Rahmen eines Prak- tikums wird vereinfacht. Für solche Aufenthalte gilt künftig im europäischen wie außereuropäischen Ausland die gleiche Regelung. Ein dritter wichtiger Punkt ist die Migrantenförde- rung. Leben junge Migranten in Deutschland mit der Perspektive, hier längerfristig zu bleiben, ist es in unser aller Interesse, dass sie eine gute Ausbildung erhalten und sich integrieren können. Eine Ausdehnung der För- derung durch das BAföG erscheint deshalb sinnvoll. Es sollen viertens die Zuverdienstmöglichkeiten er- leichtert werden. Eine einheitliche Regelung ist das ein- fachste: Zuverdienst in Höhe eines Minijobs, also 400 Euro, sollte nicht auf das BAföG angerechnet wer- den. Eine Tätigkeit im Rahmen eines solchen Jobs ver- längert die Studienzeit sicherlich nicht. Fünftens. Die elternunabhängige Förderung muss auf- grund der angespannten Haushaltslage leider konzen- triert werden. Das bedeutet selbstverständlich keinen kompletten Ausstieg aus der Ausbildungsförderung für Schüler auf dem sogenannten zweiten Bildungsweg. All diese Neuerungen tragen den veränderten Bedin- gungen für Ausbildung und Studium Rechnung. Sie er- möglichen auch in Zukunft das Studium oder eine Aus- bildung für alle und sichern die Chancengleichheit. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7987 (A) (C) (B) (D) Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam in den nächsten Wochen und Monaten an einem Strang ziehen, um be- sonders das Studium mit Kind oder mehreren Kindern zu erleichtern und zu forcieren. Renate Schmidt (Nürnberg) (SPD): Wie angekün- digt, wollen wir aus dem jetzt vorliegenden BAföG-Be- richt die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen. Diese Schlussfolgerungen gliedern sich in zwei Teile: Erstens die grundsätzliche Aussage, dass eine Erhö- hung der Bedarfssätze, Freibeträge und Vomhundert- sätze nicht nur geboten, sondern nach mehrjähriger Stag- nation dringend überfällig ist. Dieser Feststellung widerspricht auch nicht, dass die Ausgaben für das BAföG ebenso gestiegen sind wie die Anzahl der geför- derten Studierenden, Schüler und Schülerinnen. Das be- grüßt meine Fraktion. Dies darf aber den Blick nicht da- vor verstellen, dass die in der HIS-Studie ermittelten Bedarfe für Studierende deutlich unterschritten werden und der Prozentsatz der Geförderten nach dem steilen Anstieg nach der BAföG-Reform im Jahr 1999 in den letzten Jahren zwar nur leicht mit jährlich 0,1 Prozent pro Jahr, aber kontinuierlich wieder sinkt. Ziel meiner Fraktion, Ziel der Koalition und auch der Bundesregie- rung ist es aber, dass das BAföG als eines der wichtigs- ten Instrumente zur materiellen Absicherung von Schü- lern und Schülerinnen, Studenten und Studentinnen aus einkommensschwachen Familien genauso erhalten bleibt, wie als Instrument um die Zahl hochqualifizierter junger Leute zu erhöhen. Studienkredite können eine sinnvolle Ergänzung, aber kein Ersatz für BAföG sein, wenn wir nicht junge Leute mit Schuldenbergen ins Be- rufsleben entlassen wollen. Ich sage hier ganz deutlich: Vorsicht ist bei der Inanspruchnahme von solchen Kredi- ten geboten, denn zurückgezahlt werden mit Zins und Zinseszins müssen sie, wie wir an den jüngst veröffent- lichten Zahlen unschwer erkennen können. Für das Jahr 2007 kann eine spürbare Erhöhung der Bedarfssätze, Einkommensfreigrenzen und Vomhundert- sätze haushaltsmäßig nicht mehr dargestellt werden. Na- türlich stimmt es, wie es die Bundesregierung im BAföG-Bericht darstellt, dass die Haushaltskonsolidie- rung gerade auch im Interesse der jungen Generation liegt. Von genauso großer Bedeutung nicht nur für die heute Lernenden und Studierenden, sondern für uns alle aber sind möglichst viele, möglichst hochqualifizierte junge Menschen, die ihre Qualifikation unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern erwerben können. Deshalb stim- men wir der Bundesregierung zu, dass auch vor Vorlage des nächsten BAföG-Berichts Vorschläge zur Erhöhung der bereits genannten Parameter gemacht werden kön- nen. Für meine Fraktion kündige ich an, dass wir genau das tun werden, und Sie können sicher sein, dass wir ei- nen Vorschlag zur spürbaren Erhöhung insbesondere der Bedarfssätze, aber auch der Einkommensgrenzen, die noch in dieser Legislatur wirksam werden, machen wer- den. Der zweite Teil unserer Schlussfolgerungen nicht nur aus dem BAföG-Bericht, sondern aus sich verändernden Entwicklungen betrifft mehrere Punkte: Zum Ersten wollen wir die Situation der BAföG- Empfänger und -Empfängerinnen, die Kinder zu be- treuen haben, deutlich verbessern und sie genauso be- handeln wie diejenigen, die Meister-BAföG beziehen. Dafür wollen wir das unzeitgemäße „Abkindern“, die Reduzierung der Darlehenssumme bei Nichterwerbstä- tigkeit wegen Betreuung eines Kindes, abschaffen. Zum Zweiten wollen wir die ebenso unzeitgemäße Regelung abschaffen, dass einem Auslandsstudium ein mindestens einjähriges Studium in Deutschland voraus- gehen muss. Gleichzeitig soll für Auslandsstudierende auch für Reisekosten und sonstige Auslandszuschläge die Normalförderung als Zuschuss und Darlehen gelten. Studiengebühren für ein Jahr sollen in diese Regelung mit einbezogen werden. Für die meisten BAföG-Geför- derten wird sich die Darlehenssumme durch die Decke- lung bei 10 000 Euro dadurch nicht erhöhen. Wir wollen auch, dass Auslandspraktika erleichtert werden. Zum Dritten wollen wir einen Beitrag zur besseren Integration von Migranten und Migrantinnen dadurch leisten, dass EU- und Nicht-EU-Ausländer und Auslän- derinnen, wenn sie in Deutschland einen Daueraufent- halt haben, nach den gleichen Kriterien und unabhängig von der Dauer der Erwerbstätigkeit ihrer Eltern gefördert werden können. Zum Vierten sollen die Hinzuverdienstgrenzen auf einheitlich 400 Euro angehoben werden. Zum Fünften halten wir es für gerechtfertigt, dass der klassische zweite Bildungsweg, also Abendgymnasium und Kolleg, von einer beruflichen Ausbildung und einer Erwerbstätigkeit oder einer längern Erwerbstätigkeit, wenn keine berufliche Ausbildung vorhergeht, abhängig ist – wie es ursprünglich auch gedacht war. In den Fäl- len, in denen diese Kriterien erfüllt werden, ist eine el- ternunabhängige BAföG-Förderung angebracht, wo nicht, eine elternabhängige, wie an anderen Berufsfach- schulen auch, die selbstverständlich wie für alle Schüle- rinnen und Schüler voll als Zuschuss gezahlt wird. Wir halten allerdings eine vergleichsweise kurze Erwerbstä- tigkeit für ausreichend. Eine nur einjährige Berufspraxis nützt den jungen Leuten und verhindert gleichzeitig eine ungerechtfertigte Verzögerung einer eventuell beabsich- tigten Studienaufnahme. Das Studium wird im Übrigen bei den allermeisten der Abendgymnasiasten und Kolle- giaten nach der elternunabhängigen schulischen Förde- rung elternabhängig gefördert. Selbstverständlich brau- chen wir für eine solche Regelung eine großzügige Übergangsregelung. Ich habe gerade gesagt, ich halte diese Maßnahme auch im Sinne der Gleichbehandlung von Schülern und Schülerinnen unterschiedlicher Schularten, die die glei- chen Voraussetzungen mitbringen, für gerechtfertigt – mehr aber auch nicht. Ich sage klar: Wir wollen mit dieser Regelung weder die Zahl der Schülerinnen und Schüler des zweiten Bildungswegs reduzieren noch gewachsene Strukturen gefährden. Wir werden im Gesetzgebungsver- fahren auch klären, ob die vorgesehenen Minderausgaben nicht durch Mehrausgaben zum Beispiel nach dem SGB II wieder aufgebraucht werden. Wir werden deshalb im Rah- men des Gesetzgebungsverfahrens sehr genau darauf 7988 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) achten, ob das Ziel eines Aufrechterhaltens der Schüler- zahl des zweiten Bildungswegs erreicht wird, und for- dern die Bundesregierung auf, das verbindliche Einver- nehmen in dieser Frage mit den Ländern herzustellen. Und weil die Schulstrukturen von Bundesland zu Bundesland so unterschiedlich sind, wollen wir insbe- sondere zum Bereich der Kollegs und Abendgymnasien eine sehr zeitnahe Evaluation. Dies gilt auch für die Ent- wicklung der im Ausland Studierenden. Denn wir wol- len erreichen, dass der zweite Bildungsweg von mög- lichst vielen in Anspruch genommen wird und die Zahl der Auslandsstudierenden steigt. Diese kleine BAföG-Novelle enthält viele wichtige Verbesserungen. Die eine oder andere Idee der Opposi- tion wird mit ihr auch aufgegriffen, aber mit Augenmaß und finanzierbar. Die größere BAföG-Novelle mit der Erhöhung der Bedarfssätze und Einkommensfreibeträge kündige ich für meine Fraktion für diese Legislatur an und freue mich jetzt schon über die ebenso bereits ange- kündigte Unterstützung unseres Koalitionspartners. Herzlichen Dank, Herr Kretschmer. Uwe Barth (FDP): Ich frage mich schon, warum wir das für die Zukunft unserer Gesellschaft so außerordent- lich wichtige Thema der staatlichen Ausbildungsförde- rung von jungen Menschen aus eher einkommensschwa- chen Schichten in diesem Hohen Hause erst nach Mitternacht diskutieren. Liegt es an der Botschaft des Antrages von CDU/CSU und SPD, dessen einzige Ant- wort auf den 17. Bericht nach § 35 BAföG zur Überprü- fung der Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhundert- sätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2 eine Erhöhung von Hinzuverdienstgrenzen bei Studierenden ist? Trotz steigender Steuerbelastungen der Familien, die letztlich auch durch sprunghaft steigende Lebenshal- tungskosten von den Studierenden getragen werden müssen, trotz steigender Kosten für die Krankenversi- cherung, trotz Reduzierung des Kindergeldanspruches vom 27. auf das 25. Lebensjahr reagiert diese Bundesre- gierung nicht auf die Notwendigkeit einer längst fälligen Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge. Der Hinweis, dass der Haushalt eine Anpassung nicht hergebe, kann an dieser Stelle nicht genügen. Mindes- tens das Bekenntnis, bei der Aufstellung des nächsten Haushaltes eine Anpassung mit einzuplanen, ist als Sig- nal an die Studenten notwendig. Dazu sind Sie im Übri- gen nach § 35 BAföG auch verpflichtet! Der Populismus der Linken hilft uns hier nicht weiter. Ihre Vorschläge beschränken sich wie immer darauf, zu verteilen. In Wahrheit ist das alles aber nur ein Herumdoktern an Symptomen. Was wir wirklich brauchen, ist eine Sys- temumstellung des BAföG, das die Geförderten wie junge Erwachsene behandelt und ihnen elternunabhän- gig eine Grundförderung, die sich aus Kindergeld, Steu- erfreibetrag und Ausbildungsfreibetrag zusammensetzt, zukommen lässt. In früheren Diskussionen waren wir alle bereits einen Schritt weiter. Wir wollten die eltern- unabhängige Förderung stärken. Wir wollten erreichen, dass Studierende eben nicht mehr darauf angewiesen sind, während des Studiums zu arbeiten. Wir wollten eine Verteilungsgerechtigkeit zugunsten unterer und mittlerer Einkommensschichten. Wir wollten das Ver- hältnis von Zuschuss und Darlehen für Geförderte aus einkommensschwachen Verhältnissen grundsätzlich ver- ändern. Wir wollten eine Vereinfachung der gesetzlichen Vorschriften und des Verwaltungsvollzuges erreichen. Kurz gesagt, wir wollten eine große Strukturreform des Bundesausbildungsförderungsgesetzes. SPD und GRÜNE hatten mit ihrer 21. Novellierung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – sie nannten es hochtrabend Ausbildungsförderungsreformgesetz – endgültig Abschied von diesen weitreichenden Reform- vorstellungen genommen. Die Große Koalition setzt nun genau diese Politik der „Reparaturnovellen“ weiter fort und verzichtet auf die nötige Strukturreform. Vor Jahren hat die FDP-Bundestagsfraktion diesem Hohen Hause bereits einen wirklichen Reformantrag zum BAföG vorgelegt. Der Grundtenor: eine elternunab- hängige Ausbildungsförderung, die den Studierenden eine ihrem Alter angemessene Eigenverantwortung überträgt! Sehr geehrte Frau Schavan, anstatt mit einer Anhe- bung der Bedarfssätze und Freibeträge zumindest um 3,5 Prozent bzw. 1 Prozent – so wie es der 17. Bericht for- dert – die Lebenssituation der Studierenden zu verbes- sern und ihnen ein zielgerichtetes Studium zu ermögli- chen, sagen Sie: Na, dann arbeitet doch ein bisschen mehr neben dem Studium und studiert dafür ein bisschen länger! Was ist das für eine Logik? Schon heute sind unsere Hochschulabsolventen an Fachhochschulen mit rund 27,9 Jahren und an Universi- täten mit 28,1 Jahren die ältesten in Europa. Allein durch die Verkürzung der Studiendauer um nur ein Jahr könn- ten Bund und Länder viele Millionen Euro sparen. Das Thema Studiengebühren wurde bislang auch nur unzu- reichend in die Debatten einbezogen. In den letzten Jahren seit 2004 sind die Verbraucher- preise jedes Jahr wieder deutlich angestiegen. Allein 2005 betrug der Anstieg 2,5 Prozent. Auch in diesem Jahr erwarten wir 2,3 Prozent! Die letzte Anpassung der Bedarfssätze erfolgte im Jahr 2001! Dass sich die BAföG-Ausgaben von Bund und Ländern in den letzten Jahren erhöht haben, ist auf die Steigerung der Geförder- tenquote zurückzuführen. Jetzt muss es zu einer Verbes- serung der Lebensumstände der Studierenden kommen. Auf diesem Weg ist auch der Vorschlag der FDP, Müttern im Studium eine Zulage von 280 Euro zu ge- währen, als Reaktion auf das neue Elterngeld und als ein erster Schritt zu werten. Dieser berücksichtigt unsere Pflicht, die Mütter dann zu unterstützen, wenn sie die Hilfe am nötigsten brauchen. Dies ist unbestritten unmit- telbar nach der Geburt des Kindes und nicht gegebenen- falls erst Jahre nach Beendigung des Studiums. Wir kön- nen und dürfen es nicht hinnehmen, dass eine Schwangerschaft für eine Studentin ein erhöhtes Risiko mit sich bringt, ihr Studium abzubrechen. Im Ergebnis müssen wir dazu kommen, dass die jun- gen Menschen ihr Studium in einer vernünftigen Zeit ab- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7989 (A) (C) (B) (D) solvieren können. Dies erreichen wir aber nicht, indem wir von ihnen verlangen, noch mehr zu jobben. Wir müssen die Struktur der Finanzierung des Studiums so umgestalten, dass sich die Betroffenen auf ihr Studium konzentrieren können. Dabei müssen wir natürlich auch die Finanzierung der Hochschulen ohne eine ideologi- sche Stigmatisierung von Studiengebühren im Blick hal- ten. Die Belastung der Absolventen muss sich in einem Rahmen bewegen, der den Start ins Berufs- und Famili- enleben nicht unvertretbar erschwert. Das klingt wie die Quadratur des Kreises. Aber das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Für die FDP erkläre ich an dieser Stelle, dass wir an Lösungen gerne konstruktiv mit Ihnen zusammenarbeiten werden. Cornelia Hirsch (DIE LINKE): Laut Tagesordnung soll das Thema BAföG heute zwischen 3.20 Uhr und 3.55 Uhr mitten in der Nacht aufgerufen werden: Das ist also die Bedeutung, die die Große Koalition dem BAföG beimisst. Man könnte darüber hinwegsehen, wenn die BAföG-Politik der Großen Koalition auf einem guten Wege wäre. Leider ist das Gegenteil der Fall: Der vor kurzem veröffentlichte Bericht zum BAföG bewies ein- drucksvoll, dass die Gefördertenquote nicht steigt, son- dern im letzten Jahr gesunken ist. Diese Entwicklung dürfen Sie nicht einfach hinnehmen! Genau das machen Sie aber mit Ihrem Antrag. Es handelt sich dabei nicht um einen ernsthaften Versuch, das BAföG zu verbessern, sondern um ein Ablenkungs- manöver zur Verschleierung des Reformbedarfs! Ihre minimalen strukturellen Veränderungen bringen herzlich wenig, wenn nicht gleichzeitig auch eine finanzielle An- passung erfolgt. Dies wäre aber längst überfällig. Die letzte Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge war im Jahr 2001. Seitdem hat der BAföG-Bericht alle zwei Jahre Anpassungen gefordert. Sie haben diese Warnungen jedes Mal aufs Neue ignoriert. Seit der Wiedervereinigung hat keine Regierung die Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge so lange verschleppt. Das ist für uns nicht akzeptabel. Wir fordern, dass sie noch in diesem Jahr um mindestens 10 Prozent erhöht werden. Zweitens werden wir keine weiteren Verschlechterungen beim BAföG hinnehmen. In Ihren Antrag haben Sie aber gleich mehrere hineingemogelt: Als Beispiel möchte ich auf Ihre Vorschläge beim Auslands-BAföG hinweisen. Sie schlagen vor, dass Studiengebühren an ausländischen Hochschulen und Auslandszuschläge künftig kein Vollzu- schuss, sondern zur Hälfte ein Darlehen werden sollen. Nach zwei Semestern sollen die Studierenden dann voll- kommen alleine für die Finanzierung der Studiengebühren an ausländischen Hochschulen aufkommen. Ihnen wird lediglich ein Darlehen angeboten. Untersuchungen haben gezeigt, dass schon heute die Teilnahme an Auslandsaufenthalten mit der sozialen Herkunft korreliert. Wer aus einem einkommensschwachen Elternhaus kommt, studiert seltener im Ausland. Für Studierende aus reichen Elternhäusern ist dies viel leichter realisierbar. Mit Ihren Vorschlägen werden Sie diese soziale Ungleichheit weiter verschärfen. Die von Ihnen immer wieder eingeforderte Internationalisierung der Hochschulen ist dann – noch mehr als heute – eine Inter- nationalisierung für wenige. Die Linke findet das falsch. Wir fordern deshalb, dass Studiengebühren und Auslands- zuschläge weiterhin als Vollzuschuss übernommen werden. Ein weiteres Beispiel für klare Verschlechterungen beim BAföG sind die von Ihnen vorgeschlagenen Ein- schränkungen bei der elternunabhängigen Förderung. Auch das halten wir für einen falschen Schritt. Wenn an Abendschulen und Kollegs kein elternunabhängiges BAföG mehr gezahlt wird, bedeutet das eine Einschrän- kung der Möglichkeiten des zweiten Bildungsweges. Wir wollen diese Möglichkeiten dagegen ausbauen. Mindestens müssten also die bisherigen Möglichkeiten einer elternunabhängigen Förderung erhalten bleiben. Schließlich zeigt Ihr Antrag, dass wir über die weitere Entwicklung des BAföG offensichtlich grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen haben. Sie sehen das BAföG als eine Förderungsmöglichkeit unter vielen. Gleichzeitig begrüßen Sie die finanzielle Steigerung bei der sogenannten Begabtenförderung und das Angebot von Studienkrediten der KfW. Wir wollen das BAföG dagegen perspektivisch zu einer elternunabhängigen Grundsicherung mit Vollzuschuss für alle Studierenden ausbauen. Nur auf diesem Weg ließe sich ein offener Hochschulzugang und eine eigenständige Studiengestal- tung realisieren. Darlehen, Kredite und Stipendien sind für uns der falsche Weg, um soziale Ungleichheit an der Hochschule abzubauen. In unserem Antrag fordern wir in einem ersten Schritt deshalb, das Angebot der KfW- Studienkredite zurückzunehmen. Abschließend noch eine letzte Bemerkung: Wir bestrei- ten nicht, dass Sie mit dem Antrag auch einige sinnvolle und richtige Vorschläge machen. Vieles davon haben Sie eins zu eins aus unserem Antrag vom letzten Jahr ab- geschrieben – aber das sei nur nebenbei bemerkt. Dazu gehören die Anhebung der Hinzuverdienstgrenzen, die Abschaffung der Orientierungsphase im Inland vor einem Auslandsstudium oder die besseren Fördermöglichkeiten für Migrantinnen und Migranten. An unserer Ablehnung für einen insgesamt unzureichenden und in vielen Berei- chen schlechten Antrag wird das aber nichts ändern. Nach fünf Jahren halten Sie es immer noch nicht für nötig, die Bedarfssätze und Freibeträge zumindest an die gestiegenen Lebenshaltungskosten anzupassen. Faktisch legen Sie uns hier also einen BAföG-Kürzungsantrag vor. Wir wollen aber kein SPARföG. Und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der BAföG-Satz „wird den Kostenbelastungen von Studie- renden aus sozial schwächeren Bevölkerungsschichten nicht mehr gerecht und hält begabte junge Menschen von einem Studium ab“. „Ich erwarte, dass Haushalts- mittel für eine Anhebung der BAföG-Sätze bereitgestellt werden.“ Erkennen Sie hier Ihre eigenen Aussagen wie- der? Diese Sätze stammen von den Bildungspolitikern von SPD und Union. Eigentlich weckt dies Hoffnungen für die BAföG-Novelle der Bundesregierung. Aber Fehl- anzeige: Die Große Koalition verordnet Schülerinnen, Schülern und Studierenden eine Nullrunde. Damit igno- 7990 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) rieren Sie nicht nur Ihre eigenen Aussagen und Ihren Koalitionsvertrag mit dem Ziel einer bedarfsdeckenden Förderung, sondern auch die Forderungen von uns Grü- nen, den Studierendenorganisationen, den Studentenwer- ken und sogar dem BAföG-Beirat der Bundesregierung. Das BAföG hat in den letzten 35 Jahren über 8 Mil- lionen jungen Menschen aus einkommensschwachen Fa- milien den Zugang zu Studium und Ausbildung eröffnet. Es hat damit die Chancengerechtigkeit im Bildungssys- tem entscheidend verbessert. Die rot-grüne BAföG-Re- form hat hierzu besonders beigetragen. So ist während unserer Regierungszeit die Zahl der BAföG-Geförderten um über 50 Prozent gestiegen. Gleichzeitig stieg die Stu- dierendenquote unter Rot-Grün um fast 10 Prozent- punkte auf knapp 38 Prozent. Unter Schwarz-Rot droht das BAföG dagegen zu ver- kümmern. Die Große Koalition setzt lieber auf Studien- kredite mit eingebauter Schuldenfalle. Das BAföG-,,Re- förmchen“ der Koalition darf keinen einzigen Cent kosten. Doch mehr Zugangsgerechtigkeit im Bildungs- system gibt es nicht zum Nulltarif. Studierwilligen aus finanzschwachen Familien helfen keine Sonntagsreden, sondern nur eine verlässliche und auskömmliche Le- bensunterhaltsfinanzierung ohne ausufernden Schulden- berg. Wir müssen dafür sorgen, dass Förder- und Le- benswirklichkeit wieder in Einklang gebracht werden. Einer kostenneutralen Reform können wir daher nicht zustimmen. Daher schlagen wir Grüne für das BAföG – ungeach- tet langfristig erforderlicher Strukturreformen – unter anderem folgende Sofortmaßnahmen vor: Erstens. BAföG rauf! Die Bedarfssätze und Freibe- träge müssen entsprechend der Entwicklung von Le- benshaltungskosten und Einkommen erhöht werden. Studiengebühren in sieben unionsregierten Ländern bringen erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für einen Großteil der Studierenden mit sich. Hinzu kommen die Altersbeschränkung des Kindergelds auf 25 Jahre und die Umstellung von Elterngeld auf Erzie- hungsgeld, die studierende Eltern benachteiligt. Zweitens. Familien besser unterstützen! Wir brauchen familienfreundlichere Hochschulen, mehr Unterstüt- zung für studierende Eltern sowie mehr und bessere Kin- derbetreuungsangebote mittels eines Rechtsanspruchs ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Zudem müssen BAföG-Empfängerinnen und -Empfänger während der Ausbildung einen Kinderzuschuss erhalten. In diesem Anliegen unterstützen wir die Bundesregierung. Der bis- herige Darlehensteilerlass nach dem Studium muss zu- mindest für diejenigen Eltern erhalten bleiben, für die die neue Kinderkomponente zu spät kommt. Drittens: Elternunabhängig fördern! Das Vorhaben der Großen Koalition, die elternunabhängige Förderung im zweiten Bildungsweg beim Besuch von Abendgym- nasien und Kollegs zu beschneiden, ist ein fatales Signal an junge Menschen eher bildungsferner Herkunft. Die Sicherheit des elternunabhängigen BAföGs ist für viele Schülerinnen und Schüler eine entscheidende Motiva- tion, sich nach Lehre oder Beruf höher zu qualifizieren. Hier legt Schwarz-Rot einem sozialen Aufstieg durch Bildung Steine in den Weg. Ziel der geplanten BAföG-Novelle muss es sein, Ge- rechtigkeitslücken zu schließen. Wir machen hierzu wei- tere Vorschläge, zum Beispiel auch für Studierende mit Migrationshintergrund, für Studierende im Teilzeit- oder Auslandsstudium, für gleichgeschlechtliche Lebenspart- ner. Der Antrag der Koalition zeigt: Wer eine Bundes- ministerin stützt, die das BAföG für ein Auslaufmodell hält, kann keine zukunftsweisenden Reformen der Aus- bildungsförderung auf den Weg bringen. Die Anträge von Linkspartei und FDP decken sich in Teilen mit unse- rem Maßnahmenpaket. Die Wünsche der Linkspartei driften jedoch teilweise ins Schlaraffenland – ohne Rücksicht auf haushaltspolitische Vernunft und Nachhal- tigkeit. So laufen ihre Forderungen zum Beispiel darauf hinaus, dass der deutsche Steuerzahler die exorbitanten Auslandsstudiengebühren in Harvard in voller Höhe über die gesamte Studiendauer als Vollzuschuss über- nimmt. Bei der FDP freut uns die (späte) Einsicht, dass der „BAföG-Höchstsatz heute bei weitem nicht mehr zur Existenzsicherung ausreicht“. Wieso fordern Sie dann aber keine Erhöhung der BAföG-Sätze? Das ist genauso inkonsequent wie die eingangs erwähnten Aussagen der Koalitionspolitiker. Reden und Handeln müssen zusammenpassen. Über- arbeiten Sie Ihre BAföG-Novelle! Andernfalls wird die Gefördertenquote weiter sinken und Sie gefährden Ihr Ziel einer 40-prozentigen Studierendenquote. Eine wei- tere BAföG-Nullrunde ist keinesfalls akzeptabel. Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Bildung und Forschung: Vor gut zwei Wochen hat die Bundesregierung den 17. BAföG-Be- richt vorgelegt. Er weist einen weiteren Anstieg der Ge- fördertenzahlen und des finanziellen Engagements von Bund und Ländern in der Ausbildungsförderung aus. Auch der Anteil derjenigen, die eine Vollförderung er- halten, ist weiter gestiegen. Erfreulich ist zudem die deutliche Zunahme der Geförderten im Ausland, die be- legt, dass die Internationalisierung der Ausbildung auch für BAföG-Geförderte zunehmend selbstverständlich wird. Der 17. BAföG-Bericht macht deutlich: Das Niveau der Ausbildungsförderung konnte auch in einer wirt- schaftlich und finanzpolitisch schwierigen Zeit konstant gehalten werden. Dies ist ebenso wie die nach wie vor angespannte Haushaltslage von Bund und Ländern zu beachten, wenn nun Forderungen nach einer baldigen Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge erhoben werden. Zurzeit ist der hierfür erforderliche finanzielle Spielraum angesichts der unverändert bestehenden Not- wendigkeit zur Konsolidierung der öffentlichen Haus- halte nach Ansicht der Bundesregierung nicht vorhan- den. Gleichwohl gibt es einen hinreichenden Bedarf zur Anpassung des BAföG an veränderte Rahmenbedingun- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7991 (A) (C) (B) (D) gen. Wir wollen den Schülern und Studierenden neue Möglichkeiten und Chancen in ihrer Ausbildung eröff- nen. Deshalb wird die Bundesregierung in Kürze einen Gesetzentwurf vorlegen, der vier Schwerpunkte für ge- zielte strukturelle Verbesserungen in der Ausbildungs- förderung setzt. Erster Schwerpunkt: Wir wollen Familien schon wäh- rend der Ausbildung fördern und entlasten. Aus den bis- herigen Gesprächen über unsere Pläne habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Richtigkeit einer familien- politischen Umsteuerung innerhalb des BAföGs von nie- mandem ernsthaft bezweifelt wird. Es ist bildungs- und familienpolitisch sinnvoll, sich stärker den finanziellen Belastungen junger Eltern während der Ausbildung zu widmen als den sehr viel später, nach abgeschlossener Ausbildung, entstehenden Lasten bei einer erst dann fol- genden Kinderbetreuung. Damit wir uns hier nicht missverstehen: Es geht uns nicht um ein „Baby-BAföG“, wie es die Liberalen for- dern. Es geht uns gerade nicht um Unterstützungsleis- tungen für und wegen des Babys – hier greifen bereits andere staatliche Leistungen. Was aber dringend nottut, ist eine Unterstützung für die Auszubildenden selbst, die ihnen eine Betreuung von Kindern auch zu Zeiten er- möglicht, zu denen Kindertagesstätten nicht geöffnet haben, aber Seminare und Veranstaltungen an der Uni die Präsenz des Auszubildenden fordern. Es geht also nicht um „Baby-BAföG“ nicht um den bildungs- und erziehungsbedingten Bedarf des Babys, wie es im FDP- Antrag fälschlicherweise dargestellt wird, sondern es geht, wenn Sie so wollen, um „Mütter-BAföG“ oder „Väter-BAföG“. Mit einem Kinderbetreuungszuschlag von 113 Euro pro Monat haben wir hierbei die richtigen Bemessungs- parameter im Blick und können eine spürbare Hilfe für die betroffenen Auszubildenden bieten, die ihre eigene Ausbildung mit der gleichzeitigen Elternverantwortung unter einen Hut bringen müssen. Über die Frage, welche Höhe für einen solchen pauschalen Betreuungszuschlag bei Auszubildenden mit mehreren Kindern die richtige ist, werden wir sicher im Verlauf der parlamentarischen Beratungen noch sprechen. Zweiter Schwerpunkt: Wir wollen die Ausbildung im Ausland erleichtern. Wir werden als weiteren Schritt zur Internationalisierung der Ausbildung die sogenannte Orientierungsphase abschaffen. Damit dehnen wir die BAföG-Förderung auf vollständige Ausbildungen im EU-Ausland und in angrenzenden Nachbarstaaten, ins- besondere der Schweiz, aus. Voraussetzung ist, dass sich die betreffenden Auszubildenden zuvor wenigstens drei Jahre im Inland aufgehalten haben. Damit verzichten wir auf den bisher zwingend erforderlichen Beginn der Ausbildung im Inland, der von einzelnen Auszubilden- den, die sich für ganz bestimmte Ausbildungsgänge im europäischen Ausland interessieren, als unnötiger Um- weg und Zeitverschwendung wahrgenommen wird. Ich will ganz deutlich sagen, dass wir hier zusammen und fast zeitgleich mit den Niederlanden, die in ihrem Aus- bildungsförderungsrecht eine vergleichbare Öffnung noch in diesem Jahr planen, innerhalb Europas eine ein- deutige Vorreiterrolle übernehmen. Als zweites Element des Internationalisierungspakets werden wir die Förderung außereuropäischer Praktika von dem bisherigen zusätzlichen Erfordernis „beson- derer Förderlichkeit für die Ausbildung“ befreien. Das Sammeln praktischer internationaler Erfahrungen wäh- rend der Ausbildung macht nicht an den Grenzen Euro- pas halt. Entbehrlich hingegen sind bei diesen in aller Regel kürzeren Praktikumsaufenthalten die Auslands- zuschläge, die ansonsten für Auslandsaufenthalte außer- halb der EU anfallen. Hiermit begegnen wir zugleich einer möglichen Missbrauchsgefahr durch eher touris- tisch motivierte Auslandsaufenthalte. Für Studienaufenthalte selbst haben wir Anlass gese- hen, die bisherige Regelung für Auslandszuschläge und im Ausland erhobene Studiengebühren zu modifizieren. In beiden Fällen sollte die Förderung künftig zur Hälfte als Zuschuss, zur anderen Hälfte als Darlehen gewährt werden. Mit Blick auf die im Inland geltenden Regelun- gen erscheint es zudem sinnvoll, ausländische Studien- gebühren künftig nur noch für die Dauer bis zu einem Jahr und bis zu einer Höchstgrenze von 4 600 Euro in- nerhalb der BAföG-Normalförderung zu berücksichti- gen. Die Finanzierung von Studiengebühren während länger andauernder Auslandsaufenthalte bis hin zu kompletten Auslandsstudien sollte hingegen außerhalb des BAföGs und unabhängig vom BAföG-Bezug erfol- gen – beispielsweise über das Studienkreditprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Dies würde dann auch denjenigen Studierenden aus dem Mittelstand helfen, die einerseits keine BAföG-Berechtigung haben, andererseits aber die finanziellen Mittel für lang andau- ernde Auslandsstudien ohne ein solches Finanzie- rungsinstrument nicht aufbringen könnten. Dritter Schwerpunkt: Wir wollen die Förderung für Migranten verbessern. Bildung und Ausbildung sind ein wesentlicher Schlüssel für gelungene Integration. Des- halb wollen wir es ausbildungswilligen jungen Men- schen mit Migrationshintergrund erleichtern, diesen Weg zu beschreiten – auch dann, wenn sie nicht schon über ihre Eltern und deren Erwerbseinkünfte zum deutschen Steueraufkommen haben beitragen können, aus dem die Ausbildungsförderung finanziert wird. Wer mit dauer- hafter Bleibeperspektive in Deutschland lebt, sollte nicht dadurch von einer sinnvollen Ausbildung abgehalten werden, dass mit dem Beginn der Ausbildung ein Verlust von Transferleistungen nach dem SGB II droht und da- mit der Lebensunterhalt nicht mehr gesichert ist. Vierter Schwerpunkt: Wir wollen die Hinzuverdienst- grenzen erhöhen. Bislang sind die Obergrenzen für an- rechnungsfreie bleibende Hinzuverdienste je nach Art der Ausbildung gestaffelt. Weil es hierfür keine überzeu- gende Begründung mehr gibt, streben wir eine Verein- heitlichung der Hinzuverdienstgrenzen an und verbinden dies mit einer Anhebung auf das Minijob-Niveau von 400 Euro brutto monatlich. Viele Auszubildende haben ein Bedürfnis nach flexibel nutzbaren Möglichkeiten, selbst etwas zur Finanzierung ihrer Ausbildung beizutra- gen. Diesem Bedürfnis kommen wir nach. Lassen Sie 7992 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) mich an dieser Stelle ausdrücklich klarstellen: Es geht keineswegs darum, einen Rückzug aus der staatlichen Ausbildungsförderung einzuleiten oder vorzubereiten. Es geht vielmehr um mehr Spielräume für diejenigen, die aus eigenem Antrieb heraus zusätzliche individuelle Bedürfnisse befriedigen oder schlicht selbst stärker zur Finanzierung beitragen und ihre zum Unterhalt ver- pflichteten Eltern entlasten wollen. Um die genannten, wichtigen strukturellen Korrektu- ren innerhalb des BAföG finanziell abfangen zu können, werden wir im Bereich der Kollegschulförderung durch Rückbesinnung auf den eigentlichen Kern des zweiten Bildungswegs die Voraussetzungen für die elternunab- hängige Förderung nachsteuern. Wir halten es nur dann für gerechtfertigt, auf die Beteiligung zahlungskräftiger Eltern an der Ausbildungsfinanzierung zu verzichten, wenn diese unterhaltsrechtlich auch wirklich nicht mehr herangezogen werden könnten. Das scheint jedenfalls dann nicht ohne Weiteres der Fall, wenn die Kinder nicht wenigstens einmal durch eigene Erwerbstätigkeit im An- schluss an eine berufliche Ausbildung bereits auf eige- nen Füßen gestanden haben. Es ist nur konsequent und gerecht im Verhältnis zu anderen Auszubildenden, dies konkret zur Voraussetzung zu erheben und nicht länger als typischen Regelfall bei Kollegschülern und Abend- gymnasiasten ohne Weiteres zu unterstellen. Mir ist sehr wichtig, klarzustellen, dass dies nichts mit einer Beendi- gung der Ausbildungsförderung für Schüler auf dem zweiten Bildungsweg zu tun hat. Ziel ist ausschließlich eine Konzentration der Förderung auf diejenigen, die fi- nanziell auch tatsächlich darauf angewiesen sind, weil sie nicht auf Unterstützung aus dem Elternhaus zurück- greifen können. Mit diesen geplanten Änderungen werden wir wich- tige strukturelle Verbesserungen und Umsteuerungen er- reichen, die für die weitere Sicherung von Chancen- gleichheit in der Ausbildung geboten sind. Ich freue mich daher, dass die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag diesen Weg vorbereiten und damit die Bundes- regierung darin bestärken, in wenigen Wochen einen ent- sprechenden Gesetzentwurf zu verabschieden. Dies ist ein gutes Signal für die Studierenden und die Schüler in unserem Land! Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holz- absatzfondsgesetzes (Tagesordnungspunkt 17) Marlene Mortler (CDU/CSU): Unsere Bäuerinnen und Bauern werden gebraucht und sind wichtige Leis- tungsträger in Wirtschaft und Gesellschaft. Das war auf der Grünen Woche in Berlin wieder deutlich zu spüren: Land- und Forstwirtschaft sind eine Zukunftsbranche! Für die deutsche Land- und Forstwirtschaft ist eine schlagkräftige Vermarktung ihrer Produkte – sowohl re- gional als auch national und international – sehr wichtig. Deshalb müssen wir erschlossene Märkte pflegen, aber auch neue erschließen. Dies kann sowohl die Land- als auch die Ernährungswirtschaft nicht allein, sondern nur gemeinsam in der „Kette“. Eines der wichtigsten Glieder in dieser Kette bildet der Absatzfonds. Er hat die Förderung des Absatzes und der Verwertung von Erzeugnissen der deutschen Land-, Ernährungs- und Forstwirtschaft zur Aufgabe. Würde man auf die zentrale Absatzförderung im Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft verzichten, entfiele ein wichtiges Instrument zur Sicherung der Marktstellung und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft. Die Bedeutung des Absatzfonds wird auch im Binnenmarkt infolge des ein- geleiteten Abbaus der Markt- und Preisstützung weiter zunehmen. Für den Sektor Landwirtschaft brauchen wir auch in Zukunft eine zentrale Marketingagentur – die CMA –, die diese Aufgaben wahrnimmt. Wir müssen über Marktent- wicklungen, Preise und Verbrauch informiert sein. Wir brauchen Markttransparenz. Wir brauchen auch unbedingt die ZMP. Diese Notwendigkeit wird derzeit leider ange- zweifelt. Ich erinnere an den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. Mai 2006. Drei Unternehmen hatten in ei- nem Verfahren gegen die Pflichtbeiträge zum Absatz- fonds geklagt. Die Frage der Rechtmäßigkeit liegt dem Bundesverfassungsgericht vor. Mit einem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes ist aller Voraussicht nach frühestens in zwei Jahren zu rechnen. Ich gehe aber fest davon aus, dass das Absatzfondsgesetz verfassungskon- form ist. Dies zeigt auch ein aktueller Beschluss des Verwal- tungsgerichts München. In dem Beschluss wurde unter anderem festgestellt, dass keine schwerwiegenden Zweifel an der Vereinbarkeit des Absatzfondsgesetzes mit dem Grundgesetz bestehen. Ebenso hat der Europäische Ge- richtshof in einem Urteil aus dem Jahr 2002 die zentrale Absatzförderung an sich nicht infrage gestellt. Erst 2004 hatte die EU-Kommission das Absatzfondsgesetz beihil- ferechtlich erneut genehmigt. Maßnahmen mit Her- kunftsbezug werden sogar mit EU-Mitteln kofinanziert. Viele EU-Mitgliedstaaten haben dem Absatzfonds vergleichbare nationale Institutionen. Dies zeigt sich ins- besondere an den jüngsten beihilferechtlichen Genehmi- gungen von Maßnahmen der österreichischen AMA und den britischen staatlichen Institutionen „Food from Britain“ und „English Beef and Lamb Executive“ durch die EU- Kommission. Beide Organisationen vergeben ebenfalls Qualitätssiegel für landwirtschaftliche Produkte, deren Herkunft und Qualität sie überprüft haben. Auch das CMA-Gütezeichen wird bei Vorliegen objek- tiver, innerer Merkmale der Erzeugnisse vergeben, wobei die Produktqualität unverändert im Vordergrund steht. Darüber hinaus gestatten die künftigen „Rahmenrege- lungen der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Agrarsektor“ in ihrer jüngsten Entwurfsfassung die Ver- knüpfung von Gütezeichen und Ursprungsbezeichnung. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7993 (A) (C) (B) (D) Begründet werden die Widersprüche in Deutschland mit Verweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Köln. Getragen werden sie jedoch von prüfungsrecht- lichen Argumenten, von der Auffassung, dass die CMA wenig erfolgreich arbeitet, oder von der Sorge, im Falle einer Abschaffung des Absatzfonds abgeführte Beiträge nicht zurückzuerhalten. Nach einer aktuellen Studie allerdings wird die Wich- tigkeit einer Institution wie der CMA von der großen Mehrheit der Landwirte bestätigt. Nur eine verschwin- dend geringe Minderheit will die Abschaffung der CMA. Allerdings hatten die Widersprüche bereits zur Folge, dass der Verwaltungsrat des Absatzfonds auf Grund der schwebenden Rechtslage beschlossen hat, die Ausgaben rigide zu drosseln. Die Drosselung der Ausgaben wird erhebliche Folgen für Absatz und Verwertung von Erzeugnissen der Land- und Ernährungswirtschaft haben. Darüber hinaus leidet durch Einsparungen bei der ZMP die Markttransparenz, die bei Kauf und Einkauf von großer Hilfe für die Landwirte ist. Die Folgen der durch die Widersprüche erzwungenen Mittelkürzungen werden gravierend sein. Es wird im Inland zu tiefen Ein- schnitten beim zentral-regionalen Marketing kommen. Leider ist der Kontakt zum Landwirt für die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr selbstverständlich. Deutsche Bäuerinnen und Bauern produzieren heute in einem gesellschaftlichen Umfeld, das sich immer weiter von der Landwirtschaft entfernt. Es geht also auch darum, die Wertigkeit und Wertschätzung heimischer Nahrungsmittel stärker in den Fokus der Verbraucherinnen und Verbraucher zu rücken. Außerdem trägt die zentrale Absatzförderung zu einer höheren Wertschöpfung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft bei. Wenn wir zudem unsere Produkte in Deutschland und in fernen Ländern absetzen wollen, wenn wir in einigen Bereichen sogar höhere Erlöse erzielen wollen, weil wir höhere Standards bieten, müssen wir dies auch den Kon- sumenten erklären. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass die Kommunikation zum Thema Sicherheit der Lebens- mittel nur noch auf Sparflamme betrieben wird. Darüber würden sich ausländische Anbieter ebenso freuen wie selbsternannte Verbraucherschützer. Deutschland zählt zu den größten Agrarexporteuren der Welt. 2004 wurden Agrargüter im Wert von rund 34,1 Milliarden Euro im Ausland abgesetzt. 1970 waren es erst 1,3 Milliarden Euro. Wir haben bereits beachtliche Märkte in den EU-Beitrittsländern und in Russland ge- wonnen. Diese Märkte erschließen sich nicht von selbst. In einem solch mittelständisch geprägten Umfeld wie der Agrar- und Ernährungswirtschaft braucht man starke Partner. Die CMA unterstützt vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die im Exportgeschäft alleine kaum eine Chance hätten. CMA-Auslandsbüros in wichtigen Ländern der EU, in Amerika, Japan und China führen vor Ort Aktionen durch und stehen als Ansprechpartner für deut- sche Exporteure und ausländische Importeure zur Verfü- gung. So würde die CMA auch ihr äußerst erfolgreiches Marketing auf den expandierenden Auslandsmärkten zurückfahren müssen. Die gerade erwähnten Aufgaben, können nur mit Hilfe des Absatzfonds erfüllt werden. Diese Einrichtung ist enorm wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Betriebe. Ich halte den Absatzfonds für das wichtigste Marketing- instrument der deutschen Land-, Forst-, und Agrarwirt- schaft für die Erschließung und Pflege von Märkten im In- und Ausland. Ich warne davor, bewährte und von ausländischen Anbietern kopierte Einrichtungen wie ZMP und CMA zu unterschätzen. Jeder Widerspruch trägt dazu bei. Um den Absatzfonds zukunftsfähig zu gestalten, hat die Koalition den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes vorgelegt. Mit diesem Änderungsgesetz möchten wir die aufgaben- bezogene Verteilung der Ausgabenlast neu regeln, die im Absatzfondsgesetz verankerte gegenseitige personelle Verzahnung des Verwaltungsrates des Absatzfonds mit dem Aufsichtsorgan der Durchführungseinrichtung zur Absatzförderung aufheben und die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates des Absatzfonds erhöhen und seine Zusammensetzung ändern. Außerdem sollen die Amts- zeiten des Vorstandes und des Verwaltungsrates des Holzabsatzfonds sowie die Fristen zur Entlastung des Vorstandes des Holzabsatzfonds und der Vorlage des Jahresabschlusses des Holzabsatzfonds verlängert werden. Ich verstehe mich als deutsche Agrarpolitikerin. Die Interessen unserer Landwirtschaft stehen für mich im Vordergrund. Unsere Land- und Forstwirtschaft steht für heimische Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze. Wir sind stolz auf ihre Produkte und Leistungen. Die Wichtigkeit einer Institution wie der CMA wird nach einer aktuellen Studie von der großen Mehrheit der Landwirte bestätigt. Nur eine verschwindend geringe Minderheit will die Abschaffung der CMA. Wir sollten deshalb alles dafür tun, den Absatzfonds zu erhalten. Hier möchte ich besonders meinem Kollegen Herzog für seine geleistete Arbeit danken, und dem Gesetzentwurf nach den Ausschussberatungen zustimmen. Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute in erster Lesung das von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Ge- setz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes. Dieses Gesetz hatten wir bereits in letzter Legislatur, im ersten Halbjahr 2005, in- tensiv beraten und beschlossen. Nun, wieso dann die Wiederholung, mögen sich einige fragen – ich muss ein- gestehen, dass das damalige Gesetzgebungsverfahren leider durch eine gewisse Unverständigkeit eines dama- ligen Koalitionskollegen blockiert wurde, der mit De- tails in der Sache und mit Parteizugehörigkeit Schwie- rigkeiten hatte. Letzten Endes kam es dann nicht zu einer, wie zunächst vorgesehen, überfraktionellen Eini- gung und daher vielmehr zu einer Beerdigung des Vor- gangs im Vermittlungssausschuss. So weit zur Historie. Das nun vorliegende Gesetz regelt im Wesentlichen die Erstattung der Personal- und Sachkosten, die der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Zuge der Erhebung der Sonderabgabe entstehen durch 7994 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) den Absatz- bzw. Holzabsatzfonds und die personelle Entflechtung des Verwaltungsrates des Absatzfonds mit dem Aufsichtsrat der CMA. In diesem Zuge wird die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrates des Absatz- fonds erhöht und ihre Zusammensetzung verändert, wei- terhin werden einige Fristen und Amtszeiten angepasst. Im Grunde sind das Hüte von gestern über die wir heute reden könnten, doch im Kielwasser der sich über- schlagenden Ereignisse des vergangenen halben Jahres bekommt die aktuelle Debatte einen anderen Zungen- schlag. Wir haben eine passende Gelegenheit, allgemein zum zentralen Agrarmarketing Stellung zu nehmen. Der Absatzfonds und seine Ausführungsgesellschaf- ten CMA und ZMP sind in jüngster Vergangenheit Ge- genstand heftiger Diskussionen in der Land- und Ernäh- rungswirtschaft, der Wissenschaft und leider auch der Gerichte geworden. Die geäußerte Kritik ist nicht neu. Aber auch nicht gänzlich falsch. Falsch sind Behauptungen, dass wir kein zentrales Agrarmarketing brauchen. Wir brauchen sogar dringend ein zentrales Werkzeug, um den Absatz landwirtschaftli- cher Produkte auf den Märkten im In- und Ausland zu befördern, um Inhalte an die Verbraucher zu transportie- ren und um Markttransparenz aufrechtzuerhalten und zu verbessern. Ein zentrales Instrument kann vieles leisten, was einzelwirtschaftlich niemals umzusetzen wäre. Wir brauchen also nicht weniger Agrarmarketing, sondern besseres. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Behauptun- gen, das Absatzfondsgesetz sei verfassungswidrig und die Erhebung der Abgaben damit illegal, ins Leere lau- fen werden. Diese Entscheidung obliegt nun dem Bun- desverfassungsgericht. Doch ich bin zuversichtlich, dass es nach Prüfung des Sachverhalts dem Vorlagenbe- schluss nicht folgen wird. Denn zum einen haben sich nicht nur der Deutsche Bundestag, die Bundesregierung und der Bundesrat inklusive Vermittlungssausschuss in- tensiv mit dem Gesetz beschäftigt und beschlossen. Zu- dem wurden die vorgesehenen Änderungen und damit auch das Gesetz selber ebenfalls von der EU-Kommis- sion notifiziert und damit auch für gemeinschaftstaug- lich befunden. Es würde mich doch sehr verwundern, wenn diese geballte Kompetenz die Basisprüfung auf Verfassungsgerechtheit vergessen hätte. Auch die Landwirtschaft gibt laut der neuesten Um- frage an der Basis ein anderes Meinungsbild als es die Berichterstattung der letzten Monate hatte vermuten las- sen. Als Fazit des eingeholten, sehr differenzierten Mei- nungsbildes steht ein „Ja, aber“ zum Absatzfonds und insbesondere zur CMA. Nutzen wir gemeinsam die parlamentarische Bera- tung zu diesem Änderungsgesetz und die anberaumte Expertenanhörung, eine Grundlage für eine breite Dis- kussion zur Optimierung des zentralen Agrarmarketings zu legen. Ich kann mich in dieser Sache nur wiederho- len: Wir brauchen nicht weniger sondern besseres Agrar- marketing! Betrachten wir die Krise als Chance und neh- men wir die an den Absatzfonds gestellten Forderungen nach Optimierung der Struktur und Strategie ernst. Nur gemeinsam mit den Beitragszahlenden macht es Sinn, den Fonds zu erhalten. Hans-Michael Goldmann (FDP): Durch die anste- hende kleine Novelle des Absatzfondsgesetzes, die wir heute in erster Lesung beraten, werden durchaus sinn- volle Änderungen auf den Weg gebracht, aber sie geht am Kernproblem vorbei. Ein Blick in die Begründung offenbart uns allerdings, worum es bei dieser Novelle wirklich geht, nämlich dem Bundesverfassungsgericht eine Rechtfertigung zu lie- fern, das Absatzfondsgesetz im Grundsatz als verfas- sungsgemäß einzustufen. Ob dieser Weg Erfolg verspre- chend ist, bleibt abzuwarten. Worum geht es denn nun eigentlich bei diesem Thema? Seit 1969 wird von den Produzenten des grünen Bereichs eine Zwangsabgabe erhoben, um mit zentralen Marketingstrategien den Absatz und Export landwirt- schaftlicher Produkte zu fördern. Wir kennen die alten Werbesprüche noch: Qualität aus deutschen Landen! Doch wir alle wissen auch, dass die Werbung für speziell deutsche landwirtschaftliche Produkte seit einem Urteil des EuGH verboten ist und nur noch ganz allgemein für Milch oder Blumen oder Ähnliches geworben werden darf, wovon dann nicht nur unsere heimischen Produ- zenten profitieren, sondern natürlich auch die Impor- teure. Ich bin froh, dass unser Ausschuss bereits eine Anhö- rung zum Absatzfonds beschlossen hat. Da werden wir die Gelegenheit haben, ausführlich über die Vor- und Nachteile der zentralen Absatzförderung zu diskutieren. Zwangssysteme unterliegen in einer rechtsstaatlichen Demokratie immer einem besonderen Rechtfertigungs- druck. Der Nutzen für die zwanghaft Beglückten muss offensichtlich sein. Als Liberaler bevorzuge ich grund- sätzlich freiwillige Systeme, aber in manchen Fällen muss man auch eine Pflicht verfügen, wie zum Beispiel bei der Kfz-Haftpflicht oder bei der Kranken- und Ren- tenversicherung. Doch ist die Gruppennützigkeit, die Voraussetzung für die Verfassungsmäßigkeit des jeweiligen Zwangssys- tems, auch noch beim Absatzfonds so offensichtlich? Das Verwaltungsgericht Köln, das mit seinem Urteil im letzten Jahr für das anstehende Verfahren vor dem Ver- fassungsgericht gesorgt hat, bezweifelt die Gruppennüt- zigkeit der Zwangsabgabe. Ich weiß natürlich, dass die überwiegende Zahl der Verbände für den Erhalt des Absatzfonds eintritt. So wird zum Beispiel auf den Nutzen der Exportförderung durch den Absatzfonds hingewiesen. Doch wir alle wis- sen auch, dass die Unzufriedenheit unter den Bauern über die Effizienz der CMA hoch ist. Viele fühlen sich durch die Werbung schlicht nicht vertreten, müssen aber trotzdem die Abgabe zahlen, und andere bezweifeln, dass die Werbung der CMA für sie irgendwelche Vor- teile bietet. Betrachten wir einige der Probleme einmal etwas näher. Ist die Exportförderung wirklich so entscheidend Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7995 (A) (C) (B) (D) für die Landwirte? In einem Fernsehbericht des Bayeri- schen Fernsehens wurde letzte Woche davon berichtet, dass die Auslandsmessenbetreuung vor allem von den Vertrieben landwirtschaftlicher Produkte genutzt wür- den, also zum Beispiel von Lidl und Aldi. Welcher land- wirtschaftliche Produzent setzt denn seine Produkte tat- sächlich über Auslandsmessen direkt im Ausland ab? Der Hähnchenmäster beliefert Wiesenhof, der Fleisch- produzent Tönnies, der Obst- und Gemüsebauer Krefeld usw. Wie profitieren diese Landwirte denn von der Ex- portförderung oder der Absatzförderung allgemein? Ich finde es auch seltsam, dass die Landwirte ihre Ex- portförderung selber bezahlen, während das Bundeswirt- schaftsministerium 180 Millionen Euro Steuermittel für die gesamte Außenwirtschaftsförderung des nichtgrünen Bereichs einsetzt und allein 36 Millionen Euro für die Auslandsmessenbetreuung. Warum müssen Bauern dies aus eigener Tasche bezahlen und für den nichtgrünen Bereich bezahlt dies der Steuerzahler? Insbesondere die sogenannten Flaschenhalsbetriebe wenden sich immer wieder gegen den Absatzfonds und bestreiten den Sinn und Zweck des zentralen Absatzmar- ketings. Angesichts dessen, dass die meisten landwirt- schaftlichen Betriebe doch nur noch beim regionalen Marketing einen direkten Kontakt zum Endverbraucher haben, stellt sich auch mir die Frage, worin der Sinn liegt, in allgemeiner Werbung zum Beispiel Milch anzu- preisen? Der Bauernverband spricht davon, dass die CMA-Werbung ganz allgemein dem Verbraucher die Werthaltigkeit landwirtschaftlicher Produkte vermitteln soll. Aber glaubt denn wirklich jemand, dass die CMA Einfluss auf die Verbraucherentscheidung nehmen könnte, lieber ein Buch, einen CD-Player, Design-Klei- dung oder ein Stück Qualitätsfleisch zu kaufen? Das sind alles Fragen, denen wir im weiteren parla- mentarischen Verfahren nachgehen müssen. Das sind Fragen, die deutlich machen, unter welchem Rechtferti- gungsdruck der Absatzfonds und damit auch wir als Agrarpolitiker stehen. Mir scheint, dass die Regierung es sich mit ihrer klei- nen Novelle zu leicht gemacht hat. Das Urteil des Bun- desverfassungsgerichts wird nicht vor 2009 erwartet. Warum hat die Regierung nicht eine umfassende Reform auf den Weg gebracht und angestoßen? Selbst von de- nen, die grundsätzlich für den Erhalt des Absatzfonds eintreten, gibt es eine Reihe von grundlegenden Reform- forderungen, um die Effizienz der Werbung zu erhöhen. Diese Diskussion bis nach einem Urteil zu verschieben, halte ich für sehr riskant. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Der Gesetz- entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Absatz- fondsgesetzes geht mit Eleganz an den eigentlichen Fra- gen zur Notwendigkeit und Struktur der CMA und ZMP vorbei. Im Mai 2006 entschied das Verwaltungsgericht Köln, dass die Zwangsabgaben, die die Molkereien, Schlacht- höfe, Mühlen usw. an den Absatzfonds abführen müs- sen, verfassungswidrig seien, und überwiesen das Urteil zur Überprüfung an das Bundesverfassungsgericht. In der Folge gab es eine Kampagne unter Landwirten. In direkten Schreiben wiesen sie die Schlachthöfe, Molkereien usw. darauf hin, gegebenenfalls die für die Zwangsabgabe abgezogenen Beiträge wieder zurückzu- fordern. Die Konsequenzen sind bekannt: Durch die er- forderlichen finanziellen Rückstellungen können die CMA und auch die ZMP nicht mehr in gewohnter Weise weiterarbeiten. Die Bauern, die für ihre Rückforderungs- optionen die Briefe an die Verarbeitungsbetriebe ge- schrieben haben, waren allerdings vermutlich nicht die- jenigen 1 000 Landwirte, die in einer Umfrage des Bauernverbands während der Grünen Woche als große Befürworter der CMA vorgestellt wurden. Die Frage stellt sich: Welcher Teil der Landwirtschaft stellt die Mehrheit dar? Es waren immerhin genügend Landwirtinnen und Landwirte, die zur Wahrung ihres eigenen Rechtes auf die Rechtslage hingewiesen haben, um die CMA und die mit ihr verbundene ZMP in eine finanzielle Notlage zu brin- gen. Die zeitlich befristeten Stellen in den Institutionen wurden bereits gekündigt, einige der üblichen – allerdings auch nicht unumstrittenen – Kampagnen der CMA muss- ten auf Eis gelegt werden. Das ist unbestritten eine schwierige Situation. Aller- dings bleibt offen, ob der Schaden für die Absatzsitua- tion inländischer Produkte wirklich so dramatisch ist, wie er beschrieben wird. Der Absatzfonds existiert bereits seit 1969. Trotzdem ist bis heute durchaus um- stritten, ob die durch ihn finanzierten Werbe- und Ab- satzkampagnen wirklich zu einem höheren Absatz ein- heimischer Produkte geführt haben. Zudem leben wir unterdessen in einem gerade auf dem Agrarsektor weit- gehend harmonisierten europäischen Binnenmarkt mit offenen Grenzen. Nach EU-Recht darf unterdessen nicht mehr für staatlich, das heißt national abgegrenzte Pro- dukte geworben werden. Die CMA hat das durchaus be- rücksichtigt, indem für Warengruppen wie Milch oder Fleisch ohne Kennzeichnung der nationalen Herkunft geworben wurde. Haben diese Marketingaktionen dann aber die beabsichtigte große Wirkung, dass es noch messbare Absatzvorteile für heimische Produkte gibt? Das bleibt zumindest umstritten. Tatsache ist, dass viele Betriebe offensichtlich die Arbeit des Absatzfonds nicht bemerken – außer bei den regelmäßigen Abzügen in den Lieferabrechnungen für Milch, Getreide oder Tiere. Andererseits: Die CMA-Siegel erfreuen sich bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern trotz der Präsenz über Jahrzehnte immer noch erstaunlicher Unbekannt- heit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Absatzwer- bung von Markenprodukten der Lebensmittelindustrie nichts mit der CMA-Werbung zu tun hat. Die Lebens- mittelindustrie wirbt für sich und für ihre Produkte, wie wir wissen, mit zum Teil großen Erfolg. Diese Werbung finanziert sie selbst und völlig freiwillig. Im Übrigen macht das auch jede Landwirtin oder jeder Landwirt bei der eigenen Direktvermarktung oder für den eigenen Hofladen! 7996 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) Die Freiwilligkeit ist dabei der große Knackpunkt, der auch vor dem Verfassungsgericht womöglich entschei- dend ist. Landwirte, die wegen Verbandsproduktionen, zum Beispiel bei Neuland oder Bioland, zum Teil noch erhebliche eigene Beiträge zum Marketing dieser Ver- bände zahlen, sehen erst Recht nicht ein, warum sie noch Zwangsbeiträge an eine so anonyme Institution wie die CMA zahlen sollen. Aber: Es gibt durchaus Tätigkeiten des Absatzfonds, die gerade aus heutiger Sicht als unverzichtbar erschei- nen. So sind die Preismeldesysteme der ZMP für viele Betriebe eine wichtige Orientierungshilfe geworden. Auch für sich entwickelnde Marktbereiche wie der Bio- markt kann die ZMP viel zur Orientierung in der Preis- findung beitragen. Fragt man die Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter nach der CMA und der ZMP, kommt so- fort und viel Positives über den Nutzen, den die ZMP für die Betriebe bringt. Aus unserer Sicht sollte es in der Diskussion der Ge- setzesnovelle auch darum gehen, die CMA und ZMP zu- kunftsfähig zu machen. Das heißt: eine Evaluation und dann Konzentration auf die Aufgaben, die aus der Sicht der beteiligten Beitragszahler sinnvoll und notwendig er- scheinen. Die Linke fordert ein Zukunftskonzept der CMA und der ZMP, wobei vielleicht notwendige Um- strukturierungen natürlich sozialverträglich und unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer vollzogen werden müssen. Da- bei muss es auch darum gehen, dass die betroffenen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler das Finanzie- rungssystem der Institutionen akzeptieren. Ein Auftrag, der im Gesetzentwurf der Regierung noch nicht im An- satz aufgenommen worden ist. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN): Die CMA veröffentlichte jüngst die Ergebnisse einer Befra- gung: Demnach halten 71 Prozent der Landwirte die Ar- beit der CMA für wichtig, um die Wertschätzung für hei- mische Produkte bei den Verbrauchern zu unterstützen, 58 Prozent sind der Ansicht, die CMA stehe hinter den deutschen Bauern. Die Werbeaktivitäten der CMA be- werteten 59 Prozent der Befragten mit „gut“. Die CMA präsentiert diese Zahlen mit Stolz und wer- tet sie als Bestätigung ihrer Arbeit. Es kann bezweifelt werden, ob diese Schlussfolgerung berechtigt ist. Im Umkehrschluss deuten die Ergebnisse allerdings darauf hin, dass fast 30 Prozent der Landwirte die Arbeit der CMA für unwichtig halten, dass mehr als 40 Prozent nicht den Eindruck haben, die Organisation, die sie aus ihren Abgaben finanzieren, steht wirklich hinter ihnen, und von der Qualität der Werbemaßnahmen sind auch mehr als 40 Prozent nicht überzeugt. Das ist also gerade kein gutes Zeugnis, das die Landwirtschaft der Zentralen Marketingagentur hier ausgestellt hat. Die Legitimationskrise des Absatzfonds ist nicht neu. Das EU-Recht lässt für herkunftsbezogene Werbemaß- nahmen nur noch einen geringen Spielraum. Die Frage, ob überhaupt und in welchem Maße die Abgabe zahlen- den deutschen Erzeuger auch wirklich profitieren, wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom Mai 2006 und der darin geäußerten Zweifel an der Verfassungskonformität wurde aus der schwelenden Krise dann schlagartig eine existenzielle Bedrohung. Die Flut an Klageverfahren, die folgte, zeigte das Ausmaß an Misstrauen und Unzufriedenheit in weiten Kreisen der Verarbeitungsbetriebe und bei den Landwirten. Kritik kommt auch vonseiten der Verbraucherverbände. Mit ihren Werbesprüchen hat die CMA doch einige Male daneben gelegen. Mit stark gekürzten Etats müssen sich CMA und ZMP nun vorerst über die Runden retten. Eine Entschär- fung der Krise erhoffen sie sich durch den hier vorlie- genden Gesetzentwurf. Daher wird im Begründungsteil sehr ausführlich zum Zweck und zur Aufgabenstellung des Absatzfonds Stellung genommen und die Bedeutung der Absatzförderung für die deutsche Land- und Ernäh- rungswirtschaft dargestellt. Bei der kleinen Novelle des Absatzfondsgesetzes geht es ja eigentlich um eher unbedeutende, technische Ände- rungen. Die neue Regelung zur Erstattung der Personal- und Sachkosten aus dem Absatzfonds an die Bundesan- stalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) entspricht dem Gebot einer aufgabenbezogenen Verteilung der Aus- gabenlast. Rot-grün hatte diese Kostenerstattung – unter massiver Kritik der Union – bereits beschlossen. Im Er- gebnis hat die CDU das Gesetz im Bundesrat vor der vor- gezogenen Neuwahl sterben lassen. Interessant ist, dass sie diese Regelungen jetzt völlig widerstandslos mitträgt. Die vorgesehene Änderung in der Zusammensetzung des Verwaltungsrates, die Verlängerung der Amtszeiten des Vorstandes und der Verwaltungsratsmitglieder, die Fristverlängerungen: hier lohnt es sich eigentlich auch nicht wirklich, groß drüber zu streiten. Ich möchte hier und heute zur verfassungsrechtlichen Frage keine Stellung beziehen. Diese Frage wird noch eingehend zu prüfen sein. Wir haben ja auch die Anhö- rung dazu am 7. März im Ausschuss. Ich gehe momen- tan nicht davon aus, dass der Absatzfonds durch Karls- ruhe zu Fall gebracht wird. Die Legitimationskrise des Absatzfonds lässt sich aber nicht durch eine kleine Novelle lösen, und auch nicht durch Gerichtsurteile, wie jüngst durch das Ver- waltungsgericht München. Das eigentliche Problem ist: Der Absatzfonds hat keine wirkliche Rückendeckung, weder seitens der Lebensmittelwirtschaft noch seitens der Bäuerinnen und Bauern. Das wird aus den Pressebe- richten und auch aus den zahlreichen Zuschriften, die ich und sicher auch die Kollegen aus den anderen Fraktio- nen in den letzten Monaten erhalten haben, allzu deut- lich. Seit langem fordern die Grünen und kritische Organi- sationen wie das Agrarbündnis, aber auch die Wirt- schaft, eine radikale Reform. Der Absatzfonds braucht ein neues Konzept. Die Arbeit der CMA gehört auf den Prüfstand. Kritik kommt nicht nur von den Beitragszah- lern, auch von unabhängigen Wissenschaftlern, wie bei- spielsweise Prof. Dr. Tilman Becker von der Universität Hohenheim. Er vertritt die These, dass insbesondere die Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7997 (A) (C) (B) (D) Maßnahmen der gattungsbezogenen Werbung weitge- hend wirkungslos sind und vermutlich kaum zu einer Einkommensverbesserung der Landwirte beitragen. Akzeptanz findet die Absatzförderung dagegen im Bereich des zentral-regionalen Marketings, denn hier be- stehen echte Chancen, den Absatz regionaler Produkte zu fördern und zur Steigerung der Wertschöpfung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen beizutragen. Auch Ex- portförderung hat ihre Berechtigung. Ebenfalls sehr sinnvoll sind Maßnahmen zur Schaffung von mehr Transparenz für die Verbraucher und zur Qualitätssiche- rung. Hauptkritik ist auch die fehlende Evaluierung von un- abhängiger Seite. Die Erfolgskontrolle der CMA ist un- zureichend. Ein hoher Bekanntheitsgrad der CMA ist ein Beleg für erfolgreiche Werbung in eigener Sache, doch das nützt nicht unbedingt auch den Beitragszahlern, dem Image und dem Absatz der Produkte. Ich fordere daher eine transparente und objektive Erfolgskontrolle, ebenso eine Transparenz bei der Mittelverwendung statt perma- nenter Heimlichtuerei. Die Beitragszahler, aber auch die Steuerzahler haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, wo- für ihre Gelder verwendet werden und ob Maßnahmen die gewünschte Wirkung erzielt haben oder nicht. Ich stelle auch in Frage, ob die CMA als zentrale Agentur alles abwickeln muss. Viel besser wäre es, die unterschiedlichen Aufgabenbereiche jeweils im Aus- schreibungsverfahren an geeignete Bewerber zu verge- ben. Auch in diesem Bereich wäre weniger Monopol und mehr Wettbewerb sicherlich ein Gewinn an Effi- zienz und Qualität. Dennoch halte ich die Arbeit des Absatzfonds für wichtig. Es wäre sehr gefährlich, das Instrument des staatlich geförderten Agrarmarketings in Deutschland aufzugeben. Damit würde dieses Feld der Nahrungsmit- telindustrie überlassen, mit möglichen weiteren negati- ven Folgewirkungen für das Ernährungsverhalten. Die anderen Mitgliedstaaten der EU verfügen über ver- gleichbare Instrumente des aus Abgaben und öffentli- cher Kofinanzierung gespeisten Gemeinschafsmarke- tings, in Frankreich beispielsweise betragen die Aufwendungen dafür 286 Millionen Euro in 2003, in Deutschland 159 Millionen Euro und in den Niederlan- den 102 Millionen Euro. Die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft braucht dieses Instrument, um im Wettbewerb weiterhin bestehen zu können. Lebensmittel brauchen mehr Wert- schätzung, ebenso wie Agrarkultur, Genuss und Gesund- heit. Marktorientierung und Wettbewerb in der Land- wirtschaft werden zunehmen, wie wir alle wissen, und ja auch vom Grundsatz her begrüßen. Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass im Wettbewerb Qualität sowie hohe Standards und die besonderen Leistungen der Landwirt- schaft für Tierschutz oder Naturschutz gestärkt werden. Dafür können die Möglichkeiten der mit öffentlichen Geldern bezuschussten Absatzförderung genutzt wer- den. In jeder Krise steckt auch eine Chance. Ich hoffe, der Absatzfonds nutzt endlich diese Chance, zum Wohle der Landwirtschaft und Lebensmittelwirtschaft in Deutsch- land. Ohne grundlegende Reform kann das Instrument „Zwangsabgabe“ nicht mehr aufrechterhalten werden. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden – Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzproto- koll vom 12. September 2002 zum Überein- kommen vom 16. November 1989 gegen Do- ping – Antrag: Bekämpfung des Dopings im Sport (Tagesordnungspunkt 25, Zusatztagesordnungs- punkt 11) Bernd Heynemann (CDU/CSU): Der Deutsche Olympische Sportbund hat in seinem Positionspapier zum Staatsziel Sport unter Punkt 3.3 – Wertevermittlung – Fol- gendes festgehalten: Der Sport bietet vor allem jungen Menschen die Gelegenheit, ihre Grenzen auszuloten. Damit verbunden ist auch das Lernen, mit Misserfolgen umzugehen, seine Gegner zu respektieren, sich an Spielregeln zu halten, als Teamplayer zu agieren. Sportvereine sind „Schulen der Demokratie“, da sie viele Beteiligungsmöglichkeiten – gerade für Jugendliche – bieten. Sie vermitteln in großem Umfang die Werte unserer Gesellschaft. Gerade der sportliche Wettkampf ist eine Herausfor- derung an die eigene Leistungsfähigkeit. Dopingmittel werden eingesetzt, um Sieger zu sein. Das ist Betrug und hat keinen Wert. Seit dem Vorliegen des Gesetzentwurfes vom Oktober 2005 sind viele unrühmliche, aber medien- wirksame Dopingfälle passiert. Das größte Beispiel ist aus meiner Sicht der Dopingverdacht bzw. der wahr- scheinliche Dopingbetrug von Jan Ullrich, dem ehemaligen Tour-de-France-Sieger. Aber allein dieses Beispiel zeigt uns, wie mehrdimensionial dieser Dopingbetrug ist und wie gut koordiniert er abläuft. Der vor wenigen Wochen debattierte Gesetzentwurf gegen Doping hat in seinen Paragrafen 5, 7 und 8 Maßnahmen zur innerstaatlichen Koordinierung sowie zur Einschränkung der Verfügbar- keit von verbotenen Wirkstoffen festgelegt. Die Frage ist nun: Wie kann Doping verhindert werden? Es gab viele Beispiele für eine freiwillige Verpflichtung der Athleten, für Verpflichtungen zur Rückzahlung erhaltener unberech- tigter Prämien, zu mehr Transparenz, Trainingskontrol- len, und auch für schärfere Gesetzesanwendungen. Do- ping war und ist noch immer ein Thema. Gerade zu DDR-Zeiten wurde es wissenschaftlich und teilweise ohne Wissen der Athleten flächendeckend betrieben. So hat der Nachfolgekonzern des VEB Jenapharm, die jet- zige Jenapharm, im letzten Jahr 184 Dopingopfern des DDR-Sports ein Schmerzensgeld in Höhe von je 9 250 Euro auf freiwilliger Basis gezahlt, und ebenso hat sich der DOSB mit 167 DDR-Dopingopfern verständigt. Wir befassen uns im Bundestag schon längere Zeit mit dem Thema Doping und Antidopingmaßnahmen, 7998 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) und das nicht nur seit Vorliegen des Gesetzentwurfes aus dem Jahr 2005. Wir hatten im letzten Jahr zu diesem Thema eine Anhörung im Sportausschuss. Am Ende stellte sich die Frage nach der Unterstützung des Staates bei der Dopingbekämpfung: Ist politisches Handeln not- wendig? Im Kern war folgende juristische Frage zu beantworten: Soll der Besitz von Dopingsubstanzen straf- frei bleiben? Der DOSB hat sich mit seinem 10-Punkte- Programm vom Dezember 2006 in Weimar für ein ver- schärftes Arzneimittelgesetz, gegen ein Strafgesetz und gegen den Straftatbestand des Besitzes von Dopingmitteln ausgesprochen. Wer aber ein Strafgesetz fordert, muss wissen, dass ein solches Gesetz nicht nur für den Hoch- leistungssport gemacht werden kann; es gilt dann für alle Bürger, das heißt auch für die Nutzer der vielen Fitness- studios. Wer sollte das dann – mit welcher Konsequenz und welchem Aufwand – kontrollieren und umsetzen? Ganz zu schweigen vom eingeleiteten Anfangsverdacht, sprich Anzeige bzw. Denunziation! Den Straftatbestand Sportbetrug im Gesetz zu verankern ist äußerst schwierig und fragwürdig. Dann ist beim Fußball die Schwalbe im Strafraum ein Gesetzesverstoß. Das kann doch niemand ernsthaft staatlich verfolgen wollen. Wir als CDU/CSU-Fraktion sehen uns hier auf einer Linie mit Dr. Michael Vesper, dem Generaldirektor des DOSB. Er sagt unter anderem: Im Kampf gegen Doping müssen Sport und Staat Hand in Hand arbeiten. Jeder da, wo er am besten ist. Sportler, die dopen, bestraft der Sport selbst und geradezu brutal. Bei positiven Tests kennt er keine Unschuldsvermutung, er verhängt Sperren, die nicht nur in Deutschland, sondern international greifen und einem Berufsverbot gleichkommen. Und er tut das sofort ohne langwierige Verfahren. Für ein Urteil braucht man oft Jahre. Ich glaube, das ist das härteste Mittel, das einen Sportler treffen kann: dass er nicht mehr seinen Sport ausüben darf. Außerdem ist es im Sport so, dass ein positiv getesteter Athlet seine Unschuld beweisen muss. Im staatlichen Rechtssystem ist es dagegen umgekehrt: Hier muss der Staat die Schuld nachweisen. Der Athlet könnte aufgrund seines Zeugnisverweigerungsrechts Tests ablehnen. In der Sportgerichtsbarkeit würde dies dagegen zu einer sofortigen Sperre führen. Gäbe es aber den Fall, dass ein vermeintlicher Dopingsünder durch die Sportgerichtsbarkeit gesperrt ist und ein Gericht ihn zwei Jahre später mangels Beweisen freispricht, dann würden die Strafen des Sports angreifbar, der konse- quente Kampf gegen das Doping würde ausgehebelt. Den Athleten mit dem Strafrecht nur zu drohen, ist keine Problemlösung. Das nun vorliegende Zusatzprotokoll zum Kampf gegen Doping ist eine praktikable und notwendige Ergänzung zum Übereinkommen vom 16. November 1989. Mit der Unterzeichnung durch die Bundesrepublik Deutschland hat sich eine bedeutende Sportnation klar bekannt, die Wirksamkeit der Kontrollen zu erhöhen, zu harmonisieren, zu akzeptieren und multilateral umzusetzen. Wer sich als Staat nicht per Unterschrift zu diesem Protokoll und seiner inhaltlichen Umsetzung bekennt, darf sich durchaus dem Ruf ausgesetzt sehen, dem Doping etwas Positives abge- winnen zu wollen. Die WADA, die Anti-Doping-Welt- agentur, und auch die NADA, die Nationale Antidoping- agentur, werden jetzt in ihrer Kompetenz und ihrer begleitenden Rolle im Hochleistungssport gestärkt. Es bedarf keines zusätzlichen Antrages durch die Frak- tion der Grünen, weil dieses vorliegende Zusatzprotokoll den Umsetzungsaufgaben voll gerecht wird. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion stimmt für die Ratifizierung dieses Protokolls und sieht darin einen weiteren Schritt in Richtung eines sauberen Sports. Dr. Peter Danckert (SPD): Bereits in der vergangen Sitzungswoche haben wir uns hier an dieser Stelle mit der Dopingproblematik auseinandergesetzt. Dabei ging es darum, das Internationale Übereinkommen der UNESCO vom 19. Oktober 2005 gegen Doping im Sport zu verabschieden. Das Übereinkommen enthält wichtige Regelungen zur weltweiten Vereinheitlichung staatlicher Maßnahmen gegen Doping im Sport. Damit ist der Weg für eine internationale Bekämpfung von Do- ping im Sport frei. Dass das Thema Doping auch heute erneut auf der Ta- gesordnung des Deutschen Bundestages steht, zeigt, dass Doping im Bereich des nationalen und des internationa- len Spitzensports ein ernsthaftes Problem darstellt, das der Sport allein nicht in der Lage ist zu lösen. Doping im Sport ist Betrug am Mitbewerber, an den Zuschauern und an der Öffentlichkeit. Das heute in erster Lesung zu beratende Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 12. September 2002 zum Übereinkommen des Europarates vom 16. November 1989 ist ein weiteres Instrument für eine effektive Do- pingbekämpfung. Es verpflichtet alle Vertragsparteien zur gegenseitigen Anerkennung der Durchführung von Dopingkontrollen. Bisher war dies nur auf der Grund- lage bilateraler Abkommen geregelt. In Zukunft erken- nen die Vertragsparteien gegenseitig die Zuständigkeit von Sportorganisationen oder nationalen Antidoping- Stellen an, in ihrem Hoheitsgebiet Dopingkontrollen bei Sportlern aus dem Hoheitsgebiet anderer Vertragspar- teien durchzuführen. Entscheidend ist auch, dass die Er- gebnisse gegenseitig anerkannt werden. Damit ist zu- mindest auf europäischer Ebene sichergestellt, dass zwischenstaatliche Dopingkontrollen besser koordiniert werden können. Darüber hinaus erkennen die Vertragsparteien durch das Zusatzprotokoll die Zuständigkeit der Welt-Anti-Do- ping-Agentur (WADA) und anderer ihr unterstellter Do- pingkontrollorganisationen für die Durchführung von Kontrollen auch außerhalb von Wettkämpfen bei den Sportlern an. Dies ist ein ganz entscheidender Punkt. Denn gerade bei den Dopingkontrollen – national wie in- ternational – liegt noch vieles im Argen. Die brisante Reportage der beiden Journalisten Hajo Seppelt und Jo Goll, die am 18. Januar 2007 in der ARD ausgestrahlt worden ist, hat sicherlich vielen von uns die Augen ge- öffnet. Hier war von 400 Fällen im Jahr 2006 die Rede, bei denen Athleten zu Dopingtests nicht angetroffen worden waren. Wie kann das sein? Bei den strengen Re- geln von NADA und WADA-Code dürfte das eigentlich nicht der Fall sein. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 7999 (A) (C) (B) (D) In der gestrigen öffentlichen Anhörung des Sportaus- schusses mit Vertretern der Nationalen Antidoping- agentur (NADA), des DOSB, Dopingkontrolleuren und Spitzenathleten – wer die Sitzung gestern verpasst hat, kann sich diese am 7. Februar 2007 auf Phoenix nach- träglich anschauen – hatte ich alle Beteiligten um Auf- klärung gebeten. Dabei hat die NADA Fehler bei der Umsetzung des Dopingkontrollsystems eingeräumt. Im vergangenen Jahr hätten 201 Fälle von nicht angetroffe- nen Sportlern – so genannte Missed Tests – an die Sport- verbände, die für die Sanktionierung des Athleten zu- ständig sind, weitergegeben werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Noch etwas anderes ist bei der gestrigen Anhörung zutage getreten: Viele Athleten wissen nicht, dass sie al- lein dafür verantwortlich sind, die erforderlichen Anga- ben zu Aufenthaltsort und Erreichbarkeit zu machen. Hier muss eine bessere Aufklärung der Athleten erfol- gen. Gestatten Sie mir noch einige Bemerkungen zu dem vorliegenden Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. Ich bedauere, dass die Grünen den in der ver- gangenen Woche von der Koalition eingebrachten Vor- schlag, den Besitz nicht geringer Mengen bestimmter Dopingsubstanzen (auch beim Sportler) unter Strafe zu stellen, ablehnen. Stattdessen unterbreiten sie uns in ih- rem gestern nachträglich eingebrachten Antrag den Vor- schlag zur Verankerung eines Straftatbestandes der „Ver- fälschung des wirtschaftlichen Wettbewerbs im Sport, der im wirtschaftlich relevanten Bereich des Sports die Wettbewerbsverzerrungen durch Einsatz von Doping- mitteln“ unter Strafe stellt. In dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen heißt es: „Sportlerinnen und Sportler, die nicht geringe Mengen von Dopingmitteln mit sich führen, können schon heute strafrechtlich belangt werden, wenn wegen der Menge nicht davon auszugehen ist, dass es sich nur um Doping- substanzen zur eigenen Verwendung handelt.“ Diese Auffassung ist schlicht falsch, weil bislang allein der Be- sitz von unerlaubten Substanzen nach dem Arzneimittel- gesetz (AMG) nicht strafbar ist. Ich bin überzeugt, dass der Kompromiss der Koali- tionsfraktionen der Durchbruch im Kampf gegen Doping ist. Selbst der Deutsche Olympische Sportbund, der be- kanntlich in der Frage der Besitzstrafbarkeit anderer Auffassung war, beteuert, „dass alles das, was nun in das Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Bundesrat eingebracht wird, im Einklang steht mit dem, was wir in Weimar nach eingehenden Beratungen in unserem Ak- tionsplan beschlossen haben“. Na bitte! Dagmar Freitag (SPD): Am 15. Februar 2006 hatte die Bundesrepublik Deutschland in Straßburg das Zu- satzprotokoll vom 12. September 2002 zum Überein- kommen des Europarates vom 16. November 1989 ge- gen Doping unterzeichnet. Mit dem nun von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf stimmen wir dieser Zusatzvereinbarung formal zu. Wir erwarten, dass durch die im Zusatzprotokoll gere- gelten Vereinbarungen zwischen den Vertragsstaaten die Effektivität der Dopingkontrollen erhöht wird. Bisher war eine gegenseitige Durchführung und Anerkennung von Dopingkontrollen zwischen den einzelnen Vertrags- staaten nicht geregelt. In Zukunft werden sich die Staa- ten, die das Zusatzprotokoll in nationales Recht umset- zen, gegenseitig ermächtigen, Dopingkontrollen bei Sportlerinnen und Sportlern aus dem Hoheitsgebiet an- derer Vertragsparteien nicht nur durchzuführen und an- zuerkennen, sondern das Ergebnis dieser Kontrollen auch den jeweiligen nationalen Antidopingorganisa- tionen und dem betroffenen Sportverband zur Verfügung zu stellen. Dies ist ein weiterer Schritt in Richtung einer effektiveren Bekämpfung des Dopings über Landesgren- zen hinaus, nachdem wir in der vergangenen Sitzungs- woche das Gesetz zum Internationalen Übereinkommen vom 19. Oktober 2005 gegen Doping im Sport verab- schiedet haben, das eine UNESCO-Konvention umset- zen und den Staaten erstmals ein weltweites Instrument für eine umfassende Dopingbekämpfung zur Verfügung stellen wird. Mit dem heute in erster Lesung beratenen Gesetzent- wurf wird zumindest in den europäischen Vertragsstaa- ten eine weitere Lücke geschlossen, die bisher von Ath- letinnen und Athleten, die Doping zur unerlaubten Leistungssteigerung anwenden, genutzt werden konnte. Das Zusatzprotokoll erkennt über die europäische Ebene hinaus die „Zuständigkeit der Welt-Anti-Doping-Agen- tur (WADA) und anderer ihr unterstellter Dopingkon- trollorganisationen für die Durchführung von Kontrollen auch außerhalb von Wettkämpfen bei ihren Sportlerin- nen und Sportlern“ an. Wir müssen – auf politischer und sportpolitischer Ebene – auch weiterhin auf eine Harmo- nisierung der auf internationaler Ebene geltenden Regu- larien hinarbeiten. Doping ist ein internationales Problem, dass sowohl die Sportverbände, die Antidopingorganisationen, aber auch die Regierungen weltweit dazu veranlassen muss, härtere Bandagen im Kampf gegen das Doping anzule- gen. Die Koalitionsfraktionen haben auf diesem Weg mit der vor kurzem getroffenen Vereinbarung einen großen Schritt in Richtung einer effektiven und wirksamen Ahn- dung von Dopingvergehen gemacht. In Zukunft soll der Besitz nicht geringer Mengen von bestimmten Doping- substanzen unter Strafe gestellt werden. Eins muss jedoch klar sein: auf diesem unbestrittenen Fortschritt dürfen wir uns nicht ausruhen; im Gegenteil: alle, denen an einem glaubwürdigen Antidopingkampf gelegen ist, sind nach den Erkenntnissen der letzten Sportausschussitzung aufgefordert, sich den dort offen- kundig gewordenen Problemen zu stellen und für Ab- hilfe zu sorgen. Verbände müssen sicher sein können, zeitnah über Regelverstöße ihrer Athletinnen und Athle- ten informiert zu werden; nur dann können die Sanktio- nen umgesetzt werden. Weitere Versäumnisse darf es an dieser Stelle nicht mehr geben. Weiterhin muss die Frage beantwortet werden, ob das derzeitige System der Urin- kontrollen den Aufwand und das Geld wirklich wert ist. Denn, wie verwundbar muss ein System sein, in dem Spitzensportler offenkundig jahrelang unentdeckt dopen 8000 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) können? Die NADA hat die Spitzenverbände zu einem Gespräch eingeladen; wir erwarten, dass dort auch Vor- schläge gemacht werden, wie das Kontrollsystem zu- mindest weitgehend wasserdicht werden kann. Hierzu gehört sicher auch der Vorschlag, sich nicht ausschließ- lich auf Urinkontrollen zu beschränken. Zusätzlich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zu dem Zusatzprotokoll vom 12. September 2002 zum Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen Do- ping liegt uns ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Bekämpfung des Dopings im Sport“ vor. Nachdem die Koalitionsfraktionen sich in der vergan- genen Sitzungswoche auf die bereits angesprochene Re- gelung verständigen konnten – leider gab es für die auch vom Kollegen Hermann in der Vergangenheit favori- sierte Besitzstrafbarkeit dort in der Fraktion keine Mehr- heit – haben wir es heute mit einem neuen Vorschlag zu tun. Er scheint allerdings nach der Abstimmungsnieder- lage in der Fraktion mit der berühmten heißen Nadel ge- strickt zu sein. Anders ist kaum zu erklären, dass der Forderungsteil fast ausschließlich auf den Vermögens- schutz abhebt – von Doping gehen unbestritten erheblich mehr Gefahren und Nachteile aus. Der Schutz der Ge- sundheit spielt im vorliegenden Antrag eine völlig unter- geordnete Rolle, kommt in eher lyrischer Form im Ein- leitungsteil am Rande vor. Und ebenso bedauerlich: die von der Koalition verab- redete Einführung der Strafbarkeit des Besitzes nicht ge- ringer Mengen näher bezeichneter Dopingsubstanzen wird abgelehnt. Nicht nur bedauerlich – eigentlich un- fassbar! Es findet ein Paradigmenwechsel statt, den auch Nicht-Juristen verstehen können. Aber ich erkläre es gerne noch einmal. Der heutige § 6 a AMG hat sich als „totes Recht“ erwiesen, weil danach der Nachweis des Inverkehrbringens erbracht werden musste. Die Erfolgs- quote war gleich null. Nach der von uns vorgesehenen Regelung muss zukünftig die Abgabeabsicht nicht mehr nachgewiesen werden; der bloße Besitz einer nicht ge- ringen Menge der betreffenden Substanzen reicht aus. Damit wird die entscheidende Schwachstelle beseitigt. Und das soll kein Fortschritt sein? Insgesamt geht es im vorliegenden Antrag fast ausschließlich um den Schutz der Interessen des Kommerzes im Sport und weniger um die Ideale und den Schutz der Gesundheit von Sportlern. Und die auch von uns geforderte Einführung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften macht natürlich nur Sinn, wenn ein tatsächlich anwendbares Gesetz vorliegt. Das ist bei der von uns vorgesehenen Regelung der Fall, da hieran bei Dopingverdacht ein Tätigwerden der Staatsanwaltschaft geknüpft werden kann. Fazit: Dieser Antrag wird die Bekämpfung von Doping in Deutsch- land nicht weiterbringen, deshalb wird dafür von uns keine Zustimmung gegeben. Detlef Parr (FDP): Erneut befassen wir uns heute mit der Dopingproblematik im Plenum, wegen des Zusatz- protokolls zum Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen Doping, das wir vor zwei Wochen im Bun- destag bereits angenommen haben, und des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen, auf den wir seit Jahren gewartet haben, genauer gesagt, seit fast neun Jahren. In den sieben Jahren Regierungsbeteiligung zusammen mit der SPD kam es – trotz mehrfacher, großer Ankündigungen – zu keiner nennenswerten Antidopinginitiative dieser Frak- tion. Jetzt hat sie einen ausführlichen Antrag vorge- legt. Die beschriebenen Feststellungen beschreiben die gegenwärtige Lage im Großen und Ganzen zu- treffend, und die Forderungen decken sich zum großen Teil mit denen des organisierten Sports, so zum Beispiel was die Änderung des Arzneimittelgesetzes, die Rück- forderung von Mitteln bei Verstößen gegen geleistete Zusagen, die Kennzeichnungspflicht von Arzneimitteln oder die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwalt- schaften angeht. Grundsätzlich könnten wir dem Antrag in diesen Punkten zustimmen. Vor allem die Ablehnung der Be- sitzstrafbarkeit des einzelnen Sportlers ist auch aus libe- raler Sicht überzeugend. In der Tat ist es bereits heute so, dass man gegen diejenigen vorgehen kann, die Doping- substanzen zum Handel besitzen. Auch Sportlerinnen und Sportler, die nicht geringe Mengen von Dopingmit- teln bei sich haben, können heute nach geltendem Recht strafrechtlich belangt werden. Die Kritik an dem Vorstoß der Großen Koalition bezüglich der Festlegung dieser Mengen ist gerechtfertigt. Probleme beim Vollzug dieser Gesetzesvorschrift sind – wie das BTMG beweist – leicht vorherzusagen. Die Forderung in Teil II, Punkt 4, „Verankerung eines Straftatbestandes der Verfälschung des wirtschaft- lichen Wettbewerbs im Sport“, können wir allerdings nicht mittragen. Die Möglichkeit eines Straftatbestandes Sportbetrug wurde auch innerhalb der ReSpoDo disku- tiert und fand schon damals keine Mehrheit. Auch im Laufe der Anhörung zum Doping im Sportausschuss im letzten Herbst wurde deutlich, dass diese Forderung nicht umzusetzen sei. Wie soll eine effektive Abgren- zung zwischen Freizeit- und Berufssport gewährleistet sein? Ab welchem Vermögensvorteil würde man eingrei- fen müssen? Die Gefahr einer Kriminalisierung großer Bevölkerungskreise ist nicht zu übersehen. Darüber hinaus scheint mir der Auffangtatbestand der Manipulationen uferlos. Bei gleicher Anwendung müsste man auch die Schwalbe im Strafraum – man denke an die Millionen, die beispielsweise ein Champions-League- Finale bringt – oder das unzulässige technische Equip- ment in der Formel 1 unter Strafe stellen. Keiner kann sich einen solchen Sachverhalt wünschen! Zu Recht weist der Antrag der Grünen in der Einlei- tung auf die Bedeutung des Sports und auf die Tatsache hin, dass in vielen Landesverfassungen der Sport bereits verankert ist. Kollege Hermann hat selber einst erklärt: „Die Diskussion um eine Aufnahme des Sports in das Grundgesetz muss vorangebracht werden.“ Genau dies machen Sie mit diesem Antrag nicht. Hier hätte ich ein stärkeres Zeichen erwartet: ein Plädoyer für den Sport im Grundgesetz, auch in diesem Zusammenhang. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 8001 (A) (C) (B) (D) Die Grünen haben nun die Chance, im Sportausschuss diese strittigen Punkte zu klären. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen im Sportausschuss. Katrin Kunert (DIE LINKE): Nachdem Deutschland dem internationalen Übereinkommen gegen Doping im Sport beigetreten ist, müssen noch ausstehende Regularien international geklärt werden. Somit ist der Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll zum Übereinkommen gegen Doping nur folgerichtig. Das Zusatzprotokoll schafft die Grundlage für die gegenseitige Durchführung und Anerkennung von Dopingkontrollen. Dadurch kann die Wirksamkeit der Kontrollen erhöht werden. Bilaterale und multilaterale Vereinbarungen können transparenter und effizienter werden. So positiv die Tatsache auch zu werten ist, dass in- zwischen über 40 Staaten dem Übereinkommen gegen Doping im Sport beigetreten sind, so vermisse ich schon einige Sportnationen, die im wirksamen Kampf gegen Doping wichtig wären. Wenn wir über die Bekämpfung des Dopings im Sport reden und über geeignete Maßnahmen streiten, müssen viele Gesichtspunkte berücksichtigt werden. So finde ich die Feststellung in der Einleitung des Antrages der Grünen vom Ansatz her richtig. Dort heißt es: „Erkennbar ist auch, dass der Sport alleine mit den Problemen nicht fertig werden kann. Dies bedeutet nicht, dass staatliche Maß- nahmen anstelle der Dopingbekämpfung durch den Sport treten sollen. Vielmehr müssen Sport und Staat ihre Maßnahmen und Strategien zur Dopingbekämpfung verbessern.“ Die Grünen schlagen eine Vielzahl von Maßnahmen vor, die in der Tat diskussionswürdig sind. Dieser Antrag ist als Grundlage besser geeignet als die von der Koalition nach hartem Ringen veröffentlichte Presseerklärung zu diesem Thema. Die Erhöhung der bundesstaatlichen Finanzmittel zur Dopingbekämpfung ist erforderlich. Das sehen wir genauso. Ein Sportfördergesetz des Bundes hat die Linke bereits im Rahmen der Debatte um das Sportwettenmonopol vorgeschlagen. Wir brauchen ein Sportfördergesetz – un- abhängig vom Kampf gegen das Doping. Ein solches Gesetz sollte sich nicht nur auf die Dopingbekämpfung beschränken. Problematisch an dem Antrag der Grünen ist jedoch, dass ausweislich der Begründung auch bei Verstößen durch einzelne Sportlerinnen und Sportler den Sport- fachverbänden finanzielle Mittel gesperrt, gekürzt oder zurückgefordert werden können. Hier würde ein ganzer Verband für das Fehlverhalten eines einzelnen Sportlers in Haftung genommen. Die Frage, ob und inwieweit bestehende strafrechtliche Sanktionen verschärft bzw. weitere Sanktionsmöglichkei- ten – insbesondere gegen die Athletinnen und Athleten – geschaffen werden sollten, sollte nicht vorschnell mit Ja beantwortet werden. Auch ich lehne die Einführung der sogenannten Besitzstrafbarkeit bei den Sportlern ab. Der Vorschlag der Koalitionsfraktionen lässt offen, wie die nicht geringe Menge zu bestimmen ist. Für den Bereich des Sports ist es wohl unzumutbar, erst nach zeitintensiven rechtlichen Auseinandersetzungen in dieser Frage Klar- heit zu bekommen. Im Übrigen sind die Grenzwerte des Betäubungsmittelgesetzes auf Dopingsubstanzen nicht anwendbar. Die vorgeschlagene Zusammenarbeit mit den Ländern, Informations- und Aufklärungskampagnen oder der Infor- mationsaustausch zwischen Staatsanwaltschaften, NADA und Sportorganisationen und die Berichterstattung der Bundesregierung zum Antidopingkampf sind zweifels- ohne wichtige Maßnahmen im Kampf gegen Doping. Aber bewältigen wir das Problem nur mit Sanktionen; nur mit Maßnahmen gegen etwas? Wir müssen für Bedingungen in dieser Gesellschaft sorgen, die Doping uninteressant machen! Mir fehlen im Antrag der Grünen Maßnahmen zur Stärkung des Sport- lers oder besser gesagt das Wirken für den Sportler. Die Gesellschaft verlangt von unseren Athleten immer nur Spitzenleistungen. Die Öffentlichkeit kann himmel- hoch jauchzend Siege feiern, aber wehe, die Deutschen versagen mal. Die Linke ist für eine umfassende Debatte zum Sport; angefangen beim Schulsport bis hin zum Leistungssport. Wie begleitet der Staat den Sportler von der Talentför- derung bis zum Karriereende? Wie werden die Möglich- keiten der Vereinbarkeit von Sport, Studium oder Berufsausbildung geschaffen? Wie wird Sportwissen- schaft betrieben, um effektivere Trainingsmethoden zu entwickeln? Es gibt interessante Projekte, die sich diesen Themen widmen. Abschließend möchte ich noch einmal kurz auf die gestrige Anhörung im Sportausschuss eingehen. Es hat sich herausgestellt, dass die handelnden Akteure bei den Dopingkontrollen sowohl Kommunikations- als auch Auslegungsschwierigkeiten haben. Wichtig aber war für alle Beteiligten, dass der Wille da ist, gemeinsam etwas gegen Doping zu tun. In diesem Sinne werden wir, sobald der bereits angekündigte Gesetzentwurf der Bundes- regierung vorliegt, noch eine intensive Debatte führen müssen. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit langem kündigt die Koalition Antragspakete und Maßnahmenkataloge in der Dopingbekämpfung an. Aber nichts haben Sie seit Ihrem Regierungsantritt vor- gelegt. Es gibt keinen Antrag von Ihnen, es gibt keine Gesetzesinitiative; Sie produzieren zahlreiche Inter- views, die Ihre politische Handlungsunfähigkeit über- spielen sollen. Denn seit Monaten blockieren Sie sich selbst in der Frage der Besitzstrafbarkeit von Dopingmit- teln. Das einzige, was Sie als Kompromiss in der Frage einer Gesetzesveränderung zur Dopingbekämpfung an- zubieten haben, ist eine Presseerklärung vom Januar die- ses Jahres. Das ist jedoch eine ganz erstaunliche Lö- sungsvariante, denn, meine sehr geehrten Damen und Herren aus den Regierungsfraktionen, Pressemitteilun- 8002 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 (A) (C) (B) (D) gen sind nicht antragsfähig im Sinne der Geschäftsord- nung des Deutschen Bundestages. Aber nicht nur die Regierungsfraktionen sind in die- sem zentralen Bereich der Sportpolitik außer Tritt gera- ten. Auch der für den Sport zuständige Bundesminister Schäuble schwankt mit und trägt zur Verwirrung und zur politischen Richtungslosigkeit in der Dopingbekämp- fung bei. Einmal spricht er sich im September in einem Interview für eine Besitzstrafbarkeit bei Dopingmitteln aus. Aber schon kurze Zeit später ist er eingeknickt und hat auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) in Weimar einen Rückzieher gemacht. Alles nach dem Motto: Unter kei- nen Umständen darf es in Deutschland ein Antidoping- gesetz geben, denn nichts darf gegen den organisierten Sport entschieden werden. Der Applaus bei einem Groß- teil des organisierten Sports war ihm somit gewiss; das Murren – auch aus den Koalitionsfraktionen heraus – über dieses Übergehen des Parlaments bleibt. Eigentlich hätte dem Minister in Weimar eine Diskre- panz innerhalb des organisierten Sports auffallen müs- sen: Denn besonders die Sportverbände, die besonders von Dopingfällen ihrer Sportler betroffen sind – ich nenne die Leichtathletik, den Bund Deutscher Radfahrer und die Triathleten – haben deutlich für eine strafrechtli- che Verantwortung von einzelnen Athletinnen und Ath- leten Stellung bezogen. Dabei wird zu Recht darauf hin- gewiesen, dass sich Strafrecht und Sportgerichtsbarkeit weder gegenseitig aufheben noch gegenseitig blockie- ren. Auch in einem anderen wichtigen Bereich der Do- pingbekämpfung sind die bestehenden Probleme offen- sichtlich. Die von der Nationalen Antidopingagentur (NADA) für das Jahr 2006 eingeräumten 201 sogenann- ten „missed tests“, also verpasste Trainingskontrollen bei deutschen Athleten, können nicht auf persönliche Fehler zurückgeführt werden. Es ist deutlich geworden: Wir haben ein lückenhaftes Dopingkontrollsystem, das in einer Legitimitätskrise steckt. Es werden zu viele Athletinnen und Athleten nicht bei Trainingskontrollen angetroffen, und es bestehen erhebliche Defizite beim Nachweis von Dopingstoffen und angewendeten Dopingmethoden. Darüber hinaus sind Manipulationen durch die Athleten selbst und auch durch deren Umfeld möglich. Es ist doch offensichtlich, dass etwas nicht stimmt, wenn die in den zurückliegenden Jahren die scheinbar am besten kontrollierten Athletinnen und Athleten jetzt die Dopingschlagzeilen beherrschen. Wir müssen das Kulturgut Sport, den fairen Wettbe- werb besser schützen. Es müssen auch endlich die richti- gen Schlussfolgerungen daraus gezogen werden, dass sich Teile des Sports weiter kommerzialisiert haben und daher auch Regeln ähnlich dem Wirtschaftsrecht ange- wendet werden müssen. Der Sportbetrug durch Doping muss bestraft werden, und die längst international täti- gen kriminellen Dopingnetzwerke müssen stärker dem Strafrecht unterzogen werden. Und auch der Sportler, der durch Doping den wirtschaftlichen Wettbewerb im Sport verfälscht, überwiegend also der Profisportler, muss zukünftig mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen. Damit zeigt unsere Fraktion einen zeitgemäßen und auch verfassungsrechtlich tragbaren Weg auf. Ich bedauere es sehr, dass die große Koalition sich leider bisher nicht ernsthaft damit auseinander gesetzt hat und nur schlicht- weg Ablehnung signalisiert hat. Lassen Sie mich zusammenfassen: Die Dopingbe- kämpfung muss konzeptionell und strukturell weiter ent- wickelt werden: Wir brauchen erstens ein modernes und funktionsfähiges Dopingkontroll- und Sanktionssystem, wir brauchen zweitens eine finanziell gut ausgestattete Antidopingforschung, und drittens muss eine wirkungs- volle und umfassende Gesamtstrategie mit dem Schwer- punkt Dopingprävention entwickelt werden. In diese Richtung geht der vorliegende Antrag unse- rer Fraktion. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Mit dem vorliegenden Gesetz zum Zusatzprotokoll vom 12. September 2002 zum Übereinkommen vom 16. November 1989 gegen Doping liegt uns nach Verabschiedung der entsprechen- den UNESCO-Konvention in der letzten Plenarwoche erneut ein internationales Vertragsgesetz zur Doping- bekämpfung vor. Das unterstreicht: Doping ist kein aus- schließlich nationales Problem und kann daher nur in einem abgestimmten internationalen Zusammenwirken bekämpft werden. Vor diesem Hintergrund hat die Bun- desregierung bereits 1992 das Übereinkommen des Europarates vom 16. November 1989 gegen Doping gezeichnet und 1994 ratifiziert. Auf dieser Grundlage und den mit dem Übereinkom- men bisher gesammelten Erfahrungen wurde das nun- mehr zur Beratung anstehende Vertragsgesetz zum er- gänzenden Zusatzprotokoll erarbeitet. Das Zusatzprotokoll dient der internationalen Verein- heitlichung der Verfahrensweise bei Dopingkontrollen innerhalb der Vertragsstaaten sowie einer Verbesserung der Beobachtung der Umsetzung der Verpflichtungen nach dem Europäischen Übereinkommen vom 16. No- vember 1989 gegen Doping. Ziel ist es, die Wirksamkeit der Kontrollen zu erhöhen und zur Harmonisierung, Transparenz und Effizienz der bilateralen und multi- lateralen Dopingvereinbarungen beizutragen. In dem Übereinkommen gegen Doping verpflichten sich die Vertragsparteien, in den in ihm behandelten An- gelegenheiten eng zusammenzuarbeiten und eine ähnli- che Zusammenarbeit zwischen ihren Sportorganisatio- nen zu fördern. Bisher wurden zur Erfüllung dieser Verpflichtung zwischen einzelnen Staaten meist bilate- rale Abkommen geschlossen. Zur Effizienzsteigerung der Dopingkontrolltätigkeit und zur Gleichbehandlung aller Athletinnen und Athleten ist die einheitliche Form und die Ausdehnung der gegenseitigen Kontrolltätigkeit auf alle Unterzeichnerstaaten ein Meilenstein. Die Umsetzung der von den Unterzeichnerstaaten freiwillig eingegangenen Verpflichtungen ist ein wesent- liches Element der Harmonisierung und Verbesserung Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 79. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 8003 (A) (C) (B) (D) der Maßnahmen gegen das Doping. Die bisherige Vorge- hensweise erschöpfte sich in der Sammlung von Einzel- daten, die mithilfe eines Fragebogens abgefragt und gesammelt veröffentlicht wurden. Die Fragestellung konnte hierbei nicht die jeweiligen Besonderheiten der Rechtslage in den Unterzeichnerstaaten berücksichtigen. Deshalb ist das neue Instrumentarium deutlich weiter- führend. Zweck des Zusatzprotokolls ist die Schaffung einer international anerkannten rechtlichen Grundlage zur Verbesserung der Dopingkontrolltätigkeit (Art. 7 Abs. 3 Nr. b) und die Stärkung der beobachtenden Be- gleitgruppe bei der Beobachtung der Umsetzung der Maßnahmen (Art. 11 Abs. 1 Satz 1). Durch die Zustimmung zu diesem Protokoll wird mehr Gerechtigkeit im Spitzensport geschaffen, weil alle Sportlerinnen und Sportler der Unterzeichnerstaaten gleichermaßen einem dichten Kontrollnetz unterworfen werden. Allerdings bedingt dies auch, dass Verstöße ge- meldet werden. Das auch auf diesem Gebiet Verbesse- rung und Harmonisierung notwendig sind, hat die letzte Sitzung des Sportausschusses verdeutlicht. Durch das Verfahren der Evaluierung wird eine bes- sere Vergleichbarkeit und damit Harmonisierungsgrund- lage für die Umsetzung der Konvention geschaffen. Auf das dem Zusatzprotokoll zugrunde liegende Eu- roparatsübereinkommen wurde in der Diskussion der letzten Monate um eine effektive Dopingbekämpfung vielfach auch mit dem Argument verwiesen, Art. 4 Abs. 1 „fordere“ Maßnahmen zur Verhinderung des Be- sitzes von Dopingmitteln. Die Einführung einer Besitz- strafbarkeit des Sportlers sei daher geboten, Wortlaut so- wie Sinn und Zweck von Art. 4 Abs. 1 fordern allerdings nicht, den Besitz von Dopingmitteln unter Strafe zu stel- len. Vielmehr haben – so wie bei der UNESCO-Konven- tion gegen Doping – die Vertragsstaaten verschiedene Handlungsoptionen zur Umsetzung dieser Bestimmung, zum Beispiel Präventionsmaßnahmen, Verschreibungs- pflicht, Verschärfung der Kontrollen und konsequente Wettkampfsperren, um nur einige zu nennen. Allerdings wäre die Besitzstrafbarkeit eine der mög- lichen Alternativen, um der Zielrichtung des Europarats- übereinkommens nachzukommen. Ich bitte um Zustim- mung zum vorliegenden Gesetz. 79. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 1. Februar 2007 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607900000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich, wünsche Ihnen bzw. uns einen guten Morgen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich einige amt-
liche Mitteilungen zu machen. Interfraktionell ist verein-
bart worden, die verbundene Tagesordnung um die in
der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP:
Haltung der Bundesregierung zu Forderungen nach der
Fortsetzung der Steinkohlesubventionen für einen Sockel-
bergbau

ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 34)

a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Irmingard

Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Kai Gehring und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Ge-
setzes über die Änderung der Vornamen und die Fest-
stellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen
Fällen (Transsexuellengesetz – TSG)

– Drucksache 16/4148 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss

b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, der
SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Redet
Diaspora – Potenziale von Migrantinnen und Migran-
ten für die Entwicklung der Herkunftsländer nutzen
– Drucksache 16/4164 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss

ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOP 35)

a) Beratung der Beschlussempfehlung des

schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 171 zu Petitionen
– Drucksache 16/4172 –

(C (D ung n 1. Februar 2007 0 Uhr b)

schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 172 zu Petitionen
– Drucksache 16/4173 –

c) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 173 zu Petitionen
– Drucksache 16/4174 –

d) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 174 zu Petitionen
– Drucksache 16/4175 –

e) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 175 zu Petitionen
– Drucksache 16/4176 –

f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 176 zu Petitionen
– Drucksache 16/4177 –

g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 177 zu Petitionen
– Drucksache 16/4178 –

h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)


ext
Sammelübersicht 178 zu Petitionen
– Drucksache 16/4179 –

i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsaus-
schusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 179 zu Petitionen
– Drucksache 16/4180 –

ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN:
Protestaktionen der Gewerkschaften zur Heraufsetzung
des Rentenalters

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Pieper, Uwe
Barth, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften stärken

che 16/4153 –
ngsvorschlag:
für Bildung, Forschung und
genabschätzung (f)

er Ausschuss
Petitionsaus-
– Drucksa
Überweisu
Ausschuss
Technikfol
Auswärtig






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Harald Leibrecht, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Für eine konstruktive Zusammenarbeit mit Russland und
einen kritischen Dialog
– Drucksache 16/4165 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 7 Beratung des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln),

Irmingard Schewe-Gerigk, Grietje Bettin, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN
Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartner-
schaft vollenden

– zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Kauch, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Gleiche Rechte gleiche Pflichten – Benachteiligungen
von Lebenspartnerschaften abbauen
– Drucksachen 16/497, 16/565, 16/4057 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Andreas Schmidt (Mülheim)


ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-
schusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union

(21. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-

rung
Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung
einer Agentur der Europäischen Union für die Grund-
rechte
Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächti-
gung der Agentur der Europäischen Union für die Grund-
rechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des
Vertrags über die Europäische Union auszuüben
KOM (2005) 280 endg.; Ratsdok. 10774/05
– Drucksachen 16/150 Nr. 2.65, 16/… –
Berichterstattung:
Abgeordnete Thomas Silberhorn
Josip Juratovic
Michael Link (Heilbronn)

Dr. Hakki Keskin
Omid Nouripour

ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-
schusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

(17. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln),

Rainder Steenblock, Omid Nouripour, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN
Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU
stärken – Mandat der Grundrechteagentur sinnvoll
ausgestalten

– zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning,
Michael Link (Heilbronn), Christian Ahrendt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht ge-
braucht
– Drucksachen 16/3617, 16/3621, 16/4195 –

w

t
s
s
a
p
d
n

(C (D Berichterstattung: Abgeordnete Holger Haibach Christoph Strässer Florian Toncar Volker Beck ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck DIE GRÜNEN Datenschutz und Bürgerrecht bei der Einführung biometrischer Ausweise wahren – Drucksache 16/4159 – Überweisungsvorschlag: Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien ZP 11 Beratung des Antrags der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Bekämpfung des Dopings im Sport – Drucksache 16/4166 – Überweisungsvorschlag: Sportausschuss Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Gesundheit ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Britta Haßelmann, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Das neue Bild vom Alter – Vielfalt und Potenziale anerkennen – Drucksache 16/4163 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ZP 13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Berliner Erklärung – Werte und Aufgaben der EU im 21. Jahrhundert – Drucksache 16/4171 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 14 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Erneute Verschiebung der Reform der Pflegeversicherung – Auswirkungen auf die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soeit erforderlich, abgewichen werden. Der Tagesordnungspunkt 32 – Attraktivität des Soldaenberufes steigern – soll ohne Debatte an die Auschüsse überwiesen werden. An der Stelle wird stattdesen der Punkt 24 – Turkmenistan – aufgerufen und sofort bgestimmt. Außerdem sollen der Tagesordnungsunkt 26 schon nach dem Tagesordnungspunkt 16 und er Tagesordnungspunkt 17 erst nach dem Tagesordungspunkt 23 aufgerufen werden. Präsident Dr. Norbert Lammert Das haben Sie alle sicherlich sorgfältig notiert. Für Rückfragen stehen wir hier oben aber gern zur Verfügung. Schließlich mache ich noch auf zwei nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der in der 23. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Sportausschuss tung überwiesen werden. Gesetzentwurf der Abgeordneten Hans-Joachim Otto Winterstein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP zur Änderung des Grundgesetzes – Drucksache 16/387 – überwiesen: Rechtsausschuss Sportausschuss Ausschuss für Kultur und Medien Der in der 71. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sen werden. Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Ratspräsidentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen – Drucksache 16/3327 – überwiesen: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Sind Sie mit den vorgetragenen Vereinbarungen einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 d auf: 3 a)





(A) )


(B) )


(Staatsziel Kultur)

gierung

Jahreswirtschaftsbericht 2007 der Bundesre-
gierung
Den Aufschwung für Reformen nutzen
– Drucksache 16/4170 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

d
h
f

B
M

T

K
e
c

(C (D Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss b)

gierung

Jahresgutachten 2006/07 des Sachverständi-
genrates zur Begutachtung der gesamtwirt-
schaftlichen Entwicklung

– Drucksache 16/3450 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Sechzehntes Hauptgutachten der Monopol-
kommission 2004/2005

– Drucksache 16/2460 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Anlagenband
zum Sechzehnten Hauptgutachten der Mono-
polkommission 2004/2005

– Drucksache 16/2461 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Auch dazu
öre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so ver-
ahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
undesminister für Wirtschaft und Technologie,
ichael Glos.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Michael Glos, Bundesminister für Wirtschaft und
echnologie:

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und
ollegen! Nun sagen es auch die Statistiker: 2006 war

in sehr erfolgreiches Jahr. Wir hatten ein wirtschaftli-
hes Wachstum von 2,5 Prozent. Wir haben damit die






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Bundesminister Michael Glos
Prognosen aller Pessimisten weit übertroffen. Selbst die
amtlichen Prognostiker haben dieses Wachstum nicht
vorausgesehen. Es war die höchste Wachstumsrate seit
dem Boomjahr 2000.

Ich komme jetzt zur Zukunft. Wir haben sehr gute
Aussichten, das Wachstum fortzusetzen. Vor allem eines
ist ganz besonders erfreulich: Die Arbeitslosigkeit ist
binnen Jahresfrist um 764 000 verringert worden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich bedanke mich in allererster Linie beim deutschen
Mittelstand; denn die Arbeitsplätze, die neu und zusätz-
lich geschaffen worden sind, sind vor allem im Bereich
der kleinen und mittleren Unternehmungen entstanden.

Wir haben aber auch große Fortschritte erzielt, was
die Konsolidierung unseres öffentlichen Gemeinwesens
anbelangt. Die Neuverschuldungsgrenze von 3 Prozent,
die der Vertrag von Maastricht vorschreibt, ist nach fünf
Jahren nicht wieder verletzt worden, sondern mit
1,9 Prozent wesentlich unterschritten worden. Das ist ein
sehr akzeptables Ergebnis.

Deswegen haben wir ein sehr gutes Fundament, um
das robuste Wachstum fortzusetzen. Das ist das Ver-
dienst selbstverständlich von vielen, von den Beschäftig-
ten und den Tarifparteien, die in den letzten Jahren
Lohnzurückhaltung geübt haben – sonst wäre diese Posi-
tion nicht zu erreichen gewesen –, aber auch von den
Unternehmungen, die sich entsprechend aufgestellt ha-
ben, die ihre Bilanzen bereinigt haben und die sich vor
allem dem internationalen Wettbewerb verstärkt gestellt
haben. Aber es ist natürlich auch ein Verdienst der neuen
Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Unsere wirtschaftspolitische Strategie hat dem Land
wieder Zukunftsperspektiven gegeben und vor allen
Dingen Vertrauen zurückgebracht. Das Vertrauen ist in
der Wirtschaftspolitik ein ungeheuer wertvolles Gut.

Deswegen müssen wir auch den Weg der Reformen
weitergehen und insbesondere die Reformen jetzt zügig
umsetzen, die wir versprochen haben; ich komme noch
darauf. Den Optimismus, den ich teile, vertreten inzwi-
schen Unternehmer, Investoren und zunehmend auch die
Verbraucher. Das ist ganz besonders wichtig. Die Stim-
men der Skeptiker – da braucht man nur nachzulesen, was
allein in diesem Haus im Laufe des letzten Jahres alles ge-
sagt worden ist –, die geglaubt haben, der Aufschwung
werde durch die Umsatzsteuererhöhung zunichtege-
macht, sind weniger geworden. Ich habe überhaupt nichts
dagegen, dass man mahnt. Aber das ging teilweise weit
über Mahnungen hinaus. Es war der Versuch, den Auf-
schwung kaputtzureden.

An der positiven Tendenz ändern auch aktuelle Nach-
richten über den Ifo-Geschäftsklimaindex und den Kon-
sumklimaindex der GfK nichts. Die konjunkturelle
Grundtendenz bleibt aufwärtsgerichtet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Eines macht sich immer deutlicher bemerkbar: Wenn
man keine Angst mehr um den Arbeitsplatz hat, dann

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(C (D ird man wieder ausgabefreudiger. Ich bin überzeugt, er private Konsum nimmt zu. Auch für Investitionen sind die Voraussetzungen herorragend. Die Kapazitätsauslastung ist inzwischen sehr ut. Die Gewinne entwickeln sich kräftig, vor allem bei xportorientierten Unternehmungen. Wir wissen, dass an nur aus Gewinnen investieren kann. Deswegen sind ie Gewinne kein Selbstzweck. Außerdem haben wir onkurrenz um international anlagesuchendes Kapital. ir wollen, dass das Kapital nach Deutschland strömt nd nicht Deutschland ausweicht, wie das jahrelang der all gewesen ist. Das Wachstum ist bereits im letzten Jahr – das stimmt usätzlich optimistisch – zu drei Vierteln aus einer anzieenden Inlandsnachfrage entstanden. Dieser Trend setzt ich fort, sodass wir nicht mehr so empfindlich sind, enn außenwirtschaftliche Entwicklungen nicht so ein reten sollten, wie wir es gegenwärtig prognostizieren. ür 2007 haben deswegen alle Experten ihre Wachs umserwartungen hochgeschraubt. Sie bewegen sich wischen 1,3 und 2,1 Prozent. Wir von der Bundesregieung stellen uns auf die sichere Seite. Unsere Wachsumsprognose beträgt rund 1¾ Prozent, spitz gerechnet: ,7. Ich bin optimistisch, dass man im nächsten Jahr wieer sagen kann: Wir haben die Zielmarke überschritten nd sind nicht daruntergeblieben. Wir erwarten eine Zunahme der Zahl der Beschäftigen um 300 000 im Jahr 2007. Das ganz besonders Erreuliche daran ist: Dieses Wachstum der Beschäftigung ird in allererster Linie im sozialversicherungspflichtien Bereich stattfinden. Das ist auch für die Konsolidieung der Sozialkassen ganz wichtig. Die Zahl der Areitslosen wird im Jahresdurchschnitt weiter um etwa 80 000 auf rund 4 Millionen zurückgehen. Hier besteht ie Chance, dass wir möglicherweise im Jahresdurchchnitt unter 4 Millionen bleiben. Aber ganz genau weiß an das selbstverständlich immer erst, wenn das Jahr erum ist. Wir sind also auf einem guten Weg, keineswegs am iel. Wir dürfen die Menschen nicht in der Illusion wieen, dass alles prima und paletti sei und von selber so eitergehe. Genau das ist nicht der Fall. Wir müssen das achstum auch nutzen, um Reformen durchzuführen. (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da bin ich gespannt!)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ir müssen vor allen Dingen aufhören, den Menschen
ngst vor Reformen zu machen. Sie haben immer
ngst, für sie ändere sich etwas zum Negativen. Aber
enn man spürt, es wächst und es geht voran, dann hat
an auch sehr viel mehr Vertrauen in Reformen. Wir le-

en in einer Welt, die sich, ob man will oder nicht, täg-
ich wandelt. Wir müssen den Wandel positiv mitgestal-
en, damit wir Deutschen bleiben, was wir sind, nämlich

elthandelsnation Nummer eins und die drittstärkste
ation dieser Erde, was Industrieproduktion anbelangt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







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(B) )


Bundesminister Michael Glos
An der Stelle möchte ich sagen: Ich freue mich, dass
ich der Präsident von vier europäischen Räten bin. Ich
habe inzwischen viel über europäische Politik dazuge-
lernt und darüber, wie es auf europäischer Ebene zugeht.
Ich vertrete die Interessen Europas in der Welt mit gro-
ßer Überzeugung. Aber innerhalb Europas vertrete ich
deutsche Interessen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich sehe darin überhaupt keinen Widerspruch. Wenn der
deutsche Wachstumsmotor gut läuft, dann ist das gut für
Europa. Das passiert aber nicht im luftleeren Raum, son-
dern man muss immer wieder konkret sagen, wo unsere
deutschen Interessen liegen. Manchmal gibt es nämlich
konkurrierende Interessen.

Wir wollen die CO2-Emissionen – nach der Mehr-
heitsmeinung in der Wissenschaft sind diese Emissionen
Ursache für die Erderwärmung, die uns immer mehr
Sorgen macht –, soweit uns das möglich ist, bekämpfen.
Aber wir müssen es in der Weise tun, dass die deutsche
Wirtschaft darunter nicht so leidet und dadurch die Be-
schäftigung in andere Teile der Welt abwandert, wo man
sehr viel weniger sorgfältig mit der Umwelt umgeht.
Auch das muss man immer wieder ganz deutlich heraus-
streichen und man muss alles tun, um die Menschen auf
diesem Weg mitzunehmen.

Ich möchte noch kurz auf den Bereich der Autos zu
sprechen kommen. Natürlich wollen wir, dass der
Schadstoffausstoß immer geringer wird. Dazu braucht es
neue Entwicklungen und Zeit. Wir können aber kein
Diktat der Kommission hinnehmen und wir können auch
nicht hinnehmen, dass man alles über einen Kamm
schert.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ein anderes Beispiel, bei dem es um deutsche Interes-
sen geht. Nicht nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer der betreffenden Industrie machen sich berech-
tigte Sorgen, dass der EADS-Konzern, der das
europäische Gemeinschaftsflugzeug Airbus baut und der
breiter aufgestellt ist und nicht nur den zivilen Flugzeug-
bau umfasst, schwierige Zeiten durchläuft. Nun ergibt es
keinen Sinn – dieses Haus wird sich noch damit beschäf-
tigen –, alle Fehler aufzuzählen, die in der Vergangenheit
passiert sind. Sicher sind darunter auch hausgemachte
Fehler: im Management und in einzelnen Unterneh-
mensteilen. Wenn es nun um die Sanierung geht, müssen
wir natürlich darauf achten, dass dabei die Interessen der
deutschen Standorte gewahrt bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Dafür werde ich mich mit Nachdruck einsetzen, so-
weit unser öffentliches Gemeinwesen überhaupt darauf
Einfluss haben kann. Dieser Einfluss besteht weniger in
Subventionen und Hilfen, die direkt aus meinem Haus-
halt fließen. Wir wissen auch, dass der Verteidigungs-
minister wesentliche Teile seines Investivhaushaltes für
Aufträge an den EADS-Konzern verwendet. Wir müssen
natürlich darauf achten, dass unsere Interessen berück-
sichtigt werden, wenn es um Entscheidungen darüber

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(C (D eht, wo in Zukunft die hochqualifizierten Arbeitsplätze ein werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte noch zu ein paar Details des Jahreswirt-
chaftsberichts kommen. Wir müssen natürlich schauen,
ass die Investitionsdynamik unserer Wirtschaft erhalten
leibt. Dazu gehört, dass wir weiter Reformen durchfüh-
en. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass wir die Unter-
ehmensteuerreform, die in das Verhalten der Wirtschaft
uasi schon eingepreist ist, zügig umsetzen. Man ver-
ässt sich darauf, dass wir eine Unternehmensteuerre-
orm durchführen und dass wir unsere Steuersätze wett-
ewerbsfähig machen.

Wir haben nun das Urteil des Bundesverfassungsge-
ichts vorliegen, das uns auferlegt, Veränderungen im
rbschaftsteuerrecht vorzunehmen. Der Finanzminis-

er wird in den nächsten Tagen sicher noch viel dazu sa-
en. Ich meine: Jetzt zeigt sich deutlich, wie nötig es ge-
esen ist, dass wir einen Gesetzentwurf eingebracht
aben, durch den die Unternehmensnachfolge erleichtert
ird. Angesichts der Tatsache, dass in Zukunft die be-
auten Betriebsgrundstücke höher bewertet werden müs-
en, wäre der Betriebsübergang, was die Kapitalent-
ahme angeht, insbesondere bei mittleren und kleinen
nternehmen noch sehr viel schwieriger. Deswegen
üssen wir schauen, dass wir diese Reform zügig ab-

chließen und dass ein vernünftiges Ergebnis auf den
isch gelegt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wollen weiter modernisieren. Wir wollen Büro-
ratie abbauen. Dazu haben wir zwei Mittelstandsentlas-
ungsgesetze eingebracht. Das eine steht schon im Bun-
esgesetzblatt; das andere befindet sich jetzt im
arlamentarischen Verfahren. Damit ist es noch nicht zu
nde; wir werden weiter daran arbeiten. Wir drängen in
er Europäischen Union darauf, dass auch dort ein
ürokratieabbau erfolgt. Das 25-Prozent-Ziel, das man

ich dort gesetzt hat, ist ein richtiges und konkretes Ziel;
s ist zu erreichen. Wir wollen die Unternehmungen
icht ständig mit neuen Regulierungen knebeln, sondern
em unternehmerischen Handeln Raum geben.

Wir wollen vor allen Dingen auch – dafür will ich
ich während der Ratspräsidentschaft ganz besonders

insetzen –, dass die Zoll- und Zugangsschranken auf
en internationalen Märkten weiter gesenkt bzw. besei-
igt werden. Wir möchten, dass die Doharunde der

TO-Verhandlungen erneut an Dynamik gewinnt. Ich
edanke mich bei Frau Bundeskanzlerin Merkel, dass sie
ich dafür beim amerikanischen Präsidenten ganz beson-
ers eingesetzt hat. Ich halte das für künftiges Wachstum
n Deutschland, Europa und der Welt für unverzichtbar.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollte sich mal bei den Bauernverbänden dafür einsetzen!)


Wir wollen auch, dass die Wissensgesellschaft weiter
usgebaut wird. Dafür sind in dieser Legislaturperiode
usätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt. Seitens mei-
es Hauses wird gerade damit der mittelständischen






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Bundesminister Michael Glos
Wirtschaft sehr stark geholfen, Forschung und Innova-
tionen zu fördern.

Wir müssen natürlich immer da modernisieren, wo es
notwendig ist, und in zukunftsgerichtete Technologien
investieren. Dabei kommt es zwangsläufig zu Verände-
rungen. Ich bin, obwohl es gestern Abend keine volle Ei-
nigung gegeben hat, immer noch optimistisch, dass es
uns gelingt, die Förderung der deutschen Steinkohle so-
zialverträglich und kalkulierbar für alle zurückzuführen
mit dem Ziel, sie zu beenden. Denn es gibt auf dem
Weltmarkt genügend Kohle. Sie ist dort sehr viel billiger
einzukaufen. Es ist besser, die Ressourcen, die dort ge-
bunden werden, in zukunftsgerichtete Technologien zu
stecken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Damit bin ich bei meinem letzten Thema: bei der
Energie. Die Preissteigerungsrate des letzten Jahres, die
mit 1,7 Prozent sehr maßvoll war, beruht zu 0,8 Prozent
auf gestiegenen Energiekosten. Daran hat natürlich der
hohe Öl- und Gaspreis einen wesentlichen Anteil, aber
auch die Tatsache, dass wir innerhalb des Energiemark-
tes in Deutschland noch nicht genügend Wettbewerb ha-
ben.

Es gibt jetzt hoffnungsfrohe Ansätze. Wir werden uns
in der Europäischen Union für mehr Wettbewerb einset-
zen. Der gemeinsame europäische Energiemarkt ist so
wichtig, wie es einmal die Gemeinschaft für Kohle und
Stahl, die vor 50 Jahren am Anfang des Prozesses der
europäischen Vereinigung stand, war. Bis dahin werden
wir auch mit nationalen Maßnahmen dafür sorgen, dass
den Verbrauchern nicht übermäßig in die Tasche gegrif-
fen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In diesem Zusammenhang möchte ich all jene, die sagen,
das Ganze sei ein Handeln wider die Marktwirtschaft, an
Ludwig Erhard erinnern, der immer gesagt hat: Zur so-
zialen Marktwirtschaft gehört auch, dass man eine ent-
sprechende Kartellgesetzgebung hat, um Oligopolen auf
die Finger zu schauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall bei der LINKEN)


– Vielen Dank. Ich nehme den Beifall gerne entgegen,
auch von der ganz linken Seite dieses Hauses.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich mit einem herzlichen Dank an dieje-
nigen schließen, die dazu beigetragen haben, dass eine
Sorge, die uns bewegt hat und über die wir oft diskutiert
haben, etwas geringer geworden ist. An der Steigerung
der Zahl der angebotenen Lehr- und Ausbildungs-
plätze haben viele – auch in diesem Hause – mitgewirkt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es gibt hier wunderbare Beispiele. Mich freut ganz be-
sonders – dies darf ich noch ausführen –: Diejenige
Handwerkskammer, die zumindest nach den mir vorlie-

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(C (D enden Zahlen das Angebot am stärksten gesteigert hat, ar die Handwerkskammer von Unterfranken. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


as ist zufälligerweise meine Heimat. Ich bedanke mich
ei ihr stellvertretend für alle, die das fast genauso gut
emacht haben.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607900100

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rainer Brüderle

ür die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Welche Standardrede kommt jetzt?)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1607900200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere

andballer sind spitze, unsere Fußballer sind klasse, nur
ie Kopfballer von der Regierung bleiben auf der Bank
itzen. So wird man nicht Weltmeister.


(Beifall bei der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Ist das Fastnacht hier?)


Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben den Jah-
eswirtschaftsbericht mit den Worten „Den Aufschwung
ür Reformen nutzen“ überschrieben. Damit haben Sie
öllig recht. Sie müssen die Zeit, in der sich die wirt-
chaftliche Lage verbessert, nutzen, um endlich notwen-
ige Reformen anzupacken. Das Dach repariert man am
esten, wenn es draußen nicht heftig regnet. Aber Sie
üssen auch handeln. Mit dieser Aussage haben Sie

echt. Aber warum handelt die Bundesregierung nicht?
er hindert sie daran? Wir nicht. Die große Koalition ist

her eine Achse der Reformunwilligen, die anstehenden
eformen werden von ihr nicht angepackt.


(Beifall bei der FDP)


Vor lauter Frühlingsgefühlen haben Sie in der Regie-
ung offenbar zu früh die Badehosen angezogen. Drau-
en sind aber noch Regen und Wind. Wir stellen fest:
as Wirtschaftswachstum schwächt sich gegenüber dem
orjahr ab, die Massenarbeitslosigkeit ist unverändert
och, und der Konsum ist gedämpft. Es geht nicht da-
um, Reformen nur um der Reform willen zu machen,
lso Aktionismus zu betreiben. Das haben Sie uns bei
er Gesundheitsreform zur Genüge vorgeführt.

„Viel Lärm um nichts“ ist noch milde formuliert.
hakespeare würde sich bei dem Vergleich wahrschein-

ich im Grabe umdrehen. Nein, Sie haben viel Lärm um
ichts Gutes gemacht: um höhere Steuern, um noch
ehr Bürokratie, um höhere Kassenbeiträge und um we-

iger Wettbewerb. Es geht aber um sinnvolle Reformen,
ie erfolgreiches Wirtschaften auf lange Sicht möglich
achen sollen. Da ist nicht alles Gold, was Sie uns als

länzend verkaufen wollen. Sie können das im Haupt-
utachten der Monopolkommission nachlesen. Deutsche
nternehmen verlagern nach wie vor in beachtlichem
mfang ihre Aktivitäten ins Ausland. Wir können und






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(B) )


Rainer Brüderle
wollen nicht mit Niedriglohnländern konkurrieren, aber
es muss doch Aufgabe der Politik sein, dafür zu sorgen,
dass die Unternehmen ihre Firmensitze nicht wegen zu
hoher Steuern oder starrer Arbeitsmärkte ins Ausland
verlagern. Wir brauchen andere Rahmenbedingungen.


(Beifall bei der FDP)


Herr Glos, ich will Ihr Bemühen um den Bürokratie-
abbau nicht bestreiten. Die Bürokratiekosten unserer
Unternehmen werden auf 46 Milliarden Euro geschätzt.
Durch das Mittelstandsentlastungsgesetz haben Sie da-
von knapp 60 Millionen Euro gestrichen. Es ist nicht
verkehrt, statistische Erhebungen für Kleinunternehmen
auf drei Stichproben pro Jahr zu beschränken, die Ge-
winngrenzen für die Buchführungspflicht zu erhöhen
und Anfragen ans Gewerberegister zu vereinfachen. All
diese Maßnahmen sind richtig, aber sie reichen nicht. Sie
müssen umfassend Bürokratie abbauen und die Unter-
nehmen entlasten.


(Beifall bei der FDP)


Ich weise auf die Generalunternehmerhaftung hin. Ein
Generalunternehmer haftet für seine Subunternehmer,
wenn diese Sozialversicherungsbeiträge nicht abführen.
Ich weise auf die Bauabzugsteuer hin. 15 Prozent des
Rechnungsbetrags müssen, wenn keine bürokratische
Freistellungsgenehmigung vorliegt, an den Staat abge-
führt werden. Die Motive von Grün-Rot, die Steuerhin-
terziehung abzuschwächen oder sogar zu unterbinden,
waren ehrenwert, herausgekommen ist dabei aber: großer
Aufwand und wenig Ergebnis. Deshalb sollten diese
Maßnahmen abgeschafft werden.


(Beifall bei der FDP)


Das Auslaufen der Steinkohlesubvention in elf Jah-
ren feiern Sie als großen Erfolg. Wer sich das Rauchen
abgewöhnen will und sich als Erstes hundert Stangen
Zigaretten kauft, hat den falschen Ansatz gewählt. Hier
sollten Sie mutiger und engagierter herangehen. Herr
Rüttgers versucht ja, noch ein wenig Schwung in die Sa-
che zu bringen. Vielleicht schafft er es zusammen mit
der FDP in Nordrhein-Westfalen.


(Beifall bei der FDP)


Mit Ihrem Dreiklang – sanieren, reformieren, inves-
tieren – sind Sie nicht weit gekommen. Den Haushalt
über Steuererhöhungen sanieren zu wollen, bleibt der
falsche Weg. Unser Konzept wäre, den Haushalt über
Ausgabenkürzungen, über echtes Sparen, in Ordnung zu
bringen, wie es jeder Private macht. Wenn er mehr aus-
gibt, als er einnimmt, streckt er sich nach der Decke. Sie
hingegen erhöhen einfach die Einnahmen, während die
Ausgaben relativ starr bleiben.


(Beifall bei der FDP)


Auch zur Sicherung eines dauerhaften Wirtschafts-
wachstums haben wir ein anderes Konzept als Schwarz-
Rot. Zu Recht wird herausgestellt, dass die Arbeitspro-
duktivität ansteigt. Das ist in Zeiten des Aufschwungs
aber immer so. Da die Auslastung der Kapazitäten beim
Aufschwung zunimmt, Sie also mit den gleichen Ma-
schinen eine höhere Produktion erreichen, bedeutet das

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(C (D ine Steigerung der Arbeitsproduktivität. Wir müssen afür sorgen, dass das Arbeitsvolumen zunimmt, dass ir mehr Beschäftigung haben. Die Unternehmen brau hen berechenbare Bedingungen. Dann werden die steienden Umsätze auch von entsprechend steigenden Eintellungszahlen begleitet. Dafür müssen Sie die oraussetzungen schaffen. Der Konsum ist durch die Mehrwertsteuererhöhung edämpft. Der positive Einmaleffekt, der von der Fußallweltmeisterschaft im vergangenen Jahr ausging, reift nicht mehr. Der Ifo-Index und die Zahlen zum onsumklima verdeutlichen die gedämpfte Stimmung. ie Zahlen kommen nicht von ungefähr. Man kann sie icht einfach verstecken. Sie zeigen an, dass Sie in dieem Jahr steuerpolitisch auf die Bremse getreten sind, bwohl Sie eigentlich Gas geben müssten, zum Beispiel ei der Unternehmensteuerreform. Davon ist aber nichts rkennbar. Machen Sie Tempo, damit sich der Aufchwung verstetigt, langanhaltend ist und die Beschäftiung endlich umfassend steigt! Zur Steuervereinfachung geschieht praktisch gar ichts. Das ist eine Fata Morgana der Regierung. Die teuerlich schwierige Situation ist einer der Kernpunkte, arum viele Existenzgründer, kleine und mittlere Unterehmen sowie Mittelständler am Verzweifeln sind. Sie achen das Steuerrecht noch komplizierter, anstatt es zu ereinfachen. Es ist der Gipfel, dass man, wenn man ine Auskunft dazu haben möchte, noch Geld dafür zahen muss. Das halte ich für Zynismus. Um zu mehr Beschäftigung, zu mehr Arbeit zu komen, müssen die Gewerkschaften von ihrem Irrglauben, ass man durch Arbeitszeitverkürzung Vollbeschäftiung erreichen könne, Abstand nehmen. Arbeitszeitverürzungen, Altersteilzeit und Frühverrentungen waren alsche Wege. Wir müssen das anders anpacken. Eine lierale Politik für mehr Wirtschaftswachstum würde den nternehmen nicht mehr Bürokratie aufladen, wie Sie es it dem Antidiskriminierungsgesetz tun. Auch wenn Sie as Etikett „Wir wollen Bürokratie abbauen“ durch die egend tragen, machen Sie genau das Gegenteil: Sie achen es komplizierter. Sie müssen das Risiko von Neueinstellungen durch ernünftige Arbeitsmarktreformen mindern. Sie müssen en Kündigungsschutz modernisieren, damit die kleinen nternehmen keine Angst haben, dass sie sich, wenn ich die Wirtschaftslage verschlechtert, von neu eingetellten Mitarbeitern nicht mehr trennen können bzw. es nverhältnismäßig teuer wäre. Betriebliche Bündnisse ür Arbeit sind zu ermöglichen. Die Union hat vor der ahl immer erklärt, dass das erforderlich ist. Jetzt ist daon nichts mehr zu merken. Es ist ein Irrglaube, mit Mindestlöhnen Vollbeschäftiung erreichen zu können. Herr Müntefering, vielleicht eht man nicht nach Krakau zum Friseur. Vielleicht geht Rainer Brüderle man aber seltener zum Friseur und lässt sich die Haare dann kürzer schneiden. Auch so kann man auf Verteuerung und Verkomplizierung reagieren. Die Mehrwertsteuererhöhung ist bereits eine Konsumbremse. Fügen Sie durch die Einführung des Mindestlohns nicht eine weitere Beschäftigungsbremse hinzu! Der Mindestlohn wird nur zu einem führen: Er wird die Schwarzarbeit fördern. Sie bauen eine Illusion auf. Ein zu hoher Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze; ein zu niedriger Mindestlohn hat keinen Effekt. Es wäre reiner Zufall, wenn Sie die richtige Höhe beim Mindestlohn treffen würden. Tarifautonomie braucht mehr Vielfalt. Wir brauchen neue Elemente, wir müssen aus den Schützengräben heraus. Gewinnbeteiligung und Investivlohn können richtige Ansätze sein. Es muss aber Wahlfreiheit herrschen. Man kann zum Beispiel nicht den Investivlohn einführen wollen und dann sagen: Aber die Risiken werden verstaatlicht. Wenn ich einen Anteil an einem Unternehmen besitze, trage ich ein Stück weit auch das Risiko mit. Deshalb kann das nur freiwillig geschehen, nicht zwangsweise. Gewinnbeteiligung oder konjunkturabhängige Elemente bei der Entlohnung wie Einmalzahlungen sind Wege, die eine Entschärfung von Tarifkonflikten bedeuten würden. Moderate Lohnerhöhungen und mehr Beschäftigung sind besser als starke Lohnerhöhungen und das Verharren auf hoher Arbeitslosigkeit. Sie sehen, es ist viel zu tun. Der Wirtschaftsminister hat mit seinem Motto völlig Recht: den Aufschwung nutzen für Reformen. Nur muss man es auch tun. Der Wirtschaftsminister verdient Unterstützung in der Regierung. Man darf ihn mit seiner mahnenden Stimme nicht allein stehen lassen. Deshalb sollten die Kopfballer der Regierung aufstehen und den Wirtschaftsminister unterstützen. Er hat es verdient. Nur in Selbstlob und Selbstbeweihräucherung zu verharren, ist kein Weg hin zu mehr Beschäftigung. Nächster Redner ist der Kollege Ludwig Stiegler für die SPD-Fraktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe aufrichtiges Mitleid mit dem Kollegen Brüderle. Gestern Abend habe ich noch einmal seine Rede vom letzten Jahr gelesen. Wenn die Prophezeiungen aus dieser Rede eingetroffen wären, dann hätten wir heute den Weltuntergang. Herr Brüderle, es ist einfach ärgerlich: Die Konjunktur ist Ihrem Pessimismus nicht gefolgt. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen. Diesen Weg haben der Wirtschaftsminister und die Koalitionsfraktionen vorgezeichnet. S d U w t s t p w d u s g d w H d A l d D d d w A s e s n g 2 u d s d g r d w S b d (C (D ie unken inzwischen sehr einsam in dem Glas, in dem ie Wetterfrösche sitzen. Sie sind eine ganz einsame nke. Bitte kommen Sie da heraus. (Beifall bei der SPD – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das mit der Unke war nicht nett!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


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(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607900300

(Beifall bei der SPD)

Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1607900400

(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Bravo!)


Die Institute kommen heraus; auch sie saßen ganz
eit unten in dem Glas. Sie beeilen sich jetzt und über-

reffen sich gegenseitig. Der Sachverständigenrat
chleppt sich heraus. Auch die Presse kommt heraus.

Wenn Sie sich einmal anschauen, was dieser Koali-
ion im letzten Jahr von all den sogenannten Fachleuten
rophezeit wurde und wie die Wirtschaft abgebildet
urde, dann sehen Sie, dass genau das Gegenteil von
em eingetreten ist, was dieser geballte Sachverstand
ns hat weismachen wollen. Also verlassen wir uns bes-
er auf uns statt auf Ratgeber, die immer nur ihre ideolo-
ischen Vorstellungen durch ihre ökonometrischen Mo-
elle rechtfertigen wollen.


(Beifall bei der SPD)


Wir waren in der Wirtschaftspolitik erfolgreich. Wir
aren in der Finanzpolitik erfolgreich. Wir haben den
aushalt 2006 mutig angepackt. Der Finanzminister ist
afür belohnt worden. Ich sage noch einmal: Dieser
ufschwung war kein Selbstläufer. Manche sagen, es

ag an der Weltwirtschaft, und manche sagen, es lag an
en Unternehmen.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Stiegler war es!)


as Muster ist immer das gleiche: Geht es schlecht,
ann ist die Politik schuld, geht es gut, dann liegt es an
er Tüchtigkeit der Manager. Diese Aufteilung machen
ir nicht mit. Wir schauen genauer hin. Wer sich den
ufschwung und seine Komponenten im Jahre 2006 an-

ieht, der erkennt, dass die Politik der Großen Koalition
inen enormen Anteil daran hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich nenne als Beispiel die energetische Gebäude-
anierung. Der Haushaltsausschuss hat das Programm
och einmal aufgestockt. 17 Milliarden Euro sind ausge-
eben worden. Das entspricht Investitionen in Höhe von
7 Milliarden Euro. Allein das bedeutet ein Wachstum
m mehr als einen Prozentpunkt. Wenn man dann noch
ie Außenwirtschaft mit 0,7 Prozent dazurechnet, dann
ieht man, dass es eine gute Wirtschaftspolitik war, die
en Aufschwung ermöglicht hat. Wir haben letztes Jahr
esagt: Wir müssen den Kessel anheizen, damit die be-
ühmten drei Schneebälle verdaut werden können. Siehe
a, die drei Schneebälle zum 1. Januar dieses Jahres
erden verdaut, weil der Kessel heiß ist. Bald können
ie, Herr Brüderle, sogar darin baden, wenn Sie noch ein
isschen warten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Rainer Brüderle [FDP]: Ich dusche kalt!)


Nicht nur für die energetische Gebäudesanierung
anke ich der KfW sehr, sondern auch für die Eigenpro-






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Ludwig Stiegler
gramme der KfW, die eine sehr große Nachfrage indu-
ziert haben. Wir haben das Handwerk gefördert. Das
Handwerk ist mit unserem Programm hausieren gegan-
gen. Die Handwerker verzeichnen wieder Umsätze und
nehmen Einstellungen vor. Der Rückgang wurde ge-
stoppt. Wir haben dem Handwerk eine Renaissance er-
möglicht. Auch das war eine politische Entscheidung.
Da klatscht sogar Ernst Hinsken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Jawohl! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Das neue Duo! Stiegler und Hinsken!)


– Wenn es ums Handwerk geht, halten Niederbayern und
Oberpfälzer zusammen.

Ich erinnere an die Sonderabschreibung von Ausrüs-
tungsinvestitionen. Dieses Programm haben wir wäh-
rend der Koalitionsverhandlungen mit dem Verband
Deutscher Maschinen- und Anlagenbau besprochen. Wir
haben die Wirkungen vorausgesagt, und siehe da: Die
Ausrüstungsinvestitionen sind im letzten Jahr deutlich
gestiegen, und sie werden auch in diesem Jahr steigen,
weil das Programm am Ende dieses Jahres ausläuft. Man
wird in diesem Jahr investieren und nach der Unterneh-
mensteuerreform ernten können. Das hat 2006 Impulse
gegeben, und es wird auch 2007 Impulse geben.

Oder denken wir an die Infrastruktur, für die der
Haushaltsausschuss die Mittel erhöht hat. Der Bauminis-
ter hat die Städtebauförderung vorangetrieben. In Ost
wie in West ist im Stadtumbau einiges geschehen. Ich
danke unseren – das waren noch die rot-grünen –
Finanz- und Haushaltspolitikern, die die Gewerbesteuer
erhalten haben. Die Kommunen haben wieder Geld und
treten wieder als Investoren auf dem Markt auf. Auch
das ist eine späte politische Ernte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Schließlich danke ich den Touristen, die gerade bei der
Fußballweltmeisterschaft eine Menge zum Incoming-
Tourismus beigetragen und damit gezeigt haben, dass er
ein erheblicher Wachstumsträger ist.

Also: Es waren nicht die Helden der Wirtschaft. Da
gibt es sogar welche, die sich vom Aufschwung haben
überholen lassen. So muss das Handwerk beklagen, dass
keine Dämmstoffe mehr geliefert werden, weil die Pro-
duktion stockt. Es waren also nicht alle so helle und so
optimistisch. Manche waren eher in Brüderle’schem
Pessimismus verhangen. Das bremst zurzeit. Doch ins-
gesamt hat die Wirtschaft zusammen mit der Politik in
2006 eine gute Entwicklung geschafft, auf die wir ge-
meinsam stolz sein können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


1,5 Prozentpunkte des Wachstums sind politisch indu-
ziert. Nun ist der Aufschwung selbsttragend. Die In-
landsnachfrage hat fast alle Branchen und Unterneh-
mensgrößen erreicht. Der Außenbeitrag stimmt. Der
Arbeitsmarkt ist in Bewegung. Die Großen bauen zwar
ab, doch die Kleinen stellen ein. Also lasst uns – da

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(C (D chließe ich mich dem Wirtschaftsminister an – den kleien und mittleren Unternehmen danken und uns um ihre elange kümmern! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie Erwerbstätigenquote hat sich das Jahr über konti-
uierlich positiv entwickelt. Brüderle hat gestern gesagt:
as war der milde Winter. Sie haben dabei übersehen,
ass wir inzwischen ein Saisonkurzarbeitergeld für die
anzjährige Beschäftigung in der Bauwirtschaft haben.
as wirkt. Ich danke unseren Sozialpolitikern, die das
orbereitet haben, und ich danke auch denen in der
nion, die ihre Bedenken am Ende zurückgestellt haben,
ass wir dieses Saisonkurzarbeitergeld haben. Hoffent-
ich können wir es auf andere Branchen ausdehnen. Ich
anke vor allem dem Bundesarbeitsminister, dass er die-
es Vorhaben so durchgezogen hat. Auch das trägt zur
ontinuität der Beschäftigungsentwicklung bei.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben den Staatshaushalt unter Kontrolle ge-
racht. Was ist am Anfang des Jahres geunkt worden!
lles falsch: Wir halten die Maastrichtgrenze ein, und

uch die Inflation ist trotz steigender Energiepreise unter
ontrolle. Das muss man immer wieder betonen; da hat-

en wir schon andere Zeiten mit anderen Problemen.

Aber es gilt auch nach dem Schiller-Jahr:

Des Lebens ungemischte Freude
Ward keinem Irdischen zuteil.

er Schatten folgt dem Licht, hat Walter Giller einmal
esungen. Das Bruttoinlandsprodukt bzw. das National-
inkommen ist von der Entstehungsseite her okay. Es ist
on der Verwendungsseite her besser geworden: Der pri-
ate Verbrauch ist gestiegen. Aber die Verteilungsseite
es Bruttoinlandsprodukts ist nach wie vor ein Problem,
as uns nicht ruhen lassen kann. Das Volkseinkommen
st 2006 um 3,1 Prozent gestiegen; je Einwohner sogar
m 3,3 Prozent, weil die Bevölkerungszahl etwas gesun-
en ist. Aber die beiden Komponenten des Volksein-
ommens haben sich sehr unterschiedlich entwickelt.
as Arbeitnehmerentgelt mit 1 144 Milliarden Euro ist
ur um 1,3 Prozent gewachsen. Die Unternehmens- und
ermögenseinkommen mit 584 Milliarden Euro sind um
,9 Prozent gewachsen. Schaubild 21 im Jahreswirt-
chaftsbericht zeigt, wie die Schere an dieser Stelle aus-
inandergeht. Das kann uns nicht freuen, und das darf
ns auch nicht ruhen lassen.


(Beifall bei der SPD)


Alarmierend ist die Lohnquote. Sie ist von 67,4 Pro-
ent im Jahr 2005 auf 66,2 Prozent im Jahr 2006 herun-
ergegangen. Im Jahr 2000 waren es noch 72,2 Prozent.
ie Lohnquote ist also zu niedrig. Die Bruttolöhne sind
006 nur schwach um 1,4 Prozent gestiegen, die Netto-
öhne nur um 0,3 Prozent. Der durchschnittliche Brutto-
onatsverdienst ist nur um 0,7 Prozent gestiegen. Beim
ettoverdienst ist sogar ein Minus von 0,3 Prozent zu
erzeichnen. Allerdings wird sich die Lage 2007






(A) )



(B) )


Ludwig Stiegler
bessern, weil die Sozialversicherungsbeiträge per Saldo
unter 40 Prozent sinken.


(Lachen bei der FDP)


Aber auch diese Entwicklung darf uns nicht ruhen
lassen. Die Masseneinkommen stagnieren. Das hat auch
makroökonomische Folgen. In diesem Zusammenhang
sind folgende Zahlen sehr wichtig: Die monetären So-
zialleistungen betrugen 2005 – für 2006 liegen die Zah-
len noch nicht vollständig vor – 377,4 Milliarden Euro
gegenüber Nettolöhnen in Höhe von 601,4 Milliarden.
Dies entspricht einem Verhältnis von etwa 40 zu 60, und
das muss sich ändern. Das Volkseinkommen ist noch
nicht gerecht verteilt. Daran muss sich etwas ändern.
Wir brauchen mehr Beschäftigung und bessere Löhne.
Nur dann kommt es zu einem nachhaltigen Wachstum.
Das ist unsere Botschaft an die Tarifpartner.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir stellen aber fest, dass das Lohndumping zu-
nimmt. Immer mehr Menschen müssen mit Blick auf ih-
ren Lebensunterhalt ihr Einkommen zusätzlich aufsto-
cken. Deshalb müssen die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer in diesem Jahr mindestens durch Einmal-
zahlungen an den besseren Unternehmensergebnissen
beteiligt werden. Es gibt durchaus Argumente dafür,
dass das Lohnniveau im internationalen Wettbewerb
nicht auf Dauer steigen kann. In einem guten Wirt-
schaftsjahr muss aber die Beute gerecht geteilt werden.
Die Arbeitnehmer können nicht von einem guten Unter-
nehmensergebnis ausgeschlossen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: „Beute“ ist das richtige Wort!)


Wir müssen stärker gegen das Lohndumping vorge-
hen. Ich denke in diesem Zusammenhang an den lizen-
zierten Bereich der Post. Bei der Post selber sind über
38 000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Bei den Lizenz-
nehmern sind zwar etwa 30 000 Arbeitsplätze entstan-
den, 60 Prozent sind aber prekäre Arbeitsverhältnisse.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Wer ist denn dafür verantwortlich, wenn nicht die Regierung? Wer hat denn das gemacht?)


– Das hat nicht der Gesetzgeber gemacht. Wir können
aber etwas tun. Wir haben ein Postgesetz, und die Li-
zenznehmer müssen die allgemeinen Arbeitsbedingun-
gen beachten. Wir fordern die Bundesnetzagentur auf,
sich um die Löhne und Gehälter im lizenzierten Bereich
der Post zu kümmern. Wir wollten mit der Postreform
nicht erreichen, dass die Löhne sinken, sondern dass die
Leistungen verbessert werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb werden wir auch mit der Union weiter über das
Thema Mindestlohn reden.

Herr Brüderle, es geht nicht nur um den Friseur. Auch
den Flughafen München wird man nicht nach Krakau
oder irgendwo anders hin verlegen können. Deshalb
sehe ich nicht ein, dass die Leute oben in Glanz und

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(C (D limmer spazieren gehen, während die, die den Flughaen sauberhalten, bei Franz Müntefering anklopfen müsen, um ihren Lebensunterhalt verdienen zu können. So aben wir nicht gewettet. Wenn ich die Kanzlerin richtig verstehe, dann wollen ir keinen flächendeckenden Mindestlohn. Daraus höre ch als alter Hermeneutiker, dass über nichtflächendekende Branchenmindestlöhne diskutiert werden kann. s kann sein, dass ich mich irre, ber mit einer gewissen hermeneutischen Kreativität ann man das aus dieser Äußerung heraushören. Insoern sage ich mit Franz Beckenbauer: „Schaun mer al!“ Wenn der Franz schaut, dann kommt auch etwas abei heraus. Das gilt für beide Franze. Ich glaube, das önnen wir schon miteinander angehen. Meine Damen und Herren, ich habe nur noch einen etzten Punkt, denn die Zeit läuft davon. Wir müssen uns ieses Jahr auch darum kümmern, dass Finanzinvestoen kleine und mittlere Unternehmen nicht ausbeuten. ch habe wieder eine aktuelle Agenturmeldung auf dem isch: M2 Capital will ein Oldenburger Unternehmen, eWe Color, um 37 Millionen Euro erleichtern. Es geht icht um Leistungen. Sie tarnen es hier nicht einmal als eratungsleistung. Nein, sie wollen Beute machen und em Unternehmen das Geld nehmen, das es bräuchte, m sich von der analogen in die digitale Welt fortzuentickeln. Solchen Entwicklungen müssen wir einen Rieel vorschieben, meine Damen und Herren! Das kann icht der Sinn der Wirtschaft sein. Wir haben mit den Leitlinien 2007 einen guten Wegeiser. Der Staat erhält ein tragfähiges Fundament. Der ettbewerb und die Investitionsdynamik steigen, die issensgesellschaft wird vorangebracht, die Wohl tandsgrundlagen werden damit nachhaltig gesichert, nd die Beschäftigungspotenziale werden für die unter 5-Jährigen und die über 50-Jährigen gehoben. Herr Brüderle, lassen Sie sich für die Rede 2008 etas einfallen. Irgendwann geht der Pessimismus nicht ehr. Entscheiden Sie sich dann für Lob, Preis und ank. Das ist die richtige rhetorische Konzeption. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rainer Brüderle [FDP]: Halleluja!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Jörg van Essen [FDP]: Hoffentlich!)


(Beifall bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607900500

Es ist doch ein schöner Beleg für die Solidarität der

emokraten, dass die Vorbereitung von Reden jetzt
chon fraktionsübergreifend erfolgt.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist Solidarität!)


Eben drum.






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
Das Wort hat nun der Kollege Oskar Lafontaine für
die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607900600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Der Bundeswirtschaftsminister hat das zurücklie-
gende Jahr als ein sehr erfolgreiches Jahr bezeichnet.
Wenn man sich bestimmte Zahlen ansieht, kann man zu
diesem Urteil kommen. Aber wenn man die Frage stellt,
für wen war das ein erfolgreiches Jahr, kommt man viel-
leicht zu einem ganz anderen Urteil.

Deshalb stelle ich zunächst einmal für meine Fraktion
fest, dass es positiv ist, dass die Wirtschaft wächst. Wir
haben immer gesagt, dass dies die Voraussetzung dafür
ist, um die Situation in Deutschland zu verbessern. Die
Wirtschaft wächst. Wer sich nun die Federn dafür an den
Hut stecken kann, darüber mag dann gerichtet werden,
aber zunächst ist dies positiv.

Positiv ist selbstverständlich auch, dass damit Haus-
haltskonsolidierungseffekte verbunden sind. Das ist im
Interesse einer langfristigen, stetigen Finanzpolitik not-
wendig. Auch an dieser Stelle ist von unserer Seite
nichts zu kritisieren.

Zustimmen werden wir Ihnen auch, Herr Bundeswirt-
schaftsminister – falls Sie mir einmal Ihr Ohr leihen, es
geht immerhin um Ihren Jahreswirtschaftsbericht –,
wenn Sie sagen, Sie wollten auf die Kartellgesetzge-
bung zurückgreifen, wenn sich monopolartige Märkte
bilden. Ich hatte an dieser Stelle bereits ausgeführt, dass
für diese Denkart nicht in erster Linie Ludwig Erhard he-
rangezogen werden muss, sondern Walter Eucken, der
das sehr viel radikaler formuliert hat. Er sagte einmal: Es
geht nicht um die Kontrolle wirtschaftlicher Macht – das
ist die sozialdemokratische Position des Godesberger
Programms; lange her –, es geht um die Verhinderung
wirtschaftlicher Macht. Meine Damen und Herren, mit
dieser Position fände Eucken bei den meisten Parteien in
diesem Hohen Haus keinen Platz mehr.

Soweit zu den positiven Würdigungen des Jahreswirt-
schaftsberichtes. Nun komme ich zu dem, was ebenfalls
gesehen werden muss. Wenn die Wirtschaft wächst,
wenn der Wohlstand wächst, stellt sich nämlich die
Frage: Wo kommt das an? Und da ist das letzte Jahr eben
kein gutes Jahr gewesen. Was der Kollege Stiegler vor-
getragen hat, waren gute Absichtserklärungen, die den
Kern des Problems nicht trafen. Das letzte Jahr und auch
Ihre Projektion für dieses Jahr sind im Grunde genom-
men, wenn man Leistungen und Verteilung des Ein-
kommens ansieht, eine einzige bodenlose Unverschämt-
heit und Frechheit.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben im letzten Jahr den Zuwachs des Wirt-
schaftswachstums klar verteilt: Die Einkommen aus Un-
ternehmertätigkeit und Vermögen sind um 6,9 Prozent
gewachsen, das Arbeitnehmerentgelt ist um 1,3 Prozent
gewachsen, und wenn Sie die Preissteigerung dazu in

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(C (D elation setzen, die mit 1,7 Prozent angegeben wird, ist as eine einzige katastrophale Bilanz. Alles, was Sie hier mit großem Getue an großen Erolgen in der Wirtschaftspolitik vorlegen, geht an der roßen Mehrheit der Menschen vorbei. Die Dreistigkeit st darin begründet, dass das einfach so zur Kenntnis geommen wird, wenn auch – wie vorhin gehört – mit einien Ausführungen, die aber keine Relevanz haben, weil ichts unternommen wird, daran etwas zu verändern. Ich lese Ihnen einmal Ihre eigenen Zahlen vor: Die rbeitnehmerentgelte sind 2005 um 0,7 Prozent zu ückgegangen, während Unternehmensund Vermöenseinkommen ein Plus von 6,2 Prozent aufweisen. Im etzten Jahr wiesen die Arbeitnehmerentgelte ein Plus on 1,3 Prozent auf, während die Unternehmensund ermögenseinkommen um 6,9 Prozent stiegen. Nun saen Sie: Unsere Absicht ist, das in diesem Jahr fortzuseten. – Das ist der Skandal Ihrer Regierungspolitik. (Beifall bei der LINKEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist keine Absicht, sondern eine Prognose!)


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Kollege Stiegler, Sie irren sich: Das ist keine Pro-
nose, sondern eine Projektion, eine Absichtserklärung
er Bundesregierung. Sie geht davon aus, dass die Ar-
eitnehmerentgelte in diesem Jahr ein Plus von
,4 Prozent und die Einkommen aus Unternehmertätig-
eit und Vermögen ein Plus von 5,0 Prozent – das ist
ahrscheinlich noch niedrig angesetzt – aufweisen wer-
en.

Das Fazit lautet: In diesem Lande lohnt sich Leistung
icht.


(Beifall bei der LINKEN)


ür qualifizierte Arbeit wird bestraft, während der leis-
ungslose Besitz prämiiert und mit ständig steigenden
inkommen belohnt wird. Das ist die Bilanz Ihrer Wirt-
chaftspolitik. Sie tun nichts, um daran irgendetwas zu
erändern. Vielmehr setzen Sie die Umverteilungspoli-
ik der letzten Jahre fort. Vielleicht begreifen Sie das
icht. Auf der einen Seite wollen Sie eine Unternehmen-
teuerreform durchführen nach dem Motto: Die Unter-
ehmer haben noch nicht genug und müssen daher um
eitere 10 Milliarden Euro entlastet werden. Dadurch
ird die Verteilung noch ungleicher. Auf der anderen
eite machen Sie sogenannte Reformen, die zu Sozial-
ürzungen führen. Das ist die ganze Ratio Ihrer Politik.
ie bisherige Umverteilungspolitik wird in diesem Haus
hne Sinn und Verstand fortgesetzt.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist immerhin gut, dass hier noch niemand Jubel-
rien gesungen hat, weil es nur noch 4,247 Millionen
rbeitslose gibt. Es ist positiv, dass sich der Wirtschafts-
inister – er ist noch immer in ein angenehmes Ge-

präch vertieft – dies verkniffen hat. Aber es reicht nicht,
ass ein Redner der SPD die schiefe Verteilung beklagt.
ielmehr muss darüber nachgedacht werden, was diese

chiefe Verteilung verursacht. Das Problem ist, dass die






(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
große Mehrheit der Menschen weiß: Wenn Sie das Wort
„Reform“ in den Mund nehmen, meinen Sie ausschließ-
lich Sozialabbau. Die Menschen werden dadurch zuneh-
mend verunsichert und fürchten sich vor Reformen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte Reformen nennen, die aus unserer Sicht
notwendig sind und nicht zu weiteren Sozialkürzungen
führen. Eine sinnvolle Reform wäre die Einführung ei-
nes gesetzlichen Mindestlohns. Es nutzt nichts, ständig
das Lohndumping zu beklagen, wenn man nichts unter-
nimmt, um die brutale Ausbeutung, die mittlerweile in
Deutschland stattfindet, zu unterbinden.


(Beifall bei der LINKEN)


Kürzlich ist durch die Presse gegangen, dass ein Hotel in
Hamburg eine Reinigungskraft für 1,92 Euro pro Stunde
beschäftigt hat. Das ist doch ein gesellschaftlicher Skan-
dal.


(Beifall bei der LINKEN)


Warum sitzt die Mehrheit dieses Hauses hier tatenlos he-
rum und unternimmt nichts dagegen? Warum sind wir
nach wie vor so anmaßend, zu glauben, dass wir alles
besser wüssten als unsere europäischen Nachbarn?
Wenn in vielen europäischen Staaten das Lohndumping
durch Mindestlöhne bekämpft wird, wenn in unseren
Nachbarstaaten Belgien, den Niederlanden, Frankreich
und Großbritannien – ich könnte noch mehr Länder nen-
nen – Mindestlöhne von 8 Euro pro Stunde gelten, dann
ist es höchste Zeit, entsprechende Reformen in Deutsch-
land durchzuführen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zur Verteilungspolitik. Herr Kollege
Stiegler, Sie werden Ihr Händchen noch heben, wenn es
um die Zustimmung zur Unternehmensteuersenkung
geht. Nach all den vielen Milliardengeschenken, die in
den letzten Jahren gemacht wurden, frage ich Sie: Wo
bleiben denn die Arbeitnehmer? Sie haben doch Ihr
Händchen gehoben, als es um die Zustimmung zur
Mehrwertsteuererhöhung ging, die die Kaufkraft der
großen Mehrheit des Volkes schwächt. Ihre Ausführun-
gen hier sind doch total unglaubwürdig. Wenn Sie die
ungerechte Verteilung beklagen, dann tun Sie doch end-
lich etwas!


(Beifall bei der LINKEN)


Statt der Mehrwertsteuererhöhung wäre eine Reform
notwendig gewesen. Beispielsweise bräuchten wir in
Deutschland eine ähnliche Vermögensbesteuerung wie
in anderen großen Industriestaaten. Hätten wir eine Ver-
mögensbesteuerung wie Frankreich oder die USA, dann
läge der Anteil des Aufkommens aus der Vermögen-
steuer am Bruttosozialprodukt bei über 3 Prozent. Das
entspräche einem Plus von 50 Milliarden Euro. Hätten
wir eine Vermögensbesteuerung wie Großbritannien,
dann hätten wir ein Plus von 70 Milliarden Euro. Allein
daran kann man erkennen, dass Ihre vielen Sozialabbau-
programme ein einziger Betrug waren. Sie sind doch die
Ursache dafür, dass sich die Verteilung in Deutschland
völlig falsch entwickelt hat.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Das ist Unsinn!)


Sie bieten der Bevölkerung nur Sprechblasen an. Bei-
pielsweise hat Herr Rüttgers eine längere Bezugsdauer
eim Arbeitslosengeld I für Ältere gefordert. Dazu wird
esagt: Das können wir eigentlich nicht bezahlen, allen-
alls dann, wenn die Jüngeren weniger bekommen; das
acht 1,8 Milliarden Euro. Wie unglaubwürdig ist eine

olche Politik! Allein eine ordentliche Vermögensbe-
teuerung würde Sie spielend in die Lage versetzen, alle
ozialen Ferkeleien in den letzten Jahren zurückzuneh-
en. So einfach ist das, wenn man bereit ist, die Pro-

entrechnung anzuwenden.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt komme ich zur Lohnpolitik. Da zeigt sich eine
eispiellose Inkonsequenz. Der immer noch sehr
chwatzhafte Bundeswirtschaftsminister hat vor einiger
eit gesagt, er sei dafür, dass die Löhne steigen. Im Jah-

eswirtschaftsbericht steht jetzt das Gegenteil. Auch die
anzlerin hat einmal gesagt, sie sei dafür, dass die
öhne steigen. Jetzt steht im Jahreswirtschaftsbericht
ieder das Gegenteil. Sie wollen nicht nur in Deutsch-

and das Lohndumping fortsetzen, sondern Sie wollen
ieses sogar der Europäischen Union verordnen. Es steht
ort nämlich – richtig brav von dem neoliberalen Beam-
en in der Wirtschaftsabteilung aufgeschrieben; wahr-
cheinlich haben Sie das nicht gelesen, deswegen lese
ch es vor –:

Für die Tarifvertragsparteien in allen EU-Mitglied-
staaten gilt es, ihre Lohnpolitik so auszurichten,
dass sie vorrangig zur Stabilität des Preisniveaus
sowie zu mehr Beschäftigung beiträgt.

as heißt also, wir müssen uns mehr zurückhalten, damit
ehr Beschäftigung aufgebaut wird. Das ist der Irrtum

es Neoliberalismus. Wenn alle europäischen Staaten ein
olches Lohndumping wie Deutschland betreiben wür-
en, dann hätten wir eine noch viel schwächere Binnen-
onjunktur, als wir sie ohnehin haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich fasse zusammen: Es wird auf Dauer nicht gelin-
en, einen sich selbst tragenden, nachhaltigen Auf-
chwung in Deutschland ohne eine starke Binnenkon-
unktur zu erreichen. Es wird auf Dauer nicht gelingen,
ie Verteilung in Deutschland zu ändern, wenn man
icht entsprechende Gesetze auf den Weg bringt. Daher
agen wir: Es ist positiv, dass die Wirtschaft wächst, es
st aber ein Skandal, dass das Wachstum der Wirtschaft
ur einer Minderheit unseres Volkes zugutekommt.


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607900700

Der Kollege Fritz Kuhn ist der nächste Redner für die

raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607900800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
eine Fraktion freut sich, wenn die Arbeitslosigkeit ab-

ebaut wird. Wir haben gute Daten, und daran wollen






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
wir nicht herumkritteln. Dass die Dividende von Refor-
men der vergangenen Regierung von dieser Bundesre-
gierung eingestrichen wird, nehmen wir als Schicksal
hin. Es kann auch einmal anders gehen. Dazu haben wir
ein gelassenes Verhältnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dennoch waren in Ihren Ausführungen, Herr Glos,
Elemente von Schönrednerei, die ich nicht durchgehen
lassen will. Sie haben – im Kontrast zur Diskussion über
die Mehrwertsteuererhöhung des letzten Jahres – gesagt,
das sei gar nicht so schlimm und der Aufschwung habe
nur eine kleine Delle. Aber der Binnenmarkt bietet An-
lass zur Sorge. Das Wachstum des Binnenmarkts wird
von 0,6 Prozent im vergangenen Jahr auf 0,3 Prozent in
diesem Jahr zurückgehen. Die Inflation ist höher als der
Einkommenszuwachs der normalen Beschäftigten. Das
heißt, dass dieser Aufschwung in erster Linie ein Export-
und Investitionsgüteraufschwung ist, aber keiner des
Binnenmarktes –


(Michael Glos [CDU/CSU]: Noch nicht!)


Herr Stiegler, Sie könnten sich auch einmal einen neuen
roten Pullover kaufen –,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ludwig Stiegler [SPD]: Ich tue das regelmäßig für die Konjunktur!)


ist ein klares Faktum. Darüber sollte man sich jedenfalls
als Wirtschaftsminister Sorgen machen.

Herr Glos, aus der heutigen Lage würde folgen – Herr
Brüderle hat das angesprochen –, dass man in der Phase
des Aufschwungs die notwendigen Reformen durch-
führt, die anstehen, weil Reformen leichter im Auf-
schwung als im Abschwung zu machen sind. Das haben
wir in den vergangenen Jahren gesehen. Daran müssen
sich der Jahreswirtschaftsbericht und die Politik, die Sie
gegenwärtig betreiben, messen lassen.

Übrigens, manche Ziele haben Sie nicht erreicht. Sie
haben nicht erreicht, die Lohnnebenkosten unter
40 Prozent zu drücken.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Wir sind darunter!)


Herr Glos ist ein Rechenwitzbold. Er kommt auf die
Zahl von 39,7 Prozent, weil er den Beitrag für die Kran-
kenversicherung in Höhe von 0,9 Prozent, der 2004 be-
schlossen wurde und den die Arbeitnehmer allein bezah-
len, einfach herausgerechnet hat. Dann können Sie
gleich den Arbeitnehmeranteil herausrechnen; dann
kommen Sie auf 20,3 Prozent und haben einen Riesener-
folg erzielt. Ich glaube, das Parlament lässt sich nicht für
blöde verkaufen und nicht von Ihren Taschenspieler-
tricks, Herr Glos, täuschen. Sie haben bislang das Ziel
verfehlt, unter 40 Prozent zu kommen, weil die Lohnne-
benkosten wegen der Erhöhung der Beiträge zur Renten-
versicherung und zur Krankenversicherung steigen. Das
ist niemandem verborgen geblieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Kommen wir jetzt zu den Reformen. Morgen reden ir über die Gesundheitsreform, die nicht nur von meier Fraktion, sondern auch von allen Sachverständigen ls Murks bezeichnet wird, weil sie keines der Probleme nseres Gesundheitssystems wirklich löst. Sie bringt icht mehr Wettbewerb und nicht mehr Qualität, sondern ine chronische Unterfinanzierung des Systems, die von en Menschen entweder über Beiträge oder mit der kleien Kopfpauschale zu bezahlen ist. Hier haben Sie den eformspielraum, der vorhanden ist, nicht genutzt. Bei einem anderen Thema, nämlich der Arbeitsarktpolitik, droht uns, dass der nächste Murks ange ügt wird. Wenn Sie auf die Idee kommen, Mindestlöhne it einem flächendeckenden Kombilohnansatz zu kom inieren, dann verbinden Sie etwas, was nicht zusamenpasst, und erreichen mit viel Geld, dass im Arbeitsarkt überhaupt nichts passiert. Wir wissen, dass wir eute im Sozialgesetzbuch II und III genügend Modelle nd Einzelpunkte haben, mit denen man für Menschen, ie aufgrund spezifischer Probleme dauerarbeitslos sind, o etwas wie einen Kombilohn generieren kann. Mahen Sie das aber flächendeckend, dann haben Sie rieige Mitnahmeeffekte und werden mit dem Kombilohn ichts erreichen. Deswegen appellieren wir an Sie: Kommen Sie zu eier undogmatischen Betrachtungsweise dessen, was am rbeitsmarkt notwendig ist. Ich möchte drei Dinge nenen, die notwendig sind. Erstens: gezielteres Fördern der Dauerarbeitslosen. a stehen wir immer noch auf der Bremse. Zweitens: ein möglichst branchenspezifischer Minestlohn für Problemgruppen am Arbeitsmarkt. Ich will hnen eine Problemgruppe nennen, die für mich im Vorergrund steht – das kann man nach unterschiedlichen ethoden beurteilen –: Die Zeitarbeit und Leiharbeit st eine Branche, die sich in unserer Wirtschaft zunehend zu einem Lohndumpingbereich entwickelt. Zum eil werden normale Belegschaften entlassen, weil man eiß, man bekommt stattdessen Zeitarbeiter mit gerineren Einkommen, die die gleiche Arbeit tun. Deswegen st das ein Bereich, in dem Sie den Mindestlohn einfühen können, ohne dass er die Schwarzarbeit verstärkt und hne dass es irgendeinen wirtschaftlichen Schaden für ie Beschäftigung bringt. Im dritten Bereich, Herr Glos, tun Sie gar nichts – und err Müntefering auch nicht –: Das ist die effektive Beämpfung der Schwarzarbeit. Wir müssen im unteren ereich die Lohnnebenkosten senken; denn wir haben echnerisch 5 Millionen Vollerwerbsarbeitsplätze in der chwarzarbeit. Diese befinden sich nicht wegen der hoen Löhne in der Schwarzarbeit, sondern weil in diesem ereich die hohen Lohnzusatzkosten besonders durch chlagen. Wenn eine Handwerkerstunde in Berlin 0 Euro kostet, die Sie netto verdient haben müssen, um ie legal zu finanzieren, dann wissen Sie, warum wir mit en derzeitigen Strukturen systematisch Erwerbsarbeitslätze in die Schwarzarbeit drängen. An diesen Stellen, err Glos, müssen Sie einsteigen. Fritz Kuhn Ich nenne hier noch den Punkt Unternehmensteuerreform. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum man in der jetzigen Situation, auch international, die Unternehmensteuerreform – bei der es richtig ist, die Sätze zu senken – so machen müsste, dass man die Unternehmen um 8 Milliarden Euro netto entlastet. (Ludwig Stiegler [SPD]: Im Jahreswirtschaftsbericht steht: 5 Milliarden!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


Das nehmen die Unternehmen mit und sagen kurz Danke
schön, wenn sie bei Ihnen vorbeikommen; aber zusätzli-
che Investitionen können wir damit nicht generieren.
Dieses Geld würden wir dringend für Forschung, Bil-
dung und Ausbildung in Deutschland brauchen. Da zie-
hen Sie es ab. Das wird sich in Zukunft meines Erach-
tens rächen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Unsere These heißt: Sie nutzen die Chancen dieses
Aufschwungs für die notwendigen Reformen in
Deutschland nicht. Das hat einen systematischen Grund,
und zwar den, dass Sie bei jeder Strukturreform in dieser
Großen Koalition keine gemeinsame Richtung definie-
ren. Vielmehr wollen die einen immer dieses und die an-
deren immer jenes; wenn es einigermaßen gut geht, dann
murksen sie das zusammen, und dabei kommt nichts
Halbes und nichts Ganzes heraus. Das sagen mir die
Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und die
Genossinnen und Genossen sagen es im privaten Ge-
spräch auch.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Bei Rot-Grün war es auch nicht viel besser!)


Es ist also klar, dass die Zusammenarbeit, die zwischen
ihnen stattfindet, hier vielleicht atmosphärisch nett sein
mag, aber eine Reformrichtung bringt sie der Bundesre-
publik Deutschland nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Glos, Ihre Wirtschaftspolitik, die Sie in der Ko-
alition verantworten, ist ordnungspolitisch diffus.
Manchmal finde ich übrigens, dass Sie als Wirtschafts-
minister völlig den richtigen Punkt treffen, zum Beispiel
wenn es bei der Frage der Energieerzeuger darum geht,
den Betrieb der Netze und das Einspeisen in die Netze zu
trennen, wie es die EU ja vorgeschlagen hat. Da sind Sie
auf der richtigen Seite. Aber Sie können in dieser Regie-
rung auf eines immer wetten: Einer zieht immer konse-
quent in die andere Richtung, in diesem Fall Herr
Steinmeier oder die SPD, weil sie an den großen Ener-
gieerzeugern sehr hängt.

Ordnungspolitische Klarheit erwächst daraus nicht.
Es wäre für die Entwicklung der sozialen Marktwirt-
schaft in Deutschland wichtig und richtig, dass wieder
einmal jemand sagt: Wir wollen wirklichen Wettbe-
werb. Im Hinblick auf natürliche Monopole heißt dies
– das gilt übrigens auch für die Bahn –, Herr Glos, dass
es nicht gut ist, wenn einer über die Infrastruktur verfügt
und dadurch indirekt regeln kann, zu welchen Bedingun-
gen die Wettbewerber diese Infrastruktur nutzen können.
Da wünsche ich Ihnen mehr ordnungspolitische Klar-
heit. Sie können es sich sparen, immer wieder Erhard,

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(C (D ucken oder wen auch immer zu zitieren, wenn Sie in er Ordnungspolitik so schwanken, wie es diese Große oalition tut. Beim Thema Innovation sind Sie völlig schwach, err Glos. Die Autodiskussion, die Sie in den letzten wei Wochen veranstaltet haben, ist ein Beleg dafür. Das ill ich Ihnen ausführlich erläutern. Übrigens, die EU at nicht das gesagt, wovon Sie behauptet haben, sie abe es gesagt. mweltkommissar Dimas hat gesagt: Wir wollen, dass ie Flotte der europäischen Pkw bis 2012 einen durchchnittlichen CO2-Ausstoß von 120 Gramm hat. Die eutsche und die europäische Automobilindustrie haben m Rahmen der freiwilligen Selbstverpflichtung im Hinlick auf 2008 und 2012 von 140 Gramm gesprochen. imas hat weder gesagt, es müsse nationenscharf ge chehen, noch gesagt, es müsse herstellerscharf gescheen. Das haben Sie mit der Vorstellung hypostasiert, wir üssten einen vielleicht drohenden Angriff abwehren. och von einem solchen Angriff war seitens der EU gar icht die Rede. Selbstverständlich muss man auf der EUbene über das 120-Gramm-Ziel verhandeln und die rage stellen, welche Fahrzeugklasse welchen Beitrag ur Erreichung dieses Ziels leisten kann. Es hätte einen infachen Weg gegeben. Klar ist doch: Diejenigen, die eute sehr viel verbrauchen, müssten einen größeren eitrag leisten als diejenigen, die sehr wenig verbrauhen. Die deutsche Autodiskussion hat eine gute Tradiion. Herr Glos, 1984 wurde der Katalysator eingeführt. (Michael Glos [CDU/CSU]: Das war ein CSUKollege!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Michael Glos [CDU/CSU]: Doch!)


amals wurde wortwörtlich derselbe Mist gesagt, den
ie jetzt erzählen. Damals hat es geheißen: 100 000 Ar-
eitsplätze gehen verloren, wenn beschlossen wird, dass
er Katalysator verpflichtend ist; denn die Japaner haben
inen günstigeren Katalysator. Man hat damals mit ge-
au der gleichen Argumentation versucht, den techni-
chen Fortschritt auszubremsen. Beim Dieselrußfilter
ar es nicht viel anders.

Ich will auf Folgendes hinaus, Herr Glos: Wenn Sie
ach dem Versagen der freiwilligen Selbstverpflichtung
uf dem Gebiet der Innovationspolitik keine klare ord-
ungspolitische Vorgabe machen, dann schaden Sie der
eutschen Automobilindustrie, und zwar deswegen, weil
ie nicht gezwungen wird, die fortschrittliche Technik
erzustellen, die die Weltmärkte brauchen.

Schauen Sie doch nach Kalifornien! Schauen Sie
och in die Länder, die Autos importieren! Sie alle spü-
en und sagen inzwischen: Nur die fortschrittlichste
raftfahrzeugtechnik mit den sparsamsten Motoren ist
och exportfähig. Wenn Sie auf die Bremse treten, dann
achen Sie diesen Export kaputt. Natürlich kann man

uch mit einem anderen Reifendruck und Ähnlichem et-
as erreichen; aber die Zukunft des Autolandes
eutschland – das ist mittlerweile die Botschaft – kann






(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
nur gewährleistet werden, wenn wir die unter ökologi-
schen Gesichtspunkten besten Fahrzeuge auf den Markt
bringen. Dabei agieren Sie, Herr Verheugen und wie sie
alle heißen als Bremser der technischen Entwicklung.
Was Innovationen angeht, gilt für diese Bundesregie-
rung: Fehlanzeige!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben zum Thema Korruptionsbekämpfung
nichts gesagt. Wenn wir die Korruptionsbekämpfung in
Deutschland nicht ernst nehmen, wenn wir keine andere
Kultur der Aufsicht über die großen deutschen Aktienge-
sellschaften bekommen, dann werden wir wirtschaftli-
chen Schaden erleiden. Die Themen „Wechsel vom
Vorstand in den Aufsichtsrat“, „Zahl der Aufsichtsrats-
mandate, die jemand haben darf“ und „Korruptionsregis-
ter“ gehören unbedingt auf die Tagesordnung, wenn wir
unsere Exportchancen und die Chance, dass deutsche
Unternehmen an den Börsen gut notiert sind, bewahren
wollen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607900900

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Glos?


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607901000

Ja, bitte, Herr Glos.


Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1607901100

Herr Kuhn, es hat leider ein bisschen gedauert, bis ich

durchgedrungen bin.

Sie wissen über 1984 so gut Bescheid. Daher möchte
ich Sie fragen, ob Sie wissen, wer damals der zuständige
Minister war, der den Katalysator durchgesetzt hat, und
welcher Partei er angehörte.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607901200

Ich will auf etwas anderes hinaus, Herr Glos.


(Lachen bei der CDU/CSU)


– Ja, ja. – Mit Ihrer Frage versuchen Sie, davon abzulen-
ken.

Die deutsche Diskussion über das Auto findet immer
nach folgendem Motto statt: Bei technischen Verände-
rungen besteht die Gefahr, dass wir eine große Zahl von
Arbeitsplätzen verlieren. Das hat in den letzten
20 Jahren immer nach dem gleichen Mechanismus funk-
tioniert, übrigens auch beim bleifreien Benzin.

Ich möchte auf einen weiteren Punkt hinweisen: Die
Diskussion, die wir heute führen, wurde fast wortgleich
bereits im Jahre 1984 geführt.


(Jörg van Essen [FDP]: Wie war der Name des Ministers?)


Ich hätte mir vom heutigen Wirtschaftsminister ge-
wünscht, dass er die Bedeutung von Klimaschutz und
Klimapolitik verstanden hat und sagt: Leute, lasst uns
nicht über das Ob einer neuen Fahrzeugtechnik streiten,
sondern nur über das Wie.

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(C (D (Jörg van Essen [FDP]: Wie ist der Name des Ministers?)


asst uns in Brüssel Verhandlungen darüber führen, wie
an dieses Vorhaben am besten umsetzen kann. – Aber
ie, Herr Glos, sind einen anderen Weg gegangen. Sie
aben sich an die „Bild“-Zeitung, die „Bild am Sonntag“
nd andere Medien gewandt. Sie haben sich wahrschein-
ich gedacht: Autofahrer gibt es ziemlich viele; also wie-
erhole ich die alte Leier und tue so, als könne man den
ahrzeugfortschritt unterbinden.


(Jörg van Essen [FDP]: Wie ist der Name des Ministers?)


Jetzt will ich meine Rede fortsetzen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Die Frage ist nicht beantwortet! – Jörg van Essen [FDP]: Wie ist der Name des Ministers? – Michael Glos [CDU/CSU]: Noch eine ganz kurze Zusatzfrage, bitte!)


Ja.


Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1607901300

Herr Kollege Kuhn, sind Sie bereit, von mir die Ant-

ort auf meine Frage entgegenzunehmen?


(Heiterkeit)


ch meinte den damaligen Innenminister, der zugleich
uch Umweltminister war: Dr. Fritz Zimmermann von
er CSU.


Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607901400

Ich bin von dieser Information überwältigt und danke

hnen herzlich, Herr Glos.


(Heiterkeit)


Nun will ich ernsthaft auf das zu sprechen kommen,
as schiefläuft. Frau Merkel, ich kann nicht nachvollzie-
en, warum Sie die Diskussion über die europäisch-ame-
ikanische Freihandelszone bzw. über den Binnenmarkt
ngefangen haben. Zunächst war von einer Freihandels-
one die Rede. Dann haben Sie gemerkt, dass das in die
alsche Richtung geht. Diese Diskussion führt wirklich
n die Irre. Dass diese Debatte geführt wird, ist auch in
en USA nicht besonders gut angekommen.

Sie müssen Folgendes tun: dafür sorgen, dass im Rah-
en der WTO endlich die Doharunde abgeschlossen
ird. Sie dürfen nicht sagen: Das machen wir vielleicht.
ie müssen ein klares Bekenntnis abgeben, dass die viel
u hohen Agrarsubventionen in Europa und in den
SA systematisch abgebaut werden müssen. Denn sie

ind das Haupthindernis, das dazu geführt hat, dass wir
n der Doharunde nicht weitergekommen sind. Herr
los, übrigens wäre es in ordnungs- bzw. wirtschaftspo-

itischer Hinsicht wichtig, auch darauf hinzuweisen, dass
s im Agrarsektor Unmengen von falschen Subventio-
en gibt. Dabei handelt es sich um Geld, das wir auch
ulasten der Entwicklung der armen Länder ausgeben.
as sollten wir nicht tun.


(Frank Schäffler [FDP]: Wir wollten etwas ändern! Aber das haben Sie damals verhindert!)







(A) )



(B) )


Fritz Kuhn
Mein nächster Punkt ist ein Thema, das bei Ihnen,
Herr Glos, nie eine Rolle spielt. Deswegen will ich es
zum Schluss meiner Rede ansprechen. Bei einem inter-
nationalen Vergleich, was in den Ländern, die stärker
wachsen als wir, die Wachstumsmotoren sind, sagen Ih-
nen die Experten: Eine entscheidende Weichenstellung
für Wachstum ist, wie hoch in einem Land die Erwerbs-
arbeitsquote der Frauen ist. Hier stehen wir nach wie
vor schlecht da. In Deutschland beiträgt sie gegenwärtig
60 Prozent, in Norwegen und Dänemark allerdings
72 Prozent. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die
Frage, wie viele Frauen arbeiten, ein Wachstumstreiber
ist, und Sie müssen aus gesellschaftspolitischem und
steuerpolitischem Blickwinkel fragen, wo Hindernisse
bestehen.

In Deutschland gibt es zwei Hindernisse: erstens das
Ehegattensplitting, durch das die nicht arbeitenden
Frauen steuerlich zu stark begünstigt werden, sodass es
als Bremse wirkt, am Erwerbsarbeitsmarkt aufzutreten,
und zweitens die noch immer schlechte Kinderbetreu-
ungssituation, vor allem für Kinder unter drei Jahren.
Hier müsste ein Wirtschaftsminister, der verstanden hat,
wodurch Wachstumsimpulse gesetzt werden können,
ebenso ansetzen wie bei den Investitionen. Nach meiner
Überzeugung haben Sie das nicht bzw. zu wenig getan.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte zum Schluss kommen. Herr Glos, auf der
Optimismusschiene fahren wir gerne mit. Dennoch for-
dern wir Sie auf, im nächsten Jahr eine konsequente Re-
formpolitik zu betreiben, durch die die Situation der
Wirtschaft, der Beschäftigten und auch der Verbraucher,
des dritten Marktteilnehmers, verbessert wird. Sie müs-
sen einschneidende Reformen auf den Weg bringen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das hat er doch in seiner Rede gesagt!)


Dann würden Sie unserem Land etwas Gutes tun. Wir
werden Sie auf diesem Weg kritisch begleiten und unter-
stützen. Aber in die Suppe des Aufschwungs zu spucken,
ist nicht unser Ding.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607901500

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Meister

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Michael Meister (CDU):
Rede ID: ID1607901600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Jeder, der in diesem Haus und in Deutschland
auf einen fortgesetzten Aufschwung setzt, kann den
Bundeswirtschaftsminister nur beglückwünschen. Die
wirtschaftspolitische Strategie des vergangenen Jahres
zeigt Erfolge. Wer sich die erste Runde der Debatte
heute Morgen hier angehört hat, der konnte feststellen,
dass es bei aller Kritik keine schlüssige Alternative zur
Strategie der Bundesregierung gibt.

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(C (D Der Erfolg hat offenkundig viele Väter; das haben wir eute Morgen gehört. Ich möchte ausdrücklich bestätien, dass auch ich das so sehe. Die Arbeitnehmer haben ich in den vergangenen Jahren eingebracht, indem sie ich zum Beispiel bei den Lohnforderungen zurückgeommen haben. Die Unternehmer entscheiden sich ieder mutig für Investitionen in diesem Land und traen damit zum Aufschwung bei. Aber auch die Politik at vor einem Jahr in Genshagen auf der Basis Sanieren, nvestieren, Reformieren einen Grundstein gelegt, woit sie wieder Vertrauen und Verlässlichkeit für die Ar eitnehmer und die Unternehmer in diesem Land gechaffen hat. Deshalb sind alle drei – Arbeitnehmer, nternehmer und Politik – für dieses Erfolgsergebnis es Jahres 2006 verantwortlich. Ich rate uns dringend dazu, dass wir diese Gemeinamkeit weiterführen, wenn wir in Deutschland weiterin Erfolg haben wollen, und uns nach dem ersten Jahr etzt nicht darüber streiten, wer den größten Anteil an em Erfolg hat, sondern darauf setzen, dass die Gemeinamkeit erhalten bleibt, sodass wir an dieser Stelle auch n der Zukunft gemeinsam Erfolg haben. Die Zahlen sprechen für sich: 2,5 Prozent Wachstum wer das hier vor einem Jahr bei der Debatte angekünigt hätte, wäre mehr als belächelt worden – und ein ückgang der Arbeitslosenzahl um eine dreiviertel illion binnen eines Jahres; wer das hier angekündigt ätte, wäre ausgelacht worden. Dies haben wir erreicht. ach den realistischen Prognosen für das laufende Jahr ird das Wachstum beibehalten und die Arbeitslosen ahl um eine halbe Million weiter zurückgehen. Diese ortschritte in unserem Land sollten wir nicht kleinreen. Ich glaube, einen wichtigen Anteil daran hat die roße Koalition, indem sie einen Stimmungsum chwung geschaffen, neues Vertrauen geweckt und urch eine klare wirtschaftspolitische Strategie Handungsfähigkeit bewiesen hat. Es gibt hier und da natürlich Berufskritiker – das haen wir heute Morgen auch gehört –, die grundsätzlich ür Kritik bezahlt werden. Das ist in Ordnung, das müsen wir akzeptieren. Ich glaube aber, wenn wir uns das erhalten der Wirtschaftssubjekte anschauen, derjenien, die wirklich Wirtschaft betreiben, dann wird klar, ass sie eine andere Sprache sprechen. Die Binnenkonunktur ist zum zweiten Standbein des Aufschwungs eworden. Wir müssen uns klarmachen, dass wir inneralb von zwei Jahren über eine Million mehr Beschäfigte in Deutschland haben werden. Das bedeutet, dass ehr Menschen Einkommen haben werden, das auch ieder ausgegeben wird, was zum Binnenwachstum eiter beitragen wird. Über die Mehrbeschäftigung tärken wir die Binnenkonjunktur in Deutschland. Der nsatz, den wir verfolgen, ist also richtig. Wenn wir uns den Ifo-Geschäftsklima-Index anchauen, dann stellen wir fest, dass sich die Geschäftserartungen vier Monate hintereinander verbessert haben. uch das zeigt, dass das Vertrauen in die Politik ge Dr. Michael Meister wachsen ist. Die Investitionsnachfrage ist ebenfalls gestiegen. Die Unternehmen investieren doch nur, wenn sie wissen, dass sich das in Zukunft rentieren wird. Das zeigt auch, dass Vertrauen in die Politik und in die Rahmenbedingungen vorhanden ist. Wir brauchen jetzt keine Politik der ruhigen Hand, sondern ein entschlossenes Umsetzen der Reformen, die wir uns vorgenommen haben. Ich glaube, deshalb ist es wichtig, dass wir uns jetzt nicht ausruhen; denn das Ausruhen nach dem Jahr 2000 hat dazu geführt, dass die Arbeitslosenzahl plötzlich massiv angestiegen ist, dass das Wachstum abgerutscht ist und dass wir massive Probleme mit unseren Staatshaushalten bekamen. Deshalb müssen wir eine andere Strategie fahren. Es ist mehrfach gesagt worden – ich bestätige das aus Sicht der Union auch –: bei Sonnenschein auf die Reformbaustelle. Herr Brüderle, Sie müssen sich aber entscheiden. Sie haben erst gesagt, dass man bei Sonnenschein auf die Baustelle muss, und dann haben Sie gesagt, dass es noch regnet. Nein, im Hinblick auf die Konjunktur scheint die Sonne momentan. Deshalb gehen wir auf die Baustelle. Sie können sich gerne weiter zu Hause vor dem Regen schützen. Dagegen haben wir nichts. Ich möchte hier ausdrücklich auch einmal darauf hinweisen: An erster Stelle darf nicht die Frage stehen, wie wir den Mangel besser verteilen, sondern wir müssen über die Frage reden, wie wir den Mangel am besten reduzieren. Hier unterscheiden wir uns von einigen in diesem Haus, die den Mangel gerecht verteilen wollen. Nein, wir wollen dafür sorgen, dass die Mangelerscheinungen in unserem Lande verschwinden. Daran arbeiten wir. Der Kollege Stiegler hat darauf hingewiesen, dass wir in 2006 eine Menge getan haben. Die verschiedenen Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Konjunktur angesprungen ist und gut läuft. In diesem Bereich haben wir sehr viel auf den Weg gebracht, und es hat Wirkung gezeigt. Was wir neben einem guten Lauf der Konjunktur in unserem Land jetzt brauchen, ist eine vernünftige Strukturveränderung, damit das Ganze nachhaltig tragfähig wird und das Potenzialwachstum in Deutschland steigt. Deshalb ist es richtig, dass wir uns jetzt zum Beispiel des Arbeitsmarktes annehmen. Ich will an dieser Stelle die Diskussion einmal vom Kopf auf die Füße stellen. Es wird immer wieder behauptet, das Ganze sei zunächst einmal eine Einkommensbzw. Lohnfrage. Für mich hat erste Priorität nach wie vor die Frage: Wie viel Beschäftigung haben wir im Land, und was können wir dafür tun, dass wir zu mehr Beschäftigung kommen? Wenn wir mehr Arbeit haben, haben wir mehr Wohlstand, und über mehr Wohlstand können wir auch mehr soziale Sicherheit finanzieren. Es darf nicht umgekehrt die Frage diskutiert werden: Wie greifen wir möglichst stark in den Arbeitsmarkt ein, um ihn zu behindern und damit in die Situation zu kommen, dass es weniger Ar b g s s u l m s ü Z A w d t w m s n J e e P g a V e s n w a m H g m b m f I P h f a b P (C (D eit, weniger Einkommen und damit weniger Wohlstand ibt? Also muss diese Debatte vom Kopf auf die Füße getellt werden. Es geht nicht darum, den Arbeitsmarkt zu tören, sondern darum, ihn funktionsfähiger zu machen nd damit zu mehr Wohlstand der Menschen in Deutschand beizutragen. Wenn wir über Strukturreformen reden, muss ich einal festhalten: Wir haben in diesen Tagen eine Weichen tellung vorgenommen, die in ihrer Dimension nicht zu bertreffen ist. Das ist die Einigung in der Koalition zur ukunft der deutschen Steinkohle. n dieser Stelle ist eine Weichenstellung erfolgt, mit der ir den größten Subventionsabbau in der Geschichte er Bundesrepublik Deutschland festlegen. Bei aller Kriik, die hieran schon wieder im Detail geäußert wird, äre es vernünftig, das erst einmal zur Kenntnis zu nehen. Es gab viele Aktive in der Politik, die sich in wechelnden Regierungskonstellationen dieses Themas angeommen haben und nicht zum Ziel gekommen sind. etzt ist eine Vereinbarung getroffen worden, die das zu inem festen Datum zum Abschluss führen wird. Das ist in positives Signal für alle Beteiligten. Wir erreichen lanungssicherheit für die Kumpel. Sie erhalten das Sinal: Es kommt zu einem sozialverträglichen Ausstieg us der Steinkohlensubventionierung. – Wir erreichen erlässlichkeit für die öffentlichen Haushalte, indem wir inen klaren Zeitplan und einen klaren Verlauf signaliieren. Wir erreichen Planungssicherheit für die betroffeen Regionen, indem wir ihnen sagen, wie der Strukturandel gestaltet werden kann. Wir erreichen letztlich uch Planungssicherheit für das betroffene Unternehen, indem wir den Weg zum Börsengang eröffnen. iermit schaffen wir langfristig klare Rahmenbedingunen. Das sollte einmal gewürdigt werden und nicht imer nur mit Detailkritik an der einen oder anderen Stelle edacht werden. Als ich 1994 in den Deutschen Bundestag kam, hat ich meine Fraktion zunächst einmal in den Ausschuss ür Post und Telekommunikation geschickt. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Entscheidung!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Ludwig Stiegler [SPD]: Ja!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Martin Zeil [FDP]: Wo steht die denn?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ch habe deshalb damals aktiv an der sogenannten
ostreform teilnehmen dürfen und will, weil auch das
eute Morgen angesprochen worden ist, einfach einmal
eststellen: Nach nahezu 13 Jahren hat sich diese Reform
ls Erfolgsgeschichte für unser Land erwiesen. Wir ha-
en heute mehr Leistung, mehr Qualität, günstigere
reise und bessere Dienstleistungen.


(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und weniger Briefkästen!)







(A) )



(B) )


Dr. Michael Meister
Deshalb müssen wir in der aktuellen Diskussion daran
festhalten, dass es darum geht, diese Erfolgsgeschichte
fortzuschreiben und sie nicht beim letzten Schritt zu stö-
ren. Deshalb werbe ich dafür, dass wir an diesem Er-
folgsweg festhalten und so erreichen, dass wir national
eine gute Versorgung unserer Bevölkerung haben und in-
ternational auch ein dominierender Spieler in diesem
Markt sind.

Sie haben heute Morgen das Stichwort Bürokratie-
abbau angesprochen. Uns im Deutschen Bundestag liegt
jetzt das erste Gesetz vor, in dem im Vorblatt genannt ist,
wie hoch die zusätzlichen Bürokratielasten sind bzw., in
diesem speziellen Gesetz, in welchem Maß ein Abbau an
Bürokratiekosten stattfindet. Das ist für uns als Mitglie-
der des Deutschen Bundestages ein qualitativer Sprung
nach vorne, weil wir über die Bürokratie nicht mehr nur
theoretisch debattieren: „Gibt es mehr oder weniger Bü-
rokratie, macht man es besser oder schlechter?“, sondern
eine klare Ansage seitens der Bundesregierung haben,
was dieses zweite Mittelstandsentlastungsgesetz konkret
an Entlastung für die Unternehmen, aber auch für die öf-
fentliche Verwaltung bringt.

Jetzt kann man natürlich sagen: Dieser Betrag ist be-
scheiden. – Ich bin mir mit dem Kollegen Stiegler, mit
der SPD-Fraktion und mit meiner Fraktion darüber ei-
nig, dass wir der Bundesregierung dabei helfen werden,
das Gesetz noch etwas anzureichern, sodass auch hier-
durch schon mehr Bürokratieabbau stattfinden wird.

Der qualitative Sprung für uns alle an dieser Stelle ist
aber: Wir können messen. Wir sollten diese Möglichkeit
nutzen. Die EU hat gesagt: Wir wollen 25 Prozent Büro-
kratieabbau. – Wir in Deutschland sollten nicht unter
dieser Stange durchlaufen, sondern über diese Hürde
springen. Deshalb sollten wir uns vornehmen, das Ziel
„25 Prozent weniger Bürokratie in diesem Land“ zu er-
reichen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir dieses Ziel einmal erreicht haben werden,
wird es damit aber nicht getan sein. Ich werbe an dieser
Stelle um Nachhaltigkeit auch beim Bürokratieabbau.
Wir sollten wie folgt verfahren: Wir legen sozusagen ei-
nen Deckel darauf. Jeder, der in Zukunft ein neues Ge-
setz vorlegt, mit dem neue Bürokratie geschaffen wird,
muss an anderer Stelle Bürokratie abbauen, damit es
nicht bei einem Einmaleffekt bleibt, sondern in diesem
Land Bürokratiekosten dauerhaft begrenzt werden.
Wenn wir mit solchen Mechanismen und Strategien ar-
beiten, dann können wir auf die Sonntagsreden zu dem
Thema verzichten und endlich qualitativen Bürokratie-
abbau in Deutschland betreiben und so, ohne Geld in die
Hand zu nehmen, für Entlastung der öffentlichen Ver-
waltung und der Bürger sorgen, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich sage ausdrücklich: Auch das kann Politik nicht al-
leine leisten, sondern wir brauchen den Bürger. Denn
wenn wir Bürokratie abbauen sollen, muss der Bürger in
diesem Land bereit sein, selbst mehr Verantwortung zu

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(C (D bernehmen, statt auf den Staat und die öffentliche Hand u schauen. Auch an dieser Stelle flankieren wir. Ich nenne die ebatte über das Gemeinnützigkeitsrecht, die wir moentan führen. Wir wollen für den Bürger in diesem and, der bereit ist, für seinen Staat, für die Gesellschaft ehr zu tun, bessere Rahmenbedingungen schaffen. Wir iskutieren momentan in der Koalition über steuerliche ahmenbedingungen. Ich glaube aber, wir dürfen nicht eim Steuerrecht stehen bleiben. Wir müssen auch die ürokratie im Vereinsrecht hinterfragen und über das aftungsrecht für diejenigen sprechen, die ehrenamtlich ätig sind. Wir müssen die Frage stellen, inwieweit wir emandem, der Verantwortung übernimmt, auch noch aftungsrechtliche Bedingungen aufbürden, mit denen er ich zusätzlich zu seinem Einsatz auseinandersetzen uss. Ich plädiere dafür, dass wir, wenn wir für Bürger ngagement werben, den Bürgern auch Rahmenbedinungen geben, die ihnen dieses Engagement für unsere esellschaft möglich machen, meine Damen und Her en. Zum Abschluss: Sehr oft wird eingefordert, wir müssen bei der Unternehmensteuer etwas tun. Vor 8 Monaten gab es einen Jobgipfel, auf dem sich die raktionsvorsitzenden mit dem damaligen Bundeskanz er verständigt haben. Aber wer sich jetzt einmal die ckpunkte der Unternehmensteuerreform, die seit . November vorliegen, anschaut und diese mit den Erebnissen des Jobgipfels vergleicht, der sieht, dass zwar uch wir die Sätze etwas gesenkt haben, dass diese Unernehmensteuerreform jetzt aber auch strukturelle Veresserungen bringt. Ich glaube, da sind wir in den letzten 8 Monaten einen gewaltigen Schritt vorangekommen. s liegt jetzt an uns, diesen Fortschritt der strukturellen erbesserung in den nächsten fünf Monaten in der Geetzgebung umzusetzen und ins Gesetzbuch zu bringen. azu wollen wir einen Beitrag leisten, damit die Men chen sehen, dass sie sich darauf verlassen können, dass ie Reformen, über die gesprochen wird, auch umgesetzt erden und dass ihnen damit auch klare Ansagen für die ukunft gegeben werden. Vielen Dank, meine Damen und Herren, für die Auferksamkeit. Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Martin Zeil für ie FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Jetzt kommt wieder der Weltuntergang!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607901700


Martin Zeil (FDP):
Rede ID: ID1607901800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

st ja erstaunlich, Herr Kollege Meister, dass jemand, der
erade vor 16 Monaten von der Oppositionsbank in die
egierungskoalition gewechselt ist, sich jetzt hier über
erufskritiker erhebt.






(A) )



(B) )


Martin Zeil

(Ludwig Stiegler [SPD]: Sie wären noch viel schneller!)


Es ist genauso falsch, von Berufskritikern zu sprechen,
wie sich hier als Hofjubler zu betätigen, Herr Kollege
Meister.


(Beifall bei der FDP)


Außerdem hat man bei Ihnen den Eindruck, auch bei
Ihren Reden, dass Ihnen der Ehrgeiz in der Wirtschafts-
politik abhandengekommen ist.

Sie loben eine Wachstumsprognose von 1,7 Prozent
als Riesenerfolg. Wenn ich das einmal mit den Daten an-
derer Länder in der Welt vergleiche, dann kann ich nur
sagen, dass ich mir hier auch bei Ihnen einen wesentlich
höheren Anspruch wünsche, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Auf nach China!)


Es fehlt ja nicht am guten Willen. Das zeigen auch die
schönen Worte im Jahreswirtschaftsbericht. Aber die Re-
alität wird doch mehr von den Protektionisten und den
Verfechtern einer Reformpause bestimmt. Gerade bei
Rot-Schwarz müsste der Wirtschaftsminister als Lord-
siegelbewahrer der sozialen Marktwirtschaft seine
Stimme laut erheben. Doch diese Stimme ist aus unserer
Sicht oft zu zaghaft, zu widersprüchlich, verhallt unge-
hört und ist manchmal gar nicht zu hören.


(Beifall bei der FDP)


Ich komme aus einem wunderbaren Land – Bayern –,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ich komme auch von dort!)


in dem der Mittelstand eine große Rolle spielt. Dort ha-
ben die Menschen ein feines Gespür für den Unterschied
zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Es reicht eben
nicht, den Mittelstand in Reden zu loben, ihn dann aber
bei der Umsetzung von EU-Recht, der Abwehr von Bü-
rokratielasten oder der Gegenfinanzierung der Unterneh-
mensteuerreform im Stich zu lassen, meine Damen und
Herren.


(Beifall bei der FDP)


Herr Kollege Meister, Sie haben das Thema Büro-
kratieabbau angesprochen. Ihre Ausführungen waren
interessant. Es wäre aber schön gewesen, wenn Sie dafür
gesorgt hätten, dass Ihre Vorstellungen in Bezug auf den
Normenkontrollrat, die Sie heute haben, damals bei der
Verabschiedung des Gesetzes umgesetzt worden wären.
Die Erfahrungen zeigen ja, dass der Normenkontrollrat
ein allzu stumpfes Schwert ist; dafür haben Sie gesorgt.
In der Presse war schon vom „kastrierten Hund“ die
Rede. Sie haben das quantitative Ziel einer Reduzierung
um 25 Prozent angesprochen. Wir haben damals entspre-
chende Regelungen vorgeschlagen, die Sie aber abge-
lehnt haben. Jetzt verstecken Sie sich hinter der EU. –
Auch das Gesetz zur Gesundheitsreform, das große Aus-
wirkungen auf den Mittelstand hat, ist dem Normenkon-
trollrat nicht vorgelegt worden. Das ist ein großer Fehler.

Lassen Sie mich noch zu einigen Wettbewerbsfragen
Stellung nehmen. In Sachen Wettbewerb und Energiepo-

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(C (D itik hat die Monopolkommission den Weg gewiesen. Es ar aber die EU-Kommission und nicht der Wirtschaftsinister, die kürzlich mit weitreichenden Vorschlägen an ie Öffentlichkeit getreten ist. Hier ist es ähnlich wie eim Energiemix: Sie liegen in Fragen des Wettbewerbs ffenbar so weit auseinander, dass Deutschland, das zureit die Ratspräsidentschaft innehat, in dieser wichtigen ukunftsfrage völlig kraftund konzeptionslos agiert. Mit der von Ihnen und vorhin auch vom Minister ochgelobten GWB-Novelle bäckt man kleine Semeln, wie man bei uns in Bayern sagen würde. Sie kon entriert sich auf eine sektorspezifische Preiskontrolle nd auf die untaugliche Einbeziehung von Untereintandspreisen. Mit Preiskontrollen allein schaffen Sie jeoch noch lange keinen Wettbewerb. Auch auf anderen Gebieten feiern die Vorstellungen er Protektionisten in Ihren Reihen fröhliche Urständ. err Kollege Meister hat über die Postdienstleistungen esprochen. Der Jahreswirtschaftsbericht bekennt sich ur vollständigen Öffnung. Aber in der Koalition wird iese Öffnung wieder infrage gestellt. Es ist schon chlimm genug, wenn eine Regierung auf diese Weise emonstriert, dass sie nicht weiß, was sie will. Noch chlimmer ist es aber, wenn durch dieses Verhalten Zuunftschancen gerade des Mittelstandes verspielt weren. Der Bundeswirtschaftsminister hat auch die Automoilindustrie, eine Schlüsselindustrie unseres Landes, anesprochen. Das Schlimme ist, dass Sie hier jenseits von achfragen keine einheitliche Meinung haben. Noch chlimmer ist, dass Sie kein Konzept haben. Man erennt überhaupt nicht, worauf Sie hinauswollen. Das uss angesichts der Dringlichkeit dieses Themas wirk ich beunruhigen. Lassen Sie mich noch auf ein anderes Wettbeerbsthema zu sprechen kommen. Bei der Gesundeitsreform haben wir es schwarz auf weiß, dass die egierung, auch der Wirtschaftsminister, überhaupt icht erkannt hat, wo hier die Wettbewerbsprobleme lieen. Erst auf Hinweis des Wissenschaftlichen Beirats urde das Problem der Nichtanwendung der Gesetze um Schutze des Wettbewerbs überhaupt bekannt. Der eirat schreibt: Ihr Ministerium hat die Zuständigkeit für das GWB. Es verteidigt insoweit eine stolze Tradition. Wir halten Ihr Einschreiten für unerlässlich. ie Antwort ist entlarvend. Sie lässt sich so zusammenassen: Leider haben wir geschlafen; jetzt können wir ur noch eine Hilfsoperation machen. Aber das Ziel, ämlich die Zuständigkeit der Kartellbehörden sicherzutellen, wird nicht erreicht. – Einen stärkeren Beweis daür, dass diese stolze, gerade unter liberalen Wirtschaftsinistern begründete Tradition Vergangenheit ist – das Martin Zeil ist wirklich ein Armutszeugnis –, kann es wohl nicht geben. Otto Graf Lambsdorff, dessen 80. Geburtstag wir am Montag gefeiert haben, hat den Zustand der Regierung mit dem schönen Satz beschrieben: Das ist nicht Eintracht in Vielfalt, sondern Zwietracht in Einfalt. Ein echter Aufbruch zu mehr Marktwirtschaft und Wettbewerb steht noch aus. Für die SPD spricht nun der Kollege Rainer Wend. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Dis kussion heute Morgen gibt mir die Gelegenheit – diese Notwendigkeit ergibt sich für mich daraus –, ein paar Worte zum Thema Staatsverständnis auf den beiden unterschiedlichen Seiten des politischen Spektrums zu verlieren. Herr Kollege Lafontaine, Sie haben in Ihrer Rede eben sinngemäß gesagt – ich verdichte und verkürze –, man müsse ja nur die Unternehmensteuern stärker erhöhen und die Vermögensteuer wieder erheben, dann werde es in Sachen Gerechtigkeit und Wirtschaft in Deutschland besser werden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ein Vorschlag der SPD!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607901900
Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1607902000

Darauf erwidere ich Ihnen Folgendes, Herr Kollege
Lafontaine: Wer in einer Welt, in der mit Niedrigstunter-
nehmensteuern Konzernzentralen nach Irland bzw. Dub-
lin gelockt werden, in der die Slowakei mit Niedrigstlöh-
nen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihren
Grenzgebieten zu unseren Lasten nach vorne bringen
will, in der in Indien Callcenter mit qualifizierten und
preiswerten Kräften entstehen und uns die Arbeitsplätze
hier weggeholt werden, in der China Rohstoffe mit der
Folge gigantischer Preiserhöhungen aufkauft, in der es
um einen Wettbewerb um Investitionen und Arbeits-
plätze geht, behauptet, man könne mal so einfach mit ei-
ner Vermögensteuer und höheren Unternehmensteuern
die Lage in Deutschland in Ordnung bringen, hat in der
Wirtschaftspolitik in den letzten 20 Jahren nichts dazu-
gelernt und ist im Turm der 70er-Jahre geblieben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es ist ja noch schlimmer: Herr Lafontaine, Sie wollen
das zwar nicht; aber objektiv tragen solche Parolen dazu
bei, dass in unserem Land Demokratieverdrossenheit
und Demokratiefeindlichkeit wachsen,


(Widerspruch bei der LINKEN)


weil Sie die Illusion erwecken, es gäbe hier für unseren
Staat und unsere Gesellschaft Handlungsmöglichkeiten.
Das sind Fehlinformationen. Sie sind aus kurzfristigen

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(C (D nteressen populistisch, und Sie versagen bei der diffeenzierten Wirtschaftsdebatte in unserer Gesellschaft. Kollege Wend, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Lafontaine? Das kann ich jetzt schlecht verweigern. (Zuruf von der FDP: War die SPD nicht auch einmal für die Vermögensteuer?)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607902100
Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1607902200


Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607902300

Herr Kollege Wend, ich kenne Ihre Position. Ich

eiß, dass Sie das, was Sie hier vorgetragen haben, auch
rnst meinen.


(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist ja das Schlimme!)



Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1607902400

Das ist wahr.


Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607902500

Deshalb habe ich versucht, pädagogisch vorzugehen.

ch hatte Ihnen vorgeschlagen, die Vermögensteuer so
ie beispielsweise in Frankreich, in den Vereinigten
taaten oder in Großbritannien und die Mindestlohnre-
elung so wie in den meisten europäischen Staaten zu
estalten. Auch diese Staaten sind auf dieser Welt; ich
ehme an, das ist Ihnen bekannt. Was ist Ihr Gegenargu-
ent, Herr Kollege Wend?


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1607902600

Herr Weltökonom, ich darf mich zunächst sehr herz-

ich für Ihre pädagogische Belehrung bedanken und
öchte Ihnen, ohne belehrend wirken zu wollen, sagen:
emjenigen, der sich einzelne Punkte – ob im Lohnbe-

eich oder bei der Steuer, also mal eben in Amerika die
ermögensteuer – herausgreift, ohne zu berücksichtigen,
ie die Steuerlage bei Erträgen und anderen Dingen in
en Vereinigten Staaten ist, der Rosinenpickerei betreibt,
m sozusagen seine eigene Ideologie zu legitimieren,
erfe ich vor, Herr Lafontaine, dass er aus kurzfristigen
ahltaktischen Interessen heraus populistisch ist und

ich einer differenzierten Wirtschaftsdebatte in unserer
esellschaft verweigert.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sehr gute Antwort!)


Auch zur anderen Seite dieses Hauses ist in Sachen
taatsverständnis etwas zu sagen. Ich berichte Ihnen ein-
al vom Jahresempfang der Industrie- und Handelskam-
er in Bielefeld. Der Präsident dieser Industrie- und
andelskammer hat die Wirtschaftsdaten wunderbar
eschildert und dargestellt, wie gut alles geworden sei
nd dass die Situation im Hinblick auf die Wirtschafts-
ntwicklung und die Arbeitsplätze besser geworden sei.






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Wend
Dann hat er gefragt: Wer hat das alles zu verantworten?
Daraufhin hat er geantwortet: Die Politik – er differen-
ziert gar nicht mehr – hat damit gar nichts zu tun. Wir in
der Wirtschaft haben es geschafft, dass alles gut gewor-
den ist.

Dazu hatte ich drei Überlegungen:

Als Erstes war ich ein bisschen demotiviert. Ich muss
meinen Kollegen und Freunden von der IG Metall die
Rente mit 67 erläutern, ich muss bei der Arbeiterwohl-
fahrt über die Arbeitsmarktreformen reden. Wozu mache
ich das alles? Denn dies ist ja anscheinend völlig uner-
heblich für die wirtschaftliche Entwicklung.

Als Zweites war ich darüber besorgt, wie es mit unse-
rer Wirtschaft weitergeht. Denn das intellektuelle Ni-
veau zu sagen: „Wenn es schlecht läuft, ist die Politik
schuld, und wenn es gut läuft, dann ist die Wirtschaft da-
für verantwortlich“,


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Ja!)


macht mir Sorgen dahin gehend, wie solche, die das sa-
gen, die Wirtschaft unseres Landes weiterführen wollen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Als Drittes war ich ein bisschen verärgert. Ich sage
mit großem Ernst: Die Demokratieverdrossenheit, die
damit auch von Teilen der Wirtschaft gefördert wird,
kann ich nicht für richtig halten. Das ist nicht in Ord-
nung. Jeder muss sich um seine eigenen Dinge küm-
mern. Die Politik muss ihre Aufgaben bewältigen, und
die Wirtschaft muss ihre Aufgaben bewältigen. Beide
sollten an die Arbeit gehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich etwas zum Thema Steinkohle sagen.
Ich halte den Kompromiss für vertretbar. Es ist ein
schwieriger Kompromiss; dennoch können wir ihm zu-
stimmen. Wir haben uns darauf geeinigt, bis zum Jahr
2018 sozialverträglich aus dem Steinkohlenbergbau aus-
zusteigen, im Jahr 2012 aber noch einmal darüber nach-
zudenken. Ich meine, alle sollten zu diesem Kompromiss
stehen. Meine Bitte an Sie, Frau Bundeskanzlerin, ist:
Sagen Sie Ihrem Stoiber von Nordrhein-Westfalen, dass
es keinen Sinn macht, Verständigungen immer wieder
infrage zu stellen.


(Beifall bei der SPD)


Eine Große Koalition lebt von Verlässlichkeit. Dazu ge-
hört auch, getroffene Vereinbarungen umzusetzen.

Wir stehen trotz aller Schwierigkeiten, die wir mit
diesem Kompromiss haben, zu dem, was wir politisch
entschieden haben. Wir erwarten, dass auch CDU/CSU
zu diesem politischen Kompromiss stehen. Bitte erwei-
sen Sie sich als verlässlicher Koalitionspartner! Nur
wenn wir bei solch schwierigen Verabredungen zusam-
menstehen, werden wir diese Koalition zum Erfolg füh-
ren können.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe bereits versucht, anhand einiger Schlagzei-
len deutlich zu machen, dass wir in einer Welt leben, die

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(C (D omplizierter geworden ist und keine einfachen Lösunen für ihre Probleme findet. Die Koalition hat sich die anierung des Haushalts und die Reformierung der ozialen Sicherungssysteme vorgenommen. Das sind chwierige Aufgaben, die wir nicht als Selbstzweck anehen, sondern um den Investitionsstandort verlässlich u machen und an die neuen Verhältnisse anzupassen. ir wollen in Bildung und Forschung investieren, weil n der Wissensgesellschaft die Zukunft liegt. Das sind ie richtigen Überschriften für unsere Politik. Wir wissen, dass wir in dieser Koalition zu Komproissen gezwungen sind. Wir stehen zu diesen Komproissen, auch wenn sie uns manchmal schwerfallen. Die en Weg wollen wir bis zum Ende der Legislaturperiode ehen. Erste Erfolge sind sichtbar, und wir sind davon berzeugt, dass weitere Erfolge in der Gesellschaftsund irtschaftspolitik eintreten werden. Wir Sozialdemokra en erweisen uns als verlässlicher Koalitionspartner. Lasen Sie uns gemeinsam diese erfolgreiche Politik weiter etreiben! Das Wort erhält nun der Kollege Roland Claus für die raktion Die Linke. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will ber den Zusammenhang von Jahreswirtschaftsbericht nd wirtschaftlicher Lage in Ostdeutschland reden. Sie haben als Bundesregierung Ihren Bericht mit dem itel „Den Aufschwung für Reformen nutzen“ überchrieben. Dazu kann ich Ihnen, meine Damen und Heren von der Regierung, nur sagen: Die Mehrheit der Beölkerung wird das als knallharte Drohung verstehen. hr gefühlter und zum Teil auch gemessener Aufchwung kommt nicht an. Der Bundeswirtschaftsminiser hat uns heute wieder einmal erklärt, dass die Leute eine Angst mehr um ihren Arbeitsplatz haben. Darauf uss ich erwidern: Sie haben den Deutschen Bundestag it dem wirklichen Leben verwechselt. Ich kann auch verstehen, dass die Koalition ihre chwierigkeiten hat, wenn mein Kollege Oskar afontaine hier einige Wahrheiten sagt. Dass die Buneskanzlerin bei seiner Rede quasi eine improvisierte abinettssitzung einberuft, um nicht zuhören zu müssen, st jedoch kein Zeichen von Stärke und Souveränität, ondern von Schwäche im Umgang mit kritischen Arguenten. In Ostdeutschland ist die Zufriedenheit der Bevölerung – das ist zugegebenermaßen eine etwas vage ategorie, aber jeder wird sie täglich in sich abfragen – nnerhalb weniger Monate von 59 auf 39 Prozent gesun Roland Claus ken. Angesichts dessen stellen wir erneut die Frage: Müssen wir noch über den Osten reden? Und als Fraktion einer Partei, die sehr wohl bundesweite Politikangebote macht, die sich aber weiterhin für die Lebensinteressen der Ostdeutschen einsetzen wird, meinen wir: Ja. (Dirk Niebel [FDP]: Ihr habt ja auch viel zu verantworten! Ihr habt es runtergewirtschaftet! Auch die FDJ!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607902700

(Beifall bei der LINKEN)

Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607902800

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


Man kann eine Menge Fakten anführen. Einige
Schlaglichter machen das besonders deutlich. Gestern
Abend fand in Potsdam ein großes Treffen des Ostdeut-
schen Sparkassenverbandes statt. Hunderte sachkundi-
ger Leute trafen sich dort. Ich habe mich nach Vertretern
der Bundesregierung umgeschaut – Fehlanzeige. Als
einziger Bundestagsabgeordneter hatte ich die Gelegen-
heit, das Hohe Haus zu vertreten. Ich bin zwar dankbar,
dass Sie mir das Feld überlassen haben;


(Beifall bei der LINKEN)


ich halte Ihr Verhalten aber angesichts des Erfolges die-
ses Verbandes für ziemlich ignorant.

Weitere Fakten, die man zur Sprache bringen muss:
Die Arbeitslosigkeit ist im Osten Deutschlands doppelt
so hoch wie im Bundesdurchschnitt und hat sich inzwi-
schen auf diesem Niveau verfestigt. Der Unterschied bei
der Rente beträgt 12 Prozent, bei Löhnen und Gehältern
20 Prozent. Selbst die Deutsche Bank stellt in ihrem
Gutachten fest – lassen Sie mich das zitieren –: Der
Lebensstandard in Ostdeutschland wird zwar weiter
zunehmen, aber der Abstand zum Westen wächst an. –
Diese Entwicklung wollen Sie fortführen. Wir sind aber
nicht bereit, das hinzunehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


In Ihrem Jahreswirtschaftsbericht preisen Sie erneut
den Niedriglohn als eine Art Allheilmittel. Im Osten ist
der Niedriglohn kein Sonderfall, sondern der Regelfall.
Wir sagen Ihnen: Wir brauchen keine weiteren Niedrig-
lohnexperimente. Die in diesem Land vorhandenen
Niedriglohnrealitäten sind schon schlimm genug.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb wird meine Fraktion die Forderungen der Ge-
werkschaften nach besseren Tarifabschlüssen und Min-
destlöhnen unterstützen. Sie wird sie in diesem Arbeits-
kampf begleiten.

In Ihrem Bericht ist erneut sehr oft von Innovation
die Rede; das macht sich in solchen Berichten immer
gut. Sie haben eine Reihe von Regierungsprogrammen
aufgelegt; Stichworte: Genshagen, 6-Milliarden-Pro-
gramm, 24-Milliarden-Programm. Inzwischen versteht
niemand mehr, wie dieses heillose Durcheinander von
Innovationsförderungen zusammenpassen soll. Sie kom-
munizieren jedes Instrument anders.

Ich darf darauf verweisen – das ist wiederum Fakt –,
dass nur 7 Prozent der Industrieforschung in den neuen
Bundesländern angesiedelt sind. Gleich zu welchem Un-
ternehmen ich komme, allerorts beklagen die Geschäfts-
führerinnen und Geschäftsführer den Bildungszustand
in Deutschland. Gerade im Osten der Republik sieht man

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(C (D ie bildungspolitische Kleinstaaterei, die Sie mit Ihrer öderalismusreform beschlossen haben, sehr kritisch. Sie werden nicht umhinkommen, über unsere Vorchläge zur öffentlich geförderten Beschäftigung, insesondere für Langzeitarbeitslose, zu reden. Der CDUirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, dem Bundes and, aus dem ich komme, hat das inzwischen verstanen. Er hat angefangen, Vorschläge der Linkspartei.PDS mzusetzen. Er hat die sogenannte Bürgerarbeit als Moellprojekt eingeführt. Diesem Projekt stehen wir kriisch gegenüber. Es geht uns noch nicht weit genug, weil s aus der Hartz-IV-Situation noch nicht wirklich erausführt. Die Union in Sachsen-Anhalt ist nach jahrehntelanger Verweigerung aber wenigstens bereit, dieen Vorschlägen ihre Zustimmung zu geben. Sie ist beeit, zuzugeben, dass sie hinzugelernt hat. Wir reden ja auch über den Bericht des Sachverstänigenrates. Ich will darauf verweisen, dass es im Osten ur ein Institut gibt, das zu den führenden Wirtschaftsorschungsinstituten zählt, das Institut für Wirtschaftsorschung Halle. Herr Kollege, Sie denken an die Redezeit. Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Im Sommer ieses Jahres sollen diese Institute evaluiert werden. Daach soll entschieden werden, wie sie weiter gefördert erden. Durch gezielte Indiskretionen wird dieses Insti ut nun infrage gestellt. Man kann zu diesem Institut eine ritische Meinung haben – die habe auch ich –, es wäre ber ein fataler Fehler, dieses Institut herauszunehmen. Wir empfehlen Ihnen: Beachten Sie die Entwicklung n den neuen Bundesländern! Auch für die Wirtschaft ilt: Der Osten ist nicht das Gestern der Republik, sonern das Morgen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Martin Zeil [FDP]: Manche Leute sind von vorgestern!)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607902900
Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607903000

(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607903100

Nächster Redner ist der Kollege Laurenz Meyer für

ie CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1607903200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ber die wirtschaftspolitischen Theorien, die hier zum
eil vertreten werden, insbesondere von der Linken,
ann man sich nur wundern. Kollege Wend hat einiges
ichtige dazu gesagt. Ich will den Wirtschaftsverlauf
inmal aus unserer Sicht darstellen und sagen, weswe-
en wir große Chancen haben.






(A) )



(B) )


Laurenz Meyer (Hamm)

Wir haben einen Riesenzuwachs an Arbeitsplätzen
und haben damit den Trend umgekehrt. Ich sage ganz of-
fen, Herr Wirtschaftsminister: Ich persönlich habe zu
Beginn des vergangenen Jahres den in der Finanzpla-
nung unterstellten Ansatz eines Zuwachses von 200 000
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen für sehr
riskant gehalten.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Ungläubiger Thomas!)


Von vorher Jahr für Jahr 400 000 minus auf 200 000
plus – das ist eine gewaltige Umkehr. Wir haben aber
nicht 200 000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen, son-
dern fast 350 000. Damit gibt es circa 800 000 Arbeits-
lose weniger. Meine Damen und Herren auch von der
Linken, Sie sollten das wahrnehmen. Dazu müssen Sie
den Kopf gebrauchen. Die Situation ist so.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das eigentlich Wichtige an dieser Veränderung ist,
dass mehr Menschen Arbeit gefunden haben. Gott sei es
gelobt! Aber noch wichtiger ist, dass aufgrund dieser
Tatsache jetzt weniger Menschen in Deutschland Angst
haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Das Angst-
sparen, dass jeder jeden noch verfügbaren Euro lieber
auf die Seite legt, weil er nicht weiß, was nächsten Mo-
nat ist, ist zurückgegangen; die verhältnismäßig sehr
hohe deutsche Sparquote ist gesunken. Im Inland wird
wieder mehr Geld ausgegeben. Das trägt den Auf-
schwung zusätzlich. Nicht nur die Kaufkraft durch zu-
sätzliche Beschäftigung, sondern auch der Rückgang des
Angstsparens und der Verlust der Angst um den Arbeits-
platz sind die selbsttragenden Elemente, die jetzt zusätz-
lichen Schub geben. Deswegen können wir guter Hoff-
nung sein, dass sich der Arbeitsmarkt in diesem Jahr
noch stärker bewegt als im letzten Jahr.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe die Bitte an die SPD-Kollegen, noch einmal
nachzudenken und mit uns in Gesprächen zu überlegen,
was wir tun können, ohne etwas einzureißen. Unser Ar-
beitsmarkt hat leider Gottes ein gewisses Maß an Starr-
heit; das haben die Diskussionen in der Kommission un-
ter Herrn Müntefering gezeigt. Es gibt zurzeit nur zwei
Ventile: das eine sind die 400-Euro-Jobs, das andere ist
die Zeitarbeit. Die Arbeitgeber flüchten in diese beiden
Bereiche. Daher gibt es hier einen starken Zuwachs, aber
zu wenige Einstellungen in den Betrieben selbst.


(Martin Zeil [FDP]: Das ist richtig!)

Wir sollten deshalb darüber nachdenken, wie wir – und
zwar mit sozialer Sicherheit für alle, die Arbeit haben –
einen Weg finden, der es ermöglicht, dass diejenigen, die
Arbeit suchen, schneller eingestellt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass wir auf dem Ar-
beitsmarkt ein riesiges Potenzial, was offene Stellen an-
geht, zu verzeichnen haben. Die Zahlen belegen eine
großartige Veränderung: Es gibt 800 000 offene Stellen.
Das muss uns aber in unserem Engagement beflügeln, die

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(C (D ermittlungstätigkeit noch stärker anzukurbeln. 800 000 ffene Stellen und noch 4 Millionen Arbeitslose – es acht mich unruhig, dass diese Stellen nicht schneller esetzt werden. Hier muss sich mehr tun. Wir müssen konstatieren, dass wir inzwischen in verchiedenen Teilen Deutschlands einen Facharbeiterangel haben, der sehr unterschiedlich strukturiert ist. ie Situationen in Ostdeutschland und Westdeutschland nterscheiden sich hier etwas. Übrigens, noch einmal an ie Linke gesagt: Es sollte Ihnen zu denken geben, dass ie Länder, die am schlechtesten dastehen, die sind, in enen Sie eine Zeit lang Verantwortung getragen haben. as müsste in Ihren Köpfen irgendwann einmal ankomen. Wir müssen überlegen – das ist meine Bitte an die ollegen; hier wende ich mich insbesondere an Herrn tiegler und Herrn Wend –, ob wir nicht den Kombilohn ls zusätzlichen Ansatzpunkt brauchen. Vor dem Hinterrund der Bedürfnisse, die wir haben, wäre es denkbar, rbeitnehmern, die noch nicht die erforderliche Qualifiation für eine offene Facharbeiterstelle haben, während er Qualifizierungsphase einen Kombilohn zu zahlen. abei geht es nicht darum, die Unternehmen aus ihrer erantwortung für die Weiterbildung zu entlassen. Aber ir müssen denen, die uns Sorgen machen, denen, die icht so qualifiziert sind, dass sie gleich auf dem Areitsmarkt unterkommen, besonders helfen. In diesem Zusammenhang noch zwei Punkte: Wir haen nach Aussagen der Arbeitsagentur inzwischen Millionen Vollzeitarbeitsplätze in der Schwarzarbeit. as heißt das? Das heißt für mich, es gibt genügend Ar eit in Deutschland, aber nicht genügend bezahlbare Areit. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und? Was heißt das?)


(Beifall bei der CDU/CSU)


as heißt, wir müssen die Anreizsysteme so verändern,
ass zumindest ein Teil dieser Schwarzarbeit – wir reden
ie von der gesamten Schwarzarbeit – in legale, sozial-
ersicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt wer-
en kann.

Es gibt einen ganz konkreten Vorschlag, über den wir
eden sollten; ich weiß, Herr Kuhn, dass Sie eigene, auch
iskussionswürdige Vorstellungen entwickelt haben. Wir
aben allein in den Privathaushalten in Deutschland über
Millionen Beschäftigungsverhältnisse, davon 120 000

emeldete, also sozialversicherungspflichtige. Wir reden
on einem Verhältnis von 4 Millionen zu 120 000! Im
etzten Jahr haben wir bereits einen ersten Anreiz ge-
etzt, diese Beschäftigungsverhältnisse zu legalisieren,
ndem wir eine Beschäftigung im Privathaushalt mit ei-
er relativ geringen Summe absetzungsfähig gemacht
aben. Ich habe an alle Kollegen die Bitte, gemeinsam
arüber nachzudenken, wie wir es als Große Koalition in
ieser Legislaturperiode schaffen können, Privathaus-
alte wie Unternehmen zu behandeln, damit hier legale,
ozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der FDP: Nur Mut!)







(A) )



(B) )


Laurenz Meyer (Hamm)

Zurzeit findet jemand, der arbeitslos wird und
Arbeitslosengeld I bekommt, schnell wieder Arbeit.
Sehr viel weniger Leute als früher erleben den Übergang
vom Arbeitslosengeld I zum Arbeitslosengeld II. Das
kann jedoch nur der erste Schritt sein. Nach wie vor fin-
den zu wenige, die Arbeitslosengeld II beziehen, wieder
einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz. Das
ist die Gruppe derer, der unsere Hauptsorge gelten muss,
wenn wir unsere Wertvorstellungen als Christdemokra-
ten ernst nehmen. Bei der SPD sehe ich das vom Ansatz
her ähnlich. Wir müssen gerade für die weniger Qualifi-
zierten, die keine Berufsausbildung oder keine abge-
schlossene Schulausbildung haben, Möglichkeiten
schaffen. Das ist die Problemgruppe, die auch von einer
Verbesserung der konjunkturellen Entwicklung nicht au-
tomatisch ergriffen wird. Mit Mindestlöhnen, wie sie
diskutiert werden, eröffnen wir dieser Gruppe aber keine
Chancen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Wir wünschen uns ein Umdenken bei euch!)


Besser ist es, dafür zu sorgen, dass die Menschen – sei es
zunächst auch nur für einen Stundenlohn von 5 Euro – in
den Arbeitsmarkt kommen. Durch eine Kombination
von eigenem Einkommen und Sozialtransfers könnten
wir sicherstellen, dass die Menschen und ihre Familien
mit einem Mindesteinkommen ein existenzwürdiges Le-
ben führen können. Das ist unsere Konzeption. Wir glau-
ben, dass es besser ist, die Menschen zunächst in den Ar-
beitsmarkt zu bringen, als sie draußen stehen zu lassen.
Es macht keinen Sinn, wie Herr Lafontaine und andere
es tun, in erster Linie zuzusehen, dass die, die sich auf
dem Arbeitsmarkt befinden, möglichst viel haben. Viel-
mehr müssen möglichst viele selber Geld verdienen kön-
nen, weil das eine Frage der Würde des einzelnen Men-
schen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie müssen davon leben können!)


– Wenn ich so einen Blödsinn höre! Wenn es darum
ginge, dass die Würde des Menschen vom Einkommen
des Einzelnen abhängig ist, dann müsste Herr
Ackermann von der Deutschen Bank in Deutschland
derjenige mit der größten Würde sein. Was Sie da erzäh-
len, ist doch grober Unfug.


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)


Lassen Sie mich abschließend auf die Energiepolitik
zu sprechen kommen.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Wir müssen langsam aufpassen, Herr Wirtschaftsminister
– darüber haben wir gestern bereits im Wirtschaftsaus-
schuss diskutiert –, dass die verschiedenen Instrumente,
die wir einsetzen – Anreizregulierung, Kartellrecht und
die Regelungen hinsichtlich der CO2-Emissionen; dabei
bin ich völlig anderer Meinung als Sie, Herr Zeil –, nicht
mit den Vorschlägen auf europäischer Ebene kollidieren
und dass wir nicht unseren Standort überfordern, indem

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(C (D ir in Deutschland Standortrisiken vor dem Hintergrund nseres spezifischen Produktionshintergrunds eingehen. (Martin Zeil [FDP]: Ich habe nichts anderes gesagt, Herr Kollege!)


Umso besser, wenn ich Sie nicht missverstanden habe.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass die
iskrepanz zwischen den Meldungen des Umweltminis-

ers im Zusammenhang mit den CO2-Emissionen nach
rüssel und den Forderungen Brüssels uns gegenüber ei-
er Größenordnung von 40 Millionen Tonnen entspricht
nd damit – sei es Zufall oder nicht – haargenau die
enge an CO2-Emissionen ausmacht, die wir vermeiden

önnen, wenn wir den vorliegenden Anträgen entspre-
hend die Kernkraftwerke bis 2012 laufen lassen wür-
en. Wir werden uns mit dieser Frage noch weiter be-
chäftigen müssen.

Noch eine letzte Bemerkung zur Kohle: Was gestern
n der Aktuellen Stunde die Kollegen der SPD zum Teil
orgetragen haben, nämlich dass die endgültige Ent-
cheidung erst 2012 falle, halte ich für falsch,


(Beifall des Abg. Martin Zeil [FDP])


nd zwar aus zwei Gründen: Erstens ist der Bundestag
ederzeit mit einer entsprechenden Mehrheit in der Lage,
ine bereits getroffene Entscheidung wieder zu kippen,
enn sich die Rahmenbedingungen völlig ändern. Viel
ichtiger ist aber zweitens – das hat das eingangs von
ir erwähnte Beispiel der Stilllegung der Zeche Sophia

acoba im Rheinland gezeigt –, dass wir einen langfristi-
en Termin brauchen, auf den sich alle Betroffenen ein-
tellen können. Dann ändert sich die psychologische
ahrnehmung vor Ort, und es wird auf das Neue hinge-

rbeitet.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607903300

Herr Kollege Meyer!


Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1607903400

Ich komme zum Schluss. – Dann wird auf das Neue

ingearbeitet, statt nur das Althergebrachte zu verteidi-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


eshalb halte ich es für falsch, wenn der Eindruck er-
eckt wird, als wenn nur der erste Schritt erfolgt wäre.
ir haben es mit einer endgültigen Entscheidung zu tun,

ie der Bundestag jederzeit bei fundamentaler Änderung
er Rahmendaten revidieren kann.

Auch alle anderen Argumente sind inzwischen weit-
ehend – –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607903500

Herr Kollege, ich darf Sie an Ihr Versprechen erin-

ern.


Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1607903600

Ich bin beim letzten Satz, Frau Präsidentin. – Auch

lle anderen Argumente sind weitgehend erledigt, liebe
olleginnen und Kollegen von der SPD – spätestens






(A) )



(B) )


Laurenz Meyer (Hamm)

seitdem die RAG vor wenigen Wochen den größten
Bergbauzulieferer, den wir in der Bundesrepublik hatten,
an die amerikanische Konkurrenz verkauft und die Ko-
kerei in Dortmund geschlossen hat.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607903700

Herr Kollege, das waren jetzt mindestens fünf

Schlusssätze. Ich muss Sie jetzt an Ihr Versprechen erin-
nern.


(Martin Zeil [FDP]: Das ist wie mit Wahlversprechen! Die sollte man halten!)


Sie haben Ihre Redezeit um zwei Minuten überzogen.


Laurenz Meyer (CDU):
Rede ID: ID1607903800

Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mich darauf aufmerk-

sam machen, Frau Präsidentin, und schließe damit.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607903900

Das Wort hat der Kollege Joachim Poß, SPD-Frak-

tion.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1607904000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu einer

guten Koalition gehört, Herr Kollege Meyer, dass man
sich ausspricht und offen die Meinung sagt. Deshalb will
ich erstens zu Ihren letzten Bemerkungen feststellen:
Sorgen Sie bei Ihrem nordrhein-westfälischen Partei-
freund Rüttgers dafür, dass endlich Planungssicherheit
für die Bergleute und die Kohle geschaffen werden
kann! Das wäre Ihre Aufgabe. Sie sollten hier keine Ab-
lenkungsdiskussion führen. Herr Rüttgers ist derjenige,
der quer im Stall steht.


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. Zur Offenheit gehört auch, Kollege
Meister, dass man keine Legenden entstehen lässt. Sie
haben von der Gefahr der Politik der ruhigen Hand im
Jahr 2000 gesprochen. Im Jahr 2000 hatten wir ein Wirt-
schaftswachstum von 2,9 Prozent. Dann kamen der
Crash an den Börsen und Finanzmärkten im Früh-
jahr 2001 und die Unsicherheit durch Nine-Eleven. Das
hat uns wirtschaftspolitisch zurückgeworfen, nicht die
Politik der ruhigen Hand. Daran will ich in diesem Zu-
sammenhang erinnern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Der dritte Punkt ist – auch dabei bin ich für einen sehr
offenen und konstruktiven Umgang innerhalb der Koali-
tion –, wie wir mit wichtigen Themen umgehen, zum
Beispiel mit der Erbschaftsteuer.


(Zuruf von der FDP: Abschaffen!)


– Sie wollen sie abschaffen. Das ist klar. – Nachdem wir
einen Kompromiss geschmiedet hatten, kam jetzt ein Ur-
teil, das sicher viele von uns so erwartet haben. Zu dem,
was Herr Glos gestern in der Pressekonferenz und heute
gesagt hat, möchte ich einen CDU-Finanzminister zitie-
ren, den in seiner Kompetenz wohl unbestrittenen

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(C (D erhard Stratthaus, der laut heutigem „Handelsblatt“ geagt hat: Es muss so schnell wie möglich Rechtssicherheit mit neuen Bewertungsregeln geschaffen werden, auf denen eine Verschonung von Betriebsvermögen aufbauen kann. ch bin genau dieser Meinung. Die SPD steht auch eindeutig zu der Vereinbarung der chonung des Betriebsübergangs. Daran hat sich nichts eändert. Aber wir können eine Regelung nicht auf eine erfassungswidrige Grundlage aufsetzen. Ich glaube, das eht schon aus rechtsstaatlichen Gründen nicht, von aneren, politischen Gründen will ich gar nicht erst sprehen. arüber müssen wir uns in der Koalition und müssen ich Bund und Länder – auch jenseits der Parteien – in en nächsten Tagen und Wochen verständigen. Wir wisen ja, dass die Ländermehrheit im Herbst letzten Jahres m Finanzausschuss des Bundesrates ein Votum abgegeen hat, das man im Weiteren berücksichtigen muss. Noch eine Bemerkung zu einem meiner Vorredner: er Kollege Lafontaine hat in seiner Bilanz der Politik er letzten Jahre, die er hier unter Verteilungsaspekten ngestellt hat, manche fundamentalen Daten gänzlich usgeklinkt, zum Bespiel den Umstand, dass die Unterehmen in der Bundesrepublik Deutschland im letzten ahr so viele Steuern gezahlt haben wie noch nie. Weentlich waren die – reaktivierte – Körperschaftsteuer nd die Gewerbesteuer mit einem Aufkommen von 8 Milliarden Euro. Es wurde schon erwähnt: Das veretzt die Kommunen in die Lage, über die Schuldentilung hinaus verstärkt zu investieren. Warum wird das in hrem Zerrbild nie erwähnt? Das gehört auch zu den Erolgen unserer Politik, für die wir 2003 gestritten haben. Warum fehlt denn in der Bilanz von Lafontaine und nderen, dass durch unsere Steuersenkungen bei der Einommensteuer in den letzten Jahren ein Arbeitnehmer, erheiratet, zwei Kinder, unter Berücksichtigung des indergeldes ein Jahreseinkommen von 37 600 Euro haen kann und trotzdem keine Steuern zahlen muss? Waum fehlt das denn in dieser Bilanz? Sie suchen sich irklich nur das zusammen, was Ihnen gerade so in den ram passt. Wir können die Verantwortung der Gewerkschaften ür die Lohnfindung politisch nicht ersetzen und wollen as auch nicht. Unser Beitrag muss es sein – das ist auch n der Rede von Herrn Meyer hier angeklungen –, schon n der Suchphase und beim Austausch von Meinungen u klären, was der Staat zur Rahmensetzung beitragen ann. Ich finde es gar nicht schlimm, wenn man das hier o offen diskutiert, wie Sie das haben anklingen lassen, nd bin ganz zuversichtlich, dass wir da, genauso wie in nderen Fällen, zu guten Lösungen kommen werden. Joachim Poß Noch ein Wort zur Vermögensteuer – leider ist Oskar Lafontaine nicht mehr im Saal –: Die Chance auf Wiedereinführung der Vermögensteuer hat bis zum März 1999 bestanden, bis zu dem Zeitpunkt, als unsere relative Bundesratsmehrheit durch die Wahlniederlage in Hessen verloren gegangen ist. Der damalige SPD-Vorsitzende und Finanzminister, der die Vermögensteuer bis März 1999 hätte durchsetzen können, hieß Oskar Lafontaine. Der hat in dieser Frage – das kann ich als jemand, der als Ohrenund Augenzeuge in den Koalitionsgremien unmittelbar beteiligt war, sagen – kräftig gewackelt. Andere in der SPD waren dagegen, das gehört auch mit zur historischen Wahrheit. Aber er hat kräftig gewackelt. Lafontaine kann sich in dieser Frage hier nicht hinstellen und die Backen aufblasen, er ist in dieser Frage nicht glaubwürdig. (Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Nicht nur da!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


Ich freue mich darüber, dass offenbar zunehmend
Konsens darüber besteht, dass wir bei der Konsolidierung
der öffentlichen Haushalte nur über Wirtschaftswachs-
tum vorankommen können. Das hat sich im letzten Jahr
gezeigt: Auf Bundesebene hatten wir Steuermehreinnah-
men von fast 10 Milliarden Euro, die gänzlich in die Sen-
kung der Nettokreditaufnahme gesteckt wurden. Auch
damit hat vor einem Jahr, wenn wir ehrlich sind, keiner
gerechnet. Weil diese Strategie, nicht nur die Binnenkon-
junktur zu stimulieren, zum Beispiel über unser 25-Milli-
arden-Impulsprogramm, sondern auch konjunkturge-
rechte Konsolidierung zu betreiben, 2006 so erfolgreich
war – ich füge in Klammern hinzu: und im Bundesrat
nicht blockiert wurde –, sollten wir diesen Policy Mix
beibehalten. Wir wären schlecht beraten – ich sage das
nicht nur mit Blick auf die Bundesbank, sondern auch mit
Blick auf einige Stimmen aus der Koalition –, mit über-
zogenen einseitigen Sparanstrengungen zulasten der Bin-
nennachfrage das, was wir erreicht haben, jetzt wieder zu-
nichtezumachen. Ich bin hier sehr für Differenzierung.
Aber ich glaube, unsere Verantwortung besteht darin, zu
sehen, mit welchem Policy Mix wir unsere Ziele errei-
chen können. Den erfolgreichen Weg des Jahres 2006
– Wachstum, Beschäftigung und Konsolidierung – soll-
ten wir 2007 und darüber hinaus fortsetzen. Das heißt für
mich, es muss alles vermieden werden, zum Beispiel In-
vestitionen durch Kürzungen zu beschädigen. Der Staat
muss alles, was im Rahmen seiner Möglichkeiten ist – die
Wahrheit ist, dass das nicht allzu viel ist –, dafür tun, die
Weichen so zu stellen, dass wir unseren Beitrag zur wei-
teren Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung
leisten können.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607904100

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Garrelt Duin, SPD-Fraktion.

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(C (D Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol egen! Der Kollege Poß hat gerade sehr ausdrücklich arauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass wir die richigen Schwerpunkte setzen. Um in der Arbeitsmarktpoliik sowie der Haushaltsund Finanzpolitik erfolgreich zu ein, brauchen wir eine nachhaltige Wirtschaftspolitik nd ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Ich habe chon in der Debatte während der Aktuellen Stunde in er letzten Sitzungswoche, als es um ein ähnliches hema wie heute ging, gesagt, dass wir in Deutschland ine Standortdebatte brauchen, in der nicht einseitig auf ermeintliche Starrheiten des Arbeitsmarktes hingewieen wird und die nicht auf Kosten und Steuern ausgeichtet ist, sondern in der die Bedingungen für einen irklichen Qualitätswettbewerb in den Mittelpunkt ge tellt werden. Innovation ist der Schlüssel zur wirtschaftlichen eiterentwicklung in einem Hochlohnland wie Deutsch and, was wir weiterhin bleiben wollen. Innovationen ommen aus den Universitäten, vielen mittelständischen etrieben, die unter anderem als Zulieferer tätig sind nd eigene Produkte für den Markt entwickeln, und der ndustrie. Viele qualifizierte Dienstleistungen hängen nmittelbar von der Industrie ab. Zunehmend mehr ndustrieprodukte enthalten einen hohen Anteil an Wisen und Dienstleistungen. Europa und insbesondere eutschland brauchen deswegen auch in Zukunft eine tarke Industrie als Basis einer wissensintensiven und ettbewerbsfähigen Volkswirtschaft. Wir setzen dabei icht auf die Konservierung überholter Strukturen, sonern auf den Ausbau der qualitativen Vorsprünge. (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das hat man bei der Kohle gesehen!)

Garrelt Duin (SPD):
Rede ID: ID1607904200

ir müssen die industrielle Struktur unserer Ökonomie
uf die knapper werdenden Ressourcen einstellen. Sie
aben recht: Das hat viel mit der Kohle zu tun. Wir müs-
en uns auf die Veränderungen in diesem Bereich ein-
tellen. Das haben wir getan.

Es wird aber deutlich – darauf hat Herr Wend vorhin zu
echt hingewiesen –, dass wir einen Dissens in der Frage
aben, was die Politik, der Staat dabei machen kann. Der
taat kann und darf meines Erachtens Märkte nicht erset-
en und keine konkreten Produkte vorgeben. Aber er
ann als Pionier Leitmärkten entscheidende Impulse ge-
en. Er muss industriepolitische Prioritäten setzen und
ich in Partnerschaft mit Wirtschaft und Wissenschaft auf
trategische Felder konzentrieren. Man kann drei Dinge
un: die staatliche Nachfrage organisieren – auf diesem
eld müssen wir noch stärker werden –, die ordnungspo-

itischen Rahmenbedingungen optimieren und – Herr
uhn, hier gebe ich Ihnen ausdrücklich recht – mit ambi-

ionierten Grenzwerten in diesem Bereich, die rechtzeitig
ngekündigt werden, um Planungssicherheit zu schaffen,
nnovationen auslösen.

Wir haben in den letzten Tagen eine öffentliche Dis-
ussion über den Beitrag der europäischen und damit
icht zuletzt der deutschen Automobilindustrie zum
limaschutz erlebt. Ich will als Mitglied der Gruppe
ARS 21, die in Europa einige Dinge vereinbart hat, in






(A) )



(B) )


Garrelt Duin
Erinnerung rufen, dass die europäische Automobilindus-
trie im Jahr 1999 eine Selbstverpflichtung zum Klima-
schutz abgegeben hat, wonach für das Jahr 2008 ein
durchschnittlicher CO2-Ausstoß von 140 Gramm pro
Kilometer für die gesamte europäische Fahrzeugflotte
erreicht werden soll. Danach wird bis zum Jahr 2012
– so die Selbstverpflichtung der europäischen Automo-
bilindustrie – eine weitere Senkung auf 120 Gramm
Kohlendioxid pro Kilometer in Aussicht gestellt.

Die Koalitionsfraktionen haben sich bereits im Koali-
tionsvertrag ausdrücklich zu diesen Abgasgrenzwerten
für CO2 bekannt. Es gibt überhaupt keinen Zweifel, dass
wir, wenn die Autoindustrie in Europa ihre Selbstver-
pflichtung nicht einhält, auf europäischer Ebene selbst-
verständlich für eine entsprechende Gesetzgebung sor-
gen werden. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist völlig
klar, dass dieser Beitrag der europäischen Automobilin-
dustrie zum Erreichen der europäischen Klimaschutz-
ziele ebenso notwendig ist wie für die europäischen Ver-
braucher. Klar ist aber auch – auch das steht im
Koalitionsvertrag; Herr Zeil, Sie haben darauf Bezug ge-
nommen –, dass das Ziel von 120 Gramm CO2 nicht al-
lein durch die Veränderung der Fahrzeugtechnik erreicht
werden kann, sondern anteilig auch durch eine erhöhte
Beimischung zum Beispiel von Biokraftstoffen. Diese
muss angerechnet werden. Außerdem muss klar sein,
dass alle Fahrzeuge in Europa zum Erreichen dieses
Ziels beitragen müssen, die großen, aber auch die mittle-
ren und die kleinen. Es geht also um die Beteiligung al-
ler Fahrzeugklassen. Es darf nicht sein, dass einige Un-
ternehmen, weil sie kleine Fahrzeuge bauen, gar nichts
für das Klima zu tun brauchen, und alle anderen, vor-
zugsweise die deutsche Fahrzeugindustrie, die gesamte
Aufgabe schultern müssen.


(Martin Zeil [FDP]: Das müssen Sie Herrn Gabriel sagen!)


Diese Haltung wird sowohl von Herrn Glos als auch von
Herrn Umweltminister Gabriel und im Übrigen auch von
Herrn Verheugen vertreten. Die Unterschiede, die manch-
mal in den Medien künstlich aufgebaut werden, entspre-
chen schlichtweg nicht der Realität. Es geht um eine dif-
ferenzierte Herangehensweise.


(Beifall bei der SPD – Martin Zeil [FDP]: Dann waren es die Medien!)


Lassen Sie mich abschließend, da wir über Europa
und die Möglichkeiten des Einflusses sprechen, in der
Kürze der mir verbleibenden Zeit das Thema Airbus
aufgreifen, weil auch der Minister dieses angesprochen
hat. Ich glaube, wir haben zwei Möglichkeiten. Wir kön-
nen an Frankreich appellieren, dass die Franzosen den
staatlichen Einfluss, den sie auf industriepolitische Ent-
scheidungen in ihrem Land nehmen, ein bisschen dros-
seln mögen, so wie wir das auch tun. Sie mögen sich
also auf ein defensives Verhalten einlassen. Wir können
auch an den Weihnachtsmann glauben.


(Beifall des Abg. Ludwig Stiegler [SPD])


Ich glaube, dass wir einen anderen Weg gehen müssen:
Mit der gleichen Klarheit, Härte und Intensität, wie das
in Frankreich gemacht wird, sollten wir, was Airbus an-

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(C (D eht, im Sinne der Beschäftigten an den deutschen tandorten agieren. as Herr Enders in diesen Tagen auf einem parlamentaischen Abend in Berlin gesagt hat, war dem nicht zuräglich und hat eher für Verwirrung und Unsicherheit esorgt als für Klarheit. Ich wünsche, dass Sie, Herr los, und alle anderen erfolgreich sind im Sinne der Areitsplätze in unserem Land. Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf en Drucksachen 16/4170, 16/3450, 16/2460 und 6/2461 an die in der Tagesordnung aufgeführten Auschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – as ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be chlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 d auf: a)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607904300
Dr. Christian Ruck, Anette Hübinger, Dr. Wolf
Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Sascha
Raabe, Gabriele Groneberg, Dr. Bärbel Kofler,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Die deutsche G8- und EU-Präsidentschaft –
neue Impulse für die Entwicklungspolitik

– Drucksache 16/4160 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Zwölfter Bericht zur Entwicklungspolitik der
Bundesregierung

– Drucksache 15/5815 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hellmut
Königshaus, Dr. Karl Addicks, Harald Leibrecht,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Die Entwicklungszusammenarbeit mit Schwel-
lenländern auf eine neue Grundlage stellen

– Drucksache 16/3839 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Thilo
Hoppe, Ute Koczy, Jürgen Trittin, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN

Reformen für eine gerechte Globalisierung –
Deutsche G8-Präsidentschaft für Klimaschutz
und nachhaltige Entwicklung nutzen

– Drucksache 16/4151 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundes-
ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die beiden Präsidentschaften, die EU-Präsidentschaft
und die G-8-Präsidentschaft, sind für Deutschland und
diese Bundesregierung eine einmalige und außerge-
wöhnliche Chance, unsere globale Verantwortung deut-
lich zu dokumentieren und Schlussfolgerungen auch für
die praktische internationale Arbeit zu ziehen.

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(C (D (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut ihr ja nicht!)


abei geht es vor allen Dingen auch darum, dass nach-
altige Entwicklung, sozialer Ausgleich, Bewahrung der
mwelt, partnerschaftliche Verantwortung und die Um-

etzung der Milleniumsentwicklungsziele verwirklicht
erden.

Insgesamt ist für beide Präsidentschaften Afrika das
erbindende – ich möchte sagen – Topthema dieser Prä-
identschaften. Ich möchte an der Stelle dem Bundesprä-
identen sehr herzlich danken, dass er Afrika mit seiner
Partnerschaft für Afrika“ immer wieder auch auf die
genda Deutschlands setzt und damit die Verbundenheit
it unserem Nachbarkontinent deutlich macht. Ich

anke ihm sehr für dieses Engagement.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ei seiner letzten Reise stand das Thema der Zusam-
enarbeit der jungen Generation auf beiden Kontinenten

m Mittelpunkt. Zur Erinnerung: Fast die Hälfte aller
enschen in Afrika ist unter 18 Jahre alt. Wir sollten

nd wollen dazu beitragen, dass diesen Jugendlichen
timme und Zukunft gegeben wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte zum Zweiten daran erinnern – auch den
ollegen Tauss – –


(Jörg Tauss [SPD]: Ich begrüße Sie, Frau Ministerin!)


Ja, guten Morgen! Nehmen Sie schon einmal Platz.


(Heiterkeit und Beifall)


as geht jetzt aber nicht von meiner Zeit ab, sondern
on seiner!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Konflikte, Hunger
nd Aids sind nur eine Seite der Medaille. Afrika ist
uch ein Kontinent von positiven Botschaften. Afrika
ntwickelt höhere Wachstumsraten und demokrati-
chere Strukturen. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich
in Lob sagen: Ich finde es hervorragend, dass die Afri-
anische Union zum zweiten Mal dem sudanesischen
räsidenten Bashir die AU-Präsidentschaft verweigert
at und stattdessen den ghanaischen Präsidenten Kufuor
um Präsidenten gewählt hat.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


lückwunsch, das ist eine weise Entscheidung.

Ein Afrikaziel unserer Doppelpräsidentschaft ist ein
akt für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, verbun-
en mit nachhaltigen Investitionen. Wir wollen zum
eispiel mit der Weltbank dafür sorgen, dass es einen re-
ionalen Mikrofinanzfonds gibt, der den armen Bevöl-
erungsgruppen in Afrika den Zugang zu Krediten und
amit zu neuen Lebenschancen ermöglicht. Wir wollen
ie Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die die Euro-
äische Union mit den afrikanischen, karibischen und
azifischen Staaten abschließt, entwicklungsförderlich
estalten. Es geht nicht an, dass die 50 ärmsten Länder






(A) )



(B) )


Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
nur über ein halbes Prozent des Welthandels verfügen.
Das muss geändert werden; diese Länder müssen ihren
gerechten Anteil am Handel erhalten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir unterstützen gute Regierungsführung und ver-
weisen darauf, dass es einen Überprüfungsmechanismus
innerhalb der afrikanischen Länder gibt, den wir beson-
ders unter dem Gesichtspunkt der Bekämpfung von Kor-
ruption unterstützen.

Nicht zuletzt wollen wir gerade während unserer G-8-
und EU-Ratspräsidentschaft dazu beitragen, HIV/Aids
zu bekämpfen. Es ist ein Skandal, liebe Kolleginnen und
Kollegen, dass mittlerweile im südlichen Afrika 70 Pro-
zent aller Infizierten Frauen sind. Wir wollen, dass ein
Schwerpunkt bei der Bekämpfung von HIV/Aids bei den
Frauen gesetzt wird und dass Frauen und Kinder gerettet
werden. Das ist wichtig und das wollen wir zu einem
Schwerpunkt unserer Arbeit machen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte im Übrigen darauf hinweisen, dass es
nachher, zwei Tagesordnungspunkte weiter, noch eine
Debatte zur Genitalverstümmelung von Frauen gibt. Ich
will an dieser Stelle sagen: Unser Ministerium ist engagiert
im Kampf gegen diese widerwärtige Menschenrechtsver-
letzung an Frauen. Wir unterstützen die afrikanischen Staa-
ten und vor allen Dingen die Nichtregierungsorganisatio-
nen im Kampf dagegen. Es ist zum Beispiel in Benin
gelungen, das Abschwören von der Genitalverstümme-
lung durch alle Gesellschaftsgruppen zu erreichen. Das
ist ein riesengroßer Fortschritt, den wir auch in anderen
Ländern erreichen wollen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen unsere Entwicklungspolitik an den fol-
genden Kriterien orientieren: Die Effektivität muss ge-
steigert werden. Wir wollen eine bessere Arbeitsteilung
zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaa-
ten. Dazu werden wir ganz konkrete Vorschläge vorle-
gen und hoffentlich auch im Rat der Entwicklungsminis-
ter beschließen lassen. Selbstverständlich wollen wir
auch den Stufenplan zur Steigerung der Finanzmittel für
die Entwicklungszusammenarbeit umsetzen. Ich will
darauf hinweisen, dass beim Gipfel in Gleneagles alle
Staats- und Regierungschefs zugesagt haben, dass bis
zum Jahr 2010 die Mittel für die Entwicklungszusam-
menarbeit für Afrika verdoppelt werden sollen. Auch
dem sind wir verpflichtet, und das hat entsprechende
Konsequenzen, die wir mittragen müssen und auch wol-
len.

Klima und Energie. Wir wissen – nicht erst seit dem
Bericht von Nicholas Stern –, dass der Klimawandel be-
sonders zulasten der ärmsten Entwicklungsländer und
der Länder in Afrika geht, die für die entsprechenden
Belastungen durch den CO2-Ausstoß in keiner Weise
verantwortlich sind. Eines unserer zentralen Ziele ist,
eine nachhaltige Energieversorgung, Energieeffizienz
sowie den sofortigen und konsequenten Ausbau erneuer-

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(C (D arer Energien – eine der zentralen Aufgaben gerade mit lick auf die afrikanischen Länder – voranzubringen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Gleichzeitig wollen wir den Entwicklungsländern
elfen, mit dem Klimawandel fertig zu werden und ihre
älder zu erhalten. Unser Planet Erde hat keine Zukunft

hne den Schutz unserer Lebensgrundlagen und ohne
en Schutz der Biodiversität. Das muss jedem klar sein,
uch uns selbst!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir wollen strategische Partnerschaften aufbauen;
ir tun dies schon jetzt. In diesem Kontext steht die Ko-
peration mit China. Wir können den Klimawandel nur
emeinsam mit China eindämmen. Wenn wir erneuer-
are Energien in China fördern, dann sind das – auch im
inblick auf unsere eigene Zukunft – gut angelegte In-
estitionen. Das muss immer wieder klargemacht wer-
en.

Unabhängig davon gibt es aus afrikanischen Ländern
dankenswerterweise – immer mehr Kritik am Vorge-
en Chinas in Afrika. Die Zerstörung lokaler Industrie-
nd Arbeitsmärkte wird zu Recht beklagt. Diese Kritik
nterstützen wir, und wir üben sie auch im Gespräch mit
er chinesischen Seite. Sie ist bitter notwendig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir brauchen den Dialog mit der Zivilgesellschaft.
eshalb bitte ich alle Anhänger der Zivilgesellschaft in
nserem Land, für die Heiligendamm ein Merkposten
st, diese Ziele gemeinsam zu unterstützen. Sie wissen:
uf dem Gipfel von Köln 1999 wurde die Entschuldung
er ärmsten Länder beschlossen. In Gleneagles gab es
inen weiteren Erlass der Schulden der ärmsten Länder.
eiligendamm muss die Versprechen erfüllen und einen
achhaltigkeitspakt mit unserem Nachbarkontinent
frika schließen.

Ich komme zum Schluss. Amartya Sen hat zum
hema „Auswirkungen der Globalisierung“ gesagt:

Wer der Globalisierung ihren Stachel nehmen will,
muss dafür sorgen, dass ihr gewaltiger Nutzen ge-
rechter verteilt wird – nicht in dieser unausgewoge-
nen und ungleichen Weise wie jetzt.

iebe Kolleginnen und Kollegen, das ist auch unsere Zu-
unftsfrage. Wir wollen ihre Beantwortung während un-
erer Präsidentschaften entschlossen angehen und einen
raktischen Beitrag zur Lösung der damit verbundenen
robleme leisten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607904400

Das Wort hat der Kollege Hellmut Königshaus, FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1607904500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist

wirklich ein Jammer: Endlich einmal eine Kernzeitde-
batte zur Entwicklungspolitik, endlich einmal die Gele-
genheit, auch die Kollegen aus anderen Bereichen mit
diesem wichtigen Thema zu befassen, und nun das. Die
Bundesregierung legt uns hier einen Bericht vor, der
wirklich reichlich angestaubt ist: Er stammt aus dem
Mai 2005. Ich wiederhole: Mai 2005. Man sieht daran,
welche dynamische Entwicklung die Entwicklungspoli-
tik unter der Kanzlerin Merkel offenbar genommen hat.
Frau Ministerin, herzlichen Glückwunsch! Sie haben es
geschafft, die rot-grüne Politik in diesem Bereich völlig
ungestört fortzusetzen. Auch das muss man erst einmal
schaffen.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt eine Gemeinheit, Herr Kollege! – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Nehmen Sie einmal zu unserem Antrag Stellung!)


Außerdem liegen Anträge der Koalition und der Grü-
nen vor. Beide wurden ganz offenkundig aus dem Fun-
dus zusammengeklaubt. Was darin steht, das sind wirk-
lich lauter olle Kamellen. Das ist wirklich schade. Gut,
dass wenigstens unser Antrag tagesaktuell ist: Er befasst
sich wirklich mit dem von Ihnen angesprochenen Thema
der Schwellenländerpolitik.


(Beifall bei der FDP)


Die Schwellenländer, insbesondere Indien und China,
haben sich doch wirtschaftlich weiß Gott rasant entwi-
ckelt. Sie sind inzwischen längst zu echten Wettbewer-
bern für die europäische und insbesondere für die deut-
sche Wirtschaft geworden. Mit ihrer enormen
Wirtschaftskraft haben sie teilweise mehr Einfluss auf
die Entwicklung in der Welt als mancher G-8-Staat.
Dennoch behandeln wir diese Länder nach wie vor so,
als habe sich dort in der Vergangenheit nichts getan.


(Jörg Tauss [SPD]: Sollen wir die Demokratisierungsprojekte in China etwa nicht mehr fördern?)


Deshalb – dies stellen wir in unserem Antrag sehr
ausführlich dar –, Kollege Tauss, müssen wir unsere Po-
litik gegenüber den Schwellenländern auf eine neue
Grundlage stellen.


(Jörg Tauss [SPD]: Was sollen wir in China nicht mehr machen? Sagen Sie doch dazu einmal etwas!)


Angesichts der in manchen dieser Länder angehäuf-
ten Devisenreserven wirken unsere Zahlungen trotz ih-
rer wirklich beträchtlichen Größenordnung geradezu
grotesk. Die Devisenreserven Chinas beispielsweise sind
– natürlich nur dem Betrag nach – größer als der Schul-
denberg des Herrn Steinbrück; das will weiß Gott etwas
heißen.


(Jörg Tauss [SPD]: Sagen Sie: Welches Programm sollen wir streichen?)


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(C (D Es ist aber nicht etwa so, dass der chinesische Finanzinister dem Herrn Steinbrück hilft. Nein, es ist genau mgekehrt: Herr Steinbrück macht zulasten unserer Kiner und folgender Generationen Schulden, um Geld nach hina zu schaufeln. Für wie blöd müssen uns die Chine en eigentlich halten, wenn wir sagen, dass wir eine solhe Politik in die Zukunft perpetuieren wollen? (Beifall bei der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Das ist mal wieder typisch FDP! Wirklich vom Feinsten!)


Die Inder, Brasilianer und Südafrikaner sagen sich:
olange ihr uns Geld gebt, nehmen wir es dankend an;
ötig ist es allerdings nicht. – Gewiss, auch in diesen
ändern gibt es Armut; das ist ganz klar. Aber sie benö-

igen nicht in erster Linie Geld; das haben sie. Was sie
rauchen, ist technische Hilfe. Dafür können sie bezah-
en. Dazu sind sie auch bereit. Dieses Geld sollten wir
uch annehmen.


(Beifall bei der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir jetzt schon fünfzigmal gehört, Herr Königshaus! Aber das, was Sie sagen, wird durch ständige Wiederholung wirklich nicht besser!)


China beispielsweise ist inzwischen zu einem der
ichtigsten Geber in Afrika geworden. Aber China geht

nders vor als wir, die wir ethische Ziele verfolgen.
ein, die Chinesen pumpen Geld nach Afrika und treten
ort generös in Spendierhosen auf. Gleichzeitig schicken
ir Geld nach China. China gewinnt in Afrika an Ein-

luss und sichert seine Rohstoffbasis, während wir dort
n zunehmendem Maße beides verlieren, weil wir unser
hnehin nur gepumptes Geld nach China schicken, an-
tatt dort unsere Interessen zu vertreten.


(Jörg Tauss [SPD]: Na, Herr Königshaus! Das wird ja langsam unmöglich! – Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Ich habe die Ministerin so verstanden, als müssten wir
it unserer Entwicklungszusammenarbeit in China un-

er Klima verteidigen. – Dort meldet sich jemand zu ei-
er Zwischenfrage, Frau Präsidentin. – Dazu kann ich
hnen nur sagen: Wenn wir der chinesischen Politik in
frika, dem Raubbau, den China dort betreibt, und der
ücksichtslosigkeit, mit der das Land vorgeht, in den
rm fallen, tun wir mehr für das Weltklima als mit je-
em Windpark, den wir in China aufbauen.


(Jörg Tauss [SPD], zur Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] gewandt: Frau Kollegin, nicht die Redezeit verlängern, bitte!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607904600

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Koczy?


Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1607904700

Aber selbstverständlich, insbesondere von der Kolle-

in Koczy.






(A) )



(B) )


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607904800

Herr Kollege, vor Kurzem fand eine Veranstaltung

der GKKE, der katholischen und der evangelischen Kir-
che, zum Thema Armutsbekämpfung statt. Beide Kir-
chen haben dazu aufgefordert, den Blick darauf zu rich-
ten, dass in den vier Schwellenländern bzw. sogenannten
Ankerländern China, Indien, Brasilien und Südafrika die
Hälfte aller Armen weltweit lebt. Wie stehen Sie zu der
Aufforderung der Kirchen, dass die Armutsbekämpfung
in Ländern wie Indien und China auch in Zukunft von
deutscher Seite zu unterstützen ist?


Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1607904900

Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass wir hierzu ei-

nen Beitrag leisten.


(Jörg Tauss [SPD]: Ach! Aha!)


Aber natürlich muss auch eine angemessene Eigenbetei-
ligung stattfinden. Es ist doch nicht einzusehen, dass die
chinesische Staatswirtschaft die halbe amerikanische
Wirtschaft aufkauft und wir in irgendwelchen staubigen
Regionen Chinas Armutsbekämpfung betreiben. Das
muss nicht sein.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist doch Stammtisch, Mensch!)


– Weil ich diesen Zuruf gehört habe, sage ich: Das hat
nichts mit Stammtisch zu tun.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Brüderle!)


– Nein, das ist auch nicht Brüderle. Brüderle befasst sich
mit diesem Thema nicht mehr.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der SPD: Das ist ja interessant! – Das merkt man!)


Dieses Thema haben wir in unserer Diskussion längst
geklärt. Für jedermann ist klar, dass wir uns nicht Geld
pumpen können, um Ländern wie China das Schulden-
machen zu ersparen und ihre eigenen Probleme zu lösen.
Aber wir dürfen die wirklich Bedürftigen, die sich nicht
selbst helfen können, nicht zugunsten einer solchen Poli-
tik vernachlässigen. Das wäre nicht fair.


(Beifall bei der FDP)


Deshalb wollen wir diese Politik nicht fortsetzen. In
unserem Antrag fordern wir genau das, was auch die
meisten Kollegen von der Union, wie ich weiß, unter-
stützen – offenbar ist der Kollege Kampeter der Einzige,
der das offen aussprechen darf –: Schluss mit diesem
Unfug!

Wer hindert Sie eigentlich daran, hier eine Kurskor-
rektur vorzunehmen, die weiterhin nötige Hilfe an eine
Eigenbeteiligung zu binden und unsere Aufmerksamkeit
tatsächlich den wirklich Bedürftigen zuzuwenden? Stim-
men Sie unserem Antrag zu, verwerfen Sie Ihre beiden
Patchwork-Anträge und werfen Sie den Bericht der Bun-
desregierung dorthin, wo er hingehört: ins Archiv des
Vergessens!

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(C (D (Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Na, na, Vorsicht!)


Wahrscheinlich wird die Bundesregierung in der Lage
ein, irgendwann einen neuen Bericht abzugeben, in dem
ber das, was die Ministerin uns eben hier mitgeteilt hat,
uskunft gegeben wird. Vielleicht können wir dann über
ie Schlagworte hinaus, die sie hier aufgezählt hat, auch
twas Substanzielles hören.

Was wollen Sie aus diesem Bericht aus dem
ahr 2005 hier denn noch erörtern? Das sind zwei Jahre
lte olle Kamellen, die natürlich rot-grün durchwirkt
ind. Sie stammen ja aus dieser Zeit. Der Neuigkeitswert
esteht allenfalls darin, dass die Große Koalition unter
eteiligung und Führung der Union diese rot-grüne Poli-

ik jetzt offenbar als ihre eigene zu verkaufen gedenkt.
as kann doch wohl auch aus Ihrer Sicht nicht richtig

ein.


(Beifall bei der FDP)


Um diesen Bericht angemessen zu würdigen, genügt
s eigentlich, den damaligen Oppositionsabgeordneten
r. Ruck zu zitieren. Er hat beispielsweise am
. Mai 2003 hier zu dieser Politik ausgerufen: Sie, Frau
inisterin, hüpfen von einem Elend oder Krisenherd

um anderen, nach dem Motto: Ziel ist, was Publicity
chafft. Dem ist gerade in Bezug auf diesen Bericht
berhaupt nichts hinzuzufügen.

Nun aber zu dem Antrag der Koalition. Wie pein-
ich! Im Rubrum als Erster gleich wieder der Kollege
r. Ruck, der heute Koalitionsabgeordneter ist. Auch
ort ist inhaltlich alles wieder wie unter Rot-Grün ge-
abt. Dieser Bericht ist aktueller, als man auf den ersten
lick glaubt, wenn man Ihren Bericht liest. Die Textbau-

teine wurden in den letzen Tagen allerdings ganz offen-
ar wieder überstürzt auf dem Wühltisch mit den vor-
andenen Papieren zusammengestoppelt. Folgerichtig
ehen Sie mit Ihrem Antrag auch an den drängenden ak-
uellen Herausforderungen vorbei.

Während beispielsweise die Kanzlerin, die jetzt nicht
a ist, die Bedeutung der zivilen Komponente in Afgha-
istan immer wieder betont und während hier in Berlin
as internationale Koordinierungskomitee zum Wieder-
ufbau Afghanistans tagt, bekommen Sie es fertig, einen
ntrag zur Entwicklungspolitik vorzulegen, in dem das
ort Afghanistan nicht einmal in einer Fußnote auf-

aucht. Das sollen neue Impulse für die Entwicklungspo-
itik sein? Schauen Sie einmal nach! Fehlanzeige! Keine
mpulse! Nirgendwo!


(Beifall bei der FDP)


Man hat den Eindruck, dass Sie vielleicht zu lange auf
mpulse der Bundesregierung gewartet haben. Aber da
am natürlich nichts. Deshalb haben Sie offenbar ges-
ern noch schnell etwas zusammentragen lassen und nen-
en es nun Antrag. Nebenbei bemerkt: Eingang gestern
achmittag. Der erste Monat der Präsidentschaft war da

chon vorbei. Guten Morgen, meine Damen und Herren!

Bei den Grünen war es ähnlich. Sie legten allerdings
mmerhin schon gestern Vormittag Ihren Antrag vor:






(A) )



(B) )


Hellmut Königshaus
eine gedrängte Zehnjahresliste aller Ihrer Anträge, die
Sie immer schon gestellt haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Besser etwas Neues als alte Textbausteine von Ihnen!)


Die Absicht, die Sie haben und hatten, war aber schlicht
und einfach, das Thema nicht allein der FDP zu überlas-
sen.


(Jörg Tauss [SPD]: Das kann man ja gar nicht!)


Deshalb haben Sie solche Papiere zusammengestellt.

So, wie Sie das hier betrieben haben, so lieblos, so zu-
sammengestoppelt, so zusammenhanglos, kann man
weiß Gott nicht für Entwicklungspolitik werben. Nutzen
Sie die Chancen, die Sie jetzt haben, und kommen Sie
mit Inhalten rüber! Dann können wir in Zukunft in der
Entwicklungspolitik auch gemeinsam etwas bewirken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Königshaus, Sie waren wirklich schon besser! – Dr. Sascha Raabe [SPD]: Außer „China“ haben Sie doch kein Wort gesagt!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607905000

Das Wort hat der Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1607905100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Königshaus, ich fand Sie heute sehr aufgeregt und hek-
tisch, sogar ein bisschen überaufgeregt.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Ja, sehr richtig!)


Deswegen sind Ihnen auch manche Dinge herausge-
platzt, die Sie normalerweise so nicht gesagt hätten. Das
nehmen wir Ihnen nicht übel.


(Jörg Tauss [SPD]: Ein bisschen schon!)


Sie gestatten aber, dass ich genau das, was Sie ange-
mahnt haben, auch tun möchte, nämlich den Zusammen-
hang zu dem herzustellen, über das wir heute diskutie-
ren.

In der Tat: Durch die Globalisierung und das Ende
des Ost-West-Konflikts wurde die Welt verändert. Das
zwingt uns natürlich, auch die Weichen in der Entwick-
lungspolitik neu zu stellen. Das Ende des Ost-West-Kon-
flikts war natürlich ein großer Segen – das ist akzeptiert –,
aber es hat gerade in Entwicklungs- und Transforma-
tionsländern dramatische Entwicklungen ausgelöst, die
neue Probleme bringen oder alte verschärfen. Wir sehen
auf der einen Seite Länder mit Tendenzen zu Staatszer-
fall, zu Bürgerkriegen, zu politischen Wirren, zu Stagna-
tion und Perspektivlosigkeit und auf der anderen Seite,
nicht zuletzt durch die Erfolge der Entwicklungshilfe
und der Entwicklungszusammenarbeit auch Deutsch-

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(C (D ands, kleine und große Entwicklungsländer, die erstauniche Fortschritte machen, die sogenannten Schwellenänder, die uns jetzt aber – so paradox das ist – neue robleme bereiten, etwa die Verschärfung des Wettbeerbs um Rohstoffe, Märkte und Energiequellen. Besorgniserregend ist, dass die Kluft zwischen den rfolgreichen Industrieund Schwellenländern einerseits nd den erfolglosen Entwicklungsländern andererseits owie die Kluft innerhalb dieser Länder wächst. So gibt s wirklich schreckliches Elend auf der einen Seite und ärchenhaften Reichtum auf der anderen Seite. Daraus rgibt sich die Konsequenz, dass unsere Welt zunehend aus dem Gleichgewicht gerät. Globalisierung heißt in diesem Zusammenhang, dass ir als Deutsche und Europäer von den gewaltigen Umrüchen auf diesen Kontinenten zunehmend unmittelbar nd hautnah betroffen sind und auch stärker darauf reaieren müssen. Wirtschaftliche und ökologische Risiken, teigende Migration, wachsende soziale Spannungen bis in zu unmittelbarer Bedrohung unserer Sicherheit, alles as erzwingt eine aktivere deutsche und europäische Poitik auch gegenüber den Entwicklungsländern bis hin zu riedenseinsätzen der Bundeswehr. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD])


Die Entwicklungspolitik nimmt dabei eine Schlüssel-
olle ein, und zu dieser Schlüsselrolle bekennen wir uns.
ie muss nämlich helfen, politische und wirtschaftliche
trukturen in den Entwicklungsländern zu verbessern.
ie muss Entwicklungsperspektiven für die Menschen
röffnen, Spannungen mildern und globale Gefahren
ort abwehren, wo sie entstehen. Das ist die Aufgabe ei-
er modernen Entwicklungspolitik.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Vor diesem Hintergrund hat die internationale
emeinschaft auf guten Konferenzen eine ganze Reihe

on guten Beschlüssen gefasst. Zu nennen sind die Mil-
enniumserklärung, Monterrey, die Afrikainitiativen der

8, der Johannisburggipfel, die Erklärung von Paris zur
erbesserung der Effizienz. Das alles war gut und rich-

ig. Das alles war mit ein Ergebnis einer engagierten
eutschen politischen Beteiligung. Aber von den Be-
chlüssen zur Umsetzung ist es noch ein weiter Weg.
erade auch deswegen ruhen viele Hoffnungen auf uns,

uf Deutschland, die wir heuer den G-8-Gipfel beherber-
en und die EU-Ratspräsidentschaft innehaben.

Herr Königshaus, ich muss Ihnen übrigens eines sa-
en: Ihr plumper Trick, um die Koalitionspartner, die in-
wischen in bewährter Weise zusammenarbeiten, ausein-
nderzudividieren – das kennen wir von Juso- und JU-
eiten –, wird hier nicht helfen. Sie werden sich an uns
ie Zähne ausbeißen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir haben es durchschaut!)


Ja.






(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck
Wahr ist – das können auch Sie nachlesen –: Bundes-
kanzlerin Angela Merkel hat die Entwicklungspolitik –
das war auch schon Thema ihrer ersten Regierungserklä-
rung; ich nenne in diesem Zusammenhang auch den ges-
trigen Unionskongress –


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig! Ein guter Kongress!)


stärker als alle ihre Vorgänger zu einem Fokus ihres Re-
gierungshandelns gemacht. Das sieht man auch am Ent-
wicklungshaushalt, der in den letzten zwei Jahren um
mehr als eine halbe Milliarde Euro gestiegen ist.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Weitere Steigerungen sind im Busch.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Auch in der Savanne!)


Daran haben auch Sie nichts zu mäkeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Gemeinsam haben wir erkämpft – daran sieht man,
dass die Entwicklungspolitik ein viel stärkeres Gewicht
erhalten hat –, dass ganz wichtige Themen unserer Ta-
gesordnungen auch auf den Tagesordnungen der Rats-
präsidentschaft und des G-8-Gipfels stehen. Es sind
zentrale Elemente und Aspekte unserer Entwicklungspo-
litik. Zum einen geht es um eine bessere Arbeitsteilung
und Koordinierung. Wir müssen in diesem Jahr einen
entscheidenden Schritt – dies ist doch auch Ihr Anliegen –
auf dem Weg zu einer transparenteren, effizienteren und
schlüssigeren Aufgaben- und Arbeitsteilung, vor allem
zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, vorankom-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Wir möch-
ten Sie, Frau Ministerin, zu den Fortschritten, die sich
abzeichnen, beglückwünschen, aber auch dazu ermuti-
gen, diesen Kampf eisern fortzuführen. Unsere Rücken-
deckung haben Sie.

Ein Beispiel – wir kennen es alle – ist doch, dass viele
ärmere Entwicklungsländer mit schwachen Strukturen
schon allein dadurch plattgemacht werden, dass 40 oder
50 Geberdelegationen kommen und sie fragen, was sie
wollen. Da ist noch kein Spatenstich passiert, und die
Länder sind – durch unsere Hilfe – schon am Ende.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das muss sich ändern.

Wichtig ist auch, dass bei den Handelsbeziehungen
zwischen Europa und den Entwicklungsländern Fort-
schritte erzielt werden. Das ist auch richtig gesagt wor-
den. Dabei geht es nicht nur um Liberalisierung. Es geht
darum, dass man durch Liberalisierung Wachstumsef-
fekte erzeugt, die natürlich auch den Armen in den Ent-
wicklungsländern zugutekommen müssen.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wie denn konkret?)



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(C (D Wenn Sie mir eine Zwischenfrage stellen, kann ich Ihen das ausführlich erläutern. Richtig ist auch, dass Klimaund Energiefragen in en Fokus rücken. Zu Recht ist der Stern-Report erähnt worden. Er macht uns in dramatischer Weise klar, ass wir uns auch auf diesem Gebiet stärker anstrengen üssen. Das gilt ebenso für die Entwicklungsund die chwellenländer. Für uns ist auch der Dialog mit Afrika ganz wichtig. frika wird im Fokus von G 8 und EU stehen. Aber ent cheidend ist, dass wir nicht nur über Finanzen sprechen nd darüber, was wir für Afrika tun können, sondern ass wir die Afrikaner auch fragen: Was ist mit eurer Reierungsführung? Was ist mit euren Vorschlägen? Was ind eure Beiträge, um euren eigenen Kontinent besser n den Griff zu bekommen? (Zuruf von der FDP: Das muss man dann aber auch tun!)


Natürlich dürfen wir gerade in Bezug auf Afrika nicht
ie Augen vor Fortschritten verschließen, vor Fortschrit-
en bei Wachstumsraten, aber auch in Demokratiefragen.
iele von uns waren in Ghana. Ghana ist ein gutes Bei-

piel, aber es gibt auch andere gute Beispiele. Nach wie
or gilt das Wort des ehemaligen Weltbankvizepräsiden-
en Richard, der vor zwei Jahren im Ausschuss gesagt
at: Die Armutsbekämpfung in Afrika kommt deswe-
en nicht voran, weil es in Afrika die meisten Länder mit
chlechter Regierungsführung gibt. – Ich glaube, dass
ir auch dieses Thema zur Sprache bringen müssen und
on den Afrikanern Lösungsvorschläge fordern müssen.


(Beifall des Abg. Dr. Karl Addicks [FDP])


as ist ein wichtiger Punkt; denn – auch das war Tenor
nseres gestrigen Kongresses – die entscheidende Frage
n der Entwicklungspolitik ist nicht so sehr das Geld,
ondern die Frage: Gibt es entwicklungsorientierte Re-
ierungen und Eliten, gibt es Good Governance in die-
en Ländern? Und gibt es auch bei uns Good Gover-
ance, zum Beispiel in Handelsfragen und anderen
ingen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Margareta Wolf [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich glaube, dass wir auch uns als Industrieländer ge-
ade mit Blick auf Afrika fragen müssen, wie wir die

ildwestmethoden bei der Ausbeutung von Rohstoffen
n Afrika abstellen wollen, wie wir den Afrikanern dazu
erhelfen können, dass sie den Reichtum, den sie im Bo-
en haben, ordentlich und für ihre eigene Bevölkerung
ewinnbringend abbauen können. Da spielen natürlich
hina und andere Schwellenländer – China ist ja nur der
öse Vorzeigeknabe – eine wichtige Rolle. Man muss
wischen der berechtigten und der unberechtigten Kritik
n diesen Ländern unterscheiden. Unberechtigt ist, ihnen
orzuwerfen, dass sie allmählich das machen, was wir
chon immer gemacht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck
Berechtigt ist aber die Forderung, dass sie mit uns zu-
sammen einen Verhaltenskodex entwickeln, der auch un-
seren entwicklungspolitischen Vorstellungen von Men-
schenwürde und Demokratie entspricht und nicht Good
Governance und Bad Governance durcheinanderbringt,
wie es bei den Chinesen der Fall ist. Das ist der Punkt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Für mich – auch das möchte ich Ihnen sagen, Herr
Königshaus – ist es die falsche Strategie, angesichts des
Verhaltens der Chinesen beleidigt zu sein. Ich bin auch
nicht für eine offene politische Kriegserklärung. Ich bin
fest davon überzeugt – nach unserem gestrigen Kongress
umso mehr –, dass wir mit einer intensiveren Zusam-
menarbeit und auch einem offenen Dialog eine gute
Chance haben, Einfluss auf die Politik dieser Länder, so-
gar auf die Politik Chinas, zu nehmen.

Herr Königshaus, ich rate Ihnen, einmal eine nüch-
terne Analyse von dem zu erstellen, was wir bereits mit
Kreditfinanzierung und anderen Maßnahmen auf den
Weg gebracht haben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607905200

Herr Kollege, darf ich Sie ebenfalls an Ihre Redezeit

erinnern?


Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1607905300

Ich bedanke mich für den Hinweis, Frau Präsidentin.

Ich befinde mich bereits im Sinkflug.


(Heiterkeit)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607905400

Es muss aber ein schneller Sinkflug sein.


(Heiterkeit)



Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1607905500

Jawohl. – Vor diesem Hintergrund wünsche ich unse-

rer Kanzlerin und allen beteiligten Ministerinnen und
Ministern eine glückliche Hand und viel Erfolg beim
Bohren dicker Bretter. Denn eine solche Gelegenheit
kommt so schnell nicht wieder. Ich wünsche viel Erfolg
bei der EU-Ratspräsidentschaft und beim G-8-Gipfel.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607905600

Nächster Redner ist der Kollege Hüseyin Aydin,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607905700

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die unsoziale Politik der Bundesregierung ist
unpopulär. Der Außenminister steht auf der Kippe. Da
kommt die aktuelle G-8-Präsidentschaft gerade recht,
um sich wenigstens auf internationalem Parkett als
Speerspitze der Armutsbekämpfung darzustellen.

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(C (D (Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das war ein toller Einstieg!)


Auf dem G-8-Gipfel vor zwei Jahren wurde den
8 höchstverschuldeten Ländern ein Teilerlass ihrer
chulden versprochen. Geschehen ist aber so gut wie
ichts. Nach Angaben der Weltbank flossen 2004 über
33 Mil-liarden US-Dollar an Kreditrückzahlungen aus
em Süden in den Norden. Das war mehr als viermal so
iel wie die kombinierte Entwicklungshilfe aller Indus-
riestaaten zusammen.

Ich betone: Die eigentlichen Kredite sind längst zu-
ückgezahlt worden. Doch die armen Länder stöhnen
eiter unter der Last der Zinsen. Bei Geld hört die
reundschaft auf. Ich sage Ihnen: Auch von Heiligen-
amm ist nichts zu erwarten.


(Zuruf von der SPD: Ach ja!)


ie sogenannte Entschuldungsinitiative der G 8 ist nichts
ls eine große Augenwischerei.


(Beifall bei der LINKEN)


as erklärt, warum Deutschland effektiv weniger als je
uvor in die Entwicklungszusammenarbeit steckt.

Frau Merkel, ich muss heute in der Zeitung lesen,
ass Sie darüber nachdenken, auch noch Militäreinsätze
ie im Kongo aus dem Topf der Entwicklungshilfe zu

ahlen. Während das Geld für Gesundheit und Bildung
ehlt, erklären Sie dreist, Deutschland würde die Millen-
iumsziele erreichen. Der vorliegende Antrag der Regie-
ungsparteien reiht sich nahtlos in diese Beschönigungs-
olitik ein. Sie wollen uns tatsächlich weismachen, dass
ie G 8 sich „zu einer wichtigen Institution des interna-
ionalen Entwicklungsdialogs entwickelt“ haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist doch gut!)


Wie dieser Dialog aussah, ist hinlänglich bekannt:
ie Staaten der G 8 dominieren die multilateralen Fi-
anzinstitutionen IWF und Weltbank. Sie haben diesen
influss genutzt, um die armen Länder zu erpressen. Im
uge der sogenannten Strukturanpassungsprogramme
er 80er- und 90er-Jahre wurden afrikanische Staaten
ezwungen, öffentliche Unternehmen zu privatisieren.
eute wird diese Politik unter dem zynischen Namen
rmutsreduzierung fortgesetzt. Doch arm bleibt arm.

Davon konnte ich mir in der letzten Woche aus Anlass
es Weltsozialforums in Kenia ein Bild machen. Mithilfe
er korrupten Regierungen Moi und nun auch Kibaki
onnte sich das internationale Kapital profitträchtige
nternehmen wie die staatliche Fluglinie unter den
agel reißen. Die Kehrseite ist: Der Verkauf von staatli-

hen Betrieben hat in den letzten zehn Jahren 80 000 Ar-
eitsplätze gekostet. Die Armut nimmt zu; die Slums
achsen. Die Aidsraten steigen rapide in die Höhe. In ei-
em Elendsviertel von Nairobi leben 500 000 Kinder
wischen sechs und 15 Jahren. Doch dort gibt es nur vier
chulen. UN-Generalsekretär Ban hat gestern diesen
lum besucht und seine Betroffenheit erklärt. Doch die
enschen brauchen keine Worte, sondern Taten.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Hüseyin-Kenan Aydin
Außer Frage steht: Die deutsche Entwicklungshilfe
leistet in Kenia gute Arbeit. Doch leider wird die enga-
gierte Arbeit der Entwicklungshelfer durch die aggres-
sive Marktöffnungspolitik der G 8 völlig konterkariert.
Die Bundesregierung ist daran aktiv beteiligt. Derzeit
wird aus Mitteln deutscher Entwicklungszusammenar-
beit die Wasserversorgung in Kenia aufgebaut, um sie
später an profitorientierte Unternehmen zu veräußern.
Wozu das geführt hat, kann man sich im Nachbarland
Tansania anschauen.


(Birgit Homburger [FDP]: Geht es nicht auch ein bisschen leiser?)


Die Regierungsparteien versprechen in ihrem Antrag
neue Impulse für die Entwicklungspolitik. Doch all das,
was sie uns vorsetzen, ist der gleiche alte neoliberale
Quark. Die Linke sagt Nein zu einer Politik, die nur den
Konzernen auf der Welt nutzt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607905800

Nächster Redner ist der Kollege Thilo Hoppe,

Bündnis 90/Die Grünen.


Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607905900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich habe den Eindruck, in dieser Debatte sagt jeder das,
was er schon immer einmal sagen wollte oder schon in
anderen Debatten gesagt hat.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist meistens so!)


Ich möchte mich jetzt stark auf die große Chance be-
ziehen, die sich durch die Doppelpräsidentschaft in der
G 8 und der EU bietet. Deutschland könnte und müsste
neue Impulse setzen, und zwar nicht nur für die Ent-
wicklungspolitik, auf die sich die Koalition in ihrem An-
trag beschränkt, sondern auch für den Klimaschutz, die
internationale Abrüstung, einen neuen Ordnungsrahmen
und neue durchsetzungsfähige Spielregeln in der Globa-
lisierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Doch leider ist die Bundesregierung dabei, diese
Chance zu vertun. In den Reden, die wir heute oder auch
zum Beispiel gestern von der Bundeskanzlerin auf dem
entwicklungspolitischen Kongress der CDU/CSU-Frak-
tion gehört haben, wurde zwar viel Richtiges gesagt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Das kann ich unterstreichen; da habe ich mich kaum an
irgendwelchen Äußerungen stoßen können. – Aber Ent-
wicklungsrhetorik allein reicht nicht. Den schönen Wor-
ten müssen auch Taten folgen.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Schauen Sie sich doch den Haushalt an! Was haben Sie denn in Ihren sieben Jahren gemacht?)


– Warten wir einmal den Haushalt ab. Sie vertrösten uns
schon seit Monaten.

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(C (D (Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: 16 Prozent Steigerung in zwei Jahren!)


ie haben die Debatte im Sommer verzögert, als es um
ie Einführung der Flugticket-Tax, um innovative Finan-
ierungsinstrumente ging. Da wurde immer wieder ge-
agt: Wir sind dabei; da ist etwas im Busche. – Wir ha-
en nun lange darauf gewartet, dass der Vorhang
elichtet und präsentiert wird,


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Eine Steigerung jagt die andere!)


elche innovativen Finanzierungsinstrumente, zum Bei-
piel die Tobin Tax, die Kerosinsteuer oder zumindest
ie Flugticketabgabe, Deutschland einführt. Aber nichts
eschieht. Fehlanzeige! Entwicklungsrhetorik allein
eicht nicht aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Gewisse Themen, die weltweit eine große Rolle spie-
en, kamen heute überhaupt nicht vor. Im Koalitionsan-
rag werden die G 8 gelobt und deren Wohltaten geprie-
en. Aber die international intensiv geführte Debatte
ber die Legitimität der G 8, darüber, dass sie ihren
orizont eigentlich überschritten hat, wird überhaupt
icht aufgegriffen. Die in Heiligendamm versammelten
taatschefs repräsentieren gerade einmal 13 Prozent der
eltbevölkerung. Dieser Klub der Reichen maßt sich an,

ber die Zukunft der Welt zu entscheiden. Ohne die stär-
ere Einbeziehung der Schwellen- und Entwicklungslän-
er lässt sich mittlerweile keine der Zukunftsfragen be-
riedigend anpacken.

Wir brauchen sehr dringend ernsthafte Anstöße für
ine Debatte darüber, wie die G 8 transformiert werden
ann. Im Grunde genommen muss diese Debatte dahin
ielen, die Strukturen der Vereinten Nationen zu stärken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


azu gibt es interessante Vorschläge, die noch überhaupt
eine Rolle gespielt haben. Ein Panel, das noch Kofi
nnan eingesetzt hat, hat konkrete Vorschläge auf den
isch gelegt, wie der ECOSOC, der Wirtschafts- und So-
ialrat der Vereinten Nationen, der zugegebenermaßen
och ein Schattendasein fristet, kräftig aufgewertet wer-
en kann. Diese Governance-Debatte wollen wir führen.
ie steht auch im Zentrum unseres Antrags.

Man kann es natürlich auch so wie die Linke machen,
ie sagt: Die G 8 dürfte es eigentlich gar nicht geben.


(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!)


eswegen setzen wir uns mit den Inhalten des G-8-Tref-
ens gar nicht auseinander und richten keine Forderun-
en an die G 8. – Wir gehen den Weg, dass wir diese Go-
ernance-Debatte führen und die Legitimation der G 8
nfrage stellen, uns aber auch zur real existierenden G 8
erhalten und sie mit unseren inhaltlichen Forderungen
onfrontieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Thilo Hoppe
In diesem Zusammenhang ist die größte Herausforde-
rung die Klimakatastrophe. Sie wird hauptsächlich von
den Industrienationen verursacht, und die Ärmsten der
Armen müssen sie ausbaden;


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Was ist mit China?)


auch das kam gestern auf dem Kongress der CDU/CSU-
Fraktion auf den Tisch. Wenn es uns nicht gelingt, die
Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen – auch das ent-
hält große Risiken –, dann wird es in Afrika – darüber
haben gestern Wissenschaftler berichtet – Ernteausfälle
von 25 bis 40 Prozent geben. Das hat dramatische Aus-
wirkungen auf die Zahl der Hungernden.

Alle G-8-Staaten, auch die USA, müssen sich zu ver-
bindlichen CO2-Reduzierungszielen verpflichten. Wie
kann Deutschland jedoch Impulse geben und eine Vor-
reiterrolle einnehmen, wenn es nicht einmal die Haus-
aufgaben im eigenen Land erledigt, wenn es sich eine
peinliche Diskussion mit der EU-Kommission leistet,
die Automobilindustrie in Schutz nimmt und keine ver-
bindlichen Reduzierungsvorgaben macht?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum Thema Abrüstung. Die G-8-Staaten sind für die
weltweit höchsten Militärausgaben verantwortlich. Gibt
es Impulse für eine neue Runde der Abrüstungspolitik?
Fehlanzeige! Besonders beim gefährlichen Atomdeal
zwischen den USA und Indien könnte Deutschland eini-
ges aufhalten. Aber dieser Themenbereich wird völlig
ausgeblendet.

Zum Thema Finanzmärkte. Hier haben die Risiken
– auch durch die Hedgefonds und Private Equity Fonds –
deutlich zugenommen. Die Forderung nach mehr Trans-
parenz reicht hier nicht aus, vielmehr brauchen wir eine
Debatte über internationale Standards in der Finanzkon-
trolle.

Auch zum Thema Austrocknung der Steueroasen fin-
den wir im Antrag der Koalition nichts. Hier müssen die
G 8 voranschreiten, sie müssen neue Impulse geben.
Dass das nicht geschieht, liegt vielleicht daran, dass
viele Nutznießer dieser Steueroasen in den G-8-Staaten
zu finden sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nun zum Thema Entwicklungspolitik, das in der
heutigen Debatte von den meisten Rednern in den Vor-
dergrund gestellt worden ist. Entwicklungsrhetorik reicht
nicht aus. Sie sprechen die notwendigen Reformen an;
dabei kann ich Sie unterstützen. Sie sind notwendig und
richtig. Wir brauchen bessere Regierungsführungen in
den Entwicklungsländern, wir müssen Reforminitiativen
wie die NEPAD-Initiative unterstützen. Darüber hinaus
brauchen wir Reformen bei den Instrumenten unserer
Entwicklungszusammenarbeit, und schließlich brauchen
wir Reformen bei den Strukturen des Welthandels.

Dass Sie die Reformdebatte so stark in den Vorder-
grund stellen, erhärtet den Verdacht, dass Sie auf der fi-
nanziellen Ebene nichts zu bieten haben. Sie wollen da-
von ablenken, dass wir das 0,7-Prozent-Ziel bei der

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(C (D ntwicklungshilfe nicht erreichen werden. Darüber hiaus haben Sie keinen Plan zur Erreichung des Millennimsziels vorgelegt. Das muss aufgearbeitet werden, onst steht Deutschland als Gastgeber mit leeren Händen a. Wir haben einen großen Forderungskatalog vorgelegt nd konkrete Vorschläge unterbreitet. Dazu gehören uner anderem die Einbeziehung des Tropenwaldschutzes n das Kioto-plus-Abkommen, eine verschärfte Aufsicht ber die internationalen Finanzmärkte, aber auch neue nstöße in der internationalen Abrüstungspolitik und eue Finanzierungsinstrumente in der Entwicklungspoliik. Unsere umfassenden Forderungen haben wir vorgeegt. Ich kann Ihnen nur raten: Greifen Sie diese Vorchläge auf! Nächster Redner ist der Kollege Walter Riester, SPD raktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607906000


Walter Riester (SPD):
Rede ID: ID1607906100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

as G-8-Treffen soll unter dem Motto „Wachstum und
erantwortung“ stehen. Ich möchte den Begriff der Ver-
ntwortung auf uns beziehen und in den Mittelpunkt
einer wenigen Minuten Redezeit stellen.

Kollege Hoppe, viele Ihrer angesprochenen Punkte
nterstütze ich. Über vieles müssen wir wirklich eine
ebatte führen. Ich begrüße es beispielsweise sehr, dass
nser Vizekanzler bei der Eröffnung der Diskussion mit
en EU-Arbeits- und Sozialministern die Frage der sozi-
len Verantwortung in Europa in den Vordergrund ge-
tellt hat. Dort forderte er eine Besinnung der Europäi-
chen Union auf ihre sozialen Werte. Um die Herzen der

enschen für die EU zu gewinnen, sei es auch entschei-
end – sagte er weiter –, dass „Europa in seiner sozialen
imension erkennbar ist“. Das ist ein wichtiger Punkt.
enauso wie Sie bin ich der Auffassung: Es darf nicht
ei der Rhetorik bleiben.

Ich will einen kritischen Punkt ansprechen: Vor zehn
ahren wurde die revidierte Europäische Sozialcharta
m Europarat beschlossen. 40 Länder haben zwischen-
eitlich diese Sozialcharta gezeichnet. Nicht gezeichnet
aben sie Kroatien, Mazedonien, die Schweiz, Liechten-
tein – so weit, so schlecht – und Deutschland.


(Jörg Tauss [SPD]: Oh!)


ls Vertreter dieses Parlaments fällt mir langsam kein
rgument mehr ein, wenn ich von Vertretern des Euro-
arates gefragt werde, warum wir die Sozialcharta nicht
inmal gezeichnet haben. Ich weiß es nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Walter Riester
Ich sage sehr deutlich: Wenn bis zum Ende der deut-
schen EU-Ratspräsidentschaft keine Entscheidung da-
rüber fällt, werde ich eine parlamentarische Anfrage an
die Regierung stellen. Auch das ist Verantwortung.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich habe mich außerordentlich über eine bemerkens-
werte Rede gefreut, die unsere Bundeskanzlerin im No-
vember in Berlin zum Thema „Globalisierung fair ge-
stalten“ gehalten hat. Sie hat gesagt, wie wichtig es ist,
dass man auf die WTO wirklich bauen kann – ich zitiere
sie –:

Die Welthandelsorganisation ist eine sehr mächtige
Organisation. Deshalb finde ich, dass man gerade
hier über ökologische und soziale Dinge sprechen
muss. Die Welthandelsorganisation kennt als eine
der wenigen multilateralen Organisationen richtige
Sanktionsmechanismen, sodass die Einhaltung der
Standards auch hinterher eingeklagt werden kann.

Ich war bei der Rede anwesend. Ich hatte überhaupt
nicht den Eindruck, dass das Entwicklungs- oder Han-
delsrhetorik ist. Sie erschien mir sehr glaubwürdig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Trotzdem möchte ich auf Folgendes hinweisen: Vor
30 Jahren – jetzt greife ich noch weiter zurück – hat die
OECD Leitsätze beschlossen – wir haben dazugehört –,
nach denen multinationale Unternehmen an Men-
schenrechtsgesichtspunkten zu messen sind. Jedes Un-
terzeichnerland hat zu diesem Zweck eine nationale
Kontaktstelle eingerichtet. In Deutschland ist sie beim
Wirtschaftsministerium, im Bereich des Außenhandels,
angesiedelt. Diese Stelle hat einen Arbeitskreis einge-
richtet, dem Vertreter von sieben Ministerien, der Wirt-
schaftsverbände, der Gewerkschaften und der Nichtre-
gierungsorganisationen angehören. Seit mehreren Jahren
hört man aus diesem Bereich die Klage – ich nehme an,
sie wird nicht nur mir gegenüber geäußert –, dass es
nicht nur schleppend vorangeht, sondern ein hohes Maß
an Intransparenz vorherrscht. Neun große Unternehmen
stehen im Moment unter dem Vorwurf, Menschenrechte
verletzt zu haben. Korruptionsvorwürfe sind ebenso im
Spiel wie der Vorwurf von groben Arbeitsrechtsverlet-
zungen. Hier geht es nicht um ein paar Mittelständler,
sondern um große, namhafte Unternehmen.

An diesem Punkt komme ich zur Glaubwürdigkeit.
Ich bin der Meinung, dass unsere Arbeit transparent sein
muss und dass unsere Erklärungen von uns selbst in der
Praxis konsequent umgesetzt werden müssen. Nur dann
ist es glaubwürdig, wenn wir sagen, dass wir die Globa-
lisierung sozial gestalten wollen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Überar-
beitung der EU-Vergaberichtlinien hinweisen. Damit
werden wir demnächst konfrontiert sein. Die EU-Verga-
berichtlinien sehen vor – und es wird Sie nicht überra-
schen, dass ich das für sehr gut halte –:

Die Auftraggeber können zusätzliche Bedingungen
für die Ausführung des Auftrags vorschreiben, so-

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(C (D fern diese mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und in der Bekanntmachung … oder in den Verdingungsunterlagen angegeben werden. Die Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags können insbesondere soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen. ch nehme an, dass wir das wollen. Zwischen der Enticklungsministerin, dem Umweltminister und dem irtschaftsminister gibt es aber eine heftige Auseinan ersetzung, die ich kaum nachvollziehen kann. Ich kann em Wirtschaftsministerium nur raten, einen Blick in die sterreichischen oder in die französischen Ausschreiungsrichtlinien zu werfen, selbst wenn es ihm nicht um oziale Aspekte geht. Diese Länder wissen, wie sie ihre ationale Wirtschaft vor einem Unterbietungswettbeerb schützen, der mit unsoliden Methoden geführt ird. Demnächst werden wir vor diesem Problem steen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607906200

Herr Kollege.


Walter Riester (SPD):
Rede ID: ID1607906300

Das Signal ist angekommen. Ich kann meine Rede

uch beenden.

Das war ein Beitrag zu der Frage, wie die Rhetorik
it der Praxis in Übereinstimmung gebracht werden

ann. Lassen Sie uns gemeinsam dafür eintreten!

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607906400

Das Wort hat die Kollegin Heike Hänsel, Fraktion Die

inke.


(Beifall bei der LINKEN – Hellmut Königshaus [FDP]: Aber jetzt wieder Entwicklungspolitik!)



Heike Hänsel (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607906500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
ieczorek-Zeul, Sie haben gesagt, Afrika sei das

opthema der Entwicklungspolitik. Ich bringe Ihnen eine
otschaft von vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen aus
frika mit. Die zentrale Botschaft des Weltsozialforums,
as letzte Woche in Kenia, Nairobi, mit mehr als 50 000
eilnehmern stattgefunden hat, lautet: Die Handelspolitik
er Europäischen Union bedroht die Existenzgrundlage
ieler Menschen in den Ländern Afrikas. Im Mittelpunkt
er Kritik dieser Gruppen stehen die Verhandlungen über
ie Wirtschaftspartnerschaftsabkommen, die soge-
annten EPAs, die eine weitgehende Marktöffnung und
ollsenkungen in den afrikanischen, karibischen und pa-
ifischen Staaten vorsehen, und zwar vor allem in sensib-
en Bereichen wie öffentlicher Beschaffung, Investitions-






(A) )



(B) )


Heike Hänsel
schutz und Wettbewerb. Bereits jetzt können viele
Kleinbauern, Händler und vor allem Händlerinnen nicht
mehr mit den hochsubventionierten Billigprodukten aus
der EU auf ihren heimischen Märkten konkurrieren. In
ganz Westafrika zum Beispiel bekommt man weit und
breit nur europäisches Geflügel bzw. Hähnchenabfälle zu
kaufen. Das, was wir an der chinesischen Regierung kri-
tisieren, betreiben wir bereits seit Jahren auf diesem Kon-
tinent. Dies würde durch die EPAs massiv verschärft.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb gab es zum Abschluss des Weltsozialforums
eine große Demonstration, die mit den folgenden kon-
kreten Forderungen zur Vertretung der Europäischen
Kommission zog: Stopp der aktuellen EPA-Verhandlun-
gen! Wir brauchen ein neues Verhandlungsmandat, das
entwicklungspolitische statt handelspolitische Schwer-
punkte setzt. Diese Verhandlungen müssen offen und
transparent geführt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich fordere die Bundesregierung hiermit auf, sich im
Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft für einen Stopp der
aktuellen EPA-Verhandlungen einzusetzen. Das wäre in
meinen Augen der glaubwürdigste Beitrag zur Entwick-
lungspolitik. Dies ist in Ihrem Antrag allerdings über-
haupt nicht zu finden.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Länder des Südens, unter anderem Afrikas, leiden
nach wie vor unter der enormen Schuldenlast. Mein
Kollege Hüseyin Aydin ist bereits darauf eingegangen.
Die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari
Maathai kritisierte auf dem Weltsozialforum: Wir haben
Entschuldung von den G-8-Staaten gefordert, bisher ha-
ben wir nur Mogelpackungen bekommen.

Deswegen fordern wir als Linksfraktion endlich um-
fassende und vor allem ernsthafte Entschuldungsinitia-
tiven, die nicht an neoliberale Marktforderungen
geknüpft sind, sondern an Strategien zur Armutsbe-
kämpfung. Wir haben viele Vorschläge gemacht, unter
anderem die Streichung illegitimer Schulden. Die haben
Sie abgelehnt.


(Beifall bei der LINKEN)


Die G-8-Staaten – das stimmt, Herr Hoppe – reprä-
sentieren gerade einmal 13 Prozent der Weltbevölke-
rung. Wir hinterfragen die demokratische Legitimation
dieser Treffen. Da haben Sie Recht.


(Beifall bei der LINKEN)


Worin begründet sich eigentlich deren Legitimation?
Durch militärische und wirtschaftliche Macht.


(Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE]: Geld!)


Sie marginalisieren die Vereinten Nationen. Deshalb for-
dern auch wir eine Umverlagerung der globalen Heraus-
forderungen, zum Beispiel Entwicklungs-, Energie-,
Ressourcen- und Abrüstungsfragen, zu den Vereinten
Nationen.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Ich muss sagen, Herr Hoppe: Sie waren sieben Jahre ang an der Regierung beteiligt. Wir haben keinerlei Iniiativen vonseiten der Grünen, vonseiten grüner Miniser, die jetzt hier sitzen, bezüglich der Reform der G-8taaten und einer Abkehr von dieser dominanten, exkluiven Politik erlebt. ie haben – wie alle anderen – an den G-8-Gipfeln teilenommen. Wir glauben, dass eine andere Entwicklungspolitik öglich ist. Deshalb mobilisieren wir gemeinsam mit ielen zivilgesellschaftlichen Gruppen gegen den G-8ipfel im Juni in Deutschland. Danke. Nächste Rednerin ist die Kollegin Anette Hübinger, DU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! iebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Ministerin! Die deutsche G-8und EU-Präsidentschaft – neue Imulse für die Entwicklungspolitik“ – der Titel unseres ntrages macht deutlich, welche Bedeutung wir der eutschen G-8und EU-Ratspräsidentschaft für die Enticklungspolitik beimessen. Wir sehen in den Präsident chaften die Möglichkeit, wichtige Impulse für die Enticklungspolitik zu geben, die man mit Fug und Recht ls Querschnittsaufgabe bezeichnen kann. Unsere Welt befindet sich in einem tiefgreifenden andel. Es gibt Entwicklungsländer, die sich dynamisch ntwickeln und bemerkenswerte Wachstumspfade bechreiten. Andere Länder hingegen sind von Bürgerkrieg nd Staatszerfall bedroht. Wir als CDU/CSU-Fraktion ehen uns aufgrund unserer abendländischen Kultur und ufgrund unserer christlichen Werte verpflichtet, Elend nd Not zu lindern und die Menschen in den ärmsten ändern zu befähigen, ihre eigenen Potenziale und Kaazitäten zu nutzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607906600

(Beifall bei der CDU/CSU)

Anette Hübinger (CDU):
Rede ID: ID1607906700

Die Verabschiedung der Millenniumsziele hat eine
erstärkte Diskussion über die Wirksamkeit der einge-
etzten Mittel ausgelöst. Unser ehrgeiziges Ziel, bis
015 die Armut zu halbieren, wird wesentlich davon ab-
ängen, wie wir die Entwicklungszusammenarbeit in
ukunft gestalten. Für die Erreichung der ODA-Quote
erden wir weiterhin kämpfen. Das beweist nicht zuletzt
ie Erhöhung der im Haushalt bereitgestellten Mittel um
6 Prozent innerhalb von zwei Jahren – eine Erhöhung,
ie wir sie seit Jahren nicht hatten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Anette Hübinger
Mit gleicher Vehemenz müssen wir den Wirkungs-
grad der europäischen Entwicklungszusammenarbeit
überprüfen. In diesem Zusammenhang möchte ich drei
Bereiche ansprechen: Erstens. Wir begrüßen ausdrück-
lich, dass die deutsche Ratspräsidentschaft die Verbesse-
rung der Arbeitsteilung auf europäischer Ebene zu einem
Schwerpunkt erklärt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Denn die bestehende Fragmentierung beeinträchtigt die
Wirksamkeit der europäischen Entwicklungszusammen-
arbeit. Wir müssen uns untereinander besser absprechen
und zu einem pragmatischen Ansatz bei der Arbeits- und
Lastenteilung kommen. Die EU sollte nicht als 28. Ge-
ber auftreten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das europäische Vergabeverfahren muss im Interesse
der Entwicklungsländer entbürokratisiert und beschleu-
nigt werden. Des Weiteren brauchen wir für multilaterale
Investitionen bessere Monitoring- und Evaluierungsin-
strumente.

In der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungs-
politik ist man schon einen Schritt weiter. Mithilfe der
EU-Battle-Groups ist die Fähigkeit der Mitgliedstaaten
der Europäischen Union zu rascher Krisenreaktion deut-
lich verbessert worden. Um nachhaltig zu wirken, müs-
sen diese Einsätze von entwicklungspolitischen Maß-
nahmen, die über die Zeit des Militäreinsatzes
hinausgehen, begleitet werden. Denn erst die anschlie-
ßende Entwicklungszusammenarbeit ermöglicht die wei-
terführende Stabilität und gibt den dort lebenden Men-
schen Zukunftsperspektiven.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird deutlich,
dass eine moderne Entwicklungszusammenarbeit nur
durch koordiniertes Miteinander funktioniert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


National wie auf europäischer Ebene ist eine ressort-
übergreifende Arbeit für den Erfolg von Entwicklungs-
politik unerlässlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Zweitens. Die Beziehungen zwischen der Europäi-
schen Union und den Ländern in Afrika, der Karibik und
dem pazifischen Raum haben eine lange Tradition. Seit
dem Loméabkommen von 1975 ist die Globalisierung in
großen Schritten vorangegangen. Während der deut-
schen Ratspräsidentschaft wird es verschiedene Minis-
tertreffen geben, um die 2008 in Kraft tretenden Wirt-
schaftspartnerschaftsabkommen zwischen den oben
genannten Regionen und der EU erfolgreich zu beenden.
Erstmals werden handels- und entwicklungspolitische
Ansätze miteinander verknüpft, um dadurch eine nach-
haltige wirtschaftliche Entwicklung in diesen Ländern
zu fördern. Denn die Abschottung der Märkte und die
bisher gewährten Handelspräferenzen haben nicht zu
den erhofften Entwicklungen in diesen Ländern geführt.

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(C (D Vor dem Hintergrund des momentanen Stillstands der oharunde gewinnt der erfolgreiche Abschluss der Verandlungen zwischen der EU und den AKP-Staaten mso mehr an Bedeutung. Es wäre ein deutliches Signal n die Blockierer der Doharunde, wenn dennoch multilaerale Verträge im Interesse der Entwicklungsländer gechlossen werden könnten. Multilaterale Verträge sind esser überprüfbar und haben eine höhere Verlässlicheit für die Akteure. Das ist besonders im Hinblick auf ie Erhöhung von Investitionen der Privatwirtschaft in ntwicklungsländern wichtig. Drittens. Im Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen ind international gültige Standards heute unabdingbar. ie 2003 ins Leben gerufene EITI-Initiative – eine Ini iative, die sich für mehr Transparenz im Umgang mit ohstoffen einsetzt – versucht, die Korruption in Enticklungsländern zu bekämpfen und Good Governance u stärken. Wir beobachten, dass gerade rohstoffreiche ntwicklungsländer sehr korruptionsanfällig sind und so rotz guter Ausgangsbedingungen Entwicklung fast unöglich ist. Für den Aufbau funktionierender Struktu en, die eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen, sind echtstaatlichkeit und Demokratieverständnis Voraus etzungen. Das heißt auch, dass wir im Dialog mit unseen Partnerländern Missstände und Probleme offen anprechen. Die Folgen der Klimaveränderung sind eines der rößten Probleme, das uns alle berührt. Der Vorschlag er Europäischen Kommission, den Energieverbrauch is 2020 um 30 Prozent zu reduzieren, zeigt, dass wir nseren Beitrag leisten wollen. Wenn man jedoch beücksichtigt, dass der Anteil der Europäischen Union an en gesamten CO2-Emissionen 15 Prozent beträgt – das eißt, 85 Prozent werden woanders emittiert –, brauchen ir eine verstärkte globale Verantwortung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft steht vor gro-
en Aufgaben. Die Rolle der Europäischen Union wird
n Zukunft auch davon abhängen, wie wir es schaffen,
ie Herausforderungen in dieser Welt gemeinsam anzu-
ehen. Gerade im Hinblick auf unseren Nachbarkonti-
ent Afrika, auf dem der entwicklungspolitische
chwerpunkt dieser Ratspräsidentschaft liegt, stehen wir
or gewaltigen Anstrengungen. Nur, wenn wir diese
ufgabe gemeinsam in der EU und partnerschaftlich mit
frika angehen, werden wir Erfolge erzielen.

Das afrikanische Sprichwort „Wenn du schnell vor-
ärtskommen willst, dann gehe alleine; wenn du weit
ehen willst, dann gehe zusammen“ sollten wir beherzi-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie Modernisierung der Entwicklungspolitik ist ein
ichtiger Weg, den wir gemeinsam mit unseren Partnern
ehen wollen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607906800

Das Wort hat der Kollege Sascha Raabe, SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1607906900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Am Anfang dieser Debatte haben einige Redner die
Entwicklungszusammenarbeit der Koalition angegriffen.
Diese Angriffe waren aus meiner Sicht nicht nur pole-
misch, sondern gehen auch an der Sache vorbei. Denn
dass wir in der Koalition die rot-grüne Regierungspolitik
in diesem Bereich fortsetzen,


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Was?)


ist doch nicht zu kritisieren, Herr Königshaus. Das steht
schließlich in Kontinuität zu dem, was durch unsere Mi-
nisterin eingeleitet wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der FDP)


– Darüber sollte man nicht lachen; das können Sie Fast-
nacht tun. Sie hätten etwas mehr nachdenken sollen. Wir
verstehen Entwicklungszusammenarbeit nämlich nicht
mehr nur als reine Projektarbeit, sondern wir setzen sie
gemeinsam mit der Union in der Erkenntnis fort, dass
wir einerseits Hilfe zur Selbsthilfe leisten und anderer-
seits die notwendigen Rahmenbedingungen im Hinblick
auf den Welthandel schaffen müssen. Das betrifft auch
die Punkte, die Walter Riester genannt hat.

Das alles führen wir in einem modernen Verständnis
von Entwicklungszusammenarbeit weiter. Deswegen
schaufeln wir auch nicht einfach Geld nach China, wie
Sie behauptet haben. Vielmehr verfolgen wir dort auch
ein egoistisches Leitmotiv. Denn wenn wir dem Energie-
hunger dieser Nation, die zusammen mit Indien über
2 Milliarden Einwohner zählt – das ist ein Vielfaches der
Einwohnerzahlen von Europa und den USA –, in der
Form gerecht werden wollen, dass uns noch Luft zum
Atmen bleibt, dann ist die Luft für uns genauso wichtig
wie für die ärmsten Menschen in China und Indien. Des-
wegen werden wir diese Länder auch weiter motivieren,
auf saubere Energien zu setzen. Das ist ebenso in unse-
rem Interesse wie im Interesse der Armen dort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Hellmut Königshaus [FDP]: Das wollen wir ja auch! Aber nicht mit unserem Geld!)


Herr Hoppe, Sie haben einige Male versucht, einen
ebenfalls wichtigen Teil unserer Politik zu kritisieren.
Dabei geht es um die Frage, wie wir die ODA-Quote so
steigern können, wie wir es vereinbart haben. Sie bekla-
gen immer wieder, dass wir uns noch nicht auf eine
Flugticketabgabe festgelegt haben. Wichtig ist aber, dass
wir Geld zur Verfügung stellen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So ist es!)


Wir haben in den letzten beiden Haushalten je 300 Mil-
lionen Euro mehr für Entwicklungszusammenarbeit aus-
gegeben.

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(C (D (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Als bei Rot-Grün!)


as entspricht einem Plus von jeweils 8 Prozent pro
aushaltsjahr. Daran zeigt sich, dass wir auf einem gu-

en Pfad sind. Es ist verständlich, dass Sie sich damit er-
ennbar schwertun, weil das keinen Angriffspunkt für
ie bietet.

Herr Aydin, zur ODA-Quote gehört auch in einem ge-
issen Maße der Schuldenerlass. Sie haben in Ihrer
ede gesagt, der Schuldenerlass habe nichts gebracht.
as ist sehr zynisch. Sagen Sie das den über
5 Millionen Kindern in Afrika, die wegen des Schul-
enerlasses jetzt eine Grundschule besuchen können!
agen Sie den Eltern, den Familien und den Menschen,
enen wir dort geholfen haben, dass Ihrer Meinung nach
er Schuldenerlass nichts gebracht hat!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE])


Auch ich bin in den Elendsvierteln von Nairobi gewe-
en. Die Armut dort ist tatsächlich so, wie wir es uns in
eutschland nicht vorstellen können: keine Straßen, eine
bwasserrinne, wo es nach Kot und Urin riecht, kein
rinkwasser. Die Menschen dort leben wirklich im tiefs-

en Elend. Das macht betroffen.

Aber man darf die Erfolge deutscher Entwicklungs-
usammenarbeit auch nicht kleinreden. Wir haben dort
rojekte, mit denen es zum Beispiel die KfW und die
TZ 18 000 Frauen pro Jahr ermöglichen, dass sie ihre
inder für einen ganz geringen Betrag in einer Klinik
ebären können, egal ob sie einen Kaiserschnitt benöti-
en oder was auch immer. Wir machen dort Familienpla-
ung. Wir haben durch den Global Fund für Aids dort
ine Krankenstation. Mir wurde gesagt, noch vor ein,
wei Jahren gab es Sammelplätze, von wo man die To-
en, jeden Tag zehn bis 15, einfach weggeschafft hat.
as gibt es heute nicht mehr, auch dank deutscher Ent-
icklungszusammenarbeit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


ir bauen auch soziale Sicherungssysteme im Gesund-
eitswesen bis in die Dörfer hinein auf.

Ich glaube, an der Stelle muss man auch unseren deut-
chen Entwicklungshelfern, sowohl den staatlichen als
uch denen der Nichtregierungsorganisationen, einmal
in herzliches Dankeschön für ihr Engagement ausspre-
hen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dann zum Punkt der Wasserversorgung, Herr
ydin: Unser Entwicklungsverständnis ist ein anderes
ls Ihres. Wir wollen nicht wie Sie immer nur Almosen
nd Geld geben, sondern wir wollen, dass sich die Men-
chen selbst helfen können.


(Beifall des Abg. Hellmut Königshaus [FDP])


eswegen investieren wir auch in Infrastrukturmaßnah-
en. Dazu gehört auch, dass wir die Wasserversorgung






(A) )



(B) )


Dr. Sascha Raabe
so aufbauen wollen, dass sich diese Systeme am Ende
selbst tragen können, natürlich sozial gestaffelt, sodass
sich auch die Ärmsten Wasser leisten können und die
Reichen mehr bezahlen. Wie ist es denn im Augenblick?
In vielen Bereichen gibt es gar keine Trinkwasserversor-
gung, sondern es kommen in vielen Vierteln private
Händler mit völlig überzogenen Preisen und liefern teu-
res Trinkwasser in schlechter Qualität. Deswegen ist es
richtig, dass wir dort mit Krediten und finanzieller Zu-
sammenarbeit dazu beitragen, dass eine sich selbst tra-
gende Wasserversorgung aufgebaut wird.

Ihre Kritik daran, dass wir Kredite vergeben und nicht
nur Geld schenken, trifft auch nicht das Selbstverständ-
nis der Menschen in den Entwicklungsländern. Denn sie
sind stolz. Deshalb werden wir auch weiter darauf ach-
ten, dass wir Kredite vergeben, die an Armutsbekämp-
fungsprogramme gebunden sind. Wir machen auch nicht
nur blinden Schuldenerlass. Die Entwicklungsländer
zahlen uns mit Stolz und erhobenem Haupt das Geld zu-
rück. Das ist doch der richtige Weg. Herr Yunus hat nicht
umsonst den Friedensnobelpreis für die Vergabe von Mi-
krokrediten bekommen. Denn er verschenkt auch nicht
einfach das Geld an die Ärmsten, sondern er gibt ihnen
die Möglichkeit einer Starthilfe, damit sie sich selbst mit
kleinen Unternehmen in die Lage versetzen können –


(Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ja, eine Zwischenfrage?


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607907000

Nein, ich lasse keine Zwischenfrage mehr zu, weil

Ihre Redezeit überschritten ist.


Dr. Sascha Raabe (SPD):
Rede ID: ID1607907100

Dann lassen Sie mich noch einen Abschlusssatz sa-

gen. Es ist wichtig, dass wir den Menschen nicht die
Würde nehmen, denn die Menschen sind fleißig. Auch in
Nairobi konnte ich mich davon überzeugen, wie fleißig
die Ärmsten der Armen in den Slums sind, sie arbeiten,
sie wollen von ihrer eigenen Hände Arbeit leben. Dazu
wollen wir sie in die Lage versetzen. Da ist ein Kredit
besser, als dauerhaft zu glauben, man könnte das Geld
verschenken. Denn die Menschen wollen ihr Leben mit
Würde selbst bestimmen. Dabei wollen wir ihnen helfen,
und deshalb werden wir diese Politik fortführen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607907200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
auf den Drucksachen 16/4160, 15/5815, 16/3839 und
16/4151 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –
Ich sehe, das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so
beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a bis 34 e und
32 sowie Zusatzpunkte 2 a und 2 b auf:

(C (D 34 a)

Entwurfs eines Gesetzes zur Reduzierung und
Beschleunigung von immissionsschutzrechtli-
chen Genehmigungsverfahren
– Drucksache 16/1337 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul
Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan
Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN

Verzicht auf den Verkauf und das Überlassen
von überschüssigem Wehrmaterial
– Drucksache 16/3350 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul
Schäfer (Köln), Monika Knoche, Hüseyin-Kenan
Aydin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN

Stopp von staatlichen Bürgschaften für Rüs-
tungsexporte
– Drucksache 16/3697 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Auswärtiger Ausschuss
Finanzausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
Pieper, Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-
Michael Goldmann, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP

Gründung eines Deutschen Biomassefor-
schungszentrums vorantreiben
– Drucksache 16/3838 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Karl
Addicks, Hellmut Königshaus, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Telekommunikationsmärkte in Entwicklungs-
ländern liberalisieren – Die digitale Spaltung
überwinden
– Drucksache 16/4059 –






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

32 Beratung des Antrags der Abgeordneten Elke
Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Attraktivität des Soldatenberufes steigern

– Drucksache 16/2836 –
Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

ZP 2 a)Erste Beratung des von den Abgeordneten
Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln),
Kai Gehring und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Reform des Gesetzes über
die Änderung der Vornamen und die Feststel-
lung der Geschlechtszugehörigkeit in besonde-
ren Fällen (Transsexuellengesetz – TSG)


– Drucksache 16/4148 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss

b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/
CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN

Diaspora – Potenziale von Migrantinnen und
Migranten für die Entwicklung der Her-
kunftsländer nutzen

– Drucksache 16/4164 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten
Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 16/4059 – Ta-
gesordnungspunkt 34 e – soll zusätzlich an den Aus-
schuss für Kultur und Medien überwiesen werden. Sind
Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall.
Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 35 a bis 35 q sowie
Zusatzpunkte 3 a bis 3 i auf. Es handelt sich um die Be-
schlussfassungen zu Vorlagen, zu denen keine Ausspra-
che vorgesehen ist.

Tagesordnungspunkt 35 a:

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(C (D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes – Drucksache 16/2919 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 16/4193 – Berichterstattung: Abgeordnete Friedrich Merz Klaus Uwe Benneter Mechthild Dyckmans Dr. Gesine Lötzsch Jerzy Montag Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussmpfehlung auf Drucksache 16/4193, den Gesetzenturf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte iejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfasung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegentimmen? – Enthaltungen? – Ich würde jetzt gern wisen, wie die Fraktion Die Linke stimmt. (Lothar Mark [SPD]: Die haben sich noch nicht entschieden! – Dr. Michael Fuchs [CDU/ CSU]: Sie wissen das nicht! Die sind wie immer nicht vorbereitet!)


Dann frage ich noch einmal: Enthaltungen? – Der Ge-
etzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-
en von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und
DP bei Enthaltung der Linken angenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf

st damit in dritter Beratung mit demselben Ergebnis wie
n der zweiten Beratung angenommen.

Tagesordnungspunkt 35 b:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Umweltverträglichkeit von Wasch-

(Waschund Reinigungsmittelgesetz – WRMG)


– Drucksache 16/3654 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (16. Ausschuss)


– Drucksache 16/4188 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jens Koeppen
Heinz Schmitt (Landau)

Michael Kauch
Eva Bulling-Schröter
Sylvia Kotting-Uhl

Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-
icherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
Drucksache 16/4188, den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenom-
men.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist in dritter Beratung mit den Stimmen des ganzen
Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 35 c:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes über die Bereinigung von Bundes-
recht im Zuständigkeitsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Wirtschaft und Technologie
und des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales

– Drucksache 16/3657 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(9. Ausschuss)


– Drucksache 16/4196 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
16/4196, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung
anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen des
ganzen Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 35 d:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zu dem Protokoll vom 21. Mai 2003 über
Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsre-
gister

– Drucksache 16/3755 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (16. Ausschuss)


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(C (D – Drucksache 16/4189 – Berichterstattung: Abgeordnete Jens Koeppen Heinz Schmitt Horst Meierhofer Lutz Heilmann Sylvia Kotting-Uhl Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktoricherheit empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempehlung auf Drucksache 16/4189, den Gesetzentwurf anunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf ustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstimen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in weiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses ngenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzenturf ist damit in dritter Beratung mit den Stimmen des anzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 35 e: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Protokolls über Schadstofffreisetzungsund -verbringungsregister vom 21. Mai 2003 sowie zur Durchführung der Verordnung – Drucksache 16/3756 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Drucksache 16/4189 – Berichterstattung: Abgeordnete Jens Koeppen Heinz Schmitt Horst Meierhofer Lutz Heilmann Sylvia Kotting-Uhl Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktoricherheit empfiehlt unter Ziffer II seiner Beschlussempehlung auf Drucksache 16/4189, den Gesetzentwurf in er Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, ie dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage en? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in weiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses ngenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st damit in dritter Beratung mit den Stimmen des ganzen auses angenommen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Tagesordnungspunkt 35 f: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 11. April 2006 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Durchführung des Übereinkommens vom 25. Februar 1991 über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Vertragsgesetz zur Deutsch-Polnischen UVP-Vereinbarung)





(A) )


(B) )


– Drucksache 16/4011 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-
heit (16. Ausschuss)


– Drucksache 16/4190 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Andreas Jung (Konstanz)

Dr. Matthias Miersch
Horst Meierhofer
Lutz Heilmann
Sylvia Kotting-Uhl

Zweite Beratung

und Schlussabstimmung. Der Ausschuss für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf
Drucksache 16/4190, den Gesetzentwurf anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des
ganzen Hauses angenommen. Da es sich um ein Ver-
tragsgesetz handelt, entfällt die dritte Lesung.

Tagesordnungspunkt 35 g:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-
schen Parlaments und des Rates zur Einfüh-
rung eines europäischen Verfahrens für ge-
ringfügige Forderungen

Ratsdok. 13076/06

– Drucksachen 16/4105 Nr. 2.96, 16/4192 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Grosse-Brömer
Dirk Manzewski
Mechthild Dyckmans
Dr. Gesine Lötzsch
Jerzy Montag

Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrich-
tung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der
CDU/CSU und der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion
Die Linke angenommen.

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(C (D Tagesordnungspunkt 35 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses Übersicht 5 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht – Drucksache 16/4058 – Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angeommen. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Peitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 35 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 162 zu Petitionen – Drucksache 16/4067 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 162 ist mit den Stim en des ganzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 35 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 163 zu Petitionen – Drucksache 16/4068 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 163 ist mit den Stimmen er SPD, der CDU/CSU und der FDP bei Enthaltung des ündnisses 90/Die Grünen und bei Gegenstimmen der inken angenommen. Tagesordnungspunkt 35 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 164 zu Petitionen – Drucksache 16/4069 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 164 ist mit den Stim en des ganzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 35 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 165 zu Petitionen – Drucksache 16/4070 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 165 ist mit den Stim en der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der CDU/ SU und der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion ie Linke angenommen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Tagesordnungspunkt 35 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 166 zu Petitionen – Drucksache 16/4071 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 166 ist mit den Stimmen der SPD, der CDU/CSU und der FDP bei Enthaltung der Grünen und Gegenstimmen der Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 35 n: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 167 zu Petitionen – Drucksache 16/4072 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 167 ist bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke, im Übrigen mit den Stimmen der restlichen Fraktionen angenommen.1)


(2. Ausschuss)





(A) )


(B) )


Tagesordnungspunkt 35 o:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 168 zu Petitionen

– Drucksache 16/4073 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 168 ist mit den Stim-
men der Regierungsfraktionen bei Gegenstimmen der
Oppositionsfraktionen angenommen.

Tagesordnungspunkt 35 p:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 169 zu Petitionen

– Drucksache 16/4074 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 169 ist mit den Stim-
men der Fraktionen Die Linke, der SPD und der CDU/
CSU bei Gegenstimmen der FDP und des
Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt 35 q:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 170 zu Petitionen

– Drucksache 16/4075 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 170 ist mit den Stim-

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a1) Analge 2

(C (D en der Regierungsfraktionen bei Gegenstimmen der ppositionsfraktionen angenommen. Zusatzpunkt 3 a: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 171 zu Petitionen – Drucksache 16/4172 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 171 ist mit den Stim en des ganzen Hauses angenommen. Zusatzpunkt 3 b: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 172 zu Petitionen – Drucksache 16/4173 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 172 ist mit den Stimmen es ganzen Hauses angenommen. Zusatzpunkt 3 c: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 173 zu Petitionen – Drucksache 16/4174 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 173 ist mit den Stimmen on SPD, CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der Grüen und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angeommen. Zusatzpunkt 3 d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 174 zu Petitionen – Drucksache 16/4175 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 174 ist mit den Stimmen es ganzen Hauses angenommen. Zusatzpunkt 3 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 175 zu Petitionen – Drucksache 16/4176 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Die Sammelübersicht 175 ist mit den Stimmen er Fraktion Die Linke, der SPD, CDU/CSU und FDP ei Gegenstimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ngenommen. Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Zusatzpunkt 3 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 176 zu Petitionen – Drucksache 16/4177 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 176 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen der Linken angenommen. Zusatzpunkt 3 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 177 zu Petitionen – Drucksache 16/4178 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 177 ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Zusatzpunkt 3 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 178 zu Petitionen – Drucksache 16/4179 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 178 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU bei Gegenstimmen der Fraktionen der FDP und der Linken angenommen. Zusatzpunkt 3 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 179 zu Petitionen – Drucksache 16/4180 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 179 ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der LINKEN Protestaktionen der Gewerkschaften zur Heraufsetzung des Rentenalters Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Oskar Lafontaine, Fraktion Die Linke. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gewerkschaften wehren sich zurzeit gegen d u I d s s w e a d u m t v s s d m n s s 6 e V z s f m w s M V m N h M f h L g A d s V (C (D ie Rentenkürzungen, denen viele Arbeitnehmerinnen nd Arbeitnehmer entgegensehen. (Ute Kumpf [SPD]: Was ist das für ein Schwachsinn! Der erste Satz schon verkehrt!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)

Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607907300

ch möchte für die Fraktion Die Linke erklären, dass wir
iese betrieblichen Maßnahmen der deutschen Gewerk-
chaften nachhaltig unterstützen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir sehen in diesen betrieblichen Maßnahmen politi-
che Streiks. Wir sind der Auffassung, dass es notwendig
äre, in Deutschland ebenso wie in den meisten anderen

uropäischen Staaten und in vielen Ländern der Welt
uch die Möglichkeit des politischen Streiks zuzulassen,


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Sie stellen sich gegen das Recht! – Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: Sie fordern zum Rechtsbruch auf!)


amit die Bevölkerung die Möglichkeit hat, sich gegen
nsoziale Maßnahmen der Regierung und der Parla-
entsmehrheit zur Wehr zu setzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Dass diese Maßnahme notwendig ist, zeigen erschüt-
ernde Befragungsergebnisse, die zum Jahreswechsel
eröffentlicht worden sind. Nach Meinungsbefragungen
ind 80 Prozent der Bevölkerung der Auffassung, dass es
owieso keinen Sinn mehr habe, zur Wahl zu gehen, weil
iejenigen, die sie in die Parlamente entsenden, sowieso
achten, was sie wollten, und die Interessen der Wähler

icht mehr vertreten würden. Nach einer anderen Unter-
uchung sind 60 Prozent der Bevölkerung der Auffas-
ung, dass es in Deutschland ungerecht zugeht, während
0 Prozent der Parlamentarier der Auffassung sind, dass
s in Deutschland gerecht zugeht. Noch nie hat sich die
olksvertretung so weit von dem Volk entfernt wie der-
eit. Auch deshalb brauchen wir das demokratische In-
titut des politischen Streiks.


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, selbst wenn Sie diesen Be-
ragungen nicht glauben, dann sollten Sie selbstkritisch
it sich zurate gehen und sich einmal die Frage stellen,
er Sie eigentlich so erleuchtet hat, dass Sie in allen ent-

cheidenden Fragen, über die in den letzten Jahren und
onaten abgestimmt wurde, gegen die Mehrheit des

olkes abstimmten.

Nehmen Sie beispielsweise die Rentenfrage: Sie stim-
en mit großer Mehrheit gegen die Mehrheit des Volkes.
ehmen Sie die Steuerfrage – Mehrwertsteuererhö-
ung –: Sie stimmen mit großer Mehrheit gegen die
ehrheit des Volkes. Nehmen Sie die Gesundheitsre-

orm: Sie stimmen mit großer Mehrheit gegen die Mehr-
eit des Volkes. Nehmen Sie die Kürzung vieler sozialer
eistungen: Sie stimmen immer mit großer Mehrheit ge-
en die Mehrheit des Volkes. Auch bei den ausufernden
uslandseinsätzen der Bundeswehr stimmen Sie gegen
ie Mehrheit des Volkes. Meine Damen und Herren, Sie
ollten mit sich zurate gehen. Ein Parlament, das sich
olksvertretung nennt, aber mit großer Mehrheit immer






(A) )



(B) )


Oskar Lafontaine
gegen das Volk abstimmt, ist im Grunde genommen
keine Volksvertretung mehr.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)


Deshalb wird der Ruf nach direkter Demokratie laut,


(Ute Kumpf [SPD]: Warum haben Sie kein Direktmandat geschafft, Herr Lafontaine?)


nach der Möglichkeit, dass die Bevölkerung sich in
Volksabstimmungen zu einzelnen Fragen äußern kann,
weil die Bevölkerung – nach unserer Auffassung zu
Recht – der Meinung ist, dass sie selbst in bestimmten
Fragen genauso sachkundig entscheiden kann wie ihre
Volksvertreter. Deshalb brauchen wir direkte Formen der
Demokratie, damit nicht immer wieder gegen die Inte-
ressen des Volkes abgestimmt wird.


(Beifall bei der LINKEN)


Dass dies hervorragende Effekte zeigen kann, haben
beispielsweise unsere französischen Nachbarn gezeigt.
Dort hat die Regierung entgegen dem mehrheitlichen
Willen der Bevölkerung den Kündigungsschutz für junge
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgeschafft. Die
Bevölkerung hat gesagt: Das wollen wir nicht hinnehmen.
Insbesondere junge Menschen haben gesagt: Das wollen
wir nicht hinnehmen. Sie kennen die sozialen Probleme
der Jugendlichen in Frankreich. Die Bevölkerung ging mit
den Gewerkschaften auf die Straße und hat die Regierung
gezwungen, dieses Gesetz zurückzunehmen. Wir wün-
schen uns solche Möglichkeiten auch für Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN – Dirk Niebel [FDP]: Brennende Autos!)


Es ist schlicht und einfach eine Anmaßung, zu glauben,
all das, was die Bevölkerung in den Sachfragen für richtig
hält, sei falsch, sei nicht begründet und diejenigen, die
dies hier vertreten, seien Populisten, während diejenigen,
die gegen die Bevölkerung argumentieren und ihre Ab-
stimmungen gegen die Interessen der Bevölkerung
durchführen, von Sachverstand usw. geprägt seien. Das
ist eine Form der Anmaßung. Ihr ständiger Vorwurf des
Populismus fällt letztendlich anklagend auf Sie selbst
zurück. Sie entscheiden immer gegen die Mehrheit der
Bevölkerung. Wir brauchen letztendlich wieder einmal
direkte Demokratie in Deutschland.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Nein, die brauchen wir nicht!)


Gestatten Sie mir folgenden Hinweis: Auch der Um-
gang mit den Bergleuten zeigt wieder, dass es in der
Vergangenheit möglich war, Interessen der Bergleute
durchzusetzen; damals waren die Bergleute nämlich
noch stark genug. Ich erinnere an die großen Demonstra-
tionen in Bonn. Es kam zu einem vernünftigen Kompro-
miss, aber letztendlich nur deshalb, weil die Bergleute
stark genug waren, ihre Interessen durchzusetzen. Jetzt
sind sie einem unwürdigen Hin und Her ausgesetzt. Ich
kann mir vorstellen, dass viele Bergleute ihr Vertrauen in
die parlamentarischen Institutionen verlieren.

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(C (D Die zitierten Umfragen sind auf jeden Fall eindeutig. as Institut des politischen Streiks ist ein elementares nstitut jeder funktionierenden Demokratie. Das Wort hat der Kollege Dr. Ralf Brauksiepe, CDU/ SU-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! oziale Marktwirtschaft ist keine reine Staatsveranstalung. Sie lebt von starken Interessenorganisationen. Sie raucht starke und freie Gewerkschaften. Deswegen ist es o bedauerlich, dass sich Teile der Gewerkschaftsbeweung mit ihren Aktionen in diesen Tagen aus dem seriösen eil der Debatte um die Zukunft unseres Rentensystems erabschiedet haben. Ich wiederhole: Das ist das eigentich Bedauerliche an dieser Debatte. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang zitieren, as Peter Struck dem IG-Metall-Vorsitzenden dieser age ins Stammbuch geschrieben hat – wo der Kollege truck recht hat, hat er recht –: Der oft wiederholte Vorwurf, die Erhöhung des Rentenalters bedeute eine Rentenkürzung, ist angesichts einer im Durchschnitt weiter steigenden Rentenbezugsdauer haltlos. Tatsächlich sorgen gerade unsere Maßnahmen dafür, dass die heutigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner keine Einbußen fürchten müssen. Wer die Augen vor der Realität und vor gesellschaftlichen Entwicklungen verschließt, untergräbt langfristig die Stabilität unserer sozialen Sicherungssysteme. enau das, was der Kollege Peter Struck der Führung ieser Gewerkschaft ins Stammbuch geschrieben hat, ist atsache. Wir machen eine Politik, die auf die Nachhal igkeit der Rentenversicherung abzielt und die deswegen uch sozial gerecht ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607907400

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1607907500

Ich will deutlich sagen: So äußert sich in der Tat in
ieser Zeit nicht nur die Spitze einer Gewerkschaft. Wenn
h mich über meinen Freund Klaus Brandner ärgere
das kommt gelegentlich vor –, dann nehme ich mir
eine Heimatzeitung, um zu lesen, was die dortigen
ewerkschaftsfunktionäre sagen. Dort kann ich folgende
ussage des örtlichen IG-Metall-Bevollmächtigten lesen:

Die einen arbeiten sich zu Tode, die anderen stehen vor
em Arbeitsamt.“ Wenn ich das lese, weiß ich, was ich
n Klaus Brandner habe,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist ja eine richtige Liebeserklärung, Herr Brauksiepe!)


nd bin froh, dass es im Gewerkschaftslager auch andere
timmen gibt.

Meine Damen und Herren, wie weit muss man von
er Realität entfernt sein, wenn man angesichts einer






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe
gegenwärtigen durchschnittlichen Rentenbezugsdauer von
17 Jahren, die bis zum Jahre 2030 auf 18 Jahre steigen
wird, behauptet, die Leute in Deutschland arbeiteten sich
zu Tode? Wie borniert und realitätsfern sind die Gewerk-
schaftsfunktionäre, die solch einen Blödsinn verbreiten?


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)


Es gibt viele gute Gründe, warum wir Gewerkschaften
brauchen, und viele wichtige Ziele, für die sie sich en-
gagieren können. Es gibt viele Themen, über die man
streitige Diskussionen führen kann, indem man Pro- und
Kontraargumente austauscht. Aber diese Auseinander-
setzung, die Teile – ich betone: Teile – der deutschen
Gewerkschaftsbewegung führen, ist ein Kampf gegen
Adam Riese und gegen alle mathematischen Gesetze.
Diesen Kampf kann keine Gewerkschaft gewinnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die durchschnittliche Rentenbezugsdauer beträgt schon
heute 17 Jahre. Aber das ist nicht alles. Aufgrund der
steigenden Lebenserwartung und trotz der Maßnahmen,
die wir durchführen müssen, um die Rente zukunftsfähig
zu machen, wird sie weiter steigen. In den 60er-Jahren
betrug die Rentenbezugsdauer zehn Jahre, heute beträgt
sie mehr als 17 Jahre und bis zum Jahre 2030 wird sie
auf 18 Jahre steigen.

Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt insgesamt wie
auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für Ältere
gibt uns recht: In einem Jahr haben wir die Zahl der
Arbeitslosen um 764 000 Personen reduziert. Wir sind
damit noch nicht am Ziel. Aber wir haben einen großen
Schritt getan, um bei der Bekämpfung der Arbeitslosig-
keit voranzukommen.

Wenn man sich die Arbeitslosenzahlen von Älteren
ansieht, stellt man fest: Bei den über 55-Jährigen ging
die Arbeitslosigkeit in einem Jahr um 12 Prozent und bei
den über 50-Jährigen um fast 13 Prozent zurück. Was
will man denn noch verlangen außer einem solch starken
Rückgang der Arbeitslosigkeit, den wir in nur einem
Jahr erreicht haben und den wir auch für die nächsten
Jahre anpeilen, und zwar bevor die behutsame An-
hebung des Renteneintrittsalters überhaupt einsetzt? Die
Behauptungen, dass es keine lange Rentenbezugsdauer
gibt und dass auf dem Arbeitsmarkt für Ältere keine
Fortschritte erzielt worden sind, sind unsinnig. Das wei-
sen wir entschieden zurück.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Abschließend möchte ich eines zu Herrn Lafontaine
und seiner falschen, aber immer wieder aufgestellten
Behauptung sagen, wir würden gegen die Interessen des
Volkes regieren.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Aber so ist es doch! – Weitere Zurufe von der LINKEN: Genau! – Richtig!)


Herr Lafontaine, dass Sie entscheiden, wer das Volk ist,
das kennen wir aus der Tradition der Partei, der Sie sich
angeschlossen haben. Sie von den Linken sind vor dem

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(C (D intergrund Ihrer Geschichte die Allerletzten, die sich reien Gewerkschaften an den Hals werfen sollten. Sie ind die Letzten, die dafür eine politische Legitimation aben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Klaus Brandner [SPD] – Widerspruch bei der LINKEN)


ir stehen für ein Land mit freien Gewerkschaften, nicht
ie. Sie wurden von 8 Prozent der Menschen gewählt; das

st wahr. Wir Demokraten haben daher anzuerkennen:
Prozent haben Sie gewählt, 92 Prozent haben andere
arteien gewählt, nämlich die demokratischen Parteien,
ie in diesem Hause verantwortungsvolle Politik machen.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Haben Sie etwa Angst vor dem Volk?)


ir haben für die Politik, die wir machen, ein Mandat.
ir machen sie im Interesse der Menschen, für eine zu-

unftsfähige Rentenversicherung und gegen Ihre Pole-
ik und Ihren Widerstand.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607907600

Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich L. Kolb, FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP – Dirk Niebel [FDP]: Lass dir das mit der 58er-Regelung einmal genau erklären!)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607907700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

u Beginn will ich für meine Fraktion klipp und klar
agen: Die von den Gewerkschaften organisierten
rbeitsniederlegungen in den Betrieben stellen einen
laren Rechtsbruch dar.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Pfui! Pfui! – So ein Quatsch!)


Sie sollten zuhören. – Aus guten Gründen, nämlich
ufgrund der leidvollen Erfahrungen in der Weimarer
epublik, haben sich die Verfassungsväter dafür entschie-
en, politische Streiks im Grundgesetz zu verbieten.

Es ist den Gewerkschaften unbenommen, im Rahmen
es Demonstrationsrechts – allerdings außerhalb der
etriebe und außerhalb der Arbeitszeit – gegen das Vor-
aben der Koalition, das gesetzliche Renteneintrittsalter
nzuheben, mobilzumachen; das steht außer Frage. Aber
assenhafte Arbeitsniederlegungen und Protest während

er Arbeitszeit, was im Grunde eine Geiselnahme der
etroffenen Unternehmen ist, sind durch nichts zu recht-
ertigen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
Die Gewerkschaften, die das selbst natürlich ganz anders
sehen, wären gut beraten, diese wichtige Grenzlinie
unseres Rechtsstaates nicht zu überschreiten.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Der Rest der Welt hat damit kein Problem!)


Es ist nicht nur peinlich, sondern in höchstem Maße
bedenklich, dass beide Fraktionsvorsitzenden einer im
Deutschen Bundestag vertretenen Partei, nämlich der
Linken, diese Streiks nicht nur ausdrücklich gutheißen
und begrüßen,


(Beifall bei der LINKEN)


sondern den politischen Streik darüber hinaus sogar für
legitim erklären.


(Beifall bei der LINKEN)


– Der Beifall kommt von der falschen Seite.


(Lachen bei der LINKEN)


Das wirft ein deutliches Licht auf das Rechtsverständnis
von Herrn Gysi und von Herrn Lafontaine. Herr Gysi
und Herr Lafontaine, Sie sollten sich dafür schämen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Auf geht´s, schämt euch!)


Doch nun zur Sache. Zunächst einmal gibt es ein demo-
grafisches Problem in der Rentenversicherung – ob Herr
Peters von der IG Metall das wahrhaben will oder nicht.
Die Lebenserwartung steigt. Mit der Lebenserwartung
steigt auch die Rentenbezugsdauer. Das belastet die
Rentenversicherung und führt seit Jahren zu steigenden
Beiträgen. Davor kann man die Augen nicht verschließen.
Auf diesen Umstand muss der Gesetzgeber reagieren, es
ist aber die Frage, wie.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Sehr richtig!)


Eine Anhebung des starren Renteneintrittsalters von
65 Jahre auf 67 Jahre, wie von der Koalition geplant,
führt im Ergebnis zu einer geringen Entlastung von etwa
0,5 Beitragspunkten und wirft jede Menge neuer Fragen
auf, etwa die Frage, ob die vorgesehenen Ausnahme-
regelungen – beispielsweise für besonders lang Versi-
cherte – überhaupt verfassungskonform sind, weil sie
gegen das Äquivalenzprinzip verstoßen. Der Vorschlag
führt auch zu unterschiedlichen Belastungen einzelner
Jahrgänge. Besonders die Jahrgänge 1959 bis 1974 werden
über Gebühr belastet. Das ist nicht generationengerecht
und führt mit Sicherheit zu Klagen in Karlsruhe.


(Beifall bei der FDP)


Hinzu kommt: Viele Menschen können oder wollen
derzeit überhaupt nicht bis zum 67. Lebensjahr arbeiten.
Aktuell sind nur noch 45 Prozent der über 55-Jährigen
und 28 Prozent der über 60-Jährigen erwerbstätig, also
in einem Arbeitsverhältnis. Das heißt, der Rentenzugang
aus einem Arbeitsverhältnis heraus bei Erreichen der
Regelaltersgrenze ist von der Regel zur Ausnahme
geworden. Vor diesem Hintergrund empfinden viele
Menschen die Anhebung des gesetzlichen Renteneintritts-
alters als verkappte Rentenkürzung. Insoweit stimme ich
Herrn Peters sogar zu.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Zustimmen könnte ich sogar auch seiner Forderung
ach einem flexiblen Ausstieg aus dem Arbeitsleben.
amit hören die Gemeinsamkeiten dann aber auch

usdrücklich auf; denn Herr Peters wünscht sich eine
inanzierung seiner Vorschläge – normale Altersruhe
hne Abschlag nach 40 Versicherungsjahren, erleichterter
ugang zur Erwerbsunfähigkeitsrente, Erhalt der Alters-

eilzeit –, durch die der Beitragsdruck in der gesetzlichen
entenversicherung nicht nur nicht beseitigt, sondern

ogar noch verstärkt würde. Hier muss ich Herrn Peters
lipp und klar sagen: Flexibilität muss auch finanzierbar
ein, und das geht bei einem vorzeitigen Renteneintritt
icht ohne Abschläge.

Die FDP-Fraktion hat diesbezüglich andere Vorstel-
ungen, die wir in dieser Woche in der Fraktion auch
ehandelt und beschlossen haben. Mit einem flexiblen
entenrecht wollen wir die Voraussetzungen dafür

chaffen, dass ältere Menschen länger am Erwerbsleben
ilnehmen wollen und können. Die Versicherten sollen ab
em 60. Lebensjahr den Zeitpunkt ihres Renteneintritts
bei Grundsicherungsfreiheit – selbst bestimmen können.
as ist der entscheidende Punkt: Wir brauchen einen
aradigmenwechsel. Nicht mehr die möglichst frühe
errentung, sondern eine möglichst lange Teilhabe am
rwerbsleben muss zum Leitbild werden. Das ist übri-
ens auch das, was sich die Menschen wünschen. Mehr
ls zwei Drittel der Befragten sagen: Wir wollen selbst
ntscheiden, wann wir in den Ruhestand eintreten.

Um dies zu ermöglichen und auch Entscheidungsfrei-
eit zu gewährleisten, bedarf es einer weiteren Änderung
m Rentenrecht: Die Zuverdienstgrenzen müssen fallen.

it der Aufhebung aller Zuverdienstgrenzen müssen
nreize für die Arbeitnehmer geschaffen werden, auch
ei Rentenbezug weiter tätig zu sein.


(Beifall bei der FDP)


it diesem Zuverdienst kann der eigene Lebensstan-
ard verbessert werden. Durch die Verbeitragung der
uverdienste, die wir vorschlagen, werden zusätzliche
innahmen für die Sozialversicherung erzielt. Das, flan-
iert durch Änderungen im Arbeitsrecht – Verbesserung
er Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt für ältere
rbeitnehmer, Beseitigung von Beschäftigungshinder-
issen –, wird dazu führen, dass eine Regelung geschaffen
erden kann, die den Interessen der Menschen entspricht.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607907800

Herr Kollege!


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607907900

Mit Aktionen, wie den von der Linken hier vorge-

chlagenen – die Forderung nach einem politischen
treik –, wird für die Menschen in diesem Lande am
nde nichts verbessert.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607908000

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Franz Thönnes.


(Beifall bei der SPD)


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Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1607908100


Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, dass es gut ist und sich seit 1949 auch
bewährt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland eine
parlamentarische Demokratie und keine Umfragedemo-
kratie ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Zu den einleitenden Bemerkungen zur heutigen Aktuel-
len Stunde. Wir haben nicht viel Inhaltliches zu dem
Thema gehört, das eigentlich besprochen werden soll,
nämlich auf eine der größten – und erfreulichsten – He-
rausforderungen der Gesellschaft zu antworten und zu
sagen, wie auf das längere Leben zu reagieren ist. Ge-
werkschaften sind immer Gestaltungs- und Gegenmacht
zugleich gewesen. Aber man kann nicht gegen das län-
gere Leben, schon gar nicht gegen diese erfreuliche Ent-
wicklung und nicht gegen die daraus resultierenden Fol-
gen sein. Es geht dabei darum, die Folgen so
aufzunehmen, dass sie auch gestaltet werden können.

Die Gewerkschaften haben selbst zu dieser Entwick-
lung beigetragen, indem sie für humane Arbeitsbedin-
gungen eingetreten sind. Medizinisch-technischer Fort-
schritt, gesündere Umwelt – all das hat dazu geführt,
dass wir uns heute über eine längere Lebenserwartung
freuen können. Verantwortliches Handeln bedeutet, jetzt
auch die richtigen Antworten darauf zu geben und die
sozialen Sicherungssysteme dabei stabil zu halten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dem darf man nicht ausweichen. Man muss vielleicht
auch Antworten geben, die im ersten Moment nicht ge-
fallen. Aber man muss Antworten geben, die das für die
Menschen kalkulierbar machen, damit sie wissen, wo-
rauf sie sich einstellen müssen.

Fakt ist nun einmal – dem kann man nicht ausweichen –
die längere Lebenserwartung. Erfreulicherweise ist in
den letzten 40 Jahren im Schnitt bei den Männern ein
Plus von elf Jahren und bei den Frauen von zwölf Jahren
zu verzeichnen. Das hat zur Folge, dass die Rentenbe-
zugsdauer sich von zehn Jahren auf 17 Jahre erhöht. Das
ist ein Plus von 70 Prozent. Da kann man nicht von einer
Rentenkürzung sprechen. Das geht nicht.

Das geht erst recht nicht, wenn man weiß, dass über
die längere Erarbeitung von Anwartschaftszeiten Ren-
tenansprüche steigen. Das geht auch nicht, wenn man
sein Handeln darauf ausrichtet, eine positive Tarifent-
wicklung zu erreichen. Die trägt wieder zu Rentenerhö-
hungen bei. Da darf man also nicht von Rentenkürzun-
gen sprechen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Ich habe eine Vermutung, nämlich die, dass diejenien, die von „Rentenkürzung“ sprechen, die hohe Areitslosigkeit in die Zukunft projizieren wollen, ich also wie Kassandra verhalten, damit sie einen Nähroden für ihre Politik finden. Das geht nicht. Dass die Dinge veränderbar sind, zeigt die Realität: 64 000 Arbeitslose weniger, 430 000 sozialversicheungspflichtige Jobs mehr. Man darf die Hände eben icht in den Schoß legen. Wir wollen noch besser weren, aber ein bisschen Optimismus darf bei dieser Enticklung schon an den Tag gelegt werden. Es geht an dieser Stelle auch darum zu sagen: Wie erden die Kosten der älter werdenden Gesellschaft ge echt verteilt? Sie sollen nicht nur einer Generation anelastet werden, sondern auf die Beitragszahler sowie ie Rentnerinnen und Rentner verteilt werden. Was in olidarität erhalten werden soll, muss auch in Solidarität etragen werden. Dann darf man auch nicht Ausflüchte achen und fordern, es müssten noch mehr Steuern ins ystem. 77,4 Milliarden Euro fließen aus dem Bundesaushalt bereits in die Rentenversicherung. Daran wird uch noch einmal die gesellschaftliche Aufgabe einer uten und solidarischen Rentenversicherung ganz deutich. Man darf der Demografie nicht ausweichen. In den 0er-Jahren wurden von einer Frau in ihrem Leben im chnitt 2,4 Kinder geboren. Heute sind es nur noch ,4 Kinder. Das heißt: Es kommen immer weniger Jünere nach, was am Ende zur Folge hat, dass sich das heuige Verhältnis der Zahl derjenigen, die im erwerbsfähien Alter sind, zu der Zahl derjenigen über 65 Jahre von rei zu eins in den nächsten zehn oder 15 Jahren auf wei zu eins verändern wird. (Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin GöringEckardt)


(Anton Schaaf [SPD]: So ist es!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ir brauchen Wachstum, hohe Beschäftigungsraten und
roduktivität, wenn das gemeinsam geschultert werden
oll, wenn die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler
ewährleisten sollen, dass die Rentnerinnen und Rentner
uch im Alter ein angemessenes Auskommen haben.
as gilt es zu organisieren.

Es gibt einen weiteren ganz wichtigen Punkt in dieser
ebatte. Es geht auch um einen Sichtwechsel in der Ge-

ellschaft. Es ist nicht in Ordnung, dass sich in Deutsch-
and die Vorstellung breitgemacht hat, mit 50 Jahren ge-
öre man zum alten Eisen. Es geht darum, ein Stück weit
ie soziale Wertigkeit des Menschen im Alter in
eutschland auch in den Betrieben wiederherzustellen.
s geht darum, das Alter wieder ernst zu nehmen und
chlichtweg zu registrieren, dass in Deutschland die Zahl
er über 65-Jährigen in den nächsten Jahren, ungefähr
is zum Jahr 2030, um 6,4 Millionen zunehmen wird,
ber die Zahl derjenigen, die im beschäftigungsfähigen
lter sind, sich um 5,4 Millionen reduzieren wird. Das
edeutet, dass sich die Altersstruktur in den Betrieben
erändert. Das bedeutet für die Unternehmen auch, dass






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Franz Thönnes
sie sich dann, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wol-
len, wieder auf die Kompetenzen der Älteren besinnen
müssen sowie darauf, was Prozesswissen ist, was Erfah-
rungswissen ist und was Produktkenntnis ist. Wer wett-
bewerbsfähig bleiben will, der muss mit uns gemeinsam
daran arbeiten, dass die Beschäftigungsquote der Älteren
in den Betrieben wieder steigt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dann reden wir über gute Arbeit, über die Bedingun-
gen der Arbeit, kurzum darüber, dass Arbeit nicht krank
machen darf. Wir müssen die Beschäftigungsfähigkeit
der Menschen in den Betrieben erhalten. Wir wissen,
wie die Bedingungen sind und wie schwierig das manch-
mal ist. Auch deswegen haben wir jetzt in die Konzep-
tion mit hineingenommen, dass diejenigen, die 45 Jahre
einbezahlt haben, mit 65 Jahren abschlagsfrei gehen
können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Brandner [SPD])


Auch deswegen haben wir in unsere Vorschläge mit hi-
neingeschrieben, dass diejenigen, die 35 Pflichtbeitrags-
jahre haben, bis zum Jahre 2023 in der Erwerbsminde-
rungsrente unter den gleichen Bedingungen behandelt
werden wie heute. Ab dem Jahr 2024 gilt das noch für
diejenigen, die 40 Beitragsjahre haben. Ich glaube, dass
das gute Entscheidungen gewesen sind.

Nicht gut ist die Beschäftigungsquote. Wir sind auch
hier nicht erfolglos gewesen: Im Jahr 2000 lag die Be-
schäftigungsquote der über 55-Jährigen bei 37,5 Prozent,
heute liegt sie bei 48,3 Prozent. Das geht also. Aber wir
wollen besser werden. Wir haben uns in Europa darauf
verständigt, dass wir bis zum Jahre 2010 eine Beschäfti-
gungsquote von 50 Prozent erreichen wollen. Selbst
60 bis 70 Prozent wie in Schweden, Kanada, Finnland
und Norwegen sind keine Vision, sondern können Reali-
tät werden, wenn wir unsere ganze Kraft darauf konzen-
trieren.

Das machen wir, zum Beispiel mit der Initiative
„50 plus“. Das ist die andere Seite der Medaille: daran
zu arbeiten, dass durch Weiterbildung, Qualifizierung
und Lohnkostenzuschüsse auch die Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer über 50 Jahre eine Chance haben und
dass die Unternehmen sie einstellen.

Die Initiative „Neue Qualität der Arbeit“ bringt Ar-
beitgeber und Gewerkschaften zusammen. Sie bringt all
diejenigen zusammen, die dieses Ziel unterstützen und
daran arbeiten wollen, es vernünftig zu gestalten. An
diesem Punkt gibt es Gemeinsamkeiten mit den Gewerk-
schaften: daran zu arbeiten, dass es nicht einen weiteren
Ausfall bei der sogenannten Bruttowertschöpfung in
Deutschland durch verloren gegangene Arbeitstage we-
gen Krankheit in Höhe von 66 Milliarden Euro gibt und
dass gesunde Arbeitsbedingungen geschaffen werden,
damit Arbeit nicht krank macht. Dieses Parlament hat in
der letzten und vorletzten Legislaturperiode im Betriebs-
verfassungsgesetz viele Möglichkeiten der Einfluss-
nahme der Betriebsparteien geschaffen. Es hat von Wei-
terbildung und Qualifizierung bis hin zu den Fragen der
Gestaltung der Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitneh-

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(C (D erinnen und Arbeitnehmer Regelungen in die Mitbetimmungsund Mitwirkungsbereiche hineingeschrieen. Ich wünschte mir, wir würden Transparente sehen, die auten: „Gegen Altersausgrenzung aus dem Betrieb – für öhere Beschäftigungsquoten Älterer“, „Gegen Altersiskriminierung bei Weiterbildung – für lebensbegleiende Qualifizierung“, „Arbeit darf Gesundheit nicht erstören“ und „Für den Erhalt der Beschäftigung und er Leistungsfähigkeit“. Daran gemeinsam zu arbeiten, as ist unsere Aufgabe, weil auch über diesen Weg eine erlässlichkeit für die ökonomische Entwicklung und ür die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland entteht. Die 25 Milliarden Euro, die wir in unser Innovaionsprogramm, unser Wachstumsprogramm investiert aben, sind gut investiertes Geld. Hohe Beschäftigungsuoten für Alt und für Jung, Produktivität, ein gutes irtschaftswachstum, Investitionen in Bildung und in orschung, das sind die besten Garanten für die Sicheung eines solidarisch finanzierten Alterssicherungssysems, wie wir es in unserer bewährten Rentenversicheung haben. Das Wort für Bündnis 90/Die Grünen hat die Kollegin rmingard Schewe-Gerigk. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607908200
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

s ist das gute Recht der Gewerkschaften, die Interessen
er Beschäftigten auch politisch zu vertreten.


(Beifall des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Beifall bei der LINKEN)


as sage ich als Gewerkschaftsmitglied. Ich habe aller-
ings Zweifel, dass in diesem Falle die Interessen der
eschäftigten wirklich gut vertreten werden. Es hilft
och niemandem, wenn die Gewerkschaften den Men-
chen vorgaukeln, es könne alles so bleiben, wie es ist,
enn sie behaupten, die Demografie sei nur ein Vor-
and, es gehe lediglich um Rentenkürzungen. Ich finde
as perfide.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU)


Haben die Gewerkschaftsvertreter wirklich noch nicht
itbekommen, dass immer weniger Kinder geboren wer-

en, dass 2030 8 Millionen weniger Erwerbstätige eine
achsende Anzahl von Renten zu finanzieren haben?


(Zuruf des Abg. Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE])


Sie brauchen nicht so zu schreien. – Ist es ihnen ent-
angen, dass die Menschen im Jahre 2030 durchschnitt-
ich vier Jahre älter werden? Wissen sie nicht, dass die
entenlaufzeiten dann 20 Jahre betragen? Ich kann nicht
lauben, dass sie das nicht wissen.






(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk
Die Gewerkschaften behaupten, die längere Lebensar-
beitszeit führe zu höherer Jugendarbeitslosigkeit. Richtig
ist: Länder, in denen mehr Ältere beschäftigt sind, haben
eine niedrigere Jugendarbeitslosigkeit. Sie behaupten, es
gebe nicht genügend Arbeitsplätze für ältere Beschäf-
tigte. Richtig ist: Sie beschreiben die heutige Situation.
Es geht aber um die Situation in 22 Jahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Die heutige Arbeitsmarktsituation in das Jahre 2029 zu
übertragen, hieße, sie wollen keine Maßnahmen ergrei-
fen und würden den Kopf in den Sand stecken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Gewerkschaft sagt, es würden altersgerechte Ar-
beitsplätze fehlen. Diesem Argument kann ich zustim-
men, wenn es um die heutige Realität geht. Nur: Sie ha-
ben aber gemeinsam mit den Arbeitgebern die
Frühverrentungspolitik propagiert; sie haben Fakten ge-
schaffen. Damit sind wir beim Kern des Problems. Auf
dem Arbeitsmarkt herrscht noch immer der Jugendwahn.
50-Jährige gehören zum alten Eisen. Darum brauchen
wir eine neue Kultur der Altersarbeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die Ursachen für das Fehlen einer solchen Kultur er-
fahren wir aus dem Mund des Betriebsratsvorsitzenden
von VW.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Der sitzt doch im Knast!)


Er sagt in der „Frankfurter Rundschau“: „Wir haben
praktisch keine Erfahrung mit 60-Jährigen.“ Denn
90 Prozent der Leute gehen bereits mit 58 Jahren in Al-
tersteilzeit. – Das werden wir uns künftig nicht mehr
leisten können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Für uns Grüne ist die Integration Älterer in den Ar-
beitsmarkt eine wesentliche Voraussetzung für die Rente
ab 67. Deshalb haben wir die Bundesregierung aufgefor-
dert, ein Gesamtkonzept zur Integration älterer Beschäf-
tigter vorzulegen und alle zwei Jahre über die Beschäfti-
gungsquote der über 55-Jährigen zu berichten. Erhöht
sie sich nicht deutlich, müssen weitere Maßnahmen er-
griffen werden.

Herr Brauksiepe, Sie haben vorhin die Situation opti-
mistisch dargestellt. Ich glaube, Schönfärberei ist im
Moment nicht angebracht.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Ich habe nur Zahlen genannt, die aktuell sind! Das sind die aktuellen Zahlen der BA, Frau Kollegin! – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist Realismus!)


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(C (D err Thönnes sagte gerade, das Programm „50 plus“ irke. Das Programm „50 plus“ ist schon etwas älter. ie Realität sah da bisher ganz anders aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hat bei RotGrün schon nichts getaugt!)


ir sind in der Tat sehr weit von einer befriedigenden
rwerbsintegration älterer Beschäftigter entfernt. Darum
rauchen wir endlich einen Mentalitätswechsel.

Die Frühverrentung hat uns in die Sackgasse geführt
nd verhindert geradezu Erfahrungen bei der Beschäfti-
ung von Älteren in den Betrieben. Dass es kaum wis-
enschaftliche Expertisen zur Erhaltung der Beschäfti-
ungsfähigkeit Älterer gibt, ist doch ein Zeichen dafür,
ass in den Köpfen noch immer die Frühverrentungside-
logie steckt. Das müssen wir beenden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Strategien zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit bis zur
ente sind vor allem bei Arbeitsplätzen von gering Qua-

ifizierten erforderlich. Natürlich haben Gewerkschafts-
ertreter recht, wenn sie darauf hinweisen, dass es nicht
öglich ist, am Fließband zu stehen und unter hohem
eistungsdruck bis 67 im Akkord zu arbeiten. Ich frage:
arum schließen die Gewerkschaften nicht mit den Ar-

eitgebern Vereinbarungen darüber ab, dass die Arbeits-
edingungen und die Arbeitsorganisation verändert wer-
en? Das wäre doch ein wichtiges Betätigungsfeld.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der LINKEN)


Die Realität zeigt: Solange es staatlich abgepolsterte
ltersteilzeitprogramme gibt, werden große Betriebe
einen Anlass haben, sich ernsthaft mit altersgerechten
rbeitsbedingungen auseinanderzusetzen. Solange es so

infach ist, ganze Generationen aus dem Arbeitsprozess
uszugliedern, werden diese Arbeitgeber weiterhin auf
echnische Rationalisierungen setzen. Fließbänder ohne
eschäftigte gehören doch bereits heute zur weitverbrei-

eten Realität.

Ich fordere die Gewerkschaften auf: Verschließen Sie
icht weiter die Augen vor der demografischen Entwick-
ung! Tragen Sie gemeinsam mit den Arbeitgebern Ver-
ntwortung!


(Zuruf von der LINKEN: Das ist eine Unverschämtheit!)


etzten Sie sich für bessere und altersgerechte Arbeits-
edingungen ein! Ich nenne in diesem Zusammenhang
ur: Weiterbildungsstrategien für lebenslanges Lernen,
etriebliche Gesundheitsförderung und Prävention oder
uch die systematische Durchführung von Gefährdungs-
eurteilungen nach dem Arbeitsschutzgesetz. Fordern
ie von den Arbeitgebern Investitionen in die Köpfe ih-
er Belegschaften, in die Köpfe der Jungen und in die
öpfe der Alten! Damit wird im Übrigen die Leistungs-

ähigkeit der Unternehmen im globalen Wettbewerb
auerhaft gestärkt.






(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk
Meine Damen und Herren von der Linken, ich glaube,
es ist Ihnen hier nicht gelungen, mit Ihrer Aktuellen
Stunde wirklich überzeugend darzulegen, warum das
Modell der Rente mit 67 nicht richtig ist.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Sie haben uns überzeugt!)


Schauen Sie sich einmal Fernsehsendungen wie „Auf-
stand der Alten“ an. Da wird prognostiziert, was passie-
ren wird, wenn wir heute nichts tun. Deshalb müssen wir
etwas unternehmen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607908300

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Gerald Weiß das

Wort.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Frau Schewe-Gerigk, Sie haben fast nur Ver-
nünftiges gesagt, muss ich feststellen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen des Abg. Oskar Lafontaine [DIE LINKE] – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt ein vergiftetes Kompliment?)


Allerdings lagen Sie an einer Stelle falsch: als Sie sag-
ten, Dr. Brauksiepe betreibe Schönfärberei, als er die
– positive – Entwicklung der Beschäftigung lebensälte-
rer Arbeitnehmer darstellte. Er hat schlicht die Zahlen
der Bundesagentur für Arbeit genannt. Das zeigt: Auch
bei der Beschäftigung Lebensälterer geht es in der Bun-
desrepublik aufwärts, wie es insgesamt am Arbeitsmarkt
aufwärtsgeht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der grundlegende Sachverhalt ist so einfach, dass ihn
auch die IG Metall kennt. Jede Generation lebt fünf bis
sechs Jahre länger, hat also eine größere Lebenserwar-
tung. Das bedeutet, dass sie länger Rente bezieht. Das ist
schön. Aber jede Generation in Deutschland ist auch ein
Drittel kleiner als die vorhergehende Generation. Das ist
unschön, weil der demografische Umbruch eine Anspan-
nung für den Generationenvertrag bedeutet. Wenn wir
nicht an der richtigen Stelle eingreifen, wird sich das
Verhältnis der Erwerbstätigen zu den Rentenbeziehern
so verändern, dass dieses System, dieser Generationen-
vertrag, nicht mehr funktionieren kann. Wir dürfen die
Jüngeren nicht überfordern, und wir müssen den Älteren
eine angemessene Sicherung ihres Alters gewährleisten.
Das sind die beiden Ziele.

Das zu erreichen, dafür gibt es nicht viele Stellräder.
Ein Stellrad ist das Rentenniveau. Wir können das Ren-
tenniveau nicht noch weiter senken, als es ohnehin ge-
schehen und geplant ist. Wir müssen den Älteren einen
angemessenen Alterslohn für ihre Lebensleistung geben.
Wir können aber auch den Rentenversicherungsbeitrag

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(C (D icht weiter anheben. Er darf 20 und später 22 Prozent icht überschreiten, weil wir die Betriebe sowie die Areitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Aktiven, nicht berfordern dürfen. Wir können auch die Bundeszuchüsse – es sind insgesamt 78 Milliarden Euro – nicht eiter steigen lassen. Das ist schon jeder dritte Euro des aushalts. Es bleibt nur ein Stellrad: Das ist die Lebensarbeitseit. Wenn man fünf bis sechs Jahre länger lebt, ist es benso gerecht wie angemessen und erforderlich, dass an in diesen fünf bis sechs Jahren längeren Lebens wei Jahre länger arbeitet. Es ist eine schlichte Wahrheit: ir müssen länger arbeiten. Das weiß auch die IG Metall. Es ist nicht populär, ies den Menschen zu sagen. Dies ist schon gar nicht poulistisch; aber es ist verantwortungsvoll. Wenn wir das ystem der Rentenversicherung, den Generationenver rag, nachhaltig sichern wollen, muss die künftige Rentergeneration – es geht nicht um die jetzige – angemesen länger arbeiten, um vor allem die Jungen nicht zu berfordern. Wir müssen dafür sorgen, dass sie auch Arbeitschanen hat. Ich schließe mich all dem, was Franz Thönnes esagt hat, an: Es geschieht unter der Überschrift 50 plus“ im Arbeitsschutz und wo auch immer einiges, amit die Menschen länger arbeiten können. Wir geben den Menschen Sicherheit. Die Anhebung es Rentenalters erfolgt über eine lange Strecke. Das anze beginnt 2012 – die Regierung hätte sich auch drü ken und in dieser Legislaturperiode gar nichts machen önnen – und hat eine Spanne bis 2029. Wir gehen in leinen Stufen vor, die für jeden kalkulierbar sind. Wir agen jedem, was das für ihn bedeutet. Es ist eine verantortliche Politik, den Menschen Klarheit, Gewissheit, icherheit und Kalkulierbarkeit in Bezug auf ihr eigenes eben zu geben. Herr Lafontaine, die Leute, die das alles wissen und olitische Streiks veranstalten sowie illegitime Maßnahen und widerrechtliche Aktionen gegen diese einfache ahrheit und einfache Notwendigkeit starten, versündi en sich in Wahrheit an diesem Volk. Sie führen dieses olk in die Irre. Sie machen den Leuten ein X für ein U or und verleiten sie auf eine Strecke, die ins Nichts ührt. Diejenigen, die so argumentieren, wie Sie es heute etan haben, als Sie sagten, man brauche politische treiks, sind Leute vom Schlage derjenigen, die die Weiarer Republik zu Grabe getragen haben. iesen Weg beschreiten wir nicht, und diesem Weg wiersprechen wir. Herzlichen Dank. Als Nächster spricht der Kollege Werner Dreibus für die Linke. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich würde zunächst gern ein paar Bemerkungen zum eigentlichen Gegenstand dieser Debatte machen. Wir wollten nämlich nicht – heute jedenfalls nicht – über das Für und Wider – wir sind für das Wider – der Rente mit 67 debattieren, vielmehr wollen wir das, was in den letzten Tagen in unserem Land passiert ist, zum Gegenstand der Beratung im Bundestag machen, weil es dort hingehört. Dieses Thema beschäftigt offensichtlich viele Menschen. Möglicherweise bewegt es sie mehr als den einen oder anderen meiner Vorrednerinnen und Vorredner. Bis gestern Abend haben allein in der Metallindustrie mehr als 250 000 Menschen zeitweise – bis zu zwei, drei Stunden – die Arbeit niedergelegt. (Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das sind nur 0,3 Prozent der Bevölkerung!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Widerspruch bei der LINKEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607908400

(Beifall bei der LINKEN)

Werner Dreibus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607908500

(Beifall bei der LINKEN)


Das war eine nicht einfache Entscheidung für jeden ein-
zelnen dieser mehr als 250 000 Menschen. Diese Men-
schen haben es sich nicht so einfach gemacht wie viele
von Ihnen hier. Sie haben sich sehr gut überlegt, ob sie
es für sich verantworten können, die Arbeit niederzule-
gen, um sich gegen das, was von Ihnen geplant wurde
und durchgezogen werden soll, zu wehren, indem sie de-
monstrieren und protestieren.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Menschen haben eine sehr sorgfältige und ge-
wissenhafte Entscheidung getroffen. Mehr als 250 000
Menschen haben diese Entscheidung für sich getroffen.
Ich würde Ihnen daher dringend empfehlen, sich ernst-
hafter und sorgfältiger mit diesen Ereignissen zu be-
schäftigen, als Sie es bis jetzt mit Ihren Zwischenrufen
tun.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Auch wenn ich sorgfältig überlegt habe, jemanden zu erschlagen, bleibt die Tat illegal!)


250 000 und mehr machen von ihren demokratischen
Rechten Gebrauch. 250 000 Menschen zeigen Engage-
ment für Sozialstaat und Demokratie.


(Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/ CSU]: 0,3 Prozent der Bevölkerung!)


250 000 Menschen sind ein lebendiger Gegenbeweis ge-
gen Politikverdrossenheit.


(Beifall bei der LINKEN – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: 0,3 Prozent!)


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(C (D 50 000 Menschen zeigen in lobenswerter Weise ein ürgerschaftliches Engagement – damit will ich einen nderen Begriff einführen – durch ihre Aktivitäten. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Von Gewerkschaftsagitatoren aufgehetzt!)


Ja, so einfach ist Ihre Welt; sie ist nicht schwarz-weiß,
ie ist nur schwarz.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese 250 000 und mehr hätten es, und zwar unab-
ängig von unseren sachlichen politischen Meinungs-
erschiedenheiten und dem Gegenstand ihrer Proteste,
umindest verdient, dass wir ihnen für dieses Engage-
ent – sie haben sich nicht hinter den Fernseher zu-

ückgezogen, sondern öffentlich, während der Arbeits-
eit Gesicht gezeigt


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das ist wirklich beeindruckend!)


nd sich engagiert – hier in diesem Haus unseren Res-
ekt zollen.


(Beifall bei der LINKEN)


tattdessen wurde Hohn und Schmutz über sie ausge-
chüttet, zumindest haben das einige von Ihnen gemacht.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will einiges anführen: bedauerlich, unseriös, bor-
iert, blödsinnig, unsinnig, klarer Rechtsbruch, Geisel-
ahme, sollten sich schämen, perfide, widerrechtlich,
ersündigen sich am Volk usw.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Nehmen Sie die Hand aus der Tasche!)


as waren einige Stichworte. Herr Brauksiepe, lesen Sie
ich Ihre Rede im Protokoll noch einmal durch! Ich finde
hre Wortwahl in keiner Weise dem angemessen, was die

enschen mit ihrem Engagement zeigen.


(Beifall bei der LINKEN)


as war schlicht und ergreifend unanständig.


(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Was Sie machen, ist unanständig! – Dr. Michael Fuchs [CDU/ CSU]: Wir sind hier nicht auf dem IG-MetallBezirkstag! – Zuruf von der FDP: Volle Streikkasse!)


Sie wissen doch, dass das, was Sie sagen, Unsinn ist.
as schreien Sie da? Keiner der Menschen, die gestern

nd vorgestern ihre Arbeit niedergelegt haben, bekommt
afür einen Cent. Die Menschen opfern sogar Geld, um
olitische Signale zu setzen.


(Beifall bei der LINKEN)


nd was machen Sie hier?

Diese 250 000 Menschen – es werden in den nächsten
agen noch viel mehr werden – nehmen ihr demokrati-
ches Recht in Anspruch, und zwar überall, im Norden,
m Süden, im Osten und im Westen.






(A) )



(B) )


Werner Dreibus

(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das ist Ihr Wunschgedanke! Deswegen reden Sie so!)


Ich will Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen. Am
26. Januar 2007 fand in Leipzig auf dem Betriebsge-
lände von BMW eine Demonstration von Mitarbeitern
der dort angesiedelten Unternehmen statt. Sie haben dort
während der Arbeitszeit öffentlich demonstriert. Dass
das in Leipzig und bei BMW nicht ganz einfach ist,
weiß, wer sich in der Region ein bisschen auskennt.
Diese Menschen wissen sehr genau, was sie tun. Ich
habe bereits darauf hingewiesen, dass die Entscheidung,
zu demonstrieren, eine sehr gewissenhafte Entscheidung
ist.

Die Demonstranten haben eine Resolution verab-
schiedet und unsere Abgeordnete Barbara Höll gebeten,
diese Resolution der Bundesregierung zu überreichen.
Stellvertretend für diese 250 000 Menschen und die vie-
len anderen werde ich diese Resolution jetzt dem Herrn
Staatssekretär überreichen.

Ich bitte Sie alle, weniger in Sonntagsreden über De-
mokratieverdrossenheit zu reden, sondern sich ein biss-
chen mehr und ernsthafter mit dem bürgerschaftlichen
Engagement der Menschen zu beschäftigen, die in die-
sen Tagen gegen Ihre falsche Politik demonstrieren.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607908600

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.


Werner Dreibus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607908700

Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Abg. Werner Dreibus [DIE LINKE] übergibt dem Parl. Staatssekretär Franz Thönnes ein Schriftstück)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607908800

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaus Brandner für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Meckelburg [CDU/ CSU]: Jetzt wird es spannend, Klaus! Bewährungsprobe!)



Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1607908900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! In den letzten Tagen haben Zehntau-
sende Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit zeitweise
unterbrochen, um gegen die Rente mit 67 zu demonstrie-
ren. Ich will gleich deutlich sagen: Wir kriminalisieren
die Menschen, die demonstriert haben, nicht. Sie haben
aus der Sorge heraus, dass ihre Lebens- und Altersbedin-
gungen im Deutschen Bundestag nicht richtig gewichtet
werden könnten, gehandelt. Wir machen uns allerdings
Sorgen darüber, dass der Deutsche Bundestag selbst zu
einem Ort der Demonstration wird. Das nimmt der De-
batte in dem einen oder anderen Fall die Ernsthaftigkeit.
Das will ich ganz deutlich sagen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


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(C (D Ich glaube, es ist deutlich geworden, wo die Sorgen er Menschen als Vorwand dienen, um eine Plattform zu inden, von der aus man das Thema politischer Streik ach vorne tragen kann. (Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Was heißt denn „demonstrare“?)


s geht aber nicht um den politischen Streik, sondern um
in wichtiges sozialpolitisches Thema. Damit ist es uns
rnst. Dem stellen wir uns nicht hinter verschlossenen
üren, sondern ich stelle mich diesem Thema in Be-

riebsversammlungen von Klein- und Großunternehmen,
n Gesprächen mit IG-Metallerinnen und IG-Metallern,
n Gesprächen mit Arbeitnehmerinnern und Arbeitneh-

ern sowie mit Gewerkschafterinnen und Gewerkschaf-
ern auf sehr sachliche, argumentative Weise, auch wenn
as oft in einer angeheizten Atmosphäre stattfindet. Die
emonstration aber zu nutzen, um das Thema politi-

cher Streik nach vorne zu bringen, ist nicht nur faden-
cheinig, sondern nimmt der Debatte auch ein Stück weit
ie Ernsthaftigkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Wir ha-
en Verständnis für die Menschen, die sagen, sie schaf-
en es nicht, bis 67 zu arbeiten, zum Beispiel, weil sie im
reischichtbetrieb am Band stehen. Viele von ihnen
önnen es sich nicht vorstellen, dass sie bis 67 am Band
rbeiten können.

Was sind denn die Forderungen? Die Menschen wol-
en Arbeitsplatzsicherheit. Sie wollen eine sichere Zu-
unft mit einer auskömmlichen Altersversorgung. Die
enschen fürchten sich, den Belastungen nicht gewach-

en zu sein. Wir lesen: Millionen Menschen haben keine
rbeit, und die, die noch Arbeit haben, sollen länger ar-
eiten. Dieser Spruch klingt auf den ersten Blick eingän-
ig und verständlich. Es soll suggeriert werden, dass die
ente mit 67 morgen kommt. Sie kommt aber morgen
icht; sie kommt auch übermorgen nicht. Sie kommt im
ahr 2029. Natürlich fällt es schwer, sich heute vorzu-
tellen, wie die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Jahr
029 sein werden. Vor zwei Jahren hatten wir im Früh-
ahr 5,2 Millionen Arbeitslose. Zwei Jahre später, im
ahr 2007, haben wir 4,2 Millionen Arbeitslose.

1 Million Arbeitslose weniger in zwei Jahren! Wer
ätte sich das vor zwei Jahren vorstellen können? Auch
as muss einmal gesagt werden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Und wie viel davon ist Statistik?)


Wir haben gute Aussichten. Laut der Prognosen aller
irtschaftswissenschaftlichen Institute wird die durch-

chnittliche Arbeitslosenzahl in 2007 unter 4 Millionen
inken. Wenn man sich noch nicht einmal Veränderun-
en für die nächsten ein bis zwei Jahre richtig vorstellen
onnte – diese haben nun stattgefunden –, wie kann man
ich dann erst Veränderungen vorstellen, die es in 2029
eben soll?

Wir haben die Aufgabe, verantwortungsvolle, nachhal-
ge und zukunftsorientierte Politik zu machen. Deshalb






(A) )



(B) )


Klaus Brandner
müssen wir auf den Rat der Fachleute eingehen, die sa-
gen: 2029 werden dem Arbeitsmarkt etwa 10 Millionen
Menschen weniger zur Verfügung stehen. Wir leben län-
ger und müssen daher jetzt eine verantwortungsvolle,
vorausschauende Politik machen, damit wir die Lasten
der heutigen Generation nicht auf die folgenden Genera-
tionen übertragen.

Wir werden uns dem demografischen Wandel nicht
entgegensetzen können. Wir können diese Entwicklung
nicht aufhalten. Sie ist Fakt, und wir müssen schon jetzt
die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen. Das
heißt, wir müssen den Protest dahin lenken, wo er hinge-
hört, nämlich in Richtung Verbesserung der Arbeitsbe-
dingungen. Dazu haben wir Sozialdemokraten in der
Vergangenheit viel geleistet. Wir haben das Betriebsver-
fassungsgesetz reformiert und dadurch die Mitbestim-
mungsrechte zur Ausgestaltung menschengerechter Ar-
beitsbedingungen verbessert. Damit haben wir die
Voraussetzungen geschaffen, die Arbeitsbedingungen in
den Betrieben besser zu gestalten. Aber wie ernst neh-
men die Arbeitgeber diese Verpflichtung? Wie wäre es,
wenn die Gewerkschaften die Arbeitgeber stärker auf-
fordern würden, die Arbeitsbedingungen zu verändern,
zu verbessern, anzupassen? Wie wäre es, wenn die Be-
triebsräte stärker gefördert würden, sie fitter gemacht
würden, diese Ansprüche besser umsetzen zu können?
Hier gibt es Alternativen, die genutzt werden müssen.
Die Gewerkschaften – darum bitte ich – sollten diesen
Gestaltungsrahmen zukünftig stärker nutzen.

In der Vergangenheit haben die Arbeitgeber oft darauf
hingearbeitet, die Menschen auszupressen. Diese sind
häufig ausgebrannt; das wissen wir. Wenn wir nicht
mehr hinnehmen wollen, dass sie aus dem Erwerbsleben
hinausgedrängt und durch jüngere, leistungsfähigere
Menschen ersetzt werden, dann muss jetzt ein Umden-
kungsprozess stattfinden.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Genau!)


Er ist immer dann dringend notwendig, wenn wir eine
Notwendigkeit der Produktivitätssteigerung erkennen.
Hierbei gibt es mehrere Alternativen. Sie ist besser er-
reichbar, wenn wir nicht auf Arbeitszeitverlängerung
und Arbeitsverdichtung, sondern auf nachhaltige Quali-
fizierung und auf mehr Weiterbildung setzen. Das
schafft Motivation. Eine humane Arbeitsgestaltung ist
aus unserer Sicht denkbar.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Jetzt hat er etwas vorgelesen, was nicht passt!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607909000

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1607909100

Ich komme zum Schluss. – Wir sind für Planbarkeit

und Verlässlichkeit. Deshalb haben wir eine lange Vor-
laufzeit. Wir haben einen Korridor von vier Jahren ge-
schaffen, in dem die zukünftigen Übergangsbedingun-
gen organisiert werden können.

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(C (D Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Die Altersteilzeit bleibt im Rahmen der steuerlichen örderung erhalten. Das sollten wir gemeinsam nutzen, amit wir einen echten Generationenvertrag, der auf Erolg baut und belastbar ist, gestalten können. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607909200
Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1607909300


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607909400

Der Kollege Max Straubinger hat das Wort für die

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Max Straubinger (CSU):
Rede ID: ID1607909500

Werte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

ie Reform der sozialen Sicherungssysteme ist eines der
roßen Anliegen der Großen Koalition. Sie ist dringend
otwendig, weil wir die sozialen Sicherungssysteme, die
ir alle schätzen und über viele Jahre und Jahrzehnte in
nserem Land erarbeitet haben, zukunftsfest gestalten
üssen. Dies bedeutet, dass angesichts der demografi-

chen Entwicklung, die wir erleben – sie wurde heute
ielfältig dargelegt –, Neujustierungen vorgenommen
erden müssen.

Dazu zählen alle Reformen, zum Beispiel die Reform
es Gesundheitswesens, die wir morgen in diesem Ho-
en Haus abschließend beraten werden. Vor allen Din-
en müssen wir unser Rentensystem zukunftsfest neu
usrichten, und zwar unter dem Gesichtspunkt, dass die
ente der Lohn für die langjährige Erwerbsarbeit und
ie Beitragszahlungen ist, die der Einzelne erbracht hat.
arüber hinaus muss auch darauf geachtet werden, dass
ie Beitragszahler aufgrund der demografischen Ent-
icklung nicht über Gebühr belastet werden. Unter die-

em Gesichtspunkt ist die Anhebung des Renteneintritts-
lters auf 67 Jahre im Jahre 2029 letztendlich zu sehen.
atürlich gibt es Widerspruch, gibt es viel Kritik. Die

G Metall und Verdi setzen sich jetzt an die Spitze derer,
ie massivste Kritik vortragen. Jeder in Deutschland hat
as Recht, Kritik vorzutragen, und zwar in den verschie-
ensten Formen, natürlich auch in Form von Demonstra-
ionen. Aber ich sage ganz offen: Diese politisch moti-
ierten Streiks gehören nicht in die Betriebe!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Silvia Schmidt [Eisleben] [SPD] – Beifall bei der FDP)


olitisch motivierte Streiks in Betrieben sind dazu ange-
an, unsere bewährten staatlichen und demokratischen
rinzipien über den Haufen zu werfen. Das ist es, was
ie Linken in diesem Hause letztendlich wollen.


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)







(A) )



(B) )


Max Straubinger
Vorhin hat der Kollege Dreibus davon gesprochen, an
diesen Demonstrationen hätten sich 250 000 Menschen
beteiligt.


(Werner Dreibus [DIE LINKE]: Mehr!)


Wie viele sind für diese Aktion der IG Metall wohl in
Zwangshaft genommen worden?


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Denn wenn ein hoher Prozentsatz der Mitarbeiter nicht
mehr am Band steht, kann nicht mehr weitergearbeitet
werden, dann ist der Betrieb stillgelegt. Das kann nicht
im Sinne der Beschäftigten bei uns in Deutschland sein!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich glaube, dass diese Aktionen letztendlich nicht den
Menschen in unserem Land dienen. Die Unterstützung
von der linken Seite ist rein populistisch motiviert. Ihre
Partei steht in der Tradition von SED und PDS und des
sogenannten Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds, der
nur am Ersten Mai demonstrieren durfte, und lediglich
zur Huldigung der Herrscher in der ehemaligen DDR.


(Zurufe von der LINKEN: Na, na!)


Da bin ich schon erstaunt, dass sich ausgerechnet Sie an
die Spitze derer stellen möchten, die für freie Meinungs-
äußerung bzw. das Recht, zu demonstrieren, eintreten.
Sie sind keine Vertretung für die Interessen der Bürge-
rinnen und Bürger in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der LINKEN – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Wer bespitzelt denn jetzt Frau Pauli?)


Der Kollege Lafontaine hat hier angeführt, dass es un-
bedingt des politischen Streiks bedarf, dass dieser politi-
sche Streik angeblich so erfolgreich ist.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Jawohl!)


Er hat dies begründet mit den Maßnahmen in Frankreich.
Aber man muss doch auch sehen, dass das Ergebnis die-
ser Streikmaßnahmen – die höchste Jugendarbeitslosig-
keit in Europa – für die Jugendlichen in Frankreich er-
schütternd ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Ursache ist der Sozialabbau!)


Deshalb ist es unredlich, wenn Ihre Partei in der Tradi-
tion von SED, PDS und Stasi heute versucht, sich als die
Beschützer von Freiheit und bürgerlichem Engagement
darzustellen. Dies ist den Bürgerinnen und Bürgern si-
cher bewusst. Denn gerade einmal 8 Prozent haben Sie
gewählt, 92 Prozent haben die anderen Parteien in
Deutschland unterstützt. Das sollte Ihnen Nachdenklich-
keit gebieten.

Die Gewerkschaften kann ich nur auffordern, wieder
zu einer sinnvollen Beteiligung am demokratischen Dis-
kussionsprozess zurückzukehren und nicht auf populisti-
sche Art und Weise letztendlich mit der Zukunft
Deutschlands zu spielen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

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(C (D Ich erteile das Wort der Kollegin Silvia Schmidt für ie SPD-Fraktion. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr ge hrte Frau Präsidentin! Wie wir wissen, haben die Alteung und der Bevölkerungsrückgang Auswirkungen auf en Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme. ie Folgen, die sich aus der Bevölkerungsentwicklung ür die Unternehmen ergeben, sind offensichtlich, und ie sind von jedem verstanden worden. Wenn die Gesellchaft älter wird, dann kann die Belegschaft nicht jünger erden. Die Beschäftigungsquote bei uns ist zwar gestiegen; n anderen Industrienationen wie den USA, Japan und chweden liegt sie aber bei über 60 Prozent. In Deutsch and wird in hohem Maße menschliches Potenzial vergeen. Denn es sind die älteren Arbeitnehmerinnen und rbeitnehmer, die gehen müssen, obwohl sie hervorraende Arbeit leisten. Statt die Kenntnis auch mancher leistungsgeminderter rbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen weiterhin geinnbringend einzusetzen, legen viele Arbeitgeber die en wertvollen Mitarbeitern einen Rentenantrag vor oder ntlassen sie in die Arbeitslosigkeit. Davor haben die enschen Angst. Daher sehen wir es als Aufgabe an, die Ausgliederung lterer vermeintlich oder tatsächlich leistungsgeminderer Mitarbeiter aus den Betrieben zu verhindern. Wir ollen Erwerbsfähigkeit statt Erwerbsunfähigkeit. Es eht um Diversity und Inclusion, also um Vielfalt und olle Eingliederung. Es geht nicht darum, Menschen zur rbeit zu verurteilen, sondern um Teilhabe; das heißt es eht darum, Menschen in Arbeit zu bringen und auch zu alten. Es gibt durchaus positive Beispiele in der deutschen irtschaft. Degussa zum Beispiel bietet betriebliche eiterbildung und ein Programm für lebenslanges Ler en an. Die Hamburger Hochbahn kümmert sich um ihre lteren Mitarbeiter und bietet ihnen angemessene Areitsplätze an. Darüber hinaus hat sie gesundheitsförernde Maßnahmen im Programm. Daimler-Chrysler tabliert bereits weltweit Diversity Management, um ielfalt an Mitarbeitern mit Älteren, Jüngeren und Beinderten zu gewährleisten. Mit solchen Maßnahmen trägt man auch dem demorafischen Faktor Rechnung. Auch die Deutsche Teleom entwickelt bereits erfolgreich Strategien, um ältere itarbeiter umfassend miteinzubeziehen. Diese Mitar eiter fühlen sich in ihren Unternehmen ausgesprochen ohl und möchten durchaus länger bleiben. Denn diese rbeit macht auch Spaß. Wenn man im Unternehmen ngenommen ist, dann macht die Arbeit Spaß. Silvia Schmidt Solche Möglichkeiten, die schon Unternehmen wie Ford und Daimler-Chrysler erfolgversprechend vorantreiben, müssten auch von anderen Unternehmen in ihre Strategie miteinbezogen werden. Es geht nicht darum, Jüngere gegen Ältere auszuspielen, und es geht auch nicht im Umkehrschluss um einen Zwangsausschluss aus dem Arbeitsleben. Ich denke, Franz Müntefering hat es treffend bemerkt: Der Mix der Generationen in der Belegschaft ist das beste Erfolgsrezept für ein Unternehmen. Es kommt auf Vielfalt und vollständige Eingliederung an. Dabei gehen, wie gesagt, die großen Weltkonzerne voran, vor allem in den USA. Wir haben in Deutschland bereits die besten Möglichkeiten geschaffen. Ich erinnere nur an das im Sozialgesetzbuch IX geregelte Betriebliche Eingliederungsmanagement und an das Betriebsverfassungsgesetz. Im Betriebsverfassungsgesetz zum Beispiel geht es um altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung. Es ist aber erschreckend, dass viele Mitarbeiter in den Unternehmen das Betriebliche Eingliederungsmanagement, Servicestellen und Integrationsämter nicht kennen und ihren Rechtsanspruch nicht wahrnehmen. Das ist doch der wahre Grund, warum Menschen verunsichert sind. Es gibt doch auch heute schon ausreichend Möglichkeiten, in der Arbeitswelt zu verbleiben. Sie werden aber nicht genutzt. Dafür gehe ich gerne demonstrieren, um zu zeigen, welche Möglichkeiten es gibt. Außerdem haben wir – auch das ist, glaube ich, schon angesprochen worden – endlich die Reha zur Pflichtleistung gemacht. Wir haben auch die betriebliche Gesundheitsförderung zur Pflichtleistung der Kassen gemacht. Auch für die Prävention wurde einiges getan. Das alles sind Möglichkeiten, um die Menschen länger in Arbeit zu halten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607909600

(Beifall bei der SPD)

Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1607909700




(A) )


(B) )


Es geht der Bundesregierung nicht darum, Menschen
an den Arbeitsplatz festzubinden. Es muss unser aller
Anliegen sein, darum zu kämpfen, dass die Menschen
am Arbeitsmarkt teilhaben. Dann ist auch die Rente mit
67 für alle kein Problem – ganz im Gegenteil.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607909800

Jetzt spricht der Kollege Dr. Michael Fuchs für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1607909900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kol-
lege Lafontaine, dass ich Ihnen heute zweimal zuhören
muss, ist schon eine echte Zumutung. Zweimal hier die-
sen Populismus zu erleben, das grenzt für mich schon

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(C (D ast an Körperverletzung. Was Sie uns hier zumuten, ist iemlich unerhört. (Beifall bei der CDU/CSU – Werner Dreibus [DIE LINKE]: Daran werden Sie sich gewöhnen müssen! – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Sparen Sie sich Ihre Sprüche!)


Ich kann Ihnen dazu eins sagen: Als ich letzte Woche
as große Vergnügen hatte, mit Herrn Peters und den
ollegen Stiegler und Kolb bei einer gemeinsamen
odiumsdiskussion zu sein, da habe ich zum ersten Mal
edacht und zu mir gesagt: Wenn du einmal im Deut-
chen Bundestag zu diesem Thema reden musst, dann
itierst du Karl Marx. Das fällt mir zwar ein bisschen
chwer, und gerade bei mir ist das vielleicht auch ein bis-
chen ungewohnt, aber Karl Marx hat einmal gesagt:
Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“


(Zurufe von der Linken)


ieses Bewusstsein von Herrn Peters zum Thema Rente
it 67 zu erleben, das war schon bemerkenswert. Ich

arf ihn zitieren: Ein demografisches Problem gibt es in
eutschland nicht. Das ist nur ein vorgeschobenes Argu-
ent.

Meine Damen und Herren, wer so etwas behauptet,
uf welchem Stern lebt der bitte! Was hat der für ein Be-
usstsein? – Wahrscheinlich überhaupt keins.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ich empfinde es als schlicht unverschämt, so etwas zu
ehaupten und die Alterung der Gesellschaft nicht wahr-
ehmen zu wollen. Egal welche Professoren Sie neh-
en, ob das Börsch-Supan, Höhn, Radermacher oder der
merikaner Vaupel ist, jeder hat das Problem erkannt.
nscheinend ist das aber an der IG Metall und natürlich

uch an der sie tragenden Linken vorbeigegangen.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


as sind vernebelte Köpfe, die so etwas behaupten, um
s auf den Punkt zu bringen.

Ich habe auch Herrn Peters ins Gesicht gesagt, dass
ie Aktionen der IG Metall nicht nur politischer Streik
ind, der in diesem Land Gott sei Dank nicht rechtmäßig
st, sondern dass es unanständig ist, was Sie machen.

Um noch ein Wort hinzuzufügen, Herr Dreibus: Ich
mpfinde es als unanständig, dass Sie die Kollegen von
er SPD an den Pranger stellen wollen; dass Sie Plakate
rucken lassen, wo die Kollegen dann 500 Zeilen zuge-
agt bekommen, in denen sie sich wehren bzw. Begrün-
ungen abgeben dürfen. Dass Sie diese Plakate dann in
en Betrieben verteilen, das empfinde ich als unanstän-
ig. Wenn Sie das nicht kapieren, tun Sie mir Leid.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


So kann man mit Kollegen nicht umgehen. Ich denke
chon, dass das nicht in Ordnung ist. Das, was die IG
etall in den Wahlkreisen aufzieht, das sollten wir uns

icht gefallen lassen. So können wir im Deutschen Bun-






(A) )



(B) )


Dr. Michael Fuchs
destag nicht miteinander umgehen. Es wäre gut, wenn
auch Sie das kapieren könnten.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Die Rentenkürzungen sind unanständig!)


Diese landesweiten Proteste haben nichts mit Protes-
ten in den Betrieben zu tun, sie sind pur politisch moti-
viert. Es wird purer Druck auf die Abgeordneten ausge-
übt. Das lassen wir uns nicht gefallen. Gott sei Dank ist
der Deutsche Bundestag selbstbewusst genug, diese Ge-
setze so umzusetzen.

Es wird auch völlig unterschlagen, dass niemand bis
67 arbeiten muss, wenn er schon 45 Jahre gearbeitet hat.


(Zurufe von der Linken)


Dieses ist in der Argumentation überhaupt nicht vorhan-
den.

Meine Damen und Herren, wir wollen doch bitte fest-
halten: Es gibt genügend Leute – wir haben in Deutsch-
land die ältesten Studenten in der ganzen Welt; wir ha-
ben auch die jüngsten Rentner; Gott sei Dank sind es
noch zwei getrennte Gruppen –, die eine Lebensarbeits-
zeit haben, die vielleicht bei 28 oder weniger Jahren
liegt. Dass das nicht funktionieren kann, wenn die Le-
benserwartung praktisch alle zehn Jahre um ein Jahr
steigt, muss doch eigentlich jedem einleuchten.

Als 1957 die Rentengesetze gemacht wurden, lag die
Lebenserwartung bei Männern bei 66 Jahren. Das ent-
sprach im Prinzip einer Rentenbezugszeit von einem ein-
zigen Jahr. Bei Frauen lag sie bei 71 Jahren. Heute ist sie
praktisch um zehn Jahre gestiegen. Das müssen wir doch
zur Kenntnis nehmen.

Es ist ein bisschen ungerecht, dass die Frauen eine so
wesentlich höhere Lebenserwartung haben als wir Män-
ner. Das sollte man in diesem Zusammenhang auch ein-
mal erwähnen dürfen.


(Heiterkeit – Klaus Brandner [SPD]: Dafür können wir kein Gesetz machen!)


– Wir machen kein Gesetz dazu, Herr Kollege Brandner.

Wir brauchen eine Vorbereitung der Arbeitswelt auf
längeres Arbeiten. Das heißt, dass wir keine Gesetze
mehr machen dürfen, die in Richtung Verkürzung der
Lebensarbeitszeit gehen. Frühverrentungsmaßnahmen
werden wir uns also in Zukunft nicht mehr leisten kön-
nen. Gleichzeitig müssen wir dafür sorgen, dass die Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer permanent weiterge-
bildet werden, damit sie der längeren Lebensarbeitszeit
gewachsen sind; das gehört einfach dazu. Das sollten wir
in diesem Zusammenhang offen sagen. Hier wäre das
richtige Betätigungsfeld für vernünftig arbeitende Ge-
werkschaften.

Ich finde, es ist traurig, dass wir eine solche Debatte
führen müssen.


(Werner Dreibus [DIE LINKE]: Das ist es auch!)


Wahrscheinlich haben wir von den Populisten der Lin-
ken nichts anderes zu erwarten. Wir werden uns leider

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(C (D eiter mit so etwas herumschlagen müssen. Aber wir un es ja gerne. Jetzt spricht Gregor Amann für die SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Auch wenn Sie, meine Damen und Herren von er Linksfraktion, diese Aktuelle Stunde beantragt haen, will ich mich aufgrund meiner beschränkten Redeeit nicht sehr lange mit Ihnen befassen. Ihre politische aktik ist zu plump und durchschaubar. Sie malen Hororszenarien und wollen die Menschen in Furcht und chrecken versetzen, genauso wie die Schlangenölveräufer auf den mittelalterlichen Jahrmärkten. Wenn die enschen in Angst und Panik sind, verkaufen Sie ihnen hr Schlangenöl, Ihr vermeintliches Wundermittel, das lle Krankheiten heilen und Probleme lösen soll, das ber in Wirklichkeit nur aus Hühnerfett und Spucke zuammengerührt ist. ie Wahrheit ist: Der Verkauf dieses Schlangenöls hilft ur Ihnen. Sie sind die politischen Schlangenölverkäufer on heute. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Lachen bei der LINKEN – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Jawohl! Bravo!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607910000

(Beifall bei der SPD)

Gregor Amann (SPD):
Rede ID: ID1607910100

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sehr ernst nehmen wir Sozialdemokraten dagegen die
ewerkschaften. Sie sind eine unersetzliche Stütze unse-

es Wirtschafts- und Sozialsystems. Ohne starke Arbeit-
ehmervertreter und Betriebsräte sowie ohne den ge-
einsamen Kampf von Sozialdemokraten und
ewerkschaften hätten wir heute wahrscheinlich noch
rbeitsbedingungen, wie sie einst Marx und Engels be-

chrieben haben und wie sie im Übrigen heute noch in
anchen Ländern existieren. Ohne starke Gewerkschaf-

en hätten wir heute wahrscheinlich keine Mitbestim-
ung in Deutschland, einer der Erfolgsfaktoren unseres
irtschaftssystems. Ohne starke Gewerkschaften sowie

en gemeinsamen Kampf von Sozialdemokraten und
ewerkschaften wäre Deutschland wahrscheinlich nicht

o wohlhabend, wie es heute ist. Deswegen betrübt es
ich nicht nur, sondern macht mich auch nachdenklich,
enn Zehntausende Gewerkschafter auf die Straße ge-
en und an Arbeitsniederlegungen gegen eine Politik
eilnehmen, die wir Sozialdemokraten mitinitiiert haben,
ür die wir mitverantwortlich sind. Wie gesagt, ich
ehme diese Proteste sehr ernst.

Die Argumente für die Rente mit 67 sind bekannt
sie wurden mehrfach genannt –: längere Rentenbe-

ugsdauer und Rückgang der Geburtenrate. Weil wir zu-
ünftigen Generationen keine unzumutbaren Beitrags-
ätze und Steuerlasten aufbürden wollen, ist es richtig
nd notwendig, das Renteneintrittsalter langfristig auf
7 anzuheben. Die Gewerkschaftsproteste sind deshalb






(A) )



(B) )


Gregor Amann
paradoxerweise ein Zeichen der Schwäche der Gewerk-
schaften. Denn die Gewerkschaften sind heute in einer
schwierigen Lage: Auf der einen Seite schwächt der
Globalisierungsdruck ihre Kampfkraft. Auf der anderen
Seite führen gerade ihre historischen Erfolge dazu, dass
viele Menschen die Notwendigkeit einer gewerkschaftli-
chen Mitgliedschaft nicht mehr erkennen, weil sie glau-
ben, die mühsam erkämpften Erfolge seien selbstver-
ständlich, und vergessen, dass Solidarität immer wieder
neu gelebt werden muss. In dieser schwierigen Lage der
Gewerkschaften konnten einige Gewerkschaftsführer
– ich sage bewusst nicht: alle – der Versuchung des
Populismus nicht widerstehen. Sie benutzen den Unmut
über die Rente mit 67 – dass er vorhanden ist, gebe ich
zu; ich sage selbstkritisch, dass wir vielleicht nicht genü-
gend Zeit darauf verwendet haben, es zu erläutern –, um
Kampfeskraft und Stärke vorzutäuschen. Aber die Ge-
werkschaften kämpfen hier an der falschen Front.

Wir brauchen starke Gewerkschaften für die Verbes-
serung der Arbeitsbedingungen, damit Menschen mit 55
nicht kaputt sind. Wir brauchen starke Gewerkschaften
für Fort- und Weiterbildung für Junge und Alte in und
mit den Unternehmen. Wir brauchen starke Gewerk-
schaften für den Mentalitätswandel in der Gesellschaft,
damit nicht nur Kraft und Schnelligkeit der Jungen, son-
dern auch die Erfahrung und die Weisheit der Älteren
Anerkennung und Verwendung finden. Und wir brau-
chen Gewerkschaften für gute Tarifabschlüsse. Ich will
diejenen, die immer von Rentenkürzung reden, daran er-
innern, dass das Rentenniveau unmittelbar an die Lohn-
höhe gekoppelt ist. Wer hohe Renten möchte, muss für
hohe Lohnabschlüsse sorgen. Bei all diesen Kämpfen
finden die Gewerkschaften die SPD auf ihrer Seite.

Lasst uns den Menschen nicht Angst einjagen, son-
dern stellen wir uns den Herausforderungen unserer Zeit,
so wie unsere Väter und Mütter sich erfolgreich den He-
rausforderungen ihrer Zeit gestellt haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607910200

Zum Abschluss der Aktuellen Stunde gebe ich das

Wort dem Kollegen Anton Schaaf für die SPD-Fraktion.


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1607910300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-

ehrter Herr Kollege Lafontaine, Herr Kollege Dreibus,
das, was Sie hier betrieben haben, war aus meiner Sicht
ein absolut untauglicher Versuch zu verschleiern, dass
Sie auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen
in unserem Lande keine, aber auch gar keine Antwort
haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Wir laden Sie einmal in die Fraktion ein!)


Lafontaine kommt in der Aktuellen Stunde zum Thema
„Protestaktionen der Gewerkschaften zur Heraufsetzung
des Rentenalters“ daher und erzählt uns etwas über die
Möglichkeiten des politischen Streiks.

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(C (D err Dreibus kommt daher und erzählt uns etwas von eiem außerordentlichen bürgerschaftlichen Engagement. (Werner Dreibus [DIE LINKE]: Ja! Das war doch gut, oder?)


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Ja!)


u dem Hintergrund, warum die Kolleginnen und Kolle-
en motiviert worden sind, auf die Straße zu gehen, und
azu, wie man diese Probleme diskutieren und lösen
ann, haben weder Lafontaine noch Dreibus einen einzi-
en Satz gesagt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Typisch! So kennen wir sie doch! – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Und jetzt zum Thema!)


ie Linksfraktion macht das, was sie schon bei anderen
hemen immer wieder gemacht hat: Sie nutzt nicht nur
ie Ängste der Menschen, sondern sie schürt die Ängste
er Menschen aus purem Populismus, aus parteipoliti-
chem Interesse.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Setzen! Thema verfehlt!)


Herr Lafontaine, man kann den Kolleginnen und Kol-
egen – auch ich bin selbstverständlich Gewerkschafts-

itglied – die richtigen Fragen stellen: Wie verhält es
ich denn mit der Beschäftigungsquote älterer Arbeit-
ehmerinnen und Arbeitnehmer? Warum lassen wir alle
ich sage: alle – zu, dass Menschen durch die Arbeit ka-
utt gemacht werden? Wieso lassen wir das zu? Wir
aben den Gewerkschaften viele Möglichkeiten
ingeräumt, zuletzt mit der Änderung des Betriebsver-
assungsgesetzes. Was machen wir denn mit diesen

öglichkeiten in den Betrieben, um die Kolleginnen
nd Kollegen davor zu schützen, dass sie von der Arbeit
aputt gemacht werden?


(Zuruf von der LINKEN)


o weisen wir Verantwortung zu? Genau diesen Weg
üssen wir beschreiten. Wir stellen zumindest die richti-

en Fragen. Ob die Antworten richtig sind, werden wir
m Ende sehen.

Ich glaube, die Rente mit 67 ist eine Antwort; denn es
ibt zurzeit nur drei Stellschrauben: Beiträge, Steuerzu-
chuss oder Rentenhöhe.


(Werner Dreibus [DIE LINKE]: Produktivität!)


Sie reden wieder über gesellschaftliche Umverteilung.
ie müssen Sie zunächst einmal möglich machen. So

infach ist dieses Spiel nicht. Wir sind kein isolierter
arkt, sondern wir bewegen uns auf einem internationa-

en, globalisierten Markt.


(Beifall des Abg. Oskar Lafontaine [DIE LINKE])


as ist nicht so einfach, wie Sie es darstellen. Aber der
eltökonom Lafontaine müsste eigentlich auch Ihnen,






(A) )



(B) )


Anton Schaaf
Herr Dreibus, erklären können, dass es so einfach nicht
ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn man zur Kenntnis nimmt, dass nur drei Stell-
schrauben zur Verfügung stehen, dann ist es vor dem
Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft und we-
niger nachrückender junger Menschen die beste Lösung
– auch im Sinne der Betroffenen –, das Renteneintrittsal-
ter moderat und planbar anzuheben, damit die Renten
nicht dauerhaft gekürzt werden müssen und die nachfol-
genden Generationen nicht überfordert werden.

Sie sind immer noch die Antworten auf Fragen schul-
dig geblieben, die in vorherigen Debatten zur Rente
mit 67 gestellt worden sind. Ich habe Ihnen das Beispiel
genannt. Jemand, der im letzten Jahr geboren wurde, hat
eine gute Chance, deutlich über 90 zu werden. Die ersten
20 Jahre ist er in Schule, Ausbildung oder Qualifizie-
rung.

Und dann sagen Sie, man solle sie frühestmöglich in
Rente gehen lassen – mit 60, mit 63, mit 65. In der Zwi-
schenzeit müssen immer weniger Menschen das verdie-
nen, was andere dann – wohlverdient – konsumieren.
Die Rechnung wird schlichtweg nicht aufgehen. Es kann
nicht sein, dass die Hälfte des Lebens nichts erwirtschaf-
tet, sondern nur etwas konsumiert wird – auch wenn es
berechtigt ist –, während auf der anderen Seite die Men-
schen, die es erwirtschaften, immer weniger werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Goldrichtig!)


Die Rechnung geht schlichtweg nicht auf.


(Oskar Lafontaine [DIE LINKE]: Aber die Menschen werden immer produktiver!)


Sie liefern überhaupt keine Antworten auf die Fragen,
die Herausforderungen gesellschaftlicher Art sind. Sie
stellen sich populistisch hin, nehmen Protest auf, schü-
ren die Ängste der Menschen und liefern definitiv – auch
heute wieder – keine Antwort. Sie sind eindeutig ent-
larvt: Sie haben versucht, davon abzulenken, dass Sie zu
der Frage der Demografie überhaupt keine Antwort ha-
ben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie stellen sich in die Reihe derer, die die demografische
Entwicklung der Gesellschaft sogar leugnen – was für
eine Ironie.

Meine Damen und Herren, die Frage der Rente mit 67
ist in der Sozialdemokratie nicht unstrittig, ohne jeden
Zweifel. Ich denke, wir haben in den Verhandlungen
gute, tragbare Ergebnisse erzielt, was die Frage der Er-
werbsminderung und was die Frage des flexiblen Zu-
gangs angeht. Wenn Sie noch einmal genau hingeschaut
hätten – aber Sie interessiert ja der Inhalt des Gesetzes
überhaupt nicht, das ist mir schon völlig klar
geworden –, dann hätten Sie auch die Vorbehaltsklausel
gesehen, die im Gesetzentwurf steht. Danach ist nämlich
völlig klar, dass, wenn die Beschäftigungssituation für
ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht deut-
lich besser wird, im Jahre 2010 entschieden werden

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(C (D uss – da haben wir uns mit dem Gesetzentwurf selbst n die Pflicht genommen –, ob die Rente mit 67 überaupt machbar ist. Aber das interessiert Sie überhaupt icht. Sie ignorieren auch diesen Bestandteil des Gesetzntwurfs, wie übrigens – leider Gottes – auch die Kolleinnen und Kollegen in den Gewerkschaften. Ich nenne noch einen Punkt, der mir sehr wichtig ist. ir werden eine ausführliche Debatte über flexible Zu änge in die Altersrente brauchen. Ich halte die Alterseilzeit nach wie vor für eine der zentralen Möglichkeien, flexibel und sozial verträglich in die Altersrente zu ehen. Wir sollten uns, nachdem wir das Verfahren abeschlossen haben, im Rahmen der Koalition noch einal zusammensetzen und das Thema Altersteilzeit ver ünftig miteinander diskutieren, um zu schauen, ob wir icht vernünftige, richtige Lösungen für die Betriebe, ber vor allen Dingen auch für die beschäftigten Menchen erreichen können. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 c auf: a)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607910400
Schewe-Gerigk, Marieluise Beck (Bremen), Birgitt
Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Mädchen und Frauen vor Genitalverstümme-
lung schützen

– Drucksache 16/3542 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sibylle
Laurischk, Dr. Karl Addicks, Burkhardt Müller-
Sönksen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen
ächten und bekämpfen

– Drucksache 16/3842 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Kirsten Tackmann, Monika Knoche, Petra






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
LINKEN

Weibliche Genitalverstümmelung verhindern –
Menschenrechte durchsetzen

–Drucksache 16/4152 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Dazu höre ich
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die
Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Vor zehn Jahren hatte die grüne Bundestagsfraktion das
Thema weibliche Genitalverstümmelung erstmals mit ei-
ner großen Anhörung auf die politische Agenda gesetzt.
Damals haben wir ein gesellschaftliches Tabu gebro-
chen. Aus unserem kurz darauf folgenden Antrag wollte
die Bundestagsverwaltung den Ausdruck Genitalver-
stümmelung ausdrücklich herausstreichen; sie hielt ihn
für unzumutbar. Wir haben uns dann doch durchgesetzt.
Heute ist nicht nur die Bundestagsverwaltung ein großes
Stück weiter.

Damals wurde uns von der „taz“ die Einmischung in
fremde Kulturen vorgeworfen; sie sprach von „westeu-
ropäischer Überheblichkeit“. Dabei hatten 1995 auf der
Weltfrauenkonferenz in Peking afrikanische Frauen
selbst gefordert, Genitalverstümmelung als ein gesund-
heitspolitisches Problem und als eine Menschenrechts-
verletzung anzuprangern. Im Gegensatz zu vielen euro-
päischen Wohlmeinenden wussten sie nämlich, dass die
profane Begründung für diese grausame Praxis nichts
anderes ist als männlicher Kontrollanspruch über die
weibliche Sexualität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich denke, darin ist sich der gesamte Bundestag heute
einig: Die Zeiten, in denen Menschenrechtsverletzungen
an Frauen als Ausdruck einer bestimmten Kultur oder
Religion von unserer Gesellschaft, ja auch von vielen in
diesem Hause für hinnehmbar gehalten wurden, sind ein
für alle Mal vorbei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


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(C (D Übrigens hat auch eine angesehene islamische Intanz, der Großmufti von al-Azhar, weibliche Genitalerstümmelung kürzlich zu einem strafbaren Verbrechen rklärt, das gegen die höchsten Werte des Islam verstößt. o viel zur Religion. Aber manche im Bundestag machen es sich immer och sehr bequem: Sie prangern die Menschenrechtsveretzungen an Frauen zwar an, tun aber wenig, um diesen uch tatsächlich zu helfen. Jahrelang haben sich Union nd zunächst auch Teile der SPD geweigert, die weiblihe Genitalverstümmelung als eigenständigen Asylrund anzuerkennen. Erst in den Verhandlungen über as Zuwanderungsgesetz konnten wir Grüne uns endlich urchsetzen. Vorher wurden zahlreiche Mädchen und rauen – Menschenrechtsverletzung hin oder her – wieer dorthin zurückgeschickt, wo ihnen die grausame Prais drohte, die immerhin für jede zehnte Frau den Tod edeutet, für die anderen meist lebenslange Qualen. Sie issen, weltweit sind circa 130 Millionen Frauen an ih en Genitalien verstümmelt; täglich kommen 6 000 bis 000 neue hinzu. Genitalverstümmelung ist inzwischen aber auch zu inem deutschen Problem geworden: Schätzungen zuolge leben bei uns 30 000 Mädchen und Frauen, die daon betroffen oder bedroht sind. Viele Eltern, die durch igration und Flucht nach Europa gekommen sind, wer en den Glauben daran, dass diese grausame Praxis für hre Töchter biologisch oder sozial notwendig ist, hier infach nicht über Bord. Die Mädchen werden zum weck der Verstümmelung häufig ins Ausland verracht. Wir wissen, dass solche Verstümmelungen aber uch in Deutschland vorgenommen werden, teilweise nter Beteiligung medizinischen Personals, und das üssen wir verhindern. Dazu müssen wir weitere konsequente Maßnahmen rgreifen. Andere europäische Staaten haben es uns beeits vorgemacht, und die Vereinten Nationen empfehlen s auch: Wir wollen, dass die weibliche Genitalverstümelung explizit in das Strafgesetzbuch aufgenommen ird, und zwar als Tatbestand der schweren Körperver etzung; denn um eine solche handelt es sich bei dieser rausamen Praxis. Oftmals sind die Eltern zugleich auch die Täter. ommt es tatsächlich zu einer Ausweisung der Eltern, uss natürlich sichergestellt werden, dass das Opfer elbst nicht ausreisen muss. Selbstverständlich reicht ein usdrückliches Verbot nicht aus. Wir müssen flächendekend darüber informieren. Aber auch die Betroffenen üssen wissen, welch schwere seelische und körperliche chäden sie ihren Töchtern zufügen. Ganz wichtig dafür st die Schulung gerade ihrer potenziellen Ansprechparterinnen und Ansprechpartner. Das sind zunächst Ärzinnen und Ärzte, zu denen die Mädchen und Frauen in ie Sprechstunde kommen. Das Thema Genitalverstümelung muss daher Eingang in die medizinische Aus nd Fortbildung finden. Ärzte müssen wissen, dass sie Irmingard Schewe-Gerigk ihre Approbation verlieren können, wenn sie eine solche Verstümmelung vornehmen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)





(A) )


(B) )


selbst dann, wenn die Patientin einwilligt. Das ist näm-
lich unwirksam.

Die neuen Empfehlungen der Bundesärztekammer
begrüßen wir ausdrücklich als eine gute Grundlagenin-
formation. Ich finde aber, sie sollten noch einmal darauf-
hin evaluiert werden, ob sie nicht noch detailliertere In-
formationen enthalten müssten.

Fortbildung und Sensibilisierung brauchen aber
auch Strafverfolgungsbehörden, Polizei und Justiz, Leh-
rer und Lehrerinnen, Sozialarbeiter und viele andere, um
die strafrechtliche Verfolgung zu verbessern und Hin-
weise auf eine möglicherweise drohende Genitalver-
stümmelung frühzeitig zu erkennen.

Auf internationaler Ebene muss die Bundesregierung
sicherstellen, dass Länder, in denen Genitalverstümme-
lung in großem Maße stattfindet – ich nenne das Land
Mali –, weder durch deutsche Behörden noch durch die
EU als sogenannte sichere Herkunftsländer eingestuft
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Natürlich muss sie sich auch für entsprechende Projekte
in der Entwicklungszusammenarbeit einsetzen. Frau
Ministerin Wieczorek-Zeul hat heute Morgen schon ge-
sagt, dass sie das machen will. Das finde ich sehr gut.

Auch der Einsatz für Bildung und wirtschaftliche
Unabhängigkeit von Frauen ist zugleich ein Einsatz
für die Bekämpfung von Gewalt und von Menschen-
rechtsverletzungen gegen sie. Ich freue mich, dass die
beiden anderen Oppositionsfraktionen auf unsere Initia-
tive hin ebenfalls Anträge eingebracht haben, auch wenn
die Linke kaum substanzielle Forderungen aufstellt und
die FDP vor allem eine Reihe von Prüfaufträgen vergibt.
Ich sage ausdrücklich: Wir finden den Antrag der FDP,
zu überprüfen, ob hier nicht das Weltrechtsprinzip gel-
ten kann, richtig.

Schade ist, dass sich die Bundesregierung bisher noch
gar nicht geäußert hat, was sie tun möchte, um den
Schutz der Frauen und Mädchen zu verbessern. Bei die-
sem Thema sollten wir alle zusammenarbeiten: Regie-
rung und Opposition, Bund und Länder. Wir Grüne sind
auf jeden Fall zu einem gemeinsamen Vorgehen bereit.
Lassen Sie uns möglichst bald darüber reden, welche
Maßnahmen wir gemeinsam ergreifen können, um den
Frauen zu helfen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


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(C (D Ich erteile Michaela Noll für die CDU/CSU-Fraktion as Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss aufhören, endlich aufhören.“ Diese Worte tammen nicht von mir, sondern von Waris Dirie, der NO-Sonderbotschafterin, die den Kampf gegen Geni alverstümmelung schon vor einigen Jahren aufnahm. Es muss aufhören, endlich aufhören.“ Das ist eine Auforderung an uns. Hier sind wir als Politiker gefordert. Heute sprechen wir über die verschiedenen Anträge er Oppositionsfraktionen, in denen es um diese traurige nd abscheuliche Form der Menschenrechtsverletzung eht. Das, was Frau Kollegin Schewe-Gerigk sagte, ist ichtig: Es gibt mittlerweile 150 Millionen Opfer der erstümmelung. Ich denke, die Dunkelziffer ist noch iel höher. Um sich die Dimension, um die es geht, vortellen zu können: 150 Millionen Betroffene, das entpricht der kompletten Bevölkerung Frankreichs und eutschlands. Es sind nicht nur Frauen betroffen, sonern auch Mädchen in der Pubertät und mittlerweile soar Säuglinge im Alter von sechs bis sieben Tagen. 5 Prozent der Mädchen sterben sofort, 20 Prozent steren kurze Zeit später an den Folgen der Genitalverstümelung. Diese Art der Verstümmelung ist durch nichts u rechtfertigen, weder durch kulturelle noch durch reliiöse Gründe. Es gibt keine Religion, die sie vorschreibt. Frau Kollegin Schewe-Gerigk, jetzt muss ich Sie perönlich ansprechen: Auf der einen Seite haben Sie geagt, dass Sie mit uns gemeinsam etwas auf den Weg ringen wollen. Wir waren schon einmal so weit: Im ahre 1998 haben wir im Deutschen Bundestag über alle raktionsgrenzen hinweg einen gemeinsamen Antrag errbeitet. In der 14. Legislaturperiode haben wir einen ntrag eingebracht, den Sie leider abgelehnt haben. In er 15. Legislaturperiode haben wir erneut einen Antrag ingebracht, den Sie auf die lange Bank geschoben haen. Reichen Sie uns doch bitte einmal auf faire Art und eise die Hand. Bei diesem Thema sollte die Parteipoli ik wirklich nicht zu Streit führen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607910500
Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1607910600

Wir sollten uns fragen: Was hilft tatsächlich? Auf in-
ernationaler Ebene ist bereits eine Menge geschehen.
ie Bundesregierung ist sehr aktiv. Wir haben eine kon-

equente Informationspolitik verfolgt. Trotzdem muss
an sagen: Es ist noch nicht so gut, als dass man nicht

och etwas verbessern könnte.

Sie haben recht: Mittlerweile gibt es deutliche Hin-
eise darauf, dass diese Taten auch in Deutschland ge-

chehen. Hierzulande gibt es circa 30 000 Opfer. Richtig
st: Die Ärzte haben meiner Meinung nach eine Schlüs-
elrolle, weil sie diejenigen sind, die im direkten Kontakt
u den Frauen stehen.

Im Jahre 2005 hat der Berufsverband der Frauenärzte
usammen mit UNICEF und Terre des Femmes eine
mfrage durchgeführt. 500 Ärzte haben sich daran be-






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(B) )


Michaela Noll
teiligt. 43 Prozent von ihnen haben berichtet, dass sie
Frauen mit solchen Verstümmelungen bereits behandelt
haben. Viele von ihnen haben gesagt, dass sie sich über-
fordert fühlen. Es ist wichtig, dass wir die Ärzte infor-
mieren und sensibilisieren. Ich bin der Bundesärztekam-
mer dankbar, dass sie reagiert und eine Empfehlung
veröffentlicht hat, die wir nun in allen Gremien bekannt
machen müssen.

Nun komme ich zum Antrag der FDP, die Folgen der
Einführung einer Meldepflicht zu prüfen. Einerseits
sage ich als Juristin: Es könnte sein, dass wir mit verfas-
sungsrechtlichen Bedenken rechnen müssen, Stichwort:
Berufsausübungsfreiheit. Andererseits müssen wir uns
fragen: Ist die Einführung einer Meldepflicht zielfüh-
rend? Können wir den Frauen dadurch tatsächlich hel-
fen? Vielleicht tauchen die Frauen, wenn eine Melde-
pflicht existiert, eher unter, und es passiert das, was
Waris Dirie in ihrem Buch „Schmerzenskinder“ schreibt:

Heute weiß ich, dass Genitalverstümmelung auch
in jedem europäischen Land stattfindet. Wer es sich
leisten kann, bringt seine Töchter in Nobelkliniken
oder zum Privatarzt. Wer weniger Geld hat, lässt
den grausamen Job im Hinterhof erledigen oder
schickt die Kinder in den Ferien nach Afrika, damit
Oma sich darum kümmert.

Wir wollen nicht, dass die Frauen zu schlecht ausge-
bildeten Personen gehen oder in ihre Herkunftsländer
gebracht werden. Listen von Verstümmlern werden in
dieser Community mittlerweile unter der Hand weiterge-
geben; so ist es zumindest in Frankreich. Daher müssen
wir uns fragen: Ist die Einführung einer Meldepflicht
wirklich ein gangbarer Weg?

Ich glaube, dass Gesetze allein nicht überzeugend
sind. In vielen afrikanischen Ländern ist die Genitalver-
stümmelung bereits unter Strafe gestellt. Die Verbesse-
rung der sozialen Lage und der Bildung der Frauen ist
wichtig. Aber wir müssen auch die Männer in den Blick
nehmen. Denn die Männer sind diejenigen, die in diesen
Ländern die Gesetze erlassen. Die Männer sind die reli-
giösen Führer, die auf Einhaltung der Tradition beharren.
Die Männer sind diejenigen, die eine nicht verstümmelte
Frau als Braut ablehnen, weil sie als unrein oder als Hure
gilt.

Gestern hatte ich Gelegenheit, mit einem afrikani-
schen Mann zu sprechen. Er bestätigte mir: In den Dör-
fern predigen die religiösen Führer nach wie vor, dass
ein Geschlechtsakt mit einer unverstümmelten Frau eine
potenzielle Gefährdung für jeden Mann darstellt und
dass die Kinder bei der Geburt versterben, wenn die Frau
vorher nicht verstümmelt war. – Solange mit diesen
Ängsten gearbeitet wird, werden wir auch international
wenig bewegen.

Ich bin natürlich froh, dass in Kairo mittlerweile diese
Sitzung stattgefunden hat. Es kann sein, dass das, was
die islamischen Gelehrten gesagt haben, eine Signal-
wirkung hat. Diese Botschaft muss aber erst einmal in
28 Ländern auch verbreitet werden. Erst dann haben wir
wirklich einen Anfang gemacht. Wir müssen die Men-
schen vor Ort aber auch in die Lage versetzen, Traditio-

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(C (D en und Normen kritisch zu analysieren und zu hinterragen. Solange in den Dörfern Prediger aufstehen und as, was sie sagen, mangels Bildung unkritisch geglaubt ird, weil man es nicht besser weiß, können wir meiner einung nach auf internationaler Ebene zwar alles ver uchen, aber wir werden scheitern. Manchmal hat es geholfen – kleine Projekte sprechen a für sich –, Männern vor Ort einfach einen Film über enitalverstümmelung zu zeigen. Sie kehrten daraufhin on der Praxis ab, und in ihrer Dorfgemeinschaft wurde ieses grausame Ritual einfach nicht mehr praktiziert. ch glaube, solche Projekte sind zielführend. Gesetze aleine werden nicht reichen. Ich bitte noch einmal alle Kolleginnen und Kollegen, ie hier sitzen: Lassen Sie uns keinen parteipolitischen treit führen. Es geht um die Sache. Diese Frauen brauhen die Solidarität aller Menschen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


ir müssen nur schauen, welchen Weg wir gehen. Er
uss tatsächlich zielführend sein.

Ich schließe jetzt mit meinem Eingangssatz: Es muss
ufhören, endlich aufhören. Helfen Sie bitte alle mit!

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607910700

Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Laurischk für

ie FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1607910800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Laut
HO leben weit über 100 Millionen Frauen weltweit,

eren Genitalien verstümmelt wurden. In Deutschland
eben circa 30 000 von Genitalverstümmlung betroffene
der bedrohte Frauen, so die Bundesregierung in ihrer
ntwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom
ai 2006. Die Genitalverstümmelung von Frauen und
ädchen ist also ein Tatbestand, der auch uns in
eutschland betrifft. Die Dunkelziffer ist hoch.

Die Verstümmelung der weiblichen Genitalien wird
eit der Vierten UN-Weltfrauenkonferenz in Peking im
ahre 1995 weltweit als schwerwiegende Menschen-
echtsverletzung geächtet. Frauen werden körperlich
chwer verletzt, ihre Gesundheit wird dauerhaft geschä-
igt und ein menschenwürdiges Leben ist oftmals kaum
ehr möglich. Häufig sterben die Frauen an den Folgen

ieser Tortur.

Das zentrale Problem ist nach meiner Einschätzung
ber die frühe und sich lebenslang auswirkende Trau-
atisierung von Mädchen und Frauen, die von Genera-

ion zu Generation weitergereicht wird und den Frauen
in selbstbestimmtes Leben unmöglich macht. Die geni-
ale Verstümmelung stellt einen besonders drastischen






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(B) )


Sibylle Laurischk
menschenrechtswidrigen Auswuchs von Gewalt gegen
Frauen dar.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Renate Gradistanac [SPD])


Der Deutsche Bundestag hat sich immer wieder mit
diesem Thema beschäftigt. Es ist dringend nötig, der
Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Prävention
abzuverlangen. Neben der internationalen Entwicklungs-
zusammenarbeit müssen wir auch Fragen der Prävention
im Inland und auf europäischer Ebene beantworten. Die
Aufklärung aller, die mit betroffenen oder bedrohten
Frauen und Mädchen in Kontakt kommen können, ist
geboten. Mitarbeiter von Beratungsstellen für Migrantin-
nen, Ärzte, Hebammen, Lehrerinnen und Lehrer, Erzie-
herinnen, Polizeibeamte und Mitarbeiter der Jugendbe-
hörden, Strafrichter und Familienrichter, kurz, alle, die
mit der Problematik in Berührung kommen, müssen In-
formationen über den sensiblen Umgang mit betroffenen
Frauen und mit diesem Thema erhalten.

Die Bundesärztekammer hat Richtlinien verab-
schiedet, mit denen die gravierenden gesundheitlichen
und psychischen Folgen drastisch beschrieben werden,
jegliche Beteiligung von Ärzten berufsrechtlich unter-
sagt wird und psychosoziale Beratungsstellen, die kom-
petent in diesem Konfliktfeld beraten können, gefordert
werden. Vorbildlich ist die Öffentlichkeitsarbeit von
Nichtregierungsorganisationen, wie Plan International,
Terre des Femmes und Intact zusammen mit der GTZ,
um nur einige zu nennen.

In Fachkreisen wird die ausdrückliche Strafbarkeit
gefordert, weil man sich davon eine größere Handhab-
barkeit und generalpräventive Wirkung verspricht. Die
FDP-Fraktion hält eine solche explizite Strafbarkeit
durch Aufnahme in den § 226 StGB eher für symbolisch
als für sachlich gerechtfertigt, da eine Strafbarkeitslücke
für im Inland begangene Genitalverstümmelungen nicht
besteht. Darüber hinaus bestimmt § 228 StGB, dass die
Tat selbst bei Einwilligung des Opfers rechtswidrig
bleibt. Auch wenn die Tat in Deutschland vorbereitet
und anschließend im Ausland durchgeführt wird, ist eine
Strafbarkeit nach deutschem Strafrecht möglich. Die
Vorbereitungshandlung bestimmt den Tatort, sodass
nach § 9 Abs. 1 StGB eine Inlandstat vorliegt.

Gleichwohl ist wegen der gravierenden Menschen-
rechtsverletzung, die die Genitalverstümmelung dar-
stellt, durchaus zu überlegen, ob es geboten ist, sie in das
Weltrechtsprinzip aufzunehmen. Das würde bedeuten,
dass ein nationales Gericht für das Strafverfahren gegen
eine Person zuständig ist, die eines schwerwiegenden in-
ternationalen Verbrechens beschuldigt wird. § 6 StGB
zählt dazu unter anderem den Menschenhandel. Hier
kann man durchaus von einer Gleichwertigkeit des Un-
rechts sprechen.

Zu überlegen ist auch, ob die Genitalverstümmelung
im Straftatenkatalog des § 5 StGB zu berücksichtigen
ist, der diejenigen Taten enthält, bei denen das deutsche
Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts, also auch
für Taten, die im Ausland begangen werden, gilt.

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(C (D Die rechtssystematisch richtige Einfügung muss hema einer Anhörung in den zuständigen Parlamentsusschüssen sein. Die FDP-Fraktion wird eine solche nhörung beantragen. Wir sind uns dessen bewusst, dass ein langer, vieleicht auch schwieriger Weg, mit vielen Abstimmungsotwendigkeiten nicht zuletzt auf internationaler Ebene, or uns liegt. Allein, die Auffassung der Bundesregieung, ein erhöhter Schutz vor Genitalverstümmelung sei urch die Aufnahme in das Weltrechtsprinzip nicht zu rwarten, kann als Grund für die Ablehnung nicht auseichen. Ich hoffe, dass alle im Bundestag vertretenen Fraktioen den Handlungsbedarf erkennen und dass wir uns geeinsam aufmachen, um vielfältige Aktivitäten zur Be ämpfung und Ächtung der Genitalverstümmelung zu eschließen und die Bundesregierung in die Pflicht zu ehmen. Jetzt spricht Angelika Graf für die SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ie Zahlen, die heute hier schon mehrfach genannt woren sind, sind schrecklich. Etwa 150 Millionen Frauen ind weltweit von Genitalverstümmelung betroffen. Jeen Tag müssen etwa 6 000 Mädchen diese Qual erleien. Ich möchte nicht über die schrecklichen Einzelheiten ieser in weiten Teilen Afrikas gebräuchlichen qualvolen Riten sprechen. Insbesondere seit der Lektüre des uches „Wüstenblume“ von Waris Dirie steigen vor mir ber immer wieder die Bilder der kleinen Mädchen auf, ie, festgehalten und geknebelt, eine schreckliche, ihr anzes weiteres Frauenleben bestimmende Prozedur ber sich ergehen lassen müssen, weil es eben so Sitte ist nd zum Frausein dazugehört. Bildung und Wissen spieen bestimmt eine große Rolle; denn die Eltern tun das icherlich nicht aus Grausamkeit; sie wollen das Beste ür ihr Kind; sie wollen, dass es in der Gesellschaft des eimatlandes seinen Platz findet. Viele Mädchen wie die Schwester und die Cousinen er Autorin von „Wüstenblume“ überleben die Entferung ihrer äußeren Geschlechtsorgane nicht. Aber auch eburten können für beschnittene Frauen zu einem Leensrisiko und jeder Geschlechtsverkehr kann zu einer ergewaltigung werden. Alle Fraktionen dieses Hauses beschäftigen sich seit ielen Jahren mit dem Phänomen; das ist schon angeprochen worden. Ich kann mich daran erinnern, dass ir 1998 gemeinsam einer Entschließung zugestimmt aben. Seit wir – Sie, Frau Schewe-Gerigk, und ich – im arlament sind, ist dies ein Thema, das im Endeffekt imer einvernehmlich behandelt worden ist. Ich darf auch n die Große Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion aus er 14. Legislaturperiode erinnern. Damals wie heute eschäftigen wir uns aus frauen-, menschenrechtsund Angelika Graf entwicklungspolitischer Sicht mit diesem Thema und fragen uns: Wie können wir dazu beitragen, dass diese steinzeitliche Methode der Ausübung von Macht über Frauen von der Erde verschwindet? Den Part der Entwicklungspolitik wird meine Kollegin Riemann-Hanewinckel und die frauenpolitischen Aspekte die Kollegin Gradistanac darstellen. Ich möchte mich mit der Situation in Deutschland befassen. Die Arbeitsgruppe „Menschenrechte und Humanitäre Hilfe“ der SPD-Bundestagsfraktion hat diese Woche die Gelegenheit gehabt, mit Frau Dr. Goesmann von der Bundesärztekammer darüber zu sprechen. Schätzungen zufolge leben – auch diese Zahl ist schon genannt worden – etwa 30 000 Frauen und Mädchen aus den entsprechenden Herkunftsländern in Deutschland, die entweder bereits beschnitten oder von einer derartigen Verstümmelung bedroht sind. Gynäkologen, Hausärzte, aber auch Psychologen, die sich mit einer solchen Beschneidung konfrontiert sehen, stehen oft hilflos vor dieser Situation. Oft ist es eine Notfallversorgung, sei es nun, weil eine Geburt bevorsteht, weil starke gesundheitliche Beschwerden akut behandelt werden müssen oder weil sich bei einem Mädchen, welches verstümmelt aus den Ferien im Herkunftsland zurückkehrt, eine entsprechende Komplikation einstellt. Wir müssen, zusammen mit der Ärztekammer und den NGOs, die in diesem Bereich arbeiten, wie Terres des Femmes, dafür sorgen, dass das Thema aus dem Tabubereich herausgeholt wird und Einzug in die Ausund Weiterbildung der Ärzte findet. Darauf hat bereits 1996 der 99. Deutsche Ärztetag hingewiesen. Die im April 2006 von der Gesundheitsministerin und der Ärztekammer vorgestellten „Empfehlungen zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Genitalverstümmelung“, die ständig weiterentwickelt werden – das ist also nichts Statisches –, bieten jedenfalls eine gute Grundlage für solche Diskussionen. Auch wenn es zurzeit noch keinen Fall einer Verurteilung wegen Durchführung einer solchen Verstümmelung gibt, muss, auch wegen der hartnäckigen Gerüchte, dass es selbstverständlich in Deutschland in den entsprechenden Communities solche Prozesse geben könnte, darauf hingewiesen werden, dass es sich nach unserem geltenden Strafgesetzbuch hierbei meist um eine schwere oder gefährliche Körperverletzung handelt. Mit dem Strafrechtsparagrafen ist es jedoch sicherlich nicht getan. Die Zahlen sagen uns, wir müssen in Deutschland die Genitalverstümmelung noch stärker thematisieren und von Genitalverstümmelung bedrohte Mädchen und ihre Eltern erreichen. Wir müssen die möglichen Ansprechpartner vor Ort für das Problem sensibilisieren, damit diese eine mögliche Gefährdung erkennen bzw. bei bereits erfolgter Genitalverstümmelung Hilfe leisten können. Dazu gehört die Vermittlung von Wissen über diese Tradition und auch über deren Strafbarkeit bei Ärzten, Sozialarbeitern, Lehrern, Polizisten und Ausländerbehörden. Hier sind vor allen Dingen die L b L t i D d i h u r e z m W c w s B f f d u n m s d s m s r s k L K J e S K u n c K d (C (D änder gefragt, das Thema stärker in das Bewusstsein zu ringen, zum Beispiel bei Ausund Fortbildungen der ehrer und der Polizei. Nicht zu vergessen die Mitarbei er der Jugendämter: Sie können ein Mädchen schützen, ndem sie den Eltern, wie 2005 im Fall einer mit einem eutschen verheirateten Ghanaerin geschehen, das Recht er Aufenthaltsbestimmung für das Kind entziehen. Für hre Fortbildung sind die örtlichen Träger der Jugendilfe, also die Kommunen, zuständig. Die Ziele des Programms „Frühe Hilfen für Eltern nd Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ der Bundesegierung, nämlich Risiken für Kinder frühzeitig zu ntdecken und die Erziehungskompetenz der Eltern u stärken, müssen auch beim Thema Genitalverstümelung verfolgt werden. ir wollen davon bedrohte Mädchen rechtzeitig erreihen. Müttern und Vätern, die aus Regionen kommen, o die Genitalverstümmelung gängige Praxis ist, müs en wir einfühlsam und sensibel klarmachen, dass eine eschneidung der Töchter eben keine ehrenwerte Fort ührung der Tradition, sondern mit lebenslangen Qualen ür die Töchter verbunden und bei uns in Deutschland efinitiv verboten ist. Den beschnittenen Frauen müssen wir gleichzeitig nsere Hilfe anbieten und deutlich machen, dass sie icht verachtet werden wegen ihrer Beschneidung. Wir üssen sie gewinnen zum Kampf gegen Genitalver tümmelung. Das ist ein ganz wichtiges Ziel. Man wird iesen Kampf nur mit ihnen gewinnen und nicht gegen ie. Wir sollten Anstrengungen unternehmen, einen geeinsamen Antrag hinzubekommen, weil wir bei die em Thema nicht weit auseinanderliegen. Ich sehe dafür elativ große und gute Chancen und werde alles untertützen, was zu einem gemeinsamen Antrag führen önnte. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607910900
Angelika Graf (SPD):
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(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607911100

Jetzt hat die Kollegin Kirsten Tackmann für Die

inke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607911200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Liebe Gäste! Fatuma aus Äthiopien ist sieben
ahre alt. Zu ihrem Geburtstag versprachen ihr die Eltern
in großes Fest. Weil Du dann zur Frau wirst, sagten sie.
ie verschwiegen aber: Dieser Tag ist das Ende der
indheit und der Beginn lebenslanger Qualen, seelisch
nd körperlich.

Was mit dem Begriff Beschneidung harmlos nach ei-
em kleinen operativen Eingriff klingt, ist für die Mäd-
hen schlimmste Folter. Es geht um die Entfernung der
litoris und der Schamlippen sowie um die fast vollstän-
ige Verschließung der Vagina ohne Betäubung und ste-






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Dr. Kirsten Tackmann
rile Instrumente. Es sind nicht nur die unvorstellbaren
Schmerzen und die Lebensgefahr durch Verbluten und
Infektionen infolge der Verstümmelung selbst. Es blei-
ben Probleme beim Urinieren, Schmerzen bei der Men-
struation, Angst vor Geschlechtsverkehr und Angst vor
dem Gebären. Es geht also um lebenslange körperliche
und seelische Verstümmelung.

Wir dürfen nicht nur über Einzelschicksale reden. Es
geht weltweit – das ist heute schon mehrfach gesagt wor-
den; man kann es nicht oft genug wiederholen – um bis
zu 150 Millionen Frauen, die betroffen sind – Tendenz
eher steigend. In manchen Ländern Afrikas und Asiens
werden 70 bis 99 Prozent der Mädchen so grausam zu-
gerichtet. Jedes Jahr werden weitere 3 Millionen Frauen
Opfer dieser barbarischen Form sexueller Gewalt.

Wir sollten aber nicht vergessen: Es sind gesell-
schaftliche Bedingungen, unter denen die weibliche
Genitalverstümmelung stattfindet, die Tradition oder Re-
ligion genannt werden. Diese Gewalttat geht vom Um-
feld der betroffenen Mädchen aus und wird von diesem
sanktioniert. Genitalverstümmelung steht also im direk-
ten Zusammenhang mit Unwissenheit, Armut und dem
sozialen Status der Frauen. Das hat bereits vor zehn Jah-
ren die damalige Sonderberichterstatterin der Vereinten
Nationen zum Thema „Traditionelle Praktiken, die die
Gesundheit von Frauen und Kindern beeinträchtigen“
festgestellt. Die gesellschaftlichen Bedingungen sind es
also, die verändert werden müssen.

Weibliche Genitalverstümmelung ist ein Verbrechen,
für das es keine Rechtfertigung geben darf; auch das ist
schon gesagt worden. Das zu erreichen, ist ein beschwer-
licher Weg, aber einen anderen gibt es nicht. Dazu wird
unter anderem deutlich mehr Geld zur Unterstützung des
Kampfes vor Ort gebraucht, auch von der Bundesrepu-
blik. Wir fordern daher eine Verdreifachung des entspre-
chenden Budgets. Über die Bedeutung dieser Projekte ist
hier schon gesprochen worden.

Auch in Europa – das ist schon erwähnt worden –
müssen wir uns mit Genitalverstümmelungen auseinan-
dersetzen. Circa 30 000 Mädchen und Frauen sind davon
bedroht oder wurden bereits dadurch verletzt. Selbst in
Deutschland werden vermutlich Genitalverstümmelun-
gen vorgenommen. Über die Beteiligung von hier nie-
dergelassenen Ärztinnen und Ärzten wissen wir viel zu
wenig. Über die Rolle dieser Gruppe sind schon Ausfüh-
rungen gemacht worden, denen ich mich gerne anschlie-
ßen möchte.

Erfreulicherweise wächst der Widerstand weltweit, er
wird auch immer wirkungsvoller. Auf die Konferenz in
Kairo ist bereits hingewiesen worden. Von höchsten
Rechtsgelehrten und Religionsführern aus islamisch ge-
prägten Staaten Afrikas ist dort festgestellt worden, dass
man den Koran zur Begründung von Genitalverstümme-
lungen nicht heranziehen kann. Einstimmig wurde von
der Konferenz bestätigt, dass die weibliche Genitalver-
stümmelung mit dem Islam unvereinbar ist. Auf dieser
Grundlage ist es nun endlich möglich, gegen diese reli-
giösen Rechtfertigungsversuche vorzugehen.

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(C (D In zwei Dingen sind wir uns fraktionsübergreifend ermutlich einig: Erstens. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine chwere Menschenrechtsverletzung, die Frauen daueraft der sexuellen Selbstbestimmung und eines Teils iher Persönlichkeit beraubt. Sie verletzt das Recht auf örperliche Unversehrtheit in schwerster Form. Zweitens. Gegen Genitalverstümmelungen und ihre olgen müssen wir dringend etwas tun, und zwar wirungsvoll. Erforderlich ist eine Ursachenbekämpfung: ine umfassende Beratung und Aufklärung auch in eutschland, die Verbesserung der sozialen Situation zw. des sozialen Status der bedrohten Frauen und Mädhen in ihrem Umfeld sowie effektive Maßnahmen zur ezielten Unterstützung von Frauen und Mädchen im sylprozess. Dieser Punkt hat heute bislang noch keine olle gespielt. Letzteres ist ein sehr schwerwiegendes Problem. Die ro-Asyl-Studie vom Dezember 2006 zur Entscheidungsraxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge at zum Beispiel bei Antragstellerinnen aus Eritrea festestellt, dass bei Opfern sexueller Gewalt keine sensible ufklärung des Sachverhaltes erfolgte. Vielmehr wurde m Bescheid der Tatbestand sogar bagatellisiert. Sondereauftragte des Bundesamts, die sich mit der geschlechtspezifischen Verfolgung beschäftigen, wurden in vielen ällen nicht hinzugezogen. Wir fordern daher insbesondere für Asylbewerberinen aus Ländern, von denen die Genitalverstümmelungsraxis bekannt ist, erstens besonders sensible Anhörungen urch entsprechend qualifizierte weibliche Mitarbeiterinen des Asylbundesamtes, inklusive weiblicher Sprachittlerinnen. Nach Aussagen der Bundesregierung sind s immerhin 30 Länder, von denen eine Genitalverstümelungspraxis bekannt ist. Wir fordern zweitens im Rahmen des Asylverfahrens ine unabhängige Beratung vor der Erstanhörung zum eispiel durch kompetente Beratungsstellen oder Rechtsnwältinnen. Wir fordern drittens, dass das Vorbringen des Fluchtrundes „Genitalverstümmelung“ im Verlaufe eines sylverfahrens nicht als gesteigertes oder verspätetes orbringen bewertet wird. Häufig verschweigen nämlich rauen, gerade schwer traumatisierte Frauen, bei der rstanhörung aus Scham eine Genitalverstümmelung. rst nach einiger Zeit sowie psychologischer Betreuung nd Beratung sind sie in der Lage, über Genitalverstümelung zu reden. Das muss im Verfahren berücksichtigt erden und darf nicht noch zum Nachteil ausgelegt weren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Viertens dürfen Länder mit bekannter Genitalverstüm-
elungspraxis nicht als sogenannte sichere Herkunfts-

änder eingestuft werden. Die deutsche EU-Ratspräsi-






(A) )



(B) )


Dr. Kirsten Tackmann
dentschaft kann für eine Initiative zur Harmonisierung
des europäischen Rechtsrahmens genutzt werden.

Es besteht folgendes Problem: Nach einem Bericht
von Pro Asyl hat das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge zum Beispiel den Asylantrag einer Minder-
jährigen aus Guinea mit der Begründung, sie habe eine
inländische Fluchtalternative, abgelehnt. Allerdings
hatte die Betroffene in der Anhörung bereits berichtet,
dass sie bei dem Versuch, sich in der Hauptstadt nieder-
zulassen, von ihrer Familie aufgespürt wurde und des-
wegen auch von dort wieder flüchten musste.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle zehn Sekunden
wird weltweit ein Mädchen an seinen Genitalien ver-
stümmelt, während meiner Rede also 42. Lassen Sie uns
gemeinsam einen Weg finden, diese unmenschlichen
Praktiken endlich zu beenden und ihre Folgen zu min-
dern.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607911300

Jetzt hat Sibylle Pfeiffer das Wort für die CDU/CSU-

Fraktion.


Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1607911400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte Ihnen zunächst sagen, dass ich dankbar bin,
dass wir das Thema der Genitalverstümmelung um diese
hervorragende und wirklich exponierte Zeit hier bei uns
im Bundestag debattieren können.


(Beifall im ganzen Hause)


Ich bin versucht, mein Konzept völlig wegzulegen;
denn ich möchte jetzt nicht einfach all das wiederholen,
was schon gesagt worden ist. Eines möchte ich aber zu
Beginn meiner Rede doch sagen – ich versuche jetzt, nur
auf wenige Punkte meines Konzeptes einzugehen –: Das
Problem der Genitalverstümmelung muss dort gelöst
werden, wo es verursacht wird. Als Entwicklungspoliti-
kerin kann ich das eine oder andere Wort dazu sagen und
auf einige Länder und Verwicklungen hinweisen, die
sich in diesem Zusammenhang feststellen lassen.

Einige Länder haben die Menschenrechtscharta unter-
schrieben; etliche sind im Menschenrechtsrat vertreten.
Viele Länder in Afrika haben Gesetze erlassen. Aber Pa-
pier ist geduldig; das wissen wir.

Ich hoffe, dass das Papier, das im November von den
islamischen Gelehrten verabschiedet worden ist, nicht
genauso geduldig ist. Es kommt einer Fatwa gleich; das
heißt, es ist ein Gesetz. Aber wie gesagt: Gesetze hin,
Gesetze her; Papier ist geduldig.

Wie kontrollieren wir das? Was kontrollieren wir ei-
gentlich? Wo kontrollieren wir? Wen kontrollieren wir
wann und wie? Wir sollten uns einmal überlegen, was in
den Staaten passiert, in denen es Beschneidungen gibt.
Dies geschieht – wir haben es schon gehört – in

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(C (D 8 Ländern Afrikas. Aber Beschneidungen gibt es auch n asiatischen Ländern und neuerdings in Europa – und as ist das Dramatischste an dem Ganzen. Frauen werden entstellt, werden verstümmelt. Vertümmelung ist meiner Meinung nach nichts anderes als ine Menschenrechtsverletzung. Auch Frauen sind enschen. Deshalb müssen wir zusehen, wie wir an die Menchen herankommen, die das tun. Michaela Noll hat chon gesagt: Wir müssen an die Männer heran. – Ja, wir üssen an die Männer heran. Männer sind diejenigen, ie die Gesetze erlassen, die auf deren Ausführung achen. Trotzdem sind es immer wieder Frauen, die die Ausührungen vornehmen. Aber können allein Frauen – vor llen Dingen diejenigen vor Ort – dieses Problem lösen? ch glaube das nicht. Ich glaube, die Frauen vor Ort haen diese Kraft noch nicht. Nur, wie kommen wir als Entwicklungspolitiker an ie Männer heran? Wissen sie überhaupt, was da pasiert? Wissen denn die Männer, was dieses Ritual in sich irgt, was diesen Mädchen und jungen Frauen angetan ird, oder muss man ihnen das erst einmal verdeutli hen? Muss man sie fragen: Hast du schon einmal nachedacht, was das bedeutet? Schließlich warst du noch ie dabei. – Frauen nehmen die Eingriffe vor; bisher war och kein Mann dabei. Es gibt Filme darüber. Wer von Ihnen einmal einen olchen Film gesehen hat, der kann die Bilder nicht so chnell abschütteln. Ich sage Ihnen: Die Bilder sind ürchterlich. Können wir solche Filme zeigen? Können ir die Männer integrieren? Können wir die Männer azu bewegen, sich solche Filme anzusehen? Dann würen sie erfahren, was die Frauen durchleben müssen, mit enen sie ein glückliches und erfülltes Leben führen ollen. Ich frage: Geht das? Können wir vielleicht durch ie Hintertür kommen? Wir alle wissen, dass gesellchaftliche Veränderungen nur über Frauen stattfinden. enn wir aber an die Frauen nicht herankommen – wir ntwicklungspolitiker dürfen uns mit den Frauen nicht useinandersetzen –, haben wir ein Problem. Waris Dirie ist hier schon genannt worden. Der einige Weg, den wir als Entwicklungspolitiker gehen könen, ist, Verbündete zu suchen. Wir müssen uns Frauen or Ort suchen, die davon berichten, was ihnen passiert st. Wir brauchen Frauen, die mutig genug sind, in die elt zu gehen und zu berichten, was ihnen passiert ist. chließlich geht es um mehr als 130 Millionen Mädchen nd Frauen. Wir wollen die Frauen unterstützen, die helen wollen und sich öffentlich dazu bekennen, damit ihre öchter und Enkelinnen diese Verstümmelung nicht er eben müssen. Wir europäischen Entwicklungspolitiker ommen nicht an die Menschen heran, denen wir eigentich helfen wollen. Deshalb müssen wir sehr viel vor Ort rbeiten; wir müssen die Frauen stärken und ihnen neues elbstbewusstsein geben. Ein wichtiger Schritt ist, dass wir mit dieser Thematik n die Öffentlichkeit gehen, dass der Deutsche Bundesag zu dieser Uhrzeit über dieses Thema diskutiert. Solhe Möglichkeiten müssen wir öfter nutzen. Dieses Sibylle Pfeiffer Thema darf kein Nischenthema sein; es muss in die Öffentlichkeit. Dann haben wir auch die Öffentlichkeit hinter uns. In den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens ist die Situation nicht anders; darüber sind wir uns alle einig. Wir müssen unsere Unterstützung ausbauen und unser Anliegen laut hinausposaunen. Vielen Dank. Der Kollege Dr. Karl Addicks hat das Wort für die FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Gäste auf den Tribünen! Wir sprechen heute über ein sehr ernstes und schwieriges Thema. Es geht um die Sitten und Gebräuche anderer Völker. Es gibt Sitten und Gebräuche anderer Völker, die wir nicht ignorieren oder einfach hinnehmen können. Hier und heute geht es um die Genitalverstümmelung von Frauen, vorwiegend in Afrika, aber auch in Asien. Diese Verstümmelungen müssen sofort aufhören; es dürfte sie eigentlich schon längst nicht mehr geben. Wenn wir wollen, dass diese Verstümmelungen bald aufhören, dann müssen wir noch sehr viel mehr dagegen tun. Menschenrechte werden hier auf schlimmste Weise mit den Füßen getreten. Es hat auf diesem Globus schon einige schlimme Gebräuche gegeben. Ich erinnere an die Fußverkrüppelung in China oder an Zehenamputationen in Japan. Auch in Europa hat es schlimme Unsitten gegeben; auch wir sind nicht ganz frei davon gewesen. Immer waren Frauen die Opfer. Eine ganz schlimme Praktik existiert noch: Die Genitalverstümmelung von Mädchen und jungen Frauen wird heute, im 21. Jahrhundert, immer noch praktiziert. Das ist unfassbar. Dieses grausame Ritual ist und bleibt ein verbrecherischer Eingriff in die Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen und in das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


(Beifall im ganzen Hause)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607911500

(Beifall bei der FDP)

Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1607911600

Dort, wo Menschenrechte verletzt werden, wird die
Entwicklung ganzer Gesellschaften verletzt. Deshalb
sage ich hier wie meine Kollegin Pfeiffer, dass sich die
Entwicklungspolitik viel mehr einmischen muss. Sie
muss ihre Einflussmöglichkeiten stärker wahrnehmen.
Es gibt viele Möglichkeiten, etwas zu tun: Auf die Re-
gierungen in den Ländern muss Einfluss genommen
werden; religiöse Autoritäten müssen gefragt werden;
die Menschen müssen aufgeklärt werden; sie müssen
Bildung erhalten.

Genitalverstümmelung ist ein Frevel an der Schöpfung.
Das ist Körperverletzung, häufig mit Todesfolge. Ich
kann Ihnen die schrecklichen Bilder nicht ersparen – ich
sage das an die Adresse unserer Gäste auf den Tribünen –:

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(C (D ie Mädchen werden gepackt, zum Block gezerrt und on vielen Händen fixiert. Mit einer Glasscherbe oder iner Rasierklinge wird ihnen ein Teil ihres Genitales ntfernt – es tut mir leid, aber das muss auch in diesem ohen Hause einmal so drastisch gesagt werden; denn o ist es nun einmal –; das blutet sehr stark. Es ist eine chinderei ohnegleichen. Diejenigen, denen das angetan ird, sind physisch und psychisch für ihr ganzes Leben ezeichnet. Viele sterben sofort an dem starken Blutverust, manche später an den Infektionen, die Folge dieser nsäglichen Prozedur sind. Die meisten leiden ihr Leben ang an Beschwerden psychischer und physiologischer rt. Sie haben Beschwerden bei der Menstruation, beim asserlassen, vor allem bei den Geburten; ganz zu chweigen von der sexuellen Invalidisierung. – Wir müsen diese Dinge hier und heute an die Öffentlichkeit ringen, vor allem in den Ländern, in denen die Genitalerstümmelung nach wie vor praktiziert wird. Deshalb efasst sich der Deutsche Bundestag heute zu Recht wieer einmal mit diesem Thema. Genitalverstümmelungen geschehen aber nicht nur in frika, sondern zum Teil auch hier, bei uns. Wir wollen ns nicht erheben, wir wollen diesem Treiben aber auch icht länger zusehen. Sonst machen wir uns schuldig an en Mädchen und jungen Frauen, denen diese Gewalt ngetan wird. Es ist dem Wirken zahlreicher Nichtregierungsorgaisationen zu verdanken, dass diesem Thema mehr und ehr öffentliche Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im ampf gegen diese grausame Unsitte sind erste Erfolge ichtbar. Kommen Sie bitte zum Ende, Herr Kollege. Noch ein, zwei Sätze, bitte. – Viele der ehemaligen eschneiderinnen kämpfen bereits auf unserer Seite. inen wichtigen und mutigen Beitrag hat Rüdiger Nehberg eleistet, der mit seinen heimlichen Filmaufnahmen die uslimischen Gelehrten überzeugt hat, dass das aufhören uss. Ich danke Rüdiger Nehberg und allen anderen, die ich eingesetzt haben, für ihr Engagement. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607911700
Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1607911800

en Beschneiderinnen rufe ich an dieser Stelle zu: Legen
ie endlich Ihre Rasierklingen weg und lassen Sie die
örper der Kinder so, wie die Schöpfung sie gemacht
at: intakt!

Danke.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607911900

Das war eine ziemlich optimale Ausnutzung von drei
inuten Redezeit.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Das Wort hat die Kollegin Christel Riemann-
Hanewinckel für die SPD-Fraktion.


Christel Hanewinckel (SPD):
Rede ID: ID1607912000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste auf den Tribünen des Deutschen Bundestages!
Traditionen, Religionen, Kulturen und Hoffnungen
haben Frauen in vielen Ländern der Erde dazu gebracht,
Angehörige ihres eigenen Geschlechtes leiden zu lassen,
ihnen Schmerzen zuzufügen, Vertrauen zu zerstören,
Frauen und Mädchen nicht wiedergutzumachenden
Schaden zuzufügen und Frauen ein Leben lang die
Bürde der Scham aufzuerlegen.

Männlich dominierte Gesellschaften nehmen Verstüm-
melungen oder gar den Tod ihrer Frauen in Kauf. Gleiche
Rechte für Frauen und Männer sind für sie nicht vorstell-
bar, weil sie offenbar Angst davor haben. Es sind im
wahrsten Sinne des Wortes „Hintermänner“, die für
Leid, Krankheit und Tod von Frauen und Mädchen
verantwortlich sind; denn hinter jeder Genitalverstüm-
melung stehen Befürchtungen und Ängste von Männern,
wenn es um die Selbstbestimmung der Frau geht.

Was ist bisher getan worden, um den Machtmissbrauch
der Männer zu „beschneiden“, zu ächten und unter Strafe
zu stellen? Wie werden den Frauen, und zwar den Opfern
und den Täterinnen, andere Wege eröffnet? Ich gehe in
der Geschichte um fast 30 Jahre zurück. Im Jahr 1979
wurde die Genitalverstümmelung von Frauen im Überein-
kommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung
der Frau, kurz CEDAW genannt, erstmals benannt und
geächtet; die Nationen dieser Welt wurden zu ihrer
Bekämpfung aufgerufen.

Die Tabuisierung dieses großen Gewaltverbrechens
wurde durch CEDAW endlich aufgebrochen. Alle Länder,
die dem Übereinkommen beigetreten sind, müssen nun
in Regierungsberichten darlegen, was sie in ihrem Land
zur Bekämpfung dieser Menschenrechtsverletzungen
tun. In der Folge ist die Ächtung und Bekämpfung der
Genitalverstümmelung in eine Reihe von internationalen
Übereinkommen, Protokollen und Erklärungen auf-
genommen worden. Ich nenne nur einige, die deutlich
machen, wie umfassend die Ächtung ist: die UN-Kinder-
rechtskonvention, die Aktionsplattform der 4.Weltfrauen-
konferenz in Peking, die Millenniumserklärung der
Vereinten Nationen im Jahr 2000 und die Millenniums-
entwicklungsziele; in den Zielen drei bis fünf wird darauf
eingegangen. Deutschland hat sich zum Beispiel in
Peking, aber auch in den Nachfolgekonferenzen in New
York bei Peking + 5, im CEDAW-Ausschuss und vor al-
len Dingen in der Frauenrechtskommission der Vereinten
Nationen immer aufs Neue für Vereinbarungen eingesetzt,
in denen wirksame Maßnahmen zur Aufklärung und zur
Bekämpfung weiblicher Genitalverstümmelung gefordert
werden.

Besonders wichtig ist dabei – dies wird vor allen Dingen
im Zusammenhang mit den Vereinten Nationen immer
wieder genannt – das Aufbrechen von Geschlechter-
stereotypen. Dazu gehört der Zugang der Frauen zu Bil-
dung, zu Gesundheitsvorsorge und zu wirtschaftlichen
Ressourcen. All das sind Entwicklungen, die in männer-

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(C (D ominierten Gesellschaften Angst verursachen, weil die orge besteht, dass die Frauen die gleichen Rechte ekommen könnten wie die Männer; denn es führt in der olge – das ist beabsichtigt – zur Eigenständigkeit der rauen und zur Gleichberechtigung. Zur Geschlechtererechtigkeit gehört – das haben wir in Peking erstmals ehr deutlich festgestellt –, dass Menschenrechte unteilbar ind und damit für Frauen und Männer gleichermaßen elten. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die exuelle Selbstbestimmung der Frauen zu den Menschenechten gehört. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)


Genitalverstümmelung zu benennen, zu ächten und
amit zu enttabuisieren, sie bei den Weltkonferenzen der
ereinten Nationen als Menschenrechtsverletzung zu be-
ennen, sie in bilateralen Verhandlungen immer wieder
u thematisieren und in die Millenniumsentwicklungs-
iele einzuarbeiten, ist die eine Seite. Die andere Seite ist
as konkrete Handeln. Ich will ein paar Punkte der
ntwicklungszusammenarbeit anführen, die genannt
erden müssen, weil Deutschland an dieser Stelle nicht
ur in den Verhandlungen aktiv ist, sondern auch konkret
andelt und vieles für die betroffenen Frauen und die
esellschaften vor Ort tut.

Deutschland unterstützt seit 2001 über das entwick-
ngspolitische Ministerium die Arbeit der Nichtregie-

ungsorganisationen in Afrika mit 500 000 Euro. Für
as GTZ-Projekt „Förderung von Initiativen zur Überwin-
ung der weiblichen Genitalverstümmelung“ – manche
on Ihnen kennen es vielleicht; aber es ist noch zu wenig
ekannt, deshalb müssen wir hier darüber reden –, das
on 1999 bis 2007, also über acht Jahre, läuft, werden
om BMZ insgesamt 5,8 Millionen Euro zur Verfügung
estellt. Das Auswärtige Amt unterstützt außerdem von
001 bis 2005 einzelne Maßnahmen von Nichtregie-
ungsorganisationen mit 176 000 Euro.

Eine besondere Rolle in der Entwicklungszusammen-
rbeit Deutschlands spielen die sogenannten nationalen
oadmaps. Das sind die Vereinbarungen, die auf Basis
er allgemein formulierten Millenniumsentwicklungs-
iele für die einzelnen Nationen aufgestellt werden. In
hnen werden die Inhalte der Ziele konkretisiert. Dabei
eht es um das, was vor Ort passiert. Deutschland befindet
ich hier nicht nur in bilateraler Zusammenarbeit mit
ielen Ländern durch Gespräche; wir unterstützen auch.

Im Rahmen des überregionalen Projektes der GTZ
erden Regierungen sowie nationale Organisationen
eraten, um Strategien und Programme vor Ort gegen
ie weibliche Genitalverstümmelung zu entwickeln.
ier geht es nicht vorrangig um die strafrechtliche Ver-

olgung, sondern darum, vor Ort etwas zu entwickeln,
urch das den betroffenen Frauen, und zwar sowohl den
äterinnen als auch den Opfern, andere Möglichkeiten

ür ihr Leben eröffnet werden. Geändert werden können
ie Einstellung und das Verhalten der Menschen durch
en Dialog mit den unterschiedlichen Zielgruppen,
urch Aufklärung über die Folgen von Genitalverstüm-
elung und vor allen Dingen durch die Vermittlung des
egriffs der Menschenrechte. Darüber hinaus muss man






(A) )



(B) )


Christel Riemann-Hanewinckel
den Beschneiderinnen alternative Erwerbsmöglichkeiten
auftun; ansonsten wird diese Praxis weiter bestehen.
Letztendlich hilft die wirtschaftliche Eigenständigkeit
von Frauen in der Breite, dass Frauen eigenständig wer-
den können.

Besonders wichtig und interessant finde ich den Ansatz,
den Mädchen, Müttern und Familien Alternativen zu
diesem Initiationsritus aufzuzeigen. Auch wir in
Deutschland kennen verschiedene Initiationsrituale, aller-
dings nicht so etwas wie Genitalverstümmelung. Auch
durch eine Neuentwicklung von Ritualen wird man an
dieser Stelle neue Wege gehen können.

Das sind nur einige kleine Beispiele, die deutlich
machen, dass engagierte Entwicklungspolitik etwas
bewirken kann.

Ich nenne am Schluss noch ein Beispiel: Die Regie-
rung von Benin hat 2005 offiziell das Ende dieser grau-
samen Praxis verkündet. Die deutsche Entwicklungszu-
sammenarbeit hat dazu einen wichtigen Beitrag geleistet.
Wir alle können in unseren Wahlkreisen dafür sorgen,
dass über diese schwere Menschenrechtsverletzung ge-
redet wird. Wie wir gehört haben, ist inzwischen auch
Deutschland betroffen. Der 6. Februar ist der Internatio-
nale Tag gegen Genitalverstümmelung. Vielleicht fällt
der einen oder dem anderen im Wahlkreis etwas ein, –


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607912100

Kommen Sie jetzt bitte zum Ende!


Christel Hanewinckel (SPD):
Rede ID: ID1607912200

– wie die Problematik bekannt gemacht werden kann

bzw. wie mit Organisationen vor Ort darüber geredet
werden kann.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607912300

Jetzt hat Ursula Heinen für die CDU/CSU-Fraktion

das Wort.


Ursula Heinen (CDU):
Rede ID: ID1607912400

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, das Wich-
tigste an dieser Debatte ist, dass wir dieses Thema ins
Bewusstsein holen, wie es alle Rednerinnen getan haben.
Ich möchte mich aber auch bei Herrn Dr. Addicks für die
klaren Worte bedanken, die er hier im Plenum gefunden
hat,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


um auch denjenigen, die sich nicht so intensiv damit
befasst haben, deutlich zu machen, worum es hier geht.

Wir haben die Zahlen gehört: Weltweit gibt es zwischen
130 und 150 Millionen genitalverstümmelte Mädchen
und Frauen. Nach Hochrechnungen leben auch in
Deutschland circa 30 000 beschnittene Frauen. Statistiken
darüber gibt es nicht; weil sich dies im Dunklen abspielt.

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(C (D s gab eine Umfrage bei Frauenärzten – meine Kollegin ichaela Noll hat das bereits erwähnt –, deren Rücklauf raurigerweise sehr gering ausfiel. Nur 500 Frauenärzte aben sich an dieser Umfrage beteiligt; das sind ergleichsweise wenige. Von diesen 500 Ärzten haben doch 43 Prozent schon einmal eine genitalverstümmelte rau betreut. Ein Drittel der Ärzte hat einer genitalerstümmelten Frau sogar schon einmal bei der Geburt ines Kindes, was gerade für diese Frauen eine ausgeprochen schmerzhafte Angelegenheit ist, geholfen. – eil auch die Ärzte so wenig darüber wissen, ist es ent cheidend, dass wir uns mit diesem Thema befassen. ass 90 Prozent der Ärzte mehr Informationen gewünscht aben, hat zu den bereits erwähnten Empfehlungen der undesärztekammer geführt. Über eine Meldepflicht von Ärztinnen und Ärzten, ie sie die FDP in ihrem Antrag als Prüfaufgabe formuert hat, kann man durchaus nachdenken. Meine Kollegin ichaela Noll hat allerdings schon die Sorge zum Aus ruck gebracht, dass die jungen Mädchen, um die es geht Sie sprechen ja ausdrücklich „von einer drohenden Geitalverstümmelung“ –, dann vielleicht nicht mehr zum rzt gehen. Das sind Punkte, die wir sorgfältig bedenken üssen. Ich denke aber, dass wir uns sicherlich entspre hend offen zeigen können. Der Antrag der Grünen beschäftigt sich hauptsächlich it dem bestehenden rechtlichen Rahmen. Auch der ntrag der FDP nimmt darauf Bezug. Das Strafgesetzuch bietet uns in der Tat genug Möglichkeiten, die Geitalverstümmelung als schwere Körperverletzung zu estrafen. Das ist sicherlich unstrittig. Die einzelnen Paragrafen werden jedem Tatbestand erecht. Derjenige, der die Genitalverstümmelung vorimmt, kann belangt werden. Auch die Eltern, die ihre inder für einen solchen Eingriff ins Ausland schaffen, önnen belangt werden. Der BGH ist sogar so weit geangen, das elterliche Sorgerecht bei Gefahr von Genialverstümmelung einzuschränken. Insofern ist der erforerliche Rechtsrahmen in Deutschland vorhanden. Ich bezweifele, dass es uns weiterbringen würde, enn die Genitalverstümmelung explizit in § 226 des trafgesetzbuchs aufgenommen würde. Meine Kollegin nnette Widmann-Mauz hat in ihrem Antrag in der letz en Legislaturperiode ausdrücklich festgehalten, dass es eniger um die Frage einer Strafnorm im Gesetzbuch als m die Strafverfolgung geht. etzteres ist unser Hauptproblem. An diesem Punkt üssen wir ansetzen, um diejenigen zu erwischen, die ie Genitalverstümmelung durchführen. Nichtsdestotrotz sollten wir meines Erachtens auch in iesem Punkt prüfen, inwieweit wir Änderungen vorehmen können. Deshalb wird der Antrag auch an anere Ausschüsse – sicherlich auch an den Rechtssauschuss – überwiesen. Dort wird man sich mit der Frage useinandersetzen müssen, ob Änderungen Sinn mahen. Ursula Heinen Ein weiterer Punkt, der bereits angesprochen wurde, ist die Aufnahme der Genitalverstümmelung in das internationale Recht. Auch das sollten wir prüfen. Der Sprecher unserer Fraktion, Johannes Singhammer, hat bereits festgestellt, dass wir alles unternehmen, was dem Ziel dient, die Genitalverstümmelung nachhaltig zu bekämpfen und die Verantwortlichen zu erwischen. Ich denke aber, dass die Diskussionen in dieser Frage in die richtige Richtung führen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)


(Sibylle Laurischk [FDP]: Sehr richtig!)





(A) )


(B) )


(Sibylle Laurischk [FDP]: Unser Vorschlag!)


Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen will, betrifft
die Frage des sicheren Herkunftslandes, die Frau
Tackmann angesprochen hat. Ich habe mich eben noch
kurz mit einigen Innenpolitikern verständigt: Auch die
drohende Genitalverstümmelung bedeutet eine Verlet-
zung der Menschenrechte und ist damit ein Tatbestand,
der die Verhinderung von Abschiebung, Ausweisung etc.
rechtfertigt. Insofern gibt es im Aufenthaltsrecht bereits
einen Schutz für die betroffenen Frauen. Auch das müs-
sen wir berücksichtigen.

Nach meiner Erinnerung hat es in der letzten Legisla-
turperiode lange Diskussionen gegeben, die wir inzwi-
schen zu einem guten und vernünftigen Ende geführt ha-
ben. Ich denke, dass wir – meine Vorrednerin hat schon
darauf hingewiesen – den 6. Februar wie vorgesehen
zum Anlass nehmen sollten, über dieses Thema öffent-
lich – sei es in Artikeln oder in unseren Wahlkreisen – zu
debattieren, um seinen Hintergrund deutlich zu machen.
Wenn wir die Möglichkeit haben, dem einen oder ande-
ren Mädchen die brutale Tortur zu ersparen, dann sollten
wir sie nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607912500

Zu einer Kurzintervention erteile ich nun das Wort der

Frau Kollegin Schewe-Gerigk.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kollegin Noll, Sie haben mich persönlich ange-
sprochen und auf zwei Anträge der CDU/CSU-Fraktion
aus der letzten und vorletzten Legislaturperiode hinge-
wiesen. Sie haben dabei den Eindruck vermittelt, als hät-
ten wir uns – weil wir Ihrem Antrag nicht zugestimmt
haben – bewusst gegen die Bekämpfung der Genitalver-
stümmelung ausgesprochen.

Ich habe das in der Zwischenzeit überprüfen lassen.
Es geht zum einen um einen Antrag, der sich auf Frauen
in den Krisenregionen Subsahara-Afrikas bezog und in
dem Sie sehr viele Forderungen formuliert haben, die
wir so nicht teilen konnten. Deshalb haben wir Ihren An-
trag abgelehnt und einen eigenen Antrag vorgelegt.

Bei Ihrem zweiten Antrag aus dem Jahr 2001 ist es
umso schlimmer; darin ging es ausdrücklich um die Ge-

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(C (D italverstümmelung bei Mädchen und Frauen. In diesem ntrag haben Sie festgestellt, dass es nicht notwendig ei, einen eigenständigen Asylanspruch zu formulieren, eil schon nach geltendem Recht die geschlechtsspezifi che Verfolgung vom Asylgrundrecht erfasst sei. Das ar nicht der Fall. Ich erinnere in diesem Zusammenang daran, wie zäh die Verhandlungen zum Zuwandeungsgesetz waren und wie intensiv gerade meine Frakion dafür gekämpft hat. Wenn das, was Sie in Ihrem ntrag festgestellt haben, schon der Fall gewesen wäre, ann hätte man dieses Instrument sicherlich nicht geraucht. Ich möchte nicht, dass hier der Eindruck entsteht, ass die Grünen gegen etwas stimmen, nur weil es von er falschen Fraktion kommt. Ihre Anträge waren für ns nicht weitgehend genug. Wir mussten hier klarstelen, dass das auch im Zuwanderungsgesetz mit aufgeommen wird. Ich erinnere noch einmal an die peinliche Situation im ahlkampf, als Ministerpräsident Stoiber bei Sabine hristiansen herumgestottert hat, dass nun alle Frauen ieser Welt nach Deutschland kommen würden, wenn ieses Gesetz Wirklichkeit würde. Frau Kollegin, wollen Sie antworten? Frau Kollegin, so wollte ich das auch nicht verstanden issen. Es ging einfach darum, dass Sie so getan haben, ls seien Sie diejenigen gewesen, die das sozusagen exlusiv behandelten. Wir haben immer gesagt: Unser Ziel war es, eine geeinsame Beschlussempfehlung zu erarbeiten, mit der ir gemeinsam eine Initiative planen. Das haben wir ge chafft, und dahin ging mein deutlicher Hinweis. Ich inde es einfach falsch, dann zu sagen, wir sind diejenien, die am meisten transportiert haben. Außerdem waen Sie es, die zu der Zeit an der Regierung waren. Sie ätten ja noch mehr anschieben können. Unser Antrag ar nur ein Anstoß, um deutlich zu machen: Wir wollen ehr gegen Genitalverstümmelung tun. Der zweite Antrag, den Sie angesprochen haben – er urde gar nicht näher debattiert –, enthielt nur einen ein igen Passus, in dem es gezielt um Genitalverstümmeung ging. Es ging nicht darum, Ihre Arbeit infrage zu stellen. ch wollte lediglich betonen, dass unser Angebot immer autete: Dieses Thema können wir unabhängig von Pareipolitik behandeln; da geht es um die Sache, nämlich ie betroffenen Frauen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wunderbar!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607912600
Michaela Tadjadod (CDU):
Rede ID: ID1607912700






(A) )



(B) )


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607912800

Nun hat die Kollegin Renate Gradistanac das Wort.


Renate Gradistanac (SPD):
Rede ID: ID1607912900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir heute über
drei Anträge diskutieren, den Antrag der Grünen, den
der FDP und den der Linken. In der Problembeschrei-
bung und im Forderungskatalog unterscheiden sie sich
meiner Meinung nach nicht grundsätzlich. Darum
könnte ich mir auch gut vorstellen, dass wir uns darauf
verständigen, miteinander einen interfraktionellen An-
trag zu verabschieden.

Ich meine, die Einführung eines eigenen Straftatbe-
standes kann geprüft werden. Gefordert wurde dies üb-
rigens auch bei der Berliner Konferenz, die unter ande-
rem vom Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung im Dezember 2006
organisiert wurde. Mit einer speziellen Gesetzgebung
könnte Klarheit und Nachdruck in der öffentlichen De-
batte geschaffen werden. Aber – das klang heute schon
mehrfach an – Änderungen im Strafrecht allein reichen
nicht aus, um Frauen und Mädchen zu schützen. Es müs-
sen weitere Schritte hinzukommen, auch darin sind wir
uns einig.

Lassen Sie mich einen Blick zurück werfen – da ich
die Letzte auf der Rednerliste bin, kann ich das ein biss-
chen zusammenfassen –: Am 17. Juni 1998 hat der
Deutsche Bundestag die Genitalverstümmelung von
Mädchen und Frauen als schwerwiegende Menschen-
rechtsverletzung verurteilt. Sie – so stand es damals in
der Vorlage – ist durch kulturelle oder religiöse Traditio-
nen nicht zu rechtfertigen. Alle Fraktionen, um auch das
einfach noch einmal herauszuheben, waren sich einig,
dass die Beschneidung ein Verstoß gegen das Grundge-
setz und eine Straftat gegen die körperliche Unversehrt-
heit ist.

Wenige Wochen davor, am 1. April 1998, trat das
6. Gesetz zur Reform des Strafrechts in Kraft. Die Vor-
schriften, nach denen Genitalverstümmelung als Körper-
verletzung oder Misshandlung Schutzbefohlener bestraft
wird, wurden verschärft. Im Jahr 1999 dann – jetzt wird
es spannend, weil Sie gesagt haben, wir hätten nichts Be-
wegendes getan – hat die rot-grüne Regierung einen na-
tionalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen
Frauen vorgelegt. In diesem Plan sind explizit Maßnah-
men zur Bekämpfung der Genitalverstümmelung be-
nannt.

Mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes
– das war schon eine riesige Herausforderung – am
1. Januar 2005 wurden die Frauenrechte gestärkt. Seit-
dem wird nicht nur Schutz vor Übergriffen nichtstaatli-
cher Täter gewährt, sondern auch geschlechtsspezifische
Verfolgung anerkannt. Damit erhalten Frauen bei einer
drohenden Verstümmelung Abschiebeschutz nach der
Genfer Flüchtlingskommission. Für diese Legislatur-
periode steht die Fortschreibung des Aktionsplanes zur
Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen an, so steht es in
unserem Koalitionsvertrag.

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(C (D Wir begrüßen, dass die Bundesärztekammer eine mpfehlung für Ärztinnen und Ärzte herausgegeben hat; enn diesen mangelt es oft an Erfahrungen mit beschnitenen Patientinnen. In Kairo hat zudem eine Konferenz tattgefunden, auf der sich die Islamgelehrten darauf erständigt haben, die Beschneidung bzw. die Verstümelung von Frauen zu ächten. Wenn wir das heute mehrals betonen, dann – so hoffe ich – hat das eine Wellenirkung. In der Vorbereitung auf die heutige Rede habe ich mir ie Aktionspläne von Großbritannien und Norwegen ur Bekämpfung der weiblichen Genitalverstümmelung ngeschaut. Das Kernstück des norwegischen Aktionslans besteht aus Maßnahmen, die vier Ziele umfassen: rstens die Verhinderung der Genitalverstümmelung von ädchen, die im Land – in diesem Fall in Norwegen – eben; zweitens die Hilfe für Mädchen und Frauen, die ereits verstümmelt bzw. beschnitten sind; drittens die ooperation und Koordination mit Einzelpersonen und rganisationen, wobei statt eines konfrontativen ein koperativer Ansatz verfolgt wird – das ist neu und nach einer Meinung ganz im Sinne der Betroffenen –; und iertens das Engagement auf internationaler Ebene. Es st überlegenswert, diesen Weg zu gehen; denn ich eine, dass er beispielhaft ist. In wenigen Tagen – viele wissen wahrscheinlich gar icht, dass der heutige Termin deshalb geschickt gewählt st – ist der fünfte internationale Tag „Null Toleranz geenüber weiblicher Genitalverstümmelung“. Die UNonderbotschafterin Waris Dirie hat gestern in München ine Unterrichtsmappe von Terre des Femmes vorgetellt. Ich glaube, alle unterstützen dieses Engagement an chulen. Ich schließe mich ausdrücklich dem Appell von aris Dirie an: „Information und Bildung sind die tärksten Waffen im Kampf gegen dieses frauenverachende Ritual. Wenn es uns gelingt, unsere Grenzen im opf zu überwinden, können wir alles erreichen“, auch inen gemeinsamen Antrag, den wir dann verabschieen. Danke. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607913000

Ich schließe die Aussprache zu diesem Punkt.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen
uf den Drucksachen 16/3542, 16/3842 und 16/4152 an
ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
chlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das
st der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlos-
en.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a bis 6 c auf:

a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom
20. Oktober 2005 über den Schutz und die






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucks-
formen

– Drucksache 16/3711 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)


– Drucksache 16/4144 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Monika Grütters
Steffen Reiche (Cottbus)

Christoph Waitz
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Uschi Eid

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Kultur und Medien

(22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordne-

ten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte,
Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der LINKEN

UNESCO-Übereinkommen zur kulturellen
Vielfalt schnell ratifizieren

– Drucksachen 16/457, 16/4144 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Monika Grütters
Steffen Reiche (Cottbus)

Christoph Waitz
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Uschi Eid

c) – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom-
men vom 14. November 1970 über Maß-
nahmen zum Verbot und zur Verhütung
der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und
Übereignung von Kulturgut

– Drucksache 16/1372 –

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Ausführung des UNESCO-
Übereinkommens vom 14. November 1970
über Maßnahmen zum Verbot und zur
Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr,
Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut

(Ausführungsgesetz zum Kulturgutübereinkommen – KGÜAG)


– Drucksache 16/1371 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(22. Ausschuss)


– Drucksache 16/4145 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Monika Grütters
Steffen Reiche (Cottbus)

Christoph Waitz
Dr. Lukrezia Jochimsen
Dr. Uschi Eid

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(C (D Zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Enturf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen über den chutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausrucksformen liegt ein Entschließungsantrag der Frakion des Bündnisses 90/Die Grünen vor. Zu dem Entwurf ines Ausführungsgesetzes zum Kulturgutübereinkomen liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Die inke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre dazu keien Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem ollegen Wolfgang Börnsen für die CDU/CSU-Frak ion. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! Ein Film aus Deutschland hat in diesem Jahr die hance, Oscarpreisträger zu werden. „Das Leben der nderen“ ist dafür nominiert. Das ist eine riesengroße nerkennung für die Filmschaffenden und den Film in eutschland insgesamt sowie ein persönlicher Erfolg für lorian Henckel von Donnersmarck. Heute erfahre ich: r ist plötzlich abgesetzt worden. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wer ist abgesetzt worden?)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1607913100

as heißt, das müsste ich mitteilen, wenn ohne Ein-
chränkung allein die WTO-Regeln gelten würden, wenn
as GATS-Abkommen ausschließlich die Richtung vor-
äbe. Denn was heute noch öffentlich gefördert wird,
äre dann nicht mehr statthaft. Das gilt auch für diesen
scar-verdächtigen, mehrfach staatlich gestützten Film.

Unsere kulturelle Welt wäre völlig auf den Kopf ge-
tellt. Damit dies nicht geschieht, werden wir von der
nion heute einer Konvention zustimmen, die zum ei-
en die Vielfalt der Kulturen auf unserer Erde gewähr-
eistet und zum anderen staatliche Kulturförderung lega-
isiert. Wer diesem Abkommen zustimmt, der stimmt für
in Recht jedes Mitgliedstaates auf eine eigenständige
ulturpolitik. Wer dagegen ist, öffnet das Tor zu einer

uch im Kulturbereich unaufhaltsamen, uneingeschränk-
en Liberalisierung.


(Erich G. Fritz [CDU/CSU]: Amerikanisierung!)


ie Kultur würde eine Ware werden. Das wollen wir
icht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE])


Die Mechanismen des GATS würden die Kultur-
chaffenden voll treffen. Der Markt allein entscheidet,
ur kommerzielle Kategorien gelten dann. Die öffentli-
he Kulturförderung wäre aufgehoben. Das Abkommen,
as noch keine völkerrechtlich verbindliche Rechtskraft
at, verhindert, dass die Kulturförderung von Bund,
ändern und Gemeinden bei uns unter das Fallbeil
ommt, aber auch, dass der öffentlich-rechtliche Rund-






(A) )



(B) )


Wolfgang Börnsen (Bönstrup)

funk in eine Existenzkrise gerät. Genauer gesagt: ARD
und ZDF kämen ohne diese Konvention unter die Räder;
denn ihre Art der Gebührenfinanzierung entspräche
nicht den GATS-Grundsätzen. Das wollen wir nicht!

Auch die Theaterlandschaft in Deutschland wäre dann
diesem freien Spiel der Kräfte ausgesetzt: die Opern, Or-
chester, das Tanztheater. Sie würden der Meistbegünsti-
gungsklausel des GATS-Abkommens unterliegen. Inlän-
dische Anbieter dürften gegenüber ausländischen nicht
bevorzugt werden, das heißt, keine öffentliche Förderung
erhalten. Die öffentliche Unterstützung nationaler Kultur-
anbieter von Film und Theater wäre im Zweifel unzuläs-
sig. Eine Klage privater Theater gegen diese Wettbe-
werbsungleichheit hätte Erfolg und brächte damit unsere
gesamte Kulturförderung ins Wanken. Staatliche Förde-
rung würde als unzulässiger Protektionismus gelten, weil
sie den Markt verzerrt. Im extremsten Fall könnte das
dazu führen, dass nicht mehr die Qualität und Tradition
eine Rolle auf der kulturellen Bühne spielen, sondern nur
noch die günstigen Preise. Kultur wird zum Fast Food.
Nicht mit uns!

Um die Bedeutung der heutigen Beschlussfassung
noch einmal zu unterstreichen, möchte ich ganz ohne
Dramatik darauf hinweisen: Käme es nicht zur Konven-
tion, hätten wir München ohne das Deutsche Museum,
Bayreuth ohne Wagner, Berlin ohne Museumsinsel, Wei-
mar ohne Klassik,


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist schon etwas mutig!)


dafür überall Dallas, Denver und Donald Duck. Das wol-
len wir, Herr Otto, nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Was für die Bühne gilt, trifft auch für die Kunst- und
Filmförderung zu. Auch die Übernahme des Arbeitgeber-
anteils bei der Künstlersozialversicherung durch den
Staat würde als unzulässiger Eingriff in den Markt be-
wertet, und das wäre nicht mehr erlaubt. Damit wäre
auch einer der größten Fortschritte der letzten Jahrzehnte
für die Sicherung des Lebensstandards von Künstlerin-
nen und Künstlern extrem gefährdet. Auch das lehnen
wir ab. Deshalb spricht sich die CDU/CSU-Bundestags-
fraktion einstimmig und mit Nachdruck für das Überein-
kommen zur kulturellen Vielfalt aus. Deshalb begrüßen
wir auch, wie sicher alle Fraktionen, das Tempo, mit dem
die Bundesregierung unter Federführung von Staatsmi-
nister Bernd Neumann dieses Anliegen voranbringt.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er denn?)


Denn schließlich will dieses Abkommen nicht mehr und
nicht weniger als die Garantie der nationalen kulturellen
Eigenständigkeit und Identität. Der Staatsminister – das
darf ich wegen eines Zurufs sagen – ist erkrankt.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Gute Besserung!)


Er wäre sicher gerne dabei gewesen. Ich wünsche ihm
von hier aus gute Genesung.


(Beifall im ganzen Hause)


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(C (D Antriebsfeder für die Entwicklung der Konvention ar die Furcht der Weltgemeinschaft der 148 UNESCOtaaten vor einer Homogenisierung dieses Planeten: urch unbegrenzten Handel, durch die alles sprachlich leichmachende Internetkultur, durch die zunehmende lobalisierung und durch die technologische Entwick ung. Die Sicherstellung der Pluralität der Kulturen ist ine der wesentlichsten Voraussetzungen für ein zivilisaorisches Wachstum. (Beifall des Abg. Ulrich Maurer [DIE LINKE])


hne Vielfalt, ohne Wettbewerb, ohne Alternativen
ürde die Menschheit verarmen.


(Beifall bei der LINKEN)


ine alleinige Fixierung auf die materielle Entwicklung
uch und gerade in den Ländern der Dritten Welt wird
it Recht als Rückschritt in der Menschheitsentwick-

ung gesehen. Als ehemaliger Entwicklungshelfer weiß
ch, wovon ich spreche.

Kultur ist mehr als die Summe der schönen Künste.
ultur umfasst Lebensformen, Formen des Zusammen-

ebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen.
ultur ist die Gesamtheit der unverwechselbaren geisti-
en, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigen-
chaften, die eine Gesellschaft kennzeichnen, so die
NESCO.

Das Abkommen, über das wir heute beschließen, will
ehr als nur eine Garantie der Anerkennung der Vielfalt

er Kulturen. Es öffnet das Tor für einen Paradigmen-
echsel, auch und ganz besonders in der Entwicklungs-

usammenarbeit auf unserer Erde. Wachstum ja, aber
icht um den Preis der Aufgabe von Identität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der LINKEN)


Dieses Dokument zur kulturellen Vielfalt schafft eine
eue Balance zum Welthandelsabkommen. Dabei soll
icht der grenzüberschreitende freie Handel torpediert
erden. Nein, es wird nur Respekt eingefordert, dass
ulturaktivitäten, Güter und Dienstleistungen gleichzei-

ig auch ideelle Werte beinhalten und nicht allein auf ih-
en materiellen Grundbestand reduziert werden dürfen.

enn wir zulassen, dass der kulturelle Weltmarkt von
ünf oder sechs Global Players dominiert wird, werden
ir in kürzester Zeit die kulturelle Vielfalt auf unserer
rde vermissen. Nein, kein Hollywood für jedermann!

Gerade wir Europäer tragen von unserem Grundver-
tändnis her eine besondere Verantwortung für die Be-
ahrung der Kultur kleinerer, entwicklungsschwächerer
änder.


(Beifall bei der SPD)


erade für diese Länder hat die Zielsetzung der Aner-
ennung der staatlichen kulturellen Souveränität durch
ie UNESCO-Konvention eine herausragende Bedeu-
ung.

Die hier gemeinte Eigenständigkeit geht davon aus,
ass Menschen nicht nur Angehörige von Ländern sind.
ie sind zunächst Mitglieder von Kulturen und Religio-






(A) )



(B) )


Wolfgang Börnsen (Bönstrup)

nen. In den 190 UN-Staaten gibt es davon Tausende mit
unterschiedlichen Traditionen und oft gegensätzlichen
Ausrichtungen. Sie sind nicht selten – auch das muss
man kritisch sagen – Ausgangspunkt von Spannungen,
Kriegen und Dauerkonflikten.

Die Garantie ihrer Eigenständigkeit, die Souveränität
ihrer Kulturen, dass sie weder bedroht noch in ihrer
Existenz gefährdet werden, schafft erst die Freiheit zum
Dialog. Eine Nivellierung der Kulturenvielfalt, ihre Ho-
mogenisierung, ist nicht der Weg zum Frieden.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Das UNESCO-Abkommen macht das Recht, im eige-
nen Land Kulturpolitik nach eigenen Traditionen und
Zielen zu betreiben, so wie wir es in unserem föderalen
System mit Erfolg praktizieren, völkerrechtlich verbind-
lich. Vielfalt und Qualität kennzeichnen den Kulturstand-
ort Deutschland. So soll es auch bleiben. Den besonderen
Wert der Kultur unterstreichen die Länder der Bundesre-
publik in ihren Verfassungen. Deswegen wäre es meiner
persönlichen Meinung nach konsequent, wenn auch der
Bund in seinem Grundgesetz die Kultur als Staatsziel
berücksichtigen würde.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Jetzt hat er Recht!)


– Das hat lange gedauert, Herr Otto. – Durch ein solches
Bekenntnis bestätigt man doch gleichzeitig den nationa-
len Rang, den man der Kultur einräumt, und stärkt damit
seine Legitimation für internationale Vereinbarungen, so
zum Beispiel auch für die heute zur Rede stehende
UNESCO-Konvention. Dieses Abkommen ist ein erster
bedeutender Schritt zur Sicherung und Achtung der Kul-
turen weltweit.

Doch unser Kontinent – reich an Kulturgeschichte
freud- und leidvoller Erfahrung – sollte baldmöglichst
einen zweiten Schritt gehen und zu einer Europäischen
Kulturcharta kommen. Unsere kulturelle Vielfalt als
Kernbestand unseres europäischen Selbstverständnisses
müssen wir sichern. Damit verdeutlichen wir auch den
Vorrang der Kultur und ihrer identitätsstiftenden Wir-
kung.

Das gemeinsame kulturelle Erbe Europa gilt es zu re-
vitalisieren; denn noch nehmen Europas Bürger die Eu-
ropäische Union in erster Linie als Wirtschaftsgemein-
schaft wahr. Das reicht als Bindung nicht aus. Europa
muss sich zunehmend als eine Kultur- und Wertege-
meinschaft verstehen. Die Kultur muss Motor, muss Lo-
komotive der europäischen Einigung werden.

Die kulturelle Vielfalt ist der eigentliche Schatz Euro-
pas. Dieses Fundament gilt es zu sichern. Sie ist der
Grundstein für eine gemeinsame europäische Identität.
Sie erst verhilft unserem Kontinent zu Bindung unterei-
nander, zu Gemeinschaft miteinander, zu Selbstbewusst-
sein und Stärke.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D erade das benötigen wir im weltweiten Wettbewerb. ie UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt und azu die Europäische Kulturcharta – jetzt und hier, damit ulturelle Eigenständigkeit und Vielfalt in unserem and, in Europa und weltweit garantiert bleiben! Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607913200

Das Wort hat nun der Kollege Christoph Waitz für die

DP-Fraktion.


Christoph Waitz (FDP):
Rede ID: ID1607913300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir debattieren heute abschließend über zwei
NESCO-Konventionen, die dem Ursprung nach zwar

usammengehören, inhaltlich aber nichts miteinander zu
un haben. Daher werde ich mich zuerst zur
NESCO-Konvention von 1970 äußern und anschlie-
end etwas zur Konvention zum Schutz der kulturellen
ielfalt sagen, auf die der Kollege Börnsen in seinem
ortrag den Schwerpunkt gelegt hat.

Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren, was
er kultur- und medienpolitische Sprecher der CDU/
SU-Bundestagsfraktion, Kollege Börnsen, über das
esetzgebungsverfahren zur Ausführung des UNESCO-
bereinkommens von 1970 im letzten Jahr gesagt hat:

Eine Umsetzung muss allerdings mit Augenmaß er-
folgen. Eine bürokratische Mehrbelastung für den
Kunstmarkt ist nicht hinnehmbar!

Dieser Satz endet mit einem Ausrufezeichen. –

Die Konvention muss ähnlich wie EU-Vorlagen
1 : 1 umgesetzt werden. Sie sollte nicht über die
Mindestvorschriften hinausgehen. Bei einer Über-
interpretation der Konvention besteht die Gefahr,
dass Deutschland noch weiter an den Rand des in-
ternationalen Kunstmarktes gedrängt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Die FDP kann jedes einzelne Wort dieser Aussage un-
erschreiben.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Wir auch!)


llerdings ist nichts von dem, was die Union und Herr
örnsen vor einem Jahr angekündigt haben, in die Tat
mgesetzt worden.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das trifft nicht zu!)


tatt die Konvention eins zu eins umzusetzen, ist die
undesregierung mehrfach darüber hinausgegangen. In
usterschülermanier hat der Kulturstaatsminister ein
usführungsgesetz vorgelegt, das über das Ziel hinaus-

chießt und vor allem die Bürokratie verstärkt, anstatt
ulturgüter wirksam zu schützen.






(A) )



(B) )


Christoph Waitz

(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Eine sehr eigene Sicht!)


Es ist ein Irrglaube, dass mit diesem Ausführungsge-
setz auch nur eine Raubgrabung im Irak oder anderswo
verhindert werden kann. Die Folge dieses Gesetzes wird
stattdessen Bürokratismus für den Kunsthandel, für das
Kunstsammeln und für den Kulturgüteraustausch sein.


(Beifall bei der FDP – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die FDP schützt wieder Schwarzgeldbesitzer! Das ist es! Darum geht’s doch!)


– Herr Grindel!

Wir hatten die Hoffnung, dass wenigstens die politi-
schen Kräfte innerhalb des Parlaments erkennen, dass
hier des Guten zu viel getan wurde, und dass der Eifer
der Regierung in den parlamentarischen Beratungen
noch korrigiert wird. Doch leider haben die Berichter-
statter von Union und SPD nicht einmal ein Komma im
Gesetzentwurf geändert, ohne vorher beim BKM der Re-
gierung um Erlaubnis zu bitten.

Ich möchte hier eines deutlich sagen: Die FDP ist für
den Kulturgüterschutz und gegen Raubgrabungen. Wir
teilen Ihre Ziele. Wir halten die Umsetzung aber für un-
geeignet, in manchen Aspekten sogar für kontraproduk-
tiv. Ich möchte Ihnen anhand von Beispielen erläutern,
warum wir gegen das Ausführungs- und das Ratifizie-
rungsgesetz der UNESCO-Konvention stimmen werden.
Die UNESCO-Konvention von 1970 sieht vor, dass der
Betreiber eines Kunst- oder Antiquitätenhandels oder ei-
nes Auktionshauses bei Erwerb und Veräußerung von
Kulturgut Aufzeichnungen zur Identität des Veräußerers
zu machen hat.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Was spricht denn dagegen?)


– Ich komme darauf noch zu sprechen.

Während alle anderen Staaten – ich betone: alle – der
Konvention folgen und lediglich die Aufzeichnung der
Identität des Veräußerers festschreiben, fordert die Ko-
alition von CDU/CSU und SPD zusätzlich die Aufzeich-
nung der Identität des Einlieferers, des Erwerbers und
des Auftraggebers, also die Identität von vier Personen
statt die von einer, wie von der Konvention gefordert.
Das ist wohl kaum eine Eins-zu-eins-Umsetzung.

Dieser Bürokratismus wird jedoch, wenn er nur von
einem der 110 Unterzeichnerstaaten eingeführt wird,
nicht dazu führen, dass illegale Geschäfte aufgedeckt
oder verhindert werden. Das Ergebnis wird schlicht und
einfach sein, dass Kunsttransfers nicht mehr in Deutsch-
land abgewickelt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Herr Börnsen hat noch vor einem Jahr sehr richtig er-
kannt: Deutschland wird noch weiter an den Rand des
internationalen Kunstmarktes gedrängt.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das trifft nicht zu!)


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(C (D In einem weiteren Punkt geht das Ausführungsgesetz ber den Text der Konvention hinaus. Denn es wird eine eweislastumkehr eingeführt, die nicht nur der gesetz ichen Eigentumsvermutung des BGB entgegensteht, ondern auch den rechtmäßigen Eigentümer eines unstwerkes unter Verdacht stellt. Nach dem Motto Schuldig, bis die Unschuld bewiesen werden kann“ uss der Besitzer eines Kunstwerkes darlegen, dass er echtmäßig Eigentum am Kunstwerk erworben hat. och wer hebt allen Ernstes Rechnungsbelege mehrere ahrzehnte lang auf und vererbt diese auch noch an die ächste Generation? (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ach! Das ist doch europäisches Recht!)


Ich bedaure, dass die Koalition trotz intensiver Dis-
ussionen in weiteren Punkten keine Änderungen am
egierungsentwurf vorgenommen hat. Zum einen halten
ir die von den Münzhändlern und Münzsammlern vor-
etragenen Bedenken für gewichtig. Wie anders ließe
ich erklären, dass beispielsweise Dänemark Münzen
enerell aus dem Geltungsbereich der UNESCO-Kon-
ention herausgenommen hat? Diese sind nicht nur in
änemark, sondern auch in Deutschland durch die be-

tehenden Gesetze ausreichend geschützt.

Zum anderen fehlt eine Regelung zur Sicherung des
reien Geleits für Kulturgüter. Ein Beispiel für eine
urch die Regelungen des freien Geleits ermöglichte
usstellung ist die im Jahr 2003 in Berlin und Bonn ge-

eigte Ausstellung „Schätze der Himmelssöhne“. Das
igentum an den bedeutenden Exponaten, unter ande-

em aus dem Nationalen Palastmuseum von Taipeh,
urde und wird von der Volksrepublik China bean-

prucht. Diese Kunstschätze wurden von Taiwan nur
eshalb ausgeliehen, weil deren Rückgabe auf der
rundlage des Kulturgutsicherungsgesetzes von der
undesrepublik rechtsverbindlich zugesagt werden
onnte.

Nach der Ratifizierung des UNESCO-Abkommens
on 1970 ist nicht auszuschließen, dass eine solche völ-
errechtlich verbindliche Rückgabezusage zukünftig mit
ückgabeansprüchen von Vertragsstaaten dieser Kon-
ention kollidiert.


(Beifall bei der FDP)


ass allein diese Rechtsuntersicherheit ausreicht, um zu-
ünftige Ausstellungsvorhaben zu verhindern, wird so-
ohl von den Beamten des Kulturstaatsministers als

uch von der Regierungskoalition verkannt.

Durch die Abgabe eines einfachen völkerrechtlichen
orbehalts, dass das freie Geleit von Forderungen auf
er Grundlage dieses UNESCO-Übereinkommens unbe-
ührt bleibt, wäre diese Rechtsunsicherheit beseitigt. Von
er Möglichkeit, bei der Ratifizierung der UNESCO-
onvention Vorbehalte einzulegen, haben insgesamt
5 Staaten, darunter die USA, Frankreich, Dänemark,
chweden und Großbritannien, Gebrauch gemacht. We-
er der Kulturstaatsminister noch die Regierungskoali-
ion haben überzeugend darlegen können, warum
eutschland von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch
achen sollte.






(A) )



(B) )


Christoph Waitz
Abschließend komme ich zum UNESCO-Überein-
kommen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kul-
tureller Ausdrucksformen. Niemand ist gegen die Ziele,
die in dieser Konvention formuliert sind. Wir brauchen
wirksame Instrumente, die dazu beitragen, dass kultu-
relle Waren und Dienstleistungen nicht nur als Wirt-
schaftsgüter, sondern auch als Kulturgüter betrachtet
und auch so behandelt werden. Herr Börnsen, Sie haben
das sehr ausführlich dargestellt. Aber mit Kulturförde-
rung und Kulturschutz muss sich jedes Land selbst be-
fassen. Hierbei geht es im Prinzip darum, Protektionis-
mus zu gewährleisten bzw. zu ermöglichen, und es geht
um die Quotierung und den Schutz einer ganz bestimm-
ten Kultur vor einer möglicherweise übermächtigen kul-
turellen Bedrohung. Sie haben das in meinen Augen zum
Teil zu einfach dargestellt.

Welche Auswirkungen diese Konvention hat, kann
heute niemand sagen. Insofern wäre nach unserer Vor-
stellung eine sorgsame Prüfung im Rahmen einer Geset-
zesfolgenabschätzung erforderlich gewesen. Darauf und
auf eine ausführliche Diskussion über die Folgen dieser
Konvention hat die Bundesregierung zugunsten einer
ohne Not übereilt vollzogenen Ratifizierung leider ver-
zichtet. Die wünschenswerte kulturelle Vielfalt könnte
infolge der Ratifizierung dieser Konvention leicht zu ei-
nem Antidiskriminierungsgesetz werden, das dazu führt,
dass vor lauter Gleichberechtigung und Solidarität die
Freiheit der individuellen künstlerischen Ausdrucksfor-
men behindert wird. Nicht alles, was gut gemeint ist, ist
auch wirklich gut.


(Beifall bei der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607913400

Das Wort hat nun der Kollege Steffen Reiche für die

SPD-Fraktion.


Steffen Reiche (SPD):
Rede ID: ID1607913500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Kulturfreunde! Wir alle haben Kultur. Vor allem:
Wir leben von Kultur. Deshalb ist es so wichtig, dass wir
mit unserem heutigen Beschluss zwei weiteren der sie-
ben schon jetzt gültigen globalen Kulturkonventionen
beitreten, indem wir sie ratifizieren. Vier der sieben gül-
tigen UNESCO-Konventionen werden damit nach dem
Beschluss des Bundesrates auch in Deutschland aner-
kannt. Dann sind sie auch hier gültig.

Kultur gehört wie die Umwelt zu den Grundlagen un-
seres Lebens.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP] – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Deshalb wollen wir auch das Staatsziel!)


Unsere Werte und unsere Identität sind ohne Kultur nicht
denkbar. So wie unsere Umwelt unser Leben materiell
ermöglicht, so tut dies unsere Kultur ideell. Sie ist wie
die Umwelt das, was wir nicht selber herstellen können
und deshalb besonders schützen müssen. Beide, Kultur
und Umwelt, müssen in Zeiten der Globalisierung auch
global geschützt werden.

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(C (D Seit 1954 gibt es nun schon insgesamt sieben NESCO-Konventionen zum Schutz der Kultur. Sieben st eine heilige Zahl und zeigt Vollständigkeit, Geschlosenheit und Integrität. Dass nun vier von sieben dieser bereinkommen in Deutschland gelten, ist eine gute, ber keine zufriedenstellende Bilanz. „Die Welt ist lach“, hat Thomas L. Friedman entdeckt. Die Globaliierung hat zu einer Einebnung der Welt geführt. Wirtchaftliche Güter, Produkte und Dienstleistungen weren weltweit produziert und gehandelt, als wäre unser under Globus flach. Dabei darf es aber nicht zu einer Einebnung der Kuluren kommen. Bei der Einebnung der Welt dürfen der estand der Kulturen, ihre Vielfalt und Verschiedenar igkeit nicht gleich mit eingeebnet werden; denn sonst ommt es unwiederbringlich zum Verlust von Kulturen nd Kulturgütern. Das ist dann auch der Anlass zum ampf der Kulturen. Wenn andere Völker sich bei der lobalen Einebnung auf einer flachen Welt um ihre Kulur und ihre Kulturgüter betrogen fühlen, dann kämpfen ie: zuerst um ihre Kultur und dann auch gegen andere. enn mit ihrer Kultur würde nicht nur ihre Kultur verlo en gehen, sondern zugleich auch ihre Identität, ihre erte und ihre Lebensgrundlagen. Die UNESCO ist die höchste von fünf Ebenen der ulturpolitik, der Politik zum Schutz der Kulturen. Ich itte, dass das in Zukunft deutlicher bemerkt und beücksichtigt wird: Mittlerweile gibt es fünf Ebenen, auf enen Kulturpolitik betrieben wird, nämlich die lokale, ommunale Ebene, die regionale Ebene, die nationale bene, die kontinentale Ebene, also Europa, und die gloale Ebene, also die UNESCO. Heute ratifizieren wir die nach der Haager Konvenion von 1954 älteste UNESCO-Konvention, nämlich as „Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und ur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und bereignung von Kulturgut“ aus dem Jahre 1970. Zuleich, also im Doppelpack, ratifizieren wir die siebente NESCO-Konvention, also die letzte und jüngste von 005, die „Konvention zum Schutz und zur Förderung er kulturellen Vielfalt“. Leider bleiben damit aber eben drei von sieben Konentionen auch heute noch in Deutschland nicht bindenes, nicht umgesetztes Völkerrecht; denn gültig sind iese drei von Deutschland noch nicht ratifizierten Konentionen schon längst, weil über 30 Staaten jede von ihen ratifiziert hat. International gültig, von Deutschland ber noch nicht ratifiziert, sind die vierte Konvention on 1995, die Unidroit-Konvention, die fünfte Konvenion, die „Konvention zum Schutz des Kulturerbes unter asser“, und die sechste Konvention, die „Konvention um Schutz des immateriellen Kulturerbes“. Keine der fünf Fraktionen im Parlament darf sich eute brüsten; denn alle haben in den 37 Jahren seit 1970 egiert oder mitregiert – die PDS 19 Jahre, die SPD 8 Jahre, die CDU/CSU 17 Jahre, die Grünen sieben ahre und die FDP am längsten, nämlich 28 Jahre – (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Immer dagegen!)







(A) )



(B) )


Steffen Reiche (Cottbus)

und es nicht geschafft, diese Konventionen zu ratifizie-
ren. Nun endlich schaffen wir es in der ersten großen
Koalition seit 1970.


(Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist es überstürzt!)


Auch für scheinbar so kleine Dinge braucht man also
große Koalitionen.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Bis heute noch nicht einsichtig!)


Was gut für die Kultur der Welt ist, muss auch gut
sein für Deutschland, und zwar nicht nur deshalb, weil
Deutschland ein schöner und wichtiger Teil der Welt,
Kulturnation und Impulsgeber für andere Kulturen ist,
sondern auch, weil wir mit der großartigen globalen
Sammlungs- und Museumskultur des 19. Jahrhunderts
auch einer der wichtigsten Impulsgeber für den globa-
len Schutz der Kulturen waren. Der Geist ist nicht zu
sich selbst zurückgekehrt, wie Hegel prophezeite. Alles,
was er hervorbrachte, wurde ab da aber gesammelt und
gezeigt als Zeugnis des einen Weltgeistes.

Etwas anderes wird heute zugleich belegt und bewie-
sen. Wo manche noch darüber streiten, ob der Bund eine
kulturelle Aufgabe und somit auch Kulturhoheit hat,
beweisen wir heute gleich dreifach: Der Bund hat eine
solche Kulturaufgabe und Kulturhoheit, die er zum
Schutz der Kultur anwendet. Die Europäische Union, die
die UNESCO-Konventionen zur kulturellen Vielfalt mit
erarbeitet hat, hat sie. Die UNO, die Staatengemein-
schaft, hat sie ebenfalls; das haben wir zum Glück längst
erkannt.

So wie wir das Klima nur global und gemeinsam
schützen können, so können wir auch die Kultur nur glo-
bal und gemeinsam schützen. So wie es das Weltklima
gibt, das aus vielen einzelnen lokalen und regionalen
Wettern besteht, so gibt es auch die Weltkultur, die aus
vielen einzelnen lokalen, regionalen und nationalen Kul-
turen besteht. Für Außerirdische wäre diese Weltkultur
anders erkennbar und wahrnehmbar als für uns.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Großes Kino hier!)


Aber da es diese Außerirdischen, diese ETs, nicht gibt,
sind wir als Weltbürger gut beraten, unsere Weltkultur
in ihrer Vielfalt selbst besser zu erkennen und zu schüt-
zen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diese Aufgabe kann uns keiner abnehmen. Unser
Welterbe an Kulturen und Kulturgütern ist keine nach-
wachsende Ressource. Es ist einmalig. Das viele Zer-
störte aus Jahrtausenden Kulturgeschichte ist unwieder-
bringlich verloren. Deshalb müssen wir das bisher noch
Erhaltene für uns und künftig Lebende besser schützen.
Deshalb muss Deutschland, auch und gerade weil es ein
so reiches und an Kulturerbe reiches Land ist, vorbild-
lich sein. Jedes Land, auch Sachsen, jede Stadt, auch
Dresden,


(Jan Mücke [FDP]: Das durfte ja nicht fehlen!)


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(C (D uss sich an die völkerrechtlich bindenden Verträge halen. Unsere Debatte heute zeigt: Neben den Kommunen nd Regionen, die hier Verantwortung wahrnehmen, ind die Nationen, die EU und die UNO zu gleich wichigen Akteuren für die Kultur in der Welt geworden. Ich reue mich darüber, dass wir heute die Kulturschutzkonention ratifizieren. Meine Lieblingssendung im öffentich-rechtlichen Fernsehen, das ab heute durch die NESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt gegen alle U-Dienstleistungsrichtlinien und WTO/GATS-Angriffe uf Dauer, einklagbar und endgültig geschützt ist, der Kulturweltspiegel“, hat neulich davor gewarnt, dass eutschland zu einer Drehscheibe des illegalen Kulturüterhandels werden könnte. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Ja, dank der FDP!)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


ir müssen uns vor Augen halten: Nach dem illegalen
rogenhandel und nach dem illegalen Waffenhandel ist
er illegale Kulturhandel der drittgrößte Markt.


(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD])


enn es da Sumpf gegeben hat, auch in Deutschland, ist
r jetzt trockengelegt.


(Zuruf von der FDP: Schauen wir mal!)


Kulturgüter sind keine normalen Waren. Es gibt einen
nterschied zwischen dem Klauen eines Radios und
em Klauen der Himmelsscheibe von Nebra. Die rund
600 Jahre alte Scheibe ist die weltälteste Darstellung

es Kosmos. Ihr Verkäufer gab an, sie sei 1999 von
chatzsuchern mit einem Metalldetektor gefunden wor-
en. Tatsächlich war sie aber bei dem Trubel der deut-
chen Wiedervereinigung gestohlen worden und dann
uf dem Schwarzmarkt mit einer Preisvorstellung von
0 Millionen Euro angeboten worden. Dieser archäolo-
ische Fund ist Eigentum des Landes Sachsen-Anhalt
nd wurde nach einer verdeckten Aktion der Schweizer
olizei nach Deutschland zurückgebracht.

Deshalb bin ich dankbar dafür, dass der Ausschuss
einer Bitte gefolgt ist und wir dem Beauftragten der
undesregierung gemeinsam einen Brief geschrieben
aben des Inhalts, mit der nächsten Änderung des BGB
olle auch der § 948 so geändert werden, dass das
chatzregal künftig in allen Bundesländern gilt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Konvention entfaltet ihre Wirkung nun auch in
eutschland. Die Ratifikation ist ein Beitrag Deutsch-

ands zum internationalen Weltkulturerbe, denn wir
chützen mit dem Gesetz nicht nur unser eigenes Erbe
or anderen Staaten, sondern respektieren zugleich das
ulturelle Erbe anderer Staaten.

Nach der Ratifizierung dieser beiden Konventionen
st vor der Ratifizierung der nächsten drei Konventionen.

eder die FDP, die trotz 28 Jahren Regierungsmitver-






(A) )



(B) )


Steffen Reiche (Cottbus)

antwortung seit 1970 auch heute nicht ratifizieren will,
weil sie wenig Schutz geben will,


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ach du lieber Gott!)


weil sie sich von den Kulturgüterlobbyisten hat verfüh-
ren lassen, noch jemand anders darf uns daran hindern,
erst die Konvention zum Schutz des immateriellen Kul-
turerbes von 2003 und dann das Übereinkommen von
2001 zum Schutz des Kulturerbes unter Wasser zu ratifi-
zieren.

Vier Schritte sind wir gegangen, drei müssen wir noch
gehen, um beim Weltkulturerbe nicht nur anerkanntes,
sondern auch anerkennendes UNESCO-Mitglied zu
sein. Seien Sie mit uns auf dem Weg! Das würde mich
freuen; ich würde es herzlich begrüßen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Super! Urbi et orbi!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607913600

Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Dr. Lukrezia

Jochimsen für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607913700

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wir fei-

ern heute eine Art Festakt für die Kultur. Das ist auch gut
so und obendrein überfällig. Fast auf den Tag genau vor
einem Jahr, am 25. Januar 2006, hat meine Fraktion den
Antrag gestellt, das UNESCO-Übereinkommen zur kul-
turellen Vielfalt schnell zu ratifizieren. Ich erinnere mich
noch gut an die 37. Sitzung am 1. Juni vergangenen Jah-
res, als die gleichen Themen wie heute, die beiden
UNESCO-Konventionen, auf der Tagesordnung standen,
allerdings spätabends und mitten in der Nacht. Damals
habe ich als einzige Rednerin zu diesem Thema zu be-
gründen versucht, warum wir als Linksfraktion die Rati-
fizierung der UNESCO-Konvention zur kulturellen Viel-
falt für so dringlich und notwendig erachten.

Es geht um grundsätzliche Fragen: Ist kulturelle Viel-
falt ein bestimmendes Merkmal der Menschheit? Ist sie
eine Hauptantriebskraft für die nachhaltige Entwicklung
von Gemeinschaften, Völkern und Nationen? Ist sie un-
abdingbar für Frieden und Sicherheit auf lokaler, natio-
naler und internationaler Ebene? Ist sie Teil der Verwirk-
lichung von Menschenrechten und Grundfreiheiten?
148 Staaten, darunter 25 europäische, sagen Ja. Sie ver-
treten die Überzeugung, dass Kultur mehr ist als nur
Ware, dass kulturelles Schaffen mehr ist als eine Dienst-
leistung und dass wir alle ein Recht auf eigene und viel-
fältige Kultur haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Eigene und vielfältige Kultur, damit ist im Grunde der
Begriff der Leitkultur neu definiert – schade, dass der
Kollege Lammert nicht anwesend ist –: Eigenart und

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(C (D ielfalt in jeder einzelnen Gesellschaft, respektiert von llen anderen Gesellschaften, das ist ein Begriff, mit em wir eine Kulturdiskussion gut im Inneren führen nd uns ebenfalls offen nach außen wenden können. Das sagt sich leicht; aber – machen wir uns nichts or – einfach zu verwirklichen ist es nicht. Denn wer ich für das Recht auf eigene Kultur einsetzt, gerät wangsläufig in Konflikt mit der globalen Kommerzialiierung, die nur Waren, Dienstleistungen und ihre Verertung kennt, aber keine Werte an sich. Der Kollege örnsen hat das zu Beginn dieser Debatte, wie ich finde, ehr eindrucksvoll vorgetragen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es! – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP], zur CDU/CSU gewandt: Freunde von der Linkspartei! Ich gratuliere!)


(Beifall bei der LINKEN)


nsofern ist der beeindruckende weltweite Einsatz für die
ulturelle Vielfalt, dem wir uns nun heute durch die Ra-
ifizierung des UNESCO-Übereinkommens anschließen,
uch Teil des globalen Kampfes gegen die Kommerziali-
ierung aller Dinge und Werte, auch der Kultur.


(Beifall bei der LINKEN)


Da diese Kommerzialisierung ein rasantes Tempo
orlegt, muss die Gegenbewegung ebenso dynamisch
ein, um das Gleichgewicht zwischen Handelsfreiheit
nd Kultur zu erhalten. Dafür gibt es gute Ansätze. So
at die Arbeitsgruppe der Assemblée nationale und des
eutschen Bundestages zum Thema „Kulturelle Vielfalt

n Europa“ bereits wichtige Impulse für die Ausgestal-
ung der Rahmenbedingungen in Deutschland und
rankreich, aber auch der gesamten EU erarbeitet. „Un-

erschiedliche Wege, gleiche Ziele“ heißt ein Motto. Es
st ein Signal für das Zusammengehen zweier Staaten in
uropa mit Öffnungsperspektiven für andere.

Wir können also bewegen und wir können gegensteu-
rn, wenn wir uns mit all denen zusammentun, die auf
hre eigenständige und vielfältige Kultur setzen. Das
taatsziel Kultur gehört dazu und die Völkerrechtsbin-
ung beim Weltkulturerbe gleichermaßen.


(Beifall bei der LINKEN)


nsofern wird meine Fraktion dem Gesetzentwurf der
egierung zustimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Nun zum UNESCO-Übereinkommen von 1970. Auch
iesem Gesetzentwurf der Regierung werden wir zustim-
en; dem Ausführungsgesetz dazu allerdings nicht. Wir

aben intensiv und permanent daran gearbeitet, dass es
u einer überfraktionellen Zustimmung zu diesem Aus-
ührungsgesetz kommt. Es war uns klar, dass nach
6 Jahren Nichtstun in Sachen Kulturgutschutz in diesem
and gewissermaßen ein undurchsichtiges, wildwüchsi-
es Rechtsterrain existiert, welches schwierig zu bearbei-
en ist.






(A) )



(B) )


Dr. Lukrezia Jochimsen

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Was für ein Unsinn! Es gab doch europäische und nationale Gesetze!)


Aus Respekt vor der umfangreichen und schwierigen
Arbeit, die alle Fraktionen geleistet haben, wäre ein ge-
meinsames Ergebnis sehr zu begrüßen gewesen. Unsere
Sorge galt dabei vor allem dem Schutz archäologischer
Kulturgüter. Sie sind noch viel stärker als andere Kul-
turgüter gefährdet, wie die Raubgrabungen im Irak, in
Süditalien und selbst hierzulande, Beispiel Nebra, zei-
gen.

Uns erscheinen die vorgesehen Regelungen zum
Schutz dieser Kulturgüter nicht ausreichend. Deshalb hat
meine Fraktion eine Evaluierung der Auswirkungen des
Gesetzes vorgeschlagen. Nach Ablauf von drei Jahren
soll ein Bericht über seine Auswirkungen, insbesondere
mit Blick auf die archäologischen Kulturgüter, vorgelegt
werden, um gegebenenfalls Nachbesserungen vorzuneh-
men. Dieser Bericht soll von einer unabhängigen Kom-
mission erstellt werden, die vom Staatsminister für Kul-
tur einberufen wird.

Aber selbst dieser Vorschlag wurde von den Koali-
tionsfraktionen abgelehnt. Sie schlagen im neuen Gesetz
lediglich vor, dass ein Bericht erstellt wird. Uns geht es
aber nicht um einen allgemeinen Bericht, sondern um
eine zeitnahe Evaluierung der Auswirkungen dieses Ge-
setzes mit gleichzeitiger Verpflichtung, gegebenenfalls
neue Handlungsempfehlungen für den Gesetzgeber zu
entwickeln.

Die Linksfraktion bringt diesen Vorschlag nun in ei-
nem eigenen Entschließungsantrag ein. Ich kann Sie nur
bitten, sich diesem Antrag anzuschließen. Eine mehr-
heitliche Zustimmung böte die Möglichkeit, das Ausfüh-
rungsgesetz in einem entscheidenden Punkt dann doch
noch zu verbessern. Von dieser Notwendigkeit sind im
Übrigen nicht nur wir überzeugt. Darauf haben mehrere
Sachverständige in der öffentlichen Anhörung hingewie-
sen.

Meine Bitte ist also: Setzen Sie sich einmal darüber
hinweg, dass ein guter Antrag, nur weil er von der
Linksfraktion kommt, abgelehnt werden muss.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607913800

Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Uschi Eid für die

Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607913900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir behandeln heute zwei UNESCO-Übereinkom-
men zur internationalen Kulturpolitik abschließend, zum
Teil nach sehr intensiver Beratung.

Zum einen ist es die UNESCO-Konvention von 1970
zum Kulturgüterschutz. Es ist ein bedeutsames Abkom-
men, dessen Ratifizierung durch Deutschland wirklich
überfällig ist. Die Plünderung von Grabungsstätten im
Irak, die Sprengung von Buddha-Statuen in Afghanistan

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(C (D aben uns das Problem drastisch vor Augen geführt. Es eht um die Bewahrung des kulturellen Erbes vor unwieerbringlichem Verlust. Uns alle hat der illegale Kunstandel, insbesondere mit Hehlerware aus Ausgrabungstätten, aufgeschreckt. Es steht außer Frage: Nur durch nternational abgestimmte Maßnahmen kann dieser illeale Handel unterbunden werden. Seit 37 Jahren liegt diese Konvention vor. In der letzen Legislaturperiode war es die rot-grüne Mehrheit, die ndlich die Beratung dieser Konvention auf die Tagesrdnung gesetzt hat. Wir haben den Entschluss der jetzien Bundesregierung, dem Abkommen beizutreten, von nfang an begrüßt. Wir hatten ein großes Interesse da an, ein praktikables, aber auch wirksames Ausführungsesetzt mit auf den Weg zu bringen. Ein Hauptproblem, das uns von Anfang an begleitet at, war ja, wie man zwischen den Interessen der beteiigten redlichen Akteure – Wissenschaft, Handel und useen – und den notwendigen Regelungen für einen irksamen Schutz von Kulturgütern einen Kompromiss inden kann, der das übergeordnete Ziel nicht unterläuft nd auch gegenüber den anderen Vertragsstaaten keinen weifel daran lässt, dass man die Verpflichtung zum chutz ihres Kulturerbes ernst nimmt. Es war meiner Fraktion ein echtes Anliegen, dieses bkommen heute gemeinsam, das heißt, getragen von llen Parteien, zu verabschieden. Fast wäre es auch geungen. Meine Fraktion war zu weitgehenden Zugetändnissen bereit. Leider hat die Koalition dies in letzter inute vereitelt. Ich möchte deshalb nochmals zwei Forderungen von ns hervorheben, die leider im Kulturausschuss abgeehnt wurden: Erstens. Wir beantragten die Verlängerung der Frist ür die Nacherfassung von archäologischen Bodenfunen und deren nachträgliche Klassifizierung und Eintraung in die Liste schützenswerter Kulturgüter durch die erkunftsländer von einem Jahr auf zwei Jahre. Vor al em für Entwicklungsund Schwellenländer, die keine inreichenden Informationsnur oder schwach ausgebilete Wissenschaftsstrukturen haben, ist eine Einjahresrist zu knapp. Zugleich sind diese aber in der Mehrzahl on Raubgrabungen und dem illegalen Handel mit antien Gegenständen betroffen. Im Gegensatz zur Koalition ind wir der Auffassung, dass dem gutgläubigen Erwerer und Besitzer sowie dem Kunsthandel eine Zweijahesfrist unter Abwägung aller Rechtssicherheitsarguente zumutbar gewesen wäre. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Zweitens. Wirksamer Kulturgüterschutz braucht
ransparenz. Dazu gehört eine Aufzeichnungs- und
nformationspflicht. Diese sollte so präzise und prakti-
abel wie möglich gestaltet werden, um die Wege, die
ulturgüter nehmen, auch wirklich nachvollziehbar zu
achen, und zwar über einen angemessenen Zeitraum.

Deshalb haben wir gefordert, die Fristen der Aufbe-
ahrung von Herkunfts- und Verbleibnachweisen von






(A) )



(B) )


Dr. Uschi Eid
zehn auf 30 Jahre auszudehnen – auch deswegen, weil
Ansprüche auf die Rückgabe von Kulturgütern laut Ge-
setzentwurf nach 30 Jahren erlöschen. Dass diese Forde-
rung mit Verweis auf eine zu große Belastung des Kunst-
handels abgelehnt wurde, bedauere ich; denn selbst in
Ländern, die für ihre liberale Kunsthandelspraxis be-
kannt sind, gelten 30 Jahre, so etwa in der Schweiz.

Ich bedauere es außerordentlich, dem Gesetzentwurf
in der jetzigen Form auch nach dem langen und intensi-
ven Beratungsverlauf nicht zustimmen zu können. Da
wir diese Konvention aber für eine der wichtigsten Kon-
ventionen im Hinblick auf die Einhaltung eines interna-
tionalen Kulturgüterschutzes halten, werden wir dem
Ratifizierungsgesetz zustimmen.

Die zweite Konvention, um die es heute geht, ist die
UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt. Meine
Fraktion begrüßt, dass Deutschland diesem Überein-
kommen in Kürze beitreten wird; mit dem von uns vor-
gelegten Entschließungsantrag bekräftigen wir dies.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir begrüßen die in der Konvention festgelegten
Grundprinzipien: das gemeinsame Erbe der Mensch-
heit zum Nutzen aller zu achten und zu erhalten, die Kul-
tur als strategisches Element in die Entwicklungspolitik
zu integrieren, dass die kulturelle Vielfalt durch den
freien Austausch von Ideen gestärkt und durch grenz-
überschreitende Interaktionen bereichert wird und dem
Doppelcharakter kultureller Güter, Aktivitäten und
Dienstleistungen zum einen als Handelsware, zum ande-
ren aber ganz besonders als Träger von kultureller Sinn-
gebung Rechnung getragen wird.

Meine Bedenken hinsichtlich des möglichen Miss-
brauchs dieser Konvention zur Abschottung der eigenen
Bevölkerung gegenüber fremden kulturellen Einflüssen,
für protektionistische Maßnahmen oder das Schüren eth-
nischer Unterschiede für machtpolitische Zwecke unter
dem Deckmantel der Förderung kultureller Vielfalt habe
ich bereits bei der Beratung im Juni 2006 zu Protokoll
gegeben. Diese Problemdimensionen des Abkommens
müssen wir mit bedenken und verantwortungsvoll mit
der Umsetzung dieser Konvention umgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Deshalb fordern wir Grüne die Bundesregierung in
unserem Entschließungsantrag auf, sich darum zu bemü-
hen, Mitglied in der Konferenz der Vertragsparteien zu
werden und eine Mitgliedschaft im zwischenstaatlichen
Ausschuss anzustreben, um entsprechenden Einfluss auf
die Umsetzung der Konvention zu nehmen. Sie sehen:
Egal wer diese Regierung stellt, ich habe in dieser Hin-
sicht in die Regierungen der Bundesrepublik Deutsch-
land großes Vertrauen.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das ist gerechtfertigt! – Peter Hintze, Parl. Staatssekretär: Zu Recht!)


Die Europäische Gemeinschaft hat bei den Verhand-
lungen über die Konvention mit einer Stimme für die
Mitgliedstaaten gesprochen. Deutschland kommt in sei-

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(C (D er Ratspräsidentschaft die Aufgabe zu, unter den EUitgliedstaaten eine gemeinsame Position in Bezug auf ie Arbeitsagenda und die Umsetzungsschritte der Konention herbeizuführen und diese in die Vorbereitung der ertragsstaatenkonferenz einzubringen. Auch die Einindung der Zivilgesellschaft ist in der Konvention festeschrieben. Kulturnutzer, Kulturverbände und Kulturndustrie sind am Umsetzungsprozess breit zu beteiligen. ies sicherzustellen, muss Aufgabe der deutschen Reierung im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft sein. Ich komme zum Schluss. Kulturelle Vielfalt ist ein ohes Gut, aber sie ist kein Selbstzweck. Eine Vielfalt m der Vielfalt willen, eine Vielfalt, die sich nicht aufinander zu beziehen weiß, wird allen guten Intentionen er UNESCO-Konvention zuwiderlaufen. Kulturelle ielfalt muss der kulturellen Freiheit dienen. Hier stehen ie demokratisch verfassten Staaten, hier steht Deutschand in der besonderen Pflicht, und die Bundesregierung uss diese Verantwortung mit all ihren politischen Ge taltungsmöglichkeiten wahrnehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607914000

Nun hat die Kollegin Professor Monika Grütters für

ie Fraktion der CDU/CSU das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Monika Grütters (CDU):
Rede ID: ID1607914100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ha-

en es schon in der ersten Rederunde gemerkt: Am meis-
en umstritten ist und bleibt in einigen Teilen das
NESCO-Abkommen zum Kulturgüterschutz. Deshalb
öchte ich darauf eingehen. Ich finde, was lange währt,
ird endlich gut. Das ist immerhin ein schönes deut-

ches Sprichwort.

Ich bin erleichtert und froh, dass wir heute nach fast
7 Jahren endlich zur Verabschiedung eines Gesetzes
ommen, mit dem Deutschland wieder in die Gemein-
chaft der Staaten aufgenommen wird, die sich weltweit
arauf verständigt haben, Kulturgüter vor der unerlaub-
en Ausfuhr aus dem Stammland, vor der unerlaubten
infuhr in andere Länder und vor dem Handel als mögli-
her Hehlerware zu schützen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


So weit Deutschland beim Beitritt zum UNESCO-
ulturgüterschutzabkommen hinterherhinkt, so flott ist

s beim Beitritt zum UNESCO-Abkommen zur kulturel-
en Vielfalt. Es ist ermutigend, dass wir Versäumnisse
uf der einen Seite auf der anderen schnell wieder wett-
achen können.

Frau Jochimsen, dass der Staatsminister für Kultur
nd Medien die Umsetzung der UNESCO-Konvention
um Kulturgüterschutz in deutsches Recht auf die
genda seiner ersten 100 Tage im Amt gesetzt hat – das






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(B) )


Monika Grütters
ist übrigens auch Teil unserer Koalitionsvereinbarung –,
mag Sie darüber in Kenntnis setzen, dass Sie mit Ihrem
Antrag nicht die Ersten waren.


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Wir sind in dieser Angelegenheit vorgeprescht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Für eine Kulturnation wie Deutschland ist es von he-
rausragender Bedeutung, sich einer solchen internationa-
len Vereinbarung zum Kulturgüterschutz nicht länger zu
verschließen, Herr Otto. Alles andere wäre – das war es
auch fast 37 Jahre lang – unwürdig.


(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD])


Immerhin haben 109 Staaten, darunter Kunsthandelszent-
ren wie Großbritannien und die USA, längst ihr Commit-
ment erklärt. Bald kann auch die große Kunsthandelsna-
tion Deutschland wieder aufrecht und selbstbewusst
auftreten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Monika Griefahn [SPD])


Dass es in Deutschland mehr als 36 Jahre gedauert
hat, liegt einerseits an der komplizierten Rechtsprechung
hierzulande und andererseits natürlich an den unter-
schiedlichen Interessen der Betroffenen. Die Archäolo-
gen fordern detaillierte Aufzeichnungspflichten und
Aufbewahrungspflichten von 30 Jahren – dem haben Sie
sich angeschlossen, Frau Eid –, während die Vertreter
des Kunsthandels – das ist FDP-Linie – zusätzliche Do-
kumentationspflichten gänzlich ablehnen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Zusätzliche!)


– Sage ich ja. Sie lehnen sie wegen der größeren Büro-
kratie ab. – Numismatiker dagegen wollen massenhaft
produzierte Kulturgüter wie Briefmarken, Bücher, Grafi-
ken, Medaillen oder Münzen gänzlich aus dem Gel-
tungsbereich des Gesetzes ausschließen. Dass das nicht
harmonisch zusammengefügt werden kann, ist evident.
Es ist aber beachtlich, dass wir es geschafft haben, zu ei-
nem, wie ich meine, guten Ende der Diskussion zu kom-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Immerhin haben wir jetzt festgelegt, wie die Defini-
tion „geschütztes Kulturgut“ aussehen soll. Wir haben
ferner festgelegt, wie sich die daraus ergebenden Listen
geschützter Kulturgüter aussehen müssen. Wir haben
Aufzeichnungsregelungen gestaltet, die nicht über das
vorhandene Maß hinausgehen. Wir haben Wertgrenzen,
die lange umstritten waren, festgelegt und sind zu einem
Kompromiss gekommen. In diesem Punkt haben wir
noch einmal nachgegeben. Schließlich haben wir auch
festgelegt, welche Fristen für die Nacherfassung wichtig
sind und wie lange ein Staat das Recht haben soll, ein-
mal ins Ausland verbrachte Kulturgüter zurückzuverlan-
gen.

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(C (D Der Weg war steinig, weil es bei der Umsetzung in eutsches Recht um heikle politische und juristische Fraen ging. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wohl wahr!)


Herr Otto, um zu einem Ergebnis zu kommen, haben
ir im Kulturausschuss – das war am Anfang nicht

elbstverständlich – intensiv diskutiert. Wir haben keine
leine, sondern eine große Anhörung durchgeführt. Als
bgeordnete, die noch nicht so lange im Bundestag ist,

inde ich es beachtlich, dass wir in fünf Berichterstatter-
esprächen versucht haben, einen Allparteienkompro-
iss zu erarbeiten. Uns wäre diese Einigung wichtig ge-
esen, weil es nicht um ein Detail, sondern um
eutschlands Selbstverständnis in der internationalen
emeinschaft geht. Es tut mir leid, dass am Ende kein
llparteienkompromiss zustande gekommen ist; aber

mmerhin haben wir heute eine Mehrheit.

Die Grünen werden dem Ratifizierungsgesetz – Frau
id hat es schon gesagt – nach langen, zähen Verhand-

ungen zustimmen und sich bei der Abstimmung über
en Gesetzentwurf der Koalition enthalten. Ich finde,
as ist eine konstruktive und sehr faire Einstellung zu
iesem Anliegen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir haben versucht, Ihre Anregungen aufzugreifen,
enn das auch nicht in allen Punkten möglich war.

Frau Jochimsen, die Linke hat mit ihrer Empfehlung,
as Gesetz nach drei Jahren zu evaluieren – ich gestehe,
ass das nicht auf unsere Initiative zurückgeht –, im Kul-
urausschuss eine entsprechende Entschließung bewirkt.
uch das finde ich nicht selbstverständlich. Deshalb

inde ich es schade, dass Sie am Ende nicht mehr zustim-
en konnten. Wir anderen haben der Entschließung auf

hre Anregung hin zugestimmt.

Nur die FDP – das möchte ich hier deutlich betonen –


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Steht abseits!)


at auf der Zielgeraden, nach vielen Berichterstatterge-
prächen, endlich klargemacht – ich glaube, das war von
nfang an so –, dass sie nicht mitmachen will.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Genau!)


ls die FDP zum Beispiel mit ihrer Forderung nach ei-
er Wertgrenze von 3 000 bis 5 000 Euro kam, war ganz
ffensichtlich, dass die FDP bei ihrer Klientelpolitik
leibt und sich damit eindeutig gegen den internationa-
en Kulturgüterschutz stellt.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist schade, auch wenn es eine Mehrheit für dieses
esetz ohne Sie gibt. Herr Waitz, Sie müssen sich aber

chon fragen lassen, was Ihnen wichtiger ist: Ihre nicht
erade große Wählerschaft oder der Schutz nationalen
ulturgutes und die Mitgliedschaft Deutschlands in ei-
er internationalen Gemeinschaft?






(A) )



(B) )


Monika Grütters
Unser Ziel bei der Ausfertigung dieses Gesetzes
konnte es nach 36 Jahren nicht sein, unterschiedliche
Gegensätze weiterhin zu kultivieren. Sie sind ja allge-
mein bekannt. Wir wollten einen gangbaren Weg be-
schreiten, der die Kulturnation Deutschland wieder in
den Staatenverbund aufnimmt, der sich internationalen
Standards des Kulturgüterschutzes verpflichtet fühlt.
Das scheint Ihr Ziel nicht zu sein. Da Ihre Forderungen
zuletzt regelrecht radikal aussahen, drängt sich mir der
Verdacht auf, dass Sie das von Anfang an nicht wollten.
Das Kulturgüterschutzanliegen ist meines Erachtens
dennoch so bedeutsam, dass es den Versuch eines partei-
übergreifenden Ansatzes rechtfertigt.

Künftig wird es einen öffentlich-rechtlichen Rückga-
beanspruch zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und den UNESCO-Vertragsstaaten für national wertvol-
les Kulturgut geben. Zweitens gibt es Einfuhrregelun-
gen, die die Verbringung solcher Gegenstände nach
Deutschland verhindern sollen, die kulturelles Erbe ei-
nes anderen Vertragsstaates sind und deren Ausfuhr dort
verboten ist. Herr Waitz, drittens sind die im Gesetz ent-
haltenen Aufzeichnungspflichten für gewerbliche
Kunsthändler und Versteigerer so gestaltet, dass sie mit
bereits vorhandenen Aufzeichnungspflichten im Steuer-
und Handelsrecht korrespondieren.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Genauso ist es!)


Ich meine, dass dieses Gesetz dem guten Ruf der
Kunsthandelsbranche, der Sie sich angeblich so ver-
pflichtet fühlen, nur dienen kann. Das sollten Sie Ihren
Freunden mitteilen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die Seriösen können damit leben!)


Deshalb sind übermäßige Belastungen, wie Herr
Börnsen es gleich zu Anfang gesagt hat, auch nicht zu
befürchten.

Mit der Ratifizierung des Kulturgüterschutzabkom-
mens haben wir ein wichtiges kulturpolitisches Vorha-
ben unseres Koalitionsvertrages umgesetzt. Beide Ge-
setzentwürfe zu den UNESCO-Konventionen, der zur
kulturellen Vielfalt und der zum Kulturgüterschutz, be-
deuten einen deutlichen Fortschritt für den Kulturgüter-
schutz in unserem Land. Ich finde, darauf können wir
stolz sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607914200

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem

Kollegen Otto.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Machen Sie es nicht noch schlimmer, Herr Otto! – Jürgen V o G H – n w G b t n i ü m K w n l w 1 v n ü w v k e d l m e m e e W f 2 1 3 V d d n f t (C (D Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beim Kunsthandel fühlen Sie sich angesprochen?)



Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1607914300

Verehrte Frau Kollegin Grütters, Sie und viele Ihrer

orredner erwecken hier den Eindruck, als ob wir uns
hne dieses von Ihnen heute zur Abstimmung gestellte
esetz in einem rechtlosen Zustand, geradezu in einem
ehlerland befänden. Das ist gigantischer Unsinn.


(Beifall bei der FDP – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Hat sie nicht gesagt!)


Dieser Eindruck zieht sich hier durch. Wir seien in ei-
em rechtlosen Zustand, das ganze Land sei mit Hehler-
are überschwemmt, wir seien nicht im internationalen
eleitzug.

Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit sagen: Wir ha-
en fast 37 Jahre lang darüber diskutiert, und alle Frak-
ionen dieses Hauses waren aus guten Gründen ein we-
ig zurückhaltend. Denn damit wird der Kunsthandel
nsgesamt behindert.

Ich will vor allen Dingen auf eines hinweisen: Es gab
ber all die Jahre das europäische Kulturgutübereinkom-
en, das äußerst wirksam ist. Wir hatten ein deutsches
ulturgutschutzgesetz, das durchaus wirksam war. Wir
aren in keinem rechtlosen Zustand.

Meine nächste Bemerkung: Wir sind weit über das hi-
ausgegangen, was in anderen Ländern der internationa-
en Gemeinschaft gilt. Kollege Waitz hat darauf hinge-
iesen. Kein Land dieser Erde, kein einziges von den
40 Ländern, die das Übereinkommen ratifiziert haben,
erlangt eine Registrierpflicht über den Veräußerer hi-
aus. Das ist eine riesige bürokratische Maschine, die
berhaupt nichts zur Erkenntnis beiträgt. Ich weiß nicht,
as man damit erreichen will.

Die Beweislastumkehr wird dazu führen, dass Pri-
atleute in einigen Jahren Probleme bekommen. Wer
ann denn all die Belege aufbewahren? Wenn Sie etwas
rben, müssen Sie in 20 oder 30 Jahren beweisen, dass
ieses Kunstwerk schon zu dem Zeitpunkt in Deutsch-
and war und nicht erst später nach Deutschland gekom-
en ist. Das kann im privaten Bereich niemand. Das ist

ine Übererfüllung und wird im UNESCO-Übereinkom-
en nicht gefordert.

Eine letzte Bemerkung zu den Wertgrenzen. Ver-
hrte Frau Kollegin Grütters, machen Sie sich doch bitte
inmal die Mühe und schauen sich einmal an, welche
ertgrenzen unsere europäischen Partnerländer einge-

ührt haben. Die Wertgrenze in Großbritannien liegt bei
0 000 Euro. In vielen Ländern liegt die Wertgrenze bei
0 000 Euro. Wenn wir die Wertgrenze von 1 000 auf
000 Euro anheben wollen, erheben Sie den pauschalen
orwurf der Klientelpolitik. Wir wollen den Kunsthan-
el nicht strangulieren. Wir wollen nicht, dass Kunsthan-
el in andere Länder ausweicht. Deswegen finde ich es
icht korrekt, dass Sie uns hier unlautere Motive vorwer-
en.

Ich akzeptiere, dass Sie mit diesem Gesetz etwas Gu-
es erreichen wollen, –






(A) )



(B) )


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607914400

Herr Kollege, Sie müssen bitte an Ihre Redezeit den-

ken.


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1607914500

– letzte Bemerkung –, ich akzeptiere aber nicht, dass

der FDP unlautere Motive vorgeworfen werden. Ich
möchte den Kunsthandel in Deutschland vor dem pau-
schalen Vorwurf, der hierbei mitschwingt, in Schutz neh-
men.


(Beifall bei der FDP – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607914600

Frau Grütters zur Erwiderung, bitte.


Monika Grütters (CDU):
Rede ID: ID1607914700

Herr Kollege Otto, ich finde es wichtig, dass wir Po-

lemik in der Diskussion über ein solch heikles Gesetz
vermeiden. Sie hat in den Medien stattgefunden und uns
alle eher belastet. Ich finde es daher unnötig, dass Sie sie
noch einmal so deutlich haben aufleben lassen. Von un-
serer Seite gab es dies in den Reden jetzt jedenfalls
nicht.

Zu Ihren konkreten Anmerkungen. Der Kunsthandel
wird in den anderen 109 Staaten nicht behindert. Er wird
hier selbstverständlich genauso wenig behindert werden.
Ehrlich gesagt, jeder Kunsthändler zeichnet natürlich
heute schon auf, was er an wen wo verkauft.


(Monika Griefahn [SPD]: Ja, für seine eigene Sicherheit!)


Das ist eine Selbstverständlichkeit für jedes seriöse Mit-
glied dieses Berufsstandes und für die Branche.

Herr Otto, es muss Anliegen der Kulturnation
Deutschland sein, dieses Abkommen zu ratifizieren. Es
geht nicht darum, dass es fast 37 Jahre lang anders mög-
lich war. Es geht um unser Selbstverständnis und darum,
ob wir dieser Staatengemeinschaft angehören wollen.
Die komplizierte deutsche Rechtslage ist der Grund da-
für, dass wir den Gesetzentwurf nur mühsam hinbekom-
men haben und es so lange gedauert hat. Aber sich wei-
ter auf die allbekannten, nicht versöhnlichen Gegensätze
zu berufen, ist kein Fortschritt.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ihre Rede hat anders geklungen!)


Die Belege für bedeutende Erbstücke bewahre ich
auf. Die wird man mir natürlich auch vererben. Alles an-
dere lässt sich im Wege der Provenienzforschung im
Zweifelsfalle – nur um den geht es – nachvollziehen.

Zu dem Letzten, den Wertgrenzen, kann ich Ihnen nur
sagen: Wir hätten das Gesetz am liebsten ganz ohne ver-
abschiedet. Das wäre auch gegangen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Letzte Rednerin in dieser Debatte ist nun die Kollegin onika Griefahn für die SPD. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir ent cheiden heute über die Ergebnisse zweier Prozesse, die nterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite eht es um das UNESCO-Übereinkommen von 1970. or allem mit uns selbst – die Interessen innerhalb der undesrepublik Deutschland waren, das muss man deut ich sagen, sehr verschieden – haben wir mehr als 6 Jahre ringen müssen, um zu einer Umsetzung dieser onvention zu kommen. Heute nun steht diese an; da über bin ich sehr froh. Auf der anderen Seite steht die UNESCO-Konvention um Schutz der kulturellen Vielfalt. Da war die Situation anz anders: Die Bundesrepublik Deutschland hat entcheidend zur Entstehung dieser Konvention beigetraen, die bereits 2005 in der Generalversammlung der NESCO verabschiedet worden ist. Ich bin sehr froh arüber, dass wir zu ihrer Entstehung einen positiven eitrag leisten konnten. Wir haben beide Verfahren zu einem Ergebnis geracht, das sich sehen lassen kann. Das Schöne dabei ist, ass die Ratifizierung dieser beiden Abkommen durch ie Bundesrepublik auch noch in die deutsche EU-Ratsräsidentschaft fällt. Wir zeigen damit nicht nur, welhen großen Stellenwert die Kultur im Zusammenhang it Europa besitzt, sondern wir unterstreichen auch, elche eigene kulturpolitische Verantwortung wir inneralb der Europäischen Union zu übernehmen bereit sind. uch das ist ein Signal. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607914800
Monika Griefahn (SPD):
Rede ID: ID1607914900

Zu den inhaltlichen Punkten des UNESCO-Kulturgü-
erschutzabkommens haben Steffen Reiche und Frau
rütters genug gesagt. Deswegen will ich jetzt mehr auf
ie Konvention zur kulturellen Vielfalt eingehen. Die
nterzeichnerstaaten sollen mit dieser Konvention in die
age versetzt werden, sich – jeder einzeln, aber auch ge-
einsam – wirkungsvoll für eine möglichst bunte Viel-

alt kultureller Ausdrucksformen zu engagieren und
iese zu bewahren. Das bezieht sich auf vieles: auf Lite-
atur, Musik, Schauspiel, Malerei, Architektur, Kunst-
andwerk, Film, Video, Rundfunk, Neue Medien, aber
uch auf Sprache und kulturelle Überlieferung – auch
as ein ganz wichtiger Punkt, der meist ein wenig zu
urz kommt. Zusammen mit vielen anderen Aspekten
ehört das zu unserem kulturellen Erbe, aber auch zu
em kulturellen Erbe von vielen, die in Nationalstaaten
it unterschiedlichen kulturellen Hintergründen leben.
s geht dabei nicht darum, die verschiedenen Kulturele-
ente zu einem großen Ganzen zu verschmelzen, son-

ern wir wollen die Vielfalt schützen. Das ist eine Frage
on Melting Pot versus Salad Bowl, um das Neudeutsch
u sagen,


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Oh! Beeindruckend!)







(A) )



(B) )


Monika Griefahn
also Schmelztiegel gegenüber Salatschüssel, bei der die
einzelnen Blätter zu sehen sind; eben kein Labskaus, wie
wir in Hamburg sagen würden.

Mit der vorliegenden UNESCO-Konvention sollen
den Mitgliedstaaten die zum Schutz der Vielfalt notwen-
digen Instrumente an die Hand gegeben werden. Das
macht ihre große Bedeutung aus. Die Mitgliedstaaten
werden sich über den hohen Rang der Kultur klar wer-
den, diese vertreten und gegenüber anderen Interessen
abwägen müssen. Zum Beispiel werden Kulturgüter
bei internationalen Wirtschaftsabkommen häufig wie
Wirtschaftsgüter behandelt, was ihrem kulturellen Cha-
rakter gefährlich entgegensteht. Wir glauben, dass Kul-
tur eine Sonderrolle haben muss. Ansonsten unterliegt
sie sehr schnell Liberalisierungsbestrebungen, und nur
das wirtschaftlich Stärkste, der Mainstream, setzt sich
durch. Wir sehen das in den USA häufig: Wenn Sie in
dem sehr reichen Silicon Valley wohnen, müssen Sie
200 Kilometer fahren, nach San Francisco, wenn Sie in
die Oper wollen. Sonst gibt es weit und breit keine. Da-
gegen gibt es bei uns auch im ländlichen Raum durchaus
kulturelle Leuchttürme. Ich glaube, das ist etwas ganz
Wichtiges, was wir erhalten sollten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Wir Sozialdemokraten haben immer für die Einsicht
gekämpft, dass Kultur Lebensmittel ist, und zwar ein
möglichst vielfältiges Lebensmittel. Beim Essen will
man doch auch nicht jeden Tag Kartoffeln mit Rührei
auf der Speisekarte stehen haben. In der Konvention ist
deshalb das Ziel formuliert, dass die Staaten weiterhin
eine eigenständige Kulturpolitik verfolgen können.
Das muss gerade in Zeiten globalisierter Kultur gewähr-
leistet sein, damit wir keinen kulturellen Einheitsbrei be-
kommen. Sonst gäbe es irgendwann nur noch Britney
Spears. Eine tolle Gruppe wie Natural Seven aus den
USA, die ich kürzlich gesehen habe, hätte dann viel-
leicht nicht mehr die Möglichkeit, hier aufzutreten.

Auch die Existenz des öffentlich-rechtlichen Rund-
funks wird von Liberalisierungsbefürwortern immer
wieder infrage gestellt. Das haben wir im Zusammen-
hang mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie erlebt, als ver-
langt wurde, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk
dem Markt überlassen werden müsse. Wir glauben, dass
dieser Rundfunk ein wichtiger Teil der demokratischen
Ordnung ist und dass er auch einen kulturellen Auftrag
hat und deshalb nicht als reines Wirtschaftsgut behandelt
werden darf.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/ CSU])


Die Konvention hat zwar in einem solchen Fall keine
bindende Wirkung, aber gerade bei der Dienstleistungs-
richtlinie hat sich gezeigt, wie wichtig sie ist. Denn in-
zwischen enthält diese Richtlinie einen Verweis auf die
Konvention. Das heißt, dass auch die Anliegen der Kon-
vention in der Dienstleistungsrichtlinie berücksichtigt
werden müssen. Dazu gehört auch die Sicherung des öf-
fentlich-rechtlichen Rundfunks.

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(C (D Darin sehe ich auch Chancen für andere internatioale Abkommen, zum Beispiel innerhalb der WTO das ATS-Abkommen, das den grenzüberschreitenden Hanel mit immateriellen Wirtschaftsgütern regelt. Dazu geören auch Bildung oder Medien, die in dem Abkomen als Wirtschaftsgut betrachtet werden und der freien arktwirtschaft unterliegen sollen. Wenn wir es schaf en, dass die Konvention zur kulturellen Vielfalt in dieem Bereich Wirkung entfaltet, dann wird eine Abwäung zugunsten des Schutzes und der Förderung von edien und Bildung auf nationaler Ebene möglich, statt ie als reines Wirtschaftsgut zu betrachten. Richtig ist – wie Frau Eid festgestellt hat –, dass der usdruck der kulturellen Vielfalt nicht als Entschuldiung dafür genutzt werden darf, Maßnahmen gegen rundrechte wie die Pressefreiheit oder die Gleichbe echtigung von Frauen als Teil der kulturellen Identität arzustellen. Es gibt Länder, die es als Teil ihrer kultuellen Identität bezeichnen, Frauen zu unterdrücken oder uf Pressefreiheit zu verzichten. ir haben klargemacht, dass das ein wichtiger Punkt ist. s ist kein Element von Kultur, wenn Grundrechte be roffen sind. Neben Frankreich, Kanada und Brasilien war Deutschand die treibende Kraft bei der Erarbeitung der Konvenion. In der bundesweiten Koalition für kulturelle Vielfalt aben wir bereits im Vorfeld der Entwicklung der Konention mit allen Beteiligten – vom Deutschen Kulturrat ber die Bibliotheken und Universitäten bis hin zu den ommunen und Ländern wurden alle Gruppen, die daran nteressiert waren, einbezogen – zusammengearbeitet. amit haben wir das, was Uschi Eid eingefordert hat, chon erfüllt: die Beteiligung der gesellschaftlichen ruppen. Das, was im Antrag der Grünen gefordert ird, haben wir bereits im Vorfeld gemacht. Andere Läner beginnen erst jetzt damit. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich der Deutchen UNESCO-Kommission danken, die mithilfe des KM und des Auswärtigen Amtes den Prozess angestoen und begleitet hat. Wir haben eine breite Debatte fühen und dadurch den Prozess sehr schnell in Gang setzen önnen. Insofern können wir den Prozess nach der Ratiizierung sehr schnell fortsetzen, weil schon alle gesellchaftlichen Gruppen beteiligt sind. Ich glaube, das ist in sehr wichtiger Punkt. Für die anstehende Umsetzung der Konvention haben ir angefangen, Bündnispartner zu suchen. Frau ochimsen hat die gemeinsame Arbeitsgruppe des Deutchen Bundestages und der Assemblée Nationale bereits rwähnt. Dabei haben wir konkret darauf geachtet, welhe Elemente in Europa einen konkreten Anschub brauhen, wo wir Initiativen ergreifen müssen – sei es im Ureberrecht, beim Film oder der Förderung von Musik –, m die Vielfalt zu gewährleisten, welche Rahmenbedinungen für die Vielfalt wir mit Blick auf Europa berückichtigen müssen und welche Vorschläge wir machen üssen. Monika Griefahn Wegen der bevorstehenden Wahlen in Frankreich haben wir ein Zwischenergebnis erstellt. Dieser Bericht wird den beiden Präsidien des Bundestages und der Assemblée Nationale am 14. Februar vorgestellt. Die Arbeit war sehr gut und intensiv. Wir haben beschlossen, sie weiterzuführen und andere europäische Länder in den Prozess einzubeziehen. Wir haben bereits Kontakt zu den Italienern aufgenommen und werden noch weitere Länder ansprechen. Denn ich glaube, es ist wichtig, dass wir dabei alle an einem Strang ziehen. Ich finde, das ist eine tolle europäische Perspektive, die uns weltweit weiterbringen kann, weil wir dann mit einer Stimme sprechen, aber dabei die Vielfalt in Europa erhalten. Das sollte uns wichtig sein. Herzlichen Dank. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen. Zunächst Tagesordnungspunkt 6 a: Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen vom 20. Oktober 2005 über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen, Drucksache 16/3711. Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/4144, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/4213. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der FDP-Fraktion und Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt. Tagesordnungspunkt 6 b: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien auf Drucksache 16/4144 zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel „UNESCO-Übereinkommen zur kulturellen Vielfalt schnell ratifizieren“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 16/457 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Dann ist diese Beschlussempfehlung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDPFraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 6 c: Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und z Ü A B c d s g K D d s b K A s c s e d D S F m a u G W i z a E s D K t t s c E S g t (C (D ur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und bereignung von Kulturgut, Drucksache 16/1372. Der usschuss für Kultur und Medien empfiehlt unter uchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksahe 16/4145, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte iejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, ich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltunen? – Der Gesetzentwurf ist damit mit den Stimmen der oalitionsfraktionen, der Fraktion des Bündnisses 90/ ie Grünen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung er FDP-Fraktion angenommen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ja!)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607915000

(Steffen Reiche [Cottbus] [SPD]: Peinlich!)


Wir bleiben noch beim Tagesordnungspunkt 6 c. Ab-
timmung über den von der Bundesregierung einge-
rachten Gesetzentwurf zu dem Ausführungsgesetz zum
ulturgutübereinkommen, Drucksache 16/1371. Der
usschuss für Kultur und Medien empfiehlt unter Buch-

tabe b Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
he 16/4145, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
ung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-
ntwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
as Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
er Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
timmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen und Gegenstim-
en der Fraktion der FDP und der Fraktion Die Linke

ngenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er ist dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf

st damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der
weiten Lesung angenommen.

Unter Buchstabe b Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung
uf Drucksache 16/4145 empfiehlt der Ausschuss, eine
ntschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Be-
chlussempfehlung? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? –
ie Beschlussempfehlung ist damit mit den Stimmen der
oalitionsfraktionen gegen die Stimmen der FDP-Frak-

ion und die Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Frak-
ion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Ent-
chließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
he 16/4212. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? –
nthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den
timmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion
egen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Frak-
ion des Bündnisses 90/Die Grünen abgelehnt.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform
des Versicherungsvertragsrechts

– Drucksache 16/3945 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-
sen.


(Unruhe)


– Darf ich bitten, dass diejenigen, die der weiteren De-
batte nicht folgen wollen, den Saal verlassen und die Ge-
spräche außerhalb fortführen. Das gilt insbesondere für
die engagierten Kulturpolitiker. – Ich danke Ihnen.

Ich eröffne die Aussprache zur Reform des Versiche-
rungsvertragsrechts und erteile das Wort der Bundesmi-
nisterin für Justiz, Brigitte Zypries.


Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1607915100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass es in
Deutschland 430 Millionen Versicherungsverträge gibt.
Für alle Menschen, die einen Versicherungsvertrag abge-
schlossen haben oder dies in Zukunft tun werden, soll
der 1. Januar 2008 zu einem guten Tag werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist nämlich der Tag, an dem das reformierte Versi-
cherungsvertragsgesetz, über dessen Entwurf wir heute
beraten, in Kraft treten soll. Dieses Gesetz wird für mehr
Verbraucherschutz sorgen und Versicherte insbesondere
bei Lebensversicherungen deutlich besserstellen.

Das geltende Recht stammt aus dem Jahre 1908 und
trägt den Belangen der Versicherten heute zu wenig
Rechnung. Wir meinen, dass der gerechte Interessenaus-
gleich zwischen Versicherungsunternehmen und Versi-
cherten nachjustiert werden muss. Besonders wichtig
sind Verbesserungen für die Kunden von Lebensversi-
cherungen. Sie alle wissen, dass diese im Zuge der drit-
ten Säule der Rentenversicherung eine ganz neue Bedeu-
tung bekommen haben. Wir werden künftig den
Anspruch des Versicherungsnehmers auf Überschussbe-
teiligung an die Versicherung als Regelfall im Gesetz
festschreiben. Wir legen zudem fest, dass die Versicher-
ten an den stillen Reserven einer Versicherung beteiligt
werden müssen. Das soll auch für die Restlaufzeit der
Verträge gelten, die bei Inkrafttreten des Gesetzes schon
bestehen.

Eine weitere Verbesserung betrifft die Rückkaufs-
werte von Lebensversicherungen. Wir haben bisher im
Falle einer vorzeitigen Kündigung immer auf den unkla-
ren Begriff des Zeitwertes einer Lebensversicherung ab-
gestellt. Das hat zu Rechtsunsicherheiten und Entschei-
dungen der höchsten deutschen Gerichte geführt.
Künftig wird deshalb der Rückkaufswert anhand des De-
ckungskapitals der Versicherung berechnet. Das ist eine
klare Regelung. Sie wird dazu führen, dass die Versi-
cherten bei vorzeitiger Kündigung ihres Vertrages mehr
Geld bekommen.

Mehr Geld bekommen werden sie auch in den Fällen
des sogenannten Frühstornos. Wenn man heutzutage ei-

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(C (D en Vertrag abschließt und ihn bereits nach einem Jahr ieder verkaufen muss, dann werden die Abschlussgeühr der Versicherung und die Provision für den Versiherungsmakler in voller Höhe in den ersten Jahren auf ie Prämien umgelegt, sodass man nichts zurückbeommt. Ich möchte folgendes Beispiel n ennen: Ein 0-Jähriger, der eine Kapitallebensversicherung mit 5 Jahren Laufzeit abschließt, 1 000 Euro Jahresbeitrag ahlt und im zweiten Jahr kündigt, geht bislang in aller egel leer aus, das heißt, die 1 000 Euro sind weg. Das ollen wir ändern. Künftig müssen die Abschlusskosten es Vertrages einschließlich der Provision auf fünf Jahre erteilt werden. Das bedeutet konkret: Wer 1 000 Euro ezahlt hat und im zweiten Jahr kündigt, bekommt künfig 560 Euro zurück. Das ist eine deutliche Verbesseung. Neben diesen Verbesserungen wollen wir den Verraucherschutz im Versicherungsrecht insgesamt stären. Dazu drei Beispiele, die zeigen, was das konkret beeutet: Erstens. Es soll mehr Informationen für die Verbrauher geben. Wir wollen eine bessere Beratung, und wir chaffen das Policenmodell ab. Bisher kommt ein Verrag zustande, wenn die Versicherung den Versicheungsschein, also die Police, übersendet. Häufig beommt der Versicherungsnehmer erst dann alle ertragsbedingungen. Das wollen wir ändern. Künftig uss schon vorher über die Details informiert werden. rst dann wird unterschrieben. Mit anderen Worten: Wir leichen das Verfahren beim Versicherungsabschluss em Verfahren an, das auch sonst in Deutschland beim echtsverkehr gilt. Zweitens. Wir wollen mehr Transparenz bei den Kosen. Bei einer Lebensversicherung und bei den Krankenersicherungen müssen in Zukunft vor dem Vertragsabchluss die Abschlusskosten und die Vertriebskosten, lso die Verwaltungskosten, die anfallen, offengelegt erden. Dadurch wiederum bekommen die Verbraucher ehr Klarheit über das, was sie am Ende herausbekomen bzw. was alles im Laufe einer 35-jährigen Versiche ungszeit für die Verwaltung der Versicherungsunternehen verschwindet. Drittens. Wir wollen mehr Fairness bei Verstößen des ersicherten gegen Vertragspflichten. Galt bisher das lles-oder-nichts-Prinzip, entweder Vollversicherung der gar nichts, so soll es künftig eine Abwägung geben, ie schwer das Verschulden des Versicherungsnehmers n dem Einzelfall wirklich ist. Ein Beispiel: Wenn man us dem Haus geht, ein Fenster gekippt lässt und dann ingebrochen wird, dann hat man nach bisheriger echtslage grob fahrlässig gehandelt und bekommt keien Pfennig. Wenn man so etwas künftig macht, dann oll geprüft werden, welchen Anteil das Verschulden usmacht, und nur um diesen Anteil kann die Versicheung die Leistungen dann kürzen. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf, der Ihnen jetzt ur Beratung vorliegt, die Vorgaben des Bundesverfasungsgerichts in seinen Entscheidungen zum Versicheungsvertragsrecht berücksichtigt. Wir haben schon vorer, im Jahr 2000, eine Expertenkommission eingesetzt Bundesministerin Brigitte Zypries und einen Entwurf zum Versicherungsvertragsrecht erarbeiten lassen. Da waren Wissenschaftler, Rechtsanwälte, Vertreter der Versicherungswirtschaft und die Verbraucherverbände beteiligt. Angesichts dieser breiten und auch langandauernden Vorbereitungen seit dem Jahr 2000 – jetzt haben wir das Jahr 2007 – kann man sagen, dass die Vorarbeiten ausgezeichnet waren und dass der Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, ein solider Gesetzentwurf ist, der bereits im Vorfeld auf breite Zustimmung gestoßen ist, wenn auch nicht bei allen Versicherungsunternehmen. Der Bundesrat hat nur ganz wenige Änderungsvorschläge gemacht, was für die Akzeptanz spricht. Wir verbinden mit diesem Gesetzentwurf die Modernisierung des Rechts mit mehr Schutz für die Verbraucher und mit mehr Gerechtigkeit beim Interessenausgleich. Ich hoffe, dass der Gesetzentwurf auch hier im Hause eine breite Zustimmung findet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607915200

Das Wort hat nun die Kollegin Mechthild Dyckmans

für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1607915300

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Die Frau Ministerin hat es gesagt: Sechseinhalb
Jahre wurde an der Reform des Versicherungsvertrags-
rechts bereits gearbeitet, und heute beraten wir den Ge-
setzentwurf hier in erster Lesung. Eines ist meiner Mei-
nung nach unstreitig: Umfassende Änderungen des
Gesetzes, das aus dem Jahr 1908 stammt, sind ange-
bracht. Das Gesetz muss den heutigen Rahmenbedin-
gungen und Gerechtigkeitsvorstellungen angepasst wer-
den. Deshalb steht die FDP vom Grundsatz her den
Zielen der Reform positiv gegenüber.


(Beifall bei der FDP)


Bei der Reform hat der Gesetzgeber verschiedene
Vorgaben zu beachten. Zum einen gibt es mehrere EU-
Richtlinien, die uns entsprechende Vorgaben machen.
Deutschland ist bereits einem Vertragsverletzungsver-
fahren ausgesetzt. Sowohl die geltenden deutschen
Rechtsvorschriften über vorvertragliche Pflichten der
Versicherungsunternehmen als auch die Regelungen
über das Recht auf Rücktritt von einem Lebensversiche-
rungsvertrag entsprechen nach Ansicht der EU-Kommis-
sion nicht dem Europarecht. Hier ist dringend dafür
Sorge zu tragen, dass die deutschen Regelungen richtli-
nienkonform gefasst werden.

Neben den EU-Vorgaben sind auch Entscheidungen
des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesge-
richtshofs aus den letzten Jahren zu beachten; die Frau
Ministerin hat schon darauf hingewiesen. Das betrifft
zum einen die Frage der Überschussbeteiligung bei kapi-
talgebundenen Lebensversicherungen. Es fehlen nach
den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
vom 26. Juli 2005 hinreichende rechtliche Vorkehrungen

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(C (D afür, dass bei den Berechnungen des bei Vertragsende u zahlenden Schlussüberschusses die Vermögenswerte, ie aus den Prämien der Versicherer erwirtschaftet wuren, angemessen berücksichtigt werden. Das Bundesverassungsgericht hat dem Gesetzgeber Zeit bis Ende 2007 egeben. Der Weg zu einer verfassungsfesten und dennoch irtschaftlich tragfähigen Regelung der Überschussbe eiligung ist schwierig. Nach dem Gesetzentwurf soll ünftig die Hälfte der Bewertungsreserven nach Beendiung des Vertrages ausgezahlt werden. Die neue Regeung ist ein Schritt in die richtige Richtung. In den Beraungen werden wir aber meines Erachtens noch zu iskutieren haben, ob wir auch festverzinsliche Wertpaiere mit unter die jetzige Regelung fallen lassen. (Sabine Leutheusser-Schnarrenberger [FDP]: So ist es!)


Lassen Sie mich zum anderen auch die Neuregelung
es Rückkaufswertes ansprechen. Hier muss das Urteil
es Bundesgerichtshofs aus dem Oktober 2005 beachtet
erden. Der Bundesgerichtshof hat mangelnde Transpa-

enz bei der Berechnung der Rückkaufswerte, der Ab-
chlusskosten und des Stornoabzugs moniert. Darin
iege für die Versicherungsnehmer eine unangemessene
enachteiligung.

In diesem Zusammenhang sind zwei Punkte beson-
ers zu berücksichtigen und bedürfen einer Diskussion.
usländische Versicherer sehen in den Regelungen der
arantierten Rückkaufswerte Verstöße gegen das gel-
ende EU-Recht. Insbesondere Lebensversicherer aus
em angelsächsischen Raum bieten am Markt nämlich
ebensversicherungen in einer Konzeption an, die es ih-
en nicht ermöglicht, garantierte Rückkaufswerte auszu-
eisen. Damit könnte diese Regelung zu einer Ein-

chränkung des Wettbewerbs und der Produktvielfalt
ühren und somit mit dem EU-Recht nicht vereinbar
ein.

Der Bundesregierung ist dieses Problem offensicht-
ich bisher entgangen; denn sie hat vor zehn Tagen auf
ine entsprechende schriftliche Frage von mir geantwor-
et, dies müsse man erst einmal prüfen.


(Joachim Stünker [SPD]: Vernünftig! Prüfen ist immer gut!)


uch hier bietet sich also ausreichender Diskussions-
toff für eine Anhörung im Rechtsausschuss, die meine
raktion beantragen wird.


(Beifall bei der FDP)


Es gibt aber noch einen anderen Kritikpunkt bei der
egelung der Mindestrückkaufswerte, nämlich die An-
endung dieser Regelung auf Altverträge. Der Bundes-

at lehnt in seiner Stellungnahme eine Rückwirkung auf
ltverträge ausdrücklich ab. In ihrer Gegenäußerung
erweist die Bundesregierung auf eine Entscheidung des
undesverfassungsgerichts, wonach die Übergangsrege-

ung die Interessen der Versicherungsnehmer bei einem
rühstorno von Altverträgen hinreichend berücksichti-
en müsse. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäu-
erung zugesagt, die jetzt vorgeschlagene Regelung er-






(A) )



(B) )


Mechthild Dyckmans
neut hinsichtlich verfassungsrechtlicher Fragen zu
prüfen. Ich bin mir sicher, dass wir dieses Problem auch
in den parlamentarischen Beratungen vertieft diskutieren
werden.

Eine weitere grundlegende Änderung im Versiche-
rungsvertragsgesetz wird in den Beratungen natürlich
auch ausführlich zu diskutieren sein, nämlich die vorge-
schlagene Abschaffung des Policenmodells. Nach An-
sicht der EU-Kommission entspricht das Policenmodell
nicht den EU-Vorgaben. Hier ist – ich erwähnte es schon –
ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig. Bei den
Beratungen zu diesem Thema werden wir die Auswir-
kungen einer Abschaffung des Policenmodells auf die
Versicherungswirtschaft und die damit verbundenen
praktischen Schwierigkeiten in die Prüfung einzubezie-
hen haben. Auch müssen wir Übergangs- und Umset-
zungsfristen in den Blick nehmen, gerade im Hinblick
darauf, dass es hier, wie die Frau Ministerin sagte, um
etwa 430 Millionen Verträge geht.

Lassen Sie mich als letzten Punkt noch kurz die ge-
plante teilweise Abschaffung des Alles-oder-nichts-
Prinzips erwähnen; die Frau Ministerin hat auch das
schon angesprochen. Die grob fahrlässige Verletzung
von Anzeige- und Obliegenheitspflichten des Versiche-
rungsnehmers soll künftig entsprechend der Schwere
seines Verschuldens nur zu einer Kürzung, nicht zu ei-
nem vollständigen Verlust des Anspruchs führen. Dies
entspricht meines Erachtens dem heutigen Gerechtig-
keitsempfinden. Praktische Schwierigkeiten bei der Be-
wertung des Grades des Verschuldens sollten sich im
Rahmen halten.

Es wird also ein wichtiges Ziel der parlamentarischen
Beratungen sein, das Gesetz so zu fassen, dass es einen
sinnvollen Beitrag zum Verbraucherschutz darstellt. Die
geplanten Regelungen müssen nicht nur daraufhin über-
prüft werden, ob sie für den einzelnen Versicherungs-
nehmer Vorteile bringen. Belastungen und Mehrkosten
für die Versichertengemeinschaft und auch für die Versi-
cherungsunternehmen müssen genauso überprüft und
beurteilt werden. Insoweit freue ich mich auf die Bera-
tungen im Rechtsausschuss.


(Beifall bei der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607915400

Nächster Redner ist nun der Kollege Marco

Wanderwitz für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Marco Wanderwitz (CDU):
Rede ID: ID1607915500

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns
heute in erster Lesung mit dem Gesetz zur Reform des
Versicherungsvertragsgesetzes, des VVG. Ich meine,
diese Reform ist ein zentrales Thema der Rechts- und
Verbraucherpolitik der Bundesregierung in dieser Legis-
laturperiode. Das Versicherungsvertragsgesetz ist – das
wurde von meinen beiden Vorrednerinnen schon er-
wähnt – fast 100 Jahre alt. An sich ist es ein schöner
Umstand, dass es so lange Bestand gehabt hat. Das zeigt,

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(C (D ass unsere Zivilrechtsordnung von hoher Qualität und tetigkeit ist. Rechtssicherheit ist – darauf sollte man bei jeder sich ietenden Gelegenheit hinweisen – ein hohes Gut und ür Deutschland auch ein Standortfaktor. Dennoch bearf das VVG nunmehr dringend einer grundlegenden berarbeitung. Nicht zuletzt die bereits angesprochenen rteile des Bundesverfassungsgerichts und des Bundeserichtshofs aus dem Jahre 2005 zeigen dies. Im Koalitionsvertrag haben wir uns, geprägt vom eitbild eines eigenverantwortlichen und selbstbestimm en Verbrauchers, den wir stärken wollen, zu einer Neuustierung des Interessenausgleichs zwischen Versicheern und Versicherten bekannt. Transparenz ist dabei ine notwendige Voraussetzung. Der Gesetzentwurf Ihres Hauses, sehr geehrte Frau inisterin, hat viele Anregungen der Beteiligten bereits ufgenommen und ist eine gute Grundlage für unser paramentarisches Verfahren, an dessen Beginn wir stehen. ch denke, es war richtig, komplett neu anzusetzen und eine Änderungen des bestehenden Gesetzes vorzunehen. Auch die schon erwähnte vorangegangene Arbeit er Expertenkommission möchte ich noch einmal ausrücklich loben. Hervorzuheben ist auch die große praktische Bedeuung dieser Reform. Allein im Bereich der Lebensversiherungen, also in einem Teilbereich der Versicherungsirtschaft, gibt es zurzeit rund 95 Millionen estandsverträge. Täglich werden in Deutschland Tau ende neuer Lebensversicherungsverträge angebahnt der abgeschlossen. Der Versicherungsplatz und Versiherungsmarkt Deutschland ist von großer Bedeutung, uch für unsere Volkswirtschaft. Ich möchte mich heute zu Beginn des parlamentarichen Verfahrens, das wir nach Möglichkeit vor der paramentarischen Sommerpause abschließen sollten, auf inige grundsätzliche Ausführungen zum Inhalt sowie uf das Aufzeigen der wesentlichen Felder, in Bezug auf ie ich noch Gesprächsbedarf sehe, beschränken. Zuerst öchte ich Lob und Zustimmung zu ausgewählten unkten – Frau Ministerin, Sie haben sie teilweise schon äher erläutert – äußern. Das neue allgemeine Widerrufsrecht für alle Versiherungsverträge, unabhängig vom Vertriebsweg und hne die Notwendigkeit einer Begründung, schafft mehr echtssicherheit und mehr Rechtsklarheit. Auch der egfall der Klagefrist des Versicherungsnehmers für en Fall der Ablehnung einer Leistung durch den Versiherer stärkt die Versicherten und ist ein sinnvoller Vericht auf eine von den allgemeinen Verjährungsregelunen abweichende Sonderregelung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die gesetzliche Verankerung des Anspruches auf
berschussbeteiligung in der Lebensversicherung als
egelfall und die Beteiligung an den sogenannten stillen
eserven ist dem Grunde nach begrüßenswert, ebenso
ie – das wurde angesprochen – die Berechnung der






(A) )



(B) )


Marco Wanderwitz
Rückkaufswerte bei vorzeitiger Vertragsauflösung nach
dem Deckungskapital der Versicherung. Ich glaube, im
Detail müssen wir hier allerdings noch nachjustieren.
Frau Kollegin Dyckmans hat schon einen Punkt ange-
sprochen, der auch auf meiner Agenda steht. Wir liegen
da recht dicht beieinander. Die Verteilung der Ab-
schluss- und Vertriebskosten auf fünf Jahre im Frühstor-
nofall sowie deren Transparentmachung sind ebenfalls
positiv zu erwähnen.


(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Ich möchte aber auch die wichtigsten mir noch pro-
blematisch erscheinenden Bereiche, bei denen ich teil-
weise noch erheblichen Gesprächsbedarf sehe – das will
ich nicht verhehlen –, ansprechen.

Zunächst zum Inkrafttreten. Ich halte eine angemes-
sene Übergangsfrist für nötig.


(Joachim Stünker [SPD]: Warum?)


Nachdem das Gesetz durch Abdruck im Gesetzblatt in
Kraft getreten ist, sind eine Reihe von Verordnungen und
Ausführungsbestimmungen nötig. Erst wenn diese vor-
handen sind, ist es der Versicherungswirtschaft möglich,
sich auf den neuen Zustand einzustellen. In der Folge
muss eine Menge Papier gedruckt werden. Mitarbeiter
und Vertreter müssen geschult werden.

Problematisch erscheint mir eine Rückwirkung auf
Bestandsverträge. Zum einen wurden diese auf einer ge-
setzlich regulierten, vertraglichen Geschäftsgrundlage
abgeschlossen. Wenn man hier rückwirkend eingreifen
würde, wäre dies ein schwerwiegender Eingriff, der ei-
ner guten Rechtfertigung bedürfte. Zum anderen handelt
es sich um eine schiere Unzahl von Verträgen, auf je-
weils unterschiedlichen Allgemeinen Versicherungsbe-
dingungen bzw. Tarifmodellen beruhend. Der Aufwand
und die damit verbundenen Kosten, die letztlich bei den
Versicherten ankommen, erscheinen mir nicht verhält-
nismäßig.

Die geplante Abschaffung des sogenannten Policen-
modells sehe ich ebenfalls kritisch. Obgleich mir be-
wusst ist, dass es seitens der Europäischen Union Beden-
ken gegen das bestehende deutsche Recht gibt, halte ich
das Modell für ausgereift und im Grunde für gut.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dem Zugewinn unter Verbraucherschutzaspekten steht
insbesondere ein Mehr an Kosten gegenüber, was dazu
führt, dass die Renditen geschmälert und die Beiträge er-
höht werden. Zudem würde in Addition mit den schon
genannten weitergehenden Widerrufsrechten ein Zu-
stand erreicht, der den Versicherungsunternehmen nur
schwer zumutbar zu sein scheint.

Auch von der geplanten Abschaffung des sogenann-
ten Alles-oder-nichts-Prinzips bin ich noch nicht über-
zeugt. Die Besserstellung von Versicherungsnehmern,
die Anzeige- und Obliegenheitspflichten, also einen Ver-
trag, verletzen, geht zulasten der Renditen bzw. des Bei-
tragsniveaus der Versicherungsnehmer, die vollumfäng-
lich vertragstreu sind. Das entspricht nicht meinem
Verständnis von Verbraucherschutz.

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(C (D Zum Abschluss möchte ich auf die vorzeitige Kündiung von Lebensversicherungsverträgen zurückkomen. Wir sollten, wie ich meine, eine Möglichkeit fin en, die Versicherungsnehmer besser als bisher auf die erschiedenen Möglichkeiten, die es abgesehen von eier Kündigung gibt, hinzuweisen und sie besser zu inormieren. Das Stichwort in diesem Zusammenhang lauet „Zweitmarkt“. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP] und des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


All das konnte nur ein erster Ausschnitt sein. Wir ha-
en im parlamentarischen Verfahren noch viel vor. Frau
ollegin Dyckmans, ich kann Ihnen versichern, dass zu
iesem Thema eine Anhörung stattfinden wird. Die Ko-
litionsfraktionen verfügen über das notwendige Quo-
um, um dafür zu sorgen.


(Heiterkeit)


ch freue mich auf die Beratungen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607915600

Die Kollegin Dağdelen hat ihre Rede zu Protokoll ge-

eben, sodass der nächste Redner der Kollege Jerzy
ontag von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen

st.1)


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607915700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das in

eutschland heute geltende Gesetz über den Versiche-
ungsvertrag beginnt mit folgenden Worten:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser,
König von Preußen, verordnen im Namen des
Reichs …

as war im Jahre 1908. Im Jahre 1910 ist dieses Gesetz
n Kraft getreten.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das waren noch Zeiten!)


nzwischen mussten die Deutschen zwei Weltkriege er-
eiden, 13 Jahre lang hat in Deutschland die Weimarer
epublik existiert, und es kam zur Nazidiktatur. Auch in
en mehr als 50 Jahren des demokratischen Deutsch-
ands ist dieses Gesetz nicht den Notwendigkeiten der
odernen Welt und den neuen Risiken, die versichert

ein wollen, angepasst worden.

Dementsprechend schweigt das Versicherungsgesetz
um Problem der Berufsunfähigkeit. Dafür ist die Hagel-
ersicherung umfassend geregelt. Es gibt keine Rege-

ungen über den vorläufigen Deckungsschutz, was auch
icht verwundert, weil es im Jahre 1908 in Deutschland
icht sehr viele Autos gab. Aber heute brauchen Millio-
en von Menschen die Zusage einer vorläufigen

Anlage 4






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
Deckung. Dafür gibt es allerdings keine gesetzlichen Re-
gelungen.

Das geltende Recht verpflichtet die Versicherungsge-
sellschaften weder zu einer Beratung und Information
vor einem Versicherungsabschluss noch zur laufenden
Information im Rahmen langjähriger Versicherungsver-
träge. Aber es ermöglicht ein sogenanntes Policenmo-
dell, das in der Praxis seit Jahren dazu führt, dass die
Versicherten die Katze im Sack kaufen müssen. Denn
die Bedingungen, die für ihre Rechte und Pflichten und
für ihre Belastungen auf Jahre bzw. Jahrzehnte hinaus
von großer Bedeutung sind, erhalten sie erst, nachdem
sie ihren Wunsch geäußert haben, einen Vertrag abzu-
schließen – dies ist das Angebot zum Abschluss eines
Versicherungsvertrages –, und zwar zusammen mit der
Versicherungspolice, bei vielen Versicherungen sogar
erst dann, wenn der Vertrag zustande gekommen ist.

Über Jahrzehnte hinweg musste die Justiz durch Aus-
legung und freihändige Rechtschöpfung auf Veränderun-
gen reagieren, die sich aus den neuen Risiken, gegen die
die Menschen sich versichern wollen und wofür die Ver-
sicherer eine Absicherung gegen Prämienzahlung anbie-
ten, ergeben. Gesetzliche Änderungen gab es bisher nur
punktuell. Oft wurden sie durch entsprechende Vorgaben
der Europäischen Union angestoßen.

In rot-grüner Verantwortung hat das Bundesjustizmi-
nisterium das Problem erstmals 2000 angepackt und eine
Kommission zur Reform des Versicherungsvertrags-
rechts berufen. Es hat leider vier Jahre gedauert, bis im
April 2004 ein Kommissionsbericht vorgelegen hat.
Noch einmal zwei Jahre später liegt jetzt der Entwurf ei-
nes Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertrags-
rechts auf dem Tisch.

Wir Grünen begrüßen den Gesetzentwurf und die al-
lermeisten Regelungen, die darin vorgeschlagen werden.
Ich will sie nicht im Einzelnen noch einmal aufführen;
sie alle sind von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern
genannt worden. Es wird jetzt Beratungen und Informa-
tionen geben. Ein Policenmodell wird es nicht mehr ge-
ben. Herr Kollege Wanderwitz, wir werden uns auch
vom Prinzip „Alles oder nichts“ verabschieden, das eben
doch zulasten des Einzelnen geht, weil die Reaktion der
Versicherung auf ein Fehlverhalten nicht adäquat und
abgestuft ist. Das ist ungerecht. In der Pflichtversiche-
rung wird es auch hinsichtlich des Selbstbehalts einen
umfassenden Direktanspruch geben, und auch bei der
Lebensversicherung verzeichnen wir entscheidende Ver-
besserungen.

Von allen Seiten gibt es Kritik und Lob. Anders
könnte es auch gar nicht sein. Frau Kollegin Dyckmans,
wir werden uns in den parlamentarischen Beratungen
nicht nur auf Antrag Ihrer sehr honorigen Fraktion,


(Mechthild Dyckmans [FDP]: Sehr schön, das freut mich!)


sondern auch auf übereinstimmenden Wunsch des gan-
zen Hauses sehr ausführlich mit den Problemen beschäf-
tigen.

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(C (D Zum Schluss will ich an einen Punkt erinnern, der in iesem Gesetz bisher keinen Niederschlag gefunden hat. n Art. 3 des Grundgesetzes heißt es: Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. iese Aufforderung an den Staat hat in dem Gesetzenturf keinen Niederschlag gefunden. Das wollen wir rüne ändern. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Unisex!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607915800

Nun hat der Kollege Dirk Manzewski für die Fraktion

er SPD das Wort.


Dirk Manzewski (SPD):
Rede ID: ID1607915900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist

ier schon gesagt worden: Das geltende Versicherungs-
ertragsgesetz stammt im Wesentlichen aus dem
ahre 1908 und wird – ich glaube, darin sind wir uns ei-
ig – insbesondere den Erfordernissen eines modernen
erbraucherschutzes längst nicht mehr gerecht. Ich teile
aher die Auffassung der Bundesregierung, dass punktu-
lle Änderungen oder Ergänzungen nicht mehr ausrei-
hend sind, sondern dass wir eine Gesamtreform brau-
hen.

Lassen Sie mich meine Rede aufgrund der nur weni-
en Zeit, die ich hier habe, auf einige wesentliche Neue-
ungen beschränken. Kollege Wanderwitz, ich halte es
ür wichtig und richtig, dass die Versicherer die Versi-
herungsnehmer vor Abschluss des Vertrages nunmehr
icht nur besser beraten und informieren müssen, son-
ern dass sie die Beratung jetzt auch zu dokumentieren
aben. Ich finde das gut, weil damit der Verbraucher-
chutz erheblich gestärkt wird;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


enn zum einen wird dem Verbraucher dadurch besser
elegenheit gegeben, sich bereits vor Abschluss eines
ertrages noch genauer mit den Einzelheiten des Vertra-
es auseinanderzusetzen, und zum anderen – das ist ja
uch nicht unwichtig – wird ihm im Streitfall die Be-
eisführung erleichtert. Ich finde, das ist sehr gut.


(Beifall bei der SPD)


Neu ist, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich
ur ihm bekannte Umstände anzeigen muss, nach denen
er Versicherer zuvor in Textform gefragt hat.

Das Risiko einer Fehleinschätzung in der Frage, ob
in bestimmter Umstand für das Versicherungsverhältnis
ichtig gewesen ist oder nicht, liegt damit nicht mehr
eim Versicherungsnehmer. Ich glaube nicht, dass es
ierdurch zu ungerechten Ergebnissen kommen wird.
elbst wenn die Versicherung nachlässig gewesen ist,
ird die Rechtsprechung in Extremfällen meiner Auffas-






(A) )



(B) )


Dirk Manzewski
sung nach schon Mittel und Wege finden, um zu einem
gerechten Ergebnis zu kommen.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt)


Anders als bisher soll der Geschädigte nun, wie wir
das aus der Kraftfahrzeugversicherung kennen, bei allen
Pflichtversicherungen einen Direktanspruch gegen den
Versicherer bekommen. Damit erhält der Geschädigte
einen verhandlungs- und zahlungsbereiten sowie weitge-
hend insolvenzsicheren Schuldner. Wir werden allerdings
im Detail noch zu überprüfen haben, Frau Ministerin,
inwieweit sich das gegebenenfalls auf die Gesamtheit
der Versicherungsverträge negativ auswirken könnte.

Soweit der Versicherungsnehmer bislang gezwungen
war, seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung
binnen sechs Monaten geltend zu machen, soll diese im
Grunde genommen einseitige Verkürzung der Verjäh-
rungsfrist zulasten der Versicherungsnehmer – meiner
Auffassung nach völlig zu Recht – wegfallen.

Künftig sollen zudem alle Versicherungsverträge, also
nicht nur, wie bislang, die Fernabsatzverträge, unabhängig
vom Vertriebsweg und ohne Angabe von Gründen wider-
rufen werden können.

Da es nach der Reform kaum einen Vertrag geben
dürfte, bei dem der Kunde vor Vertragsschluss derart über
diesen informiert wird, sollten wir zumindest andiskutie-
ren, ob wir da nicht vielleicht ein bisschen über das Ziel
hinausschießen. Aber ich bin da nicht festgelegt.

Leichte Probleme habe ich mit der Aufgabe des soge-
nannten Alles-oder-nichts-Prinzips. Bislang ist es so – das
ist schon angesprochen worden –, dass der Versicherungs-
nehmer keinen Anspruch aus einem Versicherungsvertrag
hat, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich oder
zumindest grob fahrlässig verursacht hat. Bei grob fahr-
lässigen Verstößen sieht der Entwurf ein abgestuftes
Modell vor, nach dem die Leistung je nach Schwere des
Verschuldens lediglich gekürzt werden kann. Wir sollten
uns aber darüber im Klaren sein, dass wir der Recht-
sprechung damit erhebliche Probleme bereiten, und aus-
giebig diskutieren, ob wir dies tatsächlich wollen. Dabei
sollte uns natürlich bewusst sein, dass wir die Auswirkun-
gen zu überprüfen haben, deren Kosten dann gegebenen-
falls auf die Gesamtheit der Versicherten umgelegt werden.
Ich persönlich gehe davon aus, dass Versicherungen
dadurch möglicherweise teurer werden würden.

Änderungen – die Ministerin hat es angesprochen – soll
es auch bei den so bedeutenden Lebensversicherungen
geben. Für den Versicherungsnehmer wird es in diesem
Zusammenhang sicherlich vorteilhaft sein, mittels einer
Modellrechnung vorab darüber informiert zu werden,
welche Leistungen ihn realistischerweise erwarten, wobei
natürlich allen klar ist: Es kann sich hierbei nur um eine
fundierte Prognose und nicht um eine Leistungszusage
handeln.

Nicht zuletzt aufgrund einer Entscheidung des Bun-
desverfassungsgerichts – auch das ist von den Kollegen
schon angesprochen worden – soll der Versicherungs-
nehmer zukünftig richtigerweise an den stillen Reserven
der Versicherung angemessen beteiligt werden. Wir werden

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(C (D llerdings darüber reden müssen, ob die angedachte öhe nicht möglicherweise etwas überzogen ist. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung soll ünftig nicht mehr nach dem Zeitwert, sondern – das inde ich sehr gut – nach dem Deckungskapital der Vericherung berechnet werden. Der Rückkaufswert wird ich hierdurch mit Sicherheit besser bestimmen lassen. amit er in den ersten Jahren etwas höher ausfällt – auch as ist von der Ministerin gesagt worden –, werden die bschlusskosten der Lebensversicherung auf die ersten ünf Jahre verteilt. Dies ist ein wesentlicher Vorteil für den ersicherungsnehmer, da die gezahlten Prämien bislang leich mit den Abschlusskosten verrechnet worden sind nd dementsprechend der Rückkaufswert anfangs bis uf null minimiert wurde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt die eine der andere allerdings nur leichte Kritik geäußert oder ngemahnt, dass wir uns noch über die eine oder andere ache unterhalten müssen. Ansonsten, Frau Ministerin: Es andelt sich um ein großes und umfängliches Werk. Ich uss Ihnen ein Lob dafür aussprechen. Ich finde, es ist ehr gelungen, auch wenn über die eine oder andere rage sicherlich noch zu reden sein wird. Großer Respekt lso vor Ihrem Haus! Bei allen positiven Aspekten werden wir bei den ansteenden Diskussionen natürlich auch im Auge zu behalten aben, dass der Versicherungsstandort Deutschland eiterhin attraktiv bleibt. Insofern bin ich auf die in den ächsten Wochen anstehenden intensiven Beratungen ehr gespannt. – Frau Kollegin Dyckmans, der Termin ür die Anhörung wird übrigens der 24. April sein, wie on der Koalition schon vorausgedacht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Mechthild Dyckmans [FDP]: Herzlichen Dank für die Information!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607916000

Als Nächster hat das Wort der Kollege Klaus-Peter

losbach für die CDU/CSU-Fraktion.


Klaus-Peter Flosbach (CDU):
Rede ID: ID1607916100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir begrüßen die Novellierung des Versicherungsvertrags-

echts. Dieses Recht soll nun unter Berücksichtigung der
isherigen Rechtsprechung und der Vertragspraxis zeit-
emäß und übersichtlich gestaltet werden.

Das Gesetz wird nicht nur zukünftige Versicherungs-
erträge betreffen, sondern auch die bereits genannten
twa 430 Millionen Versicherungsverträge, davon etwa
5 Millionen Lebensversicherungsverträge. Inhaltlich
eht es hier um einen fairen Ausgleich zwischen Versiche-
ungsunternehmen und Versicherten bzw. Verbrauchern.
ott sei Dank hat die Vorlage 333 Seiten, sodass wir
enügend Diskussionsstoff haben und uns über die
erschiedenen Themen unterhalten können.

Ich möchte einige Themen ansprechen, die bereits von
en Kollegen hier angesprochen worden sind, aber das
anze einmal aus Sicht des Finanzausschusses beleuchten.






(A) )



(B) )


Klaus-Peter Flosbach
Dauerthema ist selbstverständlich auch bei diesem
Gesetz die Beteiligung der Versicherungsnehmer an
den Überschüssen bzw. an den stillen Reserven. Ich
finde es ganz hervorragend, dass auch hier als Regelfall
festgelegt wird, dass man an Immobilien, Aktien und
festverzinslichen Wertpapieren entsprechend beteiligt
werden soll. Praxis ist allerdings schon heute, dass etwa
90 Prozent aller Überschüsse ohnehin den Versicherten
zugewiesen werden; es gibt sogar Unternehmen, die auf
100 Prozent kommen.

Nun gibt es ein Problem: Der Gesetzentwurf will
sämtliche Bewertungsreserven jährlich neu ermitteln und
jedem einzelnen Lebensversicherungsvertrag innerhalb
von zwei Jahren rechnerisch zu 50 Prozent zuordnen.
Das hat selbstverständlich auch bei einer vorzeitigen
Kündigung Vorteile. Das hört sich gut an; ich möchte
aber auf die Probleme hinweisen.

Hier ist bereits gesagt worden, dass festverzinsliche
Wertpapiere, sogenannte Rentenpapiere, ein Problem
darstellen könnten. 80 Prozent aller Anlagen bei Versiche-
rungsgesellschaften sind festverzinsliche Papiere, die
zum großen Teil an der Börse gehandelt werden. Wenn
die Zinsen von 4 Prozent auf 3 Prozent sinken, dann steigen
die Kurse, weil niemand sein 4-prozentiges Papier zu
100 Prozent verkaufen würde; denn dann würde er am
Markt nur 3 Prozent bekommen. Dadurch bildet sich eine
stille Reserve. Genau diese Reserve soll dem einzelnen
Vertrag zugewiesen werden.

Darin liegt vielleicht noch nicht das Problem. Ein
Problem gibt es erst dann, wenn der Zins von 4 auf
5 Prozent steigt; denn dann fallen die Kurse, und es gibt
keine Reserve, sondern stille Lasten. Nun ist die Frage:
Wer trägt diese stillen Lasten? Wo soll der Ausgleich
herkommen? Wenn die kurzzeitigen Reserven eben nicht
mehr zum Ausgleich zur Verfügung stehen, dann ist die
Frage: Kann der Garantiezins noch gehalten werden?

Hier ist auch ein Problem für die Altersvorsorge des
Einzelnen. Wenn hier Unsicherheiten entstehen, sinkt bei-
spielsweise die Vorsorgebereitschaft in der Bevölkerung
deutlich, gerade in den Bereichen, wo der Gesetzgeber
besonders fördern will, nämlich bei der Riester-Rente, bei
der betrieblichen Altersversorgung und bei der sogenann-
ten Basisrente oder Rürup-Rente. Denn hier gibt es über-
all lebenslange Garantien. Diese lebenslangen Garantien
müssen kapitalmäßig unterlegt sein. Eine Gefährdung
oder Verteuerung dieser Garantien in Lebensversiche-
rungsverträgen darf nicht die Folge dieses Versicherungs-
vertragsgesetzes sein.

Auch bei einer vorzeitigen Kündigung der Lebens-
versicherung muss ein fairer Ausgleich zwischen den
Ansprüchen der Versichertengemeinschaft und dem
Anspruch auf einen angemessenen Rückkaufswert bei
Ausscheiden eines Versicherungsnehmers möglich sein.
In der Anfangsphase wird es wahrscheinlich in Zukunft
weniger Probleme geben, da, wie bereits gesagt worden ist,
die Abschlusskosten auf fünf Jahre verteilt werden und,
wie bei der Riester-Rente, eine deutliche Verbesserung
eintreten wird. Bedenklich sind meines Erachtens aber
die Überlegungen, die neuen Rückkaufswertregelungen
auf alle bestehenden Lebensversicherungsverträge aus-

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(C (D udehnen. Das wäre ein nachträglicher Eingriff in die estehende Kalkulation dieser Verträge. Gerade wir seitens es Finanzausschusses legen großen Wert darauf, dass ie Versicherungswirtschaft eine langfristige Kapitalnlagepolitik betreibt. Wir verlangen dies ganz einfach us Gründen der Stabilität des deutschen Finanzmarktes. Ich erwähne an dieser Stelle die bitteren Erfahrungen, ie wir vor drei oder vier Jahren mit Versicherungsesellschaften gemacht haben, als die Aktienkurse ramatisch fielen und sogar eine Lebensversicherungsesellschaft Insolvenz anmelden musste. Ich will einen letzten Punkt ansprechen. Wir haben mit er Umsetzung der Versicherungsvermittlerrichtlinie vor urzem deutlich die Qualität und die Ansprüche an die ermittler erhöht. Besonders sind – der Kollege anzewski hat das ebenfalls getan – die Dokumentations flichten zu erwähnen. Ich glaube, das ist der wichtigste unkt für den Versicherungsnehmer, für den Verbraucher. Wir haben heute die sinnvolle Regelung, dass ein Verraucher innerhalb von 14 Tagen bzw. von 30 Tagen bei ebensversicherungen nach Überlassung der allgemeinen ersicherungsbedingungen und der maßgeblichen Verraucherinformationen von seinem Widerspruchsbzw. iderrufsrecht Gebrauch machen kann. Diese Unterlagen üssen jetzt vor Unterzeichnung eines Versicherungs ertrages vorliegen. Bitte stellen Sie sich einmal die neue Praxis vor. Ein ogenannter Mehrfachagent, der beispielsweise mit zehn der 15 Gesellschaften zusammenarbeitet, muss für alle erträge die maßgeblichen Versicherungsbedingungen it sich führen. Es gibt Hunderttausende von unabhän igen Versicherungsmaklern, die teilweise mit bis zu 50 der 100 Gesellschaften zusammenarbeiten. Auch diese üssen vor jedem Vertragsabschluss all diese Unterlagen it sich führen. Herr Montag, es ist ein Irrtum, zu glauben, ass dadurch der Verbraucherschutz erhöht wird. Das ann nicht sein. Mit der Versicherungsvermittlerrichtlinie haben wir it der Dokumentationspflicht und der Erhöhung der eratungsqualität einen Weg gefunden, dieses Problem zu sen. Wir sollten auch einen Weg finden, dass die gesamte ermittlerbranche nicht mit einer überbordenden Büroratie überzogen wird. Wir sollten uns an den Realitäten rientieren und gleichzeitig den Verbraucherschutz im uge behalten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Manzewski [SPD])


Selbstverständlich müssen die allgemeinen Versiche-
ungsbedingungen zur Verfügung gestellt werden. Das ist
wingend vorgegeben. Egal ob vor oder nach Vertrags-
bschluss: Man braucht juristischen Beistand, um diese
u verstehen.

Wir sind seitens der Union für einen wirksamen Ver-
raucherschutz. Wir werben für Transparenz und hohe
eratungsqualität. Wir brauchen natürlich eine Moderni-

ierung der Vertragsbeziehungen zwischen Versicherungs-
ehmern und Versicherungsunternehmen. Ich glaube, in
em Gesetz wurden sehr viele gute Ansätze gefunden.






(A) )



(B) )


Klaus-Peter Flosbach
Wir sollten aber auch – da appelliere ich an Sie – die
Marktpartner nicht überfordern und mit unnötiger Büro-
kratie belasten, die dann zu Ausweichreaktionen führen
und letztendlich den gesamten deutschen Finanzmarkt
belasten. Ich freue mich auf die Beratung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607916200

Damit schließe ich die Aussprache.

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, den Gesetz-
entwurf auf Drucksache 16/3945 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. – Damit
sind Sie einverstanden. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz,
Jürgen Koppelin, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Hauptstadtkulturfinanzierung des Bundes in
einem Staatsvertrag regeln

– Drucksache 16/3667 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Haushaltsausschuss

Hierzu ist zwischen den Fraktionen verabredet, eine
halbe Stunde zu debattieren, wobei die FDP sechs Minuten
erhalten soll. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann
ist es so beschlossen.

Ich gebe das Wort dem Kollegen Hans-Joachim Otto,
FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1607916300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich erinnere mich noch mit Freude an den 22. Oktober
2003, als eine sehr geschätzte Kollegin bei einer Presse-
konferenz in der Staatsoper Unter den Linden kluge
Worte sprach. Sie sprach davon, dass nur durch eine
Übernahme der Staatsoper in die Obhut des Bundes ein
langes Siechtum der drei Frankfurter Opern –


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Der Berliner Opern! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Freud lässt grüßen!)


– Entschuldigung –, der drei Berliner Opern verhindert
werden könne. Diese Kollegin heißt Angela Merkel. Sie
wurde damals unterstützt unter anderem von Hans-Dietrich
Genscher, Wolfgang Gerhardt und Peter Gauweiler. Anlass
war ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von Union
und FDP, der die Errichtung einer Bundesstiftung
„Staatsoper Unter den Linden“ forderte. Damals hieß die
gemeinsame Forderung – ich zitiere aus dem Antrag –:

Offensichtlich aber kann eine sinnvolle Zukunft für
dieses bedeutende kulturpolitische Instrument Staats-

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(C (D oper nur in der Abkoppelung von der gegenwärtigen Trägerschaft durch das Land Berlin liegen, das damit schon jetzt überfordert ist. as in Oppositionszeiten richtig ist, kann doch in Regieungszeiten nicht ganz falsch sein. (Beifall bei der FDP – Dorothee Bär [CDU/ CSU]: Der ist ganz schofel, der Vergleich!)


Heute, drei Jahre später, sind wir in der Frage der
taatsoper und der Hauptstadtkulturförderung insge-
amt nicht einen Schritt weitergekommen. Wie bereits
amals allen Beteiligten klar war – oder sagen wir: zu-
indest hätte klar sein müssen –, siechen die drei Opern

n dem erbarmungslosen Sparmodell der Opernstiftung
eiter finanziell vor sich hin. Die Zukunft der Opernstif-

ung – dies wurde auch Michael Schindhelm klar, der die
lucht ergriff – ist nicht das, was man gemeinhin unter
ukunft versteht. Die Opernstiftung war von vornherein
ine gigantische Selbsttäuschung, gegründet auf einem
umpfigen Boden, und zwar schon deshalb, weil die
bernahme der Kosten für die Sanierung der Staatsoper

n Höhe von mindestens 130 Millionen Euro völlig aus-
eklammert worden war.


(Christoph Waitz [FDP]: Wie wahr!)


Die Frage der Staatsoper ist aber nur ein Symptom ei-
er viel umfassenderen Frage: Wofür und nach welchen
riterien trägt eigentlich der Bund bei der Kulturförde-

ung in der Bundeshauptstadt Berlin Verantwortung?


(Beifall bei der FDP)


ir hätten viele der Probleme, mit denen wir uns immer
och beschäftigen müssen, nicht, wenn es bereits 2003
ine umfassende parlamentarische Diskussion und Ver-
tändigung gegeben hätte. Heute rächt es sich, dass der
nde 2003 mit heißer Nadel gestrickte Hauptstadtkultur-
ertrag in Hinterzimmern an den Parlamenten von Berlin
nd Bund vorbeigemogelt wurde.


(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])


Aber es gibt Hoffnung. Ich bin zuversichtlich, dass
ie Hauptstadtkulturdebatte im Jahre 2007 anders ver-
aufen wird; denn der heutige Kulturstaatsminister Bernd
eumann


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ein guter Mann!)


ein guter Mann; auch von dieser Stelle beste Gene-
ungswünsche – zählte 2003 zu den Initiatoren eines ge-
einsamen Antrages von Union und FDP,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Auch gut!)


essen zentrale Forderung lautet – Herr Börnsen, bitte
ören Sie jetzt zu! –, dass der Hauptstadtkulturvertrag
ls eine „für das Verhältnis des Gesamtstaates zu seiner
auptstadt wesentliche Entscheidung in Form eines
taatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutsch-

and und dem Land Berlin“ geschlossen werde und auch
ie Parlamente daran zu beteiligen seien.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Aha!)







(A) )



(B) )


Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

Lieber Herr Börnsen, was in Oppositionszeiten richtig
war, braucht doch in Regierungszeiten nicht ganz falsch
zu sein.


(Beifall bei der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube – und
hiermit komme ich zum Ende –, dass es in den Reihen
des Deutschen Bundestages – ich will das betonen – eine
große Sympathie und ein großes Verständnis für das kul-
turpolitische Engagement des Bundes in Berlin gibt.
Uns allen ist doch klar, dass Berlin als Hauptstadt in be-
sonderer Weise eine Bühne zur Präsentation Deutsch-
lands in der Welt ist. Aber ich weiß – jeder Kollege wird
dies, wenn er ehrlich ist, bestätigen können –, dass die
Hauptstadtkulturförderung nur dann in den Wahlkreisen
zu vermitteln ist, wenn sie nach überzeugenden Kriterien
und in einem transparenten Verfahren erfolgt. Der Bund
muss daher das Heft des Handelns jetzt selbst in die
Hand nehmen und in einem grundlegenden öffentlichen
und parlamentarischen Diskussionsprozess klären, was
Hauptstadtkultur ist und was nicht.


(Beifall bei der FDP)


Die ohnedies anstehenden Beratungen darüber, wie
die Hauptstadtklausel des neuen Grundgesetzartikels 22
Abs. 1 ausgefüllt werden kann, bieten einen willkomme-
nen Anlass, auch den Hauptstadtkulturvertrag grund-
legend neu zu verhandeln. Dabei ist – das sage ich schon
einmal vorsichtig – auch die Übernahme der Staatsoper
in die Obhut des Bundes denkbar. Angesichts der Tatsa-
che allerdings, dass bereits jetzt mehr Bundesgeld in die
Berliner Kultur fließt, als die Berliner selbst dafür bereit-
stellen, kann eine Übernahme der Staatsoper nur dann
erfolgen, wenn der Bund im Gegenzug bisher von ihm
finanzierte, aber nicht zwingend in seinen Kompetenz-
bereich fallende andere Institutionen in die Obhut des
Landes Berlin zurückgibt. Ich will hier keine Beispiele
nennen; aber warum die Berliner Festspiele – um nur ei-
nen Punkt aufzugreifen – in der Obhut des Bundes sind,
konnte mir noch niemand erklären.

Wie auch immer geartete Beteiligungsvarianten – das
sage ich schon jetzt; denn ich vermute, dass ähnliche
Dinge vorgeschlagen werden – würden der Systematik,
der Transparenz und der Klärung von Verantwortlichkei-
ten zuwiderlaufen und das Siechen der Opernstiftung nur
verlängern. Die Hauptstadtkulturförderung braucht klare
Verhältnisse und klare Zuständigkeiten. Sie braucht ei-
nen politisch legitimierten und von den Parlamenten ver-
abschiedeten Staatsvertrag. Ich bitte deshalb um wohl-
wollende Beratung in den zuständigen Ausschüssen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607916400

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt die Kollegin

Dorothee Bär.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen eute zu einem Antrag der FDP-Fraktion, der sich expliit mit Berliner Opernhäusern und nicht mit Frankfurter pernhäusern beschäftigt, Herr Kollege Otto. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das stimmt, Frau Kollegin! Sie haben Recht! Ich war am Sonntag in der Frankfurter Oper!)

Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1607916500

Wunderbar!

Herr Otto, sprechen wir deutlich aus, was Sie hier for-
ern: Sie wollen, dass der Bund die Staatsoper über-
immt und dafür andere Einrichtungen abgibt. Mit Ih-
em Antrag schaden Sie Berlin mehr, als Sie der Stadt
elfen können.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Oh, Angela Merkel wird traurig sein über Ihre Worte!)


Auf Frau Merkel komme ich nachher noch zu spre-
hen. Das wird Ihnen aber nicht gefallen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Gut, Dorothee!)


Bei einer grundsätzlichen Neuverhandlung des Haupt-
tadtkulturvertrages stünde dessen gesamte Finanzie-
ung auf dem Prüfstand. Dann würden Einrichtungen wie
er durch den Bund geförderte Hamburger Bahnhof
ventuell an das Land Berlin zurückgehen. Eine Über-
ahme der Staatsoper Unter den Linden ist seit der Ver-
bschiedung des Hauptstadtkulturvertrages endgültig
om Tisch. Ich finde es sehr schofelig von Ihnen, Frau
erkel in diesem Zusammenhang zu zitieren. Sie hat die
ussage, die Sie vorhin zitiert haben, vor Gründung der
pernstiftung gemacht. Im Wahlkampf hat sie ganz ex-
lizit gesagt: Stiftungen nimmt man nicht einfach so zu-
ück. Wenn Sie Frau Merkel zitieren, dann sollten Sie sie
ollständig zitieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Monika Griefahn [SPD])


Der Erhalt der drei Opernhäuser in Berlin durch das
and war die Bedingung für eine Übernahme der Akade-
ie der Künste und der Stiftung Deutsche Kinemathek

urch den Bund. Darüber hinaus fällt die Finanzierung
ines Repertoiretheaters nicht in die Kompetenz des
undes. Deswegen appelliere ich an dieser Stelle an Sie,
en bestehenden Hauptstadtkulturvertrag zu akzeptieren
nd auf dieser Grundlage von der Berliner Landesregie-
ung endlich die Leistungen einzufordern, die das Land
erlin zu erbringen hat.

Die Bundesregierung lässt Berlin mit der Sanierung
er Staatsoper nicht im Stich. Der Bund hat freiwillig
nd aus eigenem Antrieb – das ist Bernd Neumann und
er Bundeskanzlerin mit zu verdanken – einen Zuschuss
ur Sanierung der Staatsoper in Höhe von 50 Millionen
uro beschlossen und veranschlagt.






(A) )



(B) )


Dorothee Bär

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Monika Griefahn [SPD] – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das ist ein Wort!)


Der Verein der Freunde und Förderer der Staatsoper
Unter den Linden, dessen Ehrenvorsitzender Hans-
Dietrich Genscher ist, hat 30 Millionen Euro für die Ge-
bäudesanierung zugesagt. Beide warten nur noch darauf,
dass auch Herr Wowereit seinen Teil der Abmachung er-
füllt und ebenfalls 50 Millionen Euro im Land Berlin in-
vestiert. Aber nicht einmal dazu scheint er bereit zu sein.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Und was ist jetzt? Wenn er dazu nicht bereit ist, was passiert dann? – Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Das Bundesverfassungsgericht hat es ihm auch verboten!)


Die FDP will bundesgeförderte Kultureinrichtungen
in die finanzielle Verantwortung des Landes Berlin zu-
rückgeben. So soll die Übernahme der Staatsoper Unter
den Linden durch den Bund finanziert werden. Herr
Otto, wieso soll die Bundesregierung anderen Einrich-
tungen effektive finanzielle Zuwendungen streichen,
wenn der Berliner Senat seinen Teil der Abmachung
nicht einhält? Herr Otto, Ihr Ehrenvorsitzender jeden-
falls hat keine Probleme mit dem Hauptstadtkulturver-
trag.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Hans-Dietrich Genscher ist nicht nur Ehrenvorsitzender
Ihrer Partei, er hat auch den Ehrenvorsitz des Vereins der
Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Lin-
den übernommen.

Sie sehen, dass die Sanierung der Staatsoper auf den
Weg gebracht ist. Der Bund hat seine Leistungen in Be-
zug auf die Staatsoper zugesagt. Wir warten jetzt nur
noch auf den rot-roten Senat. Sehr ernst scheint es dem
Berliner Senat mit der Kulturförderung allerdings nicht
zu sein.


(Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Na, na! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hat sie völlig Recht!)


Nur 1,8 Prozent des Berliner Haushalts fließen in den
kulturellen Bereich, Herr Kollege Schulz. Angesichts
der enormen Bedeutung der Kultur für Berlin muss da
auch Raum für die drei bestehenden Opernhäuser sein.
Man müsste nur wollen.

Es besteht kein Zweifel: Berlin genießt einen kultu-
rellen Sonderstatus, der den Bund mit in die Verantwor-
tung zieht. Die Stadt ist ein Symbol der Erinnerung an
die jahrzehntelange Spaltung der Welt in Freiheit und
Unfreiheit. Die Pflege dieses kulturellen Sonderstatus ist
eine große Herausforderung, der man sich verantwor-
tungsvoll annehmen muss. Der Bund hat sich dieser Ver-
antwortung mit dem Hauptstadtkulturvertrag gestellt.
Der Bund fördert die Kultur der Bundeshauptstadt jähr-
lich mit mehr als 420 Millionen Euro. Der Stadt Berlin
ist ihre Kultur hingegen nur 350 Millionen Euro wert.
Die Kultur in der Hauptstadt wird somit zu über

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(C (D 0 Prozent durch Bundesmittel finanziert. Der Berliner enat ist bei keinem anderen Ressort geiziger als bei der ultur. Gleichzeitig wird der Regierende Bürgermeister, laus Wowereit, nicht müde, seinen Blick in die Berlier Kassen mit dem Slogan „Wir sind arm, aber sexy“ zu ommentieren. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das ist doch schön! – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sexy ist der auch nicht mehr so richtig!)


ie jüngste Degradierung der Kultur auf ein Staatssekre-
ärsamt durch Herrn Wowereit entlarvt ihn als einen Ver-
äter Berlins als Kulturhauptstadt der Bundesrepublik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Wie ist das in NRW und Schleswig-Holstein? – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wir haben doch gar keinen Wahlkampf!)


Wer schreit, hat Unrecht, liebe Kolleginnen und Kolle-
en.

Dieses Verhalten zeigt auch, wie wenig der Regie-
ende Bürgermeister sein oft zitiertes eigenes Bonmot
erstanden hat. Hat sich denn Herr Wowereit je gefragt,
arum Berlin zwar nicht reich, aber immerhin sexy ist?
ie Kultur macht Berlin sexy, Herr Wowereit. Die Kul-

ur macht die Anziehungskraft unserer Hauptstadt aus.
ie Kultur lockt die zahlreichen Touristen in die Stadt,
ie dann die Abendkassen der Theater, Kinos und
pernhäuser füllen. Deshalb kann uns allen die Kultur
icht genug wert sein, gerade Ihnen – ich hoffe, er hört
u und schämt sich –, Herr Wowereit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Bund und das Land Berlin müssen daher eine
ntwort auf die Frage der finanziellen Verantwortung

inden. Besonders das Land Berlin – ich freue mich da-
über, dass so viele Berliner Kollegen anwesend sind –
arf sich nicht aus seiner Verantwortung stehlen.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: So ist es!)


llein der Sonderstatus entbindet die Berliner Landesre-
ierung nicht von ihrer politischen Verantwortung, die
ie der Stadt, den Bürgern und nicht zuletzt dem Bund
chuldet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


eshalb, lieber Herr Kollege Wowereit vor dem Fern-
ehbildschirm da draußen,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sehr gut! Weiter so, Frau Kollegin!)


ragen Sie sich nicht nur, was der Bund für Sie tun kann,
ragen Sie auch, was Sie für den Bund tun können und
üssen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deshalb fordere ich Sie auf: Unterlassen Sie Ihre un-
rschöpflichen Forderungen an den Bund! Es ist die ge-
einsame Pflicht des Landes Berlin und des Bundes,

um Erhalt und zur Förderung der Kultur beizutragen.






(A) )



(B) )


Dorothee Bär
Zu diesem Zweck brauchen wir eine transparente und
strukturierte Finanzierung.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Es ist noch nicht Aschermittwoch, junge Frau! – Gegenruf des Abg. Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Die läuft sich schon einmal warm, Herr Benneter!)


Die Verantwortlichkeiten müssen klar geregelt wer-
den, auch um der stetig wachsenden Anspruchshaltung
des Landes Berlin Einhalt zu gebieten. Deswegen ist der
Hauptstadtkulturvertrag das richtige Mittel. Die Ent-
scheidungen, die darin getroffen wurden, binden beide
Seiten, Berlin und den Bund. Nun ist es lediglich not-
wendig, dass Berlin seine Aufgaben erfüllt. Dann steht
einer Sanierung der Staatsoper nichts mehr im Wege. Es
geht uns allen darum, Herr Otto, dass dieses einmalige
Haus erhalten bleiben kann.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Da sind wir uns einig!)


Lassen Sie uns nicht länger darum herumreden, son-
dern gemeinsam handeln. Alle sollten einen Beitrag
dazu leisten, dass Berlin in Zukunft nicht nur sexy ist,
sondern auch wieder reich werden kann. Wir alle sollten
unsere Berliner Kollegen darin unterstützen, dass we-
sentlich mehr für die Kultur getan wird und dass alle drei
Opernhäuser erhalten bleiben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ich hätte so gerne geklatscht!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607916600

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Dr. Gesine

Lötzsch für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607916700

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr verehr-

ten Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht
hat bekanntlich am 19. Oktober des vergangenen Jahres
die Auffassung vertreten, dass Berlin für Wissenschaft
und Kultur immer noch zu viel Geld ausgebe. Diese
Aussage konnte bei vielen Menschen nur Kopfschütteln
hervorrufen. Denn jeder weiß, dass die Zukunft Berlins
nur gesichert werden kann, wenn die Stärken der Stadt
– Wissenschaft und Kultur – weiter gefördert werden.
Das haben leider weder die Verfassungsrichter noch die
FDP noch meine Vorrednerin verstanden. Das ist sehr
bedauerlich.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


Im vorliegenden Antrag der Liberalen wird verlangt,
dass der Bund Institutionen, die er bereits von Berlin
übernommen hat, an Berlin zurückgibt und dafür die
Staatsoper von Berlin übernimmt. Die FDP, die angeb-
lich alles immer unbürokratischer machen will, möchte
gern die ganze Kulturförderung in Berlin umstruktu-
rieren. Sie möchte Zuständigkeiten ändern und Verwir-

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(C (D ung stiften mit dem Ziel, dass sich inhaltlich nichts, ber auch gar nichts ändert. Auf diese Weise hält man ie Bürokratie in ständiger Aufregung, ohne dass etwas ür die Kulturlandschaft oder die Künstler getan wird. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sehr differenzierte Rede!)


Meine Damen und Herren von der FDP, es würde
ich gar nicht wundern, wenn der nächste Antrag von

hrer Fraktion von der Bundesregierung fordert, die Fi-
anzierung der ersten Geige in der Staatsoper zu über-
ehmen unter der Bedingung, dass Berlin die Finanzie-
ung der Posaunen und Hörner übernimmt. Ein solch
nsinniges Zuständigkeitskarussell werden wir nicht mit
n Gang setzen. Das lehnen wir ab.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Antragsteller fordern unter anderem, den Haupt-
tadtkulturfonds vom Bund auf Berlin zurückzuverla-
ern, und erwarten von Berlin eine Garantie, diese Ein-
ichtungen weiter zu fördern. Das ist natürlich – das
issen Sie selbst – ein nicht auflösbarer Widerspruch.
ie können nicht einerseits das Urteil des Bundesverfas-
ungsgerichtes bejubeln, von Berlin den Abbau weiterer
chulden verlangen, und gleichzeitig von Berlin verlan-
en, mehr Geld für Kultur auszugeben. Wie soll das zu-
ammengehen? Der alte Adam Riese hätte damit seine
chwierigkeiten!


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Es gibt auch andere Einnahmemöglichkeiten für Berlin! – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wohnungen verkaufen!)


Wohnungen verkaufen ist eine schlechte Idee. Deshalb
aben wir uns in der rot-roten Koalition in Berlin geei-
igt, keinen kommunalen Wohnungsbestand zu verkau-
en; das kann ich hier noch einmal in aller Deutlichkeit
agen.


(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sparen ist auch zweckdienlich! – HansJoachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Super!)


Wir Berlinerinnen und Berliner wollen die Opernstif-
ung zum Erfolg führen und damit die drei Opern und
as Staatsballett erhalten. Klaus Wowereit hat doch
echt, wenn er vom Bund die Übernahme der Staatsoper
ordert. Denn wenn wir nur ein bisschen an die Ge-
chichte denken, müssen wir doch feststellen: Es war of-
enkundig ein Fehler im sogenannten Einigungsvertrag,
ie ehemals preußische und in der DDR ebenfalls vom
taat finanzierte Staatsoper auf das Land Berlin zu über-

ragen. Dieser Fehler sollte korrigiert werden!


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ja!)


ie Sanierung der Staatsoper darf nicht länger aufge-
choben werden, wir brauchen für den Haushalt 2008
ine gesicherte Finanzierung.

Die FDP fordert in ihrem Antrag, die Hauptstadtkul-
urfinanzierung durch einen Staatsvertrag zu regeln. Ich






(A) )



(B) )


Dr. Gesine Lötzsch
will daran erinnern, dass es in der Berlinklausel im
Grundgesetz heißt – ich zitiere –:

Die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland ist
Berlin. Die Repräsentation des Gesamtstaates in der
Hauptstadt ist Aufgabe des Bundes. Das Nähere
wird durch Bundesgesetz geregelt.

Ich denke, das sollten wir machen – und keinen neuen
Staatsvertrag. Den Unterschied zwischen Bundesgesetz
und Staatsvertrag können Sie ja einmal in Ihrer Fraktion
diskutieren.

Wir als Linke werden diesen Antrag ablehnen, weil er
eben nicht auf die Stärkung der Kultur in Berlin gerichtet
ist. Ihre Absicht ist vielmehr, die Kulturlandschaft Ber-
lins zu destabilisieren. Denn es ist doch wohl kein Zu-
fall, dass ausgerechnet der Landesvorsitzende der FDP
Berlin, der Bundestagsabgeordnete Löning, und auch der
zweite Berliner FDP-Abgeordnete diesen Antrag nicht
unterschrieben haben – weil sie erkannt haben, dass er
kontraproduktiv ist.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist ein mutige Behauptung! – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Wo sind die eigentlich? – Gegenruf des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Untersuchungsausschuss!)


Wir als Linke werden in Abstimmung mit den Berliner
Künstlern und Berliner Kulturpolitikern einen Antrag in
den Bundestag einbringen, der es dem Bund ermöglicht,
seine Aufgabe, die Repräsentation des Gesamtstaates in
der Hauptstadt, tatsächlich zu erfüllen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD] und des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607916800

Das Wort für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege

Dr. Wolfgang Thierse.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607916900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Der FDP-Antrag ist Anlass,
wieder einmal über Hauptstadtkultur zu diskutieren, ist
Anlass, uns des – bei allem Streit im Detail – doch brei-
ten überparteilichen Konsenses zu versichern, der im
Bundestag bei diesem Thema immer gegolten hat; dabei
soll es bleiben.

Wie andere Hauptstädte muss sich auch die deutsche
Hauptstadt wesentlich über ihre Kultur definieren. Der
Blick auf andere europäische Metropolen zeigt, dass sie
ihre Bedeutung, ihre Ausstrahlung aus der historisch ge-
wachsenen Vitalität und Lebendigkeit ihres kulturellen
Lebens gewinnen. Neben ihrer Funktion als politisches
Dienstleistungszentrum sind sie Forum der Kultur des
ganzen Landes – auch und gerade weil Kultur in den
Globalisierungsprozessen, in der globalisierten Welt in
besonderem Maße ein Faktor von Identifikation, von Be-
heimatung geworden ist. Dies muss auch für Berlin gel-

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(C (D en. Das begründet fundamental die Verantwortung des esamtstaates für die Kultur in Berlin. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Bis dahin sind wir uns einig!)


Nun kennt das föderale Deutschland – ich weiß es –
eine Kulturhauptstadt wie etwa Paris es ist. Berlin
ann keine kulturelle Definitionsmacht, kann kein Mo-
opol beanspruchen, gewiss. Aber kulturelle Impulse,
ignale können von der Hauptstadtkultur in die Länder,

n die Regionen, in die Städte Deutschlands ausgehen.
ier kann deutsche Kultur sich in besonders wahrnehm-
arer Weise der Welt zeigen. In Berlin können und sollen
ich die regionale kulturelle Vielfalt und der kulturelle
eichtum Deutschlands zeigen. Wenn Berlin, wie wir
lle immer wieder sagen, der Ort der Repräsentation des
esamtstaates ist – wie es jetzt in Art. 22 des Grundge-

etzes heißt –, dann ist die hauptstädtische Kultur auch
nd ganz wesentlich eine Angelegenheit der Länder.

Sie sollten deshalb Kulturförderung in und für Berlin
icht misstrauisch betrachten und beinahe als Bedrohung
mpfinden, sondern als Chance: Berlin als kulturelles
chaufenster des deutschen Föderalismus, des demokra-

ischen und sozialen Bundesstaates. Darum geht es.


(Beifall bei der SPD)


Das begründet die gemeinsame kulturpolitische Ver-
ntwortung der Stadt Berlin, der deutschen Länder und
es Bundes für die hauptstädtische Kultur. Die Stiftung
reußischer Kulturbesitz mit ihrem Schwerpunkt Berlin

st übrigens ein Beispiel des gelingenden kooperativen
öderalismus im Bereich der Kultur, wobei gewiss der
und die finanzielle Hauptlast trägt.

Der Hauptstadtkulturvertrag schließlich ist ein be-
onders wichtiges Instrument der Kulturförderung Ber-
ins durch den Bund. Der ab 1. Januar 2004 in Kraft ge-
etzte Vertrag ist unbefristet gültig.

Trotzdem, liebe Kollegen von der FDP, halte ich es
ür angemessen – insofern stimmen wir der Intention Ih-
es Antrags zu –, über alle Fragen der Bundeskulturför-
erung für Berlin zu diskutieren und so viel Transparenz
ie möglich zu schaffen. Aber es ist, denke ich, ohnehin
nsere ständige Aufgabe als Kulturpolitiker, darüber zu
iskutieren und Transparenz herzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


as verlangt auch die neue Berlinklausel in Art. 22 des
rundgesetzes, auf die Sie in Ihrem Antrag zu Recht
inweisen.

Im Gespräch zwischen Bundestag, Bundesregierung
nd dem Land Berlin muss geklärt werden, was in einem
undesgesetz, von dem in Art. 22 des Grundgesetzes die
ede ist, unter Bundesaufgaben verstanden und was
neben den berühmten Sicherheitsfragen, über die gele-

entlich auch gestritten wird – überhaupt geregelt werden
ann und muss. Es muss geklärt werden, was vertraglich
in einem Staatsvertrag oder in einem verlängerten oder
euen Hauptstadtkulturvertrag – geregelt werden kann
nd muss und was etwa nur in das jeweilige Jahreshaus-
altsgesetz gehört. Darüber müssen wir uns verständigen.






(A) )



(B) )


Dr. h. c. Wolfgang Thierse
So klar ist das nicht. Das ist längst noch nicht ausge-
macht.

Diese Grundfragen müssen wir klären. Um diese
grundsätzliche Klärung zu erreichen, müssen wichtige
Einzelfragen geklärt werden, die die Verantwortung des
Bundes in Berlin sehr stark betreffen. Ich nenne nur ei-
nige: Das ist erstens die Frage nach der Zukunft der NS-
Gedenkstätten in Berlin. Berlin hat in besonderer Weise
die geschichtliche Last der NS-Vergangenheit an Ge-
denkstätten als Aufgabe zu tragen. Die Frage, was aus
der Idee der Stiftung für diese Gedenkstätten wird, ist
bisher unbeantwortet geblieben. Die rot-grüne Bundes-
regierung hat diese Idee vorgetragen. Wir müssen damit
weiterkommen.


(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD] sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die zweite Frage, die wir zu klären haben, betrifft die
Zukunft der Gedenkstätten für die SED-Diktatur in
Berlin in Hohenschönhausen und in der Normannen-
straße. Diese Aufgabe hat nicht nur Berlin allein zu tra-
gen und zu verantworten; der Bund muss sich beteiligen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Unstreitig!)


Die dritte Frage betrifft die Zukunft der Erinnerung an
die Mauer speziell in Berlin.

Alle drei Aufgaben sind wichtig. Es sind inhaltliche,
erinnerungspolitische und finanzielle Aufgaben auch in
der Verantwortung des Bundes.

Ich komme zu einem weiteren Thema, der Zukunft
des Humboldt-Forums, jenem faszinierenden Projekt,
die Kulturen der Welt in der Mitte der deutschen Haupt-
stadt zu präsentieren. Ich freue mich sehr, dass nach einer
Phase des Stillstands oder auch Stillschweigens wieder
Bewegung in die Sache kommt, wenn ich den zuständi-
gen Minister Tiefensee richtig verstanden habe. Ich sage
etwas pathetisch: Es wäre eine kulturpolitische Großtat,
die einer Großen Koalition würdig ist, wenn wir dieses
Projekt auf den Weg bringen würden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wäre!)


All das sind Aufgaben, bei deren Lösung der Bund
besondere Verantwortung trägt. Erst dann kommt das
Thema, das gegenwärtig öffentlich diskutiert wird und
das offensichtlich Motiv des FDP-Antrags gewesen ist:
die Zukunft der Berliner Opern, insbesondere der
Staatsoper.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Da brennt es halt!)


Die Situation ist kompliziert wie einfach zugleich: Ber-
lin verträgt drei Opern auf höchstem Niveau.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Das Land Berlin kann sie auf dem bisherigen Niveau icht alleine finanzieren. Deutschland muss ein Interesse aran haben, dass wenigstens eines der Opernhäuser auf llerhöchstem künstlerischem Niveau agiert. In der Fußballersprache, die wir uns angewöhnt haen, heißt das, dass sie in der Weltliga oder in der Chamions League spielt. Das kann die Staatsoper sein, muss ie aber nicht. (Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Im Moment sind es die Handballer!)


m dieses Ziel zu erreichen, gibt es durchaus unter-
chiedliche und unterschiedlich diskutable Wege:

Erstens. Der Bund übernimmt eine dem Anteil der
taatsoper in etwa entsprechende anteilige Finanzierung
er Opernstiftung, deren Möglichkeiten noch lange nicht
usgereizt sind. Das ist die eine Möglichkeit.

Die Zweite: Die Staatsoper wird Teil der Stiftung
reußischer Kulturbesitz. Dagegen gibt es allerhand Ein-
ände, aber es ist eine der Möglichkeiten.

Die Dritte: Der Bund übernimmt in einer eigenen
echtskonstruktion, etwa einer Bundesstiftung, die
taatsoper unmittelbar, was manche als einen Sündenfall
egenüber unserem Kulturföderalismus empfinden wür-
en. Das haben wir sonst so nicht, dass der Gesamtstaat
in Repertoiretheater übernimmt. Aber was nicht ist,
ann ja werden. Ich halte das nicht für ausgeschlossen.
as ist eine der Möglichkeiten.

Über diese verschiedenen Möglichkeiten – vielleicht
ibt es auch noch andere Lösungen – ist zu diskutieren.
n jedem Fall bleibt auch Berlin in kulturpolitischer und
inanzieller Verantwortung, mindestens für das Niveau
nd die auskömmliche Finanzierung der beiden anderen
pern wie auch für die anderen national bedeutsamen
ulturinstitutionen.

Der Vorwurf, der hier erhoben wurde und immer mit-
lingt, dass Berlin zu wenig für Kultur ausgebe, stimmt
a nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ch habe mir das noch einmal genau angesehen. Mit
achsen zusammen gibt Berlin pro Einwohner das
eiste für Kultur aus.


(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Zeigen Sie mir eine Statistik, die nicht selbst gefälscht ist!)


an kann sich mehr wünschen, aber Sie kennen die fi-
anzielle Lage Berlins und das Verfassungsgerichtsur-
eil.

Berlin entzieht sich auch nicht seiner finanziellen
erantwortung für die Sanierung der Staatsoper – wie
ehauptet –, sondern ich bin sicher, Berlin steht zu seiner
erpflichtung für die mindestens 50 Millionen Euro für
ie Sanierung der Staatsoper.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Schauen wir mal! Bis jetzt gibt es andere Äußerungen! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das klang heute anders!)







(A) )



(B) )


Dr. h. c. Wolfgang Thierse
– Wollen wir wetten? Nein, ich bin ganz sicher.

Berlin darf sich auch seiner Verantwortung im Zu-
sammenhang mit dem Humboldt-Forum nicht entziehen.
Das sage ich auch ausdrücklich.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


Zum Schluss: Dass der Bund fast die Hälfte seines
Kulturetats für Berlin verwendet,


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Über die Hälfte!)


dass damit etwa die Hälfte der Kulturfinanzierung der
Hauptstadt vom Bund getragen wird, ist gut begründet
und vernünftig und zugleich für mich als Berliner Abge-
ordneter ein Anlass, ein Grund, ein kräftiges Danke-
schön zu sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben Stoff
zum Diskutieren, über Aufgaben, über Probleme – ich
sage es etwas pathetisch –, die uns das Glück der deut-
schen Einheit beschert hat. Gut so!


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607917000

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht der Kollege

Wolfgang Wieland.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607917100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hatte

mich als Innenpolitiker gefreut, hier einmal nicht einer
Debatte über Terror und Folter, sondern über die schö-
nen Dinge des Lebens beizuwohnen. Stattdessen erlebe
ich hier die Sprecherin der CDU, Frau Bär, und ihren
Koalitionspartner, der von Karneval redet und richtig
wütend wird.

Deshalb schließe ich mich zunächst einmal dem an,
was der Kollege Thierse hier gesagt hat und was auch
angesichts der Lamoryanz des Landes Berlin – das muss
man doch einmal sagen – gesagt werden muss. Nach die-
ser Verfassungsgerichtsentscheidung wurde unisono
gesagt: Jetzt lässt uns der Bund im Stich, jetzt stehen wir
wieder ganz allein mit dem Rücken zur Wand.


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Dummes Zeug!)


Festzuhalten ist: 425 Millionen Euro gehen im Jahr für
Kulturförderung vom Bund nach Berlin.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Kein Pappenstiel!)


Das ist eine Menge Moos.

(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sehr richtig!)

Und da kann man auch vom Senat in Berlin einmal
Dankbarkeit erwarten, wie Sie, Kollege Thierse, das hier
geäußert haben,

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


nd nicht immer diese Haltung: Hey Bund, ich brauch
ehr Geld!, von der durchgehend hier die Rede ist.

Lieber Kollege Otto, an Ihrer Initiative ist ja richtig,
ass wir eine Systematisierungsdebatte darüber führen
üssen, was ist nationale Kultur, was hat internationale
usstrahlung und was ist so etwas wie kommunale kul-

urelle Grundversorgung.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Und das Parlament muss beteiligt werden!)


Wir müssen sie in Berlin führen, wir müssen sie aber
uch über Berlin hinaus führen. Was ist beispielsweise
it Weimar? Den Kollegen Thierse würde ich fragen:
ibt es denn nur in Berlin Gedenkstätten, die an die Op-

er der NS-Zeit, an das DDR-Regime erinnern? – Nein,
s gibt sie bundesweit.


(Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Heute reden wir über Berlin!)


Ja, heute reden wir darüber. Aber diese Debatte muss
atürlich auch für das ganze Land geführt werden. Nur
ann vermeiden wir, dass die Menschen immer sagen:
lles geht nach Berlin, ihr wollt alles für Berlin haben.

Deswegen bitte ich, diese Debatte breiter zu führen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Kollege Otto, Sie haben gesagt: Wir, die FDP,
ollen die Berliner Staatsoper Unter den Linden retten.
osten darf es aber nichts. Das muss beim Hauptstadt-
ulturfonds, bei den Berliner Festspielen oder wo auch
mmer eingespart werden. – Das ist Ausdruck des alten
enkens: Auf der einen Seite ist die Hochkultur, die
eiterhin gefördert werden soll. Auf der anderen Seite
t die Kiezkultur mit ihren Projekten, mit der die Berliner
weil das sowieso etwas schmuddelig ist – alleine klar-
ommen sollen. Völlig unverständlich wird es, wenn
an weiß, dass die FDP im Berliner Abgeordnetenhaus

inen fast gleichlautenden Antrag zur Staatsoper Unter
en Linden eingebracht hat, in dem aber Ausführungen
ur Kostenneutralität fehlen. So weit wollten Sie offenbar
icht gehen. Wer so mit zwei Zungen spricht, Kollege
tto, der macht sich von Anfang an unglaubwürdig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Klaus Wowereit, sozusagen der regierende Kultursena-
r, hat sich einfach hingestellt und gesagt: Berlin gibt

einen Anteil zur Finanzierung der Staatsoper. Wir können
ie auch schließen. – Das lassen wir ihm nicht durch-
ehen; denn das ist kein akzeptabler Standpunkt. Es
uss bei der Aufteilung bleiben: 50 Millionen Euro vom
und, 50 Millionen Euro vom Land Berlin und 30 Millio-
en Euro nicht aus dem Portemonnaie von Herrn Genscher,
ondern von den Mäzenen, die sich zusammengeschlossen
aben. Das Gleiche gilt für das Humboldt-Forum.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: So wird es bleiben!)







(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland
Man muss sagen, was man will, und darf nicht ständig
motzen und die Bundesregierung gegen sich aufbringen.
Wenn man etwas will, muss man ein entsprechendes
Verhalten an den Tag legen. Auch dies richte ich an die
Adresse von Klaus Wowereit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Abschließend: Berlin war bis zum Ende des Zweiten
Weltkriegs die größte Industriestadt Europas. Davon ist
wenig bis nichts übrig geblieben. Was gerettet werden
konnte, ist die fantastische Kulturlandschaft. Das brauche
ich Ihnen, den Anwesenden, nicht zu sagen. Ich hoffe,
Sie sagen es Ihren Kolleginnen und Kollegen sowie
Besuchergruppen und anderen, was man alles in Berlin
kulturell erleben kann.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Die wissen das schon!)


Nun besteht glücklicherweise die Chance – darauf hat
Wolfgang Thierse bereits hingewiesen –, mit der Museums-
insel, dem Humboldt-Forum und sanierter Staatsoper das
zu vollenden, was als strahlender Leuchtturm einer euro-
päischen Kulturmetropole wirken könnte. Vertun wir
diese Chance nicht, sondern nutzen wir sie!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607917200

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3667 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Sie sind damit
einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b
sowie den Zusatzpunkt 5 auf:

9 a Beratung des Antrags der Abgeordneten Johann-
Henrich Krummacher, Ilse Aigner, Michael
Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Swen Schulz (Spandau), Jörg Tauss, René
Röspel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Geistes- und Sozialwissenschaften stärken

– Drucksache 16/4161 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

9 b Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Petra

(Saar Z A i K W s z ih a a h i d z u g S d d a (C (D brücken)

tion der LINKEN

Perspektiven für die Geistes- und Sozialwis-
senschaften verbessern

– Drucksache 16/4154 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

P 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
Pieper, Uwe Barth, Patrick Meinhardt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften
stärken

– Drucksache 16/4153 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre

ch keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem
ollegen Jo Krummacher für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johann-Henrich Krummacher (CDU):
Rede ID: ID1607917300

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
issen, das ist die Zukunftsressource schlechthin. Wis-

en wird durch Wissenschaft erschaffen – dieser Konnex
wischen Sprache und Inhalt besteht nicht zufällig –, die
rerseits wiederum auf der richtigen Wissenschaftspolitik

ufbaut. Das ist der allgemeine Konsens, auf dem wir
ufbauen können. Wissenschaftspolitik braucht Balance.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Bereich der Natur- und Technikwissenschaften
at Fahrt aufgenommen. Die jüngste Hightechstrategie
st ein hervorragendes Beispiel. Entsprechend erhalten
ie Geistes- und Sozialwissenschaften nun ebenfalls eine
entrale Stellung. Beides ist notwendig, ergänzt einander
nd garantiert die Balance. Das Motto der Hightechstrate-
ie lautet: Ideen zünden. Mit Blick auf die Geistes- und
ozialwissenschaften würde ich dem gern – Sie gestatten
as dem Theologen – das Luther-Wort voranstellen: Lasset
ie Geister aufeinander krachen, auf dass die Wahrheit
ufblitzt.






(A) )



(B) )


Johann-Henrich Krummacher

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die Geistes- und Sozialwissenschaften liefern uns das
entscheidende Instrumentarium, um uns selbst in der
Welt überhaupt erst erkennen und einordnen zu können.
Gerade bei den Geisteswissenschaften – der Philosophie,
der Theologie, den Sprach- und Geschichtswissenschaften
bis hin zu den sogenannten Orchideenfächern – ist
Deutschland im internationalen Vergleich sehr leistungs-
fähig und hoch anerkannt.


(Beifall bei der SPD)


Man könnte sagen: Auch hier ist Deutschland Export-
weltmeister. Geisteswissenschaften sind in der Lage,
höchst wertvolle und konkrete Erkenntnisse über geistige,
soziale, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen,
Strukturen und Prozesse zu liefern. Gleichzeitig sind sie,
um bewusst literarisch zu werden, auch ein nie endender
Quell der Freude. Sich das konkrete Wirken der Geistes-
wissenschaften vor Augen zu führen, schärft den Blick
für deren Wert. Die Idee des friedlichen Zusammenlebens
der europäischen Nationen ist eine Idee von Geistes-
wissenschaftlern, die Politik und Gesellschaft inspiriert
haben. Eine der herausragenden Leistungen der Geistes-
wissenschaften ist die Aufarbeitung der NS-Diktatur.
Die Aufarbeitung der SED-Vergangenheit wiederum ist
ein konkreter aktueller Prozess, der ohne die Geistes-
wissenschaften kaum gelingen könnte.


(Jörg Tauss [SPD]: Frau Hinz hat eine Frage!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607917400

Möchten Sie die Zwischenfrage der Kollegin Hinz

zulassen?


Johann-Henrich Krummacher (CDU):
Rede ID: ID1607917500

Ja, Kollegin Hinz, bitte schön.

Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Herr Kollege, erstaunt es angesichts der Tatsache, dass
Sie die Geisteswissenschaften heute Abend so heraus-
heben und die Bundesministerin das Jahr der Geisteswis-
senschaften ausgerufen hat,


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)


nicht auch Sie, dass vom Ressort nicht einmal ein Parla-
mentarischer Staatssekretär anwesend ist, um diese
wichtige Debatte zu verfolgen und um deutlich zu machen,
wie bedeutend die Sozial- und Geisteswissenschaften in
unserem Land sind?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Die sind krank! Virus!)



Johann-Henrich Krummacher (CDU):
Rede ID: ID1607917600

Frau Hinz, ich danke Ihnen für die Frage. Sowohl die

Ministerin als auch die Staatssekretäre sind wegen der
Geisteswissenschaften unterwegs. Wir haben uns verab-
redet, arbeitsteilig vorzugehen.





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(C (D (Parl. Staatssekretär Rachel betritt den Plenarsaal)


Da kommt er.


(Heiterkeit – Jörg Tauss [SPD]: Er hat gesagt, er kommt nicht, bevor Frau Hinz fragt!)


Er ist da.


(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das wurde auch Zeit! – Jörg Tauss [SPD]: Herr Rachel, so einen Auftritt hatten Sie hier noch nie!)


Die Geisteswissenschaften stellen so etwas wie einen
eneralschlüssel dar, um Zugang zu elementaren Problem-
sungen zu erlangen. Umso mehr freut es mich, dass mit
em hier vorliegenden gemeinsamen Antrag von Union
nd SPD nicht nur die Leistungen der Geistes- und Sozial-
issenschaften verdeutlicht, sondern auch die bestehen-
en Herausforderungen skizziert sowie – basierend auf
en Untersuchungen des Wissenschaftsrates und anderer
rganisationen und Einrichtungen – konkrete Lösungs-
nd Weiterentwicklungsansätze beschrieben werden.
as Ziel ist, die geistes- und sozialwissenschaftliche

nfrastruktur zu stärken, die richtigen förderpolitischen
aßnahmen zu ergreifen und das öffentliche Bewusst-

ein sowie die öffentliche Wahrnehmung für die große
edeutung der Geistes- und Sozialwissenschaften zu

ensibilisieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Noch erfreulicher ist, dass wir gemeinsam mit der
undesregierung bereits die Weichen gestellt haben. Das
ahr der Geisteswissenschaften ist eingeleitet und bietet
in großes öffentliches Forum zur Präsentation geistes-
nd sozialwissenschaftlicher Leistungsfähigkeit. Gleich-
eitig eröffnet das Jahr der Geisteswissenschaften auch
onkrete und neue Förderinstrumente. Dazu gehört die
teigerung der Ausgaben für Geistes- und Sozialwis-
enschaften im Haushalt 2007, und dazu gehört die
örderinitiative „Freiraum für geisteswissenschaftliche
orschung“ mit ihrem Kernelement, den internationalen
orschungskollegs. Ein bis zwei herausragende Forscher-
ersönlichkeiten können bis zu zehn weitere Wissen-
chaftlerinnen und Wissenschaftler einladen und so eine
öchst effektive Forschungseinheit bilden. Dazu gehört
uch die europäische Ebene. Nicht zuletzt auf deutsche
nitiative hin wurden im 7. EU-Forschungsrahmen-
rogramm erstmals geisteswissenschaftliche Themen
xplizit ausgeschrieben. Für die Geistes-, Sozial- und
ulturwissenschaften stehen nun insgesamt 623 Millio-
en Euro bereit.

In den Förderrichtlinien des Bundesministeriums
Geisteswissenschaften im gesellschaftlichen Dialog“
urden beim Förderschwerpunkt „Europa – Kulturelle
nd soziale Bestimmungen Europas und des Europäischen“
ufgrund des großen Zuspruchs aus der Wissenschaft
achwuchsgruppen aufgebaut, um jüngere deutsche
eisteswissenschaftler auf die europäische Zusammen-

rbeit vorzubereiten. Dies unterstreicht: Es ist wichtig,
ass die Geisteswissenschaften ihren Blick auch nach






(A) )



(B) )


Johann-Henrich Krummacher
Europa richten. Es zeigt aber auch, dass die Bundes-
regierung einen zuverlässigen Beitrag zur Stärkung der
Geistes- und Sozialwissenschaften leistet. Auch persönlich
weiß ich das Anliegen und die Bedeutung der Geistes- und
Sozialwissenschaften bei Dr. Annette Schavan in guten,
sachkundigen und verlässlichen Händen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Manfred Rommel,
der hochgeschätzte und langjährige Oberbürgermeister
meines Wahlkreises Stuttgart, hat einmal scherzhaft ge-
dichtet:

Oh Mensch, Du sollst – mag es Dir glücken –
rückwärts schauend vorwärts blicken!

Manfred Rommel weist darauf hin, dass dies anato-
misch kaum möglich ist. Aber im übertragenen Sinn ist
genau das nicht nur sehr wohl möglich, sondern auch
notwendig. Die Geisteswissenschaften sind der Schlüssel,
um mit den Nachwirkungen der Vergangenheit umzugehen,
die Probleme der Gegenwart zu beheben und uns damit
auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, im großen Prozess
der Evolution hat die Natur Wesen entstehen lassen
– nämlich uns Menschen –, die so ausgestattet sind, dass
sie nicht nur ihre Naturbestimmung erfüllen, sondern
wissen wollen. Dieses „wissen wollen“ ist geradezu ein
Teil der menschlichen Naturbestimmung. Der Heidelberger
Philosoph Hans-Georg Gadamer hat stets darauf hin-
gewiesen, dass es die Vorgegebenheit der menschlichen
Natur in ihrer Fragelust und in ihrer Wissensfähigkeit
ist, die der modernen Wissenschaftsgesinnung – auch der
Naturwissenschaftsgesinnung – ebenso zugrunde liegt
wie den religiösen Vorstellungen, den Rechtsordnungen,
den Sittenordnungen, den Wirtschaftsformen und sogar
den Friedensordnungen, die die Menschen entwickelt
haben.

Der vorliegende gemeinsame Antrag von Union und
SPD verdeutlicht die fundamentale Bedeutung der Geistes-
und Sozialwissenschaften. Basierend auf den Empfehlun-
gen des Wissenschaftsrats markiert er den forschungs-
politischen Weg, das Denken in Deutschland in seiner
geisteswissenschaftlichen Urform stark und wach zu halten.
Durch die bereits eingeleiteten Maßnahmen des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung unter Dr. Annette
Schavan sind wir auf dem allerbesten Weg, den For-
schungsstandort Deutschland insgesamt zu stärken.

Gerade die technologisierte Informationsgesellschaft
braucht Wissende und Wertende – Menschen mit Leiden-
schaft fürs Denken. Darum bitte ich um eine breite
Zustimmung.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607917700

Als Nächster hat Patrick Meinhardt das Wort für die

FDP-Fraktion.

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(C (D Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen nd Kollegen! Wir erlebten in der vergangenen Woche ine würdige Auftaktveranstaltung für das Wissenschaftshr 2007. Das Motto „Die Geisteswissenschaften. ABC er Menschheit“ ist gut gewählt. Oder um es mit ilhelm Busch zu sagen: Nicht allein das Abc Bringt den Menschen in die Höh’; Nicht allein in Schreiben, Lesen Übt sich ein vernünftig Wesen; … Sondern auch der Weisheit Lehren Muß man mit Vergnügen hören. (Beifall bei der FDP – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig! Unser Niedersachse! – Jörg Tauss [SPD]: „Ritzeratze! voller Tücke, In die Brücke eine Lücke!“)

Patrick Meinhardt (FDP):
Rede ID: ID1607917800

Das Jahr der Geisteswissenschaften, Kollege Tauss,
oll auch ein Zeichen gegen den Zeitgeist setzen. Der
erbebotschaft „Geiz ist geil“ einer nicht ganz unbe-

annten Firmengruppe setzen wir mit diesem Jahr den
logan „Geist ist geil“ entgegen.

Geisteswissenschaften einerseits und Natur- und In-
enieurwissenschaften andererseits sind zwei Seiten ein-
nd derselben Medaille. In einer Welt, in der mit dem
aß vermeintlich profitschaffender Naturwissenschaf-

en gemessen wird, hören wir oft, dass die Geisteswis-
enschaften keinen gleichwertigen Beitrag leisten. Ge-
au dieser von Grund auf falschen Ansicht soll dieses
issenschaftsjahr entgegentreten.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Die Geisteswissenschaften waren und sind für jedes
unktionierende Gemeinwesen unabdingbar. Von Thales
ber Pythagoras bis zu Kant interessieren sich auch die
athematik und die Naturwissenschaften für die Geis-

eswissenschaften. „Natur braucht Geist“ titelte gestern
ehr richtig die „Rheinische Post“.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)


um Menschen, also zur Humanität, gehört eben die
utzenfreie Wissbegier. Nutzlos sind Neugierde und
issbegier im Zeitalter der Globalisierung, der Ökono-
isierung und der Wissensgesellschaft ganz sicher nicht.
as Zeitalter der Globalisierung verlangt nicht weniger,

ondern mehr an Geisteswissenschaft.


(Beifall bei der FDP)


Erlauben Sie mir, einen Aspekt der philologischen
imension solch einer humanistischen Bildung heraus-

ugreifen. Die 740 000 Latein- und 15 000 Altgrie-
hischschüler in Deutschland – ihre Zahl nimmt wieder
tetig zu – lehren uns eines: Weder Latein noch Altgrie-
hisch sind tote Sprachen. Das Gegenteil ist der Fall:
er Latein und Altgriechisch kann, setzt sich mit Fra-

en der Geisteshaltung, der Ethik, der Philosophie und
amit auch der Lebensführung intensiver auseinander.


(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])







(A) )



(B) )


Patrick Meinhardt
Latein und Altgriechisch schulen den Geist, schärfen
den Verstand und sensibilisieren für den bewussten Um-
gang mit den kulturellen Traditionen. Deshalb sollten
wir das Jahr 2007 als Jahr der Geisteswissenschaften
auch aktiv dafür nutzen, für die humanistische Bildung
und das Erlernen von Latein und Altgriechisch zu wer-
ben.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)


Viele Naturwissenschaftler sind deswegen so gute
Forscher, weil sie eine humanistische Bildung genossen
haben. Das Jahr der Geisteswissenschaften muss deswe-
gen ein Jahr der humanistischen Bildung sein.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Literaturwissenschaften beginnen in der Regel
mit einer Art geistiger Wahrnehmung, nämlich mit der
Fähigkeit, selbst komplexe Texte zu lesen. Vor dem Hin-
tergrund der PISA-Ergebnisse frage ich mich: Was ha-
ben wir falsch gemacht, dass so viele junge Menschen in
Deutschland hierzu heutzutage nicht in der Lage sind?
Umso mehr muss die Vermittlung von Sprachkompetenz
im Zentrum des Wissenschaftsjahres stehen. Das Jahr
der Geisteswissenschaften muss deswegen auch ein Jahr
der frühkindlichen Bildung sein.

Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der kulturellen
Infrastruktur eines Landes. Dank ihrer Museen, Thea-
ter, Musik und Vortragskultur blühen in Deutschland,
dem Land der Dichter und Denker, eine Reihe von Me-
tropolen auf, was ohne die Kulturwissenschaften so si-
cherlich nicht denkbar wäre. Nicht grundlos hat die Stadt
Dresden nach dem Fall der Mauer eine Renaissance er-
lebt und sich zum Zentrum der Wirtschaft und der Wis-
senschaften in Sachsen und auch in Deutschland entwi-
ckelt.

Es geht in diesem Jahr um Freiheit und Verantwor-
tung in der Wissenschaft, der wir Liberale uns besonders
verpflichtet fühlen. Es geht in diesem Jahr um Freiheit
und Verantwortung in unserer Gesellschaft, die sich kon-
kret erweisen muss. Außerdem geht es in diesem Jahr
um Freiheit und Verantwortung im Leben eines jeden
Einzelnen von uns. Das Jahr der Geisteswissenschaften
ist deswegen sicherlich auch ein Jahr der Freiheit.


(Jörg Tauss [SPD]: Es geht auch um Gerechtigkeit und Solidarität!)


Konkrete Vorschläge zur Sicherung und zum Ausbau
der Geistes-, Sozial- und eben auch der Kulturwissen-
schaften hat die FDP-Fraktion vorgelegt. Der Antrag der
Koalitionsfraktionen zeigt uns Liberalen, dass wir in der
Ziel- und in der Wegbeschreibung nicht weit auseinan-
derliegen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ein Jahr der Geisteswissenschaften kann nicht
schwarz, rot, grün oder gelb sein. Deswegen halten wir
als FDP es für sinnvoll, hier und heute über unsere An-
träge zu debattieren; aber wir halten es nicht für sinnvoll,
mit unterschiedlichen Anträgen das Jahr der Geisteswis-

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(C (D enschaften zu eröffnen. Ein gutes Zeichen des richtigen eistes ist es jetzt, einen gemeinsamen Antrag zu formu ieren. Vielen Dank. Swen Schulz spricht jetzt für die SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Die Geistesund Sozialwissenschaften befinden ich seit einiger Zeit in einer Art Legitimationskrise; jeenfalls wird viel darüber berichtet. Wenn man die Menchen heute fragt, wozu wir eigentlich Forschung benötien, dann wird die große Mehrheit sicherlich Themen ie die Bekämpfung von Krankheiten oder technologi che Errungenschaften nennen, durch die das Leben ereichtert wird und Arbeitsplätze geschaffen werden. Wenn man selbstkritisch den Umgang der Politik mit ieser Frage betrachtet, fällt auf: Immer wieder begrünen wir zusätzliche Ausgaben für die Wissenschaft mit hrer ökonomischen Bedeutung. Dann sprechen wir on der Biound Nanotechnologie, von Medizin, Genechnik usw. (Jörg Tauss [SPD]: Baden-Württemberg macht gerade die Philosophie zu! In Mannheim!)


(Beifall bei der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607917900
Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1607918000

ieber Herr Tauss, Finanz- und Wissenschaftsminister
er Länder kommen auf die Idee, die angeblich lukrati-
en Wissenschaften fördern zu wollen, da sie bestimmt
ald zu Wachstum und Arbeitsplätzen in ihrer Region
eitragen. Das alles ist gut und richtig. Wer das aber zu-
asten der Geistes- und Sozialwissenschaften macht und
ie Universitäten auf ingenieurs- und naturwissenschaft-
iche Wirtschaftswachstumsagenturen reduziert, der be-
eht einen schweren Fehler.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Patrick Meinhardt [FDP])


Tatsächlich sind auch die Geistes- und Sozialwissen-
chaften von großer ökonomischer Bedeutung. Ganze

irtschaftszweige leben vom Input dieser Disziplinen.
as gilt zum Beispiel für den riesigen Medienbereich.
nternehmen stellen Künstler, Kulturwissenschaftler,
ermanisten und Sinologen ein, um ihr Geschäft voran-

utreiben. Auch eine Technologiefirma benötigt mehr
ls nur eine Erfindung. Sie muss gesellschaftliche Zu-
ammenhänge beachten und braucht die Bereiche De-
ign, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ür die Ausbildung der dafür kompetenten Leute benö-
igt man die Geistes- und Sozialwissenschaften. Ohne
ie kann man ganz tolle Patente entwickeln, anmelden
nd sie sich zu Hause an die Wand hängen. Aber das war
ann auch alles; denn daraus entsteht kein Geschäft.






(A) )



(B) )


Swen Schulz (Spandau)

Doch bei den Geistes- und Sozialwissenschaften geht
es um mehr. Es geht vor allem darum, gesellschaftliche
Innovationen zu schaffen. Welche Technologien benöti-
gen wir? Wie setzen wir sie ein? Welche Chancen und
welche Risiken bestehen? Das sind die zentralen Fragen.
Für die Lösung großer gesellschaftlicher Probleme benö-
tigen wir mehr als Technologien.

Damit nicht der Eindruck entsteht, als würde in dieser
Frage immer pro domo gesprochen, will ich den Bioche-
miker Ernst-Ludwig Winnacker zitieren, der gefragt
wurde, ob die Wissenschaft zur Lösung der Mensch-
heitsprobleme beitragen kann und, wenn ja, wo und wie.
Er antwortete mit Bezug auf die demografische Entwick-
lung: Die entscheidende Frage ist doch, wie wir die Le-
bensqualität im Alter sichern und verbessern können.
Das ist zunächst ein medizinisches Problem. Aber das ist
längst noch nicht alles. Altern bedeutet zum Glück ja
nicht nur Krankheit. Wir müssen neue Formen des Zu-
sammenlebens suchen und finden, räumlich und sozial.
Hier sind die Soziologen und die Philosophen gefragt,
aber genauso die Architekten und die Städteplaner. Hier
entsteht ein neues Thema für die Wissenschaft als Gan-
zes, das gerade erst von uns entdeckt wird.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Patrick Meinhardt [FDP] und der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich finde, das hört sich nicht nach einer Krise, sondern
vielmehr nach einem Aufbruch zu neuen Ufern an. Hier
im Bundestag sollten wir den dafür notwendigen Rü-
ckenwind organisieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Geistes- und Sozialwissenschaften sind also nütz-
lich. Doch wir müssen aufpassen, welche Begründung
wir für die Förderung der Wissenschaft anführen. Es darf
nicht ausschließlich um ihren offensichtlichen Nutzen
gehen. Denn dann laufen wir Gefahr, die Förderung von
gesellschaftlichen Schwankungen abhängig zu machen.
Wenn sich der erhoffte Erfolg nicht schnell einstellt, ver-
liert man die Geduld. Schnell ist ein anderes Thema en
vogue. So kann eine wissenschaftsfremde Kurzatmigkeit
entstehen.

Ein anderes Beispiel ist die Bildungsforschung. Bis
zur PISA-Studie hat sich kaum ein Mensch dafür interes-
siert. Heute können wir alle nicht genug von Langzeit-
studien und exzellenten Bildungsforschern bekommen.
Das hat allerdings Jahrzehnte wissenschaftlicher Arbeit
zur Voraussetzung. Ganz ähnlich ist es auch der Islam-
wissenschaft ergangen. Welche Wissenschaft läuft wohl
gegenwärtig unbeachtet nebenher, hat aber künftig eine
größere Bedeutung, als wir es uns heute vorstellen kön-
nen? Wir wissen es nicht.

Wir müssen auch beachten, dass Innovationen nicht
nach politischem Plan laufen. Wissenschaft ist keine
Maschine, die man mit Geld gut ölen kann und aus der
dann hinten Technologie, Arbeitsplätze oder Frieden und
Freiheit herauskommen. Wissenschaft, die sich frei ent-
wickelt, bringt häufig einen unerwarteten Nutzen. Es
gibt zum Beispiel das Prinzip Kolumbus: Er wollte

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(C (D ine Route nach Indien finden und ist dabei gescheitert. ber er hat Amerika entdeckt. Das ist immerhin ja auch ine nicht unerhebliche Entdeckung. Wir müssen der issenschaft Freiraum lassen. Bei aller notwendigen po itischen Steuerung muss es Nischen geben, in denen die issenschaft unabhängig arbeiten kann. Das ist für die eistige Kraft einer Gesellschaft unerlässlich. Damit jetzt keine Missverständnisse entstehen: Ich ede hier nicht einer hoffnungslosen Wissenschaftsroantik das Wort. Auch die Geistesund Sozialwissen chaften brauchen Entwicklung und neue Impulse. Sie üssen sich rechtfertigen und Qualität nachweisen. Die esellschaft hat das Recht, zu erfahren, was mit ihrem eld geschieht, und die Politik hat die Pflicht, im öffent ichen Interesse Schwerpunkte zu setzen. Doch Wissenchaft – das müssen wir dabei sehen – ist kein Investent, das nach einer bestimmten Frist einen messbaren utzen bringt. Eine reine Nutzenorientierung, die Ökoomisierung, darf die Wissenschaft nicht beherrschen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


Julian Nida-Rümelin hat jüngst deutlich gemacht,
ass er die spezifische Kultur der europäischen Geistes-
issenschaften durch einige aktuelle Entwicklungen ge-

ährdet sieht. Ich denke, wir müssen das ernst nehmen.
ür die Geistes- und Sozialwissenschaften ist die Situa-
ion an den Hochschulen von besonderer Bedeutung.
chließlich werden sie in erster Linie dort betrieben. Da-
um sind Ideen für einen Wettbewerb zugunsten exzel-
enter Lehre, wie sie in letzter Zeit entstehen, natürlich
on großem Interesse.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ir müssen dabei aber beachten, dass wir Leuchttürme
er Forschung auswählen können. Es darf nicht sein,
ass es nur wenige Spitzenunis für die Lehre gibt.

Vielleicht sollten wir hinsichtlich der Lehre weniger
ber einen Exzellenzwettbewerb und mehr über Evalua-
ion nachdenken. Wir müssen wissen, wo und wie Lehre
it welcher Qualität gemacht wird. Dann benötigen wir

in Förderprogramm für die Lehre, etwa für die Bewälti-
ung der Herausforderung der Umstellung auf Bachelor
nd Master, auf das alle Hochschulen zugreifen können.
ort lassen sich zum Beispiel durch die Veröffentli-

hung der Evaluationsergebnisse auch Wettbewerbsele-
ente einbauen, um eine Dynamik in den Prozess zu be-

ommen. Es geht aber bitte nicht, einfach nur ein paar
rojekte auszuwählen und extra Geld für sie bereitzu-
tellen. Das greift zu kurz.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


Wir werden noch Gelegenheit haben, näher über die
ielen wichtigen Einzelaspekte in den Geistes- und So-
ialwissenschaften zu sprechen – der Kollege Krummacher
at bereits einiges dazu erwähnt –: über das Jahr der Geis-
eswissenschaften, das hier schon eine Rolle gespielt hat,






(A) )



(B) )


Swen Schulz (Spandau)

die Förderprogramme des Bundes, die aufgestockt wer-
den, die Arbeit von Stiftungen, das Akademienpro-
gramm, die Verbesserung der Förderung durch die EU,
über die sehr gute Initiative für Forschungskollegs, über
die Zukunft der geisteswissenschaftlichen Zentren, die
mir besonders am Herzen liegen, und über die Zukunft
der kleinen Fächer, die einen besonderen Schutz benöti-
gen.

Lieber Herr Meinhardt, der Antrag der Koalition ist
ein Gesprächsangebot. FDP und Linke haben in ihren
Anträgen Anregungen formuliert. Ich bin mir sicher,
dass unser früherer Koalitionspartner Bündnis 90/
Die Grünen nicht nachstehen wird.

Bei den Geistes- und Sozialwissenschaften geht es
unter anderem ja um Kultur. Vielleicht können wir an
dieser Stelle die politische Kultur ein wenig pflegen und
im produktiven Streit die Geistes- und Sozialwissen-
schaften gemeinsam stärken. Das würde mich freuen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Patrick Meinhardt [FDP] und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] und der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607918100

Der Kollege Jan Korte hat das Wort für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607918200

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Auch ich schließe mich gerne dem produktiven
Diskurs hier an und finde es richtig, dass ein solcher An-
trag, in dem doch einige Dinge zur Situation der Geistes-
und Sozialwissenschaften präzise benannt worden sind,
von Ihnen vorgelegt wurde.


(Jörg Tauss [SPD]: Einige? Klasse Antrag! Richtig gut ist er!)


Auf Seite 3 des Antrags der Koalitionsfraktionen
heißt es – ich zitiere –:

Allerdings birgt die Verschärfung des Wettbewerbs
um öffentliche Mittel die Gefahr, dass die Geistes-
und Sozialwissenschaften gegenüber den als expan-
siv erlebten Natur- und Ingenieurswissenschaften
benachteiligt werden. Eine Ausrichtung der Förde-
rung alleine an Drittmittelquoten wird den Geistes-
und Sozialwissenschaften nicht gerecht.

Das ist zwar durchaus richtig, aber leider ist das nicht
ganz die Wahrheit, sondern Sie treffen haarscharf an ihr
vorbei. So richtig diese Analyse in dem Punkt ansatz-
weise ist: Das Grundproblem – Kollege Schulz, Sie ha-
ben es angesprochen – ist die Ökonomisierung des
Bildungssystems. Gerade in den Sozial- und Geistes-
wissenschaften, die an den Universitäten eine große
Rolle spielen, wirkt sich diese Ökonomisierung von
Lehre und Forschung verheerend aus.

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(C (D Ebenso fehlt ein Verweis auf die Studienbedingunen in den Geistesund Sozialwissenschaften an den eutschen Hochschulen. Ein konkretes Beispiel. Es ist enig förderlich und dient nicht dem Erkenntnisgewinn, enn man zum Beispiel an der Uni Hannover ein sozio ogisches Seminar veranstaltet, einen Lektürekurs zu Das Kapital“ von Karl Marx, drei Bände – man muss ich ein wenig konzentrieren, aber wenn man es verünftig macht, kann man den größtmöglichen Erkenntisgewinn erzielen –, an dem 80 Personen teilnehmen. as ist aber die Realität an den Hochschulen. Das ist eientlich der Kern des Problems. In dem Antrag der FDP ist zu wenig davon die Rede das ist nicht ganz überraschend –, dass man sich da über verständigen muss, was denn die Rolle von Geisesund Sozialwissenschaften in einer Gesellschaft ist. abei – das ist zum Teil schon richtig angesprochen orden – kann es nicht um Verwertungskriterien im ökoomischen Sinne gehen, sondern es muss darum gehen, ritik üben zu lernen; das ist ein Wert an sich. Die Kritik ls solche ist sozusagen der Kern von Geistesund Soialwissenschaften. In dem Antrag kommt leider auch nicht vor, dass es ichtig ist, Analysen greifbar zu machen, Kritik sichtbar u machen, und zwar als Voraussetzung dafür, die Geellschaft zu verändern. Das ist aus unserer Sicht eine riginäre Aufgabe der Geistesund Sozialwissenschafen. Deswegen haben wir als linke Fraktion ebenfalls eien Antrag eingebracht. Uns geht es darum, dass diese ragen langfristig und systematisch diskutiert werden. azu soll nach unserer Vorstellung ein Diskussionsfo um unter dem Titel „Perspektiven der Geistes-, Kulturnd Sozialwissenschaften“ eingerichtet werden. Außerdem ist es dringend erforderlich, sich noch einal genau anzuschauen, was eigentlich der Bolognapro ess für die Geistesund Sozialwissenschaften bedeutet. abei geht es im Kern – es ist natürlich auch eine Ausge taltungsfrage – um Verschulung, um Verschulung von ehre und Studium. Das Hineinpressen in einen Bache orund Masterstudiengang ist gerade bei den Geistesnd Sozialwissenschaften der Erkenntnis – das ist ganz lar – nicht förderlich. Das ist nicht verschulbar. Damit üssen wir uns auseinandersetzen. Ich glaube, dass wir einige Schritte gemeinsam gehen önnen. Es ist ganz wichtig, die Funktion von Geistesnd Sozialwissenschaften in der Gesellschaft noch einal zu diskutieren und zu analysieren und sich jeglichen estrebungen in Richtung ökonomischer Verwertbarkeit on Lehre und Forschung entgegenzustellen. Wir brauchen gerade für die Studentinnen und Stuenten der Geistesund Sozialwissenschaften mehr uße und Zeit; das ist die Mutter der Geistesund So ialwissenschaften. Längere Zeit in der Bibliothek sitzen u können und zu versuchen, mit anderen das zu diskuieren, was man gerade gelesen hat, ist der Kern von Jan Korte Geistesund Sozialwissenschaften. Dafür müssen wir die Bedingungen ändern. Zum Beispiel darf es keine Studiengebühren für ein Langzeitstudium geben. Eine letzte Bemerkung will ich noch machen. Gerade die Studentinnen und Studenten der Geistesund Sozialwissenschaften sind diejenigen, die politisch aktiv sind. Es sind diejenigen, die sich in politischen Interessenvertretungen engagieren. Sie werden aufgrund dieser Studienbedingungen davon abgehalten. Ich hoffe, dass wir in einen Diskurs eintreten können. Wir sind dazu bereit. Es gibt einen alten Lehrsatz, und der ist wahr: Der Geist steht links. (Beifall bei der LINKEN – Irmingard ScheweGerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Herz schlägt links, heißt das!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607918300

Jetzt spricht Krista Sager für Bündnis 90/Die Grünen.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt wollen wir ein Gedicht hören!)



Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607918400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Jahr

der Geisteswissenschaften und die Empfehlungen des
Wissenschaftsrates schaffen gute Voraussetzungen dafür,
deutlich zu machen, dass die Geisteswissenschaften in
Deutschland auch international ein hohes Ansehen ge-
nießen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Sie sind keineswegs nachrangig, sie sind überhaupt nicht
irgendwie defizitär; im Gegenteil: Sie sind unverzicht-
bar. Ich gebe allen recht, die gesagt haben: Der Bedarf an
geistes- und sozialwissenschaftlichen Orientierungsleis-
tungen wird noch höher werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Geisteswissenschaften haben allen Grund, sich
vor dem Hintergrund dieser Feststellungen erhobenen
Hauptes nicht nur in der wissenschaftlichen Community,
sondern auch in der Gesellschaft zu präsentieren. Dass
die Empfehlungen des Wissenschaftsrates von der Bun-
desregierung zügig umgesetzt werden, lässt sich für die
Geisteswissenschaften auf der Habenseite verbuchen.
Aber man wird den Eindruck nicht los, dass sich hinter
diesem Feuerwerk der Sympathiebekundungen für die
Geisteswissenschaften eine große Portion schlechten
Gewissens gegenüber den Stiefkindern der Wissen-
schaftspolitik verbirgt.


(Jörg Tauss [SPD]: Das müssen wir nicht haben!)


– Schauen Sie sich die Länder an! –


(Jörg Tauss [SPD]: Da ja!)


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(C (D ch denke, dieses schlechte Gewissen besteht durchaus u Recht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Professor Lepenies hat bei der Eröffnung des
ahres der Geisteswissenschaften sehr eindrucksvoll er-
lärt, dass sich selbst technische Universitäten in China
öchst lebendige geisteswissenschaftliche Fachbereiche
eisten. In Deutschland geht die Entwicklung längst in
ine andere Richtung.


(Jörg Tauss [SPD]: Eine Schande, aber nicht unser Problem!)


a, wo in Deutschland geklotzt und nicht gekleckert
ird – bei Hightech, Bio- und Gentechnik und jetzt auch
ei der Sicherheitsforschung –, kann im Ernst nicht
irklich die Rede von der vielbeschworenen interdiszi-
linären Einbeziehung der Geisteswissenschaften und
artnerschaft mit diesen sein.


(Jörg Tauss [SPD]: Die haben wir ausdrücklich drin, Frau Sager!)


Ja, auf dem Papier, aber nicht in der Realität.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Nein!)


o positiv die Autonomie der Hochschulen auch ist
ich bin ausdrücklich dafür –: In Deutschland scheint
an der Meinung zu sein, Profilbildung sei, wenn alle

as Gleiche machen. Wie soll eigentlich Profil entste-
en, wenn alle der Meinung sind, die angeblich nützli-
hen Fächer werden gepflegt und die angeblich weniger
ützlichen geisteswissenschaftlichen Fächer werden ge-
upft?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich glaube, dass in Bezug auf dieses Jahr der Geistes-
issenschaften der Prüfstein, ob das nicht nur ein Jahr
es schlechten Gewissens wird, tatsächlich ist, ob es ge-
ingt, verbindliche Vereinbarungen mit den Ländern zu
reffen und konkrete Anreize für den Erhalt der soge-
annten kleinen Fächer zu schaffen. Daran wird sich
ieles messen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


a erwarte ich in der Tat auch von der Bundesministe-
in, dass sie dafür sorgt, dass der Ruf nach dem Erhalt
er kleinen Fächer nicht einfach im föderalen Nirwana
erhallt. Da muss wirklich Butter bei die Fische!

In einer Sache gebe ich meinen Kollegen recht: Wir
rauchen einen viel stärkeren Blick auf die Lehre gerade
n den Geistes- und Sozialwissenschaften. Wenn der
rößte Teil der jungen Leute, die wir von den Universitä-
en ins Berufsleben entlassen, geistes- und sozialwissen-
chaftliche Studien absolvieren, dann kann es nicht sein,
ass nur über die Leistungsfähigkeit in der Forschung
esprochen wird und die Lehre immer weiter aus dem
lick gerät. Deswegen hat Herr Schulz vollkommen

echt: Wir brauchen auch einen Qualitätswettbewerb
ür gute Lehre.






(A) )



(B) )


Krista Sager

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das muss nicht bedeuten, dass eine einzelne Uni ein
Hütchen aufbekommt, sondern man muss wirklich
schauen, wo in Deutschland systematisch und strukturell
etwas für gute Lehre getan wird, und das muss dann
auch honoriert werden. Sonst bekommt die Lehre nicht
den Stellenwert, den sie braucht und den sie verdient hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sollten im Ausschuss gemeinsam darüber bera-
ten, was Bund und Länder dazu beitragen können, dass
das Jahr der Geisteswissenschaften nicht nur ein Jahr der
freundlichen Reden bleibt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607918500

Ich schließe die Aussprache.

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, die Vorlage
auf Drucksache 16/4153 an die in der Tagesordnung auf-
geführten Ausschüsse zu überweisen. Die Vorlagen auf
den Drucksachen 16/4161 und 16/4154 sollen an diesel-
ben Ausschüsse überwiesen werden. – Damit sind Sie
offensichtlich einverstanden. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke, Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Diether
Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN

Dauergenehmigungen für Militärflüge aufhe-
ben

– Drucksachen 16/857, 16/3831 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Karl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg
Dr. Rolf Mützenich
Dr. Werner Hoyer
Wolfgang Gehrcke
Jürgen Trittin

Hierfür ist eine halbe Stunde Debattenzeit vorgese-
hen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so
beschlossen.

Ich erteile das Wort dem Kollegen Niels Annen für
die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Niels Annen (SPD):
Rede ID: ID1607918600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die zuständigen Ausschüsse haben den hier vor-
liegenden Antrag der Fraktion Die Linke gegen die
Stimmen der einbringenden Fraktion einhellig abge-
lehnt. Ich glaube, aus gutem Grund. Denn liest man die-
sen Antrag genau – man muss sich schon ein wenig nä-

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(C (D er damit beschäftigen –, dann kann man zwei Ebenen erausfiltrieren, um die es möglicherweise gehen önnte. Die eine Ebene ist, dass das gültige NATO-Truppentatut verändert werden soll. Es soll von einer generelen Genehmigung von Überflügen der Alliierten zu einer inzelfallprüfung übergegangen werden. Da fragt man ich natürlich – wir haben in diesem Hause schon viele ebatten über Bürokratieabbau gehabt –, ob damit die rrichtung einer neuen Behörde beabsichtigt ist. Aber paß beiseite. Die andere Ebene bezieht sich auf die analtende Debatte um die sogenannten CIA-Geheimflüge n Deutschland. Für uns als gleichberechtigtes und vollwertiges Mitlied der NATO ist es doch im Sinne der Effektivität und er Verlässlichkeit im Bündnis eine absurde Vorstellung, n dieser Stelle das NATO-Truppenstatut verändern zu ollen oder gar aufzukündigen. Denn dadurch würde ein isstrauen innerhalb des Bündnisses zum Ausdruck ommen, was uns bei den bevorstehenden durchaus chwierigen Debatten nicht helfen würde und die Bewäligung der vor uns liegenden Aufgaben nicht leichter achen würde. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN)


Ich komme noch darauf zurück.

Was die Frage der Gefangenentransporte betrifft, so
aben der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung
n Person des Außenministers und der Kanzlerin sich in
iesem Hause sehr ernsthaft dazu geäußert. Es gibt einen
ntersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages,
essen Einsetzung – dies geschah im Hinblick auf die of-
enen Fragen, die Sie zu Recht ansprechen – beispiels-
eise vom Europäischen Parlament ausdrücklich gelobt
urde. Gleichzeitig waren diese Transporte mehrfach
egenstand von Gesprächen der Kanzlerin und des Au-
enministers mit der amerikanischen Außenministerin
nd der amerikanischen Administration. Dabei hat die
eutsche Seite immer wieder betont, dass der internatio-
ale Terrorismus in der Tat entschlossen bekämpft wer-
en muss, dies aber im Hinblick auf die Wahl der Mittel
ein Persilschein bedeutet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Alle Maßnahmen – dieser Punkt ist für die Diskussio-
en, die uns noch bevorstehen, wichtig – müssen mit de-
okratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien vereinbar

ein und dem Recht der jeweiligen Länder sowie dem in-
ernationalen Recht uneingeschränkt Rechnung tragen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ch will hinzufügen – Sie werden das sicherlich noch er-
ähnen –, dass das selbstverständlich auch für unsere
erbündeten in den Vereinigten Staaten gilt.

Ganz generell gesprochen: Wir müssen uns darauf
erlassen können, dass die USA bilaterale Verträge






(A) )



(B) )


Niels Annen
ebenso achten wie das Regime des Völkerrechts und der
Menschenrechte; denn der Kampf gegen den Terroris-
mus bedarf nicht nur militärischer Mittel, sondern vor
allem auch der Legitimität der eingesetzten Mittel. Ge-
nau darum geht es.

Nach der Lektüre dieses Antrages habe ich allerdings
manchmal den Eindruck gehabt – Kollege Gehrcke, wir
haben unterschiedliche politische Ansichten; aber Sie
wissen, dass ich Ihre Arbeit sehr schätze –, dass es Ihnen
in diesem Antrag um eine ernsthafte Diskussion gar
nicht geht. Er stellt sich im Grunde genommen in die
Reihe von Vorwürfen, die auch in diesem Hause immer
wiederholt worden sind. Beispielsweise haben Ihre Frak-
tionsvorsitzenden behauptet, dass es eine doppelzüngige
Politik der alten rot-grünen Bundesregierung gegeben
habe und dass die Ablehnung des Irakkrieges über-
haupt nicht ernst gemeint gewesen sei.

Ich will hier klarstellen: Die sozialdemokratisch ge-
führte Bundesregierung hat sich nicht in blinder Gefolg-
schaft der sogenannten Koalition der Willigen ange-
schlossen. Deutschland hat sich eben nicht an dem
völkerrechtswidrigen Irakkrieg beteiligt, auch wenn das
hier immer wieder suggeriert wird. Sie hat auch die fal-
sche Entscheidung der amerikanischen Regierung – so
wird es inzwischen auch vom amerikanischen Kongress
gesehen – kritisiert.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Bundeskanzler Schröder hat in der elementaren Frage
von Krieg und Frieden für den Frieden votiert. Ich stehe
nicht unbedingt in dem Verdacht, jede Entscheidung von
Gerhard Schröder immer nur verteidigt zu haben. Aber
ich will an dieser Stelle eines sagen, weil immer der Ein-
druck erweckt wird, wir würden nicht ehrlich argumen-
tieren: Die Politik der rot-grünen Regierung war klar und
transparent und wurde in diesem Hause vorgestellt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der LINKEN)


– Warten Sie es ab, Herr Kollege Gehrcke! Ich kann Ih-
nen das vorlesen. Ich zitiere Gerhard Schröder. Er hat an
dieser Stelle gesagt:

Solidarität, wie wir sie geleistet haben und nach wie
vor leisten, schafft aber auch das Recht, ja die
Pflicht, zu differenzieren.

… Und uns eint eine Freundschaft,

– mit den Vereinigten Staaten –

die auf gegenseitigem Respekt und der Verfolgung
gemeinsamer Ziele beruht und in der wir deshalb zu
unterschiedlichen Meinungen kommen und dies er-
tragen können.

Er hat hinzugefügt: Wir machen dieses Abenteuer nicht
mit; aber wir stehen zu unseren Bündnispflichten. Wir
stehen zur Kooperation mit den entsprechenden Stellen
der Vereinigten Staaten. – Daraus hat nie irgendjemand
einen Hehl gemacht.

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(C (D iesen Eindruck erwecken Sie wissentlich, und der ist alsch. Eine einseitige Reduzierung der Außenpolitik auf miitärische Mittel lehnen wir ab. Dass das richtig ist, zeigt och – ich sage das ohne jegliche Befriedigung darüber, ass sich die Position als richtig erwiesen hat – die Gechichte im Irak, die entsetzlichen Bilder, das Chaos, mit em wir es zu tun haben. Wir tragen dort Verantwortung; a kann es gar keine Frage geben. Die deutsche Regierung definiert Sicherheit umfasender. Sicherheitspolitik wird seit Rot-Grün – ich sage usdrücklich, dass ich sehr froh bin, dass wir uns darüber uch in der neuen Regierung verständigen konnten und roße Schritte in die richtige Richtung gemacht haben von der deutschen Regierung nicht allein mit militäri chen Mitteln verfolgt – wo es notwendig ist, erfolgt ine militärische Absicherung –, sondern auch mit diploatischen Mitteln und vor allem mit entwicklungspoliti chen und zivilen Instrumenten. Die Regierung hat die entsprechenden Mechanismen icht nur proklamiert, sondern sie auch praktisch umgeetzt. Für Deutschland steht im Mittelpunkt, den Menchen in den Ländern, die von Krieg und gewalttätigen onflikten betroffen sind, wieder eine Perspektive für ine friedliche Zukunft zu bieten. Dazu gehören zentral er Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und die nterstützung derjenigen, die sie aufbauen müssen und olizeiliche Aufgaben wahrnehmen; Sie kennen unsere rogramme. Nur ein staatliches Gewaltmonopol, das and in Hand mit sozialer Gerechtigkeit und der Wah ung der Menschenrechte geht, hat eine Chance auf angfristige Stabilität; an dieser Stelle sind wir uns, laube ich, wirklich einig. Failing States, wie sie im Irak oder in Somalia enttanden sind, versinken nicht nur im Chaos. Die Menchen wenden sich auch radikalen Kräften zu. Deswegen timme ich dem zu, was Außenminister Steinmeier beipielsweise in Bezug auf Afghanistan gesagt hat: Da, wo tabilisierungserfolge ausbleiben, nutzen die Taliban ben ihre Chance und an anderer Stelle entsprechend anere terroristische Gruppierungen, indem sie sich maßeblich als Beschützer der Bevölkerung aufspielen. Einsätze der Bundeswehr – auch im Rahmen der ATO; darum geht es ja hier – wurden daher auch unter ieser Vorgabe neu orientiert, und die Zusammenarbeit it zivilen Akteuren wurde intensiviert und abge timmt. Entwicklungen wie im vergleichbar ruhigeren orden in Afghanistan – das bedeutet nicht ruhig –, in em sich die Bundesrepublik Deutschland seit fünf Jahen engagiert, zeigen, dass der Ansatz, zivile und militäische Komponenten zusammenzubringen, richtig ist. Das alles ist ein mühsames Geschäft. Es bedarf dafür agtäglicher diplomatischer Bemühungen und der Bereitchaft zahlreicher Menschen, sich als Soldatinnen und oldaten sowie als Entwicklungshelfer und Polizisten Niels Annen einzusetzen. Dieses Haus sollte diesen Menschen dafür dankbar sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


Die Bundesregierung unterstützt diese Menschen mit
Rat und Tat, und sie führt die notwendige Diskussion
über die Frage, wie wir unser Engagement weiterentwi-
ckeln können.

An dieser Stelle möchte ich auf die NATO und die
Frage zu sprechen kommen, was Bündnisverpflichtung
eigentlich bedeutet. Wir haben – das ist noch gar nicht
lange her – auf der Sicherheitskonferenz in München
eine Rede von Gerhard Schröder – Peter Struck hat sie
damals vorgetragen – gehört. Er hat vernünftigerweise
darauf hingewiesen, dass die Zukunft des Bündnisses
auch davon abhängt, ob wir die notwendigen strategi-
schen Debatten – es gibt Anlass, diese zu führen – auch
wirklich gemeinsam im transatlantischen Kontext be-
wältigen. Die Bundeskanzlerin hat diesen Gedanken ein
Jahr später aufgegriffen. Wir führen diese Debatte heute.
Man kann ja über die eine oder andere Entscheidung un-
terschiedlicher Meinung sein. Aber wir haben auf dem
NATO-Außenministertreffen eine Diskussion über die
richtige Strategie für Afghanistan geführt. Wir haben die
Politischen Direktoren nach Berlin eingeladen und mit
ihnen die Situation erörtert.

Es geht doch darum, dass Bündnisverpflichtungen
nicht, wie das manchmal suggeriert wird, bedeuten, dass
wir unsere Souveränität an den Nagel hängen würden.
Das ist übrigens eine Argumentation, die mit der einen
oder anderen auch in Deutschland verbreiteten Auffas-
sung manchmal auf gefährliche Art und Weise spielt.
Das sollten wir an dieser Stelle nicht tun. Wir brauchen
eine vernünftige Diskussion über die Weiterentwicklung
der Strategie der NATO


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


und keinen billigen Populismus, im Rahmen dessen im
Übrigen Vorschläge unterbreitet werden, die vollkom-
men unpraktikabel sind. Ich glaube, dass der Deutsche
Bundestag gut beraten wäre, dem Vorbild der zuständi-
gen Ausschüsse zu folgen und den vorliegenden Antrag
abzuweisen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607918700

Dr. Rainer Stinner spricht jetzt für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1607918800

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ihnen von der Linksfraktion muss man eines las-
sen: Sie sind konsequent. Sie wollen die NATO zerstö-
ren. Das versuchen Sie mit einer ganzen Reihe von An-
trägen, auch heute.

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(C (D (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


ir hingegen glauben, dass die NATO nicht zerstört
erden sollte. Deshalb werden wir Ihren Antrag heute

blehnen.


(Beifall bei der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Auch konsequent!)


Auch das ist konsequent, richtig.

Wir glauben, dass durch die Befolgung Ihres Antra-
es die Bündnisfähigkeit unseres Landes nachhaltig, und
war gravierend, vermindert würde. Sie stellen Ihren
ntrag, um genau das zu erreichen; das ist uns bekannt.
ummerweise haben Sie für ein multilaterales Sicher-
eitssystem – im Gegensatz zur NATO – keinerlei Kon-
epte vorgelegt.


(Zuruf von der LINKEN: Die UN!)


ine Zerstörung der NATO, die Ihr Antrag impliziert,
edeutete, dass wir in der Außen- und Sicherheitspolitik
ine Renationalisierung erleben würden. Davon haben
ir in Deutschland nun wirklich die Nase voll.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Ein für alle Mal!)


eshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.

Gleichwohl verkenne ich nicht, dass Sie in Ihrem An-
rag ein wichtiges Thema angesprochen haben, nämlich
ie Frage, wie wir mit Bündnispartnern umgehen, deren
erhalten im Einzelfall für uns unakzeptabel ist. Für
eine Fraktion steht außer Zweifel – ich glaube, das gilt

ür die meisten Fraktionen –, dass das bei den sogenann-
en CIA-Flügen der Fall ist.

Wenn wir sagen: „Wir brauchen die NATO als Bünd-
is“, stehen wir als getreuer Bündnispartner vor der Ab-
ägung, wie weit die Bündnissolidarität gehen muss,
amit die NATO handlungsfähig bleibt, und wie weit sie
ehen darf, wenn unsere Werte beeinträchtigt zu werden
rohen. Das ist eine Frage, mit der wir uns beschäftigen
üssen. Das betrifft aber, wie wir alle wissen, nicht nur

as NATO-Zusatzabkommen. Das ist das geringste Pro-
lem. Wir alle wissen, dass die CIA-Flüge auch durch
ündigung des Abkommens nicht verhindert worden
ären. Sie sind nämlich in keiner Weise durch beste-
ende Abkommen mit unseren Bündnispartnern ge-
eckt. Wir erwarten, dass die Bundesregierung das deut-
ich macht; das tut sie ja auch.

Das Thema CIA-Flüge wird im Untersuchungsaus-
chuss behandelt werden. Wir erwarten, dass nach Ab-
chluss dieses Ausschusses klare Erkenntnisse und ent-
prechende Vorschläge vorliegen, wie wir dafür sorgen
önnen, dass Bündnispartner getroffene Regeln einhal-
en. Ich sage hier sehr deutlich: Es ist für uns inakzepta-
el, dass Deutschland ein Transitland für Gefangenen-
ransporte im rechtsfreien Raum ist und bleiben wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])







(A) )



(B) )


Dr. Rainer Stinner
Ich möchte deutlich machen, worauf es bei einer Pro-
blemlösung, an der Sie gar kein Interesse haben, an-
kommt.


(Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


– Ich nehme nur zur Kenntnis, wie Sie hier agieren. – An
einer Problemlösung haben Sie kein Interesse. Sie haben
ein Interesse an der Zerstörung der NATO. Bei einer
Problemlösung geht es aber nicht darum, Vereinbarun-
gen aufzukündigen, sondern politisch zu agieren. Ich
glaube, dass das der richtige Weg ist.

Die jetzige Bundeskanzlerin proklamiert nicht nur auf
Marktplätzen Menschenrechte; sie spricht die Dinge
auch im Einzelfall an. Damit hat sie Erfolg, wie wir bei
Herrn Kurnaz gesehen haben. Dieses Vorgehen bzw.
Nichtvorgehen einer Regierung beschäftigt uns alle
nachhaltig. Herr Annen, es ist sympathisch, dass Sie das
damalige Vorgehen Ihrer Regierung verteidigt haben. Ich
glaube nicht, dass Ihre heutige Präsentation eine durch-
schlagende Wirkung haben wird, aber das muss die Öf-
fentlichkeit beurteilen.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Wir können ja noch einmal über das Thema Irakkrieg diskutieren!)


– Es mag sein, dass Sie dem nicht ganz zustimmen, je-
denfalls nicht zustimmen können. Ich verstehe das.

Im Rahmen der NATO wird nicht nur darüber disku-
tiert, was wir machen, sondern auch, wie wir es tun, Herr
Gehrcke. Die Diskussion darüber ist längst überfällig,
sie hat aber begonnen. Das halten wir für richtig und
wichtig. Diese Diskussion müssen wir natürlich fortset-
zen. Ich verhehle nicht, dass die Erklärung von Riga
nur ein erster Schritt gewesen ist. Weitere Schritte müs-
sen folgen, insbesondere was das Vorgehen der NATO in
Afghanistan angeht. Das werden wir entsprechend ein-
fordern.

Im Gegensatz zu Ihnen wollen wir ein handlungsfähi-
ges Bündnis, das rechtsstaatliche Prinzipien nicht nur
predigt, sondern selbst befolgt. Unser Weg ist der bes-
sere. Das ist besser, als durch Kündigungen von Verträ-
gen die Handlungsfähigkeit zu zerstören. Deshalb leh-
nen wir Ihren Antrag ab.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607918900

Das Wort hat der Kollege Karl-Theodor Freiherr zu

Guttenberg für die CDU/CSU-Fraktion.


(CDU/ CSU)


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Die Menschen in unserem Land erwarten, dass
in diesem Hause substanzielle Themen debattiert wer-
den. Die beiden letzten Redebeiträge haben diesen An-
spruch erfüllt. Herr Gehrcke, Ihr Antrag erfüllt diesen
Anspruch in unseren Augen leider nicht. Sie haben ja

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(C (D achher noch die Möglichkeit, das eine oder andere dazu u sagen. Ich bin sehr gespannt darauf, ob die Punkte, ie ich versuche zu benennen und die sich im Wesentlihen auf den Antrag beschränken, ausgehebelt werden önnen. Ihr Antrag ist zunächst einmal ein weiterer Beitrag nter der Rubrik – die gibt es bei Ihnen nicht zum ersten al –: Wie banne ich möglichst viele antiamerikanische essentiments auf eine Antragsseite? nter diesem Aspekt kann ich Ihnen nur gratulieren. Das st Ihnen diesmal in herausragender Weise gelungen, ringt uns aber dem Anspruch der Substanz alles andere ls näher. Dieser Ort hat es nicht verdient, zur Plattform on Verunglimpfungen und Beleidigungen unserer ündnispartner zu werden, egal welcher Bündnispartner. ritik ja – die müssen auch wir immer wieder äußern; as sollten wir gelegentlich einmal etwas lauter tun –, eleidigung nein! ie bewegen sich hier wirklich am Rande der Beleidiung. Im Grunde haben Sie die Schwelle zur Beleidiung überschritten. Bereits im Feststellungsteil Ihres Antrages überchreiten Sie mit Ihren Argumenten einige Grenzen des uten Stils, des guten Geschmacks und in meinen Augen etztlich auch der Redlichkeit. Es steht außer Frage Kollege Annen hat es angesprochen; Kollege Stinner at es ebenso benannt –, dass die Vereinigten Staaten geade im Rahmen ihres selbst proklamierten Krieges geen den Terror – ich bin weiterhin sehr unglücklich über iesen Begriff – gelegentlich auf Mittel zurückgreifen, ie unserem Rechtsverständnis fremd sind. Ich bin dankar, dass diese Bundesregierung, die Bundeskanzlerin, ber auch viele Abgeordnete aus diesem Hause wiederolt darauf hingewiesen haben, und zwar auch bei unseen Bündnispartnern, allerdings in einem anderen Tonall, in einem anderen Stil und damit auch mit einer nderen Wirksamkeit als Sie mit Ihrem Antrag. Diesen nterschied sollten wir darstellen. Ich betone, dass es im Umgang mit Partnern wie mit ich selbst – das bezieht sich auf das, was wir gestern leen durften – mit Blick auf die Wahrung unseres Rechtstaatsverständnisses keine bewussten Nachlässigkeiten eben kann und darf. Die dürfen wir uns alle nicht leisen. Die darf sich keine Regierung leisten und die dürfen uch wir uns im Umgang mit unseren Partnern nicht leisen. Bei einigen Formulierungen in Ihrem Antrag hat man bei aller Bereitschaft zu konstruktiver Kritik – das Geühl, dass die Schwelle zur Unerträglichkeit schlicht berschritten ist. Sie unterstellen der Bundesregierung so steht es in Ihrem Antrag –, sie würde „die Vorberei ung auf einen Angriff auf den Iran“ unterstützen. Herr ehrcke, das wissen Sie nun wirklich besser. Zum einen ürde ich mich freuen, wenn Sie mir nachher in Ihren ier Minuten Redezeit – das ist natürlich nicht furchtbar iel Zeit – Beweise für Ihre Behauptung vortragen wür Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg den, die über das hinausreichen, was möglicherweise der eine oder andere Journalist in den Vereinigten Staaten schreibt. Mit Blick auf die Vereinigten Staaten ist dieser Vorwurf reichlich verwegen, mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland ist er schlichtweg absurd. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


Sie schreiben dann – es wird in diesem Antrag immer
besser –: Ramstein und die anderen Stützpunkte der US-
Streitkräfte in Deutschland hätten sich „zu den wichtigs-
ten Drehscheiben für völkerrechtswidrige Kriege und
andere US-Militäreinsätze entwickelt“.


(Zuruf von der Linken: Ist es nicht so?)


Dieser Satz im Antrag lohnt im Grunde nicht einmal der
Kommentierung.


(Zuruf von der Linken: Oder fällt Ihnen dazu nichts ein?)


– Ihnen fallen wahrscheinlich noch bemerkenswertere,
noch unerträglichere Formulierungen dazu ein, obwohl
Sie eigentlich schon die Grenze dessen, was man sich
vorstellen könnte, überschritten haben.

Betrachten wir einmal den Kontext. Sind völker-
rechtswidrige Kriege letztendlich eine Unterkategorie
von US-Militäreinsätzen?


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)


– Herr Gehrcke, ich glaube Ihnen, dass Sie so denken.
Das entspricht bemerkenswerterweise einer langen Tra-
dition. Damit sind Sie im Grunde konsequent – und ver-
antwortungslos. So muss man es nämlich sehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Jetzt kommen Sie mit dem Völkerrecht. Herr
Gehrcke, Sie erheben gegenüber der Bundesregierung
den durchaus massiven Vorwurf, diese habe gegen das
NATO-Truppenstatut verstoßen; in Ihrem Antrag ist von
„eindeutigen Bestimmungen“ die Rede. Eine Konkretisie-
rung dieses Vorwurfs bleiben Sie uns in Ihrem Antrag
schuldig. Sie benennen keine konkrete Norm, keinen Arti-
kel. Wir können in Ihrem Antrag nichts Näheres darüber
lesen, wogegen die Bundesregierung verstoßen haben
soll. Ich bitte Sie herzlich, uns das in Ihren vier Minuten
Redezeit zu erklären. Doch wahrscheinlich bleiben Sie
uns die Konkretisierung aus gutem Grunde schuldig.
Können Sie uns diese „eindeutigen Bestimmungen“
überhaupt nennen? Mich würde das interessieren; die
Benennung des Artikels, der Vorschrift, der entsprechenden
Rechtsgrundlage reicht bereits. Es wäre sicher etwas
weit hergeholt, zu behaupten, dass Ihr Schweigen damit
zusammenhängen könnte, dass es in besagtem Statut
keine Bestimmung über die Nutzung des Luftraums gibt.
Vielleicht sollten Sie die besagten Vertragswerke erst
einmal lesen, bevor Sie der Bundesregierung Rechtsbruch
vorwerfen; das wäre doch die Voraussetzung dafür.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



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(C (D Ich darf Ihnen ganz herzlich für die Information danken damit haben Sie einen Beitrag zu unserer Bildung leisten ollen –, dass Deutschland nach dem Chicagoer Luft ahrtabkommen die Hoheit über seinen Luftraum ausübt. igentlich wissen wir das; doch immerhin hat es die eite Ihres Antrags gefüllt. Sie beschränken sich schließlich nicht darauf, zu ordern, dass erteilte Dauergenehmigungen für Militärlugzeuge – Herr Annen hat das schon angesprochen –, lso für Flugzeuge, die in Deutschland landen, sowie für olche, die es nur überfliegen, nicht zu verlängern seien. ie fordern gar, anzustreben, dass – ich zitiere – jegliche Bewegungen der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Truppen … in jedem Einzelfall der Genehmigung durch die zuständigen deutschen Stellen bedürfen … (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist Rechtsnorm!)


Rechtsnorm vielleicht. Aber das ist doch eine geradezu
roteske Vorstellung, Herr Gehrcke. Jede Truppenbewe-
ung zu genehmigen, ist unglaublich praktikabel, nicht
ahr? Unter diesen Praktikabilitätsgesichtspunkten
önnte man Ihre Forderung möglicherweise diskutieren.

Meine beiden Vorredner haben es schon gesagt: Es
eht Ihnen mit diesen Forderungen eigentlich um eine
estabilisierung der NATO. Herr Stinner ist da noch
eiter gegangen – ich kann mich dem nur anschließen –:
s geht Ihnen um eine völlige Marginalisierung der
ATO. Gleichzeitig verunmöglichen Sie damit einen
ewissen Wirkungsbereich unserer Bundeswehr. Das
ag mit diesem Antrag auch intendiert sein. Bestenfalls

st es Ihnen egal. Ebenso egal sollte uns Ihr Antrag sein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607919000

Jetzt hat der Kollege Gert Winkelmeier das Wort.


Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607919100

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

enn ein Buchhalter eine Bilanz aufhübscht, wandert er
afür nach § 331 HGB ins Gefängnis. Für deutsche Poli-
iker gelten offensichtlich andere Maßstäbe. Bis heute
ulden die jeweiligen Bundesregierungen, dass die US-
treitkräfte von ihren Stützpunkten in Deutschland aus-
ehend, insbesondere von Ramstein, Krieg gegen den
rak führen – ohne juristische Konsequenzen –, einen
rieg, der vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen nicht

egitimiert wurde, also völkerrechtswidrig ist. Die Stütz-
unkte in Deutschland sind den USA jedoch ausschließlich
ür die in Deutschland für den NATO-Verteidigungsauftrag
tationierten Truppen überlassen worden. Nur in diesem
ahmen dürfen Verbündete ohne Einzelfallgenehmigung
nseren Luftraum nutzen. So sieht es das Zusatzabkommen
um NATO-Truppenstatut von 1994 vor.

Die Bundesregierung wusste bereits beim Truppen-
ufmarsch gegen den Irak im Jahre 2002, dass die USA






(A) )



(B) )


Gert Winkelmeier
einen von der Charta der Vereinten Nationen nicht
gedeckten Angriffskrieg planten. Trotzdem verkündete

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1607919200


Wir haben nicht vor, die Bewegungsfreiheit unserer
Freunde einzuschränken.

Gegen ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes
des Bundestages begründete er dies mit Bündnisver-
pflichtungen. Auf rechtliche Einwände antwortete er:

Hier geht es nicht um Juristerei, sondern um Politik.

Offensichtlich hat Herr Schröder mit dieser unverfrorenen
Aufkündigung des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz – keine
Politik außerhalb des Rechts – auch für die neue Bundes-
regierung Maßstäbe gesetzt. Es scheint, dass wir es seitdem
mit einer „Na-und-Politik“ zu tun haben. Ich nenne zwei
Beispiele: Verbringung mutmaßlicher Terroristen mit als
zivil registrierten Flugzeugen im Regierungsauftrag aus
den USA über Deutschland in osteuropäische oder nord-
afrikanische Folterkeller – na und? Verurteilung der
Gewährung von Überflugrechten zur Führung des Irak-
krieges durch den zweiten Wehrdienstsenat in der Dis-
ziplinarsache des Majors Pfaff – na und? Es gab keine
Konsequenzen.

Auch nach den Erkenntnissen des Untersuchungs-
ausschusses des Europäischen Parlaments wegen ille-
galer CIA-Aktivitäten in Europa ist die Bundesregierung
ihrer Pflicht aus Art. 25 des Grundgesetzes, Verstöße
verbündeter Staaten gegen das Völkerrecht auf deutschem
Hoheitsgebiet zu verhindern, nicht nachgekommen.
Wenn sich unsere Regierungen aus Opportunismus,
Feigheit oder welchen Gründen auch immer nicht an
Recht und Gesetz halten, dann müssen wir, das Parlament
– also der Gesetzgeber –, ihnen Fußfesseln anlegen,


(Beifall bei der LINKEN)


sozusagen zur Generalprävention, damit Verfassungsbruch
nicht zum Gewohnheitsrecht wird. Deswegen sollten wir
den Forderungen im Antrag der Linksfraktion zustimmen,
keine Pauschalgenehmigungen mehr für Flüge auslän-
discher Streitkräfte zu gewähren und das Zusatzab-
kommen zum NATO-Truppenstatut neu zu verhandeln.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607919300

Jetzt spricht Wolfgang Gehrcke für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607919400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Kollege Niels Annen hat völlig Recht, wenn er da-
von ausgeht, dass ich persönlich und, wie ich hoffe, auch
meine Fraktion ein tiefes und meines Erachtens begrün-
detes Misstrauen in die Politik der USA haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist keine Frage; er hat völlig recht. Dieses Misstrauen
ist auf Erfahrung begründet. Nicht nur wir empfinden es,
sondern auch ein Großteil der Bevölkerung unseres Landes.

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(C (D Sie haben bereits deutlich gemacht, was das Ziel unsees Antrages ist, und ich betone es noch einmal: Ich öchte, dass damit Schluss gemacht wird, dass der deut che Luftraum, das Territorium unseres Landes, als rehscheibe für völkerrechtswidrige Kriege und den ransport von Menschen, die gefoltert und misshandelt erden, gebraucht bzw. missbraucht wird. Dies zu beenen, ist unser Ziel. Der Bundestag sollte ein Interesse aben, das zu beenden. Ich schäme mich für die Politik der USA, auch wenn ch sie nicht zu verantworten habe. Wie bezeichnet man in Land, das Menschen in Ketten legen, schlagen und oltern lässt? in solcher Staat ist ein Folterstaat und ein Terrorist. Das uss man klar aussprechen und vor allem abstellen. ch schäme mich dafür, dass Deutschland einer solchen olitik Beihilfe geleistet hat. Ich glaube, man muss noch einmal klar die bekannten rennlinien aufzeigen. Ich verweise auf das Urteil des undesverwaltungsgerichts, das Sie hier nie kommen ieren, wenn wir über die Rechtsgrundlagen diskutieren. (Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/ CSU]: Welche haben wir denn?)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Hüseyin-Kenan Aydin [DIE LINKE]: Terror!)


(Beifall bei der LINKEN)


as Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Falle des
ajors Pfaff lautet, dass der Krieg gegen den Irak völker-

echtswidrig war und dass die rot-grüne Regierung unse-
es Landes Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen
rieg geleistet hat. Das ist etwas,


(Beifall bei der LINKEN)


u dem Sie sich nie geäußert haben. Sie müssen sich
ber damit auseinandersetzen.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich haben wir was dazu gesagt! Hört doch zu!)


ass sich die rot-grüne Bundesregierung vom Bundes-
erwaltungsgericht vorhalten lassen muss, Beihilfe zu
inem völkerrechtswidrigen Krieg geleistet zu haben, ist
chlimm. Mit der übrigen rot-grünen Menschenrechts-
olitik beschäftigen sich derzeit zwei Untersuchungsaus-
chüsse. Das ist die Bilanz Ihrer Politik.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Unser Antrag zielt in einer relativ bescheidenen For-
erung darauf, mehr Kontrolle auf deutscher Seite über
as zu gewinnen, was in unserem Land passiert. Wir
ollen, dass man von der Ausnahmeregelung, eine
auergenehmigung zu erteilen, zu der Rechtsnorm der
inzelregelungen mit allen Folgen zurückkehrt.

Man muss hier auch festhalten, dass wir hier nicht nur
uf die Vergangenheit bezogen diskutieren. In Washington






(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
und in vielen Orten dieser Welt wird auf allen Fluren
davon gesprochen, dass nicht ausgeschlossen werden
kann – das wissen Sie sehr genau, wahrscheinlich besser
als ich –, dass sich Präsident Bush, was den Iran angeht,
wieder für einen Krieg entscheidet. Ich erwarte von der
Bundesregierung, dass jetzt klar gesagt wird: Sollte ein
solcher Umstand eintreten, startet kein amerikanisches
Flugzeug mehr von Ramstein aus, werden keine Gefan-
genen mehr transportiert, wird diesmal keine Beihilfe
geleistet.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist also ein Präventivantrag, weil wir eine große
Sorge haben. Ich sage Ihnen: Einen weiteren Krieg wie
den gegen Irak, einen Krieg gegen den Iran, einen weiteren
Militärschlag wird die Welt nicht aushalten. Deshalb
muss man rechtzeitig Zeichen setzen: mindestens ein
„Ohne uns“, am besten ein „Dagegen“.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607919500

Herr Kollege Gehrcke, möchten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Freiherr zu Guttenberg zulassen?


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607919600

Ja, gern.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607919700

Bitte schön.


Frhr. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU):
Rede ID: ID1607919800

Herr Kollege Gehrcke, dürfte ich Sie noch einmal bit-

ten – ohne Sie dabei in der Polemik unterbrechen zu
wollen –, mir die Rechtsgrundlage zu nennen, die ich
bezüglich des Truppenstatuts erfragt habe?


Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607919900

Das Truppenstatut – das ist ja ein Beistandspakt, der

geschlossen worden ist – gestattet nicht, dass Truppen
ohne die Genehmigung unseres Landes bewegt werden;
das ist die Regel. So etwas muss vorher angemeldet und
genehmigt werden. Das kann man durch eine Dauer-
genehmigung ersetzen, muss man aber nicht. Das Statut
gestattet aber nicht, dass diese Truppen in völkerrechts-
widrigen Kriegen eingesetzt werden. Das ist eine ganz
klare Bestimmung.


(Beifall bei der LINKEN – Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg [CDU/CSU]: Wo steht das? Artikel!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607920000

Jetzt hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen der

Kollege Jürgen Trittin.


Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607920100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

finde nicht, dass man, wenn man zum Beispiel die
Anwendung von Folter – das hat es gegeben – kritisiert,
antiamerikanisch ist. Ich finde aber auch nicht, dass man

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(C (D inen Staat, der über eine funktionierende Demokratie nd über ein funktionierendes rechtliches System, auch erichtssystem, verfügt und die Fähigkeit zur Selbstorrektur hat, umstandslos als einen Terrorstaat hinstellen ann. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


ieber Wolfgang Gehrcke, damit nimmt man an dieser
telle auch ein Stück der Wirksamkeit der eigenen Kritik
eg.

Ich teile ja Ihre Auffassung in manchen Ihrer Ansätze.
ber was würde eigentlich anders werden, folgte man

hrem Vorschlag? Glaubt irgendjemand, dass die USA,
enn sie Ramstein nicht hätten nutzen können, auf den

rakkrieg verzichtet hätten? Das ist eine durchgehend naive
orstellung.

Ihnen geht es gar nicht darum, diesen Krieg oder ei-
en potenziellen neuen Krieg gegen den Iran zu unter-
inden.


(Zuruf von der Linken: Nur die Beihilfe!)


ieser Antrag ist nur dazu da, zu insinuieren, dass die
amalige Bundesregierung die Amerikaner nicht daran
ehindert hat, diesen Krieg zu führen und damit mit-
chuldig geworden ist. Das ist die ganze Polemik, die
inter diesem Antrag steht.

Ich sage das in aller Ruhe: Ich lasse mir diesen Schuh
icht anziehen. Ich glaube, dass man im Rahmen einer
ernünftigen Politik die USA für die Menschenrechts-
erletzungen und die Folter nachdrücklich kritisieren
ann. Gleichzeitig muss man aber im Hinterkopf haben,
ass man wahrscheinlich keines der Probleme dieser
elt ohne einen multilateralen Ansatz lösen kann, der

icht auch die Bereitschaft der Einbeziehung der USA
einhaltet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Damit komme ich zu einem Punkt, der vielleicht ein
isschen ernster ist und Sie zum Nachdenken bringen
ollte. Natürlich ist die NATO von heute nicht mehr die
ATO der späten 80er-Jahre, der die NATO der Nach-

üstung. Sie hat sich in dieser Hinsicht völlig verändert.
iemand glaubt mehr an eine Bedrohung aus dem Os-

en. In der Anfangszeit wurde eine Funktion der NATO
ie folgt beschrieben: „to keep the Germans down and

o keep the US in“.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: „And the Russians out“!)


Diese Funktion relativiert sich gerade, beispielsweise
urch die Partnerschaft für den Frieden.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)


Hinter diesem Satz steht sicherlich eine wichtige Er-
enntnis. Allerdings haben Sie, meine Damen und Her-
en von der Linksfraktion, noch immer nicht gelernt,
ass wir in der Außen- und Sicherheitspolitik auf






(A) )



(B) )


Jürgen Trittin
Systeme multilateraler Absicherung angewiesen sind.
Das beinhaltet beispielsweise Veränderungen der Funkti-
onsweise von regionalen Bündnissen wie der NATO und
der Europäischen Union sowie die Einbindung der Au-
ßenpolitik in das System der Vereinten Nationen. Aber
was ist das Gemeinsame solcher Einbindungen? Solche
Einbindungen gehen immer mit der Abtretung von
Souveränitätsrechten der Nationalstaaten einher. Was
mich bei Ihnen von der Linkspartei so stört, ist, dass Sie
mit schöner Regelmäßigkeit bei jedem Konflikt, den es
gibt, nicht die Sache kritisieren, sondern immer den
Punkt herausgreifen – sei es, ob es um Afghanistan geht,
oder sei es, ob es um das zur Diskussion stehende Thema
geht –, dass Deutschland Hoheitsrechte an andere, an
multilaterale Institutionen abgibt. Es tut mir leid, aber
das halte ich nicht für links. Ständig zu kritisieren, dass
wir Hoheitsrechte verlieren, ist nicht links, sondern na-
tionalistisch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Lieber Wolfgang Gehrcke, ich weiß, dass Sie persön-
lich das besser wissen. Aber Sie täten innerhalb der
Linkspartei gut daran – gerade mit Blick auf bestimmte
Veränderungen in diesem Land –, darüber nachzuden-
ken, wie man Ihre Kritik an Menschenrechtsverletzungen
und einer verfehlten Politik der USA gegenüber dem Iran
so in reale Politik umsetzen kann, dass daraus nicht eine
nationale Geisterfahrt wird, sondern eine wirklich ver-
antwortungsvolle internationale Politik. Diese program-
matische Weiterentwicklung haben Sie noch vor sich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607920200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa-
che 16/3831 zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit
dem Titel „Dauergenehmigungen für Militärflüge aufhe-
ben“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksa-
che 16/857 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des Hau-
ses gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke sowie des
fraktionslosen Abgeordneten Gert Winkelmeier ange-
nommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Achten
Gesetzes zur Änderung des Versicherungsauf-
sichtsgesetzes sowie zur Änderung des
Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes und an-
derer Vorschriften

– Drucksachen 16/1937, 16/2210 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 16/4191 –

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1)

(C (D Berichterstattung: Abgeordnete Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Ulrich Krüger Dr. Gerhard Schick Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion des Bündisses 90/Die Grünen vor. Für die Aussprache ist eine albe Stunde vorgesehen. Die Reden sind zu Protokoll egeben worden, und zwar von den Kollegen Klauseter Flosbach, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Frank chäffler, Dr. Axel Troost und Dr. Gerhard Schick.1)


Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
ung des Versicherungsaufsichtsgesetzes sowie zur Än-
erung des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes und
nderer Vorschriften. Das sind die Drucksachen 16/1937
nd 16/2210. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner
eschlussempfehlung auf Drucksache 16/4191, den Ge-

etzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.
ierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion des Bünd-
isses 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstim-
en. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksa-

he 16/4214? – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der
nderungsantrag mit den Stimmen von CDU/CSU,
PD, der Fraktion Die Linke und der FDP gegen die
timmen der Fraktion der Grünen abgelehnt.

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
er Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
eichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Bei
nthaltung der Fraktion Die Linke und Zustimmung des
brigen Hauses ist der Gesetzentwurf in zweiter Bera-
ung angenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
urf ist mit der gleichen Mehrheit wie zuvor angenom-
en.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 12 sowie den
usatzpunkt 6 auf:

12 Beratung des Antrags der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Anforderungen an eine strategische Partner-
schaft der EU mit Russland

– Drucksache 16/4155 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

P 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Werner
Hoyer, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Harald Leibrecht, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP

Anlage 5






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Für eine konstruktive Zusammenarbeit mit
Russland und einen kritischen Dialog

– Drucksache 16/4165 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
erhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin
Marieluise Beck, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Für die deutsche Ratspräsidentschaft ist das
Ziel vorgegeben, die Verhandlungen über ein neues Part-
nerschafts- und Kooperationsabkommen mit Russland in
Gang zu bringen. Die EU will mit Russland entlang der
vier Räume eine strategische Partnerschaft entwickeln.
Deswegen müssen wir uns damit befassen und definie-
ren, welche Anforderungen wir an diese Partnerschaft
und damit an ein neues PKA stellen wollen.

Russland ist ein wichtiger, aber eben auch ein schwie-
riger Partner der EU. Die EU braucht Russland, aber um-
gekehrt braucht Russland auch die EU. Das gilt nicht nur
für Gas und Öl, sondern auch für Russland als Teil einer
demokratischen und friedlichen Staatengemeinschaft
und als Teil von Europa. Es geht also um ein Russland,
das einen konstruktiven Beitrag auch zur Lösung inter-
nationaler Krisen leistet, und um ein Russland, in dem
sich die Zivilgesellschaft frei entwickeln kann und Jour-
nalisten nicht um ihr Leben fürchten müssen.

Der Energiehunger der westlichen Welt und zuneh-
mend auch der Schwellenländer stärkt Russlands Stel-
lung als Energielieferant. Aber jeder Lieferant braucht
Käufer. Das sollten wir uns vielleicht öfter sagen. Der
Lieferant Russland braucht westliche Technologie, um
neue Ressourcen zu erschließen und seine eigene Ener-
gieeffizienz zu verbessern. Das heißt, Russland braucht
auch westliche Devisen. Deswegen gibt es keinen Grund
für die EU, Russland gegenüber in irgendeiner Form lei-
sezutreten. Wir können sehr wohl verlässliche Lieferbe-
dingungen verlangen und fordern, dass Öl und Gas nicht
als politische Druckmittel verwendet werden wie etwa
im Falle der Ukraine, im Fall von Belarus und vor allem
auch – da ist es am offensichtlichsten – im Fall der litaui-
schen Raffinerie, die Rosneft haben wollte und zu der
kein Öl mehr fließt, seit eine polnische Firma den Zu-
schlag bekommen hat.

In der Konsequenz bedeutet das, dass die Bundesre-
gierung als EU- und G-8-Präsidentin Russland mit
Selbstbewusstsein und voller Entschiedenheit gegen-
übertreten kann und muss.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as gilt auch für die elementaren Werte von Demokra-
ie und Menschenrechten. Russland ist Mitglied der
SZE und des Europarates und hat sich mithin diesen
rundwerten verschrieben. Deswegen sollten wir Russ-

ands Ansprüche auch ernst nehmen. Die Entwicklung
er demokratischen Rechte ist unter Putin allerdings
ückläufig, und das muss uns Sorge machen. Das fordert
mmer wieder unsere Konfliktbereitschaft. Rechtssicher-
eit, Gleichheit vor dem Gesetz und eine unabhängige
ustiz sind wichtig für das Funktionieren jeder Demokra-
ie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


uch ausländische Unternehmen, die in Russland schon
ätig sind oder tätig werden wollen, brauchen rechtliche
ahmenbedingungen, auf die sie sich verlassen können.

ch sage nur: Das Herausdrängen von Shell war ausge-
prochen ominös. Der Europarat hat sich sehr besorgt
ber die fehlende Unabhängigkeit insbesondere der rus-
ischen Justiz geäußert.

Die Fälle, in denen Wissenschaftler, Journalisten und
nwälte wegen angeblicher Preisgabe von Staatsge-
eimnissen angeprangert und ohne fairen Prozess zu ho-
en Haftstrafen verurteilt werden, sind besorgniserre-
end. Zwei von ihnen sind die beiden Physiker – ich
öchte sie nennen, damit sie Öffentlichkeit bekommen –

gor Sutjagin und Valentin Danilow. Beide wurden nach
ubiosen Verfahren zu 14 bzw. 15 Jahren Gefängnis oder
agerhaft verurteilt. Ihnen wurde vorgeworfen, geheime

nformationen preisgegeben zu haben. Dabei waren alle
iese Informationen nachweislich bereits der Öffentlich-
eit zugänglich. Nennen möchte ich hier auch den An-
alt Michail Trepaschkin. Er hatte dem FSB Beteiligung

n Bombenanschlägen vorgeworfen. Auch er wurde we-
en vermeintlicher Preisgabe von Staatsgeheimnissen
on einem Militärgericht zu vier Jahren Haft verurteilt.
llen drei Prozessen ist gemein, dass sie unter Aus-

chluss der Öffentlichkeit stattfanden. Im Fall Danilow
lieb sogar das Urteil geheim.

Neben dem prominenten Fall Chodorkowski gibt es
ie weniger bekannte Juristin Swetlana Bachmina aus
em Jukos-Konzern: Auch an ihr wurde ein Exempel
tatuiert. Ich möchte das sagen, weil eben hinter
hodorkowski auch noch weniger bekannte Namen ste-
en. Sie wurde zu sechseinhalb Jahren Lagerhaft verur-
eilt – gerade oberhalb der Bewährungsgrenze. Frau
achmina ist Mutter von zwei kleinen Kindern, die sie
lle drei Monate einmal sehen darf.

Es gibt also wieder eine willkürliche Rechtspre-
hung in Russland. Das darf uns nicht gleichgültig sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


us unserer Perspektive bedeutet eine strategische Part-
erschaft immer auch die Einhaltung der universellen






(A) )



(B) )


Marieluise Beck (Bremen)

Werte, auf die sich die europäische Staatengemeinschaft
verständigt hat.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607920300

Ich erteile das Wort dem Kollegen Karl-Georg

Wellmann, CDU/CSU-Fraktion.


Karl-Georg Wellmann (CDU):
Rede ID: ID1607920400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau

Beck, Sie haben einen Antrag vorgelegt, dessen Über-
schrift verheißungsvoll klingt: „Anforderungen an eine
strategische Partnerschaft der EU mit Russland“. Der In-
halt ist aber enttäuschend. Ihrer Rede gebe ich zu
100 Prozent Recht, aber nicht Ihrem Antrag.

Der Antrag stellt ein Sammelsurium von Fakten und
Stimmungen zu Russland dar, nach dem Motto: Was wir
schon immer mal zu Russland sagen wollten! Der An-
trag bleibt qualitativ weit hinter dem zurück, was Sie
hier gesagt haben. Sie fordern sogar in diesem Antrag
die Bundesregierung auf, die Förderung alternativer
Energien fortzusetzen. Was das in einem Antrag zur stra-
tegischen Partnerschaft zwischen der EU und Russland
zu suchen hat, erschließt sich mir nicht.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Wellmann! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie die Abhängigkeit vom russischen Gas vermindern wollen, dann werden Sie das wohl ändern müssen!)


Frau Beck, Sie haben ja das halbe Wahlprogramm der
Grünen mit untergebracht.

Was strategische Partnerschaft inhaltlich bedeutet,
muss zunächst definiert werden. Die Kanzlerin verwen-
det den Begriff, zuletzt in Sotschi; Putin tut das auch, zu-
letzt in der „FAZ“ vom 22. November. Übrigens liefert
er in diesem Artikel eine ziemlich gute Definition von
strategischer Partnerschaft. Er sagt, das sei eine Partner-
schaft, der gemeinsame Bestrebungen und Werte zu-
grunde liegen.

Wir sollten – darauf legen wir großen Wert bei dem
Begriff strategische Partnerschaft – zunächst einmal die
eigenen Maßstäbe im Auge behalten. Der Begriff strate-
gische Partnerschaft trifft zunächst einmal und zuallererst
auf unsere europäische und unsere atlantische Wertege-
meinschaft zu; diese verkörpern sich in der Europäischen
Union und der NATO. So weit sind wir mit Russland bei
weitem noch nicht.

Es gibt gute Ansätze im globalen Zusammenhang –
ich meine die gemeinsame Bearbeitung der Problemge-
biete Iran, Nordkorea und Naher Osten. Das gilt auch in
den Bereichen der Bekämpfung der organisierten Krimi-
nalität und des Drogenhandels. Aber sonst?

Sehen wir nach Osteuropa: In der Ukraine haben wir
in der Vergangenheit höchst unterschiedliche Interessen

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(C (D ormuliert. Wir haben die orangene Revolution – damit st die Entwicklung von Demokratie und Zivilgesellchaft in der Ukraine gemeint – unterstützt; Russland hat as Gegenteil getan. Ähnliches gilt für Georgien. Mosau lässt bis heute erkennen, dass ihm die EUund ATO-Mitgliedschaft der baltischen Staaten schwer im agen liegt. Russland hält die sogenannten eingefrore en Konflikte am Kochen und sponsert die Separatisten n Moldawien und Georgien. Die Handhabung dieser eingefrorenen Konflikte steht quälendem Kontrast zu den Ankündigungen von Präsi ent Putin in der „FAZ“ hinsichtlich der strategischen artnerschaft mit uns. Ich sage ganz deutlich: Die rozen Conflicts sind mit einer strategischen Partnerchaft inkompatibel. Auch in Zentralasien gibt es eine rhebliche Konkurrenz. Auch dort kann von einer strateischen Partnerschaft keine Rede sein. Alles in allem müssen wir feststellen, dass von einer trategischen Partnerschaft noch keine Rede sein kann. ir streben sie an. Vielleicht sind wir auch auf dem Weg orthin; aber es gibt sie noch nicht. Die Frage ist: Wie kommen wir weiter? Wie kommen ir zu einer strategischen Partnerschaft mit Russland? ir müssen die eigenen Interessen definieren. Dabei ollten wir – das sage ich ganz ausdrücklich – die Interesen unserer östlichen Nachbarn, der Polen und der baltichen Staaten, einbeziehen; (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ie haben nämlich ganz spezifische, historische Erfah-
ungen in Bezug auf Russland, übrigens auch in Bezug
uf Deutschland. Deshalb haben sie ganz spezifische
nforderungen und Bedürfnisse in Bezug auf Sicherheit
nd Stabilität in Europa.

Russland und der Rest Europas sind geostrategisch
ufeinander angewiesen, ob sie wollen oder nicht. Jede
ndere Behauptung ist Gerede. Gerhard Schröder hat
eulich im „Adlon“ gesagt, Russland habe eine Alternative
ur EU, nämlich die Hinwendung zur eurasischen Region.
as stimmt so nicht. Das Letzte, was Russland meiner
inschätzung nach will, ist eine Abhängigkeit, auch eine
irtschaftliche Abhängigkeit, von Asien. Auch die asiati-

chen Länder wollen aus der wirtschaftlich einseitigen
bhängigkeit von Russland heraus. Russland und die

entralasiatischen Staaten müssen ihre Volkswirtschaften
odernisieren, und das geht nicht ohne die Unterstüt-

ung der EU und Amerikas. Auch deshalb kommt eine
bwendung Russlands von Europa nicht ernsthaft in Be-

racht.

Wir haben ein Interesse an einem starken Russland,
n der guten Entwicklung seiner Volkswirtschaft, aber
uch an der Entwicklung seiner Zivilgesellschaft und
einer demokratischen Institutionen. Außerdem haben
ir ein Interesse an einer geordneten Entwicklung der
taaten Osteuropas, an der Modernisierung seiner
esellschaften. Das sollte möglichst nicht im Konflikt
it Russland passieren, sondern im Rahmen einer stra-

egischen Partnerschaft. Insoweit sehe ich eine Verant-
ortungsidentität zwischen Russland und der EU.






(A) )



(B) )


Karl-Georg Wellmann
Herr Hoyer, die spannende Frage ist: Gehören
gemeinsame Werte zwingend zu einer strategischen
Partnerschaft? Sie behaupten dies in Ihrem Antrag. Putin
schreibt, Russland habe Europa viel zu bieten. In der Tat
gibt es eine starke kulturelle Affinität zwischen Russland
und Europa und natürlich auch zwischen Russland und
Deutschland. Wir alle kennen allerdings die innenpoliti-
schen Zustände in Russland. Diese Zustände machen uns
Sorgen – die Kanzlerin hat das in Russland erst neulich
deutlich angesprochen –: Die Rechte der Opposition
werden behindert, die Zivilgesellschaft wird durch das
NGO-Gesetz behindert; die Justiz ist nicht unabhängig.
Ich will hier ausdrücklich einmal ein politisches Prinzip
nennen, das für uns essenziell ist: Es ist die Tatsache,
dass bei uns das Parlament die Geheimdienste kontrolliert
und nicht umgekehrt.

Ich finde, wir müssen aber auch eigene Wege dieser ost-
europäischen Staaten, auch Russlands, zur Modernisierung
akzeptieren. Wir müssen Tradition und gesellschaftliche
Realitäten berücksichtigen und kommen an der Tatsache
nicht vorbei, dass Russland seit 300 Jahren eine andere
politische Tradition gelebt hat. Wir können eben nicht
voraussetzen, dass Russland eine lupenreine Westminster-
demokratie installiert, bevor wir eine partnerschaftliche
Zusammenarbeit eingehen.

Um gar kein Missverständnis zu erzeugen: Diese Posi-
tion schließt nicht aus, dass wir uns als Partner die Wahrheit
sagen und unsere Sorgen in Bezug auf Menschenrechte und
Demokratie in Russland sehr deutlich artikulieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage nochmals: Die Kanzlerin hat bewiesen, dass
das geht. Wir wollen ein starkes und stabiles Russland.
Wir wollen in den Beziehungen zu Russland aber den
Vorrang von Politik und Diplomatie. Deshalb sollten wir
nicht nur über Begriffe und Definitionen, was strategi-
sche Partnerschaft ist, reden, sondern konkrete Schritte
machen. Ich nenne das zu verhandelnde Partnerschafts-
und Kooperationsabkommen und die Vereinbarung einer
Energiecharta. Vor diesem Hintergrund wäre eine funktio-
nierende strategische Partnerschaft das Beste, was der
EU und Russland passieren kann.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607920500

Das Wort hat nun Kollege Werner Hoyer, FDP-Frak-

tion.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1607920600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Kollege Wellmann, Letzterem stimme ich aus-
drücklich zu. Das wäre außerordentlich wünschenswert.

Ich habe mit diesem Begriff „strategische Partner-
schaft“ Probleme, weil wir nach meiner Auffassung
noch nicht so weit sind. Überhaupt finde ich, dass es bei
der Verwendung von Begriffen wie Strategie, Taktik,
Konzept usw. mittlerweile einen ziemlichen Wildwuchs
gibt. Ich würde mich freuen, wenn wir uns darüber verstän-

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(C (D igen könnten. Vielleicht gelingt das im Laufe der Beratunen dieser Anträge im Ausschuss. Ich bin auf jeden Fall ern bereit, dazu beizutragen. Man muss sich zumindest arüber im Klaren sein, welche Ziele man gemeinsam nstrebt und welche Maßstäbe man auf dem Weg zur ielerreichung beachten muss. Dieses Minimum an Vertändigung über eine strategische Partnerschaft würde ch mir eindeutig wünschen. Russland ist für uns wichtig. Russland ist ein bedeutames, großes Land. Es hat eine fantastische Kultur. Es ibt eine große westeuropäisch-russische und eine eutsch-russische Geschichte, die keineswegs nur von atastrophen gekennzeichnet ist. Deswegen sollten wir ns in der Tat bemühen. Ich habe außerordentlich begrüßt, dass die Kameraderie, ie im Verhältnis zu Putin eine Zeit lang geherrscht hat, on der Bundeskanzlerin geknickt worden ist, dass aber uch nicht auf ein Russia-Bashing, auf ein „Draufkloppen“ uf Russland, umgestellt worden ist. Dafür ist Russland und afür sind unsere Beziehungen zu Russland zu wichtig. Ich inde diese Entwicklung und die Art und Weise, wie die undeskanzlerin das angepackt hat, erfreulich. ir brauchen eine enge und faire Partnerschaft mit ussland. Hier gibt es noch sehr viel zu tun. Wir verkennen nicht, welche Schwierigkeiten Präsident utin hat. Nach Gorbatschow und Jelzin hat er weiß Gott in schweres Erbe übernommen. Dieses Land zu regieren nd es – das ist für ihn ein sehr wichtiges Ziel – mit Stabität auszustatten, ist eine gigantische Herausforderung. eswegen sollten wir nicht ungerecht sein. Gleichwohl ist wichtig: Wenn wir davon überzeugt ind, dass bestimmte Kriterien wie die Gewährleistung er Menschenrechte, der Pressefreiheit und eines funkionierenden Rechtssystems erfüllt sein müssen, da sie ach unseren Maßstäben unverhandelbar sind, dann üssen wir das deutlich sagen und diese Auffassung in en Dialog mit Russland einbringen. Wir dürfen unsere igenen Werte und Grundvorstellungen nicht verstecken. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es gibt viel aufzuklären. Der russische Botschafter
agte in einer deutschen Fernsehsendung, die am Sonntag-
bend ausgestrahlt wurde, dass auch in anderen Ländern
chlimme Verbrechen geschehen, dass auch dort Menschen
mgebracht werden und dass auch diese Verbrechen im
achhinein nicht immer aufgeklärt werden können. Das
roblem ist, dass häufig gerade diejenigen, die mit dem
ystem über Kreuz liegen, ein solches Schicksal erleiden
üssen. Deswegen ist es unbedingt erforderlich, dass die
eschehnisse in Russland aufgeklärt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])







(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer
Russland ist für uns ein außerordentlich wichtiger
Partner. Ich hoffe, dass die Verhandlungen der Europäi-
schen Union mit Russland zu einem guten Ergebnis führen.
Frau Beck, eines ist ausgesprochen wichtig: Wir müssen
uns darüber klar werden – darauf hat auch Herr
Wellmann hingewiesen –, dass Russland natürlich in
wesentlichen ökonomischen Bereichen – ich nenne die
Stichworte Rohstoffe und Energie – ein sehr wichtiger
Lieferant für uns ist. Wir sollten alles tun, um nicht nur
Energie einzusparen und effizienter mit ihr umzugehen,
sondern um auch neue Quellen aufzudecken und beste-
hende Abhängigkeiten zu reduzieren. All das ist richtig.
Aber Russland ist und bleibt noch für lange Zeit unser
wichtigster Energielieferant.

Sollte sich allerdings so etwas wie ein bilaterales Mono-
pol entwickeln – schließlich ist Westeuropa, wenn es
seine Kräfte bündelt, ein sehr bedeutender Nachfrager –,
muss in diesem bilateralen Monopol Waffengleichheit
herrschen. Es ist wichtig, auch im Abkommen zwischen
der Europäischen Union und Russland festzuhalten, dass
nicht nur Russland bzw. Gasprom kräftig in Westeuropa
einkaufen und seine Interessen über die Vertriebswege
sichern kann, sondern dass auch umgekehrt wir Westeuro-
päer die Chance haben, uns in Russland am Aufbau der
Infrastruktur, die wir gemeinsam brauchen, zu beteiligen.
Das ist, wie ich glaube, außerordentlich wichtig. Das soll-
ten wir mit dem notwendigen Selbstbewusstsein angehen.

Ich formuliere es einmal etwas platt: Auch die Russen
können ihr Öl nicht saufen.


(Beifall bei der FDP)


Wir müssen uns darauf einrichten, dass wir es noch lange
brauchen. Die Vorstellung allerdings, man könne es mal
eben durch eine kleine Pipeline durch das Altai-Gebirge
nach Asien weiterverkaufen, ist völlig unrealistisch.
Deswegen ist unsere Verhandlungsposition, wenn wir
Europäer uns einigen können, gar nicht so schlecht. Wir
sollten die Dinge mit dem nötigen Selbstbewusstsein
und einer konstruktiven Grundhaltung angehen und mit
Freude mit Russland zusammenarbeiten, unsere eigenen
Werte dabei aber nicht vergessen oder gar hintanstellen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607920700

Ich erteile das Wort Staatsminister Gernot Erler.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1607920800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Debatte bietet eine gute Gelegenheit zur Klärung,
was eigentlich das zwischen der EU und der Russischen
Föderation vereinbarte Ziel, an einer strategischen Partner-
schaft zu bauen, bedeutet.

Der Begriff stützt sich zunächst einmal auf Intensität.
Ich möchte das an fünf Punkten zeigen:

Erster Punkt. Seit zehn Jahren haben wir das Partner-
schafts- und Kooperationsabkommen als Grundlage.

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(C (D enn man sich einmal den Text anschaut, dann wird an sehen, dass dort von einer hohen Verbindlichkeit, emeinsamen Werten, Prinzipien und Abläufen die Rede st. Zweiter Punkt. Neben diesem PKA hat sich die Arbeit n den vier gemeinsamen Räumen in zentralen Feldern er Zusammenarbeit mit sehr konkreten Ergebnissen ynamisch entwickelt. Dritter Punkt. Zweimal im Jahr finden EU-Russlandipfel statt, die sehr intensiv vorbereitet werden und ach sehr offenen Diskussionen ebenfalls zu sehr konkren Ergebnissen kommen. Vierter Punkt. Es gibt die wachsende Rolle der Energieusammenarbeit. Russland liefert immerhin 70 Prozent er eigenen Produktion in die EU, und die EU verlässt ich auf die Russische Föderation, um 30 Prozent ihres asund Erdölbedarfs zu befriedigen. Deshalb kann man chon von einer wechselseitigen Abhängigkeit sprechen, ie geradezu zur Zusammenarbeit zwingt. Wir haben in en letzten dreieinhalb Jahrzehnten auch gute Erfahrungen it der Verlässlichkeit beider Partner gemacht. Fünfter Punkt. Jeder, der sich mit internationaler Politik eschäftigt, weiß, dass Russland ein unverzichtbarer artner bei dem Bemühen um die Lösung von Konflik en ist – ob im Kosovo, im Iran, in Afghanistan oder im ahen Osten. Allein aufgrund dieser fünf Punkte, durch die die ntensität des Austausches deutlich wird, ist es erechtfertigt, von einer Arbeit an einer strategischen artnerschaft zu sprechen. (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


trategische Partnerschaft bedeutet aber auch noch etwas
nderes. Sie bedeutet einen akzeptierten Anspruch beider
eiten auf den offenen und kritischen Dialog über die
esellschaftliche Entwicklung bei beiden Partnern.

Kritische Fragen kommen eben nicht unter die Räder
iner strategischen Partnerschaft, sondern sind im
egenteil ein Teil der strategischen Partnerschaft. Wir
aben in der Tat Grund, Fragen zu stellen, weil es uns
ufgrund der Intensität der Zusammenarbeit nicht egal
ein kann, wohin der Partner geht. Wir sind davon
berzeugt, dass zu einem starken Russland, das Anspruch
uf Ansehen und Einfluss erhebt, eine freie Presse, ein
ystem eigenständiger Parteien, rechtstaatliche Verhält-
isse, die Vermeidung von Straffreiheit bei aller Form
on Verbrechen und eine sehr lebendige Zivilgesell-
chaft, auch wenn sie regierungskritisch auftritt, gehören.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nicht nur, weil es unseren gemeinsamen Werten ent-
pricht, sondern auch, weil es im Interesse dieses Partners
ussland ist, erwarten wir, dass die abscheulichen Morde
n Anna Politkowskaja und dem Ex-Geheimdienstmann
itwinenko aufgeklärt werden.


(Beifall des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])







(A) )



(B) )


Staatsminister Gernot Erler
Deswegen beobachten wir aufmerksam, in welche
Richtung sich die Anwendung des neuen NGO-Gesetzes
entwickelt. Wir werden das bei jeder Begegnung mit
unseren russischen Partnern immer wieder ansprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Abschließend sage ich: Die Intensivierung und das
Verständnis dieser strategischen Partnerschaft, die ich
versucht habe, hier kurz zu beschreiben, sind ohne Alter-
native. Es wird kein Zurück hinter einen ständigen inten-
siven Austausch über Werte und ihre richtige Umsetzung
und auch kein Zurück hin zu einer partiellen und seelen-
losen Interessenkoordinierung geben. Das ist bei der
Qualität dieser wechselseitigen Abhängigkeit nicht mehr
angemessen.

Dies ist unser Verständnis von einer strategischen
Partnerschaft, an der wir weiterhin bauen müssen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607920900

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Gehrke,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607921000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht eine Debatte
fortsetze, die zu Ende ist; wir kommen darauf zurück.

Ich möchte mich bei der politischen Konkurrenz, also
bei den Grünen und bei der FDP, für die Anträge ausdrück-
lich bedanken, auch wenn ich sie inhaltlich nicht teile.


(Niels Annen [SPD]: Wir sind auch Konkurrenz!)


Es ist nämlich notwendig, dass die Problematik der strate-
gischen Partnerschaft Deutschland/EU/Russland hier im
Parlament endlich einmal zur Diskussion gebracht wird.

An die Kollegen der SPD und der CDU/CSU gerichtet
sage ich: Für mich ist schon augenfällig, dass zu allen
wichtigen außenpolitischen Fragen in den letzten Monaten
im Bundestag ausschließlich Anträge der Oppositions-
parteien und keine Anträge der Koalitionsparteien
vorgelegt worden sind. Es scheint, als ob Sie zu diesen
Themen zwar etwas zu sagen, aber nichts zu formulieren
hätten.


(Beifall des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das galt für den Nahen Osten, das gilt jetzt für Russland.
Ich könnte eine Unmenge von Themen nennen. Da muss
man einmal Farbe bekennen. Ich ärgere mich etwas da-
rüber, dass auch wir nichts zum Thema Russland vorge-
legt haben; kommt aber.


(Lachen des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


– Man muss auch ein bisschen selbstkritisch sein.



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(C (D (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Aber nur ein bisschen!)


Nur ein bisschen.

Zur Sache selbst. Ähnlich wie Kollege Hoyer finde
h den Begriff der strategischen Partnerschaft überzogen;

ine solche ist noch nicht nachgewiesen. Wenn man eine
trategisch begründete Partnerschaft, eine strategisch be-
ründete Konzeption entwickeln will, muss erst einmal
ine Analyse der übereinstimmenden und der divergie-
enden Interessen vorgelegt werden; sie sind immer die
rundlage, um so etwas zu beschreiben. Wenn man etwas
olemik machen wollte, könnte man sagen: Das ist früher
urch Männerfreundschaften überdeckt worden. Das ist
eute ohnehin nicht mehr angesagt. Eine Analyse der
nterschiedlichen Interessen ist also unabdingbar, wenn
an eine strategische Partnerschaft beschreiben will.

Ich würde das Verhältnis EU/Deutschland/Russland
erzeitig auf die Begrifflichkeit bringen wollen: Instabili-
t in der Stabilität. Ich sehe sehr viele instabile Entwick-

ungen, aber ich sehe natürlich auch, dass sich in der
usammenarbeit viele gemeinsame Grundlagen heraus-
ebildet haben.

Wenn wir über strategische Partnerschaft reden, sollten
ir uns immer wieder klar machen, dass Europapolitik
ehr ist als EU-Politik. Wenn wir selbst von Europa reden,

eden wir meist nur von der EU und denken wenig da-
über hinaus.

Ein zweiter Gesichtspunkt, den ich im Antrag der FDP
ichtig beschrieben finde – wenn meine Zeit es zulässt,
ürde ich Ihnen gern noch sagen, wo ich Ihren Antrag
ritisiere und inhaltlich nicht teile –, ist der, dass Sicher-
eit und Stabilität in Europa nur mit Russland und nicht
egen Russland oder gar ohne Russland zu erreichen sind.

Ein Drittes muss man eigentlich einmal gründlicher
edenken. Ich habe bei vielen Debatten den Eindruck,
ass immer noch die Überlegung mitschwingt, den
ussischen Einfluss zu begrenzen. Wenn man eine ver-
ünftige Politik in Europa entwickeln will, muss Europa
in Interesse daran haben, dass Russland seine weltpoli-
ische Rolle in vielen Konflikten dieser Welt mehr und
ielleicht besser ausfüllt. Ich weiß auch nicht, ob man
mgekehrt von einer Deutschland- und Europastrategie
usslands sprechen kann; auch insofern setze ich Frage-
eichen. Wir müssten jedenfalls ein Interesse daran haben,
ass von Russland mehr Weltpolitik gemacht wird.

Einiges in den beiden Anträgen teile ich nicht. Ich
ürde mich nicht auf einen gemeinsamen Wertekanon
erufen wollen. Den halte ich für nicht tauglich, wenn
an Interessenübereinstimmungen und Interessendiver-

enzen beschreibt, zumal man noch nicht weiß, ob er in
ieser Form in der EU überhaupt vorhanden ist. Kollege
oyer, einen Wertekanon „Menschenrechte, Rechts-

taatlichkeit und freie Marktwirtschaft“ unterschreibe
ch Ihnen, was Letzteres angeht, natürlich nicht.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das hätte mich auch gewundert! – Karl-Georg Wellmann [CDU/CSU]: Das hätte unser Weltbild durcheinandergebracht!)


a sind unser Grundgesetz und anderes differenzierter.






(A) )



(B) )


Wolfgang Gehrcke
Bei beiden Anträgen fällt mir auf, dass die Abrüstungs-
problematik überhaupt keine Rolle spielt, als ob die
Beziehung zu Russland nicht auch etwas mit Abrüstung
und Rüstungskontrolle zu tun hätte.

Wir hätten eine gute Chance, finde ich, über Interessen
und Interessenbalancen zu diskutieren und dann wirklich
zu einer strategisch begründeten Partnerschaft zu kommen.
Noch sind wir nicht da.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607921100

Nun hat Kollege Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion,

das Wort.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1607921200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Diese Debatte, die sich mit der Entwicklung Russlands
befasst, empfinde ich als sehr wohltuend. Ich glaube,
dass sie angesichts der Probleme, vor denen Russland
steht, auch angemessen ist.

Am Ende des Jahres wird die Staatsduma neu gewählt
werden, anschließend der Präsident. Es gibt durchaus
Ängste und Sorgen; sie sind zum Teil hier, wie ich finde,
zu Recht, geäußert worden.

Was die innere Entwicklung Russlands angeht, blicken
eine Menge Menschen – besonders diejenigen, von
denen wir hoffen und erwarten, dass sie die russische
Demokratie stützen, stärken, fördern – mit großer Sorge
auf die kommenden Monate. Dabei dürfen wir aber nicht
vergessen, dass Russland in der Tat eine junge Demokratie
ist, worauf die Widersprüchlichkeit der Entwicklung unter
anderem zurückzuführen ist. Wenn man sich vor Augen
führt, wie sie geprägt wird – –


(Unruhe)


– Deutschland scheint das Handballhalbfinale gewonnen
zu haben. Obwohl ich rede, hat Deutschland gewonnen;
das freut mich ganz besonders.


(Heiterkeit bei der SPD)


Ich darf das offenbar verkünden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607921300

Ich höre gerade, Deutschland hat dieses Halbfinal-

spiel soeben im Siebenmeterwerfen gewonnen.


(Beifall – Lothar Mark [SPD]: Nein, in der zweiten Verlängerung, 32:31!)


– In der zweiten Verlängerung, gut.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1607921400

Wie auch immer, vielleicht gewähren wir auch Russ-

land eine weitere Verlängerung


(Heiterkeit)


beim Aufbau, Stärken und Stützen der Demokratie. Dieses
Land hat es wirklich verdient.

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(C (D Ich darf einmal erwähnen, worum es mir besonders eht. Dabei will ich mich gar nicht von denen abheben, ie in der Vorgängerregierung mit Russland zusammenearbeitet haben; aber ich will das deutlich machen. enn ich mir vor Augen führe, wie es beispielsweise abloko bei den Wahlen in Sankt Petersburg, die im ärz stattfinden, unmöglich gemacht wird, überhaupt ur Wahl anzutreten, wenn ich mir anschaue, in welcher eise Memorial eingezwängt wird und wie dessen andlungsmöglichkeiten beschränkt werden, wenn ich ehe, dass der Kollege Rybkin, den wir ja alle aus der taatsduma kennen, es kaum mehr schaffen kann, wieder die Staatsduma gewählt zu werden, dann sehe ich lauter larmierende Anzeichen. Ich glaube, das darf man hier klar und deutlich sagen: ch wünsche mir, dass in den nächsten Monaten bis zur ahl der Staatsduma die besorgniserregenden Entwickungen vielleicht doch noch einmal korrigiert werden; enn die Entwicklung Russlands und die Stärkung der emokratie in Russland sind wichtig dafür, dass es auch ein trategischer Partner der Demokratien in der europäischen emokratiefamilie wird. Das würde ich mir wünschen. Ich offe sehr, dass die Administration insoweit alles tut, ass die Demokraten eine wirkliche Chance bei der taatsdumawahl haben werden. Neben diesen Alarmzeichen sollten wir aber auch sehen, or welchen Schwierigkeiten die russische Demokratie teht. Ich empfehle Ihnen allen den jüngsten Essay von ichail Ryklin mit dem Titel „Mit dem Recht des Stäreren“; Herr Annen hat gerade das Buch in der Hand. arin hat er eine Reihe von gesellschaftlichen Konflikten, ie ich finde, exakt beschrieben. Dabei wird deutlich, ass mit dem Ende des realen Kommunismus bei vielen enschen in Russland leider immer noch eine gewisse mpfänglichkeit und Bereitschaft vorhanden ist, eine deologie durch eine andere auszutauschen, in diesem all durch die Gefahr des Nationalismus. In der Nähe on Sankt Petersburg oder gar in der Stadt und auch in nderen Regionen dieses Landes ist eine gefährliche ntwicklung in Richtung Rassismus und Antisemitismus eutlich zu erkennen. Wenn das so überscharf erkennbar st, ist es umso wichtiger und notwendiger, dass wir auf nserer Seite die strategische Partnerschaft so auffassen, ass wir Russland auf dem Weg der Stärkung der Demoratie mit fördern. Ich verstehe das Partnerschaftsund ooperationsabkommen als eines der möglichen Instruente und Mittel, die russische Demokratie zu stärken nd zu fördern. Nehmen wir nur einmal einen Punkt heraus. Gernot rler hat vorhin von den verschiedenen Operationsmög ichkeiten gesprochen. 2004 ist entschieden worden, ass es einen Menschenrechtsdialog zwischen der Euopäischen Union und Russland gibt. Er findet im Mai rneut statt. Ich glaube, dass dieser Menschenrechtsdialog on uns gemeinsam so ausgestaltet werden kann, dass ir über die kritischen Punkte mit den Kollegen disku ieren können. Wichtig ist, dass wir mithelfen, dass ussland die Probleme lösen kann, die zu einer Fessel ei der Modernisierung des Landes werden können. So Gert Weisskirchen verstehe ich unseren Beitrag im Rahmen des Partnerschaftsund Kooperationsabkommens. In Europa gibt es Produzenten von Energie, Konsumenten von Energie, und es gibt diejenigen, die sowohl Konsumenten sind als auch für den Transport der Energie zu uns nach Westeuropa wichtig sind. Ich würde es mir sehr wünschen, dass wir unsere gemeinsamen Interessen erkennen. Wenn eine Energiecharta nicht möglich ist, dann sollten die Verhandlungen zum Partnerschaftsund Kooperationsabkommen dazu genutzt werden – Frank-Walter Steinmeier hat es uns im Auswärtigen Ausschuss erläutert –, um Grundelemente der Energiecharta in dieses Abkommen aufzunehmen. Das wäre ein ganz wesentlicher Schritt nach vorne, um Verlässlichkeit deutlich zu machen und um die Ängste, die in Polen und anderswo gegenüber einem sehr machtvollen und nicht immer vernünftig handelnden russischen Produzenten bestehen, abzubauen. Wir müssen erkennen, dass wir in Europa aufeinander angewiesen sind. Russland und die Länder der Europäischen Union brauchen einander; denn wir wollen gute Nachbarn sein. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 16/4165 zu Zusatzpunkt 6 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 16/4155 zu Tagesordnungspunkt 12 soll an dieselben Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens – Drucksache 16/3227 – Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses – Drucksache 16/4194 – Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Günter Krings Dirk Manzewski Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Dr. Gesine Lötzsch Jerzy Montag Die Reden von den Kollegen Günter Krings, Dirk Manzewski, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Wolfgang Nešković, Jerzy Montag und Alfred Hartenbach sind zu Protokoll gegeben.1)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607921500

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1) Anlage 4 2)

(C (D Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bunesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Vereinfahung des Insolvenzverfahrens, Drucksache 16/3227. er Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp ehlung auf Drucksache 16/4194, den Gesetzentwurf in er Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, ie dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage en? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in weiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses egen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzenturf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie uvor angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Jens Ackermann, Dr. Karl Addicks, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Stammzellgesetzes – Drucksache 16/383 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Die Reden der Kollegen Eberhard Gienger, René öspel, Ulrike Flach, Monika Knoche und Priska Hinz ind zu Protokoll gegeben worden.2)


Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 16/383 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
azu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
ann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften
Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher
Vorschriften

– Drucksachen 16/2703, 16/3037 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

(15. Ausschuss)


– Drucksache 16/4169 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Winfried Hermann

Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP
owie ein Entschließungsantrag der Fraktion des Bünd-
isses 90/Die Grünen vor.

Anlage 7






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-
tarischen Staatssekretär Achim Großmann das Wort.

A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1607921600


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das
Fünfte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vor-
schriften und die darauf aufbauenden Verordnungen die-
nen der Umsetzung der Richtlinie über die Eisenbahn-
sicherheit in der Europäischen Gemeinschaft. Die Kom-
mission hatte ihre Initiative für eine europäische Rege-
lung damit begründet, dass die Mitgliedstaaten ihre
Sicherheitsvorschriften und -normen bis heute überwie-
gend nach einzelstaatlichen Leitlinien entwickelt ha-
ben, wobei sie jeweils nationale technische und betrieb-
liche Konzepte zugrunde gelegt haben.

Gleichzeitig haben Unterschiede grundsätzlicher,
konzeptioneller und kultureller Art die Überwindung
technischer Hindernisse und die Aufnahme grenzüber-
schreitender Verkehrsdienste erschwert. Zudem bestehen
Unterschiede zwischen den nationalen Sicherheitsan-
forderungen, die das reibungslose Funktionieren des
Eisenbahnverkehrs in der Gemeinschaft beeinträchtigen.

Deshalb muss im Zuge der Bemühungen zur Errich-
tung eines Binnenmarktes für Eisenbahnverkehrsdienste
ein gemeinsamer europäischer Rahmen für die Rege-
lung der Eisenbahnsicherheit geschaffen werden, der die
Bedingungen harmonisiert und damit Interoperabilität
ermöglicht. Dies ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Ei-
senbahnen im europäischen Verkehrsmarkt eine zwin-
gende Notwendigkeit.

Von besonderer Bedeutung ist dabei die Harmonisie-
rung des Inhalts der Sicherheitsvorschriften, der Sicher-
heitsbescheinigungen für Eisenbahnunternehmen, der
Aufgaben und Funktionen der Sicherheitsbehörden so-
wie der Untersuchung von Unfällen.

Die nationale Umsetzung dieser Richtlinie bedeutet
aber nicht, dass in Deutschland eine neue Sicherheit ge-
schaffen wird. Unser System, das auf der Konzession,
der Eigenverantwortlichkeit der Eisenbahnen zur siche-
ren Betriebsführung sowie der Eisenbahnaufsicht des
Bundes und der Länder aufbaut, entspricht uneinge-
schränkt den Sicherheitsanforderungen.

Unser deutsches System hat allerdings die Besonder-
heit, dass es als einziges in der EU von einer föderalen
Kompetenzverteilung geprägt ist. Das heißt, es besteht
Bundeszuständigkeit für die Eisenbahnen des Bundes
und Länderzuständigkeit für die nichtbundeseigenen Ei-
senbahnen. Die mittlerweile mehr als zwei Jahre mit den
Ländern geführte Diskussion hat leider zu keiner einver-
nehmlichen Lösung in dieser Frage geführt. Deshalb hat
die Bundesregierung in ihrem Entwurf ein Modell umge-
setzt, das die Errichtung einer Sicherheitsbehörde beim
Bund vorsieht, bei der ein Beirat zur Berücksichtigung
der Länderbelange eingerichtet wird.

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(C (D Mit diesem Gesetzentwurf erhält die Sicherheitsbeörde folgende Aufgaben: die Genehmigung struktureller eilsysteme, die Überwachung der Interoperabilitätsomponenten, die Erteilung der Sicherheitsbescheinigunen und Sicherheitsgenehmigungen und deren Überwahung, die Genehmigung und Überwachung von chulungseinrichtungen, die Überwachung und Weiterntwicklung der nationalen Sicherheitsvorschriften und chließlich das Führen des nationalen Einstellungsregisers für Fahrzeuge. Zudem obliegt dem Bund die Unteruchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb auf isenbahninfrastrukturen, die seiner Eisenbahnaufsicht nterliegen. Der Freistaat Bayern hat im Bundesrat einen Antrag ingebracht, der eine Behörde des Bundes mit zusätzliher Nutzung der Ausnahmetatbestände der Richtlinie orsieht. Dieser Antrag, der bereits zuvor im Arbeitsreis „Bahnpolitik“ der Länder mit deutlicher Mehrheit eschlossen wurde, ist auch maßgeblicher Teil der Stelungnahme des Bundesrates. Auf Basis dieses Antrages st der Regierungsentwurf noch einmal überarbeitet woren. Die Änderungen sind auf Antrag der Koalitionsraktionen in die Ausschussberatungen eingebracht woren. Der im Bundesrat ebenfalls angenommene Vorschlag iedersachsens für eine Öffnungsklausel, mit der den ändern die Möglichkeit gegeben wird, zu wählen, ob ie die Aufgaben einer Sicherheitsbehörde künftig selbst usüben, stößt bei der Bundesregierung aber auf erheblihe verfassungsrechtliche Bedenken. Dies würde zu eier unzulässigen partiellen Bundesverwaltung führen. aneben wäre sie zudem mit einem hohen Koordinie ungsaufwand verbunden. Dadurch würden für die deutchen Eisenbahnunternehmen und die deutsche Bahninustrie die Zulassungsprozesse deutlich verteuert. Die olge wäre eine erhebliche Schwächung der Wettbeerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene gegenüber nderen Verkehrsträgern. Der Gesetzentwurf und die verschiedenen Ändeungsvorschläge sind in einer vom federführenden Auschuss anberaumten Anhörung eingehend erörtert woren. Ich glaube, mit Recht sagen zu können, dass wir ier eine für die recht komplizierten Verhältnisse in eutschland gute Lösung gefunden haben. Das wurde ns von den Sachverständigen, insbesondere von Profesor Ronellenfitsch, bestätigt. Ich darf mich sehr herzlich für die konstruktive Mitareit bedanken. Sie alle wissen, dass wir etwas unter Zeitruck stehen. Mit der Umsetzung der europäischen ichtlinie hinken wir ziemlich weit zurück. Deshalb will ch zum Schluss an die Länder appellieren, dass sie dieem Gesetzentwurf in der kommenden Bundesratssitung zustimmen, damit wir in Europa, in Brüssel, Vollug melden können. Ich erteile das Wort Kollegen Patrick Döring, FDP Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme zunächst auf Ihre letzten Bemerkungen zu sprechen, Herr Staatssekretär. Bei allem Verständnis dafür, dass Sie mögliche Schwierigkeiten in der EU oder im Bundesrat sehen und anmerken: Für den Zeitplan und die Dauer der Diskussionen können die Parlamentarier des Verkehrsausschusses und des gesamten Hauses am wenigsten. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Dorothée Menzner [DIE LINKE] und des Abg. Jürgen Herrmann [CDU/CSU])


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)





(A) )


(B) )

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607921700
Patrick Döring (FDP):
Rede ID: ID1607921800

Deswegen ist Ihr Appell bei uns an der falschen Adresse.

Die Bundesregierung hat ohne Not einen zentralisti-
schen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsieht, dass alle
Kompetenzen beim Eisenbahn-Bundesamt gebündelt
werden. Dieser Gesetzentwurf hat, wie wir heute wissen,
nicht einmal die volle Unterstützung der diese Bundesre-
gierung tragenden Koalition; denn sonst hätten Sie si-
cherlich nicht umfangreiche Änderungsanträge einge-
bracht.

Das Übel liegt, wie so oft im Leben, im Anfang be-
gründet: Am Anfang haben Sie die EU-Richtlinie so aus-
gelegt, dass eine einzige Sicherheitsbehörde zuständig
sein soll. Inzwischen wissen wir dank der von den Oppo-
sitionsfraktionen durchgesetzten Anhörung und anderer
Ausführungen aber, dass dies nicht Inhalt der EU-Richt-
linie ist. Die Änderungsanträge, die die Koalition gestellt
hat und die mit ihrer Mehrheit heute verabschiedet wer-
den, sind ein Schritt in die Richtung, in die auch wir
wollen: Wir wollen die Kompetenzen der Länder er-
halten und stützen. Das ist vernünftig, weil sie eine gute
Arbeit leisten.

Ich finde es bemerkenswert, dass die Koalition, die
den VDV bei vielen, insbesondere bahnpolitischen Dis-
kussionen als Kronzeugen anführt, ausgerechnet in die-
sem Fall eine Meinung vertritt, die völlig konträr zur
Meinung des Verbandes Deutscher Verkehrsunterneh-
men ist. Der VDV sagt: Unsere Mitgliedsunternehmen,
die nicht zur DB AG gehören, befürchten, dass das Ei-
senbahn-Bundesamt sie nicht so gut behandelt wie die
DB AG. – Solche Befürchtungen, die auch schriftlich
verfasst wurden, kommen sicherlich nicht von ungefähr.

Sie haben diese Bedenken nicht vollständig aufge-
nommen, versuchen jetzt aber durch die Änderungsan-
träge, das Schlimmste zu verhindern. Das gelingt Ihnen
nicht in allen Punkten. Jetzt werden wir nämlich eine
Diskussion darüber führen, ob das Eisenbahn-Bundes-
amt zuständig ist, wenn ein Nicht-DB-Unternehmen auf
bundesbahneigenen Schienennetzen fährt. Zukünftig
wird es so sein, dass dieses Unternehmen dann zwei Ge-
nehmigungen braucht. Diese Doppelbürokratie ist das
Ergebnis des Beratungsverfahrens.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dorothée Menzner [DIE LINKE])


Sie haben wiederholt behauptet – ich vermute, die
ollegen Beckmeyer und Ferlemann werden das gleich
ieder tun –, dass eine Öffnungsklausel, wie sie der
undesrat vorschlägt, verfassungswidrig sei. Mir ist we-
er in der Anhörung noch in der Diskussion im Aus-
chuss noch heute klar geworden, warum etwas, was
urzeit geltendes Recht ist, auf einmal, über Nacht,
urch eine EU-Richtlinie verfassungswidrig werden soll.
as ist nicht geklärt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch bin der festen Überzeugung, dass sich die Koali-
ionskollegen von der Justizministerin haben ins Bocks-
orn jagen lassen, von welchen Interessen auch immer
ie geleitet gewesen sein mag.

In den öffentlichen Äußerungen zu diesem Thema,
um Beispiel in der Pressemitteilung des Kollegen
eckmeyer, wird das Hohelied von mehr Sicherheit ge-

ungen. Niemand kann einer Fraktion dieses Hauses vor-
erfen, dass sie etwas gegen mehr Sicherheit auf der
chiene hat, ganz im Gegenteil. Gerade bei dem Orkan
yrill, über den wir am Mittwoch im Ausschuss disku-

iert haben, hat sich das System Schiene als durchaus si-
her erwiesen. Das gilt übrigens auch für die Nicht-DB-
ahnen.

Aber statt mehr Sicherheit wird dieses Gesetz vor al-
en Dingen mehr Bürokratie für die kleinen und mittel-
tändischen Unternehmen produzieren, die versuchen, in
en Ländern etwas besser und erfolgreicher zu sein als
ie Deutsche Bahn AG. Diese Doppelbürokratie hätte
an vermeiden können. Am Ende fehlte ganz offen-

ichtlich der Mut, über die verfassungsrechtliche Frage
och einmal zu diskutieren.

Deshalb sage ich für meine Fraktion: Wir werden die-
en Weg nicht mitgehen. Wir werden die Änderungsan-
räge der Koalition nicht mittragen und hoffen darauf,
ass die Bundesländer im Bundesrat ihre Interessen und
ufgaben verteidigen und dafür werben, dass alles so
leibt, wie es ist.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607921900

Ich erteile das Wort Kollegen Enak Ferlemann, CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Enak Ferlemann (CDU):
Rede ID: ID1607922000

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Wir haben uns hier heute auf Wunsch unserer
olleginnen und Kollegen von der FDP zahlreich ver-

ammelt, um vor Millionen von Zuschauern vor den
ernsehschirmen, vor einem vollen Plenum und vor






(A) )



(B) )


Enak Ferlemann
vollen Rängen zu einem der bedeutendsten Gesetzge-
bungswerke in dieser Legislaturperiode zu sprechen.


(Heiterkeit bei der SPD – Patrick Döring [FDP]: Dafür werden wir bezahlt!)


Wir sind der FDP außerordentlich dankbar dafür, dass
sie uns die Gelegenheit gibt, heute über die großartige
Arbeit der Koalitionsfraktionen noch einmal ausführlich
zu diskutieren und sie darstellen zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich bin sehr dankbar, dass trotz des unglaublichen Hand-
ballkrimis, den wir gerade erleben durften, so viele Kol-
legen gekommen sind.


(Patrick Döring [FDP]: Der ist vorbei!)


Wir alle freuen uns sehr, Herr Döring, dass Deutschland
rechtzeitig ins Finale eingezogen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben es den Kolleginnen und Kollegen der vorigen
Debatte zu verdanken, dass wir mit der FDP keine Hand-
greiflichkeiten austauschen mussten, um das Halbfinale
zu Ende sehen zu können.

Herr Döring, ich verstehe nicht, warum Sie diese De-
batte vom Zaun gebrochen haben. Sie verstehen es wahr-
scheinlich selber nicht,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Kollege Friedrich auch nicht. Nun aber stehen wir hier
und müssen uns über dieses Thema noch einmal unter-
halten,


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD)


obwohl wir das schon mehrfach getan haben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: So ein Blödsinn!)


Herr Staatssekretär Großmann hat in hervorragender
Art und Weise dargestellt, wie das Gesetzgebungsver-
fahren verlaufen ist und wie kompliziert dieses so bedeu-
tende Gesetzgebungswerk auf den Weg gebracht worden
ist.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wofür ist das Parlament eigentlich da?)


Wie Sie wissen, hatten wir große Schwierigkeiten, zu ei-
nem Regierungsentwurf zu kommen. Sie kennen die
Probleme mit den Bundesländern. Es kam zu der einma-
ligen Situation, dass im Bundesrat zwei Anträge be-
schlossen wurden, die sich widersprechen, aber beide
eine Mehrheit bekommen haben.


(Heiterkeit bei der SPD)


Es blieb dann den Koalitionsfraktionen überlassen, et-
was Vernünftiges daraus zu machen.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie beschreiben die Große Koalition!)


Als wir dann den Gesetzentwurf mit einem Ände-
rungsantrag – Herr Kollege Hermann, den fanden auch
Sie eigentlich ganz gut – vorgelegt haben, haben die Op-

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(C (D ositionsfraktionen eine Anhörung durchgesetzt, die um Ergebnis hatte, dass wir – ich finde, zu Recht – ein roßes Lob für diesen Änderungsantrag bekommen haen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Jetzt kritisieren Sie, Herr Kollege Döring, dass es so
ekommen ist, und sagen, verfassungsrechtlich sei das
lles nicht richtig, wir hätten uns vom Justizministerium
ielleicht falsch informieren lassen. Ich empfehle Ihnen:
esen Sie noch einmal das Wortprotokoll der Anhörung
urch, insbesondere das, was Professor Ronellenfitsch
ur Systematik unserer Verfassung ausgeführt hat. Das
äre für Sie sehr lehrreich. Ich glaube, Sie könnten noch

inmal das bestätigt bekommen, was Ihnen der Staatsse-
retär schon mitgeteilt hat und was ich sehr unterstrei-
he.

Ich finde es also großartig, dass wir heute zu so vor-
erückter Stunde


(Patrick Döring [FDP]: Es ist 20 Uhr!)


iese spannende, inhaltsreiche und uns weit nach vorne
ringende Debatte über dieses Gesetzgebungswerk füh-
en dürfen.


(Patrick Döring [FDP]: Sie sind doch sonst nicht so zart besaitet!)


ch bedanke mich herzlich dafür.

Wir lehnen den Entschließungsantrag der Grünen na-
ürlich ab, der sicherlich Gutes beinhaltet, aber noch auf
inen Stand vor dem Änderungsantrag der Koalitions-
raktionen rekurriert, also völlig veraltet ist.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frisch geschrieben!)


ns liegt auch ein Änderungsantrag der FDP-Fraktion
or, der leider verfassungsrechtlich völlig neben der
pur liegt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Döring [FDP]: Stimmt nicht!)


Man kann diesem Hohen Hause nur ernsthaft empfeh-
en, dieses Gesetzgebungswerk zusammen mit unserem
nderungsantrag heute zu verabschieden. Ich gehe da-
on aus, Herr Döring, dass der Bundesrat – vielleicht bis
uf das Land Niedersachsen, das von einem Minister
ertreten wird, der Ihrer Partei angehört – mit übergro-
er Mehrheit dem Gesetz zustimmen wird. Wir können
ie europarechtlichen Vorgaben einigermaßen fristge-
äß umsetzen und haben keine Strafzahlung zu erwar-

en, wenn wir dieses bedeutende Gesetzgebungswerk
och rechtzeitig in Kraft setzen.

Ich darf mich herzlich für diese spannende Debatte
nd für die übergroße Aufmerksamkeit der Kolleginnen
nd Kollegen bedanken.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607922100

Ich erteile das Wort Kollegin Dorothée Menzner,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607922200

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Lieber Kollege Ferlemann, Sie haben diese De-
batte so gelobt. Deshalb finde ich es wichtig, zu sagen,
wie die letzte Woche abgelaufen ist. Nicht nur die Ge-
sundheitspolitiker haben das Problem, dass sie im letzten
Moment Änderungsanträge hereingereicht bekommen,
auch wir haben vorgestern Abend erst wenige Stunden
vor der Ausschusssitzung die letzte Fassung bekommen.
Wie eben schon erwähnt wurde, hat am 17. Januar eine
Anhörung im Ausschuss stattgefunden, bei der immer-
hin sechs von sieben Experten große Bedenken gegen
den vorliegenden Gesetzentwurf geäußert haben,


(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)


ein Experte sogar verfassungsrechtliche Bedenken.

Da hätte man schon annehmen können, dass die
Neufassung Ihres Gesetzentwurfs einige Änderungen
beinhaltet.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein kleiner Satz in Ihrem Gesetzentwurf ist geändert
worden; im Übrigen gehen Sie arrogant über die Mei-
nung der Experten hinweg. Ich meine, dass die Koalition
damit leben muss, dass die Opposition darüber noch be-
raten möchte.


(Beifall bei der LINKEN und der FDP – Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Damit haben wir kein Problem!)


Außerdem will ich hier im Plenum deutlich machen: Wir
sind nicht schuld daran, dass das so lange gedauert hat.
Das sind andere. Aber das kann nicht zulasten der Quali-
tät gehen. Wir haben die letzten Monate mehrfach Ge-
setzentwürfe erlebt, deren Qualität nicht die beste war.

Noch einmal dazu, worum es hier eigentlich geht: Das
Allgemeine Eisenbahngesetz muss geändert werden, um
Vorgaben der EU umzusetzen. In diesem Zusammen-
hang ist es wichtig, dass wir klar regeln, wer bei europa-
weitem Verkehr für die Zulassung, also für die Sicher-
heit, zuständig ist. Dabei stellt sich die Frage, welche
Rolle die Landesbehörden spielen werden. Werden re-
gional tätige Eisenbahnunternehmen zukünftig zwei An-
sprechpartner haben? Wird zukünftig immer erst ein Ju-
rist gefragt werden müssen, wo welcher Antrag zu
stellen ist? Das wäre eine ziemliche Belastung für kleine
und mittelständische Eisenbahnunternehmen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingo Schmitt [Berlin] [CDU/CSU]: Die haben auch einen Juristen!)


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(C (D iese Unternehmen haben in den letzten Jahren massiv u Innovationen und Neuerungen beigetragen. Das sind icht alles nur kleine, historische Bahnen, sondern daunter sind auch Unternehmen mit mehreren Hundert eschäftigten. Ein kurzes Wort zu den Änderungsanträgen. Den Entchließungsantrag der Grünen unterstützen wir. Zu dem Änderungsantrag der Liberalen muss ich saen: Was Sie gestern vorgelegt haben, fanden wir inhaltich ganz klasse. (Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Das hat sie gut erkannt!)


ber – darüber haben wir diskutiert – juristisch waren da
olche Fallstricke drin, dass wir dem nicht zustimmen
onnten.

Wenn wir im Verkehrsausschuss ausführlich Pfusch
m Bau kritisieren – Hauptbahnhof in Berlin, sage ich
ur –, dürfen wir bei Gesetzentwürfen auch nicht schlu-
ern.


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Richtig! – Sören Bartol [SPD]: Hört! Hört!)


ber ich habe zur Kenntnis genommen: Sie haben daran
earbeitet, haben Ihren Änderungsantrag noch einmal
orrigiert. Daher werden wir ihm jetzt zustimmen kön-
en.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!)


Ich danke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607922300

Ich erteile das Wort Kollegen Winfried Hermann,

raktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607922400

Herr Präsident, ich bin ganz überrascht. Ich dachte, es

pricht noch ein Kollege vor mir.

Kollege Ferlemann, ich teile Ihre Freude über den
andballsieg.


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Gut!)


hre Enttäuschung über die Debatte kann ich nicht teilen.
ber ich kann sie verstehen. Denn es ist ja offenkundig
eworden, dass Sie nicht besonders viel Diskussionsbe-
arf sehen. Ihre Fraktion hat zu der ganzen Sache ja
icht besonders viel zu sagen gehabt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)


ie wir wissen, sind nicht einmal die Änderungsanträge
on Ihnen gekommen, sondern vom Ministerium.


(Ingo Schmitt [Berlin] [CDU/CSU]: Ganz so war das nicht!)


Wir Grünen begrüßen die Umsetzung des zweiten eu-
opäischen Eisenbahnpakets in deutsches Recht, keine






(A) )



(B) )


Winfried Hermann
Frage. Es ist auch gut, dass der Gesetzentwurf jetzt end-
lich im Parlament beraten wird. Noch besser wäre es al-
lerdings, wenn dieser Gesetzentwurf stärker an unserer
Verfassung und föderalen Gliederung orientiert wäre.
Stattdessen wird versucht, über europäische Vorgaben
einen deutschen Zentralismus durchzusetzen, der an die-
ser Stelle nicht angemessen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab – das sage ich
gleich vorweg –, weil wir schwerwiegende Bedenken
haben.


(Ingo Schmitt [Berlin] [CDU/CSU]: Schade!)


Dabei geht es nicht um lächerliche Kleinigkeiten nach
dem Motto „Es ist zwar ein bisschen unklar, ob es mit
der Verfassung vereinbar ist, aber das ist nicht so
schlimm“. Kollege Ferlemann, es war anders, als Sie es
dargestellt haben. Mehrere Fachleute haben festgestellt,
dass erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen
den Gesetzentwurf bestehen, weil er den Ländern die
Zuständigkeit für die Überwachung nimmt, die sie in
diesem Bereich qua Grundgesetz haben. Das ist ein
schwerwiegender Vorwurf, den wir – übrigens von An-
fang an – ernst genommen haben.

Sie haben mit Ihrer dankenswerterweise kurzen Rede
eines nicht geschafft: Sie konnten nicht erklären, warum
Sie ohne Not zentralistische Regelungen einführen und
nichts anderes zulassen wollen. Das ist seitens der Euro-
päischen Union nicht zwingend erforderlich gewesen.


(Patrick Döring [FDP]: So ist es!)


Hier hätten Sie Spielräume gehabt, die Sie aber nicht ge-
nutzt haben. Das ist ein großer Fehler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie hätten dafür sorgen sollen, dass in Deutschland
neue einheitliche Sicherheitsstandards geschaffen wer-
den und nicht mehr die Standards der DB für alle gelten,
wie in vergangenen Zeiten, als es nur die Deutsche Bun-
desbahn gab. Obwohl sich dies inzwischen geändert hat,
wird es noch so gehandhabt.

Notwendig ist deshalb ein einheitlicher gesetzlicher
Rahmen in Sicherheitsfragen, der dann mit der admi-
nistrativen Kompetenz unserer Landesbehörden, die das
bisher gut gemacht haben, landesspezifisch bzw. regio-
nalspezifisch umgesetzt wird. Die „subnormativen“ Re-
gelungen, die durch die DB und über das Eisenbahn-
Bundesamt auf die anderen Eisenbahnen übertragen
werden, müssen dringend beseitigt werden – wenn nicht
in diesem Gesetz, dann in noch folgenden Gesetzen.

In der Anhörung und auch danach haben Sie uns ge-
sagt, dass den föderalen Bedenken durch Ihre Anträge
und die Einrichtung eines Eisenbahnsicherheitsbeirats
für die Länder Rechnung getragen wird. Ein Beirat ist
aber kein Entscheidungsgremium und auch kein Admi-
nistrationsgremium. Diese beiden Kompetenzrechte, die

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(C (D ie Länder unabdingbar und zweifelsfrei haben, wollen ie ihnen nehmen. Das kann der Beirat nicht ersetzen. Ich will unterstreichen, was die Kollegin und der Kolege von der Opposition gesagt haben. Die von Ihnen bebsichtigte regionale Sonderregelung bedeutet an vielen tellen doppelte Genehmigungen und damit doppelte ürokratie. Das entspricht nicht der Absicht zum Büroratieabbau, die Sie sonst immer wieder verkünden. Es st vielmehr ein Beispiel für Bürokratieaufbau. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Wir argumentieren nicht nur aus verfassungsrechtli-
her Sicht für die Kompetenzen der Länder; sie sind
ielmehr auch inhaltlich und praktisch begründet. Die
andesbehörden haben über die Jahre bewiesen, dass

hre nichtbundeseigenen Eisenbahnen Sicherheitsstan-
ards pflegen können, die außerordentlich gut funktio-
ieren, aber kostengünstiger sind als das, was die DB
eit vielen Jahren praktiziert. Unsere Sorge ist, dass das,
as mit der föderalen Struktur regional gelungen ist,
urch den Zugriff einer zentralistischen Behörde besei-
igt wird, die sich nicht vor Ort befindet und in ihren
ntscheidungen keine regionalen Unterschiede berück-
ichtigen kann; vielmehr werden dann die Standards von
ben nach unten verordnet.

Wie Sie bereits bemerkt haben, haben wir erhebliche
edenken gegen den Gesetzentwurf. Obwohl mit den
nderungsanträgen einiges verbessert worden ist, leh-
en wir den Gesetzentwurf ab, weil er vom Ansatz her
alsch ausgerichtet ist und dies durch die Änderungsan-
räge letztlich nicht korrigiert wird.

Zum Antrag der FDP möchte ich feststellen: Auch
enn wir nicht in allen Punkten übereinstimmen, so geht

r grundsätzlich in die richtige Richtung.


(Zurufe von der CDU/CSU): Oh!)


ie FDP übt dieselbe Kritik wie wir. Deshalb werden
ir diesem Antrag zustimmen.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607922500

Ich erteile Kollegen Uwe Beckmeyer, SPD-Fraktion,

as Wort.


(Enak Ferlemann [CDU/CSU]: Jetzt kommt einer mit Ahnung!)



Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1607922600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Man kann feststellen, dass die Oppositionsredner in
er Eisenbahndebatte partiell Entzugserscheinungen ha-
en. Das habe ich schon im Ausschuss bemerkt, und es
cheint auch im Plenum der Fall zu sein.

Ich will einige Punkte zurechtrücken. Wir reden we-
er über Zentralismus noch über mehr Bürokratie. Wir
eden vielmehr über ein größer werdendes Europa und






(A) )



(B) )


Uwe Beckmeyer
den Eisenbahnverkehr innerhalb dieses größer werden-
den Europas. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen,
dass wir auf der einen Seite grenzüberschreitende Ver-
kehre mit einem europäischen Lokführerschein, mit ei-
ner entsprechenden Sicherheitstechnik aufbauen wollen,
und auf der anderen Seite brauche ich zwei Zulassungs-
behörden, wenn ich einen Güterzug von Duisburg nach
Bremen fahren lasse. In Deutschland!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Braucht man nicht!)


Das kann doch wohl nicht der Fall sein. Und insofern ir-
ren Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn
Sie sagen, wir bauen mehr Bürokratie auf und es ist alles
zentralistisch. Nein, wir wollen eine einheitliche Be-
handlung des Güterverkehrs in Deutschland erreichen.
Das ist der Ansatz: Einheitlichkeit, nicht Zentralismus.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber der TGV fährt nicht ins Ammertal!)


Der Punkt ist, dass wir von Europa aufgefordert wor-
den sind, in der Angelegenheit tätig zu werden. Ich
glaube, es ist auch richtig, dass wir das tun. Wir sind im
Verzug. Ich hoffe aber, dass der Gesetzentwurf mit dem
Abschluss der heutigen Debatte im Bundestag den Bun-
desrat Ende Februar erreichen wird.

Das ist nicht arrogant, und es ist auch nicht in ir-
gendeiner Form über Sie gekommen, als wenn das eine
Diskussion wäre, von der Sie erst heute erfahren. Wir
haben darüber schon Ende letzten Jahres diskutiert; wir
haben eine ordentliche Anhörung durchgeführt. Ich un-
terstreiche das, was Herr Ronellenfitsch gesagt hat: Ich
halte den Kompromiss, den man für die Regionalbahnen
der Länder gefunden hat, für die optimale Lösung, die
per Definition in das Gesetz aufgenommen wurde.

Die Änderung, die wir letztendlich eingefügt haben,
betrifft die Eilbedürftigkeitsklausel, die herausgenom-
men worden ist. Ich denke, auch das ist ein Reflex des-
sen, worüber auf Länderseite diskutiert wird. Diese He-
rausnahme wird den Diskussionsprozess im Bundesrat
erleichtern, sodass dort eine breite Zustimmung über
Ländergrenzen hinweg herbeigeführt werden kann.

Ich glaube, dass alles das, was hier aktuell noch ein-
mal angeführt worden ist, nicht trägt. Wir haben bei den
Definitionen Regionalbahn und Serviceeinrichtungen
klare Abgrenzungen vorgenommen. Die Zuständigkeiten
sind ebenfalls genau definiert. Insofern meine ich schon,
dass es angemessen ist, dieses Gesetz heute im Deut-
schen Bundestag in der von den Koalitionsfraktionen ge-
änderten Fassung anzunehmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607922700

Ich schließe die Aussprache.

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(C (D Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bunesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung isenbahnrechtlicher Vorschriften. Das sind die Druckachen 16/2703 und 16/3037. Der Ausschuss für Verkehr, au und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussmpfehlung auf Drucksache 16/4169, den Gesetzentwurf n der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein nderungsantrag der Fraktion der FDP vor, über den wir uerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag uf Drucksache 16/4215? – Wer stimmt dagegen? – Entaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen er Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppoitionsfraktionen abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in er Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der esetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den leichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenomen. Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st mit der gleichen Mehrheit wie vorher angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlieungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen uf Drucksache 16/4216. Wer stimmt für diesen Entchließungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – er Entschließungsantrag ist mit den gleichen Mehreitsverhältnissen wie zuvor abgelehnt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell urde vereinbart, die heutige Tagesordnung um Zusatzunkt 15 zu erweitern: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Widerruf der Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen – Drucksache 16/4244 – Sind Sie damit einverstanden, dass wir über diesen usatzpunkt ohne Aussprache sofort beraten? – Das ist er Fall. Dann ist so beschlossen. Wir kommen sofort zur Abstimmung. Wer stimmt für ie Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 6/4244? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die eschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 7 auf: Beratung des Berichts des Rechtsausschusses ordnung – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vollenden – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Gleiche Rechte gleiche Pflichten – Benachteiligungen von Lebenspartnerschaften abbauen – Drucksachen 16/497, 16/565, 16/4057 – Berichterstattung: Abgeordneter Andreas Schmidt Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Volker Beck, Fraktion der Grünen, das Wort. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der Union, ich darf Ihnen zuerst die freundlichen Grüße des Neujahrsempfangs der Lesben und Schwulen in der Union aus der saarländischen Landesvertretung überbringen. Dort hat man mir zwei Botschaften mit auf den Weg gegeben: Zum einen sei das Motto für 2007 in Sachen Lebenspartnerschaft mehr Mut und zum anderen sei man sich mit der Bundestagsfraktion darüber einig, dass Anpassungen im Steuerrecht, im Beamtenrecht und auf weiteren Rechtsgebieten betreffend die Lebenspartnerschaften notwendig seien. Ich hoffe, dass wir heute diese Einigkeit auch im Plenum feststellen werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


(6. Ausschuss) gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäfts-


(Köln), Irmingard Schewe-Gerigk, Grietje





(A) )


(B) )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607922800

Frau Granold, Sie haben am 10. Februar 2006 mit ih-
rer Rede vielen Lesben und Schwulen in Deutschland
Mut gemacht und Hoffnung gegeben. Sie haben damals
gesagt:

Nachdem nun Rechte und Pflichten der Lebenspart-
nerschaften begründet worden sind, müssen wir ein
Stück weit Anpassungen vornehmen … Diese An-
passungen betreffen das Steuerrecht, das Erbschaft-
steuerrecht und auch das Beamtenrecht. … Wir
müssen uns bei den Beratungen in den Ausschüssen
eingehend damit befassen, in welchem Umfang hier
Anpassungen vorgenommen werden müssen.

Wir hatten gedacht, dass die Koalition das ernst meint,
und haben gehofft, dass wir im Ausschuss tatsächlich
parteiübergreifend, über die Grenzen von Koalition und
Opposition hinweg, vorankommen. Leider ist daraus
nichts geworden.

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(C (D Wer sich den Bericht des Rechtsausschusses anchaut, der sieht ein ziemlich betrübliches Ergebnis. In er 17. Sitzung am 31. Mai 2006 haben Sie kurz beraten nd vertagt. In der 22. Sitzung am 28. Juni 2006 haben ie gegen den Willen der Opposition vertagt. In der 5. Sitzung am 27. September 2006 haben Sie nicht beaten und vertagt. In der 43. Sitzung in diesem Jahr haen Sie ebenfalls nicht beraten und vertagt. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein Skandal!)


Was ist denn nun? Wollen Sie mit uns beraten? Dann
un Sie es auch. Wir sind bereit, Gespräche zu führen
nd Schritte zu gehen, die uns vielleicht nicht ganz an
as Ziel unserer Anträge bringen, die aber für die Men-
chen einen Fortschritt bedeuten. Verwehren Sie sich
icht! Es ist uns natürlich nicht entgangen, dass es in der
oalition ein paar Differenzen in den Grundhaltungen
ibt.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Hört! Hört!)


Wenn dem nicht so ist, dann haben Sie Ihre alten Posi-
ionen verraten, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
PD. Aber das möchte ich zu Ihren Gunsten und um der
ache willen nicht unterstellen.

Es tut sich aber etwas in der Union. Die CSU will fast
agen, in ihr neues Grundsatzprogramm zu schreiben,
ass Lesben und Schwule vielleicht doch so etwas Ähn-
iches wie Menschen sind und dass in den eingetragenen
ebenspartnerschaften Verantwortung gelebt wird. Wenn
ie CSU anerkennt, dass Menschen – das könnten auch
esben und Schwule sein – in diesen Partnerschaften für-
inander einstehen und verlässlich Verantwortung fürei-
ander übernehmen, dann ziehen Sie aus diesen Pro-
rammsätzen eine rechtspolitische Konsequenz. Beraten
ie gemeinsam mit der SPD und der Opposition darüber,
elches die Schritte sein könnten! Es ist doch unfair,
ass eingetragene Lebenspartnerschaften alle Pflichten
er Ehe übernehmen – das volle Unterhaltsrecht ein-
chließlich des nachpartnerschaftlichen Unterhalts, das
it dem, was die Ehe betrifft, identisch ist –, dass aber

eim Steuerrecht, Erbschaftsteuerrecht sowie Beam-
enrecht und bei der Beamtenversorgung des Bundes so
etan wird, als ob das alles nicht existierte. Gleiche
flichten, gleiche Rechte, nur das ist fair.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Schauen Sie sich doch einmal in Europa um! Heute
at das italienische Parlament beschlossen, ein Gesetz
orzubereiten, das die rechtliche Anerkennung gleichge-
chlechtlicher Paare vorsieht, obwohl der Vatikan dage-
en Sturm läuft. In Frankreich, in Skandinavien, in den
iederlanden, in Großbritannien, in der konservativen
chweiz, in Tschechien, überall haben wir Gesetze, die
ie eingetragene Partnerschaft anerkennen oder sogar
ie Ehe für Lesben und Schwule geöffnet haben. Lassen
ie uns in Deutschland doch nicht erneut das Schluss-

icht in der Gesellschaftspolitik werden, bloß weil es
ine Große Koalition gibt.






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(B) )


Volker Beck (Köln)

Erkennen Sie an: Es gibt in der Gesellschaft eine
Mehrheit von über 60 Prozent für die vollständige
Gleichstellung. Erkennen Sie an, dass es hier im Parla-
ment eine Mehrheit von über 60 Prozent für eine voll-
ständige Gleichstellung gibt. Machen Sie den Weg frei!
Wenn es nicht anders geht, liebe Damen und Herren von
der Union, dann geben Sie die Abstimmung in der Ko-
alition frei. Es gibt eine Mehrheit im Haus für die
Gleichstellung. Benutzen Sie nicht ihre Stellung in der
Koalition als Veto gegen den gesellschaftlichen Fort-
schritt! Geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck! Ich weiß,
wenn die Abstimmung freigegeben würde, dann wäre
eine ganze Reihe der Kolleginnen und Kollegen der
Union auf unserer Seite. Nehmen Sie die Schwulen und
Lesben nicht länger in Geiselhaft, sondern machen Sie
den Weg frei für die Gleichstellung!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607922900

Das Wort hat nun Kollegin Ute Granold, CDU/CSU-

Fraktion.


Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1607923000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Beck, bei allem Verständnis für Ihr Anliegen muss
ich Ihnen sagen, dass wir noch ein bisschen Geduld ha-
ben müssen. Ich bezweifle, dass 60 Prozent der Bevölke-
rung für eine vollständige Gleichstellung der gleichge-
schlechtlichen Lebenspartnerschaften sind. Ich glaube es
nicht.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Meinungsumfragen sind veröffentlicht!)


Ich bedanke mich zunächst einmal für Ihren Gruß von
den Lesben und Schwulen aus der Union. Ich stehe in re-
gem Kontakt auch zu dieser Gruppe aus meiner Partei.
Ich denke schon, dass wir zu einem Ergebnis kommen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gehen wir nachher zusammen hin!)


Sie haben meine Rede vom Februar 2006 zitiert. Der
habe ich nichts hinzuzufügen. Weil wir heute eine Ge-
schäftsordnungsdebatte haben, möchte ich aber doch et-
was dazu sagen, warum wir darüber nicht geredet haben.
Wir haben darüber nicht gesprochen, weil wir meinen,
dass wir noch nicht so weit sind, darüber inhaltlich de-
battieren zu können. Wir haben zwei Anträge vorliegen,
einen von Grün und einen von Gelb. Wir haben aber
zwischenzeitlich auch einen Gesetzentwurf von Grün
vorliegen. Sie hätten besser den Gesetzentwurf auf die
Tagesordnung setzen lassen, dann hätten wir einen
Schritt weiterkommen können. Was Sie wollen, ist ganz
klar. Sie wollen das Thema besetzen, indem wir heute
formell darüber diskutieren. In Kürze wird das Thema
dann erneut aufgerufen, und wir reden inhaltlich darüber.

Wenn es einen sachlichen Grund gibt, das Thema
nicht zu behandeln – schauen Sie in die Geschäftsord-
nung; Sie kennen sie ganz gut –, dann kann man das Ver-

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(C (D ahren vertagen, bis die Zeit reif ist. Ich kann Ihnen auch agen, warum die Zeit noch nicht reif ist. Sie ist noch icht reif, weil das Bundesverfassungsgericht über das weite Lebenspartnerschaftsgesetz, das wir 2004 verabchiedet haben, ein Normenkontrollverfahren durchührt. Der Antrag datiert aus dem Jahr 2005. Ich meine, ass wir der Entscheidung des Gerichts nicht vorgreifen ollten. Das zweite Gesetz ist immerhin ein Gesetz für ine Bevölkerungsgruppe, die in der letzten Zeit sehr gut edient wurde und doch nur einen kleinen Teil der Beölkerung ausmacht. Das erste Lebenspartnerschaftsgesetz wurde vom undesverfassungsgericht für verfassungskonform erlärt. Sie kennen aber auch das Votum: 5 : 3. Es war icht ganz klar gewesen, ob das Gesetz in Ordnung ist. ber wir akzeptieren das Votum. Sie sollten noch einmal inen Blick in das Minderheitenvotum werfen. Das Bunesverfassungsgericht hat nicht gesagt, dass die gleicheschlechtliche Lebenspartnerschaft eins zu eins mit der he gleichzusetzen ist. Es heißt vielmehr, dass die Mög ichkeit besteht, dass ein Institut eingesetzt wird. Das eißt aber nicht, dass der Gesetzgeber eine Verpflichtung at, die Lebenspartnerschaft der Ehe gleichzustellen. as sollte man klar und deutlich sagen. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Keine Pflicht! Wie auch die Orientierung keine Pflicht ist!)


(Michael Kauch [FDP]: Bitte?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607923100

Frau Kollegin Granold, gestatten Sie eine Zwischen-

rage des Kollegen Beck?


(Joachim Stünker [SPD]: Aber nein!)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1607923200

Natürlich.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607923300

Der Sinn einer solchen Debatte ist der Austausch, der

m Ausschuss leider verweigert wird.

Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass in dem Urteil,
as Sie zitiert haben, insbesondere gesagt wird, dass der
ichtberücksichtigung im Steuerrecht grundsätzliche
edeutung zukommen könnte, und dass das Bundesver-

assungsgericht geradezu dazu aufgefordert hat, diese
rage von dem Verfassungsgericht überprüfen zu lassen?
st das nicht eher ein Hinweis darauf, dass das Bundes-
erfassungsgericht die jetzige Rechtslage in dieser Frage
ür mangelhaft hält und den Gesetzgeber damit indirekt
ufgefordert hat, zu handeln? Das ist etwas ganz anderes
ls das, was Sie hier insinuieren, nämlich dass man mög-
icherweise verfassungswidrig handeln würde, wenn

an etwas in dieser Richtung tun würde.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist aber Kaffeesatzleserei!)



Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1607923400

Wir haben doch in dem zweiten Gesetz, Herr Beck,

esentliche Anpassungen an das Familienrecht vorge-






(A) )



(B) )


Ute Granold
nommen. Das steht derzeit zur Überprüfung an. Auf die
Unterhaltspflichten, die Sie angesprochen haben, und
auf die Stiefkindadoption komme ich gleich noch zu
sprechen. Das Bundesverfassungsgericht hat damals
auch gesagt, dass eine gewisse steuerliche Erleichterung
schon vorhanden ist, weil Sie die Unterhaltszahlungen,
die Sie erbringen, durchaus schon heute als eine außer-
gewöhnliche Belastung absetzen können. Insofern sollte
man schon korrekt sein.

Aber das ist gar nicht das Thema. Das Thema ist, dass
die zweite Änderung, die schon weitreichend war, der-
zeit zur Überprüfung ansteht. Ich denke, wir sollten die-
ses Urteil abwarten. Sie wissen auch, dass die Union die
Stiefkindadoption und auch die Volladoption bekämpft
hat und weiter bekämpfen wird. Diese Adoption wollen
Sie ja mit Ihrem Gesetzentwurf ermöglichen; ebenfalls
die FDP, wie aus ihrem Antrag hervorgeht.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist Fachkunde, Herr Beck! Haben Sie gehört? Das passiert, wenn man eine fachkundige Frau fragt!)


Ich muss jetzt nicht wiederholen, was wir die Adop-
tion betreffend gesagt haben. Es geht um das Kindes-
wohl, das für uns überall der zentrale Punkt ist. Es geht
nicht darum, dass individuelle Lebenspläne von Erwach-
senen verwirklicht werden. An dieser Auffassung wird
sich bei der Union überhaupt nichts ändern.

Ich muss auch erwähnen, dass es auf der europäischen
Ebene – Sie haben unsere Nachbarländer angesprochen –
Vereinbarungen gibt, die dahin gehen, dass eine Adop-
tion nur bei verschiedengeschlechtlichen Partnerschaften
möglich ist. Es gibt auch keine Initiative auf europäi-
scher Ebene, das zu ändern. Wenn wir dieses Instrument
also im Gesetz installieren würden, dann wäre das mit
dem europäischen Recht nicht vereinbar.

Ich meine, wir sollten, wenn wir das zu einem guten
Ende bringen wollen, die Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichtes abwarten. Diese Entscheidung wird si-
cherlich auch bald ergehen. Dann sollten wir uns im
Rechtsausschuss, wie sich das gehört – weil dann auch
sachlich beraten werden kann –, dem zuwenden, was Sie
und die FDP in Ihren Anträgen formuliert haben. Wir
werden uns mit Ihrem Gesetzentwurf in diesem Haus si-
cherlich in Kürze auch noch befassen.

Deshalb denke ich, dass die heutige Debatte überflüs-
sig ist. Wir hätten an dieser Stelle besser etwas anderes
gemacht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607923500

Das Wort hat nun der Kollege Michael Kauch, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der russi che Präsident hat heute in der Debatte um das erneute erbot des Moskauer Christopher Street Day die Homoexuellen als Teil eines demografischen Problems beeichnet. Als ob man über seine sexuelle Orientierung ach demografischen Gründen entscheidet! Nicht die chwulen und Lesben sind ein Problem für das russische olk, sondern der Präsident, der die Freiheit seiner Bürer nicht schützt. Aber was Putin offen sagt, denken sich insgeheim och viele Gegner der eingetragenen Partnerschaft – als ei diese eine Gefahr für die Ehe und als würden die artner, die diese Lebenspartnerschaft eingehen, eine he erosexuelle Ehe eingehen, wenn es diese Lebensparterschaft nicht gäbe. Welch ein Unsinn! Es ist doch ein ewinn für unsere Gesellschaft, wenn Menschen Ver ntwortung füreinander übernehmen. Das ist kein Geeneinander, das ist ein Miteinander. Das ist keine Konurrenz für die Ehe. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren bestehen immer och erhebliche Divergenzen zu den Rechten von Eheatten, zum Beispiel im Einkommensteuerrecht. Herr ollege Beck hat es dargestellt. Noch dramatischer – da ürde ich gern einmal die Union fragen, ob das mit ih em Menschenbild vereinbar ist – ist die Situation im rbschaftsteuerrecht. Bei den Erbschaften gelten für ingetragene Lebenspartner wesentlich niedrigere Freieträge und höhere Steuersätze als für Ehegatten. Nicht ur das: Wenn ich von meiner Tante etwas erbe, dann ahle ich weniger Erbschaftsteuer, als wenn ich von dem artner etwas erbe, mit dem ich den Bund fürs Leben ingegangen bin. Wenn Sie einen Lebenspartner bis zum ode pflegen, werden Sie bei der Erbschaftsteuer wie remde behandelt. Was das in der Praxis bedeutet, sehen ir an vielen Fällen. Da müssen Menschen nach dem erlust ihres Partners auch noch die Eigentumswohnung erkaufen, damit sie die Erbschaftsteuer bezahlen könen. Das finde ich vom deutschen Staat extrem schäbig. (Beifall bei der FDP – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Schande!)

Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1607923600

(Beifall bei der FDP)


Es gibt immer noch kein gemeinsames Adoptionsrecht
ür Lebenspartner. Ihre These, Frau Granold, dass es um
as Kindeswohl geht, ist sehr wohl richtig. Aber da frage
ch mich doch: Was ist denn das Kindeswohl? Alle er-
iehungswissenschaftlichen Studien zu diesem Thema
eigen, dass Schwule und Lesben genauso gute Eltern
ind wie heterosexuelle Paare. Es gibt seit vielen Jahren,
eispielsweise in Berlin, homosexuelle Pflegeeltern. Die
inder in diesen Partnerschaften wachsen wohlbehütet

uf. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Union,
lauben, die Kinder seien im Heim besser als in einem
ehüteten Haus mit zwei Männern oder mit zwei Frauen
ufgehoben, dann hat das nichts mit dem Kindeswohl,
ondern mit Ihrer verstaubten Ideologie zu tun.






(A) )



(B) )


Michael Kauch

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Granold hat sich bei der letzten Beratung dieses
Antrags der FDP über Anpassungen im Steuer-, Erbschaft-
steuer- und Beamtenrecht wohlwollend geäußert.
Geschehen ist nichts. Sie haben das mit juristischen
Vorbehalten begründet. Diese Vorbehalte hätten Sie aber
auch vor einem Jahr äußern können, wenn sie wirklich
so gewichtig gewesen wären. Stattdessen haben Sie sich
als die große Öffnerin der Union abfeiern lassen. Die
Zielgruppen waren erfreut; auch die LSU war ganz
erfreut. Ihr Generalsekretär setzt in der Debatte über Ihr
Grundsatzprogramm noch einen drauf: Öffnet die CDU
für ein modernes Familienbild! Das ist die schöne Theorie.
Fakt ist: Sie machen hier nichts für die Gleichstellung
von Schwulen und Lesben, sondern Sie verfolgen
weiterhin Ihre konservative Ideologie.

Was Sie von der SPD angeht, frage ich mich, ob Sie
nicht können oder nicht wollen,


(Christine Lambrecht [SPD]: Gerade die FDP fragt das!)


wenn es darum geht, in der Koalition Prioritäten zu setzen.
Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie sich nicht
einmal dazu durchringen können, die Anträge der Oppo-
sition im Rechtsausschuss zu behandeln.

Die Bundesjustizministerin weist stets darauf hin,
was alles getan werden muss. Unmittelbar vor den
Christopher Street Days gibt es immer eine Reihe von
Interviews, in denen Frau Zypries den Journalisten kluge
Ideen in den Block diktiert. Aber seit Sie mit der Union
regieren, hat sich in diesem Land in dieser Frage nichts
bewegt. Das finde ich umso interessanter, als die Justiz-
ministerin auf europäischer Ebene im Rahmen der EU-
Ratspräsidentschaft sagt, es sei das Ziel der SPD und der
Bundesregierung, für ein modernes Familienrecht in Eu-
ropa zu sorgen. Sie haben die Ratspräsidentschaft, Sie
sprechen nach außen schöne Worte; aber Ihre Hausaufga-
ben hier in Deutschland haben Sie nicht erledigt.

Wir, Deutschland, waren lange Zeit an der Spitze;
jetzt befinden wir uns im europäischen Geleitzug relativ
weit hinten. Wir Liberale werden uns mit dieser Untätigkeit
der Großen Koalition nicht zufriedengeben. Wir erwarten
zumindest praktische Verbesserungen, wie sie Frau
Granold vor einem Jahr versprochen hat. Für uns Liberale
gilt aber unbeschadet dessen: gleiche Pflichten, gleiche
Rechte. Das ist unser Ziel.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607923700

Das Wort hat nun Kollegin Barbara Höll, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Beck, wenn es so wäre wie im Handball – dass die erzögerungstaktik der Großen Koalition nur die Verlänerung wäre – und wenn wir bei diesem Thema zu einem olch glücklichen Ergebnis wie die deutschen Handballänner gekommen wären – sie haben im Halbfinale mit 2 : 31 gesiegt; dazu auch von hier herzlichen Glückunsch! –, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607923800

ann wäre es gut.

Leider hat mich die Rede eben nicht mehr so ganz
ptimistisch gestimmt. Richtig ist, wie mein Vorredner
agte: gleiche Rechte, gleiche Pflichten. Ich sage hier für
ie Fraktion der Linken: Wir haben jetzt zwei Rechtsinsti-
te: die Ehe und die eingetragene Lebenspartnerschaft.
aher ist es nur recht und billig, dass aus gleichen
flichten gleiche Rechte erwachsen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


azu ist es notwendig – im Antrag der Grünen ist es
ichtig ausgeführt –, dass es im Zivilrecht, im Steuerrecht
nd im Adoptionsrecht zu Änderungen kommt. Da haben
ie unsere volle Unterstützung.

Aber wir müssen gleichzeitig natürlich endlich einmal
ur Kenntnis nehmen, dass auch dies nur die halbe
ahrheit ist. Sehen wir uns doch die Realität an: Es gibt

chon in familiären Strukturen zusammenlebende Men-
chen, denen weder das Rechtsinstitut Ehe noch das
echtsinstitut eingetragene Lebenspartnerschaft offen-

teht. Eine alleinstehende Frau mit Kind oder ein allein-
tehender Mann mit Kind haben diese Möglichkeiten
icht. Auch Geschwister oder andere Verwandte, die
usammenleben, und Menschen, die Verantwortung für
ltere Pflegebedürftige oder für Kinder übernehmen, haben
iese Möglichkeiten nicht. Hier besteht eine Lücke.

Ein anderes Beispiel. Bei Hartz IV geht die jetzige
oalition natürlich voran. Allerdings hat an diesem Gesetz

uch die ehemalige rot-grüne Regierung ihren Anteil.
enschen, die zusammenleben und Verantwortung

üreinander übernehmen, müssen doch keine Liebes-
eziehung haben. Wenn sie aber lediglich in einer Wohn-
emeinschaft leben, werden sie in Haftung genommen.
ür diese Personen gilt nur im Steuerrecht die Individua-

isierung. Aber im Sozialrecht müssen sie füreinander
instehen. Auch das ist völlig inkonsequent.

Der konsequente Wege wäre, jetzt das vorhandene
nstitut der Lebenspartnerschaft zu ergänzen und einen
nwürdigen Zustand zu beenden, der einigen von Ihnen
ielleicht lächerlich erscheint: dass die Eintragung einer
ebenspartnerschaft in den verschiedenen Bundes-

ändern noch immer unterschiedlich gehandhabt wird.
ir müssen dafür sorgen, dass zwei Menschen, die sich als

ebenspartner eintragen lassen wollen, wenigstens zum
tandesamt gehen können. Den gegenwärtig bestehen-
en Anachronismus muss man sich einmal vor Augen
ühren. Diese Diskriminierung muss beseitigt werden.






(A) )



(B) )


Dr. Barbara Höll
Eine Gleichbehandlung erreichen wir nur dann, wenn
wir gesetzlich regeln, dass Familie dort ist, wo Menschen
miteinander leben und füreinander Verantwortung über-
nehmen. Das ist nur durch eine konsequente Individuali-
sierung im Steuerrecht und im Sozialrecht zu schaffen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte noch eine Bemerkung zum Bundesverfas-
sungsgericht machen. Das Ehegattensplitting wurde in
den 50er-Jahren eingeführt, um das Zusammenleben mit
Kindern zu erleichtern. Das Bundesverfassungsgericht
hat damals aber weiß Gott nicht festgeschrieben, dass
das Ehegattensplitting bzw. die Zusammenveranlagung
die einzige Möglichkeit ist.


(Michael Kauch [FDP]: So ist das!)


Nein, hier müssen wir eine Reform durchführen. Lassen
wir die Menschen, wie wir es in unserem Antrag vorge-
schlagen haben, zum Beispiel im Erbschaftsteuerrecht
selbst bestimmen. Dann können sie eine Person ihres
Willens – minderjährige Kinder und ältere Partner aus-
genommen – besonders begünstigen; ansonsten erfolgt
eine weitgehende Gleichbehandlung.

Hier besteht Handlungsbedarf. Ich hoffe, dass es uns
gelingt, dieser Verzögerung nicht weiter anheimzufallen,
sondern uns aufzuraffen und mit einer wirklichen Kraft-
anstrengung eine gesetzliche Regelung zu schaffen, die
der Lebensrealität der Menschen Genüge tut. Hier sind
wir gefordert. Ich denke, wenn man die Mehrheit dieses
Hauses entscheiden lässt, wie sie es für richtig hält, dann
ist das möglich.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607923900

Ich erteile das Wort Kollegin Christine Lambrecht,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1607924000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin

jetzt seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages.
Wenn ich eines gelernt habe, dann das, dass ich hier dicke
Bretter bohren muss und dass die Dinge nur sehr selten
so schnell vorangehen, wie ich es mir vorgestellt habe,
als ich in den Deutschen Bundestag, der damals noch in
Bonn war, eingezogen bin.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Wir haben früher immer gesagt: Es gibt keinen billigen Schnaps!)


– Na, sehen Sie. Selten war meine Übereinstimmung mit
dem, was Herr Gehb eingeworfen hat, so groß wie gerade
jetzt.

Für das Thema, über das wir im Rahmen der heutigen
Geschäftsordnungsdebatte sprechen, gilt das erst recht.
Wir haben unglaublich lange gebraucht, bis wir das
Lebenspartnerschaftsgesetz im Jahre 2001 nach vielen
Diskussionen, die auch in der rot-grünen Koalition zu
führen waren, auf den Weg gebracht haben. Hier im

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(C (D eutschen Bundestag haben wir mit unserer damaligen ehrheit einen Gesetzentwurf beschlossen, in dem all as, was heute gefordert wird – einzige Ausnahme ist die orderung der FDP nach einem absoluten Adoptionsecht –, bereits enthalten war. Stellen wir uns einmal vor, Rot-Grün hätte damals icht nur im Bundestag eine Mehrheit gehabt, sondern uch Verantwortung in einigen Ländern getragen, in denen ie FDP mitregiert hat. Wäre schon damals die Einsicht das vorhanden gewesen, was heute lautstark von Ihnen orgetragen wurde, ann wären wir im Interesse der Betroffenen schon sehr iel weiter und dann hätte es heute Abend und bei vielen nderen Gelegenheiten überhaupt keiner Diskussion edurft. Denn dann hätten wir mit Ausnahme des Adopionsrechts all das, was Sie, Herr Kauch, heute gefordert aben, schon längst als Lebenswirklichkeit beklatschen önnen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Hört! Hört!)


Natürlich haben Sie das Recht, dazuzulernen. Es tut
ir leid, dass gerade Sie jetzt für die damalige Position

er FDP in Haft genommen werden; denn Sie sind erst
eit 2003 Mitglied des Bundestags.


(Michael Kauch [FDP]: Gut recherchiert!)


ären Sie schon damals dabei gewesen, hätten Sie Ihre
ollegen beraten können. Dann hätte die FDP vermutlich

ine andere Position gehabt. Damals allerdings war die
DP sehr kritisch. Sie glaubte nicht, dass dieses Vorhaben
it Art. 6 des Grundgesetzes vereinbar ist, und setzte

ich für eine Prüfung dieser Frage durch das Bundesver-
assungsgericht ein. Es wurde gesagt: Erst dann, wenn
as wirklich Schwarz auf Weiß vorliegt, drehen wir uns
atürlich. – Das tun Sie dann aber richtig, so wie wir das
on der FDP kennen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Pirouetten-Partei!)


Wenn Sie dabei gewesen wären, wären wir vielleicht
chon einige Schritte weiter. Das sind wir aber nicht.
eswegen müssen wir heute leider die Schritte nachholen,
ie seit 2001 schon längst Realität sein könnten. Ich
ann den Betroffenen nur sagen: Wir könnten schon weiter
ein.

Herr Beck, nichtsdestotrotz haben Sie und viele andere
etroffene recht. Wir müssen bei diesem Thema weiter-
ommen. Die Fragen, um die es geht, liegen ja auf dem
isch. Auch hier sage ich aber: Es bedarf der Auseinander-
etzung und Beratung in der Großen Koalition.

Herr Beck, wir beide hatten nie ein Problem mit diesen
ositionen, aber ich kann mich zumindest noch an eine
irklich beeindruckende und emotionale Rede einer

hrer Fraktionskolleginnen – die Dame heißt Antje
ollmer – erinnern, die sie genau gegen das Adoptions-

echt für Kinder gehalten hat, das wir wenigstens für die






(A) )



(B) )


Christine Lambrecht
Kinder durchgesetzt haben, die schon in einer solchen
Partnerschaft zusammenleben.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat am Ende aber zugestimmt!)


Das zeigt, es ist nicht ganz so einfach, wie viele das hier
darstellen – diese sagen, dass sie jetzt schnell einmal das,
das und das ändern –, sondern es ist eine wirklich sensible
Materie. Deswegen müssen wir uns die entsprechende
Zeit nehmen.

Die Fragen, die heute Abend alle angesprochen worden
sind, liegen auf dem Tisch. Ich kann Ihnen sagen: Wir
werden am Ball bleiben. Ich freue mich, dass mittlerweile
offensichtlich alle mehr oder weniger intensiv mit im
Boot sind. In der Zwischenzeit ist die Situation eben anders
als im Jahr 2001.

Herr Kauch, ich hätte mir Ihr Engagement früher
gewünscht. Schade, dass Sie so spät in den Bundestag
gekommen sind. Die FDP hätte sich schneller bewegen
und wir hätten im Interesse der Menschen weiterkommen
können. Wir werden am Ball bleiben, aber wir werden
Zeit brauchen. Von daher kann ich nur noch einmal die
Kollegin unterstützen: Legen Sie einen Gesetzentwurf
vor.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Liegt schon vor!)


Wir werden darüber reden. Ich kann Ihnen aber versi-
chern: Auch ohne einen solchen Entwurf werden wir
über dieses Thema reden. Haben Sie aber etwas Geduld.

Ich weiß, das fällt Männern ein bisschen schwerer als
Frauen.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Na, na, na! Zum Thema!)


Wir Frauen sind in solchen Situationen etwas gelassener.
Deswegen werden wir als Berichterstatterinnen uns die
entsprechende Zeit nehmen, um hier zu einem guten
Ergebnis zu kommen.

In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Geduld zumin-
dest heute Abend.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein alter Sozialist hat einmal gesagt: Wir dürfen uns nicht zur Geduld hinreißen lassen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607924100

Ich schließe die Aussprache.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt
zu einer ganzen Reihe von Tagesordnungspunkten hin-
tereinander. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit.

Ich rufe die Zusatzpunkte 8 und 9 auf:

ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten

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1)

(C (D der Europäischen Union Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Agentur der Europäischen Union für die Grundrechte, ihre Tätigkeiten in den Bereichen nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union auszuüben KOM – Drucksachen 16/150 Nr. 2.65, 16/4246 – Berichterstattung: Abgeordnete Thomas Silberhorn Josip Juratovic Michael Link Dr. Hakki Keskin Omid Nouripour P 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe – zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken – Mandat der Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht gebraucht – Drucksachen 16/3617, 16/3621, 16/4195 – Berichterstattung: Abgeordnete Holger Haibach Christoph Strässer Florian Toncar Volker Beck Folgende Kollegen haben ihre Reden zu Protokoll geeben: Holger Haibach, Thomas Silberhorn, Christoph trässer, Axel Schäfer, Christian Ahrendt, Dr. Hakki eskin und Omid Nouripour.1)


(Köln), Rainder Steenblock, Omid Nouripour,


Zusatzpunkt 8. Wir kommen zur Beschlussempfehlung
es Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen
nion auf Drucksache 16/4246 zu der Unterrichtung
urch die Bundesregierung über einen Vorschlag für eine
erordnung des Rates zur Errichtung einer Agentur der
uropäischen Union für die Grundrechte sowie über
inen Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur
rmächtigung dieser Agentur zur Ausübung ihrer Tätig-
eit in bestimmten Bereichen. Der Ausschuss empfiehlt

Anlage 8






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
die Annahme einer Stellungnahme auf der Grundlage
von Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Oppositionsfraktionen angenommen.

Zusatzpunkt 9. Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe auf
Drucksache 16/4195. Der Ausschuss empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung
des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
auf Drucksache 16/3617 mit dem Titel „Die Rechte der
Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken – Mandat der
Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten“. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen
der Linken und der Grünen angenommen.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung emp-
fiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der FDP
auf Drucksache 16/3621 mit dem Titel „Eine Grundrech-
teagentur der EU wird nicht gebraucht“. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von CDU/CSU, SPD und Grünen gegen die
Stimmen der FDP und der Fraktion Die Linke angenom-
men.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra
Pau, Ulla Jelpke, Sevim Dağdelen, Jan Korte und
der Fraktion der LINKEN

Änderung des Bundespolizeigesetzes für Aus-
landseinsätze der Bundespolizei

– Drucksache 16/3421 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Zu Protokoll gegeben worden sind die Reden der Kol-
leginnen und Kollegen Ralf Göbel, Wolfgang Gunkel,
Gisela Piltz, Ulla Jelpke, Silke Stokar von Neuforn und
des fraktionslosen Kollegen Gert Winkelmeier.1)

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3421 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen, wobei die Federfüh-
rung beim Innenausschuss liegen soll. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.

Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 d
sowie Zusatzpunkt 10 auf:

1) Anlage 9

(C (D 26 a)

gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung des Passgesetzes und weiterer Vorschrif-
ten

– Drucksache 16/4138 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela
Piltz, Dr. Karl Addicks, Uwe Barth, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP

Sicherheitslücken bei biometrischen Pässen
beseitigen

– Drucksache 16/854 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gisela
Piltz, Dr. Karl Addicks, Daniel Bahr (Münster),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Keine Einführung des elektronischen Perso-
nalausweises

– Drucksache 16/3046 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

d) Beratung des Berichts des Ausschusses für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

(17. Ausschuss) gemäß § 56a der Geschäftsord-

nung

Technikfolgenabschätzung

hier: TA-Projekt: Biometrie und Ausweisdo-
kumente – Leistungsfähigkeit, politi-
sche Rahmenbedingungen, rechtliche
Ausgestaltung

Zweiter Sachstandsbericht

– Drucksache 15/4000 –






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln) und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Datenschutz und Bürgerrecht bei der Einfüh-
rung biometrischer Ausweise wahren

– Drucksache 16/4159 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

Ihre Reden zu Protokoll gegeben haben die Kollegin-
nen und Kollegen Altmaier – der Vorname steht nicht
hier –


(Zurufe: Peter!)


– jawohl, Peter –, Frank Hofmann, Gisela Piltz, Jan
Korte, Wolfgang Wieland und Gert Winkelmeier.1)

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/4138, 16/854, 16/3046, 15/4000
und 16/4159 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Wir kommen nunmehr zum Tagesordnungspunkt 18:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Bärbel
Höhn, Jerzy Montag, Ulrike Höfken, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN

Verbot von Telefonwerbung zum Schutz der
Verbraucherinnen und Verbraucher wirksam
durchsetzen

– Drucksache 16/4156 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Federführung strittig

Ich weise darauf hin, dass es sich um einen neuen Ti-
tel handelt.

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1) Anlage 10
2)

3)

(C (D Zu Protokoll gegeben worden sind die Reden der Koleginnen und Kollegen Julia Klöckner, Dr. Günter rings, Dirk Manzewski, Hans-Michael Goldmann, arin Binder und Bärbel Höhn.2)


Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/4156 an den Ausschuss für Ernährung,
andwirtschaft und Verbraucherschutz, den Rechtsaus-
chuss und den Ausschuss für Wirtschaft und Technolo-
ie vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig.
ie Fraktionen von CDU/CSU und SPD wünschen die
ederführung beim Rechtsausschuss. Die Fraktion Die
inke und die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
ünschen die Federführung beim Ausschuss für Ernäh-

ung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der
raktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/
ie Grünen – Federführung beim Landwirtschaftsaus-

chuss – abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungs-
orschlag? – Wer stimmt dagegen? – Der Überweisungs-
orschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
bgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
raktionen der CDU/CSU und der SPD – Federführung
eim Rechtsausschuss – abstimmen. Wer stimmt für die-
en Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist mit den
timmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
er Opposition angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 19:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neure-
gelung des Rechtsberatungsrechts

– Drucksache 16/3655 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Zu Protokoll wurden die Reden von folgenden Kolle-
en gegeben: Dr. Jürgen Gehb, Christine Lambrecht,
echthild Dyckmans, Sevim Dağdelen, Jerzy Montag

nd Alfred Hartenbach, Letzterer für die Bundesregie-
ung.3)


(Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär: Ich rede auch manchmal für mich selbst!)


Und für sich selbst – erstaunlich!


(Heiterkeit)


Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 16/3655 an die in der Tagesord-

Anlage 11
Anlage 12






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist das so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 20:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan,
Dr. Edmund Peter Geisen, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP

Planungssicherheit für Landwirte und Milch-
wirtschaft durch definitiven Beschluss zum
Auslaufen der Milchquotenregelung schaffen

– Drucksache 16/3345 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz

Folgende Redner haben ihre Reden zu Protokoll gege-
ben: Dr. Wilhelm Priesmeier, Hans-Michael Goldmann,
Dr. Kirsten Tackmann, Bärbel Höhn und für die Bundes-
regierung Kollege Gerd Müller.1)

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3345 an den Ausschuss für Ernährung,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Die
Überweisung ist also so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 21:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergän-
zung des Rechts zur Anfechtung der Vater-
schaft

– Drucksache 16/3291 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen; aber die Re-
den sind zu Protokoll gegeben, und zwar von folgenden
Kolleginnen und Kollegen: Ute Granold, Klaus Uwe
Benneter, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Sevim
Dağdelen, Josef Winkler und noch einmal Alfred
Hartenbach.2)

Damit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/3291 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Die
Überweisung ist also so beschlossen.



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1) Anlage 13
2) Anlage 14 3)

(C (D Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Heimbericht im Bundestag diskutieren – Missstände offenlegen und bekämpfen – Drucksache 16/3696 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Kollege Seifert, wollen Sie dazu sprechen? Gut. Ich frage nur, weil hier der Haken fehlt. Also haben folgende Kolleginnen und Kollegen ihre eden zu Protokoll gegeben: Markus Grübel, Wolfgang panier, Sibylle Laurischk, Dr. Ilja Seifert und Britta aßelmann.3)


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Nein!)


Ich schließe also die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/3696 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Die Überweisung ist so
eschlossen.

Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 d:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dorothee Bär, Ilse Aigner, Michael Kretschmer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Renate
Schmidt (Nürnberg), Dr. Ernst Dieter Rossmann,
Jörg Tauss, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD

BAföG an neue Entwicklungen anpassen –
Auszubildende mit Kindern unterstützen, Aus-
landsaufenthalte erleichtern, Migrantenförde-
rung verbessern und Hinzuverdienstgrenzen
erhöhen

– Drucksache 16/4162 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ina
Lenke, Uwe Barth, Sibylle Laurischk, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Studierende Mütter durch die Sofortmaß-
nahme Baby-BAföG unterstützen

– Drucksache 16/3142 –

Anlage 15






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia

(Saarbrücken)

tion der LINKEN

Statt Nullrunde – BAföG angleichen

– Drucksache 16/4157 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kai
Gehring, Grietje Bettin, Ekin Deligöz, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN

Sofortmaßnahmen beim BAföG – für mehr
Zugangsgerechtigkeit und höhere Bildungsbe-
teiligung

– Drucksache 16/4158 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Haushaltsausschuss

Folgende Rednerinnen und Redner haben ihre Reden
zu Protokoll gegeben: Dorothee Bär, Renate Schmidt,
Uwe Barth, Cornelia Hirsch, Kai Gehring und Andreas
Storm.1)

Ich schließe also die Aussprache.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen auf
den Drucksachen 16/4162, 16/3142, 16/4157 und
16/4158 zur federführenden Beratung an den Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss,
den Innenausschuss, den Finanzausschuss, den Aus-
schuss für Arbeit und Soziales, den Ausschuss für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den Haushalts-
ausschuss zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige
Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann sind die Über-
weisungen so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

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1) Anlage 16
2)

3)

(C (D Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Holzabsatzfondsgesetzes – Drucksache 16/4149 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss Folgende Rednerinnen und Redner haben ihre Reden u Protokoll gegeben: Marlene Mortler, Gustav Herzog, ans-Michael Goldmann, Dr. Kirsten Tackmann und lrike Höfken.2)


Ich schließe also die Aussprache.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlage auf
rucksache 16/4149 zur federführenden Beratung an
en Landwirtschaftsausschuss und zur Mitberatung an
en Finanzausschuss, den Wirtschaftsausschuss und den
aushaltsausschuss zu überweisen. Gibt es anderweitige
orschläge? – Das ist nicht der Fall. Die Überweisung

st also so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 25 sowie Zusatzpunkt 11:

25 Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zu-
satzprotokoll vom 12. September 2002 zum
Übereinkommen vom 16. November 1989 ge-
gen Doping

– Drucksache 16/4012 –
Überweisungsvorschlag:
Sportausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit

P 11 Beratung des Antrags der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Bekämpfung des Dopings im Sport

– Drucksache 16/4166 –
Überweisungsvorschlag:
Sportausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Gesundheit

Die Reden der Kollegen Bernd Heynemann, Dr. Peter
anckert, Dagmar Freitag, Detlef Parr, Katrin Kunert,
infried Hermann und des Parlamentarischen

taatssekretärs Dr. Bergner sind zu Protokoll gegeben.3)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 16/4012 und 16/4166 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ie Vorlage auf Drucksache 16/4012 soll zusätzlich an
en Innenausschuss überwiesen werden. Sind Sie damit
inverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Über-
eisungen so beschlossen.

Anlage 17
Anlage 18






(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 2. Februar 2007,
9 Uhr, ein.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und eine
gute Nachtruhe.

Die Sitzung ist geschlossen.