Protokoll:
16071

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 71

  • date_rangeDatum: 1. Dezember 2006

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:25 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/71 des Terrorismusbekämpfungsgeset- zes (Terrorismusbekämpfungser- gänzungsgesetz) (Drucksachen 16/2921, 16/3642, 16/3646) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Jan Korte, Kersten Naumann und der Fraktion der LIN- KEN: Erhaltung des Trennungsge- bots – keine Errichtung gemeinsa- mer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bun- des und der Länder – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln), Jerzy Montag, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Anti-Ter- ror-Gesetze – Zeitliche Befristung beibehalten und Rechtsschutz der Betroffenen verbessern (Drucksachen 16/2624, 16/2071, 16/2671, 16/2072, 16/2081, 16/3642) . . . . . . . . . . . Ralf Göbel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ 7091 B 7091 D 7092 B 7093 C 7095 A 7097 B Deutscher B Stenografisch 71. Sitz Berlin, Freitag, den 1 I n h a l Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Dr. Heinz Riesenhuber . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 26: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibe- hörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Ge- meinsame-Dateien-Gesetz) (Drucksachen 16/2950, 16/3292, 16/3642, 16/3646) . . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Ergänzung 7091 A 7091 B (Köln), Silke Stokar von Neuforn, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: undestag er Bericht ung . Dezember 2006 t : Schaffung einer gesetzlichen Grund- lage für die Anti-Terror-Dateien un- ter Beibehaltung der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Gisela Piltz, Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Evaluie- rung des Terrorismusbekämpfungs- gesetzes präziser gestalten – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Wieland, Volker Beck (Köln), Silke Stokar von Neuforn, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Bessere Evaluierung der Anti-Ter- ror-Gesetze DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . 7099 A 7100 C II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gisela Piltz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Winkelmeier (fraktionslos) . . . . . . . . . . . Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) . . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 27: a) Antrag der Abgeordneten Sibylle Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Christel Riemann-Hanewinckel, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Sascha Raabe, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe, Renate Künast, Fritz Kuhn und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Welt-Aids-Tag 1. Dezember 2006 – Die besondere Verantwortung für Entwicklungsländer unterstreichen (Drucksache 16/3610) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Jens Spahn, Annette Widmann-Mauz, Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Peter Friedrich, Elke Ferner, Dr. Carola Reimann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Maßnahmen zur Be- kämpfung von HIV/Aids in Deutsch- land (Drucksache 16/3615) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der FDP: Missfallen an der südafri- kanischen Aids-Politik betonen und weitere deutsche Entwicklungszusam- menarbeit an Bedingungen knüpfen (Drucksache 16/3097) . . . . . . . . . . . . . . . . d e D D S M U R D J V J C T a b i 7101 A 7102 A 7103 D 7104 D 7105 D 7106 B 7108 A 7108 D 7109 B 7110 A 7111 B 7111 D 7113 A 7113 A 7113 B ) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Irmingard Schewe- Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsam gegen Aids – Verantwortung und Solidarität stärken (Drucksache 16/3616) . . . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Dr. Karl Addicks, Hellmut Königshaus, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Den Südsudan beim Wieder- aufbau unterstützen und vor AIDS be- wahren (Drucksachen 16/586, 16/2364) . . . . . . . . r. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . r. Karl Addicks (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . ibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . onika Knoche (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . te Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olf Schwanitz, Parl. Staatssekretär BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . olker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ens Spahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . hristel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . agesordnungspunkt 28: ) Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – Ratspräsi- dentschaft für eine zukunftsfähige EU nutzen (Drucksache 16/3327) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Hellmut Königshaus, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die deutsche EU- Ratspräsidentschaft 2007 zur Reform der Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union nutzen (Drucksache 16/2833) . . . . . . . . . . . . . . . n Verbindung mit 7113 C 7113 C 7113 D 7115 B 7116 A 7116 D 7118 C 7119 D 7121 A 7121 B 7123 A 7124 D 7125 B 7126 A 7127 B 7127 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 III Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Justizpolitische Agenda für die deutsche EU-Ratspräsi- dentschaft 2007 (Drucksache 16/3622) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Steffen Reiche (Cottbus) (SPD) . . . . . . . . . . . Hellmut Königshaus (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Gunther Krichbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 29: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes (Drucksachen 16/3269, 16/3677, 16/3678) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetz- buch und des Finanzausgleichsgeset- zes (Drucksachen 16/3572, 16/3677, 16/3678) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dr. Gesine Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Bundesweite Mindeststandards für angemessenen Wohnraum und Wohnkosten für Bezie- herinnen und Bezieher von Arbeitslo- sengeld II (Drucksachen 16/3302, 16/3677) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: National bedeutsames Kulturgut wirksam schützen (Drucksache 16/3137) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . . M D D J T A K A A s ( N A L A Z – – ( M K A J K M F A Z d w S K 7127 C 7127 D 7129 A 7130 B 7131 D 7131 D 7133 B 7135 B 7135 B 7135 C 7136 A 7136 B onika Grütters (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . r. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . orothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . örg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 31: ntrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, ornelia Möller, Cornelia Hirsch, weiterer bgeordneter und der Fraktion der LINKEN: usbildungsplatzlücke schließen – Vor- chlag des DGB aufgreifen Drucksache 16/3540) . . . . . . . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes Beschlussempfehlung und Bericht: Bun- desweite Mindeststandards für angemes- senen Wohnraum und Wohnkosten für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeits- losengeld II Tagesordnungspunkt 29 a und b) ax Straubinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . arl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . ngelika Krüger-Leißner (SPD) . . . . . . . . . . örg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . atja Kipping (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . arkus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ranz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: National bedeutsames Kulturgut irksam schützen (Tagesordnungspunkt 30) teffen Reiche (Cottbus) (SPD) . . . . . . . . . . . atrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7137 B 7138 C 7139 B 7140 B 7141 C 7141 D 7143 A 7144 B 7144 D 7145 C 7146 B 7147 B 7148 A 7148 D 7150 A 7151 A IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ausbildungsplatzlücke schlie- ßen – Vorschlag des DGB aufgreifen (Tages- ordnungspunkt 31) Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dieter Grasedieck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Patrick Meinhardt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7151 D 7154 A 7154 D 7156 A 7156 C 7157 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7091 (A) ) (B) ) 71. Sitz Berlin, Freitag, den 1 Beginn: 9.0
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    Anlage 4 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7143 (A) ) (B) ) Heil, Hubertus SPD 01.12.2006 Röspel, René SPD 01.12.2006 Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 Reinke, Elke DIE LINKE 01.12.2006 Röring, Johannes CDU/CSU 01.12.2006 Anlage 1 Liste der entschuldigt Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Altmaier, Peter CDU/CSU 01.12.2006 Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 Andres, Gerd SPD 01.12.2006 Binder, Karin DIE LINKE 01.12.2006 von Bismarck, Carl Eduard CDU/CSU 01.12.2006 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 01.12.2006 Blumentritt, Volker SPD 01.12.2006 Bollen, Clemens SPD 01.12.2006 Brähmig, Klaus CDU/CSU 01.12.2006 Brand, Michael CDU/CSU 01.12.2006 Bülow, Marco SPD 01.12.2006 Dagdelen, Sevim DIE LINKE 01.12.2006 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 01.12.2006 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 01.12.2006 Eichel, Hans SPD 01.12.2006 Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 01.12.2006 Friedhoff, Paul K. FDP 01.12.2006 Fritz, Erich G. CDU/CSU 01.12.2006 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 01.12.2006 Dr. Geisen, Edmund FDP 01.12.2006 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 01.12.2006 Glos, Michael CDU/CSU 01.12.2006 H H H H H I J D D K K L M M M M M M N P P R A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten eilmann, Lutz DIE LINKE 01.12.2006 ilsberg, Stephan SPD 01.12.2006 inz (Essen), Petra SPD 01.12.2006 off, Elke FDP 01.12.2006 oppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 rber, Brunhilde SPD 01.12.2006 elpke, Ulla DIE LINKE 01.12.2006 r. Jung, Franz Josef CDU/CSU 01.12.2006 r. Kofler, Bärbel SPD 01.12.2006 uhn, Fritz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 unert, Katrin DIE LINKE 01.12.2006 ips, Patricia CDU/CSU 01.12.2006 attheis, Hilde SPD 01.12.2006 eckel, Markus SPD 01.12.2006 eierhofer, Horst FDP 01.12.2006 erten, Ulrike SPD 01.12.2006 öller, Kornelia DIE LINKE 01.12.2006 üntefering, Franz SPD 01.12.2006 ouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 flug, Johannes SPD 01.12.2006 ronold, Florian SPD 01.12.2006 eiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 01.12.2006 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 7144 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes – Beschlussempfehlung und Bericht: Bundes- weite Mindeststandards für angemessenen Wohnraum und Wohnkosten für Beziehe- rinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II (Tagesordnungspunkt 29 a und b) Max Straubinger (CDU/CSU): Wir behandeln heute in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Geset- zes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzausgleichgesetzes. Dieser beschäftigt sich mit dem Anteil der Bundesbeteiligung an den Kosten der K s d t l d L H 2 ( g a w 4 d J B E d e K e d w g z s e f d d g B k i z R l s r s k c I G m E L d 4 s v Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 Dr. Scheer, Hermann SPD 01.12.2006 Schmidt (Nürnberg), Renate SPD 01.12.2006 Schneider (Erfurt), Carsten SPD 01.12.2006 Spanier, Wolfgang SPD 01.12.2006 Dr. Staffelt, Ditmar SPD 01.12.2006 Strobl (Heilbronn), Thomas CDU/CSU 01.12.2006 Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 Thiele, Carl-Ludwig FDP 01.12.2006 Toncar, Florian FDP 01.12.2006 Voßhoff, Andrea Astrid CDU/CSU 01.12.2006 Dr. Westerwelle, Guido FDP 01.12.2006 Wissmann, Matthias CDU/CSU 01.12.2006 Wolf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 01.12.2006 Zeil, Martin FDP 01.12.2006 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 01.12.2006 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich (C (D ommunen für Unterkunft und Heizung bei der Grund- icherung für Arbeitsuchende. Das Gesetz ist ein weiterer eindrucksvoller Beweis afür, dass diese Bundesregierung sich ihrer Verantwor- ung gegenüber den Kommunen bewusst ist. Schon im etzten Jahr war es ein besonderes Anliegen der CSU, ass ein fairer Ausgleich zwischen Bund einerseits und ändern und Kommunen andererseits für die durch artz IV entstandenen Kosten geschaffen wird. Auch für 007 ist es uns gelungen, den gesetzlichen Vorgaben § 46 SGB II) in angemessener Weise Rechnung zu tra- en. Statt der ursprünglich im Bundeshaushalt 2007 ver- nschlagten 2 Milliarden Euro, die zu niedrig angesetzt aren, haben wir es geschafft, dass der Bund sich mit ,3 Milliarden Euro auch 2007 in adäquater Weise an en Kosten für Unterkunft und Heizung beteiligt. Noch wichtiger ist aber, dass wir über das nächste ahr hinaus Planungssicherheit für Kommunen und und geschaffen haben. Durch die Anknüpfung an die ntwicklung der Bedarfsgemeinschaften auf Grundlage er – schon bisher – von der Bundesagentur für Arbeit rstellten Statistik wird zukünftigen Entwicklungen der ostensituation in gerechter und unbürokratischer Weise ntsprochen. Lassen Sie mich nun noch ein paar Sätze zum Antrag er Linken, der hier mitbehandelt wird, verlieren. Sie ollen in zahlreichen Fällen von einer Prüfung der An- emessenheit des Wohnraums abweichen – sowohl in eitlicher wie in personeller Hinsicht. Der Antrag reiht ich in die zahlreichen Bestrebungen der Linken hin zu iner staatlichen Rundumversorgung von Hartz IV-Emp- ängern auf Kosten der übrigen Bürger nahtlos ein. Wie- er einmal lassen Sie die Finanzierung völlig offen. Auf iese Weise würden Sie die Situation der Hilfebedürfti- en weiter verfestigen und diese Menschen dauerhaft zu ittstellern beim Staat machen. Sie fördern Abhängig- eit statt Unabhängigkeit. Dies passt zu Ihrer Partei und st im höchsten Maße unsozial. Im Übrigen darf ich Sie ur Angemessenheit des Wohnraums auf die neueste echtsprechung des Bundessozialgerichts verweisen. Im Gegensatz zum Antrag der Linken, den wir natür- ich ablehnen, schafft unser Gesetzentwurf Planungs- icherheit in der Zukunft und gibt den Kommunen aus- eichende Finanzmittel an die Hand, um ihrer ozialpolitischen Aufgabe zur Bereitstellung von Unter- unft im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsu- hende nachzukommen. Ich bitte Sie daher dafür um hre Zustimmung. Karl Schiewerling (CDU/CSU): Der vorliegende esetzentwurf zur Beteiligung des Bundes an den kom- unalen Kosten für Wohn- und Heizkosten für ALG-II- mpfänger ist ein sehr fairer Kompromiss: für Bund, änder und Kommunen. Die harten Zahlen beweisen: Für seine Beteiligung an en Kosten der Unterkunft wird der Bund nächstes Jahr ,3 Milliarden Euro an Länder und Kommunen überwei- en. Diese Summe ist immerhin mehr als das Doppelte on dem, was der Regierungsentwurf zum Bundeshaus- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7145 (A) ) (B) ) halt ursprünglich dafür vorgesehen hatte. Der Bund hat also die Notwendigkeit zum Aufstocken eingesehen. Er verhält sich fair gegenüber den Kommunen und zeigt seine Verlässlichkeit. Der Bund hält seinen Teil der be- stehenden Zusagen vollends ein. Wir kommen mit dieser Summe unserer Pflicht und Verpflichtung redlich nach, wie es damals bei der Arbeitsmarktreform festgelegt worden war: Die Kommunen werden um jährlich 2,5 Milliarden Euro bei den Wohn- und Heizkosten ent- lastet. Genau diese Verpflichtung erfüllen wir hier und heute, auch wenn mancher Vertreter von kommunalen Spitzenverbänden nach noch mehr Geld und noch mehr Bundesbeteiligung ruft. Nun ist es nur fair, wenn auch der Bund die Frage an die Kommunen stellen darf, wie es denn um die Einhal- tung ihrer Zusagen steht. Ich kann in diesem Zusammen- hang nur eindringlich daran appellieren, dass die Kom- munen ernst machen mit ihren zugesagten Aktivitäten für die Kinderbetreuung. 1,5 Milliarden wollten die Kommunen investieren – ich hoffe, dass sie das auch tun werden. Familienpolitik von Bund, Länder und Gemein- den muss niemanden greifen, sonst verfehlt sie ihr Ziel. Dieses Gesetz ist in besonderer Weise fair gegenüber Bundesländern wie Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz. Bei ihnen wäre es bei einer einheitlichen Beteili- gung des Bundes von 31,8 Prozent zu den bekannten „horizontalen Verwerfungen“ gekommen. An der bun- desweiten Entlastung von 2,5 Milliarden Euro hätten dann vor allem Kommunen aus diesen beiden Bundes- ländern nicht angemessen partizipieren können. Aus die- sem Grund wird ein horizontaler Ausgleich unter den Ländern geschaffen. Durch das einstimmige Votum im Bundesrat wird die Bundesbeteiligung für Baden- Württemberg auf 35,2 Prozent und für Rheinland-Pfalz auf 41 ,2 Prozent erhöht. Gleichzeitig haben sich die an- deren 14 Länder auf eine Bundesbeteiligung in Höhe von 31,2 Prozent geeinigt. Ich halte diese einstimme Entscheidung des Bundesrates für bemerkenswert. Von echter Fairness ist auch der Blick in die Zukunft geprägt: Ab 2008 entscheidet über die Höhe des Bundes- anteils der echte Bedarf in den Kommunen. Mehr Bedarfsgemeinschaften bedeuten einen höheren Bundes- zuschuss und umgekehrt. Insgesamt ist diese Verläss- lichkeit untereinander elementar wichtig. Denn nur ge- meinsam können wir die eigentliche Herausforderung, die Beseitigung von Arbeitslosigkeit – insbesondere bei Langzeitarbeitslosigkeit – meistern. Dass wir auf dem richtigen Weg sind, zeigen erneut die aktuellen Arbeits- marktzahlen: Die positive Entwicklung der vergangenen Monate hat sich fortgesetzt. Der Konjunkturaufschwung hat die Zahl der Arbeitslosen unter die 4-Millionen- Marke sinken lassen. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es 536 000 Arbeitslose weniger. Die Quote liegt bei 9,6 Pro- zent. Zu unserer großen Freude schaffen nicht nur Men- schen aus dem Bereich des SGB III den Sprung aus der Arbeitslosigkeit, sondern vermehrt auch Menschen aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitslose. Allerdings: Nicht alle profitieren von diesem positi- ven Trend. In großen Teilen Ostdeutschlands und in eini- g b b t n u v n s d l H w d s S z Z S Z e d P H ü w d E D g k H B w E n z t h P B s T d t d I d (C (D en Gebieten im Westen gestaltet sich der Arbeitsmarkt esonders schwierig. Besonders strukturschwache Ge- iete leiden unter Abwanderung, ganze Landstriche blu- en aus. Auch diesen strukturschwachen Gebieten, in de- en mehr als 20 Prozent der Menschen arbeitslos sind nd mehr als 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen on Sozialhilfe leben, müssen wir ein verlässlicher Part- er sein. Wie es insgesamt mit der Organisation unserer Grund- icherung weitergeht, bleibt spannend. Wir warten auf as Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dem SGB II iegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Integration der ilfebedürftigen vor Ort gelöst werden muss. Die Verant- ortung liegt bei den Kommunen vor Ort. Können Sie as allein nicht schultern, haben sie Anrecht auf Unter- tützung vonseiten des Bundes und der Länder. Das ist ubsidiarität. Das Prinzip der Subsidiarität muss auch Maßstab der ukünftigen Zusammenarbeit innerhalb des SGB II sein. entrale Vorgaben müssen deutlich reduziert werden. tattdessen müssen gemeinsam formulierte überprüfbare iele, die den vorhandenen Strukturen Rechnung tragen, rarbeitet werden. Wir stimmen dem vorliegenden Gesetz zu. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Ich glaube, bei en Kosten der Unterkunft brauchen wir vor allem eines: lanungssicherheit für die Kommunen. Das jährliche in und Her bei den Verhandlungen, die Streitigkeiten ber die unterschiedliche Zahlenbasis, die jede Seite ver- endet, und die damit verbundenen Unsicherheiten bei en Haushaltsaufstellungen der Kommunen müssen ein nde haben. Staatssekretär Thönnes hat schon darauf hingewiesen: er Bund hat den Kommunen ein großzügiges Angebot emacht. Er ist ihren Forderungen sehr weit entgegenge- ommen. Das sage ich auch angesichts der zusätzlichen aushaltsbelastung von 2,3 Milliarden Euro für den und, die alles andere als unwesentlich ist. Mit der Bundesbeteiligung von 31,8 Prozent sichern ir, dass alle Länder entlastet werden. Zugegeben: Die ntlastung ist von Land zu Land unterschiedlich; je achdem, wie hoch die Anzahl der Sozialhilfeempfänger uvor war. Aber die Bundesbeteiligung bei allen prozen- ual gleichzusetzen ist eine faire Lösung. Dass der Bund sich darüber hinaus nun bereit erklärt at, die Länder Baden-Württemberg und Rheinland- falz zusätzlich zu entlasten, zeigt noch einmal, dass die undesregierung sehr an einer einvernehmlichen Lö- ung interessiert ist. Dass die anderen Länder dafür bereit sind, auf einen eil der Bundesbeteiligung zu verzichten, zeigt mir wie- erum, dass die Entlastung durch die erhöhte Bundesbe- eiligung offenbar doch nicht so schlecht ausfällt, wie ie Länder und Kommunen immer wieder bemängeln, ch hatte bei den Stellungnahmen der Spitzenverbände in er Anhörung zuvor anderes vernommen. 7146 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) Ich sage ganz ehrlich: Verstehen tue ich diesen Vor- schlag nicht. Aber wenn die Länder das so wollen, wenn die meisten sogar bereit sind, auf Geld zu verzichten, dann werden wir uns dem nicht entgegenstellen. Ich freue mich aber, dass es hier zu einer Einigung gekom- men ist. Am Wichtigsten ist jedoch, dass nun der Prozess der Umsetzung reibungslos laufen kann. Das ist auch zual- lererst für die Hilfebedürftigen von großer Wichtigkeit. In diesem Zusammenhang war es mir besonders wichtig, dass der Ausgleich Ost durch die Sonderbe- darfsabgabe bei den KdU bis 2010 verlängert wurde. Nur durch die Solidarität aller 16 Länder ist es möglich, die Sonderbelastung der ostdeutschen Länder durch den hohen Anteil ehemaliger Arbeitslosenhilfeempfänger zu kompensieren. Die Forderung der Kommunen allerdings, die künf- tige Entwicklung der Bundesbeteiligung nicht an den Bedarfsgemeinschaften zu messen, sondern an den tat- sächlichen Ausgaben, ist absolut kontraproduktiv. Wür- den wir das, so wie der Bundesrat es gefordert hat, um- setzen, würde der Bund das komplette Risiko bei der Kostenentwicklung tragen. Und das kann nicht sein! Die Kommunen stehen in der Verantwortung vor Ort, dass faire und gerechte – aber auch angemessene – Un- terkunftskosten bezahlt werden. Das klappt in der Regel auch sehr gut, weswegen ich den vorliegenden Gesetz- entwurf der Linken für nicht sachgemäß halte. Wenn der Bund aber das gesamte Risiko trägt, wird letztlich das Interesse schwinden, die Kosten im Rahmen zu halten. Außerdem ist die Zahl der Bedarfsgemein- schaften eine valide Grundlage und für die Bürgerinnen und Bürger transparent. Wir bleiben bei der Orientierung an den Bedarfsge- meinschaften. Dann haben auch Länder und Kommunen ein vitales Interesse daran, die Anzahl der Bedarfsge- meinschaften zu senken. Im Klartext heißt das: Wir müs- sen gemeinsam für einen nachhaltigen Abbau der Lang- zeitarbeitslosigkeit kämpfen. Dieses Ziel sollten wir immer im Auge behalten. Es besteht kein Zweifel daran, dass die heutige Ent- scheidung für die Kommunen von großer Bedeutung ist. Sie schafft mittelfristige Planungssicherheit und gibt den finanziellen Rahmen für weitere wichtige Aufgaben, wie den Ausbau der Kinderbetreuung. Ich bin sicher, dass Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit den zu- sätzlichen Geldern hier besondere Anstrengungen leisten werden. Daher sollten wir alle diesem Gesetzentwurf zu- stimmen und einen immer wiederkehrenden Streit zwi- schen Bund, Ländern und Kommunen für die nächsten Jahre beenden. Jörg Rohde (FDP): Heute befinden wir über eine Fortschreibung des Gesetzes zur Kostenverteilung der KdU, der Kosten der Unterkunft. Wenn wir den Gesetz- entwurf von Union und SPD genau prüfen – und dies ha- ben wir in der FDP-Fraktion natürlich gründlich getan –, d P w d i u g P l d d p s s 4 ß s z l n d B t s s i a l ü v b g m F a d a h Z d K s m n g l i f I g m g A (C (D ann können wir einige gute und einige schwache unkte finden. Fangen wir mit den positiven Punkten an. Endlich erden Konsequenzen daraus gezogen, dass sich die von er faktisch großen Koalition im Vermittlungsverfahren m Dezember 2003 beschlossene Revisionsklausel als ndurchführbar erwiesen hat. Dies hat wiederholt dazu eführt, dass die Kommunen erst kurz vor Jahresende lanungssicherheit bekamen und das weitgehend losge- öst von deren tatsächlichen Belastungen, sondern durch ie Verständigung auf eine quotale Bundesbeteiligung an en Kosten der Unterkunft. Jetzt soll die jährliche An- assung durch eine Formel vereinfacht werden. Soweit o gut. Wir erkennen auch an, dass gegenüber dem ur- prünglichen Haushaltsansatz von 2 Milliarden Euro nun ,3 Milliarden Euro vom Bund an die Kommunen flie- en sollen. Das war das Ergebnis eines Verhandlungskompromis- es zwischen Bund und Ländern und hier kann ich dann um ersten Teil unserer Kritik überleiten. Die kommuna- en Spitzenverbände haben bereits vor Wochen errech- et, dass eigentlich 5,8 Milliarden Euro als Kostenanteil es Bundes an den KdU notwendig wären. Hier haben und und Länder wieder einmal eine Verabredung zulas- en Dritter getroffen. Das können wir nicht einfach so hinnehmen. Die FDP teht zu der Zusage, die Kommunen im Rahmen der Zu- ammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe um nsgesamt 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Jetzt bleibt lso nach Berechnung der Kommunen und Länder mög- icherweise nur noch 1 Milliarde Euro an Entlastungen brig. Sie wird nicht gleichmäßig an die Kommunen erteilt, sondern einige erhalten viel und andere zahlen ei diesem Verfahren drauf. Ihr Gesetz ist hier sehr un- erecht, meine Damen und Herren von der Koalition. Jetzt komme ich noch einmal auf die Berechnungsfor- el für die zukünftige Kostenverteilung zurück. Ihre ormel baut auf der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften uf. In der Anhörung letzte Woche haben wir gehört, ass die Kommunen die tatsächlich entstehenden Kosten ls maßgebende Berechnungsgrundlage für gerechter alten. Ich möchte Ihnen kurz einige Beispiele nennen: um Ersten ist es sicher nachzuvollziehen, dass eine Be- arfsgemeinschaft mit zum Beispiel neun Personen mehr osten verursacht, als ein Single. Zum Zweiten wissen Sie sicher aus Ihren Wahlkrei- en, dass es sehr unterschiedliche Fälle gibt. So muss bei ir im Wahlkreis der Landkreis Erlangen-Höchstadt für ur fünf Familien circa 42 000 Euro jedes Jahr aufbrin- en. Hier einfach nur die Bedarfsgemeinschaften zu zäh- en ist nicht fair. Zum Dritten möchte ich an die BAföG-Empfänger er- nnern, deren Unterkunftskosten ab dem 1. Januar eben- alls von den Kommunen mitfinanziert werden müssen. n der Anhörung haben wir gehört, dass die Studenten ar keine Bedarfsgemeinschaften bilden, da Sie ja zu- eist jünger als 25 Jahre sind. Bei diesem Beispiel stei- en die Ausgaben für die Kommunen also, obwohl die nzahl der gezählten Bedarfsgemeinschaften konstant Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7147 (A) ) (B) ) bleibt. Auch hier geht der Bund nicht fair mit den Kom- munen um. Zum Vierten und Letzten möchte ich festhalten, dass die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften sich auch unab- hängig von der Anzahl der in den Arbeitsmarkt integrier- ten Langzeitarbeitslosen verändern kann. Wir haben im Ausschuss bereits festgestellt, dass die Anzahl der Be- darfsgemeinschaften sinkt, wenn sich Hilfeempfänger zusammenschließen und zum Beispiel heiraten. Im Ge- genzug kann bei Scheidungen die Anzahl der Bedarfs- gemeinschaften steigen. Des Weiteren könnte die Defini- tion der Zählweise bei der Ermittlung der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften durch uns als Gesetzgeber geän- dert werden. Wie Sie sehen, gibt es zu viele Stellschrauben und Pa- rameter, die Einfluss auf die Anzahl der Bedarfsgemein- schaften haben, ohne dass sich dabei die Kostenbelas- tung für die Kommunen entsprechend verändert. So ist eine echte Planungssicherheit für die Kommunen trotz langfristiger Festlegung einer Formel wieder nicht gege- ben. Wenigstens eine Bemerkung möchte ich zum Antrag der Linksfraktion machen: Sie bleiben die Antwort schuldig, wer Ihre Wünsche bezahlen soll. Wäre es der Bund, bitte ich vor der Diskussion um einen Deckungs- vorschlag. Sollten Sie an die Kommunen gedacht haben, so erinnere ich Sie an die Föderalismusreform; wir wol- len doch keine Gesetze mit neuen Kostenbelastungen für die Kommunen diskutieren. Die FDP lehnt daher den Antrag der Linken ab. Zusammenfassend kann ich feststellen, dass es zwar gut ist, dass die Kommunen mehr Geld erhalten als ur- sprünglich befürchtet, die FDP kann dem Gesetz aber nicht zustimmen, vor allem da die vorgesehene Anpas- sungsklausel sich nicht an den tatsächlichen Kosten aufseiten der Kommunen orientiert. Daher wird sich die FDP-Fraktion bei diesem Gesetzesvorhaben der Stimme enthalten. Katja Kipping (DIE LINKE): Den Job zu verlieren, auf Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein, dass ist schon schlimm genug. Wenn dann noch der Auszug aus der alten Wohnung erzwungen wird, dann stellt das eine besondere Katastrophe dar. Ist doch mit dem Wohnungs- wechsel in einer billigeren Wohnung auch oft die Tren- nung vom sozialen Umfeld verbunden. Besonders hart trifft dies Kinder, die für die die Arbeitslosigkeit der El- tern einhergeht mit dem Wechsel in eine andere Schule und der Trennung von Spielkameraden. Verschärfend kommt hinzu, dass für jemanden, der von Arbeitslosen- geld II leben muss, der Erwerb von Fahrkarten oft zum Luxus wird. Insofern sollten die Kommunen sehr sensi- bel sein bei der Festlegung der angemessenen Wohnkos- ten. Die Fraktion Die Linke schlägt vor, bundesweit Mindeststandards für die angemessenen Wohnkosten festzulegen. Dabei handelt es sich nicht um quantitative Mindeststandards. Wir wollen natürlich nicht bundes- weit die gleiche Höhe, dafür sind die Mietkosten regio- nal viel zu unterschiedlich. Uns geht es um qualitative Standards. So sieht unser Antrag beispielsweise vor, dass M A F z n i s c s s i f f k h U l n v w d K b l A r b s U s D d u H l d z d H H d v d d n m d a A L w G a s r g d f z (C (D enschen mit Behinderung und über 60-Jährige und lleinerziehende mit mindestens zwei Kindern auf jeden all in ihrer bisherigen Wohnung bleiben können. Um- üge bedeuten immer einem Aufwand, für diese Perso- engruppen aber einen besonders großen, der oft nicht m Verhältnis zu den Einsparungen für die Kommunen teht. Zudem schlagen wir vor, dass vor einem mögli- hen Wohnungswechsel für jeden Einzelfall eine Wirt- chaftlichkeitsprüfung zu erstellen ist. Mit einem Umzug ind viele Kosten verbunden: die Schönheitsreparaturen n der alten Wohnung, die Transportkosten, die Kaution ür die neuen Wohnung etc, etc. Wenn die Mietkosten ür die neue Wohnung nur ein bisschen niedriger sind, ann es passieren, dass die umzugsbedingten Kosten hö- er sind als die Einsparungen bei der Miete. Wenn ein mzug also in der Bilanz noch nicht einmal wirtschaft- ich ist, dann sollte man die Menschen nun wahrlich icht noch dazu bringen, ihr gewohntes Lebensumfeld erlassen zu müssen. Üblicherweise verweisen Sie ja zu gern darauf, dass ir in Berlin mitregieren. In den bisherigen Ausschuss- ebatten ist dieser Hinweis diesmal ausgeblieben. önnte es vielleicht daran liegen, dass die Ausführungs- estimmung Wohnen in Berlin für die Betroffenen deut- iche Vorteile bringt. Die Standards, die wir in unserem ntrag fordern, sind in Berlin vom rot-roten Senat be- eits umgesetzt worden. Im Ergebnis dieser Regelungen ekamen in Berlin nur 1,8 Prozent der Bedarfsgemein- chaften die Aufforderung, ihre Wohnkosten zu senken. nd nur 0,03 Prozent, das sind rund 100 Bedarfsgemein- chaften, mussten aus Kostengründen umziehen. Was ie Linke vorschlägt, ist also in Berlin Realität. Außer- em wird unser Antrag vom DGB und vom Mieterbund nterstützt. Sie können ihm also getrost zustimmen. Als artz IV eingeführt wurde, hieß es, die Kommunen sol- en dadurch um 2,5 Milliarden Euro entlastet werden, ie sie dann in Kinderbetreuung investieren können. In- wischen geht es vielen Kommunen nur noch darum, ass wenigstens die Haushaltsdefizite, die durch artz IV entstehen, sich in Grenzen halten. Vor diesem intergrund ist es für mich völlig unverständlich, wie ie Bundesregierung ernsthaft im 1. Haushaltsentwurf orschlagen konnte, den Bundeszuschuss zu den Kosten er Unterkunft zu halbieren. Herr Müntefering hat ernsthaft vorgeschlagen, dass er Bund künftig nur 15,5 Prozent der Kosten über- immt. Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass der Bund ehr als 31 Prozent übernimmt. Das ist zwar noch nicht ie Summe, die die Kommunen für erforderlich halten, ber immerhin das Doppelte von dem ursprünglichen nsatz. Ohne den Widerstand der Kommunen und der inksfraktion im Bundestag wäre diese Verdopplung ohl nicht zustande gekommen. Die Geschichte dieses esetzentwurfes zeigt also, dass es sich lohnt, sich nicht lles von der Bundesregierung gefallen zu lassen und ich zu wehren! Um den alljährlichen Verhandlungsma- athon um die Höhe des Bundeszuschusses zu be- renzen, wollen Sie eine Gleitklausel einführen. Nun, arüber kann man reden. Völlig indiskutabel ist jedoch ür mich, dass Sie die Zahl der Bedarfsgemeinschaften um Indikator erheben. Die Sachverständigenanhörung 7148 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) hat eindeutig ergeben, dass die Zahl der Bedarfsgemein- schaften eben kein geeigneter Indikator für die tatsächli- chen Kosten ist. So wird die entscheidende Kostenexplo- sion im Bereich der Energiekosten stattfinden. Alle Sachverständigen außer dem Vertreter der Bundesagen- tur sprachen sich gegen Ihr Vorhaben aus. Und den Ver- treter der Arbeitgeber musste die die CDU eine positive Aussage zu diesem Vorhaben geradezu abbetteln. Kein Wunder, dass dann der so genötigte Sachverständige keine wirklich plausible Begründung dazu liefern konnte. Wenn Sie eine Gleitklausel wollen, dann orientieren Sie sich nicht an der Zahl der Bedarfsgemeinschaft, son- dern an den tatsächlichen Kosten. Meine Damen und Herren von der CDU, wenn es Ihnen auch nur ein klein bisschen ernst ist mit ihrem Dresdner Parteitagsbe- schluss zur besseren Kinderbetreuung, dann sorgen Sie dafür, dass die Kommunen auch finanziell dazu in die Lage versetzt werden. Die Erhöhung des Bundeszu- schusses zu den Kosten der Unterkunft wäre ein erster Schritt dazu. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir debattieren hier leider erneut ein Gesetz, das in einem sehr zweifelhaften Eilverfahren durch die Gremien des Deutschen Bundestages gebracht wurde. Ich möchte es als ein weiteres „47,5-Stunden-Gesetz“ bezeichnen, mehr Zeit wurde uns Parlamentariern nämlich nicht zu Debatte und Reflexion gelassen. Dass so qualitativ nur sehr fragwürdige Ergebnisse entstehen, wird hier erneut deutlich. Mit dem Gesetzentwurf soll gesichert werden, dass sich der Bund in 2007 und in den Folgejahre an den Kos- ten der Unterkunft – KdU – ALG-II-Bezieher beteiligt, um somit die zugesicherte Entlastung der Kommunen si- cherzustellen. Durch die Bundesbeteiligung soll erreicht werden, dass die Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro jährlich im Vergleich zur Situation von vor Hartz IV entlastet werden. Dafür stellt der Bund in diesem Jahr ins- gesamt 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung. So weit, so gut. Bis dahin unterstützen auch wir diese gesetzliche Re- gelung. Welche Argumente dann aber in den Verhandlungen zwischen Bundesrat und Bundesregierung die Regie- rungskoalitionen dazu gebracht haben, mit entsprechen- den Änderungsanträgen fünf Minuten vor der gestrigen Ausschusssitzung, die gesamte Finanzarchitektur zwi- schen Bund und Ländern aus den Angeln zu heben, ist mir unerklärlich. Im Bundesrat forderten insbesondere die Bundeslän- der Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einen hö- heren Anteil, da sie ihre Belastungen nicht angemessen berücksichtigt sahen. Ursprünglich war auch das Bun- desland Nordrhein-Westfalen dazu aufgefordert, gegen den vereinbarten Verteilungsschlüssel vorzugehen, aber offenbar hat sich der dortige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers in den letzten Wochen lieber in andere Ausei- nandersetzungen eingemischt und die Interessen seines Landes nicht so wirkungsvoll vertreten, wie seine Kolle- g W h W P S 1 z d h i W t B d l z s v S s l w g d b t s n z u g d s h z M r i K g M t B A 1 d s m m G d t (C (D en Ministerpräsidenten aus Rheinland-Pfalz und Baden- ürttemberg. Diese jedenfalls forderten, das Gesetz da- in gehend zu ändern, dass der Bundesanteil für Baden- ürttemberg auf 35,2 Prozent und der für Rheinland- falz auf 41,2 Prozent erhöht wird. Im Gegenzug – so die tellungnahme des Bundesrates – sollen die übrigen 4 Bundesländer statt der politisch vereinbarten 31,8 Pro- ent nur 31,2 Prozent Bundesbeteiligung an den Kosten er Unterkunft erhalten. Diese Bundesratsentscheidung at auf dem Wege eines Änderungsantrags in einer leider nzwischen üblichen „Nacht-und-Nebel-Aktion“ den eg in den hier zu beratenden Gesetzentwurf gefunden. Meine Damen und Herren von der Regierungskoali- ion, scheinbar ist weder Ihnen noch den Kollegen im undesrat aufgefallen, dass nach einer solchen Regelung er Bund mit einem Geldleistungsgesetz an unterschied- iche Bundesländer unterschiedlich hohe Geldleistungen ahlt. Dieses Auszahlungsverfahren ist meiner Auffas- ung nach nicht mit dem Grundgesetz Art. 104 a, Abs. 3 ereinbar. In Art. 104 a, Abs: 3 ist insbesondere durch atz 2 klar festgestellt, dass in einem Geldleistungsge- etz nur eine für alle Bundesländer einheitliche Behand- ung durch den Bund zulässig ist. Sollte es politisch ge- ünschte Verteilungen zwischen den einzelnen Ländern eben, so wären diese auf anderem Weg zu regeln – etwa urch Bundessonderergänzungszuweisungen, wie es sie ereits derzeit in Bezug auf die besondere KdU-Belas- ung der ostdeutschen Bundesländer gibt. Des Weiteren tünden alle Möglichkeiten im Rahmen des Länderfi- anzausgleichs offen. Die im hier nun vorliegenden „Entwurf eines Geset- es zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nd des Finanzausgleichsgesetzes“ getroffene Aus- leichsregelung hingegen erscheint vor dem Hintergrund er Anforderungen des Artikels 104 a, Abs. 3 Grundge- etz geradezu willkürlich und wenig durchdacht. Unab- ängig von der möglicherweise verfassungsrechtlich un- ulässigen Verfahrenslösung ist auch die vorgebliche ehrbelastung der beiden genannten Länder nicht hin- eichend begründet. Ich habe meine Bedenken daher noch gestern Abend n einem Schreiben an den Bundespräsidenten Horst öhler formuliert. Sollte der Bundespräsident zu einer leichen Einschätzung über die verfassungsrechtlichen ängel dieses Gesetzes kommen, würde ein finanzpoli- isch überaus voluminöser Kompromiss zwischen den undesländern und dem Bund ins Wanken geraten. uch ist der politische Druck immens, das Gesetz zum . Januar 2007 in Kraft treten zu lassen. Dennoch, wir können es nicht länger zulassen, dass ie große Koalition mit ihrer breiten Mehrheit so ent- cheidende Gesetze inhaltlich fehlerhaft und dann auch öglicherweise nicht verfassungskonform formuliert. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes- inister für Arbeit und Soziales: Eine Zeit intensiver espräche und Verhandlungen zwischen Bund und Län- ern liegt zu dem heute diskutierten Gesetzentwurf hin- er uns. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7149 (A) ) (B) ) Gemäß den Vorschriften des § 46 Abs. 5 SGB II sollen die Kommunen im Zuge der Umsetzung des Vierten Ge- setzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt um insgesamt 2,5 Milliarden Euro entlastet werden. Um dies sicherzustellen, haben Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschussverfahren 2004 vereinbart, dass sich der Bund an den Kosten der Unterkunft von ALG-II- Beziehern beteiligt. Im Dezember 2005 wurde für die Jahre 2005 und 2006 die Bundesbeteiligung abschlie- ßend auf 29,1 Prozent festgelegt. Für die Jahre ab 2007 musste eine gesetzliche Neuregelung gefunden werden. Daran hat die Bundesregierung in den letzten Monaten gearbeitet Das Ergebnis liegt nun vor. Der Weg dahin war nicht leicht. Eine ganze Reihe von Abstimmungsgesprächen mit den Ländern brachte zu- nächst keine ausreichende Annäherung der Positionen. Schließlich führte ein politisches Spitzengespräch am 2. November zum vorliegenden Kompromiss: Erstens. Der Beteiligungssatz für das Jahr 2007 wird – gegenüber 2006 – auf 31,8 Prozent angehoben. Zweitens. Der Betei- ligungssatz in den Jahren 2008 bis 2010 orientiert sich an der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften. Drittens. Der so genannte Ausgleich Ost über Sonderbe- darfs-Bundesergänzungszuweisungen wird um ein Jahr damit ebenfalls bis 2010 verlängert. Die Länder haben in der letzten Woche hierzu drei Änderungsvorschläge vorgetragen. Zweien davon kann der Bund entgegenkommen: Zum einen wird gefordert, in den Ländern eine unterschiedliche Höhe der Bundes- beteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Hei- zung für Empfänger der Grundsicherung für Arbeitsu- chende für das Jahr 2007 festzulegen. Konkret: Die Höhe der Bundesbeteiligung soll für 14 Länder auf 31,2 Prozent sowie aus Gründen des horizontalen Aus- gleichs für Baden-Württemberg auf 35,2 Prozent und für Rheinland-Pfalz auf 41,2 Prozent festgeschrieben wer- den. Um das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem Jahr abzuschließen und damit Planungssicherheit für die Kommunen ab Beginn des Jahres 2007 herzustellen, be- grüßen wir die Entscheidung der Koalitionsfraktionen, dem einstimmig gefassten Beschluss des Bundesrates hier zu folgen. Zum Zweiten haben die Länder gefordert, dass die Bundesbeteiligung für die Zeit ab 2011 geprüft und durch Bundesgesetz geregelt wird. Auch hier sind die Koalitionsfraktionen dem Bundesrat gefolgt. Eine Be- fristung der Bundesbeteiligung bis zunächst 2010 im Ge- setzentwurf bedeutet nicht, dass sich der Bund in den Jahren danach aus seiner Verantwortung zurückzieht. Vielmehr sollen rechtzeitig vor 2011 die erforderlichen Entscheidungen vor dem Hintergrund der bis dahin ge- wonnenen Erkenntnisse getroffen werden. In einem dritten Punkt konnte man dem Bundesrat je- doch nicht zustimmen: In den Jahren ab 2008 sollte die Anpassung nach der Entwicklung der Zahl der Bedarfs- gemeinschaften erfolgen. An dieser Stelle – wie es der Bundesrat fordert – die Höhe der Ausgaben für Leistun- gen für Unterkunft zum Maßstab zu machen, lehnt die Bundesregierung ab. Und zwar aus gutem Grund: Es ist eines der vorrangigen politischen Ziele im Bereich des S d d s r b d B r d d k z a ü e W s s s k g B r d Z g B l 2 w B 2 r d t d g J w g j w e n s V b m d K v m e a f (C (D GB II, die Anzahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen urch Vermittlung in Arbeit bzw. die Anzahl der Be- arfsgemeinschaften im SGB II zu reduzieren. Es ist deshalb gut, dass nunmehr einem ersten Vor- chlag aus dem Kreise der Länder gefolgt wird, der wäh- end der politischen Abstimmungsgespräche vorge- racht wurde und der eine unmittelbare Verknüpfung ieses politischen Ziels mit der Festlegung der Höhe der undesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft an- egte. Wir unterstützen damit auch eine effiziente Arbeit er Träger vor Ort und setzen einen positiven Anreiz für ie notwendige Prüfung der Angemessenheit der Wohn- osten. Was wäre denn, wenn wir die Ausgaben für KdU um Maßstab machen würden? Diese Ausgaben werden llein von den Kommunen gesteuert. Sie entscheiden ber die Angemessenheit der Wohnkosten und hier gibt s durchaus regional unterschiedliche Handlungsweisen. ürden wir die Ausgaben nun zum Maßstab der Anpas- ung machen, dann könnten regionale Meinungsver- chiedenheiten zulasten des Bundes aufgelöst werden, ie würden nicht mehr untereinander im Wettbewerb dis- utiert. Von den Kommunen zugelassene, nicht genü- end eingedämmte Kostensteigerungen müssten vom und getragen werden. Das können wir nicht akzeptie- en. Insgesamt ist die Bundesregierung der Auffassung, ass mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des weiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzaus- leichsgesetz die politische Verständigung zwischen und und Ländern über die Gestaltung der Bundesbetei- igung an den Leistungen für Unterkunft für das Jahr 007 mit einer Beteiligungsquote von 31,8 Prozent so- ie die Folgejahre angemessen umgesetzt wird. Der und steht damit zu seiner Zusage, die Kommunen um ,5 Milliarden Euro jährlich zu entlasten. Nach den Be- echnungen des Bundes wird dies jetzt vermutlich sogar eutlich mehr sein. Zwei Feststellungen sind jedoch noch notwendig: Ers- ens. Die Bundesregierung verbindet mit ihrer Zusage an ie Kommunen die klare Erwartung, dass die Entlastun- en – zumindest teilweise, mit 1,5 Milliarden Euro pro ahr – für den Ausbau der Kinderbetreuung eingesetzt erden. Das mag an der einen oder anderen Stelle anders esehen werden. Für die Bundesregierung bestehen hier edoch eindeutige politische Absprachen. Wir werden sie eiter einfordern! – Gerade vor dem Hintergrund, dass ntsprechendes Handeln der Kommunen gegenwärtig icht in ausreichendem Umfang erkennbar ist. Denn chließlich gilt es hier auch gute Voraussetzungen für die ereinbarkeit von Familie und Beruf und damit auch Ar- eitszugang für Alleinerziehende zu schaffen. Zweitens. Der Bund kann sicherstellen, dass die Kom- unen insgesamt um 2,5 Milliarden Euro entlastet wer- en. Er kann aber nicht die Entlastung jeder einzelnen ommunen garantieren. Das unterbindet unsere Finanz- erfassung. Hier sind eindeutig die Länder gefragt. Sie üssen im Wege des kommunalen Finanzausgleichs für inen angemessenen Ausgleich sorgen. Die Beteiligung n den Kosten der Unterkunft in Höhe von 31,8 Prozent ührt nun zu einer finanziellen Belastung des Bundes in 7150 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) Höhe von 4,3 Milliarden Euro, das heißt Mehrausgaben gegenüber dem Ansatz im Regierungsentwurf zum Bun- deshaushalt 2007 in Höhe von 2,3 Milliarden Euro. Dieses Gesamtergebnis mit seinen Werten ist Aus- druck guter Planungssicherheit für die Kommunen, ist eine gute Grundlage für Investitionen in die Kinderbe- treuung und damit in die Zukunft unseres Landes und ist für alle ein akzeptabler Kompromisse. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: National bedeutsa- mes Kulturgut wirksam schützen (Tagesord- nungspunkt 30) Steffen Reiche (Cottbus) (SPD): Die FDP hat mit ihrem Antrag „National bedeutsames Kulturgut wirksam schützen“ ein wichtiges Thema aufgegriffen. Der Staats- minister für Kultur und die Koalition arbeiten an der Lö- sung der hierin aufgeworfenen Probleme, was nicht zu- letzt das Treffen im Kanzleramt zeigte. Insoweit begrüße ich, dass wir heute die Gelegenheit nutzen, über den Kulturgutschutz öffentlich zu diskutieren. Es ist eine schwierige Herausforderung: Deutschland muss einerseits seine vertraglichen Verpflichtungen aus dem Washingtoner Abkommen erfüllen und andererseits zugleich einen wirksamen und angemessenen Kulturgü- terschutz für und in Deutschland finden. Nachvollzieh- bar dargelegtes und sogar vielleicht geschehenes Un- rechts – es muss jedenfalls geprüft werden – wird nicht dadurch geheilt, dass neues Unrecht geschieht. Daher bedarf es hinsichtlich der Provenienz in Streit stehender Stücke einer besonders sorgfältigen Prüfung. Deshalb werden weitere Anstrengungen des Bundes und der Län- der zur besseren Aufklärung der Kulturgüterherkunft zu- künftig notwendig sein. Der Antrag spricht ein sehr breites Spektrum in Fra- gen des Kulturgüterschutzes an. Zunächst sei hier die Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über Maß- nahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom 14. November 1970 genannt. Nach 36 Jahren großer Ruhe kommen wir endlich einen großen Schritt voran. Hierzu hat es eine ausführliche Anhörung im Ausschuss für Kultur und Medien gegeben. Die dort erfolgten Hin- weise waren hilfreich und wertvoll und werden durch entsprechende Änderungen aufgegriffen werden. Nach- dem wir so lange auf die Umsetzung dieser Kulturgut- schutz-Konvention der UNESCO gewartet haben, soll- ten wir nun nach letzten und sinnvollen Veränderungen im Januar endlich hier im Hause den Weg für eine schnelle Ratifizierung freimachen. Ich denke, spätestens im Febrauar können wir hier auf einen Erfolg im Kultur- gutschutz verweisen. Der FDP-Antrag weist zu Recht darauf hin, dass durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung die Mög- lichkeiten verbessert werden, im Eigentum der öffentli- chen Hand befindliche, national wertvolle Kulturgüter in d n F r w g s R B n Ü k g l h w n b m f c G s n [ t i ö E N f S G a n r l K h g s v V r s S s 2 g d h k v j H (C (D ie Verzeichnisse national wertvollen Kulturgutes und ational wertvoller Archive einzutragen. Dieses von der DP gelobte Vorhaben der Bundesregierung bringt be- eits einen verbesserten Schutz der eigenen nationalen ertvollen öffentlichen und kirchlichen Kulturgüter ge- en deren unrechtmäßige Ausfuhr. Zudem wird die Problematik zu Kirchners „Straßen- zene“ berührt: Hier hat es eine ausführliche Prüfung der estitutionsansprüche gegeben, infolge derer das Land erlin – in dessen Zuständigkeit fällt dieses Problematik un einmal – das Bild an die Erben zurückgegeben hat. ber die „Straßenszene“ und deren Versteigerungsver- auf zu fast 30 Millionen Euro wurde in den letzten Ta- en viel zu intensiv und zu laut diskutiert. Über die vie- en, die verzichtet haben, zugunsten der Menschen, die eute in Deutschland leben und zugunsten unserer Gäste ird, wenn überhaupt, zu wenig geredet. Dennoch ist es notwendig und richtig, im Allgemei- en auf diesen Vorgang hinzuweisen, insofern eine Pro- lematik entsteht, wenn der Kunstmarkt oder Dritte öglicherweise bestehende Defizite in der Provenienz- orschung sich zunutze machen wollen, um größtmögli- hen Profit daraus zu schlagen. Unbestritten muss es der rundsatz sein und bleiben, der in den im Antrag ange- prochenen Washingtoner Grundsätzen verankert ist, ämlich dass „alle Anstrengungen unternommen werden sollten], Kunstwerke, die als durch die Nationalsozialis- en beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet dentifiziert wurden“, zu identifizieren und dann zu ver- ffentlichen, „um so die Vorkriegseigentümer oder ihre rben ausfindig zu machen“, um in der Folge auch bei ichtausfindung „eine gerechte und faire Lösung“ zu inden. Deshalb ist es erforderlich, die Museen und ammlungen noch besser als bisher zu befähigen, diesen rundsätzen zu folgen, das heißt die notwendigen Mittel n die Hand zu geben, Kunstwerke, die durch die Natio- alsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zu- ückerstattet wurden, zu identifizieren. Selbstverständ- ich muss man auch die Belange der Museen und unstsammlungen berücksichtigen, die Rechtssicherheit insichtlich ihrer Bestände dringend und schnell benöti- en. Ein weiterer Problemkreis: Das Kulturgutschutzge- etz bzw. das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes or Abwanderung, wie es korrekt heißt, hatte 1955 den erkauf aus Privatbesitz zu kontrollieren gedacht. Da- an, dass der Staat selbst auf die Idee kommen könnte, einen gar Jahrzehnte gehegten Besitz an Kunst und chriften – Stichwort Haus Baden – zu privatisieren um einer Kassen wegen, hat bis zur letzten Novellierung 001 offenbar niemand gedacht. Einen umfassenden Kulturgutschutz haben wir dann ewährleistet, wenn wir möglichst umfassend erreichen, ass die Menschen in Deutschland keinen Zweifel daran aben und es zu Recht als selbstverständlich betrachten önnen, dass in öffentlicher Hand befindliches und wert- olles Kulturgut wirksam und umfassend vor Zugriffen eglicher Art, egal ob von privater oder öffentlicher and, geschützt ist. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7151 (A) ) (B) ) Hierzu aber bedarf es weitergehender Anstrengungen als der der FDP mit ihrem hier diskutierten Antrag. Ne- ben dem so genannten Kulturgutschutzgesetz wäre an Reformen im Denkmalschutzrecht zu denken, um um- fassenden Schutz zu gewährleisten. Denn einen Verkauf in deutschen unzugänglichen Privatbesitz oder die Zer- streuung von Sammlungen kann das Kulturgutschutzge- setz allein nicht verhindern. Insbesondere müssen die Länder an einer Weiterentwicklung des Kulturgutschut- zes beteiligt werden. Wir werden diesen Antrag heute an die Ausschüsse überweisen und möglicherweise zusammen mit dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Kulturgüter- schutz beraten. Spätestens dann wird deutlich, dass ein wesentlicher Teil der Forderung dieses Antrages bereits erfüllt wird, ein anderer Teil aus einer anderen Perspek- tive und sicherlich nur gemeinsam mit den Ländern dis- kutiert werden kann. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der vorliegende Antrag der FDP kommt mir vor wie ein seltsames Potpourri. Sie vermischen darin den geplanten Beitritt Deutschlands zur UNESCO-Konven- tion von 1970 „über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut“ mit der aktuellen Debatte über die Restitution während des Nationalsozialismus geraubter Kulturgüter. Der konkrete Zusammenhang zwischen beiden Themen wird in Ihrem Antrag nicht er- kennbar, deshalb möchte ich mich im Folgenden auf die Frage der deutschen Restitutionspraxis beschränken. Lassen Sie mich zuerst etwas Grundsätzliches sagen: An der Verpflichtung Deutschlands zur Rückgabe von Kunst- und Kulturgütern, die während des Nationalso- zialismus entwendet und geraubt wurden, darf nicht ge- rüttelt werden. Daran kann und darf auch der umstrittene Fall von Kirchners „Straßenszene“ nichts ändern – selbst wenn hier der Berliner Kultursenator durch die man- gelnde Transparenz bei seinem Vorgehen Anlass zur Kri- tik gegeben hat. Die Hysterisierung der Debatte, wie sie sich in einigen Medien beobachten ließ, ist dadurch nicht zu rechtfertigen. Denn: Keineswegs droht ein „Ausver- kauf“ der öffentlichen Sammlungen in Deutschland! Restitutionsansprüche bezüglich solcher berühmter und wertvoller Kunstwerke bilden immer noch die Aus- nahme. In den meisten Fällen beziehen sich Restitutions- klagen auf kleine Kulturgüter wie zum Beispiel Bücher. Diese bilden für die betroffenen jüdischen Familien wichtige Erinnerungsstücke und sind oft die einzige Ver- bindung der Erben zu ihrer Familiengeschichte. Es ist deshalb unangemessen, wegen einiger medial hochge- kochter Fälle die gesamte Restitutionspraxis infrage zu stellen. Unerträglich fand ich während der öffentlichen Debatte die Unterstellung, wonach es den jüdischen Er- ben vor allem um Geldmacherei gehe. So etwas ist inak- zeptabel. Ich denke, ich brauche hier niemandem zu er- klären, warum. Solche Anschuldigen und verkürzten Analysen über- sehen übrigens, dass es noch ganz andere, sehr gut nach- v a v s 1 w l r v s k l n i A a h m t n f c f G d v z V g u s k A o r h k E d z s A w s e d D S w (C (D ollziehbare Gründe dafür gibt, dass viele Restitutions- nsprüche erst in letzter Zeit vorgebracht werden: Bis or wenigen Jahren war eine entsprechende Auskunft chwierig, erst durch die Washingtoner Erklärung von 998, auf die sich auch Deutschland verpflichtet hat, urde die Auffindung von während des Nationalsozia- ismus geraubten Kulturguts kontinuierlicher, transpa- enter und systematischer betrieben. Zur Versachlichung der laufenden Debatte trägt der orliegende Antrag der FDP aber leider wenig bei. Es timmt einfach nicht, dass die mit Rückgabeforderungen onfrontierten Sammlungen „überhaupt keinen Hand- ungsspielraum mehr haben“ und die mit der Washingto- er Erklärung angestrebte „gerechte und faire Lösung mmer zulasten der öffentlichen Sammlungen“ gingen. uch die Forderungen, die Sie aus Ihrer Sicht der Dinge bleiten, sind wenig hilfreich: Weder kann es darum ge- en, gleichsam vollendete Tatsachen zu schaffen, indem an möglichst viele Kunstgegenstände, bei denen Resti- utionsansprüche bestehen könnten, in das „Verzeichnis ational wertvollen Kulturgutes“ aufnimmt, noch ist es ür die Erben hinnehmbar, dass bei Restitutionsansprü- hen an öffentliche Sammlungen eine zehnjährige Halte- rist eingeführt wird. Allein dem Vorschlag, auf der rundlage der Washingtoner Erklärung die Rahmenbe- ingungen für die Provenienzforschung der Museen zu erbessern – auch finanziell – kann ich zustimmen. Anstatt die Debatte anhand einzelner Ausnahmefälle u führen, muss es generell darum gehen, die bisherigen ereinbarungen – etwa die Handreichung der Bundesre- ierung, der Länder und Kommunen von 2001 – besser mzusetzen und die Ergebnisse der Provenienzfor- chung – auch an den kleinen Museen – noch besser zu oordinieren und hier mehr Transparenz herzustellen. uch die Museen selbst sollten bei Restitutionsanfragen ffener und transparenter agieren. Ziel dieser Verbesse- ungsmaßnahmen muss es sein, einen Backlash zu ver- indern, der die Errungenschaften der Washingtoner Er- lärung von 1998 aufgibt. Es muss im Sinne dieser rklärung dabei bleiben, dass die Beweislast nicht bei en Anspruchstellern, sondern bei den derzeitigen Besit- ern, den Sammlungen, liegt. Dieser Grundsatz ent- pringt der moralischen Verpflichtung Deutschlands. nlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Ausbildungsplatzlü- cke schließen – Vorschlag des DGB aufgreifen (Tagesordnungspunkt 31) Michael Hennich (CDU/CSU): Heute debattieren ir über den Antrag der Linken „Ausbildungsplatzlücke chließen – Vorschlag des DGB aufgreifen“. Darin geht s kurz gesagt um Folgendes: Die Überschüsse der Bun- esagentur für Arbeit sollen – nach einem Vorschlag des GB – zur Finanzierung eines Sofortprogramms zur chaffung von 50 000 Ausbildungsmöglichkeiten ver- endet werden. 7152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) Meine Damen und Herren von den Linken, als ich Ih- ren Vorschlag durchgelesen habe, habe ich mich gefragt: Wie soll ich auf diesen Antrag angemessen reagieren? Von Ihrer Seite sind schon viele merkwürdige Vor- schläge in den Bundestag eingebracht worden. Ich denke da zum Beispiel an die Debatte zum Thema General- streik. Darüber hinaus wollen Sie Wohltaten verteilen, ohne zu fragen, wie die Finanzierung aussieht – siehe Ih- ren Antrag „Nein zur Rente mit 67“ oder die Regel- satzerhöhung bei Hartz IV. Mit solchen Ideen bedienen Sie üblicherweise blanken Populismus. Jetzt handeln Sie das Problem der hohen Jugendar- beitslosigkeit auf einer Seite ab. Das zeigt, wie wenig Sie wirklich daran interessiert sind. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Ausbildungsplatzsituation fehlt in Ihrem Antrag. Herr Bundeswirtschaftsminister Glos hat hierzu ein umfangreiches Papier verfasst, des- sen Lektüre ich Ihnen sehr empfehle. Aber bevor ich zur inhaltlichen Kritik Ihres Vor- schlags komme, drängt sich sicherlich nicht nur mir die Frage auf: Sind Ihnen die eigenen Ideen bereits nach ei- nem Jahr ausgegangen? Müssen Sie nun auf die Ideen anderer – hier des DGB – zurückgreifen? Ihr Antrag geht – nebenbei gesagt, im Gegensatz zum DGB-Papier – oberflächlich mit der Problematik um. Es ist schwer, in Ihrem Antrag irgendeine Substanz zu er- kennen. Dennoch ist das Thema zu wichtig und zu ernst, als dass Ihr Vorschlag einfach im Papierkorb landen sollte. Ihren Antrag nehme ich daher zum Anlass, mich mit der Problematik differenzierter auseinanderzusetzen. Lassen Sie mich zunächst einmal klarstellen: In Deutschland gibt es knapp 500 000 Jugendliche unter 25, die keinen Job haben. Andererseits haben wir mit die geringste Jugendarbeitslosigkeit in der EU. Dabei ist klar: Je geringer der Grad der Qualifizierung ist, umso schwieriger ist es, einen Arbeitsplatz zu finden. Eine ab- geschlossene Ausbildung wird mehr und mehr zu einem wesentlichen Kriterium, einen Arbeitsplatz zu finden. Die Lage für junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt ist vielschichtig: Wir haben in diesem Jahr mehr unver- sorgte Bewerber, aber auf der anderen Seite mehr Aus- bildungsverträge als im Vorjahr und mehr ungenutzte Angebote. Im Oktober standen 50 000 unversorgte Be- werber 60 000 Angeboten gegenüber. Worin liegen die Ursachen für diese Situation? Das niedrige Niveau der Schulabschlüsse wird oft beklagt. Die Kosten, die mit der Lehrlingsausbildung verbunden sind, stellen gerade für kleine Betriebe ein Problem dar. Die wirtschaftliche Lage in den Ausbildungsbetrieben ist immer noch angespannt. Dazu kommen folgende Trends: Wir haben keine ein- fache Situation am Arbeitsmarkt. Traditionelle Produk- tionszweige wandern ins Ausland ab. Es werden immer höhere Anforderungen an die Arbeitnehmer gestellt. Es besteht immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit. Wir wandeln uns von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Auf diesem – sich übrigens auch weiter verkleinernden – Markt versuchen immer mehr B c s z W M m A w A s p s d a B d f B e j h v s v d s a C P n l h d f l v n s s s 1 m b i g (C (D ewerber, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Ma- hen wir uns klar: Ohne Ausbildung drohen junge Men- chen auf Dauer vom Ausbildungsmarkt ausgeschlossen u werden. Im Kern geht es uns um folgende Fragen. Kurzfristig: ie können wir das erhebliche Potenzial an ungenutzten öglichkeiten nutzen? Mittelfristig: Wie schaffen wir ehr Ausbildungsplätze und wie organisieren wir unser usbildungswesen? Also: Welche Möglichkeiten haben ir, hierauf zu reagieren? Darauf gibt Ihr Antrag keine ntworten. Ihre Antwort lautet lediglich: Die Über- chüsse der Bundesagentur sollen 50 000 Ausbildungs- lätze finanzieren. Sie – bzw. der DGB – schlagen vor, einen stärkeren taatlichen Akzent zu setzen. Dagegen spricht unter an- erem auch eines: Auch Ihnen dürfte klar sein, dass die ngesprochenen Überschüsse der Bundesagentur von eitragszahlern stammen. Ich frage Sie: Warum sollen ie Beitragszahler als kleine gesellschaftliche Gruppe ür ein gesamtgesellschaftliches Problem bezahlen? Unsere Antwort hingegen lautet: Wir brauchen ein ündel von Maßnahmen. Erstens. Das beste Programm für junge Menschen ist ine gute Wirtschaftsentwicklung und eine gute Kon- unktur. Gestern haben wir die Arbeitsmarktzahlen er- alten: die Zahl der Arbeitslosen auf unter 4 Millionen erringert. Davon profitieren vor allem die jungen Men- chen. Die gute Auftragslage sorgt für die Einstellung on mehr Mitarbeitern und auch von mehr Auszubilden- en. Zweitens. Wir müssen ein größeres Augenmerk auf die chulische Qualifikation lenken. Wer einen guten Schul- bschluss hat, hat auch am Ausbildungsmarkt bessere hancen. Berufsvorbereitende Maßnahmen wie EQJ- lätze und Praktika sind sinnvoll als begleitende Maß- ahmen, sollten aber nicht die Regel sein. Drittens. Wir haben bereits gut funktionierende, staat- iche Programme, zum Beispiel: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung at den Innovationskreis für berufliche Bildung gegrün- et: Darin werden maßgebliche Akteure zusammenge- ührt, um Handlungsoptionen für künftige Weichenstel- ungen in der Berufsbildungspolitik zu entwickeln. Der Kreis erarbeitet zurzeit Vorschläge zur Struktur- erbesserung der Berufsausbildung, für Übergangsma- agement zwischen Schule und Beruf sowie zur Verbes- erung der Durchlässigkeit. Das BMBF fördert flankierend mit dem Ausbildungs- trukturprogramm Jobstarter: Es wurden 50 Projekte ge- tartet und wir werden bis Ende des Jahres weitere 00 Projekte auf den Weg bringen, die passgenaue Ver- ittlung der Auszubildenden und Einwerbung von Aus- ildungsplätzen bei Betrieben zum Ziel haben. Die Finanzmittel werden um 25 Millionen Euro auf nsgesamt 125 Millionen Euro aufgestockt. Die Initiative „Aktiv für Ausbildungsplätze“ hat sich emeinsam mit Partnern zum Ziel gesetzt, in den nächs- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7153 (A) ) (B) ) ten fünf Jahren bei ausländischen Unternehmen rund 10 000 neue Ausbildungsplätze zu mobilisieren. Viertens. Die Bundesagentur wird auch einen Beitrag leisten: Rund 218 Millionen Euro sollen gezielt zur För- derung Jugendlicher eingesetzt werden: Unter anderem sollen 12 500 Plätze für Berufsausbildungen in außerbe- trieblichen Einrichtungen finanziert werden. Sie sehen: Es wird bereits viel getan. Ich halte es für sinnvoller, die staatlich geförderte Ausbildung zurückzu- nehmen und die Ausbildung am Bedarf zu orientieren. Der Regelfall muss bleiben: Ausbildung in den Betrie- ben und Unternehmen. Ihre Geisteshaltung ist von Misstrauen geprägt. Sie sagen, dass der Ausbildungspakt nicht funktioniert. Da muss ich Ihnen heftig widersprechen. Die Wirtschaft hat mit der Einwerbung von 55 800 neuen Arbeitsplätzen und 29 699 Plätzen für betriebliche Einstiegsqualifika- tion die im Ausbildungspakt gegebenen Zusagen mehr als erfüllt. Machen wir uns bitte insbesondere bewusst: Hinter dem Ausbildungspakt stehen Anstrengungen einer Viel- zahl von Unternehmen und auch einer ganzen Reihe von Mittelständlern, die sich dafür stark gemacht haben, neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Für sie haben Sie kein Wort des Dankes übrig. Es grenzt schon an Hohn gegenüber den Unternehmen und Betrieben und vor al- lem auch gegenüber den Auszubildenden, die durch die großen Anstrengungen einen Ausbildungsplatz gefunden haben, wenn Sie immer wieder sagen, dass der Ausbil- dungspakt nicht funktioniert. 50 Prozent der zur Verfügung gestellten Ausbildungs- stellen kommen in Unternehmen zustande, die weniger als 50 Mitarbeiter beschäftigen. Wir müssen endlich ein- mal anerkennen, dass es vor allen Dingen die freiwilli- gen Leistungen der Menschen in unserem Lande sind, durch die die zukünftigen Lehrstellen geschaffen wer- den. Deshalb gilt mein Dank an dieser Stelle den Betrie- ben, dem Handwerk, den Mittelständlern und auch den oftmals verschmähten Konzernen, die Ausbildungs- plätze zur Verfügung stellen und sich für neue Ausbil- dungsplätze engagieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen bei den Linken, was wir brauchen, sind: neue Initiativen, Kreativität, Anreize für Ausbildungsplätze schaffen. Sie reden darüber hi- naus von Anschubfinanzierung und schreiben: „… da die öffentliche Hand nicht gewillt ist, den Unternehmen etc. dauerhaft die Verantwortung für die Schaffung von Ausbildungsplätzen … abzunehmen“. Indem Sie Geld verteilen, erreichen Sie aber genau das Gegenteil. Die Unternehmen werden aus ihrer Pflicht entlassen. Und noch eines am Rande: Die Bundesagentur ist nicht die öffentliche Hand. Die Bundesagentur stellt im Jahr 2007 220 Millionen Euro in den Haushalt ein. Da- rüber, wie diese Gelder verwendet werden, darf und sollte diskutiert werden. Wir sind in jedem Fall verpflich- tet, mit den Beiträgen sorgfältig umzugehen. Mitnahme- effekte müssen verhindert werden. Wir müssen auch da- rauf achten, dass wir kein Zweiklassensystem von Aus- bildungsplätzen – solche, die von Unternehmen angebo- t b g b o b w B d g B d d g v w i W B p d m w T i z A d c d s k e E z w t A g K b A F d W g d g S d s d j (C (D en werden, und solche, die staatlich gefördert werden – ekommen. Ich will mich aber nicht weiter mit Kritik beschäfti- en und Ihnen lieber einen Weg aufzeigen, wie wir etwas ewegen. Wir nehmen auch Geld in die Hand – siehe ben –, aber wir haben einen breiteren Ansatz, die Pro- leme anzugehen: Uns ist wichtig, weiter auf die Verant- ortung der Unternehmer zu setzen und bei ihnen das ewusstsein und weitere Anreize für noch mehr Ausbil- ungsplätze zu schaffen. Warum aber sollten wir nicht noch mehr auf staatlich eförderte Ausbildung setzen? Die Ausbildung in den etrieben ist eben immer noch die beste Alternative, für ie Qualität der Ausbildung und für die Unternehmen, ie sich Ihre zukünftigen Arbeitskräfte selbst und am ei- enen Bedarf orientiert heranziehen. Wenn wir hier mehr erstaatlichen, werden sich die Betriebe zu Recht fragen, arum sie noch ausbilden sollen. Dass es sich lohnt, auf private Initiative zu setzen, will ch Ihnen anhand eines kreativen Beispiels aus meinem ahlkreis erläutern. In meinem Wahlkreis hat sich der und der Selbstständigen um das Thema „Ausbildungs- lätze schaffen“ gekümmert und ein attraktives Ausbil- ungsmodell für den Mittelstand – der immer noch die eisten Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt – ent- orfen: Der BDS hat die Verbundausbildung zu einer andemausbildung weiterentwickelt. Was bedeutet das m Einzelnen? Bei der Verbundausbildung finden sich wei Unternehmen zusammen, die gemeinsam einen usbildungsplatz anbieten. Ein Betrieb übernimmt dabei ie Leitfunktion. Das ist keine neue, aber eine gute Sa- he. Bei der Weiterentwicklung dieses Modells zur Tan- em-Ausbildung werden zwei Auszubildende abwech- elnd in zwei Unternehmen ausgebildet. Das hilft leineren Unternehmen, für die Ausbildung oftmals auch in Kostenproblem ist. Beiden Unternehmen stehen am nde der Ausbildungsphase zwei Übernahmekandidaten ur Verfügung. Sie partizipieren durch das breitere Fach- issen der vielseitiger ausgebildeten Mitarbeiter. Zum Schluss noch einige Praxisbeispiele: Eine Spedi- ion und eine Steuerberatungspraxis arbeiten so bei der usbildung von Bürokaufleuten zusammen. Selbst die emeinsame Ausbildung einer Bauzeichnerin bei einer ommunalverwaltung und bei einem freien Ingenieur- üro hat sich als problemlos machbar erwiesen. Sie sehen: Eine Verbundausbildung oder Tandem- usbildung bietet neue Ausbildungsplätze, breiteres achwissen und einen ersten Schritt in eine neue Ausbil- ungswelt. Fachwissen ist das, worauf es für unseren irtschaftsstandort ankommt. Sie haben es diese Woche ehört: Wir stehen am Beginn eines neuen Zeitalters – em Übergang zur Wissensgesellschaft. Lassen Sie mich einen kurzen Ausblick wagen: Die ute Konjunktur können und werden wir für weitere trukturreformen nutzen, am Arbeitsmarkt, aber auch bei er Ausbildung. Die Zunahme der Zahl der neu abge- chlossenen Ausbildungsverträge in Industrie und Han- el – plus 4 Prozent – und im Handwerk zeigt aber auch etzt schon: Die dynamische konjunkturelle Erholung ist 7154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) inzwischen auch am Ausbildungsmarkt angekommen. Dabei ist auch klar: Unsere Unternehmen und unser Mit- telstand brauchen gute und qualifizierte Arbeitskräfte. Eine gute Ausbildung ist unerlässlich für die Zukunftsfä- higkeit deutscher Unternehmen im Markt. Machen wir uns noch einmal bewusst: Bei der Dis- kussion um Lehrstellen geht es nicht nur um einen Aus- bildungsplatz für junge Menschen. Vielmehr geht es für diese jungen Menschen um einen Platz in der Gesell- schaft. Wir werden alles tun, um ihnen diesen Platz zur Verfügung zu stellen. Um dies zu verwirklichen, verfol- gen wir einen breiten Ansatz. Wir holen dafür alle Ak- teure – insbesondere aber die Unternehmer – mit ins Boot. Ihren Antrag lehnen wir daher ab, und an Sie richte ich die Bitte, nicht nur ein Blatt beschriebenes Papier ab- zugeben, sondern sich inhaltlich mit den Themen ausei- nanderzusetzen. Dieter Grasedieck (SPD): Unsere jungen Menschen brauchen eine Zukunftschance. Jeder Jugendliche, der sich engagiert und arbeiten will, braucht einen Ausbil- dungsplatz. Die jungen Menschen dürfen nicht das Ge- fühl haben, die Gesellschaft lässt uns allen. Wir brau- chen Euch, muss unsere Botschaft sein. Unsere große Koalition kämpft um jeden Ausbil- dungsplatz. Viele Maßnahmen und Programme sind längst verabschiedet. Wir sind hier auf dem richtigen Weg. Die Anregungen im Antrag der Linken werden längst realisiert. Einige Maßnahmen will ich nennen. Erstens. So will unser Minister Franz Müntefering die Zahl der Plätze für die Einstiegsqualifizierung für Ju- gendliche in diesem Jahr von 25 000 auf 40 000 in au- ßerbetrieblichen Ausbildungsstätten anheben. Zweitens. Ein neues Job-Bonus-Modell für 5 000 Aus- bildungsplätze erarbeitet das Arbeitsministerium. Drittens. Behinderte Jugendlich in Ausbildungsplät- zen werden seit Jahren gefördert. Viertens. Die Bundesagentur fördert außerdem jähr- lich rund 60 000 außerbetriebliche Ausbildungsplätze. Durch den Ausbildungspakt mit der Wirtschaft werden zudem noch 30 000 neue Ausbildungsplätze geschaffen. Fünftens. Berufsschulen können Jugendliche mit IHK- Prüfung ausbilden. In vielen Ländern wird dies Ausbil- dungsmöglichkeit mehr und mehr genutzt. Sechstens. Unsere Ministerin Schavan will durch das Programm „Jobstarter“ 13 000 Ausbildungsplätze in Ost- deutschland mit einem Budget von 100 000 Millionen Euro finanzieren. All das sind Maßnahmen, um unseren jungen Men- schen eine Zukunftschance zu bieten. Die Zukunfts- chance für junge Menschen ist eine Zukunftschance für unsere Gesellschaft in Deutschland. Der „Tagesspiegel“ schrieb am Sonntag: „Den Firmen geht der Nachwuchs aus – Fachkräfte gesucht“. In die- sem Artikel sagt der Arbeitgeberpräsident Hundt und an- d k t m d P A V f d s E d A G d w d 3 d n b g k u s k A a W D A g D d H u f c k d z s B u d U g i d P d (C (D ere Industrievertreter: „Ohne qualifizierte Facharbeiter ann es keinen leistungsstarken Maschinenbau und Au- omobilbau in Deutschland geben. Der Arbeitskräfte- angel droht zur Wachstumsbremse zu werden.“ Wenn ie Industrie diese Gefahr so deutlich erkennt, ist es ihre flicht und Schuldigkeit, den Jugendlichen noch mehr usbildungsplätze anzubieten. Hier trägt die Industrie erantwortung. Mehr Ausbildungsplätze, mehr Chancen ür Jugendliche und damit Zukunftschancen für die In- ustrie muss heute die Botschaft sein. In dem Zeitungsartikel weist die IHK darauf hin, dass chon heute 8 000 Ingenieure fehlen. Wir benötigen lektro-, Maschinenbau- und Kfz-Ingenieure. 2006 ist ie Zahl der Abiturienten um 9 Prozent gestiegen. Die biturienten verdrängen die Haupt- und Realschüler. efördert wird dieser Trend durch die Studiengebühren er Länder. In NRW ist die Zahl der Studienanfänger egen der Studiengebühr um fast 6 Prozent gefallen, an er gebührenfreien Universität Düsseldorf hingegen um 3 Prozent gestiegen. Selbst FDP-Minister bemerken iese Probleme. Unsere jungen Menschen brauchen ei- en Ausbildungsplatz und damit eine Zukunftschance. Einige Industriebranchen übernehmen ihre Pflicht. So ildet der deutsche Steinkohlebergbau über 3 100 Ju- endliche in den modernsten Berufen aus. Mechatroni- er werden ebenso ausgebildet wie Industriekaufleute nd der Elektroniker ebenso wie der IT-Kaufmann. Un- er Bergbau hat hier Vorbildfunktion. In meinem Wahl- reis werden 400 junge Menschen ausgebildet. Eine usbildungsquote von fast 10 Prozent muss das Ziel uch für andere Betriebe sein. Unsere Jugendlichen brauchen eine Zukunftschance. ir sind nicht am Ziel, wir nehmen das Problem ernst. eshalb fördert unsere große Koalition rund 140 000 usbildungsplätze. Wir sind somit auf dem rechten Weg. Patrick Meinhardt (FDP): Eine Ausbildung auf der rünen Wiese lehnt die FDP ab! Der Antrag der Fraktion IE LINKE geht vollkommen an der Wirklichkeit und en Bedürfnissen junger Menschen vorbei! Die Vorzüge der dualen Ausbildung liegen auf der and: Nur durch die enge Zusammenarbeit von Schule nd Arbeitswelt erhalten junge Menschen das Rüstzeug ür ihren späteren Beruf. Die Kombination von betriebli- her und schulischer Ausbildung hat sich bewährt und ann durch nichts ersetzt werden, erst recht nicht durch ie Schaffung von außerbetrieblichen Ausbildungsplät- en. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen las- en: außerbetriebliche Ausbildung. Denn die konkrete, praktische, unmittelbare Arbeit im etrieb mit dem Meister, das alltägliche Betriebsklima nd die soziale Integration in eine Betriebsgemeinschaft, er Umgang mit Kollegen und nicht zu vergessen der mgang mit Kunden vom ersten Tag an, das sind prä- ende, wichtige Erfahrungen, die die Jugendlichen nur nnerhalb eines Betriebes sammeln können und die urch nichts zu ersetzen sind, erst recht nicht durch das arken junger Menschen in einer verschulten Ausbil- ungshalle auf der grünen Wiese! Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7155 (A) ) (B) ) Die Forderung, Unternehmen durch die Umlagenfinan- zierung in die Pflicht nehmen zu wollen, ist grundfalsch! Denn: Wer schafft denn in Deutschland Ausbildungs- plätze? Wer bildet denn den Nachwuchs aus? – Die Un- ternehmen! Gut ausgebildeter Nachwuchs ist im Inte- resse eines jeden Unternehmers, ob nun mittelständi- scher Betrieb oder Großunternehmen! Der Ausbildungspakt ist nicht gescheitert, wie es die Fraktion Die Linke behauptet: Bei den Industrie- und Handelskammern ist in der Lehrstellenbilanz ein Plus von 4 Prozent zu verzeichnen, das Handwerk verzeich- net ein Plus von 1,6 Prozent. Aber wenn ich diesen Antrag lese, der ja auf einem DGB-Papier fußt, kommt mir das Grausen! Gerade der DGB soll sich doch mal an die eigene Nase fassen: Be- teiligt sich der DGB am Ausbildungspakt? Nein! Ist der DGB ein Musterbeispiel, was die Zahl an Auszubilden- den in den eigenen Reihen angeht? Nein! Bevor man also solch abenteuerliche Papiere entwirft, sollte man doch lieber erst einmal im eigenen Haus auf- räumen und zusehen, dass man annähernd eine akzep- table Ausbildungsquote erreicht, dann können wir wei- terreden! Der im Papier vorgestellte Ansatz, die fehlende Pra- xis durch Praktika in den Betrieben auszugleichen, ver- fehlt in seiner Quintessenz das zentrale Ziel: Auszubil- denden das praktische Rüstzeug für die Ausübung ihres späteren Berufes zu vermitteln. Kein Praktikum kann den Nutzen einer langfristigen Einbindung in einen Be- trieb auch nur ansatzweise ersetzen! Praktika sind wich- tig – auch und gerade in der Hauptschule –, so früh wie möglich, so regelmäßig wie möglich! Wir brauchen keine zweiwöchigen „Schnupperpraktika“. Wir brau- chen eine langfristig angelegte Kooperation von Schulen und Betrieben. Diese Zusammenarbeit von Schule und Betrieb erfor- dert Freiheit, erfordert Flexibilität vor Ort: Nur wenn Schulen so flexibel wie nur irgend möglich handeln kön- nen, haben Jugendliche einen Vorteil für sich, haben Ju- gendliche eine Perspektive, können Jugendliche und Ausbildungsplätze zusammengeführt werden. Richtig Gas geben müssen wir bei der überbetrieblichen Ausbil- dung. Projekte, wie die Initiative 5000 Plus des ZDH zeigen ihren Initiativcharakter. Das ist tragfähig, die Bundesregierung muss nur endlich zupacken! „Ausbil- dung Betriebsfrei“ wie es die Fraktion Die Linke nun fordert, hilft hier niemanden, weder jungen Menschen noch Betrieben. Auch die Bundesregierung sollte ihren blumigen For- derungen, überbetriebliche Ausbildungsprojekte zu stär- ken, Taten folgen lassen: Es kann nicht sein, dass die Fördermittel in diesem innovativen Bereich Jahr für Jahr zusammengestrichen werden! Wer eine Ausbildungsper- spektive schaffen will, muss Ausbildungsverbünde för- dern. Machen wir es endlich! Zielgruppe der außerbetrieblichen Ausbildung sollen Jugendliche mit Migrationshintergrund sein – so das Ge- werkschaftspapier –, da die Praxis zeigt, dass vor allem Jugendliche aus diesen Familien mit Sprachbarrieren zu k d p d w f d la w w w c n l S i d d s d w s D e M N u l g s F w g g d g C d b d S a d w g c S d s (C (D ämpfen haben, Lerndefizite aufweisen und schwer auf em Ausbildungsplatzmarkt zu vermitteln sind. Im Pa- ier heißt es, dass „im Rahmen der theoretischen Ausbil- ung beim Träger Sprachdefizite konzentriert behoben erden können“. Ein wahrhaft toller Vorschlag! Es ist jedoch grund- alsch, Leistungsdefizite im Rahmen einer Ersatzausbil- ung beheben zu wollen. Sprachliche Defizite – die Grund- ge schulischer Leistungsschwäche – müssen schon ährend der schulischen Ausbildung gezielt behoben erden und nicht auf den Schultern der Meister abgelegt erden. Denn es kann nicht Inhalt einer außerbetriebli- hen Ausbildung sein, den Schülern im Schweinsgalopp ebenbei ein schulisches Basiswissen vermitteln zu wol- en. Die Vermittlung von Lerninhalten muss Aufgabe der chulen bleiben. Daher muss die Stärkung von Schulen m Mittelpunkt des Interesses stehen. Viele Ausbil- ungsbewerber gelten als unvermittelbar. Diejenigen, ie mit 14, 15 oder 16 Jahren auf den Ausbildungsmarkt chwemmen, müssen zum Ende ihrer Schulzeit fit für ie Ausbildung sein und nicht erst hinterher in irgend- elchen verschulten Ausbildungsersatzprogrammen be- chäftigt werden. Daher gilt: Hauptschulen müssen gestärkt werden! ie Stärkung von Lehre und Lehrern ist der Schlüssel für inen fruchtbaren Lern- und Entwicklungsprozess junger enschen. Weniger Schüler pro Klasse heißt die Devise! ur in kleineren Klassen kann die individuelle Betreu- ng leistungsschwacher Schüler gewährleistet werden. Die Qualität der Lehrer ist das A und O, um die Qua- ität der schulischen Lehre sicherzustellen, nur gut aus- ebildete Lehrer können Lernfortschritte in den ent- cheidenden Hauptschuljahrgängen garantieren! Darüber hinaus stellt sich aber die entscheidende rage: Was ist die verschulte Ersatzausbildung generell ert? Welcher Chef stellt denn allen Ernstes frisch Aus- ebildete ein, die quasi über null Praxiserfahrung verfü- en? Welchen Mehrwert hat diese Form der Ausbildung, as „Parken“ Jugendlicher ohne Ausbildungsplatz ge- enüber der klassischen dualen Ausbildung? Keinen! Die außerbetriebliche Ausbildung verfehlt ihr Ziel, hancen für diejenigen zu schaffen, die keinen Ausbil- ungsplatz gefunden haben: Die außerbetriebliche Aus- ildung hängt diese Jugendlichen ab, mit dem Resultat, ass wir am Ende Ausgebildete haben, die das duale ystem durchlaufen haben und jene, die in der Ersatz- usbildung „geparkt“ worden sind! 650 Millionen Euro aus dem Überschuss der Bun- esagentur für Arbeit würden nicht nur zweckentfremdet erden. Das ist schon schlimm genug. Denn das Geld ehört den Beitragzahlern. Aber es wird auch verteilt. Machen wir uns nichts vor: Mit der außerbetriebli- hen Ausbildung ist niemanden geholfen, weder den chülern, noch den Betrieben! Wir wollen keine Ausgebildeten zweiter Klasse, son- ern müssen alles daran setzen, das duale Ausbildungs- ystem zu stärken, zu modernisieren, die überbetriebli- 7156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) che Ausbildung zu fördern, die Schulen fit zu machen und neue Kooperationsmodelle zwischen Schulen und Betrieben voranzutreiben! Von daher wird es mehr außerbetriebliche Ausbildung mit der FDP nicht geben! Werner Dreibus (DIE LINKE): Die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt ist dramatisch und eine Besserung ist nicht in Sicht. Laut Bundesagentur für Ar- beit fehlen mittlerweile mindestens 140 000 Ausbil- dungsplätze. Annähernd 50 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber warten bereits mehr als ein Jahr auf einen Ausbildungsplatz. Im Ausbildungsjahr 2005 wurden bundesweit weniger Ausbildungsverträge geschlossen als in den Ausbildungsjahren seit der deutschen Vereini- gung. Einem wachsenden Kreis von jungen Leuten wird so der Weg in die Zukunft versperrt. Die aktuelle Shell-Ju- gendstudie belegt, dass eine ungewisse berufliche Per- spektive zu den größten Sorgen junger Menschen zählt. Der DGB hält zutreffend fest – ich zitiere –: „Die gesell- schaftlichen Folgekosten einer ,verlorenen Generation sind enorm und gehen noch weit über Hartz IV hinaus. Die Mischung aus Perspektivlosigkeit, Hartz IV, Gele- genheitsjobs und eventuell Kriminalität birgt gesell- schaftlichen Sprengstoff.“ Die bisherigen Versuche, der Ausbildungsplatzmisere mit freiwilligen Zusagen der Arbeitgeber beizukommen, sind fehlgeschlagen. Bei Hunderttausenden Jugendli- chen ohne Ausbildungsplatz – und das Jahr für Jahr – gibt es kein Deuteln: Der Ausbildungspakt ist geschei- tert; so wie vor ihm das Bündnis für Arbeit nicht zum Abbau der Arbeitslosigkeit geführt hat. Wenn Politik nur noch appelliert, aber nicht mehr ge- staltet, nimmt sie sich selbst nicht mehr ernst. Politiker brauchen sich dann nicht zu wundern, wenn auch die Menschen sie nicht mehr ernst nehmen. Gestaltung bedeutet in diesem Fall, die Unternehmen durch eine Umlagefinanzierung in die Pflicht zu neh- men, damit sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zur Bereitstellung einer ausreichenden Zahl an Ausbil- dungsplätzen nachkommen. Darüber hinaus müssen für eine kurzfristige Linderung des Lehrstellenmangels alle aktuellen Möglichkeiten genutzt werden. Wir schließen uns deshalb dem Vorschlag des Deutschen Gewerk- schaftsbundes an, noch in diesem Jahr ein Sofortpro- gramm für 50 000 Jugendliche in Form von außerbe- trieblichen Ausbildungsplätzen zu starten. Für eine Anschubfinanzierung dieses Sofortprogramms können ein Teil der Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit und ein Teil der nicht verausgabten Mittel des Eingliede- rungstitels für das Sozialgesetzbuch II eingesetzt wer- den. Mit einem Betrag von 650 Millionen Euro könnten 50 000 außerbetriebliche Ausbildungsplätze finanziert werden. Selbstverständlich sollte es sich dabei lediglich um eine Anschubfinanzierung für das laufende Lehrjahr 2006/2007 handeln. Es nicht die Aufgabe der öffentli- chen Hände, den Unternehmen dauerhaft die Verantwor- t n d S a t A G n l A i w w d k g f g v N N n h T l d u Z D i g i m d s t Ü s l d d m d d F g S m d (C (D ung für die Schaffung qualifizierter Arbeitskräfte abzu- ehmen. Die Koalition sollte den Mut dazu finden, im Sinne es Gemeinwohls ein wirkungsvolles Instrument zur chließung der Ausbildungsplatzlücke einzuführen, uch wenn das den Widerstand der Wirtschaftslobbyis- en nach sich zieht. Nach Lage der Dinge führt an der usbildungsplatzabgabe kein Weg vorbei. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): etreu dem Motto „Es wurde schon alles gefordert, aber och nicht von jedem“ hat die Linke einen Antrag vorge- egt, dessen zentraler Punkt bereits Inhalt eines grünen ntrags war. Über den wurde am vergangenen Mittwoch m Ausschuss für Arbeit und Soziales abgestimmt und er urde mit den Stimmen der Linken abgelehnt. Vielleicht ollen Sie, Kolleginnen und Kollegen der Linken, damit ie Aufmerksamkeit für das Thema Ausbildung verstär- en. Mehr Aufmerksamkeit für dieses Problem, darin äbe ich Ihnen auch Recht, ist dringend notwendig. Zu Beginn des laufenden Ausbildungsjahres waren ast 50 000 Jugendliche unversorgt. Jetzt laufen das so enannte fünfte Quartal und die Nachvermittlung. Da- on werden einige profitieren, aber viele eben nicht. ach den gestern veröffentlichten Zahlen halten sich die achvermittelten mit den neu gemeldeten Bewerberin- en und Bewerbern fast die Waage. Wir sind also bis eute kaum vorangekommen. Auch der Vorjahresvergleich gibt Anlass zur Sorge: rotz günstigerer Voraussetzung – „nur“ 30 000 Jugend- iche waren unversorgt – blieben im letzten Ausbil- ungsjahr 11 500 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz nd ohne Angebot für eine Übergangsmaßnahme. Die ahl der Altbewerberinnen und Altbewerber steigt. enn auch viele derjenigen, die wir heute zum Beispiel n eine Einstiegsqualifizierung vermitteln, stehen mor- en wieder in der Schlange für einen Ausbildungsplatz. Um zu verhindern, dass Jahr für Jahr mehr Jugendliche n den Strudel der Perspektivlosigkeit gezogen werden, üssen wir handeln. Darum haben auch wir gefordert, ass die Bundesagentur für Arbeit aus ihren Überschüs- en ein Sonderprogramm auflegt, damit alle Unversorg- en eine Chance erhalten können. Angesichts der neuen berschussprognosen von bis zu 11,5 Milliarden Euro ollten die maximal erforderlichen 650 Millionen Euro eicht finanzierbar sein. Wir müssen dieses Geld jetzt in ie Hand nehmen; denn tun wir nichts, sind die Ausbil- ungsverlierer von heute die fehlenden Fachkräfte von orgen. Allerdings sehen wir auch die Gefahr, dass die Bun- esagentur zur Ausfallbürgin einer verfehlten Ausbil- ungspolitik wird. Darum will ich betonen, dass diese orderung lediglich eine Notmaßnahme darstellt. Der ei- entliche Handlungsbedarf liegt an einer ganz anderen telle. Der Ausbildungspakt ist gescheitert. In seinem Rah- en wurden zwar neue, aber keine zusätzlichen Ausbil- ungsplätze geschaffen. Dem jetzigen Gewürge müssen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7157 (A) ) (B) ) wir darum ein Ende bereiten und uns der Problematik auch strukturell widmen. Auch dafür haben wir Grünen detaillierte Vorschläge gemacht. Sie reichen von der besseren Anerkennung kleiner Qualifizierungsschritte über außerbetriebliche Ausbildungen bis hin zur Einrichtung von Produktions- schulen. Wir glauben, dass es einer Vielzahl von Lösun- gen und Veränderungen bedarf, um der Vielzahl von Problemen im Bereich Ausbildung gerecht zu werden. Allerdings glauben wir nicht an die Zauberkraft der Aus- bildungsplatzumlage. Hier machen es sich die Kollegin- nen und Kollegen der Linken aus meiner Sicht viel zu einfach. Sie erliegen dem Charme der einfachen Lösung und scheuen die Mühen der konkreten, wenn auch klein- teiligen Arbeit. Vielleicht können wir Sie ja während der Ausschussberatungen bekehren. Anlage 5 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 828. Sitzung am 24. No- vember 2006 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Anpassung von Rechtsvorschriften des Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulga- rien und Rumäniens zur Europäischen Union – Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Auslän- dern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Un- terhaltsvorschuss – Gesetz zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vor- schriften (Biokraftstoffquotengesetz – BioKraftQuG) – Zweites Gesetz zur Änderung des Aufbauhilfe- fondsgesetzes – Gesetz zur Auflösung der Unabhängigen Kom- mission zur Überprüfung des Vermögens der Par- teien und Massenorganisationen der DDR – Gesetz zur Änderung des Überstellungsausfüh- rungsgesetzes und des Gesetzes über die interna- tionale Rechtshilfe in Strafsachen – Gesetz über die Weiterverwendung von Informatio- nen öffentlicher Stellen (Informationsweiterver- wendungsgesetz – IWG) – Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsver- mittlerrechts – Gesetz zur Errichtung einer „Bundesstiftung Baukultur“ – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 23. Mai 1997 über die Vorrechte und Immunitäten des Interna- tionalen Seegerichtshofs und zu dem Abkommen vom 14. Dezember 2004 zwischen der Bundesre- – – – – – – – – – – (C (D publik Deutschland und dem Internationalen See- gerichtshof über den Sitz des Gerichtshofs Gesetz zu dem Protokoll vom 27. März 1998 über die Vorrechte und Immunitäten der Internationa- len Meeresbodenbehörde Gesetz zu dem Abkommen vom 30. September 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Belarus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Abkommen vom 1. Dezember 2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Kirgisischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen auf dem Gebiet der Steu- ern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Abkommen vom 3. Mai 2006 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppel- besteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- kommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Protokoll vom 1. Juni 2006 zur Än- derung des am 29. August 1989 unterzeichneten Ab- kommens zwischen der Bundesrepublik Deutsch- land und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Ver- hinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern Gesetz zu dem Abkommen vom 6. Februar 2006 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kroatien zur Vermeidung der Dop- pelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Gesetz zu dem Rahmenabkommen vom 22. Juli 2005 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französi- schen Republik über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich und zu der Verwaltungsvereinbarung vom 9. März 2006 zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit der Bundesrepublik Deutschland und dem Minis- ter für Gesundheit und Solidarität der Französi- schen Republik über die Durchführungsmodalitä- ten des Rahmenabkommens vom 22. Juli 2005 über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007) Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vor- schriften (SEStEG) Drittes Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeug- steuergesetzes 7158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) ) (B) ) – Drittes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteu- ergesetzen – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlich- keitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen) – Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltan- gelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz) – Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehel- fen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtli- nie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) – Gesetz zu dem Vertrag vom 25. April 2005 über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäni- ens zur Europäischen Union Darüber hinaus hat er Folgendes beschlossen: 1. Der Bundesrat hat festgestellt, dass das vom Deut- schen Bundestag am 26. Oktober 2006 verabschie- dete Gesetz gemäß Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes seiner Zustim- mung bedarf, und dem Gesetz einstimmig zustimmt. Begründung: Gemäß Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 GG ist die Zustim- mung des Bundesrates mit zwei Dritteln seiner Stim- men erforderlich, wenn durch Änderungen der ver- traglichen Grundlagen der EU und vergleichbare Regelungen das GG seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen und Er- gänzungen ermöglicht werden. Der Beitrittsvertrag regelt erstmalig verbindlich für Bulgarien und Rumänien die Zahl der Sitze im Euro- päischen Parlament, ihre Stimmenzahl im Rat sowie das künftig geltende Quorum für Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit (Beitrittsakte zur Änderung der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Vertrags über eine Verfassung für Europa: Zweiter Teil „An- passungen der Verträge“, Titel I „Institutionelle Be- stimmungen“ sowie für die Übergangszeit bis zum Beginn der Wahlperiode 2009 bis 2014 für die Sitz- verteilung im Europäischen Parlament Artikel 24; Beitrittsprotokoll zur Änderung der Rechtslage nach Inkrafttreten des Vertrags über eine Verfassung für Europa: Vierter Teil „Bestimmungen mit begrenzter Geltungsdauer“, Titel II „Institutionelle Bestimmun- gen“). Insbesondere der geltende EGV wird durch diese Regelungen des Beitrittsvertrags entsprechend angepasst. Die Mitgliedstaaten hatten sich bei der Regierungskonferenz von Nizza zwar im Hinblick auf die Erweiterung der EU auf 27 Mitglieder poli- tisch in einer Erklärung auf eine Neuverteilung der Sitze im Europäischen Parlament, im Wirtschafts- und Sozialausschuss und im Ausschuss der Regionen 2 (C (D sowie auf eine neue Stimmengewichtung im Rat ge- einigt (Erklärung Nr. 20). Erst durch den Beitrittsvertrag werden jedoch end- gültig und rechtlich verbindlich die institutionellen Bestimmungen geändert und damit der Kreis der Be- fugten, die übertragene Hoheitsrechte ausüben, geän- dert. Zudem wird auch die Höchstzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments gegenüber den Festle- gungen des EGV sowie des Vertrags über eine Ver- fassung für Europa für die Aufnahme von Bulgarien und Rumänien erhöht. Durch den Beitritt verschieben sich im Ergebnis Stel- lung und Gewicht der Bundesrepublik Deutschland im institutionellen Gefüge der EU. Das relative Stim- mengewicht Deutschlands insbesondere im Rat und damit die Möglichkeiten seiner Einflussnahme bei der Ausübung der auf die EU übertragenen Hoheits- rechte verändern sich. Dies stellt eine wesentliche Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU dar, durch die das GG seinem Inhalt nach geändert bzw. ergänzt wird. Somit ist die Zustimmung des Bundes- rates mit zwei Dritteln seiner Stimmen erforderlich. . Der Bundesrat hat ferner zu dem Gesetz die nachste- hende Entschließung gefasst: Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine Stellungnahme vom 7. Juli 2006 (Bundesratsdrucksache 360/06 [Be- schluss]) und begrüßt den Abschluss der fünften Er- weiterungsrunde der EU, der nunmehr mit dem Bei- tritt von Bulgarien und Rumänien zum 1. Januar 2007 erfolgen wird. Der Bundesrat nimmt die Analyse der Kommission in ihrem Bericht vom 26. September 2006 zur Bei- trittsfähigkeit von Bulgarien und Rumänien zur Kenntnis. Er erwartet, dass beide Beitrittsstaaten alle Anstrengungen unternehmen, um die im Bericht an- gesprochenen Mängel, insbesondere im Justizwesen und bei der Korruptionsbekämpfung, bei der Verwal- tung der EU-Agrarfonds, bei der Lebensmittelsicher- heit und im Bereich der Flugsicherheit bis zum 1. Ja- nuar 2007 und darüber hinaus abzustellen. Der Bundesrat bestärkt die Kommission in ihrer Po- sition, die im Beitrittsvertrag enthaltenen Schutz- klauseln in vollem Umfang anzuwenden, wenn Bul- garien und Rumänien ihren europarechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommen. Er begrüßt die von der Kommission vorgesehene fortlaufende Über- wachung auch nach dem Beitritt, insbesondere die Überprüfung für den Bereich Justiz und Inneres. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kom- mission trotz weiter bestehender Mängel im wichti- gen Bereich des Justizwesens sowie bei der Korrupti- onsbekämpfung in beiden Staaten vorerst von der Anwendung der in Artikel 38 des Beitrittsvertrags hierzu vorgesehenen Schutzklausel abgesehen und sich konkrete Schutzmaßnahmen erst für den Fall der Verzögerung weiterer Reformen nach dem Beitritt vorbehalten hat. Der Bundesrat erinnert daran, dass die konsequente Umsetzung der Beitrittskriterien der EU von hoher Bedeutung für die Glaubwürdigkeit Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7159 (A) ) (B) ) der Union nach innen wie nach außen sowie für die Akzeptanz der Erweiterung in der Bevölkerung ist. Er spricht sich daher dafür aus, diese Schutzklausel ab dem 1. Januar 2007 anzuwenden, falls die Defizite bis dahin nicht beseitigt sein sollten. Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, wonach künftige Erweiterungen strikt vom Kriterium der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der EU abhän- gig gemacht werden müssen. Er fordert die Bundes- regierung auf, die Debatte zum Strategiepapier der Kommission zur EU-Erweiterung vom 8. November 2006, das erstmals auch Aussagen zur Aufnahmefä- higkeit der Union enthält, aktiv in diesem Sinne zu begleiten. – Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und an- derer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsge- setz – VÄndG) Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie- ßung gefasst: 1. Der Bundesrat begrüßt die Regelungen des Gesetzes zur Änderung des Ver-tragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz – VÄndG), die durch Liberalisierung und Flexibilisierung eine Verbesserung der ärztlichen Versorgung der Patien- tinnen und Patienten bringen werden. Er weist jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass die nachträglich ein- gefügte Entschul-dungsregelung in § 265a SGB V in zeitlicher Hinsicht nicht ausreichend ist, die Ent- schuldungsproblematik zu lösen. 2. Der Bundesrat hält mithin folgende Änderungen des § 265a SGB V für unab-dingbar notwendig: – Bei dem in Absatz 1 Satz 3 des § 265a SGB V vorgesehenen Quorum ist von einer Zweidrittel- mehrheit aller Mitglieder (und nicht nur der an- wesenden Mitglieder) auszugehen, wobei das Stimmrecht entsprechend der Mitgliederzahl der jeweiligen Kassen zu gewichten ist. – Die Frist, bis zu der die Kassen ihre Verschul- dung abzubauen haben, ist generell (und nicht nur ausnahmsweise – wie in Absatz 4 des § 265a SGB V vorgesehen –) auf den 31. Dezember 2008 zu verlängern. – Im Rahmen der Entschuldung sind vertraglich vereinbarte und bereits geleistete Struktur- und Finanzmaßnahmen zu berücksichtigen. – Es ist sicherzustellen, dass die Vorschrift des § 265a SGB V über den 31. Dezember 2008 hin- aus fortbesteht, soweit sie sich auf Strukturhilfe- maßnahmen in besonderen Notlagen oder zur Er- haltung der Wettbewerbsfähigkeit bezieht. Die in Artikel 8 Abs. 3 des VÄndG vorge-sehene Be- fristung des § 265a SGB V ist daher zu streichen. 3. Durch das Vorziehen der Entschuldungsregelung in das VÄndG wird zudem die inhaltliche Wechselbeziehung zwischen Entschuldung und der im Gesetzentwurf zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Kran- 4 5 – ß 1 2 (C (D kenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsge- setz – GKV-WSG) festgelegten Insolvenzregelung auseinandergerissen. Betrachtet man – wie sachlich geboten – beide Regelungen im Zusammenhang, so ist davon auszugehen, dass ein zweistelliger Milliar- denbetrag erforderlich ist, um das Kassensystem auf eine solide wirt-schaftliche Basis zu stellen, von der aus ein fairer, chancengleicher Wettbewerb, wie ihn die Einführung des Gesundheitsfonds im Rahmen des GKV-WSG vorsieht, überhaupt erst möglich ist. Die Einführung der Insolvenzfähigkeit der Kranken- kassen bedingt zwingend die Vorlage einer Eröff- nungsbilanz, um festzustellen, ob und inwieweit eine Krankenkasse im Sinne der Insolvenzordnung über- schuldet ist. Hierbei sind nicht nur die nach bisheri- gem öffentlich-rechtlichen Bilanzierungsrecht ausge- wiesenen Schulden einzustellen, sondern auch die aufgrund der bisherigen Bundesvorschriften nicht zu bilanzierenden Belastungen durch Versorgungsan- sprüche von DO-Angestellten, Betriebsrenten und sonstige von den Kassen zugesagte Versorgungsleis- tungen. Bei einer Refinanzierung dieser Belastungen innerhalb der durch das VÄndG festgesetzten kurzen Zeit drohen für viele Kassen Beitragssatzsteigerun- gen in existenzvernichtender Höhe. Die Länder ha- ben auch und besonders wegen der bislang durch den Bund eröffneten Möglichkeit der Mittelschöpfung durch Beitragssatzerhöhung ihre Kassen von der An- wendung der Insolvenzordnung freigestellt. Wenn nun der Bund diese Geschäftsgrundlage grundlegend ändert, so ist er verpflichtet, die aus dieser Konver- sion resultierenden Belastungen, das heißt, die finan- ziellen Altlasten, selbst zu tragen. Er kann und darf sie nicht auf die Länder abwälzen. . Die Bundesregierung ist deshalb gefordert, ein schlüssiges Entschuldungskonzept aufzulegen, das sich an den realen Belastungen vor dem Hintergrund der Anwendung der Insolvenzordnung auf die Kran- kenkassen orientiert. . Der Bundesrat behält sich daher weitere Schritte im Rahmen der Beratungen des Gesetzgebungsverfah- rens zum GKV-WSG vor. Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfah- ren für Infrastrukturvorhaben Darüber hinaus hat er die nachstehenden Entschlie- ungen gefasst: . Der Bundesrat schließt sich der Entschließung des Deutschen Bundestages zur Änderung des Verwal- tungsverfahrensrechts in Nummer VI Abschnitte I, II.1 sowie II.2 (vergleiche Bundesratsdrucksache zu 764/06) an und fordert ebenfalls, die Änderungen aus den einzelnen Fachgesetzen in das Verfahrensrecht zu übernehmen. . Durch Artikel 7 Nr. 3 des Gesetzes zur Beschleuni- gung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorha- ben wird das Energiewirtschaftsgesetz geändert, in- dem nach § 17 Abs. 2 ein neuer Absatz 2a eingefügt wird, der die Übertragungsnetzbetreiber, in deren Re- 7160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 (A) (C) (B) ) gelzone eine Offshore-Windenergieanlage betrieben wird, verpflichtet, für diese auf ihre Kosten einen Netzanschluss herzustellen und zu betreiben. Dabei soll hinsichtlich der Kosten ein horizontaler Aus- gleich zwischen den Übertragungsnetzbetreibern ent- sprechend § 9 Abs. 3 des Kraft-Wärme-Kopplungs- gesetzes erfolgen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Frage einer weiteren Förderung der Offshore-Windenergie im Rahmen der ohnehin anstehenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abschließend zu klären. Ebenso ist die Frage des bundesweiten Aus- gleichs der Kosten, die aus dem windenergiebeding- ten Ausbau der Hochspannungsnetze im Binnenland resultieren, zu klären. Das Gesetz zur Beschleuni- gung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorha- Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Lage der Natur – Drucksache 15/5903 – Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch die Bundesbeauftragte für die Unterla- gen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deut- schen Demokratischen Republik Siebenter Tätigkeitsbericht der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehema- ligen Deutschen Demokratischen Republik – 2005 – Drucksache 15/5960 – ben ist gegebenenfalls entsprechend anzupassen. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Innenausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Schlussbericht der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massen- organisationen der DDR und Stellungnahme der Bundesregierung – Drucksachen 16/2466, 16/2813 Nr. 1.1 – Haushaltsausschuss – Unterrichtung durch die Bundesregierung Haushalts- und Wirtschaftsführung 2006 Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Ka- pitel 12 02 – Allgemeine Bewilligungen – Titel 532 51 – Einzug der streckenbezogenen Straßenbenutzungsge- bühren für Lkw durch Private – – Drucksachen 16/3032, 16/3194 Nr. 1.2 – m V P t (D Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- ung abgesehen hat. Finanzausschuss Drucksache 16/2555 Nr. 1.13 Drucksache 16/2555 Nr. 1.36 Drucksache 16/2555 Nr. 1.42 Drucksache 16/2555 Nr. 2.1 Drucksache 16/2555 Nr. 2.13 Drucksache 16/2555 Nr. 2.19 Drucksache 16/2555 Nr. 2.32 Drucksache 16/2555 Nr. 2.56 Drucksache 16/2555 Nr. 2.57 Drucksache 16/2555 Nr. 2.61 Drucksache 16/2555 Nr. 2.67 Drucksache 16/2555 Nr. 2.87 Drucksache 16/2555 Nr. 2.111 Drucksache 16/2555 Nr. 2.125 Drucksache 16/2555 Nr. 2.137 Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Drucksache 16/2555 Nr. 2.53 Drucksache 16/2555 Nr. 2.81 Drucksache 16/2555 Nr. 2.148 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 16/481 Nr. 1.5 71. Sitzung Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607100000

Die Sitzung ist eröffnet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie
herzlich und wünsche Ihnen einen guten Morgen.

Heute feiert der Kollege Dr. Heinz Riesenhuber sei-
nen 71. Geburtstag. Er ist dennoch hier.


(Beifall)


Lieber Kollege Riesenhuber, ich gratuliere Ihnen im Na-
men des ganzen Hauses und wünsche Ihnen alles Gute.
Ich vermute, dass bei den gestrigen Feierlichkeiten im
anderen Amt in der Parlamentarischen Gesellschaft
schon eine ähnlich stattliche Anzahl von Kolleginnen
und Kollegen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht
hat, Ihnen persönlich zu gratulieren.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Errichtung gemeinsamer
Dateien von Polizeibehörden und Nachrich-
tendiensten des Bundes und der Länder

(Gemeinsame-Dateien-Gesetz)


Redet
– Drucksachen 16/2950, 16/3292 –

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Ergänzung des Terrorismus-

(Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz)


– Drucksache 16/2921 –

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Innen-
ausschusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 16/3642 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Klaus Uwe Benneter

(C (D ung . Dezember 2006 2 Uhr Gisela Piltz Dr. Max Stadler Ulla Jelpke Wolfgang Wieland bb)

schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 16/3646 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Michael Luther
Bettina Hagedorn
Jürgen Koppelin
Roland Claus
Alexander Bonde

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Innenausschusses (4. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke,
Petra Pau, Jan Korte, Kersten Naumann und
der Fraktion der LINKEN

Erhaltung des Trennungsgebots – keine
Errichtung gemeinsamer Dateien von Poli-
zeibehörden und Nachrichtendiensten des

ext
Bundes und der Länder

– zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Wieland, Volker Beck (Köln), Silke Stokar von
Neuforn, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für
die Anti-Terror-Dateien unter Beibehaltung
der Trennung von Polizei und Nachrichten-
diensten

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Max
Stadler, Gisela Piltz, Ernst Burgbacher, weite-

geordneter und der Fraktion der FDP

ierung des Terrorismusbekämpfungs-
es präziser gestalten
rer Ab

Evalu
gesetz

7092 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
– zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Wieland, Volker Beck (Köln), Silke Stokar von
Neuforn, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Bessere Evaluierung der Anti-Terror-
Gesetze

– zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Wieland, Volker Beck (Köln), Jerzy Montag,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Anti-Terror-Gesetze – Zeitliche Befristung
beibehalten und Rechtsschutz der Betroffe-
nen verbessern

– Drucksachen 16/2624, 16/2071, 16/2671,
16/2072, 16/2081, 16/3642 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Clemens Binninger
Klaus Uwe Benneter
Gisela Piltz
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Wolfgang Wieland

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
der Kollege Ralf Göbel für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ralf Göbel (CDU):
Rede ID: ID1607100100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

debattieren heute abschließend über zwei wichtige Ge-
setze, die die Sicherheitsarchitektur in unserem Land
verbessern werden. Zum einen ziehen wir die Konse-
quenz aus der Evaluierung des Terrorismusbekämp-
fungsgesetzes aus der vergangenen Wahlperiode und
verbessern die Möglichkeiten unserer Sicherheitsbehör-
den zur Bekämpfung des Terrorismus. Zum anderen ent-
scheiden wir heute über die Antiterrordatei, deren Auf-
bau und Inhalte uns in diesem Hause schon seit Jahren
beschäftigt haben.

Die Gott sei Dank misslungenen Kofferbomben-
anschläge auf die Regionalzüge in Nordrhein-Westfalen
und Rheinland-Pfalz sowie der vereitelte Sprengstoff-
anschlag auf ein Verkehrsflugzeug am Flughafen Frank-
furt zeigen, wie präsent die Bedrohung durch Terroristen
in Deutschland ist. Wir sind daher gegenüber der Bevöl-
kerung in der Pflicht, ständig zu überprüfen, ob unsere
Sicherheitsbehörden die geeigneten und die erforderli-
chen Kompetenzen haben, um bereits im Vorfeld solche
Planungen aufdecken und Verbrechen verhindern zu
können.

Schon vor der Anhörung war uns klar, dass wir uns in
einem komplizierten Spannungsfeld zwischen Sicher-
heit und Freiheit bewegen. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Grund-
gesetz verpflichtet den Staat, die Menschenwürde zu
achten und zu schützen. Nach dem Verfassungsrichter

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(C (D do Di Fabio setzen sich Freiheit und Sicherheit wechelseitig voraus und stärken sich, wenn beide angemesen zur Entfaltung gelangen. In diesem Rahmen müssen ir, um mit den Worten von Bundesminister Schäuble u sprechen, das Menschenmögliche tun, um Anschläge uf unser Land und die Menschen in unserem Land zu erhindern. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit eiden Gesetzen den Rahmen der Verfassung beachtet aben und bei der Gewährung des Schutzes für die Beölkerung in unserem Land einen entscheidenden Schritt eiter kommen werden. Dies gilt insbesondere für die emeinsame Datei. Ich danke hier zu allererst Herrn Bundesminister chäuble, (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Zuallerst? Was ist mit uns?)


em es nach langen Jahren des Streites gelungen ist, eine
emeinsame Position der Innenminister zwischen Bund
nd Ländern zu erarbeiten. Dies hat die erfolgreiche Ar-
eit erst ermöglicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit der gemeinsamen Datei schaffen wir einen spe-
iellen Informationsverbund der 38 Behörden des
undes und der Länder,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Und wann danken Sie uns, Herr Göbel?)


eren Aufgabe die Bekämpfung des internationalen Ter-
orismus ist. Unter sehr stark einschränkenden Voraus-
etzungen können weitere Behörden der Länder, denen
auerhaft die Aufgabe zur Bekämpfung des internationa-
en Terrorismus übertragen wird, an diesem Informa-
ionsverbund teilnehmen.

Ich denke, dies ist eine sachgerechte Lösung; denn sie
ässt den Ländern Raum für konkrete Ausgestaltungen
hrer Organisationshoheit. Die Lösung ist auch angemes-
en; denn die Bekämpfung des internationalen Terroris-
us ist eine Aufgabe, die Bund und Länder nur gemein-

am wahrnehmen können, aber auch wahrnehmen
üssen. Nur wenn diese Zusammenarbeit optimal orga-

isiert ist, können wir erfolgreich sein.

Entscheidend für die verfassungsrechtliche Bewer-
ung ist auch, dass durch die gemeinsame Datei keine
eue Datenerhebung stattfindet. Die Personen, die in
iese Datei eingestellt werden, sind bereits aufgrund ge-
etzlicher Vorschriften in den bestehenden Dateien der
olizeien und der Nachrichtendienste des Bundes und
er Länder erfasst. Mit der Antiterrordatei versetzen wir
ie Sicherheitsbehörden aber erstmals in die Lage, einen
chnellen bundesweiten Überblick über vorhandene Er-
enntnisse zu bestimmten Personen oder Vereinigungen
u erhalten. Die Kenntnis dieser Daten muss dabei für
ie Aufklärung oder Bekämpfung des internationalen
errorismus mit Bezug zur Bundesrepublik Deutschland
rforderlich sein.

Mit einem sehr differenzierten System stellen wir si-
her, dass die einstellenden Behörden Herr über ihre Da-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7093


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Ralf Göbel
ten bleiben und dass die Persönlichkeitsrechte derjeni-
gen, die in diese Datei eingestellt sind, gewahrt bleiben.
So erhält die abfragende Behörde im Fall eines Treffers
nur den Zugriff auf die Grunddaten. Will sie ergänzende
Informationen, so genannte erweiterte Grunddaten zu
dieser Person haben, muss sie mit der einstellenden Be-
hörde Kontakt aufnehmen. Diese einstellende Behörde
entscheidet dann, ob die besonders sensiblen Daten
übermittelt werden.

Soweit besondere Geheimhaltungsinteressen oder
– das ist ein Ergebnis der Anhörung – besonders schutz-
würdige Interessen des Betroffenen dies ausnahmsweise
erfordern, kann eine beschränkte oder verdeckte Spei-
cherung erfolgen.

Kritisiert wurde in der Sitzung des Innenausschusses
die Eilfallregelung, wonach die abfragende Behörde un-
ter äußerst eng beschriebenen Voraussetzungen auf die
erweiterten Grunddaten zugreifen darf, wenn die er-
suchte Behörde nicht rechtzeitig reagieren kann.

Ich vermag beim besten Willen nicht zu erkennen, wie
man hier zu der Erkenntnis kommen kann, dass der Eilfall
in der Praxis zum Regelfall werden soll. Neben den be-
schriebenen materiellen Voraussetzungen für diesen be-
sonderen Zugriff haben wir im Gesetz noch erhebliche or-
ganisatorische Hürden aufgebaut, die nach meiner
langjährigen Erfahrung in Sicherheitsbehörden gewähr-
leisten, dass ein Missbrauch nicht stattfindet. Ganz da-
von abgesehen gehe ich bis zum Beweis des Gegenteils
davon aus, dass sich bundesdeutsche Behörden an Recht
und Gesetz halten und ein solches Misstrauen gegenüber
den Sicherheitsbehörden völlig unangebracht ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nur am Rande will ich noch erwähnen, dass jeder,
wirklich jeder Zugriff auf diese Datei protokolliert wer-
den muss und sowohl die Zugriffsregelungen als auch
die Protokolldaten der Kontrolle durch die Datenschutz-
beauftragten des Bundes und der Länder unterliegen.

Insgesamt haben wir eine Regelung gefunden, mit der
das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit an-
gemessen austariert wird. Die verfassungsrechtlichen
Anforderungen sind dabei, wie es die meisten wichtigen
Experten bei der Anhörung dargestellt haben, eingehal-
ten. Auch das viel zitierte Trennungsgebot, das es nach
Meinung namhafter Rechtslehrer in der vor 1990 vertre-
tenen Form gar nicht mehr gibt, wäre durch dieses Ge-
setz nicht verletzt. Es wäre im Übrigen auch geradezu
widersinnig, wenn Nachrichtendienste und Polizei Infor-
mationen über extrem gefährliche Personen nicht austau-
schen dürften. Damit würde ihr verfassungsrechtlicher
Auftrag zum Schutz der Bevölkerung ad absurdum ge-
führt werden.

Abschließend will ich noch auf den Entschließungs-
antrag der großen Koalition hinweisen, in dem die Bun-
desregierung aufgefordert wird, einen Entwurf eines
Gesetzes zur Umsetzung der verfassungsgerichtlichen
Entscheidung zur Wohnraumüberwachung aus dem
Jahre 2004 für den Bereich der Nachrichtendienste vor-
zulegen. Wir zeigen damit, dass wir mit der Verfassung

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(C (D erantwortungsvoll umgehen und die erforderlichen aßnahmen zum Schutz der Freiheit und zur Gewähr eistung der Sicherheit ergreifen. Vielen Dank. Das Wort hat nun die Kollegin Gisela Piltz, FDP raktion. Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol egen! Um es gleich zu Beginn klarzustellen: Die FDP st für den verbesserten Datenaustausch zwischen den icherheitsbehörden, wenn es um die Bekämpfung des nternationalen Terrorismus geht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das musste einmal gesagt werden!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607100200

(Beifall bei der FDP)

Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1607100300

Es ist schön, dass wenigstens Sie mir Beifall klatschen.
ie CDU schafft das nicht. – Die FDP unterstützt selbst-
erständlich die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen
en internationalen Terrorismus und hat sich schon seit
angem für eine reine Indexdatei zur Bekämpfung des
nternationalen Terrorismus eingesetzt. Dass diese In-
exdatei weder in den vergangenen Jahren noch jetzt
ealisiert wurde, liegt nicht an uns, sondern an den Län-
erministern, die von CDU und SPD gestellt werden;
as musste einmal gesagt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir haben bei dem vorliegenden Entwurf allerdings
uch rechtsstaatliche Bedenken.

Zuerst aber ein Wort zum Verfahren – das kann ich
hnen nicht ersparen –: Es gab eine kurzfristig anbe-
aumte Anhörung. Diesem Vorgehen haben wir zuge-
timmt, um diese Datei, von der wir einmal dachten, sie
ürde als Indexdatei ausgestaltet, schnell auf den Weg

u bringen. Die große Koalition hat dann drei Wochen
ebraucht, um am Ende Änderungsanträge, die nicht ein-
al zwei DIN-A4-Seiten umfassen, vorzulegen.


(Zuruf von der SPD: In der Kürze liegt die Würze!)


s wurden zwei Berichterstattergespräche angesetzt, die
icht stattgefunden haben, weil Sie sich immer noch
icht geeinigt hatten. Besonders schön fanden wir es,
ass wir dann am späten Dienstagabend das entspre-
hende Fax mit den Änderungsanträgen bekamen. So
onnten wir uns damit in den Fraktionen überhaupt nicht
useinander setzen.

Interessant ist auch, was die Kollegen im Innenaus-
chuss zu diesem Gesetzentwurf gesagt haben. Herr

iefelspütz sagte zum Beispiel, er hätte noch nie so hart
n einem Gesetzentwurf gearbeitet wie an diesem.

7094 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Gisela Piltz

(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das stimmt! Ich bin heute noch gezeichnet davon! Ich habe ein Schlafdefizit!)


Herr Göbel hat gesagt, es handele sich eigentlich nur um
kleinere Änderungen. Was stimmt denn nun?


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607100400

Herr Kollege Wiefelspütz, soll ich die Parlaments-

ärztin unterrichten oder bekommen wir das noch so gere-
gelt?


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1607100500

Herr Wiefelspütz, wenn das alles ist, was Sie zustande

bringen, dann graut mir vor den nächsten drei Jahren.


(Beifall bei der FDP – Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Oh!)


Unsere größten Kritikpunkte sind im Übrigen von den
Sachverständigen bestätigt worden. Bezüglich des Zu-
griffs auf die erweiterten Grunddaten von aa) bis qq)
– so heißt es so schön – haben auch wir verfassungsmä-
ßige Bedenken; denn jede Speicherung und Weitergabe
von Daten ist ein Eingriff in das Recht auf informatio-
nelle Selbstbestimmung und jeder Eingriff bedarf einer
Rechtfertigung. Wir können aber nicht erkennen, dass
dies hier in jedem Fall gegeben ist. Wir haben insbeson-
dere bei der Religionszugehörigkeit unsere Zweifel.
Auch viele Praktiker haben – das haben sie in der Anhö-
rung bestätigt – ihre Zweifel an der Praktikabilität dieser
erweiterten Grunddaten.

Auch die Anzahl der beteiligten Behörden sehen
wir kritisch. Wir hätten uns gewünscht, dass darüber ge-
meinsam mit dem Bundestag entschieden wird.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Stimmen Sie dem Gesetz zu, Frau Piltz!)


– Herr Wiefelspütz, es wird nicht besser, wenn Sie so
laut rufen. –


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Dann können Sie es aber akustisch verstehen!)


Was Sie jetzt vorgelegt haben, ist lediglich im Einver-
nehmen mit dem Innenminister beschlossen worden.
Das kann sich ein Parlament nicht bieten lassen.


(Beifall bei der FDP)


Auch zum Freitextfeld haben wir Kritikpunkte. Hier
verlassen Sie aus unserer Sicht die ursprünglich vorgese-
hene Indexdatei; denn nun dürfen Bewertungen, Hin-
weise und Bemerkungen hinsichtlich der Grunddaten
und der erweiterten Grunddaten weitergegeben werden.
Das ist erstens vom Aufwand her unpraktikabel – wer
soll das eingeben, wer soll das pflegen? –, zweitens für
den Betroffenen absolut unkalkulierbar – er kann die Da-
ten nicht einsehen und weiß nicht, was an persönlichen
Bewertungen über ihn gespeichert wird – und hat drit-
tens nichts mit Objektivität zu tun, sondern es handelt

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(C (D ich um eine höchst subjektive Einschätzung, die den rofessor mit drei verdächtigen Studenten oder mögliherweise einen hoch bezahlten Bankdirektor mit drei erdächtigen Mitarbeitern (Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Das sind die Klienten, die Sie vertreten?)


um Anwärter für diese Datei macht. Von daher lehnen
ir das ab.


(Beifall bei der FDP)


Das Schlimmste aus unserer Sicht ist aber die so ge-
annte Eilfallregelung. Gemeinsam mit dem Freitext-
eld birgt sie die Gefahr, dass ausländische Geheim-
ienste uns ihre Informationen gar nicht mehr
eitergeben. Bisher galt das Opportunitätsprinzip; sie
onnten selbst entscheiden, ob sie Informationen einstel-
en oder nicht. Das gilt jetzt nicht mehr. Im Eilfall kann
ede Behörde jederzeit auf die Daten zugreifen. Das
eißt, auch jede ausländische Behörde muss damit rech-
en, dass eine Behörde, von der sie nicht möchte, dass
ie auf diese Daten Zugriff hat, im Eilfall darauf zugreift.

All das, was Sie, Herr Kollege Göbel, hier zum Eilfall
esagt haben, kann mich nicht überzeugen. Es gibt min-
estens fünf unbestimmte Rechtsbegriffe in Ihrer Vor-
chrift, die man zunächst auslegen muss. Was da konkret
nd präzise geregelt sein soll, kann ich nicht erkennen.
anz im Gegenteil, Sie gefährden mit dieser Regelung
ie internationale Zusammenarbeit. Für mich und meine
raktion macht Terrorismus nicht an der Grenze halt und
ält sich übrigens auch nicht an unsere üblichen Büro-
eiten in den Behörden. Mit Blick auf die Eilfallregelung
rage ich mich, wie Sie den internationalen Terrorismus
inschätzen. Es kann doch wohl nicht sein, dass Sie
lauben, dass man einen Eilfall nicht bei allen Sicher-
eitsbehörden rund um die Uhr bearbeiten könnte.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Haben Sie überhaupt eine Ahnung von der Praxis?)


errorismus müssen wir rund um die Uhr bekämpfen
nd nicht nur, wenn der bayerische Verfassungsschutz-
räsident meint, dass er einen Notdienst fürs Wochen-
nde braucht. Ich glaube, so kann man den internationa-
en Terrorismus nicht bekämpfen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607100600

Frau Kollegin Piltz!


Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1607100700

Ich komme zum Schluss – mit einem letzten Gedan-

en. Wirklich nachdenklich hat mich gestimmt, dass Sie
nseren Änderungsantrag – mit dem Inhalt, dass Infor-
ationen, bei denen Tatsachen die Annahme begründen,

ass die unter offensichtlicher Verletzung der Menschen-
echte erhoben wurden, nicht gespeichert werden – ab-
elehnt haben. Es ist schön, wenn Sie sonntags davon re-
en, dass wir auf das Folterverbot unbedingt Rücksicht
ehmen müssen und unter Folter erhaltene Informatio-
en nicht verwendet werden dürfen. Wenn Sie das bei
er Ausarbeitung eines Gesetzes aber nicht berücksichti-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7095


(A) )



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Gisela Piltz
gen, dann finde ich das sehr bedenklich. Das lässt tief
blicken auf den Zustand dieser großen Koalition.

Aus all diesen Gründen können wir dieser Antiterror-
datei nicht zustimmen. Wir hätten es gerne getan. Wir
haben Ihnen unsere Mitwirkung angeboten; aber Sie ha-
ben davon keinen Gebrauch gemacht. Auch das hat mit
parlamentarischem Brauch nichts zu tun.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Dann sind Sie selber schuld!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607100800

Klaus Uwe Benneter ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ich sage nur: qq! – Heiterkeit bei der SPD)



Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1607100900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die ge-

sundheitlichen Befindlichkeiten des Kollegen
Wiefelspütz haben wir ja schon erörtert. Aber, Frau Kol-
legin Piltz, eine gute Speise muss eben heiß auf den
Tisch. Deshalb konnten wir Ihnen vorher nicht noch ein-
mal die Gelegenheit geben, sich den Mund daran zu ver-
brennen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Warum ist Deutschland bisher weitgehend von terro-
ristischen Anschlägen verschont geblieben? Wir hatten
sicherlich Glück. Es lag auch an einer klugen Außenpo-
litik, aber ebenso an der klugen und vorausschauenden
Politik im Bereich der inneren Sicherheit in den letzten
fünf Jahren.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sieben Jahre!)


An dieser Stelle sollte man ausdrücklich unseren Kolle-
gen Otto Schily erwähnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Man sollte ihm für das danken, was er für die innere Si-
cherheit in Deutschland geleistet hat. Herzlichen Dank,
Otto Schily!


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch verlogen!)


Es sind in der Vergangenheit sicher weit mehr als ein
Dutzend Anschläge in Deutschland durch rechtzeitige
Aufklärung verhindert worden. Deshalb ist die Frage zu
stellen, was wir eigentlich mit einer rechtzeitigen Ter-
rorbekämpfung im engeren Sinne leisten. Natürlich
muss Terrorbekämpfung auch die Ursachen angehen und
die Rekrutierung von Terroristen in den Entwicklungs-
ländern verhindern. Terrorbekämpfung im engeren Sinne
bedeutet, dass man rechtzeitig, also wenn Terroraktionen
geplant werden, handelt und nicht hinterher, wenn es so-
zusagen um das Aufräumen geht.

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(C (D Der internationale Terrorismus hat seine Vorgehenseise verändert. Deshalb müssen wir unsere Antwort arauf ändern. Es reicht nicht, alte Maximen um ihrer elbst willen aufrechtzuerhalten. Statt Wunschdenken ind hier knallharte, verlässliche Analysen und Bewerungen angebracht. Wir brauchen keine Spekulationen, ondern empirisch belastbare Bewertungen und Beurteiungen. (Zuruf von der FDP: Lassen Sie doch mal hören!)


Es ist unsere Aufgabe, die Bürgerrechte zu gewähr-
eisten und zu schützen. Das ist der Grund, warum wir
error bekämpfen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Clemens Binninger [CDU/CSU])


s geht hier nicht nur darum, allgemeine Persönlich-
eitsrechte und das Recht auf eine freie Entfaltung der
ersönlichkeit zu schützen;


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!)


s geht nicht nur darum, die Informations- und Mei-
ungsfreiheit zu schützen.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch!)


Ja, aber auch. – Aber erst recht muss das Recht auf
icherheit geschützt werden.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gibt es so nicht! Das ist eine Schily-Erfindung!)


s ist eines der vornehmsten und wichtigsten Bürger-
echte, das der Staat zu garantieren hat; denn die Bürger
elbst können es nicht. Der Staat ist also gefragt, wenn es
m das Recht auf Sicherheit geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gisela Piltz [FDP]: Können Sie mir mal den Paragrafen oder den Artikel nennen, in dem das steht? – Weiterer Zuruf von der FDP: Wo steht das Recht auf Sicherheit?)


Das Recht auf Sicherheit steht im gesamten Grundge-
etz.


(Zurufe von der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ah! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind so konkret, wie wir Sie kennen, Herr Kollege!)


Das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz und
as Gemeinsame-Dateien-Gesetz sind die rechtsstaatli-
he Grundlage dafür, dass wir verlässliche Informatio-
en für intelligente und rechtzeitige Analysen von Ge-
ährdungssituationen sammeln können. Das ist keine

underwaffe, aber Teil eines sensiblen und klugen
rühwarnsystems.

Lassen Sie mich nun auf das Terrorismusbekämp-
ungsergänzungsgesetz eingehen. Das Terrorismusbe-
ämpfungsgesetz war auf fünf Jahre befristet. Es ging

7096 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Klaus Uwe Benneter
nun um die Frage, ob dieses Gesetz verlängert werden
sollte oder ob es einfach auslaufen sollte. Es hat in die-
sem Zusammenhang eine Evaluierung stattgefunden, die
allein vom Zeitablauf gesehen unseren Ansprüchen auf
eine ausreichende Evaluierung nicht genügen kann.


(Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Gemäß dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz
gibt es in fünf Jahren eine neue Evaluierung, aber dies-
mal – wenn ich das richtig verstanden habe, war das
auch Ihr Anliegen, Herr Kollege Wieland – mit externem
Sachverstand.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einem! Ein Alibisachverstand!)


– Es wird kein Alibisachverständiger sein. Er wird vom
Parlament bestimmt werden.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den sucht Schäuble aus!)


Das ist schon ein wesentlicher Fortschritt, der eigentlich
Ihrem Anliegen gerecht werden müsste.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gab es schon den Personalvorschlag Schily!)


Es gibt keine Ausdehnung auf den Extremismusbe-
reich. Es bleibt dabei, dass es ein Terroristenbekämp-
fungsgesetz ist. Ich sage ganz deutlich, dass es sich um
terroristische Bestrebungen handeln muss. Extremisti-
sche Meinungsäußerungen, auch wenn sie einem nicht
passen, reichen nicht aus, um hier Auskünfte einholen zu
können. Außerdem müssen immer tatsächliche Anhalts-
punkte vorliegen, wenn dieses Gesetz in Anwendung
kommen soll.

Uns ist es auch gelungen – darauf bin ich besonders
stolz –, dass, wenn der Zweck der Maßnahme nicht mehr
gegeben ist, alle Betroffenen zu benachrichtigen sind. Es
ist ein ganz wichtiger Punkt in der Demokratie, dass man
das selber nachprüfen lassen kann.


(Beifall bei der SPD)


Was das Gemeinsame-Dateien-Gesetz angeht, wird
oft der Hinweis gegeben, hiermit werde das Trennungs-
gebot verletzt. Egal ob es ein verfassungsrechtlich ge-
schütztes Trennungsgebot gibt oder nicht, eine Trennung
zwischen Nachrichtendiensten und Polizei ist aus der
Natur der Sache heraus erforderlich. Die Polizei arbeitet
mit anderen Methoden und auf Basis anderer Rechts-
grundlagen als Nachrichtendienste. Nachrichtendienste
haben die Möglichkeit, sehr früh im Vorfeld Ermittlun-
gen zu führen und Informationen einzuholen. Die jewei-
ligen Informationen haben unterschiedlichen Charakter
und unterschiedliche Belastbarkeiten und stammen aus
völlig unterschiedlichen Quellen. Polizeiquellen müssen
Quellen sein, die auch vor Gericht standhalten können,
während die Quellen der Nachrichtendienste natürlich in
der Regel nicht vor Gericht zu verwerten sind. Aber sie
sind im Kampf gegen den Terror wichtig. Daher ist es
bedeutsam, solche Informationen rechtzeitig einzuholen.

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(C (D Insofern kann es kein Trennungsgebot für Informatioen geben, die die Nachrichtendienste und die Polizeien etreffen. Das Einzige, was es geben muss – das haben ir geleistet –, ist eine Trennung zwischen den offenen runddaten und den verdeckt gespeicherten, erweiterten runddaten. Da wurde eine klare Trennung durchge ührt; darauf kann nicht jede Polizeidienststelle einfach ugreifen. Auch der Eilfall muss geregelt sein, weil natürlich enkbar ist, dass jemand nicht zu erreichen ist. Frau Kolegin Piltz, es reicht eben nicht, dass beim Verfassungschutz der Pförtner oder sonst jemand den Bereitschaftsienst ausübt. (Gisela Piltz [FDP]: Herr Benneter, ist es nicht schlimm genug, dass das jetzt der Pförtner macht?)


ei den Verfassungsschutzämtern ist es von der Natur
er Sache her so, dass die einzelnen Dienststellen ent-
prechend voneinander abgeschottet und getrennt sind.
eshalb nützt es Ihnen nichts, einen 24-Stunden-Bereit-

chaftsdienst zu haben, wenn Sie die gerade Zuständi-
en, diejenigen, die Sie für eine verlässliche Information
rauchen, nicht erreichen können.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da weiß halt der eine nicht, was der andere macht!)


s sollte Ihnen einleuchten, dass man hier eine Eilfall-
egelung benötigt. Aber auch diese Eilfallregelung ist so
bgesichert, dass sie nicht zum Regelfall wird und kein
issbrauch erfolgen kann. Nehmen Sie das doch endlich

inmal zur Kenntnis!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gisela Piltz [FDP]: Gerade weil Sie das sagen, wird es nicht wahrer!)


Zu den Kontaktpersonen; davon haben Sie gar nicht
ehr gesprochen.


(Gisela Piltz [FDP]: Sie haben ja auch zwölf Minuten Redezeit!)


s war ja Ihre Forderung, deutlich zu machen, dass Kon-
aktpersonen nur dann in eine solche Datei aufgenom-

en werden können, wenn es sich nicht um zufällige
der flüchtige Kontakte handelt. Das ist nun ausdrück-
ich in den Gesetzestext aufgenommen worden. Dies
tand schon vorher in der Begründung. Aber weil es Ihr
nliegen war, dies deutlicher festzulegen, haben wir
iese Regelung in den Gesetzestext aufgenommen.


(Gisela Piltz [FDP]: Sie kannten doch unsere Änderungsanträge gar nicht! – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben die Probleme damit noch nicht gelöst!)


as sollte ein Grund mehr für Sie sein, zustimmen zu
önnen.

Eines ist ganz wichtig: In dieser gemeinsamen Datei
efinden sich keine neuen Daten. Es sind keine neuen
bermittlungsvorschriften geschaffen worden. Es bleibt

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7097


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Klaus Uwe Benneter
alles beim Alten. Was bisher von Nachrichtendienst zu
Polizei von Hand zu Hand und von Mund zu Mund wei-
tergegeben werden konnte, wird jetzt in der Weise mo-
dernisiert, dass dies auch automatisiert weitergegeben
werden kann. Das ist der einzige Unterschied.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dem Abwehrkampf gegen den Terrorismus sind wir es
schuldig, dass wir solche modernen Möglichkeiten nut-
zen und entsprechend einführen.

Wer zielsichere, belastbare Einschätzungen und Be-
wertungen abgeben will, braucht diese von uns zu Recht
geschaffenen rechtsstaatlichen Instrumente. Erfolgreiche
Terrorbekämpfung braucht taugliche Mittel für eine er-
folgreiche Recherche. Deshalb gibt es diese neuen Ge-
setze. Sie bauen auf alten, bewährten Regelungen auf,
führen sie weiter und entwickeln sie.

Dem Netzwerk der Terroristen stellen wir ein Netz-
werk der Sicherheit entgegen.


(Gisela Piltz [FDP]: Das um 16 Uhr schließt!)


Es ist wichtig, die Informationen möglichst frühzeitig zu
erhalten; denn nur so können wir bei der Terrorbekämp-
fung Erfolg haben. Die frühzeitige Information ist ein
Grund dafür, dass wir in Deutschland von Terroranschlä-
gen bisher weitgehend verschont geblieben sind.


(Gisela Piltz [FDP]: Ich dachte, das war Glück!)


Meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
machen Sie den Menschen nicht länger Angst.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nun ist aber Schluss!)


Wir gefährden keine Bürgerrechte, sondern wir wahren
alle Bürgerrechte. Alle Bürgerrechte, auch das Bürger-
recht auf Sicherheit, waren und sind bei uns in besten
Händen. Das wird so bleiben.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein reines Lippenbekenntnis!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607101000

Ich erteile das Wort dem Kollegen Jan Korte, Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Jan Korte (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607101100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nicht die Opposition verbreitet Angst, sondern Sie von
der Koalition. Sie sind die wahren Sicherheitspopulisten.
In Ihrer Argumentation gibt es nämlich einen Wider-
spruch: Auf der einen Seite stellen Sie Berichte vor, mit
denen Sie argumentieren, die Bundesrepublik sei eines
der sichersten Länder auf der ganzen Erde; auf der ande-
ren Seite erzählen Sie aber ununterbrochen, dass wir be-

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(C (D roht sind, malen Bedrohungsszenarien an die Wand, nd erklären immer wieder, dass man neue Maßnahmen raucht. Das ist ein offensichtlicher Widerspruch. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Michael Hartmann [Wackernheim] [SPD]: Beides ist wahr!)


Nun zur Antiterrordatei. Ich glaube, dass das, was wir
eute diskutieren, in den Gesamtkontext eingeordnet
erden muss, um überhaupt kenntlich machen zu kön-
en, was Sie beabsichtigen. Der Kollege Göbel hat heute
orgen etwas sehr Entscheidendes gesagt – das trifft

en Kern –,


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Sogar etwas Richtiges!)


ämlich dass Sie an einer völlig neuen Sicherheitsarchi-
ektur arbeiten. Das Problem dabei ist, dass die Balance
wischen Freiheit und Sicherheit heute abermals zuun-
unsten der Freiheit gekippt werden soll. Das ist das ent-
cheidende Problem Ihrer neuen Sicherheitsarchitektur.

Es gilt, den Gesamtrahmen zu beachten. Ich erinnere an
as Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit; ne-
en den Haushaltsberatungen wurde über diese hochgra-
ig fragwürdige Angelegenheit abgestimmt. Ich erinnere
n die Vorratsdatenspeicherung. Hochgradig problemati-
che Vorhaben werden von Ihnen durchgeprügelt. All
as bildet den Gesamtkontext. Sie bringen eine neue Si-
herheitsarchitektur zulasten der Freiheit auf den Weg.
as ist wahrlich populistisch und für die Grundrechte
efährlich.


(Beifall bei der LINKEN)


Nun zu den heutigen Vorhaben.

Erstens. Selbstverständlich wird hiermit die Tren-
ung von Polizei und Geheimdiensten weiter aufgeho-
en. Das ist doch gar keine Frage.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: So ein Unfug!)


ch kann nicht oft genug wiederholen, warum es diese
rennung gibt: Sie beruht auf den Erfahrungen, die wir

n der deutschen Geschichte gemacht haben. Dieses
hema ist aktueller denn je, weil es auch heute darum
ehen muss, eine unkontrollierbare Machtkonzentration
ei den Sicherheitsdiensten zu verhindern.


(Beifall der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE])


ede Woche gibt es einen neuen Skandal, weil die Situa-
ion offensichtlich nicht mehr kontrollierbar ist. Das ist
nser Problem. Deswegen ist dieses Trennungsgebot ak-
ueller denn je.

Dazu hat der ehemalige BND-Präsident und Staats-
ekretär Geiger, der nun wahrlich nicht verdächtig ist,
ozialist, geschweige denn Kommunist zu sein, Treffli-
hes gesagt.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wieso? Keine Unterstellungen!)


7098 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Jan Korte
Er hat in der Anhörung gesagt: Hier sollen personenbe-
zogene Kenntnisse zusammengeführt werden, die von
Behörden erhoben wurden, die organisatorisch zu Recht
getrennt sind, die unterschiedliche Aufgaben und Befug-
nisse haben. – Darüber gehen Sie einfach hinweg, ob-
wohl das nicht irgendjemand, sondern der ehemalige
BND-Präsident gesagt hat. Recht hat er.

Zweitens. Die erweiterten Grunddaten – Kennwort:
Religionszugehörigkeit – sind schon angesprochen wor-
den. Was soll das? Was hat diese Angabe in der Datei zu
suchen? Hier wird wieder eine Stigmatisierung vorge-
nommen, die, wie immer, in erster Linie die Migrantin-
nen und Migranten in diesem Land trifft. Deswegen leh-
nen wir das ab.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Herr Korte, das sind doch billige Vorurteile!)


– Die Vorurteile schüren Sie, nicht wir.

Drittens, das Freitextfeld: Es ist gerade schon einmal
zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die Polizei
aufgrund von Tatsachen und Fakten ermittelt, während
Geheimdienste bekanntermaßen auch aufgrund von Ver-
mutungen agieren und Gesinnungen nachspüren. Es ist
doch völlig logisch, dass es zu Fehlschlüssen mit gege-
benenfalls verheerenden Folgen für die Betroffenen
kommen muss, wenn man beides zusammenrührt. Da-
rüber kann man nicht einfach hinweggehen.

Viertens, die Kontaktpersonen – auch dieser Punkt
ist schon genannt worden –: Da haben Sie eine kleine
Änderung vorgenommen. Sie ist aber so vage gehalten,
dass das Kernproblem bleibt. Der Bundesdatenschutzbe-
auftragte hat es an einem Beispiel gezeigt: Wenn ich
meinen Nachbarn einmal am Kiosk treffe, ist es wohl
kein Problem. Wenn ich ihn aber drei- oder viermal
treffe und mit ihm vielleicht sogar noch einen Kaffee
trinke, dann gerate ich ganz schnell in die Datei hinein.
Das ist das Kernproblem.

Auch dazu hat Herr Geiger etwas Treffendes festge-
stellt:

Wie wird sichergestellt, dass insbesondere Unbetei-
ligte, ich denke an Kontaktpersonen, nicht allein
schon durch die Tatsache der Speicherung erhebli-
che Nachteile erleiden?

Auch das haben Sie nicht beantwortet. Es ist ein Skan-
dal, was Sie hier heute vorgelegt haben und wie Sie ein-
fach über die Probleme hinweggehen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Ein Verwendungsverbot von Daten, die unter Folter
erlangt wurden – ich erinnere an den Fall Zammar in
Syrien: die „Früchte der Folter“, die es offensichtlich
gibt –, wird von Ihnen nicht aufgenommen. Es gibt ja ei-
nen Untersuchungsausschuss, der sich mit diesen Fragen
befasst.

Das sind nur einige Gründe, warum die Linksfraktion
Ihr Gesetz ablehnen wird. Es geht hier, um es einmal

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(C (D räzise zu sagen, nicht um eine Antiterrordatei, sondern m eine Verdachtsspeicherdatei. Die lehnen wir ab. Zum Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz ur so viel: Nach dem 11. September konnte man angeichts des Schreckens durchaus Verständnis für einige aßnahmen haben. (Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist neu von der Linkspartei! Nun staunen wir aber!)


llerdings wäre es jetzt, fünf Jahre später, an der Zeit, in
ich zu gehen und zu überprüfen, ob die Verhältnismä-
igkeit gewahrt wurde. Es Evaluierung zu nennen,
enn das Ministerium sein eigenes Gesetz evaluiert, ist
eradezu absurd. Das ist so, als ob sich Produzenten von
ammelfleisch ein Ökosiegel geben würden. Das ist
eine Evaluierung.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ätte man eine unabhängige und kritische Evaluierung
ugelassen, wären uns vielleicht die wöchentlichen Ge-
eimdienstskandale erspart geblieben. Auch das muss
ngemerkt werden.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Die reden Sie nur herbei!)


Ich fasse zusammen. Heute ist wieder einmal ein trau-
iger Tag für die Grund- und Freiheitsrechte in diesem
and. Ich habe beim letzten Mal schon gefragt und frage
eute wieder: Bis wohin wollen Sie gehen? Jede Woche
ibt es eine neue Verschärfung des Gesetzes und neue
ingriffe in die Grundrechte. Wann soll damit Schluss
ein? Das frage ich mich wirklich; denn das ist das Pro-
lem. Die Schreierei der SPD hier


(Sebastian Edathy [SPD]: Ich habe nichts gehört!)


äuscht nur darüber hinweg, dass auch Sie hochgradige
edenken an dem haben, was Sie auf den Weg gebracht
aben.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wer? Meinen Sie Benneter?)


ie wissen ganz genau – seit langem wird das bei Ihnen
emunkelt –, dass das Gesetz vor dem Bundesverfas-
ungsgericht landen wird.

Abschließend noch einmal kurz zum Verfahren; zum
nhalt wurde schon einiges gesagt. Dass die Kollegen in
er CDU/CSU so etwas durchpeitschen, überrascht
icht, weil es dort durchaus einen Hang zu autoritärem
erhalten gibt


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Etwas charmanter gesagt, weil ja bald Weihnachten ist:
ie haben einen Hang zu preußischer Disziplin. – Das
ill mich nicht überraschen. Aber dass das in der SPD in
ieser Art und Weise durchgepeitscht wird, verwundert
ich schon, obwohl mich nicht mehr vieles verwundert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7099


(A) )



(B) )


Jan Korte
Man hat doch mitbekommen, dass Sie hochgradige Be-
denken hatten. Sie sollten überlegen, ob Sie nicht wieder
einmal Ihr Gewissen dem Koalitionszwang entgegen-
stellen. Darüber sollten Sie einmal nachdenken. Das
Gute an der Linksfraktion ist, dass dort die Fraktionsdis-
ziplin mit dem Gewissen gleichgeht. Das ist das Schöne
an der Linksfraktion. Deswegen lehnen wir diesen Ge-
setzentwurf ab.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607101200

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Wieland,

Bündnis 90/Die Grünen.


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607101300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege

Benneter hat eben das Spiel der Koalition mit der Angst
vor Terrorismus, Verbrechen und anderem vorgeführt.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Der Opposition!)


– Nein, in Wirklichkeit tut es die Koalition. Das ist das
Problem.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Wir sind gerade hier ganz bedacht und folgen dem
Präsidenten des BKA, Herrn Ziercke. Er sprach von fünf
verhinderten Terroranschlägen seit dem 11. September.
Wenn man Frankfurt am Main dazurechnet, muss man
von sechs verhinderten Terroranschlägen sprechen. Die
wurden durch gute Arbeit – auch ohne Antiterrordatei –
verhindert.

Der Anschlag von Köln wurde nur durch einen Zufall
verhindert. Nur die falsche Übertragung von Internet-
bauplänen in die Realität hat dazu geführt, dass wir Köln
heute nicht in einer Reihe mit Madrid und London nen-
nen müssen. Dieser Anschlag hätte auch durch eine An-
titerrordatei nicht verhindert werden können. Daher
muss über die Ausgestaltung einer solchen Datei ruhig,
ohne Hektik und ohne dieses Thema als „heiße Kiste“ zu
präsentieren, auf parlamentarischem Wege verhandelt
werden. Wir hatten dazu circa 20 Änderungsvorschläge
gemacht, die FDP genauso viele. Diese Vorschläge ha-
ben Sie nicht zur Kenntnis genommen. Sie lagen noch
nicht einmal auf Ihrem Verhandlungstisch.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Na, na! Was meinen Sie denn, warum das alles so lange dauert?)


Es gibt noch nicht einmal eine ablaufende Frist für diese
Datei.

Daher sage ich: Sie haben sich bewusst von der Op-
position abgekoppelt. Nun kommen Sie mit dummen
Schuldzuschreibungen an uns. Sie wollen dieses Thema
jetzt abschließen, diese Diskussion nicht mehr führen
und die Flucht nach vorne antreten. Machen Sie das ru-
hig, glauben Sie aber nicht, dass wir als Opposition da-
bei mitmachen und Ihnen zustimmen.

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Hätten Sie uns doch nur zugehört, Herr Wieland!)


Sie stellen sich hierhin


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Nein! Wir sitzen!)


nd sagen: Hurra, data habemus! Jetzt haben wir die Da-
ei. Das, was Rot-Grün in sieben Jahren nicht geschafft
at, haben wir in nur einem Jahr geschafft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Ja! So ist es doch auch!)


Lieber Kollege Binninger, wir sind stolz darauf, dass
ir einen solchen Datenmoloch, wie Sie ihn planen, ver-
indert haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auf eine Kurzformel gebracht bedeutet Ihre Datei:
iel zu viele Daten von viel zu vielen Personen aus viel
u vielen Quellen mit viel zu vielen Zugangsberechtig-
en. Das ist der Inhalt dessen, was Sie uns vorlegen.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Es sind doch die alten Daten! Die bereits vorhandenen! Das wissen Sie doch!)


Ja, eben. So viele Daten haben wir.

Stichwort: zu viele Daten. Die Nachrichtendienstli-
he Verbunddatei, NADIS, hat zurzeit einen Bestand von
034 514 personenbezogenen Einträgen.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


eim BKA umfasste allein die Datei „Innere Sicherheit“
it der Aufgabenstellung der Verhütung und Aufklärung

on politisch motivierten Straftaten, die länderübergrei-
ende, internationale oder erhebliche Bedeutung haben,
age und schreibe 1 451 605 Datensätze. Solche Daten-
erge sind bereits vorhanden.

Sie schlagen nun nicht etwa vor – was logisch wäre –,
ass wir diese Datenberge zunächst einmal entrümpeln
nd überprüfen, anschließend entscheiden, welche Daten
n die Datei aufgenommen werden, und sie dann zusam-
enfügen. Stattdessen wählen Sie ein Verfahren, das

ine gesetzliche Verpflichtung vorsieht: Es soll gespei-
hert werden, ohne dass zuvor eine Prüfung des Altbe-
tandes stattgefunden hat. Das ist wirklich unsinnig. Das
ntspricht nicht dem Gebot der Datenknappheit. Auch
ierzu können wir nur Nein sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Gisela Piltz [FDP])


Stichwort: zu viele Personen. Herr Fromm vom Bun-
esamt für Verfassungsschutz hat die Hoffnung geäu-
ert, dass der Umfang der Datei wohl nicht fünfstellig
ird. Wir sagen: Angesichts dessen, dass diese Datei,
ber deren Einführung wir jahrelang diskutiert haben,

7100 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Diskutiert? Ihr wolltet sie doch nur verhindern!)


eine absolut stigmatisierende Wirkung haben wird – das
ist gar nicht anders möglich; wer dort dringsteht, wird
als Terrorist gelten –, sollte man sich sehr genau überle-
gen, wen man in die Datei aufnimmt. Das tun Sie nicht.
Sie definieren noch nicht einmal entsprechende Krite-
rien.

In der Sachverständigenanhörung kam es doch gera-
dezu zu einer Art heiterem Personenraten, wer wohl in
diese Datei aufgenommen wird: Kommt Peter Handke
rein? Kommt Ahmadinedschad rein?


(Jan Korte [DIE LINKE]: Joschka Fischer!)


– Ja. Von der Linksfraktion wurde auch der Name
Joschka Fischer genannt. –


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Ist notiert!)


Muss US-Präsident George W. Bush rein?


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie können sich bewerben, Herr Wieland! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mit Otto Schily?)


Nach Ihrer Definition müsste jeder, der auf internationa-
ler Ebene die Anwendung von Gewalt befürwortet, ge-
schweige denn tatsächlich Gewalt anwendet, in die Datei
aufgenommen werden. Das geht viel zu weit und ist viel
zu unbestimmt.

Auch zu den Kontaktpersonen möchte ich Ihnen
gerne etwas sagen. Ihr Versuch der Einschränkung ist
untauglich. Die Definition, die Sie zugrunde legen wol-
len, umfasst das gesamte soziale Umfeld, sofern es dau-
erhaft ist. Die Ärztin, der Arzt, die Familienangehörigen,
die Anwältin und der Anwalt – für alle besteht das Ri-
siko, in diese Datei aufgenommen zu werden.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Das ist doch Unfug! Grober Unfug!)


An die Stelle harter Fakten setzen Sie Gesinnungsele-
mente. Ein nachdenklicher Sachverständiger hat darauf
hingewiesen, dass es sich oftmals um Menschen handelt,
die den Schritt vom Meinen zum Handeln noch gar nicht
vollzogen haben. Das alles hat in einer solchen Datei
wirklich nichts zu suchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Stichwort: zu viele Quellen. Der Streit, ob es eine
Volltextdatei oder eine Indexdatei sein soll, ist doch
nicht umsonst erbittert geführt worden! Wir Grüne woll-
ten die Datei – um das deutlich zu sagen –; aber wir
wollten sie immer als Indexdatei, als Fundstellendatei.
Weil jetzt gesagt wird, in den Eilfällen unterstellten wir
als Opposition Missbrauch, stelle ich klar: Wir unterstel-
len keinen Missbrauch. Aber der Eilfall ist vom Wesen
des Terrorismus her der Regelfall, da ist immer Eile an-
gesagt, die gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben ist
impliziert in der terroristischen Gefahr. Sie wollen doch
nicht im Ernst behaupten, dass, wenn ein Name der Kof-
ferbomber bekannt gewesen wäre, das kein Eilfall gewe-
sen wäre! Natürlich, und so wird es immer sein. Daher

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(C (D st das, was Sie heute hier schaffen, im Wesentlichen ine Volltextdatei. Auch deswegen, Herr Benneter, kann an sie nur ablehnen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Quatsch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607101400

Herr Kollege Wieland, gestatten Sie eine Zwischen-

rage des Kollegen Benneter?


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607101500

Ja, gestatte ich gerne.


Klaus Uwe Benneter (SPD):
Rede ID: ID1607101600

Herr Kollege Wieland, sind Sie in der Lage, zur

enntnis zu nehmen,


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: In der Lage!)


ass es im Gesetzestext im Hinblick auf Kontaktperso-
en ausdrücklich heißt:

Personen, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte die
Annahme begründen, dass sie …

it Terrorverdächtigen

in Verbindung stehen und durch sie Hinweise für
die Aufklärung oder Bekämpfung des internationa-
len Terrorismus gewonnen werden können …

as zusätzliche Erfordernis ist, dass

die Kenntnis der Daten für die Aufklärung oder Be-
kämpfung des internationalen Terrorismus mit Be-
zug zur Bundesrepublik Deutschland erforderlich
ist. Satz 1 gilt nur für Daten, die die beteiligten Be-
hörden nach den für sie geltenden Rechtsvorschrif-
ten automatisiert verarbeiten dürfen.

as ist die Definition von Kontaktpersonen in dem Ge-
etzentwurf. Können Sie das zur Kenntnis nehmen?


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607101700

Ich nehme das zur Kenntnis. Doch ich habe von dem,

as ich ausgeführt habe, Kollege Benneter, nichts zu-
ückzunehmen. Denn in Ihrer Definition fehlt das Ele-
ent, dass diese Personen irgendetwas wissen von den

erroristischen Verflechtungen der anderen Person.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Hinweise für die Aufklärung!)


ein, dass sie etwas wissen müssen, ist keine Vorausset-
ung für eine Erfassung ihrer Grunddaten; da genügt es,
ass sie objektiv Kontakt haben zu dieser Person.


(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Stimmt doch nicht!)


ass sie Kenntnis von deren Gefährlichkeit haben, ist
eine Bedingung. Eine Kontaktperson kann also der
hepartner sein, jeder, der nur nicht zufällig Kontakt zu

hr hat, zum Beispiel auch eine Anwältin oder ein An-
alt,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7101


(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland

(Clemens Binninger [CDU/CSU]: Völlig falsch!)


mit dem die Person in Geschäftsbeziehung steht. Weil es
hier um nachrichtendienstliche Daten geht, sind wir uns
doch wohl einig, dass auch viele undolose – wie Sie im
Ausschuss sagten –, also absichtslose Kontaktpersonen
dort gespeichert sind. Gerade das Wissen eines Anwaltes
ist sehr interessant für nachrichtendienstliche Kreise.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607101800

Würden Sie vielleicht auch dem Kollegen Binninger

die Freude machen?


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607101900

Ich bin ja zur Gleichbehandlung verpflichtet hier.

Deswegen soll auch der Kollege Binninger fragen dür-
fen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat die CDU beschlossen!)



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1607102000

Herr Kollege Wieland, Sie haben gerade behauptet,

dass die Kontaktpersonen nicht wissen müssten über
Terrorismus und deshalb nahezu jeder in diese Datei
kommen könnte. Wären Sie bereit, mir zuzugestehen,
dass im Gesetz etwas anderes steht, nämlich Folgendes
– ich nehme nur den letzten Halbsatz –:

… und durch sie

– es geht um die Kontaktpersonen –

Hinweise für die Aufklärung oder Bekämpfung des
internationalen Terrorismus gewonnen werden kön-
nen.

Sie müssen also etwas wissen, sonst kommen sie nicht in
die Datei. Wären Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen
und Ihre Aussagen zu revidieren?


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wer entscheidet das denn?)



Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607102100

Nein, das nehme ich nicht zur Kenntnis. Möglicher-

weise wollten Sie das zum Ausdruck bringen. Aber Sie
haben es nicht zum Ausdruck gebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es genügt, dass die Behörden sich vorstellen, dass sie
über die Kontaktpersonen in ihren Ermittlungen weiter-
kommen. Es steht nicht drin, dass die Kontaktperson ir-
gendetwas wissen muss davon, dass der Hauptverdäch-
tige in Terrorismus involviert ist. Diese Verbindung
haben Sie nicht gewählt. Wir haben Ihnen eine entspre-
chende Formulierung vorgeschlagen. Aber, Kollege
Binninger, Sie waren ja wenigstens so ehrlich, zu sagen,
dass Sie die noch nicht einmal gelesen haben. Wie sich
jetzt an Ihrer Zwischenfrage zeigt, rächt sich das.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Stichwort: zu viele Zugriffsberechtigte. Natürlich ätten wir als Gesetzgeber – da hat die Kollegin Piltz och völlig Recht – definieren müssen, wer da rein darf nd wer mitmischen darf bei dieser Datei. Dies gechieht nicht. Das überlässt man dem ehrenwerten Herrn chäuble. In seinem Benehmen liegt es, zu sagen, ob die olizeidienststelle im schwäbisch-alemannischen Raum, n Lörrach oder wo auch immer, ebenfalls Zugriff auf die atei hat. Das kann nicht befriedigend sein. Genauso wenig befriedigend ist es, dass es für denjeigen, dessen Daten in dieser Datei gespeichert wurden, eine Möglichkeit gibt, seine Daten löschen zu lassen. or allen Dingen aber haben Sie unseren Vorschlag verorfen, dass nichts aus dieser Datei an unbefugte Stellen insbesondere im Ausland – fließen darf. Gerade nach en Erfahrungen im Fall el-Masri und in anderen Fällen äre aber eine solche gesetzliche Sperre genauso drinend nötig gewesen wie eine Klausel hinsichtlich des erbots der Verwertung von unter Folter erlangten Da en, die die FDP vorgeschlagen hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


as alles hätte diesem Hause gut zu Gesicht gestanden
nd die Umsetzung der praktischen Erfahrungen und der
rlebnisse des vergangenen Jahres bedeutet.

In einem geradezu gottvollen Entschließungsantrag
ppellieren Sie nun an die Bundesregierung, doch end-
ich die Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Tele-
ommunikationsüberwachung umzusetzen. Warum haben
ie das nicht selbst in Ihren Gesetzentwurf für ein
errorismusbekämpfungsergänzungsgesetz eingearbei-

et? Dies ist nicht nur ein Wortungeheuer, sondern auch
in Monstrum an sich und ein Etikettenschwindel: Mit
iesem Gesetz wird die Terrorismusbekämpfung nicht
rgänzt; vielmehr gibt man sämtlichen Nachrichten-
iensten alle Instrumente, die zur Terrorismusbekämp-
ung entwickelt wurden, für die ganz normalen nachrich-
endienstlichen Felder, den Kampf gegen den Rechts-
nd den Linksextremismus, an die Hand. Das hat mit
valuierung nichts zu tun und das hat auch damit nichts
u tun, dass es nötig ist, gegen den Terror vorzugehen.
ie wollen die Möglichkeiten einfach nur ausdehnen und
ie staatlichen Befugnisse ins Uferlose wachsen lassen.

Abschließend zitiere ich Peter Schaar, den Bundes-
eauftragten für den Datenschutz.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Guter Mann!)


Ja, deswegen werden Sie dem, was er dazu gesagt hat,
uch zustimmen. – Er sagte: Diese Gesetze atmen den
eist der Überwachungsgesellschaft. – Damit hat er

eine Behörde korrigiert.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Er ist doch viel vernünftiger als Sie!)


Warten Sie einmal ab, Herr Wiefelspütz.

Für mich stellen diese Dateien weniger eine gesell-
chaftliche Frage dar. Der Staat erstellt sie, wir beschlie-
en sie. Deswegen präzisiere ich etwas: Leider atmen

7102 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Wolfgang Wieland
diese beiden Gesetze den Geist des Überwachungsstaa-
tes. Wir lehnen sie ab.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
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Herr Kollege!


Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607102300

Es wäre möglich gewesen, eine gute und datenschutz-

feste Regelung zu treffen. Die Vorschläge lagen auf dem
Tisch. Was hier heute geboren werden soll, bedeutet
gleich an zwei Stellen einen rechtsstaatlichen Damm-
bruch. Dazu sagen wir: Nein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607102400

Für die Bundesregierung hat nun der Bundesminister

des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister des In-
nern:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man
den Sprechern der Opposition unvoreingenommen zu-
hört, dann hat man das Gefühl, dass die eigentliche Be-
drohung in unserem Lande von den Organen der inneren
Sicherheit ausgeht. Ich glaube, das ist eine etwas ver-
zerrte Wahrnehmung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich bin mir auch ganz sicher, dass die Bundesrepublik
Deutschland, die Ordnung unseres Grundgesetzes mit ei-
nem Überwachungsstaat nun wirklich nichts zu tun hat,


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


sondern dass wir uns im Rahmen, in den Grenzen und
auf der Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen
und rechtsstaatlichen Verfassung bemühen, in einer Zeit
großer Bedrohungen und Gefahren das Menschenmögli-
che an Sicherheit zu gewährleisten.

Um nur die letzten Wochen in Erinnerung zu rufen:
Da sind zunächst die fehlgeschlagenen Sprengstoff-
anschläge auf zwei Regionalzüge Ende Juli in Koblenz
und Hamm. Es waren relativ kleine handwerkliche Feh-
ler, die verhindert haben, dass schlimme Unglücksfälle
passiert sind. Wenige Wochen danach wurde eine
Gruppe von Personen aus drei größeren Städten im
Ruhrgebiet festgenommen, die sich in unmittelbarer
zeitlicher und räumlicher Nähe zu einem Nena-Konzert
so verdächtig verhalten haben, dass ein Anschlag auf das
Konzert angenommen werden musste.

Vor ein paar Wochen hat die Polizei in Osnabrück ei-
nen Iraker festgenommen und seine Wohnung durch-
sucht. Der Beschuldigte hat mutmaßlich vielfach Audio-
und Videobotschaften von Osama Bin Laden, al-Zawa-
hiri und Mussab al-Sarkawi über das Internet verbreitet
und dadurch den Terrorismus von al-Qaida unterstützt.

Vor zwei Wochen haben BKA und die Landespolizei
neun Wohnungen im Rhein-Main-Gebiet durchsucht. Im

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(C (D ahmen eines Ermittlungsverfahrens der Generalbunesanwältin muss dem Verdacht nachgegangen werden, ass vom Frankfurter Flughafen aus terroristische Anchläge auf eine El-Al-Maschine geplant waren. Das erfahren dauert an. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal konkret, was da wirklich war!)


Das ist ein anhängiges Verfahren.

Das alles sind Nachrichten aus den letzten paar Wo-
hen. Sie aber tun so, als gehe die Bedrohung von den
icherheitsbehörden aus. Ich danke den Mitarbeiterin-
en und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden, dass sie
n schwieriger Zeit das Menschenmögliche leisten, um
nsere Sicherheit zu gewährleisten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es ist zwar richtig, dass die Antiterrordatei die ge-
lanten Anschläge auf die Regionalzüge nicht verhindert
ätte.


(Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Spricht das gegen die Datei?)


Das spricht nicht gegen die Datei.

Wir müssen ja auch nicht letzten Anschlagsversuch
erhindern, sondern versuchen, den nächsten zu verhin-
ern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


ie Untersuchungen des amerikanischen Kongresses ha-
en ergeben, dass theoretisch alle notwendigen Informa-
ionen vor dem 11. September 2001 vorhanden gewesen
ären, um die Planungen in Bezug auf das World Trade
enter zu erkennen; sie waren nur nicht miteinander ver-
nüpft. Das ist keine Kritik. Aber man muss für die Zu-
unft daraus lernen. Deswegen haben wir uns nun fünf
ahre bemüht, die notwendigen Informationen, über die
8 verschiedene für die innere Sicherheit verantwortli-
he Behörden und Dienststellen von Bund und Ländern
erfügen, so zu verknüpfen, dass wir effektiv präventive
rbeit leisten können.

Gerade derjenige, der sich für das Trennungsgebot
zw. für unterschiedliche Aufgabenstellungen von Poli-
ei und Nachrichtendienst einsetzt, darf nicht verhin-
ern, dass die Nachrichtendienste die von ihnen be-
chafften Informationen den Polizeibehörden zur
erfügung stellen. Sonst bräuchten wir keine Nachrich-

endienste. Das muss vernünftig geregelt sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich bin im Übrigen der festen Überzeugung, dass uns
ie föderale Ordnung unseres Grundgesetzes eine opti-
ale Voraussetzung für Schutz, Prävention und vorzüg-

iche Polizeiarbeit bietet.


(Fritz Rudolf Körper [SPD]: Jetzt kann sie sich wieder bewähren!)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7103


(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble
Wir haben das zuletzt bei der Fußballweltmeisterschaft
erlebt, die nicht so hervorragend verlaufen wäre, wenn
die Polizeien der Länder und des Bundes nicht so erfolg-
reich und effizient zusammengearbeitet hätten. Aus die-
sem Grund muss man die Voraussetzung für eine effi-
ziente und vertrauensvolle Zusammenarbeit schaffen.
Eine solche Voraussetzung ist die Antiterrordatei, in der
die Dienststellen, die Polizeien und Nachrichtendienste
von Bund und Ländern ihre Informationen einstellen –
unter Gewährleistung des notwendigen Datenschutzes,
im Rahmen unserer Verfassung, auf einer einwandfreien
gesetzlichen Grundlage!

Ich bin dankbar, dass wir das geschafft haben, und ich
bin froh, dass wir es im Einvernehmen mit den Ländern
erreicht haben. Nur so ist es möglich; es würde sonst
nicht mehr Sicherheit geben, sondern weniger.

Deswegen möchte ich mich auch beim Bundestag ins-
gesamt und insbesondere bei den Mitgliedern des Innen-
ausschusses und den Kollegen der Koalitionsfraktionen
dafür bedanken, dass es gelungen ist, die Gesetze so
rechtzeitig zu beraten, dass sie rechtzeitig in Kraft treten
können. Das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz
muss in Kraft treten; sonst kommen wir in eine Situa-
tion, die niemand verantworten kann.

Schon im September waren wir uns weitgehend einig,
dass die Antiterrordatei möglichst ab nächstes Jahr funk-
tionsfähig sein soll. Dazu brauchen wir die gesetzliche
Grundlage. Ich habe schon Anfang September mitgeteilt,
dass ich das Bundeskriminalamt beauftragt habe, sich
entsprechend vorzubereiten, sodass, wenn das Gesetz in
Kraft tritt, es funktionsfähig ist, das muss ja auch umge-
setzt werden.

Ich bin auch dankbar dafür, dass wir in den Haus-
haltsberatungen in der vergangenen Woche die notwen-
digen Mittel zur Verfügung gestellt haben. Denn auch
das gehört zu den Voraussetzungen, die wir schaffen
müssen.

Es ist, wie gesagt, richtig, dass es keine hundertpro-
zentige Sicherheit gibt. Wenn es aber keine hundertpro-
zentige Sicherheit gibt, dann ist es umso wichtiger, dass
man bei einer anhaltenden, wahrscheinlich sich eher ver-
schärfenden Bedrohungslage durch den internationalen
Terrorismus das Menschenmögliche unternehmen muss,
um so viel Sicherheit wie möglich zu gewährleisten.

Sie haben vorher mit dem Kollegen Benneter darüber
diskutiert, wo das im Grundgesetz steht. Dass der Staat
die Aufgabe hat, seine Bürgerinnen und Bürger zu schüt-
zen, ist in der abendländischen Geschichte fast ein Stück
weit konstitutiv gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wofür haben wir denn sonst den Staaat? – Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Grundrecht auf Sicherheit ist eine Staatszielbestimmung! – Gegenruf des Abg. Dr. CarlChristian Dressel [SPD]: Art. 1 ist keine Staatszielbestimmung! Sie reden irre!)



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(C (D Herr Kollege, das ist keine Staatszielbestimmung. Das st nun wiederum verfassungsrechtlich falsch. Es ist geadezu konstitutiv. Ich sage Ihnen: Wenn Sie die freiheitliche Ordnung nseres Landes bewahren wollen – worüber wir uns alle offentlich einig sind –, dann muss der freiheitliche echtsstaat in der Lage sein, den Bürgerinnen und Bürern ein hinreichendes Maß an Sicherheit zu gewähreisten. Sonst wird die freiheitliche Ordnung zerstört. er das untergräbt und wer dafür die notwendigen Mitel verweigert, gefährdet am Ende die Freiheit. Wenn wir en Kampf gegen den Extremismus – links oder rechts – rnst nehmen, darf der Staat kein Nachtwächterstaat ein, sondern muss in der Lage sein, das Menschenmögiche in einer sich verändernden Welt von Bedrohungen u tun. Dafür sind die beiden Gesetze, die wir heute verbschieden, ein wichtiger Baustein. Dazu gehört aber viel mehr. Deswegen haben wir das icherheitsprogramm aufgelegt, wofür ich sehr dankar bin. Dazu gehört aber auch, dass wir versuchen, daür zu sorgen, dass möglichst viele Menschen nicht den erroristischen Rattenfängern anheim fallen, und dass ir immer wieder dafür werben, dass unsere Ordnung on Freiheit und Toleranz Raum für alle bietet. Aber ine Ordnung von Freiheit und Toleranz ist für die Menchen nur überzeugend, wenn sie zugleich die notwenige Sicherheit gewährleistet. Dem dienen die beiden esetze. Deswegen bitte ich um Zustimmung. Herzlichen Dank. Dr. Max Stadler ist der nächste Redner für die FDP raktion. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her en! Herr Minister Schäuble, Sie haben hier völlig zu echt die Bedrohungslage eindringlich geschildert. Aber ie FDP war zum Beispiel für eine praxisnahe Lösung ei der Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste und für ine Indexdatei, wie sie auch Praktiker gefordert haben. lso führen wir doch bitte die Debatte hier nicht so, als b denjenigen, die für rechtsstaatliche Lösungen eintreen, die innere Sicherheit nicht am Herzen läge. Einen olchen Gegensatz dürfen wir hier nicht aufbauen. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607102500

(Beifall bei der FDP)

Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1607102600

Herr Minister Schäuble, es ist doch völlig unstreitig:
er Staat hat selbstverständlich eine Schutzpflicht ge-
enüber den Bürgerinnen und Bürgern. Aber bei den
ethoden, die er anwendet, ist er an die Grundrechte ge-

unden.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


7104 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Dr. Max Stadler
Deswegen ist sehr wohl über die Details zu diskutie-
ren.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 haben
die Geheimdienste Befugnisse bekommen wie nie zuvor.
Das war in gewissem Umfang sogar notwendig. Aber es
bleibt ein Grundproblem. Geheimdienste versuchen,
schon im Vorfeld Informationen zu gewinnen. Die Poli-
zeiarbeit setzt dagegen bei konkreten Gefahren bzw.
konkreten Verdachtsmomenten an. Geheimdienste erfas-
sen notwendigerweise viele Unschuldige. Deswegen
muss ein Gegengewicht durch eine entsprechende Kon-
trolle der Geheimdienstarbeit gesetzt werden. Meine
Damen und Herren von der Koalition, Sie wollen heute
die Geltungsdauer der Schily-Gesetze, die 2002 sehr ei-
lig durch das Parlament gebracht wurden, verlängern.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: 2001, Herr Stadler!)


Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, endlich eine bessere
Kontrolle der Geheimdienste als Gegengewicht einzu-
führen.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist mir völlig unbegreiflich, warum Sie die Gele-
genheit der heutigen Gesetzgebung nicht nutzen, endlich
auf unsere Vorschläge einzugehen, aus denen hervor-
geht, wie die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgre-
miums besser und effektiver gestaltet werden könnte.
Noch einmal: Wir von der FDP könnten notwendigen
Maßnahmen, die durchzuführen Sie den Geheimdiensten
erlauben wollen, durchaus zustimmen, wenn Sie auf der
anderen Seite bereit wären, die Kontrolle zu verbessern.
Das sind Sie leider nicht.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist schon gesagt worden, dass die Evaluierung, auf
die Sie sich bei der Verlängerung der Schily-Gesetze be-
rufen, nicht zureichend war. Dem stimme ich völlig zu;
denn diese Evaluierung, die die Frage betrifft, wie sich
die Gesetze in der Praxis ausgewirkt haben, ging einzig
und allein vom Blickwinkel der Anwender aus und hatte
überhaupt nicht im Blick, wie sich die neuen Vorschrif-
ten auf die Betroffenen auswirken, zum Beispiel, ob
Menschen in Dateien aufgenommen worden sind, ohne
etwas davon zu wissen, und dann berufliche Nachteile
davon hatten. Das hätte evaluiert werden müssen, wenn
Sie dies zur Grundlage einer Gesetzgebung machen wol-
len. Auch deswegen können wir nicht zustimmen.

Jetzt kommt der entscheidende Punkt. Die Koalitions-
fraktionen bringen heute einen Entschließungsantrag
ein. Es lohnt sich, ihn wörtlich zu zitieren. Er hat folgen-
den Text: „Die Bundesregierung wird aufgefordert, zeit-
nah einen Gesetzentwurf vorzulegen...“ – jetzt fasse ich
zusammen –, der das Urteil des Bundesverfassungsge-
richts zum großen Lauschangriff berücksichtigt. Meine
Damen und Herren, das kann doch nicht Ihr Ernst sein.

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(C (D ie regieren seit einem Jahr. Das Urteil des Bundesverassungsgerichts datiert vom März 2004 und gibt dem esetzgeber auf, dafür zu sorgen, dass der Bereich der anz privaten, intimen Lebensführung vom Staat nicht eeinträchtigt wird. Und Sie fordern heute die Bundesreierung auf, dies künftig bei Gesetzen zu berücksichtien. Wir sind doch die Volksvertreter. Wir sind der Geetzgeber. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE] und des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


ie hatten ein Jahr Zeit, dies in die heutigen Gesetze ein-
uarbeiten. Das haben Sie nicht gemacht. Ihr Entschlie-
ungsantrag zeigt, dass Ihnen diese Lücke bewusst ist.

Sie machen folgende Politik: Heute beschließen Sie
in Gesetz, das verfassungswidrig ist, weil es ein Urteil
us Karlsruhe nicht berücksichtigt; dann sagen Sie: Um
en Grundrechtsschutz kümmern wir uns morgen oder
bermorgen.

Meine Damen und Herren, Sie können nicht erwarten,
ass die Opposition bei einem solchen Verfahren mit-
acht.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607102700

Nun erhält auch offiziell der Kollege Dr. Dieter
iefelspütz für die SPD-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der SPD – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nebelkerzen gibt es jetzt!)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1607102800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Es ist heute ein guter Tag für unser Land, es ist
in guter Tag für die innere Sicherheit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ein Türchen aufgemacht! Heute gab es einen Schokoladenengel!)


ir haben heute zwei sehr wichtige Gesetze auf der Ta-
esordnung, die die innere Sicherheit unseres Landes
achhaltig verbessern. Ich danke den Kolleginnen und
ollegen von den Koalitionsfraktionen, dass es uns ge-

ungen ist, heute zeitnah eine Punktlandung vorzuneh-
en. Zwei wichtige Gesetze werden zum 1. Januar des

ommenden Jahres in Kraft treten können.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war eine Bruchlandung!)


Wir würden heute Morgen eine ganz andere Debatte
ühren, wenn die Bomben von Köln und anderswo ex-
lodiert wären. Wir haben hier in Deutschland keine
ysterikerdebatte, was innere Sicherheit angeht, aber
ir sind auch nicht naiv. Terrorismus ist keine Sache, die

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7105


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Dr. Dieter Wiefelspütz
nur jenseits unserer Grenzen stattfindet und bekämpft
werden muss. Terrorismus ist eine akute Gefahr in un-
serem Land, für Männer, Frauen und Kinder. Das ist kein
Irrsinnsszenario, sondern eine ganz konkrete Realität.
Ich will niemandem Angst einjagen, aber wer kann in
dieser Sekunde, in der wir zusammen beraten, eigentlich
ausschließen, dass in diesem Volk von 82 Millionen
Menschen an der einen oder anderen Stelle Menschen
beisammensitzen, die planen, Unschuldige in die Luft zu
sprengen?


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niemand!)


– Niemand kann das ausschließen, das ist richtig. – Des-
wegen haben wir die verdammte Pflicht, das Menschen-
mögliche zu tun, um die Sicherheit unseres Landes und
unserer Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Das ist
doch eine selbstverständliche Pflicht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich verstehe gar nicht, wieso man überhaupt ernsthaft
daran zweifeln kann. Wofür haben wir den Rechtsstaat,
wenn es nicht seine vornehmste Pflicht wäre, das Men-
schenmögliche zu tun, damit seine Bürgerinnen und
Bürger in Frieden, Freiheit und Sicherheit leben können?
Das ist eine elementare staatliche Pflicht.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Bis wohin?)


Terrorismus wird in Deutschland im Rahmen des
Rechtsstaates bekämpft. Ich kann mich nicht entsinnen,
dass wir in den letzten Jahren im Bereich der Terroris-
musbekämpfung auch nur ansatzweise an die rote Linie
– sie existiert in einem qualifizierten Rechtsstaat in die-
sem Bereich immer – herangekommen wären.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Luftsicherheitsgesetz! – Gisela Piltz [FDP]: Haben Sie die letzten Urteile des Bundesverfassungsgerichts gelesen?)


Man kann die rote Linie plakativ mit folgende Maßnah-
men benennen: Angriffskrieg, Irakkrieg, Guantanamo,
Folter, Rendition, das Verschwindenlassen von Men-
schen. Das ist die rote Linie, die der bundesdeutsche
Rechtsstaat nie auch nur ansatzweise berührt hat. Das
wird auch in Zukunft so bleiben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU –Jan Korte [DIE LINKE]: El-Masri!)


Es gibt niemanden, der bei uns in Deutschland ernsthaft
Mittel und Methoden wählt, durch die der Rechtsstaat im
Kampf gegen Terrorismus beschädigt und deformiert
wird.


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das wird gerade untersucht!)


Wenn wir das täten, würden wir unsere eigenen Grundla-
gen deformieren.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Deutschland gibt es das leider! US-Dienststellen in Deutschland!)



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(C (D Herr Ströbele, es ist sehr wichtig, dass wir den Terroismus strikt im Rahmen des Rechtsstaats bekämpfen. – ir betreiben Terrorismusbekämpfung in der Kontinuiät der Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre. (Zuruf von der SPD: Sehr wahr! – Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist das Schlimme!)


Soeben ist ein früherer Innenminister erwähnt wor-
en. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, das segensrei-
he Wirken des Kollegen Ströbele in den vergangenen
egislaturperioden zu erwähnen.


(Beifall des Abg. Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Klaus Uwe Benneter [SPD])


ir haben heute Gesetze zu verabschieden, die auf dem
ufbauen, was in früheren Jahren verabschiedet worden
st.


(Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles, was wir verhindert haben, kommt jetzt hinein!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607102900

Herr Kollege Wiefelspütz, der Kollege Ströbele

öchte sich mit einer Zwischenfrage persönlich an der
ürdigung seiner Arbeit beteiligen.


(Heiterkeit)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1607103000

Diese Gelegenheit sollten wir ihm geben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607103100

Bitte schön, Herr Kollege Ströbele.


(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Wiefelspütz, Sie reden die ganze Zeit über die

ekämpfung des internationalen Terrorismus. Sie sagen,
as sei der Grund für dieses Gesetzeswerk. Können Sie
ir sagen, was die gesetzlichen Vorschriften, die Sie

etzt einführen möchten, mit Terrorismus und Terroris-
usbekämpfung zu tun haben? Entgegen alldem, was

nter Rot-Grün gemacht worden ist, findet hier ein Ge-
etz, das angeblich im Zeichen des Kampfes gegen den
errorismus geschaffen wurde, Anwendung bei rechts-
nd linksradikalen Bestrebungen. Geben Sie mir Recht,
enn ich sage: Das ist ein Missbrauch der Bedrohungs-

age in der Welt für ganz andere Zwecke?


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1607103200

Herr Ströbele, wenn es so wäre, wäre ich auf Ihrer

eite. Wir haben in einem sehr frühen Stadium, schon
ei Einbringung der Gesetze, in der Koalition sehr inten-
iv darüber gesprochen. Es gab eine ganz klare Maß-
abe: Wir machen Terrorismusbekämpfungsgesetze und
ichts anderes. Bei allen Abgrenzungsschwierigkeiten
ibt es einen großen Unterschied zwischen Extremismus
nd Terrorismus.

7106 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Dr. Dieter Wiefelspütz

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Ich sage es mit meinen Worten: Das Spezifische für Ter-
rorismus ist die Bereitschaft, der konkrete Wille zur Ge-
waltanwendung. Diese Bereitschaft ist beim Extremis-
mus nicht notwendigerweise vorhanden. Deswegen
haben wir diesbezüglich eine klare Trennung vorgenom-
men, mit einer einzigen Ausnahme – ich sage es summa-
risch –: Wir schaffen mit diesem Gesetz die Möglichkeit,
mit nachrichtendienstlichen Mitteln gegen einen Hass-
prediger vorzugehen, der in der Tat zur Gewaltanwen-
dung aufruft oder dessen Agitation dazu führen kann,
dass Menschen Gewalt anwenden.

Wir legen großen Wert darauf, dass es sich bei unse-
ren Gesetzen nicht um Extremismusbekämpfung – den
bekämpft man auf andere Weise – handelt, sondern um
Terrorismusbekämpfung. Schauen Sie sich die Gesetze
bitte genau an! Wenn Sie Fragen haben, dann kommen
Sie zu mir: Ich erläutere sie Ihnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich wiederhole: Es handelt sich ausschließlich um Ge-
setze zur Terrorismusbekämpfung und um nichts ande-
res.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607103300

Herr Kollege Wiefelspütz, Ihr Vorschlag, die Diskus-

sion privat fortzusetzen, ist deswegen besonders liebens-
würdig, weil er uns hilft, die vereinbarten Redezeiten
einzuhalten. Gleichwohl hat sich Frau Kollegin Piltz zu
einer Zwischenfrage gemeldet, die Sie vermutlich eben-
falls zulassen möchten.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1607103400

Selbstverständlich, aus Respekt vor der Kollegin.

Möchte noch jemand eine Zwischenfrage stellen?


(Heiterkeit)



Gisela Piltz (FDP):
Rede ID: ID1607103500

Herr Wiefelspütz, ich glaube nicht, dass Sie die Rolle

des Präsidenten einnehmen sollten.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Die Rolle des Präsidenten einnehmen? Sehr guter Vorschlag!)


– Wenn Sie das möchten, dann müssen Sie das in der
SPD-Fraktion demnächst anders als bisher regeln.

Sie haben auf die Frage des Kollegen eben geantwor-
tet, dass das, was Sie hier vorlegen, einzig und allein der
Terrorismusbekämpfung dient. Wenn es so wäre, dann
wäre es schön. Ich frage mich, wie Sie das mit § 6
– „Weitere Verwendung der Daten“ – des Gemein-
same-Dateien-Gesetzes vereinbaren. Dort steht, dass
diese Daten weitergegeben werden können, wenn „dies
zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat oder
zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit
oder Freiheit einer Person geboten ist …“

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(C (D Sind Sie der Ansicht, dass die von Ihnen gewählte ormulierung eine Ausweitung aller bisherigen Defini ionen ist und dass damit sogar ein vorübergehendes Unohlsein gemeint sein kann? Das heißt, dass diese Datei ben nicht nur zur Bekämpfung des allgemeinen Terroismus genutzt werden kann. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1607103600

Frau Piltz, schönen Dank für die Frage. Es ist völlig

indeutig. Ich will die Gelegenheit ergreifen, um auf et-
as sehr Grundsätzliches einzugehen – Herr Benneter
at das schon einmal kurz angedeutet –: Was das Ge-
einsame-Dateien-Gesetz angeht, war, ist und bleibt

anz wichtig, dass wir keine neuen Übermittlungsregeln
chaffen. Diese Datei ist nur eine Datei; das ist nur eine
Computergeschichte“. Die materiellen Regelungen für
olizei und Geheimdienste, wie sie Informationen zuläs-
igerweise übermitteln dürfen, werden durch das Ge-
einsame-Dateien-Gesetz um keinen Millimeter verän-

ert. Schauen Sie sich dieses Gesetz und insbesondere
eine Begründung an! Das war uns ganz wichtig.

Wenn man etwas hätte ändern wollen, beispielsweise
n Bezug auf das Ausland, dann hätte man diese Rege-
ungen ausdrücklich ändern müssen. Genau das haben
ir nicht getan. Folgendes ist ganz wichtig: Es dürfen

usschließlich bei den Sicherheitsbehörden vorhandene,
egal gespeicherte Daten über die Antiterrordatei ver-
etzt weitergegeben werden. Das darf aber nur dann ge-
chehen, wenn das materielle Recht dies zulässt. Wir ha-
en daran nichts geändert. Haben Sie das verstanden,
err Ströbele?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Gisela Piltz [FDP]: Das war meine Frage!)


Herr Ströbele wackelte so mit dem Kopf, Frau Piltz;
eswegen habe ich ihn direkt angesprochen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607103700

Aber das wollen Sie doch in einem privaten Gespräch

ertiefen.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1607103800

Schon zu Beginn der Beratungen war mir sehr wich-

ig, dass das völlig klar gestellt wird: Wir schaffen keine
euen Übermittlungsvorschriften, die das materielle
echt an dieser Stelle verändern.

Kurz und gut, die Gesetze, die wir heute verabschie-
en, haben Maß und Mitte. Sie bauen auf früheren Ge-
etzen auf. Das Terrorismusbekämpfungsergänzungsge-
etz baut auf einem Gesetz auf, an dem im Jahre 2002
ollegen wie Herr Ströbele mitgewirkt haben. Wir er-
änzen es, indem wir einige unwesentliche Lücken
chließen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7107


(A) )



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Dr. Dieter Wiefelspütz

(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unwesentlich? Das ist doch lächerlich!)


Dieses Gesetz wird für weitere fünf Jahre in Kraft ge-
setzt.

Ich möchte noch einige Worte zum Gemeinsame-Da-
teien-Gesetz verlieren. Herr Minister, mich stört eher,
dass wir diese Datei nicht schon seit zwei oder drei Jah-
ren haben. Nun will ich das hier nicht besserwisserisch
kommentieren oder kritisieren. Ich bin froh, dass wir
dieses Gesetz heute verabschieden können. Ich lege Wert
darauf, hier auf Folgendes hinzuweisen: Diese Anti-
terrordatei ist gelebter funktionierender Sicherheitsfö-
deralismus. Sie funktioniert nur in konkretem vertrau-
ensvollem Zusammenwirken aller Sicherheitsbehörden
auf der Bundes- und der Länderebene.


(Gisela Piltz [FDP]: Die hatten Sie nicht!)


Wir versprechen uns davon eine erhebliche Verbesse-
rung der informationellen Zusammenarbeit, aber nicht in
dem Sinne, dass neues Recht geschaffen wird, sondern
in dem Sinne, dass eine neue Praxis eingeführt wird, so-
dass es keine Informationspannen gibt, dass man in Bay-
ern das weiß, was man auch in Schleswig-Holstein in
den Akten hat, und man in Berlin die Informationen hat,
die auch im Saarland verfügbar sind. Das ist in der Zu-
kunft eine große Hilfe.

Wir haben es mit zwei Gesetzen zu tun, die mit sehr
viel Augenmaß erarbeitet worden sind, wobei rechts-
staatliche Kriterien eine ganz große Rolle gespielt ha-
ben. Deswegen waren die Beratungen auch außerordent-
lich intensiv. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir
mit diesen Gesetzen keine verfassungsrechtlichen Pro-
bleme haben werden; ganz im Gegenteil: Es sind eher
zusätzliche Sicherungen eingebaut worden, von denen
ich hoffe, dass sie in Zukunft auch in anderen Gesetzen
Standard werden. Wir befristen und evaluieren die Ge-
setze. Wir sehen im Bereich von Bürgerrechten Doku-
mentationspflichten vor. Ich will an dieser Stelle dem
Bundesdatenschutzbeauftragten Schaar noch einmal aus-
drücklich danken – wir haben ihn im Vorfeld der Bera-
tungen intensiv beteiligt –, auf dessen Anregung das eine
oder andere ins Gesetz aufgenommen worden ist. Kurz
und gut: Die Sache ist, wie ich finde, rund und wichtig.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Gedanken
ansprechen, die auch hier in der Debatte schon eine
Rolle gespielt haben.

Erstens. Der Gesetzgeber hat bis heute eine außeror-
dentlich wichtige Entscheidung des Bundesverfas-
sungsgerichts nicht berücksichtigt, Herr Dr. Stadler.


(Dr. Max Stadler [FDP]: Warum?)


Sie haben die Lücke nicht selbst erkannt, sondern wir
sind – ich sage das durchaus selbstkritisch – in der An-
hörung von einigen Sachverständigen darauf aufmerk-
sam gemacht worden. Ich muss Ihnen sagen, dass ich
von mir selbst als Parlamentarier enttäuscht bin, dass uns
das nicht schon früher aufgefallen ist.

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(C (D (Gisela Piltz [FDP]: Das ist jetzt der typische Wiefelspütz!)


ei unseren Debatten hat dann die Wand gewackelt. Wir
aben gesehen: Dieses Urteil ist nun schon gut zwei
ahre alt. Wir haben im Bereich der Strafprozessordnung
eränderungen vorgenommen, aber in anderen Berei-
hen noch nicht. Dieses Parlament und diese Bundes-
egierung, Herr Schäuble, haben allen Grund, das sehr
ald nachzuholen.

Ich will Sie aber auf Folgendes hinweisen, Herr
tadler: Die Entscheidung des Bundesverfassungsge-
ichts gilt natürlich. Unsere Verfassungsschutzbehörden
alten sich selbstverständlich – das ist völlig klar und
nzweifelhaft – an diese Entscheidung. Wir werden sehr
ald Gelegenheit haben, zu den spezifischen Fachberei-
hen, auch zu denen, über die wir heute reden, entspre-
hende Vorlagen zu erarbeiten. Das ist dringend nötig.

Zweitens. Die Nachrichtendienste gehören nicht an
en Rand unserer Debatte. Sie gehören in das Zentrum
es Rechtsstaats und sie sind Teil der wehrhaften Demo-
ratie. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir auch
ier im Parlament eher zu wenig über Nachrichten-
ienste reden. Ich denke, dass wir aus Gründen der Ta-
esaktualität und deshalb, weil wir mit Tagesarbeit zuge-
chüttet sind, nicht immer über den Tellerrand
inausschauen. Wir sollten das nächste Jahr nutzen, um
nabhängig von tagesaktuellen Gesetzesvorhaben zu de-
attieren: über den Stellenwert von Geheimdiensten im
eutschen Rechtsstaat, über die Frage der Notwendigkeit
on Diensten,


(Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist eine gute Idee!)


ber insbesondere auch über Fragen von Bürgerrechten,
ontrollen und Kontrollmechanismen im Parlament.

Die Gesetze in diesem Bereich haben sich in vielen
chichten über Jahre entwickelt. Ich bin ganz sicher,
ass es mancherlei Widersprüchlichkeiten und vielleicht
uch Systemwidrigkeiten gibt. Es lohnt sich, das einmal
uf Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Das wollen wir vonsei-
en der SPD-Bundestagsfraktion uns vornehmen und
offen auf gute Gespräche mit den Kollegen und Kolle-
innen der Koalition, aber auch mit den anderen Fraktio-
en im Parlament, denen das ein Anliegen ist.

Ich denke, dass wir heute dem Deutschen Bundestag
ute, vernünftige Gesetze, die strikt rechtsstaatlich sind,
ur Beschlussfassung vorlegen. Das Grundgesetz wird
ingehalten, mehr als eingehalten. Die Gesetze tragen
azu bei, dass es für unsere Bürger noch ein Stück weit
icherer wird. Sie tragen auch dazu bei, dass die gute Si-
herheitsarbeit in Deutschland noch ein bisschen besser
ird.

Wir dürfen uns vor den Herausforderungen angesichts
er Gefahren des internationalen Terrorismus nicht zu-
ücklehnen. Diese Koalition nimmt ihre Verantwortung
m Interesse unserer Bürgerinnen und Bürger wahr.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


7108 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607103900

Das Wort hat nun der Abgeordnete Gert Winkelmeier.


Gert Winkelmeier (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607104000

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Eine Auszeichnung haben die Innenminister des Bundes
und der Länder für den Gesetzentwurf zur zentralen
Anti-Terror-Datei ja bereits erhalten, den „Big Brother
Award 2006“. Die beiden Hauptgründe für diese eher
zweifelhafte Würdigung sind von Verfassungsrechtlern
wie auch von Datenschützern immer wieder benannt
worden. Das ist zum einen das Trennungsgebot für Poli-
zei und Geheimdienste, das in den vergangenen Jahren
bereits aufgeweicht worden ist. Dieses Trennungsgebot
hat historische Wurzeln. Eine unkontrollierte Machtkon-
zentration der Sicherheitsapparate und eine neue politi-
sche Geheimpolizei sollten verhindert werden.

Jetzt hat die Bundesregierung ein Gesetz auf den Weg
gebracht, mit dem im Eilfall sogar per Knopfdruck das
von Westalliierten aus gutem Grund festgeschriebene
Trennungsgebot ausgehebelt werden kann. Ich sage Ih-
nen schon heute voraus, dass dieses Gesetz, sollte sich
ein Kläger finden, vor dem Bundesverfassungsgericht
keinen Bestand haben wird. Dem Gesetz zur zentralen
Anti-Terror-Datei wird es genauso ergehen wie dem Ge-
setz zum großen Lauschangriff und dem Luftsicherheits-
gesetz. Es wird von den Bundesrichtern kassiert werden.

Der zweite schwerwiegende Grund, diesen Gesetzent-
wurf abzulehnen, ist der, dass auch die persönlichen Da-
ten von so genannten Kontaktpersonen erfasst werden.
Es reicht nicht aus, ins Gesetz zu schreiben: „flüchtige
und zufällige Kontakte werden nicht erfasst“, denn letzt-
endlich ist die Definition, was flüchtig und zufällig ist,
Ermessenssache der Behörden und ist im Gesetz nicht
klar geregelt. Da gerät zum Beispiel ein Kioskbesitzer
ins Visier der Terrorfahnder, nur weil sich ein Verdächti-
ger jeden Morgen die Zeitung bei ihm holt. Oder: Ein
Vermieter wird in die Antiterrordatei eingespeist, weil
ein mutmaßlicher Terrorist in einer seiner Wohnungen
lebt. Hier wird eine Kontaktkriminalisierung aufgebaut,
die keine Grenzen mehr kennt. Ein wirksamer gesetzli-
cher Datenschutz findet nicht statt.

Die Sammelwut der Bundesregierung und der Nach-
richtendienste kennt keine Grenzen. Es gibt schon jetzt
160 Dateien, die dem Kampf gegen den Terrorismus
bzw. der Kriminalität gewidmet sind. Dort sind
60 Millionen Datensätze über Personen oder Personen-
gruppen gespeichert: 60 Millionen Datensätze in einem
Land, in dem 80 Millionen Menschen leben. Das zeigt
die Überwachungshysterie in unserem Lande, die unter
dem Deckmäntelchen der Terrorismusbekämpfung be-
gründet wird.

Es ist sehr einfach, zufällig und unwissentlich in eine
solche Datei zu geraten. Umso schwieriger dürfte es je-
doch sein, aus dieser sinnlos aufgeblähten Datei wieder
gestrichen zu werden. Zwar ist das im Gesetz geregelt,
aber es ist auch vor allem eine Ermessenssache der agie-
renden Behörden.

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(C (D Die Regelung zu den Kontaktpersonen verstößt in ereblichem Maße gegen das Recht auf informationelle elbstbestimmung. Dieses Recht ist ein hohes Gut in nserer Gesellschaft und sollte nicht leichtfertig aufs piel gesetzt werden. Die Angst vor möglichen terroris ischen Anschlägen ist verständlich. Sie sollte uns aber icht blind machen für die Folgen, die ein solches Geetz für gemeinsame Dateien von Polizei und Geheimiensten nach sich zöge. Die Innenministerkonferenz hat dieses Gesetz so geollt. Die Bundesregierung hat sich dem angeschlossen. as heißt aber noch lange nicht, dass die Mitglieder des eutschen Bundestages dem folgen müssen. Meine Damen und Herren Abgeordneten, wenn schon ie Bundesregierung nicht auf ihre eigenen Fachleute ört, sollten zumindest wir sie ernst nehmen. Anlässlich er Anhörung im Innenausschuss am 6. November diees Jahres warnte der Bundesbeauftragte für Datenchutz, Peter Schaar – Herr Wiefelspütz, Sie haben diese assage nicht zur Kenntnis genommen –: Gegen diese Gesetzesvorhaben habe ich erhebliche verfassungsund datenschutzrechtliche Bedenken. Wenn die Entwürfe Gesetz würden, wäre dies ein weiterer Schritt auf dem Weg in eine Überwachungsgesellschaft, in der auch solche Bürgerinnen und Bürger als Risikofaktoren behandelt werden, die keinen Anlass dafür gegeben haben. Auch die kleinen vom Innenausschuss im Entwurf ingefügten Änderungen werden an diesen grundsätzlihen Bedenken nicht viel ändern. Hier wächst zusamen, was zumindest so nicht zusammengehört. Es ist ielmehr wichtig, weiterhin am Gebot der Trennung von olizeibehörden und Nachrichtendiensten festzuhalten. Ersparen wir dem Bundesverfassungsgericht unnötige rbeit und den Innenministern weitere fragwürdige Eh ungen. Stimmen wir gegen dieses Gesetz! Vielen Dank. Zu einer Kurzintervention erhält die Kollegin eutheusser-Schnarrenberger das Wort. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr iefelspütz, ich möchte zu dem Geständnis, das Sie hier erade abgelegt haben, eine Bemerkung machen. ch fand es nicht nur bemerkenswert, sondern geradezu rschütternd, dass Sie hier gesagt haben, in der Anhöung sei zum ersten Mal überhaupt bekannt geworden, ass das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem ahre 2004 nicht nur Auswirkungen auf die Strafprozessrdnung hat, sondern auch auf alle anderen Gesetze, in enen es um Überwachungstechnologien geht. Dass es ich sogar auf den Bereich der Gefahrenabwehr ertreckt, hat ja das Verfassungsgerichtsurteil zum nieder Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7109 Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sächsischen Polizeigesetz, das kurz danach verkündet wurde, unmissverständlich deutlich gemacht. Ihren Ausführungen war weiterhin zu entnehmen, dass Sie die Anträge zur Umsetzung des Urteils, die vor den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf und nach dem Urteil eingereicht wurden, nicht zur Kenntnis genommen haben. In diesen Anträgen ging es nie um die Umsetzung einer einzigen Regelung, sondern immer um eine generelle Umsetzung dieses Urteils in allen Bereichen. Darüber wurde in den vergangenen zwei Jahren in allen Fachbereichen diskutiert. Hierzu gibt es eine Fülle von Aufsätzen. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass die einfachen Aussagen, dieses Gesetz bewege sich voll im Rahmen des Grundgesetzes, es werde alles beachtet und man sei sicher, dass nichts passieren werde, nicht zutreffend sind. Während der ganzen Debatte haben Sie ja eine Erwähnung des Luftsicherheitsgesetzes tunlichst vermieden. Mit diesem Gesetz haben Sie nämlich die rote Linie, die Sie heute aufgezeigt haben, ganz bewusst und zielgenau übersprungen. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jan Korte [DIE LINKE])


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607104100
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1607104200

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)


(A) )


(B) )


Es ist umso unverständlicher, dass Sie nun, wo Sie
eine Bürgerrechtsdebatte führen wollen, den Antrag der
FDP, die Vorschrift aus Art. 4 Abs. 4 Europol-Gesetz zu
übernehmen, nicht angenommen haben. In dieser Vor-
schrift wird doch die rote Linie markiert, die Sie richti-
gerweise hier auch erwähnt haben, nämlich dass Daten,
die unter Folter gewonnen wurden, nicht verwendet wer-
den dürfen.

All das ist der Hintergrund dafür, dass mich Ihr Ge-
ständnis etwas erschüttert hat, lieber Herr Wiefelspütz.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607104300

Zur Erwiderung, Herr Kollege Wiefelspütz.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1607104400

Erschütterung hin oder her, Frau Kollegin

Leutheusser-Schnarrenberger, ich bin dafür, dass man
Dinge, die uns im Rahmen der Gesetzgebungsberatun-
gen aufgefallen sind, ehrlich anspricht.

Wir diskutieren seit vielen Jahren im Innenausschuss
über Terrorismusbekämpfung, wie Sie ja wahrschein-
lich auch im Rechtsausschuss. Ich kenne – ich spreche
jetzt nur von mir – keinen einzigen Beitrag, wo das von
mir eben Gesagte angesprochen worden wäre. Ich stelle
einfach fest: Wir haben uns viel zu viel Zeit genommen.
Während das besagte Urteil Eingang in die Strafprozess-
ordnung gefunden hat, haben wir es in unserem Bereich
noch nicht umgesetzt. Es gilt allerdings und – das ist völ-
lig klar – die Behörden halten sich daran. Ich lege des-
halb großen Wert darauf, dass wir nun so rasch wie mög-
lich zur Tat schreiten. Darauf hinzuweisen, ist ein Gebot
der Ehrlichkeit.

Wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn wir das unter-
schlagen hätten, Frau Leutheusser-Schnarrenberger?

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(C (D hre Fraktion ist nicht auf diese Idee gekommen. Wir haen das, nachdem wir es erkannt hatten, aufgegriffen nd gesagt, es muss so rasch wie möglich geändert weren. Ich bitte, wenigstens dieses bei dieser Angelegeneit zu würdigen. Lassen Sie mich zum Schluss noch einen Hinweis geen, auch wegen des Gebots der Ehrlichkeit und der airness. Deutsche Behörden dürfen nicht foltern. Es arf auch kein augenzwinkerndes Einverständnis mit olterknechten im Ausland und kein Zusammenwirken eben. as ist unstreitig; ich glaube, das ist auch hier im Hause öllig klar. Aber es gibt an einem Punkt einen Dissens wenn ich das richtig sehe, ist das, was ich Ihnen jetzt ier vortrage, auch die Auffassung von Herrn Schäuble; ber er mag dazu selber Stellung nehmen –: Wenn deutche Behörden aus dubiosen nachrichtendienstlichen uellen Erkenntnisse haben, die für die Gefahrenabehr in Deutschland von überragender Bedeutung sind, pielt es keine Rolle, wie diese Erkenntnisse entstanden ind. Vielfach weiß man das auch nicht. Sie sind dann icht gerichtsverwertbar, völlig klar. Kein deutsches Geicht würde solche Informationen verwerten. Aber wenn s in Deutschland Informationen gibt – möglicherweise uch, ohne deutsche Beteiligung, auf schändlichem ege gewonnene –, dann muss man sie zur Kenntnis ehmen. lles andere wäre völlig unverantwortlich, Frau eutheusser-Schnarrenberger. Ich will Ihnen deutlich sagen – möglicherweise ist das in Dissens zwischen Ihnen und mir; ich habe über dieen Punkt häufiger auch mit Kollegen debattiert –: Bei er Gefahrenabwehr in Deutschland wird, wenn es um eib und Leben geht, jede Information auf den Tischen er deutschen Sicherheitsbehörden, die plausibel ist, naürlich verwertet. Wir sollten ehrlicherweise zugeben, ass darunter auch die eine oder andere Information sein ann, von der wir nicht wissen, wie sie entstanden ist. as ist nun einmal so in dieser Welt. Die deutschen ehörden haben die Pflicht, Informationen, die sie beommen haben, aus welchen Quellen auch immer, zu nalysieren und im Interesse der Sicherheit unserer Bürerinnen und Bürger zu verwerten. Anderes wäre unehrich. Insoweit gibt es möglicherweise zwischen Ihnen nd mir einen Dissens. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Sie rechtfertigen damit Folter!)


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Richtig!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607104500

Da gerade dieser Disput sicher nicht nur für die Kol-

eginnen und Kollegen, sondern auch für die anwesen-
en Zuschauer sehr informativ war, habe ich das in ei-
em Zeitrahmen zugelassen, der, woran ich erinnern
öchte, über die Regelungen hinausgeht, die wir in der

7110 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
Geschäftsordnung für Kurzinterventionen und Erwide-
rungen vorgesehen haben.

Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt er-
hält der Kollege Clemens Binninger für die CDU/CSU-
Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1607104600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Lange haben wir in Deutschland ge-
glaubt, wir seien nur Rückzugs- oder Ruheraum für Ter-
roristen. Seit den gescheiterten Kofferbombenanschlä-
gen und den entdeckten Planungen für den Anschlag auf
dem Frankfurter Flughafen wissen wir, dass Deutschland
auch Zielgebiet für den Terrorismus ist. Die Bedrohung
ist unmittelbar und real. Wir müssen dagegen etwas un-
ternehmen. Die große Koalition unternimmt mit dem
Sicherheitspaket, das wir heute verabschieden, etwas
und gibt die richtige Antwort. Deshalb ist das ein guter
Tag für die Sicherheit in unserem Lande.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir sind der Bedrohung nicht hilflos ausgeliefert.
Terroristen und ihre Helfer müssen sich im öffentlichen
Raum bewegen, sie müssen telefonieren, sie kommuni-
zieren im Internet, sie tätigen finanzielle Transaktionen;
sie hinterlassen also Spuren. Deshalb ist es umso wichti-
ger, dass unsere Nachrichtendienste Instrumente und
Befugnisse – und zwar alle Nachrichtendienste die glei-
chen – erhalten, mit denen sie genau diese Spuren auf-
spüren können.

Deshalb werden wir heute im Terrorismusbekämp-
fungsergänzungsgesetz den Nachrichtendiensten Befug-
nisse geben, dass sie bei Post, Bank, Luftfahrtunternehmen
und Telekommunikationsunternehmen Auskunftsrechte
bekommen. Sie können zukünftig online Halterfeststel-
lungen vornehmen und der Zoll kann Geld nicht nur bei
Geldwäscheverdacht, sondern auch bei Terrorismusver-
dacht sicherstellen.

Wir werden den Personenkreis, auf den diese Instru-
mente angewandt werden können, auf eine Tätergruppe
erweitern, die man die dritte Generation nennt. Es sind
Täter, wie wir sie in Madrid und London hatten, der so
genannte Homegrown Terrorism. Das ist eine notwen-
dige Änderung, mit der wir der Bedrohungslage die rich-
tige Antwort entgegensetzen. Deshalb sind diese Ge-
setze so wichtig und notwendig und deshalb ist es gut,
dass wir sie heute beschließen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir schließen aber auch – daran will ich erinnern –
eine Sicherheitslücke, die uns die Grünen beim Luft-
sicherheitsgesetz eingebrockt haben. Sie haben damals
ihrem Koalitionspartner eine maßvolle Verfassungs-
änderung verweigert und mussten dann aus dem Luft-
sicherheitsgesetz so viel streichen und es so zu-
rechtmurksen, muss man sagen, dass es nicht mehr
zustimmungspflichtig war.

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(C (D In dem Luftsicherheitsgesetz gibt es einen Passus, in em beispielsweise die Überprüfung von Personen an lughäfen geregelt wird. Eigentlich war eine Nachbeichtspflicht für alle Sicherheitsbehörden der Länder und es Bundes vorgesehen. Sie haben nun Folgendes geacht: Sie haben die Nachberichtspflicht für die Länder estrichen. Sie haben auch verhindert, dass die Landesmter für Verfassungsschutz die Erkenntnisse über überrüfte Personen in einer gemeinsamen Datei speichern ürfen. Damit haben Sie der Sicherheit an deutschen lughäfen einen Bärendienst erwiesen. Was Sie im Rahen der rot-grünen Sicherheitspolitik gemacht haben, ar grüner Murks und unverantwortlich. (Widerspruch der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Das war Ihre Blokkadepolitik im Bundesrat!)


ir schließen diese Lücke und tragen damit wieder in
inem sehr hohen Maß zur Sicherheit an deutschen Flug-
äfen bei.


(Beifall bei der CDU/CSU – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sprengen ja alle Grenzen! Bei Ihnen geht es um keine Lücken!)


Sie haben diese Lücke ganz allein verursacht und müs-
en aushalten, dass man Ihnen das heute vorhält. Sie ha-
en aus rein ideologischen Motiven gehandelt und haben
ie Sicherheit an deutschen Flughäfen diesen Motiven
um Teil geopfert. Es ist gut, dass wir diese Lücke heute
chließen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr gut!)

Wir geben unseren Nachrichtendiensten, aber auch

er Polizei Instrumente an die Hand, um Informationen
u gewinnen. Die Sicherheitsbehörden brauchen aber
uch ein Instrument, mit dem sie diese Informationen
usammenführen können. Es gibt eine föderale Sicher-
eitsarchitektur: 38 Sicherheitsbehörden befassen sich
it dem Terrorismus. Wir brauchen deshalb, wie gesagt,

in Instrument, mit dem die Informationen über den Ter-
orismus zielgenau, sehr schnell und präzise zusammen-
eführt werden können: die Antiterrordatei. Ich bin
berzeugt, dass diese Datei ein Quantensprung sein
ird, was die Verbesserung der Zusammenarbeit zwi-

chen Polizei und Nachrichtendiensten angeht.
Ich will das an einem konkreten Beispiel aus der

achverständigenanhörung deutlich machen. BKA-Prä-
ident Ziercke hat auf meine Frage, wie lange eine Ant-
ort auf eine LKA-Anfrage dauert, ob irgendein Nach-

ichtendienst in Deutschland irgendwelche Erkenntnisse
ber eine terrorverdächtige Person hat, geantwortet: Das
ann schon einmal Tage, vielleicht sogar Wochen dau-
rn. – Tage oder Wochen! Wir reden hier aber über Ter-
orismusbekämpfung. Mit der Antiterrordatei wird es
eine Tage oder Wochen, sondern nur noch wenige Se-
unden dauern, bis ein LKA weiß, ob Erkenntnisse vor-
iegen. Das ist nicht nur ein großer Gewinn für die Si-
herheit der Menschen in diesem Lande, sondern auch
in großer Gewinn für die Zusammenarbeit der
8 Sicherheitsbehörden. Diese Zusammenarbeit ist un-
erzichtbar. Deshalb ist es richtig, dass wir heute die An-
iterrordatei beschließen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7111


(A) )



(B) )


Clemens Binninger

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die Antiterrordatei ist quasi das elektronisch gebün-
delte Wissen von 38 – so könnte man sagen – Spe-
zialeinheiten. Sie ist keine neue Datenerhebung, sondern
die praxisgerechte Verwendung bereits erhobener Daten.
Sie bedeutet keine Missachtung des Trennungsgebotes,
sondern eine sinnvolle Zusammenführung von Wissen,
das bei den Nachrichtendiensten und bei der Polizei vor-
liegt. Die Antiterrordatei verhindert eine tagelange oder
wochenlange Warteschleife. Sie gibt dringend benötigte
Antworten und wichtige Informationen in Sekunden-
schnelle.

Ich will auf einen Kritikpunkt, der vorhin genannt
wurde, eingehen. Auf den Vorwurf der FDP, wir würden
mit dieser Antiterrordatei die internationale Zusammen-
arbeit zwischen Sicherheitsbehörden gefährden, muss
ich sagen: Ganz im Gegenteil! Wenn jemand in den letz-
ten Wochen und Monaten die Arbeit unserer Sicherheits-
behörden sehr gefährdet hat, indem er ihre Arbeit in der
Öffentlichkeit sezieren wollte, dann waren es Sie im
BND-Untersuchungsausschuss. Das müssen Sie sich
vorhalten lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der FDP)


Um die Empörung etwas abzukürzen, will ich sagen:
Ich bin sehr dafür, dass Missstände aufgeklärt werden
und dass man Fehlern nachgeht. Aber Sie müssen schon
zugeben, dass nach der mehrmonatigen Arbeit des Aus-
schusses nichts Wesentliches herausgekommen ist. Sie
stören sich auch an der Tatsache, dass der Ausschuss
häufig geheim tagt. Er tut dies aus guten Gründen; denn
die Information über die Arbeit der Sicherheitsbehörden
und der Nachrichtendienste muss geheim sein, ansonsten
wären es keine Nachrichtendienste mehr. Ihre Kritik, wir
würden die internationale Zusammenarbeit gefährden,
ist daher fehl am Platze.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die große Koalition schafft etwas, an dem sich Rot-
Grün, aber auch andere Innenpolitiker in den letzten fünf
Jahren vergeblich versucht haben: Wir werden heute
eine Antiterrordatei beschließen. Deshalb ist der heutige
Tag nicht nur ein guter Tag für die Sicherheit in unserem
Land; er ist auch ein besonderer Tag für die Innenpoliti-
ker – für Bundesinnenminister Schäuble, für die Landes-
innenminister und vor allen Dingen für die Innenpoliti-
ker der großen Koalition –, die dieses Gesetz erarbeitet
haben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607104700

Nun erhält für eine letzte Kurzintervention der Kol-

lege Ströbele das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege, Sie haben versucht, den Grünen etwas
zuzuschieben, was den Grünen nicht zugeschoben wer-
den darf.

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(C (D Erstens. Die an dem zunächst vorgelegten Entwurf eies Luftsicherheitsgesetzes vorgenommenen Änderunen sind seinerzeit nicht etwa von den Grünen gefordert orden. Das war kein Vorschlag der Grünen, keine Ge etzesänderung der Grünen, sondern eine des damaligen undesinnenministeriums, (Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genauso war es! – Clemens Binninger [CDU/CSU]: Wieder einmal der Schily! Der war doch auch mal grün!)


em die Grünen bekanntlich nicht vorstanden.

Zweitens. Der Grund für diese Änderungen war nicht,
ass die Grünen oder die Koalition das so wollten; wir
ätten diese Änderungen gerne unterlassen. Der Grund
ar, dass die Länder, vor allem die von der Union domi-
ierten Länderregierungen, klar erklärt haben, dass sie
ie vorgesehene Evaluierung und Mitteilungspflicht
icht unterstützen. Das heißt, wir haben, damit das Ge-
etz nicht insgesamt infrage gestellt wurde, lediglich
arauf Rücksicht genommen, was die Länder damals ge-
ordert haben. Wenn irgendwo eine Schuld bestand,
ann lag diese bei den von der Union dominierten Län-
ern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Drittens. Auch nach Wegfall der Bestimmungen, die
rsprünglich im Gesetzentwurf vorgesehen waren, war
s keineswegs so, dass die Länderverfassungsschutz-
mter oder andere Länderbehörden daran gehindert wur-
en, den Bundesbehörden ihre Informationen über die
icherheit an Flughäfen mitzuteilen und sie zu evaluie-
en. Sie sind nach den Ländergesetzen auch ohne dieses
esetz dazu verpflichtet, alle Informationen, die etwas
ber eine Gefährdung der Sicherheitslage bzw. eine Ge-
ahr für die Bevölkerung aussagen, weiterzugeben.

Viertens. Sie verschweigen, dass das Beispiel, das Sie
mmer wieder nennen, der Vorfall auf dem Frankfurter
lughafen, nicht realistisch ist. Denn es lag Gott sei
ank keine konkrete Gefährdung vor. Das ergibt sich

chon daraus, dass von den zunächst Festgenommenen
lle bis auf einen inzwischen aus der Haft entlassen wor-
en sind. Der eine ist nicht etwa wegen dieses Vorwurfs
n Haft geblieben, sondern deswegen, weil er eine alte
trafe wegen einer ganz anderen Angelegenheit zu ver-
üßen hat.

Das heißt, aus vier Gründen ist das, was Sie gesagt
aben, völlig daneben gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607104800

Möchten Sie noch erwidern? – Bitte schön, Herr Kol-

ege Binninger.


Clemens Binninger (CDU):
Rede ID: ID1607104900

Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie mir diese Gele-

enheit geben.

7112 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Clemens Binninger
Herr Kollege Ströbele, ich will festhalten, dass Sie
mit an der Regierung waren. – Das ist Fakt eins.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Fakt zwei. Sie haben das Gesetz hier beschlossen und
tragen insofern auch die Verantwortung. Zwischen der
ersten und der zweiten bzw. dritten Lesung wurden in
dem Entwurf eines Luftsicherheitsgesetzes Streichungen
vorgenommen, die hinterher zu einer Sicherheitslücke
geführt haben. Sie haben mit zugestimmt. Sie haben die-
ses Gesetz im Parlament verteidigt. Daher tragen Sie die
Verantwortung.

Fakt drei. Sie erzeugen immer den Eindruck, als ob
verhinderte Anschläge nur eine Lappalie seien; Sie ha-
ben das gerade wieder versucht. Dazu muss ich an die
Adresse der Grünen, falls Sie das immer noch nicht be-
griffen haben, sagen: Die Menschen in diesem Land
haben keine Angst vor Datenbanken der Sicherheitsbe-
hörden; sie haben keine Angst vor Videokameras der Si-
cherheitsbehörden. Sie haben vielmehr Angst vor An-
schlägen. Wir tun etwas, um Anschläge zu verhindern,
und Sie nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607105000

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehör-
den und Nachrichtendiensten des Bundes und der Län-
der. Hierbei handelt es sich um die Drucksachen 16/2950
und 16/3292. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 1
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3642,
den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in die-
ser Fassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? –
Dann ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koali-
tion gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen in
zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von ihren Plätzen
zu erheben. – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist
der Gesetzentwurf mit den gleichen Mehrheiten, mit den
Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposi-
tion, angenommen.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt
der Innenausschuss erstens, den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung auf Drucksache 16/2921 zur Ergänzung
des Terrorismusbekämpfungsgesetzes in der Ausschuss-
fassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Dann ist auch dies mit gleichen Mehrheiten in
zweiter Beratung so beschlossen.

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(C (D Dritte Beratung nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – er stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – uch dieser Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehreiten angenommen. Tagesordnungspunkt 26 b. Wir setzen die Abstimung zu der Beschlussempfehlung des Innenausschus es auf Drucksache 16/3642 fort. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt er Ausschuss zweitens, eine Entschließung anzunehen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch diese Bechlussempfehlung ist mehrheitlich angenommen. Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt er Ausschuss die Ablehnung des Antrages der Fraktion ie Linke auf Drucksache 16/2624 mit dem Titel „Eraltung des Trennungsgebots – keine Errichtung geeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrich endiensten des Bundes und der Länder“. Wer stimmt für iese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – er enthält sich? – Dann ist diese Beschlussempfehlung it breiter Mehrheit gegen die Stimmen der Fraktion ie Linke angenommen. Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 4 seiner eschlussempfehlung die Ablehnung des Antrages der raktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druckache 16/2071 mit dem Titel „Schaffung einer gesetzlihen Grundlage für die Anti-Terror-Dateien unter Beibealtung der Trennung von Polizei und Nachrichtendiensen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich? – Auch diese Bechlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen. Unter Nr. 5 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der usschuss die Ablehnung des Antrages der Fraktion der DP auf Drucksache 16/2671 mit dem Titel „Evaluierung es Terrorismusbekämpfungsgesetzes präziser gestalten“. er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Die eschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen. Unter Nr. 6 seiner Beschlussempfehlung wird die Abehnung des Antrages der Fraktion des Bündnisses 90/ ie Grünen auf Drucksache 16/2072 mit dem Titel Bessere Evaluierung der Anti-Terror-Gesetze“ empfohen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer timmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Die eschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen. Abschließend empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 7 einer Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antraes der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf rucksache 16/2081 mit dem Titel „Anti-Terror-Gesetze – eitliche Befristung beibehalten und Rechtsschutz der etroffenen verbessern“. Wer stimmt für diese Be chlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer entält sich der Stimme? – Damit ist die Beschlussempfehung mit breiter Mehrheit gegen die Fraktion des ündnisses 90/Die Grünen angenommen. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7113 Präsident Dr. Norbert Lammert Ich rufe die Tagesordnungspunkte 27 a bis e auf: a)


(A) )


(B) )

Pfeiffer, Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU, der Abgeordneten Christel Riemann-
Hanewinckel, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Sascha
Raabe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD, der Abgeordneten Dr. Karl Addicks,
Christian Ahrendt, Daniel Bahr (Münster), weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP sowie
der Abgeordneten Ute Koczy, Thilo Hoppe,
Renate Künast, Fritz Kuhn und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Welt-Aids-Tag 1. Dezember 2006 – Die beson-
dere Verantwortung für Entwicklungsländer
unterstreichen

– Drucksache 16/3610 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jens
Spahn, Annette Widmann-Mauz, Peter Albach,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU sowie der Abgeordneten Peter
Friedrich, Elke Ferner, Dr. Carola Reimann, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Maßnahmen zur Bekämpfung von HIV/Aids
in Deutschland

– Drucksache 16/3615 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Karl
Addicks, Hellmut Königshaus, Detlef Parr, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Missfallen an der südafrikanischen Aids-Poli-
tik betonen und weitere deutsche Entwick-
lungszusammenarbeit an Bedingungen knüp-
fen

– Drucksache 16/3097 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit

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(C (D Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss d)

Beck (Köln), Birgitt Bender, Irmingard Schewe-
Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Gemeinsam gegen Aids – Verantwortung und
Solidarität stärken

– Drucksache 16/3616 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss

e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Karl
Addicks, Hellmut Königshaus, Dr. Werner
Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Den Südsudan beim Wiederaufbau unterstüt-
zen und vor AIDS bewahren

– Drucksachen 16/586, 16/2364 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Hartwig Fischer (Göttingen)

Gabriele Groneberg
Dr. Karl Addicks
Hüseyin-Kenan Aydin
Ute Koczy

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
iderspruch. Dann ist das so beschlossen.

Vorab möchte ich eine kleine Regieanweisung geben:
it Blick auf das vereinbarte Ende der heutigen Plenar-

ebatte bitte ich darum, von nicht dringend erforderli-
hen Zwischenfragen und Kurzinterventionen abzuse-
en, weil die vereinbarte Gesamtdebattenzeit sonst
chwer einzuhalten ist.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
er Kollege Dr. Wolfgang Wodarg für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1607105100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

aben auf dieser Welt seit 25 Jahren ein neues Problem.
eute denken wir daran besonders; denn heute ist Welt-
idstag. Vor 25 Jahren begann alles sehr langsam und
einer konnte so richtig ahnen, dass die Aidserkrankung,
ie HIV-Infektion und ihre Folgen, heute eine der

7114 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Wodarg
häufigsten Todesursachen auf einigen Kontinenten unse-
res Globusses ist. In Afrika sterben die meisten 15- bis
50-Jährigen an Aids. Wir haben in der Zwischenzeit viel
darüber diskutiert. Wir haben viel unternommen. Es gibt
weltweit viele Anstrengungen, dieser Seuche Herr zu
werden.

Aber Aids hat viele Gesichter. Dem müssen wir Rech-
nung tragen. Die Koalition hat deshalb zwei Anträge zu
Aids eingereicht. Wir haben uns darüber unterhalten, ob
das denn der richtige Weg ist, ob wir uns nicht auf einen
einzigen Antrag einigen können. Wir haben dann be-
schlossen: Nein, das entspricht dem Problem. Aids hat
eben zwei Gesichter. Diese sind unterschiedlich, zum
Beispiel in Deutschland und in Afrika.

Während sich in Deutschland überwiegend Männer
infizieren – sie werden zum Glück bei uns behandelt,
trotzdem sterben noch viele; 600 waren es im letzten
Jahr –, so sind es in Afrika überwiegend Frauen, die Op-
fer von HIV/Aids werden und leider viel zu selten be-
handelt werden können. Sie sterben in großer Zahl. Täg-
lich sind es weltweit 8 000 Menschen, die durch Aids
den Tod finden, die allermeisten in Afrika. Eine Trend-
wende ist hier nicht zu erkennen. Während in Deutsch-
land Aids überwiegend ein männliches Gesicht hat und
mit Sexindustrie und Lifestyleelementen verknüpft ist,
während in Deutschland jeder, der Behandlung benötigt,
behandelt wird, so geht Aids in Afrika mit Armut, Ah-
nungslosigkeit, Gewalt gegen Frauen, Hilflosigkeit und
fehlendem Zugang zu Therapie einher. Sie bestimmen
dort das Gesicht dieser Seuche.

Deshalb muss auch das, was wir dagegen unterneh-
men wollen, in Deutschland und in Afrika verschieden
sein. Wir müssen völlig unterschiedliche Strategien ent-
wickeln. Das spiegelt sich eben in den beiden vorliegen-
den Anträgen wider. In Deutschland sahen wir bisher
über viele Jahre eine etwa gleich hohe Infektionsrate. Je-
des Jahr infizierten sich etwa 2 000 Menschen. Im letz-
ten Jahr und auch im ersten Halbjahr dieses Jahres waren
es etwa 13 Prozent mehr. Das heißt, es gibt erstmals wie-
der eine Zunahme der HIV-Infektionen. Es wird mit
Sicherheit auch zu einer Zunahme der Zahl der Aids-
erkrankten kommen. Wir werden uns auch in Deutsch-
land im Kampf gegen Aids mehr anstrengen müssen.

Ich bin froh, dass diesen Erfordernissen auch im
Haushalt 2007 entsprochen wurde. Der Haushalt des Ge-
sundheitsministeriums wurde um 3 Millionen Euro auf-
gestockt. Nachdem er viele Jahre entsprechend der Neu-
infektionsrate bei 9,2 Millionen Euro lag, wurden jetzt
13,2 Millionen Euro eingestellt. Ich denke, das ist not-
wendig. Wir müssen sehr gezielt, zum Beispiel in Ge-
fängnissen und dort, wo Sex gewerblich angeboten wird,
wo man sich trifft und Lifestylesex gedankenlos betrie-
ben wird, mehr für Prävention tun. Wir müssen hier auf-
klären und auch in Deutschland wieder aktiver werden.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)


Weltweit ergibt sich jedoch eine völlig andere Per-
spektive. Denn Aids ist in Bezug auf Entwicklungslän-
der ein Querschnittsthema. Aids kann nicht nur als

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(C (D edizinisches Problem, als Problem der einfachen mediinischen Prävention, gesehen werden. Es ist bekannt, ass viele Menschen in Entwicklungsländern nicht lesen önnen, ahnungslos sind und gar keine Chance haben, zu rfahren, wie sie sich anstecken könnten oder wie sie ich schützen sollten. Dort ist es so, dass Menschen verungern und es sich nicht leisten könnten, Präservative u kaufen, weil sie vielmehr versuchen, von zum Teil eniger als 1 Euro pro Tag eine ganze Familie zu ernäh en. Das sind völlig andere Verhältnisse als bei uns. Ich glaube, dass es gut ist, dass wir dieses Thema, die eltweite Ausbreitung der Seuche, international angeen. Deutschland kann einen Beitrag leisten. Aber unser eitrag wird dann besser, wenn wir kooperieren, koordiieren und mit anderen Ländern gemeinsam diese Aufabe in Angriff nehmen. Wir werden eine wichtige Rolle pielen. Wir werden innerhalb der EU Koordinierungsrbeit zu leisten haben. Wir werden auch innerhalb der -8-Staaten Verantwortung übernehmen müssen. Das sollte allerdings auch darin zum Ausdruck komen, dass wir auf internationaler Ebene mehr Geld in estieren. Ich bin froh, Ihnen mitteilen zu können – das st einen Rückblick wert –, dass Deutschland seine Ausaben zur Bekämpfung von HIV/Aids von 30 Milionen Euro im Jahre 1998 auf gegenwärtig immerhin 00 Millionen Euro erhöht hat. Diese Ausgaben setzen sich wie folgt zusammen: Wir ahlen in den Global Fund ein und stützen ihn darüber inaus durch Schuldenumwandlungen. Das macht insgeamt 137 Millionen Euro aus. In bilaterale und multilateale Projekte investieren wir weitere 263 Millionen uro. Dabei handelt es sich um Projekte, die neben dem lobal Fund existieren, um Projekte der Weltbank und m andere multilaterale Projekte. Gott sei Dank gibt es inzwischen weltweit auch sehr ichtige und potente private Spender. So leisten zum eispiel die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung und die linton-Stiftung sehr segensreiche Beiträge nicht nur zur ekämpfung von Aids, sondern auch zur Bekämpfung nderer Seuchen wie Malaria und Tuberkulose und eiterer Erkrankungen, die in den Entwicklungsländern benfalls viele Todesopfer fordern. Es wäre gut, wenn auch die deutsche Industrie, die icht gerade schwach ist und von der weltweiten wirtchaftlichen Zusammenarbeit lebt, mehr tun würde. Wir agen, dass wir Exportweltmeister sind, und klopfen uns uf die Schulter. Aber angesichts der international beeutenden Rolle Deutschlands muss man darauf auferksam machen, dass wir auch eine große Verantwor ung tragen. Leider muss ich zugeben: Ich schäme mich ein bisshen, dass wir es nicht geschafft haben, die Entwickungsländer mit der Quote zu unterstützen, die wir uns orgenommen hatten. Dieses Gefühl habe ich auch desalb, weil ich in der Nähe Skandinaviens wohne und mit eid zur Kenntnis nehmen muss, wie viel mehr man in iesen Staaten für die Entwicklungsländer tut; das gilt rst recht, wenn man die finanziellen Möglichkeiten dieer Länder mit unseren vergleicht. Wir dürfen also nicht Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7115 Dr. Wolfgang Wodarg locker lassen. Unser Kurs stimmt. Wir haben in diesem Jahr mehr als bisher getan und uns für die Entwicklungsländer eingesetzt. Aber es gibt noch sehr viel mehr zu tun. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(A) )


(B) )


Wenn ein Mensch an einer Immunschwächekrankheit
leidet, versucht sein Körper vergeblich, etwas abzuweh-
ren, was für ihn gefährlich werden könnte. Wenn diese
Schädigung stärker wird, stirbt er daran. Auch unser
Globus leidet an neuen Krankheiten wie Marktdomi-
nanz, Desintegration und anderen Globalisierungsfol-
gen. Diese Krankheiten müssen wir abwehren. Dafür
müssen wir zunächst ihre Ursachen erkennen. Wir müs-
sen erkennen, dass dadurch auch die Erforschung und
die Entwicklung neuer Medikamente eine Rolle spielen.
Wir müssen sehr schnell sehr viel leisten. Wenn wir es
nicht schaffen, die Prozesse zur Abwehr dieser Seuche
zu organisieren, dann wird dieses Problem bald so groß
sein, dass es unbeherrschbar wird.

Die Vereinten Nationen haben sich vorgenommen, bis
zum Jahr 2015 eine weltweite Wende herbeizuführen.
Dabei müssen wir helfen. Angesichts des Engagements,
das alle UN-Mitgliedstaaten in New York, Toronto und
Genf zum Ausdruck gebracht haben, bin ich zuversicht-
lich, dass wir HIV/Aids besiegen können.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607105200

Ich erteile das Wort Kollegen Karl Addicks, FDP-

Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1607105300

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir behandeln heute, am Weltaidstag, verschie-
dene Anträge, die sich mit der Bekämpfung von Aids be-
fassen. Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, ei-
nen interfraktionellen Antrag zustande zu bringen. Das
ist für mich über die Parteigrenzen hinweg ein wichtiges
Zeichen der Verbundenheit im Kampf gegen Aids.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Monika Knoche [DIE LINKE]: Und was ist mit uns?)


Zwar sind in Deutschland und in Westeuropa insge-
samt Erfolge zu verzeichnen. Aber leider scheinen diese
Erfolge bei einigen zu Sorglosigkeit zu führen. Die Zahl
der Neuinfektionen ist deutlich gestiegen. Deshalb
möchte ich an dieser Stelle alle auffordern, wieder mehr
auf ihren Schutz zu achten.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


In Osteuropa breitet sich das Virus rasant aus, ganz
zu schweigen vom afrikanischen Kontinent, auf dem

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(C (D ids inzwischen die Gestalt einer wahren Pest angenomen hat. Weltweit gibt es 40 Millionen Infizierte, davon ast 25 Millionen in Afrika. In diesem Jahr starben daan 3 Millionen Menschen. Seit der Entdeckung von ids vor 25 Jahren gab es insgesamt bereits fast 25 Mil ionen Tote. Das sollte uns deutlich vor Augen führen, dass unsere isherigen Anstrengungen im Kampf gegen Aids nicht usreichen. Wir müssen noch mehr tun. Frau Ministerin, it den bescheidenen Mitteln, die in Ihrem Haushalt für ie Bekämpfung von Aids im Rahmen der Entwickungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden, önnen wir nicht zufrieden sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


n drei der acht MDGs geht es um Gesundheit. Aber wir
eben gerade einmal 8 Prozent des Etats des Bundes-
inisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ntwicklung für gesundheitsbezogene Ziele aus. Auch

m entwicklungspolitischen Teil der Koalitionsvereinba-
ung kommen diese Ziele ganz klar zu kurz; deutlicher
ill ich jetzt nicht werden. Doch eines ist klar: Das kann
icht so bleiben, vor allen Dingen weil immer noch erst
in sehr kleiner Teil der Infizierten, insbesondere in
frika, mit den überlebenswichtigen antiretroviralen
edikamenten behandelt wird.

Eine Heilung von Aids ist leider noch lange nicht
öglich. An Impfstoffen wird geforscht; aber auch hier

st eine Intensivierung notwendig. In einigen Ländern
frikas ist durch Aids die Lebenserwartung stark gefal-

en, zum Beispiel in Namibia von früher einmal 65 Jahre
uf heute 40 Jahre. Das ist eine der drastischsten Zahlen.
ie Feminisierung von Aids nimmt zu. Die Zahl der
idswaisen in Afrika ist Legion. Wir hätten gerade vor
er EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands und der G-8-
räsidentschaft Deutschlands ein deutliches Zeichen set-
en können. Neben mehr Geld wäre auch ein effiziente-
er Einsatz der knappen Mittel sehr wichtig.

An dieser Stelle möchte ich zu unserem Antrag zur
üdafrikanischen Aidspolitik kommen. Wir geben den
üdafrikanern im Rahmen der finanziellen Zusammen-
rbeit jedes Jahr 19 Millionen Euro für die Bekämpfung
on Aids. Doch wir müssen hören, dass in Südafrika
5 Prozent der 15- bis 24-Jährigen nicht wissen, wie sie
ich vor Aids schützen sollen. Ein Minister sagt öffent-
ich, dass er sich durch Duschen nach dem Sex schützt.
tatt eine umfassende Kampagne in den Medien zur
ufklärung über Aids zu machen, hat die südafrikani-

che Regierung zugelassen, dass die antiretrovirale The-
apie diffamiert wird und dass den Leuten weisgemacht
ird, mit Vitaminen und Mineralstoffen könne man sich
or Aids schützen.


(Detlef Parr [FDP]: Unglaublich!)


Ja! – Und so etwas finanzieren wir indirekt im Rahmen
nserer finanziellen Zusammenarbeit!


(Zuruf von der SPD: Das ist aber nicht schlüssig!)


7116 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



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Dr. Karl Addicks
Ich sage das hier und heute, weil die Bundesregierung
unser Missfallen an der südafrikanischen Aidspolitik
bisher nicht deutlich genug zum Ausdruck gebracht hat.
Deshalb sollten Sie unserem Antrag zustimmen. Ich
denke, wir müssen hier Klartext reden: Das kann so
nicht bleiben, bei aller Liebe!


(Beifall bei der FDP)


Bitte, Herr Kollege Wodarg.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607105400

Ich darf noch einmal daran erinnern: Ursprünglich

war im Interesse des Grünen-Parteitages vereinbart, bis
13 Uhr mit der Tagesordnung zu Ende zu sein. Wir wer-
den jetzt etwa bei 14.30 Uhr liegen. Es wird durch Zwi-
schenfragen, Kurzinterventionen und Redezeitüber-
schreitungen deutlich verlängert.

Ich erteile dem Kollegen Wodarg das Wort zu einer
Zwischenfrage.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine nette Geste!)



Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1607105500

Herr Kollege Addicks, in Ihrem Antrag fordern Sie,

dass wir keine Unterstützung gewähren sollten, wenn die
südafrikanische Regierung nichts gegen die Kampagne
von Herrn Rath unternimmt. Meinen Sie nicht, dass es
falsch ist, die Leidenden, die jetzt noch von dem profitie-
ren, was wir tun, zu Geiseln zu machen, auch wenn Sie
in der Sache Recht haben?

Sie haben unsere volle Unterstützung, wenn es darum
geht, diesen Herrn Rath zu verurteilen, der in Südafrika
sein Unwesen treibt und behauptet, er habe die allein
mögliche Lösung gefunden, und der einfach alles miss-
achtet, was in der Wissenschaft Konsens ist.

Wir haben Flugblätter bekommen, auf denen die FDP
und auch Sie zum Ziel von Angriffen geworden sind, auf
denen Sie persönlich diffamiert und bedroht worden
sind. Auch deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet: Wir
nehmen Sie in Schutz; ich drücke Ihnen ausdrücklich
meine Solidarität aus. Ich finde es wichtig, dass wir hier
als Haus zusammenstehen und nicht zulassen, dass
Wahrheit so verdreht wird. Wir dürfen nicht zulassen,
dass mit Diffamierungen versucht wird, notwendige
Hilfe zu verhindern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Karl Addicks (FDP):
Rede ID: ID1607105600

Danke, Herr Kollege Wodarg, dass Sie darauf hinwei-

sen und mich in Schutz nehmen. Selbstverständlich ist
dieser unser Antrag nicht gegen die Betroffenen in Süd-
afrika gerichtet. Wir wollen mit diesem Antrag nur errei-
chen, dass die Bundesregierung ihr Missfallen an dieser
Politik öffentlich deutlich kundtut.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Ich möchte an dieser Stelle noch einmal dazu aufruen, dass alle ihre Verantwortung im Kampf gegen Aids bernehmen – auch die kirchlichen, die religiösen Autoitäten. Ich begrüße die Überlegungen des Vatikans zur erwendung von Kondomen. Ich fände es wirklich ut, wenn man Kondome zum Schutz gegen Aids endich freigeben würde. Ich frage mich manchmal: Wo leen wir eigentlich? Das hätte schon lange passieren müsen! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich denke, dass die Tabuisierung und die Marginali-
ierung von Aidsinfizierten endlich aufhören müssen;
enn ansonsten werden wir der Seuche nicht Herr. Aids
ird nun einmal in erster Linie durch menschliche
exualität und erst in zweiter Linie durch Körperflüssig-
eiten übertragen. – So steht es leider in dem gemeinsa-
en Antrag. Das ist genau die Sprache der Tabuisierung,

ie wir nicht sprechen sollten.

Ich schließe heute mit einem Wort des Dankes an all
iejenigen, die bisher ihr Scherflein zum Kampf gegen
ids beigetragen haben. Besonders möchte ich auch al-

en danken, die in den NGOs diesen Kampf gegen Aids
ühren. Ihnen gelten unser Dank und unsere Unterstüt-
ung.

Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607105700

Ich erteile Kollegin Sibylle Pfeiffer, CDU/CSU-Frak-

ion, das Wort.


(Beifall)



Sibylle Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1607105800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ids ist keine Krankheit nur in den Entwicklungslän-
ern. Aber keine anderen Länder leiden so unter Aids
ie die Entwicklungsländer. Besonders betroffen ist der

frikanische Kontinent.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihre Aufmerk-
amkeit auf folgende dramatische Entwicklung lenken:
aren vor zehn Jahren nur 12 Prozent aller Infizierten
eltweit Frauen, so sind es heute fast 50 Prozent. In
ubsahara-Afrika sind es sogar 60 Prozent. Mehr als
0 Prozent aller Schwangeren im südlichen Afrika sind
it HIV infiziert. Weltweit werden pro Jahr 2 Millionen
IV-positive Frauen schwanger. In den Entwicklungs-

ändern hat eine schleichende Feminisierung stattgefun-
en. Aids hat ein weibliches Gesicht bekommen.

Einer der Gründe für diese schlimme Entwicklung
iegt meiner Meinung nach vor allem in der Tatsache be-
ründet, das HIV/Aids auch mit der sozialen und wirt-
chaftlichen Ungleichbehandlung von Frauen zu tun
at; denn HIV/Aids ist mehr als nur ein medizinisches
roblem. Diese Krankheit umfasst gesellschaftliche,
olitische und kulturelle Dimensionen. Sie hat etwas mit

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7117


(A) )



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Sibylle Pfeiffer
althergebrachten Strukturen und mit sexueller Gewalt zu
tun.

Ein wichtiges Potenzial der HIV/Aids-Bekämpfung
wird nicht ausreichend genutzt. Ich denke an den Be-
reich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit. Die-
ser Begriff umfasst weit mehr als nur die reine Familien-
planung. Die sexuelle und reproduktive Gesundheit
betrifft alle Aspekte des uneingeschränkten körperli-
chen, seelischen und sozialen Wohlbefindens in Bezug
auf Sexualität und Fortpflanzung. Der Gesundheit von
Frauen wird dabei besondere Aufmerksamkeit ge-
schenkt.

1994 fand in Kairo zu diesem Thema die Konferenz
über Bevölkerung und Entwicklung, ICPD, statt. In An-
wesenheit der Vertreter von mehr als 170 Staaten und
über 3 000 Nichtregierungsorganisationen hat sich ein
Paradigmenwechsel in der Bevölkerungspolitik vollzo-
gen. Es wurde ein Aktionsprogramm verabschiedet, mit
dem neue Richtlinien für die internationale Bevölke-
rungspolitik festgelegt wurden, die auch für den Kampf
gegen Aids enorm wichtig sind.

Bis zum Jahre 2015 soll dadurch allen Menschen der
Zugang zur Aufklärung und Familienplanung, zur Ge-
sundheitsversorgung rund um Schwangerschaft und Ge-
burt sowie zum Schutz vor HIV/Aids ermöglicht wer-
den; denn das zentrale Problem war zu jener Zeit und ist
es auch heute noch, dass in vielen Entwicklungslän-
dern Frauen kein selbstbestimmtes Leben führen kön-
nen: Sie können nicht frei entscheiden, ob sie schwanger
werden, sie können nicht entscheiden, wie oft sie
schwanger werden, sie haben keinen Zugang zu Verhü-
tungsmitteln und sie haben keinen Zugang zu Gesund-
heitsdiensten. Das zu ändern, ist eine unserer wichtigsten
Aufgaben. Wenn wir dies nicht schaffen, können wir
auch den Kampf gegen HIV/Aids in den Entwicklungs-
ländern niemals gewinnen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt einen engen wechselseitigen Zusammenhang
zwischen Gesundheit und Entwicklung in den armen
Regionen dieser Welt: Ohne Gesundheit keine Entwick-
lung, ohne Entwicklung keine Gesundheit. Die repro-
duktive Gesundheit ist ein wesentlicher Teil der Gesund-
heit.

Auch mit den Millenniumszielen wurde der sexuel-
len und reproduktiven Gesundheit eine zentrale Bedeu-
tung eingeräumt. Drei der acht Millenniumsziele betref-
fen direkt die reproduktive Gesundheit: Ziel 4 sieht die
Senkung der Kindersterblichkeit vor, Ziel 5 die Senkung
der Müttersterblichkeit und Ziel 6 die Bekämpfung von
HIV/Aids.

Zu Recht werden für die Eindämmung der schreckli-
chen Entwicklung von HIV/Aids enorme Anstrengungen
unternommen. Wir dürfen aber nicht zulassen, dass wir
dadurch Vorhaben bei der reproduktiven Gesundheit ver-
nachlässigen. Diese beiden Bereiche schließen sich nicht
aus. Im Gegenteil: Sie ergänzen sich nach dem Motto
„Das eine tun und das andere nicht lassen“.

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(C (D Die eher technische Unterscheidung zwischen HIV/ ids und reproduktiver Gesundheit wird mittlerweile wie ich finde, völlig zu Recht – regional und interna ional stark kritisiert. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


enn in der Praxis ist diese Unterscheidung kaum mög-
ich: Ist ein Kondom für die Verhütung von HIV oder für
ie Verhütung einer Schwangerschaft gedacht? Ich
enke, für beides.

Die Programme der reproduktiven Gesundheit sind in
ielen Städten und Dörfern der Entwicklungsländer be-
eits lange etabliert, oft wesentlich länger als die Ein-
ichtungen zur HIV-Bekämpfung. Sie haben in der Be-
ölkerung einen guten Ruf und werden akzeptiert. Ich
inde, wir sollten diese Programme nutzen.

Maßnahmen der sexuellen und reproduktiven Ge-
undheit und Bekämpfung von HIV/Aids sind zwei Sei-
en einer Medaille.


(Beifall bei der CDU/CSU)


ogar die WHO betont mittlerweile, welche Bedeutung
ie Vernetzung dieser Maßnahmen hat, um insbesondere
ie Weiterverbreitung dieser fürchterlichen Krankheit zu
erhindern. Ich glaube, diese Aussage dürfen wir nicht
gnorieren.

HIV/Aids wird in den Entwicklungsländern zum
berwiegenden Teil durch heterosexuelle Kontakte über-
ragen. Die diesjährige Weltaidskonferenz in Toronto hat
rneut die enorme Bedeutung der HIV-Prävention be-
egt. Nur damit keine Missverständnisse aufkommen:
ch bin sehr wohl für die Förderung von Behandlung. Ich
laube, dass Prävention und Behandlung zusammenge-
ören. Aber vor allem bei Aids gilt: Vorbeugen ist im-
er besser als Heilen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Von ausschlaggebender Bedeutung ist, dass Frauen
elbstbestimmt über die Prävention entscheiden können.
ur so sind sie nicht dem Willen ihres Partners ausgelie-

ert. Prävention darf nicht allein in den Händen der Män-
er liegen. In diesem Zusammenhang sind Femidome
on großer Bedeutung. Mikrobizide können von großer
edeutung werden. Beides kann selbstbestimmt und
hne die Zustimmung des Mannes genutzt werden.

Die Marktreife von Mikrobiziden wird aber frühes-
ens im Jahr 2010 erwartet. Es ist zu begrüßen, dass das
MZ die Mikrobizidforschung unterstützt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Kondome bleiben nach wie vor das wichtigste Verhü-
ungsmittel. Leider stehen Männern zum Beispiel in
frika nicht genügend Kondome zur Verfügung: Pro

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Sibylle Pfeiffer
Jahr sind es nur sechs bis acht Kondome pro Mann. Wer
sich in Afrika auskennt, weiß, was das bedeutet.


(Zuruf von der SPD: Vielleicht auch in Deutschland!)


Ermutigend ist hingegen, was aus dem Vatikan zu hö-
ren ist. Kollege Addicks hat schon darauf hingewiesen.
Ich denke, es ist wichtig, dass dort offensichtlich eben-
falls ein Umdenken begonnen hat. Die derzeit einzige
wirklich wirksame Vorbeugung gegen Aids ist das Wis-
sen darüber, wie man sich vor Ansteckung schützen
kann. Wissen rettet Leben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Sexualaufklärung umfasst immer auch Aidsaufklä-
rung und ist ein wichtiger Teil der Prävention. Gerade
junge Leute – insbesondere junge Frauen – müssen des-
halb über Aids aufgeklärt werden.

Ich fasse zusammen: Erstens. Gerade in Entwick-
lungsländern hat Aids ein weibliches Gesicht. Besonders
der Schutz von Mädchen und Frauen muss im Kampf ge-
gen HIV/Aids eine noch größere Rolle spielen.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Sehr richtig!)


Zweitens. Wir müssen auf internationaler Ebene da-
rauf bestehen, dass die Rechte der Frauen gestärkt wer-
den. Wir leisten dort mithilfe unserer Entwicklungs-
ministerin Unterstützung. Ich halte es für den richtigen
Weg, in den einzelnen Ländern die Frauen stärker in
Aidsbekämpfungsprogramme mit einzubinden.

Drittens. Der Zugang zu Mitteln der Familienplanung
und zu finanzierbaren Medikamenten muss verbessert
werden.

Viertens und letztens. Vor allem die Trennung von
HIV/Aids-Bekämpfung und sexueller und reproduktiver
Gesundheit ist nicht zu rechtfertigen. Beide gehören zu-
sammen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch allen Berichter-
stattern im AwZ für die sehr konstruktive Zusammen-
arbeit sowie meinen Vorstandskollegen aus dem Parla-
mentarischen Beirat der Deutschen Stiftung
„Weltbevölkerung“ danken. Ich denke, wir haben vor al-
lem bei diesem wichtigen Thema gezeigt, dass wir sehr
wohl in der Lage sind, gemeinsam anzupacken.


(Zuruf von der LINKEN: Nur ohne die Linke!)


Bei der Erarbeitung des fraktionsübergreifenden An-
trags haben wir festgestellt, wie wichtig einerseits und
wie umfassend andererseits dieses Thema ist und wie
wenig wir letztendlich auf den vielen Seiten unseres An-
trags untergebracht haben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607105900

Ich erteile das Wort Kollegin Monika Knoche, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Da en! Aids ist keine Schande. Aids ist auch keine Seuhe. In Deutschland kann man das auf jeden Fall sagen. ch möchte an dieser Stelle einer Frau danken, der wir m Zusammenhang mit einer aufgeklärten, sehr ziviliierten und kulturvollen Aidspolitik viel zu verdanken aben. Es ist Ihre Kollegin Frau Dr. Rita Süssmuth, die ls Gesundheitsministerin sehr viel dazu beigetragen hat, ass wir dieses aufgeklärte Verständnis haben. ch möchte Ihnen aber auch sagen, dass ich es in diesem usammenhang überhaupt nicht nachvollziehen kann, arum Sie in kleinkarierter Weise die Linke aus diesem iskurs heraushalten wollen und uns nicht zur Erarbei ung des gemeinsamen Antrages eingeladen haben. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607106000

(Beifall im ganzen Hause)


Dass wir in Deutschland mit dieser Problematik sehr
ut zurechtkommen, führe ich maßgeblich auf das starke
ivilgesellschaftliche Engagement und insbesondere
uf das Engagement der homosexuellen Gruppen zu-
ück, die viel dazu beigetragen haben, dass wir einen
ehr entwickelten Stand auch in der medizinischen Ver-
orgung und Forschung haben. Auch unser Gesundheits-
esen hat bislang viel dazu beigetragen, dass alle HIV-

nfizierten und Aidserkrankten die volle Sachleistung er-
alten, dass wir also ein sehr hohes Versorgungsniveau
aben.

Obwohl dem so ist und wir wissen, dass einigen HIV-
nfizierten und Aidskranken, die spritzdrogenabhängig
ind, sehr gut geholfen werden könnte, wenn weiterhin
eroinsubstitution betrieben würde – auch ein wichtiges
hema, das wir heute nicht außen vor lassen sollten –,


(Zustimmung bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


in ich der Auffassung, dass die Welt vor der Gefahr
teht, den Kampf gegen Aids zu verlieren. In Europa ist
as nicht so, genauso wenig in Nordamerika. In Latein-
merika sind viele wichtige Initiativen gestartet worden.
ber insbesondere in Afrika besteht die Gefahr, dass
ir – ich sage bewusst „wir“, weil wir alle dafür Verant-
ortung tragen – den Kampf gegen Aids verlieren.

In diesen Tagen wird darüber gesprochen, dass sich
er G-8-Gipfel des Themas HIV/Aids annimmt. Ich
ünsche mir eher, dass in diesen Fragen die UN und ins-
esondere die UNAIDS gestärkt werden und mehr Ver-
andlungskompetenz bekommen und dass der Global
und von deutscher Seite sehr stark finanziell gefeatured
ird.


(Beifall bei der LINKEN)


as ist leider nicht der Fall. Wenn wir aber schon beim
-8-Gipfel sind, möchte ich sagen: Dorthin gehört auch
ie Frage, um die es im Hinblick auf Afrika zentral geht.
s geht um das TRIPS-Abkommen, um die Verweige-

ung des Zugangs zu Medikamenten. Noch immer un-
erliegen über 70 Prozent der HIV-Medikamente und

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7119


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Monika Knoche
Aidsmedikamente dem Patentschutz. Es ist den betroffe-
nen Menschen und den Regierungen nahezu unmöglich,
unter diesen Kautelen eine adäquate und vor allen Din-
gen kostengünstige Aidsbehandlung durchzuführen.
Hier muss eine radikale Revision, ein Umdenken in der
Patentschutzpolitik stattfinden. Sonst kann das Pro-
blem Aids nicht bewältigt werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])


Natürlich muss auch der IWF genannt werden, wenn
wir schon die Welt ins Auge fassen; denn vieles, was die
betroffenen Staaten im Rahmen ihrer medizinischen In-
frastruktur nicht leisten können, hat mit dem Staatszer-
fall und der Deregulierungspolitik zu tun. Ich habe ins-
besondere in einigen afrikanischen Ländern, die ich
besucht habe – ich nenne nur Namibia als Beispiel, für
das Deutschland eine besondere historische Verpflich-
tung hat –, gesehen, dass die NGOs, die oftmals die Ein-
zigen sind, die Maßnahmen ergreifen können, häufig ein
Nebeneinander von Hilfsmaßnahmen pflegen und dass
eine konzertierte staatliche Gesundheitspolitik und
eine entsprechende Versorgungsinfrastruktur nicht mög-
lich sind. Auch in dieser Hinsicht sollten die Entwick-
lungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker stärker
darauf achten, wie die NGOs im Rahmen der Entwick-
lungszusammenarbeit unterstützt werden können, damit
der staatlichen Gesundheitsversorgung die Priorität zu-
kommt, die sie haben sollte.


(Beifall bei der LINKEN)


Die vielen HIV/Aids-Waisen – dazu ist schon vieles
gesagt worden, was ich nicht zu wiederholen brauche –
zeigen, dass im Gegensatz zu Europa und Nordamerika,
wo die Krankheit im Wesentlichen homosexuelle Men-
schen und Spritzdrogenabhängige betrifft, in Afrika Aids
hauptsächlich bei Heterosexuellen auftritt. Das hängt
auch damit zusammen, dass die Stellung der Frau völlig
anders ist als bei uns. Viele Sexualpraktiken, die zur
Übertragung des Virus beitragen, sind in die Kultur inte-
griert. Das darf bei der Aufklärung nicht tabuisiert wer-
den. Die mitunter brutale männliche Sexualität im afri-
kanischen Raum muss zum Thema gemacht werden,
damit Präventionsstrategien überhaupt greifen können.
Wenn Frauen über sexuelle Praktiken nicht selbst ent-
scheiden dürfen, dann ist es schlichtweg nicht möglich,
dass sie sich schützen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Detlef Parr [FDP])


Darauf muss bei der Aufklärung besonderer Wert ge-
legt werden. Sonst können Präventionsstrategien nicht
erfolgreich sein. Auch wenn wir den schwangeren
Frauen mit Medikamenten helfen können, die Übertra-
gung des Virus während der Geburt zu vermeiden, so be-
steht immer noch das Problem, dass die Frauen nicht die
Kraft und nicht die gesellschaftliche Stellung haben, ih-
ren Schutz beim Sexualverkehr durchzusetzen. Die Ge-
fahr der Reinfektion besteht nach wie vor, weil die
Frauen keine sexuelle Autonomie haben. Diese Pro-

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(C (D leme sollten wir im Zusammenhang mit Afrika im uge behalten. Eine tragische und üble Entwicklung findet in Osturopa statt, insbesondere im Baltikum und in der kraine. In Osteuropa gibt es einen regen männlichen extourismus, der insbesondere von spritzdrogenabhänigen jungen Frauen profitiert. Diese werden Sexarbeiteinnen und sind Opfer des organisierten Menschenhanels. In diesem Milieu breitet sich HIV massiv aus. iesem Problem müssen wir Europäerinnen und Euroäer uns stellen; denn das passiert nicht im fernen Russand oder hinter einem eisernen Vorhang, sondern direkt inter unseren Grenzen. Die gewissenlosen Praktiken eim Sextourismus sind ursächlich für die Ausbreitung er Infektionen in heterosexuellen Kreisen verantwortich. Frauen, die sich nicht wehren können, sind hier die pfer. (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Machen wir uns die Dramatik bewusst. Es werden im-
er mehr heterosexuelle Menschen mit dem HIV-Virus

nfiziert. In Deutschland sind es vorwiegend junge
chwule Männer, die aufgrund der guten medizinischen
ersorgung schon vergessen haben, dass es sich bei Aids
m eine tödliche Erkrankung handelt. Wir haben noch
iniges zu tun. Ich möchte Ihnen sagen: Lassen Sie die
deologischen Barrieren beiseite! Schließen Sie emanzi-
atorische linke Kräfte ein! Wir haben einen guten Draht
uch zu jungen Menschen.


(Jens Spahn [CDU/CSU]: Den haben wir auch! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: So was Plattes!)


s ist gut, wenn wir alle im Hause zusammenstehen.
assen Sie uns das in Zukunft so handhaben.

Danke.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607106100

Ich erteile das Wort Kollegin Ute Koczy, Fraktion des

ündnisses 90/Die Grünen.


Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607106200

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

nd Kollegen! Weltaidstag, ein Tag, an dem die Welt ge-
ahnt ist, nicht nur innezuhalten, sondern auch zu han-

eln, gemeinsam zu handeln; denn Aids ist Gegenwart,
ederzeit, überall. Deshalb ist es auch gut, dass es neben
ier weiteren einen interfraktionellen Antrag gibt, der
ie gemeinsame Verantwortung für Entwicklungslän-
er unterstreicht. Noch besser wäre es aber gewesen, die
inken einzubeziehen und angesichts der Sachlage groß-
oalitionäre Taktikspielchen hintanzustellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Monika Knoche [DIE LINKE]: Danke schön!)


HIV/Aids ist eine Krankheit, deren Bekämpfung
ehr braucht als nur Information. Der Kampf gegen
ids kann nur da gewonnen werden, wo es gelingt,

7120 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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(B) )


Ute Koczy
menschliche Verhaltensweisen zu verändern. Das ist die
größte Herausforderung. Deshalb ist es so wichtig, ohne
moralischen Zeigefinger und mit unverstelltem Blick
quer zu patriarchalen, heterosexuellen Traditionen die
Verbreitung von HIV/Aids zu bekämpfen.

Wir haben gehört, welche enormen Schäden, welch
unermessliches Leid diese Krankheit anrichtet – und das
in einer so kurzen Zeit; erst vor 25 Jahren wurde das
HIV-Virus entdeckt. Bitter ist: HIV/Aids ist inzwischen
weiblich geworden. In Afrika, südlich der Sahara, infi-
zieren sich überproportional viele Frauen und Mäd-
chen mit dem Virus, zum einen, weil sie biologisch an-
fälliger sind, und zum anderen, weil sie ganz einfach
weniger Rechte haben, weil sie es schwer haben, sexu-
elle Praktiken einzufordern, die sie schützen, weil sie
nicht sagen können: He, du, nimm ein Kondom! Dazu
haben sie nicht die Rechte. Letztlich verweigert ihnen
diese Rechtlosigkeit auch den Schutz gegenüber ihrer
Person oder gegenüber ihrer Familie. Deswegen müssen
wir daran arbeiten, dass sich das verändert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Weltweit liegt die Lebenserwartung von Frauen im
Durchschnitt circa fünf Jahre höher als bei Männern. In
Simbabwe ist das anders. Dort hat das HIV/Aids-Virus
inzwischen zu einer der weltweit niedrigsten Lebenser-
wartungen geführt; dort werden Frauen im Schnitt nur
noch 34 Jahre alt, sie sterben drei Jahre früher als Män-
ner.

Wir müssen uns fragen: Berücksichtigen die Metho-
den der Aidsbekämpfung die Bedürfnisse von Frauen
und Mädchen? Nein, sie tun es zu wenig. Frauen brau-
chen einen besseren Zugang zu Informationen über die
Krankheit und ihre Übertragungswege. Es gibt einfach
zu wenig frauenkontrollierte Methoden der HIV/Aids-
Prävention. Auch das muss geändert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Das Beispiel Kenia zeigt ja, dass es funktioniert. Dort
sind die Prävalenzraten unter jungen, schwangeren
Frauen in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.
Wie hat man das geschafft? Man hat Informationen wei-
tergegeben; man hat dazu aufgefordert, das Sexualver-
halten zu verändern. Jetzt kennen mehr junge Menschen
das Risiko; weniger junge Menschen gehen die Risiken
ein; mehr junge Menschen benutzen Kondome. Also
kann sexuelle Aufklärung viel bewirken.

Kommen wir nun zu Uganda. Dort zeigt sich, dass es
eine negative sexuelle Aufklärung geben kann. Es gab
einmal eine positive Entwicklung in Uganda; sie hat sich
verändert. Jetzt deuten die Zahlen darauf hin, dass die
Fortschritte, die dort festgestellt werden konnten, wieder
verloren gingen, und zwar deswegen, weil sich die Nut-
zung von Kondomen im außerehelichen Geschlechtsver-
kehr verringert hat. Wie konnte es dazu kommen? Neue
Studien von Menschenrechtsorganisationen verdeutli-
chen, dass Uganda seine HIV-Präventionsstrategie in

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(C (D ine neue Richtung lenkt. Warum tut man das? Nicht aus igenem Antrieb, sondern auf Druck von Gebern, insbeondere der USA. Die USA binden ihre Unterstützung ür Prävention zunehmend an moralisch-religiöse Kriteien, leider mit Erfolg. 2004 hat das ugandische Gesundeitsministerium in einer Rückrufaktion sämtliche von er Regierung kostenlos verteilte Kondome zurückgeolt. Wir sehen also, dass es in diesen Ländern auch moalisch-religiöse Kriterien gibt, die nichts mit dem ampf gegen Aids zu tun haben, sondern von einer aneren Strategie zeugen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])


Darunter haben insbesondere auch Homosexuelle zu
eiden, deren Menschenrechte ohnehin in vielen Ländern
ingeschränkt und missachtet werden. In über 75 Län-
ern ist Homosexualität strafbar. Doch wenn Menschen
egen ihrer Liebe ins gesellschaftliche Abseits gedrängt
erden, wenn Homosexualität tabuisiert wird, dann ist

ine wirksame Aidsprävention unmöglich. Auch daran
üssen wir im internationalen Kampf gegen Aids arbei-

en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Ein weiterer Punkt. Es gibt seit zehn Jahren in den In-
ustrieländern antiretrovirale Medikamente. Diese
edikamente können HIV/Aids nicht heilen, aber sie

erringern ganz deutlich das Leid der Krankheit und er-
öglichen es Menschen mit HIV/Aids, weiterzuleben.
erade für Menschen in Entwicklungsländern wäre es
ichtig, dass sie Zugang zu diesen Medikamenten bekä-
en. Den haben sie aber nicht. Ja, es hat Verbesserungen

egeben. Aber die Versorgungslücke bleibt immens.
estenfalls eine von zehn Afrikanerinnen bzw. Afrika-
ern und eine von sieben Asiatinnen bzw. Asiaten erhiel-
en letztes Jahr diese dringend benötigte Therapie. Der
rund war auch, dass diese Medikamente zu teuer sind.
uch daran werden wir arbeiten müssen; denn das ist ein
kandal.

Weiterer Handlungsbedarf besteht in der pharmazeu-
ischen Forschung. Wir brauchen endlich einen Aids-
mpfstoff und wir brauchen Medikamente, die in ihrer
orm und in ihren Eigenschaften den Bedürfnissen von
enschen in Entwicklungsländern gerecht werden, zum
eispiel durch kindgerechte Dosierungen.

Ich komme zum letzten Punkt, zum Geld. Ja, es hat
och eine Steigerung im Haushalt gegeben.


(Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: So ist es!)


och gemessen an den Bedürfnissen und an der Finan-
ierungslücke sind solche kleinen Steigerungen noch
ange nicht ausreichend.


(Dr. Karl Addicks [FDP]: Das ist richtig!)


NAIDS und die WHO schätzen, dass zur Finanzierung
er unmittelbaren Maßnahmen der HIV/Aids-Bekämp-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7121


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Ute Koczy
fung im Jahr 2007 noch eine Lücke von 8 Milliarden
Dollar besteht.

Nächstes Jahr gibt es besonders gute Gelegenheiten,
den Kampf dagegen aufzunehmen. Deutschland wird die
Präsidentschaft der G 8 haben. Die Staaten der G 8 ha-
ben das Versprechen abgegeben, einen universellen Zu-
gang zu Medikamenten zu ermöglichen. Wir wollen hof-
fen, dass sie das auch tun. Deutschland ist nächstes Jahr
auch Gastgeber einer Konferenz zur Wiederauffüllung
des Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuber-
kulose und Malaria. Deutschland zahlt im Jahr 2007
– das ist anzuerkennen – 87 Millionen Euro in diesen
Fonds. Doch angesichts der Finanzierungslücke von
5,9 Milliarden US-Dollar und angesichts der wirtschaft-
lichen Möglichkeiten ist das viel zu wenig.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir müssen mehr
tun. Packen wir es an! Wir haben dazu nächstes Jahr die
Chance.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607106300

Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staats-

sekretär Rolf Schwanitz.

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Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1607106400


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte mich zunächst bei Ihnen allen herz-
lich dafür bedanken, dass Sie dem Thema HIV/Aids
nicht nur heute, sondern auch in den vergangenen Jahren
im Deutschen Bundestag einen so hohen Stellenwert zu-
kommen ließen. Das gilt auch im Hinblick auf die in die-
ser Debatte vorgelegten Anträge. Ich glaube, dass das
Zusammenstehen über Parteigrenzen, über gesellschaft-
liche Grenzen hinweg ein Stück weit den Erfolg der
Strategie Deutschlands in den vergangenen Jahren aus-
gemacht hat. Ich möchte, dass das in der Zukunft so
bleibt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ende 2006 leben bei uns etwa 56 000 Menschen mit
HIV und/oder Aids. 15 Prozent davon sind Frauen. Die
Zahl der Neudiagnosen in diesem Jahr liegt, geschätzt,
bei 2 700. Dieses Betroffenheitspotenzial ist im Hinblick
auf die internationale, auch auf die europäische Dimen-
sion dieser Pandemie vergleichsweise niedrig. Ich will
ausdrücklich sagen: Für uns ist jeder Einzelne, jede, die
sich in Deutschland neu infiziert, eine Person zu viel.
Der Anstieg der Anzahl der Neuinfektionen muss uns
Anlass sein, unsere Anstrengungen nicht zurückzuneh-
men; vielmehr müssen wir uns auch auf nationaler
Ebene auf diese neuen Anforderungen einstellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Ute Koczy [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


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(C (D Die Bedingungen haben sich verändert. Das ist der rund dafür, dass die Bundesregierung ihr Gesamtonzept bereits 2005 erweitert hat. Wir haben einen ktionsplan ausgearbeitet. Den nationalen Teil dieses ktionsplans haben wir mit den wichtigsten gesell chaftlichen Akteuren, mit Experten, mit den Ländern nd mit den kommunalen Spitzenverbänden bereits abestimmt. Eine interministerielle Arbeitsgruppe ist einesetzt worden, die eine wichtige Rolle bei der Umsetung und bei der Koordination dieses Aktionsplans pielen wird. Wir werden den Aktionsplan im Frühjahr ächsten Jahres, aller Voraussicht nach im Februar 2007, orlegen und damit eine wichtige neue Etappe einleiten önnen. Gleichzeitig hat der Deutsche Bundestag in seinen aushaltsberatungen entschieden – verschiedene Redner aben es angesprochen –, die Mittel für die Aidsaufkläung im Jahr 2007 um 3 Millionen Euro auf insgesamt 2,2 Millionen Euro aufzustocken. Ich sage ausdrückich noch einmal: Herzlichen Dank! Ich glaube, das ist in wichtiges und notwendiges Signal, das wir in der Tat rauchen. Prävention steht für uns im Zentrum der Aidsbekämpung. Neben den Jugendlichen der jeweils neuen Geneation, für die man ganz offensichtlich immer wieder mit rävention und Information tätig werden muss, bleibt ine wichtige zentrale neue Gruppe, um die wir uns ümmern und der wir uns zuwenden müssen: die Gruppe er Migrantinnen und Migranten. Dort Prioritäten zu etzen, ist, glaube ich, richtig. Alle Menschen, die in eutschland leben, sollen unabhängig von ihrem kultu ellen Hintergrund den gleichen Zugang zu Information, rävention und Beratung haben und müssen durch geignete Strategien der Aufklärung erreicht werden. Notendig ist übrigens ein besonderes Eingehen darauf in en Fortbildungsteilen für medizinisches Personal und or allem für Ärzte. Das muss in der nächsten Zeit geährleistet werden. In Deutschland sind vor allem Männer, die Sex mit ännern haben, von der Epidemie am stärksten betrof en. 70 Prozent der Neuinfektionen entfallen auf diese ruppe. Wir müssen das sehr aufmerksam beobachten nd darauf reagieren, dass hier eine gewisse Prävenionsmüdigkeit eingetreten ist und dass hier eine größere isikobereitschaft erkennbar ist. Deswegen will ich auch nlässlich dieser Debatte noch einmal ausdrücklich betoen: Trotz der großen Fortschritte, die wir im medizinichen Bereich bei der Bekämpfung von HIV und Aids rreicht haben, ist dies keine normale chronische Krankeit. Sie darf nicht als solche missverstanden werden. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ede Einschränkung bei Beratung und Thematisierung
ieses wichtigen Problems in den Medien, ob privat oder
ffentlich-rechtlich, ist falsch und hat negative Konse-
uenzen im Schutzverhalten vieler.

7122 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Parl. Staatssekretär Rolf Schwanitz

(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Die Bundesregierung ist sich der internationalen Ver-
antwortung, die mit dem Thema HIV und Aids verbun-
den ist, sehr wohl bewusst. Weltweit besteht die Gefahr
– verschiedene Redner haben bereits darauf aufmerksam
gemacht –, dass die rasante Ausbreitung von HIV und
Aids alle Anstrengungen, die zur Eindämmung dieser
Seuche unternommen worden sind, wieder zunichte
macht. Im Jahr 2005 betrug die Zahl der Aidstoten
2,8 Millionen. Nicht nur im afrikanischen Bereich sind
die Zahlen besorgniserregend, sind die Todesraten
erschreckend und mahnen zum Handeln; auch im ost-
europäischen und asiatischen Bereich ist das so. Bei-
spielsweise ist der Umstand zu nennen, dass die Behand-
lungsrate der Infizierten in Osteuropa bei sage und
schreibe nur 5 Prozent liegt. Wir müssen hier also mehr
tun, meine Damen und Herren. Qualifikation des Perso-
nals ist sicherlich eine richtige Reaktion. Der Kampf ge-
gen Stigmatisierung und gegen Benachteiligung der Be-
troffenen ist das zentrale Thema.

Lassen Sie mich noch etwas zu dem sagen, was Sie
vorhin ausgeführt haben, Herr Dr. Addicks. Ich stimme
Ihnen zu, was die Frage angeht, welche Erwartungen wir
an die katholische Kirche haben. Es gibt auch Mut ma-
chende Signale und wir hoffen, dass sie endlich umge-
setzt werden. Bezogen auf die deutliche Ansprache der
Bundesregierung gegenüber Verantwortlichen in Süd-
afrika, gegenüber der dort ihr Unwesen treibenden
Dr. Rath Health Foundation usw. ist nichts zu bemän-
geln. Sowohl die Ministerin Wieczorek-Zeul als auch
das Auswärtige Amt und meine Ministerin lassen keine
Gelegenheit aus, in aller Deutlichkeit darauf hinzuwei-
sen, wie wir die Dinge sehen, und zu betonen, dass ein
Umsteuern dringend erforderlich ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607106500

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

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Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1607106600


Meine Damen und Herren, wir werden HIV/Aids zu
einem zentralen Thema unserer Präsidentschaft im
nächsten Jahr machen. Es ist wichtig. Deswegen richtet
man zu Recht Erwartungen an uns.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607106700

Ich erteile das Wort Kollegen Detlef Parr, FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP)



Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1607106800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf dem

Weg zum Bahnhof Friedrichstraße fällt den Passanten

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(C (D ine große Werbefläche ins Auge, die auf den ersten lick auf eine Fernsehserie hinzuweisen scheint: geliebt in Berlin – infiziert mit HIV – Täglich neue Folgen! Ein eindrucksvoller Hinweis auf wachsenden Leichtinn in unserer Gesellschaft! Zunehmend werden die Riiken unterschätzt, die vor allem im intimen Umgang iteinander liegen, aber nach wie vor auch Drogen bhängige betreffen. Migranten kommen als neue, wachende Gruppe hinzu. Die aktuellen Zahlen – ich will sie hier nicht wiederolen – belegen die Sorglosigkeit, die sich auch in eutschland eingeschlichen hat. Die Teilnahme an Bareacking-Partys zum Beispiel ist kein harmloses Spiel, ondern bedeutet für manche Russisches Roulette. Es ist eben nicht richtig, dass HIV-Infektionen mitterweile heilbar sind. Die Antiretroviraltherapie kann ur mildernd wirken. Das muss über eine risikospezifiche Aufklärung vor Ort immer wieder deutlich vermitelt werden, zum Beispiel in der Schule bei Kindern und ugendlichen, insbesondere bei Mädchen und in der Szene“, in Jugendtreffs, Diskos oder Bars. Ich möchte an dieser Stelle den zahllosen lokalen idshilfen danken, die ehrenamtlich einen unschätzba en Dienst am Nächsten leisten, vorbildlich für eine Verntwortungsund Teilhabegesellschaft, wie wir Liberaen sie uns wünschen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir begrüßen auch die Aufstockung der Finanzmittel
ür Aufklärungsmaßnahmen der Bundeszentrale für ge-
undheitliche Aufklärung im Haushalt 2007. Damit setzt
ie Bundesregierung ebenso richtige Akzente wie die
rivaten Krankenversicherungen, die die Bundeszentrale
it immerhin über 3 Millionen Euro jährlich unterstüt-

en, und viele andere private Initiativen.

Meine Damen und Herren, dabei dürfen wir den Weg
er informativen Aufklärung mit dem Ziel der Stärkung
er Eigenverantwortung nicht verlassen. Wer wie im An-
rag der großen Koalition die Verschärfung des Straf-
echts bei ungeschütztem Sex bereits Infizierter fordert,
etzt auf Repression und damit auf das am wenigsten ge-
ignete Mittel. Das lehnen wir Liberalen ab.

Und wer wie die Grünen klammheimlich so ein wich-
iges Projekt wie die kontrollierte Heroinabgabe an
chwerstabhängige als Spiegelstrich zur Abstimmung
tellt, kann auch nicht mit unserer Unterstützung rech-
en, ebenso wenig wie bei einem Bleiberecht für HIV-
nfizierte.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist ja herrlich!)


Jetzt sind wir gespannt, was aus dem von Herrn
chwanitz gerade beschriebenen Aktionsplan wird. Es

st schon etwas seltsam, wenn die Koalitionsfraktionen
ie Bundesregierung zur baldigen Umsetzung auffordern
üssen. Wir schließen uns diesem Petitum aber sehr

erne an.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7123


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Detlef Parr
Gut, dass sich alle Fraktionen nicht nur am Welt-
aidstag einig sind, dass wir auch national den Kampf
gegen diese heimtückische Immunschwächekrankheit
entschlossen weiterführen müssen. Nur im engen Schul-
terschluss haben wir eine Chance auf Erfolg. Niemand
von uns will und darf die Betroffenen im Stich lassen.
Und das ist auch gut so.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Christel Riemann-Hanewinckel [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607106900

Ich erteile das Wort Kollegen Jens Spahn, CDU/CSU-

Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1607107000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin

dankbar, dass es gelungen ist, dass wir heute am Welt-
aidstag in der Debatte im Deutschen Bundestag deutlich
machen, wie sehr wir gemeinsam – zum Teil auch mit
unterschiedlichen Positionen; dazu komme ich gleich,
Herr Kollege Parr – dafür eintreten, in der Welt, in
Europa, aber auch in Deutschland mit Prävention und
guter Behandlung der Betroffenen das Bestmögliche für
alle zu erreichen.

Dabei ist es so, dass wir zum ersten Mal seit Jahren
im Deutschen Bundestag über die Entwicklung von
HIV/Aids in Deutschland debattieren. Meine Kollegin
hat gerade schon die Position zur Entwicklungshilfe und
zur Situation in Afrika und Osteuropa thematisiert. Von
daher möchte ich mich auf die deutsche Situation kon-
zentrieren.

Wir können konstatieren, dass die Präventionsarbeit
in Deutschland in den vergangenen 25 Jahren wie in
kaum einem anderen Land der Welt erfolgreich war. Wir
haben mit die niedrigsten Infektionsquoten, die es gibt.
Wir haben sehr gute, auch ehrenamtliche Arbeit vor Ort,
sehr gute Strukturen mit den Aidshilfen, der Aidsstiftung
und den vielen Verbänden, die sich engagieren.

Nichtsdestotrotz müssen wir neue Entwicklungen
– ich möchte auf einige eingehen – zur Kenntnis neh-
men. Da ist zum Ersten das Risikobewusstsein meiner
eigenen Generation. Meine Generation hat das große
Sterben der 80er-Jahre nicht mitgemacht, hat die Debat-
ten Süssmuth, Gauweiler – all die Kontroversen, die es
damals gegeben hat – nicht mitgemacht. In vielen Wer-
bungen wird suggeriert, dass es Heilung gäbe, obwohl es
am Ende nur Linderung gibt. Gerade diese Entwicklung
macht sehr deutlich, dass Prävention immer wieder neu
ansetzen muss, immer wieder neue Gruppen und nach-
wachsende Generationen erreichen muss. Darauf müs-
sen wir unsere Arbeit ausrichten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Zweitens haben wir die Entwicklung – das wurde
schon angesprochen –, dass Infektionen auf entsprechen-
den Partys bzw. Veranstaltungen, die im Internet angebo-
ten werden, bewusst in Kauf genommen werden. Hinter

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(C (D nserem Vorschlag, Herr Parr, zu prüfen, ob dagegen trafrechtlich vorgegangen werden kann, steht nicht die bsicht – das sage ich ausdrücklich –, Einzelne zu kriinalisieren oder strafrechtlich zu verfolgen. s geht vielmehr darum, wie in Österreich kommerzielle ngebote von solchen Partys, für die mit dem Slogan Sex ohne Kondom“, und zwar mit HIV-positiven und negativen Partnern, geworben wird und für die auch intrittsgelder verlangt werden, zu unterbinden. Deshalb at die Koalition beschlossen zu prüfen, was da möglich st. ch bin nämlich nicht bereit zuzuschauen, wie über Einrittsgelder und auf andere Weise Geld mit der Ausrichung solcher Veranstaltungen verdient wird. Von daher öchten wir prüfen, welche Handhabe es gibt, dagegen ntsprechend vorzugehen. Eine dritte Entwicklung, die wir zur Kenntnis nehmen üssen – auch diese ist schon angesprochen worden –, st die Zunahme der Infektionszahlen bei Migranten nd insbesondere bei Migrantinnen, also Frauen, die rst in Deutschland von ihrer Infektion erfahren. Hier ibt es große Probleme vor allem deswegen, weil in dem ulturellen Umfeld, aus dem sie kommen, dieses Thema ft tabuisiert ist. Da darf uns, Frau Kollegin Knoche Sie sprachen ja überwiegend von der dramatischen ntwicklung in Afrika –, auch die Entwicklung in Osturopa und Russland nicht ruhen lassen. In manchen ändern, die ja direkt vor unserer Haustür liegen, hat die ntwicklung eine solche Dynamik angenommen, wie es ie in der Anfangszeit von Aids in Afrika gab. So hat die nfektionswelle vor 20, 25 Jahren auch in Afrika auf iedrigem Niveau begonnen, aber dann sind die Infekionszahlen in die Höhe geschnellt. Das Gleiche erleben ir leider im Moment auch in Russland und einigen aneren osteuropäischen Ländern. Gerade deswegen, weil as direkt vor unserer Haustür geschieht, stehen wir in er Verantwortung, gemeinsam mit den betroffenen Länern Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Eine vierte Entwicklung ist bei der Forschung zu erzeichnen. Die dort erzielten Erfolge sind zunächst inmal sehr positiv zu sehen. Es gibt kaum einen andeen Bereich, in dem es innerhalb von 25 Jahren – man berlege sich einmal, was seit Entdeckung des Virus ales möglich geworden ist – so viele Erfolge in der Phar aforschung gegeben hat. Das hatte im Übrigen auch uswirkungen auf andere Forschungsbereiche wie die akzineforschung, die Erforschung von Diagnostika sw. Es wurden da viele Erkenntnisse gewonnen und es ielen viele Nebenprodukte ab, die uns in anderen Bereihen weiterhelfen. Dass es gelungen ist, die Lebenserwartung von HIVnfizierten und Aidskranken zu erhöhen, stellt uns im brigen vor ganz neue Herausforderungen. Bei einem espräch mit Vertretern der Aidsstiftung, die ja unter anerem auch das Ziel hat, Aidskranken eine letzte Reise 7124 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 Jens Spahn zu finanzieren, wurde mir gesagt, manche hätten zum zehnten Mal ihre letzte Reise beantragt, weil es die medizinische Entwicklung möglich gemacht hat, länger zu leben. Das bringt aber auch neue Herausforderungen für die Sozialarbeit und die medizinische Forschung mit sich. So gibt es jetzt ältere HIV-Infizierte, die seit zehn, 15 oder gar 20 Jahren mit dieser Infektion leben und dadurch ganz neue Krankheitsbilder und soziale Situationen erleben, mit denen wir uns auseinander setzen müssen. Ich möchte die Erfolge, die die Pharmaindustrie in der Forschung erzielt hat, einmal mit Blick auf die sonst übliche Pharmaschelte – auch mir ist klar, dass da nicht alles sauber läuft und es viele Bereiche gibt, über die wir diskutieren müssen – hervorheben: Wenn es die Pharmaforschung nicht gäbe, wären wir bei der Behandlung von HIV und Aids bei weitem noch nicht da, wo wir heute stehen. Auch das sollte man an der einen oder anderen Stelle in der Diskussion berücksichtigen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Dr. Karl Addicks [FDP]: Das muss auch einmal gesagt werden!)


(Detlef Parr [FDP]: Was denn sonst?)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(A) )


(B) )


In diesem Zusammenhang möchte ich auf die For-
schungsförderung des Bundes hinweisen, auf die auch
im Antrag der Koalitionsfraktionen eingegangen wird.
Zum einen geht es um Grundlagenforschung, zum ande-
ren aber um die Frage der Anwendungsforschung. Hier
ist insbesondere ein Projekt zu nennen, das vom Bundes-
ministerium für Bildung und Forschung gefördert wird:
Das Kompetenznetzwerk HIV/Aids hat eine Kohorte
von 14 500 Patienten, die regelmäßig betreut werden,
bei denen geschaut wird, wie deren Entwicklung ver-
läuft, und die entsprechend unterstützt werden. Gemein-
sam müssen wir mit der Wirtschaft, die hier auch in der
Verantwortung steht, und der Wissenschaft schauen, wie
es gelingen kann, dieses Projekt, aus dem auch weltweit
wichtige Erkenntnisse gewonnen werden können, fort-
zuführen.


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])


Die neuen Entwicklungen, die ich gerade genannt
habe, spiegeln sich – es ist schon gesagt worden – in den
auch in Deutschland steigenden Zahlen wider. Das
Ganze befindet sich natürlich noch immer auf einem
niedrigen Niveau; aber jede Zahl ist eine zuviel. Wir hat-
ten im Jahr 2001 etwa 1 500 Neuinfektionen; im Jahr
2006 werden es etwa 2 700 Neuinfektionen sein, was
eine Steigerung von fast zwei Dritteln innerhalb kürzes-
ter Zeit bedeutet. Wenn wir uns dieser Herausforderung
nicht stellen würden – was wir unter anderem durch eine
Erhöhung der Mittel in dem Bereich um immerhin ein
Drittel tun –, würde sich diese Dynamik fortsetzen und
dann kämen noch ganz andere Dimensionen auf uns zu.
Deswegen ist es richtig, früh darüber zu reden und die-
sen neuen Entwicklungen angemessen zu begegnen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Hinsichtlich der Entwicklung der Präventionsarbeit
und der Frage, was zu tun ist, nehme ich alle in die Ver-

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(C (D ntwortung. Es gibt immer noch einige, auch bei den idshilfen, die, wie gesagt, gute Arbeit geleistet haben, ie sich aber weigern, sich mit dem neuen Phänomen der artys und der Internetportale, wo Entsprechendes angeoten wird, offensiv auseinander zu setzen, die meinen, as liege in der Verantwortung des Einzelnen und es sei chwer, da etwas zu unternehmen. Es geht nicht darum ich sage es noch einmal –, Menschen zu kriminalisie en oder zu stigmatisieren. Aber auch die Aidshilfen üssen die Entwicklung anerkennen und sich bei ihrer rbeit entsprechend offensiv damit auseinander setzen. Abschließend möchte ich noch zwei kurze Bemerungen machen. Ich finde es richtig und wichtig, dass ir heute diese Debatte führen, weil HIV auch in eutschland immer noch mit Stigmatisierung verbunden st. Es ist nun einmal eine andere Krankheit als etwa rebs, die auch mitten in der Gesellschaft ein Thema ist; as sieht man daran, wie in den Medien damit umgeganen wird. Über HIV/Aids hingegen wird – natürlich weil s infektiös ist, im Übrigen aber auch, weil es mit einer oralund Schuldfrage, die leider oft reflexartig gestellt ird, verbunden ist – ganz anders diskutiert. Auf der Aidsgala hat einer der Redner berichtet, dass r einen schwer kranken Aidskranken im Krankenhaus esucht und dessen Hand genommen hat, woraufhin derenige sagte: Sie sind der Erste seit Wochen, der meine and nimmt; alle anderen haben Angst, mich zu berüh en. Das hat mich sehr berührt. Ich glaube, gerade eine ebatte wie die heutige kann helfen, dass genau das icht mehr passiert. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607107100

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem

ollegen Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607107200

Herr Kollege, Sie haben gesagt, es gehe nicht um eine

riminalisierung. Gleichzeitig spricht die Koalition in
hrem Antrag von einem Prüfauftrag für strafrechtliche
egelungen in dem Kontext von Bareback-Partys und
areback-Profilen im Internet. Ich glaube, der Erfolg der
eutschen Aidspräventionspolitik in der Vergangenheit –
orhin ist der Name Rita Süssmuth genannt worden –
ag gerade darin, dass wir auf Aufklärung, Information
nd das verantwortliche Handeln der Bürgerinnen und
ürger in unserem Lande gesetzt haben. Darauf sollten
ir weiter setzen.

Wir haben gegenwärtig beim Thema Aufklärung und
nformation natürlich Defizite. Wir haben in der Aids-
rävention nicht nachvollzogen, was für die sexuelle
ontaktaufnahme, gerade in der Gruppe der Homo-

exuellen, heute das Internet bedeutet. Die Kontaktauf-
ahme hat sich von konkreten Bars an Orte in der vir-
uellen Welt verlagert. Die Aidshilfen nutzen noch nicht

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7125


(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)

die personalkommunikativen Möglichkeiten, die das
Medium Internet bietet.

Wir müssen bei der Aufklärung dem Wandel entspre-
chen. Es hat überhaupt keinen Sinn, dass wir bestimmte
Phänomene durch Kriminalisierung in den Untergrund
treiben und damit den Einfluss auf die Menschen und
den Zugang zu ihnen völlig verlieren.

Herr Kollege, so lange es aus diesem Haus Interven-
tionen gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium
und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
gegen die Verbreitung bestimmter Broschüren der Aids-
hilfen, auch über das Internet, gibt, die explizit über se-
xuelle Verhaltensweisen sprechen – die vielleicht nicht
jedem hier im Hause gefallen und nicht dem guten Ge-
schmack entsprechen – und die die Menschen, die das
praktizieren, aufklären, wie sie sich schützen können, so
lange uns der gute Geschmack mehr wert ist als die
Frage, wie die Menschen umfassende Kenntnis darüber
erlangen, wie sie sich schützen können, so lange ist es
heuchlerisch, wenn wir gleichzeitig über Strafrecht re-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Koalition hat trotz des positiven Ergebnisses der
Studie über die Heroinabgabe an Schwerstabhängige
nicht den Mut, endlich eine Regelversorgung auf den
Weg zu bringen. Stattdessen lässt sie das Modellpro-
gramm praktisch auslaufen, indem keine Neuzugänge zu
dem Programm mehr möglich sind, obwohl alle Fach-
leute sagen, dieses Programm habe sich bewährt; es
würde denjenigen Menschen, die HIV-positiv sind, hel-
fen, ihre Gesundheit zu stabilisieren, und es würde dieje-
nigen Menschen, die nicht HIV-positiv, aber schwerstab-
hängig sind, davor schützen, sich mit HIV zu infizieren.
Ich finde es daher doppelt heuchlerisch, dass wir in die-
sem Zusammenhang gleichzeitig über das Strafrecht re-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607107300

Kollege Spahn.


Jens Spahn (CDU):
Rede ID: ID1607107400

Herr Kollege Beck, man würde sich wünschen, Ihre

Fraktion hätte Ihnen zu diesem Thema Redezeit zuge-
standen; denn Sie haben im Grunde genommen eine
Rede gehalten, durch die alle Themen in diesem Zusam-
menhang abgedeckt wurden.

Zum Ersten. Wir erkennen in unserem Antrag die er-
folgreiche Präventionsarbeit in Deutschland, die insbe-
sondere von den Aidshilfen seit 25 Jahren geleistet wird,
ausdrücklich an und wollen, dass ihre Arbeit weitergeht.
Das habe ich in meiner Rede klar und deutlich gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zum Zweiten. Es geht nicht um die Frage des guten
Geschmacks. Die einzige Broschüre, in der es, soweit
ich weiß, um das ging, worüber Sie geredet haben, ent-

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(C (D ielt Zitate von Vertretern der Aidshilfe, es sei halt so, ass es auf Partys Sex ohne Kondom gebe. Wir sind aber icht bereit, dies zu akzeptieren. ir wollen vielmehr, dass mit Prävention und Aufkläungsarbeit dafür gesorgt wird, dass das nicht mehr der all ist. Nun zum Thema Strafrecht. Ich habe vorhin deutlich esagt: Es geht mir nicht darum, Einzelne zu kriminaliieren. Es geht vielmehr darum, gegen diejenigen vorzuehen, die damit Geld verdienen, dass sie gewerbliche ngebote machen, bei denen sich Menschen infizieren önnen. Wir wollen aber nicht gegen diejenigen vorgeen, die sich dabei infizieren. Diesen Unterschied habe ch vorhin deutlich gemacht. Im Übrigen habe ich in den letzten Wochen heftige useinandersetzungen unter anderem mit der Barmer rsatzkasse geführt – die Frau Staatssekretärin weiß es –, as das Nachverfolgen angeht. In einem Zweizeiler an emanden, der sich kurz zuvor mit HIV infiziert hatte, ollte man von ihm wissen, bei wem er sich infiziert abe. Wir sind vehement dagegen vorgegangen und seten uns dafür ein, dass so etwas nicht mehr passiert. Inofern lasse ich mir von Ihnen an dieser Stelle nicht etas anderes unterstellen. Zum Schluss zum Thema Heroinabgabe. ir haben ein gutes Angebot für Schwerstabhängige. ie tun so, als gäbe es für Schwerstabhängige in diesem and kein entsprechendes Angebot. (Jörg Tauss [SPD]: Es soll ja kaputtgemacht werden! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Es kommt keiner mehr rein!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Detlef Parr [FDP]: Jetzt wird es spannend!)


Ich rede von dem bestehenden regulären Angebot. – Es
ibt Spritzentausch und eine Methadonversorgung auf
inem – richtigerweise – sehr hohen Niveau. Sie tun aber
o, als gäbe es keine Angebote für Schwerstabhängige.


(Detlef Parr [FDP]: Es gibt Besseres!)


Wir von der Union sagen: Wenn sich einige mit dem
leichen Engagement, mit dem sie für die Abgabe einer
er härtesten Drogen, die es gibt, kämpfen, für die
ethadonabgabe und für den Ausstieg aus der Sucht bei

chwerstabhängigen einsetzen würden,


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Es geht um die Wirksamkeit!)


ann würden wir in diesem Bereich wesentlich mehr er-
eichen können. Das würde ich mir von Ihnen wünschen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Ihr jüngeren CDU-Abgeordneten könntet euch ein bisschen mehr bewegen! – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Da haben Sie einen blinden Fleck! – Zurufe von der CDU/CSU)


7126 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607107500

Ich erteile das Wort Kollegin Christel Riemann-

Hanewinckel, SPD-Fraktion.


Christel Hanewinckel (SPD):
Rede ID: ID1607107600

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Ich bitte jetzt um Aufmerksamkeit für das, was ich
Ihnen sagen möchte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich möchte Sie bitten, mit mir einen Blick auf die
Gruppen weltweit zu werfen, die in einer ganz besonde-
ren Art und Weise von HIV/Aids betroffen sind. Wir ha-
ben viel gehört über das Ausmaß und die Auswirkungen
der Aids-Pandemie. Ich möchte vor allen Dingen Ihren
Blick auf die Kinder und die Jugendlichen lenken. Sie
wissen, dass vor allen Dingen junge Menschen auf die
unterschiedlichste Art und Weise von Aids bedroht sind.
Junge Menschen, die Mutter oder Vater werden wollen
und die für die Kindererziehung einstehen wollen, sind
für die soziale Sicherung und das wirtschaftliche Leben
in ihrem Land und in ihrer Gesellschaft unentbehrlich.

Wir haben schon gehört, dass die Frauen überdurch-
schnittlich stark betroffen sind – und das nicht nur in
Afrika, sondern auch in Osteuropa und in Zentralasien.
Immer wieder sind sehr junge Frauen und sogar Mäd-
chen entweder durch bestimmte Sexpraktiken oder auch
dadurch, dass ihnen Gewalt angetan wird, massiv von
Aids betroffen.

Wir verfügen inzwischen über ziemlich genaue Zah-
len; sie sind dramatisch. Es gibt inzwischen weltweit
14 Millionen verwaiste Kinder, deren Vater oder Mutter
– oder beide Elternteile – an Aids gestorben sind. Diese
Zahl übersteigt die Zahl der Kinder und Jugendlichen in
Deutschland um 2 Millionen. Was das bedeutet, kennen
wir aus verschiedenen Sendungen im Fernsehen und Be-
richten in Zeitungen.

Ich finde es in der heutigen Debatte besonders wich-
tig, auf die Gruppe aufmerksam zu machen, die zum Teil
noch nicht aidsinfiziert ist, und zu sehen, was das für un-
sere Arbeit bedeutet. Denn auf Kinder und Jugendliche
kommt nicht nur eine mögliche Aids/HIV-Infizierung
zu. Sie werden vielmehr doppelt und dreifach eingeengt.
Armut, Hunger, Gewalt, Stigmatisierung und Aids be-
günstigen sich in diesen Ländern immer gegenseitig.

Kinder und Jugendliche, denen die Eltern, Verwandte,
Lehrerinnen und Lehrer sowie Ärztinnen und Ärzte und
andere Personen im medizinischen Bereich einfach weg-
sterben, verlieren jegliche Zukunft und jede Lebens-
perspektive. Sie werden ausgegrenzt; sie können oft
nicht zur Schule gehen. Sie müssen Verantwortung über-
nehmen, der sie oft überhaupt noch nicht gewachsen
sind, indem sie ihre Geschwister großziehen. Ihnen droht
Kinderarbeit, weiterhin sexuelle Ausbeutung und dann
auch immer wieder die HIV-Infektion.

Wenn wir Politikerinnen und Politiker heute in
Deutschland über dieses Thema reden, dann ist es mir
besonders wichtig, dass wir diese Kinder, obwohl sie

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(C (D chutz und Begleitung brauchen, nicht nur als hilflose pfer ansehen. Wir müssen sie langfristig und umfas end unterstützen, damit sie sich selbst helfen und ihre igene Lebenssituation verändern können. Dazu gehören ben nicht nur Prävention und Aufklärung in Deutschand, sondern vor allen Dingen in den Ländern, wo es chon Millionen verwaiste Kinder gibt. Bildung, Aufkläung und Prävention sind aus meiner Sicht für diese ruppe die wichtigsten Wege, die eingeschlagen werden üssen, um überhaupt eine Chance zu haben, aus dieser rise herauszukommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei allen Maßnahmen, die wir ergreifen, und bei allen
erpflichtungen, die wir international eingehen und ein-
egangen sind, muss dieser Zusammenhang aus meiner
icht immer wieder im Mittelpunkt stehen. Schätzungen
ufolge wird die Zahl der Aidswaisen bis zum Jahre
025 auf rund 25 Millionen ansteigen. Wenn wir es so
eit kommen lassen, dann haben wir kaum noch Chan-

en, wirklich etwas zu tun. Deshalb ist es jetzt an der
eit und notwendig, mit entsprechenden Projekten, Pro-
rammen und Überlegungen einzusteigen.

Das heißt im Moment, dass wir Verwandte und Fami-
ien, vor allem aber auch die Großmütter, die Aidswai-
en aufgenommen haben bzw. für sie sorgen, stärken
üssen. Wir müssen für einen universellen Zugang zu
flege, Behandlung und Medikamenten sorgen, um die
ebenserwartung erkrankter Eltern zu verlängern. Wir
üssen vor allen Dingen auch darauf drängen, dass,
enn es um infizierte Kinder geht, endlich kindgerechte
idsmedikamente entwickelt bzw. die Medikamente, die
ir jetzt haben, entsprechend weiterentwickelt werden.
ie Kinder, die für andere Kinder sorgen müssen – das

st der wichtigste Punkt –, haben in der Regel kein Geld
ur Verfügung. Deshalb müssen diese Medikamente für
inder zu angemessenen Preisen abgegeben werden. Da

ind dann wirklich alle gefragt.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jungen und Mädchen muss der Schulbesuch ermög-
icht werden und es muss altersgerecht über HIV/Aids
ufgeklärt werden. Bis heute haben zwei Drittel aller Ju-
endlichen in den so genannten Entwicklungsländern
ein Wissen darüber, wie sie sich vor Aids schützen kön-
en.


(Markus Löning [FDP]: Das ist ein Skandal!)


ädchen und Frauen muss ihr Recht auf sexuelle
elbstbestimmung vermittelt werden; das haben die
ollegin Pfeiffer und andere sehr deutlich ausgeführt.
ie brauchen politische Teilhabe, um mitentscheiden zu
önnen, wie es in der Prävention und der Begleitung de-
er, die betroffen sind, weitergehen kann.


(Beifall bei der SPD)


owohl Männer als auch Frauen brauchen Zugang zu
erhütungsmitteln, zu Diensten der Familienplanung
nd der Schwangerschaftsvorsorge sowie zu Präventions-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7127


(A) )



(B) )


Christel Riemann-Hanewinckel
maßnahmen zur Verhinderung von Mutter-Kind-Über-
tragungen.

Die Regierungen der betroffenen Länder brauchen
Unterstützung, um ihre Verantwortung im Kampf gegen
Aids wahrnehmen zu können. Wir haben aber schon
weltweite Vereinbarungen, die vor allem Kinder und Ju-
gendliche schützen sollen. Ich erinnere an die UN-Kin-
derrechtskonvention, die auch Deutschland unterzeich-
net hat. Diese Konvention schreibt fest, dass Kinder
Rechte haben und nicht bloß Adressaten von Hilfeleis-
tungen sind.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Undine Kurth [Quedlinburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Mehr als die Hälfte der 40 in dieser Konvention for-
mulierten Kinderrechte werden durch die Auswirkungen
der Epidemie mit Millionen von Aidswaisen ganz unmit-
telbar verletzt. Wenn wir uns auf diese Rechte beziehen
und international entsprechend handeln, dann setzen wir
nicht nur die UN-Kinderrechtskonvention um, sondern
lassen den betroffenen Kindern und Jugendlichen welt-
weit das zukommen, was ihnen zusteht: nicht nur Kin-
derrechte, sondern vor allem das Recht auf Leben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607107700

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/3610, 16/3615, 16/3097 und 16/3616
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse
vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist
der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Tagesordnungspunkt 27 e: Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung auf Drucksache 16/2364
zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Den
Südsudan beim Wiederaufbau unterstützen und vor
AIDS bewahren“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag
auf Drucksache 16/586 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der
Linksfraktion und der Grünen gegen die Stimmen der
FDP angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a und b sowie
Zusatzpunkt 4 auf:

28 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder
Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN

Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsi-
dentschaft – Ratspräsidentschaft für eine
zukunftsfähige EU nutzen

– Drucksache 16/3327 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit b)

Königshaus, Dr. Karl Addicks, Jens Ackermann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007 zur
Reform der Entwicklungszusammenarbeit der
Europäischen Union nutzen

– Drucksache 16/2833 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

P 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Jörg van Essen,
Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der FDP

Justizpolitische Agenda für die deutsche EU-
Ratspräsidentschaft 2007

– Drucksache 16/3622 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
rhalten soll. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so
eschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
ainder Steenblock, Fraktion des Bündnisses 90/Die
rünen, das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Die Bundesregierung hat gestern Mittag
hr Programm für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft
eröffentlicht. Die vorliegenden Anträge bieten eine
ute Gelegenheit, darüber zu diskutieren.

Die bündnisgrüne Fraktion hat diesem Haus einen
ehr umfassenden Antrag zur Beratung vorgelegt, der
ie Anforderungen enthält, die nach unserer Auffassung
rfüllt sein müssen, um die EU-Ratspräsidentschaft er-
olgreich gestalten zu können. Es ist ein bisschen traurig,
ass der Zeitplan, den die Regierung gesetzt hat, dazu
ührt, dass wir in diesem Hause, im deutschen Parla-
ent, in den Ausschüssen und im Plenum, im Grunde

icht genug Zeit haben, um die EU-Ratspräsidentschaft
uch von der Seite des Parlaments her vorzubereiten.
as bedauern wir sehr. Wir finden das gerade vor dem
intergrund der Vereinbarung zwischen Bundestag und
undesregierung kontraproduktiv, in der man sich da-

7128 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Rainder Steenblock
rauf verständigt hat, dass man während der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft die Frage klären will, wie man
in Europa zu einer besseren Kooperation kommen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Lassen Sie mich zu den Inhalten kommen – es sind
vier Punkte –, die für uns wichtig sind:

Der erste, historisch vielleicht wichtigste Punkt ist,
dass die Bundesregierung während ihrer Präsidentschaft
einen Ausweg aus der Verfassungskrise weisen muss.
Wir stehen vor dieser Verantwortung. Es zeichnet sich
ab, dass die Bundesregierung den Weg der Geheimdiplo-
matie beschreitet und der Öffentlichkeit und dem Parla-
ment keine Auseinandersetzung über die Verfassung und
über die Möglichkeiten, wie wir aus dieser Krise heraus-
kommen können, anbieten will. Ich will hier sehr deut-
lich sagen, dass ich das für falsch halte.

Europa braucht mehr Öffentlichkeit und mehr Trans-
parenz. Wenn wir die Bürgerinnen und Bürger mitneh-
men wollen, müssen wir mit ihnen diskutieren und nicht
hinter verschlossenen Türen Lösungen erarbeiten, von
denen wir glauben, dass sie gut sind. Wenn wir die Kom-
munikation mit den Bürgern nicht schaffen, dann wird
dieser Weg – genau wie Nizza – scheitern. Deshalb ap-
pellieren wir an die Bundesregierung, sich zu öffnen und
eine öffentliche und transparente Debatte über die euro-
päische Verfassung in diesem Lande zu führen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der zweite für uns zentrale Punkt ist, dass Europa vor
dem Hintergrund des Klimawandels – er ist unbestritten
und wir erhalten jeden Tag dramatische neue Meldungen
dazu – dringend eine nachhaltige Energie- und Klima-
politik braucht. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ist
gefordert, hier voranzugehen. Wir stellen fest, dass in
dem Programm zur EU-Ratspräsidentschaft wichtige
Punkte angesprochen sind. Aber es reicht nicht aus, zu
den notwendigen, zentralen Punkten zu sagen, dass sie
wichtig sind. Wenn man fragt, wie es umgesetzt werden
soll, erhält man die Antwort: Das ist wichtig. Wir brau-
chen konkrete und ambitionierte, aber auch verbindliche
Ziele hinsichtlich der erneuerbaren Energien. Wir brau-
chen innerhalb der EU, wenn sie Vorreiter für den Kli-
maschutz sein soll – das unterstützen wir alle –, die Ver-
pflichtung, bis 2020 30 Prozent der Treibhausgase
einzusparen. Solche zentralen Ziele sind wichtig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist doch absurd, dass der Luftverkehr, der Klima-
schädling Nummer eins unter den Verkehrsmitteln, im-
mer noch steuerlich hoch subventioniert wird. Wir brau-
chen die Einbeziehung des Luftverkehrs in Kioto II, in
den Emissionshandel. Auch das ist ein wichtiges ener-
giepolitisches Ziel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen Wettbewerb. Wir alle im deutschen
Parlament reden immer von Wettbewerb. Wenn wir uns
die Energiemärkte ansehen, erkennen wir, dass wir im

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(C (D nergiebereich keinen Wettbewerb haben. Wer diesen nergiewettbewerb – auch im Interesse der Verbrauche innen und Verbraucher – will, der muss die Marktmacht er Monopole begrenzen. Das ist die zentrale Herausforerung in der Wettbewerbspolitik. Abschließend zum Thema Energie: In diesem Jahr betehen nicht nur die Römischen Verträge seit 50 Jahren, ondern auch Euratom. Dieser 50. Geburtstag wäre eine innvolle Möglichkeit, den Euratom-Vertrag endlich zu eerdigen und ihn feierlich aufzulösen. ie Privilegierung von Atomenergie im Rahmen von uratom – es ist für Länder, die sich von der Atomenerie verabschiedet haben, zwingend, über ihre Beiträge m Rahmen der EU immer noch den Ausbau der Atomnergie zu finanzieren – ist absurd. Wir wollen das beenen. Das ist für die deutsche Bundesregierung sicherlich in wichtiger Punkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Wir brauchen eine parlamentarische Begleitung dafür!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, das machen wir gerne.

Der dritte Punkt ist die Außen- und Sicherheitspoli-
ik. Nach den jüngsten Waffenstillstandsabkommen und
ereinbarungen ist es gerade für Nahost wichtig, dass
ie deutsche Bundesregierung ihre Verantwortung und
ie historischen Chancen nutzt, um die Roadmap neu zu
eleben. Deshalb glauben wir, dass der Bereich Nahost
ine der großen Herausforderungen ist.

Die zweite ist sicherlich die Ostpolitik. Hier brauchen
ir eine kohärente Politik. Wir brauchen eine Zentral-

sienstrategie und auch Verhandlungen mit Russland.
ußerdem brauchen wir die Schwarzmeerkooperation.
ie Länder von der Ukraine über den südlichen Kauka-

us bis Aserbaidschan müssen in das Konzept der drei
äume der neuen Ostpolitik integriert werden. Wir sa-
en auch: Es geht nicht nur um wirtschaftliche Interes-
en. Wenn man über diese Regionen spricht und mit ih-
en Nachbarschaftsassoziationsabkommen abschließen
ill, dann stehen für uns Fragen zu Demokratie und
enschenrechten genauso im Vordergrund wie die wirt-

chaftliche Kooperation.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der vierte Punkt. Wir brauchen angesichts des Flücht-
ingsdramas an den Südgrenzen der EU eine verantwor-
ungsvolle europäische Migrations- und Asylpolitik.
ass im Atlantik und im Mittelmeer Hunderte von Men-

chen beim Versuch, nach Europa zu kommen, ertrinken,
ann nicht hingenommen werden. Wir brauchen kon-
rete Lösungen für dieses Problem. Dafür muss die Bun-
esregierung Verantwortung übernehmen.

Wir unterstützen die Bundesregierung sehr, wenn es
arum geht, konkrete Ziele für die weitere Integration
uropas zu erreichen. Aber wir brauchen die Bundes-

egierung nicht – so stellt es sich hier dar – als zögerli-
hen Moderator eines Integrationsprozesses, sondern wir

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7129


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Rainder Steenblock
brauchen eine kraftvolle Präsidentschaft mit konkreten
Zielen. Die Bürgerinnen und Bürger in Europa wollen,
dass man ihnen diesen Weg weist. Sie wollen an dieser
Diskussion beteiligt werden.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607107800

Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit deutlich über-

zogen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist typisch für die Grünen! Die überziehen immer!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zu meinem letzten Satz. – Ich glaube, un-
sere einzige Chance, die Menschen zurückzugewinnen,
besteht darin, konkrete Wege aufzeigen und keine allge-
meinen Wolkenkuckucksheime zu beschreiben.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607107900

Ich erteile das Wort Kollegen Steffen Reiche, SPD-

Fraktion.


Steffen Reiche (SPD):
Rede ID: ID1607108000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Selten ist eine EU-Ratspräsidentschaft so gut vorbereitet
worden


(Lachen bei der LINKEN)


und selten gab es zugleich so hohe Erwartungen. Das
zeigt zweierlei: das Vertrauen in Deutschland und die
Tiefe der Krise der Europäischen Union. Die Europäi-
sche Union ist nicht so weit, wie sie sein könnte und sein
müsste, um die Interessen der Europäer zu vertreten, ih-
ren Wohlstand zu gewährleisten und ihn für die Zukunft
zu sichern. Gäbe es auf europäischer Ebene und weltweit
weniger Probleme, dann könnten wir uns gewiss weni-
ger Europa leisten. Da die Herausforderungen aber sehr
groß sind, brauchen wir mehr Europa, als wir zurzeit ha-
ben.

Ich bin dankbar dafür und habe großen Respekt da-
vor, dass die deutsche Regierung schon jetzt klar sagt,
dass sie die Verfassung befürwortet, und dass sie Vor-
schläge erarbeitet hat, wie sie auf den Weg gebracht wer-
den kann.


(Beifall bei der SPD)


Lieber Kollege Steenblock, Sie wissen doch: Wenn man
diese Vorschläge jetzt an die Öffentlichkeit bringen
würde, dann würden sie zerredet. Es geht darum, sie mit
den Regierungen der anderen Länder abzustimmen, da-
mit sie dieser Roadmap im nächsten Halbjahr zustimmen
und sie mittragen.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht aber auch darum, sie mit den Menschen abzustimmen!)


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(C (D Manch einer denkt, die Regierung gehe hier ein groes Risiko ein. Das stimmt. Aber das Risiko, das damit erbunden wäre, wenn die Verfassung nicht ratifiziert ürde, ist für Europa noch größer und folgenreicher. Die undesregierung hat auf diesem Weg die Unterstützung einer Fraktion und, wie ich denke, auch die Unterstüt ung aller anderen Fraktionen, die die Krise Europas relistisch einschätzen. All das, was die PDS fordert – vieles davon durchaus u Recht –, ist nur mit der Verfassung möglich. Wir wisen das. Es ist mir ein Rätsel, wie man das nicht begreien kann. Vielleicht ist es Zynismus: Es mag ja sein, dass ie dieses Instrument deshalb nicht haben wollen, damit ie weiterhin über das klagen können, was Sie ohne diees Instrument nicht bekommen können. Ein weiteres zentrales Thema der deutschen EU-Ratsräsidentschaft wird die Energiefrage sein. Hier wünche ich mir eine größere Bereitschaft von Regierung nd Parlament, Schritte in Richtung Binnenmarkt zu geen. Die Entwicklung zur Europäischen Union begann it der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, er Montanunion. Die Kohle ist der Hauptenergieträger. ls Steinkohle reicht sie für 171 Jahre, als Braunkohle ür 234 Jahre. Wir brauchen einen Energiebinnenmarkt und nicht 7 Teilmärkte. Die Entscheidung über den Energiemix das ist ganz klar – verbleibt bei den Nationen. Das hat uch der Präsident der Europäischen Kommission, Herr arroso, in der gestrigen Ausschusssitzung deutlich geacht. Von der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sollte as klare Signal ausgehen: Deutschland ist bereit, im nergiebereich Schritte in Richtung Integration zu mahen und Kompetenzen an die Europäische Union abzueben. Die Ergebnisse des Berichts von Sir Nicholas Stern, er über das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, lso auch mit europäischen bzw. deutschen Mitteln, abesichert worden ist, sollten uns in diesen Fragen zur ernunft bringen. Wir brauchen einen gemeinsamen nergiebinnenmarkt. Wer Europa gestalten will, muss wacher sein und tieer träumen als andere. Deutschland ist von Freunden mzingelt. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das klingt ja wie eine Drohung!)


(Beifall bei der SPD)


eider ist das Projekt der Europäischen Verteidigungs-
nion im Jahre 1954 gescheitert. Im Rahmen der EU-
atspräsidentschaft haben wir jetzt, wie ich denke, die
eit und die Möglichkeit, das Angebot zu machen,
chritte in Richtung größerer militärischer Integration
u gehen, mit dem Ziel, die einzelnen nationalen Ar-
een durch eine europäische Armee zu ersetzen, über

eren Einsatz natürlich das Europäische Parlament zu
ntscheiden hätte.


(Markus Löning [FDP]: Und was wäre dann mit unserem Parlamentsvorbehalt?)


7130 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Steffen Reiche (Cottbus)

Aufgrund der neuen Struktur würde sich dann auch die
Diskussion über die Wehrpflicht, die, wie ich finde, von
vielen falsch angegangen wird, erübrigen.

Wenn man das Memorandum des belgischen Minis-
terpräsidenten Guy Verhofstadt liest, stellt man fest, dass
dieser Vorschlag schon von verschiedenen Regierungen
gemacht worden ist. Einer seiner sechs Vorschläge zielt
ganz zentral auf dieses Thema.

Es hat lange gedauert, bis in Europa eine gemeinsame
Währung eingeführt wurde. Die Währungsfrage gehört
nun wirklich zum Kernbestand der Rechte der Nationen.
Es dauerte von Willy Brandts Vorschlag im Jahre 1970
bis zum Jahr 2002. Erst dann wurde der Euro eingeführt.
Wir könnten auf einem solchen Weg viel Geld sparen
oder mit dem gleichen Geld mehr Sicherheit für uns und
andere erlangen. Deshalb sollte auch über diese Frage
während unserer EU-Ratspräsidentschaft geredet wer-
den.

Europa ist auch, ja vor allem Kultur. Das ist die Seele
Europas. Doch diese Seele muss auch leben. Die Begeis-
terung für Europa ist außerhalb Europas oft größer als
bei uns. Deshalb brauchen wir eine bessere Präsentation
Europas auf den anderen Erdteilen. Diese sollte nicht
durch nationale Kulturinstitute, sondern durch europäi-
sche Erasmus-Institute, die die Kulturen Europas in der
Welt präsentieren, erfolgen.

Unsere Verantwortung in der und für die Welt können
wir als weltweit größter Entwicklungshilfegeber besser
wahrnehmen, wenn wir die Erfahrungen Europas aus
zwei Weltkriegen und einem Marshallplan zur Entwick-
lung umsetzen, also tun, was Radermacher mit seiner
„Global Marshall Plan Initiative“ seit Jahren vorschlägt:
Schritte zu mehr Integration gehen. Vielleicht gibt es
auch in dieser Richtung Anregungen vonseiten der deut-
schen EU-Ratspräsidentschaft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich hoffe und wünsche – und glaube auch –, lieber
Herr Steenblock, dass wir eine starke, kraftvolle deut-
sche EU-Ratspräsidentschaft und im Ausschuss eine
gute Begleitung haben werden.

Ich wünsche uns jetzt einen frohen ersten Advent!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607108100

Ich erteile das Wort Kollegen Hellmut Königshaus,

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1607108200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich

möchte für die FDP-Fraktion der Bundesregierung und
der Bundeskanzlerin eine glückliche Hand bei der EU-
Ratspräsidentschaft wünschen.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/ CSU und der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Das ist nett!)


enn große Aufgaben stehen ihr bevor und es gibt große
rwartungen. Herr Reiche, Sie haben angekündigt, dass

rgendwann noch Vorschläge kommen werden. Das ist
icht ganz so schön. Wir hoffen, dass wir mit unseren
andreichungen, mit unseren Anträgen ein bisschen be-
ilflich sind. Unser Vorgehen ist schon etwas konkreter
ls das, was Sie hier angekündigt haben und was wir von
er Bundesregierung bisher gehört haben.


(Beifall bei der FDP)


Der Antrag der Grünen ist leider keine Hilfe. Allein
hn zu lesen, dauert schon relativ lang. Herr Steenblock
at ihn euphemistisch als „sehr umfassend“ bezeichnet.
eshalb bin ich sehr froh, dass ihm von vornherein eine
inute mehr Redezeit zuerkannt wurde, als ihm eigent-

ich zustand, damit er ihn erklären konnte. Jetzt haben
ir wenigstens etwas zu einigen Schwerpunkten gehört.
nsonsten war es nur ein Griff in den Wühltisch von Be-

indlichkeiten.


(Heiterkeit des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Die Anträge der FDP zeigen konkrete Problem- und
andlungsfelder auf. Ich denke, das wird hier hilfreich

ein. Das gilt speziell für die justizpolitische Agenda.
ie Kriminalitätsbekämpfung kann in Zukunft nicht
ie bisher nationalstaatlich angegangen werden. Wir ha-
en durch den Wegfall der Grenzen eine Bewegungsfrei-
eit der Kriminellen. Dieser haben wir noch nicht in
ngemessenem Umfang eine Bewegungsfreiheit der Kri-
inalitätsbekämpfung entgegengesetzt. Europäischer
aftbefehl und Europäische Staatsanwaltschaft sind die
tichworte. Wir müssen dabei darauf achten, dass wir
uch die Rechte der Beschuldigten auf dem gebotenen,
ewohnt hohen Niveau gewährleisten. Wir müssen ferner
icherstellen – leider ist das nicht selbstverständlich –,
ass auch im Zeichen des internationalen Terrorismus
ie Strafverfolgung im europäischen Rahmen Aufgabe
er Justiz und der von ihr kontrollierten Polizei bleibt
nd nicht zur Aufgabe der Geheimdienste und anderer
rganisationen wird.


(Beifall bei der FDP)


Ein zweiter wichtiger und drängender Punkt bleibt die
eform der europäischen Entwicklungspolitik. Hier
aben wir die größte Chance, etwas zu verändern, und
ier besteht auch großer Bedarf; darüber haben wir oft
esprochen. Die Entwicklungspolitik braucht eine kla-
ere Zielbestimmung, als wir sie heute haben. Die euro-
äische Entwicklungszusammenarbeit muss ihre Rolle
nnerhalb der verschiedenen bilateralen Aktivitäten der

itgliedstaaten finden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Der Europäischen Union steht für die Entwicklungs-
usammenarbeit der unbegreifliche Betrag in Höhe von
2 Milliarden Euro zur Verfügung, eine Summe, die man
ich kaum vorstellen kann. Nach unserem Eindruck – ich
laube, man kann das auch belegen – wird dieser Betrag
orrangig nach bisherigem Muster verteilt, nach Ge-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7131


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Hellmut Königshaus
sichtspunkten der Besitzstandswahrung und konflikt-
scheu gegenüber denen, die davon traditionell profitie-
ren. Das muss aufhören. Ich glaube, durch die
Präsidentschaft haben wir die Möglichkeit, entspre-
chende Weichenstellungen vorzunehmen.


(Beifall bei der FDP)


Ich will einige Beispiele nennen: Der Europäische
Entwicklungsfonds, über den wir schon mehrfach ge-
sprochen haben, muss in den EU-Haushalt integriert und
damit der parlamentarischen Kontrolle des Europäi-
schen Parlaments unterstellt werden.


(Beifall bei der FDP)


Trotz verschiedener Gegenargumente – teilweise Schein-
argumente – wie unterschiedliche Beitragsbemessungen
und Ähnliches müssen wir die parlamentarische Kon-
trolle sicherstellen; denn es ist das Geld des Steuerzah-
lers.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Allein dafür zahlen wir in Zukunft über 700 Millio-
nen Euro pro Jahr. Wie gesagt: Über die Vergabe wird
nicht im Europäischen Parlament, sondern in Gremien
entschieden, wo wir kaum wirkliche Kontroll- und Ein-
flussmöglichkeiten haben. Wir haben festgestellt, dass
das BMZ wechselnde Vertreter aus seinem Fachreferat
– also aus einer unteren Fachebene – in diese Entschei-
dungsgremien entsendet. Das reicht bei einem solchen
Betrag nicht. Mitwirkung und Kontrolle müssen wieder
die Rolle spielen, die sie immer dann spielen müssen,
wenn mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen wird.

Es ist somit auch kein Wunder, dass auf diesem Weg
auch Entwicklungsmaßnahmen in den überseeischen
Ländern und Gebieten, also die territorialen Besitztümer
der EU-Mitgliedstaaten, mitfinanziert werden. EU-Kom-
missar Louis Michel, der kürzlich im AwZ-Ausschuss
darüber gesprochen hat, hat dies völlig zu Recht verur-
teilt. Er sagte aber: Solange das politisch so beschlossen
ist, kann das nicht geändert werden. – Wir müssen poli-
tisch beschließen, dass wir das ändern.


(Beifall bei der FDP)


Wir haben in diesem Bereich auch kein Problembe-
wusstsein, weil alles unter das Primat der ODA-Quote
gestellt wird. Nach meinem Eindruck ist es im Wesentli-
chen egal, was mit abfließendem Geld wirklich ge-
schieht, solange das ODA-anrechnungsfähig ist. Das
kann aber nicht der Sinn sein. So kann man mit dem
Geld des Steuerzahlers nicht umgehen.


(Beifall bei der FDP)


Das Problembewusstsein, das hier besteht, konnten
wir kürzlich erkennen, als ein leitender Mitarbeiter aus
dem BMZ sagte: Was regen Sie sich eigentlich darüber
auf? Es geht hier doch schließlich nur um 300 Millionen
Euro für diese überseeischen Gebiete. – Diese Grundhal-
tung müssen wir brechen und beseitigen. So geht das
nicht.


(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Wer hat das gesagt?)


– Das sage ich nachher.

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(C (D Den übermächtigen Drang der EU-Kommission zur udgethilfe müssen wir bändigen; denn der Anteil der udgethilfe – das wurde bereits angekündigt – soll in ukunft steigen. Die Ministerin ist gerade leider nicht a. Welche katastrophalen Dinge mit der Budgethilfe beirkt werden, haben wir vorhin am Beispiel Südafrika esehen. Die Ministerin hat sich darüber aufgeregt, dass ein Kollege Addicks sagte, die Aidsstiftung von r. Rath, die verheerende Wirkungen hat, werde mit MZ-Mitteln unterstützt. Das ist aber völlig richtig. Das anze wird nämlich über die Budgethilfe via südafrikaische Regierung finanziert. Das müssen wir beenden. Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat u wenig getan, um all dies zu korrigieren. Die EU-Ratsräsidentschaft bietet jetzt Gelegenheit, das zu beenden nd mit einer straffen Führung in die Zukunft zu gehen. Herr Präsident, erlauben Sie mir noch, den Grünen ute Beratungen in Köln zu wünschen, damit sie in Zuunft hier eine bessere Politik machen. Wünschen dürfen Sie. Ihnen, Herr Präsident, und uns allen wünsche ich ei en besinnlichen ersten Advent. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort Kollegen Gunther Krichbaum, DU/CSU-Fraktion. Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin en und Kollegen! Wenn man den Antrag der Fraktion es Bündnisses 90/Die Grünen in die Hand nimmt, dann erkt man, dass es mit strammen Schritten auf Weih achten zugeht. Darin wurden nämlich 92 Punkte aufgeistet. Dies zeigt, dass die Erwartungshaltung bezüglich er deutschen Ratspräsidentschaft sicherlich sehr groß st. (Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Intensive Auseinandersetzung mit dem Thema!)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607108300
Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1607108400
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607108500
Hellmut Königshaus (FDP):
Rede ID: ID1607108600

(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607108700

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gunther Krichbaum (CDU):
Rede ID: ID1607108800

ier ist jedoch Realismus gefordert; denn die Ratspräsi-
entschaft dauert keine sechs Jahre, sondern lediglich
echs Monate.

In enger Abstimmung mit den nachpräsidierenden
ändern Portugal und Slowenien hat die Bundesregie-

7132 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Gunther Krichbaum
rung hier die Schwerpunkte definiert und benannt. Ich
denke, wir sollten an dieser Stelle der finnischen Rats-
präsidentschaft Dank aussprechen, die sehr engagiert
gearbeitet hat und insbesondere im Bereich der Nachbar-
schaftspolitik und in der Politik für die nördliche Dimen-
sion eigene Akzente setzen konnte. Wir werden am
1. Januar den Staffelstab übernehmen.

Lassen Sie mich einige Aspekte der deutschen Rats-
präsidentschaft näher beleuchten. Ich halte es für eines
der wichtigsten Ziele, dass wir die europäische Verfas-
sung voranbringen. Sie muss gefördert werden; denn sie
ist letztlich die Gebrauchsanweisung für Europa, die wir
dringend benötigen.

Die alten Strukturen des Europa der Zwölf bieten uns
keine Antworten für ein Europa der 27 bzw. – wenn es
zu einem Beitritt Kroatiens und anderer Staaten kommt –
der 28 oder mehr. Deswegen brauchen wir eine vernünf-
tige Handlungsgrundlage. Notwendig sind die Neuord-
nung der Institutionen und vor allem klare Kompetenz-
abgrenzungen. Wie das Ganze letztlich genannt wird
– ob Vertrag, Verfassung oder Gesetz –, ist zweitrangig.
Es geht vor allem darum, dass wir einen entscheidenden
Schritt nach vorne kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich kann Ihnen in keiner Weise beipflichten, Herr
Kollege Steenblock, wenn Sie sagen, es finde keine
öffentliche Auseinandersetzung über die europäische
Verfassung statt.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die findet nicht statt! Die Bundesregierung hält sich völlig raus!)


Wir bekommen als Abgeordnete zu keinem anderen
Thema mehr Informationen und Positionspapiere von
Verbänden, Bürgern und anderen zugeschickt. Es läuft
doch bereits eine rege öffentliche Diskussion.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An der Regierung vorbei!)


Wer hier so auf die Bundesregierung schaut, der muss
– damit hat der Kollege Steffen Reiche völlig Recht –
auch berücksichtigen, dass wir letztlich alle mit ins Boot
bekommen müssen. Es reicht nun einmal nicht, wenn
nur 18 Mitgliedstaaten den Vertrag ratifiziert haben – ei-
nige von ihnen durch Volksabstimmung –; letztlich müs-
sen alle dem Vertrag zustimmen. Eventuell müssen noch
hier und da Kompromisse gefunden werden, aber mit der
europäischen Verfassung – ich denke, darin sind sich zu-
mindest die großen Parteien einig – ist im Grunde schon
ein Kompromiss gefunden worden.

Wir brauchen Akzente für die Wirtschaft und die so-
ziale, aber auch ökologische Zukunft. Auch das wurde
völlig zu Recht festgestellt. Ein Schlagwort ist allerdings
wieder etwas in den Hintergrund getreten, und zwar die
Lissabonstrategie. Hier müssen im Rahmen der EU-
Ratspräsidentschaft wichtige Akzente gesetzt werden. In
diesem Zusammenhang besteht Handlungsbedarf.

Die Ziele sind ehrgeizig; es gibt kein Wenn und Aber.
Ich denke, wir müssen mit Maßnahmen zugunsten einer

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(C (D esseren Rechtsetzung, der Förderung von Forschung nd Innovation und der Weiterentwicklung des europäichen Sozialmodells die notwendigen Rahmenbedingunen schaffen. Selbstverständlich muss das auch von ntsprechenden Maßnahmen zum Umweltund Klimachutz begleitet werden. Was die Fortschritte hinsichtlich der Europäischen nion als Raum der Freiheit, Sicherheit und des echts angeht, hat die Bundesregierung ihre Schwerunkte benannt. Wir haben bereits heute Morgen eine, ie ich meine, gute Debatte zu diesem Thema geführt. ir müssen bei unserem Ziel, innerhalb der Europäi chen Union offene Grenzen zu schaffen, auch mehr Siherheit anstreben. (Beifall des Abg. Thomas Silberhorn [CDU/ CSU])


as erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns. Des-
egen muss die polizeiliche Zusammenarbeit verstärkt
nd illegaler Migration wirksam begegnet werden. Zu-
em muss die Rechtssicherheit der Bürgerinnen und
ürger weiter verbessert werden.

Lassen Sie mich abschließend auf einen zentralen
unkt zu sprechen kommen, und zwar die Außen- und
icherheitspolitik. Auch hierbei geht es um verschie-
ene Aspekte. Bei der Entwicklung auf dem westlichen
alkan ist es leider zu Stillständen gekommen. Ich
enke zum Beispiel an den Stillstand beim Reformpro-
ess in Bosnien-Herzegowina. Hier brauchen wir drin-
end neue Impulse. Diese Länder brauchen unsere Un-
erstützung. Sie werden es nicht alleine schaffen. Die
ooperation Serbiens mit dem Internationalen Strafge-

ichtshof muss weiterhin angemahnt werden, damit wir
uch hier im Rahmen der Stabilisierungs- und Assoziie-
ungsabkommen weiterkommen.

Das neue Partnerschafts- und Kooperationsabkom-
en mit Russland wurde schon angesprochen. Auch in

iesem Zusammenhang stehen bekanntlich zurzeit sehr
chwierige Verhandlungen an. Allerdings – ich denke,
ass wir hier mit einer Stimme sprechen können – ist es
rforderlich, dass wir Solidarität mit Polen üben und im
tillen auf Polen einwirken und uns um Kompromisse
emühen. Aber wir dürfen auch nicht zulassen, dass
ussland die Europäische Union mit verschiedenen bila-

eralen Abkommen diversifiziert. Wir wollen keine Auf-
plitterung. Die Europäische Union muss im eigenen In-
eresse mit einer Stimme sprechen.


(Zuruf des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Herr Kollege Tauss, ich widerspreche an dieser Stelle
icht. Wie ich bereits sagte, müssen wir auch auf unsere
olnischen Freunde und Partner einwirken; denn letzt-
ich muss man sich fragen, welcher Grund eine Verschie-
ung des gesamten Prozesses rechtfertigt. Hier bin ich
it Ihnen sicherlich völlig einer Meinung.

Wir brauchen eine Neuausrichtung der europäischen
achbarschaftspolitik. Ich denke hier insbesondere an
nsere östlichen Nachbarländer. Die Grenzen werden
ich nach dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien ver-
ndern. Damit meine ich auch Länder, die manchmal ge-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7133


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Gunther Krichbaum
wissermaßen im Schatten der öffentlichen Diskussion
stehen, wie die Republik Moldau. Solche kleineren Län-
der brauchen unsere Unterstützung und Solidarität.

Am 1. Januar 2007 wird die EU um Bulgarien und
Rumänien erweitert. Diese weitere Erweiterungsrunde
ist – ich darf wohl sagen, dass wir uns darüber freuen –
sicherlich erforderlich. Aber wir müssen darauf achten,
dass die Standards eingehalten werden. Wir haben be-
reits in der letzten europapolitischen Debatte gefordert,
dass die Schutzklauseln in den Bereichen konsequent
greifen, in denen die Voraussetzungen nicht erfüllt wer-
den; das erwarten wir.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Schutzklauseln müssen mit dem 1. Januar 2007 wir-
ken; denn es gibt noch immer bestimmte Defizite im
Justizbereich der Beitrittsländer. Man muss sich fragen,
was tatsächlich passieren muss, damit die Schutzklau-
seln greifen. Wir dürfen vor diesem Hintergrund nicht
zulassen, dass deutsche Staatsbürger – wenn auch nur
theoretisch für eine juristische Sekunde – nach Bulgarien
ausgeliefert werden. Hier müssen wir um der Glaubwür-
digkeit der Europäischen Union willen konsequenter
auftreten. Ich glaube, dass das verstanden wird. Das ist
auch im Hinblick auf den Fortgang der Türkeidebatte
wichtig. Die CDU/CSU ist der Auffassung, dass wir hier
eine Atempause brauchen, wenn sich abzeichnet – so
sieht es im Augenblick aus –, dass das Ankaraprotokoll
nicht implementiert wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Lassen Sie mich abschließend sagen: Die deutsche
Ratspräsidentschaft bietet die große Chance, die Akzep-
tanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber der Euro-
päischen Union zu fördern. Wir unterstützen die Bundes-
regierung in ihren Bemühungen. Wir haben gerade vor
dem Hintergrund des markanten Datums „50 Jahre
Römische Verträge“ die Chance, die Europäische
Union und ihre Bedeutung nach vorne zu bringen. Sie
war in den letzten 50 Jahren ein Garant für Demokratie,
Friedenssicherung, Wohlstand, Freiheit und Recht.
Wenn ich sehe, was in den letzten 50 Jahren gelungen
ist, dann ist mir vor den Fragen der Zukunft, insbeson-
dere vor der Globalisierung, nicht bange. Hierauf ist die
Europäische Union, ein integriertes Europa, die beste
und glaubwürdigste Antwort.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607108900

Ich erteile das Wort Kollegen Alexander Ulrich, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Alexander Ulrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607109000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir

werden uns in der nächsten Sitzungswoche nochmals in-
tensiv mit Europa und der deutschen Ratspräsidentschaft
befassen. Aber die Grünen brauchten heute 30 Minuten
zum Warmlaufen. Wir wollen es ihnen gönnen.

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(C (D Die Erwartungen an die Bundesregierung sind riesenroß; das wurde hier schon mehrmals erwähnt. Die Erartungen an die große Koalition waren vor einem Jahr benfalls riesengroß. Was daraus geworden ist, wissen ir alle. Angesichts der Vorbereitung der deutschen EUatspräsidentschaft und der Diskussionen im Europausschuss können wir schon heute davon ausgehen, dass ie Völker Europas Mitte 2007, wenn der Stab an Portual weitergereicht wird, ähnlich enttäuscht feststellen erden, dass diese Ratspräsidentschaft keine großen ortschritte erzielt hat. Die Europäische Union befindet sich in einer schween Krise. Auch das wird nicht bestritten. Krisen haben ber auch etwas Positives. Man kann aus den Fehlern ernen und das Nein der Franzosen und Niederländer zur erfassung als Chance für eine soziale, friedliche und emokratische Europäische Union nutzen. Die wirtchaftlichen und sozialen Probleme finden ihren Ausruck in der Identitätskrise der EU. Die EU verfügt ber kein gemeinsames Leitbild. Es dominiert leider uch bei der deutschen Bundesregierung immer noch die orstellung vom freien Markt, der alles regeln soll, als ern des ganzen Projekts. Europa und die deutsche Ratspräsidentschaft stehen etzt vor einer strategischen Entscheidung von historicher Bedeutung. Der erste mögliche Weg besteht darin, em eingeschlagenen Weg in die Sackgasse weiter zu olgen; die Folgen wären ein weiterer Vertrauensverlust ei den Menschen und vermutlich ein Anstieg der Zahl ozialer Konflikte und politischer Spannungen. Der weite und bessere Weg setzt die Kraft und Bereitschaft ur Neuorientierung in der Europapolitik voraus. Er setzt n den beiden Hauptmängeln des bisherigen Modells an, er fehlenden sozialen Dimension und der Demokratieücke. Die Leitlinie einer solchen Strategie hieße mehr oziale Sicherheit und Verantwortung und mehr Beteiliung und Demokratie. Ein erster Schritt wäre ein alterativer Verfassungsvertrag, der die neoliberalen wirtchaftsund finanzpolitischen Vorgaben des jetzigen ntwurfs zurücknimmt. Diese alternative Verfassung önnte man dann 2009 bei den Europawahlen in allen ändern zur Abstimmung stellen. Herr Reiche, ich gehe davon aus, dass Sie in den Auschusssitzungen nicht nur körperlich anwesend sind. eshalb wissen Sie, dass wir die Verfassung nicht als olche ablehnen, sondern dass wir immer gesagt haben, ass es darauf ankommt, was in der Verfassung steht. eshalb wollen wir eine Alternative zum jetzigen Ver assungsentwurf. Zu sagen, die Linke sei gegen eine Verassung, entspricht schlicht und einfach nicht der Wahreit. Zum Antrag der Grünen. Herr Steenblock, ich gehe avon aus, dass Sie selbst ein schlechtes Gewissen haen, weil Sie diesen Antrag unterschrieben haben. (Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe kein schlechtes Gewissen!)


(Beifall bei der LINKEN)


7134 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


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Alexander Ulrich
Wer in seiner Regierungszeit völkerrechtswidrige Kriege
und einen Sozialabbau in einem bisher nicht gekannten
Ausmaß mitverantwortete, macht sich unglaubwürdig,
wenn er von einer friedlichen und sozialen Union schwa-
droniert.


(Beifall bei der LINKEN)


Den Antrag der Grünen könnte man als Antrag auf Auf-
nahme in die große Koalition verstehen. Ich gehe aber
davon aus, dass weder die SPD noch die CDU/CSU die
Koalition um die Grünen erweitern möchten. Wir, die
Linke, wollen keinen weiteren Ausbau der militäri-
schen Strukturen in Europa, wie es die Grünen wollen,
sondern wir wollen die zunehmende Militarisierung Eu-
ropas stoppen. Wir fordern deshalb die Abschaffung der
schnellen Eingreiftruppe und der Battlegroups mit dem
Ziel, auf eine strukturelle Nichtangriffsfähigkeit der EU
hinzuwirken.


(Beifall bei der LINKEN – Jörg Tauss [SPD]: Politikunfähigkeit!)


Die Grünen sind von Ihrem Anspruch, eine Friedenspar-
tei zu sein, weit abgekommen, wie dieser Antrag be-
weist.

Wir haben gestern die Chance gehabt, im Europaaus-
schuss mit dem Kommissionspräsidenten Barroso zu
diskutieren. Was er zur EU-Verfassung gesagt hat, war
mehr als enttäuschend. Wenn Herr Krichbaum und Herr
Reiche sagen, es sei Ausdruck der Zurückhaltung der
Diplomatie, jetzt keine Vorschläge zu machen, ist das
nur das Eingeständnis, dass man keine Vorstellungen
hat, wie die EU-Verfassung zu retten ist. Das ist ein Ar-
mutszeugnis für die deutsche Bundesregierung.


(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Das ist doch Quatsch!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607109100

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Wodarg,

SPD-Fraktion.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1607109200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

möchte die Bundesregierung dazu beglückwünschen,
dass sie eine klare Zielvorstellung formuliert hat und
dass sie sehr wohl weiß, welche Ziele sie auch in Bezug
auf die europäische Verfassung verfolgen wird. Ich
denke, wir sind verpflichtet, das Mögliche so schnell wie
möglich anzugehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist richtig, dass die Bevölkerung in Europa mehr als
Wirtschafts- und Handelsregelungen erwartet. Es gibt ei-
nen Konflikt zwischen Handelsregelungen und zum Bei-
spiel ethischen Werten in der Politik und der Entwick-
lungspolitik.

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(C (D In der Entwicklungspolitik gibt es eine Reihe von erlierern, die auch Verlierer der Handelsabkommen ind. Wir wissen, dass wir uns wegen der Agrarfördeung der Europäischen Union eigentlich gegenüber den ntwicklungsländern schuldig machen! (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ir wissen, dass wir hier etwas ändern müssen. Das
eiß die Bundesregierung auch. Ich freue mich sehr,
ass sie ausdrücklich in ihr Programm geschrieben hat,
ass sie in der Wirtschaftspolitik entwicklungspolitische
rioritäten setzen und ihre Verantwortung wahrnehmen
ill.

Ich möchte auf einen Punkt, der mir sehr wichtig ist,
u sprechen kommen. Ich meine den Zugang zu Medi-
amenten. Auch in dieser Hinsicht hat die Europäische
nion eine riesige Verantwortung. Es gibt den Plan
darüber bin ich sehr froh –, die Zeit bis 2016 zu nutzen

nd in den Least Developed Countries, in den am we-
igsten entwickelten Ländern, Medikamente herzustel-
en, die nicht dem Patentschutz – Stichwort TRIPS – un-
erliegen. Auf diese Weise darf man Medikamente
erstellen und die Pharmaindustrie kann das nicht
lockieren. Das ist gut so und das müssen wir nutzen.
ir müssen Länder ausfindig machen, die das können;
ir müssen sie fördern, damit überall Medikamente zur
erfügung stehen.

Wir haben über Aids gesprochen. Nur 1,6 Millionen
enschen bekommen Medikamente, aber 6 Millionen

rauchen Medikamente. Mehr als 4 Millionen Kranke
ekommen sie nicht und sterben – letztlich aus wirt-
chaftlichen Gründen. Ich will Ihnen ein Erlebnis, das
ür mich ein Schlüsselerlebnis war, nicht vorenthalten.
ch war bei der Generalversammlung der Weltgesund-
eitsorganisation in diesem Mai dabei. Da ging es um
ie Vogelgrippe und einen Impfstoff dagegen. Es gab ei-
en Antrag aus Kenia – unterstützt von Thailand –, der
erlangte, dass dieser Impfstoff, wenn er denn herge-
tellt werden könnte, keinen Patentschutz erhalten sollte.
enn wenn die Vogelgrippe tatsächlich käme, wäre es

ine Seuche, die weltweit viele Menschen das Leben
osten würde. Da darf es keine Priorität für Monopole
eben; da darf es keine Blockaden geben. Ein Impfstoff
uss dann schnell von möglichst vielen produziert wer-

en und er muss allen zur Verfügung stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


ie Amerikaner saßen am Tisch und haben gesagt: No.
s ist wichtiger, dass das Geschäft läuft und dass unsere
roßen pharmazeutischen Unternehmen ihre Patent-
echte wahrnehmen können, als dass überall in der Welt
mpfstoff hergestellt werden kann. – Das geht nicht; das
önnen wir nicht tolerieren. Das ist Geschäftemachen
it dem Leben Tausender von Menschen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7135


(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Wodarg
Zum Glück laufen jetzt bei der WHO entsprechende
Verhandlungen. Da wird auch die Europäische Union
mit verhandeln. Ich bitte die Bundesregierung, in dem
Sinne, wie ich das hier angedeutet habe, zu verhandeln.
Es ist klar: Erfinder müssen belohnt werden; Forschung
muss sich lohnen. Mit guten Forschungsergebnissen soll
man auch Geld verdienen dürfen. Aber es darf nicht zur
Bildung strategischer Monopole kommen, die dazu füh-
ren, dass Medikamente Menschen vorenthalten werden,
die von diesen Medikamenten abhängig sind und die
ohne sie sterben würden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Monika Knoche [DIE LINKE])


Das gilt für Aids; das gilt aber auch für viele Armuts-
krankheiten. Aufgrund der Forschungsförderung über
Patente werden bestimmte Medikamente gar nicht mehr
entwickelt; denn es lohnt sich nicht. Arme Leute können
keine teuren Medikamente kaufen. Allerdings haben
arme Leute andere Krankheiten als reiche Leute. Wenn
wir hier Forschungsförderung betreiben wollen, wenn
wir hier wirtschaftliche Regelungen aufstellen wollen,
wenn wir geistiges Eigentum schützen wollen, dann
müssen wir das so machen, dass auch an diesen Krank-
heiten geforscht wird. Auch dafür haben wir eine große
Verantwortung. Ich freue mich, dass die Erfahrungen aus
der Entwicklungspolitik in unsere Programmatik für die
EU-Ratspräsidentschaft einfließen.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607109300

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/3327, 16/2833 und 16/3622 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 29 a und 29 b auf:

a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des
Finanzausgleichsgesetzes

– Drucksache 16/3269 –

– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Zweiten Buches Sozialge-
setzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes

– Drucksache 16/3572 –

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

(11. Ausschuss)


– Drucksache 16/3677 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Karl Schiewerling

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(C (D bb)

schuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

– Drucksache 16/3678 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Waltraud Lehn
Dr. Claudia Winterstein
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Heidrun Bluhm, Katrin Kunert, Dr. Gesine
Lötzsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der LINKEN

Bundesweite Mindeststandards für angemes-
senen Wohnraum und Wohnkosten für Bezie-
herinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II

– Drucksachen 16/3302, 16/3677 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Karl Schiewerling

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Ge-
etzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des
weiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzaus-
leichsgesetzes nicht in seine Beschlussempfehlung mit
inbezogen. Dieser Gesetzentwurf soll heute nicht ab-
chließend beraten werden. – Ich sehe, Sie sind damit
inverstanden. Dann verfahren wir so.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und teile mit, dass wegen
es Parteitages der Grünen die Rednerinnen und Redner
hre Reden zu Protokoll geben. Es sind dies: Angelika
rüger-Leißner, SPD-Fraktion, Jörg Rohde, FDP-Frak-

ion, Karl Schiewerling, CDU/CSU-Fraktion, Katja
ipping, Fraktion Die Linke, der Parlamentarische
taatssekretär Franz Thönnes, Markus Kurth für die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen und Max
traubinger für die CDU/CSU-Fraktion. Damit schließe

ch die Aussprache.1)

Wir kommen zur Abstimmung über den von den
raktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
esetzentwurf zur Änderung des Zweiten Buches So-

ialgesetzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes,
rucksache 16/3269. Der Ausschuss für Arbeit und So-

iales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussemp-
ehlung auf Drucksache 16/3677, den Gesetzentwurf in
er Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,
ie dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-
en wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-

en? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit
n zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU
nd SPD bei Ablehnung der Fraktion Die Linke und

Anlage 2

7136 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Enthaltung der Fraktionen der FDP und des
Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie
zuvor angenommen.

Tagesordnungspunkt 29 b: Beratung der Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf
Drucksache 16/3677 zu dem Antrag der Fraktion Die
Linke mit dem Titel „Bundesweite Mindeststandards für
angemessenen Wohnraum und Wohnkosten für Beziehe-
rinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II“. Der Aus-
schuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-
empfehlung, den Antrag auf Drucksache 16/3302
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/
CSU, SPD und FDP bei Ablehnung der Fraktion Die
Linke und Stimmenthaltung der Fraktion des Bündnis-
ses 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Joachim Otto (Frankfurt), Christoph Waitz, Jens
Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP

National bedeutsames Kulturgut wirksam
schützen

– Drucksache 16/3137 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
Fraktion der FDP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Hans-Joachim Otto, FDP-Fraktion, das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1607109400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als letz-

ten Tagesordnungspunkt debattieren wir heute ein
Thema, dessen Bedeutung nicht nur den kulturpoliti-
schen Bereich erfasst und sensibel gehandhabt werden
muss. Die Irritation, ja Empörung über die Umstände des
Verlustes der „Berliner Straßenszene“ von Ernst Ludwig
Kirchner reißen nicht ab. Die Furcht geht um, es könnten
zahlreiche weitere Exponate aus öffentlichen Sammlun-
gen verschwinden.

Lassen Sie mich eingangs eines klarstellen. Die mora-
lische Verpflichtung Deutschlands, ungeachtet aller Ver-
jährungsfristen NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kul-
turgut zu restituieren, darf von niemandem und in keiner
Weise in Zweifel gezogen werden. Wir bekennen uns zu

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(C (D nserer Selbstverpflichtung aus den Washingtoner rundsätzen von 1998 ohne Wenn und Aber. Aber wir üssen auch – um den Gedanken der Restitution nicht in isskredit zu bringen – Vorkehrungen gegen eine neu ntstandene Restitutionsindustrie – darunter sind einige chwarze Schafe – treffen, die mit dem noblen Ansinnen iemlich ungeniert Geschäfte macht und damit den faien und gerechten Interessenausgleich zwischen den useen und den Erben, den die Washingtoner Grundätze fordern, erschwert, wenn nicht gar hintertreibt. Was ist zu tun? Zuallererst ist die Provenienzrecherhe zu stärken. Die Zweifel und Verdächtigungen hinichtlich der Herkunft der Exponate müssen so schnell ie möglich beseitigt werden. Diese Unsicherheiten sind er Humus professioneller Restitutionsforscher, die sich on den Opfererben fürstlich entlohnen lassen, manchal mit mehr als 50 Prozent des Erlöses. Was viele übersehen, ist, dass bereits die Washingtoer Grundsätze als zentrale Forderung die Identifizieung der einschlägigen Kunstwerke, also die Proveninzforschung, enthalten. Doch dabei dürfen wir unsere useen nicht länger allein lassen. Es geht um Zusatz osten von vielen Millionen Euro und es geht um speziische Kenntnisse, die nicht in jedem kleineren Haus orhanden sind. Ich begrüße es deshalb sehr, dass die ulturstiftungen des Bundes und der Länder bereits konrete Projekte zur Förderung der Provenienzforschung in ngriff genommen haben. Ich hoffe sehr, dass dieses rojekt durch die Kürzungen, die in letzter Sekunde urch den Haushaltsausschuss zulasten der Bundeskulurstiftung für 2007 verfügt worden sind, nicht gefährdet ird. Ein ganz wichtiger Ansatzpunkt ist auch eine Stärung der so genannten Limbach-Kommission, die 2003 ur Umsetzung der Washingtoner Grundsätze eingerichet wurde. Dass deren Konstruktion nicht optimal ist, eigt schon die Tatsache, dass sie bisher überhaupt erst inmal tätig werden konnte – bezeichnenderweise im pektakulären Kirchner-Fall nicht. Der Fehler dieser ommission liegt schon darin, dass sie nur im Falle eies übereinstimmenden Antrags beider Seiten tätig weren darf. Sie können sich vorstellen: Manche haben kein nteresse daran, dass eine Kommission tätig wird. Dass dies auch anders und besser gehen kann, haben nsere Nachbarn, die Franzosen, gezeigt. Auch wenn ich icht verkenne, dass es in der Frage der NS-Raubkunst atürlich fundamentale Unterschiede zwischen Deutschand und Frankreich gibt, lohnt doch der Blick ins achbarland, um zu sehen, wie man dort mit ähnlichen ragen umgeht. Die Franzosen haben eine zentrale, mit achleuten und Richtern besetzte Kommission eingeichtet, die nicht nur – wie bei uns in Deutschland – beät, sondern die alle in Frankreich gestellten Restituionsanträge prüft und eine Empfehlung zur Rückgabe der zur Zahlung einer Entschädigung ausspricht. Inteessanterweise lautet das Votum in den meisten Fällen brigens nicht „Herausgabe des Bildes“; vielmehr wer Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7137 Hans-Joachim Otto den andere Lösungen wie Dauerleihgabe oder finanzierte Entschädigung vorgeschlagen. Bei 2 500 Anträgen ist keine einzige Empfehlung in Zweifel gezogen worden; alle Empfehlungen sind akzeptiert worden. Sehr interessant ist die Tatsache – das hat mir der Präsident dieser Kommission, der sich gestern in Berlin aufgehalten hat, gerade bestätigt –: Es gibt in Frankreich keinerlei Aktivitäten der Restitutionsindustrie. Das ist für diese Herren und Damen dort offensichtlich nicht so attraktiv wie in Deutschland. Wir müssen das französische Modell nicht eins zu eins übernehmen, aber es lohnt sich sehr, dieses Modell genauer anzusehen, um möglicherweise einen Weg zu finden, die deutsche beratende Kommission, die Limbach-Kommission, zu stärken. Wir müssen uns auch Gedanken über einen Feuerwehrfonds machen, der es Museen ermöglicht, rasch und unkompliziert Geld für den Rückkauf eines restituierten Kunstwerks zu erhalten. Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf einen weiteren Aspekt unseres Antrags eingehen, den Schutz national wertvollen Kulturguts. Die Bundesregierung unternimmt alle Anstrengungen – das gilt jetzt auch für den Bundestag –, das national wertvolle Kulturgut anderer Staaten zu schützen und die UNESCO-Konvention von 1970 in Musterschülermanier weit über das von der Konvention geforderte Maß hinaus in nationales Recht umzusetzen. Während das nationale Kulturgut anderer Staaten dann mustergültig geschützt sein wird, mehren sich leider die Fälle, in denen die Abwanderung unserer national bedeutsamen Kunstwerke droht oder schon erfolgt ist. Es ist deshalb wichtig, dass künftig auch Kulturgüter in öffentlichen Sammlungen in das Verzeichnis national wertvollen Kulturguts aufgenommen werden. Aber anders als im Ausführungsgesetz zum UNESCOAbkommen – darüber müssen wir reden – sollte das etwas weitergehend sein. Ich finde, dass man auch dem Kulturstaatsminister ein Antragsrecht geben sollte. Wir müssen also den Grundgedanken der UNESCOKonvention auch innerhalb Deutschlands ernst nehmen, nicht zuletzt gegenüber solchen Trägern öffentlicher Gewalt, die national bedeutsames Kulturgut zur Sanierung öffentlicher Kassen veräußern wollen. Leider, meine Damen und Herren, besteht hierfür zunehmend Veranlassung. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


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Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607109500

Ich erteile das Wort Kollegin Monika Grütters, CDU/

CSU-Fraktion.


Monika Grütters (CDU):
Rede ID: ID1607109600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber

Herr Kollege Otto, mir drängt sich ein bisschen der Ver-
dacht auf, als wollten Sie auf den letzten Drücker am
Freitag mit Ihrem Antrag noch schnell nicht nur das na-

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(C (D ional bedeutende Kulturgut schützen – jetzt hört er nicht al zu –, (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Doch, er hört zu!)


ondern ebenso schnell auf den fahrenden Zug der Ko-
lition aufspringen. Gut gemacht, was die Taktik angeht;
eine Frage. Aber viele Ihrer Ideen sind natürlich bereits
ntwickelt worden. Also beraten wir heute in klassischer
ppositionsmanier ein Thema, das von der Bundesregie-

ung und natürlich auch im Parlament – Sie haben selbst
esagt: Die UNESCO-Konvention ist bei uns schon
ange auf der Agenda – sehr wohl bearbeitet wird;
auptsache, wir haben auch hier noch einmal darüber
esprochen.

Sie haben natürlich in einem Recht. Es lohnt sich im-
er, über national bedeutsames Kulturgut zu sprechen,

esonders dann, wenn es bedroht ist oder zumindest be-
roht zu sein scheint. Damit es sich lohnt, Herr Otto, ha-
en Sie ganz viele Aspekte in Ihren Antrag hineinge-
ischt: den Schutz ausländischen nationalen Kulturguts,

en Schutz unseres nationalen Kulturguts und die ak-
uelle Praxis der Restitution von NS-Raubkunst. Den
erkauf von Kulturgütern haben Sie auch noch erwähnt.


(Jörg Tauss [SPD]: Das alles in sechs Minuten!)


ch finde, dass Ihr Gemisch aber manchmal ein wenig
chal schmeckt.

Nun zur Sache, zu den drei Forderungen in Ihrem An-
rag. Sie möchten das Verzeichnis national wertvollen
ulturguts aktualisieren und vervollständigen lassen.
nseres Erachtens ist das Verzeichnis aktuell; denn alle
on den Ländern gemeldeten Eintragungen werden di-
ekt in das Gesamtverzeichnis national wertvollen Kul-
urguts übernommen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Bisher nur von den Privaten!)


Nein. Vollständigkeit kann nur erlangt werden, wenn
ie Länder auch Kenntnis von dem Kulturgut haben, was
ei Privatbesitz natürlich schwierig ist.


(Zuruf des Abg. Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP])


Nein, Auskunftsrechte der Länder gibt es nicht. Auch
ine Offenbarungspflicht der Eigentümer ist mit dem
rundgesetz kaum in Einklang zu bringen.

Außerdem möchten Sie, dass es eine Entschädigung
ür die Wertminderung gibt, die mit der Eintragung in
as Verzeichnis verbunden ist, weil die Verwertungs-
öglichkeiten erschwert würden. Aber das ist kaum

inanzierbar.

Heikler finde ich da schon Ihre Forderung, die Hand-
eichung und die Gemeinsame Erklärung in Bezug auf
estitutionsfragen zu überarbeiten. In der Tat – da haben
ie natürlich Recht – hat die Restitution des Kirchner-
ildes „Berliner Straßenszene“ die Kunstwelt zu Recht
ufgewühlt, weil das sehr strittig ist. Ob diese Rückgabe
ber hätte verhindert werden können, wenn die Hand-

7138 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Monika Grütters
reichung anders lauten würde, weiß ich nicht. Diese In-
kunabel des Expressionismus in die Liste nationalen
Kulturguts der Bundesrepublik aufzunehmen – das über-
legen Sie ja; wir haben das der Presse entnommen –,
wäre sehr fragwürdig. Man könnte es uns als Trick aus-
legen, wenn wir das Depotgut in deutschen Museen in
die Liste aufnehmen; man könnte meinen, wir täten dies,
nur um es vor dem Verlust zu schützen.

Wir müssen uns meiner Meinung nach hüten – das ha-
ben Sie zu Recht gesagt –, diesem knallhart kommerzia-
lisierten Restitutionshandel, an dem vor allem amerika-
nische Anwaltskartelle zu verdienen scheinen, mit einer
Einschränkung unserer moralischen Verpflichtung zu be-
gegnen. Diese Gegenüberstellung ist natürlich außeror-
dentlich schwierig. Eine Aushöhlung der moralischen
Verpflichtung darf es aber gerade in Deutschland nicht
geben, so sinnvoll möglicherweise der Blick auf Nach-
barländer ist. Deutschland hat hier natürlich eine singu-
läre Stellung, weil wir das Volk der Täter waren.

Ob ein Feuerwehrtopf finanzierbar wäre, mit öffent-
lichen oder privaten Mitteln, ist angesichts der Summen,
die bei den Versteigerungen erzielt werden, schwer zu
beantworten; das wissen Sie. Eher sollte man meiner
Meinung nach ahnungslosen Staatssekretärinnen, die
meinen, sie könnten jenseits der Öffentlichkeit solch
schwer wiegende Fälle meistern, das Handwerk legen.
Frau Kisseler hat die Limbach-Kommission nicht einmal
angerufen. Aber im Kabinett eines Herrn Wowereit
wurde die Betreffende zu allem Überfluss auch noch zur
Chefin der Senatskanzlei befördert.

Um derart unprofessionelles Treiben künftig zu unter-
binden, wäre eine bessere Dokumentation, also die Pro-
venienzforschung, tatsächlich eine wichtige Vorausset-
zung für einen sachgerechteren Umgang mit kritischen
Restitutionsfällen. Deshalb hat der Staatsminister bereits
die Initiative ergriffen und Museumsfachleute zu einer
Konferenz über diese Fragen eingeladen. Ein Termin mit
der Jewish Claims Conference wird folgen. Das ist der
richtige Rahmen, um mögliche Verbesserungen der
Handreichung – durch Experten und nicht durch die
Politik – zu erarbeiten.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Hat sich der Bundestag damit nicht beschäftigt?)


Für die Provenienzforschung müssen Gelder bereitge-
stellt werden. Das, Herr Otto, ist in der Tat wieder unsere
Aufgabe, die des Parlaments.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Wir müssen uns auch hiermit beschäftigen!)


– Ja, das tun wir auch.

Sehr verehrter Herr Kollege, die CDU/CSU-Fraktion
wird Ihren Antrag trotzdem ablehnen. Erstens vermischt
er uns zu viele Sachverhalte zum Schutz nationalen Kul-
turguts. Außerdem greifen wir den Ergebnissen der
durch den Staatsminister initiierten Gespräche mit Fach-
leuten ungern vor, auch nicht mit einem solchen
Antrag – bei allem Verständnis für die ein wenig im
Schatten der Regierung stehende Opposition. Die Fach-

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(C (D eute werden uns sicher wertvolle Hinweise für ein poliisches Handeln liefern. Ich danke Ihnen. Ich erteile das Wort Kollegin Lukrezia Jochimsen, raktion Die Linke. Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Hinsicht ich des Antrages, den die FDP eingebracht hat, müssen us meiner Sicht zwei Probleme getrennt voneinander etrachtet werden: erstens die Rückgabeverpflichtung eutschlands für Kunstgegenstände, die zwischen 1933 nd 1945 ihren jüdischen Besitzern auf vielfältige Weise ntzogen wurden, und zweitens das hässliche Geschäft it dem Erbe, sobald es in die Hände seiner rechtmäßi en Besitzer zurückgelangt ist. Im ersten Problemkreis wird uns nun auch die Dimenion des NS-Unrechts vor allem im Bereich der Kunst rastisch und deutlich vor Augen geführt. 50, 60 Jahre ang haben wir gar nicht gewusst – und wissen es zum eil immer noch nicht –, wie sehr wir uns gerade auch an er Kultur unserer jüdischen Bürger bereichert hatten. Der zweite Problemkreis, lieber Herr Otto, geht uns olitiker eigentlich gar nichts an. Wir können es zwar itter und sogar empörend finden, wenn Glanzstücke aus nseren Museen verschwinden und in London oder New ork zu Schwindel erregenden Summen versteigert weren, aber in diesem besonderen Fall ist Besitz eben Beitz und im Zeitalter der gerade von der FDP sonst so berüßten Globalisierung müssen wir hinnehmen, dass die ier des Marktes nach Museumsware regiert. National bedeutsames Kulturgut wirksam zu schützen eginnt damit, dass Museen endlich in die Lage versetzt erden, Provenienzforschung zu betreiben; da haben ie vollkommen Recht. Jahrzehntelang ist das aber von ns versäumt worden. Nach der Washingtoner Erkläung, welche die Bundesrepublik immerhin vor acht Jahen unterzeichnet hat, … sollten alle Anstrengungen unternommen werden, Kunstwerke, die als durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet identifiziert wurden, zu veröffentlichen, um so die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ausfindig zu machen. uch sollten danach Vorkriegseigentümer und ihre Eren ermutigt werden, ihre Ansprüche anzumelden. – Von ieser Politik war eben in den letzten Jahren nichts zu erspüren. Hätte zum Beispiel das Brücke-Museum echtzeitig entsprechend gehandelt, hätten sich vielleicht eldgierige Anwälte nicht auf den Weg gemacht, um den eal zu drehen. Im FDP-Antrag wird gefordert, die Handreichung, ie aufgrund der Washingtoner Erklärung für den Um Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7139 Dr. Lukrezia Jochimsen gang mit Rückgabefällen erstellt wurde, zu überarbeiten, um die Balance zwischen den Interessen der Alteigentümer und den Anliegen der Museen … neu zu justieren. Da werde ich sehr hellhörig; denn es gibt gleich einen Vorschlag dazu, wie zu justieren sei, beispielsweise durch eine Haltefrist von zehn Jahren. Was ist damit gemeint? Dem rechtmäßigen Eigentümer wird zwar nun das Bild, das ihm vor 70 Jahren entzogen wurde, zurückgegeben, aber dann soll er bitte schön noch zehn Jahre warten, bis er es verkaufen kann. Das ist doch eine Zumutung sondergleichen. Im FDP-Antrag heißt es weiter, die neue Balance der Interessen sei im „Geiste der Washingtoner Erklärung“ herzustellen. Ich habe keinen Satz über eine solche zehnjährige Haltefrist in der Washingtoner Erklärung gefunden. Der zweite Vorschlag, national wertvolles Kulturgut in ein staatliches Verzeichnis aufzunehmen, welches ein Ausfuhrverbot enthält, kann doch nicht allen Ernstes für zurückzugebende Kunstgegenstände, die zwischen 1933 und 1945 ihren Besitzern entzogen wurden, gelten. Das hieße: Ja, es ist Ihr Bild, wir geben es Ihnen zurück, es muss aber in Deutschland bleiben. – Auf die NS-Beschlagnahmung folgte die Ausfuhrsperre. Dann heißt es im FDP-Antrag: In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob und inwieweit Privateigentümer für eventuelle Wertminderungen zu entschädigen sind, die ihnen durch die Eintragung in diese Verzeichnisse entstehen … Das ist mir, ehrlich gesagt, einfach zu viel des Zynismus. Über diesen Antrag werden wir im Ausschuss wohl noch kräftig streiten. Im Grunde genommen glaube ich, dass uns gar nichts anderes bleibt, als ihn abzulehnen. Die Kollegen Steffen Reiche Göring-Eckardt haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607109700

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607109800

(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607109900

Ich erteile jetzt das Wort der Kollegin Dorothee Bär,
CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1607110000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Selbstverständlich werde ich meine Rede bei diesem
wichtigen Thema nicht zu Protokoll geben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wollen un-
ser Kulturgut wirksam schützen. Deswegen ist für mich

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1) Anlage 3

(C (D nd die gesamte CDU/CSU-Fraktion der Inhalt des Tiels Ihres Antrags eine Selbstverständlichkeit. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Dann könnt ihr ja zustimmen!)


enauso ist es für uns aber eine Selbstverständlichkeit,
ass Deutschland aufgrund der historischen Vergangen-
eit gegenüber jüdischen Familien eine besondere Ver-
ntwortung hat und eine besondere Sensibilität beweisen
uss. Die Frage der Rückgabe von NS-verfolgungsbe-

ingt entzogenem Kulturgut ist deshalb äußerst kompli-
iert. Diese Kunstwerke hängen häufig in Museen und
erden von zahlreichen Menschen täglich betrachtet.
ir alle können von diesen Kunstwerken viel über un-

ere Geschichte lernen. – Herr Kollege Otto, wenn Sie
ir zuhören würden, würden Sie vielleicht auch verste-

en, wie wir uns im Anschluss an diese Debatte zu Ih-
em Antrag entscheiden werden.


(Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU])


Natürlich sind die Eigentumsansprüche zu respektie-
en. Dazu gibt es die so genannte Washingtoner Erklä-
ung von 1998. Gleichzeitig besteht aber ein öffentliches
nteresse – ich würde sagen: unser aller Interesse –, diese
ertvollen Kulturgüter für die Öffentlichkeit zu erhalten
nd weiterhin zugänglich zu machen. Auch unsere Museen
aben ein Interesse daran. Deshalb wurde unter der frü-
eren Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Jutta
imbach, eine Kommission für die Rückgabe NS-ver-

olgungsbedingt entzogener Kulturgüter eingesetzt. Die-
es hochrangig besetzte Gremium, in dem unter anderem
ltbundespräsident Richard von Weizsäcker, die Juristin

utta Limbach und die ehemalige Bundestagspräsidentin
rofessor Rita Süssmuth sitzen, vermittelt im Falle einer
neinigkeit zwischen der Bundesregierung bzw. ande-

en öffentlichen Institutionen der Bundesrepublik und
en ehemaligen Eigentümern der Kunstwerke oder deren
rben.

Fernab der rechtlichen Frage allerdings entscheidet
iese Kommission und nimmt die moralische Bewertung
or. Dies sind harte Entscheidungen, die umso härter
reffen, wenn wertvolle Gemälde mit hohem Preis auf
nderen Auktionen versteigert werden.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Die Kommission läuft doch völlig leer!)


as sind Dinge, die man beklagen kann. Trotzdem müs-
en wir nach wie vor mit hoher Sensibilität mit diesem
hema umgehen.

Wir müssen aber auch realisieren, Herr Kollege Otto,
ass durch diese Regelung bereits mehr als 1 000 Kunst-
erke ohne große Diskussion geräuschlos zurückgege-
en worden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Aber nicht von der Kommission!)


n zwei, drei spektakulären Fällen entzündet sich nun
ine Diskussion. Diese Fälle stellen aber nicht das ge-
amte Vorgehen infrage.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


7140 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006


(A) )



(B) )


Dorothee Bär
Wichtig ist für uns, dass solche Rückgaben besser
vorbereitet werden. Durch die Forschung nach der
Herkunft von Kunstwerken erkennt man die Probleme,
die auf einen zukommen. Man löst das Problem dann im
Einzelfall.

Die FDP fordert eine Unterstützung dieser Forschung.
Die Bundesregierung wird das prüfen. Sie fordern in Ih-
rem Antrag,

die Balance zwischen den Interessen der Alteigen-
tümer und den Anliegen der Museen ... neu zu jus-
tieren.

Diese Balance, Herr Kollege Otto, wird unter anderem
durch die Arbeit der Kommission hergestellt.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sie läuft völlig leer, Frau Kollegin! Die wird nie angenommen!)


Sie fordern eine Überarbeitung der Handreichung
für die Museen. Unser Kulturstaatsminister hat eine sol-
che Überarbeitung jedoch bereits angekündigt. Eine ei-
gens dafür gegründete Arbeitsgruppe wird diese Arbeit
übernehmen.

Ihr Antrag ist vielleicht in einigen Punkten richtig,
aber doch überholt. Deswegen besteht für uns kein
Grund zur Zustimmung zum jetzigen Zeitpunkt.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607110100

Ich erteile das Wort Kollegen Jörg Tauss, SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1607110200

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr ver-

ehrten Damen und Herren! Ich will mit derselben Ein-
gangsbemerkung wie die Kollegin Bär beginnen: Auch
ich halte es für richtig, dass wir diese Debatte führen.
Nichtsdestotrotz halte ich die Art und Weise, in der wir
es jetzt tun, für nicht in Ordnung. Wir haben die Verein-
barung getroffen – ich hoffe nicht, dass wir das einmal
wegen der FDP tun müssen –, dass mit Rücksicht auf
den Parteitag der Grünen heute um 13 Uhr Plenarende
ist.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: 14 Uhr war vereinbart!)


Wir haben darüber hinaus vereinbart, dass wir um
13 Uhr mit dem Kulturausschuss nach Sachsenhausen
fahren. Aus diesem Grunde fühle ich mich unwohl, zu-
mal mein Kollege Reiche seine Rede im Vertrauen auf
getroffene Absprachen zu Protokoll gegeben hat. Ich
will das nur in aller Klarheit sagen; darüber sollten wir
uns in aller Freundschaft noch einmal unterhalten.

Ansonsten ist natürlich richtig, dass wir hier eine inte-
ressante Debatte haben. Die Linke wird marktwirtschaft-
lich radikal und die FDP stellt sich gegen den internatio-

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(C (D alen Kunstmarkt. Ich will das jetzt auf diesen Punkt erkürzen; aber daran zeigt sich schon, wie spannend die iskussion ist, die wir miteinander zu führen haben. In der Tat gibt es eine Reihe von Punkten – da möchte ch jetzt ausnahmsweise gar nicht so hässlich zur FDP ein, wie ich normalerweise geneigt bin –, die im Antrag er Bundesregierung bereits aufgegriffen sind – liebe rau Kollegin Grütters, Sie haben es angesprochen –, nd andere Punkte, bei denen wir parteiübergreifend zu iner Einigung kommen könnten. Die Frage, ob wir hier u einer gemeinsamen Initiative kommen, ist für mich unächst einmal offen; natürlich gilt das nicht für Ihren ntrag, wie er heute aussieht. Aber wie gesagt, auf die er Basis kann man sich sicherlich über das eine oder anere unterhalten. Ich glaube, dass dem Schutz national bedeutsamen ulturguts höchster Stellenwert eingeräumt werden uss; das ist klar. Einige Vorgänge sind angesprochen orden. Aber es gibt ja auch einige andere Vorgänge, die ns – zumindest mich als Baden-Württemberger – im oment sehr beunruhigen. Ich weise an dieser Stelle arauf hin, dass wir in Baden-Württemberg gerade eine iskussion darüber führen, dass Kunstgegenstände – es andelt sich hier um den zentralen Schatz aus den Klösern, den wir nicht nur in Baden, sondern aus ganz uropa gesammelt haben – dem internationalen Kunstarkt zur Verfügung gestellt werden sollen, um einen eitrag zur Sanierung des Schlosses Salem des Hauses aden zu leisten. In diesem Zusammenhang gibt es eine anze Reihe von höchst merkwürdigen Vorgängen. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Da sind wir uns einig!)


nter anderem wollte die baden-württembergische Lan-
esregierung ein Kunstwerk, das bereits im Besitz des
andes ist, für 8 Millionen Euro vom Haus Baden zu-

ückkaufen. Man bezahlt also für ein Kunstwerk, das ei-
em schon gehört, 8 Millionen Euro und gibt dieses
eld an Dritte weiter.

Wir können also offensichtlich nicht mehr davon aus-
ehen – ich glaube daher, dass die Initiative des Kultur-
taatsministers an dieser Stelle richtig ist –, dass das, was
eute teilweise seit Jahrhunderten im öffentlichen Besitz
nd Eigentum ist, noch geschützt ist. Können wir uns ei-
entlich noch darauf verlassen, dass das, was in öffentli-
hen Museen vorhanden ist, tatsächlich dort bleibt, oder
üssen wir damit rechnen, dass diese Dinge Gegenstand

on Spekulationen werden?


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Da sind wir uns völlig einig!)


Frau Kollegin Jochimsen, ich habe die FDP an dieser
telle in der Tat nicht so verstanden, dass sie den interna-

ionalen Kunstmarkt nicht mehr wolle. Ich glaube, wir
lle bekennen uns dazu.

Ich war vor einiger Zeit in einem anderen Zusammen-
ang an der Universität von Harvard. Das war sehr
pannend.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Gut!)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7141


(A) (C)



(B) )


Jörg Tauss

– Ein Neffe von mir hat dort gelehrt. Ich habe daher ganz
gute Beziehungen dorthin.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Reisen bildet!)


Schönes Wochenende.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur wenige wissen, dass diese Universität ein unglaub-
lich faszinierendes Museum hat. Insbesondere befinden
sich dort Gegenstände der so genannten entarteten
Kunst, die dadurch gerettet worden sind.

Ich habe aufgrund unserer Diskussion in Harvard ge-
fragt, ob man dort bereit wäre, Kunstgegenstände zu ver-
kaufen. Man hat mir geantwortet, es sei völlig ausge-
schlossen, dass etwas, das im Bestand von Harvard ist,
veräußert würde. Es ist eine unabänderliche Tatsache,
dass diese Gegenstände dort bleiben. Das ist auch so fi-
xiert.

Ich habe mich dann an unsere Debatte erinnert. Es ist
meines Erachtens dringend erforderlich, dass wir uns
auch über die Frage unterhalten, ob die Liste der ge-
schützten Kulturgüter, wie sie im Moment angelegt ist
– in diesem Zusammenhang ist das Vorkommnis aus Ba-
den-Württemberg ein trauriges Beispiel – noch ausrei-
chend ist. An dieser Stelle muss eine erweiterte Diskus-
sion geführt werden.

Ich bin froh – wir haben entsprechende Vorbereitun-
gen schon in der letzten Legislaturperiode getroffen –,
dass der Kulturstaatsminister diese Diskussion aufge-
griffen hat. Ich denke, dass wir etwas Vernünftiges auf
den Weg bringen werden. Ich sage noch einmal: Ich
würde mich freuen, wenn dies parteiübergreifend mög-
lich wäre, auch unter dem Gesichtspunkt – ich zitiere
einmal ausnahmsweise die „Frankfurter Allgemeine Zei-
tung“ von heute –: „Kulturgut ist kein Spielzeug“. Dem
stimme ich ausdrücklich zu.


(Beifall bei der SPD)


Es wird in diesem Lande zunehmend der Eindruck er-
weckt, als sei Kulturgut – egal ob in Baden-Württemberg
oder anderswo – beliebige Dispositionsmasse für die Sa-
nierung von Haushalten oder eines bankrotten Adelshau-
ses. Diesen Eindruck darf Deutschland nicht vermitteln,
zumal wir uns mit Blick auf Kriegsgebiete empören, wie
dort mit Kulturgütern umgegangen wird. Damit kein
Missverständnis besteht: Selbstverständlich ist das, was
im Irak mit Kulturgütern geschieht, eine Katastrophe.
Aber für mich ist es ebenso eine Katastrophe, dass bei
uns im tiefsten Frieden aufgrund fiskalischer Zwänge
mit Kulturgütern so umgegangen wird, als seien sie
Spielzeug.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE])


Ich freue mich auf die Diskussion. Ich will einmal
nett zur FDP sein und betonen, dass sie einen kleinen
Beitrag zu dieser Debatte geliefert hat. Den größeren
Beitrag haben natürlich wieder wir geleistet. So ist es
halt im Leben. Damit muss sich die FDP abfinden.

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(D Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf rucksache 16/3137 an die in der Tagesordnung aufge ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einerstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung o beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Kornelia Möller, Cornelia Hirsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN Ausbildungsplatzlücke schließen – Vorschlag des DGB aufgreifen – Drucksache 16/3540 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre einen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und teile mit, dass alle eden zu Protokoll gegeben worden sind, und zwar die eden der Kollegen Werner Dreibus, Fraktion Die inke, Michael Hennrich, CDU/CSU-Fraktion, Patrick einhardt, FDP-Fraktion, Dieter Grasedieck, SPD raktion, und Brigitte Pothmer, Fraktion des Bündnises 90/Die Grünen.1)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607110300

Damit kann ich die Aussprache schließen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/3540 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 13. Dezember 2006, 13 Uhr,
in.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen ein
reundliches Adventswochenende.