Anlage 4
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7143
(A) )
(B) )
Heil, Hubertus SPD 01.12.2006 Röspel, René SPD 01.12.2006
Haßelmann, Britta BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
Reinke, Elke DIE LINKE 01.12.2006
Röring, Johannes CDU/CSU 01.12.2006
Anlage 1
Liste der entschuldigt
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Altmaier, Peter CDU/CSU 01.12.2006
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
Andres, Gerd SPD 01.12.2006
Binder, Karin DIE LINKE 01.12.2006
von Bismarck, Carl
Eduard
CDU/CSU 01.12.2006
Bluhm, Heidrun DIE LINKE 01.12.2006
Blumentritt, Volker SPD 01.12.2006
Bollen, Clemens SPD 01.12.2006
Brähmig, Klaus CDU/CSU 01.12.2006
Brand, Michael CDU/CSU 01.12.2006
Bülow, Marco SPD 01.12.2006
Dagdelen, Sevim DIE LINKE 01.12.2006
Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 01.12.2006
Dobrindt, Alexander CDU/CSU 01.12.2006
Eichel, Hans SPD 01.12.2006
Dr. Eid, Uschi BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 01.12.2006
Friedhoff, Paul K. FDP 01.12.2006
Fritz, Erich G. CDU/CSU 01.12.2006
Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 01.12.2006
Dr. Geisen, Edmund FDP 01.12.2006
Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 01.12.2006
Glos, Michael CDU/CSU 01.12.2006
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
en Abgeordneten
eilmann, Lutz DIE LINKE 01.12.2006
ilsberg, Stephan SPD 01.12.2006
inz (Essen), Petra SPD 01.12.2006
off, Elke FDP 01.12.2006
oppe, Thilo BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
rber, Brunhilde SPD 01.12.2006
elpke, Ulla DIE LINKE 01.12.2006
r. Jung, Franz Josef CDU/CSU 01.12.2006
r. Kofler, Bärbel SPD 01.12.2006
uhn, Fritz BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
unert, Katrin DIE LINKE 01.12.2006
ips, Patricia CDU/CSU 01.12.2006
attheis, Hilde SPD 01.12.2006
eckel, Markus SPD 01.12.2006
eierhofer, Horst FDP 01.12.2006
erten, Ulrike SPD 01.12.2006
öller, Kornelia DIE LINKE 01.12.2006
üntefering, Franz SPD 01.12.2006
ouripour, Omid BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
flug, Johannes SPD 01.12.2006
ronold, Florian SPD 01.12.2006
eiche (Potsdam),
Katherina
CDU/CSU 01.12.2006
bgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
7144 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
(A) )
(B) )
Anlage 2
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung:
– Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des
Finanzausgleichsgesetzes
– Beschlussempfehlung und Bericht: Bundes-
weite Mindeststandards für angemessenen
Wohnraum und Wohnkosten für Beziehe-
rinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II
(Tagesordnungspunkt 29 a und b)
Max Straubinger (CDU/CSU): Wir behandeln heute
in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Geset-
zes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
und des Finanzausgleichgesetzes. Dieser beschäftigt sich
mit dem Anteil der Bundesbeteiligung an den Kosten der
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Roth (Augsburg),
Claudia
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
Dr. Scheer, Hermann SPD 01.12.2006
Schmidt (Nürnberg),
Renate
SPD 01.12.2006
Schneider (Erfurt),
Carsten
SPD 01.12.2006
Spanier, Wolfgang SPD 01.12.2006
Dr. Staffelt, Ditmar SPD 01.12.2006
Strobl (Heilbronn),
Thomas
CDU/CSU 01.12.2006
Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
Thiele, Carl-Ludwig FDP 01.12.2006
Toncar, Florian FDP 01.12.2006
Voßhoff, Andrea Astrid CDU/CSU 01.12.2006
Dr. Westerwelle, Guido FDP 01.12.2006
Wissmann, Matthias CDU/CSU 01.12.2006
Wolf (Frankfurt),
Margareta
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
01.12.2006
Zeil, Martin FDP 01.12.2006
Zimmermann, Sabine DIE LINKE 01.12.2006
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
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ommunen für Unterkunft und Heizung bei der Grund-
icherung für Arbeitsuchende.
Das Gesetz ist ein weiterer eindrucksvoller Beweis
afür, dass diese Bundesregierung sich ihrer Verantwor-
ung gegenüber den Kommunen bewusst ist. Schon im
etzten Jahr war es ein besonderes Anliegen der CSU,
ass ein fairer Ausgleich zwischen Bund einerseits und
ändern und Kommunen andererseits für die durch
artz IV entstandenen Kosten geschaffen wird. Auch für
007 ist es uns gelungen, den gesetzlichen Vorgaben
§ 46 SGB II) in angemessener Weise Rechnung zu tra-
en. Statt der ursprünglich im Bundeshaushalt 2007 ver-
nschlagten 2 Milliarden Euro, die zu niedrig angesetzt
aren, haben wir es geschafft, dass der Bund sich mit
,3 Milliarden Euro auch 2007 in adäquater Weise an
en Kosten für Unterkunft und Heizung beteiligt.
Noch wichtiger ist aber, dass wir über das nächste
ahr hinaus Planungssicherheit für Kommunen und
und geschaffen haben. Durch die Anknüpfung an die
ntwicklung der Bedarfsgemeinschaften auf Grundlage
er – schon bisher – von der Bundesagentur für Arbeit
rstellten Statistik wird zukünftigen Entwicklungen der
ostensituation in gerechter und unbürokratischer Weise
ntsprochen.
Lassen Sie mich nun noch ein paar Sätze zum Antrag
er Linken, der hier mitbehandelt wird, verlieren. Sie
ollen in zahlreichen Fällen von einer Prüfung der An-
emessenheit des Wohnraums abweichen – sowohl in
eitlicher wie in personeller Hinsicht. Der Antrag reiht
ich in die zahlreichen Bestrebungen der Linken hin zu
iner staatlichen Rundumversorgung von Hartz IV-Emp-
ängern auf Kosten der übrigen Bürger nahtlos ein. Wie-
er einmal lassen Sie die Finanzierung völlig offen. Auf
iese Weise würden Sie die Situation der Hilfebedürfti-
en weiter verfestigen und diese Menschen dauerhaft zu
ittstellern beim Staat machen. Sie fördern Abhängig-
eit statt Unabhängigkeit. Dies passt zu Ihrer Partei und
st im höchsten Maße unsozial. Im Übrigen darf ich Sie
ur Angemessenheit des Wohnraums auf die neueste
echtsprechung des Bundessozialgerichts verweisen.
Im Gegensatz zum Antrag der Linken, den wir natür-
ich ablehnen, schafft unser Gesetzentwurf Planungs-
icherheit in der Zukunft und gibt den Kommunen aus-
eichende Finanzmittel an die Hand, um ihrer
ozialpolitischen Aufgabe zur Bereitstellung von Unter-
unft im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsu-
hende nachzukommen. Ich bitte Sie daher dafür um
hre Zustimmung.
Karl Schiewerling (CDU/CSU): Der vorliegende
esetzentwurf zur Beteiligung des Bundes an den kom-
unalen Kosten für Wohn- und Heizkosten für ALG-II-
mpfänger ist ein sehr fairer Kompromiss: für Bund,
änder und Kommunen.
Die harten Zahlen beweisen: Für seine Beteiligung an
en Kosten der Unterkunft wird der Bund nächstes Jahr
,3 Milliarden Euro an Länder und Kommunen überwei-
en. Diese Summe ist immerhin mehr als das Doppelte
on dem, was der Regierungsentwurf zum Bundeshaus-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7145
(A) )
(B) )
halt ursprünglich dafür vorgesehen hatte. Der Bund hat
also die Notwendigkeit zum Aufstocken eingesehen. Er
verhält sich fair gegenüber den Kommunen und zeigt
seine Verlässlichkeit. Der Bund hält seinen Teil der be-
stehenden Zusagen vollends ein. Wir kommen mit dieser
Summe unserer Pflicht und Verpflichtung redlich nach,
wie es damals bei der Arbeitsmarktreform festgelegt
worden war: Die Kommunen werden um jährlich
2,5 Milliarden Euro bei den Wohn- und Heizkosten ent-
lastet. Genau diese Verpflichtung erfüllen wir hier und
heute, auch wenn mancher Vertreter von kommunalen
Spitzenverbänden nach noch mehr Geld und noch mehr
Bundesbeteiligung ruft.
Nun ist es nur fair, wenn auch der Bund die Frage an
die Kommunen stellen darf, wie es denn um die Einhal-
tung ihrer Zusagen steht. Ich kann in diesem Zusammen-
hang nur eindringlich daran appellieren, dass die Kom-
munen ernst machen mit ihren zugesagten Aktivitäten
für die Kinderbetreuung. 1,5 Milliarden wollten die
Kommunen investieren – ich hoffe, dass sie das auch tun
werden. Familienpolitik von Bund, Länder und Gemein-
den muss niemanden greifen, sonst verfehlt sie ihr Ziel.
Dieses Gesetz ist in besonderer Weise fair gegenüber
Bundesländern wie Baden-Württemberg und Rheinland-
Pfalz. Bei ihnen wäre es bei einer einheitlichen Beteili-
gung des Bundes von 31,8 Prozent zu den bekannten
„horizontalen Verwerfungen“ gekommen. An der bun-
desweiten Entlastung von 2,5 Milliarden Euro hätten
dann vor allem Kommunen aus diesen beiden Bundes-
ländern nicht angemessen partizipieren können. Aus die-
sem Grund wird ein horizontaler Ausgleich unter den
Ländern geschaffen. Durch das einstimmige Votum im
Bundesrat wird die Bundesbeteiligung für Baden-
Württemberg auf 35,2 Prozent und für Rheinland-Pfalz
auf 41 ,2 Prozent erhöht. Gleichzeitig haben sich die an-
deren 14 Länder auf eine Bundesbeteiligung in Höhe
von 31,2 Prozent geeinigt. Ich halte diese einstimme
Entscheidung des Bundesrates für bemerkenswert.
Von echter Fairness ist auch der Blick in die Zukunft
geprägt: Ab 2008 entscheidet über die Höhe des Bundes-
anteils der echte Bedarf in den Kommunen. Mehr
Bedarfsgemeinschaften bedeuten einen höheren Bundes-
zuschuss und umgekehrt. Insgesamt ist diese Verläss-
lichkeit untereinander elementar wichtig. Denn nur ge-
meinsam können wir die eigentliche Herausforderung,
die Beseitigung von Arbeitslosigkeit – insbesondere bei
Langzeitarbeitslosigkeit – meistern. Dass wir auf dem
richtigen Weg sind, zeigen erneut die aktuellen Arbeits-
marktzahlen: Die positive Entwicklung der vergangenen
Monate hat sich fortgesetzt. Der Konjunkturaufschwung
hat die Zahl der Arbeitslosen unter die 4-Millionen-
Marke sinken lassen. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es
536 000 Arbeitslose weniger. Die Quote liegt bei 9,6 Pro-
zent.
Zu unserer großen Freude schaffen nicht nur Men-
schen aus dem Bereich des SGB III den Sprung aus der
Arbeitslosigkeit, sondern vermehrt auch Menschen aus
dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitslose.
Allerdings: Nicht alle profitieren von diesem positi-
ven Trend. In großen Teilen Ostdeutschlands und in eini-
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en Gebieten im Westen gestaltet sich der Arbeitsmarkt
esonders schwierig. Besonders strukturschwache Ge-
iete leiden unter Abwanderung, ganze Landstriche blu-
en aus. Auch diesen strukturschwachen Gebieten, in de-
en mehr als 20 Prozent der Menschen arbeitslos sind
nd mehr als 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen
on Sozialhilfe leben, müssen wir ein verlässlicher Part-
er sein.
Wie es insgesamt mit der Organisation unserer Grund-
icherung weitergeht, bleibt spannend. Wir warten auf
as Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dem SGB II
iegt die Erkenntnis zugrunde, dass die Integration der
ilfebedürftigen vor Ort gelöst werden muss. Die Verant-
ortung liegt bei den Kommunen vor Ort. Können Sie
as allein nicht schultern, haben sie Anrecht auf Unter-
tützung vonseiten des Bundes und der Länder. Das ist
ubsidiarität.
Das Prinzip der Subsidiarität muss auch Maßstab der
ukünftigen Zusammenarbeit innerhalb des SGB II sein.
entrale Vorgaben müssen deutlich reduziert werden.
tattdessen müssen gemeinsam formulierte überprüfbare
iele, die den vorhandenen Strukturen Rechnung tragen,
rarbeitet werden.
Wir stimmen dem vorliegenden Gesetz zu.
Angelika Krüger-Leißner (SPD): Ich glaube, bei
en Kosten der Unterkunft brauchen wir vor allem eines:
lanungssicherheit für die Kommunen. Das jährliche
in und Her bei den Verhandlungen, die Streitigkeiten
ber die unterschiedliche Zahlenbasis, die jede Seite ver-
endet, und die damit verbundenen Unsicherheiten bei
en Haushaltsaufstellungen der Kommunen müssen ein
nde haben.
Staatssekretär Thönnes hat schon darauf hingewiesen:
er Bund hat den Kommunen ein großzügiges Angebot
emacht. Er ist ihren Forderungen sehr weit entgegenge-
ommen. Das sage ich auch angesichts der zusätzlichen
aushaltsbelastung von 2,3 Milliarden Euro für den
und, die alles andere als unwesentlich ist.
Mit der Bundesbeteiligung von 31,8 Prozent sichern
ir, dass alle Länder entlastet werden. Zugegeben: Die
ntlastung ist von Land zu Land unterschiedlich; je
achdem, wie hoch die Anzahl der Sozialhilfeempfänger
uvor war. Aber die Bundesbeteiligung bei allen prozen-
ual gleichzusetzen ist eine faire Lösung.
Dass der Bund sich darüber hinaus nun bereit erklärt
at, die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-
falz zusätzlich zu entlasten, zeigt noch einmal, dass die
undesregierung sehr an einer einvernehmlichen Lö-
ung interessiert ist.
Dass die anderen Länder dafür bereit sind, auf einen
eil der Bundesbeteiligung zu verzichten, zeigt mir wie-
erum, dass die Entlastung durch die erhöhte Bundesbe-
eiligung offenbar doch nicht so schlecht ausfällt, wie
ie Länder und Kommunen immer wieder bemängeln,
ch hatte bei den Stellungnahmen der Spitzenverbände in
er Anhörung zuvor anderes vernommen.
7146 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
(A) )
(B) )
Ich sage ganz ehrlich: Verstehen tue ich diesen Vor-
schlag nicht. Aber wenn die Länder das so wollen, wenn
die meisten sogar bereit sind, auf Geld zu verzichten,
dann werden wir uns dem nicht entgegenstellen. Ich
freue mich aber, dass es hier zu einer Einigung gekom-
men ist.
Am Wichtigsten ist jedoch, dass nun der Prozess der
Umsetzung reibungslos laufen kann. Das ist auch zual-
lererst für die Hilfebedürftigen von großer Wichtigkeit.
In diesem Zusammenhang war es mir besonders
wichtig, dass der Ausgleich Ost durch die Sonderbe-
darfsabgabe bei den KdU bis 2010 verlängert wurde.
Nur durch die Solidarität aller 16 Länder ist es möglich,
die Sonderbelastung der ostdeutschen Länder durch den
hohen Anteil ehemaliger Arbeitslosenhilfeempfänger zu
kompensieren.
Die Forderung der Kommunen allerdings, die künf-
tige Entwicklung der Bundesbeteiligung nicht an den
Bedarfsgemeinschaften zu messen, sondern an den tat-
sächlichen Ausgaben, ist absolut kontraproduktiv. Wür-
den wir das, so wie der Bundesrat es gefordert hat, um-
setzen, würde der Bund das komplette Risiko bei der
Kostenentwicklung tragen. Und das kann nicht sein!
Die Kommunen stehen in der Verantwortung vor Ort,
dass faire und gerechte – aber auch angemessene – Un-
terkunftskosten bezahlt werden. Das klappt in der Regel
auch sehr gut, weswegen ich den vorliegenden Gesetz-
entwurf der Linken für nicht sachgemäß halte.
Wenn der Bund aber das gesamte Risiko trägt, wird
letztlich das Interesse schwinden, die Kosten im Rahmen
zu halten. Außerdem ist die Zahl der Bedarfsgemein-
schaften eine valide Grundlage und für die Bürgerinnen
und Bürger transparent.
Wir bleiben bei der Orientierung an den Bedarfsge-
meinschaften. Dann haben auch Länder und Kommunen
ein vitales Interesse daran, die Anzahl der Bedarfsge-
meinschaften zu senken. Im Klartext heißt das: Wir müs-
sen gemeinsam für einen nachhaltigen Abbau der Lang-
zeitarbeitslosigkeit kämpfen. Dieses Ziel sollten wir
immer im Auge behalten.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die heutige Ent-
scheidung für die Kommunen von großer Bedeutung ist.
Sie schafft mittelfristige Planungssicherheit und gibt den
finanziellen Rahmen für weitere wichtige Aufgaben, wie
den Ausbau der Kinderbetreuung. Ich bin sicher, dass
Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit den zu-
sätzlichen Geldern hier besondere Anstrengungen leisten
werden. Daher sollten wir alle diesem Gesetzentwurf zu-
stimmen und einen immer wiederkehrenden Streit zwi-
schen Bund, Ländern und Kommunen für die nächsten
Jahre beenden.
Jörg Rohde (FDP): Heute befinden wir über eine
Fortschreibung des Gesetzes zur Kostenverteilung der
KdU, der Kosten der Unterkunft. Wenn wir den Gesetz-
entwurf von Union und SPD genau prüfen – und dies ha-
ben wir in der FDP-Fraktion natürlich gründlich getan –,
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ann können wir einige gute und einige schwache
unkte finden.
Fangen wir mit den positiven Punkten an. Endlich
erden Konsequenzen daraus gezogen, dass sich die von
er faktisch großen Koalition im Vermittlungsverfahren
m Dezember 2003 beschlossene Revisionsklausel als
ndurchführbar erwiesen hat. Dies hat wiederholt dazu
eführt, dass die Kommunen erst kurz vor Jahresende
lanungssicherheit bekamen und das weitgehend losge-
öst von deren tatsächlichen Belastungen, sondern durch
ie Verständigung auf eine quotale Bundesbeteiligung an
en Kosten der Unterkunft. Jetzt soll die jährliche An-
assung durch eine Formel vereinfacht werden. Soweit
o gut. Wir erkennen auch an, dass gegenüber dem ur-
prünglichen Haushaltsansatz von 2 Milliarden Euro nun
,3 Milliarden Euro vom Bund an die Kommunen flie-
en sollen.
Das war das Ergebnis eines Verhandlungskompromis-
es zwischen Bund und Ländern und hier kann ich dann
um ersten Teil unserer Kritik überleiten. Die kommuna-
en Spitzenverbände haben bereits vor Wochen errech-
et, dass eigentlich 5,8 Milliarden Euro als Kostenanteil
es Bundes an den KdU notwendig wären. Hier haben
und und Länder wieder einmal eine Verabredung zulas-
en Dritter getroffen.
Das können wir nicht einfach so hinnehmen. Die FDP
teht zu der Zusage, die Kommunen im Rahmen der Zu-
ammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe um
nsgesamt 2,5 Milliarden Euro zu entlasten. Jetzt bleibt
lso nach Berechnung der Kommunen und Länder mög-
icherweise nur noch 1 Milliarde Euro an Entlastungen
brig. Sie wird nicht gleichmäßig an die Kommunen
erteilt, sondern einige erhalten viel und andere zahlen
ei diesem Verfahren drauf. Ihr Gesetz ist hier sehr un-
erecht, meine Damen und Herren von der Koalition.
Jetzt komme ich noch einmal auf die Berechnungsfor-
el für die zukünftige Kostenverteilung zurück. Ihre
ormel baut auf der Anzahl der Bedarfsgemeinschaften
uf. In der Anhörung letzte Woche haben wir gehört,
ass die Kommunen die tatsächlich entstehenden Kosten
ls maßgebende Berechnungsgrundlage für gerechter
alten. Ich möchte Ihnen kurz einige Beispiele nennen:
um Ersten ist es sicher nachzuvollziehen, dass eine Be-
arfsgemeinschaft mit zum Beispiel neun Personen mehr
osten verursacht, als ein Single.
Zum Zweiten wissen Sie sicher aus Ihren Wahlkrei-
en, dass es sehr unterschiedliche Fälle gibt. So muss bei
ir im Wahlkreis der Landkreis Erlangen-Höchstadt für
ur fünf Familien circa 42 000 Euro jedes Jahr aufbrin-
en. Hier einfach nur die Bedarfsgemeinschaften zu zäh-
en ist nicht fair.
Zum Dritten möchte ich an die BAföG-Empfänger er-
nnern, deren Unterkunftskosten ab dem 1. Januar eben-
alls von den Kommunen mitfinanziert werden müssen.
n der Anhörung haben wir gehört, dass die Studenten
ar keine Bedarfsgemeinschaften bilden, da Sie ja zu-
eist jünger als 25 Jahre sind. Bei diesem Beispiel stei-
en die Ausgaben für die Kommunen also, obwohl die
nzahl der gezählten Bedarfsgemeinschaften konstant
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7147
(A) )
(B) )
bleibt. Auch hier geht der Bund nicht fair mit den Kom-
munen um.
Zum Vierten und Letzten möchte ich festhalten, dass
die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften sich auch unab-
hängig von der Anzahl der in den Arbeitsmarkt integrier-
ten Langzeitarbeitslosen verändern kann. Wir haben im
Ausschuss bereits festgestellt, dass die Anzahl der Be-
darfsgemeinschaften sinkt, wenn sich Hilfeempfänger
zusammenschließen und zum Beispiel heiraten. Im Ge-
genzug kann bei Scheidungen die Anzahl der Bedarfs-
gemeinschaften steigen. Des Weiteren könnte die Defini-
tion der Zählweise bei der Ermittlung der Anzahl der
Bedarfsgemeinschaften durch uns als Gesetzgeber geän-
dert werden.
Wie Sie sehen, gibt es zu viele Stellschrauben und Pa-
rameter, die Einfluss auf die Anzahl der Bedarfsgemein-
schaften haben, ohne dass sich dabei die Kostenbelas-
tung für die Kommunen entsprechend verändert. So ist
eine echte Planungssicherheit für die Kommunen trotz
langfristiger Festlegung einer Formel wieder nicht gege-
ben.
Wenigstens eine Bemerkung möchte ich zum Antrag
der Linksfraktion machen: Sie bleiben die Antwort
schuldig, wer Ihre Wünsche bezahlen soll. Wäre es der
Bund, bitte ich vor der Diskussion um einen Deckungs-
vorschlag. Sollten Sie an die Kommunen gedacht haben,
so erinnere ich Sie an die Föderalismusreform; wir wol-
len doch keine Gesetze mit neuen Kostenbelastungen für
die Kommunen diskutieren. Die FDP lehnt daher den
Antrag der Linken ab.
Zusammenfassend kann ich feststellen, dass es zwar
gut ist, dass die Kommunen mehr Geld erhalten als ur-
sprünglich befürchtet, die FDP kann dem Gesetz aber
nicht zustimmen, vor allem da die vorgesehene Anpas-
sungsklausel sich nicht an den tatsächlichen Kosten
aufseiten der Kommunen orientiert. Daher wird sich die
FDP-Fraktion bei diesem Gesetzesvorhaben der Stimme
enthalten.
Katja Kipping (DIE LINKE): Den Job zu verlieren,
auf Arbeitslosengeld II angewiesen zu sein, dass ist
schon schlimm genug. Wenn dann noch der Auszug aus
der alten Wohnung erzwungen wird, dann stellt das eine
besondere Katastrophe dar. Ist doch mit dem Wohnungs-
wechsel in einer billigeren Wohnung auch oft die Tren-
nung vom sozialen Umfeld verbunden. Besonders hart
trifft dies Kinder, die für die die Arbeitslosigkeit der El-
tern einhergeht mit dem Wechsel in eine andere Schule
und der Trennung von Spielkameraden. Verschärfend
kommt hinzu, dass für jemanden, der von Arbeitslosen-
geld II leben muss, der Erwerb von Fahrkarten oft zum
Luxus wird. Insofern sollten die Kommunen sehr sensi-
bel sein bei der Festlegung der angemessenen Wohnkos-
ten. Die Fraktion Die Linke schlägt vor, bundesweit
Mindeststandards für die angemessenen Wohnkosten
festzulegen. Dabei handelt es sich nicht um quantitative
Mindeststandards. Wir wollen natürlich nicht bundes-
weit die gleiche Höhe, dafür sind die Mietkosten regio-
nal viel zu unterschiedlich. Uns geht es um qualitative
Standards. So sieht unser Antrag beispielsweise vor, dass
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enschen mit Behinderung und über 60-Jährige und
lleinerziehende mit mindestens zwei Kindern auf jeden
all in ihrer bisherigen Wohnung bleiben können. Um-
üge bedeuten immer einem Aufwand, für diese Perso-
engruppen aber einen besonders großen, der oft nicht
m Verhältnis zu den Einsparungen für die Kommunen
teht. Zudem schlagen wir vor, dass vor einem mögli-
hen Wohnungswechsel für jeden Einzelfall eine Wirt-
chaftlichkeitsprüfung zu erstellen ist. Mit einem Umzug
ind viele Kosten verbunden: die Schönheitsreparaturen
n der alten Wohnung, die Transportkosten, die Kaution
ür die neuen Wohnung etc, etc. Wenn die Mietkosten
ür die neue Wohnung nur ein bisschen niedriger sind,
ann es passieren, dass die umzugsbedingten Kosten hö-
er sind als die Einsparungen bei der Miete. Wenn ein
mzug also in der Bilanz noch nicht einmal wirtschaft-
ich ist, dann sollte man die Menschen nun wahrlich
icht noch dazu bringen, ihr gewohntes Lebensumfeld
erlassen zu müssen.
Üblicherweise verweisen Sie ja zu gern darauf, dass
ir in Berlin mitregieren. In den bisherigen Ausschuss-
ebatten ist dieser Hinweis diesmal ausgeblieben.
önnte es vielleicht daran liegen, dass die Ausführungs-
estimmung Wohnen in Berlin für die Betroffenen deut-
iche Vorteile bringt. Die Standards, die wir in unserem
ntrag fordern, sind in Berlin vom rot-roten Senat be-
eits umgesetzt worden. Im Ergebnis dieser Regelungen
ekamen in Berlin nur 1,8 Prozent der Bedarfsgemein-
chaften die Aufforderung, ihre Wohnkosten zu senken.
nd nur 0,03 Prozent, das sind rund 100 Bedarfsgemein-
chaften, mussten aus Kostengründen umziehen. Was
ie Linke vorschlägt, ist also in Berlin Realität. Außer-
em wird unser Antrag vom DGB und vom Mieterbund
nterstützt. Sie können ihm also getrost zustimmen. Als
artz IV eingeführt wurde, hieß es, die Kommunen sol-
en dadurch um 2,5 Milliarden Euro entlastet werden,
ie sie dann in Kinderbetreuung investieren können. In-
wischen geht es vielen Kommunen nur noch darum,
ass wenigstens die Haushaltsdefizite, die durch
artz IV entstehen, sich in Grenzen halten. Vor diesem
intergrund ist es für mich völlig unverständlich, wie
ie Bundesregierung ernsthaft im 1. Haushaltsentwurf
orschlagen konnte, den Bundeszuschuss zu den Kosten
er Unterkunft zu halbieren.
Herr Müntefering hat ernsthaft vorgeschlagen, dass
er Bund künftig nur 15,5 Prozent der Kosten über-
immt. Der Gesetzentwurf sieht nun vor, dass der Bund
ehr als 31 Prozent übernimmt. Das ist zwar noch nicht
ie Summe, die die Kommunen für erforderlich halten,
ber immerhin das Doppelte von dem ursprünglichen
nsatz. Ohne den Widerstand der Kommunen und der
inksfraktion im Bundestag wäre diese Verdopplung
ohl nicht zustande gekommen. Die Geschichte dieses
esetzentwurfes zeigt also, dass es sich lohnt, sich nicht
lles von der Bundesregierung gefallen zu lassen und
ich zu wehren! Um den alljährlichen Verhandlungsma-
athon um die Höhe des Bundeszuschusses zu be-
renzen, wollen Sie eine Gleitklausel einführen. Nun,
arüber kann man reden. Völlig indiskutabel ist jedoch
ür mich, dass Sie die Zahl der Bedarfsgemeinschaften
um Indikator erheben. Die Sachverständigenanhörung
7148 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
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hat eindeutig ergeben, dass die Zahl der Bedarfsgemein-
schaften eben kein geeigneter Indikator für die tatsächli-
chen Kosten ist. So wird die entscheidende Kostenexplo-
sion im Bereich der Energiekosten stattfinden. Alle
Sachverständigen außer dem Vertreter der Bundesagen-
tur sprachen sich gegen Ihr Vorhaben aus. Und den Ver-
treter der Arbeitgeber musste die die CDU eine positive
Aussage zu diesem Vorhaben geradezu abbetteln. Kein
Wunder, dass dann der so genötigte Sachverständige
keine wirklich plausible Begründung dazu liefern
konnte.
Wenn Sie eine Gleitklausel wollen, dann orientieren
Sie sich nicht an der Zahl der Bedarfsgemeinschaft, son-
dern an den tatsächlichen Kosten. Meine Damen und
Herren von der CDU, wenn es Ihnen auch nur ein klein
bisschen ernst ist mit ihrem Dresdner Parteitagsbe-
schluss zur besseren Kinderbetreuung, dann sorgen Sie
dafür, dass die Kommunen auch finanziell dazu in die
Lage versetzt werden. Die Erhöhung des Bundeszu-
schusses zu den Kosten der Unterkunft wäre ein erster
Schritt dazu.
Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir
debattieren hier leider erneut ein Gesetz, das in einem
sehr zweifelhaften Eilverfahren durch die Gremien des
Deutschen Bundestages gebracht wurde. Ich möchte es
als ein weiteres „47,5-Stunden-Gesetz“ bezeichnen,
mehr Zeit wurde uns Parlamentariern nämlich nicht zu
Debatte und Reflexion gelassen. Dass so qualitativ nur
sehr fragwürdige Ergebnisse entstehen, wird hier erneut
deutlich.
Mit dem Gesetzentwurf soll gesichert werden, dass
sich der Bund in 2007 und in den Folgejahre an den Kos-
ten der Unterkunft – KdU – ALG-II-Bezieher beteiligt,
um somit die zugesicherte Entlastung der Kommunen si-
cherzustellen. Durch die Bundesbeteiligung soll erreicht
werden, dass die Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden
Euro jährlich im Vergleich zur Situation von vor Hartz IV
entlastet werden. Dafür stellt der Bund in diesem Jahr ins-
gesamt 4,3 Milliarden Euro zur Verfügung. So weit, so
gut. Bis dahin unterstützen auch wir diese gesetzliche Re-
gelung.
Welche Argumente dann aber in den Verhandlungen
zwischen Bundesrat und Bundesregierung die Regie-
rungskoalitionen dazu gebracht haben, mit entsprechen-
den Änderungsanträgen fünf Minuten vor der gestrigen
Ausschusssitzung, die gesamte Finanzarchitektur zwi-
schen Bund und Ländern aus den Angeln zu heben, ist
mir unerklärlich.
Im Bundesrat forderten insbesondere die Bundeslän-
der Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einen hö-
heren Anteil, da sie ihre Belastungen nicht angemessen
berücksichtigt sahen. Ursprünglich war auch das Bun-
desland Nordrhein-Westfalen dazu aufgefordert, gegen
den vereinbarten Verteilungsschlüssel vorzugehen, aber
offenbar hat sich der dortige Ministerpräsident Jürgen
Rüttgers in den letzten Wochen lieber in andere Ausei-
nandersetzungen eingemischt und die Interessen seines
Landes nicht so wirkungsvoll vertreten, wie seine Kolle-
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en Ministerpräsidenten aus Rheinland-Pfalz und Baden-
ürttemberg. Diese jedenfalls forderten, das Gesetz da-
in gehend zu ändern, dass der Bundesanteil für Baden-
ürttemberg auf 35,2 Prozent und der für Rheinland-
falz auf 41,2 Prozent erhöht wird. Im Gegenzug – so die
tellungnahme des Bundesrates – sollen die übrigen
4 Bundesländer statt der politisch vereinbarten 31,8 Pro-
ent nur 31,2 Prozent Bundesbeteiligung an den Kosten
er Unterkunft erhalten. Diese Bundesratsentscheidung
at auf dem Wege eines Änderungsantrags in einer leider
nzwischen üblichen „Nacht-und-Nebel-Aktion“ den
eg in den hier zu beratenden Gesetzentwurf gefunden.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
ion, scheinbar ist weder Ihnen noch den Kollegen im
undesrat aufgefallen, dass nach einer solchen Regelung
er Bund mit einem Geldleistungsgesetz an unterschied-
iche Bundesländer unterschiedlich hohe Geldleistungen
ahlt. Dieses Auszahlungsverfahren ist meiner Auffas-
ung nach nicht mit dem Grundgesetz Art. 104 a, Abs. 3
ereinbar. In Art. 104 a, Abs: 3 ist insbesondere durch
atz 2 klar festgestellt, dass in einem Geldleistungsge-
etz nur eine für alle Bundesländer einheitliche Behand-
ung durch den Bund zulässig ist. Sollte es politisch ge-
ünschte Verteilungen zwischen den einzelnen Ländern
eben, so wären diese auf anderem Weg zu regeln – etwa
urch Bundessonderergänzungszuweisungen, wie es sie
ereits derzeit in Bezug auf die besondere KdU-Belas-
ung der ostdeutschen Bundesländer gibt. Des Weiteren
tünden alle Möglichkeiten im Rahmen des Länderfi-
anzausgleichs offen.
Die im hier nun vorliegenden „Entwurf eines Geset-
es zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
nd des Finanzausgleichsgesetzes“ getroffene Aus-
leichsregelung hingegen erscheint vor dem Hintergrund
er Anforderungen des Artikels 104 a, Abs. 3 Grundge-
etz geradezu willkürlich und wenig durchdacht. Unab-
ängig von der möglicherweise verfassungsrechtlich un-
ulässigen Verfahrenslösung ist auch die vorgebliche
ehrbelastung der beiden genannten Länder nicht hin-
eichend begründet.
Ich habe meine Bedenken daher noch gestern Abend
n einem Schreiben an den Bundespräsidenten Horst
öhler formuliert. Sollte der Bundespräsident zu einer
leichen Einschätzung über die verfassungsrechtlichen
ängel dieses Gesetzes kommen, würde ein finanzpoli-
isch überaus voluminöser Kompromiss zwischen den
undesländern und dem Bund ins Wanken geraten.
uch ist der politische Druck immens, das Gesetz zum
. Januar 2007 in Kraft treten zu lassen.
Dennoch, wir können es nicht länger zulassen, dass
ie große Koalition mit ihrer breiten Mehrheit so ent-
cheidende Gesetze inhaltlich fehlerhaft und dann auch
öglicherweise nicht verfassungskonform formuliert.
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundes-
inister für Arbeit und Soziales: Eine Zeit intensiver
espräche und Verhandlungen zwischen Bund und Län-
ern liegt zu dem heute diskutierten Gesetzentwurf hin-
er uns.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7149
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(B) )
Gemäß den Vorschriften des § 46 Abs. 5 SGB II sollen
die Kommunen im Zuge der Umsetzung des Vierten Ge-
setzes für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
um insgesamt 2,5 Milliarden Euro entlastet werden. Um
dies sicherzustellen, haben Bundestag und Bundesrat im
Vermittlungsausschussverfahren 2004 vereinbart, dass
sich der Bund an den Kosten der Unterkunft von ALG-II-
Beziehern beteiligt. Im Dezember 2005 wurde für die
Jahre 2005 und 2006 die Bundesbeteiligung abschlie-
ßend auf 29,1 Prozent festgelegt. Für die Jahre ab 2007
musste eine gesetzliche Neuregelung gefunden werden.
Daran hat die Bundesregierung in den letzten Monaten
gearbeitet Das Ergebnis liegt nun vor.
Der Weg dahin war nicht leicht. Eine ganze Reihe von
Abstimmungsgesprächen mit den Ländern brachte zu-
nächst keine ausreichende Annäherung der Positionen.
Schließlich führte ein politisches Spitzengespräch am
2. November zum vorliegenden Kompromiss: Erstens.
Der Beteiligungssatz für das Jahr 2007 wird – gegenüber
2006 – auf 31,8 Prozent angehoben. Zweitens. Der Betei-
ligungssatz in den Jahren 2008 bis 2010 orientiert sich an
der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften.
Drittens. Der so genannte Ausgleich Ost über Sonderbe-
darfs-Bundesergänzungszuweisungen wird um ein Jahr
damit ebenfalls bis 2010 verlängert.
Die Länder haben in der letzten Woche hierzu drei
Änderungsvorschläge vorgetragen. Zweien davon kann
der Bund entgegenkommen: Zum einen wird gefordert,
in den Ländern eine unterschiedliche Höhe der Bundes-
beteiligung an den Leistungen für Unterkunft und Hei-
zung für Empfänger der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende für das Jahr 2007 festzulegen. Konkret: Die
Höhe der Bundesbeteiligung soll für 14 Länder auf
31,2 Prozent sowie aus Gründen des horizontalen Aus-
gleichs für Baden-Württemberg auf 35,2 Prozent und für
Rheinland-Pfalz auf 41,2 Prozent festgeschrieben wer-
den. Um das Gesetzgebungsverfahren noch in diesem
Jahr abzuschließen und damit Planungssicherheit für die
Kommunen ab Beginn des Jahres 2007 herzustellen, be-
grüßen wir die Entscheidung der Koalitionsfraktionen,
dem einstimmig gefassten Beschluss des Bundesrates
hier zu folgen.
Zum Zweiten haben die Länder gefordert, dass die
Bundesbeteiligung für die Zeit ab 2011 geprüft und
durch Bundesgesetz geregelt wird. Auch hier sind die
Koalitionsfraktionen dem Bundesrat gefolgt. Eine Be-
fristung der Bundesbeteiligung bis zunächst 2010 im Ge-
setzentwurf bedeutet nicht, dass sich der Bund in den
Jahren danach aus seiner Verantwortung zurückzieht.
Vielmehr sollen rechtzeitig vor 2011 die erforderlichen
Entscheidungen vor dem Hintergrund der bis dahin ge-
wonnenen Erkenntnisse getroffen werden.
In einem dritten Punkt konnte man dem Bundesrat je-
doch nicht zustimmen: In den Jahren ab 2008 sollte die
Anpassung nach der Entwicklung der Zahl der Bedarfs-
gemeinschaften erfolgen. An dieser Stelle – wie es der
Bundesrat fordert – die Höhe der Ausgaben für Leistun-
gen für Unterkunft zum Maßstab zu machen, lehnt die
Bundesregierung ab. Und zwar aus gutem Grund: Es ist
eines der vorrangigen politischen Ziele im Bereich des
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GB II, die Anzahl der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
urch Vermittlung in Arbeit bzw. die Anzahl der Be-
arfsgemeinschaften im SGB II zu reduzieren.
Es ist deshalb gut, dass nunmehr einem ersten Vor-
chlag aus dem Kreise der Länder gefolgt wird, der wäh-
end der politischen Abstimmungsgespräche vorge-
racht wurde und der eine unmittelbare Verknüpfung
ieses politischen Ziels mit der Festlegung der Höhe der
undesbeteiligung an den Leistungen für Unterkunft an-
egte. Wir unterstützen damit auch eine effiziente Arbeit
er Träger vor Ort und setzen einen positiven Anreiz für
ie notwendige Prüfung der Angemessenheit der Wohn-
osten. Was wäre denn, wenn wir die Ausgaben für KdU
um Maßstab machen würden? Diese Ausgaben werden
llein von den Kommunen gesteuert. Sie entscheiden
ber die Angemessenheit der Wohnkosten und hier gibt
s durchaus regional unterschiedliche Handlungsweisen.
ürden wir die Ausgaben nun zum Maßstab der Anpas-
ung machen, dann könnten regionale Meinungsver-
chiedenheiten zulasten des Bundes aufgelöst werden,
ie würden nicht mehr untereinander im Wettbewerb dis-
utiert. Von den Kommunen zugelassene, nicht genü-
end eingedämmte Kostensteigerungen müssten vom
und getragen werden. Das können wir nicht akzeptie-
en.
Insgesamt ist die Bundesregierung der Auffassung,
ass mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
weiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzaus-
leichsgesetz die politische Verständigung zwischen
und und Ländern über die Gestaltung der Bundesbetei-
igung an den Leistungen für Unterkunft für das Jahr
007 mit einer Beteiligungsquote von 31,8 Prozent so-
ie die Folgejahre angemessen umgesetzt wird. Der
und steht damit zu seiner Zusage, die Kommunen um
,5 Milliarden Euro jährlich zu entlasten. Nach den Be-
echnungen des Bundes wird dies jetzt vermutlich sogar
eutlich mehr sein.
Zwei Feststellungen sind jedoch noch notwendig: Ers-
ens. Die Bundesregierung verbindet mit ihrer Zusage an
ie Kommunen die klare Erwartung, dass die Entlastun-
en – zumindest teilweise, mit 1,5 Milliarden Euro pro
ahr – für den Ausbau der Kinderbetreuung eingesetzt
erden. Das mag an der einen oder anderen Stelle anders
esehen werden. Für die Bundesregierung bestehen hier
edoch eindeutige politische Absprachen. Wir werden sie
eiter einfordern! – Gerade vor dem Hintergrund, dass
ntsprechendes Handeln der Kommunen gegenwärtig
icht in ausreichendem Umfang erkennbar ist. Denn
chließlich gilt es hier auch gute Voraussetzungen für die
ereinbarkeit von Familie und Beruf und damit auch Ar-
eitszugang für Alleinerziehende zu schaffen.
Zweitens. Der Bund kann sicherstellen, dass die Kom-
unen insgesamt um 2,5 Milliarden Euro entlastet wer-
en. Er kann aber nicht die Entlastung jeder einzelnen
ommunen garantieren. Das unterbindet unsere Finanz-
erfassung. Hier sind eindeutig die Länder gefragt. Sie
üssen im Wege des kommunalen Finanzausgleichs für
inen angemessenen Ausgleich sorgen. Die Beteiligung
n den Kosten der Unterkunft in Höhe von 31,8 Prozent
ührt nun zu einer finanziellen Belastung des Bundes in
7150 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
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Höhe von 4,3 Milliarden Euro, das heißt Mehrausgaben
gegenüber dem Ansatz im Regierungsentwurf zum Bun-
deshaushalt 2007 in Höhe von 2,3 Milliarden Euro.
Dieses Gesamtergebnis mit seinen Werten ist Aus-
druck guter Planungssicherheit für die Kommunen, ist
eine gute Grundlage für Investitionen in die Kinderbe-
treuung und damit in die Zukunft unseres Landes und ist
für alle ein akzeptabler Kompromisse.
Anlage 3
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: National bedeutsa-
mes Kulturgut wirksam schützen (Tagesord-
nungspunkt 30)
Steffen Reiche (Cottbus) (SPD): Die FDP hat mit
ihrem Antrag „National bedeutsames Kulturgut wirksam
schützen“ ein wichtiges Thema aufgegriffen. Der Staats-
minister für Kultur und die Koalition arbeiten an der Lö-
sung der hierin aufgeworfenen Probleme, was nicht zu-
letzt das Treffen im Kanzleramt zeigte. Insoweit begrüße
ich, dass wir heute die Gelegenheit nutzen, über den
Kulturgutschutz öffentlich zu diskutieren.
Es ist eine schwierige Herausforderung: Deutschland
muss einerseits seine vertraglichen Verpflichtungen aus
dem Washingtoner Abkommen erfüllen und andererseits
zugleich einen wirksamen und angemessenen Kulturgü-
terschutz für und in Deutschland finden. Nachvollzieh-
bar dargelegtes und sogar vielleicht geschehenes Un-
rechts – es muss jedenfalls geprüft werden – wird nicht
dadurch geheilt, dass neues Unrecht geschieht. Daher
bedarf es hinsichtlich der Provenienz in Streit stehender
Stücke einer besonders sorgfältigen Prüfung. Deshalb
werden weitere Anstrengungen des Bundes und der Län-
der zur besseren Aufklärung der Kulturgüterherkunft zu-
künftig notwendig sein.
Der Antrag spricht ein sehr breites Spektrum in Fra-
gen des Kulturgüterschutzes an. Zunächst sei hier die
Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens über Maß-
nahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen
Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut vom
14. November 1970 genannt. Nach 36 Jahren großer
Ruhe kommen wir endlich einen großen Schritt voran.
Hierzu hat es eine ausführliche Anhörung im Ausschuss
für Kultur und Medien gegeben. Die dort erfolgten Hin-
weise waren hilfreich und wertvoll und werden durch
entsprechende Änderungen aufgegriffen werden. Nach-
dem wir so lange auf die Umsetzung dieser Kulturgut-
schutz-Konvention der UNESCO gewartet haben, soll-
ten wir nun nach letzten und sinnvollen Veränderungen
im Januar endlich hier im Hause den Weg für eine
schnelle Ratifizierung freimachen. Ich denke, spätestens
im Febrauar können wir hier auf einen Erfolg im Kultur-
gutschutz verweisen.
Der FDP-Antrag weist zu Recht darauf hin, dass
durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung die Mög-
lichkeiten verbessert werden, im Eigentum der öffentli-
chen Hand befindliche, national wertvolle Kulturgüter in
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ie Verzeichnisse national wertvollen Kulturgutes und
ational wertvoller Archive einzutragen. Dieses von der
DP gelobte Vorhaben der Bundesregierung bringt be-
eits einen verbesserten Schutz der eigenen nationalen
ertvollen öffentlichen und kirchlichen Kulturgüter ge-
en deren unrechtmäßige Ausfuhr.
Zudem wird die Problematik zu Kirchners „Straßen-
zene“ berührt: Hier hat es eine ausführliche Prüfung der
estitutionsansprüche gegeben, infolge derer das Land
erlin – in dessen Zuständigkeit fällt dieses Problematik
un einmal – das Bild an die Erben zurückgegeben hat.
ber die „Straßenszene“ und deren Versteigerungsver-
auf zu fast 30 Millionen Euro wurde in den letzten Ta-
en viel zu intensiv und zu laut diskutiert. Über die vie-
en, die verzichtet haben, zugunsten der Menschen, die
eute in Deutschland leben und zugunsten unserer Gäste
ird, wenn überhaupt, zu wenig geredet.
Dennoch ist es notwendig und richtig, im Allgemei-
en auf diesen Vorgang hinzuweisen, insofern eine Pro-
lematik entsteht, wenn der Kunstmarkt oder Dritte
öglicherweise bestehende Defizite in der Provenienz-
orschung sich zunutze machen wollen, um größtmögli-
hen Profit daraus zu schlagen. Unbestritten muss es der
rundsatz sein und bleiben, der in den im Antrag ange-
prochenen Washingtoner Grundsätzen verankert ist,
ämlich dass „alle Anstrengungen unternommen werden
sollten], Kunstwerke, die als durch die Nationalsozialis-
en beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet
dentifiziert wurden“, zu identifizieren und dann zu ver-
ffentlichen, „um so die Vorkriegseigentümer oder ihre
rben ausfindig zu machen“, um in der Folge auch bei
ichtausfindung „eine gerechte und faire Lösung“ zu
inden. Deshalb ist es erforderlich, die Museen und
ammlungen noch besser als bisher zu befähigen, diesen
rundsätzen zu folgen, das heißt die notwendigen Mittel
n die Hand zu geben, Kunstwerke, die durch die Natio-
alsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zu-
ückerstattet wurden, zu identifizieren. Selbstverständ-
ich muss man auch die Belange der Museen und
unstsammlungen berücksichtigen, die Rechtssicherheit
insichtlich ihrer Bestände dringend und schnell benöti-
en.
Ein weiterer Problemkreis: Das Kulturgutschutzge-
etz bzw. das Gesetz zum Schutz deutschen Kulturgutes
or Abwanderung, wie es korrekt heißt, hatte 1955 den
erkauf aus Privatbesitz zu kontrollieren gedacht. Da-
an, dass der Staat selbst auf die Idee kommen könnte,
einen gar Jahrzehnte gehegten Besitz an Kunst und
chriften – Stichwort Haus Baden – zu privatisieren um
einer Kassen wegen, hat bis zur letzten Novellierung
001 offenbar niemand gedacht.
Einen umfassenden Kulturgutschutz haben wir dann
ewährleistet, wenn wir möglichst umfassend erreichen,
ass die Menschen in Deutschland keinen Zweifel daran
aben und es zu Recht als selbstverständlich betrachten
önnen, dass in öffentlicher Hand befindliches und wert-
olles Kulturgut wirksam und umfassend vor Zugriffen
eglicher Art, egal ob von privater oder öffentlicher
and, geschützt ist.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7151
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Hierzu aber bedarf es weitergehender Anstrengungen
als der der FDP mit ihrem hier diskutierten Antrag. Ne-
ben dem so genannten Kulturgutschutzgesetz wäre an
Reformen im Denkmalschutzrecht zu denken, um um-
fassenden Schutz zu gewährleisten. Denn einen Verkauf
in deutschen unzugänglichen Privatbesitz oder die Zer-
streuung von Sammlungen kann das Kulturgutschutzge-
setz allein nicht verhindern. Insbesondere müssen die
Länder an einer Weiterentwicklung des Kulturgutschut-
zes beteiligt werden.
Wir werden diesen Antrag heute an die Ausschüsse
überweisen und möglicherweise zusammen mit dem von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur
Umsetzung der UNESCO-Konvention zum Kulturgüter-
schutz beraten. Spätestens dann wird deutlich, dass ein
wesentlicher Teil der Forderung dieses Antrages bereits
erfüllt wird, ein anderer Teil aus einer anderen Perspek-
tive und sicherlich nur gemeinsam mit den Ländern dis-
kutiert werden kann.
Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Der vorliegende Antrag der FDP kommt mir vor
wie ein seltsames Potpourri. Sie vermischen darin den
geplanten Beitritt Deutschlands zur UNESCO-Konven-
tion von 1970 „über Maßnahmen zum Verbot und zur
Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und
Übereignung von Kulturgut“ mit der aktuellen Debatte
über die Restitution während des Nationalsozialismus
geraubter Kulturgüter. Der konkrete Zusammenhang
zwischen beiden Themen wird in Ihrem Antrag nicht er-
kennbar, deshalb möchte ich mich im Folgenden auf die
Frage der deutschen Restitutionspraxis beschränken.
Lassen Sie mich zuerst etwas Grundsätzliches sagen:
An der Verpflichtung Deutschlands zur Rückgabe von
Kunst- und Kulturgütern, die während des Nationalso-
zialismus entwendet und geraubt wurden, darf nicht ge-
rüttelt werden. Daran kann und darf auch der umstrittene
Fall von Kirchners „Straßenszene“ nichts ändern – selbst
wenn hier der Berliner Kultursenator durch die man-
gelnde Transparenz bei seinem Vorgehen Anlass zur Kri-
tik gegeben hat. Die Hysterisierung der Debatte, wie sie
sich in einigen Medien beobachten ließ, ist dadurch nicht
zu rechtfertigen. Denn: Keineswegs droht ein „Ausver-
kauf“ der öffentlichen Sammlungen in Deutschland!
Restitutionsansprüche bezüglich solcher berühmter
und wertvoller Kunstwerke bilden immer noch die Aus-
nahme. In den meisten Fällen beziehen sich Restitutions-
klagen auf kleine Kulturgüter wie zum Beispiel Bücher.
Diese bilden für die betroffenen jüdischen Familien
wichtige Erinnerungsstücke und sind oft die einzige Ver-
bindung der Erben zu ihrer Familiengeschichte. Es ist
deshalb unangemessen, wegen einiger medial hochge-
kochter Fälle die gesamte Restitutionspraxis infrage zu
stellen. Unerträglich fand ich während der öffentlichen
Debatte die Unterstellung, wonach es den jüdischen Er-
ben vor allem um Geldmacherei gehe. So etwas ist inak-
zeptabel. Ich denke, ich brauche hier niemandem zu er-
klären, warum.
Solche Anschuldigen und verkürzten Analysen über-
sehen übrigens, dass es noch ganz andere, sehr gut nach-
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ollziehbare Gründe dafür gibt, dass viele Restitutions-
nsprüche erst in letzter Zeit vorgebracht werden: Bis
or wenigen Jahren war eine entsprechende Auskunft
chwierig, erst durch die Washingtoner Erklärung von
998, auf die sich auch Deutschland verpflichtet hat,
urde die Auffindung von während des Nationalsozia-
ismus geraubten Kulturguts kontinuierlicher, transpa-
enter und systematischer betrieben.
Zur Versachlichung der laufenden Debatte trägt der
orliegende Antrag der FDP aber leider wenig bei. Es
timmt einfach nicht, dass die mit Rückgabeforderungen
onfrontierten Sammlungen „überhaupt keinen Hand-
ungsspielraum mehr haben“ und die mit der Washingto-
er Erklärung angestrebte „gerechte und faire Lösung
mmer zulasten der öffentlichen Sammlungen“ gingen.
uch die Forderungen, die Sie aus Ihrer Sicht der Dinge
bleiten, sind wenig hilfreich: Weder kann es darum ge-
en, gleichsam vollendete Tatsachen zu schaffen, indem
an möglichst viele Kunstgegenstände, bei denen Resti-
utionsansprüche bestehen könnten, in das „Verzeichnis
ational wertvollen Kulturgutes“ aufnimmt, noch ist es
ür die Erben hinnehmbar, dass bei Restitutionsansprü-
hen an öffentliche Sammlungen eine zehnjährige Halte-
rist eingeführt wird. Allein dem Vorschlag, auf der
rundlage der Washingtoner Erklärung die Rahmenbe-
ingungen für die Provenienzforschung der Museen zu
erbessern – auch finanziell – kann ich zustimmen.
Anstatt die Debatte anhand einzelner Ausnahmefälle
u führen, muss es generell darum gehen, die bisherigen
ereinbarungen – etwa die Handreichung der Bundesre-
ierung, der Länder und Kommunen von 2001 – besser
mzusetzen und die Ergebnisse der Provenienzfor-
chung – auch an den kleinen Museen – noch besser zu
oordinieren und hier mehr Transparenz herzustellen.
uch die Museen selbst sollten bei Restitutionsanfragen
ffener und transparenter agieren. Ziel dieser Verbesse-
ungsmaßnahmen muss es sein, einen Backlash zu ver-
indern, der die Errungenschaften der Washingtoner Er-
lärung von 1998 aufgibt. Es muss im Sinne dieser
rklärung dabei bleiben, dass die Beweislast nicht bei
en Anspruchstellern, sondern bei den derzeitigen Besit-
ern, den Sammlungen, liegt. Dieser Grundsatz ent-
pringt der moralischen Verpflichtung Deutschlands.
nlage 4
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Ausbildungsplatzlü-
cke schließen – Vorschlag des DGB aufgreifen
(Tagesordnungspunkt 31)
Michael Hennich (CDU/CSU): Heute debattieren
ir über den Antrag der Linken „Ausbildungsplatzlücke
chließen – Vorschlag des DGB aufgreifen“. Darin geht
s kurz gesagt um Folgendes: Die Überschüsse der Bun-
esagentur für Arbeit sollen – nach einem Vorschlag des
GB – zur Finanzierung eines Sofortprogramms zur
chaffung von 50 000 Ausbildungsmöglichkeiten ver-
endet werden.
7152 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
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Meine Damen und Herren von den Linken, als ich Ih-
ren Vorschlag durchgelesen habe, habe ich mich gefragt:
Wie soll ich auf diesen Antrag angemessen reagieren?
Von Ihrer Seite sind schon viele merkwürdige Vor-
schläge in den Bundestag eingebracht worden. Ich denke
da zum Beispiel an die Debatte zum Thema General-
streik. Darüber hinaus wollen Sie Wohltaten verteilen,
ohne zu fragen, wie die Finanzierung aussieht – siehe Ih-
ren Antrag „Nein zur Rente mit 67“ oder die Regel-
satzerhöhung bei Hartz IV. Mit solchen Ideen bedienen
Sie üblicherweise blanken Populismus.
Jetzt handeln Sie das Problem der hohen Jugendar-
beitslosigkeit auf einer Seite ab. Das zeigt, wie wenig
Sie wirklich daran interessiert sind. Eine differenzierte
Auseinandersetzung mit der Ausbildungsplatzsituation
fehlt in Ihrem Antrag. Herr Bundeswirtschaftsminister
Glos hat hierzu ein umfangreiches Papier verfasst, des-
sen Lektüre ich Ihnen sehr empfehle.
Aber bevor ich zur inhaltlichen Kritik Ihres Vor-
schlags komme, drängt sich sicherlich nicht nur mir die
Frage auf: Sind Ihnen die eigenen Ideen bereits nach ei-
nem Jahr ausgegangen? Müssen Sie nun auf die Ideen
anderer – hier des DGB – zurückgreifen?
Ihr Antrag geht – nebenbei gesagt, im Gegensatz zum
DGB-Papier – oberflächlich mit der Problematik um. Es
ist schwer, in Ihrem Antrag irgendeine Substanz zu er-
kennen. Dennoch ist das Thema zu wichtig und zu ernst,
als dass Ihr Vorschlag einfach im Papierkorb landen
sollte. Ihren Antrag nehme ich daher zum Anlass, mich
mit der Problematik differenzierter auseinanderzusetzen.
Lassen Sie mich zunächst einmal klarstellen: In
Deutschland gibt es knapp 500 000 Jugendliche unter
25, die keinen Job haben. Andererseits haben wir mit die
geringste Jugendarbeitslosigkeit in der EU. Dabei ist
klar: Je geringer der Grad der Qualifizierung ist, umso
schwieriger ist es, einen Arbeitsplatz zu finden. Eine ab-
geschlossene Ausbildung wird mehr und mehr zu einem
wesentlichen Kriterium, einen Arbeitsplatz zu finden.
Die Lage für junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt
ist vielschichtig: Wir haben in diesem Jahr mehr unver-
sorgte Bewerber, aber auf der anderen Seite mehr Aus-
bildungsverträge als im Vorjahr und mehr ungenutzte
Angebote. Im Oktober standen 50 000 unversorgte Be-
werber 60 000 Angeboten gegenüber.
Worin liegen die Ursachen für diese Situation? Das
niedrige Niveau der Schulabschlüsse wird oft beklagt.
Die Kosten, die mit der Lehrlingsausbildung verbunden
sind, stellen gerade für kleine Betriebe ein Problem dar.
Die wirtschaftliche Lage in den Ausbildungsbetrieben ist
immer noch angespannt.
Dazu kommen folgende Trends: Wir haben keine ein-
fache Situation am Arbeitsmarkt. Traditionelle Produk-
tionszweige wandern ins Ausland ab. Es werden immer
höhere Anforderungen an die Arbeitnehmer gestellt. Es
besteht immer noch eine hohe Arbeitslosigkeit. Wir
wandeln uns von der Industrie- zur Dienstleistungs- und
Wissensgesellschaft. Auf diesem – sich übrigens auch
weiter verkleinernden – Markt versuchen immer mehr
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ewerber, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Ma-
hen wir uns klar: Ohne Ausbildung drohen junge Men-
chen auf Dauer vom Ausbildungsmarkt ausgeschlossen
u werden.
Im Kern geht es uns um folgende Fragen. Kurzfristig:
ie können wir das erhebliche Potenzial an ungenutzten
öglichkeiten nutzen? Mittelfristig: Wie schaffen wir
ehr Ausbildungsplätze und wie organisieren wir unser
usbildungswesen? Also: Welche Möglichkeiten haben
ir, hierauf zu reagieren? Darauf gibt Ihr Antrag keine
ntworten. Ihre Antwort lautet lediglich: Die Über-
chüsse der Bundesagentur sollen 50 000 Ausbildungs-
lätze finanzieren.
Sie – bzw. der DGB – schlagen vor, einen stärkeren
taatlichen Akzent zu setzen. Dagegen spricht unter an-
erem auch eines: Auch Ihnen dürfte klar sein, dass die
ngesprochenen Überschüsse der Bundesagentur von
eitragszahlern stammen. Ich frage Sie: Warum sollen
ie Beitragszahler als kleine gesellschaftliche Gruppe
ür ein gesamtgesellschaftliches Problem bezahlen?
Unsere Antwort hingegen lautet: Wir brauchen ein
ündel von Maßnahmen.
Erstens. Das beste Programm für junge Menschen ist
ine gute Wirtschaftsentwicklung und eine gute Kon-
unktur. Gestern haben wir die Arbeitsmarktzahlen er-
alten: die Zahl der Arbeitslosen auf unter 4 Millionen
erringert. Davon profitieren vor allem die jungen Men-
chen. Die gute Auftragslage sorgt für die Einstellung
on mehr Mitarbeitern und auch von mehr Auszubilden-
en.
Zweitens. Wir müssen ein größeres Augenmerk auf die
chulische Qualifikation lenken. Wer einen guten Schul-
bschluss hat, hat auch am Ausbildungsmarkt bessere
hancen. Berufsvorbereitende Maßnahmen wie EQJ-
lätze und Praktika sind sinnvoll als begleitende Maß-
ahmen, sollten aber nicht die Regel sein.
Drittens. Wir haben bereits gut funktionierende, staat-
iche Programme, zum Beispiel:
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung
at den Innovationskreis für berufliche Bildung gegrün-
et: Darin werden maßgebliche Akteure zusammenge-
ührt, um Handlungsoptionen für künftige Weichenstel-
ungen in der Berufsbildungspolitik zu entwickeln.
Der Kreis erarbeitet zurzeit Vorschläge zur Struktur-
erbesserung der Berufsausbildung, für Übergangsma-
agement zwischen Schule und Beruf sowie zur Verbes-
erung der Durchlässigkeit.
Das BMBF fördert flankierend mit dem Ausbildungs-
trukturprogramm Jobstarter: Es wurden 50 Projekte ge-
tartet und wir werden bis Ende des Jahres weitere
00 Projekte auf den Weg bringen, die passgenaue Ver-
ittlung der Auszubildenden und Einwerbung von Aus-
ildungsplätzen bei Betrieben zum Ziel haben.
Die Finanzmittel werden um 25 Millionen Euro auf
nsgesamt 125 Millionen Euro aufgestockt.
Die Initiative „Aktiv für Ausbildungsplätze“ hat sich
emeinsam mit Partnern zum Ziel gesetzt, in den nächs-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7153
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ten fünf Jahren bei ausländischen Unternehmen rund
10 000 neue Ausbildungsplätze zu mobilisieren.
Viertens. Die Bundesagentur wird auch einen Beitrag
leisten: Rund 218 Millionen Euro sollen gezielt zur För-
derung Jugendlicher eingesetzt werden: Unter anderem
sollen 12 500 Plätze für Berufsausbildungen in außerbe-
trieblichen Einrichtungen finanziert werden.
Sie sehen: Es wird bereits viel getan. Ich halte es für
sinnvoller, die staatlich geförderte Ausbildung zurückzu-
nehmen und die Ausbildung am Bedarf zu orientieren.
Der Regelfall muss bleiben: Ausbildung in den Betrie-
ben und Unternehmen.
Ihre Geisteshaltung ist von Misstrauen geprägt. Sie
sagen, dass der Ausbildungspakt nicht funktioniert. Da
muss ich Ihnen heftig widersprechen. Die Wirtschaft hat
mit der Einwerbung von 55 800 neuen Arbeitsplätzen
und 29 699 Plätzen für betriebliche Einstiegsqualifika-
tion die im Ausbildungspakt gegebenen Zusagen mehr
als erfüllt.
Machen wir uns bitte insbesondere bewusst: Hinter
dem Ausbildungspakt stehen Anstrengungen einer Viel-
zahl von Unternehmen und auch einer ganzen Reihe von
Mittelständlern, die sich dafür stark gemacht haben,
neue Ausbildungsplätze zu schaffen. Für sie haben Sie
kein Wort des Dankes übrig. Es grenzt schon an Hohn
gegenüber den Unternehmen und Betrieben und vor al-
lem auch gegenüber den Auszubildenden, die durch die
großen Anstrengungen einen Ausbildungsplatz gefunden
haben, wenn Sie immer wieder sagen, dass der Ausbil-
dungspakt nicht funktioniert.
50 Prozent der zur Verfügung gestellten Ausbildungs-
stellen kommen in Unternehmen zustande, die weniger
als 50 Mitarbeiter beschäftigen. Wir müssen endlich ein-
mal anerkennen, dass es vor allen Dingen die freiwilli-
gen Leistungen der Menschen in unserem Lande sind,
durch die die zukünftigen Lehrstellen geschaffen wer-
den. Deshalb gilt mein Dank an dieser Stelle den Betrie-
ben, dem Handwerk, den Mittelständlern und auch den
oftmals verschmähten Konzernen, die Ausbildungs-
plätze zur Verfügung stellen und sich für neue Ausbil-
dungsplätze engagieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen bei den Linken, was
wir brauchen, sind: neue Initiativen, Kreativität, Anreize
für Ausbildungsplätze schaffen. Sie reden darüber hi-
naus von Anschubfinanzierung und schreiben: „… da
die öffentliche Hand nicht gewillt ist, den Unternehmen
etc. dauerhaft die Verantwortung für die Schaffung von
Ausbildungsplätzen … abzunehmen“. Indem Sie Geld
verteilen, erreichen Sie aber genau das Gegenteil. Die
Unternehmen werden aus ihrer Pflicht entlassen.
Und noch eines am Rande: Die Bundesagentur ist
nicht die öffentliche Hand. Die Bundesagentur stellt im
Jahr 2007 220 Millionen Euro in den Haushalt ein. Da-
rüber, wie diese Gelder verwendet werden, darf und
sollte diskutiert werden. Wir sind in jedem Fall verpflich-
tet, mit den Beiträgen sorgfältig umzugehen. Mitnahme-
effekte müssen verhindert werden. Wir müssen auch da-
rauf achten, dass wir kein Zweiklassensystem von Aus-
bildungsplätzen – solche, die von Unternehmen angebo-
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en werden, und solche, die staatlich gefördert werden –
ekommen.
Ich will mich aber nicht weiter mit Kritik beschäfti-
en und Ihnen lieber einen Weg aufzeigen, wie wir etwas
ewegen. Wir nehmen auch Geld in die Hand – siehe
ben –, aber wir haben einen breiteren Ansatz, die Pro-
leme anzugehen: Uns ist wichtig, weiter auf die Verant-
ortung der Unternehmer zu setzen und bei ihnen das
ewusstsein und weitere Anreize für noch mehr Ausbil-
ungsplätze zu schaffen.
Warum aber sollten wir nicht noch mehr auf staatlich
eförderte Ausbildung setzen? Die Ausbildung in den
etrieben ist eben immer noch die beste Alternative, für
ie Qualität der Ausbildung und für die Unternehmen,
ie sich Ihre zukünftigen Arbeitskräfte selbst und am ei-
enen Bedarf orientiert heranziehen. Wenn wir hier mehr
erstaatlichen, werden sich die Betriebe zu Recht fragen,
arum sie noch ausbilden sollen.
Dass es sich lohnt, auf private Initiative zu setzen, will
ch Ihnen anhand eines kreativen Beispiels aus meinem
ahlkreis erläutern. In meinem Wahlkreis hat sich der
und der Selbstständigen um das Thema „Ausbildungs-
lätze schaffen“ gekümmert und ein attraktives Ausbil-
ungsmodell für den Mittelstand – der immer noch die
eisten Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt – ent-
orfen: Der BDS hat die Verbundausbildung zu einer
andemausbildung weiterentwickelt. Was bedeutet das
m Einzelnen? Bei der Verbundausbildung finden sich
wei Unternehmen zusammen, die gemeinsam einen
usbildungsplatz anbieten. Ein Betrieb übernimmt dabei
ie Leitfunktion. Das ist keine neue, aber eine gute Sa-
he. Bei der Weiterentwicklung dieses Modells zur Tan-
em-Ausbildung werden zwei Auszubildende abwech-
elnd in zwei Unternehmen ausgebildet. Das hilft
leineren Unternehmen, für die Ausbildung oftmals auch
in Kostenproblem ist. Beiden Unternehmen stehen am
nde der Ausbildungsphase zwei Übernahmekandidaten
ur Verfügung. Sie partizipieren durch das breitere Fach-
issen der vielseitiger ausgebildeten Mitarbeiter.
Zum Schluss noch einige Praxisbeispiele: Eine Spedi-
ion und eine Steuerberatungspraxis arbeiten so bei der
usbildung von Bürokaufleuten zusammen. Selbst die
emeinsame Ausbildung einer Bauzeichnerin bei einer
ommunalverwaltung und bei einem freien Ingenieur-
üro hat sich als problemlos machbar erwiesen.
Sie sehen: Eine Verbundausbildung oder Tandem-
usbildung bietet neue Ausbildungsplätze, breiteres
achwissen und einen ersten Schritt in eine neue Ausbil-
ungswelt. Fachwissen ist das, worauf es für unseren
irtschaftsstandort ankommt. Sie haben es diese Woche
ehört: Wir stehen am Beginn eines neuen Zeitalters –
em Übergang zur Wissensgesellschaft.
Lassen Sie mich einen kurzen Ausblick wagen: Die
ute Konjunktur können und werden wir für weitere
trukturreformen nutzen, am Arbeitsmarkt, aber auch bei
er Ausbildung. Die Zunahme der Zahl der neu abge-
chlossenen Ausbildungsverträge in Industrie und Han-
el – plus 4 Prozent – und im Handwerk zeigt aber auch
etzt schon: Die dynamische konjunkturelle Erholung ist
7154 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
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inzwischen auch am Ausbildungsmarkt angekommen.
Dabei ist auch klar: Unsere Unternehmen und unser Mit-
telstand brauchen gute und qualifizierte Arbeitskräfte.
Eine gute Ausbildung ist unerlässlich für die Zukunftsfä-
higkeit deutscher Unternehmen im Markt.
Machen wir uns noch einmal bewusst: Bei der Dis-
kussion um Lehrstellen geht es nicht nur um einen Aus-
bildungsplatz für junge Menschen. Vielmehr geht es für
diese jungen Menschen um einen Platz in der Gesell-
schaft. Wir werden alles tun, um ihnen diesen Platz zur
Verfügung zu stellen. Um dies zu verwirklichen, verfol-
gen wir einen breiten Ansatz. Wir holen dafür alle Ak-
teure – insbesondere aber die Unternehmer – mit ins
Boot.
Ihren Antrag lehnen wir daher ab, und an Sie richte
ich die Bitte, nicht nur ein Blatt beschriebenes Papier ab-
zugeben, sondern sich inhaltlich mit den Themen ausei-
nanderzusetzen.
Dieter Grasedieck (SPD): Unsere jungen Menschen
brauchen eine Zukunftschance. Jeder Jugendliche, der
sich engagiert und arbeiten will, braucht einen Ausbil-
dungsplatz. Die jungen Menschen dürfen nicht das Ge-
fühl haben, die Gesellschaft lässt uns allen. Wir brau-
chen Euch, muss unsere Botschaft sein.
Unsere große Koalition kämpft um jeden Ausbil-
dungsplatz. Viele Maßnahmen und Programme sind
längst verabschiedet. Wir sind hier auf dem richtigen
Weg. Die Anregungen im Antrag der Linken werden
längst realisiert. Einige Maßnahmen will ich nennen.
Erstens. So will unser Minister Franz Müntefering die
Zahl der Plätze für die Einstiegsqualifizierung für Ju-
gendliche in diesem Jahr von 25 000 auf 40 000 in au-
ßerbetrieblichen Ausbildungsstätten anheben.
Zweitens. Ein neues Job-Bonus-Modell für 5 000 Aus-
bildungsplätze erarbeitet das Arbeitsministerium.
Drittens. Behinderte Jugendlich in Ausbildungsplät-
zen werden seit Jahren gefördert.
Viertens. Die Bundesagentur fördert außerdem jähr-
lich rund 60 000 außerbetriebliche Ausbildungsplätze.
Durch den Ausbildungspakt mit der Wirtschaft werden
zudem noch 30 000 neue Ausbildungsplätze geschaffen.
Fünftens. Berufsschulen können Jugendliche mit IHK-
Prüfung ausbilden. In vielen Ländern wird dies Ausbil-
dungsmöglichkeit mehr und mehr genutzt.
Sechstens. Unsere Ministerin Schavan will durch das
Programm „Jobstarter“ 13 000 Ausbildungsplätze in Ost-
deutschland mit einem Budget von 100 000 Millionen
Euro finanzieren.
All das sind Maßnahmen, um unseren jungen Men-
schen eine Zukunftschance zu bieten. Die Zukunfts-
chance für junge Menschen ist eine Zukunftschance für
unsere Gesellschaft in Deutschland.
Der „Tagesspiegel“ schrieb am Sonntag: „Den Firmen
geht der Nachwuchs aus – Fachkräfte gesucht“. In die-
sem Artikel sagt der Arbeitgeberpräsident Hundt und an-
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ere Industrievertreter: „Ohne qualifizierte Facharbeiter
ann es keinen leistungsstarken Maschinenbau und Au-
omobilbau in Deutschland geben. Der Arbeitskräfte-
angel droht zur Wachstumsbremse zu werden.“ Wenn
ie Industrie diese Gefahr so deutlich erkennt, ist es ihre
flicht und Schuldigkeit, den Jugendlichen noch mehr
usbildungsplätze anzubieten. Hier trägt die Industrie
erantwortung. Mehr Ausbildungsplätze, mehr Chancen
ür Jugendliche und damit Zukunftschancen für die In-
ustrie muss heute die Botschaft sein.
In dem Zeitungsartikel weist die IHK darauf hin, dass
chon heute 8 000 Ingenieure fehlen. Wir benötigen
lektro-, Maschinenbau- und Kfz-Ingenieure. 2006 ist
ie Zahl der Abiturienten um 9 Prozent gestiegen. Die
biturienten verdrängen die Haupt- und Realschüler.
efördert wird dieser Trend durch die Studiengebühren
er Länder. In NRW ist die Zahl der Studienanfänger
egen der Studiengebühr um fast 6 Prozent gefallen, an
er gebührenfreien Universität Düsseldorf hingegen um
3 Prozent gestiegen. Selbst FDP-Minister bemerken
iese Probleme. Unsere jungen Menschen brauchen ei-
en Ausbildungsplatz und damit eine Zukunftschance.
Einige Industriebranchen übernehmen ihre Pflicht. So
ildet der deutsche Steinkohlebergbau über 3 100 Ju-
endliche in den modernsten Berufen aus. Mechatroni-
er werden ebenso ausgebildet wie Industriekaufleute
nd der Elektroniker ebenso wie der IT-Kaufmann. Un-
er Bergbau hat hier Vorbildfunktion. In meinem Wahl-
reis werden 400 junge Menschen ausgebildet. Eine
usbildungsquote von fast 10 Prozent muss das Ziel
uch für andere Betriebe sein.
Unsere Jugendlichen brauchen eine Zukunftschance.
ir sind nicht am Ziel, wir nehmen das Problem ernst.
eshalb fördert unsere große Koalition rund 140 000
usbildungsplätze. Wir sind somit auf dem rechten Weg.
Patrick Meinhardt (FDP): Eine Ausbildung auf der
rünen Wiese lehnt die FDP ab! Der Antrag der Fraktion
IE LINKE geht vollkommen an der Wirklichkeit und
en Bedürfnissen junger Menschen vorbei!
Die Vorzüge der dualen Ausbildung liegen auf der
and: Nur durch die enge Zusammenarbeit von Schule
nd Arbeitswelt erhalten junge Menschen das Rüstzeug
ür ihren späteren Beruf. Die Kombination von betriebli-
her und schulischer Ausbildung hat sich bewährt und
ann durch nichts ersetzt werden, erst recht nicht durch
ie Schaffung von außerbetrieblichen Ausbildungsplät-
en. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen las-
en: außerbetriebliche Ausbildung.
Denn die konkrete, praktische, unmittelbare Arbeit im
etrieb mit dem Meister, das alltägliche Betriebsklima
nd die soziale Integration in eine Betriebsgemeinschaft,
er Umgang mit Kollegen und nicht zu vergessen der
mgang mit Kunden vom ersten Tag an, das sind prä-
ende, wichtige Erfahrungen, die die Jugendlichen nur
nnerhalb eines Betriebes sammeln können und die
urch nichts zu ersetzen sind, erst recht nicht durch das
arken junger Menschen in einer verschulten Ausbil-
ungshalle auf der grünen Wiese!
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Die Forderung, Unternehmen durch die Umlagenfinan-
zierung in die Pflicht nehmen zu wollen, ist grundfalsch!
Denn: Wer schafft denn in Deutschland Ausbildungs-
plätze? Wer bildet denn den Nachwuchs aus? – Die Un-
ternehmen! Gut ausgebildeter Nachwuchs ist im Inte-
resse eines jeden Unternehmers, ob nun mittelständi-
scher Betrieb oder Großunternehmen!
Der Ausbildungspakt ist nicht gescheitert, wie es die
Fraktion Die Linke behauptet: Bei den Industrie- und
Handelskammern ist in der Lehrstellenbilanz ein Plus
von 4 Prozent zu verzeichnen, das Handwerk verzeich-
net ein Plus von 1,6 Prozent.
Aber wenn ich diesen Antrag lese, der ja auf einem
DGB-Papier fußt, kommt mir das Grausen! Gerade der
DGB soll sich doch mal an die eigene Nase fassen: Be-
teiligt sich der DGB am Ausbildungspakt? Nein! Ist der
DGB ein Musterbeispiel, was die Zahl an Auszubilden-
den in den eigenen Reihen angeht? Nein!
Bevor man also solch abenteuerliche Papiere entwirft,
sollte man doch lieber erst einmal im eigenen Haus auf-
räumen und zusehen, dass man annähernd eine akzep-
table Ausbildungsquote erreicht, dann können wir wei-
terreden!
Der im Papier vorgestellte Ansatz, die fehlende Pra-
xis durch Praktika in den Betrieben auszugleichen, ver-
fehlt in seiner Quintessenz das zentrale Ziel: Auszubil-
denden das praktische Rüstzeug für die Ausübung ihres
späteren Berufes zu vermitteln. Kein Praktikum kann
den Nutzen einer langfristigen Einbindung in einen Be-
trieb auch nur ansatzweise ersetzen! Praktika sind wich-
tig – auch und gerade in der Hauptschule –, so früh wie
möglich, so regelmäßig wie möglich! Wir brauchen
keine zweiwöchigen „Schnupperpraktika“. Wir brau-
chen eine langfristig angelegte Kooperation von Schulen
und Betrieben.
Diese Zusammenarbeit von Schule und Betrieb erfor-
dert Freiheit, erfordert Flexibilität vor Ort: Nur wenn
Schulen so flexibel wie nur irgend möglich handeln kön-
nen, haben Jugendliche einen Vorteil für sich, haben Ju-
gendliche eine Perspektive, können Jugendliche und
Ausbildungsplätze zusammengeführt werden. Richtig
Gas geben müssen wir bei der überbetrieblichen Ausbil-
dung. Projekte, wie die Initiative 5000 Plus des ZDH
zeigen ihren Initiativcharakter. Das ist tragfähig, die
Bundesregierung muss nur endlich zupacken! „Ausbil-
dung Betriebsfrei“ wie es die Fraktion Die Linke nun
fordert, hilft hier niemanden, weder jungen Menschen
noch Betrieben.
Auch die Bundesregierung sollte ihren blumigen For-
derungen, überbetriebliche Ausbildungsprojekte zu stär-
ken, Taten folgen lassen: Es kann nicht sein, dass die
Fördermittel in diesem innovativen Bereich Jahr für Jahr
zusammengestrichen werden! Wer eine Ausbildungsper-
spektive schaffen will, muss Ausbildungsverbünde för-
dern. Machen wir es endlich!
Zielgruppe der außerbetrieblichen Ausbildung sollen
Jugendliche mit Migrationshintergrund sein – so das Ge-
werkschaftspapier –, da die Praxis zeigt, dass vor allem
Jugendliche aus diesen Familien mit Sprachbarrieren zu
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ämpfen haben, Lerndefizite aufweisen und schwer auf
em Ausbildungsplatzmarkt zu vermitteln sind. Im Pa-
ier heißt es, dass „im Rahmen der theoretischen Ausbil-
ung beim Träger Sprachdefizite konzentriert behoben
erden können“.
Ein wahrhaft toller Vorschlag! Es ist jedoch grund-
alsch, Leistungsdefizite im Rahmen einer Ersatzausbil-
ung beheben zu wollen. Sprachliche Defizite – die Grund-
ge schulischer Leistungsschwäche – müssen schon
ährend der schulischen Ausbildung gezielt behoben
erden und nicht auf den Schultern der Meister abgelegt
erden. Denn es kann nicht Inhalt einer außerbetriebli-
hen Ausbildung sein, den Schülern im Schweinsgalopp
ebenbei ein schulisches Basiswissen vermitteln zu wol-
en.
Die Vermittlung von Lerninhalten muss Aufgabe der
chulen bleiben. Daher muss die Stärkung von Schulen
m Mittelpunkt des Interesses stehen. Viele Ausbil-
ungsbewerber gelten als unvermittelbar. Diejenigen,
ie mit 14, 15 oder 16 Jahren auf den Ausbildungsmarkt
chwemmen, müssen zum Ende ihrer Schulzeit fit für
ie Ausbildung sein und nicht erst hinterher in irgend-
elchen verschulten Ausbildungsersatzprogrammen be-
chäftigt werden.
Daher gilt: Hauptschulen müssen gestärkt werden!
ie Stärkung von Lehre und Lehrern ist der Schlüssel für
inen fruchtbaren Lern- und Entwicklungsprozess junger
enschen. Weniger Schüler pro Klasse heißt die Devise!
ur in kleineren Klassen kann die individuelle Betreu-
ng leistungsschwacher Schüler gewährleistet werden.
Die Qualität der Lehrer ist das A und O, um die Qua-
ität der schulischen Lehre sicherzustellen, nur gut aus-
ebildete Lehrer können Lernfortschritte in den ent-
cheidenden Hauptschuljahrgängen garantieren!
Darüber hinaus stellt sich aber die entscheidende
rage: Was ist die verschulte Ersatzausbildung generell
ert? Welcher Chef stellt denn allen Ernstes frisch Aus-
ebildete ein, die quasi über null Praxiserfahrung verfü-
en? Welchen Mehrwert hat diese Form der Ausbildung,
as „Parken“ Jugendlicher ohne Ausbildungsplatz ge-
enüber der klassischen dualen Ausbildung? Keinen!
Die außerbetriebliche Ausbildung verfehlt ihr Ziel,
hancen für diejenigen zu schaffen, die keinen Ausbil-
ungsplatz gefunden haben: Die außerbetriebliche Aus-
ildung hängt diese Jugendlichen ab, mit dem Resultat,
ass wir am Ende Ausgebildete haben, die das duale
ystem durchlaufen haben und jene, die in der Ersatz-
usbildung „geparkt“ worden sind!
650 Millionen Euro aus dem Überschuss der Bun-
esagentur für Arbeit würden nicht nur zweckentfremdet
erden. Das ist schon schlimm genug. Denn das Geld
ehört den Beitragzahlern. Aber es wird auch verteilt.
Machen wir uns nichts vor: Mit der außerbetriebli-
hen Ausbildung ist niemanden geholfen, weder den
chülern, noch den Betrieben!
Wir wollen keine Ausgebildeten zweiter Klasse, son-
ern müssen alles daran setzen, das duale Ausbildungs-
ystem zu stärken, zu modernisieren, die überbetriebli-
7156 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
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che Ausbildung zu fördern, die Schulen fit zu machen
und neue Kooperationsmodelle zwischen Schulen und
Betrieben voranzutreiben!
Von daher wird es mehr außerbetriebliche Ausbildung
mit der FDP nicht geben!
Werner Dreibus (DIE LINKE): Die Situation auf
dem Ausbildungsstellenmarkt ist dramatisch und eine
Besserung ist nicht in Sicht. Laut Bundesagentur für Ar-
beit fehlen mittlerweile mindestens 140 000 Ausbil-
dungsplätze. Annähernd 50 Prozent der Bewerberinnen
und Bewerber warten bereits mehr als ein Jahr auf einen
Ausbildungsplatz. Im Ausbildungsjahr 2005 wurden
bundesweit weniger Ausbildungsverträge geschlossen
als in den Ausbildungsjahren seit der deutschen Vereini-
gung.
Einem wachsenden Kreis von jungen Leuten wird so
der Weg in die Zukunft versperrt. Die aktuelle Shell-Ju-
gendstudie belegt, dass eine ungewisse berufliche Per-
spektive zu den größten Sorgen junger Menschen zählt.
Der DGB hält zutreffend fest – ich zitiere –: „Die gesell-
schaftlichen Folgekosten einer ,verlorenen Generation
sind enorm und gehen noch weit über Hartz IV hinaus.
Die Mischung aus Perspektivlosigkeit, Hartz IV, Gele-
genheitsjobs und eventuell Kriminalität birgt gesell-
schaftlichen Sprengstoff.“
Die bisherigen Versuche, der Ausbildungsplatzmisere
mit freiwilligen Zusagen der Arbeitgeber beizukommen,
sind fehlgeschlagen. Bei Hunderttausenden Jugendli-
chen ohne Ausbildungsplatz – und das Jahr für Jahr –
gibt es kein Deuteln: Der Ausbildungspakt ist geschei-
tert; so wie vor ihm das Bündnis für Arbeit nicht zum
Abbau der Arbeitslosigkeit geführt hat.
Wenn Politik nur noch appelliert, aber nicht mehr ge-
staltet, nimmt sie sich selbst nicht mehr ernst. Politiker
brauchen sich dann nicht zu wundern, wenn auch die
Menschen sie nicht mehr ernst nehmen.
Gestaltung bedeutet in diesem Fall, die Unternehmen
durch eine Umlagefinanzierung in die Pflicht zu neh-
men, damit sie ihrer gesellschaftlichen Verantwortung
zur Bereitstellung einer ausreichenden Zahl an Ausbil-
dungsplätzen nachkommen. Darüber hinaus müssen für
eine kurzfristige Linderung des Lehrstellenmangels alle
aktuellen Möglichkeiten genutzt werden. Wir schließen
uns deshalb dem Vorschlag des Deutschen Gewerk-
schaftsbundes an, noch in diesem Jahr ein Sofortpro-
gramm für 50 000 Jugendliche in Form von außerbe-
trieblichen Ausbildungsplätzen zu starten. Für eine
Anschubfinanzierung dieses Sofortprogramms können
ein Teil der Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit
und ein Teil der nicht verausgabten Mittel des Eingliede-
rungstitels für das Sozialgesetzbuch II eingesetzt wer-
den. Mit einem Betrag von 650 Millionen Euro könnten
50 000 außerbetriebliche Ausbildungsplätze finanziert
werden.
Selbstverständlich sollte es sich dabei lediglich um
eine Anschubfinanzierung für das laufende Lehrjahr
2006/2007 handeln. Es nicht die Aufgabe der öffentli-
chen Hände, den Unternehmen dauerhaft die Verantwor-
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ung für die Schaffung qualifizierter Arbeitskräfte abzu-
ehmen.
Die Koalition sollte den Mut dazu finden, im Sinne
es Gemeinwohls ein wirkungsvolles Instrument zur
chließung der Ausbildungsplatzlücke einzuführen,
uch wenn das den Widerstand der Wirtschaftslobbyis-
en nach sich zieht. Nach Lage der Dinge führt an der
usbildungsplatzabgabe kein Weg vorbei.
Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
etreu dem Motto „Es wurde schon alles gefordert, aber
och nicht von jedem“ hat die Linke einen Antrag vorge-
egt, dessen zentraler Punkt bereits Inhalt eines grünen
ntrags war. Über den wurde am vergangenen Mittwoch
m Ausschuss für Arbeit und Soziales abgestimmt und er
urde mit den Stimmen der Linken abgelehnt. Vielleicht
ollen Sie, Kolleginnen und Kollegen der Linken, damit
ie Aufmerksamkeit für das Thema Ausbildung verstär-
en. Mehr Aufmerksamkeit für dieses Problem, darin
äbe ich Ihnen auch Recht, ist dringend notwendig.
Zu Beginn des laufenden Ausbildungsjahres waren
ast 50 000 Jugendliche unversorgt. Jetzt laufen das so
enannte fünfte Quartal und die Nachvermittlung. Da-
on werden einige profitieren, aber viele eben nicht.
ach den gestern veröffentlichten Zahlen halten sich die
achvermittelten mit den neu gemeldeten Bewerberin-
en und Bewerbern fast die Waage. Wir sind also bis
eute kaum vorangekommen.
Auch der Vorjahresvergleich gibt Anlass zur Sorge:
rotz günstigerer Voraussetzung – „nur“ 30 000 Jugend-
iche waren unversorgt – blieben im letzten Ausbil-
ungsjahr 11 500 Jugendliche ohne Ausbildungsplatz
nd ohne Angebot für eine Übergangsmaßnahme. Die
ahl der Altbewerberinnen und Altbewerber steigt.
enn auch viele derjenigen, die wir heute zum Beispiel
n eine Einstiegsqualifizierung vermitteln, stehen mor-
en wieder in der Schlange für einen Ausbildungsplatz.
Um zu verhindern, dass Jahr für Jahr mehr Jugendliche
n den Strudel der Perspektivlosigkeit gezogen werden,
üssen wir handeln. Darum haben auch wir gefordert,
ass die Bundesagentur für Arbeit aus ihren Überschüs-
en ein Sonderprogramm auflegt, damit alle Unversorg-
en eine Chance erhalten können. Angesichts der neuen
berschussprognosen von bis zu 11,5 Milliarden Euro
ollten die maximal erforderlichen 650 Millionen Euro
eicht finanzierbar sein. Wir müssen dieses Geld jetzt in
ie Hand nehmen; denn tun wir nichts, sind die Ausbil-
ungsverlierer von heute die fehlenden Fachkräfte von
orgen.
Allerdings sehen wir auch die Gefahr, dass die Bun-
esagentur zur Ausfallbürgin einer verfehlten Ausbil-
ungspolitik wird. Darum will ich betonen, dass diese
orderung lediglich eine Notmaßnahme darstellt. Der ei-
entliche Handlungsbedarf liegt an einer ganz anderen
telle.
Der Ausbildungspakt ist gescheitert. In seinem Rah-
en wurden zwar neue, aber keine zusätzlichen Ausbil-
ungsplätze geschaffen. Dem jetzigen Gewürge müssen
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7157
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wir darum ein Ende bereiten und uns der Problematik
auch strukturell widmen.
Auch dafür haben wir Grünen detaillierte Vorschläge
gemacht. Sie reichen von der besseren Anerkennung
kleiner Qualifizierungsschritte über außerbetriebliche
Ausbildungen bis hin zur Einrichtung von Produktions-
schulen. Wir glauben, dass es einer Vielzahl von Lösun-
gen und Veränderungen bedarf, um der Vielzahl von
Problemen im Bereich Ausbildung gerecht zu werden.
Allerdings glauben wir nicht an die Zauberkraft der Aus-
bildungsplatzumlage. Hier machen es sich die Kollegin-
nen und Kollegen der Linken aus meiner Sicht viel zu
einfach. Sie erliegen dem Charme der einfachen Lösung
und scheuen die Mühen der konkreten, wenn auch klein-
teiligen Arbeit. Vielleicht können wir Sie ja während der
Ausschussberatungen bekehren.
Anlage 5
Amtliche Mitteilungen
Der Bundesrat hat in seiner 828. Sitzung am 24. No-
vember 2006 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2
des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Gesetz zur Anpassung von Rechtsvorschriften des
Bundes infolge des Beitritts der Republik Bulga-
rien und Rumäniens zur Europäischen Union
– Gesetz zur Anspruchsberechtigung von Auslän-
dern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Un-
terhaltsvorschuss
– Gesetz zur Einführung einer Biokraftstoffquote durch
Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und
zur Änderung energie- und stromsteuerrechtlicher Vor-
schriften (Biokraftstoffquotengesetz – BioKraftQuG)
– Zweites Gesetz zur Änderung des Aufbauhilfe-
fondsgesetzes
– Gesetz zur Auflösung der Unabhängigen Kom-
mission zur Überprüfung des Vermögens der Par-
teien und Massenorganisationen der DDR
– Gesetz zur Änderung des Überstellungsausfüh-
rungsgesetzes und des Gesetzes über die interna-
tionale Rechtshilfe in Strafsachen
– Gesetz über die Weiterverwendung von Informatio-
nen öffentlicher Stellen (Informationsweiterver-
wendungsgesetz – IWG)
– Gesetz zur Neuregelung des Versicherungsver-
mittlerrechts
– Gesetz zur Errichtung einer „Bundesstiftung
Baukultur“
– Gesetz zu dem Übereinkommen vom 23. Mai 1997
über die Vorrechte und Immunitäten des Interna-
tionalen Seegerichtshofs und zu dem Abkommen
vom 14. Dezember 2004 zwischen der Bundesre-
–
–
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–
–
–
–
–
(C
(D
publik Deutschland und dem Internationalen See-
gerichtshof über den Sitz des Gerichtshofs
Gesetz zu dem Protokoll vom 27. März 1998 über
die Vorrechte und Immunitäten der Internationa-
len Meeresbodenbehörde
Gesetz zu dem Abkommen vom 30. September
2005 zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Belarus zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern
vom Einkommen und vom Vermögen
Gesetz zu dem Abkommen vom 1. Dezember 2005
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Kirgisischen Republik zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung von
Steuerhinterziehungen auf dem Gebiet der Steu-
ern vom Einkommen und vom Vermögen
Gesetz zu dem Abkommen vom 3. Mai 2006 zwi-
schen der Bundesrepublik Deutschland und der
Republik Slowenien zur Vermeidung der Doppel-
besteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein-
kommen und vom Vermögen
Gesetz zu dem Protokoll vom 1. Juni 2006 zur Än-
derung des am 29. August 1989 unterzeichneten Ab-
kommens zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und den Vereinigten Staaten von Amerika zur
Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Ver-
hinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet
der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen
und einiger anderer Steuern
Gesetz zu dem Abkommen vom 6. Februar 2006
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Kroatien zur Vermeidung der Dop-
pelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen
Gesetz zu dem Rahmenabkommen vom 22. Juli
2005 zwischen der Regierung der Bundesrepublik
Deutschland und der Regierung der Französi-
schen Republik über die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich und zu
der Verwaltungsvereinbarung vom 9. März 2006
zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit
der Bundesrepublik Deutschland und dem Minis-
ter für Gesundheit und Solidarität der Französi-
schen Republik über die Durchführungsmodalitä-
ten des Rahmenabkommens vom 22. Juli 2005
über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit
im Gesundheitsbereich
Jahressteuergesetz 2007 (JStG 2007)
Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur
Einführung der Europäischen Gesellschaft und
zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vor-
schriften (SEStEG)
Drittes Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeug-
steuergesetzes
7158 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
(A) )
(B) )
– Drittes Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteu-
ergesetzen
– Gesetz zu dem Übereinkommen vom 25. Juni 1998
über den Zugang zu Informationen, die Öffentlich-
keitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den
Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten
(Aarhus-Übereinkommen)
– Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltan-
gelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG
(Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz)
– Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehel-
fen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtli-
nie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz)
– Gesetz zu dem Vertrag vom 25. April 2005 über
den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäni-
ens zur Europäischen Union
Darüber hinaus hat er Folgendes beschlossen:
1. Der Bundesrat hat festgestellt, dass das vom Deut-
schen Bundestag am 26. Oktober 2006 verabschie-
dete Gesetz gemäß Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 i. V. m.
Artikel 79 Abs. 2 des Grundgesetzes seiner Zustim-
mung bedarf, und dem Gesetz einstimmig zustimmt.
Begründung:
Gemäß Artikel 23 Abs. 1 Satz 3 GG ist die Zustim-
mung des Bundesrates mit zwei Dritteln seiner Stim-
men erforderlich, wenn durch Änderungen der ver-
traglichen Grundlagen der EU und vergleichbare
Regelungen das GG seinem Inhalt nach geändert
oder ergänzt wird oder solche Änderungen und Er-
gänzungen ermöglicht werden.
Der Beitrittsvertrag regelt erstmalig verbindlich für
Bulgarien und Rumänien die Zahl der Sitze im Euro-
päischen Parlament, ihre Stimmenzahl im Rat sowie
das künftig geltende Quorum für Entscheidungen mit
qualifizierter Mehrheit (Beitrittsakte zur Änderung
der Rechtslage bis zum Inkrafttreten des Vertrags
über eine Verfassung für Europa: Zweiter Teil „An-
passungen der Verträge“, Titel I „Institutionelle Be-
stimmungen“ sowie für die Übergangszeit bis zum
Beginn der Wahlperiode 2009 bis 2014 für die Sitz-
verteilung im Europäischen Parlament Artikel 24;
Beitrittsprotokoll zur Änderung der Rechtslage nach
Inkrafttreten des Vertrags über eine Verfassung für
Europa: Vierter Teil „Bestimmungen mit begrenzter
Geltungsdauer“, Titel II „Institutionelle Bestimmun-
gen“). Insbesondere der geltende EGV wird durch
diese Regelungen des Beitrittsvertrags entsprechend
angepasst. Die Mitgliedstaaten hatten sich bei der
Regierungskonferenz von Nizza zwar im Hinblick
auf die Erweiterung der EU auf 27 Mitglieder poli-
tisch in einer Erklärung auf eine Neuverteilung der
Sitze im Europäischen Parlament, im Wirtschafts-
und Sozialausschuss und im Ausschuss der Regionen
2
(C
(D
sowie auf eine neue Stimmengewichtung im Rat ge-
einigt (Erklärung Nr. 20).
Erst durch den Beitrittsvertrag werden jedoch end-
gültig und rechtlich verbindlich die institutionellen
Bestimmungen geändert und damit der Kreis der Be-
fugten, die übertragene Hoheitsrechte ausüben, geän-
dert. Zudem wird auch die Höchstzahl der Mitglieder
des Europäischen Parlaments gegenüber den Festle-
gungen des EGV sowie des Vertrags über eine Ver-
fassung für Europa für die Aufnahme von Bulgarien
und Rumänien erhöht.
Durch den Beitritt verschieben sich im Ergebnis Stel-
lung und Gewicht der Bundesrepublik Deutschland
im institutionellen Gefüge der EU. Das relative Stim-
mengewicht Deutschlands insbesondere im Rat und
damit die Möglichkeiten seiner Einflussnahme bei
der Ausübung der auf die EU übertragenen Hoheits-
rechte verändern sich. Dies stellt eine wesentliche
Änderung der vertraglichen Grundlagen der EU dar,
durch die das GG seinem Inhalt nach geändert bzw.
ergänzt wird. Somit ist die Zustimmung des Bundes-
rates mit zwei Dritteln seiner Stimmen erforderlich.
. Der Bundesrat hat ferner zu dem Gesetz die nachste-
hende Entschließung gefasst:
Der Bundesrat nimmt Bezug auf seine Stellungnahme
vom 7. Juli 2006 (Bundesratsdrucksache 360/06 [Be-
schluss]) und begrüßt den Abschluss der fünften Er-
weiterungsrunde der EU, der nunmehr mit dem Bei-
tritt von Bulgarien und Rumänien zum 1. Januar
2007 erfolgen wird.
Der Bundesrat nimmt die Analyse der Kommission
in ihrem Bericht vom 26. September 2006 zur Bei-
trittsfähigkeit von Bulgarien und Rumänien zur
Kenntnis. Er erwartet, dass beide Beitrittsstaaten alle
Anstrengungen unternehmen, um die im Bericht an-
gesprochenen Mängel, insbesondere im Justizwesen
und bei der Korruptionsbekämpfung, bei der Verwal-
tung der EU-Agrarfonds, bei der Lebensmittelsicher-
heit und im Bereich der Flugsicherheit bis zum 1. Ja-
nuar 2007 und darüber hinaus abzustellen.
Der Bundesrat bestärkt die Kommission in ihrer Po-
sition, die im Beitrittsvertrag enthaltenen Schutz-
klauseln in vollem Umfang anzuwenden, wenn Bul-
garien und Rumänien ihren europarechtlichen
Verpflichtungen nicht nachkommen. Er begrüßt die
von der Kommission vorgesehene fortlaufende Über-
wachung auch nach dem Beitritt, insbesondere die
Überprüfung für den Bereich Justiz und Inneres.
Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kom-
mission trotz weiter bestehender Mängel im wichti-
gen Bereich des Justizwesens sowie bei der Korrupti-
onsbekämpfung in beiden Staaten vorerst von der
Anwendung der in Artikel 38 des Beitrittsvertrags
hierzu vorgesehenen Schutzklausel abgesehen und
sich konkrete Schutzmaßnahmen erst für den Fall der
Verzögerung weiterer Reformen nach dem Beitritt
vorbehalten hat. Der Bundesrat erinnert daran, dass
die konsequente Umsetzung der Beitrittskriterien der
EU von hoher Bedeutung für die Glaubwürdigkeit
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006 7159
(A) )
(B) )
der Union nach innen wie nach außen sowie für die
Akzeptanz der Erweiterung in der Bevölkerung ist.
Er spricht sich daher dafür aus, diese Schutzklausel
ab dem 1. Januar 2007 anzuwenden, falls die Defizite
bis dahin nicht beseitigt sein sollten.
Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, wonach
künftige Erweiterungen strikt vom Kriterium der
Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der EU abhän-
gig gemacht werden müssen. Er fordert die Bundes-
regierung auf, die Debatte zum Strategiepapier der
Kommission zur EU-Erweiterung vom 8. November
2006, das erstmals auch Aussagen zur Aufnahmefä-
higkeit der Union enthält, aktiv in diesem Sinne zu
begleiten.
– Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und an-
derer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsge-
setz – VÄndG)
Darüber hinaus hat er die nachstehende Entschlie-
ßung gefasst:
1. Der Bundesrat begrüßt die Regelungen des Gesetzes
zur Änderung des Ver-tragsarztrechts und anderer
Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz – VÄndG),
die durch Liberalisierung und Flexibilisierung eine
Verbesserung der ärztlichen Versorgung der Patien-
tinnen und Patienten bringen werden. Er weist jedoch
mit Nachdruck darauf hin, dass die nachträglich ein-
gefügte Entschul-dungsregelung in § 265a SGB V in
zeitlicher Hinsicht nicht ausreichend ist, die Ent-
schuldungsproblematik zu lösen.
2. Der Bundesrat hält mithin folgende Änderungen des
§ 265a SGB V für unab-dingbar notwendig:
– Bei dem in Absatz 1 Satz 3 des § 265a SGB V
vorgesehenen Quorum ist von einer Zweidrittel-
mehrheit aller Mitglieder (und nicht nur der an-
wesenden Mitglieder) auszugehen, wobei das
Stimmrecht entsprechend der Mitgliederzahl der
jeweiligen Kassen zu gewichten ist.
– Die Frist, bis zu der die Kassen ihre Verschul-
dung abzubauen haben, ist generell (und nicht nur
ausnahmsweise – wie in Absatz 4 des § 265a
SGB V vorgesehen –) auf den 31. Dezember
2008 zu verlängern.
– Im Rahmen der Entschuldung sind vertraglich
vereinbarte und bereits geleistete Struktur- und
Finanzmaßnahmen zu berücksichtigen.
– Es ist sicherzustellen, dass die Vorschrift des
§ 265a SGB V über den 31. Dezember 2008 hin-
aus fortbesteht, soweit sie sich auf Strukturhilfe-
maßnahmen in besonderen Notlagen oder zur Er-
haltung der Wettbewerbsfähigkeit bezieht. Die in
Artikel 8 Abs. 3 des VÄndG vorge-sehene Be-
fristung des § 265a SGB V ist daher zu streichen.
3. Durch das Vorziehen der Entschuldungsregelung in das
VÄndG wird zudem die inhaltliche Wechselbeziehung
zwischen Entschuldung und der im Gesetzentwurf zur
Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Kran-
4
5
–
ß
1
2
(C
(D
kenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsge-
setz – GKV-WSG) festgelegten Insolvenzregelung
auseinandergerissen. Betrachtet man – wie sachlich
geboten – beide Regelungen im Zusammenhang, so
ist davon auszugehen, dass ein zweistelliger Milliar-
denbetrag erforderlich ist, um das Kassensystem auf
eine solide wirt-schaftliche Basis zu stellen, von der
aus ein fairer, chancengleicher Wettbewerb, wie ihn
die Einführung des Gesundheitsfonds im Rahmen
des GKV-WSG vorsieht, überhaupt erst möglich ist.
Die Einführung der Insolvenzfähigkeit der Kranken-
kassen bedingt zwingend die Vorlage einer Eröff-
nungsbilanz, um festzustellen, ob und inwieweit eine
Krankenkasse im Sinne der Insolvenzordnung über-
schuldet ist. Hierbei sind nicht nur die nach bisheri-
gem öffentlich-rechtlichen Bilanzierungsrecht ausge-
wiesenen Schulden einzustellen, sondern auch die
aufgrund der bisherigen Bundesvorschriften nicht zu
bilanzierenden Belastungen durch Versorgungsan-
sprüche von DO-Angestellten, Betriebsrenten und
sonstige von den Kassen zugesagte Versorgungsleis-
tungen. Bei einer Refinanzierung dieser Belastungen
innerhalb der durch das VÄndG festgesetzten kurzen
Zeit drohen für viele Kassen Beitragssatzsteigerun-
gen in existenzvernichtender Höhe. Die Länder ha-
ben auch und besonders wegen der bislang durch den
Bund eröffneten Möglichkeit der Mittelschöpfung
durch Beitragssatzerhöhung ihre Kassen von der An-
wendung der Insolvenzordnung freigestellt. Wenn
nun der Bund diese Geschäftsgrundlage grundlegend
ändert, so ist er verpflichtet, die aus dieser Konver-
sion resultierenden Belastungen, das heißt, die finan-
ziellen Altlasten, selbst zu tragen. Er kann und darf
sie nicht auf die Länder abwälzen.
. Die Bundesregierung ist deshalb gefordert, ein
schlüssiges Entschuldungskonzept aufzulegen, das
sich an den realen Belastungen vor dem Hintergrund
der Anwendung der Insolvenzordnung auf die Kran-
kenkassen orientiert.
. Der Bundesrat behält sich daher weitere Schritte im
Rahmen der Beratungen des Gesetzgebungsverfah-
rens zum GKV-WSG vor.
Gesetz zur Beschleunigung von Planungsverfah-
ren für Infrastrukturvorhaben
Darüber hinaus hat er die nachstehenden Entschlie-
ungen gefasst:
. Der Bundesrat schließt sich der Entschließung des
Deutschen Bundestages zur Änderung des Verwal-
tungsverfahrensrechts in Nummer VI Abschnitte I,
II.1 sowie II.2 (vergleiche Bundesratsdrucksache zu
764/06) an und fordert ebenfalls, die Änderungen aus
den einzelnen Fachgesetzen in das Verfahrensrecht
zu übernehmen.
. Durch Artikel 7 Nr. 3 des Gesetzes zur Beschleuni-
gung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorha-
ben wird das Energiewirtschaftsgesetz geändert, in-
dem nach § 17 Abs. 2 ein neuer Absatz 2a eingefügt
wird, der die Übertragungsnetzbetreiber, in deren Re-
7160 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 71. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
(A) (C)
(B) )
gelzone eine Offshore-Windenergieanlage betrieben
wird, verpflichtet, für diese auf ihre Kosten einen
Netzanschluss herzustellen und zu betreiben. Dabei
soll hinsichtlich der Kosten ein horizontaler Aus-
gleich zwischen den Übertragungsnetzbetreibern ent-
sprechend § 9 Abs. 3 des Kraft-Wärme-Kopplungs-
gesetzes erfolgen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Frage
einer weiteren Förderung der Offshore-Windenergie
im Rahmen der ohnehin anstehenden Novellierung
des Erneuerbare-Energien-Gesetzes abschließend zu
klären. Ebenso ist die Frage des bundesweiten Aus-
gleichs der Kosten, die aus dem windenergiebeding-
ten Ausbau der Hochspannungsnetze im Binnenland
resultieren, zu klären. Das Gesetz zur Beschleuni-
gung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorha-
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung zur Lage der Natur
– Drucksache 15/5903 –
Ausschuss für Kultur und Medien
– Unterrichtung durch die Bundesbeauftragte für die Unterla-
gen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deut-
schen Demokratischen Republik
Siebenter Tätigkeitsbericht der Bundesbeauftragten für
die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehema-
ligen Deutschen Demokratischen Republik – 2005
– Drucksache 15/5960 –
ben ist gegebenenfalls entsprechend anzupassen.
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2
der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den
nachstehenden Vorlagen absieht:
Innenausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Schlussbericht der Unabhängigen Kommission zur
Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massen-
organisationen der DDR
und
Stellungnahme der Bundesregierung
– Drucksachen 16/2466, 16/2813 Nr. 1.1 –
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushalts- und Wirtschaftsführung 2006
Außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung bei Ka-
pitel 12 02 – Allgemeine Bewilligungen – Titel 532 51
– Einzug der streckenbezogenen Straßenbenutzungsge-
bühren für Lkw durch Private –
– Drucksachen 16/3032, 16/3194 Nr. 1.2 –
m
V
P
t
(D
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
itgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-
orlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische
arlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera-
ung abgesehen hat.
Finanzausschuss
Drucksache 16/2555 Nr. 1.13
Drucksache 16/2555 Nr. 1.36
Drucksache 16/2555 Nr. 1.42
Drucksache 16/2555 Nr. 2.1
Drucksache 16/2555 Nr. 2.13
Drucksache 16/2555 Nr. 2.19
Drucksache 16/2555 Nr. 2.32
Drucksache 16/2555 Nr. 2.56
Drucksache 16/2555 Nr. 2.57
Drucksache 16/2555 Nr. 2.61
Drucksache 16/2555 Nr. 2.67
Drucksache 16/2555 Nr. 2.87
Drucksache 16/2555 Nr. 2.111
Drucksache 16/2555 Nr. 2.125
Drucksache 16/2555 Nr. 2.137
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
Drucksache 16/2555 Nr. 2.53
Drucksache 16/2555 Nr. 2.81
Drucksache 16/2555 Nr. 2.148
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
Drucksache 16/481 Nr. 1.5
71. Sitzung
Berlin, Freitag, den 1. Dezember 2006
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5