Protokoll:
16070

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 16

  • date_rangeSitzungsnummer: 70

  • date_rangeDatum: 30. November 2006

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 23:11 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 16/70 ordneten Christoph Strässer, Angelika Graf (Rosenheim), Niels Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Stärkung der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union (Drucksache 16/3607) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Erika Steinbach, Holger Haibach, Carl-Eduard von Bismarck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- ordneten Christel Riemann-Hanewinckel, Christoph Strässer, Klaus Brandner, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Solidarität mit verfolgten Chris- ten und anderen verfolgten religiösen Minderheiten (Drucksache 16/3608) . . . . . . . . . . . . . . . . (Drucksache 16/3617) . . . . . . . . . . . . . . . f) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Grietje Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Pressefreiheit als Funda- ment für die Demokratie (Drucksache 16/3613) . . . . . . . . . . . . . . . h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für die mandatsgebundene Be- gleitung VN-mandatierter Friedensmis- sionen durch Menschenrechtsbeobach- ter 6878 B 6878 C 6878 D 6878 D Deutscher B Stenografisch 70. Sitz Berlin, Donnerstag, den I n h a l Begrüßung des Präsidenten der Parlamentari- schen Versammlung des Europarates, Herrn van der Linden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung des neuen Abgeordneten Hans Peter Thul . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung der Tagesordnungspunkte 3 g und 33 a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Abgeordneten Erika Steinbach, Holger Haibach, Carl-Eduard von Bismarck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge- d e 6877 A 6877 D 6877 D 6878 A 6878 A c) Antrag der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und undestag er Bericht ung 30. November 2006 t : der Fraktion der FDP: Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention (Drucksache 16/3145) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Michael Link (Heilbronn), Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Eine Grundrechte- agentur der EU wird nicht gebraucht (Drucksache 16/3621) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Rainder Steenblock, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der EU stärken – Man- dat der Grundrechteagentur sinnvoll ausgestalten 6878 C 6878 C (Drucksachen 16/226, 16/2733) . . . . . . . . in Verbindung mit 6879 A II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Josef Philip Winkler und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Glau- bensfreiheit weltweit achten (Drucksache 16/3614) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . . . . . . . Florian Toncar (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) . . . . . . . Christel Riemann-Hanewinckel (SPD) . . . . . Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Nein zur Rente ab 67 (Drucksache 16/2747) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Müntefering, Bundesminister BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU) . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Oskar Lafontaine (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Gregor Amann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 32: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundes- versammlung (Drucksache 16/3303) . . . . . . . . . . . . . . . . b c d e f g h i j 6879 A 6879 B 6879 B 6881 C 6883 A 6884 B 6885 A 6886 C 6888 A 6888 D 6890 B 6891 B 6892 C 6894 B 6894 C 6895 B 6897 D 6899 D 6902 A 6902 C 6904 C 6907 B 6908 D 6909 D 6911 A 6911 C ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung des Rahmenbe- schlusses des Rates der Europäischen Union zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kin- derpornographie (Drucksache 16/3439) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinder- prostitution und die Kinderpornographie (Drucksache 16/3440) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Nach dem Wiener Gipfel – die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika solidarisch gestalten (Drucksache 16/2602) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Oskar Lafontaine, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der LIN- KEN: Verbesserung der Statistik zur Lohn- und Einkommensteuer, Umsatz- steuer und Erbschaft- und Schenkung- steuer (Drucksache 16/3025) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Michael Leutert, Dr. Diether Dehm, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Für einen europäischen zivi- len Friedensdienst (Drucksache 16/3620) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Illegitime Schulden von Entwicklungsländern streichen (Drucksache 16/3618) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Zugriff von Geheimdiensten auf das Schenge- ner Informationssystem der zweiten Generation verhindern (Drucksache 16/3619) . . . . . . . . . . . . . . . ) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der unabhängigen Experten- kommission „Finanzierung Lebenslan- gen Lernens“ – Der Weg in die Zukunft (Drucksache 15/3636) . . . . . . . . . . . . . . . ) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der unabhängigen Exper- tenkommission „Finanzierung Lebens- 6911 D 6911 D 6912 A 6912 A 6912 A 6912 B 6912 B 6912 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 III langen Lernens“ – Der Weg in die Zu- kunft (Drucksache 15/3636) (Drucksache 15/5427) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 33: b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes zur Errichtung ei- ner Stiftung „Erinnerung, Verantwor- tung und Zukunft“ (EVZ-StiftG) (Drucksachen 16/3270, 16/3634) . . . . . . . c) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007) (Drucksachen 16/3437, 16/3651, 16/3643) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/3647) . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Eckart von Klaeden, Dr. Andreas Schockenhoff, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten René Röspel, Dr. Rolf Mützenich, Uta Zapf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Schutz vor Biowaffen verbes- sern – das Biowaffenübereinkommen stärken (Drucksache 16/3612) . . . . . . . . . . . . . . . e)–m) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142 und 143 zu Petitionen (Drucksachen 16/3527, 16/3528, 16/3529, 16/3530, 16/3531, 16/3532, 16/3533, 16/3534, 16/3535) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Die finanzielle Situation der Pfle- geversicherung Heinz Lanfermann (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Willi Zylajew (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Daniel Bahr (Münster) (FDP) . . . . . . . . . . . . . M M H H D C T B g s D A D M D R D M D D D R D T a b D H M 6912 C 6912 D 6913 A 6913 A 6913 B 6913 C 6914 C 6915 D 6917 A 6918 B 6919 B 6920 C 6921 C arion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . aria Eichhorn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . ilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ermann-Josef Scharf (CDU/CSU) . . . . . . . . r. Margrit Spielmann (SPD) . . . . . . . . . . . . hristian Kleiminger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 5: efragung der Bundesregierung: Arbeitspro- ramm der deutschen EU-Ratspräsident- chaft r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . lexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Roth (Heringen) (SPD) . . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . ainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . arkus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . ainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 6: ) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung telekom- munikationsrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 16/2581, 16/3635) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technolo- gie zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Berninger, Bärbel Höhn, Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Mehr Wettbewerb und Ver- braucherschutz auf dem Telekommuni- kationsmarkt (Drucksachen 16/2625, 16/3635) . . . . . . . agmar Wöhrl, Parl. Staatssekretärin BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . . . artin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6923 A 6925 A 6926 A 6927 B 6928 B 6929 B 6930 B 6931 B 6931 C 6932 A 6932 B 6932 D 6933 B 6934 A 6934 C 6935 C 6935 D 6936 B 6936 C 6937 A 6937 B 6937 C 6938 C 6939 D IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) . . . . Dr. Herbert Schui (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Matthias Berninger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU) . . . . . . . Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 7: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Strafbarkeit beharr- licher Nachstellungen (... StrÄndG) (Drucksachen 16/575, 16/3641) . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des vom Bun- desrat eingebrachten Entwurfs eines Stal- king-Bekämpfungsgesetzes (Drucksache 16/1030, 16/3641) . . . . . . . . Brigitte Zypries, Bundesministerin BMJ . . . . Jörg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christine Lambrecht (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 14: Antrag der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Margareta Wolf (Frankfurt), Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Partner- schaftliche Unternehmenskultur stärken – Mitarbeiterbeteiligung fördern (Drucksache 16/2653) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Rainer Brüderle (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Dreibus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Geset- zes (Drucksachen 16/2969, 16/3638) . . . . . . . . . . in Verbindung mit Z E b r z V ( A C D D K D U J A J W T A J w F m p ( D B D B D M W D T – 6941 A 6942 B 6943 D 6945 B 6946 D 6948 A 6948 A 6948 B 6949 C 6950 D 6953 B 6954 C 6955 D 6957 C 6957 C 6958 C 6960 A 6961 B 6962 C 6963 B 6964 A usatztagesordnungspunkt 5: rste Beratung des vom Bundesrat einge- rachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- ung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und ur Änderung rehabilitierungsrechtlicher orschriften Drucksache 16/3653) . . . . . . . . . . . . . . . . . . rnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . hristoph Waitz (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) . . . . . . . . . r. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) . . . . . atrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Klaus Zeh, Minister (Thüringen) . . . . . . . we Barth (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . örg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . rnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . örg Tauss (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 10: ntrag der Abgeordneten Detlef Parr, oachim Günther (Plauen), Jens Ackermann, eiterer Abgeordneter und der Fraktion der DP: Liberalisierung des Sportwetten- arkts in Deutschland einleiten und euro- akonformes Konzessionsmodell vorlegen Drucksache 16/3506) . . . . . . . . . . . . . . . . . . etlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ernd Heynemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . etlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ernd Heynemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . r. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . artin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . infried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Peter Danckert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ope- ration „ALTHEA“ zur weiteren Stabili- sierung des Friedensprozesses in Bos- nien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung so- wie an dem NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage der Resolutionen des Sicher- 6964 B 6964 B 6965 C 6966 B 6968 A 6969 A 6970 C 6971 D 6972 D 6974 B 6974 C 6974 D 6976 B 6976 C 6977 D 6979 D 6979 D 6980 A 6980 D 6981 D 6982 C 6983 C 6984 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 V heitsrates der Vereinten Nationen 1575 (2004) vom 22. November 2004, 1639 (2005) vom 21. November 2005 und 1722 (2006) vom 21. November 2006 (Drucksachen 16/3521, 16/3636) . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 16/3645) . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Jung (Karlsruhe) (SPD) . . . . . . . . . Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Höfer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 12: Antrag der Abgeordneten Hans-Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN: Heizkostenzuschüsse für einkommens- schwache Privathaushalte ermöglichen (Drucksache 16/3351) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 13: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Modernisie- rung der Justiz (2. Justizmodernisie- rungsgesetz) (Drucksachen 16/3038, 16/3640) . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von dem Abgeordneten Jerzy Montag und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verlängerung von Befristungsre- gelungen im Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege und im Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung (Justizmoder- nisierungsauskopplungsgesetz) (Drucksachen 16/3282, 16/3640) . . . . . . . A M S U J J T a b J P J F J S T a b 6984 D 6985 A 6985 B 6986 C 6987 A 6988 A 6989 A 6989 D 6990 D 6992 A 6994 B 6994 D 6993 A 6993 B 6996 B 6998 A 6998 D 6999 B 7001 A 7001 B 7001 D 7002 D 7002 D lfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . echthild Dyckmans (FDP) . . . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lrich Maurer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Stünker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 8: ) Erste Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausweitung der Opferentschädigung bei Gewalttaten (Drucksache 16/1067) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen, Dr. Max Stadler, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Opferentschädigung bei Ter- rorakten im Ausland sicherstellen (Drucksache 16/585) . . . . . . . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . örg van Essen (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ranz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . örn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . iegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 15: ) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge und Beitragszuschüsse in der Alterssicherung der Landwirte für das Jahr 2007 (Drucksachen 16/3268, 16/3637) . . . . . . . ) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Über- schüsse der Bundesagentur für Ar- beit für weitere Beitragssenkungen verwenden 7003 A 7004 A 7005 B 7006 D 7007 C 7008 C 7009 B 7010 C 7010 D 7010 D 7011 D 7010 C 7013 B 7014 B 7015 A 7016 A VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 – zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Priska Hinz (Herborn), Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit für Ausbildung, Qualifizie- rung und Progressiv-Modell ver- wenden (Drucksachen 16/3091, 16/2509, 16/3637) Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) . . . . . . . . . . . . Volker Schneider (Saarbrücken) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gregor Amann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . . Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Fortentwicklung der In- ternationalen Rechnungslegungsstandards im Rahmen der Präsidentschaft Deutsch- lands in EU und G 8 thematisieren (Drucksache 16/3341) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforde- rungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Han- del auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umset- zungsgesetz – TUG) (Drucksachen 16/2498, 16/2917, 16/3644) . . Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frank Schäffler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Fahrenschon (CDU/CSU) . . . . . . . . . . T A P t d V ( T B s – – – ( 1 T A W w B w j ( J R H R T B s t t K o w B 7016 A 7016 B 7017 C 7018 D 7019 B 7021 D 7023 A 7024 A 7025 A 7026 C 7026 C 7027 C 7029 C 7031 A 7031 B 7032 C 7033 B agesordnungspunkt 18: ntrag der Abgeordneten Jan Korte, Petra au, Kersten Naumann, weiterer Abgeordne- er und der Fraktion der LINKEN: Entschä- igung für Opfer nationalsozialistischer erfolgung Drucksache 16/3536) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 19: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Arbeit und Soziales zu der Unterrichtung durch die Bundesre- gierung: Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung schwerbehin- derter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Recht statt Pflicht – Ein- schränkungen behinderter Menschen bei der Teilhabe am öffentlichen Leben entgegenwirken zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Rohde, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Teilhabe von Men- schen mit Behinderungen am öffentli- chen Leben konsequent sichern Drucksachen 16/1100, 16/1476 Nr. 1.3, 16/949, 6/853, 16/2840) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 20: ntrag der Abgeordneten Josef Philip inkler, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, eiterer Abgeordneter und der Fraktion des ÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine irksame Bleiberechtsregelung für lang- ährig in Deutschland geduldete Personen Drucksache 16/3340) . . . . . . . . . . . . . . . . . . osef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . einhard Grindel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . artfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) . . . . . . . . üdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 21: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- orsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- en Marie-Luise Dött, Ingbert Liebing, atherina Reiche (Potsdam), weiterer Abge- rdneter und der Fraktion der CDU/CSU so- ie der Abgeordneten Dirk Becker, Marco ülow, Petra Bierwirth, weiterer Abgeordne- 7035 B 7035 C 7036 A 7036 B 7037 B 7038 D 7040 A Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 VII ter und der Fraktion der SPD: Sensible Öko- systeme in der Tiefsee besser schützen (Drucksachen 16/3089, 16/3624) . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt- entwicklung zu dem Antrag der Abgeord- neten Hans-Michael Goldmann, Patrick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Defizite im Kampf gegen Trun- kenheitsfahrten in der Seeschifffahrt beseitigen (Drucksachen 16/1158, 16/2736) . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Umweltfreundliche Strom- versorgung von Schiffen in Häfen un- terstützen (Drucksache 16/2791) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 23: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für die Angelegenheiten der Europä- ischen Union zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Ver- ordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäi- schen Fonds für die Anpassung an die Glo- balisierung (inkl. 7301/06 ADD 1, 7301/06 ADD 2 und 7301/06 ADD 3) KOM (2006) 91 endg.; Ratsdok. 7301/06 (Drucksachen 16/1207 Nr. 1.12, 16/3639) . . . Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (Drucksache 16/3227) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: Antrag der Abgeordneten Klaus Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Frak- tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Annette Faße, Gabriele Hiller-Ohm, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den Fahrradtourismus in Deutschland umfassend fördern (Drucksache 16/3609) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A L A E J d d o A E D E d n A Z d n m u K D J A Z d d P 2 f E a u ( T D D A Z d n n G M M D 7042 A 7042 B 7042 B 7042 D 7043 A 7043 B 7043 D 7043 B, D nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 rklärung nach § 31 GO des Abgeordneten ürgen Koppelin (FDP) zur Abstimmung über en Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Än- erung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Tages- rdnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 3 rklärung nach § 31 GO des Abgeordneten etlef Parr (FDP) zur Abstimmung über den ntwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung es Stasi-Unterlagen-Gesetzes (Tagesord- ungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 4 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Fortentwicklung der Internatio- alen Rechnungslegungsstandards im Rah- en der Präsidentschaft Deutschlands in EU nd G 8 thematisieren (Tagesordnungspunkt 16) laus Uwe Benneter (SPD) . . . . . . . . . . . . . . r. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 5 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung er Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen arlaments und des Rates vom 15. Dezember 004 zur Harmonisierung der Transparenzan- orderungen in Bezug auf Informationen über mittenten, deren Wertpapiere zum Handel uf einem geregelten Markt zugelassen sind, nd zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – UG) (Tagesordnungspunkt 17) r. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Entschädigung für Opfer natio- alsozialistischer Verfolgung (Tagesord- ungspunkt 18) ünter Baumann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . anfred Kolbe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . aik Reichel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Max Stadler (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7045 A 7045 D 7046 A 7046 A 7047 A 7048 B 7049 A 7049 D 7050 C 7051 B 7052 A 7053 A VIII Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Bericht der Bundesregie- rung über die Beschäftigung schwerbehin- derter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes – Antrag: Recht statt Pflicht – Einschrän- kungen behinderter Menschen bei der Teilhabe am öffentlichen Leben entgegen- wirken – Antrag: Teilhabe von Menschen mit Be- hinderungen am öffentlichen Leben kon- sequent sichern (Tagesordnungspunkt 19) Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Jörg Rohde (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär BMAS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Für eine wirksame Bleiberechtsrege- lung für langjährig in Deutschland geduldete Personen (Tagesordnungspunkt 20) Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Sensible Ökosysteme in der Tiefsee besser schützen (Tagesordnungs- punkt 21) Ingbert Liebing (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angelika Brunkhorst (FDP) . . . . . . . . . . . . . . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Defi- zite im Kampf gegen Trunkenheitsfahrten in der Seeschifffahrt beseitigen – ( E A D H D R A Z d V s t s A ( V D M U R A Z d c n D D S W J A A Z d D n J G E D D 7053 A 7054 C 7055 B 7056 C 7057 B 7058 D 7059 C 7060 B 7061 B 7062 A 7063 B 7063 C 7064 D 7065 C 7066 A Antrag: Umweltfreundliche Stromversor- gung von Schiffen in Häfen unterstützen Tagesordnungspunkt 22 a und b) nak Ferlemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . nnette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Margrit Wetzel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . ans-Michael Goldmann (FDP) . . . . . . . . . . orothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . ainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 11 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Beschlussempfehlung und des Berichts: orschlag für eine Verordnung des Europäi- chen Parlaments und des Rates zur Einrich- ung des Europäischen Fonds für die Anpas- ung an die Globalisierung (inkl. 7301/06 DD 1, 7301/06 ADD 2 und 7301/06 ADD 3) Tagesordnungspunkt 23) eronika Bellmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . r. Martin Schwanholz (SPD) . . . . . . . . . . . . arkus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . lla Lötzer (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . ainder Steenblock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 12 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfa- hung des Insolvenzverfahrens (Tagesord- ungspunkt 24) r. Günter Krings (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . irk Manzewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . abine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Nešković (DIE LINKE) . . . . . . . . . erzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 13 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Den Fahrradtourismus in eutschland umfassend fördern (Tagesord- ungspunkt 25) ürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . abriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . rnst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . r. Ilja Seifert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . r. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7067 A 7068 D 7069 C 7070 D 7072 A 7072 C 7073 B 7074 C 7075 D 7076 D 7077 C 7078 A 7079 D 7080 C 7081 C 7082 C 7083 A 7084 A 7086 B 7088 A 7089 A 7089 C Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 6877 (A) ) (B) ) 70. Sitz Berlin, Donnerstag, den Beginn: 9.0
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    Anlage 13 ung dritter Absatz, der zweite ass das Ministerium ein einer Regelung zu kom- zes entspricht – es muss die die nach dem Stand erforderliche Vorsorge ga- eben.“ und e Satz ist wie folgt zu le- h § 9 b des Atomgesetzes den Planfeststellungsbe- nn zu erteilen, wenn opti- echnik und Wissenschaft tzer, Die Linke, und Rain- ie Grünen.1) in Kenntnis der Unterrich- unehmen. Wer stimmt für – Gegenstimmen? – Ent- pfehlung ist mit den Stim- gegen die Stimmen der mmen. spunkt 24 auf: der Bundesregierung ein- ines Gesetzes zur Verein- zverfahrens – d Technologie der Kollegen Dr. Günter nette Faße, Gabriele Gradistanac, weiterer Fraktion der SPD Den Fahrradtourismus send fördern – Drucksache 16/3609 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Tourismus (f) Sportausschuss Haushaltsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Verkehr, Bau un Ausschuss für Umwelt, Naturs Wir nehmen die Reden der K CDU/CSU, Gabriele Hiller-Oh cher, FDP, Dr. Ilja Seifert, Die L reiter, Bündnis 90/Die Grünen, Interfraktionell wird Überw Drucksache 16/3609 zur Fede Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7045 (A) ) (B) ) setzes geschehen.Renate Rechtsstaatlicher Grundsatz ist, dass kein Gesetzgeber unter dem Eindruck von bereits abgeschlossenen Vor- gängen neue Gesetze erlässt. Das soll jedoch mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Ge- Dr. Scheer, Hermann SPD 30.11.2006 Schmidt (Nürnberg), SPD 30.11.2006 Anlage 1 Liste der entschuldigt A s z F j d d P d b e W n m Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Binder, Karin DIE LINKE 30.11.2006 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 30.11.2006 Bollen, Clemens SPD 30.11.2006 Bülow, Marco SPD 30.11.2006 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 30.11.2006 Dagdelen, Sevim DIE LINKE 30.11.2006 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 30.11.2006 Dobrindt, Alexander CDU/CSU 30.11.2006 Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 30.11.2006 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 30.11.2006 Glos, Michael CDU/CSU 30.11.2006 Heilmann, Lutz DIE LINKE 30.11.2006 Hilsberg, Stephan SPD 30.11.2006 Hoff, Elke FDP 30.11.2006 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2006 Kunert, Katrin DIE LINKE 30.11.2006 Merten, Ulrike SPD 30.11.2006 Möller, Kornelia DIE LINKE 30.11.2006 Pflug, Johannes SPD 30.11.2006 Pronold, Florian SPD 30.11.2006 Reiche (Potsdam), Katherina CDU/CSU 30.11.2006 Reinke, Elke DIE LINKE 30.11.2006 Röspel, René SPD 30.11.2006 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2006 S S S T D W Z Z A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht en Abgeordneten nlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Jürgen Koppelin (FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen- Gesetzes (Tagesordnungspunkt 9) Ich werde dem Stasi-Unterlagen-Gesetz (Siebtes Ge- etz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes) nicht ustimmen. Für mich geht es bei dieser Entscheidung um eine rage des Rechtes, nicht um eine politische Frage. „Ver- ährung hat einen rechtspolitischen Sinn. Sie verzichtet er Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens wegen auf ie letzte Gerechtigkeit“. (Thomas Dehler) Im „Tagesspiegel“ vom 3. November 2006 schreibt rofessor Richard Schröder: „Zum Rechtsstaat gehört er Gedanke der Verjährung. Aber die Opfer fühlen sich eleidigt! Die Erfindung des unabhängigen Richters vor inigen tausend Jahren beruht auf der Einsicht, dass die iederherstellung der Gerechtigkeit bei den Opfern icht in den besten Händen ist.“ Jedem Versuch einer Verlängerung der Verjährung it rückwirkender Kraft werde ich nicht zustimmen. chmidt (Aachen), Ulla SPD 30.11.2006 panier, Wolfgang SPD 30.11.2006 teppuhn, Andreas SPD 30.11.2006 rittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2006 r. Troost, Axel DIE LINKE 30.11.2006 olf (Frankfurt), Margareta BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.11.2006 eil, Martin FDP 30.11.2006 immermann, Sabine DIE LINKE 30.11.2006 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 7046 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Detlef Parr (FDP) zur Ab- stimmung über den Entwurf eines Siebten Ge- setzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Ge- setzes (Tagesordnungspunkt 9) Versehentlich habe ich mich bei der gestrigen Abstim- mung im mitberatenden Sportausschuss bei der Drucksa- che 16/2969 enthalten. Meine Enthaltung bezog sich al- lerdings auf einen Änderungsantrag von Bündnis 90/ Die Grünen, nicht jedoch auf die Novellierung des Stasi- Unterlagen-Gesetzes. Diesem Gesetz stimme ich – wie die gesamte FDP-Bundestagsfraktion – zu. Diese Ab- stimmung ist belegt durch zahlreiche öffentliche Äuße- rungen zu diesem Thema, die in der Presse nachlesbar sind. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Fortentwicklung der Internationalen Rechnungslegungsstandards im Rahmen der Präsidentschaft Deutschlands in EU und G 8 thematisieren (Tagesordnungs- punkt 16) Klaus Uwe Benneter (SPD): Wenn ich mir den An- trag „Fortentwicklung der Internationalen Rechnungs- legungsstandards im Rahmen der Präsidentschaft Deutschlands in EU und G 8 thematisieren“ zu Gemüte führe, fallen mir viele Spruchweisheiten ein. Unweiger- lich fühle ich mich durch den Antrag an „des Kaisers neue Kleider“ erinnert. Denn er erweckt den Eindruck eines neuen, prächtigen Gewandes, doch bei näherer Be- trachtung zeigt sich, dass die aufgeworfenen Fragen und Problemstellungen alte Hüte sind. Auch die Geschichte von „Hase und Igel“ bietet sich an. Manchmal drängt es sich einfach auf, dass nur vorgetäuscht werden soll, hier sei jemand schon immer vorn gewesen. Wie Sie sehr wohl wissen, rennen Sie von der FDP mit Ihrem Antrag offene Scheunentore ein. Ich muss Sie doch nicht daran erinnern, dass Sie es selbst waren, die bereits mehrfach die Bundesregierung zu diesem The- menkomplex um Stellungnahmen gebeten haben. Daher ist Ihnen auch sehr wohl bekannt, dass sich die Bundes- regierung für die aufgeführten Ziele einsetzt und bereits an einer Lösung der Fragen und Probleme längst konti- nuierlich arbeitet. Die Bundesregierung hat mehrfach betont, dass die Fortentwicklung der „International Financial Reporting Standards“, IFRS, für das Bilanzrecht und die Bilanzie- rung deutscher Unternehmen in der Tat sehr wichtig ist. Auch die gegenseitige Anerkennung der IFRS und US- amerikanischen Rechnungslegungsstandards ist ein wichtiges Ziel und daher auch in der Koalitionsvereinba- rung ausdrücklich erwähnt. Indessen hat aber die EU gerade vor einigen Wochen im Rahmen von Ausfüh- rungsbestimmungen zur EU-Transparenzrichtlinie und E s i d e S w E B S d I s F g i E p a s r c s w b b m S d d Ü e s i ü d g e d d i w b t n g m l B A r H s v s (C (D U-Prospektrichtlinie beschlossen, eine endgültige Ent- cheidung über die weitere Anerkennung der US-GAAP nnerhalb der EU erst Ende 2008 zu treffen. Im Vorfeld ieser Entscheidung hat Frau Ministerin Zypries in inem gemeinsamen Schreiben mit Herrn Minister teinbrück an EU-Kommissar McCreevy darauf hinge- iesen, dass dies zwar akzeptabel sei, aber jedenfalls nde 2008 gleiche Voraussetzungen vorliegen müssten In Anbetracht des Zeitplans und der bereits laufenden emühungen ist keinesfalls erkennbar, warum in dieser ache nun akuter Handlungsbedarf für den Zeitraum der eutschen Präsidentschaft in EU und G 8 bestehen soll. n Teilbereichen wäre eine gesonderte deutsche Prä- identschaftsinitiative sogar hinderlich, wenn eine ortentwicklung der IFRS unter stärkerer Berücksichti- ung der Interessen deutscher Unternehmen, und hier nsbesondere des deutschen Mittelstandes, erfolgen soll. ine Initiative durch Deutschland während der Rats- räsidentschaft, wie die FDP es vorschlägt, würde doch ls plumper Versuch erkannt, einseitig deutsche Interes- en durchsetzen zu wollen, und wäre damit von vornhe- ein zum Scheitern verurteilt. Hier gibt es weitaus elegantere und erfolgverspre- hendere Wege. Selbstverständlich bemüht sich die deut- che Regierung, die Belange deutscher Interessen so eit wie möglich einzubringen. Dies geschieht auch ereits auf zwei Wegen: Über die „private Schiene“ ar- eitet das Deutsche Rechnungslegungs Standards Com- ittee, DRSC, der deutsche privatrechtlich organisierte tandardsetter für Rechnungslegung, mit dem BMJ stän- ig und eng zusammen an der Erarbeitung der Standards es IASB und bringt hierbei deutsche Positionen ein. ber die „Regierungsschiene“ bringt die Bundesregierung ntsprechende Standpunkte in den EU-Regelungsaus- chuss für Bilanzrecht ein. Dieses Gremium entscheidet m Rahmen des so genannten Komitologie-Verfahrens ber die Übernahme der einzelnen IASB-Standards in as europäische Recht. Die Erfolgsaussichten einer Initiative der Bundesre- ierung können zudem erst dann beurteilt werden, wenn in konkreter IASB-Entwurf vorliegt. Die Entwicklung es künftigen IASB-Standards „IFRS für KMU“ wird erzeit im IASB fertig gestellt und wird voraussichtlich m ersten Quartal 2007 der Öffentlichkeit vorgestellt erden. Erst dann wird sich ein konkreter Handlungs- edarf abschätzen lassen können. Dessen ungeachtet hat das BMJ in den letzten Mona- en immer betont, dass die IFRS mit der starken Beto- ung des Informationsgedankens jedenfalls derzeit nicht eeignet erscheinen, für die mittelständischen Unterneh- en eine geeignete Bilanzierungsgrundlage darzustel- en. Gerade deshalb bereiten wir den Entwurf des ilanzrechtsmodernisierungsgesetzes vor, der – ohne ufgabe der bisher in Deutschland geltenden Bilanzie- ungsprinzipien – durch maßvolle Änderung einzelner GB-Vorschriften dazu führen soll, dass mittelständi- chen Unternehmen mit dem HGB-Bilanzrecht eine ollwertige Alternative zu den IFRS zur Verfügung teht. Ich verweise diesbezüglich auf die Ausführungen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7047 (A) ) (B) ) aus dem Hause der Bundesministerin der Justiz und auf die vorliegenden Antworten der Bundesregierung. Der FDP-Antrag ist Rosstäuscherei. Niemand muss uns im Zusammenhang neuer Rechnungslegungsvor- schriften auf internationale Gegebenheiten hinweisen. Der heimische Mittelstand ist bei uns in guten Händen. Der Liebesdienerei der FDP bedarf der deutsche Mittel- stand schon gar nicht. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Die Bundestags- fraktion Die Linke steht dem Konzept des Shareholder- Value, das einseitig auf die Steigerung des Marktwertes von Unternehmen abzielt und die Managemententschei- dungen stärker als bisher an die Interessen der Kapi- taleigner, Shareholder bindet, kritisch gegenüber. Die Diskussion um internationale Rechnungslegungsstan- dards ist eng mit dem Trend zu einer so genannten wert- orientierten Unternehmensführung verbunden. Spätes- tens durch die Bilanzskandale um Enron, Worldcom und andere Unternehmen rückten Fragen der Untemehmens- berichterstattung und damit verbunden auch der Cor- porate Governance in den Blickpunkt einer größeren Öf- fentlichkeit. Zahlreiche Unternehmen versuchten und versuchen immer noch durch fragwürdige Bilanzie- rungsmethoden Umsätze und Gewinne aufzublähen und dadurch die Aktienkurse zu steigern. Das Platzen der New-Economy-Spekulation hat Tausenden Beschäftig- ten ihre Arbeitsplätze gekostet. Die FDP schweigt sich zu diesen Problemen in ihrem Antrag aus. Stattdessen fordert sie die Bundesregierung dazu auf, bei der Internationalisierung von Rechnungsle- gungsvorschriften deutsche Interessen stärker zu berück- sichtigen. Das geht nicht nur am Problem vorbei, son- dern weist in eine völlig falsche Richtung! Auf EU-Ebene wurden in den letzten Jahren intensive Anstrengungen in Richtung einer internationalen Stan- dardisierung der Rechnungslegungsvorschriften betrie- ben, welche mit der Einführung der International Finan- cial Reporting Standards, IFRS, seit Jahresbeginn 2005 ihren bisherigen Höhepunkt erreichten – mit unabsehba- ren Auswirkungen auf die Corporate Governance, die Bewertung der Unternehmen an den Aktienmärkten, Veränderungen der unternehmensinternen Steuerung und Berichterstattung und die Arbeitsbeziehungen. Unter dem Diktat des Shareholder-Value wird die Rendite der Anteilseigner heute immer mehr zur zentra- len Kennziffer für alle Unternehmensstrategien. Einer- seits sollen Entscheidungen und Aktivitäten, die sich als nicht hinreichend rentabel erweisen und unkalkulierbar und mit hohem Risiko behaftet sind, vermieden werden. Andererseits wären nur solche Strategien zu verfolgen, die sowohl kurzfristig als auch langfristig einen mög- lichst hohen verfügbaren Cashflow erbringen und damit den Unternehmenswert am Kapitalmarkt steigern. Gleichzeitig wird ein „Ausschüttungsautomatismus“ eta- bliert, um das Wachstum der stillen Reserven zu be- grenzen bzw. den Kapitalgebern zugänglich zu machen. Neben dem höchst spekulativen Charakter solcher Kennziffern führt dieses Konzept zur internen Vermarkt- l U w s h b f g d t a n a m k E z v w b s s i R d A s b d r t I R I u B v w g H d w d d ö g r h w n s a t u d z b 2 (C (D ichung von Unternehmen: Einzelne Geschäftsfelder oder nternehmenssteile werden in einen schädlichen Wettbe- erb zueinander gestellt, Unternehmen konzentrieren ich zunehmend auf das Kerngeschäft, Kapitaleigner er- öhen ihren Einfluss zuungunsten von Managern und Ar- eitnehmervertretern und überhöhte Renditeansprüche ühren zum Druck auf Löhne und die Arbeitsbedingun- en der Beschäftigten. Rechnungslegungsstandards sind einerseits ein Teil ieses Problems. Andererseits würden transparente Un- ernehmensberichte zwar an dieser falschen Ausrichtung m kurzfristigen Cashflow nichts ändern; aber sie eröff- en zumindest die Möglichkeit für Investoren, Gläubiger, ber eben auch für kritische Aktionäre oder Arbeitneh- ervertreter in den Aufsichtsräten, die Geschäftsprakti- en und Zahlen kritisch zu prüfen. Dies gilt besonders für uropean Works Councils, die Daten zum gesamten Kon- ern, seinen Segmenten und Einzelunternehmen in den erschiedenen Ländern brauchen. Wo Unklarheit über die ahre wirtschaftliche Situation von Unternehmensteilen esteht, fällt es den Konzernleitungen leichter, die Beleg- chaften von Tochterunternehmen gegeneinander auszu- pielen. Deshalb unterstützen auch die Gewerkschaften m Prinzip eine internationale Vereinheitlichung von echnungslegungsstandards. Allerdings müssen die lAS-Regeln dringend verän- ert werden: Immer noch gibt es zu viele Schlupflöcher, uslegungsschwierigkeiten und auch zu viele Ermes- ensspielräume bei der Bilanzierung, die eine Vergleich- arkeit erschweren. Bei der Umstellung vom HGB auf as IFRS gilt es zu beachten, dass das deutsche Bilanz- echt vom Vorsichtsprinzip geprägt ist, das Kapitalerhal- ung und Gläubiger sichern will. Die Bilanzregeln nach FRS beinhalten dagegen mehr Informationen als die echnungslegung nach dem Handelsgesetzbuch, HGB. nsgesamt betrachtet sind die lAS-Regeln detaillierter nd enger als das deutsche Handelsrecht. Ansatz- und ewertungsspielräume sind geringer, steuerrechtlich erursachte Verzerrungen stark eingeschränkt. Die Ge- innermittlung hat realistischer zu erfolgen. Außerdem ehen die Offenlegungsregeln sehr viel weiter als im GB. Aber es gibt auch große Probleme: Wenn die Bil- ung stiller Reserven erschwert wird und höhere Ge- innausweise zu höheren Ausschüttungsforderungen er Aktionären führen, entzieht das Unternehmen Liqui- ität. Damit sind wir bei den eigentlichen Problemen: Eine ffentliche Debatte zu internationalen Rechnungsle- ungsstandards in der auch die Sicht von Arbeitnehme- innen und Arbeitnehmern an der Ausrichtung am Share- older-Value zum Tragen kommt, kann nicht stattfinden, eil der Regelsetzer IASB als privatrechtlicher Verein ationaler Verbände von Rechnungslegern und Wirt- chaftsprüfern organisiert ist. Private Standardsetzer wie uch der US-amerikanische FASB, Financial Accoun- ing Standards Board, sind beeinflussbar und eben nicht nabhängig. Das hat der Enron-Skandal in den USA eutlich gezeigt. Pikanterweise versuchte der Vorsit- ende des IASB, Paul Volcker, ein Vordenker der neoli- eralen Wende Ende der 70er-Jahre, noch im Februar 001, Enron zu einer Spende für die Arbeit des IASB zu 7048 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) bewegen. Enron war dem nicht abgeneigt, wollte aber wissen, inwieweit mit einer Spende Einfluss auf die Ar- beit des IASB möglich wäre. Dies alles verschweigt die FDP natürlich und fordert die Bundesregierung lediglich auf, für eine langfristige und stabile Finanzierung der IASB einzutreten. Am Skandal der privatwirtschaftli- chen Finanzierung dieses Gremiums und den damit ver- bundenen Abhängigkeiten ändert die FDP damit nichts. Die einzelnen Standards des IASB gehen über einen so genannten Endorsement-Prozess in EU-Verordnungen direkt in europäisches Recht und damit in nationales Recht über. Hier wäre anzusetzen; denn der IASB ist ein undemokratisches Gremium. Nach unserer Auffassung ist es ein fataler Rückzug des Staates aus seiner Verant- wortung, wenn Wirtschaftsprüfer bzw. deren Verbände nicht nur die Prüfung und Testierung von Unterneh- mensbilanzen hoheitlich übertragen bekommen, sondern auch noch die internationalen Regeln dafür aufstellen. Die „Schriftgelehrten des Neoliberalismus“ – Rügemer – degenerieren so von einer Kontrollinstanz zu einem ver- längerten Arm der Unternehmensvorstände. Sie werden vom Vorstand berufen und honoriert, der Folgeauftrag hängt vom Wohlverhalten gegenüber dem Auftraggeber ab. Deshalb ist unsere Position klar: Wir brauchen eine Initiative der Bundesregierung, die sich im Interesse der Stakeholder und hier vor allem der Arbeitnehmerseite dafür einsetzt, dass die Rechnungslegung und damit die Unternehmenspolitiken von Unternehmen transparent werden. Ein erster Schritt wäre, Gewerkschaften und Parlamentarierinnen und Parlamentarier an der Diskus- sion und Ausarbeitung von Rechnungslegungsstandards zu beteiligen. Erst dann ließe sich auch über eine ange- messene und zwischenstaatlich organisierte finanzielle Ausstattung dieser Gremien reden. Eine gute Corporate Governance benötigt neben einer verbesserten Mitbestimmung natürlich auch unabhän- gige Abschlussprüfer und ein starkes und unabhängiges Überwachungsorgan. Die Adressaten von Jahresab- schlüssen und Quartalsberichten – seien es Investoren, Gläubiger oder Arbeitnehmer – müssen auf die verant- wortliche Wahrnehmung der Prüfungsaufgabe vertrauen können. Dazu braucht es eine international vergleich- bare, transparente Rechnungslegung und dazu braucht es demokratisch legitimierte Gremien, die diese Regeln aufstellen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Rechnungslegung in Unternehmen erfolgt zunehmend nach internationalen Standards, den so genannten IFRS, International Financial Reporting Standards. Rot-Grün hat mit der Verabschiedung des Bilanzrechtsreformge- setzes in der letzten Legislaturperiode kapitalmarkt- orientierte Unternehmen dazu verpflichtet, ab dem 1. Ja- nuar 2005 diese Standards für ihre Konzernabschlüsse anzuwenden. Für alle anderen Konzernabschlüsse und den Einzelabschluss haben wir, insbesondere zugunsten der kleinen und mittelständischen Unternehmen, ein Wahlrecht festgelegt. Diese Unternehmen können sich f w S Ü T a n 2 i l s r K i – s c ß u g d z d m p i U m t h k a s w s u d S f s t p n v t – d g d t s g m ü s (C (D olglich aussuchen, ob sie nach den neuen IFRS oder eiterhin nach HGB-Regeln bilanzieren wollen. Wir haben dies bewusst so entschieden; denn die tandards sind hoch komplex, einer fortwährenden berarbeitung unterworfen und schaffen in erster Linie ransparenz für Investoren und Anleger – sind also mehr uf die Bedürfnisse am Kapitalmarkt als an die der klei- en und mittelständischen Unternehmen zugeschnitten. Anlässlich der Bilanzrechtsreform hat der Bundestag 005 die Bundesregierung aufgefordert, die Anwendung nternationaler Rechnungslegungsstandards in Deutsch- and sachgerecht und transparent fortzuentwickeln. Un- er damaliger Beschluss hat nichts an Aktualität verlo- en: Er ist darauf gerichtet, die parlamentarische ontrolle bei der Standardsetzung zu verbessern. Noch mmer werden die IFRS von einem kleinen Gremium IAS-Board – nicht demokratisch gewählter Wirt- chaftsvertreter entwickelt, um dann ohne große öffentli- he Debatte ins europäische Recht zu „wandern“. Au- erdem ist das IAS-Board angloamerikanisch geprägt nd berücksichtigt europäische Interessen und Marktge- ebenheiten zu wenig. Die Bundesregierung sollte sich eshalb für eine regional ausgewogene Zusammenset- ung des Gremiums stark machen. Der Bundestagsbeschluss hat aber vor allem die Be- ürfnisse von kleinen und mittelständischen Unterneh- en im Blick, die überwiegend die deutsche Wirtschaft rägen. Nach einer Studie der DIHK vom Juli 2005 zur nternationalen Rechnungslegung bei mittelständischen nternehmen sehen knapp 80 Prozent dieser Unterneh- en keinen Bedarf für eine Bilanzierung nach den gel- enden IFRS. Da einheitliche Standards aber generell zu öherer Transparenz und internationaler Vergleichbar- eit von Unternehmensabschlüssen beitragen, sind sie uch für kleine und mittelgroße Unternehmen wün- chenswert. Deshalb müssen so genannte IFRS light ent- ickelt werden, die sich an den Bedürfnissen des Mittel- tands orientieren. Die Anwendung von IFRS light sollte aber freiwillig nd die Möglichkeit zur ausschließlichen Anwendung er HGB-Regeln erhalten bleiben. Die Komplexität der tandards muss insgesamt reduziert werden. Sie müssen ür kleine und mittelständische Unternehmen praktikabel ein und auf die umfangreichen Angabepflichten der gel- enden IFRS verzichten. Nur wenn es weniger Berichts- flichten gibt, kann es für ein mittelständisches Unter- ehmen sinnvoll sein, die ohnehin mit Mehrkosten erbundene Umstellung auf das neue Bilanzierungssys- em durchzuführen. Wirf ordern die Bundesregierung deshalb auf, sich auch im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft – bei er Fortentwicklung der internationalen Rechnungsle- ungsstandards für mehr demokratische Kontrolle und ie Bedürfnisse von kleinen und mittelständischen Un- ernehmen einzusetzen. Zusätzlich soll sie den Deut- chen Bundestag, wie in unserem Bundestagsbeschluss efordert, über den Bericht informieren, den die Kom- ission zur Funktionsweise der EU-Verordnung gegen- ber dem Europäischen Parlament und dem Rat zu er- tatten hat. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7049 (A) ) (B) ) Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf In- formationen über Emittenten, deren Wertpa- piere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtli- nie 2001/34/EG (Transparenzrichtlinie-Umset- zungsgesetz – TUG) (Tagesordnungspunkt 17) Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Was ist der Kern des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes? Im Kern spiegelt sich in der Transparenzrichtlinie der Konflikt zwischen dem Finanzmarkt und dem gewerblichen Un- ternehmenssektor wider. Die zentrale Frage lautet: Wol- len wir dem Tatbestand weiter Vorschub leisten, dass Unternehmen aus den Spekulationszentralen auf den Kaimaninseln, den Bahamas und sonst woher gesteuert werden? Hat die Transparenzrichtlinie und das, was die Bundesregierung darüber hinaus getan hat, die Gewichte zwischen den Unternehmen und damit zwischen den In- teressen von Arbeitnehmern einer Region auf der einen Seite und den Interessen des Kapitalmarktes auf der an- deren Seite richtig verteilt? Wir meinen: Nein. Die Bun- desregierung hat sich hier nicht nur, aber vor allem in den Dienst der Spekulation, dubioser Hedge-Fonds und gieriger Private-Equity-Gesellschaften gestellt und die Interessen der Unternehmen vernachlässigt. Deutlich wird das zum Beispiel an der über die Richt- linie hinausgehenden Forderung Quartals- und Halbjah- resberichte mit einer steuerlichen Prüfung zu versehen. Das ist teurer und bürokratischer Unsinn zugunsten des Finanzmarktes. Warum wollen die Bundesregierung und die Europäische Kommission die Unternehmen ver- pflichten, ihre Prognosen und Unternehmensmitteilungen in den entferntesten Winkeln Europas für Hedge-Fonds mundgerecht zuzubereiten? Hier soll die Herrschaft des Finanz- über das Realkapital, nennen Sie es Sharehoul- der-Value, verfestigt werden. Ich will hier nicht verschweigen, dass die Transpa- renzrichtlinie auch wichtige und richtige Bestandteile enthält, nämlich da, wo sie der Volkwirtschaft und – ich betone – dem Volk nützt. Die diesbezügliche Senkung der Meldeschwelle für das Erreichen von bestimmten Stimmrechtsquoten von fünf auf drei Prozent nützt den Unternehmen. Das ist ein Beitrag, der das „Anschlei- chen“ für Finanzinvestoren schwieriger macht. Wir be- grüßen es auch ausdrücklich, dass die Bundesregierung in diesem Punkt gegenüber dem Ansinnen des Bundesra- tes hart geblieben ist. Damit wird ein erster kleiner Schritt unternommen, die Unternehmer im Kampf vor unerwünschten und in den allermeisten Fällen schädli- chen bis desaströsen Übernahmeversuchen zu stärken. Die Bundesregierung muss hier jedoch noch weiter ge- hen. S g m i d t Z V t G a d G q m d d f f m v n b f ö l S h h W a b z l A s H U E R B E d B S t w j m V u T w e (C (D Wir sollten das Gesetz zur Namensaktie in diesem inne verbessern und uns fragen, ob nicht etwa die so enannten freien Meldebestände verkleinert werden üssen, um den Unternehmen ein genaueres Bild über hre Aktionäre zu ermöglichen. Damit verbunden wäre ie Beförderung eines engen Verhältnisses zwischen Ak- ionären und Unternehmen im Sinne einer langfristigen usammenarbeit, also dem Gegenteil der Shareholder- alue-Strategie. Positiv ist auch der vorgesehene Bilanzeid zu bewer- en. Vorstände, die fürstlich bezahlt werden, müssen als egenleistung auch eine entsprechende persönliche Ver- ntwortung übernehmen. Vor dem Hintergrund der an- auernden und zum Teil als skandalös einzustufenden ehaltssteigerungen der Vorstände ist das nur konse- uent. Vor allem für diejenigen, die von ihren Arbeitneh- ern ständig mehr Leistung und Verantwortung einfor- ern. Mit unserer Philosophie überhaupt nicht vereinbar ist as Herkunftslandprinzip. Wenn Transparenzrichtlinien ür hier gehandelte Unternehmen gelten, dann bitte schön ür alle die gleichen. Deutschland als Schwergewicht und ächtiger Player auf dem Weltmarkt sollte endlich die orhandenen Spielräume zur Re-Regulierung der Fi- anzmärkte nutzen und den Launen und Spekulations- lasen der Finanzmärkte Grenzen setzen. Die fortlau- ende Anpassung an die jeweils niedrigsten sozialen und kologischen Standards muss beendet werden. Wir wol- en kein sozial-ökologisches Race to the Bottom, sondern tandortbedingungen, die die nachhaltige Innovationsfä- igkeit der Unternehmen und damit die Wettbewerbsfä- igkeit stärken. Diese Strategie steht eben nicht im iderspruch zu den Arbeitnehmerinteressen. Sie steht llerdings im Widerspruch zu den irrationalen Übertrei- ungen der Finanzmärkte. Einer solchen Konzeption von ukunftsfähiger und moderner Ökonomie wird die vorge- egte Umsetzung der Transparenzrichtlinie leider nur in nsätzen gerecht. Hier muss ein konsequenterer Weg be- chriften werden. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): eute verabschieden wir das Transparenzrichtlinie- msetzungsgesetz – kurz TUG. Die damit umgesetzte U-Richtlinie ist Bestandteil des vom Europäischen ats beschlossenen Aktionsplans zur Verbesserung des innenmarkts für Finanzdienstleistungen. Sie zielt auf U-weit einheitliche Regeln für die Berichtspflichten er Wertpapieremittenten ab. Kern der Regelungen sind estimmungen zur Kapitalmarktpublizität und zu timmrechtsmitteilungen. Gemeinsam mit den Haf- ungsbestimmungen für das Management sind das die ichtigsten Bereiche des Gesetzes. Im ersten Regierungsentwurf war geplant, die Halb- ahresberichte der Unternehmen einer verpflichtenden ateriellen und formalen Prüfung zu unterziehen. Dieser orschlag ist in der Anhörung von vielen Expertinnen nd Experten weder als zielführend im Sinne von mehr ransparenz angesehen worden, noch hatte er irgendet- as mit dem Vorhaben der Bundesregierung zu tun, für ine schlanke Bürokratie zu sorgen. Genau das Gegenteil 7050 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) wäre nämlich der Fall gewesen: Mehrkosten für die Un- ternehmen und kaum Informationsgewinne für die An- teilseignerinnen und Anteilseigner. Diese Regelung ist auf Initiative der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und der Koalitionsfraktionen gestrichen worden. Den- noch sind börsennotierte Unternehmen mit der Vorlage von Halbjahresberichten zu mehr Transparenz verpflich- tet. Die Bilanzpolizei, also die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung, wird allerdings nur bei konkretem Anlass aktiv. Das ist im Sinne einer schlanken Bürokra- tie. Um das korrekte Vorlegen von Bilanzen geht es auch bei den Haftungsregelungen des Managements. Das Ge- setz regelt die strafrechtlichen Bestimmungen bei Bilanzbetrug; das ist als Minimalanforderung notwen- dig. Wir wollen aber darüber hinaus gehen und haben die Bundesregierung deswegen aufgefordert, in einem eige- nen Gesetz zivilrechtliche Haftungsbestimmungen fest- zulegen. Das würde dem Kampf gegen kriminelle Ma- chenschaften im Management der Unternehmen ein weiteres Instrument in die Hand gegeben. Denn bei den Haftungsregelungen für das Management bleibt das Ge- setz bei der EU-Vorgabe stehen – leider. Dabei wäre an dieser Stelle ein Schritt über die zurückhaltende europäi- sche Regelung hinaus sinnvoll gewesen. Die Anteilseig- nerinnen und Anteilseigner sollten im Schadensfall bei Gericht direkt gegen die Verantwortlichen im Unterneh- men vorgehen können, Das haben wir in unserem Ent- schließungsantrag deutlich gemacht. Denn nur wenn sie über dieses wirkungsvolle Instrument verfügen, wird es in den Unternehmen eine ausgeprägte Kultur der Sorg- falt geben. Damit die größtmögliche Akribie des Managements bei der Bilanzerstellung erfolgt, müssen Verstöße gegen dieses Prinzip mit deutlichen Sanktionen belegt werden können. Das wäre mit der Möglichkeit einer zivilrechtli- chen Klage der Anlegerinnen und Anleger gegeben ge- wesen. Eine Klagemöglichkeit nur gegen die Gesell- schaft genügt an dieser Stelle nicht. Denn – das haben uns die Erfahrungen aus der Zeit der New Economy ge- zeigt – das Unternehmen ist unter Umständen im Falle einer Insolvenz nicht mehr greifbar und die Anteilseig- ner schauen dann in die Röhre. Deswegen wäre die Schaffung einer Möglichkeit zum zivilrechtlichen Vor- gehen für die Teilhaber ein sinnvoller Schritt gewesen. Sie hätte der Verantwortung des Individuums im Ma- nagement entsprochen. Die Koalitionsfraktionen behaupten, der nun vorlie- gende Gesetzesentwurf sei eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Vorgaben. Das ist wie so oft ein Irrtum. Denn schon allein dann, wenn die EU-Richtlinien Wahlrechte ermöglichen, kann ohnehin nicht mehr von einer Eins- zu-eins-Umsetzung gesprochen werden. An einer Stelle haben wir von diesem Wahlrecht Ge- brauch gemacht und die Meldeschwelle bei Stimm- rechtsänderungen von fünf Prozent auf drei Prozent ge- senkt. Das ist zu begrüßen, denn diese Vorschrift verschafft den Anlegerinnen und Anlegern mehr Trans- parenz über die Eignerstruktur. Entsprechend können sie auf dieser Information ihre Anlageentscheidung ausrich- t a p w M m r w M f A n g m A A d Z d b V f g S d t O i F O k g V c A E d f G D d m d Z d r u z (C (D en. Trotzdem hat die FDP laut aufgeschrieen: Wie bei nderen Gelegenheiten auch meint sie, dass mehr Trans- arenz automatisch zu weniger Wettbewerb führen ürde. Dabei ist das Gegenteil richtig: Nur wenn die arktteilnehmer über möglichst viele relevanten Infor- ationen verfügen, können sie auch ihren eigenen Präfe- enzen entsprechende Entscheidungen treffen – eine ichtige Voraussetzung für das Funktionieren von ärkten. Mit dieser Vorschrift wird besser als bisher da- ür gesorgt, dass sich Emittenten und Anlegerinnen und nleger auf Augenhöhe begegnen können. Der Finanzplatz Deutschland wird gestärkt, weil er un noch besser in den EU-weiten Binnenmarkt inte- riert ist. Deswegen werden wir diesem Gesetz zustim- en. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung (Tages- ordnungspunkt 18) Günter Baumann (CDU/CSU): Der vorliegende ntrag lenkt unseren Blick mal wieder auf die Thematik es politischen Strafrechts in der Bundesrepublik zur eit des Kalten Krieges. Es ist der Versuch, diejenigen, ie erst einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat eseitigen wollten und einen Unrechtsstaat nach DDR- orbild etablieren wollten, von Kollaborateuren zu Op- ern zu stilisieren, nicht zuletzt um das sozialistische Re- ime der DDR mit dem der Bundesrepublik auf eine tufe zu stellen. In der 14. Wahlperiode bedienten sich ie Antragsteller zur Begründung einer Gesetzesinitia- ive der SED-Opfer, nun etliche Jahre später sollen es die pfer nationalsozialistischer Verfolgung sein. Wie schon n der Debatte am 17. Juni 1992 wird die CDU/CSU- raktion Ihren Antrag entschieden zurückweisen. Die pfer, die Sie in ihrem Antrag ansprechen, sind gerade eine Opfer einer Diktatur. Die KPD wurde 1956 durch das Bundesverfassungs- ericht verboten, weil sie nach ihren Zielen und dem erhalten ihrer Anhänger darauf aus war, die freiheitli- he demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. llein dem Bundesverfassungsgericht obliegt dieses ntscheidungsmonopol nach Art. 21 Abs. 2 GG. Solange ies nicht geschehen ist, kann sich eine Partei in der Öf- entlichkeit gegenüber der freiheitlichen demokratischen rundordnung noch so verfassungsfeindlich verhalten. as Gericht kann aber im Gegenzug eine Partei auch ann für verfassungswidrig erklären, wenn nach enschlichem Ermessen keine Aussicht darauf besteht, ass sie ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer eit werde verwirklichen können. Damit spielte es aus amaliger Sicht gar keine Rolle, ob die KPD ihren Auf- uf zum „revolutionären Sturz Adenauers“ je in die Tat msetzen konnte. Diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts um KPD-Verbot kann aus heutiger Sicht nicht mehr Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7051 (A) ) (B) ) aufgehoben werden und im Übrigen wollen wir dies auch nicht. Das verbietet uns schon das Prinzip der Ge- waltenteilung. Somit ist auch die von ihnen geforderte Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes nicht durchsetzbar. Denn eines darf man nicht vergessen, das damals zur Anwendung gekommene politische Straf- recht beruht auf einer rechtsstaatlichen Grundlage. Auch wenn der Gesetzgeber 1968 mit dem Achten Strafrechts- änderungsgesetz rechtspolitisch gebotene Korrekturen des politischen Strafrechts aus dem Jahr 1951 vorge- nommen und mit dem Straffreiheitsgesetz eine Amnestie geschaffen hat, sind die so genannten Staatsschutzurteile der 50er- und 60er-Jahre in einem rechtsstaatlichen Ver- fahren erfolgt. Zum Schluss möchte ich betonen, dass mir in meiner politischen Arbeit die in ihrem Antrag angesprochene Personengruppe – die Opfer der SED-Diktatur – beson- ders am Herzen liegen. Anders als in der Bundesrepublik waren die Richter und Staatsanwälte bei ihrer Urteilsfin- dung innerhalb der DDR-Justiz nicht einem Rechtsstaat verpflichtet. Unter diesem Blickwinkel waren dies hoch- gradige Unrechtsurteile, die auf reine politische Verfol- gung und Unterdrückung aus waren. Die politische Strafjustiz der DDR war verbrecherisch und markantes Merkmal einer Diktatur. Diese Opfer müssen endlich für ihren mutigen Einsatz für Freiheit und Demokratie Ge- rechtigkeit erfahren. Durch die Festschreibung im Koali- tionsvertrag sind die Weichenstellungen für eine Opfer- pension getätigt. Nun müssen wir diese Zielsetzung auch zügig umsetzen. Wenn Sie als Fraktion Die Linke nach Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte in der Demokratie ankommen wollen, dann sollten Sie Ihren Antrag zurückziehen. Manfred Kolbe (CDU/CSU): Die durch nationalso- zialistisches Unrecht verursachten Schäden erforderten bereits unmittelbar nach Kriegsende Regelungen zur Wiedergutmachung. Besonders betroffen waren Perso- nen, die aus Gründen politischer Gegnerschaft zum Na- tionalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozia- listische Gewaltmaßnahmen Schäden erlitten hatten. Für diese Personen wurden deshalb frühzeitig von den Be- satzungsmächten, den Gemeinden und seit ihrer Entste- hung von den Ländern und dem Bund Regelungen ge- troffen. In der Anwendungspraxis des Bundesentschädi- gungsgesetzes aus dem Jahr 1956 zeigte sich in den Fol- gejahren Änderungsbedarf. Dabei war man sich darüber klar, dass eine Novellierung nicht alle Forderungen der Berechtigten berücksichtigen und auch im Hinblick auf den hohen Erledigungsstand nicht alle abgeschlossenen Fälle wieder neu aufgerollt werden konnten. Die aus die- sem Grunde angestrebte Novellierung sollte den endgül- tigen Abschluss der Gesetzgebung auf diesem Gebiet bilden. Nach vierjährigen eingehenden Beratungen in den zuständigen Ausschüssen des Bundestages und des Bundesrates erging am 14. September 1965 unter aus- drücklicher Kennzeichnung als Schlussgesetz das Z g i d o N 5 f z o E A l g s S t p m b A z V F s i l t b l w w s d V V r n g c s J b a e z r s f D z R D (C (D weite Gesetz zur Änderung des Bundesentschädi- ungsgesetzes. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Bundesentschädigungsgesetz st von der Entschädigung ausgeschlossen, wer nach em 23. Mai 1949 die freiheitlich-demokratische Grund- rdnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft hat. ach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom . Juli 1973 muss der Betroffene bewusst das Ziel ver- olgt haben, mit seiner Tätigkeit einen aktiven Beitrag um Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grund- rdnung der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. ine strafrechtliche Verurteilung allein bildet keinen usschlussgrund nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG. Der Rege- ung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG liegt vielmehr die Erwä- ung zugrunde, dass es nicht gerechtfertigt ist, einer Per- on eine öffentlich-rechtliche Entschädigung von einem taat zukommen zu lassen, dessen freiheitlich-demokra- ische Grundordnung ebendiese Person durch aktiven olitischen Kampf zu beseitigen trachtet. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungs- äßigkeit dieser Ausschlussregelung ausdrücklich ge- illigt. Es führt hierzu aus, dass es angesichts der in rt. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz um Ausdruck gekommenen Grundentscheidung des erfassungsgebers für eine Bekämpfung der aktiven einde der demokratischen Werteordnung angemessen ei, Entschädigungen zu versagen. Entscheidend hierfür st das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutsch- and als demokratischer Rechtsstaat. Soweit das Bundesverfassungsgericht mit vorgenann- em Urteil bei einer Tätigkeit für die KPD vor deren Ver- ot im Jahre 1956 nur dann ein Bekämpfen der freiheit- ich-demokratischen Grundordnung angenommen hat, enn dabei gegen allgemeine Strafgesetze verstoßen urde, kommt darin nicht zum Ausdruck, dass das We- en des Bekämpfens in einer Straftat zu sehen ist, son- ern dass im Hinblick auf das Parteienprinzip gegen den erfolgten in subjektiver Hinsicht kein strafrechtlicher orwurf wegen einer Tätigkeit für eine verfassungs- echtliche Partei erhoben werden kann, solange diese icht verboten ist. Im Übrigen würde eine Streichung der Ausschlussre- elung weitestgehend ins Leere laufen, weil die gesetzli- hen Antragsfristen des BEG seit langem abgelaufen ind. Bundestag und Bundesregierung haben seit vielen ahren zum Ausdruck gebracht, dass sie die Gesetzge- ung im Rahmen des BEG mit dem BEG-Schlussgesetz us dem Jahre 1965 als abgeschlossen betrachten und ine Novellierung dieses Gesetzes nicht in Erwägung iehen. Diese Haltung wurde bei den parlamentarischen Be- atungen über den Erlass und die Verbesserung außerge- etzlicher Härteregelungen für Verfolgte und andere Op- er von NS-Unrechtsmaßnahmen wiederholt bekräftigt. er Gesetzgeber hat das Ende des Kalten Krieges nicht um Anlass genommen, etwas an der bestehenden echtslage zu ändern. Der Antrag der PDS ist eine Verhöhnung derer, die in eutschland Opfer von Diktaturen geworden sind. Er ist 7052 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) der untaugliche Versuch, diejenigen, die einen freiheit- lich-demokratischen Rechtsstaat beseitigen und einen Unrechtsstaat nach DDR-Muster etablieren wollten, von Antidemokraten zu Opfern zu erheben. Maik Reichel (SPD): Der heute hier eingebrachte Antrag der Linksfraktion „Entschädigung für Opfer na- tionalsozialistischer Verfolgung“, Drucksache 16/3536, wird 50 Jahre nach dem Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands 1956 besprochen. Der Antrag zielt darauf, ehemaligen Mitgliedern der KPD bzw. politisch tätigen Kommunisten ihnen versagte Ansprüche nach erlittener Verfolgung durch den Nationalsozialismus zu- zugestehen. Dieser Antrag unterstellt, dass ehemalige Mitglieder der verbotenen KPD generell keine Entschä- digung nach Bundesentschädigungsgesetz erhalten ha- ben. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Eine bloße Mitgliedschaft oder eine Übernahme von Funktionen in der seit 1956 verbotenen KPD hat zu kei- nem Zeitpunkt zum Ausschluss von Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz geführt. Dies wird un- ter anderem deutlich in einem Urteil des Bundesgerichts- hofes aus dem Jahre 1973. Nach richterlicher Auffas- sung „muss der Betroffene bewusst das Ziel verfolgt haben, mit seiner Tätigkeit zum Kampf gegen die frei- heitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepu- blik Deutschland“ beizutragen. Demnach bezieht sich der § 6 des Bundesentschädi- gungsgesetzes nicht allgemein auf die Parteimitglied- schaft, sondern auf die Aktivitäten einer einzelnen Per- son, die auch Mitglied der KPD sein kann. Dieser Paragraph regelt einen Teil der Anspruchsgrundlage bzw. in diesem Fall Ausschlussgründe. Er besagt näm- lich – an dieser Stelle möchte ich kurz in Auszügen den Gesetzestext zitieren: „Von der Entschädigung ist ausgeschlossen …, 2. wer nach dem 23. Mai 1949 die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft hat; 3. wer nach dem 8. Mai 1945 wegen eines Verbre- chens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden ist.“ Weiter heißt es in Ab- satz 3: „Der Anspruch auf Entschädigung ist verwirkt, wenn nach Festsetzung oder nach rechtskräftiger ge- richtlicher Entscheidung einer der Ausschließungs- gründe des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 eintritt. Die nach Ein- tritt eines Verwirkungsgrundes bewirkten Leistungen können zurückgefordert werden.“ Im Übrigen ist im Einzelfall ein Härteausgleich nach § 171 des Bundesentschädigungsgesetzes bei Fällen be- sonderer Härte möglich. Laut einer Umfrage unter den Bundesländern Ende der 1990er-Jahre erhielten viele nach § 6 BEG Ausgeschlossene in ebensolchen Härtefäl- len finanzielle Unterstützung, was auch einem gemein- samen Beschluss aller Länder vom Juli 1968 entsprach. Baden-Württemberg zum Beispiel hat allen Betroffenen einen solchen Härteausgleich nach § 171 gewährt. Somit kann von einem „gesellschaftlichen Skandal in der Bun- desrepublik (West)“, wie es in der Antragsbegründung heißt, nicht gesprochen werden. s s n u B o r n t S f k s s n n d k w d r g n l t g k f s k r t g u U f s O m g n V a 1 m k K f g t h (C (D Betroffen sind von § 6 des Bundesentschädigungsge- etzes zwei Personengruppen, zwischen denen das Ge- etz unterscheidet. Zum einen solche Opfer des Natio- alsozialismus, die nach 1945 straffällig geworden sind, nd auf der anderen Seite diejenigen, die aktiv für die eseitigung der freiheitlichen demokratischen Grund- rdnung gekämpft haben. Um klarzustellen: Für eine Verurteilung zu drei Jah- en Freiheitsstrafe reichte ein kleiner Ladendiebstahl icht aus. Die Rede ist stattdessen von schwersten Delik- en gegen körperliche Unversehrtheit oder Besitzstände. o sind von diesem Passus unter anderem Täter betrof- en, die rechtskräftig wegen Meineides, sexueller oder örperlicher Gewalt bzw. schweren Raubes oder Dieb- tahls verurteilt wurden. Zur zweiten Personengruppe, den wegen ihrer verfas- ungsfeindlichen Aktivität in Nähe zur KPD Betroffe- en, ist Folgendes zu sagen: Die KPD wurde am 17. August 1956 vom Ersten Se- at des Bundesverfassungsgerichts verboten, als Partei, ie die freiheitlich-demokratische Grundordnung be- ämpft und somit gemäß Art. 21 Abs. 2 GG verfassungs- idrig ist. Eingeleitet wurde dieses Parteiverbotsverfahren urch den „Antrag zur Feststellung der Verfassungswid- igkeit“ vom 23. November 1951. Dieser durch die Re- ierung Adenauer eingebrachte Antrag richtete sich icht nur gegen die KPD, sondern auch gegen die Sozia- istische Reichspartei, welche 1951 als nationalsozialis- isch galt. Nach etwa fünf Jahren kam das Bundesverfassungs- ericht in seinem Urteil – BVerfGE 5,85 – zu der Er- enntnis, dass es sich bei der KPD um eine verfassungs- eindliche Organisation handelt. Die Richter beriefen ich bei ihrer Entscheidung unter anderem auf das Be- enntnis der KPD zum Marxismus-Leninismus und ih- en Aufruf zum „Sturz des Adenauer-Regimes“. In der Folge dieses Urteils hat man sowohl den Rich- ern als auch den westdeutschen Bundesregierungen vor- eworfen, antikommunistische Hexenjagd zu betreiben nd allein wegen KPD-Mitgliedschaft ohne Augenmaß rteile zu fällen. Dass dem nicht so war, wissen Sie hof- entlich genauso gut wie ich. Auch von einer „morali- chen und sozialen Ausgrenzung der kommunistischen pfer des Nazi-Regimes“ und „Ausgrenzung der Kom- unistinnen und Kommunisten aus den Opferentschädi- ungsleistungen“, wie es der Antrag formuliert, kann icht die Rede sein. Es finden sich genügend Beispiele, die das damalige erfahren detaillierter beschreiben. So wurden in den chtzehn Jahren von 1950 bis 1968 schätzungsweise 50 000 bis 200 000 Ermittlungsverfahren im Zusam- enhang mit einem Angriff auf die freiheitliche demo- ratische Grundordnung bzw. dem später folgenden PD-Verbot eingeleitet. Lediglich ein Bruchteil davon ührte zu einer Verurteilung. Es wird davon ausgegan- en, dass etwa fünf Prozent aller Verfahren zu einem Ur- eil und einer damit verbunden Freiheitsstrafe geführt aben. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7053 (A) ) (B) ) Das Bundesverfassungsgericht hat übrigens in einem Urteil von 1961 ausdrücklich die Ausschlussregelung des BEG für verfassungsmäßig erklärt, der ja die Erwä- gung zugrunde liegt, dass es nicht gerechtfertigt ist, eine öffentlich-rechtliche Entschädigung einer Person zu- kommen zu lassen, die die freiheitliche demokratische Grundordnung durch aktiven politischen Kampf zu be- seitigen trachtet. Die Anerkennung erlittenen Leids gleicht keineswegs die Unrechtmäßigkeit späterer antidemokratischer Betä- tigung aus. Gerade aus 40 Jahren Geschichte der DDR wissen wir sehr wohl, wie einer Diktatur die nächste fol- gen kann, und sei sie auch die des Proletariats. Aus all den genannten Gründen wird die SPD-Bun- destagsfraktion an der bestehenden Regelung festhalten und den Antrag der Linksfraktion ablehnen. Dr. Max Stadler (FDP): Mit diesem Antrag zielt die Fraktion Die Linke darauf ab, bestimmte Regelungen des Bundesentschädigungsgesetzes zu revidieren. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG wurden Personen, die die freiheit- liche demokratische Grundordnung im Sinne des Grund- gesetzes bekämpft haben, von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen. Die Fraktion Die Linke möchte errei- chen, dass dieser Entschädigungsausschluss nicht auf Mitglieder der damaligen Kommunistischen Partei Deutschlands, KPD, und andere Personen, die sich als Kommunisten politisch betätigten, angewandt wird. Wenn man diesem Antrag folgen würde, würde im nachhinein eine gesetzgeberische Grundentscheidung aus den 50er-Jahren aufgehoben, obwohl der Sachver- halt bereits abgeschlossen ist. Dies begegnet rechtsstaat- lichen Bedenken. Zwar ist richtig, dass das KPD-Verbot historisch im Kontext des Kalten Krieges zu sehen ist. Das damalige Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist historisch zu bewerten auf dem Hintergrund der deut- schen Teilung. Ähnliche Verfahren gab es in anderen westlichen Demokratien wie Frankreich, Österreich oder Italien gerade nicht. Andererseits besteht kein Zweifel, dass dieses Verbot auf der Grundlage des Art. 21 Abs. 2 des Grundgesetzes rechtmäßig zustande gekommen ist und in Rechtskraft erwachsen ist. Der Gesetzgeber des Bundesentschädigungsgesetzes von 1956 hatte einen Ermessensspielraum, welcher Perso- nenkreis Anspruch auf Entschädigungsleistungen haben sollte und wer nicht. Hiervon hat er unter Berücksichti- gung der damaligen Verhältnisse maßvoll Gebrauch ge- macht. In der Gesetzesbegründung heißt es ausdrück- lich: „Es sei staatspolitisch geboten und rechtlich vertretbar, Verfolgte von der Entschädigung auszuschlie- ßen, die durch ihr Verhalten die politische Ordnung des heutigen Staates gestört haben. Doch liege in einer blo- ßen Mitgliedschaft in einer Partei, zum Beispiel in der KPD oder SED, noch kein Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung; dieser Tatbestand sei nur bei einem aktiven Verhalten erfüllt.“ Das Bundesver- fassungsgericht hat die Verfassungsmäßigkeit der Aus- schlussformel bestätigt, aber zugleich festgestellt, dass d l d k R g g c E b s s a h r u s g s F z d g s d c p Z t n 2 E l s s r w g s e g g m B J l e s Z m k N t g (C (D er Ausschluss eines Verfolgten von Entschädigungs- eistungen nicht damit begründet werden könne, er habe ie freiheitliche demokratische Grundordnung „be- ämpft“, wenn sich seine Tätigkeit darin erschöpfte, im ahmen einer noch nicht verbotenen verfassungswidri- en Partei sich für die Verwirklichung ihrer Ziele mit all- emein erlaubten Mitteln einzusetzen. Von einem flä- hendeckenden Ausschluss früherer Kommunisten von ntschädigungsleistungen kann also keine Rede sein. Wenn die Antragsteller mit ihrem Anliegen Erfolg ha- en wollen, müssen sie mögliche Gerechtigkeitslücken chon sorgfältiger herausarbeiten. Nach unserer Auffas- ung muss eine Entschädigungsleistung jedenfalls dann usgeschlossen bleiben, wenn der Betroffene die frei- eitlich demokratische Grundordnung in strafrechtlich elevanter Weise bekämpft hat. Unabhängig davon ist es eine Sache der Diskussion nter Historikern, den Widerstand gegen den National- ozialismus und dabei auch den von Kommunisten eleisteten Widerstand angemessen zu würdigen und ich mit der Behandlung dieses Personenkreises in der rühphase der Bundesrepublik Deutschland auseinander u setzen. Jan Korte (DIE LINKE): Am 17. August 1956 hat as Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Bundesre- ierung unter Konrad Adenauer, CDU, die Kommunisti- che Partei Deutschlands, KPD, verboten. Parallel zu em fünfjährigen Verfahren wurden verschiedene Atta- ken im Zuge eines antikommunistischen Konsenses der olitischen Klasse und antikommunistischer Hysterie im uge der Systemauseinandersetzung gegen Kommunis- innen und Kommunisten gefahren. Rund 80 kommunistische Organisationen und Bünd- isgruppen wurden zwischen 1951 und 1958 verboten. 00 000 Personen waren von staatsanwaltschaftlichen rmittlungsverfahren betroffen. Über 10 000 Verurtei- ungen waren die Folge. Unter den Verurteilten befanden ich nicht nur Personen, die in kommunistischen Organi- ationen oder in der Kommunistischen Partei aktiv wa- en. Auch das Engagement in Gruppen oder Initiativen ie zum Beispiel im „Hauptausschuss für Volksbefra- ung über die Wiederbewaffnung“ oder in der „Gesell- chaft für Deutsch-sowjetische Freundschaft“ konnte mpfindliche Strafen oder die Einschränkung von Bür- er- und Freiheitsrechten nach sich ziehen. Auch Anhän- er bürgerlicher Parteien oder Mitglieder der Sozialde- okratischen Partei, SPD, die in diesen oder ähnlichen ewegungen aktiv waren, wurden in den ersten beiden ahrzehnten des Bestehens der Bundesrepublik Deutsch- and zu Opfern politischer Justiz. Viele der damals mit friedlichem Protest politisch ngagierten Menschen waren zuvor Opfer der national- ozialistischen Diktatur. Viele verbüßten mehrjährige uchthaus- oder KZ-Haftstrafen, wurden gefoltert und isshandelt. Viele befanden sich im Untergrund und ämpften gegen das menschenverachtende Regime der azis. Derartige Erfahrungen und das erlittene Leid un- er dem NS-Regime waren für viele Beweggründe, sich egen die Wiederbewaffnung Deutschlands oder für die 7054 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Verteidigung der Demokratie in Westdeutschland zu en- gagieren. Wir, die Fraktion Die Linke, wollen mit dem nun vor- liegenden Antrag ein besonderes moralisches Unrecht aufheben helfen. Es ist unserer Ansicht nach moralisches Unrecht und juristisch nicht hinnehmbar, wenn Opfer na- tionalsozialistischer Verfolgung aufgrund ihrer Mitglied- schaft in der 1956 verbotenen Kommunistischen Partei Deutschlands oder wegen politischer Tätigkeit als Kom- munisten nach 1949 die ihnen zustehenden Entschädi- gungsleistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz nicht erhalten bzw. erhalten haben oder schon gezahlte Entschädigungen zurückzahlen mussten. Kommunisten, die wegen Widerstands gegen das NS- Regime im Konzentrationslager oder in den Fängen der Gestapo litten, haben wie andere Opfer nationalsozialis- tischer Verfolgung Anspruch auf Entschädigungsleistun- gen nach dem Bundesentschädigungsgesetz erworben und zudem unsere höchste Anerkennung. Im Zuge des Kalten Krieges und des Antikommunismus in der Bun- desrepublik Deutschland wurde Mitgliedern der KPD eine Entschädigung verweigert oder gar die schon ge- leistete wieder zurückgefordert. Unser Antrag hat das Ziel, noch lebenden und bereits verstorbenen Kommunistinnen und Kommunisten, die Opfer nationalsozialistischen Terrors waren, eine morali- sche, politische und juristische Anerkennung ihrer im Widerstand gegen das Naziregime erbrachten Opfer durch die Bundesrepublik Deutschland zuteil werden zu lassen und sie endlich auch auf dieser Ebene anderen Opfern nationalsozialistischer Verfolgung gleichzustel- len. Der derzeitige § 6 Abs. 1 Nr. 2 BEG legt fest, dass Personen, die nach dem 23. Mai 1949 die freiheitlich de- mokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekämpft haben, von Entschädigungsleistungen ausge- schlossen sind. In § 6 Abs. 3 BEG wird geregelt, dass ein Anspruch auf Entschädigung verwirkt ist und Leistun- gen zurückgefordert werden können, wenn Ausschluss- gründe nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 vorliegen. Selbst Leistun- gen, die nach Feststellen des Ausschlussgrundes gezahlt wurden, können zurückgefordert werden. Für Entschädigungsleistungen sollte meiner Meinung nach ausschließlich, wie es im Vorwort des Bundesent- schädigungsgesetzes formuliert ist, die „Wiedergutma- chung für erlittenes Unrecht“ das entscheidende Krite- rium sein, weil der „geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und des Staates“ war. Die Ausgrenzung von Kommunistinnen und Kommunis- ten aus den Opferentschädigungsleistungen mag der ju- ristischen Umsetzung der Logik des Kalten Krieges ent- sprochen haben. Sie aufrechtzuerhalten, widerspricht heutigen rechtsstaatlichen Grundsätzen und dem morali- schen Verständnis vieler in diesem Lande. Dies ist umso bedrückender, als die Grundlage für den Ausschluss von Entschädigungsansprüchen die Urteilssprüche von Staats- anwälten und Richtern waren, die als Täter bereits unter dem Naziregime politische Prozesse geführt hatten und nach 1949 erneut über Widerstandskämpfer zu Gericht saßen. D m s V w W N c A g B z s l s K w n s s B E D N b O – e d t n 5 z v s n N A L a p d d N N d r O e j a H N I 2 (C (D Auch das Verbot der Kommunistischen Partei eutschlands kann eine juristische Abwertung und die oralische und soziale Ausgrenzung der kommunisti- chen Opfer des Naziregimes – das bedeutet nämlich die erweigerung der Entschädigungsleistung bis heute – eder juristisch noch moralisch rechtfertigen. Deshalb streiten wir mit unserem Antrag nicht nur für iedergutmachung für die Opfer der NS-Herrschaft. ein, wir suchen auch nach einem breiten gesellschaftli- hen und parlamentarischen Konsens in dieser Frage. uch deshalb bitte ich Sie, dem Ansinnen unseres Antra- es zu folgen und die Bundesregierung aufzufordern, das undesgesetz zur Entschädigung für Opfer nationalso- ialistischer Verfolgung dahin gehend zu ändern, dass ichergestellt wird, dass, Personen von Entschädigungs- eistungen nach diesem Gesetz nicht wegen Mitglied- chaft in der oder einer legalen Tätigkeit für die damalige ommunistische Partei Deutschlands ausgeschlossen erden, dass Personen von Entschädigungsleistungen ach diesem Gesetz nicht ausgeschlossen werden, wenn ie sich als Kommunisten politisch betätigten, und dass chon geleistete Entschädigungen, die nach § 6 Abs. 3 EG zurückgezahlt wurden, den Betroffenen oder ihren rben ausgezahlt werden. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ie Geschichte des Entschädigungsrechts für Opfer von S-Unrecht in Deutschland ist wahrlich kein Ruhmes- latt. Es hat jahrzehntelang gedauert, bis mehr und mehr pfergruppen in den Kreis der Leistungsberechtigten auf unterschiedlichster rechtlicher Grundlage – mit- inbezogen wurden. Teilweise hochbetagte Opfer wur- en so erst kurz vor ihrem Tod zu Anspruchsberechtig- en. Dies ist eine Schande und das muss an dieser Stelle och einmal klipp und klar gesagt werden. Das Bundesentschädigungsgesetz, BEG, aus den 0er-Jahren war ein Gesetz, das Diskriminierung un- weifelhaft festgeschrieben hat. Das BEG benachteiligte or allem ausländische Verfolgte und verschiedene deut- che Verfolgtengruppen, wie Sinti und Roma, Kommu- isten, Wehrdienstverweigerer, Homosexuelle, von dem S-Erbgesundheitsgesetz Betroffene und so genannte soziale. Erst unter Rot-Grün ist es maßgeblich gelungen, die eistungen für NS-Opfer auf anderem Wege wesentlich uszubauen. Ich erinnere nur daran: In der 14. Wahl- eriode haben wir in einem großen Kraftakt die Entschä- igung der NS-Zwangsarbeiter auf den Weg gebracht. In er 15. Wahlperiode folgten Verbesserungen für weitere S-Opfer im Inland, zum Beispiel für Menschen, die im ationalsozialismus zwangssterilisiert wurden. In Folge es Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Un- echtsurteile, NS-Aufhebungsgesetz, sind weitere NS- pfer ab 2005 in den Kreis der Leistungsberechtigten inbezogen worden. Dies betrifft zum Beispiel Militär- ustizopfer sowie Homosexuelle. Bislang war Strafhaft ufgrund des von den Nazis 1935 massiv verschärften omosexuellenparagrafen 175 grundsätzlich nicht als S-Unrecht anerkannt gewesen. Das hat Rot-Grün auf nitiative meiner Fraktion geändert – entsprechend der 002 von uns durchgesetzten Ergänzung des NS-Aufhe- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7055 (A) ) (B) ) bungsgesetzes, mit der Verurteilungen nach §§ 175, 175 a Nr. 4 RStGB in der Zeit bis zum 7. Mai 1945 als NS-Unrecht pauschal aufgehoben wurden. Das im kalten Krieg befindliche Nachkriegsdeutsch- land hat sich immer wieder geweigert, überhaupt anzuer- kennen, dass ganze Opfergruppen in Deutschland von der Entschädigung ausgeschlossen waren. Im Falle der kom- munistischen Opfer gab es da nichts zu leugnen: Das war ein ganz bewusstes Außenvorlassen, weil man diese Men- schen einer Entschädigung nicht für würdig erachtete. Der Bundestag hat in den 50er-Jahren nachträglich in das Entschädigungsgesetz geschrieben, dass kommunistische NS-Opfer keinen Anspruch auf Entschädigung hätten, und das, obwohl die US-Militärregierung in ihrem ersten Entschädigungsgesetz von 1947, an das sich das Bundes- entschädigungsgesetz laut Vertrag ja eigentlich anlehnen sollte, die Kommunisten nicht ausgenommen hatte. Anders als der Antrag der Linken jetzt suggeriert, sind Änderungen am BEG heute natürlich unsinnig, weil es seit 1969 ein Schlussgesetz gibt, mit anderen Worten: Das BEG ist ein totes Gesetz. Es werden danach zwar noch Leistungen ausgezahlt, eine Antragstellung ist je- doch heute nicht mehr möglich. Gleichwohl gebe ich der Fraktion der Linken insofern Recht, dass es nicht zuletzt eine moralische Verpflich- tung der Bundesrepublik ist, das Unrecht dieses Aus- schlusses einer Entschädigung für Kommunisten auszu- sprechen. Es sollte auch ein Weg gefunden werden, dass zumindest diejenigen, die damals ihre Entschädigung wegen Unwürdigkeit zurückzahlen mussten, dieses Geld wiederbekommen. Wie das aber konkret geschehen soll – möglicherweise über Härtefonds –, dazu schweigt der Antrag der Linken bedauerlicherweise. Hier hätte ich mir etwas mehr Seriosität erhofft. Kommunisten gehörten während der Nazidiktatur zu den aktivsten Widerstandskämpfern; sie wurden in den Konzentrationslagern mannigfach geschunden und ge- quält. Es gab und gibt keinerlei Grund, Menschen aus dieser Opfergruppe eine Entschädigung vorzuenthalten. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Unterrichtung: Bericht der Bundesregie- rung über die Beschäftigung schwerbehin- derter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes – Antrag: Recht statt Pflicht – Einschränkun- gen behinderter Menschen bei der Teilhabe am öffentlichen Leben entgegenwirken – Antrag: Teilhabe von Menschen mit Behin- derungen am öffentlichen Leben konsequent sichern (Tagesordnungspunkt 19) Hubert Hüppe (CDU/CSU): Im Mittelpunkt dieses Tagesordnungspunktes steht der „Bericht der Bundesre- g i n B M t t D B C E a h s s d a S i M w A m b d A n d D „ n d P G g F A S s b a e R o g k w R u e ü ö h w J u i d (C (D ierung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen m öffentlichen Dienst des Bundes“. Daneben werden och zwei Anträge, einer von der FDP und einer von ündnis 90/Die Grünen, behandelt, die sich mit dem erkzeichen B im Schwerbehindertenausweis beschäf- igen. Die beiden Anträge gehen letztlich auf eine Initia- ive der CDU/CSU aus der letzten Wahlperiode zurück. ie FDP hat diesen Antrag der Union, einschließlich der egründung, wortwörtlich abgeschrieben. Die CDU/ SU wollte schon damals eine Klarstellung durchsetzen: s sollte deutlich gemacht werden, dass diejenigen, die uf dem Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen B aben, zwar das Recht haben, sich im öffentlichen Per- onenverkehr von einer Person begleiten zu lassen, dass ie aber nicht von einer Person begleitet werden müssen. In der Vergangenheit hatte der Satz, welcher neben em Merkzeichen B auf dem Schwerbehindertenausweis ufgedruckt wurde, zu Missverständnissen geführt. Dieser atz lautete: „Die Notwendigkeit ständiger Begleitung st nachgewiesen.“ Das führte zum Beispiel dazu, dass enschen mit einem solchen Ausweis zurückgewiesen urden, wenn sie allein ins Schwimmbad gehen wollten. nderen ist es passiert, dass man sie nicht allein im Bus itfahren lassen wollte. Inzwischen hat sich dieses Pro- lem unbürokratisch lösen lassen. Nachdem jetzt auch ie SPD-Fraktion sowie Bündnis 90/Die Grünen unser nliegen unterstützen, wie man an ihrem Antrag erken- en kann, konnten wir einvernehmlich eine Änderung er Schwerbehindertenausweisverordnung vornehmen. as Merkzeichen B wird jetzt durch den geänderten Satz Die Berechtigung zu Mitnahme einer Begleitperson ist achgewiesen“ ergänzt. Somit ist eindeutig klargestellt, ass es sich dabei um ein Recht und nicht um eine flicht zur Mitnahme handelt. Da diese Änderung bereits im Rahmen des Zweiten esetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes um- esetzt wurde, haben sich die vorliegenden Anträge von DP und Bündnis 90/Die Grünen weitgehend erledigt. uch wenn das Merkzeichen B nicht unbedingt in einem achzusammenhang mit dem Betriebsrentengesetz steht, o war es uns doch wichtig, dieses für die Betroffenen elastende Problem möglichst schnell zu lösen. Es bleibt llerdings ein weiterer Punkt im Antrag der FDP zu rwähnen. Dabei geht es um eine bundeseinheitliche egelung für Parkerleichterungen für Schwerbehinderte hne das Merkzeichen aG, das für „außergewöhnlich ehbehindert“ steht. Auch die Union sieht hier für her- ömmliche Gruppen von Menschen mit Behinderungen, ie zum Beispiel „Ohnarmer als Contergangeschädigter“, egelungsbedarf. Wir bleiben weiterhin im Gespräch nd ich wünsche mir, dass sich im Verkehrsministerium ine vernünftige Lösung finden lässt. Nun komme ich zum Bericht der Bundesregierung ber die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im ffentlichen Dienst des Bundes. Wie Sie wissen, wird bis- er dieser Bericht jährlich erstellt. Das Problem ist, dass ir erst jetzt – Ende 2006 – über die Entwicklung der ahre 2003/2004 diskutieren. Der Ausschuss für Arbeit nd Soziales hat mehrheitlich beschlossen, diesen Bericht n den einmal pro Wahlperiode zu erstellenden „Bericht er Bundesregierung zur Lage behinderter Menschen 7056 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) und der Entwicklung ihrer Teilhabe“ zu integrieren. Im Ausschuss wurde uns jedoch vonseiten des Ministeriums signalisiert, dass auf Anfrage zeitnah weiter über die Situation von Schwerbehinderten im öffentlichen Dienst berichtet würde. Das gibt uns die Chance – und diese Chance sollten wir nutzen – zeitnäher und unbürokrati- scher zu reagieren und Fehlentwicklungen zu korrigieren. Ich glaube, niemand hier im Hause bezweifelt, dass der öffentliche Dienst bei der Bekämpfung der Arbeits- losigkeit schwerbehinderter Menschen eine besondere Vorbildfunktion hat. Angesichts der gesetzlich geforderten Beschäftigungsquote von 5 bzw. 6 Prozent des Bundes ist der tatsächliche Anteil schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst in Höhe von 7,1 Prozent ein Er- folg. Erfreulich ist, dass die Anzahl schwerbehinderter Frauen im öffentlichen Dienst des Bundes um 3,8 Prozent gestiegen ist. Auch die Zahl der beschäftigten schwerbe- hinderten Menschen bei den öffentlichen Arbeitgebern insgesamt, also Bund, Länder wie auch Kommunen, konnte von 2002 auf 2003 auf nunmehr insgesamt 5,4 Pro- zent gesteigert werden. Schaut man sich jedoch die Zah- len etwas genauer an, dann stellt man fest, es gibt auch Entwicklungen, die nicht zufrieden stellend sind. So ist zwar im Berichtszeitraum, wie oben erwähnt, die Be- schäftigungsquote beim Bund bei 7,1 Prozent gehalten worden, allerdings hat sich die Zahl der Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen insgesamt um 224 Plätze verringert. Dabei ist aus dem Bericht nicht deutlich zuer- kennen, ob es tatsächlich nicht sogar noch weniger Be- schäftigte sind, da im Jahr 2004 durch eine Änderung des SGB IX mehrere Möglichkeiten von Mehrfachan- rechnungen geschaffen wurden. Mit anderen Worten, es gibt die Möglichkeit, besonders schwer zu vermittelnde schwerbehinderte Menschen mehrfach auf die Beschäfti- gungsquote anzurechnen. Besonders bedauerlich ist allerdings, dass der Anteil schwerbehinderter Menschen bei den Neueinstellungen von 4,1 Prozent im Jahr 2003 auf 3,5 Prozent im Jahr 2004 zurückgegangen ist. Konkret bedeutet dies, dass nur 22 schwerbehinderte Menschen mehr eingestellt wurden, obwohl es im Jahr 2004 insgesamt 2 281 Neueinstellun- gen mehr gab als im Jahr 2003. Dieser Trend, der sich unter der damaligen rot-grünen Regierung eingeschli- chen hat, darf sich nicht weiter fortsetzen. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass die Gegenüberstellung der Zu- und Abgänge beschäftigter schwerbehinderter Menschen im Jahr 2004 einen negativen Saldo von 1 778 ergibt. Wenn wir von der Wirtschaft mit Recht einfordern, mehr schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen und Pro- gramme für Neueinstellungen mit entsprechender finan- zieller Ausstattung aufzulegen, müssen wir uns fragen, warum das beim Bund selbst nicht funktioniert. Wir alle freuen uns darüber, dass die Zahl der Arbeits- losen im letzten halben Jahr um circa eine halbe Million zurückgegangen ist und wir endlich wieder einen Zu- wachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhält- nissen haben. Allerdings müssen wir leider feststellen, dass die schwerbehinderten Arbeitssuchenden nicht da- von profitieren. Im Gegenteil, die Zahl der arbeitslosen Schwerbehinderten ist sogar gestiegen. Teilhabe an der Gesellschaft bedeutet für Menschen mit Behinderung v d D e e „ A f n d d A l d s d w j b a M L P M d b m r m k g b d g B d h B w I s A b d b s C m s s f l e m m a L (C (D or allem auch Teilhabe an der Arbeitswelt. Hier müssen ringend neue Ansätze entwickelt und erprobt werden. as im Juni 2006 aufgelegte Programm „Job 4 000“ ist in Mosaikstein. Es müssen weitere Möglichkeiten rprobt bzw. weitergeführt werden. Dazu könnte ein Budget für Arbeit“ beitragen, aber auch der Kombilohn. uf jeden Fall – das macht diese Debatte deutlich – dür- en wir uns nicht zurücklehnen, wenn es um die betroffe- en Menschen geht. Karin Evers-Meyer (SPD): Ich will den vorliegen- en Bericht zur Beschäftigungssituation schwerbehin- erter Menschen im öffentlichen Dienst und die beiden nträge von FDP und Bündnis 90/Die Grünen zum An- ass nehmen, etwas Allgemeines zur Situation der behin- erten Menschen in diesem Land zu sagen. Wir haben es in den vergangenen acht Jahren ge- chafft, den viel beschworenen Paradigmenwechsel in er Politik für behinderte Menschen einzuleiten. Wir ollen weg davon, behinderte Menschen als reine Ob- ekte der Fürsorge zu betrachten und gemeinsam mit den ehinderten Menschen und ihren Interessenvertretungen n einer Lebenswirklichkeit arbeiten, die es behinderten enschen erlaubt, teilzuhaben und ein selbst bestimmtes eben in einem natürlichen Umfeld zu führen. Dieser rozess hat begonnen, und wir haben ganz wesentliche eilensteine auf diesem Weg erreicht. Ich nenne hier nur as Behindertengleichstellungsgesetz, das Sozialgesetz- uch IX und das erst kürzlich in Kraft getretene Allge- eine Gleichbehandlungsgesetz. Wenn mir vor 20 Jah- en jemand erzählt hätte, wie heute behinderte Menschen it Assistenz und Persönlichem Budget ihr Leben führen önnen, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Wir sind aber noch längst nicht am Ende dieses We- es angekommen. Es gibt noch ganz dicke Bretter zu ohren. Denn nach wie vor gibt es große Barrieren in en Köpfen. Nach wie vor wird auf beiden Seiten nicht enügend Integration gewagt. Das gilt nicht nur für den ereich Schule – in Deutschland werden nur 12 Prozent er behinderten Kinder unter einem Dach mit nicht be- inderten Kindern unterrichtet –, sondern auch für den ereich Arbeitsmarkt, soweit sich hier die Betrachtungs- eise überhaupt trennen lässt; denn wer glaubt, mit der ntegration in den Arbeitsmarkt könne man beim Vor- tellungsgespräch beginnen, der befindet sich meiner nsicht nach auf einem Irrweg. Hier liegt noch viel Ar- eit vor uns. Die Beschäftigungssituation schwerbehin- erter Menschen in Deutschland ist nicht gut. Deshalb in ich Arbeitsminister Müntefering sehr dankbar, dass ein Haus mit der Aktion „Job 4 000“ weiter aktiv die hancen schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeits- arkt verbessern wird. Mit dieser gut austarierten Mi- chung aus Aufklärung und Unterstützung werden wir chwerbehinderten Menschen weiterhelfen, einen Job zu inden. Die Rahmenbedingungen müssen selbstverständ- ich stimmen. Ziel muss echte Planungssicherheit für ine dauerhafte Integration von behinderten Arbeitneh- ern in neue Beschäftigung sein. Wir müssen dabei im- er wieder überprüfen, ob die Eingliederungszuschüsse n Arbeitgeber richtig ausgestaltet sind, ob es neue ohnmodelle geben könnte oder ob andere bürokratische Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7057 (A) ) (B) ) Hürden einer Einstellung behinderter Menschen im Weg stehen. Wie gesagt, geht es aus meiner Sicht vor allem darum, die Barrieren in den Köpfen zu überwinden. Neben der Bereitstellung fachlicher und finanzieller Unterstützung ist Aufgabe der Politik eben auch, in der Wirtschaft, bei Unternehmen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Beschäftigung behinderter Arbeitnehmer kein Klotz am Bein, sondern ein Gewinn für jeden Betrieb ist. In den Personalabteilungen weit verbreitet ist immer noch die Gleichung: behindert = leistungsgemindert. Das ist natürlich fatal. Da muss sich in den Köpfen etwas än- dern! Dieses seit langem überholte Defizitmodell ver- nachlässigt völlig, dass angeblich leistungsgeminderte Beschäftigte bei entsprechender Gestaltung des Arbeits- umfelds in der Lage sind, hochwertige Leistungen zu er- bringen. Es wird meines Erachtens auch übersehen, dass Menschen mit Behinderung oftmals bei Arbeitsdisziplin, Zuverlässigkeit und Loyalität Punkte einfahren. Ich habe in den vergangenen Monaten viele gute Beispiele ken- nen gelernt, dass Unternehmen die Beschäftigung behin- derter Arbeitnehmer als festen Bestandteil ihrer Perso- nalpolitik begreifen. Keines dieser Unternehmen hat diesen Schritt bereut, ganz im Gegenteil. Ich werde wei- ter mit diesen guten Beispielen durchs Land ziehen. Die Überzeugungsarbeit ist mühsam; aber es ist eine Arbeit, die sich lohnt. Der Bund, und darüber freue ich mich natürlich, hat sich offenbar schneller davon überzeugen lassen als die Privatwirtschaft. Er gibt ausweislich des heute vorlie- genden Berichts zur Beschäftigungssituation schwerbe- hinderter Menschen im öffentlichen Dienst ein gutes Bild ab. Mit über 7 Prozent liegen Bundesinstitutionen deutlich über der gesetzlichen Pflichtquote. Ich freue mich sehr darüber, auch wenn ich nicht verhehlen kann, dass ich das eigentlich für eine Selbstverständlichkeit halte. Ich freue mich vor allem darüber, dass die Zahl der schwerbehinderten Frauen im öffentlichen Dienst des Bundes weiter gestiegen ist, insgesamt um immerhin 3,8 Prozent. Einziger Wermutstropfen ist, dass der An- teil schwerbehinderter Frauen in Führungspositionen ge- genüber dem Vorjahr leicht zurückgegangen ist. Damit bleibt der Anteil schwerbehinderter Frauen in Führungs- positionen unter 1 Prozent und damit unakzeptabel. Zu den Anträgen von FDP und Bündnis 90/Die Grü- nen will ich an dieser Stelle nichts mehr sagen. Mein Haus hat die Änderung zum Merkzeichen B ja bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres vorgelegt. Das hat viel zu lange gedauert, da sind wir uns einig. Letztlich zählt aber das Ergebnis und es geht jetzt darum, dass wir dieses Er- gebnis mit Nachdruck bekannt machen. Das Merkzei- chen B ist eine Berechtigung und keine Entmündigung! Jörg Rohde (FDP): Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am allgemeinen gesellschaftlichen Le- ben ist seit Jahren eines der wesentlichen Ziele der Be- hindertenpolitik. Selbstbestimmung und Teilnahme am Leben der Ge- meinschaft, Barrierefreiheit und Beseitigung von behin- derungsbedingten Nachteilen prägen den Paradigmen- w m J h s d M r d s w u b s d f S B e h d e d m g b M b o t k g h n h e F d r h g v S k k s n h r d (C (D echsel, den der Gesetzgeber in der Behindertenhilfe it dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, SGB IX, im ahr 2001 eingeleitet hatte. In ihrem Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 aben CDU/CSU und SPD ein Gesamtkonzept zur Ge- taltung der Teilhabe, Pflege und Betreuung von Behin- erten, Pflegebedürftigen, chronisch Kranken und alten enschen angekündigt. Nach einem Jahr der Regie- ungskoalition müssen wir allerdings feststellen, dass ein erartiges Gesamtkonzept nicht erkennbar und offen- ichtlich auch nicht mehr geplant ist. Wir stehen vor großen Herausforderungen, dennoch ird die Behindertenpolitik von der Bundesregierung nd den Koalitionsfraktionen weiterhin stiefmütterlich ehandelt. Sonst hätten wir heute nach über einem Jahr chwarz-roter Regierungszeit eine bessere Bilanz. Unter anderem aufgrund des Drängens der FDP-Bun- estagsfraktion können wir heute zumindest einen Er- olg bilanzieren: Das Problem des Merkzeichens „B“ im chwerbehindertenausweis, welches das Recht auf eine egleitperson regeln sollte, wurde mittlerweile durch ine entsprechende Gesetzesänderung behoben. Seit Februar waren wir uns über die Fraktionsgrenzen inweg einig, dass das Merkzeichen „B“ zu einem Hin- ernis geworden war, weil das Recht auf Begleitung in ine Pflicht auf Begleitung umgedeutet wurde. Hier- urch wurde die eigenständige Teilnahme der Menschen it Behinderungen am öffentlichen Leben deutlich ein- eschränkt. Bis Oktober hat es dann letztlich gedauert, is die neue Regelung per Gesetz erfolgte. Behinderte enschen können jetzt besser und eigenständiger teilha- en am öffentlichen Leben, zum Beispiel in Bus, Kino der Schwimmbad, um nur einige Beispiele zu nennen. Damit hat sich auch der erste Teil des heute zu disku- ierenden FDP-Antrages erledigt. Wir können also einen leinen Erfolg verbuchen. Der ebenfalls vorliegende Antrag der Grünen zum leichen Thema geht uns nicht weit genug, denn er ent- ält nur die Forderung nach dem Merkzeichen „B“ und icht die Forderung nach den Parkerleichterungen. Da- er werden wir uns hier bei der Abstimmung enthalten. Vom FDP-Antrag bleibt also der zweite Teil, die Park- rleichterungen für Menschen mit Behinderungen, als orderung bestehen. Wir sollten aber die Anregung aus er CDU/CSU-Fraktion aus der letzten Legislaturpe- iode bezüglich der Parkerleichterungen für Schwerbe- inderte, bei denen die gesundheitlichen Voraussetzun- en für die Zuerkennung des Merkzeichen „aG“ nicht orliegen, hier im Bundestag diskutieren. Hier wird seitens der SPD argumentiert, dies sei eine ache der Länder. Ich dachte dagegen, die Straßenver- ehrs-Ordnung sei Bundesangelegenheit in der Zuständig- eit des Bundesverkehrsministers. Solange die Voraus- etzungen für die Gewährung von Parkerleichterungen icht bundeseinheitlich geregelt sind, bleibt es bei dem eutigen Flickenteppich. Wir fordern die Bundesregie- ung auf, eine entsprechende Vereinheitlichung auf bun- esrechtlicher Ebene vorzubereiten. Aus unserer Sicht 7058 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) würde sich eine Verankerung in der StVO bzw. den zu- gehörigen Verwaltungsvorschriften anbieten. Auch beim trägerübergreifenden persönlichen Budget, das behinderten Menschen ein Leben in Selbstbestim- mung und eigener Verantwortung ermöglicht, verschläft die Bundesregierung Fehlentwicklungen beim laufenden Modellversuch und unterlässt ein dringend notwendiges, korrigierendes Nachjustieren. Das trägerübergreifende persönliche Budget steht für die Grundsätze „Ambulant vor stationär“ und „Hilfe aus einer Hand“. Beides sogar Ziele des Koalitionsvertrages, die die Bundesregierung bislang nicht aufgegriffen hat. Die von der SPD im Wahlkampf – Wahlprüfstein Deutscher Behindertenrat – angekündigte Überprüfung einer Erhöhung des Pauschbetrages nach § 33 Einkom- mensteuergesetz war unmittelbar nach der Wahl abge- schlossen. Ergebnis: Der Betrag wird definitiv nicht er- höht. Dagegen wird das von Schwarz-Rot beschlossene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz den Interessen der Menschen mit Behinderungen eher schaden als helfen. Für Menschen mit Behinderung dürfte es künftig noch schwerer werden, eine Beschäftigung auf dem ersten Ar- beitsmarkt oder eine Wohnung zu finden. Das AGG stellt für Arbeitgeber, Vermieter und viele andere nichts anderes als eine bürokratische Hürde dar, die mit umso ausgefeilteren juristischen Schachzügen zu umgehen ist, allerdings auf Kosten der Menschen mit Behinderung. Die Überwindung von Vorurteilen und Diskriminierun- gen ist aber eine gesellschaftliche Aufgabe, die einen Bewusstseinswandel beim Einzelnen voraussetzt. Ge- setze können dies nicht erreichen. Die FDP-Bundestags- fraktion hat daher in dieser Woche eine große Anfrage bezüglich der Praxistauglichkeit des AGG auf den Weg gebracht. Abschließend möchte ich noch den „Bericht der Bun- desregierung über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes“ bewerten. Auf den ersten Blick können wir feststellen, dass der Bund hier vorbildlich handelt und mit einer Quote von 7,1 Prozent das selbst gesetzte Ziel von 5 bzw. 6 Prozent deutlich übertrifft. Dies ist vorbildlich und sollte vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit unter den Behinderten die Wirtschaft motivieren, es uns gleichzu- tun. Auf den zweiten Blick täuscht diese Quote aber über die derzeitige Entwicklung hinweg, denn bei den insge- samt 11 935 Neueinstellungen werden Schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen nur unter- durchschnittlich zu 3,5 Prozent berücksichtigt, sodass wir das zurzeit erreichte hohe Niveau in der Zukunft wahrscheinlich nicht halten können. Dies müssen wir als Abgeordnete genau beobachten, damit der Bund seine Vorbildfunktion nicht verliert. Daher kritisiere ich auch scharf, dass dies wahr- scheinlich der letzte Bericht in der vorliegenden Form sein wird. Die Bundesregierung will den Bericht nicht mehr wie bisher jährlich veröffentlichen, sondern nur noch alle vier Jahre an den allgemeinen „Bericht über d r i K w a m s z m z d a S f d r f T d M u e g s B o B s i B s d d d R d a V m J n p h d d r c V m E u F d M (C (D ie Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ih- er Teilhabe“ anhängen. Die Argumentation bezüglich des Bürokratieabbaus st bei diesem Thema lächerlich, zudem äußerte sich die ollegin Silvia Schmidt von der SPD dahin gehend, dass ir als Abgeordnete ja jedes Jahr entsprechende Fragen n die Bundesregierung einreichen könnten. Das Daten- aterial muss auf jeden Fall erhoben werden – es gilt chließlich jährlich die geforderte Beschäftigungsquote u überprüfen. Es wäre also leicht, den Bericht zusam- enzustellen und zu veröffentlichen. Sicher werden wir ukünftig nun jährlich die Regierung fragen, wie denn ie Beschäftigungsquote der Behinderten beim Bund ussieht – da hätte es des Hinweises der Kollegin chmidt nicht bedurft. Aber dies hat lange nicht die öf- entliche Wirkung wie der Bericht der Bundesregierung, en wir heute wahrscheinlich zum letzten Mal diskutie- en. Hier vergeben wir eine Chance, durch die Vorbild- unktion des Bundes die Wirtschaft jedes Jahr auf dieses hema hinzuweisen. Und wenn das Thema nicht me- ienwirksam diskutiert wird, dann werden auch weniger anager und Unternehmer für das Thema sensibilisiert nd den arbeitslosen Behinderten werden weniger Jobs im rsten Arbeitsmarkt angeboten. Ich fordere die Bundesre- ierung daher auf, den Bericht über die Beschäftigung chwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des undes weiterhin jährlich vorzulegen. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Schon an der Tages- rdnung zur Plenumsdebatte zeigt sich, wie wichtig der undesregierung unmittelbar vor dem Welttag der Men- chen mit Behinderungen am 3. Dezember das Thema st: Nach 23.00 Uhr soll in einer halben Stunde über den ericht über die Beschäftigung schwerbehinderter Men- chen beim Bund sowie über zwei Anträge betreffend er Teilhabe behinderter Menschen beraten werden. Zu ieser Zeit wird niemand im Plenum sein. Angesichts er Tatsache, dass Deutschland während seiner EU- atspräsidentschaft auch maßgeblich an der Gestaltung es „Europäischen Jahres der Chancengleichheit für lle“ mitwirken soll, ist das schon ein merkwürdiges orgehen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass das Fa- ilienministerium als nationale Durchführungsstelle des ahres der Chancengleichheit den Sinn dieser Aktion icht erfasst. In ihrer Schwerpunktplanung zur EU-Rats- räsidentschaft kommt das Thema „Menschen mit Be- inderung“ nicht vor und bei den einbezogenen Verbän- en aus der Zivilgesellschaft ist keiner dabei, der explizit eren Interessen vertritt. Ich empfehle der Bundesregie- ung daher namens der Linksfraktion, eine der zahlrei- hen Schulungen der Europäischen Kommission zu ielfalt und Antidiskriminierung in Anspruch zu neh- en, bevor sie diesen verantwortungsvollen Job in der U übernimmt. Zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit nd Soziales, Drucksache 16/2840, ist klar zu sagen: Die raktion Die Linke, lehnt diese ab. Den Bericht der Bun- esregierung über die Beschäftigung schwerbehinderter enschen im öffentlichen Dienst des Bundes, Drucksa- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7059 (A) ) (B) ) che 16/1100, nehme ich dahin gehend wohlwollend zur Kenntnis, als dass der Anteil schwerbehinderter Men- schen von 7,1 Prozent die geforderte Mindestbeschäfti- gungsquote übersteigt. Der zu geringe Anteil von Frauen und der Anteil von Menschen mit Behinderungen im ge- hobenen und höheren Dienst sind aber noch immer nicht zufrieden stellend. Der öffentliche Dienst ist das eine, die Situation von Arbeitsuchenden mit Behinderungen auf dem allgemei- nen Arbeitsmarkt das andere. Nach Angaben der Bun- desagentur für Arbeit bleibt der Arbeitsmarkt für behin- derte Arbeitslose weiterhin „angespannt“. Im Oktober waren offiziell 167 200 Menschen mit körperlichen oder geistigen Handicaps ohne Job gewesen. Das sind 3 800 oder 2,3 Prozent mehr, als vor einem Jahr. Von ei- ner Beschäftigungsquote von 5 Prozent ist der Arbeits- markt meilenweit entfernt und auch beim Angebot von Lehrstellen für junge Menschen mit Behinderungen ist die Lage auf dem ersten Arbeitsmarkt katastrophal. Inso- fern erwarte ich von der Bundesregierung, dass sie ihre positiven Erfahrungen über die Einstellung und Beschäf- tigung von Menschen mit Behinderungen im öffentli- chen Dienst an die freie Wirtschaft weitergibt, besser motiviert und informiert und eine spürsame Erhöhung der Ausgleichsabgabe für Unternehmen, die die Min- destquote nicht erfüllen, vornimmt. Mit Befremden habe ich der Presse entnommen, dass der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit plant, die Ar- beitsvermittlung für schwerbehinderte Menschen bei der ZAV, Zentralstelle für Arbeitsvermittlung, in Bonn zu re- duzieren oder gar abzuschaffen Ich fordere die Bundes- regierung auf, die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung für schwerbehinderte Akademiker in Bonn zu erhalten. Der Entschließungsantrag der Koalition, nach dem künftig nur noch einmal pro Legislaturperiode über die Beschäftigung behinderter Menschen beim Bund berich- tet werden soll, ist nicht akzeptabel. Der bisher jährlich erscheinende Bericht soll als Unterkapitel im Bericht über die Lage behinderter Menschen verschwinden. Wir möchten aber jährlich nachvollziehen, wie sich die Be- schäftigungssituation beim Bund entwickelt. Nur so können Verantwortliche zeitnah reagieren, wenn sich die Situation verändert. Noch besser wäre es, der Behinder- tenbericht stünde jedes Jahr auf der Tagesordnung. Der Ausschuss Arbeit und Soziales empfiehlt außer- dem, die beiden Anträge zur besseren Teilhabe behinder- ter Menschen von Bündnis 90/Die Grünen, Druck- sache 16/949, und FDP, Drucksache 16/853, abzulehnen. Darin geht es vorrangig um das alte Problem des Merk- zeichens „B“ im Schwerbehindertenausweis mit dem Verweis: „Die Notwendigkeit ständiger Begleitung ist nachgewiesen.“ Das führte häufig dazu, dass Betroffe- nen mit diesem Merkzeichen der Zugang zu Verkehrs- mitteln und öffentlichen Einrichtungen verwehrt wird, wenn sie ohne Begleitung unterwegs sind. Die Anträge zielen sinnvollerweise auf klarstellende Formulierung dahin gehend, statt der Pflicht das Recht auf ständige Begleitung zu betonen. Da die Koalition mit einer eige- nen parlamentarischen Initiative das Problem – hoffent- lich – gelöst hat, haben sich die Anträge erledigt. Dank g t s s g g c a E g w z e E H u s l B g o n Z v D N w n d g d r K c t b b g d S e v l h g a i d d B f r g f (C (D ilt aber trotzdem allen, die mit ihren Initiativen und Ak- ivitäten dafür gesorgt haben, dass eine gesetzliche Klar- tellung erfolgt. Eine tatsächlich bessere Teilhabe behinderter Men- chen und Chancengerechtigkeit wollen wir mit unserem estern eingebrachten Antrag für ein „Gesetz zum Aus- leich behinderungsbedingter Nachteile (NAG)“ errei- hen. Danach wird allen schwerbehinderten Menschen b einem Grad der Behinderung von 50 unabhängig von inkommen oder Vermögen ein persönliches Budget zu- estanden. Damit können sich die Betroffenen ihre not- endigen Hilfen selbst einkaufen, ohne sich beim So- ialamt einer Bedürftigkeitsprüfung zu unterziehen und rst ihr gesamtes Hab und Gut veräußern zu müssen. Die instellung personaler Assistenz oder Beschaffung von ilfsmitteln wird dann für die Betroffenen wesentlich nproblematischer sein. Ausgebende Stelle soll das Ver- orgungsamt sein, das auch den Bedarf ermittelt. Grund- egendes Prinzip soll sein: Gleiche Leistung bei gleicher ehinderung. Bisher werden unterschiedliche Leistun- en nach verschiedenen Gesetzen erbracht, je nachdem b die Behinderung von Geburt an besteht oder durch ei- en Unfall erworben wurde. Die Leistungen sollen aus ahlungsverpflichtungen beispielsweise von Schadens- erursachern sowie aus Steuermitteln bezahlt werden. er bedarfsdeckende Ausgleich behinderungsbedingter achteile ist ein modernes Instrument der Selbstver- irklichung und der entscheidende Schritt zu einem euen Grundsatz des Miteinanders. Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit em heute hier vorliegenden Bericht wird die Beschäfti- ungssituation Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst es Bundes im Jahr 2004 dargestellt. Auch in diesem Be- ichtsjahr ist es in den Bundesministerien sowie in den örperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentli- hen Rechts unter Bundesaufsicht gelungen, die Beschäf- igungspflichtquote von 6 Prozent zu erfüllen. Insgesamt liegt der Anteil Schwerbehinderter – wie ereits im Vorjahr – bei 7,1 Prozent. Der Bund als Ar- eitgeber dient erneut als gutes Beispiel für die gelun- ene Integration von Menschen mit Behinderungen in en ersten Arbeitsmarkt, auch wenn die Anzahl der mit chwerbehinderten besetzten Arbeitsplätze nicht weiter rhöht werden konnte, sondern weitgehend auf dem Ni- eau des Jahres 2003 – minus 170 Arbeitsplätze – stabi- isiert wurde. Besonders hervorheben möchte ich den ohen Anteil der beschäftigten Frauen mit Behinderun- en. Im öffentlichen Dienst des Bundes ist ihre Anzahl uf 35,3 Prozent der Schwerbehinderten gestiegen. Dies st leider keine Selbstverständlichkeit: Frauen mit Behin- erungen werden nach wie vor am Arbeitsplatz doppelt iskriminiert. Kritisch erwähnen möchte ich, dass der Deutsche undestag die Quote mit 6 Prozent nur sehr knapp er- üllt und somit deutlich hinter den übrigen Bundesein- ichtungen liegt. Hier brauchen wir weitere Anstrengun- en der Bundestagsverwaltung und aller Fraktionen. Ich reue mich sehr, verkünden zu können, dass die grüne 7060 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Bundestagsfraktion die Anzahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen erhöht hat. An der heutigen Debatte sieht man sehr deutlich, wie wichtig eine regelmäßige Beschäftigung des Deutschen Bundestags mit der Beschäftigungssituation Schwerbe- hinderter im öffentlichen Dienst ist. Aus diesem Grund kritisiere ich den Beschluss der Koalitionsfraktionen, künftig nur noch einmal pro Legislaturperiode im Rah- men des Berichts über die Lage behinderter Menschen und die Entwicklung ihrer Teilhabe, der über die Be- schäftigung schwerbehinderter Menschen im öffentli- chen Dienst des Bundes, zu berichten. Fehlentwicklungen werden künftig später erkannt. Der heute vorliegende Bericht zeigt, dass die Neueinstel- lungen Schwerbehinderter in den öffentlichen Dienst leicht rückläufig sind. Es ist doch zentral, dass solche Entwicklungen frühzeitig festgestellt werden, um dann auch schnell handeln zu können. Wenn nun nur noch alle vier Jahre berichtet wird, so wird die Möglichkeit ge- schaffen, die Verantwortung für eventuelle Fehlentwick- lungen leicht auf die vorherige Regierung zu schieben. Zugleich wird den Abgeordneten die Möglichkeit ge- nommen, regelmäßig in den Wahlkreisen die Beschäfti- gungserfolge der öffentlichen Hand zu kommunizieren. Nur so können wir aber mit Nachdruck an die freie Wirt- schaft appellieren, diesem guten Beispiel zu folgen. Ich möchte abschließend auch noch positiv hervorhe- ben, dass die Regierungsfraktionen den Anregungen aus unserem Antrag „Recht statt Pflicht – Einschränkungen behinderter Menschen bei der Teilhabe am öffentlichen Leben entgegenwirken“ weitgehend gefolgt ist. Mit den Änderungen, die zusammen mit dem Betriebsrentenge- setz verabschiedet wurden, konnte unserem Antrag Ge- nüge getan werden. Künftig werden die Regelungen für Nachteilsausgleiche im Schwerbehindertenrecht präziser gefasst. Ich freue mich, dass wir auch die Regierungsfraktio- nen davon überzeugt haben, dass behinderten Menschen ein selbstbestimmtes und von umfassender Teilhabe ge- prägtes Leben in der Mitte der Gesellschaft ermöglicht werden muss. Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundesmi- nister für Arbeit und Soziales: Die Bundesregierung be- richtet einmal in der Legislaturperiode über die Lage der behinderten Menschen und die Entwicklung ihrer Teil- habe, zuletzt im Dezember 2004 (Drucksache 15/4575). Dieser Bericht erfasst alle relevanten Bereiche der Politik für behinderte Menschen. Auf seiner Grundlage können Maßnahmen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen optimiert, mögliche Fehlentwicklungen recht- zeitig erkannt und gegengesteuert werden. Ziel ist, dass das SGB IX auch in Zukunft für eine verlässliche und nachhaltige Integration behinderter Menschen steht. Darüber hinaus berichtet die Bundesregierung jähr- lich über die Beschäftigung schwerbehinderter Men- schen im öffentlichen Dienst des Bundes. Diese Berichte gehen auf Beschlüsse des Deutschen Bundestages aus den Jahren 1959 und 1964 zurück. Durch die Berichts- p a s w z d B d l G J d W M d c z d k d u i g s b E s v D G b c i B w r r b t b m t D s b v n d M e w a n Z (C (D flicht sollten ursprünglich die Bundesdienststellen dazu ngehalten werden, verstärkt Kriegsbeschädigte einzu- tellen. Heute wird dokumentiert, dass die Bundesver- altung ihre Verpflichtung, schwerbehinderte Menschen u beschäftigen, seit vielen Jahren mit steigender Ten- enz erfüllt. Im Jahr 2004 konnten wiederum 7,1 Prozent eschäftigtenquote erreicht werden. Sie liegt damit über er Pflichtquote von 5 bzw. 6 Prozent. Die Bundesverwaltung ist damit seit Jahren vorbild- ich bei der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. leichzeitig ist die Steigerung der Quote in den letzten ahren ein Indiz dafür, dass die beschäftigungsfördern- en Maßnahmen der letzten beiden Legislaturperioden irkung zeigen. Es ist letztlich das Zusammenspiel aller aßnahmen und Initiativen, das die Situation der behin- erten Menschen verbessert. Daher führt eine ganzheitli- he Betrachtung weiter als die isolierte Betrachtung ein- elner Aspekte. Dies spricht dafür, die Beschäftigung schwerbehin- erter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes ünftig nicht mehr gesondert darzustellen, sondern mit em Bericht über die Lage der behinderten Menschen nd die Entwicklung ihrer Teilhabe zu verknüpfen, um hn so umfassender und damit insgesamt aussagekräfti- er zu gestalten. Den Informationsbedürfnissen des Ge- etzgebers und der Öffentlichkeit kann damit künftig esser Rechnung getragen werden. Dies ist das Ziel des ntschließungsantrags, der Ihnen vorliegt und um des- en Unterstützung ich Sie bitte. Daneben liegen noch zwei Anträge zur Abstimmung or, die die Teilhabe behinderter Menschen betreffen. ies ist einmal ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die rünen, mit dem Änderungen hinsichtlich der Schwer- ehindertenausweise mit dem so genannten Merkzei- hen „B“ (Begleitung) durchgesetzt werden sollen. Ziel st, ungewollte Diskriminierungen von Menschen mit ehinderung zu vermeiden. Die dafür erforderliche, ichtige Klarstellung im Behindertenrecht haben wir be- eits vorgenommen. Sie ist in dem Betriebsrentenände- ungsgesetz enthalten, das von Bundestag und Bundesrat ereits verabschiedet wurde und demnächst in Kraft tre- en wird. Der vorliegende Antrag hat sich damit zeitlich ereits überholt, sodass er abzulehnen ist. Den zweiten Antrag hat die FDP-Fraktion vorgelegt it dem Ziel, die Gruppe der Personen, die Parkerleich- erungen in Anspruch nehmen können, zu erweitern. ieser Antrag wird im Interesse der Menschen, die chon heute einen Anspruch auf Parkerleichterungen ha- en, abgelehnt. Denn bei allen Bestrebungen, Anliegen on Menschen mit Behinderungen zu entsprechen, darf icht aus dem Blickfeld geraten, dass eine Ausweitung es Personenkreises für diejenigen schwerbehinderten enschen nachteilig wäre, für die ursprünglich die Park- rleichterungen geschaffen wurden. Dies sind außerge- öhnlich gehbehinderte Menschen, deren Gehvermögen uf das Schwerste eingeschränkt ist und die daher auf ei- en möglichst kurzen Weg vom Fahrzeug zu ihrem ielort angewiesen sind. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7061 (A) ) (B) ) Zudem darf die Ursache für den Wunsch einzelner In- teressengruppen, Parkerleichterungen in Anspruch neh- men zu können, nicht aus dem Blick geraten. So haben einzelne Länder vom Bundesrecht abweichende Länder- regelungen erlassen und damit Personengruppen die In- anspruchnahme von Parkerleichterungen verschafft, die nicht außergewöhnlich gehbehindert sind. Bemühungen des Bundes, hier eine Vereinheitlichung zu erzielen, scheiterten bislang an dem Unwillen der Länder, bereits begünstigte Personengruppen auszuschließen, sodass nur eine bundeseinheitliche Regelung in Betracht käme, die den Besitzstand aller Länder berücksichtigt. Eine solche Vereinheitlichung würde aber zu einer zu starken Ausdehnung des berechtigten Personenkreises führen. So gibt es in Deutschland alleine 300 000 Perso- nen, die an Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa erkrankt sind, und 100 000 Stomaträger. Damit stiege die Zahl der Berechtigten um über 50 Prozent, ohne dass auch der verfügbare Parkraum im gleichen Maße gesteigert werden könnte. Für die eigentliche Zielgruppe der Park- erleichterungen – außergewöhnlich gehbehinderte Men- schen – bedeutete dies eine erhebliche Schlechterstel- lung, die vermieden werden muss. Der eine Antrag hat sich zeitlich überholt und der zweite trägt noch zu einer Verbesserung von Menschen mit Behinderungen bei bzw. sein Anliegen ist eher auf Länderebene zu verfolgen. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags: Für eine wirksame Bleiberechtsregelung für langjährig in Deutsch- land geduldete Personen (Tagesordnungspunkt 20) Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Innenministerkonfe- renz hat vor zwei Wochen eine Regelung beschlossen, die alle Hoffnungen auf ein humanitäres Bleiberecht zer- schlagen hat. In der Pressekonferenz haben sich die In- nenminister zwar gegenseitig auf die Schulter geklopft und waren offensichtlich stolz auf den gefundenen Kom- promiss. Aber stolz können sie darauf sein, die Öffent- lichkeit massiv getäuscht zu haben. Diese dachte näm- lich, hier sei eine gute Lösung für zahlreiche Menschen gefunden worden, die seit vielen Jahren mit so genann- ten Duldungen in Deutschland leben, ohne bislang auch nur die geringste Chance zur Integration bekommen zu haben. Von insgesamt 100 000 Menschen war die Rede, deren Schicksal sich nun bessern werde. Wenn man sich den Beschluss genauer anschaut, wird man feststellen müssen: Es ist ein fauler Kompromiss mit vielen Löchern. Gerade bei denjenigen, die eine großzügige Regelung brauchen, herrscht weiterhin Unsi- cherheit. Ob eine allein stehende Mutter oder ein Rent- ner eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, soll auch künftig im Ermessen der Ausländerbehörden stehen. Bei dem Paket, das die Innenminister uns hier verkaufen wollen, handelt es sich um eine Mogelpackung zulasten v A r s w d S c d n R w k w n M m n m m i b s n d d k g t d k d B s A l f e d f t d s A D v s m h e h S t a w (C (D on Zehntausenden und nichts anderes. Verschiedene usländerbehörden in Nordrhein-Westfalen haben be- eits bestätigt, dass nur wenige Geduldete in ihrem Zu- tändigkeitsbereich unter die Regelung fallen dürften. Wie viel die Einigung der Innenministerkonferenz irklich wert ist, zeigen die weiteren Beschlüsse. Bei er Innenministerkonferenz wurde auch über das chicksal von circa 10 000 geduldeten Irakern gespro- hen. Dass sich der Irak faktisch im Bürgerkrieg befin- et, wurde ignoriert. Stattdessen wird im Bericht lako- isch festgehalten: „Die IMK stellt fest, dass nun mit der ückführung von ausreisepflichtigen Irakern begonnen erden kann.“ Zunächst sollen straffällig gewordene Ira- er abgeschoben werden, dann auch alle übrigen. Wir issen aber aus Berichten von Flüchtlingsorganisatio- en, dass auch schon jetzt Iraker, gleich ob Christen oder uslime, abgeschoben werden. Beschließt so etwas je- and, der Menschen helfen will? Wohl kaum! Die In- enminister haben mit beiden Beschlüssen deutlich ge- acht, dass sie in erster Linie die Abschiebung von öglichst vielen Menschen interessiert und sonst nichts. Der Antrag der Grünen geht in die richtige Richtung, st aber nicht entschieden genug. Er lässt den Ausländer- ehörden in der Frage der angeblich oder tatsächlich elbst geschaffenen Abschiebungshindernisse immer och einen Ermessensspielraum. Die Erfahrungen aus er Praxis zeigen, dass dieses Ermessen selten im Sinne er Betroffenen ausgeübt wird. Daher muss hier eine lare Linie gelten: Wer sich einen bestimmten Zeitraum eduldet in Deutschland aufgehalten hat, hat automa- isch Zugang zum Bleiberecht. Und dafür muss es eine auerhafte gesetzliche Regelung geben, die auch in Zu- unft Kettenduldungen verhindert. Es gibt aber einen weiteren Punkt, zu dem der Antrag er Grünen überhaupt nichts sagt: die Verweigerung des leiberechts für Geduldete, denen extremistische Be- trebungen vorgeworfen werden. Im Antrag fehlt die bsage an Gesinnungsabschiebungen auch von Flücht- ingen und Asylbewerbern, deren Anerkennung widerru- en wurde. Da werden Menschen abgeschoben, denen ine Straftat nicht nachgewiesen werden kann, denen le- iglich irgendeine extremistische Gesinnung vorgewor- en wird. Deshalb will man sie loswerden. Besonders be- roffen sind davon Kurdinnen und Kurden, auch wenn in er Öffentlichkeit so getan wird, als wären nur islami- che Extremisten betroffen. Diese Politik, mithilfe von bschiebungen anscheinend politische Konflikte in eutschland zu lösen, wird inzwischen offenbar auch on den Grünen getragen. Solange es dazu keine Klar- tellung gibt, werden wir solchen Anträgen nicht zustim- en. Wir werden zur Einführung eines umfassenden und umanitären Bleiberechts noch einen eigenen Antrag inbringen. Denn wir wollen nicht, dass allein erzie- ende Mütter und Väter, alte Menschen, Kinder im chulalter oder Jugendliche in der Ausbildung vom gu- en Willen der Innenminister und Behördenmitarbeiter bhängen, wenn sie ein Bleiberecht in Anspruch nehmen ollen. 7062 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Sensible Ökosysteme in der Tiefsee besser schützen (Tagesordnungs- punkt 21) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Lange Zeit dachten wir, Leben sei ohne Sonne nicht möglich. Geht man un- ter Wasser, verlischt das letzte Sonnenlicht nach etwa 400 Metern vollständig. Deswegen ist die Menschheit in der Vergangenheit dem Irrtum aufgesessen, dass es in der Tiefsee keinerlei Leben geben kann. Inzwischen sind wir klüger. Die durchschnittliche Tiefe des Ozeanbodens liegt bei ungefähr 4 000 Metern, schon hier herrscht ab- solute Finsternis. Fische aber wurden noch in einer Tiefe unterhalb von 8 000 Metern gefangen! Wir müssen also langsam umdenken in Bezug auf un- sere Vorstellungen von der Tiefsee. In völliger Dunkel- heit und kalten Strömungen gedeihen Korallen, die kein Hobbytaucher je zu Gesicht bekommt. Die Korallen strahlen in Weiß und leuchtendem Rot; Fische, Seesterne und Krebse bewegen sich zwischen den verästelten Kalkskeletten. Doch dieses Riff erstrahlt nur im Schein- werferlicht eines Tauchboots. Wer jemals Videoaufnah- men aus einem solchen Tauchboot gesehen hat, wird die eindrucksvolle Vielfalt der Bilder nicht vergessen. Aber außerhalb dieses Scheinwerferlichts herrscht die Finster- nis der Tiefe. Kaltwasser-Korallenriffe, die Stiefge- schwister der tropischen Schnorchelattraktionen, spie- len aber offenbar eine zentrale Rolle für das Leben unter Wasser. Als Laichgrund und Kinderstube vieler Fisch- arten spielen die Riffe eine zentrale Rolle im Lebens- kreislauf der Tiefsee und bilden so einen Hotspot der Ar- tenvielfalt. Vom Meeresboden erheben sich gigantische Seeberge. Würden sie an Land stehen und für unser Auge sichtbar sein, so fielen sie unter die eindrucks- vollsten Landschaftsgebilde der Welt. Die erhöhte Pro- duktion von Biomasse an und auf diesen Seebergen macht sie zu Oasen der Ozeane, deren vielfältiger Ein- fluss für verschiedenste biologische Prozesse unschätz- bar ist. Hydrothermale Quellen, so genannte Schwarze und Weiße Raucher, die sich am Grund der Tiefsee fin- den, bilden eigene Biotope mit vielen, meist nur in die- ser Umgebung lebenden Arten. Einige Forscher weisen der Umgebung von Schwarzen Rauchern eine zentrale Bedeutung in der Entwicklung des Lebens auf der Erde zu. Einige Biologen erwarten sogar, ähnliches Leben auf Monden der Gasplaneten wie zum Beispiel dem Jupiter- mond Europa zu finden. Sie sehen also, wir wissen schon einiges, noch lange aber nicht alles über das Le- ben der Tiefsee. Und dennoch: wir wissen heute über die Rückseite des Mondes weit mehr als über das Leben in der Tiefsee – und das, obwohl die Weltmeere unser Leben vielfältig beeinflussen: Sie decken einen Großteil des Nahrungs- bedarfs von Milliarden von Menschen. Die Haupttrans- portwege für den Güterverkehr ziehen sich wie ein Netz über das Wasser, ohne die das Weltwirtschaftssystem schlicht zum Erliegen käme. Und am Meeresgrund la- gern wahrscheinlich Bodenschätze, die wir früher oder s d d r N s M g u d T d b v F F e r n u w f w z n m r L d B u n k N h T p s e b b m n t s D S F v s p g m g h (C (D päter dringend benötigen könnten. Die Meere nehmen ie Hälfte des weltweiten CO2-Ausstoßes auf und tragen amit eine wesentliche Last der globalen Klimaverände- ung. Versauerung der Meere verändert die Ökosysteme, ahrungsketten reißen. Dennoch fließt in die Erfor- chung der Meere nach wie vor nur ein Bruchteil der ittel, die für die Erforschung des Weltraums zur Verfü- ung stehen. Es hat in der Vergangenheit auf regionaler, nationaler nd auch globaler Ebene viele Anstrengungen gegeben, er Gefährdung der Meere zu begegnen. Aber gerade die iefsee, zu der vornehmlich Meeresregionen gehören, ie außerhalb der nationalen Hoheitsgewässer liegen, ist is heute unzureichend geschützt und eine wirkungs- olle Kontrolle von Schutzmechanismen, zum Beispiel ischereiauflagen, ist hier kaum möglich. Vor einigen Monaten haben wir hier einen Antrag der raktion des Bündnisses 90/Die Grünen diskutiert, der in generelles Moratorium für Grundschleppnetzfische- ei in der Tiefsee verlangt. Wir haben diesen Antrag sei- erzeit abgelehnt, weil er ein wichtiges Thema leider zu ndifferenziert abhandeln wollte. Das Thema ist wichtig, eil in der Tat bestimmte Arten von Grundschleppnetz- ischerei die eingangs beschriebenen Ökosysteme, Kalt- asserkorallenriffe oder Seeberge, unwiederbringlich erstören. Es ist gut, dass die deutsche Fischerei dies icht praktiziert. Aber das Thema der Tiefseeökologie uss breiter aufgegriffen werden. Wir tun dies mit unse- em Antrag. Zwei Drittel der Erdoberfläche zählen zum maritimen ebensraum. Die Bevölkerung dieser Regionen und die ort ansässige Wirtschaft leben vom Meer und dessen ewirtschaftung. Es geht hier also auch um eine faire nd vernünftige Güterabwägung. Zugleich geht es ge- auso darum, diese maritime Lebensgrundlage auch für ünftige Generationen zu erhalten und dem Gebot der achhaltigkeit Rechnung zu tragen. Sicher – es gibt unterschiedliche Interessenlagen. Ich abe deshalb diese unterschiedlichen Interessen an einen isch geholt. Können Sie sich vorstellen, dass Green- eace und der Deutsche Fischereiverband auch gemein- ame Interessen vertreten? Ja, genau das haben wir rreicht und auf dieser Grundlage unseren Antrag erar- eitet. Greenpeace spendet Beifall und der Fischereiver- and unterstützt es – das ist ein Erfolg für den gemeinsa- en Schutz der Tiefseeökologie, dessen Wert wir gar icht hoch genug schätzen können. Kernforderung ist es, die Erforschung der Ökosys- eme der Tiefsee massiv zu beschleunigen, damit wir ensible Habitate auf hoher See gezielt schützen können. as muss dann auch die Einrichtung notwendiger chutzgebiete beinhalten. Und wenn es die regionalen ischereimanagementorganisationen auch in Zukunft ersäumen, effektive Schutzmaßnahmen zu ergreifen, chließt das auch ein befristetes Verbot von Fischerei- raktiken, die das marine Ökosystem dauerhaft schädi- en, mit ein. Ein Fehlverhalten der regionalen Fischerei- anagementorganisationen scheint mir aber momentan ar nicht das vordringlichste Problem zu sein. Viel ver- eerender sind offensichtlich die Folgen der illegalen Fi- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7063 (A) ) (B) ) scherei. In diesem Punkt ist schnelles Handeln gefordert. Wir brauchen effektive Kontrollen und wirksame Sank- tionen – und zwar weltweit. All das sind Forderungen unseres Antrags. Die mittel- und langfristigen Auswirkungen von zer- störerischen Fischereipraktiken, Verschmutzung und in zunehmendem Maße auch des fortschreitenden Klima- wandels auf die Meere rücken zunehmend in den Blick- punkt der Öffentlichkeit. Frank Schätzings Bestseller „Der Schwarm“ hat dem Thema der Meere und der Tief- see sicherlich einen kräftigen Schutz im öffentlichen Be- wusstsein verliehen. Damit das Thema „Schutz der Tiefsee“ und damit verbunden der „Schutz der Meere“ noch weiter ins Be- wusstsein der Menschen und im Besonderen der Kinder rückt, die später mit den schwerwiegenden Folgen der Umweltzerstörung zu kämpfen haben, rufen die CDU- Abgeordneten aus Schleswig-Holstein in Zusammen- arbeit mit dem Kieler Leibniz-lnstitut für Meereswissen- schaften IFM-GEOMAR zu einem Malwettbewerb auf: Unter dem Motto „Malt die Tiefsee, wie Ihr sie Euch vorstellt“ können sich alle 5. und 6. Klassen in Schles- wig-Holstein beteiligen. Dies ist ein praktisches Beispiel für Bewusstseinsbildung. Wir müssen dafür sorgen, dass die Nutzung der Meere nachhaltig erfolgt und sowohl deren einzigartige Arten- vielfalt als auch altbekannte sowie noch unentdeckte Ressourcen für die kommenden Generationen erhalten bleiben. Dazu ist es auch notwendig, Schutzmechanis- men in Kraft zu setzen, selbst dann, wenn der Schutzbe- darf noch nicht nachgewiesen ist. Wir bekennen uns zum Vorsorgeprinzip. Wenn wir so lange warten wollen, bis die Tiefseeökologie erforscht ist, bevor wir überlegen, ob es dort etwas zu schützen gibt, dann dürfte jeglicher Schutz zu spät kommen. Wir dürfen nicht abwarten, bis alles zerstört ist, bevor Schutzmechanismen greifen. Wir müssen jetzt handeln. Wir wissen aber auch: Dies kön- nen wir nicht in nationalen Alleingängen regeln. Wir brauchen hierfür eine gemeinsame Linie in der EU und Durchsetzungskraft auf internationaler Ebene. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung die Zielsetzung un- seres Antrags unterstützt. Gemeinsam können wir unseren Beitrag dafür leisten, dass die einzigartigen Schätze der Tiefsee, die Geheim- nisse und Wunder der Meere, auch für künftige Genera- tionen erhalten bleiben und ihnen sichere Lebensgrund- lagen bieten. Gabriele Groneberg (SPD): Mit Schleppnetzen, die 2 Kilometer hinunter reichen auf den Meeresgrund, kön- nen heutzutage Fische gefangen werden, die sogar der Wissenschaft noch weitgehend unbekannt sind. Von deren Existenz haben wir bisher gar nichts gewusst. Einige dieser Fische, die in den dunklen Tiefen der Ozeane ge- fangen werden, werden bis zu 80 Jahre alt. Diese Arten reagieren besonders sensibel auf Veränderungen in ihrer Population. Das massive Eingreifen in dieses hochempfindliche Ökosystem der Tiefsee hat gravierende Folgen für das g f a ir d l s b b B g n g u d s z m s D g F d u s d g a E l t d d E d w k i d g m d p w s g i Q 0 W b ü (C (D esamte Gleichgewicht des Meeres. Grundschleppnetz- ischerei und andere zerstörerische Fischereipraktiken, ber auch Überfischung und illegale Fischerei führen zu reversiblen Störungen des ökologischen Gleichgewichts es Meeres, deren Folgen besonders für die Entwick- ungs- und Schwellenländer spürbar sind. Heute sind bereits 60 Prozent der weltweit 200 wirt- chaftlich bedeutendsten Fischarten bis an ihre Grenzen efischt oder sogar schon überfischt. Neben der eben eschriebenen nicht auf Nachhaltigkeit ausgerichteten efischung der Weltmeere ist hierfür auch der stetig stei- ende Bedarf an Fisch die Ursache. Denn von den inter- ational agierenden Fischereiflotten werden mehr Fische efangen als geboren werden. Welche Auswirkungen hat dies auf die Entwicklungs- nd Schwellenländer? Zwei Drittel der Weltbevölkerung ecken nach Angaben der Ernährungs- und Landwirt- chaftsorganisation der Vereinten Nationen über 40 Pro- ent ihres Proteinbedarfs mit Fischereiprodukten. Für ehr als 1 Milliarde Menschen in Süd- und Ostasien bei- pielsweise gilt Fisch als die wichtigste Eiweißquelle. ie Entwicklungsländer liefern mehr als 70 Prozent der esamten Fischereierträge. Sie sind vom Rückgang der ischbestände besonders hart betroffen. Wir wissen, dass ie Nutznießer vorrangig die Industrieländer sind. Sie nterhalten Fischereiflotten in den fischreichen Gewäs- ern vieler Entwicklungsländer. Mit dem vorliegenden Antrag lenken wir den Blick auf ie Notwendigkeit, das empfindliche ökologische Gleich- ewicht der Ozeane zu erhalten. Ebenso notwendig ist es ber auch, die gravierenden Beeinträchtigungen der rnährungssicherheit für die Entwicklungs- und Schwel- enländer abzuwenden. Eine nachhaltige und verantwor- ungsvolle Fischerei ist wichtig, damit den Fischern an en Küsten Afrikas, Lateinamerikas und Asiens nicht ie Existenzgrundlage entzogen wird. Dieser Antrag bringt die Bedeutung einer nachhaltigen ntwicklung zum Ausdruck und steht somit im Kontext er Millenniumsentwicklungsziele. Ziel 7 besagt, dass ir uns für die Sicherung der ökologischen Nachhaltig- eit einsetzen. Deshalb ist es richtig und wichtig, wie wir n unserem Antrag fordern, dass im politischen Dialog ie Bedeutung der ökologischen Systeme der Tiefsee erade für die Entwicklungs- und Schwellenländer ver- ittelt wird – und dass es in unser aller Interesse liegt, as marine Ökosystem vor zerstörerischen Fischerei- raktiken zu schützen. Dirk Becker (SPD): Das Meer ist noch immer ein eitestgehend unerforschtes Gebiet. Vor allem die Tief- ee, die 80 Prozent der Weltmeere repräsentiert und ins- esamt 62 Prozent der gesamten Erdoberfläche bedeckt, st bisher minimal erforscht. Von den 318 Millionen uadratkilometern, die die Tiefsee umfasst, sind erst ,1 Prozent genauer untersucht worden. Obwohl die eltmeere eine doppelt so große Fläche unserer Erde edecken wie alle Kontinente zusammen, wissen wir ber sie weniger als über den Mond. 7064 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Vor allem Kleinstlebewesen, die Mikroben – das sind Bakterien, Viren und mikroskopisch kleine Algen –, sind, obwohl sie fast die gesamte Biomasse stellen, wei- testgehend unerforscht. Lediglich 7 000 Arten, das sind rund 5 Prozent der geschätzten Gesamtanzahl, sind kata- logisiert. Mikroben übernehmen nicht nur für das marine Ökosystem äußerst wichtige Funktionen. Neben ihrer Fähigkeit, durch den Abbau von Methan auch unter Wasser ohne Sauerstoff die Entstehung von Ökosyste- men zu ermöglichen, produzieren sie ferner große Teile des Sauerstoffs der Erde. Der im Jahre 2000 begonnene globale „census of ma- rine life“, den man als „Volkszählung unter Wasser“ be- zeichnen kann, ist ein erster, dringend notwendiger Ver- such, sämtliche Arten der Weltmeere zu katalogisieren. Seit Beginn des Zensus wurden 13 000 neue marine Ar- ten registriert, darunter 106 bis zu diesem Zeitpunkt un- bekannte Fischarten. Allein vor der Küste Afrikas wur- den seit Beginn der Untersuchungen pro Quadratmeter 500 neue Arten von Pflanzen, Mikroben oder Fischen entdeckt. Taxonomen kommen offensichtlich angesichts der großen, unbekannten biologischen Vielfalt der Meere mit ihrer Arbeit kaum nach. Bisher sind nur 250 000 ma- rine Tier- und Pflanzenarten bekannt, was aber tatsäch- lich alles in den Weltmeeren wächst und schwimmt, lässt sich nur vage vermuten. Experten schätzen, dass in der Tiefsee bis zu mehrere Millionen verschiedene Arten le- ben. Doch obwohl wir so geringe Kenntnisse über diesen faszinierenden und für den Menschen so wichtigen Le- bensraum besitzen, gefährden wir täglich dieses hoch- komplexe marine Ökosystem. Bis zum heutigen Tag sind durch Überfischung be- reits 47 Prozent der Ressourcen in den Weltmeeren kom- plett ausgeschöpft. Einhergehend mit illegalen und zer- störerischen Fischereipraktiken stellen sie eine immense Bedrohung nicht nur für die biologische Vielfalt der Meere dar. Besonders in Entwicklungs- und Schwellen- ländern nehmen Überfischung und gefährdende Fische- reipraktiken den Menschen sowohl ihre Nahrungsgrund- lage als auch nachhaltige ökonomische Potenziale. Ferner sind die Meere durch den anthropogenen Kli- mawandel weiteren Bedrohungen ausgesetzt. So führt die Erderwärmung zu einer gleichzeitigen Erwärmung der Weltmeere und zu einer starken Übersäuerung. Diese Faktoren haben nachweislich schädigende und irrever- sible Konsequenzen für die biologische Vielfalt der Meere. So verursachen sie beispielsweise nicht von der Natur vorgesehene Artenwanderungen in arktische Ge- biete, was eine gravierende Veränderung der Ökosys- temstruktur zur Folge hat. Besonders hervorzuheben ist die daraus resultierende Gefährdung der Kaltwasser- Korallenriffe. Sie gelten als „Regenwald des Meeres“ und übernehmen wichtige Funktionen im Schutz vor Tsunamis. Zudem stellen sie einen großen kulturellen Wert dar, der auch für den Tourismus bedeutsam ist. Allerdings sprechen Experten schon seit mehr als zehn Jahren von einer „Korallenriffkrise“. Ihre Anpas- sungsfähigkeit an sich verändernde Umweltbedingungen ist weltweit überschritten. Bereits 20 Prozent aller exis- t z z e s m d g z s E d n l s E d o r d u d Ö r z I k l z e M z d n T g A V T v e z s n l i r k f M S (C (D ierenden Korallenriffe sind irreversibel zerstört, 24 Pro- ent stehen kurz vor dem Kollaps und weitere 26 Pro- ent sind längerfristig gefährdet. Diese Tatbestände rfordern verstärkte Maßnahmen zum Schutz dieser sen- iblen Ökosysteme in der Tiefsee. Vor dem Hintergrund der erläuterten Entwicklungen üssen wir dafür Sorge tragen, dass vor allen Dingen ie Erforschung der Tiefsee beschleunigt und besonders efördert wird. Nur so lassen sich neue Erkenntnisse um Schutz der Tiefsee gewinnen. In Hinsicht auf die ökonomischen Folgen der Überfi- chung und illegaler Fischereitechniken, besonders für ntwicklungs- und Schwellenländer, ist es unerlässlich, estruktive Fischereiregelungen zu unterbinden sowie achhaltige Fischereipraktiken zu fördern. Aber vor al- em müssen wir die immense Bedrohung der biologi- chen Vielfalt der Tiefsee unverzüglich stoppen. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten wir uns an den mpfehlungen des Wissenschaftlichen Beirats der Bun- esregierung Globale Umweltveränderungen – WBGU – rientieren, der die Errichtung von internationalen Mee- esschutzgebieten anrät. Diese Schutzgebiete sollen min- estens 20 bis 30 Prozent der Fläche mariner Ökosysteme mfassen. Sie übernehmen wichtige Schutzfunktionen, ie darin bestehen, erstens die Anpassungsfähigkeit der kosysteme zu erhöhen, zweitens anthropogene Fakto- en wie die Überfischung und die Habitatzerstörung ein- udämmen und schließlich drittens Schutzgebiete als nstrument des Fischereimanagements zur Erhaltung ommerziell nutzbarer Fischbestände einzurichten. Um die Integrität von Bioregionen zu bewahren, bio- ogische Ressourcen zu sichern, zukünftige Biopoten- iale zu erhalten und die Regelungsfunktionen dieses un- rmesslichen globalen Naturerbes zu bewahren, sind die aßnahmen, die im Koalitionsantrag stehen, umzuset- en. Diese Ziele und ihre globale Bedeutung müssen zu- em stärker durch einen politischen Dialog in der inter- ationalen Gemeinschaft kommuniziert werden. Damit wir diesen faszinierenden Lebensraum der iefsee nicht weiter zerstören, bevor er uns in seiner anzen Vielfalt bekannt ist, möchte ich Sie bitten, dem ntrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur erbesserung des Schutzes sensibler Ökosysteme in der iefsee zuzustimmen. Angelika Brunkhorst (FDP): Die Meere mit ihren ielfältigen Ökosystemen sind unterschiedlichsten Be- inträchtigungen ausgesetzt. Die wirtschaftliche Nut- ung der Meere hat in den vergangenen Jahrzehnten tark zugenommen und neue Nutzungsinteressen gewin- en heute zunehmend an Bedeutung. Trotz einiger Erfolge, die seit den ersten internationa- en Abkommen im Meeresschutz zu verzeichnen sind, st nach wie vor der Schutz der Meere eine große He- ausforderung. Alarmierend sind weiterhin die Auswir- ungen einer schonungslosen Ausbeutung der Fisch- auna sowie die Ausrottung vieler Arten im Lebensraum eer. Die Schäden, die den Meeresregionen durch chadstoffeinträge und durch unangepasstes menschli- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7065 (A) ) (B) ) ches Handeln zugefügt werden, sind oft irreparabel. Es sind vor allem schleichende Prozesse, die langfristig be- sonders schädigend wirken. Ein Beispiel sind die noch immer zu hohen Nährstoff- und Schwermetalleinträge. Dazu kommen Schädigungen durch die Schifffahrt, unterschiedliche Offshore-Nutzun- gen sowie Veränderungen durch den Klimawandel. Na- tionalparke und Schutzgebiete müssen auch in Zukunft unangetastet bleiben. Der Schutz ökologisch hochsensi- bler Meeresgebiete, wie zum Beispiel der Antarktis, muss auch auf internationaler Ebene weiterentwickelt werden. Der globale Verlust biologischer Vielfalt und die Zer- störung von Lebensräumen an Land setzen sich auch in den Weltmeeren fort. Gleichgewichte in der Nahrungs- kette der Meerestiere verschieben sich und die Klima- erwärmung führt zu einer Versauerung der Meere, Tem- peraturen und Wasserstände steigen. Über den Lebensraum Tiefsee wissen wir bislang zu wenig. Es bedarf hier zusätzlicher Forschungsanstren- gungen, um die unterschiedlichen Prozesse zu beschrei- ben, effektive Schutzmaßnahmen ergreifen und ausge- wogene Nutzungen definieren zu können. Die politische Entscheidungsfindung zum Schutz der Meere kann nur unter der Betrachtung des ganzen Öko- systems erfolgen. Dieser Ökosystemansatz soll demnach auch zur Etablierung der effizientesten Schutzmaßnah- men führen. Grundsätzlich sollte im Meeresumwelt- schutz nach dem Vorsorge- und Verursacherprinzip ge- handelt werden. Eine nachhaltige Fischerei, die die Bestände erhält, und der art- und tierschutzgerechte Fischfang sind zen- trale Ziele der Liberalen. Es ist dringend geboten, um- weltfreundlichere Fangmethoden einzusetzen. Es ist dazu eine kohärente Fischereipolitik erforderlich, die die Fischbestände schonend bewirtschaftet. Der politische Weg sollte hinführen zu einem Management der welt- weiten Fischbestände. Die Festlegung und Überwachung von Fangquoten ist konsequenter zu verfolgen. Bisher fügen illegale Fang- praktiken den Fischbeständen erhebliche Schäden zu und unterlaufen die internationalen Abkommen. Die ge- meinsame Fischereipolitik der EU hat beim Schutz der Fischpopulationen nicht die gewünschten Erfolge ge- bracht. Um der Überfischung weiter entgegenzutreten, sollte entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnis- sen die Einstellung der Fischerei von bestimmten Fisch- arten oder in bestimmten Fanggebieten umgesetzt wer- den. Zu einer Verbesserung der Situation kann ebenfalls die Öko-Zertifizierung von Fischprodukten dienen. In Anbetracht der Probleme mit der illegalen Fische- rei, Überschreitung der Fangquote und Fischen in frem- den Gewässern, ist eine weitere Reduzierung der Fang- quoten allein nicht zielführend. Nur wenn diese Vorgaben in der Praxis auch durchgesetzt und überwacht werden, haben weitere Beschränkungen der Fangquoten einen Sinn. Die Tiefsee muss besonderen Schutz genießen. Zum einen ist sie für uns weitestgehend noch immer unbe- k i h e i k is s d A e R P w A f s a g n f d z u S B U D e z p W g O z 4 ä s S W v D s g S w e E v n M (C (D annt und zum anderen laufen die natürlichen Prozesse n den Tiefen der Meere deutlich langsamer ab. Abgese- en von den Fangquoten sind die Fangmethoden an sich in weiteres Problem. Beim Tiefseefischfang entstehen mmense Schäden am Meeresboden. Auch für den Geo- örper Meeresboden gilt, dass er noch wenig erforscht t. Ziel der Politik muss gesicherter Schutz der Tiefsee ein, bei einer gut überwachten, nachhaltigen Nutzung er Meeresressourcen. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Anlass des ntrags der Koalition dürften zwei Dinge gewesen sein: rstens die bevorstehende Beratung der Meeresstrategie- ichtlinie im Rat und im Parlament, die unter deutscher räsidentschaft weitergeführt oder sogar abgeschlossen ird, und zweitens natürlich der letztens bereits beratene ntrag der Grünen zum Verbot der Grundschleppnetz- ischerei. Angesichts der Herausforderungen an den Meeres- chutz ist der Koalitionsantrag in seiner Allgemeinheit ber eine traurige Nummer. Er fällt hinter den Antrag der rünen Kollegen zurück. Union und SPD konnten sich icht zu einer klaren Forderung nach einem Moratorium ür die Grundschleppnetzfischerei durchringen, geschweige enn zu einer Verbotsforderung. Wir denken, die Politik der Bundesregierung ist ähnlich wiespältig wie dieser Antrag. Da gibt es allgemeine, nverbindliche Forderungen in Papieren auf der einen eite. Auf der anderen Seite steht dann das Agieren der undesregierung beispielsweise im Fischereiministerrat. nd hier ist bislang nicht durchgedrungen, dass sich eutschland besonders intensiv für den Meeresschutz ingesetzt hätte. Dieser Ministerrat hat aber eine Reihe von Beschlüssen u verantworten, die einer nachhaltigen Meeresschutz- olitik Hohn sprechen. So werden die Empfehlungen des issenschaftsgremiums ICES regelmäßig in den Wind eschlagen, beispielsweise beim Dorsch in der östlichen stsee. Statt einem Fangstopp wurde für 2007 nur eine ehnprozentige Reduzierung der Fangmenge auf circa 0 000 Tonnen beschlossen. Im letzten Jahr war dies hnlich. Die Chancen, dass sich der Ostseedorsch erholt, ind nach Einschätzung des WWF nunmehr gering. Diese Ignoranz ist vollkommen unverständlich. chließlich sind die Nachrichten von der Überfischung der eltmeere dramatisch, wie auch gerade die in „Science“ eröffentlichte Studie kanadischer Wissenschaftler zeigte. anach sagen die Experten einen Kollaps aller wirt- chaftlich genutzten Fischbestände bis 2048 voraus. Die EU-Fischereiminister haben dessen ungeachtet erade beschlossen, das Verbot der Treibnetzjagd auf chwertfische und auf Rote Thunfische im Mittelmeer ieder aufzuheben, anstatt dem illegalen Treiben dort in Ende zu setzen. Trotz eines seit 2002 bestehenden U-Verbotes für Treibnetzfischereien operiert eine Flotte on über 440 Treibnetzfischern im Mittelmeer und immt den qualvollen Tod von jährlich Tausenden von eeressäugern, Schildkröten und Seevögeln in Kauf. 7066 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Das ist ein Skandal und zeigt, wie ernst es die Fischerei- minister mit dem Meeresschutz tatsächlich meinen! Die Koalition hat angesichts dieser Entwicklung leider nicht den Mut, klare Forderungen an die Bundesregie- rung zu stellen, und zwar anscheinend deshalb nicht, weil man sich hinter wolkigen Formulierungen schön verste- cken kann. Und mit der Fischereiwirtschaft möchte sich das Land mit dem größten Fischverbrauch in Europa nicht so recht anlegen. Auch im Hinblick auf die Meeresstrategie-Richtlinie geht die Koalition auf keinen der Kritikpunkte ein, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen formuliert hat. Stichworte wären hier vor allem: Eine Re-Nationali- sierung der Meeresschutzpolitik darf in Europa nicht zugelassen werden. Zudem ist in der Richtlinie die bis- lang fehlende Verbindung von der europäischen Meeres- schutzgesetzgebung zu den internationalen Abkommen und zu anderen europäischen Umweltgesetzen herzustel- len. Wir meinen im Übrigen, den Forderungen der Umwelt- verbände, wie Greenpeace und WWF, nach Meeresschutz- gebieten sollte endlich Rechnung getragen werden. Zudem muss sich der Fangdruck erheblich verringern. Insgesamt steht sicher auch nichts Falsches im Antrag. Aber das ist irgendwie zu wenig für eine Zustimmung. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir Bündnisgrüne freuen uns darüber, dass die Koalition die- sen Antrag zum Schutz der Tiefseeökosysteme einge- bracht hat. Denn damit reagieren Sie endlich auf unseren Antrag für ein Moratorium der Grundschleppnetzfische- rei in der Tiefsee. Allerdings mussten wir sehr lange – über ein halbes Jahr – darauf warten. Wir hatten ei- gentlich einen eigenen Antrag zum Moratorium von Ih- nen erwartet, nachdem wir unseren vorgelegt hatten. Über fünf Monate haben wir Ihnen Zeit dazu gegeben. Weil wir dann Ende September die Hoffnung aufgeben hatten, beraumten wir für Ende September die zweite Lesung unseres Antrages an. Und dann die Überra- schung: Einen Monat später legten Sie doch noch einen Antrag vor. Nun ja. Besser spät als nie. Wir werden diesem Antrag zustimmen. Denn wir ha- ben keine Aussagen darin gefunden, die wir für falsch hielten. Natürlich unterstützen wir die bessere Erfor- schung und den Schutz der Tiefsee, die Einrichtung von Schutzgebieten auf der hohen See, die Beförderung nachhaltiger Fischereipraktiken, ein Verbot zerstöreri- scher Fischereipraktiken, Fischereiregelungen, die Über- fischung verhindern, eine wirksame Kontrolle dieser Fi- schereiregelungen und den internationalen politischen Dialog über alles das. In all diesen Forderungen können wir durchaus einen Erfolg unserer Initiative sehen. Denn ohne unseren An- trag für das Moratorium – so viel lässt sich, glaube ich, feststellen – hätte es Ihren Antrag sicher nicht gegeben. Nun gilt es, das Handeln der Bundesregierung an den Forderungen Ihres Antrags zu messen. d a Z k f c k d S s t n M h A d S t A r a r b M m w n d d m n i t ö F o M s a d a W s ü d L s g d A ä t a r v (C (D Lieber Kollege Ortel, unsere Zustimmung hat nichts amit zu tun, dass wir damit von unserem eigenen Antrag brücken und Ihren als den besseren anerkennen würden. war ist Ihr Antrag umfassender, das will ich gerne aner- ennen. Mit unserem Antrag wollten, wir hingegen sehr okussiert auf ein spezielles Problem aufmerksam ma- hen und eine bestimmte politische Forderung in die Dis- ussion bringen. Denn die Grundschleppnetzfischerei in er Tiefsee zerstört einen der letzten ökologischen chätze unserer Erde. Sie ist purer Raubbau. Und gemes- en daran ist Ihr Antrag für uns letztlich doch eine Ent- äuschung. Denn Sie konnten sich als Koalitionsfraktio- en nicht dazu durchringen, sich ausdrücklich für ein oratorium für die Grundschleppnetzfischerei auf der ohen See auszusprechen, wie wir Grüne es mit unserem ntrag gefordert haben. Zwar ist kaum vorstellbar, wie die Bundesregierung ie weit reichenden Forderungen dieses Antrags zum chutz der Tiefsee umsetzen könnte, ohne für ein Mora- orium zu stimmen. Dennoch bleibt als Manko, dass Ihr ntrag die Bundesregierung eben nicht ausdrücklich da- an bindet, sich öffentlich für ein solches Moratorium uszusprechen, geschweige denn, sich gegenüber ande- en Ländern dafür einzusetzen. Damit wird es wohl da- ei bleiben, dass die deutsche Regierung beim Thema oratorium für die Tiefsee-Grundschleppnetzfischerei it einer unklaren Haltung herumeiern wird. Denn Um- elt-, Agrar- und Außenministerium sind offensichtlich icht in der Lage, sich auf eine eindeutige Unterstützung es Moratoriums zu einigen. Sei es, weil das Außenamt iplomatische Rücksichten auf Länder wie Spanien neh- en will, das wesentlicher Akteur in der Grundschlepp- etzfischerei in der Tiefsee ist, sei es weil die Beamten m Agrarministerium eine zu große Nähe zu Fischereiin- eressen haben. Ich will Ihnen sagen, warum uns eine eindeutige und ffentliche Positionierung der Bundesregierung in dieser rage so wichtig ist und warum wir glauben, dass es hne diese klare Haltung keine Chance geben wird, das oratorium zu erreichen. Ich habe den spanischen Bot- chafter deswegen angeschrieben. Denn Spanien lehnt ls Hauptakteur in dieser Branche – wen wundert es – as Moratorium ab. Ich habe daher in meinem Schreiben n Spanien appelliert, seine Position zu überdenken. issen Sie, was mir der Herr Botschafter antwortete? Er chrieb mir, dass die Haltung Spaniens mit der der EU bereinstimme, dass also die EU der Ansicht sei, dass as Moratorium für die Grundschleppnetzfischerei keine ösung darstellen würde. Wenn also Spanien die EU bei dieser Frage in der Ta- che hat, dann bedarf es schon einer klaren Haltung ge- enüber den Mitgliedstaaten, um erreichen zu können, ass diese Festlegung auf EU-Ebene korrigiert wird. ber auch dann, wenn sich die EU gar nicht so klar ge- ußert haben sollte, gälte es, dieser Lesart der EU-Posi- ion deutlich zu widersprechen. Ansonsten bleibt sie so ls Fakt im Raume stehen. Wenn ich nun Ihre Weigerung sehe, die Bundesregie- ung zu einer aktiven Haltung für das Moratorium zu erpflichten, dann muss man sehr skeptisch sein, dass es Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7067 (A) ) (B) ) zu einer klaren Positionierung der EU kommen wird. Und ohne diese klare Haltung der EU wird es auch in der UN-Generalversammlung kaum eine Mehrheit geben. Aus diesem Grund muss ich sagen: Ja, wir können Ihrem Antrag zustimmen, weil alle Forderungen unter- stützenswert sind. Aber dennoch ist Ihr Antrag eine Ent- täuschung, weil er nicht die Konsequenz zieht, die Grundschleppnetzfischerei umgehend zu stoppen. Sonst ist in einigen Jahren, wenn die vorgeschlagenen Initiati- ven greifen, überhaupt nichts mehr da, was man schüt- zen kann. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – Beschlussempfehlung und Bericht: Defizite im Kampf gegen Trunkenheitsfahrten in der Seeschifffahrt beseitigen – Antrag: Umweltfreundliche Stromversor- gung von Schiffen in Häfen unterstützen (Tagesordnungspunkt 22 a und b) Enak Ferlemann (CDU/CSU): „The same procedure as last year?“, fragt Butler James Miss Sophie in der Kultsendung „Dinner for one“ an ihrem neunzigsten Ge- burtstag. „The same procedure as every year, James“ antwortet Miss Sophie ihrem Butler und das Publikum lacht. Ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, sie haben nicht vor, das Thema Trunkenheitsfahr- ten in der Seeschifffahrt in den gleichen Kultstatus zu heben, den dieser Sketch hat. Ich bin mit Ihnen sehr wohl der Meinung, dass das Thema ernst ist. Sie ziehen es aber erneut aus dem Hut, nachdem wir es gerade erst Mitte 2005 ausführlich bera- ten haben. In 2005 gab es gleich drei Anträge, den der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen – damals noch gemeinsam in der Regierungsverantwor- tung – meiner Fraktion und Ihren Vorläuferantrag „Pro- millegrenze in der Seeschifffahrt“. In 2005 habe ich an gleicher Stelle ausgeführt: Heute sind hohe Sicherheitsstandards für die See- schifffahrt von großer Bedeutung. Die aber schließen den Genuss von Alkohol am Steuer eines Seeschiffes aus. Zu groß sind die Risiken und Folgen für unsere Küsten und Seestraßen, wenn es alkoholbedingt zu Schäden kommt. Ich begrüße deshalb die Einigkeit aller Fraktionen, gemeinsam an mehr Sicherheitsbewusstsein auf dem Meer durch die jetzt geforderten Maßnahmen arbeiten zu wollen. Mehr Sicherheit tut Not. Das haben uns die Zahlen der unfallunabhängigen Kontrollen in der Seeschifffahrt aus den Jahren 2001 bis 2003 gezeigt. In diesen Jahren haben Trunkenheitsfahrten in der Seeschifffahrt dreifach zugenommen. h b D l s h f a h B d M e U t d v S n t R w Z c d G P n s v p d e S h h V 1 B n k H n z w z k b a d e c (C (D Im Grundsätzlichen, wenn auch nicht in allen Einzel- eiten, gab es über alle Fraktionen Konsens, dem Pro- lem des Alkoholmissbrauchs den Kampf anzusagen. as ist in der Debatte im letzten Jahr deutlich geworden. Deshalb finde ich es erstaunlich, dass Sie, liebe Kol- eginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, ein Jahr päter das gleiche Thema erneut bewegen. Aber immer- in – das ist zu begrüßen – haben Sie als Oppositions- raktion die Nachfrage angeregt, was sich inzwischen ufgrund der Debatte in 2005 getan hat. Meine Fraktion at also in der Ausschusssitzung Ende Juni 2006 den all aufgenommen und die Bundesregierung gebeten, em Verkehrsausschuss einen Bericht zu geben, welche aßnahmen gegen Trunkenheitsfahrten auf See bereits rgriffen worden sind und bei welchen Vorhaben eine msetzung noch aussteht. Staatssekretär Großmann hat in der Ausschussbera- ung Mitte August dieses Jahres einen Bericht der Bun- esregierung übermittelt. Aus diesem Bericht geht her- or, dass Maßnahmen gegen den Alkoholmissbrauch auf ee eingeleitet worden sind. Die Bundesregierung immt das Problem ernst, wie im Übrigen die Koali- ionsfraktionen auch. Nun schauen wir einmal, wo wir stehen. Es hat erste echtsänderungen auf nationaler Ebene gegeben und eitere Maßnahmen sollen demnächst folgen. Die wölfte Verordnung zur Änderung seeverkehrsrechtli- her Vorschriften hat im Bereich der Sportschifffahrt und urch Herabsetzung der Promillegrenze in deutschen ewässern von 0,8 auf 0,5 für alle Schiffe sowie null romille für Schiffsführer bestimmter Fahrzeugarten, ämlich den Fahrgastschiffen und bestimmte Gefahrgut- chiffe, erste Verbesserungen gebracht. Die zur Führung on Fahrgast- bzw. Gefahrgutschiffen im Rahmen der olitischen Diskussion vorgeschlagenen Klarstellung, ass im Dienst befindliche Besatzungsmitglieder – die ntsprechende Null-Promille-Grenze gilt nur für die chiffsführer – nicht unter der Wirkung von Alkohol ste- en dürfen, ist durch Artikel 1 bis 3 der Achten Sicher- eitsanpassungsverordnung erfolgt. Die Verordnung zur Umsetzung europarechtlicher orschriften auf dem Gebiet der Seeschifffahrt tritt am . Dezember 2006 in Kraft. Sie enthält insbesondere im ereich des Erwerbs und Entzugs von Befähigungszeug- issen in der Handelsschifffahrt Verschärfungen bei Al- oholmissbrauch. Sie enthält zusätzliche Kriterien im inblick auf die Zuverlässigkeit und persönliche Eig- ung von Bewerbern und Inhabern von Befähigungs- eugnissen in der Berufsschifffahrt. Als unzuverlässig ird eingestuft, wer wiederholt gegen die Vorschriften um Alkoholkonsum verstoßen hat. Unzuverlässigkeit ann zum Entzug des Befähigungszeugnisses führen zw. schließt die Erteilung eines Befähigungszeugnisses us. Sie können sicher sein, dass auch die Reedereien urch diese Vorschriften sensibilisiert worden sind und ntsprechend auf ihr Personal achten werden. Ein erstes Gesetz zur Änderung seeverkehrsrechtli- her Vorschriften ist in Vorbereitung, das durch Ände- 7068 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) rung des Seeaufgabengesetzes und des Seeunfalluntersu- chungsgesetzes Fahrverbote auch außerhalb konkreter Gefährdungen und Datenaustausch über Alkoholauffäl- ligkeiten regeln soll. Die Bundesregierung prüft in die- sem Zusammenhang auch, inwieweit der sofortige Ent- zug einer Fahrerlaubnis für Sportbootfahrer wegen Alkoholmissbrauchs angeordnet werden kann. Die Ab- stimmungen dazu laufen. Aus dem von mir zitierten Bericht der Bundesregie- rung folgt allerdings auch, dass eine grundlegende Revi- sion des SUG nicht beabsichtigt ist. Das frühere SUG hatte eine Reihe von Schwachstellen, die durch Einfüh- rung der Vorprüfungsstelle und der Neugestaltung der Seeämter beseitigt wurden. Diese Haltung ist nicht neu und deshalb nützt Ihnen Ihre Trotzkopfhaltung nichts, Forderungen in Wiederholung aufzustellen, die schon in der Vergangenheit keine Mehrheiten gefunden haben. Im Übrigen gilt auch bei diesem Thema, sich von der kleinräumigen nationalen Sichtweise abzuwenden. In dieses Feld gehört die Absenkung der Promillegrenze. Viel wichtiger ist es, auf die europäische und internatio- nale Sicht abzuheben. Die Bundesregierung will das tun. Sie ist nach ihrem Bericht bestrebt, über die nationale Gesetzgebung hinaus auf internationaler Ebene eine weltweite Einführung von Obergrenzen beim Alkohol- konsum in der Seeschifffahrt zu erreichen. Sie haben den 44. Verkehrsgerichtstag in Goslar zum Anlass für Ihren Antrag genommen. Was dort an Überle- gungen und Forderungen geäußert worden ist, hat die Bundesregierung auch gehört. Aufgrund der Forderun- gen, die da als sinnvoll und notwendig beschrieben wor- den sind, hat sie aktuell im Rahmen der internationalen Rechtssetzung und durch Initiativen auf internationaler Ebene vor, weiter gegen den Alkoholmissbrauch auf See zu Felde zu ziehen. Gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten im Schiffssicherheitsausschuss der Internationalen See- schifffahrts-Organisation in London hat Deutschland eine weltweit geltende Regelung von Alkoholbeschränkungen durch Änderung der Wachdienstvorschriften des Inter- nationalen Übereinkommens über die Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten – STCW-Überein- kommen – vorgeschlagen. Darüber ist man aber noch in der Diskussion. Auch wenn dies Zeit braucht, so ist doch klar, dass eine internationale Lösung der auf der europäi- schen Ebene vorzuziehen ist. Der Charakter der See- schifffahrt ist nun einmal global. Nun zu Ihren letzten vier Forderungen Ihres Antra- ges: Erstens: Was soll eine wissenschaftliche Untersu- chung unter Auswertung aller national und international bekannt gewordenen Alkoholmissbräuche? Das erinnert mich an die „Feuerzangenbowle“ und den viel zitierten Satz des Professors Bommel, gespielt von Paul Hen- ckels: „Da stellen wir uns mal janz dumm.“ Zweitens: Was soll das bringen? Wir kennen doch die Ursachen der Alkoholabhängigkeit genauso wie die Wir- k u G a g d S a B w v m d A A a d t p d b s M T t r h v V S – d K d V B A S g u g R t 1 V s g h v (C (D ung des Alkoholkonsums. Die sind ausreichend und mfassend erforscht und liegen in den Ergebnissen vor. Drittens: Es ist bereits jetzt Aufgabe der Ärzte, bei esundheitsuntersuchungen zur Seediensttauglichkeit uf den Missbrauch von Suchtmitteln zu achten. Viertens: Soweit Sie ein zentrales Überwachungsre- ister fordern, hält Ihnen die Bundesregierung zu Recht as Seeleute-Befähigungsregister beim Bundesamt für eeschifffahrt und Hydrographie vor. Das ist doch nichts nderes als ein Zentralregister und kann deshalb unter eachtung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen eiter ausgestaltet werden. Ich komme zum Schluss: Wie heißt der letzte Satz on James, dem Butler in „Dinner for one“? „I will do y very best.“ Ich denke, wir Verkehrspolitiker konnten ie Bundesregierung ganz in diesem Sinne mit unseren nträgen in 2005 dazu antreiben, ihr Bestes zu geben. us diesen Gründen lehnt meine Fraktion Ihren Antrag b. Mit dem Antrag der Bündnis 90/Die Grünen, der mit em Thema des Alkoholmissbrauchs auf See nichts zu un hat, dennoch unter dem gleichen Tagesordnungs- unkt eingebracht wird, sollten wir uns im Hinblick auf ie Vorstellungen, die hier von der EU gekommen sind, ald im Ausschuss auseinandersetzen. Ich kann mir vor- tellen, dass auch hier eine sachliche Vorarbeit vom inisterium wünschenswert und hilfreich wäre. Das hema hat ernste Hintergründe. Es gibt aber auch Be- roffene außerhalb dieses Hauses, deren Interessen wir echtzeitig einbeziehen sollten. Einen zeitlichen Druck aben wir nicht. Es ist damit genügend Zeit zur Beratung orhanden. Annette Faße (SPD): Nahezu bei jedem zweiten erkehrsunfall mit tödlichem Ausgang ist Alkohol im piel. Wir wissen, dass bereits ab 0,2 Promille BAK Blutalkoholkonzentration – die Reaktionsgeschwin- igkeit abnimmt: Fehleinschätzungen häufen sich, die onzentrationsfähigkeit wird deutlich geringer. Aus diesen Gründen nehmen wir Verkehrspolitiker er SPD-Bundestagsfraktion den Alkoholmissbrauch im erkehr sehr ernst. Das haben wir schon immer getan. ereits in der letzten Legislaturperiode haben wir einen ntrag beschlossen, der dem Alkoholmissbrauch auf ee entgegenwirken sollte. Dieser Antrag wurde übri- ens von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen nd von der damaligen Oppositionsfraktion CDU/CSU emeinsam verabschiedet. Seitdem hat es die ersten echtsänderungen auf nationaler Ebene gegeben, wei- ere Maßnahmen werden demnächst folgen. Erste Verbesserungen auf nationaler Ebene hat die 2. Verordnung zur Änderung seeverkehrsrechtlicher orschriften gebracht: zum Beispiel im Bereich Sport- chifffahrt und durch die Herabsetzung der Promille- renze in deutschen Gewässern von 0,8 auf 0,5 bezie- ungsweise Nullpromille. Jetzt gilt wie in der Binnenschifffahrt und im Straßen- erkehr auch auf deutschen Seeschifffahrtsstraßen eine Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7069 (A) ) (B) ) Promillegrenze von 0,5 Promille. Für besonders gefähr- liche Gefahrguttransporte und Fahrgastschiffe haben wir die Null-Promille-Grenze eingeführt. Diese Null-Pro- mille-Grenze gilt nur für die Schiffsführer. Die 12. Verordnung zur Änderung seeverkehrsrechtli- cher Vorschriften mit weiteren Maßnahmen ist bereits am 6. August 2005 in Kraft getreten. Die geplante Verordnung zur Umsetzung europa- rechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Seeschiff- fahrt wird insbesondere im Bereich des Erwerbs und Entzugs von Befähigungszeugnissen in der Handels- schifffahrt Verschärfungen bei Alkoholmissbrauch ent- halten. Zusätzlich werden Kriterien im Hinblick auf die Zu- verlässigkeit und persönliche Eignung von Bewerbern und Inhabern von Befähigungszeugnissen in der Berufs- schifffahrt eingeführt. Danach wird derjenige als un- zuverlässig eingestuft, der wiederholt gegen die Vor- schriften zum Alkoholkonsum verstoßen hat. Unzuverlässigkeit kann zum Entzug des Befähigungs- zeugnisses führen bzw. schließt die Erteilung eines Befä- higungszeugnisses aus. Reine Trunkenheitsfahrten – das heißt ohne konkrete Gefährdung der Schiffsicherheit oder der Meeresum- welt – sollen durch Änderung des Seeaufgabengesetzes, SeeAufG, und des Seeunfalluntersuchungsgesetzes, SUG, geahndet werden. Wir wollen nicht warten, bis et- was passiert. Das, was im Straßenverkehr bereits gang und gäbe ist, soll auch in der Seeschifffahrt so sein. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, inwie- weit der sofortige Entzug einer Fahrerlaubnis für Sport- bootfahrer wegen Alkoholmissbrauchs angeordnet wer- den kann. Der Abstimmungsprozess dazu läuft momentan. Für die wirksame Bekämpfung von Alkoholmiss- brauch in der Seeschifffahrt brauchen wir jedoch keine grundlegende Revision des SUG, wie von der FDP ge- wünscht. Das frühere SUG hatte eine Reihe gravierender Schwachstellen, die zum Beispiel durch die Einführung der Vorprüfungsstelle und die Neugestaltung der Aufga- ben der Seeämter beseitigt wurden. Ein von der FDP ge- fordertes Zentralregister besteht bereits beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Gestalt des See- leute-Befähigungsregisters! Dieses Register kann unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen weiter ausgestaltet werden. Neben all diesen nationalen Regelungen dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass eine internationale Lösung wegen des globalen Charakters der Seeschifffahrt einer Lösung auf nur europäischer oder gar nationaler Ebene vorzuziehen ist! Gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten hat Deutschland im Schiffssicherheitsausschuss der Interna- tionalen Seeschifffahrts-Organisation, IMO, in London eine weltweit geltende Regelung von Alkoholbeschrän- kungen durch Änderung der Wachdienstvorschriften des Internationalen Übereinkommens über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen u n s n b A s e t s b d h z m k G e e K w ü f K f T a g l D b d d s d c ü M H d S h A r M A f f l R b s (C (D nd den Wachdienst von Seeleuten vorgeschlagen, die och im Einzelnen diskutiert werden. Wir sind gut aufgestellt, wir benötigen keine wissen- chaftliche Untersuchung unter Auswertung aller natio- al und international bekannt gewordenen Alkoholmiss- räuche, wie Herr Goldmann fordert. Die Ursachen für lkoholabhängigkeit und die Wirkung von Alkoholkon- um sind uns ausreichend bekannt und bereits umfassend rforscht. Auch die Gesundheitsuntersuchungen zur Seedienst- auglichkeit ist bereits Aufgabe der Ärzte. Dazu gehört elbstverständlich, dass die Ärzte auf Suchtmittelmiss- rauch bzw. -abhängigkeit achten. Als Unterstützung für en Arzt gibt es durch die Bundeszentrale für gesund- eitliche Aufklärung sowohl Handlungsempfehlungen ur Frühintervention bei Menschen mit Alkoholproble- en als auch entsprechende Screeninginstrumente. Dr. Margrit Wetzel (SPD): Ein spannendes Zu- unftsthema hat uns die Fraktion des Bündnisses 90/Die rünen da am späten Plenarabend beschert und zualler- rst gebührt ihr dafür durchaus Dank. Der Antrag enthält ine Fülle absolut richtiger und wichtiger Informationen. ein Wunder, ist er doch in vielen Passagen nahezu ortgleich mit der Empfehlung der EU-Kommission ber die Förderung der Landstromversorgung von Schif- en in Häfen vom Mai 2006. Zumindest eine Bitte der ommission erfüllen Sie damit: den Punkt 5 der Emp- ehlung, das maritime Umfeld für dieses wichtige hema zu sensibilisieren. Damit hört meine Begeisterung dann aber auch schon uf. Schade, dass Sie sich nur um Schiffsliegeplätze sor- en, die in der Nähe von lärmbelasteten Wohngebieten iegen. Durch meine Mitarbeit in Seemannsmission und eutschem Nautischem Verein weiß ich, welche Pro- leme durch Übermüdung der Besatzungen entstehen, ie gequält durch den ständigen Motorenlärm der Hilfs- iesel nicht ausreichend schlafen können. Man muss ich die Frage stellen, ob Sie sich überhaupt wirklich mit em Problem befasst haben, ja sogar, ob Sie über mögli- he Realisierungschancen der Landstromversorgung berhaupt ernsthaft nachgedacht haben: Erstens. Die Landstromversorgung ist nur eine der öglichkeiten, von Schiffen ausgehende Schadstoffe in äfen zu reduzieren. Die für 2010 geplante Reduzierung es Schwefelgehalts auf 0,1 Prozent bei Kraftstoffen, die chiffe in Häfen verbrauchen, ist eine weitere. Darüber inaus blasen Schiffe ihre Abgase ungefiltert in die Luft. uch mit Filtertechniken wäre viel zu gewinnen, Letzte- es übrigens nicht nur in Häfen, sondern auch auf den eeren. Zweitens. Die Landstromversorgung müsste für viele rten sehr verschiedener Schiffe konzipiert werden: Was ür kleinere Schiffe, die oft im Hafen liegen, bereits er- olgt, weil es umweltfreundlich und durchaus wirtschaft- ich sein kann, ist auch für Fähren mit immer gleichen outen, Liegeplätzen und einem geringeren Stromver- rauch im Hafen durchaus darstellbar und wird auch chon praktiziert. Auch für einige andere Schiffstypen 7070 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) würde die Entwicklung zeitnah erfolgen können und kann durchaus sinnvoll und auch wirtschaftlich sein. Kritisch allerdings wird es für solche Schiffe, die zum Beispiel bei wechselnden Routen und Häfen sehr viel Energie für ihre Ladung – zum Beispiel für Schwergut, Ladungspumpen etc. – brauchen oder während der ge- samten Hafenliegezeit eine hohe Zahl von Kühlcontai- nern versorgen müssen. Der Strombedarf eines solchen Schiffes wird mit fünf bis sieben Megawatt angenom- men. Das sind Spitzenlasten, die zurzeit noch dafür sor- gen würden, dass ganze Stadtteile aufgrund der Sicher- heitsmaßnahmen der EVU vom Netz fallen würden. Wie stellt sich das bei mehren, ja bei vielen Schiffen gleich- zeitig dar? Drittens. Dabei zeigt sich das eigentliche Problem: Die Häfen bräuchten leistungsstarke eigene Kraftwerke für die Versorgung der Schiffe. Das aber ist eine richtig teure Sache, die kaum durch Bundestagsbeschluss über das BIMSCHG geregelt werden kann. Auch rechtlich müsste eine Anbindung an das BIMSCHG gründlich ge- prüft werden. Das ist im Zuge der Ausschussberatungen sicher zu leisten. Aber eine gründliche Skepsis, dass teure Großinvestitionen der Energieversorgungsunter- nehmen mit den entsprechenden aufwendigen Planungen und kostenintensiven Maßnahmen in den Häfen, in der Zuständigkeit der Länder, der Hafenbetreiber und den von teuren Umrüstungen betroffenen Terminals, der Reeder, die ihre Schiffe entsprechend bauen bzw. umrüs- ten müssen und wie Sie, liebe Kollegen von den Grünen, das alles über das BIMSCHG veranlassen wollen, ist wohl schon angebracht. Während die Empfehlung der EU-Kommission abso- lut ernst genommen und unterstützt werden muss, kann man über Ihren Antrag aber nur den Kopf schütteln. Na- türlich müssen wir, sprich die Bundesregierung, gemein- sam mit den anderen Mitgliedstaaten der EU bei interna- tionalen Zusammentreffen der IMO und ISO energisch daran arbeiten, internationale Mindestanforderungen und harmonisierte Normen für die landgestützte Strom- versorgung zu entwickeln. Was nützt es uns, wenn die Kontinente verschiedene technische Systeme aufbauen, die mit den eintreffenden Schiffen nicht kompatibel sind? Nichts! Im Gegenteil: Dann sind Schiffe von öko- logisch und ökonomisch bewussten Reedern teuer aus- gerüstet worden und fahren ihr Equipment nutzlos auf den Meeren herum. Wie überzeugen wir die Energiever- sorger, dass sie in große Kraftwerke investieren, wenn nicht sicher ist, dass die Schiffe – allein deutsche Reeder haben derzeit über 700 Neubauten geordert – so ausge- rüstet sind, dass sie Landstrom für ihre Hafenbetriebs- zeiten abnehmen können? Die Industrie, zumal die deutsche Industrie, ist perfekt vorbereitet: Namhafte Anbieter sind mit marktfähigen Entwicklungen in Vorleistung getreten und haben die po- litischen Entwicklungen der nächsten Jahre antizipiert. Sie verdienen unsere volle politische Unterstützung. Die Probleme, die zu bewältigen sind, liegen schließlich nicht nur in der Menge des verfügbaren Stroms; sie lie- gen auch in den unterschiedlichen Spannungen von Land- und Schiffsstrom. Es braucht also Umspannstatio- n k u 5 B s u m s S d L t t h s l p e h S i J z s w w a l z g r m n l d a n t K b r a z ti e s l i O a n u (C (D en, Transformatoren, entsprechende Höchstspannungs- abeltrommelsysteme, die passgenau zwischen Schiff nd Landstation sind. Außerdem muss die Frequenz der 0-Hz-Landversorgung für die auf 60 Hz ausgelegten ordnetze kompatibel gemacht werden. Das sind techni- che Herausforderungen, die sehr kostenintensiv sind nd die auch nicht über das BIMSCHG oder eine ge- einsame Planung von Bund, Ländern und Energiever- orgern allein zu bewältigen sind. Was passiert denn bei tromausfall – bei dem Spitzenbedarf? Haben Sie be- acht, dass wir auch neue Sicherheitsrisiken für Leib und eben der Arbeiter mit zu bewältigen hätten? Einig sind wir aber sicherlich darin, dass wir uns in- ensiv mit dem Thema befassen müssen, dass die Indus- rie unsere Unterstützung für ihre innovativen Lösungen at, dass die IMO internationale Mindestanforderungen chnellstmöglich definieren und die ISO die Schnittstel- en klären muss, damit die „Stecker auch in die Dose assen“, dass die für die Häfen zuständigen Länder ein igenständiges politisches Interesse an „sauberen“ Häfen aben müssen und dass die Reeder bei zukünftigen chiffsneubauten vorausschauend planen müssen; denn mmerhin sind einige amerikanische Häfen bereits seit ahren zumindest konzeptionell Vorreiter auf dem Weg ur landgestützten Stromversorgung. Wenn das alles auf einem guten Weg ist, dann bin ich icher, dass auch unsere Haushälter und Finanzpolitiker issen, dass deutsche Häfen im europäischen Verbund ettbewerbsfähige Strompreise brauchen. Bis dahin ist ber noch ein vor allem technisch harter Weg zurückzu- egen, bei dem immer die Einzelfallprüfung, die je ein- elne Abwägung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses der eeigneten Lösung zur Schadstoff- und Lärmreduzie- ung von Schiffen in Häfen voranstehen muss. Fazit: Ihr Antrag ist gut gemeint, aber nicht gut ge- acht. Er hilft umweltpolitisch nicht wirklich, schafft eue Probleme statt die richtige Entwicklung nachdrück- ich zu unterstützen – kurz: Ob Sie hier nicht doch eher as Kind mit dem Bade ausschütten, werden wir in den nstehenden Ausschussberatungen prüfen. Hans-Michael Goldmann (FDP): Eigentlich ist es icht zu glauben, dass wir uns im Plenum des Bundes- ages schon wieder mit dem Thema Verbesserungen im ampf gegen Alkoholmissbrauch in der Seeschifffahrt eschäftigen müssen. Man sollte meinen, dass solche echtstechnischen Probleme schnell von einer Regierung bgestellt werden und wir uns wieder anderen Themen uwenden können. Doch leider weit gefehlt. Es hat mich wirklich erschüttert, dass die große Koali- on in der Ausschusssitzung schlicht bestritten hat, dass s in diesem Bereich überhaupt noch Probleme gibt. Sie ind einfach abgetaucht und weigern sich die offensicht- ichen Probleme zur Kenntnis zu nehmen. Dabei habe ch einige Kollegen, wie Wolfgang Börnsen, noch im hr, wie sie im Sommer 2004 laut tönten, dass es nicht ngehen könne, dass besoffene ausländische Kapitäne ach der Ausnüchterung wieder die Brücke besteigen nd weiterfahren können. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7071 (A) ) (B) ) Doch leider ist dies immer noch Realität. Seit der Ver- abschiedung des unseligen SUG im Jahr 2002 haben wir die Gesetzeslücke, die es der Wasserschutzpolizei unmög- lich macht, solchen Trunkenbolden im Sofortvollzug das Handwerk zu legen. Es interessiert Sie einfach nicht, dass sowohl der Deutsche Nautische Verein, als auch der Deutsche Ver- kehrsgerichtstag übereinstimmend festgestellt haben, dass diese Regelungslücke besteht und sie durch eine kleine Gesetzesänderung zu schließen ist. Offensichtlich muss erst wieder ein Unfall passieren, bis die werten Kollegen von SPD und CDU/CSU auf- tauchen und dann sicher wieder die Schlagzeilen der Boulevardblätter füllen werden. Ich sehe es schon vor meinem geistigen Auge: CDU/SPD fordern: Wir brau- chen umgehend schärfere Gesetze! Es ist wirklich traurig, dass Sie sich weigern, schon vor dem nächsten Unfall für mehr Sicherheit auf deutschen Gewässern zu sorgen. Stattdessen haben sie die Schiffsoffiziersausbildungsver- ordnung und innerhalb eines Jahres jetzt schon zweimal die Seeschifffahrtsstraßenordnung geändert und behaup- ten, damit ihren Auftrag erfüllt zu haben. Über die Ausbildungsverordnung hat das Ministerium nun festgelegt, dass bei Beinahe-Unfällen künftig nicht die Seeämter, sondern das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrografie für Patententzüge zuständig ist. Ich frage: Wo ist hierfür die dem Grundgesetz entsprechende Ermächtigungsgrundlage, die solche Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit nach Art, Zweck und Ausmaß erlaubt? § 142 Seemannsgesetz genügt diesen Ansprüchen jedenfalls in keiner Weise. Dasselbe Ministerium hat übrigens bei entsprechenden Rechtsgrundlagen im Straßenverkehr alles Wesentliche im STVG geregelt. Es kommt wohl auf die Abteilung im BMVBS an, ob Verfassungsrecht geprüft wird oder nicht. Abgesehen davon hat der Deutsche Bundestag 2005 be- schlossen, dass auch dieser Teil der Patenentziehung von der WSD Nord als Aufgabe ausgeführt werden soll, damit die Einheitlichkeit der Bewertungsmaßstäbe erhalten bleibt. Doch dieser Beschluss hat offensichtlich weder das Ministerium noch die sie tragende Koalition interessiert. Auch diese Vorschrift lässt im Übrigen weder Rechts- grundlagen gegen Inhaber ausländischer Kapitäne erken- nen noch sieht sie die Möglichkeit einer vorläufigen Anordnung der Patententziehung vor. Erst wenn die Ent- ziehung bereits stattgefunden hat und der Betroffene die Entscheidung anficht, kann der sofortige Vollzug ange- ordnet werden. Das hat nichts mit der vorläufigen Anordnung zu tun, ein Instrument, das der Behörde ermöglicht, sofort und ohne vorausgegangen Grundver- waltungsakt einen volltrunkenen Kapitän aus dem Ver- kehr zu ziehen, wie das im alten SeeUG ohne Probleme möglich war. Weiterhin hat das Ministerium im August 2005 in der Seeschifffahrtsstraßenordnung für Fahrgastschiffe und bestimmte Gefahrguttransporte einen Passus aufgenom- men, wonach ein Kapitän auf seinem Schiff keinen Alkohol zu sich nehmen darf. Für diese Formulierung gab es viel Kritik, Kritik sowohl aus dem Ministerium s w b d e s S F W d d J – n d d R k g a S t u f b E a b w n n v g l s d b n I t g e B A r E g f tr (C (D elbst, als auch von Verdi und maritimen Verbänden. Es urde ausgeführt, dass diese Regelung zu unvertret- aren Wertungswidersprüchen führen würde, weil schon ie Einnahme eines Löffels Hustensaft den Tatbestand rfüllte. Der Deutsche Nautische Verein und der Deut- che Verkehrsgerichtstag haben ihnen schließlich ins tammbuch geschrieben, dass die juristisch bessere ormulierung wäre: „Darf in der Dienstzeit nicht unter irkung alkoholischer Getränke stehen.“ Der wohlmeinende Dritte würde jetzt sicher glauben, ass man auf solchen Ratschluss sicher gehört habe, och wiederum weit gefehlt. Stattdessen hat man dieses ahr wiederum § 3 Abs. 5 in dieser Vorschrift geändert: In Ruhezeiten und sonstigen Erholungszeiten darf er der Kapitän alkoholische Getränke zu sich nehmen, wenn sicher- gestellt ist, dass er bei der Übernahme sicherheitsre- levanter Aufgaben nicht mehr unter Wirkung solcher Getränke steht. Man kann sich nur wundern. Offensichtlich kommen ur den Fachleuten von der Küste dazu kritische Fragen in en Sinn, den Damen und Herren von der Regierung und er sie tragenden Koalition leider nicht. Wann sind diese uhezeiten und wer definiert sie? Genau: Der Kapitän! Er ann nun jederzeit selbst bestimmen, und das auch noch anz kurzfristig, wenn die Wasserschutzpolizei gerade n Bord kommt, dass er nun seine Ruhezeit nehme. Die ignalwirkung einer solchen Vorschrift ist vor dem Hin- ergrund der Diskussion, die wir seit über zwei Jahren nter dem Motto „Null Toleranz für Alkohol an Bord“ ühren, verheerend. Wasserschutzpolizisten haben mir estätigt, dass die Regelung völlig unpraktikabel ist. inige Kollegen von der Koalition wissen das doch uch. Ausgerechnet für die sensibelsten Sicherheits- ereiche – Passagiere und gefährliche Gefahrgüter – erden solche Weichmacher eingebaut. Das ist jetzt och schlimmer als unter dem alten Recht. Nach ständiger Rechtsprechung passiert einem Kapitän ichts, wenn er mit einem Blutalkoholwert unterhalb on 0,3 Promille kontrolliert wird. Nach den Vorstellun- en der Regierung darf er sich nur nicht dabei beobachten assen, wie er den Alkohol innerhalb der Dienstzeiten zu ich nimmt. Oder er erklärt sich während einer Kontrolle er Einfachheit halber kurzerhand als in der Ruhephase efindlich, um ungeschoren saufen zu können. Er muss ur rechtzeitig einen seiner Offiziere wecken. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: ch weiß, dass die allermeisten Kapitäne sehr verantwor- ungsvoll ihre Aufgaben wahrnehmen. Doch um diese eht es hier ja auch nicht. Es geht um die, bei denen igentlich schon die regelmäßigen Kontrollen der See- erufsgenossenschaft zutage fördern müssten, dass sie ein lkoholproblem haben. Es geht um die Kapitäne, die egelmäßig einen über den Durst trinken. Angesichts der ntwicklung der Seeschifffahrt bedarf es in unseren Tagen ar nicht mehr eines Tankerunfalls, um an unseren Küsten ür verheerende Schäden zu sorgen. Großcontainerschiffe ansportieren heutzutage oft mehr Öl als früher so man- 7072 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) cher Tanker. Mit Ignoranz spielen Sie mit der Sicherheit von Mensch und Natur an den deutschen Küsten. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Hier sind zwei Anträge zu beraten, die auf den ersten Blick wenig ge- mein haben. Doch wenn wir uns klarmachen, dass beide sich erheblicher Gefahrenquellen annehmen, dann sieht das schon anders aus. Zunächst zu den Schiffen, dann zu den Seeleuten. Schiffsmotoren, die auch die Generatoren mit Strom ver- sorgen, werden meist mit schwerem Bunkeröl betrieben, nicht nur auf See, sondern auch in den Häfen. Durch ihre Abgase – besonders Schwefeldioxid ist zu nennen – tra- gen sie zur Luftbelastung bei, insbesondere die Motoren der Kühlcontainerschiffe, die viel Energie schlucken. Nicht nur den Verband Deutscher Reeder beschäftigt dieses Problem, auch die EU-Kommission hat das Thema seit 2002 auf der Agenda. Sie will die landseitige Stromversorgung für Schiffe fördern, die in den Häfen liegen. Sie empfiehlt dies allen Mitgliedsländern. Die meisten der Ostseeanrainerstaaten haben sich bereits verständigt, die landseitige Stromversorgung von Schif- fen in Häfen zu fördern. Ab 2010 müssen alle Schiffe in den EU-Häfen ohnehin Kraftstoffe mit höchstens einem Zehntel Prozent Schwefelgehalt verwenden. Nur Schiffe, die eine landseitige Stromversorgung nutzen können, werden von dieser Auflage befreit. Die Linke unterstützt den Antrag der Bündnisgrünen. Die Bundesregierung muss alles tun, um die Belastung, die von Schiffen in Häfen ausgeht, zu verringern. Die landseitige Stromversorgung muss Standard sein. Nun zu den Seeleuten: Die Seefahrt und die „Buddel voll Rum“? Da gibt es Klischees, die Seemannsgarn sind. Hier wird verklärt, was unverantwortlich ist: See- fahrer, die betrunken ein Schiff lenken. Natürlich gilt kein Generalverdacht. Doch Alkohol ist ein Problem. Da gilt nun mal für alle: Die Lizenz ist futsch, wenn zu viel Alkohol im Spiel ist und gegen betrunkene Seeleute gibt es zuweilen zu wenig Handhabe. Das Thema beschäf- tigte im Januar 2006 sogar den Verkehrsgerichtstag in Goslar. Wie die FDP in ihrem Antrag zu Recht feststellt, ist es bei manchen Schiffsführern, die keine deutschen Staats- angehörigen sind, schwierig, diesen das Patent zu entzie- hen. Nach der Ausnüchterung wieder aufs Schiff? Ein unhaltbarer Zustand! Da müssen wir nachbessern. Alle, die sich in der Seeschifffahrt nur etwas ausken- nen, wissen, dass das Bordleben bei langer Seefahrt auf die Kraft, auf die Nerven und auf die Seele drücken kann. Alkoholmissbrauch kann die Folge sein. Deshalb legt Die Linke Wert darauf, auch die Bekämpfung der Ursachen, Therapie einleitende und begleitende Maßnahmen mit in das Repertoire zu nehmen. Das gehört – neben regel- mäßiger Kontrolle – zur Vorbeugung unbedingt mit dazu. Eine reine Überprüfung, so wie im FDP-Antrag formu- liert, reicht nicht, um das Problem ernsthaft anzupacken. Trotzdem sehen wir – die Fraktion Die Linke – im Antrag der FDP einen Schritt in die richtige Richtung, sodass wir auch diesem zustimmen. N a n H v d „ Z d s M k g b S o 8 E N u s s e G S w l k s l s s l h l c S M 9 n r s s t S d w G t v M s i H W L s (C (D Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Am 25. November meldete die Deutsche Presse- gentur, dass ein junger Matrose völlig betrunken mit ei- em Fischkutter unkontrolliert durch den Büsumer afen gefahren sei. Was nach einer Posse klingt, kann erheerende Folgen haben, wie die traurigen Beispiele er verunglückten Öl- und Chemietanker „Erika“ und Prestige“ gezeigt haben. Besorgniserregend ist, dass die ahl der amtlich festgestellten erhöhten Alkoholwerte in en letzten Jahren stark gestiegen ist. Um es deutlich zu agen: Alkoholmissbrauch gefährdet die Sicherheit von ensch und Meeresumwelt. Hinzu kommen die Folge- osten für Tourismus, Fischfang und Schadensbeseiti- ung. Darum ist es dringend an der Zeit, Alkoholmiss- rauch in der Seeschifffahrt zu bekämpfen und die icherheitsstandards in der Seeschifffahrt in ganz Eur- pa zu erhöhen. Jedes Jahr werden zum Beispiel 00 Millionen Tonnen Öl allein über die Häfen in der uropäischen Union umgeschlagen. Insbesondere die ord- und Ostsee sind einem erheblichen Unfallrisiko nd damit der Gefahr einer Ölpest ausgesetzt. Hier be- teht dringender Handlungsbedarf. Für Gefahrguttransporte, also Tankschiffe oder See- chiffe, die radioaktive Stoffe befördern, fordern wir ine Nulltoleranzregelung, also eine Null-Promille- renze. Die Promillegrenze für alle anderen Schiffe und portboote soll von derzeit 0,8 auf 0,5 Promille gesenkt erden. Was bei Autofahrern selbstverständlich ist, wol- en wir auch für den Seeverkehr: Wir wollen eine stär- ere Prävention durch mehr Kontrollen in den Häfen und tandardmäßige Blutuntersuchungen bei der Seetaug- ichkeitsuntersuchung. Die rechtlichen Voraussetzungen ollen so geändert werden, dass die zuständige „Wasser- chifffahrtsdirektion Nord“ ein Aussetzen der Fahrer- aubnis verfügen kann, wenn Eignungszweifel bestehen. Wenn wir über Meeresverschmutzung und Seesicher- eit sprechen, müssen wir auch über die Schadstoffbe- astung durch Schiffe reden. Schiffe sind Hauptverursa- her giftiger Emissionen wie Stickoxide und chwefeloxide, Schiffsemissionen belasten nicht nur die eeresumwelt, in Hafenstädten verursachen sie bis zu 0 Prozent der Belastung mit diesen Gasen. Dabei immt die Bedeutung des Seeverkehrs zu: Heute werden und 95 Prozent des interkontinentalen Warenaustau- ches über See abgewickelt. Die Hafenumschlagszahlen teigen. Damit steigen aber auch die seeverkehrsbeding- en Emissionen auf See und während der Liegezeit der chiffe in den Häfen: Wissenschaftler haben im Auftrag er Europäischen Kommission herausgefunden, dass die eltweiten Schiffsemissionen bis zum Jahr 2010 auf die rößenordnung von 75 Prozent aller an Land verursach- en Emissionen ansteigen werden. Wir wollen die Belastung durch Schiffsemissionen erringern. Damit müssen wir im Hafen anfangen. Eine öglichkeit dazu ist die so genannte Landanschlussver- orgung. Wenn wir die Schiffe während ihrer Liegezeit n den Häfen mit Landstrom versorgen, können die ilfsmotoren abgeschaltet werden. So gewinnen alle: eniger Abgase der Dieselmotoren bedeuten saubere uft, die Hafenanrainer freuen sich über den Lärm- chutz, die Stadtwerke profitieren vom zusätzlichen Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7073 (A) ) (B) ) Stromabsatz und die Energiekosten der Fähren sinken, da der Strom der Stadtwerke günstiger ist als der durch Hilfsdiesel erzeugte. Der Ausstoß an Kohlenmonoxid re- duziert sich auf nahezu Null, der von Kohlendioxid und Stickoxiden um mehr als die Hälfte. Mit unserem Antrag „Umweltfreundliche Stromver- sorgung von Schiffen in Häfen unterstützen“ fordern wir die Bundesregierung auf, Schritte zu unternehmen, um die Landanschlussversorgung in Häfen sicherzustellen. Die Europäische Kommission hat die Einsparpotenziale erkannt und fordert die Mitgliedstaaten auf, zu prüfen, wie sich der Aufbau einer Landstromversorgung reali- sieren lässt. Lübeck macht es vor: In einem EU-Projekt, das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit gefördert wird, wird an der Einrichtung ei- nes ersten Landanschlusses gearbeitet. Die Bundesregierung sollte diesem guten Beispiel folgen. In Kooperation mit Hamburg, Bremen, Nieder- sachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpom- mern bietet sich ihr die Chance, die Initiative für einen umweltfreundlichen Seeverkehr in Deutschland und der Europäischen Union zu ergreifen. Einheitliche und ver- bindliche Normen müssen international für alle Häfen gelten. Hier kann die Bundesregierung eine Vorreiter- rolle übernehmen und bei der Überarbeitung des „Inter- nationalen Übereinkommens zur Verhütung von Meeres- verschmutzung durch Schiffe“ die Steckdose im Hafen zum internationalen Standard machen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts: Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (inkl. 7301/06 ADD 1, 7301/06 ADD 2 und 7301/06 ADD 3) (Tagesordnungspunkt 23) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Der Deutsche Bundestag befasst sich heute mit der Einführung eines neuen EU-Fonds. Dieser Fonds steht exemplarisch für eine verfehlte Politik der EU-Kommission. Anstatt sich auf Kernaufgaben zu beschränken, wird versucht, immer neue Aufgabenfelder zu erschließen und parallel dazu immer mehr Finanzmittel zu verteilen. Der europäische Globalisierungsfonds soll mit 500 Mil- lionen Euro im Jahr die Wiedereingliederung von Arbeit- nehmern in den Arbeitsmarkt unterstützen, die durch weit reichende Veränderungen im Welthandelsgefüge ihren Arbeitsplatz verloren haben. Die Unterstützung von Menschen, die ihre Arbeit ver- loren haben, ist sicher sinnvoll und richtig. Allerdings muss das unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität ge- schehen, das heißt in diesem Fall durch die Mitgliedstaa- ten. Diese verfügen über die notwendige Kompetenz in S c m s r v d b A e L E a S d g H D u U M m a t f s v d V i n m g d c K d k d g d k l t m r s e e k (C (D achen Arbeitsmarktpolitik und wissen genau, an wel- hen Stellen Handlungsbedarf besteht. In Deutschland stehen eine ganze Reihe von arbeits- arktpolitischen Instrumenten zur Verfügung, um Men- chen zu unterstützen, die – sei es durch die Globalisie- ung oder aufgrund anderer Zwänge – ihre Arbeit erloren haben. Die nationalen Instrumente bieten gemeinsam mit em seit langem existierenden Europäischen Sozialfonds ereits ausreichende Möglichkeiten zur Förderung von rbeitslosen. Warum also dieser Fonds? – Eine Antwort lässt sich rahnen, wenn man betrachtet, wer den Vorschlag für eistungen aus dem Globalisierungsfonds macht: die U-Kommission. Sie wird also der Heilsbringer für in kute Not geratene Arbeitnehmer sein und ihnen zur eite springen. Das wird ihrem Image sicher nicht scha- en. Wir kennen diese Vorgehensweise in Deutschland ut aus vergangenen Tagen – beispielsweise im Zuge der olzmann-Pleite. Die Kommission betätigt sich also als Wunderheiler. ie Kosten tragen – wie immer – die Mitgliedstaaten nd damit die Steuerzahler. Abgesehen davon enthebt sie vor allem die großen nternehmen ihrer Fürsorge- und Sozialpflicht nach dem otto: „Es ist überhaupt nicht schlimm, mein Unterneh- en ins Ausland zu verlagern. Ich kann weiter profitabel rbeiten. Das Schicksal der Arbeitnehmer kann ich ge- rost der EU überlassen. Die wird das Schlimmste schon inanziell abfedern.“ Dies zeugt von Verantwortungslo- igkeit, das mag sein. Ein solches Denken wird durch den on der EU-Kommission installierten Fonds aber gera- ezu befördert. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Ungereimtheiten im erordnungsentwurf. So steht der Globalisierungsfonds m Widerspruch zu den von der Kommission selbst achdrücklich angemahnten Wirtschafts- und Arbeits- arktreformen. Es besteht die Gefahr, dass nun Mit- liedstaaten Mittel erhalten, die ihre Hausaufgaben bei en notwendigen strukturellen Reformen nur unzurei- hend erledigt haben. Zu kritisieren sind auch die äußerst technokratischen riterien, welche für die Erlangung einer entsprechen- en Hilfe erfüllt werden müssen. Mir ist noch immer un- lar, wie es gelingen soll, den Nachweis zu erbringen, ass Arbeitsplatzverluste eindeutig auf die Auswirkun- en der Globalisierung zurückzuführen sind. Ergebnis ieser Unklarheiten ist ein erneutes Aufblähen der Büro- ratie, denn unkomplizierte Entscheidungen sind bezüg- ich dieses Fonds wohl kaum zu erwarten. Viel eher ist zu erwarten, dass die ausgereichten Mit- el vor allem bei Pleiten und Verlagerungen großer Fir- en und Konzerne wirksam werden. Die in den Krite- ien genannten mindestens 1 000 abgebauten Stellen ind zumindest für große Teile Ostdeutschlands kaum zu rreichen. Dass Stellenverluste in solcher Höhe nicht zu rwarten sind, ist nur vordergründig positiv. Im Um- ehrschluss bedeutet es, dass ehemalige Beschäftigte 7074 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) kleiner und mittelgroßer Unternehmen kaum oder gar nicht von einer Förderung durch den EGF profitieren werden. Und jeder weiß, dass gerade diese Unternehmen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – insbesondere der im Osten Deutschlands – bilden. Der Mittelstand bleibt im bisherigen Verordnungsentwurf zu diesem Fonds außen vor. Hier geht es um die großen, medien- wirksamen Pleiten. Würde man ernsthaft struktur- und beschäftigungspo- litischen Gesichtspunkten Rechnung tragen, wären Maß- nahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch den Ausbau von Forschung, Bildung, Qualifizierung und die Modernisierung der Infrastruktur vorzuziehen, so wie die Bundesregierung es in ihrem nationalen Reform- programm angekündigt hat und nun umsetzt. Deutschland befindet sich auf einem guten Weg und die Bundesregierung hilft durch ihre Wirtschaft- und Ar- beitsmarktpolitik den Arbeitnehmern direkt. Dadurch verbesserte Arbeitsplatzchancen helfen Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmern letztlich mehr als zeitlich be- grenzte Unterstützungsgelder. Ohnehin bleibt fraglich, inwiefern die Kommission in der Lage ist, wirklich schnelle Hilfe zu leisten. Arbeitnehmer, die von Entlas- sungen betroffen sind, brauchen direkte Unterstützung, welche durch nationale Soforthilfeprogramme wesent- lich besser geleistet werden kann. Die Bundesagentur für Arbeit ist in Deutschland mit den entsprechenden Mit- teln ausgestattet. Aus den genannten Gründen ist es bedauerlich, dass die Bundesregierung der Einrichtung dieses Fonds zuge- stimmt hat, auch wenn er Teil des Gesamtpakets zur fi- nanziellen Vorausschau für die Jahre 2007 bis 2013 ist. Der Deutsche Bundestag will durch den heute einge- brachten Antrag deutlich machen, dass er seine Pflichten gemäß § 23 Grundgesetz ernst nimmt. Ein bloßes Durch- winken solcher europäischer Bürokratiemonster darf es nicht mehr geben. Deshalb haben die mit dem Fonds be- fassten Ausschüsse des Deutschen Bundestags sich in- tensiv mit dem Thema auseinander gesetzt und ihn in- haltlich abgelehnt. Dennoch lässt sich an der Existenz des Fonds nichts mehr ändern. Allerdings muss die Aus- gestaltung so vorgenommen werden, dass die Mittel sachgerecht eingesetzt werden. So muss gewährleistet werden, dass der Fonds nur zum Einsatz kommt, wenn tatsächlich schwer wiegende branchenbezogene Notla- gen entstanden sind, die auf die Globalisierung zurück- zuführen sind. Nichtsdestotrotz dürfen die Arbeitnehmer aus kleinen und mittelgroßen Unternehmen nicht außen vor bleiben. Weiterhin muss sichergestellt werden, dass die Mit- gliedstaaten einen angemessenen Eigenanteil erbringen müssen, um Mitnahmeeffekte zu verhindern. Der Globa- lisierungsfonds darf ausschließlich aus budgetierten und nicht ausgenutzten Verpflichtungen des Vorjahres finan- ziert werden. Auch wenn die Laufzeit sechs Jahre be- trägt, muss schnellstmöglich evaluiert werden, inwiefern der Fonds überhaupt Wirkung erzielt. Sollte dies nicht der Fall sein, fordere ich die Kommission auf, diesen Fonds abzuwickeln und der Farce ein Ende zu bereiten. s k w l v 6 U j r t w f l a v w a s s e S d S m b G j o A n z w s H s n G M r g n E s E U Z k e A i E 4 d (C (D Deutschland wird auch ohne diesen Fonds in der Lage ein, in Zukunft im globalen Wettbewerb bestehen zu önnen. Dafür muss es allerdings seine Innovationskraft eiter ausbauen und Bildung, Forschung und Entwick- ung weiter fördern, wie es beispielsweise mit dem In- estitionsprogramm der Bundesregierung in Höhe von Milliarden Euro geschieht. Die Europäische Union sollte sich in Zukunft auf die m- und Durchsetzung der bereits existierenden Pro- ekte zur Struktur- und Wirtschaftsförderung konzentrie- en. Eine effektive und gezielte Mittelverwendung und atsächlicher Bürokratieabbau würden bereits den Mehr- ert erbringen, der beim vorliegenden Globalisierungs- onds vergeblich gesucht wird. Eine verbesserte Öffent- ichkeitsarbeit sowie eine konsequente, am Bürger usgerichtete Politik würde auch die angestrebte Image- erbesserung für die Kommission bewirken. Dr. Martin Schwanholz (SPD): „Die Soziale Markt- irtschaft europäischer Prägung muss sich gegenüber nderen Wirtschaftsmodellen in Asien und Amerika tärker durchsetzen. […] Europa muss ein aktiver Ge- talter der Globalisierung sein.“ Das hat vorgestern nicht iner meiner Parteifreunde gesagt, sondern Edmund toiber in seiner Rede vor dem CDU-Parteitag in Dres- en. Ich stimme Herrn Stoiber da voll und ganz zu. Die PD fordert seit langem, dass wir in Europa endlich da- it anfangen, unser Sozialmodell als Standortvorteil zu egreifen und nicht als Wettbewerbshindernis. Wir Sozialdemokraten sagen zudem: Europa muss die lobalisierung sozial gestalten. Das große Erfolgspro- ekt Binnenmarkt wird auf Dauer nicht funktionieren hne faire Rahmenbedingungen und ohne europäische ntworten auf die negativen Folgen von Globalisierung. Mit dem Europäischen Globalisierungsfonds unter- immt Europa den Versuch, denjenigen unter die Arme u greifen, die ihre Jobs aufgrund globaler Handelsent- icklungen verloren haben. Bis zu 500 Millionen Euro ollen dafür ab kommendem Jahr aus dem europäischen aushalt zur Verfügung stehen. Dabei wird es sich aus- chließlich um Gelder handeln, die an anderer Stelle icht ausgeschöpft wurden. Die Bedenken gegen den lobalisierungsfonds sind klar und liegen auf der Hand: it dem Europäischen Sozialfonds verfügt die EU be- eits über ein erprobtes Instrument, um die Beschäfti- ung in der EU zu fördern. Worin der Mehrwert des euen Fonds liegt, ist zweifelhaft. Der Nachweis, dass ntlassungen eindeutig durch Globalisierung bedingt ind, wird schwer zu erbringen sein. Letztlich liegt die ntscheidung darüber bei der Kommission. Hier sind ngerechtigkeiten und Streit geradezu vorprogrammiert. udem ist es schwer zu erklären, dass Arbeitnehmern eine Unterstützung erhalten, wenn ihr Unternehmen in in anderes EU-Land abwandert, während ein anderer rbeitsloser Hilfe erhalten kann, weil sein Unternehmen n einen Drittstaat abwandert. Mit den 500 Millionen uro – allein die Strukturfonds schlagen mit circa 4 Milliarden Euro pro Jahr zu Buche – liegt der Ver- acht von Symbolpolitik nahe. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7075 (A) ) (B) ) Wir aus dem Europaausschuss empfehlen dennoch nicht, diese Brüsseler Vorlage abzulehnen. Warum? Ers- tens: Den Beschluss, den Globalisierungsfonds einzu- richten, haben die europäischen Staats- und Regierungs- chefs getroffen, als sie im Dezember letzten Jahres nach zähem Ringen endlich eine Einigung über den EU-Haus- haltsrahmen in den Jahren 2007 bis 2013 gefunden ha- ben. Der Fonds war Teil dieses Kompromisspakets. Alle haben dem zugestimmt, auch die Frau Bundeskanzlerin. Zu Recht. Erinnern wir uns kurz an die verfahrene Situa- tion: Europa in der Krise, weil die Franzosen und die Niederländer den Verfassungsvertrag abgelehnt hatten. Nettozahler wie Deutschland wollten den EU-Haushalt strikt auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens be- grenzen. Die Nettoempfänger wollten natürlich mehr Geld. Und dazwischen Tony Blair, der seinen Britenra- batt mit Händen und Füßen verteidigen wollte. Deutsch- land hat bei den Verhandlungen entscheidend dazu bei- getragen, einen für alle tragfähigen Kompromiss zu stiften. Am Ende ist es nicht 1 Prozent geworden, son- dern sind es 1,045 Prozent oder gut 860 Milliarden Euro, die Brüssel maximal in den kommenden Jahren aus den nationalen Haushalten zufließen. Gegenüber den ur- sprünglichen Plänen der Kommission bedeutet das für uns jährliche Entlastungen in Milliardenhöhe. Hätten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, diesen Kompromiss wegen des Europäi- schen Globalisierungsfonds platzen lassen? Dann hätten Sie nicht nur eine unkluge Entscheidung im Sinne deut- scher Interessen getroffen. Sie hätten auch verantwor- tungslos gehandelt. Es war entscheidend, dass die EU Ende des letzten Jahres eine Lösung in dieser schwieri- gen Frage gefunden hat. Europa hat damit bewiesen, dass es auch in einer schweren Krise handlungsfähig ist und zu Ergebnissen gelangen kann. Zweitens: Mit bloßer Ablehnung kommt man in Eu- ropa häufig nicht weiter. Vor allem dann nicht, wenn eine Mehrheit im Rat die Entscheidungen trifft. Der Eu- ropäische Globalisierungsfonds wird kommen, so oder so. Schlicht und ergreifend, weil eine Mehrheit der euro- päischen Regierungen ihn will. Und er wird dann auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutsch- land zur Verfügung stehen. Bei aller Kritik in der Sache: Der nächste Fall Benq kommt bestimmt. Ich bin ge- spannt, wer von Ihnen sich nicht um Gelder bemühen wird, sobald Menschen in seinem Wahlkreis betroffen sind. Daher ist es wichtig und richtig, dass wir Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung des Fonds nehmen. Es nutzt niemanden hier, wenn der zuständige Bundesar- beitsminister als Totalverweigerer an den Brüsseler Ver- handlungstischen sitzt. Auch nicht, wenn er dafür das Mandat des Deutschen Bundestages in der Tasche hat. Unter den beschriebenen Umständen sind wir zu al- lererst daran interessiert, dass der Globalisierungsfonds nicht ausufert zu einem Ersatzinstrument für nationale Arbeitsmarktpolitik in einigen Staaten. Die Mitglieds- staaten sind in erster Linie dafür verantwortlich, dass Menschen wieder in Arbeit kommen. Und sie sollen es auch bleiben. Der Globalisierungsfonds soll ausschließ- lich in erheblichen Fällen zum Tragen kommen: wenn mindestens 1 000 Arbeitsplätze in einer kurzen, über- s l d s f k f m v d l a r p s l d l J f v a w r G G d e s Ä k b t D v i B G p z a s W t N V w a s d V p H f a (C (D chaubaren Zeitspanne betroffen sind und wenn die Ent- assungen eine beträchtliche negative Auswirkung auf ie regionale Wirtschaft haben. Aus demselben Grund ollen die Mitgliedstaaten die aus dem Globalisierungs- onds geförderten Maßnahmen mindestens zur Hälfte ofinanzieren. Sie sollen mit den Geldern auch keines- alls ihre sozialen Sicherungssysteme entlasten: Einkom- ensbeihilfen oder Lohnsubventionen, wie ursprünglich on der Kommission vorgeschlagen, sollen nicht aus em Globalisierungsfonds gezahlt werden. Verhand- ungserfolge in den genannten Punkten sind bereits bsehbar. Und so wie es aussieht, wird der Globalisie- ungsfonds zunächst nur die Laufzeit der Finanzierungs- eriode von 2007 bis 2013 als Instrument zur Verfügung tehen. Danach wird neu entschieden. Zu guter Letzt: Die SPD findet es richtig und überfäl- ig, dass nun auch in Brüssel die Erkenntnis gereift ist, ass Globalisierung Gewinner und Verlierer hat. Globa- isierung führt nicht automatisch und überall zu mehr obs und zu besseren Arbeits- und Lebensbedingungen ür jeden. Es wird nicht reichen, den Binnenmarkt zu ollenden. Wir müssen die Europäische Union endlich ls sozialen Raum entwickeln. Aus diesem Grund haben ir uns dafür stark gemacht, dass bloße Standortverlage- ungen von Unternehmen nicht mehr mit europäischen eldern gefördert werden. Mit Erfolg. Aus diesem rund arbeiten wir daran, die Bemessungsgrundlage bei er Besteuerung von Unternehmen europaweit zu ver- inheitlichen. Die Menschen in Frankreich haben die EU-Verfas- ung mehrheitlich abgelehnt, weil sie sich mit ihren ngsten von Europa allein gelassen fühlen. Weil Europa eine Antworten hat auf die schwierigen Seiten der Glo- alisierung, die den Einzelnen im Kern seiner Existenz reffen können. Die Ängste sind groß, auch bei uns in eutschland. Die Menschen erwarten zu Recht, dass sie on der Politik nicht im Stich gelassen werden, wenn sie hre Jobs verlieren, weil die Arbeiter in China zu einem ruchteil ihres Lohnes produzieren. Der Europäische lobalisierungsfonds ist da ganz sicher nicht das non lus Ultra. Aber eines ist auch klar: Den Menschen ist iemlich egal, ob die Unterstützung, die sie bekommen, us Berliner oder Brüsseler Geldern stammt. Das Soziale Europa wird ein Schwerpunktthema un- erer Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 sein. enn Europa die Globalisierung aktiv und sozial gestal- en soll, müssen wir sagen, wie wir das anstellen wollen. ur so kann Europa bei den Bürgerinnen und Bürgern ertrauen und Glaubwürdigkeit wiedergewinnen. Nur so erden wir unseren European Way of Life – wie der merikanische Ökonom Jeremy Rifkin unser europäi- ches Gesellschaftsmodell genannt hat – auch in Zeiten er Globalisierung weiterführen können. Markus Löning (FDP): Es ist schon ein beachtlicher organg: Da macht die Bundeskanzlerin auf dem Euro- äischen Rat im Dezember 2005 Zugeständnisse in öhe dreistelliger Millionenbeträge und die Regierungs- raktionen runzeln die Stirn und stimmen dem Ganzen m Ende doch zu. 7076 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Mit der Beschlussempfehlung zum europäischen Glo- balisierungsfonds macht die Regierungskoalition einen schweren Fehler. In den nächsten sieben Jahren sollen gut 500 Millionen Euro jährlich für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen vonseiten der EU ausgegeben werden. Über den gesamten Zeitraum der gesamten finanziellen Vo- rausschau sind das 3,5 Milliarden Euro. Niemand weiß heute, wie genau diese Maßnahmen aussehen sollen und wie lange es diesen Fonds geben wird. Was in dem Verordnungsentwurf steht, der am 1. Dezember 2006 abschließend im Rat beraten werden soll, könnte genauso gut aus der Feder ihres Vizekanzlers stammen. So soll bei der Arbeitssuche, Weiterbildung und bei der Gründung von Unternehmen durch Arbeits- lose finanzielle Unterstützung an die Betroffenen fließen. Unbeschadet der inhaltlichen Würdigung dieser Maß- nahmen ist kritikwürdig, dass diese Maßnahmen neben bereits bestehenden nationalstaatlichen Anstrengungen stehen sollen. Die Mittel werden also draufgesattelt. Nicht nur, dass Sie damit Arbeitslose erster und zweiter Klasse schaffen; denn dass machen Sie, wenn sie die Unterstützung im Fall von Arbeitslosigkeit davon abhän- gig machen, ob man von einem größeren Unternehmen entlassen wird oder von einem kleineren Unternehmen. Sie schaffen auch doppelte Strukturen mit doppelten Verwaltungen. Das ist der entscheidende Kritikpunkt der Liberalen an dem Globalisierungsfonds. Sie schaffen mehr Bürokratie, um der Europäischen Union ein sozialeres Erschei- nungsbild zu verpassen, anstelle dass Sie hier zu Hause in Deutschland endlich die Reformen in Gang setzen, die nötig sind, um das zarte Pflänzchen Aufschwung weiter wachsen zu lassen. Da beruhigt es auch nicht, dass die Bundesregierung ständig betont, dass man sich im Rat bemühen werde, den Anwendungsbereich des Fonds einzugrenzen. Wie das in der Praxis aussieht, konnten wir erst heute bei der Grundrechteagentur sehen. Sie tragen dazu bei, dass zusätzliche Bürokratie ge- schaffen und bereits bestehende Ressourcen dupliziert werden. Mit der Beschlussempfehlung setzen Sie sich im Übrigen über die Stellungnahmen des Haushalts-, Finanz- und Wirtschaftsausschusses hinweg. Alle drei Ausschüsse haben die Vorlage abgelehnt – auch mit den Stimmen Ihrer Kollegen, meine Damen und Herren aus den Regie- rungsfraktionen. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil offensichtlich die Kollegen und Kolleginnen der Regierungsfraktionen in den Fachausschüssen, die ganz wesentlich von dem europäischen Globalisierungsfonds betroffen sind, eine gänzlich andere Auffassung als ihre Kollegen im Europaausschuss vertreten. Das zeigt vor allem eines: Inhaltliche Unterstützung hat dieser Globalisierungsfonds im Deutschen Bundestag nicht. Letztlich geht es allein darum, die längst überwun- den geglaubte Scheckbuchdiplomatie Ihrer Kanzlerin im deutschen Parlament still und leise absegnen zu lassen. Der Kompromiss zur finanziellen Vorausschau, der als großer europäischer Erfolg der Bundeskanzlerin verkauft wurde, entpuppt sich Stück für Stück als viel zu teuer mit S r D r b E d h d d s e w g g t I m s I g s t s m w e A r M d r g d s d r z m a s b Ö b d s t n f u m z (C (D teuergeldern erkauft. Die Bürger haben ein Recht da- auf, dass mit ihrem Geld sorgsam umgegangen wird. as ist vor allem dann der Fall, wenn ihnen Europa in ih- em täglichen Leben einen echten Mehrwert bietet, sei es ei Banküberweisungen oder bei den Roaminggebühren. in milliardenschwerer Globalisierungsfonds gehört nicht azu. Im Übrigen ist er auch mit Steuergeldern erkauft, die ierzulande dringend an anderen Stellen benötigt wer- en; denn – das muss auch einmal festgehalten werden – er Fonds wird sich aus Mitteln zusammensetzen, die ich aus Einsparungen innerhalb des Haushaltes der EU rgeben und eigentlich den Mitgliedstaaten zurücküber- iesen werden müssten. Zum einen sollte man sich diese Art der Argumentation ut merken, wenn es um die nächste Mittelausstattung eht; denn offensichtlich bestehen erhebliche Einsparpo- enziale. Zum anderen werden diese Mittel in Bildung, nnovation und Forschung dringend benötigt. Ich kann ir lebhaft vorstellen, wie Ihre Pressemitteilungen aus- ehen würden, wenn Sie die gleiche Summe in Bildung, nnovation oder Forschung gesteckt hätten. Dass Sie leiches nicht beim Globalisierungsfonds machen, pricht Bände. Auch die in der Beschlussvorlage benutzte Argumen- ation der Regierungsfraktionen, man könne bereits be- chlossene Finanzkompromisse im Nachhinein nicht ehr infrage stellen, steht auf wackligen Füßen. Denn enn der Bundestag seine Kontrollfunktion wirklich rnst nehmen will, muss er sich dieses Recht nehmen. nsonsten besteht die Gefahr, dass der Bundestag in Eu- opafragen zu einem reinen Abnickgremium verkommt. it dieser Logik des nacheilenden Gehorsams höhlen ie Regierungsfraktionen letztlich auch die Vereinba- ung zwischen Bundesregierung und Bundestag aus. Sie verpassen hier eine Chance, nicht nur Ihr Recht egenüber der Bundesregierung wahrzunehmen, son- ern auch eine Chance, Ihr gutes Recht einzufordern, chneller und umfassender durch die Bundesregierung arüber informiert zu werden, welchen Dingen sie in eu- opäischen Räten zustimmt. Ulla Lötzer (DIE LINKE): Wir haben mit Interesse ur Kenntnis genommen, dass auch von der EU-Kom- ission die negativen Auswirkungen der Globalisierung uf den Arbeitsmarkt zur Kenntnis genommen worden ind. Die Kommission schreibt selbst dazu: „Es besteht eträchtliche Asymmetrie zwischen den Vorteilen der ffnung, die diffus sind und häufig einige Zeit brauchen, is sie zutage treten, und den ungünstigen Wirkungen, ie deutlicher sichtbar sind, unmittelbar eintreten und ich auf bestimmte Einzelpersonen und Gebiete konzen- rieren.“ Tatsächlich führt die neoliberale Globalisierung zu ei- er Verdrängungskonkurrenz um Weltmarktanteile. Sie ührt zu einer Politik, die sich an Wettbewerbsfähigkeit nd den Interessen der großen Konzerne und Finanz- arktakteure orientiert und in diesem Sinne reguliert be- iehungsweise dereguliert. An die Stelle wohlfahrtstaat- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7077 (A) ) (B) ) lichen Ausgleichs durch Politik ist das Leitbild des Wettbewerbsstaates getreten – auch in der EU. Men- schen, Länder und Ländergruppen werden sozial und wirtschaftlich marginalisiert. Trotzdem können wir dem Globalisierungsanpas- sungsfonds nicht zustimmen, da er in der vorliegenden Form eine reine PR-Maßnahme darstellt. Erstens kommt der Globalisierungsfonds nur Großun- ternehmen zugute. Er greift erst bei mindestens 1 000 Entlassungen. Die Großunternehmen können sich da- durch bei Massenentlassungen indirekt einen Sozialplan mitfinanzieren lassen. Das heißt, dass im Endeffekt die Entscheidung für Massenentlassungen und Standortver- lagerung in ein Nicht-EU-Land sogar noch erleichtert wird. Standortverlagerungen und Flexibilisierung der Wertschöpfungsketten betreffen heute jedoch nicht mehr nur große multinationale Unternehmen. Grenzüber- schreitende Standortverlagerungen und Umstrukturie- rungen sind vermehrt auch für kleine und mittelständige Unternehmen von existenzieller Bedeutung. Diese sind aber von dem Fonds ausgeschlossen. Zweitens greift der Fonds nicht bei Arbeitsplatzverla- gerungen innerhalb der Europäischen Union. So können die belgischen Volkswagenbeschäftigten, deren Arbeits- plätze nach Deutschland verlagert werden, nicht auf Hil- fen aus diesem Fonds zurückgreifen. Drittens unterstellt ein Sonderfonds für Globalisie- rungsopfer, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aufgrund der Globalisierung arbeitslos werden, be- sondere Härten zu tragen hätten. Die Kommission ver- sucht dies damit zu begründen, dass diese Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer älter und nicht adäquat ausgebildet wären. Damit seien sie länger arbeitslos und nur in geringer entlohnte Beschäftigungsverhältnisse wieder vermittelbar. Das ist eine kühne These, mit der sich nur um die Anforderungen einer generellen Beschäf- tigungspolitik herumgedrückt wird; ganz zu schweigen davon, dass es im Einzelfall schwierig werden könnte, nachzuweisen, welche Massenentlassung Folge der Glo- balisierung und welche Folge anderer Entwicklungen ist. Doch die Probleme liegen nicht nur beim Geltungsbe- reich des Fonds, sie liegen auch bei der Art der geförder- ten Maßnahmen. Einerseits droht bei Maßnahmen wie vorübergehenden Lohnkostenzuschüssen für ältere Ar- beitnehmer, dass diese dauerhaft in Niedriglohnsektoren abgedrängt werden können. Andererseits zeigen alle Er- fahrungen, dass Unternehmen Arbeitnehmer nicht des- wegen einstellen, weil sie Lohnkostenzuschüsse bekom- men. Sie stellen ein, wenn sie Bedarf an Arbeitskräften haben. Die Gefahr bei solchen Instrumenten ist, dass es zu hohen Mitnahmeeffekten kommen kann. Der Globalisierungsanpassungsfonds dient letztlich nur als Feigenblatt für eine Politik, die insgesamt auf den globalen Wettbewerb setzt. Das zeigt neben aller ande- ren Kritik die geringe Kapitalausstattung von 500 Mil- lionen Euro für 25 Mitgliedstaaten. Was wir brauchen, ist jedoch keine Alibihandlung, sondern eine Abkehr von dieser neoliberalen Wirtschaftspolitik der Europäi- schen Union. Wir brauchen keinen Sonderfonds zur Un- t d e g z b S N t w f W k r f g r p E f t b n W w n g n v h g s w Z t d c t f s n v t M b s c t z g m M w g n (C (D erstützung der Sozialpläne von Großunternehmen. Statt- essen brauchen wir eine koordinierte umfassende uropäische Wirtschaftspolitik, die sozial und tariflich eschützte Beschäftigung fördert und europäische Kon- erne in die soziale und ökologische Verantwortung ein- indet, statt ihre Verantwortungslosigkeit finanziell aus teuermitteln zu fördern. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Die Globalisierung ist weder Schicksal noch Na- urgesetz, sondern ein Prozess, der politisch gestaltet erden muss. Mit ihr stehen wir vor zentralen Heraus- orderungen: Armutsbekämpfung und Entwicklung von irtschaft und Arbeitsmärkten, ökologische Nachhaltig- eit und globale Sicherheit. Wir wollen die Globalisie- ung mithilfe reformierter Institutionen, wirksamer Kon- liktschlichtungsmechanismen und klarer Regeln positiv estalten. Der Fonds zur Anpassung an die Globalisie- ung ist jedoch kein geeignetes Instrument hierzu; dop- elt er doch genau die Maßnahmen, die auf nationaler bene und mit den bisherigen europäischen Struktur- onds bereits durchgeführt werden. Beschlossen wurde er bei Frau Merkels großem An- rittsauftritt beim Europäischen Rat am 15./16. Dezem- er 2005. Mit ihm sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeit- ehmer, die wegen größerer Strukturveränderungen im elthandelsgefüge arbeitslos geworden sind, unterstützt erden. Somit sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeit- ehmer, die als Folge der Globalisierung von Entlassun- en bedroht sind, zusätzliche Unterstützung erhalten, icht aber diejenigen, die aus anderen nicht von ihnen zu erantwortenden Gründen ihren Arbeitsplatz verloren aben. Diese künstliche Unterscheidung ist zutiefst un- erecht. Fraglich ist auch, wie nachgewiesen werden oll, dass ein Arbeitsplatzverlust eindeutig auf die Aus- irkungen der Globalisierung zurückzuführen ist. Das iel dieses Fonds ist also begrüßenswert, die Ausgestal- ung jedoch mangelhaft und ungerecht. Ebenso spricht gegen diesen neuen Fonds, dass wir mit en europäischen Strukturfonds bereits äußerst erfolgrei- he Strukturen haben, die Maßnahmen für Arbeitslose ini- iieren und finanzieren. Gerade der Europäische Sozial- onds unterstützt zum Beispiel die Qualifikation und Be- chäftigung von Arbeitslosen, berufsvorbereitende Maß- ahmen für Jugendliche, die berufliche Weiterbildung on Erwerbstätigen, die soziale Integration von Benach- eiligten oder die Chancengleichheit von Frauen und ännern. Er geht also weit über das hinaus, was der Glo- alisierungsfonds erreichen soll, soll aber künftig mit die- em in Konkurrenz stehen. Diese mangelnde Logik sehen wir auch in der unsi- heren und unklaren Positionierung der großen Koali- ion. In ihrem im EU-Ausschuss vorgelegten Antrag um Globalisierungsfonds zeigt sie deutlich, dass sie roße Bedenken gegenüber diesem Fonds hegt, stimmt it Bündnis 90/Die Grünen darin überein, dass der ehrwert dieses Fonds mehr als fraglich ist und lehnt ie auch wir eine künstliche und intransparente Un- leichbehandlung der Arbeitnehmerinnen und Arbeit- ehmer ab, um sich aber dann bereits vor der morgigen 7078 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Abstimmung geschlagen zu geben, da eine Ablehnung ja wirkungslos wäre. Im Antrag heißt das dann so: Da die Entscheidung über den EGF mit qualifizierter Mehrheit im Rat getroffen wird und die erforderliche Mehrheit als gesichert gilt, wäre eine Ablehnung des EGF durch die Bundesregierung wirkungslos. Aufgeben schon vor der Abstimmung? Und das, obwohl Deutschland nach dem üblichen EU-Finanzschlüssel an der Finanzierung dieses Fonds mit 20 Prozent beteiligt ist, was jährlich 100 Mil- lionen Euro ausmacht? Wie passt das zusammen mit dem eisernen Sparwillen, der während der Verhandlun- gen um die Ausgestaltung des nächsten mehrjährigen EU-Finanzrahmens exerziert wurde? Dies mündete da- rin, dass bevor überhaupt über inhaltliche Prioritäten der politischen Arbeit der Europäischen Union für die kom- menden Jahre verhandelt wurde, erst mal eine Grenze von einem Prozent der EU-Wirtschaftskraft als maxi- male Obergrenze für diesen Finanzrahmen sowohl von CDU/CSU als auch von der SPD gefordert wurde. Wie passt das zusammen mit der Ablehnung des Fonds im Haushaltsausschuss und im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie? Gar nicht! Es ist einfach Ausdruck ei- ner in sich zerstrittenen großen Koalition. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens (Tages- ordnungspunkt 24) Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Die beste Politik gegen die Insolvenz von Unternehmen ist eine gute Wirtschaftspolitik. Die steigenden Konjunkturdaten füh- ren zugleich zu einer sinkenden Zahl von Firmenpleiten. Dies zeigen auch aktuelle Zahlen. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen rechnet in diesem Jahr mit knapp über 30 000 zahlungsunfähigen Unternehmen – ein Rückgang von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung bedürfen die ver- bleibenden Insolvenzfälle einer Regelung, die möglichst zu einer Sanierung des Unternehmens führt, ohne dabei den Gläubigerschutz außer Acht zu lassen. Mit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahre 1999 und der Ablösung der Konkursordnung ist ein Pa- radigmenwechsel herbeigeführt worden. In dem Zeit- raum zwischen 1985 und 1990 wurden über drei Viertel der Konkursanträge mit der Begründung abgewiesen, es sei keine hinreichende Vermögensmasse vorhanden. Durch die Insolvenzordnung konnte dieser Trend ge- stoppt werden. So liegt beispielsweise bei insolventen Kapitalgesellschaften die Eröffnungsquote inzwischen bei über 60 Prozent. Nur wenn es zur Eröffnung des In- solvenzverfahrens kommt, kann ein geordnetes Verfah- ren in Gang gesetzt werden, um die Gläubiger wenigs- tens mit einem Teil ihrer Forderung vernünftig zu befriedigen, was letztendlich im Interesse aller Beteilig- ten ist und den Mangel in der Insolvenz gerecht verteilt. Mehr eröffnete Verfahren führen daher auch zu mehr Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. m d z u s c k ü F w m n k d U b n d B m g u n E w D s v f s d P R g a G n a M t h t S g w e M M m T D z d d (C (D Mit der Einführung der Insolvenzordnung hat der da- alige Gesetzgeber Neuland betreten, sodass es nun an er Zeit ist, die Vorschriften einer kritischen Würdigung u unterziehen. Die Bundesregierung hat dies getan und nterbreitet uns heute einige gute Vorschläge, wie die In- olvenzordnung für die Regelinsolvenz in einigen Berei- hen sinnvoll fortentwickelt werden kann. Die Weiterführung des Betriebs nach der Insolvenz ann dadurch erschwert werden, dass dem Unternehmen berlebenswichtige Betriebsmittel entzogen werden. ehlt der Firma beispielsweise eine wichtige Maschine, eil der Sicherungsnehmer sie wieder an sich genom- en hat, ist an eine Aufrechterhaltung der Produktion icht mehr zu denken. Die Sanierung des Unternehmens ann damit zum Scheitern verurteilt sein. Der Vorschlag er Bundesregierung zur erleichterten Fortführung des nternehmens im Eröffnungsverfahren greift diese Pro- lematik auf und führt zu mehr Rechtssicherheit. Da- ach wird es nun nicht mehr darauf ankommen, wann er Insolvenzverwalter die betroffenen Gegenstände in esitz genommen hat, sondern das Gericht kann bereits it der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters leichzeitig die Einziehung und Verwertung untersagen, m den Betrieb weiter laufen zu lassen. Für den Gläubiger bedeutet dies selbstverständlich ei- en Eingriff in seine Eigentümerposition. Aber dieser ingriff bleibt an strenge Voraussetzungen geknüpft und ird nicht ohne einen Entschädigungsanspruch gewährt. ie Anordnung darf daher richtigerweise nur für Gegen- tände ergehen, die für die Fortführung des Betriebes on erheblicher Bedeutung sind und daher unerlässlich ür den Sanierungszweck sein müssen. Ein weiterer Eingriff in die Rechte des Gläubigers, ofern er Vermieter oder Verpächter ist, ergibt sich aus er Einführung einer Kündigungsfrist von drei Monaten. raktisch wichtig wird dies insbesondere für den Fall der aummiete. Bislang wird der Insolvenzverwalter auf die esetzlichen Kündigungsfristen hingewiesen und damit uf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Bei ewerbeimmobilien kann daher der Zeitraum bis zu eun Monate ausmachen, in dem der Insolvenzverwalter n den Mietvertrag gebunden bleibt. Eine derartig langfristige Bindung belastet jedoch die asse in erheblicher Weise. Dies wäre noch zu rechtfer- igen, wenn andere Dauerschuldverhältnisse ebenso be- andelt würden. Der Arbeitnehmer eines insolventen Un- ernehmens ist indes nicht in einer derart komfortablen ituation. Seinem Anspruch aus dem Kündigungsschutz- esetz oder auch aus dem BGB kann der Insolvenzver- alter die Kündigungsfrist aus § 113 Insolvenzordnung ntgegenhalten. Demnach hat der Insolvenzverwalter die öglichkeit, das Arbeitsverhältnis innerhalb von drei onaten zum Monatsende zu kündigen. Vom Arbeitneh- er wird hier ein Sonderopfer verlangt, sodass es in der at nicht unbillig erscheint, die Kündigungsfrist für ienstverträge auch auf Miet-und Pachtverhältnisse aus- udehnen. Im Hinblick auf andere Gesetzesvorhaben im Bereich es Insolvenzrechts möchte ich aber klar herausstellen, ass die Einschränkung der Rechte privater Gläubiger im Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7079 (A) ) (B) ) Insolvenzverfahren einzig und allein der Sanierung des Unternehmens zugute kommen soll. Daher gibt es keinen Sinn, die Privilegierung auf der Seite der privaten Gläu- biger herunterzuschrauben, um sie dann bei den öffentli- chen Gläubiger gleich wieder hochzudrehen – wenn sie mir an dieser Stelle diesen sich geradezu aufdrängenden Hinweis auf ein ebenfalls anhängiges Gesetzgebungsver- fahren zum Insolvenzrecht erlauben. Ein anderes Ziel der Insolvenzordnung war und ist nämlich auch weiterhin die Gleichbehandlung der Gläubiger. Wenn aber die Insol- venzordnung von allen Betroffenen akzeptiert werden soll, dürfen wir nicht die Bevorzugung einer bestimmten Gläubigergruppe zulassen. Ebenso zu begrüßen ist die Absicht der Bundesregie- rung, den Insolvenzschuldner zu einer selbstständigen Tätigkeit zu bewegen, ohne dabei die Insolvenzmasse zu belasten. Der Schuldner soll wieder in ein geregeltes Er- werbsleben zurückfinden können. Wir wären allerdings schlecht beraten, dem Schuldner dabei den Weg in die Selbstständigkeit zu versperren. Die jetzige Gesetzeslage hingegen führt faktisch zu diesem Ergebnis, da alle Einkünfte, die ein selbstständi- ger Schuldner nach der Insolvenzeröffnung erzielt, zur Insolvenzmasse gezählt werden. Sofern ein Schuldner nun doch selbstständig tätig wird, steht der Insolvenz- verwalter vor dem Problem, dass bei Duldung oder Billi- gung dieser Tätigkeit die Verbindlichkeiten, die der Schuldner im Rahmen seiner neuen Tätigkeit eingegan- gen ist, zu Masseverbindlichkeiten werden können. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Rege- lung sorgt an dieser Stelle für eine Klarstellung und er- möglicht es dem Insolvenzverwalter, derartige Verbind- lichkeiten aus der Masse herauszuhalten, vorausgesetzt selbstverständlich, die Gläubiger stimmen zu. Das heißt aber nicht, dass ein selbstständiger besser gestellt wer- den würde als ein abhängig beschäftigter Schuldner, da die Pfändungsgrenzen wie beim Arbeitseinkommen gelten. Alles, was über diesem Betrag liegt, fließt dann in die Insolvenzmasse. Letztlich kommt diese Lösung dem Insolvenzschuldner und seinen Gläubigern zustat- ten. – Letztendlich kommt diese Lösung dem Insolvenz- schuldner und seinen Gläubigern zugute. Das Justizministerium hat sich in seinem Entwurf auch intensiv mit der Frage beschäftigt, wie die Auswahl der Insolvenzverwalter verbessert werden kann. Ich glaube, das BMJ hat gut daran getan, es bei der Klarstel- lung in § 56 Insolvenzordnung zu belassen. Die aufge- zeigten Beispiele aus Österreich und Frankreich über- zeugen nicht. Insbesondere das französische Modell würde deutlich mehr Reglementierung an einer Stelle bringen, wo dies in der Praxis nicht vonnöten ist. Die Insolvenzverwalter in Deutschland machen eine gute Arbeit. Die Zulassung als Insolvenzverwalter nun an eine Prüfung zu knüpfen, der zudem noch ein mehrjähri- ger Vorbereitungsdienst vorherzugehen hat, würde nur unnötigen bürokratischen Aufwand bringen, ohne die Ge- währ zu geben, nachher tatsächlich eine bessere Abwick- lung der Insolvenzen zu erreichen. Richtig und wichtig vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichtsur- teils ist die Klarstellung, dass geschlossene Listen von In- s G d n w g n r e b d d P R D w d A a I G G Ü e s h e D t g Z s o s U n g A G m A n f v s e f v a a G h (C (D olvenzverwaltern bei den Gerichten nicht erlaubt sind. erade wenn man keine zusätzlichen Voraussetzungen an ie Ausübung der Insolvenzverwaltung stellt, kann man icht eine geschlossene Gesellschaft von Insolvenzver- altern zulassen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken egen die geschlossenen Listen aufzugreifen, war daher otwendig. Die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ände- ungen fügen sich in das System der Insolvenzordnung in und ergänzen es an Stellen, an denen sich Korrektur- edarf gezeigt hat. Wir als CDU/CSU-Fraktion begrüßen iesen Regierungsentwurf in seiner Grundausrichtung aher nachdrücklich. Über etwaige Optimierungen und robleme in Detailfragen zu sprechen, werden wir im echtsausschuss noch ausreichend Gelegenheit haben. urch keinen Änderungsvorschlag der Bundesregierung erden jedoch die Koordinaten derart verschoben, dass ie ursprünglichen Ziele der Insolvenzordnung aus den ugen verloren würden. Ich wäre froh, ich könnte dies uch über andere Gesetzesvorhaben der Regierung zum nsolvenzrecht sagen. Vor allen Dingen warne ich davor, eine bestimmte läubigergruppe zu bevorzugen. Wer vom privaten läubiger Opfer verlangt, der sollte dies bei seinen berlegungen im Hinterkopf behalten, wenn er sich für ine Besserstellung von öffentlichen Gläubigern im In- olvenzverfahren einsetzt. Die prinzipielle Gleichbe- andlung von privaten und öffentlichen Gläubigern war in wichtiger Regelungszweck der Insolvenzordnung. aran sollte auch weiterhin nicht gerüttelt werden. Dirk Manzewski (SPD): Am heutigen Abend debat- ieren wir hier über den Gesetzesentwurf der Bundesre- ierung zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens. Das iel des Gesetzesentwurfs ist es, erforderliche Anpas- ungen an die Anfang 1999 in Kraft getretene Insolvenz- rdnung vorzunehmen. Das Gesetz greift dabei insbe- ondere in der Vergangenheit festgestellte Defizite im nternehmensinsolvenzverfahren auf. Ich halte die in diesem Zusammenhang vorgeschlage- en Änderungen für insgesamt genommen sehr gelun- en. Lassen Sie mich aufgrund des fortgeschrittenen bends und der mir verbleibenden geringen Zeit zum esetzentwurf nur eine besonders positive Anmerkung achen und einige Nachfragen stellen. Soweit der Gesetzesentwurf klarstellt, dass bei der uswahl des Insolvenzverwalters die Verwendung so ge- annter geschlossener Listen unzulässig ist, halte ich dies ür richtig. Die Gerichte müssen künftig die Insolvenz- erwalter aus dem Kreis aller Personen auswählen, die ich zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereit rklärt haben. Der Gesetzentwurf sorgt damit nicht nur ür mehr Transparenz bei der Auswahl des Insolvenz- erwalters durch das Gericht; er berücksichtigt damit uch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts us dem Jahr 2004, das insoweit die Beachtung des leichbehandlungsgrundsatzes anmahnte. Ich frage mich allerdings, ob die im Gesetz vorgese- ene Möglichkeit, die Bereitschaft zur Übernahme auf 7080 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) bestimmte Insolvenzverwaltungen zu beschränken, im Licht der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG nicht problematisch ist; denn ein zu bestellender Insolvenzver- walter muss bereit und aufgrund seiner Qualifikation auch in der Lage sein, allen Anforderungen gerecht zu werden. Insofern halte ich den Vorschlag des Bundesra- tes, diese Regelung zu streichen, für überlegenswert. Soweit in Insolvenzsachen von Printveröffentlichun- gen Abstand genommen und als Regelfall nur noch eine elektronische Bekanntmachung im Internet stattfinden soll, melde ich auch leichte Bedenken an. Richtig ist si- cherlich, dass durch diese Art der Bekanntmachung die entsprechenden Kosten gesenkt werden können. Ob die hierfür einzuführende bundeseinheitliche Internetplatt- form jedoch die gewünschten Erfolge bringen, werden die anstehenden Beratungen zeigen. Immerhin werden Gläubiger hierdurch gezwungen, immer wieder einmal pro forma diese Internetplattform aufzusuchen, um sich über etwaige Insolvenzen von Schuldnern zu informieren. Vielleicht wäre es deshalb sinnvoller, altes und neues System zunächst noch etwas nebenher laufen zu lassen. Interessant wäre es auch, zu erfahren, welche Erfahrungen Nordrhein-Westfalen mit ihrer diesbezüglichen Internetplattform gemacht hat. Soweit im Gesetzesentwurf vorgeschlagen wird, im Wege gerichtlich angeordneter Sicherungsmaßnahmen ein Verwertungs- und Einziehungsverbot gegenüber Aussonderungsberechtigten und Sicherungsgläubigern zu verhängen, um insbesondere die Nutzung von solchen sicherungsübereigneten Betriebsmitteln zu ermögli- chen, die für eine Fortführung des Betriebes von wesent- licher Bedeutung sind, habe ich noch Klärungsbedarf. Zwar soll den Interessen der absonderungsberechtigten Gläubiger sowie der Aussonderungsberechtigten durch Anordnung einer Zinszahlungspflicht sowie einer Ent- schädigungsregelung für den durch die Nutzung einge- tretenen Wertverlust Rechnung getragen werden. Es stellt sich mir jedoch die Frage, ob ein Verwalter in die- sem frühen Verfahrensstadium überhaupt einschätzen kann, hierfür dann nach vollzogener Nutzung zum späte- ren Zeitpunkt auch noch genug Geld für die Erstattung des Wertverlustes zu haben, und wonach sich die Ent- schädigungsregelung dann richtet. Klärungsbedarf habe ich auch noch, soweit eine Re- gelung geschaffen werden soll, nach der der Insolvenz- verwalter die Möglichkeit hat, das Vermögen aus einer selbstständigen Tätigkeit des Schuldners nicht zur Insol- venzmasse zu zählen, um den Schuldner so zu der selbst- ständigen Tätigkeit zu motivieren. Gerade diese Erwei- terung der Insolvenzmasse gehörte bislang zu den maßgeblichen Änderungen der „neuen“ Insolvenzord- nung, da sich hierdurch die Aussicht der Insolvenzgläu- biger auf eine bessere Quote bei der Befriedigung ihrer Forderungen erhöhen sollte. Abgesehen davon, dass zu erwarten ist, dass die Gläu- biger gegen die entsprechende so genannte Freigabeer- klärung gerichtlich vorgehen und damit die Insolvenzge- richte zusätzlich belasten dürften, erscheint es mir nicht unproblematisch zu sein, wie in der Begründung des Ge- setzentwurfs einfach davon auszugehen, dass, wenn der V d I N z H n d r z s t q g v W f B m B v b m D W O d e m J z h s a w li I r s d e s f d d G V z B F m h S (C (D erwalter von der Freigabe keinen Gebrauch macht und ie Fortführung der gewerblichen Tätigkeit durch den nsolvenzschuldner duldet, die durch den so genannten euerwerb begründeten Verbindlichkeiten automatisch u Masseverbindlichkeiten werden sollen. Eine direkte andlung des Verwalters liegt ja nicht vor. Wie gesagt ist dieses ansonsten ein für mich gelunge- er Entwurf. Erlauben Sie mir noch, meiner Freude Aus- ruck darüber zu verleihen, dass von der Bundesregie- ung in der Begründung zu diesem Gesetzesentwurf utreffend darauf hingewiesen wird, dass die „neue“ In- olvenzordnung sich bewährt und im Gegensatz zur „al- en“ Konkursordnung zu einer viel größeren Eröffnungs- uote geführt hat. Diese Erkenntnis hätte uns beim so enannten Gesetz zur Anpassung des Rechts der Insol- enzanfechtung viele Diskussionen erspart. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP): o Licht ist, da ist auch Schatten. Das gilt ganz besonders ür die Reformbemühungen der Bundesregierung im ereich Insolvenzrecht. Nach der Pleite – anders kann an es wirklich nicht nennen – mit der beabsichtigten esserstellung des Fiskus und der Sozialkassen im Insol- enzverfahren und dem Schlingerkurs in Sachen Ver- raucherinsolvenzverfahren wird nun bei den Unterneh- ensinsolvenzen etwas vorgelegt, was sich nach erster urchsicht als ganz brauchbar erweist. Bevor ich zu den Inhalten komme, möchte ich noch ein ort zum Verfahren sagen. Ich finde es absolut nicht in rdnung, dass Änderungen, die die Insolvenzordnung auf en Kopf gestellt hätten, teilweise durch die Hintertür ingeführt werden sollten. Ich erinnere in diesem Zusam- enhang nur an den fehlgeschlagenen Versuch, in das ahressteuergesetz 2007 Vorrechte für den Fiskus hinein- uschreiben. Hier sollte das Parlament offensichtlich inter die Fichte geführt werden. Erst nachdem die Oppo- itionsfraktionen massiv Krach geschlagen hatten und uch die Presse auf das Thema aufmerksam geworden ar, hat die Bundesregierung von dem Versuch, wesent- che Grundprinzipien und Errungenschaften der neuen nsolvenzordnung auszuhebeln, Abstand genommen. Wenig zielführend war auch der Versuch der Bundes- egierung, im Entwurf eines Gesetzes zum Pfändungs- chutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts er Insolvenzanfechtung Unstreitiges und Streitiges mit- inander zu vermischen. Es bedurfte erst der Sachver- tändigenanhörung, die mit einer beispiellosen Ohrfeige ür die Bundesregierung endete, um zu verhindern, dass ie Sozialkassen und der Fiskus in der Insolvenz eine eutlich bessere Behandlung erfahren als alle anderen läubiger. Ich appelliere an die Bundesregierung, wieder zur ernunft zu kommen. Die Insolvenzordnung darf nicht um Experimentierfeld der Finanzminister werden. Der undeshaushalt lässt sich nicht mit Vorrechten für den iskus sanieren, die sozialen Sicherungssysteme nicht it Vorrechten für die Sozialkassen und die Justizhaus- alte der Länder nicht mit Einsparungen zulasten der chwächsten, namentlich der mittellosen Verbraucher. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7081 (A) ) (B) ) Nach all diesen insolvenzrechtlichen Irrungen und Wirrungen ist es nun das Ziel der Bundesregierung, das Insolvenzverfahren zu vereinfachen. Unter anderem sollen künftig öffentliche Bekanntmachungen in Insolvenzsa- chen nur noch über das Internet vorgenommen werden. Zur Begründung führen Sie an, der Verbreitungsgrad des Internet sei stark gestiegen. Es bestünden keine techni- schen Hindernisse mehr, von Printveröffentlichungen Abschied zu nehmen und als Regelfall nur noch eine elektronische Bekanntmachung vorzusehen. Dies ist grundsätzlich richtig. Es wird aber die Frage zu diskutieren sein, ob nicht für eine Übergangszeit beide Veröffent- lichungsformen gleichberechtigt nebeneinander stehen sollten. Ferner planen Sie, so genannte geschlossene Listen zu verbieten, in die Bewerbungen als Insolvenzverwalter nur aufgenommen werden, wenn eine Person ausscheidet. Ge- gen die Verwendung geschlossener Listen gab es schon lange verfassungsrechtliche Bedenken. Eine gesetzliche Klarstellung dahin, dass der Insolvenzverwalter aus dem Kreis aller zur Übernahme bereiten Personen ausgewählt werden muss, ist daher zu begrüßen. Was die Frage des Rechtsschutzes übergangener Be- werber anbetrifft, werden wir uns auch mit der Entschei- dung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2006 zur Insolvenzverwalterbestellung auseinander setzen müssen. Karlsruhe hat festgestellt, dass es mit dem grundgesetzlichen Gebot des effektiven Rechtsschutzes vereinbar sei, eine Anfechtung der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch Mitbewerber zu versagen. Ich denke, die Entscheidung ist richtig. Das Verfassungsge- richt hat die Interessen der Gläubiger und der Schuldner an einem zügigen Ablauf des Insolvenzverfahrens höher bewertet als die Interessen des Mitbewerbers an beruf- licher Betätigung. Wo jedoch keine Anfechtung möglich ist, kommt der Entscheidung des Gerichts bei der Aus- wahl des vorläufigen Insolvenzverwalters umso größere Bedeutung zu. Hier ist von den Gerichten eine besondere Verantwortung zu fordern. Da der Gesetzentwurf davon absieht, das Auswahlverfahren Einschränkungen zu unterwerfen, die über das Verbot der Verwendung geschlossener Listen hinausgehen, sind die Fachgerichte umso mehr aufgefordert, unter Beteiligung aller Ver- bände für die Vorauswahlliste Kriterien zu entwickeln. Des Weiteren sieht die Bundesregierung vor, dass Sanierungen unter engen Voraussetzungen im eröffneten Verfahren bereits vor dem Gerichtstermin zugelassen wer- den, um außergewöhnlich günstige Bewertungschancen bereits in diesem frühen Verfahrensstadium nutzen zu können. Für den Insolvenzverwalter wird ferner die Möglichkeit eröffnet, einzelne Gegenstände aus der Masse freizugeben. Nach summarischer Prüfung sind diese Änderungen als moderat zu bewerten. Ob es richtig ist, davon abzusehen, dem vorläufigen Insolvenzver- walter im Eröffnungsverfahren die Möglichkeit zur Gesamtveräußerung des Betriebes zu geben, werden die weiteren Beratungen zeigen. Als Eigentumspartei legt die FDP jedenfalls Wert darauf, dass dem Schuldner sein Unternehmen nicht bereits zu einem Zeitpunkt entzogen wird, in dem möglicherweise noch gar kein Insolvenz- grund vorliegt und zu dem folglich keine Berechtigung f t d h Z g d P w w o t A E v b m E L E s e b z c b d D T S l z d g r R l g v G d s d l v M b b g i d t (C (D ür einen derart schwer wiegenden Eingriff in das Eigen- um existiert. Alles in allem können wir bereits heute feststellen, ass sich die beabsichtigten Änderungen im Rahmen alten und die gesetzgeberische Grundentscheidung im usammenhang mit der am 1. Januar 1999 in Kraft etretenen Insolvenzordnung achten. Offensichtlich hat ie Bundesregierung bei diesem Gesetzentwurf auf die raxis gehört und deren Anregungen in den Gesetzent- urf eingearbeitet. Darin hebt sich dieser Gesetzentwurf ohltuend von den erwähnten Entwürfen zur Insolvenz- rdnung ab, bei denen die Bundesregierung den Einflüs- erungen des Fiskus nachgegeben und die berechtigten nliegen der Praxis ignoriert hatte. Wolfgang Nešković (DIE LINKE): Der vorliegende ntwurf ist tatsächlich geeignet, dem Regel-lnsolvenz- erfahren einige begrüßenswerte Vereinfachungen zu escheren. Sie werden aber verstehen, dass ich mich mit einer knappen Redezeit zunächst solchen Aspekten des ntwurfs widmen werde, die mir nicht gefallen, und das ob strategisch an das Ende stelle. Ausweislich der Entwurfsbegründung erheben die ntwurfsverfasser für sich den sehr umfassenden An- pruch, die Erfahrungen aus der Reform des Jahres 1999 iner Evaluierung unterzogen und die daraus zu behe- enden Mängel erkannt und beseitigt zu haben. Dem ist u widersprechen. Der Entwurf leidet vor allem an sol- hen Mängeln, die er gerade nicht beseitigt. Kaum ein Wort wird im Entwurf zum Insolvenzar- eitsrecht verloren, insbesondere keines zu der Notwen- igkeit einer Neufassung des § 113 Insolvenzordnung. abei hat die befasste Bund/Länder-Gruppe diesem hema in ihrem Abschlussbericht immerhin neun dichte eiten gewidmet, in denen sie ihrer ablehnenden Stel- ungnahme zumindest Erwägungen des Für und Wider ur Seite stellt. Im vorliegenden Entwurf vermisse ich iese Auseinandersetzung. Vor allem die Gewerkschaften haben in der Vergan- enheit wiederholt und deutlich auf einen Novellie- ungsbedarf zu § 113 Insolvenzordnung hingewiesen. Zu echt; denn die durch § 113 Insolvenzordnung ermög- ichte dreimonatige Fristprivilegierung für die Kündi- ung von Dienstverhältnissen – unterhalb der individual- ertraglichen, tarifvertraglichen und der gesetzlichen renzen – ist schlicht unerträglich. § 113 enthält ein Menschenbild, das abzulehnen ist, as der vorliegende Entwurf jedoch bestätigt. Die Be- chäftigten eines Unternehmens sind gerade kein Hin- ernis zur Sanierung und auch keine zu vermeidende Be- astung der Insolvenzmasse. Die Beschäftigten sind ielmehr die ersten und wichtigsten Gläubiger dieser asse; denn sie haben dem Unternehmen seine Masse eschert, indem sie diesem Unternehmen an jedem Ar- eitstag ihre Kraft, ihren Einsatz, ihre Zeit und einen roßen Teil ihrer Freiheit geopfert haben. Es sind daher hre Beschäftigung und ihre unverkürzten Ansprüche, ie absoluten Vorzug verdienen und vor jeder Beein- rächtigung zu schützen sind. Die Macher des § 113 In- 7082 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) solvenzordnung dagegen überlassen die Beschäftigten zum baldmöglichsten Zeitpunkt sich selbst und schützen stattdessen vorwiegend die Kreditgeber und die Ge- schäftspartner des Unternehmens. Des Weiteren sieht der Entwurf – trotz der bejahenden und eindeutigen Empfehlung der Bund/Länder-Gruppe Insolvenzrecht – immer noch keine gerichtliche Über- prüfung der Feststellung der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter vor. Im Entwurf wird dies in erster Linie mit fehlenden Dokumentationen zum Be- darf eines solchen Rechtsmittels begründet. Ich erinnere zum Verständnis des Problems an die geltende Rechtslage, insbesondere daran, dass das Mittel der Erinnerung gemäß § 766 Zivilprozessordnung für den angesprochenen Fall gerade keine Handhabe bietet. Demnach ist eine judikative Beurteilung der Rechtmä- ßigkeit der Masseunzulänglichkeitsfeststellung allenfalls inzident möglich, und zwar im Rahmen der prozessge- richtlichen Beurteilung einer Haftung des Insolvenzver- walters. Dessen Haftung wollten Sie als Gläubiger viel- leicht gar nicht breit klären lassen. Dennoch ist diese Erörterung derzeit der einzige Weg, um zur Beurteilung Ihres eigentlichen Problems zu gelangen. Es ist dies auch ein ungerechter Weg, da er jeden, der nur mit der Masseunzulänglichkeitsprüfung unzufrieden ist, zwingt, den Insolvenzverwalter in die Haftung zu nehmen, ob- wohl er ansonsten dazu weder Antrieb noch Veranlas- sung hätte. Die Entwurfsersteller stellen fest, zur Häufigkeit sol- cher Umgehungsprozesse lägen leider ebenfalls keine Dokumentationen vor. Man kann die Entwurfsersteller beruhigen. Dokumentationen sind gar nicht erforderlich. Denn selbst wenn sich bis heute kein Bedarf nach einem gesonderten Rechtsmittel gegen Masseunzulänglich- keitsanzeigen herausgestellt hätte oder sich dieser Be- darf niemals dokumentieren ließe, gilt dennoch der Jus- tizgewähranspruch, ein Prinzip jenseits von Angebot und Nachfrage. Zu allen Akten der öffentlichen Gewalt ist in einem Rechtsstaat zwingend judikative Kontrolle bereitzustellen. Auch das Lob zum Schluss betrifft eine Auslassung im Entwurf, jedoch in diesem Fall eine sehr sinnvolle Auslassung, für die sich auch die Linke stark gemacht hat. Was in diesem Entwurf dankbarerweise nicht erneut auftaucht, ist der Versuch einer Selbstprivilegierung der öffentlichen Hand im Insolvenzverfahren. Diesen Ver- such gab es im Mai. Als die Mehrheit dieses Hauses während der 35. Sitzung den Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Pfändungsschutz der Altersvorsorge und zur Anpassung des Rechts der Insolvenzanfechtung kri- tiklos durch die erste Beratung winkte, hatte sie gar nicht bemerkt, dass sich hinter dem harmlosen Namen des Entwurfs auch eine teilweise Wiedereinführung des Fis- kusprivilegs verbarg. Es folgte das bisher einzigartige Beispiel für einen echten Diskurs im Rechtsauschuss, in dem es den Vertretern der Opposition gemeinsam mit den Sachverständigen gelang, die Vertreter der Koalition und die Entwurfsersteller des Ministeriums von diesem Vorhaben vorläufig abzubringen. Wir hoffen, dass die bessere Einsicht bis zur Beschlussfassung anhält und a w v V t D s w z m w g v L i d l d v P s I k n s I v S d I f B l c b p b g s f t r w E l g r s l r B g g i l (C (D uch für die Diskussion zum vorliegenden Gesetzesent- urf nicht abhanden kommt. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dem orliegenden Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur ereinfachung des Insolvenzverfahrens stimmt die Frak- ion des Bündnisses 90/Die Grünen grundsätzlich zu. as geplante Gesetz kann einige der in der Praxis ent- tandene Defizite beheben. Durch die beabsichtigten Änderungen soll klargestellt erden, dass der Insolvenzverwalter aus dem Kreis aller ur Übernahme bereiten Personen ausgewählt werden uss. Das ist besonders erfreulich. So wird die gegen- ärtig übliche Praxis beendet, dass manche Insolvenz- erichte einen Insolvenzverwalter oder eine Insolvenz- erwalterin nur auswählen, wenn er oder sie auf einer iste des Gerichts steht. Die Einführung solcher Listen st gesetzlich nicht vorgesehen und rechtsstaatlich be- enklich. Für außenstehende Interessenten besteht so- ange keine Möglichkeit, Zugang zu dieser Liste zu fin- en, wie nicht ein Insolvenzverwalter von der Liste erstirbt und Platz für einen Nachrücker macht. Diese raxis behindert aber die verfassungsrechtlich ge- chützte freie Berufswahl. Die geplante Regelung in der nsolvenzordnung wird diese Praxis hoffentlich beenden. Positiv ist auch, dass in Zukunft die öffentlichen Be- anntmachungen in Insolvenzsachen im Internet vorge- ommen werden sollen. Wir unterstützen diese Moderni- ierung. Die Veröffentlichungskosten können durch die nternetöffnung gesenkt werden. Das entlastet die Insol- enzmasse und damit die Insolvenzgläubiger und in tundungsfällen auch die Justizhaushalte. Allerdings be- eutet es auch Nachteile, wenn die Veröffentlichung im nternet zum Regelfall wird. Gegenwärtig werden die öf- entlichen Bekanntmachungen in Insolvenzsachen im undesanzeiger, aber auch in Tageszeitungen veröffent- icht. Für die Gläubiger kann die Internetveröffentli- hung zu einem Nachteil führen, weil sie nicht mehr eim Lesen der Zeitung über Insolvenznachrichten stol- ern. Vor allem müssen die Tageszeitungen Umsatzein- ußen hinnehmen, wenn die Insolvenzbekanntmachun- en nur noch im Internet veröffentlicht werden. Wir ollten deshalb eine mehrjährige Übergangszeit schaf- en, in der Insolvenzbekanntmachungen sowohl im In- ernet als auch in den Printmedien möglich sind. Es eicht nicht aus, es den Ländern zu überlassen, ob sie eitere Veröffentlichungen zulassen wollen. Mit dem HUG haben wir eine solche Übergangssituation gesetz- ich geregelt. Wir freuen uns vor allem, dass die Bundesregierung egenwärtig das Insolvenzrecht in mehreren Bereichen eformiert. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpas- ung des Rechts der Insolvenzanfechtung werden Rege- ungen geschaffen, um die Alters- und Hinterbliebenen- ente vor Vollstreckung zu schützen. Zugleich hat das undesjustizministerium in einem Eckpunktepapier auf- ezeigt, wie das Verfahren der Verbraucherinsolvenz so estaltet werden soll, dass verschuldeten Privatpersonen n absehbarer Zeit ein wirtschaftlicher Neuanfang mög- ich ist, ohne dass dabei – wie bislang – für die Justiz- Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7083 (A) ) (B) ) haushalte unnötige Kosten entstehen. Wir werden in der weiteren Diskussion darauf achten, dass dabei der Erfolg der Verbraucherinsolvenz nicht wieder aufgegeben wird. Die ständige Anpassung des Insolvenzrechts an die Bedürfnisse der Praxis ist wichtig. Die bundesdeutsche Marktwirtschaft bedeutet für alle Marktteilnehmenden – Verbraucher und Verbraucherinnen ebenso wie für Un- ternehmer und Unternehmerinnen – das ständige Risiko, sich zu verschulden. Mit diesem Risiko der Insolvenz muss jeder leben. Wir brauchen aber Regelungen, die im Falle einer Insolvenz für alle Beteiligten eine akzeptable Situation schaffen. Den Verschuldeten muss der wirt- schaftliche Neustart möglich sein, sie müssen sich in ab- sehbarer Zeit von den Schulden lösen können. Die Gläu- biger müssen darauf vertrauen können, dass sie im Fall der Insolvenz nicht gegenüber anderen Gläubigern be- nachteiligt werden. Zudem dürfen sie erwarten, dass die Verschuldeten sich anstrengen, um die Schulden abzube- zahlen. Wir wollen uns deshalb dafür einsetzen, dass das Insolvenzrecht jeweils so gestaltet wird, dass es diese unterschiedlichen Bedürfnisse der Praxis befriedigen kann. Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Justiz: Der Gesetzentwurf verfolgt das Ziel, die von der Bund/Länder-Arbeitsgruppe „Insol- venzrecht“, den angehörten Kreisen und der insolvenz- rechtlichen Fachliteratur aufgezeigten Defizite im Regel- insolvenzverfahren zu beheben. Ein Gutteil der in dem Gesetzentwurf enthaltenen Änderungsvorschläge sind lediglich rechtstechnischer Natur und dürften – so haben auch die eingegangenen Stellungnahmen gezeigt – nicht weiter umstritten sein. Lassen Sie mich von den etwas bedeutsameren Änderungen beispielhaft einige nennen. Aus meiner Sicht ist hier an erster Stelle die Auswahl des Insolvenzverwalters zu nennen. Insofern beschränkt sich der Gesetzentwurf zunächst auf eine minimale Rege- lung, als er lediglich in Übereinstimmung mit der Recht- sprechung des Bundesverfassungsgerichts klarstellt, dass die Verwendung geschlossener Verwalterlisten durch die Insolvenzgerichte unzulässig ist. Insofern ist eine Ver- fahrensgestaltung bei der Auswahl vorzusehen, die einerseits dem Richter eine zügige Eignungsprüfung für das konkrete Verfahren ermöglicht, andererseits ihm jedoch auch hinreichende Informationen für eine pflicht- gemäße Ausübung des Auswahlermessens verschafft. Insofern hat das Bundesverfassungsgericht die Forde- rung erhoben, die Gerichte dürften sich nicht auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften interes- sierter Bewerber beschränken, sondern hätten die für eine sachgerechte Ermessensausübung notwendigen Da- ten zu erheben, zu verifizieren und zu strukturieren. Ich halte es für sinnvoll, dass wir uns zunächst mit die- sem zurückhaltenden Regelungskonzept begnügen und die weitere Entwicklung beobachten. Ich begrüße es inso- fern nachdrücklich, dass die Insolvenzverwalter initiativ geworden sind und selbst Qualitätskriterien für die Eignung von Insolvenzverwaltern festlegen wollen. Wir sollten deshalb zunächst abwarten, zu welchem Ergebnis die von den Insolvenzverwaltern eingesetzte Arbeits- g ü li h g o s s z d b H d is n d d a v k in n z N li E A ö n t I v k a p l d s z a D te T k r s d v w v M i B S d n (C (D ruppe kommen wird. Gegebenenfalls wird man dann berlegen können, ob diese Qualitätskriterien auch gesetz- ch verankert werden sollen. In dem Gesetzentwurf ist auch eine Klarstellung ent- alten, die zumindest bei einigen Betroffenen zu einer ewissen Verunsicherung geführt hat. Ich meine die An- rdnung des Insolvenzgerichts, dass Aussonderungsan- prüche im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht durchge- etzt werden können. Dies ist wohl aber nach Auffassung ahlreicher Gerichte und der überwiegenden Auffassung er Literatur bereits geltendes (Richter-)Recht. Mir ist ewusst, dass dies für einige Berechtigte mit gewissen ärten verbunden sein kann, doch sind diese im Interesse er Sanierung erhaltenswerter Unternehmen hinzunehmen. Von den Änderungen, auf die die Praxis längst wartet, t die öffentliche Bekanntmachung über das Internet zu ennen. Nachdem der Verbreitungsgrad des Internets in en letzten Jahren weiter stark angestiegen ist und nach- em die technischen Voraussetzungen geschaffen wurden, uf einer bundeseinheitlichen Internetplattform das Insol- enzgeschehen lückenlos zu dokumentieren, bestehen eine Hindernisgründe mehr, von Printveröffentlichungen Insolvenzsachen Abschied zu nehmen und als Regelfall ur noch eine elektronische Bekanntmachungsform vor- usehen. Insofern darf ich an unsere österreichischen achbarn erinnern, die bereits seit mehreren Jahren ledig- ch noch eine Veröffentlichung über ihre internetgestützte diktsdatei vorsehen. Wie mir berichtet wurde, ist diese rt der Veröffentlichung deutlich effektiver als jede Ver- ffentlichung in einer Tageszeitung. Lassen Sie mich abschließend zu meinen Ausführungen och auf einen Vorschlag eingehen, der für selbstständig ätige Schuldner von erheblicher Bedeutung sein, kann. ch glaube, wir sind alle einer Auffassung: Es ist sinn- oll, wenn der Schuldner erwerbstätig ist, und es kann ein Ziel des Insolvenzverfahrens sein, den Schuldner uf mehrere Jahre als Empfänger von ALG II abzustem- eln. Deshalb sieht in Anlehnung an das insolvenzrecht- iche Institut der Freigabe der Gesetzentwurf vor, dass er Insolvenzverwalter erklären kann, Vermögen aus einer elbstständigen Tätigkeit des Schuldners gehöre nicht ur Insolvenzmasse. Dies hätte sowohl für die Gläubiger ls auch für den Schuldner einen erheblichen Vorteil. er Schuldner könnte eine selbstständige Tätigkeit wei- r fortführen oder sich durch die Ausübung einer solchen ätigkeit eine neue wirtschaftliche Existenz schaffen. Macht der Verwalter allerdings von dieser Möglichkeit einen Gebrauch und duldet er wissentlich die Fortfüh- ung der gewerblichen Tätigkeit durch den Insolvenz- chuldner, dann würden nach diesem Konzept die durch en Neuerwerb begründeten Verbindlichkeiten zu Masse- erbindlichkeiten, da insofern eine dem Insolvenzver- alter zurechenbare Handlung vorliegt. Der Insolvenz- erwalter hat somit künftig abzuwägen, was für die asse vorteilhafter ist: die Einbeziehung des Neuerwerbs n die Insolvenzmasse und damit die Inkaufnahme der egründung von Masseverbindlichkeiten durch den chuldner oder die Freigabe und damit der Verzicht auf en Neuerwerb des Schuldners. Nur zur Klarstellung sei och darauf hingewiesen, dass auch im letztgenannten 7084 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Fall die einfachen Insolvenzgläubiger nicht leer ausgehen würden, sondern der Schuldner die Masse so zu stellen hat, als wäre er ein angemessenes Dienstverhältnis einge- gangen. Nehmen wir an, der Schuldner verdient als selbst- ständiger Handelsvertreter im Durchschnitt 2 000 Euro und ein abhängig beschäftigter Handelsvertreter würde ebenfalls 2 000 Euro erhalten, so hätte unser Schuldner 1 115 Euro an die Insolvenzmasse abzuführen. Die Änderungsvorschläge des Gesetzentwurfs werden auch nach Einschätzung der Landesjustizverwaltungen zu einer deutlichen Entlastung der Insolvenzgerichte beitra- gen. Ich hoffe deshalb im Interesse der Insolvenzpraxis, aber auch im Interesse der Schuldner, dass der Gesetzent- wurf möglichst bald verabschiedet werden kann. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Den Fahrradtouris- mus in Deutschland umfassend fördern (Tages- ordnungspunkt 25) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Der Fahrradtourismus hat sich zu einer touristischen Wachstumsbranche entwi- ckelt, die erhebliche positive Auswirkungen sowohl auf die Entwicklung des Deutschlandtourismus als auch auf die wirtschaftliche Entwicklung vieler strukturschwacher Regionen hat. Die ADFC-Radreiseanalyse 2006 ergibt, dass im Jahr 2005 45,4 Prozent der Deutschen das Fahrrad im Urlaub nutzten – 2004 waren es nur 40,7 Prozent –, 14,3 Prozent nutzten es häufig oder sehr häufig. Zwei Mil- lionen Deutsche planen in den nächsten drei Jahren „ziem- lich sicher“ eine Radreise. Über 4 200 fahrradfreundliche Beherbergungsbetriebe – Bett & Bike – haben sich auf Radreisende spezialisiert. Die Angebote der Deutschen Zentrale für Tourismus zum Fahrradtourismus verzeich- nen monatlich 70 000 Zugriffe, der Katalog „Deutschland per Rad entdecken“ wird in 500 000 Exemplaren gedruckt und in 26 Ländern vertrieben. Allein diese Fakten zeigen den Stellenwert, den der Fahrradtourismus in Deutschland genießt. Fahrradtourismus ermöglicht ein intensives Natur- und Kulturerlebnis in Verbindung mit sportlicher Betätigung. Dabei kann man die Fortbewegung auf dem Fahrrad mit dem Aufenthalt im Luxushotel ebenso kombinieren wie mit der Unterkunft auf Zeltplätzen oder in Jugendherber- gen. Das macht Fahrradtourismus für viele Menschen in Deutschland so interessant. Ein Familienurlaub auf dem Fahrrad stellt sicher eine der kostengünstigsten Möglichkeiten dar, auf einer Rund- reise die Schönheiten einer Region kennen zu lernen. Gleichzeitig bietet eine Radreise auch dem gestressten Manager oder leitenden Angestellten eine Gelegenheit, den Kopf freizubekommen und der Bewegungsarmut des Berufs abzuhelfen. Ich selbst bin ein leidenschaftlicher Radfahrer, sowohl in meiner unmittelbaren Umgebung als auch auf überregionalen Radwegen: So bin ich in die- sem Jahr bereits zum zweiten Mal von Hamburg nach B a d g f w l d „ E z z R k s s b a l l a g u k t L W w s b H s e m N t c r d s d e u d u F p v d e l F (C (D erlin geradelt und habe dabei auch eine weite Strecke uf dem Elberadweg zurückgelegt. Die stärkere Nutzung des Fahrrads ist gesundheitsför- ernd, weil die Fitness verbessert und Übergewicht vor- ebeugt wird. Gleichzeitig hat Rad fahren positiven Ein- luss auf Blutdruck, Muskulatur und Atemwege. Es irkt präventiv gegen Rückenleiden und Herz-Kreis- auf-Erkrankungen. Diese Effekte sind immer wieder urch Studien belegt worden, zuletzt durch die Studie Radfahren und Gesundheit“ der Sporthochschule Köln. ine Fahrradreise kann Anstoß für eine verstärkte Nut- ung des Fahrrads im Alltag, zum Beispiel für den Weg um Arbeitsort, sein. Es ist also festzuhalten, dass adreisen die Gesundheit der Menschen nachhaltig stär- en können. Es ist der zunehmende Stellenwert, den Naturerlebnis owie sportliche und gesundheitliche Aspekte beim Rei- en spielen, der zum Wachstum des Fahrradtourismus eigetragen hat. Doch die positiven Nebeneffekte sind uch außerhalb der gesundheitlichen Aspekte beträcht- ich: So reisen Fahrradtouristen besonders gern in Deutsch- and. Mehr als 50 Prozent entscheiden sich für das Inland ls Urlaubsort. Schließlich bietet Deutschland ein gut aus- ebautes Radwegenetz, fahrradfreundliche Unterkünfte nd eine Vielzahl von noch unentdeckten Sehenswürdig- eiten und Naturlandschaften. Fahrradtouristen konzentrieren sich gerade nicht auf ouristische Hotspots. Es zählt vielmehr ein intaktes andschaftsbild mit Sehenswürdigkeiten am Wege. ährend der Bustourist in Würzburg anhält und dann ieder in Rothenburg ob der Tauber, wird der Radrei- ende auch die Sehenswürdigkeiten im Main- und Tau- ertal anschauen. Ländliche Regionen ohne touristische ighlights, die es sonst schwer haben, Touristen anzu- prechen, können sich zu erstrangigen Radreisezielen ntwickeln. Wenn Sie sich die Bedeutung des Radtouris- us in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder iedersachsen anschauen, wird deutlich, dass Fahrrad- ourismus gerade für strukturschwache Gebiete erhebli- he wirtschaftliche Potenziale bietet. Fahrradtouristen kaufen qualitativ hochwertigere Fahr- äder und umfangreiches Zubehör oft aus deutscher Pro- uktion. Sie tragen damit ganz entscheidend zum Um- atzwachstum der deutschen Fahrradhersteller bei. Fahrradtouristen schonen die Umwelt: Ein Urlaub auf em Rad hilft aktiv bei der Senkung der Kohlendioxid- missionen, besonders wenn auch für An- und Abreise mweltfreundliche Verkehrsmittel genutzt werden. Zu- em benötigen Fahrradfahrer nur wenig Verkehrsraum nd beugen somit Staus vor. Gleichzeitig entspannt ahrradbenutzung am Urlaubsort die angespannte Park- latzsituation im Umfeld touristischer Ziele. Schließlich erursachen Fahrräder auch fast keine Lärmemissionen. Vor diesem Hintergrund ist es besonders erfreulich, ass sich der Fahrradtourismus in Deutschland so positiv ntwickelt. Allerdings sollte dies für die Politik kein An- ass sein, diesem Trend tatenlos zuzuschauen; denn ahrradtourismus ist ein Tourismussektor, der mehr als Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7085 (A) ) (B) ) andere der Aufmerksamkeit der Politik bedarf. Diesen Bedarf habe ich bereits in der vergangenen Legislaturpe- riode erkannt und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat bereits Ende 2003 einen Antrag mit dem Titel „Fahrrad- tourismus umfassend fördern“ eingebracht. Der vorlie- gende Antrag ist eine Weiterentwicklung dieser Initia- tive, die wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner SPD vorangebracht haben. Fahrradtouristen benötigen ein Netz gut ausgebauter und ausgeschilderter Radwege. Um weiterhin auch aus- ländische Fahrradreisende nach Deutschland zu holen, brauchen wir weitere attraktive Radwege und müssen die vorhandenen instand setzen. Die Radwege sollten den Bedürfnissen der Radfahrer entsprechen, das heißt, sie sollten über einen ausreichend ebenen Fahrbahnbelag, eine ausreichende Breite und eine gute Beschilderung verfügen. Doch genauso wichtig ist, dass die Radwege durch eine attraktive Umgebung führen: Wünschenswert sind mehr Einzelradwege, die nicht direkt neben Fern- straßen liegen, sondern dem Radfahrer ein ungetrübtes Naturerlebnis bieten. Mehr als alles andere benötigen wir mehr Radwege an Flussläufen und Wasserwegen: Wenn man sich die Liste der beliebtesten Radwege in Deutsch- land anschaut, dann findet man dort in den vergangenen Jahren den Donauradweg, den Ostseeradweg und vor al- lem den Elberadweg ganz oben. Wasserwege an Fluss- läufen sind außerordentlich beliebt: Das Reisen am Flussufer bietet immer wieder reiz- volle Ausblicke und bietet alle Annehmlichkeiten, die wir mit Reisen am Wasser verbinden. Radwege am Was- ser sind weitgehend eben und damit auch für Familien oder ältere Radfahrer geeignet. Viele historische Orte und Sehenswürdigkeiten konzentrieren sich entlang von Flussläufen, so dass eine Radreise am Flussufer nicht nur landschaftliche, sondern auch kulturelle Höhepunkte zu bieten vermag. Diese Argumente überzeugen offenbar immer mehr Radtouristen: So wurden 2005 auf Deutschlands belieb- testem Radweg, dem Elberadweg, eine Anzahl von etwa 140 000 Radlern geschätzt, die eine mehrtägige Tour auf dem Elberadweg unternommen haben. Noch einmal so viele Radfahrer unternahmen eine Tagestour auf diesem Radweg. Deshalb ist es mir ein ganz besonderes Anliegen – wie wir es auch in unserem Antrag festgeschrieben ha- ben –, gemeinsam mit den Ländern auf den Aus- und Neubau von Radwegen an Wasserwegen hinzuwirken. Generell ist es aus meiner Sicht sinnvoll, dass beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick- lung eine länderübergreifende Koordinierungsstelle ein- gerichtet wird, die die Weiterentwicklung und Verein- heitlichung des Radverkehrswegenetzes vorantreiben sowie sich um Abstimmung zwischen Ministerium und den Ländern und Kommunen bemühen soll. Das Bei- spiel maritimer Koordinator hat aus meiner Sicht bewie- sen, wie wichtig eine konkrete Ansprechstelle für ein ab- gegrenztes Thema sein kann. Ich würde mich deshalb sehr freuen, wenn die von uns im Antrag geforderte Prü- fung ergibt, dass eine solche Koordinierungsstelle einge- richtet werden kann. w F A d n S – s r s e F K F R g B s l F b l O s w w k z n d h F m r d o t s w d d S m h B w w z a n m v v F h (C (D Ein anderer Punkt betrifft die Deutsche Bahn: Ob- ohl Fahrradtourismus immer beliebter wird, geht die ahrradmitnahme im Fernverkehr der Deutschen Bahn G eher zurück. Das hat aus meiner Sicht damit zu tun, ass eine Fahrradmitnahme in ICE-Zügen immer noch icht möglich ist. Gleichzeitig werden auf immer mehr trecken ICEs eingesetzt: Wenn wir uns in Zukunft zum Beispiel – über eine neue ICE-Strecke Berlin–Ro- tock freuen können, dann hat das für mich einen bitte- en Beigeschmack. Denn im selben Moment schränkt ich das Angebot an Fahrradstellplätzen auf der Strecke in. Die Folge davon ist, dass Fahrradtouristen in den ahrzeiten unflexibler werden oder sogar Umwege in auf nehmen müssen. Sicher, es gibt bauartbedingte Hindernisse für eine ahrradmitnahme in der jetzigen ICE-Generation. Der adtransport erfordert zudem eine besonders ausgeklü- elte Planung, damit sich die Aufenthaltsdauer an den ahnhöfen nicht verlängert. Doch diese Hindernisse ollten sich in zukünftigen ICE-Generationen beseitigen assen. Ich vertrete außerdem die Auffassung, dass eine ahrradmitnahme sich durchaus auch für die Bahn renta- el gestalten lässt. Der Freizeitradler, der am Zielort ge- egentlich Rad fahren möchte, ist mit einem Leihrad vor rt sicher besser bedient. Der Fahrradtourist, der für eine Radtouren ein teures Markenfahrrad gekauft hat, ird darauf im Urlaub ebenso wenig verzichten wollen ie auf die direkte Anreise im ICE. Diesen Personen- reis, der für die Fahrradmitnahme auch etwas mehr zu ahlen bereit ist, sollte die Bahn mit der Fahrradmit- ahme im ICE durchaus ansprechen. Gleichzeitig ist je- och darauf zu achten, dass es in anderen Zügen weiter- in ein ausreichendes, kostengünstiges Angebot zur ahrradmitnahme gibt. Wir fordern deshalb Gespräche der Bundesregierung it der Deutschen Bahn AG, mit dem Ziel, eine Steige- ung der Fahrradmitnahme zu erreichen. Ich meine, dass ie ökologischen Verkehrsträger Bahn und Fahrrad ko- perieren sollten, weil gerade für umweltbewusste Rad- ouristen eine Anreise per Bahn dazugehört. Gute An- ätze – wie der Prospekt „Bahn und Bike“ oder die er- eiterten Angebote im Nachtzugbereich – können nicht arüber hinwegtäuschen, dass es an anderen Stellen, urchaus auch im Nahverkehr, noch Nachholbedarf gibt. Ein weiteres Bedürfnis der Fahrradfahrer betrifft den icherheitsaspekt: Dabei ist zunächst einmal der best- ögliche Schutz vor Fahrraddiebstählen zu nennen. Hier aben sich die Fahrradstationen an einigen deutschen ahnhöfen als probates Mittel erwiesen. Die Einrichtung eiterer Fahrradstationen ist jedoch sinnvoll und not- endig. Sinnvoll zur Abschreckung vor Diebstählen und ur besseren Wiederauffindbarkeit gestohlener Räder ist uch die weitere Codierung von Fahrrädern. Diese Maß- ahme fordern wir von der Bundesregierung in Zusam- enarbeit mit den Ländern. Noch wichtiger ist jedoch der Aspekt der Sicherheit on Radfahrern im Verkehrsgeschehen. Hier sehe ich or allem das Problem der schlechten Sichtbarkeit von ahrrädern und Radfahrern aufgrund der schmalen Sil- ouette dieser Verkehrsteilnehmer im Vergleich zu 7086 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Kraftfahrzeugen. Hier sollte sich die Verbesserung der Sichtbarkeit nicht nur auf das Fahrrad reduzieren, son- dern es sollten auch Überlegungen angestellt werden, in- wieweit Radfahrer in das Sicherheitskonzept integriert werden können. Dieses könnte zum Beispiel durch das Tragen von Kleidung mit reflektierenden Elementen ge- schehen. Deutschland hat sich als radtouristische Destination etabliert, weil hier hervorragende Bedingungen für Fahr- radtourismus bestehen, die weiter ausgebaut werden. Doch auch hier gilt das Motto „Tue Gutes und rede da- rüber!“ Denn während der Elberadweg in Deutschland schon einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht hat, sind unsere attraktiven Radwege im europäischen Ausland eher Geheimtipps. Ich halte es für wichtig, dass gerade im Auslandsmarketing der Deutschen Zentrale für Tou- rismus, DZT, der Aspekt Fahrradtourismus eine größere Rolle spielt. Zwar hat sich hier der von der DZT und dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, ADFC, gemeinsam erarbeitete zweisprachige Katalog „Deutsch- land per Rad entdecken“ als erfolgreiches Marketingin- strument erwiesen; es besteht jedoch noch Verbesse- rungsbedarf. Auch hier möchte ich gerade auf die großen Radrouten an Elbe, Weser, Donau und Ostsee verweisen, die sich für deutsche Besucher als besonders attraktiv er- wiesen haben und die auch ein hohes Potenzial für aus- ländische Besucher bieten dürften. Ich freue mich, dass es mir gemeinsam mit meiner Kollegin Hiller-Ohm von der SPD gelungen ist, einen Antrag zu entwickeln, der nicht nur das Thema Fahrrad- tourismus stärker in die Öffentlichkeit bringt, sondern eine Reihe ganz konkreter und durchweg sinnvoller For- derungen aufstellt. Diese Punkte reichen von einer länder- übergreifenden Koordinierungsstelle über den weiteren Radwegebau – auch und gerade an Flüssen und Wasser- wegen – bis zur Verbesserung der Fahrradmitnahme durch die Deutsche Bahn AG. Konkrete Verbesserungen beim Marketing sind ebenso in unserem Antrag enthalten wie Vorschläge für mehr Sicherheit für Radfahrer. Ich meine, dass es uns mit dem vorliegenden Antrag gelungen ist, eine Reihe sinnvoller Forderungen, unter anderem des ADFC, aufzugreifen und konkrete Umset- zungsvorschläge zu machen. Mit diesem Antrag der Koalitionsfraktionen stellen wir die Weichen für eine weitere positive Entwicklung des Fahrradtourismus in Deutschland. Außerdem macht die Initiative ebenso wie die sachorientierte Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Gabriele Hiller-Ohm deutlich, dass die Kooperation in der großen Koalition viel besser funktioniert als von den Medien gern behauptet wird. Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Begeisterte Radfahrer und Radfahrerinnen finden sich in allen politischen La- gern, allen gesellschaftlichen Schichten und jeder Al- tersklasse. Und das nicht erst seit gestern. Der deutsche Industrielle Adam Opel erkannte bereits im 19. Jahrhun- dert: „Bei keiner anderen Erfindung ist das Nützliche mit dem Angenehmen so innig verbunden wie beim Fahr- rad.“ Die Firma Opel war damals der größte Fahrradher- s d d n g n d n s E k R d l d F V p m s d p l d s b U F s s f R e l g S d t d w n s s n F 2 l M p F R a (C (D teller Deutschlands. Autos wurden bei Opel erst nach em Tode des Firmengründers gebaut. Dass Radfahren etwas Schönes und Angenehmes ist, as muss ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, icht näher erläutern. Hier wird jede und jeder seine ei- enen Erfahrungen gesammelt haben. Doch wie sieht es un mit dem Nutzen des Radfahrens, und insbesondere er Fahrradreisen, aus? Ich greife vier Aspekte heraus! Erstens. Rad fahren ist gesund. Es verbessert die Fit- ess, hilft gegen Bewegungsmangel und Übergewicht, tärkt die Muskulatur, die Gelenke und die Atemwege. s trägt zudem zur Prävention von Herz-Kreislauf-Er- rankungen und Rückenleiden bei. Zweitens. Rad fahren schont Klima, Umwelt und essourcen. Dies gilt beim Fahrradtourismus besonders ann, wenn auch Hin- und Rückreise mit umweltfreund- ichen Verkehrsmitteln erfolgen. Weitere Vorteile sind ie kaum vorhandenen Lärmemissionen sowie der von ahrrädern beanspruchte geringe Verkehrsraum, der zur ermeidung von Staus und zur Entspannung der Park- latzsituation beiträgt. Auch Autofahrer profitieren so- it vom wachsenden Radverkehr. Drittens. Der Fahrradtourismus ist ein wichtiger wirt- chaftlicher Faktor. Er stärkt die heimische, besonders ie mittelständische Wirtschaft und schafft Arbeits- lätze. Im Jahr 2005 wurden in Deutschland fast 5 Mil- ionen Fahrräder verkauft. Der Umsatz des Fahrradhan- els lag bei über 4 Milliarden Euro. Im Fahrradhandel ind mehr als 50 000 Menschen in über 6 800 Betrieben eschäftigt. Im Fahrradtourismus betrug der jährliche msatz rund 5 Milliarden Euro. Darüber hinaus findet ahrradtourismus vorwiegend in ländlichen Gebieten tatt, die dadurch eine Chance auf wirtschaftlichen Auf- chwung erhalten. In einigen Flächenländem entsteht ast ein Drittel des tourismusbedingten Umsatzes durch adfahrer. Vor allem für Hotelbetreiber und Gastwirte rschließt der zunehmende Fahrradtourismus ein beacht- iches Gästepotenzial. Viertens: Rad fahren ist ein demokratisches Vergnü- en, weil es quer durch alle Altersgruppen und soziale chichten betrieben wird. Bei den Radurlaubern reicht ie Bandbreite von jungen, preisbewussten Rucksack- ouristen über Familien bis zu kaufkräftigen Reisenden, ie für die höherpreisige Hotellerie und Gastronomie so- ie die Fahrradhersteller besonders interessante Kundin- en und Kunden sind. Die Förderung des Fahrradtourismus erfreut sich chon seit längerer Zeit einer breiten Zustimmung in die- em Hause. Das hat sich in den vergangenen Jahren icht nur in mehreren Anträgen aus den verschiedenen raktionen niedergeschlagen, sondern vor allem im Jahr 002 auf unsere Initiative hin verabschiedeten Nationa- en Radverkehrsplan 2002 bis 2012. Dieser hat als erster asterplan für die Förderung des Radverkehrs auf allen olitischen Ebenen bereits wichtige Impulse für den ahrradtourismus gesetzt. Viele der Maßnahmen des adverkehrsplanes kommen den Pedaltouristen zugute, llen voran der durch das D-Netz angestoßene Ausbau Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7087 (A) ) (B) ) regionaler und überregionaler Radwege sowie die Weg- weisung der Routen. Da viele Maßnahmen zur Förderung des Fahrradur- laubs in der Verantwortung von Ländern und Kommu- nen liegen, hat der Bund in erster Linie eine koordinie- rende Funktion. In vielen Bereichen können wir nur gemeinsam mit den Ländern und Kommunen Fort- schritte erzielen oder auf sie einwirken, damit sie aktiv werden. Die Möglichkeiten, die wir auf Bundesebene haben, werden wir jedoch noch stärker nutzen. Daran orientieren sich die Forderungen unseres Antrages. Ich werde nun auf die Kernpunkte eingehen. Eine wesentliche Aufgabe sehen wir in der Zusam- menführung, Bündelung und Abstimmung der Aktivitä- ten zur Förderung des Fahrradtourismus. Bei einer span- nenden Konferenz der SPD-Bundestagsfraktion zum Thema „Mobil in den Urlaub – Mobil am Urlaubsort“, die in dieser Woche stattfand, war der Fahrradtourismus ein zentrales Thema. Mir wurde von Vertreterinnen und Ver- tretern der Radverkehrsverbände bestätigt, dass im Be- reich der bundesweiten Vereinheitlichung von Fahr- radrouten und Beschilderung noch große Defizite bestehen. Wir schlagen daher zweierlei vor: Erstens. Wir brau- chen eine länderübergreifende Koordinierungsstelle. Es soll geprüft werden, ob diese beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eingerichtet wer- den kann. Sie soll sich insbesondere um die Weiterent- wicklung und Vereinheitlichung der Infrastruktur sowie um die notwendige Abstimmung zwischen den Bundes- ministerien und mit Ländern und Kommunen kümmern. Wir würden dadurch den Überblick über die bestehende Infrastruktur und bereits erfolgte oder laufende Maßnah- men verbessern, mehr Transparenz schaffen und auch den Erfahrungsaustausch zwischen den Ebenen optimie- ren. Die Etablierung von bundesweit einheitlichen Stan- dards könnte erleichtert werden. Nicht alle Maßnahmen zur Förderung des Radtouris- mus lassen sich jedoch am besten durch eine staatliche Stelle regeln. Bei der Vermarktung der Angebote setzen wir daher auf das Know-how, das im Verbandsbereich bereits besteht und seit Jahren erfolgreich eingesetzt wird. Als Beispiel nenne ich hier den Katalog „Deutsch- land per Rad entdecken“, der von der Deutschen Zen- trale für Tourismus gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, ADFC, herausgegeben wird. Wir halten deshalb zweitens die Schaffung einer zen- tralen Vermarktungsstelle des Fahrradtourismus für nö- tig, die bei einem Verein oder Verband angesiedelt wer- den könnte. Ziel ist, dass die touristischen Angebote und das Marketing für den Tourismusstandort Deutschland verstärkt auf die Bedürfnisse der Fahrradtouristinnen und -touristen abgestimmt werden. Diese beiden Forderungen fanden bei unserer Konfe- renz große Zustimmung, ebenso unser Anliegen, das Radreiseziel Deutschland, insbesondere auf internatio- naler Ebene, noch intensiver über nationale Tourismus- verbände und die Deutsche Zentrale für Tourismus zu vermarkten. Wichtig ist uns auch eine stärkere Vernet- z A w r A D d h p d r z r Q v w s d H E V D S l t W V s V b g d G W n n l m a B g G z S w z L d s W s f S f s (C (D ung und gemeinsame Bewerbung fahrradtouristischer ngebote mit dem Städte- und Kulturtourismus sowie assertouristischen Angeboten. Was nun den Ausbau der Infrastruktur für den Fahr- adtourismus betrifft, sind wir im Wesentlichen auf die ktivitäten von Ländern und Kommunen angewiesen. ie Bundesregierung soll hier jedoch ihre koordinieren- en Möglichkeiten noch stärker ausschöpfen und darauf inwirken, dass das D-Netz weiter ausgebaut und ge- flegt wird. Eine gute Grundlage sind die Empfehlungen er Studie „Analyse und Perspektiven der Bundesrad- outen im Rahmen des Nationalen Radverkehrsplanes“. Die Bundesregierung soll sich weiterhin dafür einset- en, dass der Ausbau und die einheitliche Ausschilde- ung von Radwegen vorangetrieben werden, dass die ualität der touristischen und baulichen Infrastruktur on bzw. entlang der Radfernrouten regelmäßig geprüft ird. Fahrradwege in der Nähe von Flüssen und Wasser- traßen sind besonders beliebt. Deshalb wollen wir, dass iese Routen neu- beziehungsweise ausgebaut werden. ierfür stellt der Bund bereits jetzt jährlich 10 Millionen uro zur Verfügung. Diese Mittel wurden jedoch in der ergangenheit nur zu einem geringen Teil abgerufen. as muss sich ändern. Um eine bessere Ausnutzung zu erreichen, sollen tädte und Gemeinden deshalb verstärkt auf die Mög- ichkeit hingewiesen werden, beim Ausbau von Be- riebswegen an Bundeswasserstraßen Verträge mit den asser- und Schifffahrtsämtern über die Nutzung und erkehrssicherungspflicht für den Fahrradverkehr abzu- chließen. Dem Fahrradverkehr darf kein Cent der zur erfügung gestellten Mittel verloren gehen. Deshalb ha- en wir im Haushaltsplan bereits vorgesorgt. Durch eine egenseitige Übertragbarkeit des Haushaltstitels mit an- eren Radverkehrstiteln ist jetzt sichergestellt, dass die elder auf jeden Fall den Radfahrern zugute kommen. ir setzen uns außerdem dafür ein, dass die vorhande- en Radwege an Wasserstraßen national und internatio- al stärker vermarktet werden. Ein wichtiger Partner für die Stärkung des Fahrradur- aubs ist die Deutsche Bahn AG. Leider ist die Fahrrad- itnahme im Fernverkehr immer noch unzureichend, vor llem im ICE, der auf immer mehr Strecken verkehrt. Die enutzung von Nahverkehrszügen ist aufgrund der län- eren Fahrzeiten und des häufigen Umsteigens mit epäck und Rädern keine wirkliche Alternative. Wir set- en dennoch weiterhin auf den Dialog mit der Bahn. chließlich liegt es auch in ihrem eigenen Interesse, die achsende Zielgruppe der Radurlauber nicht auszugren- en. Die Erweiterung des Angebotes in den City-Night- ine- und den DB-Nachtzügen hat ja gezeigt, dass durch ie Fahrradmitnahme deutliche Zuwächse zu erzielen ind. Mit unserem Antrag erfinden wir das Rad nicht neu. ir zeigen Wege auf, wie wir den Fahrradtourismus- tandort Deutschland weiter voranbringen und noch er- olgreicher machen können. Denn, wie der ehemalige tuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel so tref- end sagte: „Es ist auf dem Fahrrad wie in der Wirt- chaft: Wer sich nicht fortbewegt, fällt um.“ 7088 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) ) (B) ) Ernst Burgbacher (FDP): Fahrradtourismus ist ohne Zweifel eine Wachstumsbranche, ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, eine umweltschonende Art der Fort- bewegung und eine gesundheitsfördernde Urlaubsform. Dies wird ausführlich im Antrag der Koalitionsfraktio- nen dargelegt, und soweit stimme ich mit den Antrag- stellern völlig überein. Deutschland ist ein beliebtes Radreiseziel. 2005 hat der Fahrradtourismus erneut zugelegt. 45,4 Prozent aller Deutschen nutzen das Rad im Urlaub, 14,3 Prozent von ihnen sogar „häufig“ bis „sehr häufig“. Dies geht aus den „Zahlen, Daten, Fakten – Tourismus in Deutschland 2005“ vom Deutschen Tourismusverband hervor. 2 Mil- lionen Deutsche planen in den nächsten drei Jahren laut „ADFC Radreiseanalyse 2006“ „ziemlich sicher“ min- destens eine Radreise. Für weitere 3,4 Millionen Deut- sche kommt ein Fahrradurlaub generell infrage. 89 Pro- zent der Radurlaube sind Haupturlaubsreisen. Die touristischen Angebote für Fahrradtourismus ha- ben sich in den vergangenen Jahren erheblich vergrößert und verbessert. Gab es im Jahr 1995 lediglich 215 vom ADFC zertifizierte fahrradfreundliche Beherbergungs- betriebe „Bett & Bike“, so stieg diese Zahl bis März 2006 auf über 4 238 Betriebe in 2 910 Orten Deutsch- lands. Allein im letzten Jahr war im Osten Deutschlands ein Zuwachs von 26 Prozent zu verzeichnen. Die Branche hat sich auf die gestiegene Nachfrage nach fahrrad- und radlerfreundlichen Unterkünften und Angeboten eingerichtet und das größere, vielfältige An- gebot gewinnt neue, zusätzliche Fahrradtouristen. Radreiseveranstalter verbuchten im Jahr 2005 zweistel- lige Zuwachsraten. Auch Busreiseveranstalter, die sich auf die Bedürfnisse dieser Klientel eingestellt haben, er- zielten mit speziellen Fahrradanhängern und besonderen Pauschalangeboten im vergangenen Jahr deutliche Zu- wachsraten. Durch die Schaffung attraktiver Fahrradan- gebote können insbesondere in strukturschwachen Ge- bieten, die sich für diese Urlaubsform besonders anbieten, Arbeitsplätze geschaffen werden. Der jährliche Umsatz beim Fahrradtourismus liegt über 5 Milliarden Euro und kann durch eine bessere Koordinierung des deutschlandweiten Radfernwegenetzes weiter gesteigert werden. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ist sicher gut ge- meint, aber nicht notwendig, um auf die wirtschaftliche Bedeutung des Fahrradtourismus aufmerksam zu ma- chen. Konkrete politische Handlungsfelder werden in dem Antrag nicht aufgezeigt. Es geht vielmehr darum, die Bundesregierung aufzufordern, Sachverhalte „zu prüfen“, auf Länder und Kommunen oder auch Touris- musorganisationen und Verbände „hinzuwirken“ bzw. „einzuwirken“ oder etwas „nachzufragen“. Punkt 1 in diesem „Forderungskatalog“ des Antrags richtet sich auf eine länderübergreifende Koordinie- rungsstelle beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Dies verwundert mich sehr. Denn gibt es nicht eigens einen Tourismusbeauftragten der Bundesregierung, der im Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt ist? t s S s k m N s i e a d d k d g S f g s D „ S e f f R g d E u s w s T K h r w W g Ü s b d g A i a d i t d g (C (D „Aufgabe des Beauftragten wird es sein, die Aktivitä- en der Bundesregierung im Bereich der Tourismuspolitik tärker zu koordinieren und konzeptionell auszubauen.“ o heißt es in der Pressemitteilung des Bundeswirt- chaftsministeriums vom 14. Dezember 2005, mit der be- annt gegeben wurde, dass Ernst Hinsken zum Touris- usbeauftragten der Bundesregierung ernannt wurde. un hat der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung elbst einen Antrag unterzeichnet, in dem gefordert wird, m Ministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ine länderübergreifende Koordinierungsstelle mit Blick uf den Fahrradtourismus einzurichten. Was soll man avon halten? Die FDP-Bundestagsfraktion setzt sich je- enfalls entschieden für eine Bündelung der Tourismus- ompetenzen in der Bundesregierung, konkret im Bun- eswirtschaftsministerium ein. In Punkt 7 des Antrags wird die Bundesregierung auf- efordert, die Realisierungsmöglichkeit einer zentralen telle für die Vermarktung des Fahrradtourismus zu prü- en. Vor allem die Deutsche Zentrale für Tourismus wirbt emeinsam mit dem ADFC sehr erfolgreich für Radrei- en in Deutschland. Ein Blick auf die Homepage der ZT illustriert dies. Informationen zu „Bahn & Bike“, Bett & Bike“, auch Wellness per Rad – um nur einige tichworte zu nennen – werden informativ präsentiert, benso Tourenvorschläge und eine Fülle weiterer Tipps ür den informations- und ratsuchenden Radler. Das er- olgreichste Marketinginstrument für den deutschen adtourismus ist laut „ADFC-Radreiseanalyse 2006“ der emeinsame Katalog „Deutschland per Rad entdecken“, essen 5. Auflage mit 500 000 deutschen und englischen xemplaren 140 Radrouten in Deutschland präsentiert nd in 26 Ländern vertrieben wird. Für eine „zentrale Fahrradtourismusvermarktungs- telle“ besteht daher kein Bedarf. Auch unter Wettbe- erbsgesichtspunkten lehnt die FDP eine solche Zentral- telle ab. Ich bin ferner überzeugt, dass Tourismuswirtschaft, ourismusverantwortliche und auch die Länder und ommunen das Potenzial des Fahrradtourismus erkannt aben, und ich bezweifle stark, dass auf DZT und Tou- ismusverbände seitens der Bundesregierung eingewirkt erden muss, damit „sie den Gesundheitsaspekt bei der erbung für den Fahrradtourismus stärker berücksichti- en“, wie in Punkt 11 des Antrags gefordert. Ich bin der berzeugung, dass wir den Tourismuswerbern schon elbst überlassen sollten, wie sie ihre Arbeit machen. Die eachtlichen Erfolge, die sie vorzuweisen haben, zeigen, ass sie ihr Handwerk verstehen. Kurzum, die im Antrag von CDU/CSU und SPD auf- eführten Forderungen gehen entweder an den falschen dressaten, da die konkrete politische Umsetzung nicht m Aufgabenbereich der Bundesregierung liegt, oder ber in die falsche Richtung. Selbstverständlich gilt es, en Fahrradtourismus wie auch andere Urlaubsformen m Interesse des Tourismusstandorts Deutschland poli- isch zu fördern und zu unterstützen, doch ich sehe nicht, ass dieser Antrag der Koalitionsfraktionen hierfür das eeignete Instrument ist. Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 7089 (A) ) (B) ) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Mein Wahlkreis – die Oberlausitz – ist ein Mekka für Radfahrer. Begeisterte Radfahrerinnen und Radfahrer finden in der Oberlausitz, zum Beispiel entlang der Neiße, ein sehr gut ausgebautes und beschildertes Radwegenetz, dazu eine Landschaft mit ausgedehnten Wäldern, mit stillen Teichen und Seen, mit Berggipfeln und herrlichen Aussichten, mit sorgsam restaurierten, Jahrhunderte alten Häusern in stillen Dör- fern, mit interessanten Städten voller Geschichte. Die Oberlausitz per Rad entdecken – das neue Güte- siegel „Oberlausitz per Rad“ garantiert hohe Servicequa- lität rund ums Rad fahren. Problemlos kann man jeder- zeit bei allen zertifizierten Partnern Fahrräder mieten und sie dort oder bei einem anderen Partner wieder abge- ben. Diese Flexibilität durch den Hol- und Bringservice bzw. den Gepäcktransfer ist nur einer der zahlreichen Vorteile, die die Oberlausitz für Urlauber und Freizeit- radler anbietet. Auf reizvolle Weise lassen sich hier Freude am Rad fahren, Entspannen in der Natur und Kennenlernen von Traditionen und Geschichte der Ober- lausitz verbinden. Ähnliches lässt sich sicher auch über andere Regio- nen in Deutschland berichten, denn es gibt inzwischen viele sehr attraktive Angebote für den Fahrradtourismus. Den Antrag zur Förderung des Fahrradtourismus hat sich der Bundestag als letzten Punkt auf die heutige Ta- gesordnung gesetzt. Statt der geplanten 30 Minuten De- batte um 2.40 Uhr werden die Reden nicht gehalten, son- dern zu Protokoll gegeben. Ich nehme an, dass in allen zu Protokoll gegebenen Reden steht, dass der Fahrrad- tourismus wichtig, wachsend und förderwürdig ist. Da- gegen ist nichts einzuwenden. Die Fortbewegung zu Fuß und mit dem Fahrrad, ob im Alltag oder im Urlaub, ist gesund und gut für die Umwelt. Mit der Förderung des Fahrradtourismus befasst sich der Bundestag nicht zum ersten Mal. 1992 gab es zum Beispiel einen Antrag der SPD, der dem jetzt vorliegen- den der Koalitionsfraktionen sehr ähnelt. Da die SPD nicht in der Regierung war, wurde ihr Antrag zwei Jahre später abgelehnt. 2003 hat dann die CDU/CSU einen Antrag zur Förderung des Fahrradtourismus gestellt. Auch dieser wurde abgelehnt, weil er nicht von einer Re- gierungsfraktion gestellt wurde. Nun also ein Antrag von CDU/CSU und SPD gemeinsam. Damit ist diesmal die Zustimmung zum Antrag gewiss. Unbestritten ist, dass auf dem Gebiet des Fahrradtou- rismus und der Entwicklung von Radwegenetzen einiges in den letzten Jahren passiert ist. Trotzdem kommen wir bei bestimmten Problemen nicht oder nur sehr langsam voran. Wenn wir den Fahrradverkehr fördern wollen, brauchen wir überall Verkehrsschulen, in denen alle Kin- der rechtzeitig lernen, sich sicher mit dem Fahrrad im öffentlichen Verkehr zu bewegen. Wenn wir den Fahr- radverkehr fördern wollen, brauchen wir überall fahrrad- freundliche Städte und Gemeinden mit entsprechenden Wegen, Verkehrswegeeinrichtungen und Abstellplätzen. Mich ärgert, wenn ich immer wieder neue oder erneuerte Bundes- und Landesstraßen sehe, bei denen wieder der Radweg „vergessen“ wurde. c d w v u l d v d n g B g k W P n F w m t s F N r s m f u l v R r f ü d P r e e w h w s e e t m u (C (D Wenn wir den Fahrradverkehr fördern wollen, brau- hen wir eine durchgängige barrierefreie Infrastruktur in en Kommunen. Wenn wir den Fahrradverkehr fördern wollen, sollten ir aufhören mit der Privatisierung und Ausdünnung on Bahnen und anderen öffentlichen Verkehrsträgern nd -linien. Wenn wir den Fahrradverkehr fördern wol- en, sollten barrierefreie Bahnhöfe überall Pflicht wer- en und nicht erst ab einer willkürlich festgelegten Zahl on ein- bzw. aussteigenden Fahrgästen. Wenn wir den Fahrradverkehr im Alltag fördern, för- ern wir auch den Fahrradtourismus. Wir sollten aber icht nur den Radverkehr, sondern auch die Fortbewe- ung zu Fuß, mit Rollstühlen oder dem Skateboard im lick haben. Notwendig ist auch ein Mehr an gegenseiti- er Rücksichtnahme und an Sicherheit im Straßenver- ehr. Sie kennen das Problem des Radfahrers im toten inkel des Autofahrers, zugeparkte Radwege, aber auch robleme mit Radfahrern, die die Straßenverkehrsord- ung nicht kennen oder kennen wollen. Vielen der im Antrag aufgeführten Punkte kann die raktion Die Linke zustimmen. Über manche Punkte erden wir in den Ausschüssen noch einmal diskutieren üssen, damit es nicht bei zahnlosen Appellen in Rich- ung Länder und Kommunen sowie Bahn und touristi- chen Einrichtungen bleibt. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ünf Jahre nach Vorlage des unter Rot-Grün aufgelegten ationalen Radverkehrsplans 2002 bis 2012 zur Förde- ung des Radverkehrs hat die große Koalition es ge- chafft, sich zum ersten Mal parlamentarisch initiativ it dem Fahrradverkehr zu beschäftigen. Glückwunsch! Der Nationale Radverkehrsplans ist nächstes Jahr ünf Jahre in Kraft. Es wäre an der Zeit, Bilanz zu ziehen nd Konzepte zur Förderung des Fahrradverkehrs vorzu- egen. Stattdessen legt die große Koalition einen Antrag or, der Bekanntes und Richtiges aus dem Nationalen adverkehrsplan zitiert und an die Bundesregierung ge- ichtete Forderungen enthält, die im Kern zwar alle nicht alsch, aber in ihrer Unverbindlichkeit nicht mehr zu berbieten sind. Von den 13 Punkten, zu denen der Bun- estag die Bundesregierung auffordern soll, sind zwei rüfaufträge und neun Aufforderungen an die Bundes- egierung, einzuwirken oder hinzuwirken. Es soll auch rgriffen und vorangebracht werden. Bei der bundes- igenen DB soll sogar nur nachgefragt werden. Den Feststellungen und den Aufforderungen können ir problemlos zustimmen. Ob es dem Fahrradverkehr ilft, wenn dieser Antrag einmal hier beschlossen wird, age ich zu bezweifeln. Der Antrag ist gegenüber dem bisherigen Diskus- ionsstand in Sachen Fahrradverkehrsförderung sogar in Rückschritt, wenn man ehrlich ist. Sie machen aus inem nachgewiesenermaßen vollwertigen Verkehrsmit- el – das Fahrrad hat einen Anteil am Verkehrsaufkom- en wie der öffentliche Personenverkehr – ein Freizeit- nd Tourismusvehikel. 7090 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 70. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 (A) (C) (B) (D) Dort, wo weitgehend gesellschaftlicher Konsens be- steht, nämlich beim Fahrradtourismus, machen Sie einen schönen Antrag. Dort, wo es ans Eingemachte geht, nämlich bei der Alltagsnutzung des Fahrrads, kneifen Sie. Ich gebe zu, dass man die Straßenbaulastträger in den Kommunen nicht aus Ihrer Verantwortung, mehr für den Fahrradverkehr zu tun, entlassen soll. Den Ord- nungsrahmen bestimmt aber zum großen Teil der Bund. Straßenverkehrs-Ordnung, Richtlinien und Verwaltungs- vorschriften sind nicht fahrradverkehrsgerecht. Lassen Sie mich an einem Beispiel aus dem Forde- rungskatalog illustrieren, wie wenig hilfreich Ihr Antrag ist: Das noch bundeseigene Unternehmen Deutsche Bahn AG wird, wenn das dritte Eisenbahnpaket umge- setzt sein wird, auf internationalen Strecken Fahrräder mitnehmen müssen. Da führt doch eine Aufforderung an die Bundesregierung, die DB zu fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Steigerung der Fahrrad- beförderung insbesondere im Fernverkehr erreicht wer- den kann, vorsichtig ausgedrückt, in die Irre. Es reicht nicht, sich auf dem Gebiet des Fahrradtou- rismus zu sonnen. Das Fahrrad ist nach Veröffentlichun- gen aus Ihren eigenen Häusern das einzige Verkehrsmit- tel mit dem Ihre eingegangenen CO2-Reduzierungsziele im Verkehrsbereich erreicht werden können. Da tut sich aber nichts bei der großen Koalition. Vielleicht erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zum Ende meiner Rede: Wenn den Kollegen von der großen Koalition der Fahrradverkehr so wichtig ist, soll- ten Sie Ihre Anträge in Zukunft etwas früher veröffentli- chen. 70. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 30. November 2006 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607000000

Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kol-

legen, ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche uns ei-
nen guten Morgen sowie gute Beratungen.

Auf der Ehrentribüne hat der Präsident der Parla-
mentarischen Versammlung des Europarates, Herr
van der Linden, Platz genommen.


(Beifall)


Ich begrüße Sie, lieber Kollege van der Linden, und Ihre
Delegation herzlich im Namen aller Kolleginnen und
Kollegen des Deutschen Bundestages.

Herr Präsident van der Linden, wir freuen uns, dass
Sie kurz vor der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die
Gelegenheit zu einem offiziellen Besuch in Berlin ge-
funden haben. Wie Sie wissen, befasst sich der Deutsche
Bundestag nicht allein dank der regelmäßigen Bericht-
erstattung der Mitglieder der deutschen Delegation bei
der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
mit den wichtigen und aktuellen Themen der Organisa-
tion. Bereits gestern ist Ihnen in den Gesprächen mit
Mitgliedern verschiedener Ausschüsse deutlich gewor-
den, wie eng die parlamentarischen Beratungen Ihrer
Versammlung thematisch mit denen des Bundestages
verknüpft sind.

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Redet
Als aktueller Beleg der engen Kooperation dient die
Kampagne der Parlamentarischen Versammlung des
Europarates zum Thema „Parlamentarier vereint im
Kampf gegen die häusliche Gewalt gegen Frauen“, die
am Montag unter großer Medienbeachtung und in Ihrem
Beisein im spanischen Parlament feierlich gestartet
wurde.

Häusliche Gewalt ist eine der unauffälligen, aber weit
verbreiteten Verletzungen der Menschenrechte und muss
in allen Mitgliedstaaten des Europarates bekämpft wer-
den.


(Beifall)


Nach den vom Europarat zusammengetrage
haben in allen Ländern ein Viertel aller Frau
unabhängig von Alter und sozialen Milieus –
einmal in ihrem Leben physische Gewalt erf

(C (D ung 30. November 2006 0 Uhr äufigsten Gewaltakte gegen Frauen geschehen von ännern in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld. Darum begrüßen die Mitglieder des Deutschen Bunestages das Ziel dieser Kampagne ausdrücklich, ämlich jede Form häuslicher Gewalt vorbehaltlos zu erurteilen, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für as Problem der häuslichen Gewalt zu schärfen, die aßnahmen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt auch uf Ebene der nationalen Regierungen, Parlamente und egionalsowie Kommunalbehörden auf den Prüfstand u stellen und ihr mit allen zu Gebote stehenden parlaentarischen Mitteln entgegenzutreten. Lieber Kollege van der Linden, wir freuen uns, dass ie trotz Ihres sehr dichten Programms Gelegenheit finen, unserer Sitzung beizuwohnen. Wir wünschen Ihnen eiterhin interessante Gespräche und einen angenehmen ufenthalt in Berlin. Wir freuen uns auf die weitere in ensive Zusammenarbeit. Der Kollege Friedbert Pflüger hat am 25. November uf seine Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verichtet. Als Nachfolger begrüße ich herzlich den Kolleen Hans Peter Thul. ext Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD: Stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg und Kapital von Unternehmen ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker Beck Josef Philip Winkler und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Glaubensfreiheit weltweit achten che 16/3614 – ngsvorschlag: für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe er Ausschuss nen Daten en – völlig mindestens ahren. Die – Drucksa Überweisu Ausschuss Auswärtig Präsident Dr. Norbert Lammert ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Die finanzielle Situation der Pflegeversicherung ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sabine LeutheusserSchnarrenberger, Jörg van Essen, Mechthild Dyckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Justizpolitische Agenda für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007 – Drucksache 16/3622 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Innenausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Außerdem ist vorgesehen, die Tagesordnungspunkte 3 g und 33 a abzusetzen sowie die Tagesordnungspunkte 8 und 14 zu tauschen. Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Schließlich mache ich auf eine nachträgliche Ausschussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Die in der 51. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Unterrichtung soll zusätzlich dem Finanzausschuss überwiesen werden. Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Modernisierungsstrategie für die deutsche Wasserwirtschaft und für ein stärkeres internationales Engagement der deutschen Wasserwirtschaft – Drucksache 16/1094 – überwiesen: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Finanzausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? – Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 f und 3 h sowie Zusatzpunkt 2 auf: 3 a)


(Beifall)


(Beifall)


(Beifall)


(siehe 69. Sitzung)





(A) )


(B) )

Steinbach, Holger Haibach, Carl-Eduard von Bis-
marck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Chris-
toph Strässer, Angelika Graf (Rosenheim), Niels
Annen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD

Stärkung der Menschenrechtspolitik der
Europäischen Union

– Drucksache 16/3607 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

(C (D b)

Steinbach, Holger Haibach, Carl-Eduard von Bis-
marck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Christel
Riemann-Hanewinckel, Christoph Strässer, Klaus
Brandner, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD
Solidarität mit verfolgten Christen und ande-
ren verfolgten religiösen Minderheiten
– Drucksache 16/3608 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Florian
Toncar, Burkhardt Müller-Sönksen, Jens Acker-
mann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Ratifikation des 12. Zusatzprotokolls zur
Europäischen Menschenrechtskonvention
– Drucksache 16/3145 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Löning, Michael Link (Heilbronn), Christian Ah-
rendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Eine Grundrechteagentur der EU wird nicht
gebraucht
– Drucksache 16/3621 –
Überweisung:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Rainder Steenblock, Omid Nouri-
pour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der
EU stärken – Mandat der Grundrechteagen-
tur sinnvoll ausgestalten
– Drucksache 16/3617 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Marieluise Beck (Bremen), Grietje
Bettin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Pressefreiheit als Fundament für die Demo-
kratie
– Drucksache 16/3613 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien






(A) )



(B) )


Präsident Dr. Norbert Lammert
h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Florian Toncar, Burkhardt
Müller-Sönksen, Dr. Werner Hoyer, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der FDP

Für die mandatsgebundene Begleitung VN-
mandatierter Friedensmissionen durch Men-
schenrechtsbeobachter

– Drucksachen 16/226, 16/2733 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Holger Haibach
Christoph Strässer
Florian Toncar
Michael Leutert
Volker Beck (Köln)


ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Volker
Beck (Köln), Josef Philip Winkler und der Frak-
tion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Glaubensfreiheit weltweit achten

– Drucksache 16/3614 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss

Herr Kollege van der Linden, Sie sehen, wir haben
uns große Mühe gegeben, auch bei der Gestaltung der
Tagesordnung den besonderen Schwerpunkten des Euro-
parates Rechnung zu tragen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort
zunächst dem Bundesaußenminister Frank-Walter Stein-
meier.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren Abgeordneten! Dass die Debatte über die Lage
der Menschenrechte heute in der Kernzeit der Parla-
mentswoche stattfindet, ist ein Signal, das in der Öffent-
lichkeit verstanden werden wird. Ich darf Ihnen versi-
chern, dass es auch von der Bundesregierung und dem
Bundesaußenminister verstanden wird.

Kofi Annan hat vor kurzem versucht, eine griffige
Formel für die Bedeutung der Menschenrechtspolitik zu
finden. Er hat gesagt: ohne Sicherheit keine Entwick-
lung, ohne Entwicklung keine Sicherheit und weder
Sicherheit noch Entwicklung ohne Beachtung der Men-
schenrechte. – Diese Zusammenhänge sind auch Leit-
und Richtschnur für die Menschenrechtspolitik der Bun-
desregierung und des Bundesaußenministers.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Wir verfolgen als Vertreter unseres Landes die Fördeung und die Verteidigung der Menschenrechte konseuent sowohl in unseren bilateralen Beziehungen als uch in multilateralen Gremien ebenso wie in der Euroäischen Union; darauf komme ich gleich zurück. Wir ürfen miteinander feststellen: Im Laufe der Jahre hat ie deutsche Menschenrechtspolitik durchaus unverechselbare Markenzeichen entwickelt. Wir treten für ie Universalität der Menschenrechte ein. Wir wenden ns gegen Versuche, diese mit Hinweisen auf kulturelle raditionen oder niedrige Entwicklungsstände zu relatiieren. Wir setzen uns für die Unteilbarkeit der Menchenrechte, für politische, wirtschaftliche, soziale wie ulturelle, ein. Ein aktuelles Beispiel dafür ist etwa die deutsch-spaische Initiative zum Recht auf Wasser für alle Menchen, über die berichtet worden ist. Erst vor wenigen agen hat der neue Menschenrechtsrat der Vereinten Na ionen diese Forderung mit großer Unterstützung aus alen Weltregionen im Konsens angenommen. Wir treten darüber hinaus mit Nachdruck gegen Disriminierungen jeglicher Art sowie gegen Rassismus nd religiös bzw. anderweitig motivierte Intoleranz ein. ir wollen konkrete Menschenrechtsprobleme so weit ie möglich auf dem Wege des Dialogs und der Zusamenarbeit lösen. Das funktioniert – das wissen Sie alle – icht immer auf dem Marktplatz. Aber klar ist natürlich benso: Schwerwiegende und systematische Menschenechtsverletzungen müssen wir offen beim Namen nenen. Mit Übernahme der Ratspräsidentschaft in der Euroäischen Union übernimmt Deutschland ab dem 1. Jauar 2007 zum einen auch dort eine gewisse Leitfunkion im Rahmen des Menschenrechtsschutzes. Ich darf hnen versichern, dass wir alles dafür tun werden, damit ie Europäische Union der Europäischen Konvention um Schutz der Menschenrechte und Grundrechte beiritt, wie wir das im Rahmen der Diskussion um den uropäischen Verfassungsvertrag vorgesehen haben. Zum anderen geht es natürlich um die Schaffung geigneter Rahmenbedingungen für die Arbeit der neuen uropäischen Grundrechteagentur. Ich darf sagen: Es at lange Diskussionen gegeben. Am Ende tragen wir, ie Bundesregierung, die Entscheidungen zur Schaffung ieser Grundrechteagentur mit. Aber wir nehmen die edenken des Deutschen Bundestages sehr ernst – da um erwähne ich dies hier – und drängen in diesem inne auch in Brüssel darauf, dass sich keine Überchneidungen mit Menschenrechtsgremien anderer Herunft ergeben und vor allen Dingen kein Wirrwarr an uständigkeiten entsteht. Ich bin der Meinung – ich eiß, dass viele hier im Hause dieselbe Auffassung ver reten –: Die Grundrechteagentur muss den Europarat innvoll ergänzen, ihn in seinen Zuständigkeiten aber icht verdoppeln wollen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)







(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
Die internationale Menschenrechtspolitik der EU
ist sichtbares Zeichen und sichtbare Auszeichnung euro-
päischer Politik geworden. Die Europäische Union
spricht heute fast überall gegenüber dritten Staaten mit
einer Stimme in Menschenrechtsfragen.

Das lässt sich glaubwürdig nur dann machen, wenn
wir zunächst bei uns selbst um Menschenrechtsschutz
bemüht sind. Darum schicken wir zum Beispiel bei Ein-
sätzen im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik auch Menschenrechtsbeobachter
mit. Sie kümmern sich um die Beachtung der Menschen-
rechte nicht nur durch Dritte, sondern auch durch das eu-
ropäische Personal. Wir werden im Rahmen der deut-
schen Ratspräsidentschaft weiter für die Abschaffung
der Todesstrafe, die Bekämpfung der Folter und gegen
den Einsatz von Kindersoldaten eintreten.


(Beifall im ganzen Hause)


Dazu gehört, dass wir auch in Bezug auf den Schutz der
Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung klare
Positionen beziehen. Gerade weil wir den Terrorismus
uneingeschränkt verurteilen, müssen wir bei seiner Be-
kämpfung auf die Einhaltung von Menschenrechten und
rechtsstaatlichen Verfahren achten.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Als deutscher Außenminister muss ich und werde ich
im kommenden Halbjahr sehr viele Menschenrechtsdia-
loge, Konsultationen zwischen der Europäischen Union
und Drittstaaten führen. Dabei werden wir – das sage ich
gerade mit Blick auf die Anträge, die heute behandelt
werden – natürlich auch die Situation von Christen und
religiösen Minderheiten auf den Tisch zu bringen und
zu verhandeln haben. Ich jedenfalls werde mich darum
bemühen – wir wollen dafür arbeiten –, dass wir nach
dem Menschenrechtsdialog der EU mit China, der jetzt
im Gange ist, einen solchen Dialog auch mit anderen
Staaten zustande bringen, vielleicht am Ende auch mit
dem Iran, einem Staat, mit dem uns im Augenblick eher
Konflikte und tiefe Probleme verbinden.

Bei den hoffentlich doch stattfindenden Verhandlun-
gen über eine strategische Partnerschaft mit Russland
– darüber wird im Augenblick in Europa gesprochen;
das wissen Sie – wird das Thema Menschenrechte eben-
falls nicht ausgespart und nicht ausgespart werden kön-
nen. Wir werden natürlich aussprechen, dass zu einem
Ausbau der strategischen Partnerschaft zwischen Europa
und Russland auch der Ausbau von Demokratie und
Rechtsstaat gehört.

Dasselbe gilt – das sage ich mit Blick auf meine zu-
rückliegende Zentralasienreise – natürlich auch für die
Initiative, die Europa im Bereich seiner Zentralasien-
politik vorhat. Ich hoffe, dass wir im Rahmen der deut-
schen Ratspräsidentschaft dazu kommen werden, einen
Menschenrechtsdialog mit Usbekistan aufzunehmen.
Ich kann Ihnen versichern: Ich habe bei meiner Zentral-
asienreise selbst erlebt, wie schwierig solche Gespräche
sind und wie hartnäckig man sie führen muss. Aber ich
habe auch festgestellt, dass sich solche Gespräche loh-
nen können. Die usbekische Regierung hat nach meinem

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(C (D esuch immerhin einen Journalisten, um den wir uns beüht haben – er war zu sechs Jahren Gefängnis verur eilt –, freigelassen. Sie hat jetzt angekündigt, dass das nternationale Rote Kreuz wieder Zugang zu den usbekichen Gefängnissen erhalten soll. Schließlich hat sie der ufnahme eines Menschenrechtsdialoges mit der EU zuestimmt. Nicht, dass Sie mich missverstehen: Das minert nicht die Vorwürfe hinsichtlich der Ereignisse von ndischan, aber immerhin: Wenn sich bewahrheitet, ass aus diesen Ankündigungen Politik wird, dann wäre as ein Schritt nach vorn. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die dritte und vielleicht wichtigste Aufgabe steht uns
ei dem neu gegründeten Menschenrechtsrat der Ver-
inten Nationen bevor. Sie wissen, dass Deutschland
uf den Wunsch vieler „Mitglied der ersten Stunde“ ge-
orden ist und damit die Rahmenbedingungen der Ar-
eit des Menschenrechtsrates mit gestalten kann. Dann
ann die Chance bestehen, dass sich dieses neue Gre-
ium mehr Glaubwürdigkeit erarbeitet, als die alte
enschenrechtskommission, die aufgelöst worden ist,

um Ende ihrer Arbeit hin hatte.

Ich will mit aller Vorsicht sagen, dass sich bei der jet-
igen Arbeit im Menschenrechtsrat zeigt, wie viel Über-
eugungsarbeit wir für unser Verständnis der Menschen-
echte noch zu leisten haben. Im Augenblick erleben wir,
ie eine Gruppe von Staaten, bei denen wir eher Defizite

m Bereich des Schutzes der Menschenrechte sehen, zu-
ehmend selbstbewusst auftritt und damit unser Ver-
tändnis von Menschenrechten herauszufordern versucht.
ür unser Verständnis der Menschenrechte haben wir im
enschenrechtsrat – das müssen Sie mit Blick auf die zu-

ückliegenden Abstimmungen klar sehen – häufig ganz
infach keine Mehrheit.

An dieser Entwicklung sehen Sie, dass mit der Globa-
isierung Machtverschiebungen einhergehen, wodurch
ie Arbeit zum Schutz der Menschenrechte gerade in in-
ernationalen Gremien nicht leichter geworden ist. Das
chränkt unsere Bemühungen aber nicht ein, sondern
eranlasst uns eher dazu, mit den anderen europäischen
taaten, die Mitglied des Menschenrechtsrates sind – sie
ehören ihm allesamt an –, noch konkreter für den
chutz der Menschenrechte zu arbeiten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607000100

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

ollegin Däubler-Gmelin?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
uswärtigen:
Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607000200

Bitte schön.


Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):
Rede ID: ID1607000300

Herr Bundesaußenminister, Sie beobachten wahr-

cheinlich mit der gleichen Sorge wie wir, dass eines der






(A) )



(B) )


Dr. Herta Däubler-Gmelin
Probleme des neuen Menschenrechtsrates im Abstim-
mungsverhalten liegt: Es wird stärker nach Regionen ab-
gestimmt, wobei sich die Regionen an dem im Sinne un-
seres Verständnisses der Menschenrechte „Langsamsten“
und nicht an den Menschenrechten selbst, gleich ob es um
unsere oder eine globale Definition geht, orientieren.

Nun stellen wir fest, dass die Europäische Union dieses
blockweise Abstimmungsverhalten ebenfalls praktiziert.
Sehen Sie eine Möglichkeit, diese Verfahren innerhalb
der EU-Präsidentschaft Deutschlands im kommenden
halben Jahr etwas aufzulockern, zu etwas mehr europäi-
schem Selbstbewusstsein in der Menschenrechtspolitik
zu kommen? Sehen Sie, wie beispielsweise bei der Aus-
handlung des Römischen Statutes, eine Möglichkeit, mit
like minded, mit ähnlich gesinnten Ländern aus anderen
Kontinenten zu einer Abstimmung zu kommen, die sich
an den Menschenrechtsfragen und nicht an der Politik ein-
zelner Regionen orientiert?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Frau Abgeordnete, das war ein zentraler Anker mei-
ner Rede zur Eröffnung des Menschenrechtsrates, die ich
in Genf gehalten habe. Ich kann Ihnen versichern, dass
ich mich in dem nächsten Halbjahr deutscher Ratspräsi-
dentschaft in der Europäischen Union sehr darum bemü-
hen werde. Ich hoffe, dass es gelingt, die manchmal auf-
tretende Nähe einzelner europäischer Staaten zu einigen
Regionen, die eine geschlossene Abstimmung der euro-
päischen Staaten im Menschenrechtsrat verhindert, auf-
zubrechen und in Zukunft eine geschlossenere Haltung
der europäischen Staaten hervorzubringen.

Das ist eine der Voraussetzungen; es gibt aber noch
andere. Frau Abgeordnete, wir müssen auch dafür kämp-
fen, dass das System der Sonderberichterstatter erhal-
ten bleibt, damit wir durch diese Sonderberichterstatter
eine verlässliche Beschreibung der Menschenrechts-
situation in einzelnen problematischen Ländern bekom-
men. Wir müssen ein verlässliches Verfahren für eine
regelmäßige Beschreibung der Menschenrechtslage in
allen Staaten entwickeln. – Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich noch eine letzte Bemerkung machen darf:
In dem Menschenrechtsrat müssen wir gemeinsam mit
den anderen europäischen Staaten die Voraussetzungen
dafür schaffen. Das kann nur dann gelingen – das betrifft
auch die letzte Frage –, wenn die Tagesordnung nicht
vorsieht, dass wir in jeder Menschenrechtsratssitzung
dauerhaft und ausschließlich über den Nahostkonflikt
streiten. Wir müssen das Spektrum der Befassung des
Menschenrechtsrats in den nächsten Wochen und Mona-
ten deutlich erweitern.

Bei all diesen Bemühungen – das gilt auch für die Be-
mühungen um die Etablierung geeigneter Rahmenbedin-
gungen für die Arbeit des Menschenrechtsrates – setze
ich auf Ihre, auf die Unterstützung des Deutschen Bun-
destages.

Ich danke Ihnen.

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(C (D (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607000400

Ich erteile das Wort dem Kollegen Florian Toncar,

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Florian Toncar (FDP):
Rede ID: ID1607000500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das

hema, das wir heute diskutieren, ist ein wichtiges. Ich
öchte hinzufügen: Es ist nicht nur für das heimische
ublikum, das gewisse Erwartungen hegt, ein wichtiges
hema, sondern für viele Menschen auf der Welt. Wir
rtikulieren Menschenrechtsthemen manches Mal – so
abe ich das Gefühl – stark mit Rücksicht auf das heimi-
che Publikum, auf aktive Nichtregierungsorganisatio-
en und wir konzentrieren uns zu wenig darauf, Ergeb-
isse zu kontrollieren und zu hinterfragen.


(Beifall bei der FDP)


Menschenrechte sind universelle Werte, die wir ver-
reten und in deren Rahmen wir international an Min-
eststandards festhalten wollen. Sie sind aber auch in
nserem Interesse. Denn es ist doch jedem einsichtig,
ass Flüchtlingsströme und politische Instabilität, die
urch schlechte Menschenrechtssituationen in vielen
ändern auf der Welt entstehen, uns sehr schnell einho-

en können. Das Beispiel der USA mit deren Unterstüt-
ung der Taliban oder anderer sehr fragwürdiger Organi-
ationen zeigt, dass eine menschenrechtlich blinde
olitik die eigenen Sicherheitsinteressen schnell gefähr-
en kann. Auch das sollte uns eine Lehre sein.


(Beifall bei der FDP)


Wir diskutieren in Deutschland zu wenig über die
onsequenzen, die sich durch globale Veränderungen
er jüngeren Zeit für unsere Menschenrechtspolitik erge-
en. Diese Veränderungen bieten große Chancen für die
enschenrechte. Das will ich gar nicht bestreiten. Das

nternet, der globale Informationsaustausch, macht es
iktaturen schwerer, die eigene Bevölkerung zu kontrol-

ieren und zu unterdrücken. Der internationale wissen-
chaftliche Austausch funktioniert auf dem Prinzip der
reiheit. Auch das ist weltweit ein großer Fortschritt. In
ielen Ländern, die wirtschaftlich aufstreben, beispiels-
eise China, entsteht eine Art Mittelschicht, die Freiheit
eute noch nicht so artikuliert und so versteht, wie wir
as in Europa tun. Sie braucht noch Entfaltungschancen
nd wird diese auch einfordern. Das sind ermutigende
ntwicklungen.

Ich glaube auch, dass sich Machtverschiebungen er-
eben haben, die unsere heutigen Einflussmöglichkeiten
n verschiedenen Bereichen schmälern. Es handelt sich
m wirtschaftliche Machtverschiebungen, wie wir sie
eispielsweise in China erleben. Früher war es so, dass
hina bei der technischen Partnerschaft und Zusammen-
rbeit eindeutig auf Europa angewiesen war. Das ist im-
er weniger der Fall und wird sich in einigen Jahren

omplett geändert haben. Dies betrifft aber nicht nur
hina, sondern beispielsweise auch Afrika, wo viele






(A) )



(B) )


Florian Toncar
Rohstoffe vorhanden sind. Länder wie der Sudan haben
Interesse an technischer Zusammenarbeit. Hier ist es so,
dass mit China eine Alternative zur Verfügung steht, die
technisches Know-how liefern kann, die investiert und
keine lästigen Fragen zu den Menschenrechten stellt.
Das schmälert den europäischen Einfluss dort. Wenn wir
ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass wir noch keine
Lösung für dieses Problem gefunden haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn man sich Deutschland anschaut, muss man ei-
nes feststellen: Unsere Rohstoffabhängigkeit von ande-
ren Ländern nimmt zu. Wir sind hinsichtlich unserer
Rohstoffimporte beispielsweise von Russland und vielen
zentralasiatischen Ländern abhängig. Das ist eine Re-
gion, in der sich bezüglich der Menschenrechte auch im
Jahr 2006 vieles dramatisch verschlechtert hat. Gerade
in Russland ist es so, dass der dortige Präsident nun
wahrlich kein lupenreiner Demokrat ist, sondern dass er
bei jeder Gelegenheit alles tut, um auch nur die kleinsten
Ansätze von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Zivil-
gesellschaft zu zerstören.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die jüngsten Mordfälle müssen aufgeklärt werden. Man
sollte sich vor vorschnellen Urteilen hüten, aber es ist
unbestreitbar, dass kritische Geister in Russland nicht si-
cher sind. Wer auch immer dahintersteckt, es ist zumin-
dest so, dass Teile der Staatsgewalt, Teile des Geheim-
dienstes offensichtlich eine Eigendynamik entwickeln,
die schädlich ist und auch nur Ansätze einer freiheitli-
chen Kultur in Russland zerstört.

Wenn wir das sehen, müssen wir gleichzeitig zuge-
ben: Wir können aufgrund unserer Rohstoffabhängigkeit
weniger dazu sagen, als nötig wäre. Auch das ist ein stra-
tegisches Problem für unsere Menschenrechtspolitik, das
wir angehen müssen. Wir müssen uns einfach einmal
über das, was wir kennen, hinaus unterhalten. Es ist im-
mer gut, Resolutionen zu verabschieden, die Lage anzu-
sprechen oder zu verurteilen. Aber wenn man am Ende
keinen politischen Druck entfalten kann, dann haben all
diese Deklarationen nicht den Wert und nicht den Effekt,
den sie haben sollten. Insofern müssen wir uns damit be-
schäftigen.


(Beifall bei der FDP)


Ich glaube, dass es drei Ansatzpunkte gibt, wie man
diesem Problem begegnen kann.

Erstens. Die deutsche Menschenrechtspolitik muss
endlich Schwerpunkte setzen. Das tut sie bisher nicht.
Wenn man den Menschenrechtsbericht der Bundesregie-
rung liest, stellt man fest, dass er ein Gemüsegarten ist,
in dem alle Themen gleichrangig abgehandelt werden
und keine Priorisierung stattfindet.

Zweitens. Wir müssen uns stärker auf Europa konzen-
trieren. Ich glaube, unilateral ist immer weniger mög-
lich.

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(C (D Drittens. Ein Aspekt wird für unsere Menschenrechtsolitik immer wichtiger, über den oft nur im wirtschaftsolitischen Zusammenhang diskutiert wird: Wenn wir es icht schaffen, unsere Rohstoffabhängigkeit, unsere Abängigkeit von Importen von Öl und Gas zu verringern, ann werden wir nicht den politischen Einfluss haben, en wir in Menschenrechtsfragen gerne hätten. Insofern st die Entwicklung anderer Energien, aber allerdings uch – das muss man im Hinblick auf die Grünen sagen – in Festhalten an Technologien wie der Kernenergie ichtig, damit wir den Schritt weg vom Öl und weg vom as gehen können und außenpolitisch und menschen echtspolitisch Fortschritte erzielen können. (Beifall bei der FDP – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Menschenrechten zu tun?)


Ich will abschließend auf einen Antrag eingehen, über
en heute abgestimmt werden soll. Es geht um die Be-
leitung von VN-Friedensmissionen durch Menschen-
echtsbeobachter. Der Bundesaußenminister hat völlig
u Recht darauf hingewiesen, dass im Rahmen der
SVP bereits Menschenrechtsbeobachter zum Einsatz
ommen. Dabei handelt es sich um Zivilisten, die die
ission begleiten und darauf achten sollen, dass das

hema Menschenrechte bei einem Militäreinsatz im
usland angemessen berücksichtigt wird und dass die
ruppen, die im Ausland eingesetzt werden, die Men-
chenrechte einhalten.

Ich glaube, das ist ein sehr sinnvoller Ansatz. Denn
gal, ob wir Truppen im Rahmen der VN oder im Rah-
en der EU ins Ausland schicken, so ist eindeutig: Wir

aben ein vitales Interesse daran, dass sie sich einwand-
rei verhalten. Allerdings frage ich mich: Wenn wir
ann, wenn europäische Truppen zum Einsatz kommen,
enschenrechtsbeobachter mitschicken, warum können

nd sollen wir das nicht auch bei einem Einsatz im Rah-
en der Vereinten Nationen tun?

In diesem Zusammenhang wundert mich sehr, was
er Menschenrechtsausschuss zu unserem Antrag auf
egleitung von VN-Missionen durch Menschenrechts-
eobachter beschlossen hat. Das muss man sich einmal
uf der Zunge zergehen lassen: Der Verteidigungsaus-
chuss stimmt unserem Antrag zu. Im Auswärtigen Aus-
chuss ist die Stimmung gemischt. Ausgerechnet der
enschenrechtsausschuss ist der Ausschuss, der den

insatz von Menschenrechtsbeobachtern im Rahmen
on VN-Missionen bremst. Ich glaube, das ist kein Ruh-
esblatt für diesen Ausschuss und auch nicht für die

eutsche Menschenrechtspolitik.


(Beifall bei der FDP – Jörg van Essen [FDP]: Das ist wirklich peinlich! Mehr als peinlich!)


In der Beschlussempfehlung heißt es, dieser Antrag sei
von vorgestern“. Ich habe den Eindruck, diese Aussage
erdeutlicht, dass manche Kollegen nicht auf der Höhe
er Zeit sind. Denn all diejenigen, die sich mit solchen
insätzen beschäftigen, machen immer wieder darauf auf-
erksam, wie wichtig die Nutzung dieses Instruments
äre. Ich bitte Sie herzlich, in dieser Frage zu einer
onstruktiven Menschenrechtspolitik zurückzukehren.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607000600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Steinbach,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1607000700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Tag der Menschenrechte am 1. Dezember, also morgen,
mahnt vor allem uns Politiker, sich an die Seite unter-
drückter und verfolgter Menschen zu stellen. Der Bun-
desaußenminister hat das eben sehr eindrucksvoll getan
und deutlich gemacht, wie die große Koalition Men-
schenrechtspolitik betreibt.

Tagtäglich werden wir alle über die Bildschirme und in
den Zeitungen mit fundamentalen Menschenrechtsverlet-
zungen unterschiedlichster Art konfrontiert. In unserem
vorliegenden Antrag widmen wir uns einer besonders
verfolgten Gruppe: allen religiös verfolgten Menschen
weltweit. Da die Situation der Christen heutzutage teil-
weise dramatisch ist, will ich mich heute in Solidarität mit
unseren Glaubensgeschwistern in erster Linie ihrer Lage
annehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Religionsfreiheit ist ein Teil der individuellen
Menschenwürde und daher ein in vielen internationalen
Konventionen verankertes Menschenrecht. Die Reli-
gionsfreiheit ist ein zentrales Ziel der Charta der Verein-
ten Nationen. Sie ist festgeschrieben in der Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte, in der Europäischen
Menschenrechtskonvention und im Internationalen Pakt
über bürgerliche und politische Rechte.

Papier ist aber leider geduldig. Die Realität sieht oft-
mals völlig anders aus. Der traurige Alltag vieler Chris-
ten hat mit den schriftlich verankerten Garantien nicht
mehr viel gemein.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Leider wahr!)


Vielmehr ist er gekennzeichnet von Diskriminierung im
privaten Umfeld, von Behinderung der Religionsaus-
übung, von Bedrängnis, von Schikane und strafrechtli-
cher Verfolgung, die sogar in einem Todesurteil enden
kann. Dies machte das Gerichtsverfahren gegen den zum
Christentum konvertierten Afghanen Abdul Rahman im
März dieses Jahres deutlich.

Religiöse Verfolgung findet heutzutage in vielen nicht
demokratischen Gesellschaftssystemen statt; das gilt für
alle Religionen, insbesondere allerdings für Menschen
christlichen Glaubens. Aber sie lässt sich nicht auf eine
bestimmte Staats- oder Gesellschaftsform begrenzen.
Verfolgt wird sowohl in atheistischen Diktaturen als
auch in religiös-totalitären Gesellschaften. In mindestens
50 der 200 Staaten der Welt werden heute Menschen
christlichen Glaubens diskriminiert oder verfolgt. Unter
den religiös Verfolgten macht allein die Gruppe der
Christen 80 Prozent aus. Neueste Schätzungen gehen so-
gar von 90 Prozent aus. Mit der Kairoer Erklärung der
Menschenrechte der Organisation der Islamischen Kon-
ferenz wurde der Schutz der Religionsfreiheit in islami-
schen Ländern völlig entwertet, indem die Einhaltung

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(C (D er Menschenrechte dort unter den Vorbehalt der Scharia estellt worden ist. Mit Saudi-Arabien, dem Iran, Somalia, den Maledien und dem Jemen finden sich fünf islamische Länder uf den ersten zehn Plätzen des Weltverfolgungsindexes er Organisation „Open Doors“. Missionierungstätigkeit ird in ihnen selbstverständlich untersagt. In Saudirabien, im Jemen und im Iran steht auf den Abfall vom slam die Todesstrafe. Die christlichen Minderheiten erden als ein Sicherheitsrisiko für den Staat angesehen nd daher durch Einschüchterung nach Möglichkeit zur ufgabe ihres Glaubens oder aber zur Flucht gezwungen zw. gedrängt. Es ist unübersehbar, dass in mehreren ändern mit muslimischer Mehrheitsbevölkerung die adikalisierung des Islam zu einer sehr viel stärkeren nterdrückung der dort lebenden Christen geführt hat nd immer noch führt. Besonders erschütternd und so desolat wie in keinem nderen Land ist die Situation von Christen in der atheisischen Diktatur Nordkorea. Dieses Land steht das ierte Jahr in Folge an der Spitze des Weltverfolgungsndexes. Über 2 000 christliche Gemeinden mit 00 000 Gläubigen sind dort einfach spurlos verschwunen. Man weiß nicht, was aus ihnen geworden ist. Immer ieder sickern erschreckende Berichte über öffentliche inrichtungen von Gläubigen, Inhaftierung in Zwangs rziehungslagern und auch über Folter durch verschieene Kanäle zu uns durch. Allerdings sind die Informaionen spärlich. Auch der Blick nach China kann nicht beruhigen. nsgesamt hat sich die Lage wohl etwas gebessert. Aber ie Behörden unterdrücken weiterhin alle religiösen Akivitäten, die über das hinausgehen, was das vom Staat ontrollierte religiöse System zulässt. Die Mehrheit der hristen, die sich nicht der Kontrolle der staatlich regis rierten Kirche unterordnen will, muss ihren Glauben in er Illegalität, in so genannten Hauskirchen ausüben. Aber auch in unserer geografischen Nähe gibt es andhabungen von Religionsfreiheit, die wir zumindest ls problematisch werten müssen. Mit besonderer Auferksamkeit muss hier die Situation der Christen in der ürkei betrachtet werden. Innerhalb der letzten 90 Jahre st der Anteil der Christen an der Gesamtbevölkerung er Türkei durch Verfolgung und Genozid von 0 Prozent auf 0,2 Prozent geschrumpft. Die Religionsreiheit wird zwar heute verfassungsrechtlich garantiert nd ihre Behinderung im neuen Strafgesetzbuch sogar nter Strafe gestellt – was wir sehr begrüßen –; doch die lltägliche Diskriminierung von Christen, insbesondere er syrisch-orthodoxen Christen im Südosten der Türkei, ird dadurch nicht verhindert. Die Gewalttätigkeiten gegenüber katholischen Geistichen nehmen sogar zu. Trauriger Höhepunkt war die rmordung des katholischen Priesters Andrea Santoro m Februar dieses Jahres. Erzbischof Padovese hat beichtet – das konnte man gestern im Fernsehen sehen –, ass in diesem Jahr bereits ein zweiter Anschlag auf eien Priester verübt wurde. Der Besuch von Papst enedikt machte deutlich, dass christenfeindliche emonstrationen und christenfeindliche Töne an der Erika Steinbach Tagesordnung sind. Äußerst problematisch ist zudem, dass Kirchen in der Türkei keine Rechtspersönlichkeit haben, also in ihrem Handeln nicht unmittelbar gesichert sind. Sie müssen vielmehr als Stiftung oder Verein gegründet werden. In diesem Zusammenhang haben sie oft mit vielfachen bürokratischen Hindernissen zu kämpfen. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es auch unabhängig von Beitrittsverhandlungen nötig ist, die Situation der Christen gegenüber der Türkei zu thematisieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


Aktuelle Beispiele für den oft lebensbedrohlichen Alltag
von Christen gibt es leider viel zu viele, als dass die Zeit
ausreichen würde, sie alle aufzuzählen.

Abschließend will ich den Fokus nach innen, auf uns
in Deutschland richten. Dabei geht es um unser christli-
ches Selbstverständnis. Wir leben in Deutschland auf
dem Fundament des christlichen Abendlandes. Unsere
Werte sind vom christlichen Glauben und von der Auf-
klärung geprägt und Toleranz gegenüber anderen Reli-
gionen ist bei uns selbstverständlich. Das Bekenntnis zu
den eigenen Wurzeln gehört aber genauso nötig dazu.
Deshalb gehören christliche Symbole unverzichtbar
nicht nur in die Privatheit in unserem Land, sondern
auch in das öffentliche Leben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Verbot von Kreuzen in Gerichten oder Schulen
widerspricht unseren eigenen kulturellen Wurzeln. Das
Kreuz ist nicht politisch unkorrekt, sondern ein Symbol
unserer eigenen Werteordnung und Kultur.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Durch diese Werteordnung ist uns auch aufgegeben, an
der Seite verfolgter Christen weltweit zu stehen. Das dis-
kriminiert andere Religionen überhaupt nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Dieser Bekennermut ist sehr gut!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607000800

Nächster Redner ist der Kollege Michael Leutert,

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607000900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am

Umfang des jetzt zu behandelnden Tagesordnungspunk-
tes kann man sehen, dass uns allen die Achtung und
Durchsetzung der Menschenrechte ein Herzensanliegen
ist. Ich bin geneigt, etwas zu dem Antrag „Solidarität mit
verfolgten Christen und anderen verfolgten religiösen
Minderheiten“ und Ihrer Rede, Frau Steinbach, zu sagen.
Dies übernimmt allerdings mein Kollege, weil meine
Redezeit leider sehr begrenzt ist.

Ich möchte etwas zu den vorliegenden Anträgen zur
Grundrechteagentur der EU sagen. Es geht um die

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(C (D inrichtung einer neuen Institution im Bereich der Menchenrechte, in der immerhin 100 Mitarbeiter tätig weren sollen und die über ein Budget von 30 Millionen uro verfügen soll. So weit, so gut. Allerdings muss ich ugeben, dass ich mich einer gewissen Skepsis nicht erehren kann. Die FDP hat heute einen Antrag vorgelegt, mit dem ie versucht, diese Grundrechteagentur in letzter Minute u verhindern. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der DP, Ihr stärkstes Argument ist, dass diese Grundrech eagentur nicht unabhängig und letztendlich Teil der xekutive sein wird. Dieses Argument könnte uns dazu erführen, Ihrem Antrag zuzustimmen. hr schwächstes Argument ist allerdings, dass diese rundrechteagentur zu teuer ist und dass doch alles viel reiswerter und effektiver mit anderen Institutionen zu aben ist. (Jörg van Essen [FDP]: So ist es! – Markus Löning [FDP]: Lesen Sie unseren Antrag einmal richtig!)


(Beifall des Abg. Markus Löning [FDP])


Lassen Sie mich hier feststellen: Für eine Politik, die
uf die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte
usgerichtet ist, sind uns auch 30 Millionen Euro nicht
u viel.


(Beifall bei der LINKEN)


ch komme nicht darum herum, hier noch einmal zu sa-
en, dass das Verhältnis betrachtet werden muss:
0 Millionen Euro sind nicht einmal 10 Prozent der Kos-
en für den derzeit laufenden Militäreinsatz in Afghanis-
an. Und dort geht es angeblich ja auch um Menschen-
echte. Diese 30 Millionen Euro können für uns also
icht zu viel sein.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Aus dem Antrag der Grünen weht der Geist hervor:
as Kind ist bereits in den Brunnen gefallen, nun müs-

en wir sehen, was wir noch verbessern können. Die
undesregierung soll aufgefordert werden, sich für die
chaffung dieser Institution einzusetzen. In der Zeit, in
er die Grundrechteagentur auf den Weg gebracht
urde, war die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
eil der Regierungskoalition. Ich frage, warum das da-
als nicht geschehen ist. Das ist für mich irgendwie ty-

isch grün.

Nichtsdestotrotz denke ich, dass wir uns heute auf
olgendes einigen können – in diesen Punkten sehe ich
inen Konsens zwischen allen Fraktionen –: Erstens ist
s wichtig – darin stimmen wir mit dem Deutschen Insti-
ut für Menschenrechte überein –, dass die Grundrech-
eagentur größtmögliche Unabhängigkeit besitzt. Zwei-
ens ist es wichtig, dass sich die Befugnisse der Agentur
uf die Kontrolle der polizeilichen und justiziellen Zu-
ammenarbeit erstrecken.

Wir sollten uns außerdem dafür einsetzen, dass si-
hergestellt wird, dass die gesammelten Daten der Agen-
ur dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
nd dem Europäischen Gerichtshof zur Verfügung ge-






(A) )



(B) )


Michael Leutert
stellt werden. Darin stimmen wir ebenfalls mit den Grü-
nen überein. Richtig ist letztlich auch – auch dafür soll-
ten wir uns einsetzen –, dass der Europarat eine bessere
Finanzausstattung im Bereich der Menschenrechte erhal-
ten muss.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607001000

Volker Beck ist der nächste Redner für die Fraktion

des Bündnisses 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607001100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der

Tagesordnung wird zweierlei deutlich: zum einen, dass
das Thema Menschenrechte uns alle in diesem Haus
fraktionsübergreifend umtreibt, und zum anderen, dass
es weltweit mit den Menschenrechten nicht zum Besten
bestellt ist. Wir müssen uns in dieser Debatte um sehr
viele Themen gleichzeitig kümmern und keinem Thema
kann man die Bedeutung absprechen.

Menschenrechtsfragen betreffen ganze Länder und
Regionen, aber auch Einzelpersonen. Deshalb will ich
mit einem Einzelfall beginnen, der auf ein vergessenes
Volk und ein vergessenes Menschenrechtsproblem ver-
weist.

Letzte Woche hatte ich meinem Büro Besuch von ei-
ner mutigen und tapferen Frau, Rebiya Kadeer, einer
wichtigen Aktivistin der Uiguren, einem Volk im Osten
Chinas – früher nannte man die Region Ostturkestan –,
das seit Jahren verfolgt und unterdrückt wird. Im Namen
der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus wird ein
ganzes Volk von der chinesischen Zentralregierung un-
terdrückt, gebrandmarkt und drangsaliert.

Wir erleben es seit dem 11. September immer wieder,
dass autoritäre Regime unter dem Vorwand der Bekämp-
fung des internationalen Terrorismus ganze Bevölkerun-
gen, Völker und Religionen stigmatisieren und unter-
drücken. Das ist in China bei den Uiguren der Fall, in
Russland bei den Tschetschenen und in Usbekistan beim
Umgang mit dem Aufstieg von Andischan.

Die mutige Frau, die mich in meinem Büro besucht
hat, erzählte mir, dass die Chinesen sie aufgefordert hät-
ten, sich zwischen ihrem Volk und ihrer Familie zu ent-
scheiden. Ihre Familie lebt noch in China. Sie hat mit
Tränen in den Augen gesagt, sie könne nicht anders, als
für die Rechte ihres Volkes einzustehen. In der darauf
folgenden Woche wurde sie zur Vorsitzenden der uiguri-
schen Auslandsorganisation gewählt.

Einen Tag nach der Wahl der Menschenrechtlerin
Kadeer zur neuen Präsidentin des Weltkongresses der
Uiguren wurde ihr Sohn in China verhaftet und zu sieben
Jahren Gefängnis verurteilt, angeblich wegen Steuerhin-
terziehung. Ihre anderen Söhne sind ebenfalls in Haft.

Herr Bundesaußenminister, ich bitte die Bundesregie-
rung, in Peking zu demarchieren und sich nach dem
Schicksal der Kinder von Frau Kadeer zu erkundigen.
Denn so etwas darf der Weltöffentlichkeit nicht gleich-

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(C (D ültig sein. Hier ist Solidarität gefragt. Oftmals besteht nser einziges Mittel, diesen tapferen Menschen zu helen, darin, Öffentlichkeit zu schaffen und Anfragen an ie Regierungen zur Situation von Menschenrechtsaktiisten und ihren Angehörigen zu richten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Im Antrag der Koalition zur EU-Ratspräsidentschaft
ird zu Recht festgestellt, dass die größte humanitäre
atastrophe der Gegenwart die Situation in Darfur im
udan ist. Der Menschenrechtsausschuss hat sich ges-

ern Abend damit beschäftigt und eine gemeinsame Re-
olution mit den Stimmen der Koalition und den Grünen
erabschiedet, in der wir Folgendes fordern: Die Bun-
esregierung soll eine politische Führungsrolle im Rah-
en der EU-Ratspräsidentschaft einnehmen, um die Si-

uation in Darfur zu lösen, um das Regime in Khartum
ndlich dazu zu bewegen, eine internationale Schutz-
ruppe in Darfur zu akzeptieren, die – anders als die
eutige AMIS-Mission mit 7 000 Mann – sowohl zah-
enmäßig als auch militärisch in der Lage ist, die Men-
chen in Darfur vor einer Fortsetzung des Völkermordes
u schützen. Wir haben außerdem gesagt: Die Bundes-
egierung soll, wenn es auf internationaler Ebene nicht
nders geht, die Europäische Union auffordern, Sanktio-
en gegen das Regime in Darfur zu verhängen. Ich bin
roh, dass diese Anregung meiner Fraktion aufgenom-
en wurde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Koalition weist in ihrem Antrag darauf hin, dass
ie Stationierung von UN-Truppen wesentliche Voraus-
etzung für die Sicherheit in der dortigen Region ist; das
st richtig. Wenn die UN es auf der Grundlage eines
innvollen Konzepts und in Verhandlungen mit der Re-
ierung in Khartum schafft, UN-Truppen dorthin zu
chicken, und Deutschland gefragt ist, hierzu seinen Bei-
rag zu leisten, dann dürfen wir uns nicht verweigern.

enn die internationale Völkergemeinschaft in der Lage
st, einen Völkermord zu stoppen, dann kann Deutsch-
and nicht beiseite stehen, wenn es gefragt ist. Deshalb
in ich über einige Aussagen aus der Koalition sehr ver-
undert, mit denen Bundesverteidigungsminister Jung
nd Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul aufgrund
hrer mutigen und richtigen Worte angegriffen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Wir wundern uns über Sie!)


Herr Ramsauer, Sie haben gesagt – und das kritisiert –
an solle sich nicht äußern, bevor man gefragt werde.
as ist richtig. Leider hat am 6. September dieses Jahres
ie Bundeskanzlerin, ohne gefragt zu sein, eine Beteili-
ung Deutschlands an einer solchen Schutztruppe ver-
eigert. Das war das falsche Signal. Wir sollten viel-
ehr deutlich machen, dass wir die Vereinten Nationen

ei der Beendigung dieses Völkermords nach Kräften
nterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Volker Beck (Köln)

Frau Steinbach, Sie haben zu Recht die Solidarität mit
verfolgten religiösen Minderheiten angemahnt. Es gibt
in der Tat in vielen Ländern keinen Respekt vor der
Glaubensfreiheit. Glaubensfreiheit bedeutet, dass man
seinen Glauben individuell praktizieren darf, dass man
seinen Glauben in der Öffentlichkeit kollektiv, als Reli-
gionsgemeinschaft ausüben darf und dass man seine
Glaubensüberzeugung wechseln und zu einem anderen
Glauben übertreten darf. Die Verfolgung von religiösen
Minderheiten ist weltweit ein großes Problem, aber nicht
nur für Christen, sondern auch für Juden, Bahai, Alevi-
ten sowie – je nachdem wer gerade Mehrheitsreligion
ist – sunnitische und schiitische Minderheiten. Wir soll-
ten uns auch wegen der Glaubwürdigkeit unserer Posi-
tion international dafür einsetzen, dass alle religiösen
Minderheiten ihren Glauben frei ausüben können, dass
sie missionieren dürfen und dass Menschen ihren Glau-
ben wechseln dürfen. Wir dürfen uns nicht allein auf die
Christen fokussieren.

Sie haben die Probleme mit der Türkei angesprochen.
Meine Fraktion hat schon vor längerer Zeit in einer Klei-
nen Anfrage auf die Situation der Religionsgemein-
schaften in der Türkei hingewiesen. In der Tat ist sie für
bestimmte christliche Minderheiten besonders schwierig,
wenn sie nicht unter den Lausanner Vertrag fallen. Für
andere religiöse Minderheiten wie die Aleviten ist es ein
Drama, weil sie noch nicht einmal als religiöse Gemein-
schaft anerkannt werden. Vielmehr versucht man in der
Türkei, sie im sunnitischen Mehrheitsglauben quasi un-
terzupflügen und sie zwangszuislamisieren, obwohl sie
eine eigene religiöse Identität haben. Aber vor dieser hat
der türkische Staat keinen Respekt. Wir müssen in den
Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Ge-
meinschaft dafür sorgen, dass die Türkei allen Religions-
gemeinschaften die gleichen Rechte wie der sunnitischen
Glaubensmehrheit gibt. Das betrifft die Rechtspersön-
lichkeit, den Immobilienbesitz und die Artikulation der
Glaubensgemeinschaften im öffentlichen Raum.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Hakki Keskin [DIE LINKE])


Frau Steinbach, Sie haben die Frage angesprochen,
was das für unser Land heißt. Wenn Sie sagen, das Kreuz
solle im öffentlichen Raum auch von Lehrerinnen und
Lehrern und von Menschen, die im Staatsdienst stehen,
gezeigt werden, dann müssen Sie in gleicher Weise auch
den Musliminnen zugestehen, dass sie im öffentlichen
Raum das Kopftuch als Ausdruck ihres Glaubens tragen.
Das gehört nicht zu unserer Kultur und es mag uns
fremd und unverständlich sein, was da geglaubt wird;
aber wenn wir die öffentliche Artikulation von Glau-
bensbezeugungen im staatlichen Raum zulassen, dann
muss das für alle Religionsgemeinschaften und religiö-
sen Überzeugungen in gleicher Weise gelten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir zu Recht kritisieren, dass in der Türkei die
christliche Religion nicht gleichgestellt ist, dann müssen
wir darauf hinweisen, dass auch wir ein Stück Weges vor
uns haben, um den Islam mit dem Christentum und dem
Judentum gleichzustellen.

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(C (D Ich wollte noch eine ganze Reihe von Themen anprechen, aber ich sehe, dass mich der Präsident wegen einer Redezeit ermahnt. Vielen Dank, meine Damen und Herren. Ich erteile nun dem Kollegen Christoph Strässer für ie SPD-Fraktion das Wort. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einer der rößten deutschen Denker, dessen Geburtstag wir kürzich gefeiert haben, Immanuel Kant, hat in seiner Grundlegung zur Metaphysik der Sitten“ Folgendes ormuliert: Der Mensch existiert als Zweck an sich selbst, nicht bloß als Mittel zum beliebigen Gebrauche für diesen oder jenen Willen. ch glaube, dieser Gedanke der europäischen und deutchen Aufklärung ist nach wie vor Leitlinie und muss eitlinie des Handelns der Politik in diesen Tagen sein, nsbesondere weil auf diesen Werten die Werte der Euroäischen Union und ihrer weiteren Vereinigungen gelen. Deshalb hat die Bundesrepublik Deutschland im Zuge er EU-Ratspräsidentschaft die Chance und die Pflicht, lles dafür zu tun, den Menschenrechten weltweit mehr achdruck zu verleihen; denn auch dies gehört in das ewusstsein der Menschen in unserem Land: Brüssel, ie EU, hat nicht nur etwas mit Geld zu tun. Brüssel, die uropäische Union, beruht auf den Grundsätzen der reiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenechte, der Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit. ch glaube, dies in das Bewusstsein der Bürgerinnen und ürger in der Europäischen Union zu rufen, ist aller Eh en und aller Auseinandersetzungen wert. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Florian Toncar [FDP])


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607001200
Christoph Strässer (SPD):
Rede ID: ID1607001300

Gerade vor diesem Hintergrund bedauern wir es sehr,
ass der Verfassungsprozess ins Stocken geraten ist, insbe-
ondere nachdem sich der Deutsche Bundestag mit über-
ältigender Mehrheit für die Verfassung ausgesprochen
at und weil die Übernahme der Charta der Grundrechte
er EU in den Verfassungsvertrag aus menschenrechtli-
her Sicht eine deutliche Stärkung des Menschenrechts-
chutzes innerhalb der Europäischen Union bedeutet
ätte. Deshalb bedanke ich mich dafür, dass die Bundes-
egierung gestern offensichtlich bei der Festlegung ihres
rogramms für die Präsidentschaft klar gemacht hat,
ass sie wesentliche Impulse zur Wiederbelebung des
erfassungsprozesses setzen wird. Ich glaube, das ist ein
uter Schritt für die Zukunft der Europäischen Union.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Christoph Strässer
Wenn wir im Deutschen Bundestag über Menschen-
rechte diskutieren, dann ist ein Thema – das muss es
auch sein – die Auseinandersetzung mit dem Kampf ge-
gen den Terrorismus. Terrorismus ist ganz ohne jeden
Zweifel eine der großen Bedrohungen für die menschli-
che Entwicklung. Gerade in unseren hoch vernetzten
Gesellschaften ist aber auch klar: Einen absoluten
Schutz vor terroristischen Anschlägen kann und wird es
nicht geben. Deshalb gilt für uns auch heute noch, nach
250 Jahren, die Einschätzung von Benjamin Franklin:
„Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird
beides verlieren.“ Auch der Deutsche Bundestag hat im-
mer wieder bekräftigt: Terrorismusbekämpfung kann nur
dann erfolgreich sein, wenn sie von der Wahrung der
Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit geprägt ist.

Von großer Bedeutung für alle europäischen Staaten
– nicht nur für die Mitgliedsländer der EU – sind die An-
erkennung und insbesondere die Implementierung der
Europäischen Menschenrechtskonvention. Wir haben
im Deutschen Bundestag mehrfach deutlich gemacht
– ich tue es an dieser Stelle erneut –: Die Entführung, die
Folterung, auch die illegale Verbringung von Menschen
an geheime Orte innerhalb Europas oder mit Wissen
oder unter Mitwirkung von Mitgliedstaaten der EU au-
ßerhalb unseres Kontinents verstößt gegen die Europäi-
sche Menschenrechtskonvention und ist deshalb von uns
nicht hinzunehmen.


(Beifall im ganzen Hause)


Ich möchte an dieser Stelle einige Sätze als Mitglied
der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sa-
gen. Der Europarat ist mit seinen mittlerweile 46 Mit-
gliedstaaten Hüter der Menschenrechte in und für ganz
Europa, und dies mit einem Jahresbudget – Herr Kollege
Leutert, ich möchte das jetzt nicht mit Afghanistan ver-
gleichen, sondern mit einem für viele von uns viel näher
liegenden Beispiel –, mit dem man in Deutschland oder
in den Niederlanden – Herr Präsident van der Linden hat
uns gestern darauf aufmerksam gemacht – vielleicht
30 oder 40 Kilometer Autobahn bauen könnte. Das
zeigt, dass die Arbeit des Europarates zum Schutz der
Menschenrechte nicht allzu viel Unterstützung erfährt.
Ich meine, das ist verbesserungswürdig, auch während
der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der FDP)


Eine bedeutsame Institution ist nach wie vor der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in
Straßburg. Nach meiner Überzeugung ist er der wich-
tigste Bestandteil des europäischen Menschenrechts-
schutzsystems. Aber der Erfolg hat auch seinen Preis.
Wenn man so will: 80 000 anhängige Verfahren sind
nicht nur ein Beleg für eine beispiellose Erfolgsbilanz,
sondern gleichzeitig auch eine enorme Belastung. Es
wäre ein verdienstvoller Beitrag der Bundesregierung
während ihrer Ratspräsidentschaft, die materiellen und
die finanziellen Voraussetzungen für eine Verbesserung
der Ausstattung des Europäischen Gerichtshofs für Men-
schenrechte deutlich anzuheben.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist ebenfalls eine wesentliche Aufgabe.

Auch jenseits des Verfassungsprozesses ist der Bei-
ritt der Europäischen Union zur Europäischen Men-
chenrechtskonvention politisch erstrebenswert – ich
egrüße außerordentlich, dass sich der Bundesaußen-
inister dazu klar geäußert hat –, damit das Handeln der
U als solches, das viele Bürgerinnen und Bürger nicht
ls Fortschritt empfinden, dem Menschenrechtsschutz-
ystem des Europarates zuzuordnen ist. Mit diesem Ziel
ollten wir uns ebenfalls auseinander setzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch ich möchte gern in aller Kürze etwas zur ge-
lanten EU-Agentur für Grundrechte sagen. Eine sol-
he zusätzliche Institution im Menschenrechtsschutzsys-
em macht nach meiner Überzeugung nur dann Sinn,
enn mit ihr ein Mehrwert für den Menschenrechts-

chutz in Europa erreichbar ist und wenn mit ihr eben
eine überflüssige Konkurrenz zu existierenden und funk-
onierenden Institutionen des Europarates entsteht. Die

Vergleich zur bereits dargestellten Ausstattung aller In-
titutionen des Europarates üppige finanzielle und perso-
elle Besetzung stimmt zumindest nachdenklich.

Ich plädiere an dieser Stelle nochmals für eine sorg-
ältige Beratung im Europäischen Rat. Ich appelliere
uch in diesem Sinne an die Bundesregierung, dafür ein-
utreten, dass es hier nicht zu einer Doppelung und da-
it zu einer Einschränkung der Wirksamkeit des Men-

chenrechtsschutzes kommt.


(Beifall des Abg. Markus Löning [FDP])


ur dann macht die EU-Agentur für Grundrechte auch
inen Sinn.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte zum Schluss – mit einer gewissen Emo-
ionalität, die sich dabei einstellt – zu einem Thema Stel-
ung nehmen, das der Kollege Beck angesprochen hat:
ie Situation in Darfur. Für mich diskutieren wir hier
icht über einen Einsatz der Bundeswehr. Herr Kollege
eck, ich teile an dieser Stelle Ihre Auffassung nicht,
ass es gut und richtig ist, sich vorab festzulegen und
inge festzuzurren, die man anschließend begründen
uss.

Auf dem Spiel steht in der Tat die Glaubwürdigkeit
ller internationalen Institutionen, die sich auf eine inter-
ational wirksame Resolution der Vereinten Nationen
eziehen müssen: Die Resolution 1706 muss durchge-
etzt werden; daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.
nsonsten wird nämlich das komplette Menschenrechts-

chutzsystem der Vereinten Nationen infrage gestellt.
as dürfen wir nicht hinnehmen. Lieber Herr Außen-
inister, setzen Sie sich mit aller Kraft und unter Aus-

utzung aller Möglichkeiten, die der internationalen






(A) )


)

Christoph Strässer
Staatengemeinschaft zur Verfügung stehen, dafür ein,
dass das Morden, das Plündern und das Vertreiben in
Darfur aufhören! Das sind wir den Menschen dort schul-
dig.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Michael Leutert [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1607001400

Ich erteile das Wort nun dem Kollegen Markus Lö-

ning für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1607001500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Herr Steinmeier, Sie haben
in Ihrer Rede die EU-Agentur für Grundrechte er-
wähnt und gesagt, Sie wollten den Bedenken des Deut-
schen Bundestages Rechnung tragen. Tun Sie das! Wenn
Sie das tun, dann müssen Sie die Schaffung dieser Agen-
tur stoppen.


(Beifall des Abg. Florian Toncar [FDP])


Die Debatten in diesem Saal und in den Ausschüssen
sind eindeutig gewesen; Entsprechendes haben Sie ge-
rade aus Ihrer eigenen Fraktion gehört. Das ist die Mei-
nung dieses Hauses. Wir alle gemeinsam haben Ihnen
damals einen Brief geschrieben, in dem wir das sehr
deutlich zum Ausdruck gebracht haben.

Selbst wenn man Absprachen getroffen hat nach dem
Motto „Du bekommst dieses und du bekommst jenes;
die Österreicher bekommen jetzt eine Grundrechteagen-
tur“, muss gelten – ich denke, dass das auch auf europäi-
scher Ebene wichtig ist –: Wenn man zu der Überzeu-
gung gekommen ist, dass ein Beschluss überholt ist – es
spricht alles gegen die Grundrechteagentur! –, dann
muss man den Mut haben, auch auf europäischer Ebene
solche Beschlüsse zu kassieren und eben nicht zu sagen:
Nur weil wir einen Deal haben, schaffen wir eine sinn-
lose weitere Verwaltung. – Die Grundrechteagentur
muss gestoppt werden.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Alois Karl [CDU/CSU])


Von den vielen guten Gründen, die es gibt, die Grund-
rechteagentur zu stoppen, möchte ich zwei besonders
ausführen:

Der eine Grund ist folgender: Der ursprüngliche Be-
schluss beruhte auf der Annahme, dass die Grund-
rechtecharta mit der Verfassung in Kraft tritt. Wie wir
nun wissen, tritt die Verfassung zurzeit leider nicht in
Kraft – wir als Liberale würden uns das sehr wünschen –,
aber damit entfällt auch die Grundlage für die Arbeit der
Grundrechteagentur. Es gibt keine rechtsverbindliche
Grundrechtecharta in Europa und damit bedarf es auch
keiner Verwaltung, die sich um die Umsetzung und um
die Einhaltung dieser Grundrechtecharta kümmert.

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(C (D Der andere Grund ist schon genannt worden – es ist chade, dass der Vorsitzende der Parlamentarischen Verammlung nicht mehr hier ist –: Der Europarat leistet erausragende Arbeit im Bereich des Menschenrechtschutzes. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


er Europarat bedarf all unserer Unterstützung, was
iese Frage angeht.

Unser Antrag zielt darauf ab, dass eben nicht sinnlos
00 Stellen in einer Grundrechteagentur geschaffen wer-
en und sinnlos 30 Millionen Euro für diese Agentur
usgegeben werden. Sie machen es im Übrigen noch
chlimmer dadurch, dass Sie den Wirkungskreis eingren-
en. Wenn die Agentur nur noch innerhalb der EU irgend-
twas beobachten soll, wird es ja nicht besser, sondern
och sinnloser. Wir brauchen das Geld und die Stellen
ür die Unterstützung der Menschenrechtsarbeit im
uroparat. Das würde Sinn machen. Das wäre ein klares
eichen für die Unterstützung der Menschenrechts-
rbeit.


(Beifall bei der FDP)


Lassen Sie mich ganz zum Schluss noch etwas anfüh-
en, was ich skandalös finde. Das richtet sich insbeson-
ere an die beiden Koalitionsfraktionen, aber auch an
ie, Herr Beck. Hier hätten wir als Deutscher Bundestag
ie Chance gehabt, der Bundesregierung ein klares
andat für die Verhandlungen mitzugeben. Wir als

DP haben gesagt: Lassen Sie uns über das Thema
rundrechteagentur heute hier abstimmen! Es wird in
enigen Tagen im Rat abschließend behandelt. – Aber
ei der Koalition herrscht ganz offensichtlich Feigheit
or der eigenen Courage. Dieser Antrag soll in die Aus-
chüsse verwiesen werden. Damit äußert sich der Bun-
estag nicht, bevor die Regierung handelt, und beraubt
ich damit seiner Handlungsfähigkeit.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse)


ir brauchen nicht monatelang auszuhandeln, wie zu er-
eichen ist, dass der Deutsche Bundestag in EU-Dingen
ehr zu sagen hat, wenn Sie sich die Möglichkeiten

elbst so beschneiden, meine Damen und Herren. Was
ie hier machen, halten wir für einen Skandal. Es ist eine
eschneidung der Rechte des Parlaments und ein Ver-
icht auf die Nutzung eigener Möglichkeiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607001600

Ich erteile das Wort Kollegen Alois Karl, CDU/CSU-

raktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alois Karl (CSU):
Rede ID: ID1607001700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten

amen und Herren! Mit den heutigen Anträgen behan-
eln wir Themen, die weit über die Tagespolitik hinaus-

(B)







(A) )



(B) )


Alois Karl
gehen. Es ist gut, dass wir im Vorfeld der deutschen
EU-Ratspräsidentschaft die Menschenrechte hier im
Bundestag behandeln.

2007 begehen wir auch das 50-jährige Bestehen der
Römischen Verträge. Die europäische Einigung hat
50 Jahre lang einen dynamischen Prozess erlebt. Zu-
nächst standen wirtschaftliche Fragen im Vordergrund.
Mittlerweile hat auch die Menschenrechtspolitik den
gleichen Rang erzielt. Die europäische Einigung hat uns
unendlich viel gebracht: wirtschaftlichen Wohlstand, so-
ziale Sicherheit, die Freiheit von äußeren Feinden, die
deutsche Einheit.

Wenn wir im nächsten Halbjahr die Menschenrechte
in den Fokus nehmen, ist das richtig, weil sie in vielfälti-
ger Weise gefährdet sind. Frau Steinbach hat darüber ge-
sprochen, dass der Aspekt der Christenverfolgung ver-
nachlässigt wird und die Religionsfreiheit geradezu mit
Füßen getreten wird. Dass wir heute von der größten
Christenverfolgung aller Zeiten sprechen, davon, dass
200 Millionen Christen in 50 Ländern verfolgt werden,
ist ein Faktum, das uns nicht ruhen lassen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Walter Kolbow [SPD])


Auch die Situation in der Türkei, auch die Situation in
Afghanistan mit dem erwähnten Abdul Rahman zeigen,
dass Religionsfreiheit dort oft nur auf dem Papier steht.
Sie steht oft unter dem Vorbehalt der Scharia, ist also le-
diglich zweitrangig.

Mit dem Nachrang der Menschenrechte dürfen wir
uns allerdings nicht zufrieden geben. Menschenrechte
sind unteilbar. Sie gehören zu den unveräußerlichen
Rechten des Menschen. Der Staat gewährt sie ihnen we-
der, noch nimmt der Staat Menschenrechte weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen,
Menschenrechte werden häufig verletzt, werden häufig
ignoriert. Gerade in militärischen Einsätzen ist das so.
Junge Soldaten geraten oft in für sie unbekannte Grenz-
situationen. Hierauf müssen sie vorbereitet sein. Wir
wünschen ausdrücklich, dass junge Soldaten einem Aus-
bildungsprogramm unterzogen werden, in dem ihnen
auch Verhaltensweisen und Verhaltensregeln antrainiert
werden, die den Menschenrechten gerecht werden. Wir
möchten auch, dass in künftige EU-Militärmissionen
Menschenrechtsbeobachter integriert werden.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft sollte sich zu
den Leitlinien der Menschenrechte bekennen, was Kin-
der in bewaffneten Konflikten und was Todesstrafe und
Folter betrifft. Die Existenz von ganzen Armeen aus
Kindersoldaten ist ein unerträglicher Zustand, eine Be-
leidigung ihrer menschlichen Würde.


(Beifall im ganzen Hause)


Meine Damen und Herren, es ist für uns unerträglich,
dass offensichtlich auch in europäischen Staaten über die
Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert wird. Auch
über die Lockerung des Folterverbotes im Antiterror-
kampf wird nachgedacht. Dem sollten wir als Deutscher
Bundestag, meine sehr geehrten Damen und Herren, ent-
schieden entgegentreten.

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(C (D Wir bestärken die Bundesregierung ausdrücklich in em Bemühen, während der Ratspräsidentschaft den enschenrechtsdialog mit dem Iran und China fort uführen oder wieder aufzunehmen. In diesem Zusamenhang verdient der Besuch von Bundeskanzlerin erkel bei Bischof Aloysius Jin in Schanghai unseren usdrücklichen Respekt. Sie hat damit zum Ausdruck ebracht, dass wir die Arbeit dieses unerschrockenen ämpfers für die Religionsfreiheit unter schwierigsten edingungen in besonderer Weise würdigen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall im ganzen Hause)


Wir wünschen auch, dass die Konsultationen mit
ussland wieder aufgenommen werden. Der russische
räsident hat es in Tschetschenien selbst in der Hand,
nter Beweis zu stellen, dass er gewillt ist, internationale
erträge mit ihren Menschenrechtsbindungen einzuhal-

en.

Unter dem Vorwand des Antiterrorkampfes finden
eltweit schwerste Menschenrechtsverletzungen statt.
olitisch missliebige Gegner, Angehörige ethnischer und
eligiöser Minderheiten werden oft unter dem Vorwand
es Antiterrorkampfes verfolgt. Abu Ghuraib und Guan-
anamo sind nur wenige Spitzen eines Eisberges, wo un-
er Missachtung rechtsstaatlicher und menschenrechtli-
her Gesichtspunkte Menschenrechte negiert und mit
üßen getreten werden.

Wir danken der Bundeskanzlerin ausdrücklich, dass
ie das Thema Guantanamo bei ihrem Besuch in den
SA so offen angesprochen hat.


(Beifall im ganzen Hause)


eben der Feigheit vor dem Feinde, meine sehr geehrten
amen und Herren, gibt es immer noch auch die Tapfer-
eit vor dem Freund. Dies hat Angela Merkel gerade ge-
eigt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir ermuntern die Bundesregierung während ihrer
atspräsidentschaft auch zur Zusammenarbeit mit
frika. Wir freuen uns, dass ein EU-Afrika-Gipfel unter
eutschem Vorsitz stattfinden soll. Wir alle kennen die
ngeheuerlichen Probleme in Afrika. Die existenzielle
ot von Millionen Afrikanern korrespondiert mit dem
ntzug fundamentaler Menschenrechte.

Auch der Beitritt von Rumänien und Bulgarien bringt
eue Aufgaben. In der EU leben 10 Millionen Sinti und
oma. Förderprogramme alleine lösen die Probleme
icht. Es geht um die Integration in ihren eigenen Hei-
atländern.

Unerträglich ist auch der Zustand einer großen Zahl
on Flüchtlingen, die auf den Kanarischen Inseln oder
ei Lampedusa ankommen. Sehr geehrter Herr Außen-
inister, wir bitten die Bundesregierung ausdrücklich,

lles zu unternehmen, um diese Migrationsströme ein-
udämmen, um kriminellen Menschenhändlerbanden
as Handwerk zu legen. Sie nehmen den Ärmsten alles
nd gaukeln ihnen lediglich die Illusion vor, Europa






(A) )



(B) )


Alois Karl
wäre ein mit offenen Armen aufnahmebereiter Konti-
nent. Gewiss sind Maßnahmen des Grenzschutzes, ver-
stärkt auch durch FRONTEX, richtig. Repressive Maß-
nahmen lösen das Problem allerdings nicht. Es müssen
auch die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern
der Flüchtlinge grundlegend verbessert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


In diesem Zusammenhang lobe ich auch den Einsatz
der Bundeswehr im Kongo. Ein großer Bürgerkrieg dort
hätte zu einem großen Exodus geführt. Die Folge wäre
ein Flüchtlingsstrom auch nach Europa gewesen.

Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft steht auf dem
Feld der Menschenrechtspolitik vor vielen und großen
Aufgaben. Vieles wäre zu sagen, doch kann nicht alles
angesprochen werden. Menschenrechtspolitik ist eine
Querschnittsaufgabe, eine Aufgabe von besonderer
Tragweite. Ob wir unsere deutsche Ratspräsidentschaft
erfolgreich gestaltet haben werden oder nicht, das wird
sich auch an den Fortschritten in der Menschenrechts-
politik erweisen. Wir wünschen der Bundesregierung
und der Bundeskanzlerin für ihre Arbeit auf diesem
schwierigen Feld alles Gute, viel Glück, Fortune und
Gottes Segen.

Ich danke Ihnen herzlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607001800

Ich erteile das Wort Kollegen Hüseyin-Kenan Aydin,

Fraktion Die Linke.


Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607001900

Meine Damen! Meine Herren! Liebe Kollegen und

Kolleginnen! Die Regierungsparteien fordern in einem
der vorliegenden Anträge die Solidarität mit verfolgten
Christen und anderen verfolgten religiösen Minderhei-
ten. Wer in diesem Haus sollte etwas dagegen haben?
Aber es ist schon erstaunlich, mit welcher Unverblümt-
heit die Koalition bei ihrem Bekenntnis zur Religions-
freiheit zweierlei Maß anlegt.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


In ihrem Antrag wird die Verfolgung aller anderen Reli-
gionsgemeinschaften systematisch unter „ferner liefen“
behandelt.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Quatsch!)


Nehmen wir Indien, wo der Wechsel zum Christen-
tum in einigen Provinzen von Repressalien begleitet
wird. Dieses Phänomen ist Begleitumstand hindu-natio-
nalistischer Aktivitäten, die sich in der Masse auch und
gerade gegen Moslems richten. Warum verschweigen
Sie, dass in den 90er-Jahren ein Großteil der moslemi-
schen Bevölkerung Bombays aus Angst vor mörderi-
schen Übergriffen fliehen musste?

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(C (D Für China gilt dasselbe: Zu Recht wird ausführlich ie Verfolgung der Kirche kritisiert. Doch die brutale erfolgung der Gemeinschaft der Falun Gong, die die auptlast der Repression zu ertragen hat, ist Ihnen nicht ehr als einen Satz wert. Man kann die Verfolgung von Christen nur dann laubwürdig anprangern, wenn man im eigenen Land ie anderen Religionen auch respektiert. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ber da hapert es bei der Union bekanntermaßen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Bitte, was?)


o brüstete sich im Berliner Wahlkampf die Neuköllner
austadträtin der CDU offen, mit dem Baurecht die Er-

ichtung einer Moschee im Stadtteil blockiert zu haben.


(Zuruf von der LINKEN: So ist es!)


pitzenkandidat Friedbert Pflüger unterstützte die Kam-
agne gegen den Bau einer Moschee im Bezirk Pankow,


(Zuruf von der LINKEN: Das ist die Scheinheiligkeit!)


ine Kampagne, die bequem von den Nazis gekapert
erden konnte. Am 1. April mussten wir dann mit anse-
en, wie der örtliche CDU-Schatzmeister Lasinski Seit
n Seit mit der NPD marschierte.

Die Kehrseite der Medaille ist die mangelnde Bereit-
chaft, Verfolgten in Deutschland Asyl zu gewähren. Die
oalitionsparteien prangern wohl die Verfolgung von
hristen in Pakistan an. Doch in Nordrhein-Westfalen
erweigert das Land dem pakistanischen Christen Aziz
irza politisches Asyl. Bekanntermaßen regiert dort die
DU. Die Innenbehörden erkennen ihn schlichtweg
icht als verfolgten Christen an.

In ihrem Antrag ziehen die Regierungsparteien den so
enannten Weltverfolgungsindex heran, um die Verfol-
ung von Christen in Nordkorea zu geißeln. Doch auf
ine Kleine Anfrage der Linken antwortete die Bundes-
egierung, dass genau dieser Weltverfolgungsindex – ich
itiere –

im Asylverfahren beim Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge … keine praktische Relevanz

at. Ich weiß nicht, wie Sie das nennen. Ich nenne es
euchelei, liebe Kolleginnen und Kollegen von der
nion.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist schon erstaunlich, dass Sie mit dem vorliegen-
en Antrag hinter die Initiative des eigenen Innenminis-
ers zurückfallen. Herr Schäuble hat endlich den Dialog

it den Vertretern des Islam in Deutschland im Rah-
en einer gemeinsamen Konferenz begonnen. Anstatt

iese Initiative zu fördern und zu begrüßen, fällt den An-
ragstellern dazu nichts weiter ein, als – ich zitiere –






(A) )



(B) )


Hüseyin-Kenan Aydin
den interkulturellen Dialog mit dem Islam … zu
nutzen, um auch auf die Situation von Christen in
Staaten mit muslimischer Mehrheit hinzuweisen.

Mehr ist zu dem Thema nicht zu lesen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich frage Sie: Reduziert sich ein Dialog auf das Erheben
des eigenen Zeigefingers? Haben Sie den Moslems in
Deutschland nicht mehr zu sagen?

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein weite-
res Thema ansprechen, das den Antragstellern offenbar
nicht der Rede wert war. Im Juli 1993 haben islamisti-
sche Fanatiker im türkischen Sivas ein gegen Aleviten
gerichtetes Pogrom organisiert. 37 Menschen kamen da-
bei grausam ums Leben. Nach Kenntnis der Bundesre-
gierung halten sich von den 76 in der Türkei verurteilten
Attentätern elf in Deutschland auf, zum Teil als aner-
kannte Flüchtlinge. Bemühungen zu deren Ergreifung
sind nicht zu erkennen, obgleich Auslieferungsbegehren
vorliegen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607002000

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.


Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607002100

Ich komme zum Ende, Herr Präsident.

Glaubensfreiheit heißt, sich weltweit für die verfolg-
ten religiösen Minderheiten einzusetzen. Sie beginnt
vor der eigenen Haustür.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Religionsfreiheit ist immer auch die Freiheit des Anders-
gläubigen, auch in der Türkei, meine Damen und Her-
ren.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607002200

Ich erteile das Wort Kollegin Christel Riemann-Hane-

winckel, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christel Hanewinckel (SPD):
Rede ID: ID1607002300

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! Meine Damen und Herren! In jeder freien und
friedlichen Gesellschaft ist das Menschenrecht auf Reli-
gionsfreiheit eines der wichtigsten Menschenrechte.
Religion gestaltet und bestimmt das Leben von Men-
schen; sie gibt Sinn, Freiheit, Entlastung, Erklärungen,
Geborgenheit und schafft auch Kunst und Kultur. Und,
meine Damen und Herren, Religion engt ein, macht
Angst, fördert Hass und Gewalt, kann den Tod bedeuten
und führt zu Kriegen.

Ein Blick in die Geschichte zeigt die Entwicklungen,
die durch Religionen möglich waren und möglich sind,
zeigt aber auch, wie viele Kriege im Namen von Religio-
nen oder eines Gottes geführt worden sind und hin und
wieder noch geführt werden. Wir in Deutschland berufen

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(C (D ns oft auf das Erbe des christlichen Abendlandes. urch den Blick in die Geschichte wird aber sehr schnell eutlich, dass auch das christliche Abendland davon icht ausgenommen ist, dass auch im Namen des christichen Gottes Kriege geführt und Menschen gefoltert nd getötet worden sind. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ihr habt immer noch nicht kapiert, dass die Aufklärung da war!)


Die Welt hat gelernt und Konsequenzen gezogen. Das
ird deutlich in den verschiedensten Erklärungen zu den
enschenrechten, in der Allgemeinen Erklärung der
enschenrechte sowie im Zivilpakt und in vielen ande-

en internationalen Vereinbarungen, die auch Deutsch-
and angenommen, ratifiziert und gezeichnet hat. Den-
och werden immer noch Einzelne und Gruppen wegen
hrer Religion benachteiligt, diskriminiert, verfolgt und
rmordet. Noch immer gibt es kriegerische Auseinander-
etzungen, die im Namen eines Gottes angedroht oder
eführt werden. Wir haben hier heute schon verschie-
ene Beispiele gehört.

Das Hauptproblem dabei ist immer wieder, dass die
eligion zur Ausübung von geistiger, politischer und
konomischer Macht missbraucht wird. An Brisanz ge-
innt das, wenn im Kampf um Ressourcen und politi-

chen Einfluss jegliche Sachargumente an Bedeutung
erlieren. Oft wird das religiös verbrämt. Konflikte um
nteressen wandeln sich dann um in Auseinandersetzun-
en um Werte, Traditionen und Glaubensfragen. Da-
it bekommen politische Prozesse oft einen religiösen
nstrich. Eine friedliche Konfliktlösung wird dadurch

rheblich erschwert. Denn das Thema Religion wird
im Gegensatz zu klar formulierten sozialen und wirt-

chaftlichen Forderungen – kaum zum Gegenstand von
erhandlungen gemacht.

Ich möchte Ihnen das an einem Beispiel aus Nigeria
eutlich machen, das schon die Medien beschäftigt hat
nd das vielleicht manche von Ihnen kennen. Im Süden
es Landes leben vor allem Christen, deren Einkom-
ensquelle der Ackerbau ist. Die Muslime im Land le-

en vor allem von Handel und Viehzucht; ihnen geht es
esentlich besser als den Christen.

Die Auseinandersetzungen zwischen Christen und
uslimen haben zugenommen, weil sich die Lebensver-

ältnisse der Ackerbauern, die Christen sind, wesentlich
erschlechtert haben. Zum einen war dies die Folge von
assermangel und zum anderen die Folge von Übernut-

ung der Böden. Hinzu kam, dass die Konsumgüter, die
eist von den Muslimen angeboten werden, sehr viel

eurer wurden. Außerdem sind sehr viele nigerianische
uslime aus dem wirtschaftlich schwachen Norden in

as Zentrum bzw. in den Süden des Landes gezogen.

Der Staat war nicht in der Lage, diese Konflikte zu re-
eln oder Perspektiven für eine gerechtere Zukunft zu
chaffen. Stattdessen streuten Politiker Gerüchte, dass
ie jeweils andere Religionsgruppe an den Verhältnissen
chuld sei und dass sie politisch und ökonomisch domi-
ieren wolle. Diese Politiker haben die Menschen ihrer
eligionsgruppe dazu aufgerufen, sich eindeutig hinter






(A) )



(B) )


Christel Riemann-Hanewinckel
sie zu stellen. Die Abgrenzung zwischen Muslimen und
Christen hat damit deutlich zugenommen.

In Yelwa, einer Kleinstadt, ist es schließlich zum Aus-
bruch von Gewalt gekommen, als sich eine Jugend-
gruppe durch die Missachtung eines religiösen Festes
durch andere Jugendliche provoziert fühlte. Sie wissen
vielleicht alle, dass es in der Folge zu heftigen Aus-
einandersetzungen kam, einmal ausgehend von den
Christen und einmal ausgehend von den Muslimen. Fast
1 000 Frauen und Männer verloren dabei ihr Leben. Ge-
schäfte und Privathäuser, Kirchen und Moscheen sind
niedergebrannt worden. Viele Familien sind aus Angst
vor Verfolgung in andere Landesteile geflohen.

An diesem Beispiel aus Nigeria zeigt sich sehr deut-
lich, wie ökonomische Probleme in einen religiösen
Kontext gestellt werden und welche menschenverach-
tenden Folgen das haben kann.

Gleichzeitig ist es aber auch ein Beispiel für eine ge-
lungene Versöhnung. Geistliche beider Religionen ha-
ben die Bevölkerungsgruppen zu einem Gespräch über
das Geschehene bewegt und so ein Minimum an gegen-
seitigem Vertrauen hergestellt. Gemeinsam wurden die
ökonomischen, politischen und sozialen Probleme be-
trachtet und vor allem die Mitverantwortung des
Staates benannt.

Dann kam es zu einer öffentlichen Erklärung, die das
friedliche Zusammenleben der Bevölkerung sichern soll.
Christen und Muslime verpflichteten sich dazu, alle reli-
giösen Stätten zu schützen und die Mitglieder anderer
Religionsgruppen nicht zu diffamieren. Der nigeriani-
sche Staat wurde aufgefordert, die wirtschaftliche Ent-
wicklung voranzubringen, die Zahl der Analphabeten zu
senken, die gesundheitliche Versorgung zu verbessern
und der Jugend eine Zukunftsperspektive zu geben.

Ich denke, dieses Beispiel macht sehr deutlich, wozu
Religion auf der einen Seite missbraucht werden kann
und wozu Religion auf der anderen Seite im besten
Sinne dienen kann. Das heißt für mich, dass Religions-
freiheit unbedingt einen Dialog voraussetzt und dass er
da, wo er nicht vorhanden ist, gefordert und gefördert
werden muss. Sich daran zu beteiligen sind alle – Regie-
rungen und Parlamente, Kirchen und andere Organisati-
onen – aufgefordert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte noch auf ein ganz aktuelles Beispiel hin-
weisen: Der Besuch des Papstes in der Türkei macht
ebenfalls sehr deutlich, dass Dialog und Respekt vorein-
ander dazu führen können, anders miteinander umzuge-
hen.

Mir ist das Menschenrecht auf Religionsfreiheit nicht
nur deshalb am wichtigsten, weil ich evangelische Theo-
login und Pfarrerin bin, sondern auch, weil es ausgespro-
chen notwendig – eben Not wendend – ist, bei allen
Konflikten immer wieder darauf zu achten, dass Reli-
gion nicht als Rechtfertigung von Gewalt missbraucht
und als Deckmantel für andere Konflikte benutzt wird.

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(C (D azu gehört, dass jegliche Gewalt, die von Religion auseht – sei es psychische, sei es physische Gewalt –, gechtet werden muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as bedeutet dann für jeden Einzelnen und jede Ein-
elne, immer und überall für Religionsfreiheit einzutre-
en, auch wenn er oder sie keiner Religion angehören
ollte.

Ich bin sehr gespannt auf die Diskussion, die wir im
enschenrechtsausschuss zu den vorliegenden Anträgen

ühren werden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607002400

Ich erteile das Wort Kollegen Holger Haibach, CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Holger Haibach (CDU):
Rede ID: ID1607002500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Menschenrechtsdebatte im Deutschen Bundestag
ach dem Motto „same procedure as every year“? Nein,
eute ist etwas anders: Wir diskutieren erstens in der
ernzeit und zweitens war der Bundesaußenminister
das habe zumindest ich während meiner vierjährigen
arlamentszugehörigkeit noch nicht erlebt – nicht nur
eitweilig anwesend, sondern hat auch gesprochen. Das
st ein gutes Zeichen für den Stellenwert der Menschen-
echte nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern auch
n der Bundesregierung. Dafür herzlichen Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Wir sind auch für kleine Fortschritte dankbar!)


Wir beschäftigen uns mit einem großen Reigen an
hemen. Das hat den Kollegen Toncar dazu geführt, da-
on zu sprechen, dass die Bundesregierung Menschen-
echtspolitik sozusagen wie in einem „Gemüsegarten“
etreibe. Zu den Anträgen der FDP in den letzten Jahren
uss ich allerdings sagen: Ich kann da keine besonders

eutliche Konsistenz – Sie kritisieren ja, dass sie bei uns
ehle – erkennen.

Man sollte sich die Anträge, die Sie stellen, einmal
in bisschen genauer anschauen. Da geht es zum einen
m die mandatsgebundene Begleitung der UN-Missio-
en durch Menschenrechtsbeobachter. Das ist ein An-

rag – das wissen Sie genau –, den Sie schon in der letz-
en Legislaturperiode eingebracht haben; dies ist eine bei
er FDP inzwischen üblich gewordene Form des An-
ragsrecyclings.


(Jörg van Essen [FDP]: Wir sind immer aktuell!)







(A) )



(B) )


Holger Haibach
Bedauerlicherweise haben Sie aber Ihre Ursprungsver-
sion eingebracht und nicht die, auf die wir uns schon in-
terfraktionell geeinigt haben. Wenn Ihnen dieses Thema
so wichtig gewesen wäre, dann hätten Sie doch unseren
gemeinsamen Antrag einbringen können und dann hät-
ten wir vielleicht anders über dieses Thema gesprochen.


(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)


Insofern glaube ich, dass wir an dieser Stelle den Bera-
tungen und der Abstimmung darüber relativ ruhig entge-
gensehen können.

Im Übrigen will ich darauf hinweisen – denn dies ist
ein guter Zeitpunkt –, dass Deutschland an dieser Stelle
sehr viel tut. Deutschland hat mit dem Zentrum für Inter-
nationale Friedenseinsätze ein ganz hervorragendes Aus-
bildungszentrum und mit Botschafter Däuble jemanden,
der sich im Auswärtigen Amt explizit mit Krisenpräven-
tion und ähnlichen Dingen beschäftigt. Auch das gehört
an dieser Stelle einmal ganz deutlich gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zur Grundrechteagentur ist heute schon viel gesagt
worden; ich will nur wenige Bemerkungen dazu ma-
chen. Kollege Löning, natürlich ist es so, dass wir uns
insgesamt im Deutschen Bundestag sehr kritisch mit die-
ser Angelegenheit auseinander gesetzt haben. Ich finde,
das sollten wir nicht kleinreden. Ohne uns hätte es in
Deutschland keine öffentliche Debatte über dieses
Thema gegeben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist doch auch nicht so, dass wir in dieser ganzen An-
gelegenheit nichts erreicht hätten. Eine Debatte über das
Mandat, das diese Agentur haben soll, und über das Per-
sonalvolumen ist doch zustande gekommen. Da kann
man jetzt nicht sagen: Wenn man seine Ziele nicht errei-
chen kann, dann muss man die ganze Angelegenheit auf-
blasen.

Im Übrigen, Herr Kollege Leutert, 30 Millionen Euro
sind, gemessen an anderen Ausgaben, tatsächlich nicht
viel Geld. Aber auch da besteht für mich die Frage: Wo-
für gibt man 30 Millionen Euro aus und wo lässt man
dies? Ich glaube, dass das Geld für den Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte wesentlich besser an-
gelegt wäre als für diese Agentur.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich möchte ein paar Worte zum Thema Religionsfrei-
heit sagen. Herr Kollege Aydin, ich bin es wirklich lang-
sam leid, andauernd diese Pauschalverurteilungen ge-
genüber der CDU/CSU zu hören. Ich will Ihnen dazu ein
ganz konkretes Beispiel nennen: In meinem Wahlkreis
steht die kleinste Moschee in Europa. Sie hat vor zwei
Jahren gebrannt, weil Idioten diese Moschee angezündet
haben. Die beiden einzigen Personen, die sich in der Öf-
fentlichkeit zu diesem Thema geäußert haben, waren der
christdemokratische Bürgermeister von Usingen und der
christdemokratische Bundestagsabgeordnete Holger

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(C (D aibach. Von Ihrer Fraktion habe ich zu diesem Thema ichts gehört. eswegen sage ich Ihnen: Hören Sie endlich auf, uns ollektiv in die Ecke von Intoleranz und religiöser Unreiheit zu stellen! Wir wissen ganz genau, dass Toleanz vor Ort beginnt. Aber zur Toleranz gehört eben uch, dass wir, wenn unsere Glaubensbrüder – ich sprehe jetzt einmal als Christ – in der Welt verfolgt werden, ies deutlich benennen. Auch diese Sprachlosigkeit, die ch da manchmal erlebe, muss aufhören. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen bin ich auch ausgesprochen dankbar dafür,
ass nicht nur wir als Koalition, sondern auch die Grü-
en einen Antrag zum Thema Religionsfreiheit einge-
racht haben. Ihn halte ich an vielen Punkten durchaus
ür sehr beachtlich. Umso weniger, Herr Kollege Beck,
ann ich dann verstehen, was Sie heute zum Thema
Gotteslästerung als Straftat“ in der „Berliner Zeitung“
eäußert haben. Ich zitiere:

Ich persönlich finde, der Paragraf gehört auf den
Misthaufen der Rechtsgeschichte.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Wir können doch nicht ernsthaft religiöse Intoleranz
urch Rechtlosigkeit und Gesetzlosigkeit bekämpfen.
ch kann nicht nachvollziehen, dass man an dieser Stelle
agt: Der Paragraf muss abgeschafft werden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Rechtsordnungen ist das fremd!)


bgesehen davon finde ich: Im Zusammenhang mit Got-
eslästerung mit dem Begriff „Misthaufen“ zu operieren
st eine Unverschämtheit mit Blick auf die deutsche
echtsgeschichte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wenn wir darüber reden, wie wir uns in unserem
and und international verhalten sollen, dann ist natür-

ich die Frage „Wie engagiert sich Deutschland in der
elt?“ wichtig. Das Thema Darfur hat gestern im Aus-

chuss und heute während der Diskussion eine Rolle ge-
pielt. Herr Kollege Beck, ich plädiere immer sehr dafür
Sie sind ja Jurist; daher wissen Sie, was das heißt –,
ass wir zwar – –


(Jörg van Essen [FDP]: Er ist nicht Jurist! Da legen wir Juristen alle Wert drauf!)


Er ist kein Jurist? Gut, Entschuldigung.

Sie wissen wahrscheinlich trotzdem, was es heißt,
enn ich sage: Wir müssen zwar in brennender Sorge
nd mit heißem Herzen, aber sine ira et studio handeln.
eshalb ist die Frage, wie wir uns in Darfur engagieren,

weitrangig. Die erste Frage ist vielmehr: Was wollen
ir erreichen? Da sind wir uns doch einig: Wir wollen
rieden in diesem Land und wir wollen, dass das Mor-
en an den Menschen dort aufhört.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Holger Haibach
Folgendes will ich zum Schluss auch noch sagen: Es
macht mich schon besorgt, wenn der Generalsekretär der
Vereinten Nationen, Kofi Annan, heute sagt: Der Sicher-
heitsrat ist in der Lage, sich zu diesem Thema zu
äußern. – Der Menschenrechtsrat, der ja gebildet worden
ist, damit er sich zu solchen Themen äußert, ist nicht in
der Lage, eine Resolution dazu vorzulegen. Ich finde das
ausgesprochen bedenklich. Ich finde es ausgesprochen
schädlich mit Blick auf die gesamte Situation, dass der
Menschenrechtsrat, der die Vereinten Nationen in diesen
Fragen eigentlich antreiben sollte, das Hindernis dafür
ist, dass es eine klare Meinungsäußerung zu diesem
Thema gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn die deutsche Politik die Chance hat, etwas zu än-
dern, dann ist es doch während der deutschen EU-Rats-
präsidentschaft und während der deutschen G-8-Präsi-
dentschaft. Dann können wir entscheidende Schritte in
diesen Dingen tun. Ich bin dem Außenminister dankbar
dafür, dass er erwähnt hat, dass die Blockade im Men-
schenrechtsrat aufhören soll und dass der Menschen-
rechtsrat wieder der Hort des Schutzes der Menschen-
rechte innerhalb der Vereinten Nationen wird.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607002600

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 16/3607, 16/3608, 16/3145, 16/3621,
16/3617, 16/3613 und 16/3614 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 3 h: Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Menschenrechte und
Humanitäre Hilfe auf Drucksache 16/2733 zu dem
Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Für die
mandatsgebundene Begleitung VN-mandatierter Frie-
densmissionen durch Menschenrechtsbeobachter“. Der
Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/226
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen von CDU/CSU
und SPD bei Enthaltung der Linksfraktion und der Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen
der FDP angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Ernst, Katja Kipping, Karin Binder, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der LINKEN

Nein zur Rente ab 67

– Drucksache 16/2747 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen olker Schneider, Fraktion Die Linke, das Wort. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her en! „Rente mit 67“ bedeutet im Wesentlichen: Rentenürzung für Ältere, zusätzliche Arbeitslosigkeit für Jünere und den untauglichen Versuch, soziale Härten zu indern, indem man neue Ungerechtigkeiten schafft. Das Schlimmste ist aber, dass diese bittere Pille trotz olcher Risiken und Nebenwirkungen nahezu wirkungsos ist. Sicher, die Menschen werden älter und beziehen änger Rente. Da bietet es sich doch an, diese Menschen änger arbeiten zu lassen. An den Stammtischen im Saurland ist das jedem klar und für jeden logisch. Seriöse entenpolitik würde aber die Frage „Was bringt das?“ tellen. Die Sozialverbände haben schon frühzeitig gechätzt: maximal einen halben Beitragspunkt. Immerhin fällt Ihnen noch auf, dass nicht wenige uner den 65-Jährigen aufgrund der physischen und/oder sychischen Belastungen ihres bisherigen Arbeitslebens aum in der Lage sind, zwei weitere Arbeitsjahre anzuängen. Dieses Problem glauben Sie ganz einfach lösen u können, indem Sie denjenigen, die auf 45 Beitragsahre kommen, weiterhin erlauben, mit 65 Jahren in ente zu gehen. Ein einfacher Blick in die Rentenzugangsstatistik ätte Sie warnen können, nein, warnen müssen. Er hätte hnen gezeigt, dass Sie sich mit dieser Überlegung auf em Holzweg befinden. Herr Müntefering, der Maurer, on dem Sie annahmen, dass er weiterhin mit 65 Jahren n Rente gehen kann, da er auf 45 Beitragsjahre kommt, st schlicht ein Phantom. Statistisch betrachtet hätte dieer aufgrund der durchschnittlichen Erwerbslosigkeitseiten sein Berufsleben mit neun Jahren beginnen müsen, um die erforderlichen Beitragsjahre zu erreichen. Eine Studie der Deutschen Rentenversicherung zeigt ie tatsächlichen Ergebnisse der geplanten Ausnahmen. hr Plan lindert nicht Härten, er verschärft sie. Dass Areitnehmer mit mehr als 45 Beitragsjahren auch künftig m Alter von 65 Jahren eine Rente ohne Abschläge beanragen können, bedeutet nach dieser Studie – ich zitiere – eine Umverteilung von unten nach oben, das heißt, von en Schwächeren zu den Stärkeren.“ In den Genuss dieser egelung werden nur selten Frauen und Geringverdiener ommen. Profitieren werden die männlichen Gutverdieer. Zudem dürfte diese Regelung verfassungswidrig ein, weil gleiche Beitragszahlungen zu deutlich unterchiedlichen Rentenansprüchen führen können. Volker Schneider Dank der Ausnahme bleiben noch bescheidene 0,2 bis 0,3 Beitragspunkte Ersparnis, rechnet Ihnen die Deutsche Rentenversicherung vor. Weil Sie bei dieser Reform eine Politik aus dem Bauch bevorzugen, anstatt Ihren Verstand zu benutzen, ignorieren Sie auch die arbeitsmarktpolitischen Folgen dieses Projektes: Genau dann, wenn das Renteneintrittsalter vollständig bei 67 Jahren liegt, kommen die geburtenstarken Jahrgänge der 60er-Jahre ins Rentenalter. Wenn zu wenig Ältere aus dem Arbeitsleben ausscheiden, bedeutet das für viele Jüngere die Arbeitslosigkeit; es sei denn, dass an anderer Stelle gleichzeitig neue Jobs entstehen. Das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat einen Bedarf von 3 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen errechnet. Ihre bescheidenen Einsparungen in der Rentenversicherung werden Sie in der Arbeitslosenversicherung unmittelbar verfrühstücken müssen. Fazit: Die Rente mit 67 wird die Probleme der Rentenversicherung nicht lösen, belastet künftige Rentnergenerationen und schafft himmelschreiende Ungerechtigkeiten und Arbeitslosigkeit. Die Bundesregierung steht daher zu Recht einer breiten Ablehnungsfront gegenüber. Tun Sie sich selbst einen Gefallen und folgen Sie unserem Antrag. Danke schön. Ich erteile das Wort dem Bundesminister Franz Müntefering. Franz Müntefering, Bundesminister für Arbeit und Soziales: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Alterssicherung in Deutschland ist vorbildlich. Wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt. All denjenigen, die jetzt aufstöhnen, sage ich: Schauen Sie sich einmal in anderen Ländern um. Es ist kein Zufall, dass diese auf Deutschland schauen. Das System der Alterssicherung in Deutschland ist vorbildlich und das wird auch so bleiben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der LINKEN)

Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607002700

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607002800

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Widerspruch bei der LINKEN)


Wer das aber will, muss jetzt handeln. Verantwor-
tungsvolle Politik ist kein Wunschkonzert. Sie fängt
vielmehr damit an, dass man die Wahrheit sagt und die
Situation beschreibt. Nur darauf aufbauend kann man für
die Zukunft vernünftige Politik machen.

Die veränderte demografische Entwicklung ist Re-
alität. Daran kommt man nicht vorbei. In den 60er-Jah-
ren wurde im Durchschnitt zehn Jahre lang Rente ge-

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(C (D ahlt, jetzt sind es 17 Jahre. Im Jahr 2030 würde, wenn ichts passiert, 20 Jahre lang gezahlt. Wir arbeiten aber icht länger, sondern kürzer. Wir leben länger und relativ esund; das ist gut. Deshalb ist die veränderte demograische Entwicklung im Prinzip etwas Gutes. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


ufgrund der Tatsachen, dass wir zu wenige Kinder ha-
en und kürzer arbeiten, entstehen aber Probleme im so-
ialpolitischen Bereich. Deshalb hat das Kabinett ges-
ern entschieden – diese Entscheidung wird von der
oalition mitgetragen –, die Stabilität der Alterssiche-

ung durch drei Maßnahmen weiter zu gewährleisten:
urch die Rentengesetzgebung, durch die Initiative
50 plus“ und durch eine Altersvorsorgeregelung, über
ie wir im Frühjahr noch genauer zu sprechen haben.

Ich will erstens zum Rentenversicherungsbericht,
en wir gestern unter anderem beschlossen haben, sa-
en: Wir hatten vor einem Jahr einen Puffer von 0,1 Mo-
aten als Rücklage. Durch die Entwicklungen im Laufe
es Jahres, nämlich mehr Einnahmen auch bei den Ren-
enversicherungsbeiträgen und durch die 13. Zahlung,
aben wir inzwischen eine Rücklage von einem halben
onat. Wir haben eine neue zusätzliche Stabilität im Be-

eich der Rentenversicherung geschaffen. Aufgrund un-
eres Handelns wird der Rentenversicherungsbeitrag in
öhe von 19,9 Prozent bis zum Jahr 2020 stabil bleiben.
er Rentenniveausatz wird bei 46 Prozent oder mehr.
as sind die Ergebnisse der Politik dieses Jahres und der
ergangenen Jahre. Darauf sind wir stolz. Diese Zahlen
ind auch ansteigend für die Zukunft. Aber die Men-
chen sind belastbar. Wir sagen ihnen rechtzeitig, was
ns die Zukunft bringt. Denn nur wenn man rechtzeitig
ber diese Dinge spricht, können die Menschen sich ent-
prechend darauf einstellen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Was haben wir getan? Wir erhöhen das Rentenein-
rittsalter von 65 auf 67 Jahre. Dieser Prozess beginnt im
ahre 2012 und ist bis zum Jahre 2029 abgeschlossen.
iejenigen, die 45 Pflichtbeitragsjahre haben, können
nverändert mit 65 die Rente ohne Abschlag bekommen.
ie, die 35 Versicherungsjahre haben, können mit
3 vorgezogen in die Rente gehen. Das heißt, es wird ein
enteneintrittsfenster – bisher lag es bei 60 bis 65 – von
3 bis 67 eröffnet. Das ist die Entwicklung.

Angesichts der Alterung der Gesellschaft, angesichts
er demografischen Entwicklung ist das eine vernünftige
rößenordnung. Deshalb sind wir uns sicher, dass das,
as wir machen, helfen wird, die Rente in Zukunft stabil

u halten, und dazu beiträgt, auch den zukünftigen Gene-
ationen eine größere Sicherheit zu geben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir mussten in diesem Zusammenhang auch eine
ntscheidung zur Altersteilzeit, zum Stichtag, treffen.
s geht um die Frage, bis wann individualisierte Alters-

eilzeitverträge abgeschlossen werden können, ohne dass
as schon auch seine Wirkungen hat im Bereich des An-
tiegs 2012 und in den Folgejahren. Die Fraktionsspitzen






(A) )



(B) )


Bundesminister Franz Müntefering
der Koalition haben sich gestern Morgen darauf verstän-
digt, den 31. Dezember dieses Jahres als Stichtag zu
nehmen. Dem sind wir gefolgt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben im Kabinett festgelegt, dass die Frist zum
31. Dezember dieses Jahres abläuft.

Zweitens haben wir gestern eine Entscheidung für ei-
nen Antrag zur Initiative „50 plus“ getroffen. Dieser
Antrag gibt eine gute Gelegenheit, auf die aktuelle Situa-
tion am Arbeitsmarkt zu sprechen zu kommen. Jetzt zur
Stunde werden die aktuellen Zahlen veröffentlicht. Seit
langer Zeit liegt die Zahl der Arbeitslosen wieder unter
4 Millionen; es sind 3,995 Millionen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das heißt, dass wir die Arbeitslosenzahl von Oktober auf
November noch einmal um 90 000 gesenkt haben. Das
ist für einen November eine völlig ungewöhnliche Ent-
wicklung. Wir hatten schon öfter im Oktober und No-
vember gutes Wetter; ich kenne ja schon die Ausreden,
woran das alles gelegen haben mag.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es lag am wenigsten an der Bundesregierung!)


– Sie müssen sich nicht mitfreuen, Herr Kolb, aber wir
freuen uns darüber.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Etwa 550 000 Menschen mehr als vor einem Jahr ha-
ben zurzeit Arbeit, sind nicht arbeitslos. Das ist eine
kleine Großstadt in Deutschland. Eine solche Entwick-
lung beinhaltet natürlich auch, dass die Zahl der arbeits-
losen Älteren deutlich reduziert ist. In der Entwicklung
im November ist vor allen Dingen Folgendes interessant:
Von den 90 000 weniger Arbeitslosen kommen
30 000 aus dem Bereich Arbeitslosengeld I und 60 000 aus
dem Bereich der Langzeitarbeitslosen, der Arbeitslosen-
geld-II-Empfänger. Und das ist die wichtigste und hoff-
nungsvollste Entwicklung, die wir überhaupt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir können zwar über alle Möglichkeiten, wie man
den Niedriglohnsektor organisieren kann, reden. Aber es
ist im Wesentlichen immer „Linke Tasche, rechte Ta-
sche“. Wirklich lösen kann man dieses Problem nur da-
durch, dass man Arbeit schafft. Dass man den Menschen
Gelegenheit gibt, ihr Leben selbst zu finanzieren. Dafür
kämpfen wir.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Und dafür haben wir eine Menge erreicht – aus dem
Jahr 2005 auch mit den Wirkungen der Arbeitsmarkt-
reformen.


(Anton Schaaf [SPD]: Ja! So ist das!)


Sie können sagen, was Sie wollen: Das, was wir nun auf-
gestellt haben, führt dazu – und zwar zunehmend –, dass
wir eine hochleistungsfähige Bundesagentur für Arbeit
haben und dass die Argen und die optierenden Gemein-

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(C (D en ihre Probleme immer besser lösen können. Die Zahl er Bedarfsgemeinschaften sinkt. Diesen Weg werden ir in 2007 weitergehen. Im Jahre 2007 wird Deutschland ein relativ hohes achstum zu verzeichnen haben; für das letzte Quartal ieses Jahres wurden mehr als 3 Prozent Wachstum pronostiziert. Wir wollten mit dieser Entwicklung im ächsten Jahr in Deutschland zu einer weiteren Redukion der Arbeitslosigkeit kommen. Das ist das erste Ziel ieser Koalition. Ich sage Ihnen: Wir werden es erreihen. Und das wird uns helfen an allen Stellen. Mit der Initiative „50 plus“ schlagen wir vor, dass soohl durch den Kombilohn als auch durch Eingliede ungszuschüsse, Weiterbildung und befristete Beschäftiung zusätzliche Impulse gegeben werden. Jemand, der lter als 50 Jahre ist und arbeitslos wird, soll möglichst chnell wieder in Arbeit kommen und auch eine solche rbeit annehmen, die möglicherweise schlechter als eine vorherige bezahlt wird. Denn wir müssen verhinern, dass die Menschen vom Arbeitslosengeld I in rbeitslosengeldes II fallen. 50-, 55und 60-Jährige, die inen oder zwei oder drei Monate arbeitslos sind, sind och gut vermittelbar. Wenn sie ein oder zwei Jahre raußen sind, wird das immer schwieriger. Deshalb saen wir: Nimm auch den Job, der dir netto weniger ringt. Wir zahlen im ersten Jahr 50 Prozent und im weiten Jahr 30 Prozent dazu, damit du diese Brücke in eue Beschäftigung dann auch nimmst. Nach dem Senioritätsprinzip, das in unser aller öpfe ist, hat ein Älterer immer die höhere Position und en höheren Lohn. Das wird es in Zukunft in dieser orm nicht mehr geben. Auch das müssen wir den Älteen signalisieren. Altersgerechte Arbeit wird nicht imer die am höchsten bezahlte Arbeit sein, sondern das ird sich stärker mischen zwischen den einzelnen Gene ationen. Und deshalb ist das – so wie die Eingliedeungszuschüsse auch – ein vernünftiger Weg. Das gilt übrigens auch im Hinblick auf die Weiterbilung. In Deutschland nehmen 9 Prozent der über 50-Jähigen an Weiterbildungsmaßnahmen teil, in Skandinavien ind es 70 Prozent. Wenn die großen Unternehmenserbände darauf hinweisen, dass ihnen 15 000 oder 0 000 Ingenieure fehlen, und dann fordern, dass wir das or öffnen sollen, damit sie die fehlenden Ingenieure aus nderen Ländern holen können, dann sage ich: Nein, das ill ich nicht. Ich weiß: In einer globalisierten Welt weren Deutsche im Ausland und Ausländer bei uns arbeien. Das ist für beide Seiten sinnvoll. Aber wir müssen nsere Probleme mit den Menschen, die im Lande sind, ösen. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ie Unternehmen sollen 50- oder 55-Jährige nicht nach
ause schicken, sondern dafür sorgen, dass rechtzeitig
ualifiziert und weitergebildet wird, damit die Men-
chen, die noch etwas leisten können, auch eine Chance
aben, im Erwerbsleben zu bleiben.






(A) )



(B) )


Bundesminister Franz Müntefering
Wir wollen den Älteren Folgendes sagen – und die
Arbeitslosenzahlen beweisen es: Wir sind auf dem rich-
tigen Weg. Das Renteneintrittsalter wird vom Jahre 2012
bis zum Jahr 2029 schrittweise auf 67 Jahre erhöht. Wir
werden auf dem Weg alles dafür tun, dass die Älteren
auf dem Arbeitsmarkt eine Chance haben. Wir wollen im
Jahre 2009 so weit sein, dass nicht mehr nur 45 Prozent,
sondern 50 Prozent der über 55-Jährigen wieder in Be-
schäftigung sind. Es ist doch unglaublich, dass heutzu-
tage 55 Prozent derer, die 55 Jahre oder älter sind, in
Deutschland nicht mehr in Beschäftigung sind. Das kön-
nen wir uns nicht leisten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist deutsche Facharbeiterschaft. Die kann etwas.
Und die muss auch in Zukunft eine Chance behalten.
Dafür kämpfen wir in dieser Koalition.

Der Finanzminister und ich haben gestern auch über
die Altersvorsorge gesprochen. Zu diesem Thema kann
ich jetzt nur noch wenige Anmerkungen machen. Es ist
aber wichtig; denn es macht das Bild komplett. Wir müs-
sen neben die gesetzliche Altersrente – das bleibt der
Kern auch in Zukunft – die private Vorsorge setzen: die
betriebliche Rente und die Riesterrente. Wenn klar ge-
worden ist, was in den letzten Jahren erreicht wurde,
werden die Deutschen Walter Riester ein Denkmal set-
zen. – Herr Gysi, hören Sie vielleicht einmal einen Au-
genblick zu. –


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Ja! Das mache ich!)


Man muss neben die gesetzliche Altersrente auch die be-
triebliche Rente und die Riesterrente setzen. 75 Prozent
der Beschäftigten tun dies. Herr Gysi, die Leute haben
offensichtlich besser verstanden als Sie, dass man so et-
was machen muss.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


17 Millionen haben eine betriebliche Altersvorsorge,
7 Millionen bauen eine Riesterrente auf. Die Wahrheit
ist: Wir müssen dafür sorgen, dass immer mehr Men-
schen neben der gesetzlichen Rente auf betriebliche
Rente und auf Riesterrente setzen. Dieses Ziel müssen
wir bis 2030/2040 erreicht haben. Deshalb hat sich die
Koalition vorgenommen, bei der Riesterrente den Kin-
derzuschlag zu erhöhen. Diejenigen, die riestersparen,
werden für ab 2008 geborene Kinder einen höheren Zu-
schlag bekommen. Wir werden eine vernünftige Lösung
– wir kämpfen noch miteinander; aber manchmal ist
Streit gut: Er erzeugt Reibung, aber auch Fortschritt –
für die Einbeziehung von Wohneigentum in die Riester-
vorsorge finden. Denn preisgünstig Wohnen im Alter ist
auch eine gute Vorsorge für das Alter. Wir werden die
ganz Jungen einladen: Kommt dazu! Die Riesterrente
und die betriebliche Altersvorsorge müssen so selbstver-
ständlich werden, wie das früher das Bausparen gewesen
ist. Neben der gesetzlichen Rente müssen die private und
die betriebliche eine stabile, sichere Säule werden.

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(C (D In diesen Tagen sprechen manche über einen Invesivlohn, über eine Beteiligung an Gewinn und Kapital. ch bin völlig offen für so etwas; darüber kann man sprehen. Aber ich appelliere, zwei Dinge zu bedenken: Ersens. Anständige Löhne. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Rita Pawelski [CDU/CSU])


,18 Euro für Friseurinnen in Thüringen, das geht nicht.
weitens. Beim Abschluss von Tarifverträgen darf nicht
ergessen werden, diese zumindest teilweise auf die Al-
ersvorsorge auszurichten. Wir müssen alle Kräfte bün-
eln, damit diese Säule der Altersvorsorge vernünftig
usgebaut wird. Wenn man bestimmte Verträge sieht,
twa bei den Metallern in Nordrhein-Westfalen, dann
tellt man fest: Es wird ganz vernünftig gemacht.

Unterm Strich sage ich: Auf dem Arbeitsmarkt findet
ine gute, eine ungewöhnliche, eine schöne Entwicklung
tatt, die Mut macht, die aber auch zu noch mehr An-
trengungen herausfordert. Wir werden auch was die Al-
erssicherung angeht in dieser Koalition – da bin ich
anz sicher – ein rundes Bild entwickeln von dem, was
ötig ist. Das wird anstrengend sein. Aber es wird er-
olgreich sein. Und wir werden letztlich vor den Men-
chen bestehen, die kritisch nachvollziehen, was wir tun.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607002900

Das Wort hat nun Kollege Heinrich Kolb, FDP-Frak-

ion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607003000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ieber Herr Minister Müntefering, gestatten Sie mir zu-
or zwei Bemerkungen zu Ihrer Rede: Auch wir freuen
ns, dass die Zahl der Arbeitslosen in diesem Monat of-
ensichtlich deutlich zurückgegangen ist. Wir sind weit
avon entfernt, das schlecht zu reden. Aber ich bitte Sie,
inen nüchternen Blick auf die Verhältnisse zu richten:
s ist jahreszeitlich untypisch, dass noch in diesem
aße Baustellen offen sind. Im letzten Jahr hatten wir

ereits ab Mitte November deutliche Witterungseinbrü-
he. Das spielt natürlich in der Statistik eine Rolle.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Und die Karnevalszeit!)


ber was mir noch wichtiger ist, Herr Minister: Auch
enn Sie da gerade noch die Kurve gekriegt haben,
uss man leider sagen, dass dem Abbau der Zahl der
rbeitslosen kein entsprechender Aufbau sozialversi-

herungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse gegen-
bersteht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/ CSU]: Ihre Beiträge werden jeden Monat peinlicher, Herr Kolb!)







(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
So haben wir gestern vom Vorstandsvorsitzenden der
Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg gehört, dass das
Verhältnis etwa zwei zu eins beträgt. Das heißt, nur die
Hälfte der vormals Arbeitslosen wird sozialversiche-
rungspflichtig beschäftigt. Das ist etwas, was uns um-
treibt.

Das Zweite, Herr Minister: Sie haben gesagt, man
muss den Menschen die Wahrheit sagen, man muss die
Situation beschreiben, wie sie ist. Da kann ich nur sagen:
Herzlich willkommen in der Realität! Leider haben Sie
in der Vergangenheit Ihr politisches Handeln nicht an
diesem Maßstab ausgerichtet. Ich will Ihnen das konkret
an Zahlen belegen: Als Sie schon politische Verantwor-
tung getragen haben, 2001, zur Zeit der rot-grünen Bun-
desregierung, haben Sie in Ihrem Rentenversicherungs-
bericht für 2007 einen Rentenwert von 28,76 Euro
prognostiziert. Je näher 2007 rückte, desto niedriger
wurden die Werte: 2002 waren es 28,17 Euro, 2003 wa-
ren es 26,98 Euro. Im Rentenversicherungsbericht 2006
sind es noch 26,13 Euro. Das zeigt: Sie haben in der Ver-
gangenheit – zumindest fahrlässig – Entwicklungen
überschätzt und damit die Versicherten in diesem Land
in einer Sicherheit gewogen, die es so nicht gegeben hat.
Deswegen sind Sie an dem entstandenen Vertrauensver-
lust hinsichtlich der gesetzlichen Rente zu einem guten
Teil selbst schuld. Das steht fest.


(Beifall bei der FDP und der LINKEN)


Aus dem gestern von Ihrem Kabinett beschlossenen
Rentenversicherungsbericht für das Jahr 2006 geht im
Übrigen hervor, dass der finanzielle Druck auf die Ren-
tenversicherung in den nächsten Jahren sehr hoch blei-
ben wird. Wenn man den Einmaleffekt durch den
13. Monatsbeitrag herausgerechnet, beträgt das lau-
fende Defizit der Rentenversicherung in diesem Jahr
4,5 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr – in 2007 – wird
das Defizit 3,2 Milliarden Euro betragen. Nach den aus
meiner Sicht realistischen Varianten im Rentenversiche-
rungsbericht könnte der Rentenbeitrag schon 2008 auf
über 20 Prozent steigen, was nach dem Rentenversiche-
rungs-Nachhaltigkeitsgesetz frühestens für 2020 vorge-
sehen war.

Schauen Sie sich das, was Sie gestern schwarz auf
weiß abgeliefert haben, doch einmal an. Für vier von
neun Varianten der Annahmen hinsichtlich der Lohn-
und der Beschäftigungsentwicklung sind in Ihrem Ren-
tenversicherungsbericht Beitragssätze von über 20 Pro-
zent – in der ungünstigsten Variante sind es 20,7 Prozent –
niedergeschrieben. Ich halte es schlicht und einfach für
eine Irreführung der Öffentlichkeit, dass Sie sagen, dass
Sie den Beitrag in diesem Jahr auf 19,9 Prozent erhöhen,
weil Sie dadurch den Beitragssatz für einen längeren
Zeitraum konstant halten können. Sie glauben offen-
sichtlich auch nicht in allen Fällen das, was Sie selbst sa-
gen. Das will ich hier einmal festhalten.


(Beifall bei der FDP – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn eigentlich? – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie die Beiträge senken oder erhöhen? Man versteht das, was Sie sagen wollen, nicht!)



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(C (D Ich möchte dafür sensibilisieren, dass aufgrund der chwierigen Situation der Rentenversicherung – ich sage leich gerne noch etwas dazu – eine weitere Renteneform absolut überfällig ist. Ich glaube, darüber besteht n diesem Hause auch weitgehend Einigkeit. Bei den Löungsvorschlägen geht es aber doch sehr weit auseinaner. Ich will nur ganz kurz etwas zu den Vorschlägen der inkspartei sagen, deren Umsetzung wie so oft Kosten n Milliardenhöhe verursachen würde. Herr Schneider, eld spielt bei Ihnen aber sowieso nie eine Rolle. Ich enke, aufgrund der beschriebenen defizitären Situation ann und darf die Rentenversicherung nicht noch mehr eld ausgeben, sondern sie muss ihre Ausgaben reduzie en, um in den nächsten Jahren noch finanzierbar zu leiben. Die Umsetzung Ihrer Vorschläge würde allein m Bereich der Erwerbsminderungsrenten, für den schon etzt 26 Milliarden Euro ausgegeben werden, zusätzlich ber 4 Milliarden Euro kosten. Das ist unverantwortlich. Auch Ihr Vorschlag, die Rentenversicherung zu einer ürgerversicherung zu entwickeln, geht fehl. Das zeigt ur, dass Sie das Prinzip der Rentenversicherung nicht erstanden haben, weil zusätzliche Beitragsleistungen atürlich auch zu zusätzlichen Rentenansprüchen führen nd Sie damit in der Rentenversicherung finanziell überaupt keinen Boden gewinnen würden. Ganz falsch wäre es, die Versorgungswerke, die richigerweise Altersrücklagen aufbauen und damit übrigens emografiefester als das umlagefinanzierte System sind, n die Rentenversicherung einzubeziehen und damit den ufbau von Kapitaldeckung im Bereich der Altersvor orge sogar noch zu behindern. Daneben fordern Sie ein staatliches Einwirken auf die instellungsund Personalpolitik in den Betrieben. Das st aus unserer Sicht sowieso weit verfehlt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ganz kurz: Diese orschläge der Linken – das wird nicht weiter verwunern – finden unsere Zustimmung nicht. (Beifall bei der FDP – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/ CSU]: Das hat aber lange gedauert!)


Damit komme ich zu den Vorschlägen der Koali-
ion. Herr Minister, die Rente mit 67 wurde in den Bi-
anzen anlässlich des ersten Jahrestages Ihrer Regierung

angels anderer vorzeigbarer Ergebnisse und obwohl
iesbezüglich bis gestern nicht einmal eine schriftliche
esetzesinitiative vorlag, als Ihr bislang größter politi-

cher Erfolg dargestellt.

Ich möchte allerdings darauf hinweisen dürfen, dass
ie Verständigung auf die Anhebung des gesetzlichen
enteneintrittsalters – es war eine Absprache zwischen

hnen und der Bundeskanzlerin, die Hals über Kopf vor
iner Kabinettsitzung erfolgt ist – nicht ohne Not ge-
chehen ist, sondern dass sie Anfang dieses Jahres erfor-
erlich war, um in dem mit Verspätung vorgelegten
entenversicherungsbericht 2005 den Korridor bzw. die
orgaben des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsge-
etzes hinsichtlich der Beitrags- und Niveauziele auch
ur einigermaßen einhalten zu können.






(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
Trotz dieses notwendigen Beitrags zur Konsolidie-
rung der Rentenfinanzen darf die Finanzwirkung dessen,
was Sie jetzt beschlossen haben, nicht überschätzt wer-
den. Sie wissen, dass die Bruttowirkung 1,1 Prozent-
punkte beträgt. Herr Minister, allein durch die Gegen-
wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenformel
aufgrund der Veränderung des Zahlenverhältnisses der
Rentenempfänger zu den Beitragszahlern wird am Ende
nur noch ein Nettoeffekt von 0,8 Prozentpunkten übrig
bleiben.

Mit den von Ihnen vorgesehenen weit gehenden Aus-
nahmen für langjährig und besonders langjährig Versi-
cherte reduziert sich die Entlastungswirkung aber weiter
auf nur noch 0,5 Beitragspunkte. Das heißt, das, was Sie
uns heute Morgen als mittelfristige Entlastung der Ren-
tenversicherung verkaufen wollen, entspricht vom Volu-
men her in etwa dem Betrag, um den wir heute unter ei-
nem der weiteren Tagesordnungspunkte die gesetzlichen
Rentenbeiträge ohne Not wieder anheben werden. Insge-
samt betreiben Sie ein Nullsummenspiel.

Problematisch an Ihrem Vorschlag ist meines Erach-
tens auch, dass die Lasten der Alterung unserer Gesell-
schaft nicht gerecht aufgeteilt werden. Der Sachverstän-
digenrat weist in seinem aktuellen Jahresgutachten
ausdrücklich darauf hin, dass Ihr Vorschlag die Jahr-
gänge 1959 bis 1974 überdurchschnittlich stark belastet,
weil für diese die Anhebung der Regelaltersgrenze grö-
ßer ist als die Zunahme der Lebenserwartung. Ab dem
Jahrgang 1975 ist es dann umgekehrt. Genau das ist bei
einer festen Altergrenze und einer ständig weiter stei-
genden Lebenserwartung problematisch.

Nicht besser, sondern ungerechter wird Ihr Vorschlag
noch dadurch, dass er unsystematische Ausnahmen vom
Regelrentenzugangsalter vorsieht. Wer mit 20 Jahren
in das Berufsleben eingetreten ist und durchgängig
45 Jahre arbeitet, bekommt demnach seine Rente ab-
schlagsfrei; wer mit 22 sein Berufsleben begonnen hat
und ebenfalls durchgängig arbeitet, erhält bei gleicher
Zahl von Entgeltpunkten eine niedrigere Rentenrendite.
Das ist mit dem Versicherungs- und dem Äquivalenz-
prinzip nicht ein Einklang zu bringen. Es ist ein klarer
Verstoß gegen Grundprinzipien der Rentenversicherung.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Richtig! – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Kein Beifall bei der FDP!)


– Das ist wohl nicht so, Kollege Brauksiepe.

An dieser Stelle ist zu fragen, wie der richtige Lö-
sungsweg aussieht.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Vielleicht hören wir jetzt, was die FDP will!)


Ich glaube, dass wir anstelle eines starren Rentenzu-
gangsalters eine flexiblere Regelung für den Übergang
der Menschen aus dem Arbeits- und Erwerbsleben in
den Ruhestand brauchen. Wir brauchen mehr Beschäfti-
gung im Alter. Unsere Gesellschaft kann es sich nicht
länger leisten, dass nur noch 41 Prozent der über 55-Jäh-
rigen noch in Beschäftigung sind.

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(C (D (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: 45 Prozent!)


ber viele in der gesetzlichen Rentenversicherung Versi-
herte wollen ab 60 nicht mehr Vollzeit arbeiten. Sie
ollen über den Umfang ihrer Arbeitszeit und über den
ezugsbeginn ihrer Rente – als Voll- oder Teilrente –

elbst bestimmen können.


(Beifall bei der FDP)


Sie wünschen sich für den Fall eines flexiblen Ren-
eneintritts die Kombination von gesetzlicher Rente mit
rivater und betrieblicher Vorsorge und einen Zuver-
ienst ohne die engen Grenzen, die bisher bei der gesetz-
ichen Rente vorgesehen sind. Sie wünschen sich, dass
hre Beschäftigungschancen durch Reformen auf dem
rbeitsmarkt und Beitragsvorteile bei der Sozialver-

icherung verbessert werden. Man muss doch nüchtern
ur Kenntnis nehmen, dass heute viele Markteintrittsbar-
ieren für Ältere in Gesetzen und Tarifverträgen hausge-
acht sind. Das kann man ändern und das müssen wir

ndern, wenn wir die Situation der Älteren verbessern
ollen.


(Beifall bei der FDP)


Ich kann Ihnen ankündigen, dass die FDP-Fraktion in
enigen Wochen – noch vor der zweiten und dritten Be-

atung des von der Regierung einzubringenden Gesetz-
ntwurfes – hier einen eigenen Vorschlag präsentieren
ird,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir aber gespannt!)


er auf den eben genannten Prinzipien basiert und der
amit eine auch den Erwartungen der Menschen entspre-
hende Antwort gibt. Das ist eben nicht die Anhebung
ines bisher starren Renteneintrittsalters auf ein höheres
tarres Renteneintrittsalter, sondern der Beginn eines fle-
ibleren Übergangs der Menschen vom Erwerbsleben in
en Ruhestand unter Kombination von vielen Altersvor-
orgebeiträgen, die man in seinem Erwerbsleben zusam-
engetragen hat. Das ist ein moderner Ansatz, den wir

hnen vorschlagen werden.

Wie gesagt, in wenigen Wochen können wir dieses
onzept gemeinsam mit Ihren Vorschlägen beraten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607003100

Das Wort hat nun Kollege Wolfgang Meckelburg,

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1607003200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir war-

en mit Spannung auf den Vorschlag; denn bisher ist ei-
es nicht klar, Herr Kolb: Sie vertreten die Rente mit 67;
er FDP-Vorsitzende Westerwelle und Herr Niebel sind
her für die Rente mit 65.






(A) )



(B) )


Wolfgang Meckelburg

(Widerspruch des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb Vielleicht finden Sie noch einen interessanten Kompromiss. Insofern warten wir das in Ruhe ab. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Das haben Sie nicht richtig beobachtet! – Gegenruf des Abg. Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Parteitagsbeschluss gegen Rente mit 67!)


(FDP)


Wir diskutieren heute wieder einen Antrag der Lin-
ken. In den Volkseigenen Betrieben der DDR


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Da habe ich lange gearbeitet!)


– dann wissen Sie das sicherlich auch und können es be-
stätigen – gab es eine Straße der Besten. Das war eine
Art Wandtafel oder Flur, wo die fleißigsten Arbeiter auf
Porträts prangten. – Herr Gysi nickt. Herr Lafontaine
weiß vielleicht nicht, wovon ich rede.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Manchmal wurden auch Bilder von verdienten Ge-
nossen – von Betriebskadern verordnet – dorthin ge-
hängt. Dazu kann ich nur eines sagen: Wenn es in Ihrer
Linksfraktion so etwas wie eine Straße der Besten gibt,
dann hat es eine ganze Reihe von Ihnen verdient, porträ-
tiert und dort ausgestellt zu werden; denn Sie sind un-
wahrscheinlich fleißig, wenn es um das Einbringen von
Anträgen und das Formulieren von Papieren geht.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Klaus Brandner [SPD]: Wallfahrtsort!)


– Sie klatschen zu Recht. Sie müssen unbedingt eine
Straße der Besten einrichten. – Aber alle Ihre Anträge
haben eines gemeinsam: Sie sind nicht wirklich zielfüh-
rend und lösen die Probleme nicht. Ihr Gesamtkonzept
führt in alte Zeiten zurück, während wir auf dem Weg
nach vorne in eine moderne Gesellschaft sind und dabei
sind, in unserem ersten Regierungsjahr die Probleme zu
lösen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


Obwohl ich nicht zu viel Zeit auf Ihren Antrag ver-
wenden will, möchte ich Folgendes aufzeigen: Sie sehen
an dem, was Minister Müntefering gerade gesagt hat,
wie schnell vieles von dem, was Sie fordern, längst über-
holt und in Arbeit ist. Sie fordern unter Punkt 1 Ihres
Antrags, es bei der geltenden Altersgrenze von 65 zu be-
lassen. Das hört sich zwar toll an, ist aber nichts anderes
als Populismus. Ich wäre überrascht gewesen, wenn Sie
einen Antrag „Ja zur Rente ab 67“ gestellt hätten. Aber
das hätte nicht zu Ihrer Argumentation gepasst. Sie be-
treiben lieber Populismus, um gut anzukommen.


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Dann wären wir ja in der CDU!)


Unter Punkt 2 Ihres Antrags fordern Sie eine sozial
gerechte Rentenreform. Aber Sie werden nicht konkret.
Unter Punkt 3 fordern Sie, den Zugang zur Erwerbsmin-
derungsrente zu erleichtern und diese ohne Abschläge zu
gewähren. Sie sind sofort kategorisch gegen alles, was

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(C (D uch nur ansatzweise eine Zumutung für die Menschen arstellt – das ist nach meiner Überzeugung an vielen tellen notwendig –, und nicht bereit, darüber nachzuenken. Sie bieten nur simple Lösungen an. Darauf muss tändig hingewiesen werden, so fleißig Sie auch sind, enn es um das Einbringen von Anträgen geht. Unter Punkt 5 fordern Sie die Bundesregierung auf, ihre Anstrengungen darauf zu richten, durch eine maroökonomisch fundierte Finanz-, Wirtschaftsund Areitsmarktpolitik die Arbeitslosigkeit zu senken“. Da ir schon seit einigen Wochen über dieses Thema debat ieren, sollten Sie eigentlich mitbekommen haben, dass ir das im Hinblick auf eine bessere Zukunft schon ängst machen. Die Zahl der Arbeitslosen ist nun auf uner 4 Millionen gesunken. Sie fordern außerdem, den ückgang der Zahl sozialversicherungspflichtig Be chäftigter zu stoppen. Die Trendwende ist längst gechafft. Es gibt fast 260 000 sozialversicherungspflichtig eschäftigte mehr als im Vorjahr. Ihre Forderungen sind lso das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Die Realiät ist längst an Ihnen vorbeigegangen. Das ist der entcheidende Punkt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr lügt euch doch in die Tasche! – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Dummerweise arbeiten jetzt viele Teilzeit, die vorher Vollzeit gearbeitet haben!)


Sie fordern des Weiteren mehr Wirtschaftswachs-
um. Vielleicht haben Sie zur Kenntnis genommen, dass
m Herbstgutachten davon die Rede ist, dass die Trend-
ende nach sechs Jahren geschafft ist. Sie fordern au-
erdem, mehr für die Älteren zu tun. Aber auch hier sind
ir längst dabei. Wir wollen mit der Initiative
50 plus“ – diese wurde gestern Abend im Kabinett
eschlossen – die Beschäftigungsfähigkeit und die
eschäftigungschancen Älterer verbessern. Das ist das
ntscheidende: Wir verbessern nicht nur die Beschäfti-
ungsfähigkeit, sondern auch die Chancen, wieder auf
em ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden. Wir haben
as Instrument der beruflichen Weiterbildung fortent-
ickelt. Darüber werden wir in den nächsten Wochen

eden. Beschäftigte ab 45 Jahre, die in Betrieben mit we-
iger als 250 Mitarbeitern tätig sind, sollen die Möglich-
eit erhalten, sich weiterzubilden. Bislang werden nur
etriebe mit bis zu 100 Beschäftigten gefördert, wenn

ie Arbeitnehmer über 50 Jahre qualifizieren. Wir ma-
hen dieses Instrument damit attraktiver.

Auch den Kombilohn verbessern wir so, dass es für
ie betroffenen Menschen attraktiver wird, wieder eine
rbeit aufzunehmen. Man sollte lieber eine Arbeit an-
ehmen, auch wenn sie etwas schlechter bezahlt ist, als
om Staat und von dem Geld anderer zu leben. Das muss
n Deutschland wieder Mentalität werden. Sie von der
inken wollen den betroffenen Menschen immer nur
öglichst viel aus der Tasche anderer geben. Das ist

ber auf Dauer nicht hilfreich. Wir müssen vielmehr so
iele Arbeitslose wie möglich in den ersten Arbeitsmarkt
ringen. So sieht eine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik
us.






(A) )



(B) )


Wolfgang Meckelburg
Wir haben bei den Eingliederungszuschüssen Verbes-
serungen vorgenommen und wir verändern die Regelun-
gen zu befristeten Arbeitsverhältnissen so, dass sie euro-
parechtstauglich werden. Das heißt, wir haben die
Instrumente, die es gibt, verbessert. Das wird helfen,
dass ältere Menschen – es wird immer der Vorwurf erho-
ben, dass Menschen erst mit 67 in Rente gehen dürfen –
wirklich in Arbeit kommen.

Warum also die Rente mit 67? Sie alle wissen, dass
die Lebenserwartung und die Rentenbezugsdauer
kontinuierlich steigen. Von 1960 bis heute ist die Ren-
tenbezugsdauer um 70 Prozent angestiegen. Damals wa-
ren es zehn Jahre, heute sind es 17 Jahre. Wir erwarten,
dass die Lebenserwartung bei Männern bis zum
Jahr 2030 um 2,3 Jahre und bei Frauen um 2,8 Jahre an-
steigt. Wenn die Menschen Gott sei Dank immer älter
werden und immer fitter bleiben – das kann man sehr oft
feststellen –, dann muss man auch bei der Rente konse-
quent sein. Wenn wir es schaffen, die Rente mit 67 um-
zusetzen, dann ist die Verlängerung der Lebenserwar-
tung und der Rentenbezugsdauer von etwas über zwei
Jahren finanzierbar. Ich will auch deutlich sagen: Die
Geburtenrate hat sich seit 1975 in den alten Bundeslän-
dern bei nur 1,4 Kindern eingependelt. Vor diesem Hin-
tergrund muss die Familienpolitik helfen, dass das Ver-
hältnis zwischen Beitragszahlern und denen, die in
Rente gehen, ein bisschen korrigiert wird.

Die Anhebung der Altersgrenze soll jetzt diskutiert
werden. Es ist wichtig, dass wir das jetzt tun, weil das
mehr Vertrauen in die Politik erzeugen und zu mehr
Verlässlichkeit führen soll. Wir ändern das Rentenein-
trittsalter nicht schon morgen, übermorgen oder ab dem
nächsten Jahr, sondern wir beschließen die Rente mit 67
jetzt, damit man in den nächsten Jahren weiß, wie es
weitergeht. Wir reden, um das deutlich zu machen, über
die Anhebung des Renteneintrittsalters ab dem
Jahr 2012. Ich stelle in vielen Diskussionen fest, dass ge-
rade die heutige Rentnergeneration die Rente mit 67 für
problematisch hält, obwohl sie gar nicht betroffen ist.
Ich sage denen, die heute im Rentenalter sind und insbe-
sondere den Rentnern aus der ehemaligen DDR: Ihr habt
verdammt gute Renten. Dafür habt ihr gearbeitet, aber
wenn ihr auf die Kinder und Enkelkinder schaut, dann
werdet ihr feststellen, dass diese es wegen der eben ge-
nannten demografischen Entwicklung schwerer haben
werden.

Deshalb wird über einen langen Zeitraum von
18 Jahren ab 2012 das Renteneintrittsalter stufenweise
auf 67 angehoben. Wir sind dann im Jahr 2029 bei einem
Renteneintrittsalter von 67 Jahren. Das sage ich nur, da-
mit alle wissen, wovon wir reden. Die Drohung, dass das
am nächsten Tag schon geschieht und deswegen die Welt
sofort untergeht, ist völlig fehl am Platz. Das ist langfris-
tig angelegte Rentenpolitik, eine Rentenpolitik, die ver-
lässlich sein will und deutlich die Richtung für die
nächsten Jahre angibt.

Die Koalition hat im Koalitionsvertrag festgelegt,
dass wir die Rentenversicherung belastbar und solide
weiterentwickeln und dass wir den gesetzlichen Beitrag
und die Höhe der Rente auf dem beschlossenen Niveau

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(C (D alten. Wir haben festgelegt, dass der Beitragssatz im ächsten Jahr auf 19,9 Prozent steigt, aber nicht darüber inausgeht. Damit haben wir ein Stück Beitragsstabilität ür die nächsten Jahre erreicht. Die Politik hat lange ahre daran gekrankt, dass das nicht möglich war. Wenn an auf die letzten Jahre von Rot-Grün zurückschaut, ann stellt man fest, dass häufig die Rücklagen der Renenversicherung angegriffen wurden. Die Rücklage hat edes Jahr ein Stückchen mehr abgenommen. Der letzte chritt zur Stabilisierung war, einmalig einen dreizehn en Sozialbeitrag für ein Jahr festzulegen. Jetzt muss an entscheiden, wie man die richtigen Strukturen wie erherstellt. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg; enn die Rente hat seit dem ersten Jahr der neuen Koaliion wieder eine Zukunft. Wir wollen das Rentensystem ukunftsfest machen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das kann nur an der Union liegen! Die SPD kann es ja nicht gewesen sein!)


Man muss feststellen – das habe ich letzte Woche
chon gesagt –, dass sich seit dem Wechsel von Rot-
rün zur großen Koalition etwas in Deutschland geän-
ert hat.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat es offensichtlich nicht hingekriegt! – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es so einfach wäre!)


Zum Schluss möchte ich noch einige Bewertungen
er Anhebung des Renteneintrittsalters vortragen.

Der Sachverständigenrat sagt: Die Anhebung des ge-
etzlichen Renteneintrittsalters ist der letzte noch ausste-
ende wichtige Schritt zur nachhaltigen Stabilisierung
nd Sicherung des Rentenversicherungssystems. Des-
alb sind die Pläne der Bundesregierung ausdrücklich zu
egrüßen. Das ist eine positive Begleitung.

Die Rentenversicherung Bund sagt: Durch die Anhe-
ung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre erfolgt ein
inspareffekt von 0,6 bis 0,7 Beitragssatzpunkten bis
um Jahr 2030. Auch an dieser Stelle möchte ich deut-
ich machen: Dies bedeutet Zustimmung. Außerdem ist
s ein Hinweis darauf, dass diese Maßnahme, langfristig
esehen, hilft, das Beitragssatzniveau zu stabilisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Sozialbeirat unterstützt die schrittweise Anhe-
ung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ebenfalls.
as sei „die richtige Antwort auf die höheren Kosten,
ie aus einer zunehmenden Rentenbezugsdauer als Folge
iner steigenden Lebenserwartung erwachsen“, heißt es
n dem entsprechenden Gutachten. Ich kann mir nicht
erkneifen, deutlich zu sagen, dass der Sozialbeirat die
rognosen der Bundesregierung in seiner Stellungnahme
usdrücklich unterstützt. Er spricht mit Bezug auf diesen
entenbericht nicht mehr von ambitionierten, sondern
on realistischen Annahmen. Offensichtlich hat es dort
ine Entwicklung zwischen 2005 und 2006 gegeben. Der
ozialbeirat begrüßt ausdrücklich die mittelfristigen
konomischen Grundannahmen, weil wir dort etwas






(A) )



(B) )


Wolfgang Meckelburg
vorsichtiger sind – wir sind nicht bis an die Kante gegan-
gen –


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr seid aber noch lange nicht realistisch!)


und damit für etwas mehr Verlässlichkeit sorgen.

Was wir dringend brauchen, sind Verlässlichkeit
– kein Hoppeln von Jahr zu Jahr –, Beständigkeit und die
Rückgewinnung des Vertrauens der Menschen in unsere
Sozialsysteme. Wir sind auf einem guten Weg. Ihr An-
trag ist eigentlich Schnee von gestern: Ein Teil ist längst
in der Mache und ein anderer Teil würde zu einem völlig
anderen System führen. Es tut mir Leid, das jede Woche
wiederholen zu müssen, Herr Gysi.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607003300

Ich erteile das Wort Kollegin Irmingard Schewe-Ge-

rigk, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das
Thema Rente ab 67 stellt hohe Anforderungen an unser
Erkenntnisvermögen. Heute eine Entscheidung zu tref-
fen, die erst in 23 Jahren voll wirkt, sich vorzustellen,
wie im Jahr 2029 der Arbeitsmarkt aussehen wird, das
ist schon eine Herausforderung. Sofort kommen Ihre
Einwände, meine Damen und Herren von der Linksfrak-
tion, es gebe nicht genügend Arbeitsplätze für Ältere.
Das stimmt – heute. Aber heute gilt auch nicht die Rente
mit 67.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Linken,
die heutige Situation mit der im Jahre 2029 gleichsetzen,
dann verschließen Sie die Augen vor der demografi-
schen Entwicklung:


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


2029 wird die Lebenserwartung im Vergleich zu heute
um vier Jahre gestiegen sein. 2029 wird es 8 Millionen
weniger Menschen im Erwerbsalter geben. Aber was
kümmert Sie schon die Realität, wenn Sie ein geschlos-
senes Weltbild haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607003400

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Schneider?

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(C (D Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Bitte schön.


Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607003500

Frau Kollegin Schewe-Gerigk, Sie haben eben „Aber

as kümmert Sie …“ gesagt. Ich weiß nicht, ob Sie mir
ben richtig zugehört haben.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Doch!)


ie Zahlen in Bezug auf den Arbeitsmarkt – es gibt ei-
en Bedarf an 3 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen –
ind einer Studie der IAB der Bundesagentur für Arbeit
ntnommen. Aus dieser Studie habe ich zitiert. Das ist
icht auf dem Mist der Linken gewachsen.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben falsche Schlüsse gezogen!)



(BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Diese IAB-Studie kenne ich selbstverständlich. In ihr

erden Pro und Kontra der Rente mit 67 behandelt. Die
utoren dieser Studie kommen zu dem Schluss, die
ente mit 67 sei akzeptabel, wenn der Arbeitsmarkt in
rdnung sei.


(Andrea Nahles [SPD]: Eben!)


ir wissen: 8 Millionen Menschen weniger im Erwerbs-
lter, das bedeutet natürlich eine enorme Entlastung für
en Arbeitsmarkt. Für uns ist es schon ein Problem, dass
mmer weniger Junge immer mehr Älteren gegenüber-
tehen. Ich spreche vom Jahr 2029 mit circa 8 Millionen
rwerbsfähigen weniger. Ihre Zahlen sind so nicht in
rdnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ihnen ist offensichtlich auch nicht aufgefallen, dass
ie Beschäftigung der über 55-Jährigen in den letzten
echs Jahren stetig gestiegen ist. Wir Grüne erwarten,
ass dieser positive Trend anhält. Das ist für uns eine
oraussetzung der Rente mit 67.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die in früheren Jahren gewachsene Unterbeschäfti-
ung Älterer wird so nicht bleiben. Eine wichtige Ursa-
he hierfür ist – das wissen auch Sie – die Frühverren-
ung in Deutschland gewesen, die zur Krise der
entenversicherung wesentlich beigetragen hat. Lange
eit zogen viele einen vermeintlichen Nutzen daraus:
eschäftigte, die die Freiheit des Ruhestands länger ge-
ießen konnten, Unternehmen, die sich auf Kosten der
entenversicherten ihrer älteren Mitarbeiterschaft entle-
igten, Politik und Gewerkschaften, die ihr Gewissen
eruhigten, weil sie glaubten, etwas gegen die Massen-
rbeitslosigkeit zu tun und den Jüngeren eine Chance zu
eben. Aber das Gegenteil war doch der Fall. Dieser
eg ist eine Sackgasse.






(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Es trifft nicht zu, dass das frühe Renteneintrittsalter
Arbeitsplätze für Jüngere schafft. In Ländern, in denen
mehr Ältere erwerbstätig sind, ist auch die Arbeitslosig-
keit von Jüngeren niedrig.

Besonders erstaunlich, Herr Schneider, ist die Be-
hauptung der Linken, die Finanzkrise der Rentenver-
sicherung habe nichts mit der Demografie zu tun. Sie
machen es sich leicht!


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Das hat kein Mensch gesagt!)


Sie ignorieren, dass in den letzten 40 Jahren die Renten-
bezugsdauer um sieben Jahre gestiegen ist. Sie ignorie-
ren, dass der reale Wert der Rentenleistung dadurch um
74 Prozent erhöht ist. Erhielt 1960 ein Durchschnitts-
rentner Leistungen im Wert von 140 000 Euro, so sind es
heute 244 000 Euro. Da stellt sich schon die Frage: „Wer
soll und kann das bezahlen?“, zumal aufgrund der nied-
rigen Geburtenrate die Zahl derjenigen, die Beiträge
zahlen, stetig sinkt, während die Zahl der Rentner und
Rentnerinnen steigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ein Weg, diese Kosten aufzufangen, ist die Erhöhung
des Renteneintrittsalters bei denen, die gesundheitlich
dazu in der Lage sind. So können die Beiträge einiger-
maßen stabil gehalten werden. Je mehr Beschäftigte ihre
Zeiten als versicherte Beschäftigte ausdehnen, desto
günstiger wird das Verhältnis der Zahl der Rentenemp-
fänger zur Zahl der Beitragszahler.

Diese Chancen für zukünftige Rentner und Rentnerin-
nen hat die Linke offensichtlich nicht verstanden. Ich
verweise auf ein Gutachten von Professor Bomsdorf. Er
hat nachgewiesen, dass der Anstieg des gesetzlichen
Rentenzugangsalters nicht zwangsläufig zu Rentenkür-
zungen führen muss; denn wer aufgrund eines unsteten
Erwerbsverlaufs – davon gibt es viele – oder eines späte-
ren Eintritts in das Erwerbsleben länger arbeiten kann
und will, hat die Chance, eine höhere Rente zu erreichen.
Der Grund dafür: Die Wirkung des Nachhaltigkeitsfak-
tors wird reduziert.

Wir alle wissen: Ältere Beschäftigte sind heute im
Durchschnitt gesünder und leistungsfähiger als Gleich-
altrige in früheren Jahren. Der altersbedingte Rückgang
der Leistungsfähigkeit kann durch Erfahrungswissen
ausgeglichen werden. Viele Ältere wollen auch nicht
aufs Altenteil gedrängt werden. Sie wollen einen flexib-
len Renteneintritt. Diese Älteren – Herr Kolb, damit
komme ich zu Ihrem Beitrag – empfinden die heutigen
starren Altersgrenzen in Tarif- und Arbeitsverträgen als
diskriminierend, wie die Klage der Lufthansa-Piloten
zeigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Aber hier ist nicht die Politik gefordert. Hier sind die arifparteien gefordert, die Arbeitsund Tarifverträge u ändern. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Diskriminierung kommt aus Gesetz und Tarifvertrag!)


s gibt schon jetzt die Möglichkeit, früher mit Abschlä-
en und später mit Aufschlägen in Rente zu gehen. Was
ie wollen, gibt es eigentlich schon; die Tarifparteien
üssen mitmachen.

Auch im Interesse der Chancengerechtigkeit zwi-
chen den Generationen ist es angemessen, dass die ge-
onnenen Jahre nicht allein zur Verlängerung des Ren-

enbezugs, sondern auch für eine längere Erwerbsphase
enutzt werden. Das gilt umso mehr, als die abnehmende
ahl der Erwerbspersonen zu einem großen Mangel an
ualifizierten Fachkräften führt. An dieser Stelle ist die
erantwortung der Unternehmen gefragt. Sie müssen
ich auf einen längeren Verbleib von Älteren im Er-
erbsleben einstellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dennoch ist ein Umdenken in den Betrieben längst
och nicht verbreitet. Der Deutsche Industrie- und Han-
elskammertag beklagt: Der Arbeitskräftemangel droht
ur Beschäftigungs- und Wachstumsbremse zu werden. –
m Raum München fehlen Fachkräfte für Banken und
ersicherungen. Der Verband deutscher Maschinenbauer
eklagt einen Mangel an Facharbeitern. Auch in den Ge-
undheitsberufen bleiben Stellen 42 Tage unbesetzt, weil
achkräfte fehlen. Das sind nur einige Beispiele. Dies ist

n der branchenspezifischen Fachkräftepolitik zum gro-
en Teil nicht berücksichtigt worden. Es ist die Frühver-
entung, die den Betrieben das Know-how der Älteren
enommen hat.

Die Unternehmen sind künftig noch mehr auf qualifi-
ierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen angewiesen und
üssen sich schnellstens auf eine ältere Belegschaft ein-

tellen. Betriebliche Maßnahmen zur Förderung von le-
enslanger Weiterbildung und zur Gesundheitsförderung
üssen zum Selbstverständnis von Betrieben gehören.

Die demografischen Veränderungen sind kein rein
eutsches Phänomen. Darum nehmen am Wettbewerb
m die klügsten Köpfe auch andere Länder teil. Es wäre
u kurz gedacht, in erster Linie nach jungen Fachkräften
us dem Ausland zu rufen. Da unterstütze ich insbeson-
ere das, was Minister Müntefering vorhin gesagt hat.
ber wir brauchen beides: Wir brauchen Zuwanderung
nd wir brauchen Strategien der Betriebe zur längeren
eschäftigung von Älteren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Die grüne Fraktion hat sich intensiv mit der Frage
useinander gesetzt, ob es nicht sinnvoll ist, zunächst für
ie bessere Integration von Älteren ins Erwerbsleben zu
orgen und erst danach ein höheres Rentenalter zu be-
chließen. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es






(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk
für alle Beteiligten besser ist, wenn die schrittweise An-
hebung der Rentenaltersgrenze planbar wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Unternehmen wissen: Sie müssen mehr für die
Erhaltung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer
Beschäftigten tun, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben
wollen. Ältere Beschäftigte profitieren davon, wenn ihre
Arbeitsbedingungen verbessert werden. Auch sie müs-
sen sich darauf einstellen, ihre individuelle Arbeitsfähig-
keit länger zu erhalten – so weit, so gut.

Und was tut die Bundesregierung? Sie verhält sich
wie so oft widersprüchlich. Einerseits ist sie bereit, eine
unpopuläre Entscheidung zu treffen; andererseits setzt
sie noch immer auf die falschen Signale. Ich nenne nur
die Verlängerung der 58er-Regelung,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Peter Rauen [CDU/CSU])


die Möglichkeit, dass 15 000 Beamte aus den ehemali-
gen Postnachfolgeunternehmen mit 55 Jahren in Rente
gehen können,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


oder eine Stichtagsregelung für Altersteilzeitverträge,
damit diese Personen nicht von der Anhebung der Al-
tersgrenze betroffen sind. Gerade diese offene Flanke
löste in den letzten Tagen in vielen Großunternehmen
Hektik in Richtung Altersteilzeit nach dem Blockmo-
dell aus. So wurden viele ältere Beschäftigte in den letz-
ten Wochen dazu aufgefordert, kurzfristig einen Vertrag
zur Altersteilzeit zu unterschreiben, um frühzeitig in
Rente zu gehen. Und dieses „Dezemberfieber“ haben
Sie, lieber Herr Minister Müntefering, zu verantworten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind nicht glaubwürdig, wenn Sie auf der einen
Seite den Anstieg des Rentenalters vorschlagen, aber
gleichzeitig auf der anderen Seite die Türen für eine
Fortsetzung der Frühverrentungspraxis weit öffnen. Ak-
zeptanz erfordert auch Konsequenz, Herr Minister. Eine
konsequente Abkehr von der Frühverrentungspraxis ist
das beste Mittel, das Rentendurchschnittsalter ansteigen
zu lassen. Schon jetzt hat sich durch den erschwerten
Zugang zur Frühverrentung der Anteil von Männern, die
mit 60 Jahren in Rente gehen, halbiert. Auch das tatsäch-
liche Renteneintrittsalter für Altersrenten ist auf
63,2 Jahre angestiegen. Und das sollten Sie nicht aufs
Spiel setzen.

Ein späterer Renteneintritt senkt den Druck auf die
Beitragssätze und entlastet die nachkommende jüngere
Generation, die mit weniger Personen mehr Renten
finanzieren muss.

Die Linksfraktion ignoriert das Problem der gestiege-
nen Rentenlaufzeiten und gibt deshalb auch keine Ant-
wort auf die Frage, wie die Belastung zwischen Jungen
und Alten gerechter gelöst werden kann.


(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Indem alle Einkommen herangezogen werden!)


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(C (D DGB, FDP und Linke verschließen die Augen vor der ukunft. Meine Fraktion wird sich dieser Verantwortung tellen – und das auch in der Opposition. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607003600

Ich erteile das Wort Kollegen Paul Lehrieder, CDU/

SU-Fraktion.


Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1607003700

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

en! Liebe Frau Kollegin Schewe-Gerigk, zunächst ein-
al Respekt: Sie haben in Ihrer Rede vieles angespro-

hen, für das Sie auch den Applaus unserer Fraktion
ekommen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da muss ich doch einiges verkehrt gemacht haben! – Zuruf von der CDU/CSU: Da wächst zusammen, was zusammen gehört!)


Ja, genau. Das zeigt: Die Grünen sind weit näher an
er Realität – möglicherweise auch durch sieben Jahre
egierungsbeteiligung –, als es die Linkspartei nach wie
or ist. Meine Damen und Herren der Linkspartei, Sie
aben da noch einen langen Weg vor sich.

Das Bundeskabinett hat gestern den Gesetzentwurf
ur Rente mit 67 beschlossen. Das geschieht nicht aus
iner Laune heraus. Die Lage der gesetzlichen Renten-
ersicherung ist äußerst angespannt. Sie wird sich wei-
er verschlechtern, wenn jetzt nicht die richtigen Wei-
hen gestellt werden.

Union und SPD haben die Ursachen erkannt und be-
annt. Zum einen ist da die bis vor etwa einem Dreivier-
eljahr stark gestiegene Arbeitslosigkeit, die mit einem
derlass bei den sozialversicherungspflichtigen Be-

chäftigungsverhältnissen einhergeht.

Eine Rentenpolitik für die Zukunft muss deshalb im-
er auf mehr Wachstum und Beschäftigung zielen. Ar-

eitsminister Müntefering hat in seiner Rede vorhin aus-
eführt: Wir werden nur dann Erfolg haben, wenn es uns
elingt, Arbeit zu schaffen.

Kollege Lafontaine, Sie haben dazu heftig applau-
iert. Das habe ich wohlwollend zur Kenntnis genom-
en. Ich habe in Anspielung an das Musical „My Fair
ady“ gedacht: Mein Gott, jetzt hat er’s! Mein Gott, jetzt
at er’s!


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber da grünt es doch so grün!)


Bei Ihnen rötet es höchstens.

Zum anderen steigt die Lebenserwartung kontinu-
erlich. Heute beträgt sie bei Männern circa 76 Jahre, bei
rauen 81 Jahre. Bis zum Jahre 2030 wird sie bei Män-
ern voraussichtlich 83,4 Jahre, bei Frauen 87,6 Jahre
etragen. Das heißt, im Schnitt wird sie um circa sechs






(A) )



(B) )


Paul Lehrieder
Jahre höher als heute liegen. Das wirkt sich auch auf die
durchschnittliche Rentenbezugsdauer aus. Die durch-
schnittliche Rentenbezugsdauer ist von 1960 bis heute
um durchschnittlich 70 Prozent angestiegen. Wir werden
sechs bis sieben Jahre älter als diejenigen, die 1960 ver-
gleichbar alt waren. Wir arbeiten aber im Schnitt nicht
sechs Jahre länger, sondern fünf Jahre kürzer. Setzt sich
diese Entwicklung fort, wird der Rentenbeitrag ohne
weitere Reformmaßnahmen langfristig die Grenze von
22 Prozent überschreiten.

Die Probleme der Rentenkassen sind zum Teil aber
auch hausgemacht. Obwohl die Rentenversicherung in
den letzten Jahren massiv unterfinanziert war, wurde der
Rentenbeitrag bei 19,5 Prozent stabilisiert. Das ging nur,
indem die Rücklagen der Rentenkassen zwischen 2002
und Ende 2005 von knapp 14 Milliarden Euro auf rund
1,8 Milliarden Euro abgeschmolzen wurden. Zwischen-
zeitlich war die Finanzdecke so dünn, dass im Septem-
ber 2005 sogar erstmals ein 900-Millionen-Euro-Darle-
hen des Finanzministers nötig wurde. Wir werden
deshalb den Beitragssatz zur Rentenversicherung wie
geplant auf 19,9 Prozent heraufsetzen, obwohl die Bei-
träge wegen des Aufschwungs am Arbeitsmarkt zurzeit
etwas reichlicher fließen. So können wir die Schwan-
kungsreserve aufstocken, um für schwierigere Zeiten
wieder besser gewappnet zu sein.

Wir sehen, das Rentenproblem ist äußerst komplex.
Weihnachten rückt zwar näher, aber eine Lösung lässt
sich nicht von heute auf morgen auf den Gabentisch zau-
bern. Wir müssen sie schon selbst finden. Deshalb haben
wir uns gemeinsam mit der SPD im Koalitionsvertrag
auf eine Reihe von Maßnahmen verständigt, darunter so
vorausschauende Maßnahmen wie die Rente mit 67. Al-
les andere wäre verantwortungslos gegenüber den nach-
folgenden Generationen. So möchte ich insbesondere die
Schüler und die jungen Leute auf den Tribünen hier im
Bundestagsplenum bitten, sich klar zu machen: Wenn
wir nicht gegensteuern, wird Ihre Rente weniger als die
Hälfte der Kaufkraft haben, die die heutigen Rentner
noch zur Verfügung haben. Hier gilt es, ein Stück weit
Generationenverantwortung zu zeigen. – Hier gilt es
aber auch, gemeinsam gesamtpolitische Verantwortung
wahrzunehmen, statt zu populistischen Parolen, die
heute Anklang finden, zu greifen. Vielmehr muss für die
nächste Generation vorausschauend auf Basis der vorlie-
genden Berechnungen geplant werden, um das System
zu retten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit kurzfristig positiv klingenden Parolen, lieber Herr
Lafontaine, trägt man nur dazu bei, die Leute zu verdum-
men.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Lin-
ken, Sie sagen dazu Nein, wie Sie zu fast allem Nein sa-
gen, was unser Land voranbringt, und beweisen damit
wieder einmal allenfalls den Horizont einer Käseglocke.
Sie nutzen die Verunsicherung von Menschen aus, die
sich auf neue Situationen einstellen müssen. Sie verspre-
chen den Leuten sozialistische Wärmestuben, in denen
bei möglichst wenig Eigenleistung alles so bleibt, wie es
ist, lehnen sich in Ihrem Ohrensessel zurück und warten

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(C (D uf die Wähler, die da kommen sollen – und nachher die eche der Linken bezahlen müssen. Was wollen Sie denn wirklich? Wollen Sie höhere eiträge? Dann haben wir zwar höhere Einnahmen in er Rentenkasse, aber auch höhere Lohnzusatzkosten. ollen Sie niedrigere Renten? Dann hätten wir zwar we iger Ausgaben – ich habe es ausgeführt –, aber niedriere Renten wollen Sie sicher genauso wenig wie wir. (Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Sie arbeiten aber heftig daran!)


enau deshalb haben wir Rentenkürzungen ja gesetzlich
usgeschlossen. Ansonsten wäre dies jetzt zu prüfen, da
aktische Lohnkürzungen aufgrund der an den Nettolohn
ekoppelten Rente zwangsläufig zu Rentenkürzungen
ühren müssten. Oder wollen Sie noch mehr Staat, wol-
en Sie den Bundeszuschuss weiter anheben und damit
ünftige Generationen noch stärker belasten? Zugegebe-
ermaßen habe ich diesen Eindruck bei Ihnen manch-
al.

Sie sehen also, so viele Werkzeuge, die Rentenkasse
ieder ins Lot zu rücken, gibt es nicht. Genau da ist trotz

ll der Einschnitte, die das im Einzelfall mit sich bringen
ag, die längere Lebensarbeitszeit das Mittel der Wahl.
s hilft nichts, darauf hinzuweisen, dass wir innerhalb
er Europäischen Union das einzige Land sein werden,
n dem das Eintrittsalter zur gesetzlichen Rente bei
7 Jahren liegen wird. Es geht hier nicht nach unseren
ünschen. Natürlich würde jeder liebend gerne mit

5 abschlagsfrei in Rente gehen. Es geht vielmehr um
ie reale Notwendigkeit einer abgesicherten Rentenver-
icherung auf lange Sicht.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Komisch, dass andere das nicht machen bei derselben Demografie!)


Sie haben im Schlusssatz Ihres Antrags ausgeführt:

Schließlich wollen die meisten Beschäftigten nicht
länger arbeiten, 74 Prozent würden sogar lieber
eher als mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen. Da-
mit geht die Rente mit 67 auch an den Wünschen
und Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei.

Ja, das muss sie leider. Natürlich würde auch ich lie-
end gern mit 50 Jahren in Rente gehen und mir diese
om Staat bezahlen lassen. Aber so geht es nicht. Wir
ind hier nicht in einem Wunschkonzert, meine Damen
nd Herren. Politik ist die Kunst des Machbaren und
icht nur des Wünschenswerten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversi-
herungsbericht 2005 bescheinigt uns, dass durch die
nhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters das zah-

enmäßige Verhältnis der Rentner zu den Erwerbstätigen
angfristig günstiger ausfallen wird. Über den Nachhal-
igkeitsfaktor in der Rentenanpassungsformel ergibt sich
ine höhere Rentenanpassung. Zudem erwerben die Ver-
icherten wegen der längeren Lebensarbeitszeit zusätzli-
he Entgeltpunkte. Für Versicherte, die bis zum gesetzli-
hen Renteneintrittsalter arbeiten, werden deshalb auf
ange Sicht die Rentenansprüche steigen.






(A) )



(B) )


Paul Lehrieder
Die Kollegen von der Linkspartei dagegen tun so, als
würde die abschlagsfreie Rente mit 67 von jetzt auf
gleich die soziale Gerechtigkeit im Lande dahinraffen.
Erstens wird sie das nicht tun; im Gegenteil. Zweitens
werden Sie nicht morgen damit aufwachen. Wir haben
diese Maßnahme aus dem Grund so früh angekündigt,
dass sich die Menschen darauf einstellen können. So ist
für einen verfassungskonformen Vertrauensschutz ge-
sorgt: In den Jahren 2007 bis einschließlich 2011 wird
nichts passieren. Im Jahr 2012 beginnt der Anstieg um
einen Monat pro Jahr. Wer dann 65 Jahre alt ist, bekommt
seine Rente mit 65 Jahren und einem Monat. – Die große
deutsche Tageszeitung mit den vier Buchstaben hat das
in ihrer heutigen Ausgabe auf Seite zwei oben rechts be-
rechnet – für all diejenigen, die das noch einmal nachle-
sen wollen. – Das wird so über zwölf Jahre gehen. Dann
ist das erste Jahr aufgearbeitet. Anschließend geht es in
schnellerem Tempo mit zwei Monaten pro Jahr weiter,
bis zum Jahr 2029. Für die Geburtenjahrgänge ab 1964
gilt dann die Regelaltersgrenze von 67 Jahren.

Die Regelaltersgrenzen werden grundsätzlich auch in
den übrigen Rentenarten im Vergleich zur bisherigen Re-
gelung entsprechend um zwei Jahre angehoben. Das gilt
zum Beispiel für die Rente der Bergleute, bei der Alters-
rente für schwerbehinderte Menschen sowie für die Wit-
wen- und Witwerrente.

Schon im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass
diejenigen, die mindestens 45 Versichertenjahre durch
Beschäftigung, Kindererziehungszeiten bis zum dritten
Lebensjahr des Kindes und Pflege erreicht haben, auch
in Zukunft abschlagsfrei mit 65 in Rente gehen können.
Das heißt, der Maurer, der mit 18, 19 oder 20 Jahren
seine Ausbildung beginnt und anschließend arbeitet


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: So ein Quatsch! – Weiterer Zuruf des Abg. Oskar Lafontaine [DIE LINKE])


– rechnen können Sie ja offensichtlich nicht; das haben
Sie schon als Finanzminister bewiesen, Herr Lafontaine;


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Sie sollten besser mal die eine oder andere Statistik lesen!)


gut, dass Sie damals als Finanzminister ausgeschieden
sind; das war ein Segen für Deutschland –,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Spieth [DIE LINKE]: Gut, dass Sie hier die „Bild“-Zeitung zitieren!)


hat mit 63, 64 oder 65 Jahren seine 45 Versicherungs-
jahre erreicht und bekommt jetzt und in Zukunft mit
65 Jahren seine unreduzierte Rente. Wer also mit 16 Jah-
ren zu arbeiten beginnt, hat etwa 49 Jahre Zeit, um
45 Pflichtjahre zu erreichen.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Schauen Sie mal in die Rentenzugangsstatistik, wer das ist!)


Alle, die das gesundheitlich nicht schaffen, können die
so genannte Erwerbsminderungsrente in Anspruch
nehmen. Für erwerbsgeminderte Versicherte mit einer

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(C (D urchgängigen Erwerbsbiografie bleibt es beim Refeenzalter 63 Jahre. Danach können 63-jährige Versicherte it 35 Beitragsjahren bis zum Jahr 2023 weiter ab chlagsfrei eine Erwerbsminderungsrente beziehen. Ab em Jahr 2024 gilt dies nur noch für 63-jährige erwerbseminderte Versicherte, die 40 Beitragsjahre erreicht haen. Dabei ist allerdings anzumerken: Wer Erwerbsminerungsrente erhält und mit 65 Jahren ausscheidet, muss on denen finanziert werden, die zu diesem Zeitpunkt areiten und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Deshalb üssen die, die es können, aus Gründen der Solidarität is 67 arbeiten. Wir sind uns bei unseren Reformbemühungen natürich immer bewusst, dass wir das Renteneintrittsalter nur ann anheben können, wenn, wie bereits ausgeführt, sich ie Erwerbstätigenquote der Älteren erhöht. Wir hatten dieses Thema schon auf Antrag der Linken n einer Aktuellen Stunde am 9. Februar 2006 in diesem ause. Kollege Klaus Ernst hat damals aus unserem ahlprogramm zitiert – das ehrt uns natürlich – und aus eführt: Nun zur Union: Im Wahlprogramm heißt es: „Sobald es die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt erlauben, kommt auch eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters infrage.“ (Zurufe von der CDU/CSU: Richtig! – Sehr gut!)


ann führt Kollege Ernst weiter aus:

5 Millionen Arbeitslose stellen wohl eine tolle Lage
auf dem Arbeitsmarkt dar. Die haben wir nämlich
gerade.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir reden von 2029!)


Aber jetzt beschließen Sie es. Sind Sie so prophe-
tisch, um jetzt schon zu wissen, was in zehn Jahren
los ist? Ich kann nur sagen: Wenn man so Politik
macht und die Aussagen von vor zwei Jahren, vor
einem Jahr und sogar drei Monaten nicht mehr ernst
nimmt, dann kann ich nur noch sagen: Furchtbar.

Herr Ernst, furchtbar ist, dass Sie im Frühjahr von
Millionen Arbeitslosen ausgegangen sind. Jetzt sind es

ber 3,995 Millionen Arbeitslose; das hatten Sie nicht
orgesehen.


(Zurufe von der Linken – Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Weil Sie die Statistik gefälscht haben!)


Das sind die heutigen Zahlen; vielleicht können Sie
ich diesbezüglich einmal kundig machen. Politik be-
innt mit der Wahrnehmung der Realität. Erst danach
önnen Sie Entscheidungen treffen. – Wir haben aktuell
ine Arbeitslosenquote von 9,6 Prozent. Das sind
,2 Prozentpunkte weniger als im letzten Monat und
30 000 weniger als im November 2005. Im Oktober
006 hatten wir mit knapp über 4 Millionen Arbeitslosen
och eine Quote von 9,8 Prozent.






(A) )



(B) )


Paul Lehrieder
Nun zur FDP. Sie hatten vorhin ausgeführt, dass diese
Zahlen nicht nur auf unsere erfolgreiche Arbeit zurück-
zuführen sind. Es fällt aber auf, dass es in den letzten
beiden Jahren von Oktober auf November sinkende Ar-
beitslosenzahlen gab: Für das Jahr 2006 waren es im No-
vember 90 000 Arbeitslose weniger als im Oktober und
für das Jahr 2005 waren es 25 000 Arbeitslose weniger.
Letztmalig war dies 1994 der Fall. Da gab es im Novem-
ber 17 000 Arbeitslose weniger als im Oktober. – Es fällt
ebenfalls auf, dass in diesen Jahren die Union mitregiert
hat. Jetzt kann man natürlich sagen, dass man uns die
Zahlen für 2005 nicht „anlasten“ kann. Das mag sein.
Ich will auch nicht so weit gehen und sagen: Wenn im
November die Sonne lacht, hat es die CDU gemacht.


(Anton Schaaf [SPD]: Na ja!)


Machen wir uns gemeinsam auf den Weg, die sozia-
len Sicherungssysteme – insbesondere die Rente mit der
Einführung der Rente mit 67 – berechenbar zu machen,
damit die junge Generation eine Aussicht auf eine ent-
sprechende Rente hat.

Gestern hat sich der Kollege Schui von der Linksfrak-
tion vehement gegen den Investivlohn ausgesprochen.


(Zuruf von der LINKEN: Das war gestern!)


– Ja, das war gestern. So schlecht ist Ihr Gedächtnis. –
Wir prüfen alles, was eine vernünftige Alterssicherung
der jetzigen und der zukünftigen Arbeitnehmer ermögli-
chen kann.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607003800

Ich erteile das Wort Kollegen Oskar Lafontaine, Frak-

tion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)



Oskar Lafontaine (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607003900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner sind unzu-
frieden, weil sie nicht mehr akzeptieren können, dass in
immer größerem Umfang in ihre Besitzstände eingegrif-
fen wird. Das geht schon seit vielen Jahren so. Nach den
Prognosen haben sie fünf Jahre lang Nullrunden zu er-
warten. Aber hier kann man den Eindruck gewinnen, als
gebe es überhaupt kein Problem, als sei alles in bester
Ordnung.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir brauchen steigende Löhne!)


Auf diese Weise kann man völlig über die Köpfe der Be-
völkerung hinwegreden und von der Wirklichkeit abhe-
ben.


(Beifall bei der LINKEN)


Es sind nicht nur die vielen Rentnerinnen und Rent-
ner, die Sorgen haben, sondern es sind auch die aktiven

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(C (D rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Denn sie haben olgende Perspektive: Sie können nur immer geringer erdende Rentenzahlungen erwarten und haben die orge – die Arbeitsmarktzahlen sind nun einmal so, wie ie sind –, dass sie mit 55 keine Arbeit mehr finden und nter Hartz IV fallen. Das ist eine sehr schlechte Zuunftsperspektive. Sie wundern sich hier, dass die Hälfte er Bevölkerung sagt, dass sie mit dem Funktionieren nserer Demokratie nicht mehr zufrieden ist, und dass wei Drittel der Bevölkerung sagen, dass es ungerecht ugeht. In diesem Hause ist alles eitel Sonnenschein. Vor iesem Hintergrund verstehe ich die ganze Debatte nicht ehr. Was wir heute hier diskutieren, hat eine Vorgechichte. Da ist zunächst einmal die Finanzierung der eutschen Einheit. Ich möchte für die Rentnerinnen nd Rentner, die jetzt zuhören – nicht für Sie; bei Ihnen abe ich die Hoffnung aufgegeben –, daran erinnern, ass man die deutsche Einheit über die Abgaben finaniert hat. Damit hat man drei Beitragssatzpunkte zusätzich in Kauf genommen. Das DIW hat es ausgerechnet: as sind pro Jahr mehr als 25 Milliarden Euro. In der umme hat man 400 Milliarden Euro auf diese Weise mverteilt. – Es wäre richtig gewesen, die Vermögenden er Republik heranzuziehen und die Finanzierung nicht en Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufzubüren, die in dieser Republik ihre Knochen hinhalten. Das zweite Fummeln an der Rentenkasse war die Einührung der Riesterrente, die hier wieder gelobt worden st. Ich kann diese Lobeshymnen nicht verstehen; denn es urde hier vorgetragen: Die Riesterrente war notwendig, eil sonst die Beiträge nicht mehr bezahlbar gewesen ären. – Alle Redner haben aber vergessen, hinzuzufüen, dass es hier um die Bezahlbarkeit der Beiträge für ie Unternehmer gegangen ist, also um eine Begrenzung er Arbeitgeberbeiträge, und dass der Schwindel mit der iesterrente darin besteht, dass man den Rest den Arbeitehmerinnen und Arbeitnehmern aufgebürdet hat nd dass nur diejenigen die Riesterrente in Anspruch ehmen können, die das Geld für die Beiträge haben. ie Menschen mit einem Niedriglohn von 3,15 Euro, on denen vorhin der Arbeitsminister gesprochen hat, önnen die Beiträge für die Riesterrente nicht bezahlen. uch das blenden Sie aus. Ein weiterer Punkt. Sie haben zugelassen, dass es in iesem Land Minijobs in ausufernder Weise gibt. Das rgebnis ist, dass die Sozialkassen immer leerer geworen sind. Jetzt wundern Sie sich, dass Druck auf der entenkasse lastet, und wollen mit Rentenkürzungen regieren. Sie haben die Probleme doch sozusagen herbeieschlossen, die es jetzt zu lösen gilt. Aber Sie wollen ie wieder auf eine falsche Art lösen. Ich muss sagen: Die Arroganz und die Selbstgefälligeit, mit der hier vorgetragen und auf die demografische Oskar Lafontaine Entwicklung verwiesen wird, ist deshalb unerträglich, weil Sie die relevante Größe, die hier zu behandeln ist, schlicht und einfach völlig ausblenden. (Peter Rauen [CDU/CSU]: Das ist Populismus pur!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


Die relevante Größe, die es hier zu behandeln gilt, ist das
Realwachstum auf der einen Seite und das Wachstum
der Produktivität auf der anderen Seite. Wer diese bei-
den Kennziffern nicht nennt, soll den Mund halten, wenn
er über die Rentenkassen spricht.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Die Arbeitsplätze gehören auch dazu!)


Sie sind schlicht und einfach nicht in der Lage, das Pro-
blem zu lösen.

Ich will ausführen, wie es in den letzten Jahren war.
Wir hatten in den letzten Jahren ein Realwachstum von
1,4 Prozent und einen Produktivitätsanstieg von 1,9 Pro-
zent. Die Frage, die jeder zu beantworten hat, ist: Wie
kann man auf ein Realwachstum von 1,4 Prozent und ein
deutlich stärkeres Anwachsen der Produktivität mit einer
Verlängerung der Arbeitszeit antworten? Wer das tut,
muss schon bescheuert sein; das muss ich in aller Klar-
heit sagen.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos] – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Auch wenn Sie die Grundrechenarten nicht mehr beherr-
schen, sollten Sie sich mit den relevanten Daten der öko-
nomischen Entwicklung beschäftigen. Dann kommen
Sie zu anderen Ergebnissen. Sie werden mit einer Ver-
längerung der Arbeitszeit – ob es die tägliche oder die
Lebensarbeitszeit ist – die Probleme nicht lösen, weil re-
levante ökonomische Daten schlicht dagegensprechen.
Nur, Sie nehmen sie nicht zur Kenntnis; das ist Ihr Pro-
blem.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Es wird immer wieder gefragt: „Was ist Ihr Gegen-
modell?“ Ich möchte darauf verweisen, dass die Finan-
zierung der sozialen Sicherungssysteme über die
Arbeitseinkommen zu einer Zeit eingeführt wurde, als
die Einkommen zu 90 Prozent aus Arbeitseinkommen
und zu 10 Prozent aus Vermögens- und Unternehmens-
einkommen bestanden. Mittlerweile hat sich die Welt to-
tal verändert. Mittlerweile bestehen die Einkommen zu
60 Prozent aus Arbeitseinkommen und zu 40 Prozent
aus Unternehmens- und Vermögenseinkommen; das sind
die groben Zahlen. In einer solchen Situation gibt es nur
eine einzige Antwort: Man kann die sozialen Siche-
rungssysteme nicht allein und in erster Linie über die
Arbeitseinkommen finanzieren. Wir müssen die Unter-
nehmens- und Vermögenseinkommen endlich in entspre-
chendem Umfang zur Finanzierung der Sozialkassen he-
ranziehen.

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(C (D (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])


Wenn Sie wissen wollen, wo das funktioniert, dann
ollten Sie in die Schweiz fahren und das dortige Gesetz
bschreiben. Dort ist vor vielen Jahren eine Bürgerversi-
herung eingeführt worden ist, die Umverteilungsele-
ente enthält und eine vernünftige Basisversorgung der
evölkerung sicherstellt.

Genau das ist unser Vorschlag. Das, was Sie jetzt ver-
uchen, wird letztendlich zu nichts anderem als zu Al-
ersarmut führen.

Eine letzte Bemerkung. Es ist immer davon die Rede,
ass Sie große Sorgen in Bezug auf die Jugendarbeits-
osigkeit haben. Diese hat auch etwas mit dem Anwach-
en des Rechtsradikalismus zu tun. Wenn man aber
ösungen vorlegt, die dazu führen, dass die Älteren ge-
wungen werden, länger auf dem Arbeitsmarkt zu blei-
en, und dies zum Ergebnis hat, dass die Jüngeren später
uf den Arbeitsmarkt kommen, dann ist das keine ad-
quate Antwort.

Eine Diskussion, die wir mit Schichtarbeitern geführt
aben, möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Ein Schicht-
rbeiter hatte sich während dieser Diskussion gemeldet
nd gesagt: Wenn man uns zwingt, länger zu arbeiten,
edeutet das eine Verkürzung unserer Lebenszeit. – Da-
über sollten Sie einmal nachdenken.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gert Winkelmeier [fraktionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607004000

Ich erteile das Wort Kollegen Gregor Amann, SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD)



Gregor Amann (SPD):
Rede ID: ID1607004100

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
anchmal beneide ich die Kollegen der Linksfraktion.


(Zurufe von der LINKEN: Das verstehen wir!)


enn unser einer hier im Plenum reden soll, dann muss
r Zahlen und Daten ermitteln, Argumente sammeln und
berlegen, wie er den Rest des Hauses überzeugen kann.
ei der Linksfraktion ist es anders. Ihre Kollegen gehen

n die Fraktionsgeschäftsstelle und sagen: Gib mir ein-
al die Rede zur Rente mit 67! Gib mir einmal unsere
ede zur Gesundheitspolitik! – Dann wird dieselbe Rede
ieder und wieder in diesem Hause vorgetragen; ich
enne sie alle schon auswendig.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


abei ist es egal, ob der Redner Schneider oder Lafon-
aine heißt. Es ist immer wieder dasselbe.

Das war auch so bei Ihrer Rede zur Rentenpolitik. Der
orliegende Antrag ist Ihre Standardrede zur Rente; nur,
ieses Mal steht eine Drucksachennummer des Bundes-
ages darüber. Es steht nichts Neues drin. Sie reden wie-
er von Rentenkürzungen, Altersarmut und Arbeitslo-






(A) )



(B) )


Gregor Amann
sigkeit. Das hat mit der Realität so viel zu tun wie die
Seifenopern im Privatfernsehen.


(Zurufe von der LINKEN: Wo leben Sie denn?)


Worum geht es bei der Rente mit 67? Die Schlüssel-
wörter sind: Nachhaltigkeit und Generationengerechtig-
keit.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Unser Rentensystem ist ein Solidarvertrag zwischen den
Generationen. Eine Generation bezieht die Rente, wäh-
rend die andere Generation sie mit ihren Beiträgen finan-
ziert, bis sie dann selbst aus dem Arbeitsleben ausschei-
det und von der nachfolgenden Generation eine Rente

Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1607004200
Das
deutsche System der Alterssicherung ist vorbildlich.

Aber dieser Generationenvertrag funktioniert nur,
wenn es für alle Beteiligten fair und gerecht zugeht.
Wenn das System nicht fair und gerecht ist, wenn also
zum Beispiel das Rentenniveau so sinkt, dass Alters-
armut doch ein Thema wird, oder wenn die Beitragszah-
lungen für die arbeitenden Menschen so exorbitant stei-
gen, dass ihnen keine Luft zum Atmen bleibt, dann ist
die Folge: Die Menschen verlieren das Vertrauen in die
Rentenversicherung und der Generationenvertrag funk-
tioniert nicht mehr.

Genau diese Entwicklung war vorhersehbar. Konrad
Adenauer sagte einmal im Bundestag: Kinder bekom-
men die Leute immer. – Heute, nach wenigen Jahrzehn-
ten, wissen wir: Adenauer irrte sich. Zwei demografi-
sche Entwicklungen nehmen die Rentenversicherung
nämlich in die Zange – ich muss es nicht lange ausfüh-
ren; meine Vorredner haben das schon getan –: Die
Geburtenrate sinkt dramatisch und die Lebenserwar-
tung, und damit die Rentenbezugsdauer, steigt an. Diese
beiden Entwicklungen würden in absehbarer Zeit dazu
führen, dass der Generationenvertrag nicht mehr funk-
tioniert, weil er für die eine bzw. die andere Seite unfair
oder ungerecht werden würde.

Genau darauf hat die große Koalition reagiert. Wir
haben das gemacht, was eigentlich logisch ist: Wenn die
Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer an-
steigen, dann muss der mittlere Block, die Lebensar-
beitszeit, ebenfalls verlängert werden. Das ist nicht un-
bedingt populär, aber es ist sinnvoll, notwendig und eine
wichtige Entscheidung, mit der die Generationengerech-
tigkeit in unserem Alterssystem erhalten werden kann.

Übrigens – das ist in dieser Debatte bisher noch gar
nicht erwähnt worden und in Ihrem Antrag schon gar
nicht – enthält der Gesetzentwurf,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir reden ja noch nicht über den Gesetzentwurf der Koalition!)


der noch eingebracht wird, auch eine Bestandsprü-
fungsklausel: Ab dem Jahr 2010 hat die Bundesregie-
rung dem Parlament alle vier Jahre über die Entwicklung
der Beschäftigung der älteren Arbeitnehmer zu berich-

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(C (D en. Sollten Ihre Befürchtungen dann doch eintreten, önnte rechtzeitig gegengesteuert werden. Der Kollege Lehrieder hat zu Recht auf den letzten atz Ihres Antrags verwiesen. Ich werde ihn deswegen och einmal vorlesen: Schließlich wollen die meisten Beschäftigten nicht länger arbeiten, 74 Prozent würden sogar lieber eher als mit 65 Jahren in den Ruhestand gehen. ch kann Ihnen noch eine weitere Erkenntnis mitteilen: 6 Prozent aller Menschen essen lieber Schokoladeneis ls Lebertran. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie auch!)


as ist Ihre Politik; es ist eine Politik nach Meinungs-
mfrage. Sie reden den Menschen nach dem Mund,


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Reine Populisten!)


lenden aber die Realität aus.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


ir sagen den Menschen die Wahrheit, auch wenn sie
itter schmeckt.


(Volker Schneider [Saarbrücken] [DIE LINKE]: Sie sollten lieber Lebertran nehmen!)


ber wir sorgen so dafür, dass der Solidarvertrag der
entenversicherung für alle Generationen gerecht und

air bleibt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607004300

Ich erteile das Wort Kollegen Anton Schaaf, SPD-

raktion.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Mal gucken, ob der Kollege jetzt auch die Standardrede gegriffen hat!)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1607004400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber

ollege Lafontaine, was wirklich unerträglich ist, das
ann ich Ihnen deutlich sagen: dass Sie so plakativ, so
opulistisch daher kommen wie die Zeitung mit den gro-
en Buchstaben, für die Sie gearbeitet haben. Das ist un-
rträglich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


amit verunsichert man die Menschen, damit schürt
an Ängste und Sozialneid – in dieser Beziehung sind
ie übrigens großartig, ohne Zweitel –, aber das bindet
ie Gesellschaft nicht zusammen, es bildet keine Klam-
er, sondern differenziert weiter aus. Genau das finde

ch unerträglich und das haben Sie ohne Zweifel hier
eute wieder gemacht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Anton Schaaf
In solchen Anträgen geht die Linksfraktion immer da-
von aus, dass es sich dabei ausschließlich um eine
finanzpolitische Frage handelt, also um die Frage: Wie
finanzieren wir Systeme?


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Überhaupt nicht!)


Die gesellschaftspolitische Frage, die hinter dem demo-
grafischen Problem steckt, blenden Sie permanent aus.
Diese Gesellschaft wird älter, Gott sei Dank. Franz
Müntefering sagt an dieser Stelle immer: Hoffen wir, wir
sind dabei. – Ich hoffe es besonders für dich, Franz. Du
bist ja noch dabei, Gott sei Dank.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Was heißt hier „noch“?)


Mit Blick auf die Initiative „50 plus“ – zu ihr komme ich
gleich – kann man wirklich „Gott sei Dank“ sagen, weil
wir mit dieser Initiative wirklich Herausragendes geleis-
tet haben, vor allen Dingen Franz Müntefering.

Die Gesellschaft wird immer älter; diejenigen, die
nachkommen, werden immer weniger. Wir haben die
Systeme nie angepasst; die Beispiele sind eben genannt
worden. In den 60er-Jahren ist die Rente im Schnitt zehn
Jahre lang ausgezahlt worden; mittlerweile sind wir bei
17 Jahren angekommen. Dazu haben übrigens all die
Maßnahmen beigetragen, die wir gemeinsam gefeiert
haben, wie Vorruhestand, Altersteilzeit und ähnliche. Sie
haben bewirkt, dass sich die Lebensarbeitszeit verkürzt
und sich die Rentenbezugszeit verlängert hat.

Meine Tochter, die im Januar geboren ist, hat gute
Chancen, 100 Jahre alt zu werden.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Richtig!)


Ich freue mich für sie; das ist wunderbar. Wenn wir an
dem System aber nichts verändern, wenn wir es nicht zu-
kunftsfest machen, kann folgende Situation eintreten:
Ich hoffe, sie wird schlauer als ihr Vater und geht studie-
ren. Mit 25 oder 26 Jahren wird sie vielleicht fertig sein.
Mit 65 schicken wir sie spätestens in Rente, mit den In-
strumenten, die wir gegenwärtig haben, vielleicht sogar
etwas früher. Das heißt, sie wird in den ersten 25 und
den letzten 30 Jahren ihres Lebens Leistungen aus unse-
ren sozialen Systemen erhalten. Die Zwischenzeit ist
schlichtweg viel zu kurz, um das zu finanzieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir können den nachkommenden Menschen nicht sa-
gen: Wir lassen alles so, wie es ist. – Sie haben gesagt,
dass Sie alle in die Finanzierung der Erwerbstätigenrente
einbeziehen wollen. Nach unserem System, dem Äqui-
valenzprinzip, werden alle, die Beiträge leisten, vor
dem Hintergrund ihrer Beiträge Leistungen erhalten. Ich
bin der festen Überzeugung, dass es richtig ist, dass der-
jenige, der im Alter Leistungen erhält, zuvor eigene Bei-
träge geleistet haben soll, übrigens auch Abgeordnete.
Würden jetzt alle Beiträge in die Rentenkasse zahlen,
würde das zwar eine kurzfristige Erhöhung der Liquidi-
tät bedeuten, langfristig aber neue Probleme verursa-
chen.

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(C (D ie ignorieren dieses Problem schlichtweg und sagen, an könne das anders gestalten. Ihre Umverteilungs olitik ist schlicht: Wir nehmen denen, die jetzt gut verienen, viel weg und wenn sie hohe Ansprüche erworen haben, nehmen wir ihnen die hohen Ansprüche benfalls weg. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ja!)


as werden Sie verfassungsrechtlich nie sauber hinbe-
ommen, zumindest nicht in den bestehenden Systemen.

Die bestehenden Systeme haben sich in der Tat be-
ährt. Wir müssen sie jetzt zukunftsfest machen und wir

un dies. Dass das relativ unpopulär ist, ist mir völlig
lar. Niemandem von uns macht es Freude, solche Bot-
chaften zu übermitteln. Wir setzen aber die richtigen Si-
nale.

Ich nenne hier die Initiative „50 plus“. Ich hatte ges-
ern das Vergnügen, bei der Auftaktveranstaltung sein zu
önnen, die der Minister organisiert hat. Diese Initiative
erdeutlicht den Zweiklang, den wir immer betont ha-
en: Auf der einen Seite steht die Zumutung, auf der an-
eren Seite müssen wir Chancen bieten. Die große
oalition hat sich mit der Initiative „50 plus“ auf den
eg gemacht, die Chancen älterer Arbeitnehmerinnen

nd Arbeitnehmer sehr deutlich und nachhaltig zu ver-
essern.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo ist denn jetzt das Neue?)


Gestern wurden Beispiele dafür angeführt, wie sich
as auswirkt. Viele Unternehmen sagen bereits: Wir
üssen altersgerechte Arbeitsplätze schaffen bzw. vor-

alten. Wir können auf das Know-how, auf die Qualität
er älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der
och qualifizierten Facharbeiterschaft in unserem Land
ukünftig nicht verzichten. Wir können sie nicht vorzei-
ig gehen lassen. – Es ist ein positives Signal, wenn ge-
agt wird: Wir brauchen euch auch noch, wenn ihr älter
eid; dieses Land ist auf euch angewiesen. Ich finde, das
st ein gutes Signal. Ein schlechtes Signal ist es, zu sa-
en: Geht mit 50 Jahren! Wir brauchen euch nicht mehr;
ir alimentieren euch höchstmöglich. – Das ist ein

chlechtes Signal für die Menschen und für die Gesell-
chaft. Wir senden ein anderes Signal.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Rente mit 67 ist bei uns nicht unumstritten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607004500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

ollegen Ernst?


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1607004600

Aber selbstverständlich.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607004700

Bitte.






(A) )



(B) )


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607004800

Kollege Schaaf, im Wahlprogramm der SPD – das ist

noch gar nicht so lange her – wurde die Rente mit 65
noch vehement verteidigt. Es gab einen dramatischen
Umschwung in der Meinung der SPD: Jetzt ist die Rente
mit 67 das Richtige. Auf Grundlage welcher Erkennt-
nisse ist dieser Meinungsumschwung in der SPD inner-
halb eines Jahres zustande gekommen? Könnte das da-
mit zusammenhängen, dass die SPD bei den Wahlen ein
anderes Bild zeichnen wollte?


(Jörg Tauss [SPD]: Wobei ich kein Problem habe, wenn du in Vorruhestand gehst! – Gegenruf von der LINKEN: Aber wir hätten damit ein Problem!)



Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1607004900

Ich danke Ihnen, Herr Kollege Ernst. Ich wollte ge-

rade auf diesen Punkt zu sprechen kommen. Jetzt kann
ich ihn außerhalb meiner Redezeit behandeln. Das ist
sehr nett von Ihnen.

Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass die Rente
mit 67 in der SPD und in der SPD-Bundestagsfraktion
nicht unumstritten ist. Die Frage, ob es vor dem Hinter-
grund der demografischen Entwicklung notwendig ist,
zu handeln, ist bei uns allerdings unumstritten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich sage Ihnen sehr gerne, wie die Situation aussieht.
Der Kompromiss mit der Union wurde an vielen Stellen
zwar relativ geräuschlos vollzogen, er war aber nicht
einfach. Wir müssen schon ehrlich miteinander sein. Je-
der dieser Streitpunkte hat aber wesentlich mehr Qualität
als Ihr Antrag.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Diese Auseinandersetzung führen wir dann gerne ge-
meinsam und zielgerichtet.

Lassen Sie mich zum Schluss die Altersteilzeit und
den damit verbundenen Stichtag ansprechen. Ich bin
Klaus Brandner für seine Initiative ausdrücklich dank-
bar. Sehr dankbar bin ich auch den beiden Fraktionsvor-
sitzenden Peter Struck und Volker Kauder, dass wir eine
solche Regelung geschaffen haben. Dies gibt Zeit, alles
vernünftig und vertrauensvoll abzuarbeiten. Der Zeit-
raum bis zum 29. November dieses Jahres war zu kurz
bemessen. Wir haben diese Erkenntnis gewonnen und
gehandelt. Deswegen bin ich den Akteuren sehr dankbar.
Das schafft Verlässlichkeit in den Betrieben. Hier geht es
um Vertrauensschutz und darum, wie man mit Kollegen
umgeht.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt)


Übrigens, Kollege Ernst, wie schnell man das Ver-
trauen der Kollegen verlieren kann, haben Sie in den
letzten Tagen leider Gottes – ich sage ausdrücklich
„leider Gottes“, weil Sie in Ihrer Funktion als Gewerk-
schafter betroffen sind – erfahren. Wir müssen weiter
Vertrauen gewinnen. Mit den verlässlichen Übergangs-

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(C (D eiten, die wir hinsichtlich des Renteneintritts mit 67 ingeräumt haben, und der begleitenden, vom Minister ngestoßenen Initiative „50 plus“ sind wir auf einem ichtigen und guten Weg. Ich freue mich auf die Debatten im Dezember zur inbringung der Gesetze, die damit einhergehen. Dann erden wir diese Diskussion noch einmal und dann eutlich ausführlicher führen. Dann werde ich mit genau erselben Überzeugung sprechen, mit der ich jetzt dazu esprochen habe. Ich danke für die Aufmerksamkeit. Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf rucksache 16/2747 an den Ausschuss für Arbeit und oziales vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – ch sehe, das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so eschlossen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 32 a bis 32 j uf: a)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607005000
CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes
über die Wahl des Bundespräsidenten durch
die Bundesversammlung

– Drucksache 16/3303 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und
Geschäftsordnung (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-
zung des Rahmenbeschlusses des Rates der
Europäischen Union zur Bekämpfung der
sexuellen Ausbeutung von Kindern und der
Kinderpornographie

– Drucksache 16/3439 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem
Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 zum
Übereinkommen über die Rechte des Kindes
betreffend den Verkauf von Kindern, die Kin-
derprostitution und die Kinderpornographie

– Drucksache 16/3440 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike
Hänsel, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Nach dem Wiener Gipfel – die Beziehungen
zwischen der EU und Lateinamerika solida-
risch gestalten

– Drucksache 16/2602 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, Oskar Lafon-
taine, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion der LIN-
KEN

Verbesserung der Statistik zur Lohn- und Ein-
kommensteuer, Umsatzsteuer und Erbschaft-
und Schenkungsteuer

– Drucksache 16/3025 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike
Hänsel, Michael Leutert, Dr. Diether Dehm, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der LINKEN

Für einen europäischen zivilen Friedensdienst

– Drucksache 16/3620 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heike
Hänsel, Hüseyin-Kenan Aydin, Monika Knoche,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Illegitime Schulden von Entwicklungsländern
streichen

– Drucksache 16/3618 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Finanzausschuss

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan
Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der LINKEN

Zugriff von Geheimdiensten auf das Schenge-
ner Informationssystem der zweiten Genera-
tion verhindern

– Drucksache 16/3619 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

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regierung

Bericht der unabhängigen Expertenkommis-
sion „Finanzierung Lebenslangen Lernens“ –
Der Weg in die Zukunft

– Drucksache 15/3636 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

j) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung

Stellungnahme der Bundesregierung
zum Bericht der unabhängigen Experten-
kommission „Finanzierung Lebenslangen
Lernens“ – Der Weg in die Zukunft – Druck-
sache 15/3636 –

– Drucksache 15/5427 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
en Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
berweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe,
as ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
chlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 33 b bis 33 m auf.
s handelt sich dabei um die Beschlussfassung zu Vor-

agen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Tagesordnungspunkt 33 b:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LIN-
KEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung ei-
ner Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und
Zukunft“ (EVZ-StiftG)


– Drucksache 16/3270 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)


– Drucksache 16/3634 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting)

Maik Reichel
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Silke Stokar von Neuforn

Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/3634,
en Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
em Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
hen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
entwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
des ganzen Hauses angenommen.

Wir kommen zur

dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

Tagesordnungspunkt 33 c:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Investitionszula-
gengesetzes 2007 (InvZulG 2007)


– Drucksachen 16/3437, 16/3651 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 16/3643 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Kolbe
Simone Violka


(8. Ausschuss)


– Drucksache 16/3647 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Carsten Schneider (Erfurt)

Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Anja Hajduk

Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 16/3643, den Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist da-
mit in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Ent-
haltungen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen
und der Fraktion Die Linke.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie in der zwei-
ten Lesung angenommen.

Tagesordnungspunkt 33 d:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Karl-
Theodor Freiherr zu Guttenberg, Eckart von Kla-
eden, Dr. Andreas Schockenhoff, weiterer Abge-
ordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie

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(C (D der Abgeordneten René Röspel, Dr. Rolf Mützenich, Uta Zapf, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Schutz vor Biowaffen verbessern – das Biowaffenübereinkommen stärken – Drucksache 16/3612 – Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dageen? – Enthaltungen? – Der Antrag ist damit einstimmig ngenommen. Tagesordnungspunkte 33 e bis 33 m: Wir kommen zu en Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 33 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 135 zu Petitionen – Drucksache 16/3527 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 135 ist mit den Stimmen des anzen Hauses angenommen. Tagesordnungspunkt 33 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 136 zu Petitionen – Drucksache 16/3528 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 136 ist mit den Stimmen der oalitionsfraktionen und der FDP bei Gegenstimmen er Fraktion Die Linke und bei Enthaltung der Fraktion es Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 33 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 137 zu Petitionen – Drucksache 16/3529 – Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthalungen? – Sammelübersicht 137 ist damit einstimmig ngenommen. Tagesordnungspunkt 33 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 138 zu Petitionen – Drucksache 16/3530 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltunen? – Sammelübersicht 138 ist bei Enthaltung der Frakion der FDP mit den Stimmen aller anderen Fraktionen ngenommen. Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Tagesordnungspunkt 33 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 139 zu Petitionen – Drucksache 16/3531 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Sammelübersicht 139 ist bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP und bei Zustimmung aller anderen Fraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt 33 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 140 zu Petitionen – Drucksache 16/3532 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Sammelübersicht 140 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses mit Ausnahme der Fraktion Die Linke, die dagegen gestimmt hat, angenommen. Tagesordnungspunkt 33 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 141 zu Petitionen – Drucksache 16/3533 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Sammelübersicht 141 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der FDP bei Gegenstimmen der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 33 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 142 zu Petitionen – Drucksache 16/3534 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Sammelübersicht 142 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen bei Gegenstimmen der Fraktion der FDP und der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 33 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses Sammelübersicht 143 zu Petitionen – Drucksache 16/3535 – Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Enthaltungen? – Dann ist Sammelübersicht 143 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. – w c d d d K H v f D n g t r m d h V a n e A ü s g f k k w s v w w E s f i w d d u r (C (D Ich rufe nun Zusatzpunkt 3 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP Die finanzielle Situation der Pflegeversicherung Wenn diejenigen, die der weiteren Debatte nicht folgen ollen, den Saal verlassen haben, kann ich die Ausspra he eröffnen. – Darf ich Sie bitten, Ihre Gespräche vor em Saal fortzusetzen, damit wir dem ersten Redner in er Aktuellen Stunde aufmerksam folgen können? Ich anke Ihnen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem ollegen Heinz Lanfermann für die FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Es hat in den letzten zwei Wochen eine Reihe erwirrender und widersprüchlicher Aussagen zur Reorm der Finanzierung der Pflegeversicherung gegeben. ie FDP-Fraktion will Ihnen von SPD und Union und atürlich auch der Frau Ministerin heute die Gelegenheit eben, hierzu klärende Worte zu sagen. Die Bürger waren geradezu darauf. Ich darf an die Ausgangslage erinnern: Die schwarzote Koalition hat vor einem Jahr versprochen, im Somer des Jahres 2006 einen Gesetzentwurf zur Reform er Pflegeversicherung vorzulegen. Dieses Versprechen at sie nicht eingehalten. Die Bundesregierung hat auch erbesserungen bei den Leistungen für Demenzkranke ngekündigt. Doch auch dieses Versprechen steht auf töernen Füßen. Denn die Ministerin hat in diesem Monat inen Beirat eingerichtet, der – nach dann zweijähriger rbeit – Ende 2008 einen Vorschlag für einen neuen, berarbeiteten Pflegebedürftigkeitsbegriff unterbreiten oll. Gleichzeitig werden für das nächste Jahr, für 2007, roßzügig Leistungsverbesserungen versprochen, auch ür Demenzkranke. Allerdings haben 100 000 Demenzranke in Deutschland nach der jetzt gültigen Definition einen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung, eil sie nicht einmal die Voraussetzungen der Pflege tufe I erfüllen. Diese Kranken könnten bei der für 2007 ersprochenen Reform nur dann Leistungen erhalten, enn der Pflegebedürftigkeitsbegriff sofort verändert ird. Das soll aber – Sie haben es gehört – erst nde 2008 geschehen. Es bleibt das Geheimnis der Geundheitsministerin, wie sie diesen Demenzkranken helen will. Das Versäumnis der Ministerin liegt auf der Hand: Sie st mehr als fünf Jahre im Amt, und die Probleme – soohl der Finanzierung als auch der Inhalte, der Frage er Definition der Pflegebedürftigkeit, der Einstufung, er Organisation, des Bürokratieabbaus, der Transparenz nd des Verhältnisses zwischen ambulanter und stationäer Pflege – sind seit langem bekannt. Das heißt, Sie hät Heinz Lanfermann ten schon vor Jahren eine Reform der Pflegeversicherung angehen müssen. Die erneute Verschiebung, ins nächste Jahr, wird damit begründet, man müsse erst die Gesundheitsreform abwarten. Das ist natürlich nur eine Ausrede. Denn die Schubladen im Ministerium sind voll, sie quellen geradezu über – sonst würden nicht dauernd Papiere irgendwo landen, wo sie die Hausleitung nicht sehen will. In Wirklichkeit will die Ministerin die Union bei der Gesundheitsreform weich kochen, um anschließend bei der Pflegeversicherung ihrem Traum von der Bürgerzwangsversicherung ein Stück näher zu kommen. Jetzt haben die B-Länder im Bundesrat einen Vorschlag präsentiert, wonach eine ergänzende Kapitaldeckung eingeführt werden soll: Zu den 1,7 Prozent Beitrag soll eine zusätzliche Pauschale von einigen Euro im Monat treten, die dann anwachsen soll. Dieser Vorschlag ist noch zu prüfen und zu diskutieren; aber er wäre wenigstens ein Schritt in die richtige Richtung. Und sofort gibt es heftigen Streit, kommt die reflexhafte Reaktion von Frau Ferner, dass ihre Partei die Einführung einer Kopfpauschale nicht mitmachen werde. Der Kollege Zylajew sagt völlig korrekt: Im Koalitionsvertrag steht doch, dass die Pflegeversicherung durch eine kapitalgedeckte Säule ergänzt wird. Sie und die anderen Kollegen von der Union können uns gleich noch einmal bestätigen, dass es auch so kommen soll. Frau Schmidt teilt dann Ihnen mit – über die „Wirtschaftswoche“ –, dass sie von dem Modell der Unionsländer überhaupt nichts hält: Prämie? – Nein danke! Kapitaldeckung? – Teufelszeug! Alle sollen in einen Fonds einzahlen, der „Pflegefonds“ lässt grüßen. Das ist natürlich kein Zufall. Denn als Hauptanteil dieses Fonds sollen die 13 Milliarden Euro einfließen, die die private Pflegeversicherung als Vorsorge für die Zukunft zurückgelegt hat. (Elke Ferner [SPD]: Völliger Unsinn, was Sie da erzählen!)





(A) )


(B) )


(Unruhe)


(Beifall bei der FDP)

Heinz Lanfermann (FDP):
Rede ID: ID1607005100

(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Oje, oje!)


– Natürlich, Frau Ferner: Wenn Umverteilung zum be-
herrschenden Politikprinzip wird – wie bei Ihnen –, dann
schreckt man offensichtlich auch nicht vor dem Zugriff
auf fremde Rücklagen zurück.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Unglaublich!)


Die Union übernimmt eine tragische Rolle. Nach dem
Verhandlungsfiasko bei der Gesundheitsreform wird
jetzt der Vorschlag, den Sie bringen, von der Ministerin
sofort vom Tisch gewischt. Allerdings heißt es im Koali-
tionsvertrag:

Zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostruk-
turen wird ein Finanzausgleich zwischen gesetzli-
cher und privater Pflegeversicherung eingeführt.

Ich sage Ihnen: Wer sich auf so einen Satz einlässt, der
darf anschließend nicht überrascht sein, wenn das zum
Einfallstor für die Bürgerzwangsversicherung wird.

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(C (D (Beifall bei der FDP – Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD])


abei ist die Pflegeversicherung die demografieanfäl-
igste Sozialversicherung überhaupt. Hier geht die
chere zwischen den immer weniger werdenden Jünge-
en – also fallendem Beitragsaufkommen – und den im-
er mehr werdenden Älteren und ganz Alten – also stei-

endem, immer schneller steigendem Finanzbedarf – am
eitesten auseinander. Hier wirkt sich das falsche Kon-

trukt der Bürgerversicherung am verheerendsten aus.
as Wort ist eine schöne Verpackung, der Inhalt fault

chnell.


(Beifall bei der FDP)


Frau Ferner, die jüngere Generation erwartet gerade
on der SPD-Ministerin ein klares Bekenntnis zum Prin-
ip der Kapitaldeckung. Denn nur so können die Kosten
n der Zukunft getragen werden.


(Elke Ferner [SPD]: Völliger Unsinn, was Sie da erzählen!)


ie werden Ihrem Koalitionspartner doch zumindest be-
tätigen, was im Koalitionsvertrag steht: dass es keinen
esetzentwurf der Bundesregierung geben wird, mit
em nicht zumindest in Teilen eine Kapitaldeckung der
flegeversicherung eingeführt wird.


(Elke Ferner [SPD]: Das muss man weder privat noch über eine feste Prämie machen!)


Über die Privatversicherung unterhalten wir uns ein
nderes Mal, Frau Ferner. Nachdem ich bei der DGB-
eranstaltung mit Freuden gehört habe, dass auch Sie
rivat versichert sind,


(Zurufe von der FDP: Aha! – Elke Ferner [SPD]: Das ist kein Geheimnis! – Jörg Tauss [SPD]: Ist das eine Schande, Kollege Lanfermann? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wasser predigen und Wein trinken!)


ollten Sie sich jetzt nicht beschweren.

Danke schön.


(Beifall bei der FDP)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607005200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Annette Widmann-
auz für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1607005300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

en! Im Grunde genommen haben die Menschen doch
ur zwei Wünsche: alt zu werden und dabei jung zu blei-
en. Heute werden die Menschen tatsächlich immer
lter. Das ist kein Methusalem-Komplott, sondern
chlichtweg schön.

Wir wissen aber: Alt zu werden, ist kein reines Ver-
nügen. Nachlassende körperliche und geistige Kräfte,
rankheit, Angst und Tod werden mit zunehmendem
lter immer bestimmendere Lebensthemen. Als sei dies






(A) )



(B) )


Annette Widmann-Mauz
für den Einzelnen nicht schon gravierend genug, kommt
diese Lebensproblematik mit vielfacher Wucht nun zu-
sätzlich auch noch auf unsere Gesellschaft als Ganzes
zu.

Sicher, die demografische Entwicklung ist nicht nur
ein gesellschaftliches Phänomen, sondern sie wird im-
mer mehr auch zum versicherungsmathematischen Pro-
blem in unserem Land.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr richtig!)


Die Pflegebedürftigkeit kann jeden treffen, auch wenn
die Wahrscheinlichkeit bei den über 80-Jährigen mit
mehr als 30 Prozent fast zehnmal höher als in der Alters-
gruppe der Menschen zwischen 60 und 80 Jahren ist.
Pflegebedürftig zu sein, heißt also, auf die Hilfe und Un-
terstützung durch die Familie oder andere angewiesen zu
sein. Damit stellt sie immer auch ein finanzielles Risiko
dar.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr richtig!)


Die Pflegeversicherung als eine soziale Sicherung für
dieses elementare Lebensrisiko ist im Übrigen – das darf
an dieser Stelle einmal erwähnt werden – von einer
unionsgeführten Bundesregierung eingeführt worden.
Man darf durchaus nochmals sagen: Das Ziel, die Men-
schen mit dem Risiko der Pflegebedürftigkeit nicht al-
lein zu lassen, ist erreicht worden. Deshalb ist diese Pfle-
geversicherung ein wichtiger Bestandteil, auch wenn die
Ausgaben die Einnahmen seit 1999 übersteigen. Trotz-
dem wird die Pflegeversicherung erst im Jahre 2009 an
ihre Grenzen stoßen. Deshalb haben wir die soziale Pfle-
geversicherung auch auf die politische Agenda gesetzt.

Herr Lanfermann, das, was Sie heute hier wieder von
sich gegeben haben,


(Dirk Niebel [FDP]: War super!)


entspricht überhaupt nicht den Tatsachen.


(Dirk Niebel [FDP]: Na!)


Sie reden zum Beispiel von Verschleppung, obwohl Sie
genau wissen, dass wir mit der Umsetzung der Roadmap
für die Pflegeversicherung bereits begonnen haben. Sie
wissen, dass die Pflegeversicherung zur Mitte dieses
Jahres nach langer Zeit der Defizite sogar wieder einen
Überschuss hatte, weil sich die Einnahmen durch die
Beitragspflichtigen so gut entwickelt haben, was mit der
erhöhten Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäf-
tigungsverhältnisse zusammenhängt. Die Konjunktur
schlägt hier auf der Einnahmeseite ebenfalls durch. Das
ist wichtig und richtig.


(Dirk Niebel [FDP]: Und der 13. Beitrag? Erzählen Sie doch keinen Mist!)


Deshalb ist das kein Verschleppen. Im Gegenteil, wir ar-
beiten an dieser Reform.


(Beifall der Abg. Maria Eichhorn [CDU/ CSU])


Dass dies nicht nur leere Worte, sondern auch Taten
sind, können Sie an unserem derzeitigen Entwurf für
eine Gesundheitsreform sehen. Dieser enthält viele As-

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(C (D ekte, die den Pflegebedürftigen in diesem Land helfen. ch nenne nur folgende Stichworte: Reha vor Pflege, inbeziehung der Pflege in die integrierte Versorgung, eränderung des Häuslichkeitsbegriffs in der ambulan en Krankenpflege, Präzisierung des Anspruchs auf ilfsmittel in stationären Einrichtungen, verbessertes ntlassmanagement der Krankenhäuser. Das alles ommt den Menschen zugute. Sie haben auch die Koalitionsvereinbarung angesprohen. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, was dazu drin teht. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ja, das tun Sie einmal!)


Zum Ersten wollen wir die Erwerbstätigen mit der
eform der Finanzierung der Pflegeversicherung nicht
berfordern. Deshalb müssen wir die Einnahmen und
usgaben der Pflegeversicherung sehr sorgfältig über-
rüfen und seriöse Antworten geben. Wer die Einnah-
eseite unberührt lassen will, der muss den Menschen

uch offen sagen, dass die Leistungen auf Dauer gekürzt
der sukzessive immer mehr Menschen wieder in die
ozialhilfe abrutschen werden. Das ist nicht unser Ziel.
eshalb ist dies auch keine Lösung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Zweiten wollen wir die Generationengerechtig-
eit ausbauen, und zwar in zweifacher Hinsicht: inner-
alb der Generationen und zwischen den Generationen.
it der Abgrenzung zwischen Familie und Menschen

hne Kinder ist der erste Schritt in der Beitragsbemes-
ung bereits erfolgt. Aber für die dauerhafte Akzeptanz
es Systems werden wir zukünftig ohne Ergänzung des
mlageverfahrens


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Noch besser wäre die Ersetzung!)


urch kapitaldeckende Elemente zum Aufbau einer De-
ografiereserve nicht auskommen. Das steht wörtlich in

er Koalitionsvereinbarung, an die wir uns gemeinsam
alten werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Elke Ferner niel Bahr [Münster] [FDP]: Die SPD klatscht nicht!)


(SPD): An den anderen Satz aber auch! – Da-


Wir haben in der Koalitionsvereinbarung das klare
iel formuliert, die bestehenden Versicherungssysteme
Soziale Pflegeversicherung und private Pflegeversi-

herung – beizubehalten. Insofern sage ich auch Ihnen,
err Lanfermann: Man darf Zitate nicht verkürzen. Le-

en Sie den Menschen doch einfach den Abschnitt vor!
enn Sie das nicht mehr konnten, weil Ihre Redezeit ab-

elaufen war, möchte ich den letzten Satz zitieren, um
hn dem Auditorium nicht vorzuenthalten. Im Koali-
ionsvertrag heißt es:

Der Kapitalstock wird dafür

nämlich für einen Ausgleich zwischen gesetzlicher und
rivater Pflegeversicherung –

nicht angegriffen.






(A) )



(B) )


Annette Widmann-Mauz

(Heinz Lanfermann [FDP]: Aber für die zukünftigen Beiträge sieht das anders aus!)


All Ihr Schüren von Ängsten ist also grundlos. Wir wer-
den die Rücklagen in der privaten Pflegeversicherung
nicht angreifen und dennoch einen Kapitalstock bilden.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Dann steigen also die Prämien für die Privatversicherten!)


Das sind wir den künftigen Generationen schuldig und
das gehört zur Generationengerechtigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Der Applaus der SPD-Fraktion hält sich in Grenzen!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607005400

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Ilja Seifert für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607005500

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Meine Damen und Herren! In diesem Lande ster-
ben jeden Tag Menschen wegen skandalöser Pflegezu-
stände. Aber Sie von der FDP stellen keine andere Frage
als die, wie es mit der Finanzierung weitergeht. Für Frau
Widmann-Mauz handelt es sich nur noch um ein versi-
cherungsmathematisches Problem.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Mir ist neu, dass die PDS eine Aktuelle Stunde dazu beantragt hat!)


Wir müssen darüber reden, wo die eigentlichen Pro-
bleme liegen. Sie liegen in den Inhalten dessen, was
heute Pflege genannt wird, zum Beispiel auch im Pflege-
begriff, der mit dem SGB XI eingeführt wurde und weit
hinter dem Bundessozialhilfegesetz zurückgeblieben ist,
in dem der Pflegebegriff wesentlich weiter gefasst war.

Wir müssen es endlich schaffen, von der Satt-Sauber-
Trocken-Pflege – selbst die ist ja nicht garantiert – weg-
zukommen. Was wir brauchen, ist die begleitende Assis-
tenz, sodass auch diejenigen Menschen, die nicht mehr
alle Tätigkeiten des täglichen Lebens – angefangen beim
Aufstehen und Waschen bis hin zur Essenzubereitung –
alleine ausführen können, dennoch aktiv am Leben der
Gesellschaft teilhaben können. Die Aktivierungsmög-
lichkeiten können sehr unterschiedlich sein, aber es
muss wenigstens angestrebt werden, dass die Betroffe-
nen die vorhandenen Möglichkeiten wahrnehmen kön-
nen. Aber nicht einmal das ist zurzeit gegeben.

Sie aber reden ausschließlich über die Frage, ob es ei-
nen Kapitalstock gibt – als ob dies das Problem wäre!


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Natürlich!)


Wir machen einen ganz anderen Vorschlag.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Jetzt bin ich gespannt! Wie wollen Sie das denn künftig finanzieren!)


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(C (D ir schlagen Ihnen vor, die private Pflegeversicherung bzuschaffen, sie zu schließen. Überführen Sie alle priat Pflegeversicherten in die gesetzliche Pflegeversicheung und sorgen Sie dafür, dass den Menschen die beeits erworbenen Ansprüche – als Bestandsschutz – aus em Kapitalstock, der inzwischen 13 Milliarden Euro eträgt, ausgezahlt werden! Das reicht völlig und lässt ich leicht umsetzen. (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Widerspricht nur dem Grundgesetz!)


ann hätten wir endlich eine solidarische Versicherung,
ie auf allen Schultern ruht, statt der bisherigen Zweitei-
ung der Reichen, Guten und Gesunden einerseits und
er Armen, Schwachen und Kranken andererseits.


(Beifall bei der LINKEN)


or diesem Problem stehen wir und das können wir lö-
en.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sie verschieben doch die Lasten nur in die Zukunft!)


Zu Ihrer aktien- und börsenfixierten Orientierung bei
eglicher Finanzierung gibt es solidarische Alternativen,
ie den Menschen zugute kommen müssen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


ber, wie gesagt, ich will nicht in erster Linie über Geld
eden. Ich will vielmehr darüber reden, was wir damit
achen. Das Problem ist, dass Sie sich seit einem halben

ahr weigern, eine Enquete-Kommission einzurichten,
ie sich damit befasst, welche ethischen, welche rechtli-
hen und welche finanziellen Fragen gelöst werden müs-
en, damit Menschen mit begleitender Assistenz leben
önnen. Sie weigern sich, sich darüber überhaupt Ge-
anken zu machen.

Der Bericht über die Situation der Heime, der dem
inisterium vorliegt, wird verstohlen auf einer Internet-

eite veröffentlicht, nicht aber dem Bundestag vorgelegt,
eil Sie Angst haben, darüber zu reden. Dort steht näm-

ich drin, dass jeden Tag Menschen sterben, weil die
flege zum Teil grausam missbraucht oder in vielen Fäl-

en gar nicht geleistet wird. So sterben in diesem reichen
and Menschen an Dekubita – das sind Druckgeschwü-

e – oder deshalb, weil sie nicht genügend zu trinken
der zu essen bekommen. Wie kann das denn sein? Da-
über müssen wir reden und nicht darüber, ob irgendwel-
he Versicherungen oder Kapitalstöcke aufgebaut wer-
en müssen, die angeblich krisensicher sein sollen.
arüber lache ich mich tot. Wo ist denn das Geld der
apitalstöcke, wenn es zu einem Börsencrash kommt?


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Gucken Sie sich die Börsen doch mal an! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Und morgen fallen alle Spatzen runter!)


Ich habe nicht gesagt, dass der Börsencrash morgen
der übermorgen kommt. Wenn man vorher wüsste,
ann er kommt, hätte man ja die Möglichkeit, vorzusor-
en. Das ist aber nicht der Fall. Ich brauche doch Ihnen
icht zu erklären, wie der Kapitalismus funktioniert.






(A) )



(B) )


Dr. Ilja Seifert

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Er funktioniert! Das ist der Vorteil!)


Das wissen Sie doch besser als ich.


(Beifall bei der LINKEN – Heinz Lanfermann [FDP]: Sie haben nicht gemerkt, wie der Sozialismus funktioniert!)


Lassen Sie uns einen vernünftigen Pflegebegriff ein-
führen, der von Assistenz und Begleitung ausgeht und
der die Menschen aktiviert, anstatt sie zu passiven Ob-
jekten irgendwelcher Verrichtungen zu machen! Lassen
Sie uns im Parlament, in einer Enquete-Kommission,
darüber beraten, wie wir von den starren Pflegestruktu-
ren hin zu ambulanten, wirklich freien Strukturen kom-
men, in denen sich Menschen entwickeln können, auch
wenn sie auf Hilfe angewiesen sind!


(Beifall bei der LINKEN)


Dabei geht es nicht nur um alte Menschen, sondern auch
um Menschen, die schon in jungen Jahren auf Unterstüt-
zung angewiesen sind.

Ich bin gespannt, wann wir endlich – ohne ideologi-
sche Diskussionen über Kapitalstöcke zu führen – über
dieses Thema debattieren und Entscheidungen fällen, die
den Menschen wirklich helfen

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607005600

Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort die Kollegin

Dr. Carola Reimann.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1607005700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Die Pflegeversicherung ist ein zentraler Bau-
stein der sozialen Sicherungssysteme und hat sich seit
ihrer Einführung 1995 bewährt. Gut 2 Millionen Pflege-
bedürftige erhalten heute Leistungen aus der Pflegever-
sicherung. Davon werden gut zwei Drittel ambulant und
ein Drittel stationär versorgt. Es ist davon auszugehen
– das ist schon angeklungen –, dass mit der demografi-
schen Entwicklung die Zahl der Pflegebedürftigen wei-
ter ansteigen wird. Damit die Pflegeversicherung dieser
Entwicklung standhalten kann, müssen wir sie weiter-
entwickeln. Es geht dabei nicht nur um die Frage nach
einer nachhaltigen und verlässlichen Finanzierung, son-
dern auch um Verbesserungen und Anpassungen auf der
Leistungsseite.

Aus diesem Grund haben wir im Koalitionsvertrag
vereinbart, eine umfassende Reform der Pflegeversiche-
rung durchzuführen. Im nächsten Jahr werden wir das in
Angriff nehmen. Das hat nichts mit Verschleppung zu
tun, Herr Lanfermann. Der Zeitplan ist sinnvoll, weil die
Gesundheitsreform, über die wir aktuell debattieren,
auch Auswirkungen auf die Pflegeversicherung hat. Dies
gilt es zu berücksichtigen; denn wir haben in der Tat
schon im GKV-WSG vorgesehen, Maßnahmen zu er-
greifen, die sich positiv auf die Versorgung pflegebe-

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(C (D ürftiger Menschen auswirken werden. Zu nennen sind ier beispielsweise die geriatrischen Rehabilitationsleisungen, die zu Pflichtleistungen der Krankenkassen weren – damit stärken wir den Grundsatz „Reha vor flege“ –, nd die Einbeziehung der Pflege in die integrierte Verorgung. Das ist im Hinblick auf die demografische Enticklung konsequent. Auch die Anpassung und Neuefinition des Haushaltsbegriffs ist im Zusammenhang it der Erbringung der häuslichen Krankenpflege nicht ering zu schätzen. Das ist etwas, was die Leute im tägichen Leben sehr schnell erreichen wird. Das sind wichige Elemente der aktuellen Gesundheitsreform, die auch ielfach beklagte Abstimmungsund Schnittstellenrobleme bei der Krankenund der Pflegeversicherung ösen werden. Vor allem auf der Leistungsseite besteht Handlungsedarf; denn seit der Einführung im Jahre 1995 sind die eistungen der Pflegeversicherung unverändert geblieen. Die Kostensteigerungen der letzten Jahre wurden omit von den Pflegebedürftigen getragen. Deshalb ist, ie im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Dynamisie ung der Pflegeleistungen notwendig. Wir werden mit er Pflegereform dafür sorgen, dass der Grundsatz „amulant vor stationär“ stärker als bisher zur Geltung ommt. Nicht zuletzt – auch das ist heute schon angemerkt orden – müssen mit der Pflegereform Maßnahmen erriffen werden, die zu einer Verbesserung der Situation emenzkranker Menschen führen. Es bedarf dabei mitelfristig auch einer Überarbeitung des Pflegebedürftigeitsbegriffs, gerade im Hinblick auf den besonderen ilfeund Betreuungsbedarf der Demenzkranken. Da über hinaus sind neue gesellschaftliche Entwicklungen, um Beispiel neue Wohnformen im Alter, zu berücksichigen und aufzugreifen. Deshalb begrüße ich ausdrückich die Einsetzung des Beirates zur Entwicklung eines euen Pflegebegriffs durch die Gesundheitsministerin. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Maria Eichhorn [CDU/CSU])


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der SPD)


Ich habe schon gesagt, dass sich die Reform der Pfle-
eversicherung nicht auf den Leistungsbereich beschrän-
en können wird. Wie eingangs erwähnt, wollen wir mit
ieser Reform eine nachhaltige und verlässliche Finan-
ierung erreichen. Grundlage muss eine gerechte Vertei-
ung der Lasten auf alle Bevölkerungsgruppen sein. Im
oalitionsvertrag – die Stelle ist schon zitiert worden –
aben wir vereinbart, dass zum Ausgleich der unter-
chiedlichen Risikostrukturen ein Finanzausgleich zwi-
chen gesetzlicher und privater Pflegeversicherung
ingeführt wird. Eine gerechte Verteilung der Lasten be-
eutet auch, dass Menschen mit geringem Einkommen
icht den gleichen Betrag wie Spitzenverdiener bezahlen
önnen. Eine gerechte Verteilung der Lasten heißt für
ns Sozialdemokraten, dass sich die Beiträge nach der
inanziellen Leistungsfähigkeit richten. Auch in der
flegeversicherung gilt für uns der Grundsatz, dass die






(A) )



(B) )


Dr. Carola Reimann
starken Schultern mehr tragen müssen als die schwa-
chen.


(Beifall bei der SPD)


Nach der Gesundheitsreform in diesem Jahr werden
wir im nächsten Jahr das Projekt Pflegeversicherung an-
gehen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Die steuerfinanziert wird!)


Natürlich gibt es in der Koalition einige offene Punkte,
gerade was die Finanzierungsfragen anbelangt. Ich bin
aber sicher, dass es uns gelingt, für die Pflege ein tragfä-
higes und überzeugendes Konzept vorzulegen. Ziel muss
es sein, die Pflegeversicherung auf eine stabile und ver-
lässliche finanzielle Basis zu stellen, dabei die Lasten
gerecht zu verteilen und auf der Leistungsseite die not-
wendigen Anpassungen umzusetzen, die den Pflegebe-
dürftigen zugute kommen.

Ich danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607005800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth Scharfen-

berg für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
legen! Die Entwicklung der finanziellen Einnahmen der
sozialen Pflegeversicherung im ersten Halbjahr 2006 ist
zweifellos sehr erfreulich. Das wollen wir überhaupt
nicht bestreiten. Dennoch unsere Botschaft an die große
Koalition: Ruhen Sie sich bloß nicht auf diesen Zahlen
aus!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Begehen Sie nicht den kapitalen Fehler, die Pflege-
reform vor sich herzuschieben!


(Zuruf von der SPD: Machen wir nicht!)


Nun wurde hier und heute von der Koalition bekräf-
tigt – gerade noch von Frau Widmann-Mauz und auch
von der Kollegin Reimann –, dass die Reform nächstes
Jahr wirklich angepackt werden soll. Das begrüßen wir
und wir werden Sie kräftig daran erinnern; denn inzwi-
schen kennen wir Ihre Versprechen ganz gut. Ich erin-
nere gerne an Ihren eigenen Koalitionsvertrag. Danach
sollten wir zu diesem Zeitpunkt nicht in einer Aktuellen
Stunde debattieren, sondern wir sollten uns hier im Ple-
narsaal eigentlich um die Pflegereform kümmern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dieses Versprechen haben Sie also schon gebrochen. In
den Hinterzimmern werden im Moment zum Teil irrwit-
zige Vorschläge aus Ihren Reihen diskutiert. Da fordert
zum Beispiel die Mittelstands- und Wirtschaftsvereini-
gung der Union, man solle die Pflegeversicherung kom-
plett auf Kapitaldeckung umstellen.


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(C (D Ich stimme Ihnen zu. – Dazu soll man auch noch die flegestufe I völlig abschaffen; dadurch würden unterm trich 4 Milliarden Euro gespart. Es ist schlimm genug, dass ein großer Teil der Union ffenbar überhaupt keinen Wert auf Solidarität und soiale Gerechtigkeit legt. So viel sage ich zu den leeren arolen, die Sie in Dresden gepredigt haben. Aber noch schlimmer ist: Die Koalition verheddert ich schon wieder – genau wie bei der Gesundheitsreorm – in Finanzdebatten. Damit reden Sie auf ganzer inie an unseren wirklichen Problemen vorbei. enau das will kein Mensch in diesem Land mehr hören. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt kommt Ihr Vorschlag!)


(Elke Ferner [SPD]: Völlig gaga!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


ch höre von Ihnen nichts darüber, was für eine Pflege
ie eigentlich wollen. Ich höre von Ihnen nichts über In-
alte und Strukturen. Ich höre von Ihnen auch nichts
ber die Sorgen der Pflegebedürftigen und ihrer Ange-
örigen.


(Maria Eichhorn [CDU/CSU]: Das werden wir alles in der Pflegereform tun!)


Damit wir uns nicht missverstehen: Ich halte eine
achhaltige und gerechte Finanzierung der Pflegeversi-
herung für sehr wichtig. Wir Grünen plädieren mit der
ürgerversicherung und der kollektiven Demografiere-

erve für ein sozial gerechtes und nachhaltiges Modell.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber glauben Sie denn allen Ernstes, dass sich die
robleme der pflegerischen Versorgung in Luft auflösen,
enn Sie hier irgendein Konsensmodell zur Finanzie-

ung auftischen? Wir brauchen ein Konzept, aus dem
ervorgeht, wie Pflege in unserer älter werdenden Ge-
ellschaft aussehen kann. Jeder, auch Sie hier, stellen
ich doch die Frage: Wie kann ich in dieser Gesellschaft
n Würde altern und wie werde ich später Pflege erfah-
en?

Dazu brauchen wir geeignete Strukturen: Wir brau-
hen eine Reform des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Wir
rauchen Case- und Care-Management. Wir müssen viel
ehr Angebote für die Vereinbarkeit von Pflege und Be-

uf machen. Meine lieben Herren Abgeordneten, in die-
em Bereich sind ausdrücklich die Männer angespro-
hen. Machen wir uns nichts vor: Die Töchter und
chwiegertöchter sind momentan der größte Pflege-
ienst der Nation.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


ir brauchen keine Wiederholung der Parole „Verein-
arkeit von Familie und Beruf für Frauen“. Transportie-
en Sie dies endlich bitte auch in Ihre Reihen!






(A) )



(B) )


Elisabeth Scharfenberg
Pflegende Angehörige brauchen dringend Entlastung.
Wir müssen die Trennung zwischen „ambulant“ und
„stationär“ beseitigen. Wir müssen die Verbraucher-
rechte stärken usw. Es gibt viel zu tun; wir müssen es nur
endlich anpacken.

Unsere Vorschläge liegen offen auf dem Tisch. Wir
haben unser Eckpunktepapier „Pflege menschenwürdig
gestalten“ im September vorgelegt. Darin sind einige
sehr gute Vorschläge enthalten.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Eigenlob stinkt!)


Wir hatten letzte Woche ein öffentliches Fachgespräch
– ich betone: öffentlich –, in dem zahlreiche Expertinnen
und Experten uns bestätigen konnten, dass wir Grünen
uns auf den richtigen Weg begeben haben.

Wir werden weiter diskutieren und wir werden an der
Verbesserung unserer Vorschläge arbeiten. Außerdem
werden wir nicht rasten und nicht ruhen, wenn es darum
geht, Ihnen unsere Erkenntnisse mitzuteilen. Setzen Sie
sich mit einer umfassenden Reform der Pflegesicherung
endlich auseinander! Hier nur von „Pflegeversicherungs-
reform“ zu sprechen, greift einfach zu kurz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Kommen Sie endlich aus den Hinterzimmern heraus!
Führen Sie endlich eine offene Diskussion und tauschen
Sie sich mit den entsprechenden Akteuren aus!

Frau Widmann-Mauz, Sie haben eben so schön von
einer Roadmap gesprochen. Gehen Sie mit dieser
Roadmap endlich auf öffentliche Plätze und Straßen und
erzählen Sie den Menschen, was Sie wollen!


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Ja, das machen wir!)


Wir wollen eine öffentliche Diskussion und wir haben
überhaupt kein Interesse an einer weiteren Show wie bei
der Anhörung zur Gesundheitsreform: Alles ist abgekar-
tet und wir werden im Grunde genommen nur noch vor
vollendete Tatsachen gestellt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Birgit Homburger [FDP])


Wir wollen eine öffentliche Diskussion und wir fordern
Sie auf, dafür endlich zu sorgen.


(Maria Eichhorn [CDU/CSU]: Alles zu seiner Zeit!)


Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607005900

Das Wort hat nun der Kollege Willi Zylajew für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ie Finanzierung der Pflegeversicherung war bereits 0 Jahre vor ihrer Einführung ein – vor allen Dingen für ie FDP-Fraktion – wichtiges Thema. Herr Lanfermann, ir, die damalige Koalition aus CDU/CSU und FDP, haen dies in den Jahren 1993/94 gemeinsam auf einen ernünftigen Weg gebracht. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Zum Teil habt ihr uns ziemlich gezwungen! – Heinz Lanfermann [FDP]: Das war mehr eine Erpressung!)

Willi Zylajew (CDU):
Rede ID: ID1607006000

Dazu muss ich Ihnen sagen, Herr Lanfermann: Ein Ko-
litionspartner, mit dem ich ordentlich verhandeln kann,
st mir natürlich lieber als jemand, der sich erpressen
ässt. Sie enttäuschen mich.


(Beifall bei der CDU/CSU – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD – Widerspruch bei der FDP)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt enttäuschen Sie
ich ein bisschen und bringen mich aus dem Konzept.

ch habe bisher gedacht, dass Sie zu dem stehen, was wir
einerzeit vernünftig verabredet haben.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, das war einmal bei der FDP! – Zurufe von der FDP)


Ich kenne die Unkenrufe.

Wir müssen sehen, dass die Pflegeversicherung für
ie Menschen im Lande qualitativ und quantitativ Enor-
es erreicht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


hne diese Pflegeversicherung hätte es weder den guten
achlichen Ausbau noch den Aufbau von Strukturen und
etzen gegeben, wie wir sie heute haben.


(Hilde Mattheis [SPD]: Genau!)


hne die Pflegeversicherung wäre das undenkbar gewe-
en. Ich frage mich, liebe Bedenkenträger aus den 90er-
ahren:


(Heiterkeit bei der SPD)


o wären wir heute, hätten wir nicht mit der Pflegever-
icherung Beispielhaftes geschaffen?

Keine Frage: Wir müssen die Pflege weiterentwi-
keln; ganz eindeutig. Nach elf Jahren ist jetzt der rich-
ige Zeitpunkt dafür. Wir müssen auch mehr tun, als nur
ber die Finanzierung nachzudenken. Wir haben letzt-
ich die Aufgabe, die Standards zu erhalten und weiter-
uentwickeln. Heute ist die Situation teilweise eine an-
ere. Wir haben noch keine Antwort auf das Problem des
mgangs mit Dementen gefunden. Wir haben noch
eine Antwort mit Blick auf neue Wohnformen gefun-
en. Wir haben noch keine abschließende Antwort auf
ie Frage gefunden, wie wir ambulante und stationäre
ngebote vernünftig kombinieren. All dies werden wir

ngehen. In einem Jahr werden wir hier stehen und Ih-
en eine Antwort dazu anbieten. Der können Sie dann
ustimmen oder Sie können wieder blockieren.






(A) )



(B)


Willi Zylajew
Es war Frau Dr. Babel,


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sehr kluge Frau!)


die am 21. Oktober 1993 gesagt hat: Die Umlagefinan-
zierung ist nicht der Weg der FDP.


(Beifall des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP])


– Aber ihr habt zugestimmt!


(Heiterkeit bei der SPD – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Ich sage ja: Erpressung! Es war ein Fehler!)


Der verehrte Graf Lambsdorff hat am 22. April 1994
dem Ergebnis im Vermittlungsausschuss nicht zuge-
stimmt und gesagt: Das funktioniert nicht.


(Birgit Homburger [FDP]: Er hat doch Recht gehabt!)


Kollegen, elf Jahre haben wir die Pflegeversicherung!
Das ist die einzige Versicherung, die ohne weitere Bun-
desmittel, ohne höhere Bundesmittel auskommt.


(Hilde Mattheis [SPD]: Und bis jetzt ohne Beitragssatzerhöhung!)


Die Pflegeversicherung ist neben der Unfallversicherung
auch die einzige Versicherung, die keine Beitragssatz-
erhöhung erlebt hat. Bei allen anderen gab es das. Über
elf Jahre also eine prächtige Leistung!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der FDP)


– Kollegen, vorsichtig! Ihr habt doch selbst gesagt, dass
die Entwicklung in diesem ersten Halbjahr 2006 positiv
war. Nun haben Sie doch einmal Geduld!

Liebe Kollege Bahr, wir möchten letztlich – da ist die
Koalitionsvereinbarung ganz klar – eine solidarische
Versicherung, die in den nächsten Jahren die Grundleis-
tungen solidarisch finanziert. Wir möchten, dass gerade
Ihre Generation, Herr Kollege Bahr, zusätzlich eine Ver-
sicherungspolice in der Hand hat, die einen Beitrag zur
Absicherung der Kosten im Pflegefall leisten kann. Da-
rauf werden wir hinarbeiten. Ich hoffe sehr, dass uns die
FDP dabei ein Stück begleiten wird.

Herr Dr. Seifert, bei allem Respekt vor Ihrer Person –
ich habe mich in Deutschland im Pflegebereich ein biss-
chen umgeschaut. Sozialistische Modelle, die etwas er-
bracht haben, was mit dem, was wir haben, auch nur ver-
gleichbar wäre, habe ich nicht gefunden, auch in keinem
Nachbarland. Seien Sie mir also nicht böse, wenn ich
sage: Ihr Weg kann uns schlichtweg nicht begeistern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will zum Schluss sagen, dass sich die Kollegin
Scharfenberg und die Grünen keine Sorgen zu machen
brauchen. Wir ruhen uns nicht aus. Wir werden hier Bes-
seres leisten. Die FDP kann ich nur bitten, in den Län-
dern, wo sie noch Mitverantwortung trägt, einen Beitrag
dazu zu leisten, dass die Pflege besser wird.

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(C (D In einem Jahr, denke ich, werden wir dazu Vernünfties vorlegen. Wir freuen uns auf Ihre Mitarbeit bis zu iesem Zeitpunkt. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Nächster Redner ist nun der Kollege Daniel Bahr für ie FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol egen! So richtig es ist, dass es in Deutschland eine Pflegeversicherung gibt, so verfehlt war es, eine solche Versicherung noch im Jahr 1995, als bereits alle Konsequenzen der Bevölkerungsalterung für die umlagefinanzierten Systeme bestens bekannt waren … als ein … nach dem Umlageverfahren finanziertes System zu etablieren. (Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Da hat die FDP damals zugestimmt!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607006100

(Beifall bei der FDP)

Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1607006200

as ist ein wortwörtliches Zitat aus dem Gutachten des
achverständigenrats.

Meine Damen und Herren, das war die Befürchtung,
ie die FDP damals, im Jahre 1994, hatte. Natürlich war
as damals eine Erpressung durch die CDU/CSU, eine
rpressung ihres damaligen Koalitionspartners FDP.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das klingt nach Mitleid! – Zuruf von der SPD: Heißt das, dass Sie erpressbar sind?)


Sie können jetzt alle protestieren. – Man sollte sich
inmal damit beschäftigen und überlegen, ob man da
öglicherweise einen Fehler gemacht hat. 1994 gab es
ahnende Worte, übrigens aus Ihrer Partei genauso. Fra-

en Sie einmal den Kollegen Herrn Biedenkopf!


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Womit hat man Sie denn erpresst? Was haben Sie denn für die Zustimmung bekommen?)


amals wurde befürchtet, dass wir genau das erleben
erden, was wir jetzt erleben, dass nämlich zehn Jahre
ach Einführung der Pflegeversicherung die Defizite so
unehmen werden, dass wir vor der Frage stehen: Muss
er Beitragssatz nicht weiter erheblich steigen?

Herr Blüm hat damals gesagt: Nein, das müsse nicht
assieren. Das sei kein Problem. Es gab große Verspre-
hen, was die Pflegeversicherung alles leisten würde.
ir wussten schon damals, dass es angesichts der Al-

erspyramide der Bevölkerung ein Fehler ist, auf ein
mlageverfahren zu setzen. Das haben wir jetzt auch.
ie retten sich, Frau Widmann-Mauz, nur mit Einmal-
ffekten.
)






(A) )



(B) )


(Beifall bei der FDP – Annette WidmannMauz [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht wahr!)


– Natürlich. Ich erinnere an die Umsetzung des Bundes-
verfassungsgerichtsurteils aus dem letzten Jahr, den Zu-
satzbetrag für Kinderlose. Das bringt einen Sonder-
effekt, eine Zusatzeinnahme von 700 Millionen Euro
jedes Jahr. Das verbessert die Finanzen kurzfristig. Ohne
das wären die Defizite viel höher.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das wird gar nicht bestritten!)


Das Zweite: Der 13. Sozialversicherungsbeitrag, den
Rot-Grün eingeführt hat, verbessert in den ersten beiden
Quartalen dieses Jahres die Finanzlage der gesetzlichen
Pflegeversicherung um etwa 800 Millionen Euro. Das
wird sich aber im Laufe des Jahres ausgleichen. So
kommt der Bericht der Bundesbank zu dem Schluss,
dass damit zu rechnen ist, dass zum Ende des Jahres das
Defizit in der Pflegeversicherung, um diesen Einmalef-
fekt bereinigt, genauso hoch sein würde wie im letzten
Jahr, nämlich 365 Millionen Euro.

Das heißt, all das, was Sie machen, hilft allenfalls
kurzfristig, das Defizit einigermaßen zu dämpfen, aber
es löst überhaupt nicht die finanziellen Probleme der
Pflegeversicherung.


(Beifall bei der FDP – Annette WidmannMauz [CDU/CSU]: Was wollen Sie eigentlich?)


Die Rücklagen, lieber Kollege Zylajew, die zu Beginn
der Pflegeversicherung gebildet worden sind – die Leis-
tungen wurden ein halbes Jahr


(Zuruf von der CDU: Ein Vierteljahr!)


später ausgezahlt –, schmilzen wie das Eis in der Sonne.
Denn wir werden voraussichtlich schon Ende des
Jahres 2007 ein Unterschreiten der Mindestreserve ha-
ben. Dann werden wir wieder vor der Frage stehen, was
wir machen müssen. Muss man die Beiträge erhöhen?

Da hilft auch die Idee, die von der linken Seite dieses
Hauses immer kommt, jetzt müsse man nur die Einnah-
mebasis verbreitern, indem man die Privaten verpflichte,
auch in die soziale Pflegeversicherung einzuzahlen,
nicht weiter. Das würde Ihnen kurzfristig wieder helfen,
keine Frage. Kurzfristig würden Sie die Defizite damit
senken. Aber was machen Sie denn in ein paar Jahrzehn-
ten, wenn wir eine Verdreifachung der Anzahl der Pfle-
gebedürftigen gegenüber heute,


(Elke Ferner [SPD]: Was machen die Privaten denn dann?)


aber nur noch zwei Drittel der Beitragszahler im Ver-
gleich zu heute haben? Da kommen Sie um die Wahrheit
nicht herum. Natürlich werden die Kosten steigen. Na-
türlich wird für jeden Einzelnen von uns in Deutschland
– ich finde, wir sollten alle so ehrlich sein – der Auf-
wand für Vorsorge für Pflege, für Vorsorge für Gesund-
heit und für Vorsorge für das Alter steigen müssen.


(Elke Ferner [SPD]: Wer bestreitet das denn?)


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(C (D Die Altersentwicklung werden Sie auch nicht wegeformieren können, wenn Sie immer mehr Ältere und mmer weniger Junge haben. Aber da liegt der Unterchied. Dann sollten wir uns darüber Gedanken machen, etzt Vorsorge zu treffen, heute einen Kapitalstock für ie steigenden Kosten im Alter aufzubauen, heute den instieg zu wagen. (Heinz Lanfermann [FDP]: Bis jetzt geschieht gar nichts! – Annette Widmann-Mauz [CDU/ CSU]: Machen wir doch!)


Ich möchte einmal die Vorschläge sehen. – Meinen Sie
rnsthaft, Frau Widmann-Mauz, dass mit diesen 6 Euro
usatzbeitrag wirklich der Aufbau eines Kapitalstocks
rreicht wird? Glauben Sie wirklich, dass Ihr Vorschlag,
inen Finanzausgleich zwischen dem System der Privat-
ersicherten, das immerhin einen Kapitalstock von
3 Milliarden Euro für die Pflege aufgebaut hat,


(Elke Ferner [SPD]: Warum denn? Weil die die geringeren Risiken haben!)


nd der sozialen Pflegeversicherung vorzunehmen, nach-
altiger ist? Mitnichten ist das eine nachhaltigere Finan-
ierung. Sie bedienen sich derer, die einen Kapitalstock
ufgebaut haben, um aufgrund der aktuellen Probleme
er Umlageversicherung Löcher zu stopfen, meine Da-
en und Herren.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Das ist Unsinn, was Sie erzählen!)


Jetzt wird von Verbesserungen auf der Leistungsseite
esprochen. Natürlich müssen wir mehr tun angesichts
er steigenden Kosten durch Demenz bei älteren Men-
chen.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Ich bin auf Ihre Vorschläge gespannt!)


atürlich müssen wir zu einer Dynamisierung der Leis-
ung kommen. Sonst würde das die Pflegeversicherung
änzlich infrage stellen. Aber, meine Damen und Her-
en, eines darf man nicht machen: Vollmundig Leistung
ersprechen und sich keine Gedanken darüber machen,
ie sie finanziert wird. Der Schritt muss andersherum
ehen: Zunächst muss geklärt sein, wie die Finanzierung
ür die leistungsfähige Pflege aussieht.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Genauso machen wir es doch!)


rst danach können wir uns über Leistungsverbesserun-
en unterhalten. Man kann nicht vollmundig Leistungen
ersprechen und nicht sagen, wie man sie finanzieren
ill. Das ist unseriös und unehrlich, meine Damen und
erren.


(Beifall bei der FDP – Elke Ferner [SPD]: Wo ist jetzt Ihr Vorschlag?)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607006300

Für die Bundesregierung erteile ich nun das Wort

er Parlamentarischen Staatssekretärin Frau Marion
aspers-Merk.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt
M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1607006400


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die von der FDP beantragte Aktuelle Stunde trägt den
Titel „Die finanzielle Situation der Pflegeversicherung“.
Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass Sie auch die wah-
ren Zahlen zur finanziellen Situation der Pflegeversiche-
rung genannt hätten, Herr Bahr.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Habe ich!)


Ich möchte sie an dieser Stelle noch einmal nennen, da-
mit wir auch wissen, worüber wir reden: Aus der augen-
blicklichen Situation ergibt sich, dass wir bis Ende des
Jahres einen Überschuss in Höhe von circa 300 bis
400 Millionen Euro haben werden. Das ist auf drei Ef-
fekte zurückzuführen:

Erstens auf den Einmaleffekt, dass in diesem Jahr
13 statt zwölf Beiträge gezahlt wurden.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Verkappte Beitragserhöhung!)


Zweitens auf das Anziehen der Konjunktur; diesen
Effekt sieht man ja zurzeit sehr deutlich. Das heißt, wir
haben über das ganze Jahr verteilt systematisch jeden
Monat einen Überschuss von über 1 Prozent in der Pfle-
geversicherung erzielt, weil endlich wieder die Zahl so-
zialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse
zunimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Birgit Homburger [FDP]: Nicht wegen, sondern trotz dieser Bundesregierung!)


Das ist doch ein positives Zeichen, dass die sozialen Si-
cherungssysteme ein Stück weit entlastet werden.

Der dritte Effekt, der zur positiven Situation in der
Pflegeversicherung beigetragen hat, liegt darin begrün-
det, dass die Zahl der Pflegebedürftigen deutlich gerin-
ger als prognostiziert angestiegen ist. Mitte dieses Jahres
hatten wir nur rund 23 000 Pflegebedürftige mehr als ein
Jahr zuvor. Diese Zahl liegt niedriger als prognostiziert.
Deshalb sind die Ausgaben in diesem Jahr in den ersten
neun Monaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum auch
nur um 1,2 Prozent angestiegen.

Die Aktuelle Stunde, liebe Kolleginnen und Kollegen
von der FDP, wäre also gar nicht nötig gewesen,


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Doch!)


denn eigentlich haben wir bis zum Jahresende eine gute
Situation.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Sie müssen einmal weiter denken als bis zum Jahresende! Das ist doch kurzsichtig!)


– Herr Kollege Lanfermann, Gott sei Dank braucht dazu
die Bundesregierung Ihre Zwischenrufe nicht.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Die brauchen Sie dringend!)


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(C (D Wir haben uns bereits in der Koalitionsvereinbarung arauf verständigt, eine Reform der Pflegeversicherung orzunehmen. Wir haben dabei auch die Steigerung der usgaben und Leistungsverbesserungen erwähnt. Die Kolleginnen und Kollegen haben es Ihnen in ihen Reden doch aufgezeigt: Wir wollen Verbesserungen ür Demenzkranke. Wir werden sie umsetzen. (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wie wollen Sie die finanzieren?)


ir wollen eine Dynamisierung der Leistungen. Auch
iese werden wir umsetzen.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wie wollen Sie die finanzieren?)


ir wollen eine „Pflegezeit“ einführen. Hierzu haben
ir bereits die ersten Vorgespräche geführt und haben
ns darauf geeinigt, dass wir einen Rechtsanspruch auf
flegezeit einführen. Frau Kollegin Scharfenberg hat ja
echt: Natürlich leisten vor allen Dingen die Frauen, die
öchter und Schwiegertöchter, die häusliche Pflege. Um
iese zu stärken, ist die Einführung einer Pflegezeit
berfällig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


uch das ist eine richtige Maßnahme, auf die sich die
oalition schon in der Koalitionsvereinbarung verstän-
igt hat.

Wir geben auch Antworten darauf, wie das Ganze fi-
anziert werden soll. Auch das haben Sie, liebe Kolle-
innen und Kollegen der FDP, nicht dargestellt. Wir wol-
en nämlich erstens eine Demografiereserve aufbauen
das steht in der Koalitionsvereinbarung und wurde Ih-

en von der Kollegin Widmann-Mauz noch einmal er-
äutert – und zweitens wollen wir, dass vonseiten der pri-
aten Pflegeversicherung ein Ausgleich bezahlt wird.
ir machen das nicht, um anderen etwas wegzunehmen,

ondern deshalb, weil das Pflegerisiko in den beiden
ystemen unterschiedlich verteilt ist, obwohl am Ende
enau die identischen Leistungen erbracht werden.


(Birgit Homburger [FDP]: Das ist ja unglaublich! – Heinz Lanfermann [FDP]: Umverteilung ohne Wegnahme?)


enn diese Feststellung im Prinzip stimmt, dann kommt
an nicht umhin, einen Ausgleich vorzunehmen. Es ist

ber ausdrücklich festgehalten worden, dass man nicht
n die Reserve, die aufgebaut wurde, herangeht. Deswe-
en ist es unredlich, wenn von Ihrer Seite immer wieder
ie Unwahrheit gesagt wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Trotz der günstigen Finanzentwicklung, aufgrund der
er Beitragssatz bis 2008 für das derzeitige Leistungs-
pektrum ausreichen würde, haben wir gesagt, eine Pfle-
ereform ist überfällig.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Dann haben Sie aber die Mindestreserve schon unterschritten!)







(A) )



(B) )

Deswegen werden wir sie im Zeitplan umsetzen. Es war
immer verabredet, dass die Pflegereform der Reform in
der Krankenversicherung folgt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Bis zum Sommer 2006 sollte sie vorgelegt sein! – Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist ja schriftlich widerlegt durch den Koalitionsvertrag!)


Das macht ja auch Sinn, weil wir uns mit vielen Schnitt-
stellen bereits jetzt auseinander zu setzen haben.

Ich will Ihnen an dieser Stelle noch eines ins Stamm-
buch schreiben: Das GKV-Wettbewerbsstärkungsge-
setz, das Sie so sehr bekämpfen,


(Zuruf von der FDP: Schwindel!)


enthält bereits ganz konkrete Verbesserungen zur Schnitt-
stelle Pflege. Wenn Sie also eine Verbesserung der Pflege
wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition,
müssen Sie dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ei-
gentlich zustimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Frank Spieth [DIE LINKE]: Na, na!)


Vorhin wurde so schön gesagt, wir sprächen gar nicht
über die Inhalte der Pflege, sondern nur über die Finan-
zierung. Hier geht es jetzt um die Inhalte.

Erstens. Wir haben ernst gemacht: Rehabilitation soll
vor Pflege gehen. Die geriatrische Reha wird eine
Pflichtleistung. Das bedeutet eine konkrete Verbesse-
rung der Pflegesituation; das ist etwas, worauf die Pfle-
gebedürftigen lange gewartet haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben zweitens – damit greifen wir eine langjäh-
rige Forderung aus der Pflegeszene auf – vorgesehen,
dass auch Pflegeeinrichtungen und Pflegekassen sich in
Zukunft an der integrierten Versorgung beteiligen kön-
nen. Auch das bedeutet eine konkrete Verbesserung.

Drittens verbessern wir das Entlassmanagement nach
Krankenhausaufenthalten klar. Denn es ist doch ein Är-
gernis, wenn das Krankenhaus nicht mit den pflegeri-
schen Einrichtungen kooperiert und wir dadurch vieler-
orts Drehtüreffekte haben. Wir sorgen hier für eine
erneute Klarstellung und schaffen einen Rechtsanspruch.
Aber, Kolleginnen und Kollegen, da sind wir alle gefor-
dert; das muss vor Ort auch umgesetzt werden.


(Beifall bei der SPD)


Hier gibt es vieles, was im Moment im Argen liegt. Des-
halb müssen wir einfordern, dass die Krankenhäuser sich
schon bei der Einweisung der Patientinnen und Patienten
darum kümmern, was nach der Entlassung mit ihnen ge-
schieht, und ein vernünftiges Entlassmanagement orga-
nisieren.

Wir sollen viertens, dass – das wurde vorhin vom
Kollegen Seifert angesprochen – Wohngemeinschaften
und betreutes Wohnen in vielen Fällen dazu genutzt wer-
den können, zum Beispiel eine Heimunterbringung zu

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(C (D rsetzen. Bislang war es so, dass der Häuslichkeitsberiff nicht in jedem Fall häusliche Krankenpflege und ndere Leistungen ermöglichte. Da machen wir jetzt rnst und verändern den Häuslichkeitsbegriff so, dass in ukunft auch betreutes Wohnen häusliche Krankenflege organisieren kann. Auch das ist eine Schnittstelle, n der Handeln überfällig ist. Das finden Sie ebenfalls in nserem aktuellen Gesetzentwurf. Eine fünfte Verbesserung. Mit unserem Gesetzenturf werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass eimbewohner mit einem besonders hohen behand ungspflegerischen Bedarf, zum Beispiel Wachkomapaienten, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege im eim behalten. Auch das ist eine wichtige Schnittstel enverbesserung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der sechste Punkt bezieht sich auf eine alte Forde-
ung der Hospizbewegung, nämlich dass Betäubungs-
ittel in Hospizen und Heimen weiterverwendet werden

önnen. Wir leisten uns in diesem Land bei Arzneimit-
eln und Medikamenten eine unglaubliche Verschwen-
ung. Auch da nehmen wir jetzt Veränderungen an der
chnittstelle vor, und zwar in der richtigen Reihenfolge.

Siebtens korrigieren wir die Rechtsprechung im Sinne
er schwerst geistig behinderten Heimbewohner. Ich
inde es, Kolleginnen und Kollegen, wirklich nicht in
rdnung, dass das Bundessozialgericht in seinem Urteil

chwerst geistig behinderten Heimbewohnern, die nicht
ehr am Gemeinschaftsleben teilnehmen können, wie es

o schön formuliert ist, den Rollstuhl verweigert hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


adurch sind Menschen zum Objekt der Pflege gewor-
en. Es ist eigentlich schlimm, dass es nötig ist, das ge-
etzgeberisch klarzustellen. Wir tun das; denn für uns
ind Menschen kein Objekt der Pflege.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ie sind nicht Betreute, sondern müssen auf gleicher Au-
enhöhe wahrgenommen werden.

Deswegen: ganz konkrete Leistungsverbesserungen
ür die Pflege im aktuellen Gesetzentwurf, die klare fi-
anzielle Prognose für dieses Jahr, dass wir mit einem
lus zwischen 300 und 400 Millionen Euro abschließen,
nd die Pflegereform im nächsten Jahr. Ich freue mich
uf Ihre konstruktiven Beiträge, liebe Kolleginnen und
ollegen von der FDP;


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Die liegen schon vor!)


enn dazu hört man im Moment noch sehr wenig.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607006500

Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Maria Eich-

orn für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt

Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1607006600

Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Die Pflegeversicherung hat sich insgesamt bewährt.
Dennoch steht sie vor großen Herausforderungen. Herr
Kollege Bahr, deswegen führen wir eine grundlegende
Reform der Pflegeversicherung durch.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Die wollten Sie schon längst vorlegen! Die sollte bis 2006 vorgelegt werden!)


Eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung ist
notwendig, nicht nur wegen der Finanzierung, sondern
auch wegen der Leistungsseite. Die Kritik richtet sich
vor allem gegen die bürokratischen Regelungen, gegen
die scharfe Trennung zwischen Pflegekasse und Kran-
kenkasse und gegen Qualitätsmängel.

Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass im
Rahmen einer zukunftsgerechten Gestaltung der Pflege-
versicherung zwei Punkte im Vordergrund stehen:
erstens Sicherung einer nachhaltigen und gerechten Fi-
nanzierung, Herr Kollege Bahr, und zweitens Verbesse-
rungen auf der Leistungsseite. Dabei soll der Grundsatz
„Ambulant vor stationär“ gestärkt werden.

Mit der Gesundheitsreform werden bereits wesentli-
che Verbesserungen für Pflegeleistungen erreicht. Der
Leistungsanspruch auf Palliativversorgung aus der Kran-
kenversicherung und der Ausbau der integrierten Versor-
gung für die Pflege schwerstkranker Menschen sind be-
sonders wichtig. Damit wird eine ganzheitliche
pflegerische und medizinische Begleitung und Unter-
stützung von sterbenden Menschen und deren Angehöri-
gen ermöglicht. So ist es auch möglich, den Wunsch vie-
ler Menschen zu erfüllen, bis zum Tod in ihrer vertrauten
häuslichen Umgebung bleiben zu können.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)


Mit der Gesundheitsreform wird in Form der inte-
grierten Versorgung auch eine bessere Zusammenarbeit
zwischen Krankenhaus und ambulanter Versorgung so-
wie zwischen Pflegekräften und Hausärzten möglich.
Der künftige Anspruch auf geriatrische Reha kann Pfle-
gebedürftigkeit vermeiden oder zumindest eine Ver-
schlechterung des Zustandes verhindern. Wer alt ist und
einen Unfall erleidet, muss nicht pflegebedürftig wer-
den.

In der Vergangenheit gab es zahlreiche Klageverfah-
ren, weil Krankenkassen die Bezahlung von Hilfsmitteln
für Bewohner stationärer Pflegeeinrichtungen verwei-
gerten. Dank der Gesundheitsreform werden in Zukunft
auch an Demenz erkrankte und schwerstpflegebedürftige
Heimbewohner einen Anspruch auf einen Rollstuhl oder
andere individuell benötigte Hilfsmittel haben. Ich bin
sehr froh darüber, dass es entgegen der Rechtsprechung
des Bundessozialgerichts von 2004 Menschen durch die-
sen künftigen Leistungsanspruch ermöglicht wird, am
Leben der Gemeinschaft, soweit es noch geht, teilzuneh-
men. Gerade bei Demenzkranken war die Ablehnung der
Kostenübernahme für Rollstühle entwürdigend und dis-
kriminierend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Im Übrigen wird es aufgrund der Pflegereform in Zuunft möglich sein, dass der Betreuungsbedarf Demenzranker durch die Pflegeversicherung besser berücksichigt wird. Wer sich mit dem Thema Pflege auseinander setzt, tellt fest: Es besteht dringender Handlungsbedarf zur ntlastung der Leitungsund Pflegekräfte in den Heien. Die Altenheime wurden überwiegend zu Pflegeheien. Es gibt dort kaum noch Rüstige. Die Bürokratie uss abgebaut werden, damit die Qualität von Betreu ng und Pflege in der Zukunft gesichert ist. Arbeitszeitessungen zeigen, dass lediglich 40 bis 55 Prozent der rbeitszeit von Pflegekräften direkt für und mit den eimbewohnern verbracht werden. Die übrigen Zeiten üssen für Kontroll-, Verwaltungsund Dokumenta ionspflichten aufgewendet werden. Das muss geändert erden. Angesichts der berechtigten Klagen hat die Unionsraktion in der letzten Legislaturperiode unter Führung er Arbeitsgruppe Familie wichtige Forderungen zum ürokratieabbau in Heimen in den Bundestag eingeracht. Die große Koalition hat sich diese Forderungen u Eigen gemacht und im Koalitionsvertrag eine Novelierung des Heimgesetzes vereinbart. Durch die Föderaismusreform ist es nun Sache der Länder, diese Fordeungen umzusetzen. Es gibt aber genügend Punkte, wo uch der Bund gefragt ist, zum Beispiel bei der Harmoisierung widersprüchlicher Regelungen zwischen eimgesetz und SGB XI. Dies müssen wir anpacken. Eine gute Pflege hängt nicht davon ab, wie viele Forulare ausgefüllt werden, sondern ob sich die Menschen ohl fühlen. Zum Schluss danke ich allen, die hilfsbedürftige enschen pflegen; dies ist keine leichte Aufgabe. Herr ollege Seifert, sie wird überwiegend gut gemacht und erdient unseren Respekt und unsere Anerkennung. Anrkennung verdienen auch die vielen Ehrenamtlichen, ie den Pflegebedürftigen zum Beispiel in Besuchsiensten das Leben erleichtern und lebenswerter mahen. Die Pflegeversicherung ist ein zentraler Baustein der ozialen Versicherungssysteme. Mit der kommenden Reorm werden wir die Herausforderungen der Zukunft eistern. Sie alle sind aufgefordert, dabei mitzumachen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607006700

Nun hat das Wort die Kollegin Hilde Mattheis für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1607006800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

olange ich im Bundestag über Pflege und Pflegeversi-
herung diskutiere, höre ich von der FDP immer nur die






(A) )



(B) )


Hilde Mattheis
Schlagworte „Entbürokratisierung“ und „kapitalge-
deckte Pflegeversicherung“.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das steht im Koalitionsvertrag!)


Beides ist, glaube ich, nicht zielführend. Das Thema
Entbürokratisierung ist zwar wichtig; aber Ihre Vor-
schläge beinhalten immer einen bürokratischen Wust.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Völliger Quatsch!)


Das Thema Finanzierung geht für Sie immer mit Entsoli-
darisierung einher. Sie rücken von dem solidarischen
Gedanken deutlich ab und meinen, mit der Kapitalde-
ckung ein Sicherungssystem zu haben, das für die kom-
menden Generationen ein Gewinn sei.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Das hat mit Sparen zu tun! Das liegt Ihnen aber sowieso nicht!)


Aber ich sage Ihnen: Wenn Sie entsprechende Gutachten
nachlesen, stellen Sie fest, dass das einzig Stabile ein
umlagefinanziertes System ist.


(Lachen bei der FDP)


Das wollen wir auf jeden Fall ausbauen.


(Beifall bei der SPD – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sie sollten einmal Ihren Koalitionsvertrag lesen! Da steht beides drin!)


Wir wollen die Pflegeversicherung reformieren. Es
geht um Strukturreformen; wichtige Punkte sind in die-
sem Zusammenhang genannt worden. Wir wollen


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Kapitalgedeckte Elemente!)


den Grundsatz „Ambulant vor stationär“ umsetzen. Wir
wollen


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Entbürokratisierung!)


eine Dynamisierung der Leistungen; denn es ist klar,
dass die Leistungen, die man beanspruchen kann, seit
Einführung der Pflegeversicherung deutlich – um weit
mehr als 13 Prozent – gesunken sind.


(Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!)


Wir wollen selbstverständlich Leistungen für Menschen
mit Demenz.

Das alles ist, glaube ich, unstrittig hier im Haus. Das
habe ich aber von Ihrer Seite noch nie gehört.


(Birgit Homburger [FDP]: Frau Mattheis, Ohren putzen! Dann hören Sie es auch!)


Von daher bitte ich Sie einfach, sich an der Diskussion
über Strukturreformen zu beteiligen. Wir müssen deut-
lich machen, dass es dabei darum geht, die Lebensquali-
tät der Menschen, die unserer Hilfe bedürfen, deutlich zu
stärken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der SPD: Bei der FDP geht es nur über das Geld! – Gegenruf des Abg. Daniel Bahr S r d a c c S s i d r b s P b D l d u s s t r d h B W n p d z g z d (C (D [Münster] [FDP]: Sie können ja tolle Versprechungen machen! Wenn Sie nicht sagen, wie Sie dies finanzieren können, können Sie sie auch nicht halten!)


elbstverständlich geht das nur über eine Finanzierungs-
eform. Dazu finden Sie in unserem Koalitionsvertrag
eutliche Hinweise.

Da Sie die private Pflegeversicherung immer wieder
nführen, muss man sagen, dass die private Pflegeversi-
herung natürlich wesentlich geringere Risiken versi-
hert.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)


ie wissen, dass in der privaten nur 1,3 Prozent der Ver-
icherten Leistungen beanspruchen;


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Vorsorge!)


n der gesetzlichen sind es mehr als doppelt so viele. Von
aher sind die Ausgaben der privaten Pflegeversiche-
ung deutlich geringer.

Was die gesetzliche Pflegeversicherung anbelangt,
eträgt der durchschnittliche Leistungsanspruch pro Ver-
icherten 240 Euro. Dieser Betrag liegt bei den privaten
flegeversicherungen deutlich darunter. Vollversicherte
ekommen ungefähr 85 Euro.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Dann gehen wir doch alle zur privaten Versicherung, Frau Mattheis! Das ist doch das Beste!)


ieser Punkt darf aber nicht zu dem Schluss führen, al-
es auf eine private Säule zu stellen, sondern darauf, dass
ie Risiken ordentlich zu verteilen sind


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: In einer privaten! – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Warum denn in der privaten?)


nd dass es einen Ausgleich zwischen den privaten Ver-
icherungen und der solidarisch gesetzlichen Pflegever-
icherung geben muss.

Ich bin davon überzeugt, dass wir, die große Koali-
ion, den richtigen Weg einschlagen werden. Es geht da-
um, die Finanzierung auf so sichere Beine zu stellen,
ass das unterstrichen wird, was die Pflegeversicherung
eute auszeichnet. Sie hat eine hohe Akzeptanz in der
evölkerung.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Zwangsbeiträge!)


arum? Weil die Leute genau wissen, dass sie sich in ei-
er Situation, in der sie abhängig sind, weil sie nämlich
flegebedürftig sind, der Unterstützung und Solidarität
er Gemeinschaft sicher sein können. Dieser Punkt
eichnet die soziale Pflegeversicherung aus und deswe-
en sagen die Menschen: Es lohnt sich, da einen Beitrag
u bezahlen.

Wir werden in der großen Koalition im Anschluss an
ie Gesundheitsreform die Pflegereform angehen.






(A) )



(B) )


Hilde Mattheis

(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das wird genauso ein Murks!)


Das bedeutet nicht, dass wir bisher dazu nichts unter-
nommen hätten. Ich begrüße es sehr, dass das Ministe-
rium einen Beirat einberufen hat, der sich um eine wich-
tige Grundlage kümmern soll: Er soll nämlich die
Pflegebegriffsdefinition überarbeiten, weil bisher nur
unzureichende Pflegebegriffsdefinitionen vorliegen, die
ein weites Spektrum der sozialen Betreuung nicht abde-
cken.


(Beifall bei der SPD)


Von daher begrüße ich das sehr.


(Heinz Lanfermann [FDP]: Das hätten Sie vor sieben Jahren noch viel mehr begrüßt, Frau Kollegin!)


Ich bin davon überzeugt, dass wir in der großen
Koalition, was die Finanzierungsreform anbelangt, den
Menschen Sicherheit verschaffen und, was die Struktur-
reform anbelangt, wichtige Dinge auf den Weg bringen
können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607006900

Das Wort hat nun für die CDU/CSU-Fraktion der

Kollege Hermann-Josef Scharf.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hermann-Josef Scharf (CDU):
Rede ID: ID1607007000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einfüh-
rung der Pflegeversicherung vor elf Jahren hat viele pfle-
gebedürftige Menschen vor der Sozialhilfe bewahrt. Das
ist ein Erfolg, der Tenor unserer weiteren Verhandlungen
sein muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die auch damals schon längst überfällige Entscheidung,
eine Versicherung für den Pflegefall im Alter abzuschlie-
ßen, werden wir weiterhin fördern.

Wir werden jedoch die finanzielle Belastung auf brei-
tere Schultern verteilen müssen. Die rein umlagefinan-
zierte Pflegeversicherung muss durch eine kapitalge-
deckte private Zusatzversicherung ergänzt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Frau Mattheis, jetzt sollten Sie mal klatschen! – Frank Spieth [DIE LINKE]: Ist das das Koalitionsmodell?)


Wir als Union schlagen ein Modell vor, das einen monat-
lichen Beitrag unabhängig vom Einkommen vorsieht.

Der deutsche Schriftsteller Peter Bamm hat einmal
formuliert – ich zitiere –:

Im Grunde genommen haben die Menschen nur
zwei Wünsche, alt zu werden und jung zu bleiben.

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(C (D enn man die Altersstruktur unserer Bevölkerung berachtet, sieht man: Es geht zumindest einer der Wünche in Erfüllung, nämlich älter zu werden. as den zweiten Wunsch, nämlich jung zu bleiben, anelangt, so bedarf es dazu noch erheblicher politischer nd gesellschaftlicher Anstrengungen. Der im Recht der Pflegeversicherung beschriebene rundsatz „Prävention und Rehabilitation vor Pflege“ uss noch stärker berücksichtigt werden. Denn auch enn wir uns Gedanken über die Einnahmeseite machen üssen, darf die Ausgabenseite nicht weiter steigen. Eine der großen gesellschaftlichen Herausforderunen ist die stark zunehmende Altersdemenz. In Deutschand leben heute allein etwa 1 Million, im Jahr 2030 voaussichtlich über 2 Millionen Menschen unter uns, bei enen die Diagnose Demenz zutrifft. (Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir gehören dazu, sage ich!)


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Alles Lyrik!)


ie Grundlagenforschung ringt darum, zu verstehen, wie
emenz entsteht. Wir hoffen auf wirksame Medika-
ente, die uns vor Demenz schützen, ihre Symptome be-

influssen oder gar eine Heilung versprechen. Noch al-
erdings ist dies eine sehr vage Hoffnung. Eine
rühzeitige Diagnose wird als entscheidende Vorausset-
ung für eine längerfristig erfolgreiche Therapie ange-
ehen. In diesen Fällen kann die Behandlung früh
insetzen und der Eintritt der Pflegebedürftigkeit hinaus-
eschoben werden.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass die medizinischen
ienste in ihren Gutachten nicht nur Auskunft über die
flegestufe erteilen; die Gutachten sollten auch Aussa-
en dazu enthalten, welche geeigneten Rehabilitations-
aßnahmen im Einzelfall anzuwenden sind. Den Kran-

enkassen obliegt dann die Pflicht, das Verfahren zur
inleitung einer Rehamaßnahme in Gang zu setzen. Die
eisten pflegebedürftigen Menschen wünschen, in ihrer

äuslichen Umgebung bleiben zu können. Um beide
omponenten miteinander zu verbinden, haben wir die
esetzliche Krankenversicherung im Gesetzentwurf zur
esundheitsreform verpflichtet, Leistungen der geriatri-

chen Rehabilitation als Pflichtleistung zu erbringen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dieser Schritt wird die Situation vieler älterer Men-
chen erheblich verbessern. Diese Versorgungsstruktu-
en stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn die Pflegebe-
ürftigkeit ein fortgeschrittenes Stadium erreicht hat.
ann kommt es meist zur Übernahme intensiver Pfle-
eaufgaben durch die Familie. Zwei von drei Pflegebe-
ürftigen werden von Familienangehörigen betreut.


(Elke Ferner [SPD]: Von Frauen meistens! – Gegenruf des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Das macht den Satz aber nicht falscher!)


iele pflegen ihre Angehörigen oft bis an die Grenzen
hrer körperlichen und seelischen Leistungsfähigkeit.






(A) )



(B) )


Hermann-Josef Scharf
Deshalb freue ich mich, dass die schon im Jahr 2002
vom Saarland gestartete Initiative zur Einführung einer
Pflegezeit nun auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Mit
der Einführung einer Pflegezeit wird die Vereinbarkeit
von Beruf und Pflege wesentlich verbessert. Das dient
den Frauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Margrit Spielmann [SPD] – Elke Ferner [SPD]: Hoffentlich auch den Männern! – Gegenruf des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Die zwingen Sie dann einfach! – Gegenruf der Abg. Elke Ferner [SPD]: Was heißt hier „zwingen“? Die Frauen zwingt ihr gerne, oder? – Gegenruf des Abg. Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Nein, um Gottes willen!)


Auch bei der Reform der Pflege werden wir ein gan-
zes Bündel von Maßnahmen ergreifen müssen. Die
CDU/CSU-Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass wir
die Pflegeversicherung auf eine nachhaltige Finanzie-
rungsgrundlage stellen. Doch wir sollten nicht verges-
sen, dass die Pflege von bedürftigen Menschen immer
auch eine Aufgabe unseres Herzens bleiben wird.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607007100

Das Wort hat nun die Kollegin Margrit Spielmann für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Margrit Spielmann (SPD):
Rede ID: ID1607007200

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

legen! Wir sind es mittlerweile schon gewohnt: Die FDP
malt nicht nur in ihren Leitlinien zur Reform der sozia-
len Pflegeversicherung ein Untergangsszenario, nein,
auch heute preist sie den Wettbewerb und die eigene
Vorsorge wieder als Allheilmittel an. Herr Bahr und Herr
Lanfermann, Sie sagen uns aber nicht, was passieren
müsste.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Doch! Natürlich!)


– Nein, heute jedenfalls haben Sie es nicht getan.

Diese verengte ökonomische Sichtweise lässt meiner
Ansicht nach etwas ganz Entscheidendes außer Acht
– das ist in der heutigen Debatte überhaupt noch nicht
genannt worden –,


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Frau Spielmann, Sie können die Altersentwicklung nicht wegdiskutieren!)


nämlich die pflegebedürftigen Menschen, die Qualität
und die Inhalte der Pflege.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich gebe Herrn Dr. Seifert Recht: Über die Inhalte müss-
ten wir reden. Welches sind die dringendsten Probleme,

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(C (D or denen die Pflegeversicherung steht? Wie kann die estmögliche Qualität für pflegebedürftige Menschen (Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Für immer mehr Pflegebedürftige!)


uch zukünftig gewährleistet werden? Was ist zu tun?

Ich meine, als wichtigsten Punkt die Dynamisierung
on Leistungen nennen zu müssen. Wir wissen, dass die
eistungen der Pflegeversicherung seit ihrer Einführung
icht mehr erhöht worden sind. Die Folge ist, dass das
inanzvolumen zur Finanzierung der Leistungen zuneh-
end geringer wird und wir einen Prozess der schlei-

henden Leistungsentwertung erleben, wie Sie, Herr
ahr, übrigens richtigerweise festgestellt haben. Ohne
ine Dynamisierung der Leistungen droht diesem wichti-
en Sozialversicherungszweig längerfristig der Verlust
er Qualität und der Akzeptanz. Es führt also kein Weg
aran vorbei, die Einnahmesituation der Pflegeversiche-
ung zu verbessern.

Damit muss – das wurde von vielen meiner Kollegin-
en und Kollegen schon genannt – eine neue Definition
er Pflegebedürftigkeit verbunden werden. Wir alle wis-
en, dass der Pflegebedürftigkeitsbegriff zu somatisch
usgerichtet ist. Menschen mit so genannter einge-
chränkter Alterskompetenz, also die Dementen, sowie
ie Behinderten und deren besonderer Betreuungsbedarf
erden derzeit noch nicht ausreichend berücksichtigt.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Sehr richtig!)


Ein weiterer wichtiger Punkt, den ich nennen möchte,
st die Gestaltung des Grundsatzes „Ambulant vor statio-
är“. Das kommt den Wünschen der Mehrheit der Pfle-
ebedürftigen entgegen und – das wissen wir alle – ist
uch kostengünstiger. Damit aber – dieser Punkt wurde
eute noch nicht genannt – der Grundsatz „Ambulant
or stationär“ qualitativ hochwertig umgesetzt werden
ann, muss die Ausbildung der Pflegekräfte verbessert
erden. Wir sollten nicht nur im stationären Bereich

usbilden, sondern uns insbesondere der ambulanten
äuslichen Pflege zuwenden. Das ist die Herausforde-
ung der Pflegeausbildung. Wir haben mit der Neufor-
ulierung der Alten- und Krankenpflegeausbildung ei-

en großen Schritt in diese Richtung gemacht. Ich
enke, dass eine verstärkte Ausrichtung der Aus- und
ortbildung von Pflegekräften erfolgen muss. Deshalb
teht im Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform unter an-
erem die bessere Vernetzung von Hausärzten mit IV-
erträgen usw., die sich mit der Pflege befassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Wie sollen wir das alles finanzieren?)


Der wichtigste Punkt – er wurde heute von Frau Wid-
ann-Mauz, von Frau Reimann und von der Staatssek-

etärin genannt – ist die stärkere Vernetzung. Ich sage
mmer: Pflege muss aus einer Hand erfolgen. Wir brau-
hen einen besseren Übergang vom Krankenhaus in die
äusliche Pflege und die geriatrische Rehabilitation. Wir
rauchen eine bessere Zusammenarbeit von Ärzten,
herapeuten und Pflegeheimen. Auf unserer Agenda






(A) )



(B) )


Dr. Margrit Spielmann
steht auch eine bessere Verzahnung zwischen Rehaein-
richtungen und Wohnformen.

Nicht zuletzt sollten wir den Grundsatz „Prävention
vor Rehabilitation“ stärker in den Fokus unserer Überle-
gungen nehmen. Wir haben ein Problem; ich denke, das
ist deutlich geworden. In der gesetzlichen Pflegeversi-
cherung ist die Zahl der Leistungsempfänger doppelt so
hoch wie in der privaten Pflegeversicherung. Das schlägt
sich – wie soll es auch anders sein – in den höheren Leis-
tungsausgaben der Versicherten nieder.


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Insgesamt haben sie sich verdreifacht! Das ist das Problem!)


Herr Bahr, deshalb muss sich die private Pflegeversiche-
rung unbedingt an einem solidarischen Risikostruktur-
ausgleich beteiligen.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe eine Vision: Eine wesentlich bessere und ge-
rechtere Lösung wäre aus meiner Sicht eine Bürgerpfle-
geversicherung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607007300

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Christian Kleiminger für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christian Kleiminger (SPD):
Rede ID: ID1607007400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der medizinische Fortschritt ermöglicht uns
heute ein sehr viel längeres Leben als unseren Eltern und
Großeltern. Das ist – man sollte es ruhig so sagen – in
erster Linie sehr erfreulich. Aber mit zunehmender Le-
benserwartung steigen die Zahlen der Pflegebedürftigen
und zwangsläufig auch die Kosten. Damit die Pflegever-
sicherung in Zukunft leistungsfähig und finanzierbar
bleibt, muss sie weiterentwickelt werden, und zwar,
wenn es allein nach uns Sozialdemokraten ginge, zu ei-
ner von breiten Schultern solidarisch getragenen Bürger-
versicherung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Auch in der Pflegeversicherung sollten wir – dies ist
meine persönliche Ansicht – aus Gründen der sozialen
Gerechtigkeit eine steuerfinanzierte Säule aufbauen.
Doch die Kosten sind nur die eine Seite, die wir vor Au-
gen haben müssen. Auf der anderen Seite sollten vor al-
len Dingen die Wünsche und Ansprüche, die Pflegebe-
dürftige berechtigterweise haben, Maßstab für unser
Handeln sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb möchte ich auf strukturelle Veränderungen,
die wir bereits jetzt einwandfrei wollen, eingehen. Wir
wollen zum Beispiel nicht, dass Patienten nach einer
Operation ohne Perspektive auf eine Anschlussbehand-

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(C (D ung aus dem Krankenhaus entlassen werden. Bei zu vieen ist dann der Weg ins Pflegeheim vorprogrammiert. as entspricht nicht dem Wunsch der Betroffenen und en heutigen medizinischen Möglichkeiten (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


nd ist – auch darüber muss man sprechen – vergleichs-
eise kostenintensiv.

Ein besonders wichtiger und außerordentlich positi-
er Aspekt der Reformpläne ist deshalb die Schaffung
es Leistungsanspruchs für Ältere und Pflegebedürftige
uf geriatrische Rehabilitation.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


enn alte Menschen benötigen eine spezielle Form der
ehabilitation, die ihrer körperlichen und geistigen Kon-

titution entspricht und qualitativ hochwertig ist.

Die Mehrheit der Menschen möchte im Alter oder bei
rankheit am liebsten zu Hause bleiben und von Ange-
örigen oder Pflegekräften unterstützt werden. Deshalb
alte ich das Beschreiten neuer Wege in der ambulanten
ersorgung für besonders wichtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ir müssen Versorgungsformen schaffen, die die Patien-
innen und Patienten zu Hause erreichen und aufwendige
tationäre Leistungen – sei es im Krankenhaus, sei es im
tationären Pflegeheim – möglichst vermeiden helfen.
azu gehören auch die neuen und bereits angesproche-
en Wohnformen für Ältere, etwa die Wohngemein-
chaften für Demenzkranke. Dabei geht es immer um ein
ebeneinander von bestmöglicher ambulanter und sta-

ionärer Versorgung, höchstem medizinischen Standard
nd ehrenamtlichem Engagement. Das gilt auch für die
flege Sterbenskranker.

Damit komme ich auf eine weitere wichtige Säule der
trukturreformen zu sprechen: Es muss allen ermöglicht
erden, ohne unnötiges Leiden und in Würde – entwe-
er zu Hause, im Pflegeheim oder wo auch immer ge-
ünscht – bis zum Tode betreut zu werden. Deshalb sol-

en Sterbenskranke erstmals einen eigenständigen
eistungsanspruch auf spezialisierte ambulante Pallia-

ivversorgung erhalten.


(Beifall bei der SPD)


Die bisherigen ambulanten Betreuungsmöglichkeiten
ind insgesamt leider noch unzureichend. Deshalb wol-
en wir in Deutschland flächendeckend Palliativ-Care-
eams schaffen, bei denen spezialisierte Ärztinnen und
rzte, Pflegekräfte sowie Fachkräfte der psychosozialen
etreuung und Seelsorge im Sinne eines multidisziplinä-

en Teams zusammenarbeiten. Dabei müssen wir die eh-
enamtliche und die professionelle Sterbebegleitung,
uch in stationären Altenpflegeheimen, besser miteinan-
er vernetzen. Damit die Menschen in den stationären
flegeheimen optimal versorgt werden, sollten die Pallia-

iv-Care-Teams ihre Leistungen auch in diesen Einrich-
ungen erbringen können.






(A) )



(B) )


Christian Kleiminger
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies sind wichtige
Strukturmaßnahmen,


(Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Meinen Sie wirklich, es reicht aus, die Zahlen zu verdreifachen? – Gegenruf der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wir packen das wenigstens schon einmal an!)


die bereits jetzt geregelt werden und auf denen die Re-
form der Pflegeversicherung aufbauen kann. Mit diesem
Thema sollte sich auch die FDP ernsthaft auseinander
setzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Daniel Bahr [Münster] [FDP]: Sie haben keine Lösung für eine Verdreifachung!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607007500

Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Arbeitsprogramm der deut-
schen EU-Ratspräsidentschaft.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr
Dr. Frank-Walter Steinmeier.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Europa ist eine Erfolgsgeschichte und dennoch
in der Krise. Das ist – wenn man so will: am Vorabend
der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch
Deutschland – die kurz gefasste Beschreibung der ge-
genwärtigen Situation in Europa.

Nachdem die Verfassungsreferenden in Frankreich
und in den Niederlanden gescheitert sind, haben wir es
in Europa nicht nur mit einer Verfassungskrise zu tun,
sondern wohl auch mit etwas, das wir als Vertrauens-
krise umschreiben dürfen. Die Menschen sind gegenüber
dem gemeinsamen Projekt Europa skeptischer gewor-
den. Sie sehen Europa nicht mehr in jedem Fall als Teil
der Antwort auf viele Fragen und als Teil der Lösung
von Problemen, sondern vielleicht sogar als Teil der Pro-
bleme. In dieser Situation befinden wir uns, wenn wir in
wenigen Tagen, am 1. Januar 2007, die EU-Ratspräsi-
dentschaft übernehmen.

Angesichts dieser Vorbemerkungen ist es relativ ein-
fach, unsere Hauptaufgaben im kommenden Halbjahr zu
beschreiben. Zunächst geht es wohl darum, Wege aus
der Krise zu finden. Welche Fragen dabei im Vorder-
grund stehen, werde ich gleich noch ansprechen, und da-
rum wird es natürlich auch in den Fragen gehen, die Sie
stellen werden. Dann müssen wir die Menschen wieder
für Europa gewinnen und wir müssen dem Einigungs-
prozess neuen Schwung geben.

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(C (D Wir müssen bei all dem den Menschen in unserem ande klarer machen: In der heutigen, globalisierten Welt önnen wir Europäer nur gemeinsam bestehen. Deshalb rauchen wir eine handlungsfähige Union, um unsere Ineressen – unsere deutschen wie unsere europäischen Ineressen – in dieser globalisierten Welt nachhaltiger, erolgreicher vertreten zu können. Das ist alles in allem, die orbemerkungen im Gedächtnis, natürlich keine ganz eichte Aufgabe. Deshalb können wir uns ihr nur widmen, enn wir gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten andeln, wenn wir gemeinsam mit der Europäischen ommission handeln, wenn wir gemeinsam mit dem uropäischen Parlament handeln, und das alles natürlich n engster Abstimmung mit der gegenwärtigen finnischen atspräsidentschaft sowie mit der portugiesischen und er slowenischen Ratspräsidentschaft, die auf uns folgen. In einem Punkte ist Europa klüger geworden: Ich reue mich, dass es in den letzten Tagen und Wochen geungen ist, das Programm einer so genannten Trio-Ratsräsidentschaft zu beschließen. Wir gehen nicht mehr avon aus, dass sich jede Ratspräsidentschaft den chwerpunkt für ihre sechs Monate jeweils neu setzen ann. Aus Erfahrung klug geworden, wissen wir, dass es aum noch europäische Fragen gibt, die sich innerhalb on sechs Monaten beantworten lassen. Deswegen ist es ehr richtig, dass wir jetzt ein auf 18 Monate angelegtes rbeitsprogramm einer Dreierpräsidentschaft Deutsch and, Portugal, Slowenien verabredet haben. Auch das ringt geradezu sinnfällig zum Ausdruck, was wir uns ls Motto der deutschen Ratspräsidentschaft gegeben haen: Europa gelingt gemeinsam. Was wir konkret tun wollen, erschließt sich aus dem rbeitsprogramm, das das Kabinett gestern Abend ver bredet hat. Doch vermutlich wird es so sein wie bei den orangegangenen Ratspräsidentschaften: Erinnern Sie ich an die österreichische Ratspräsidentschaft, die an hrem erstem Tag mit dem Gasstreit zwischen der kraine und Russland konfrontiert war. Mit der Suche ach einer Lösung für diesen Konflikt ergab sich für sie in völlig neuer Schwerpunkt ihrer Arbeit. Die finnische atspräsidentschaft war keine 14 Tage alt, als im Nahen sten der Krieg zwischen Israel und der Hisbollah ausrach. So hat sich die finnische Ratspräsidentschaft mit inem großen Teil ihrer Arbeitszeit und ihrer Möglicheiten diesem Konflikt zuwenden müssen. Realistischereise wird man davon ausgehen müssen, dass auch wäh end unserer Ratspräsidentschaft unerwartete Konflikte uftreten werden, um die wir uns zu kümmern haben erden. Doch welche das sein werden, kann man mit och so ehrgeiziger Planung nicht voraussehen. Was wir voraussehen können, ist das, was wir selbst estalten können. Wir werden in der ersten Märzhälfte inen Frühjahrsgipfel abhalten, auf dem es traditionell m Arbeit und Wirtschaft gehen soll. Wir haben in unseem Arbeitsprogramm entsprechende Vorschläge aufbeeitet. Mit dem Thema Energie haben wir in diesem Jahr inen zweiten wichtigen Schwerpunkt. Sie wissen aus er Vorberichterstattung, dass die Europäische Kommision gerade mit der Entwicklung eines Bündels von Vorchlägen für die Energiepolitik beschäftigt ist. Das alles uss zusammengefasst werden und mit den Mitglied Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier staaten bis zum Frühjahrsgipfel ausdiskutiert werden, damit wir dort, wie wir es im Arbeitsprogramm ehrgeizig vorformuliert haben, einen gemeinsamen europäischen Aktionsplan zu den Energieaußenbeziehungen und der Energieversorgungssicherheit verabschieden können. Bei all dem Bemühen darf allerdings – so unsere deutsche Überzeugung – keine europäische Überregulierung zustande kommen. Der Frühjahrsgipfel findet während dieser Ratspräsidentschaft auch deshalb so früh statt, weil wir am 24. und 25. März 2007 die Staatsund Regierungschefs der europäischen Mitgliedstaaten aus Anlass des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge in Berlin zu Gast haben werden. Nach unserer Auffassung soll das ein Tag sein, an dem sich nicht nur die Regierungschefs der Öffentlichkeit präsentieren, sondern an dem wir auch eine gemeinsame europäische Erklärung abgeben, die nicht nur Rückblick und Bilanz enthält, sondern durch die auch etwas über die Zukunft und die Zukunftsaufgaben der Europäischen Union zum Ausdruck gebracht wird. Allein die gemeinsame Erklärung innerhalb der wenigen Monate bis Ende März zustande bringen zu lassen, ist schon ein schwieriger Prozess. Sie ahnen, dass die Erwartungen an diese gemeinsame Erklärung hoch sind. Mit dieser europäischen Erklärung wird Ende März zu einem noch schwierigeren Projekt übergeleitet, nämlich zu der erneuten Ingangsetzung des Ratifikationsverfahrens zur Europäischen Verfassung, durch die transparentere und demokratischere Verfahren gesichert werden sollen, mit denen die Handlungsfähigkeit gestärkt wird. Sie wissen, dass wir deshalb für sie kämpfen und ihre Substanz erhalten wollen. Bis zum Ende der deutschen Ratspräsidentschaft wollen wir ein klares Verfahren und einen klaren Zeitplan zustande bringen, mit dem möglichst sichergestellt wird, dass wir die Substanz der Verfassung bis zum Jahre 2009 ratifiziert haben werden. Ich habe mich nach all dem bei Ihnen dafür zu bedanken, dass Sie in der Phase der Erarbeitung des Arbeitsprogramms mitgeholfen haben und dass die Bundeskanzlerin, viele andere Mitglieder der Bundesregierung und auch ich in den Ausschüssen zu Gast sein durften und erklären konnten, was wir auf den Weg bringen wollen. Vielen Dank. Ich bitte, zunächst Fragen zu diesem angesprochenen Themenbereich zu stellen. – Als Erstes erteile ich dem Kollegen Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke das Wort. Herr Außenminister, Sie haben am Schluss die EU Verfassung erwähnt. Es werden sehr große Erwartungen an die deutsche Bundesregierung hinsichtlich der Beantwortung der Frage gestellt, wie man eine Roadmap ge s z c n s w N w z s m w k A w H n k n Ö I l u D h e s n d e w a s a A s m n s g g T s r n g (C (D talten könnte, um die EU-Verfassung möglicherweise u retten. Viele Wochen und Monate sind mittlerweile verstrihen und auch Sie haben zu diesem Thema heute wieder ur lapidar gesagt, dass man am Ende der Ratspräsidentchaft etwas vorlegen will. Es muss aber doch irgendelche Vorstellungen darüber geben, wie man mit dem ein in Frankreich und in den Niederlanden umgehen ill. Andere Länder trauen sich gar nicht an eine Ratifi ierung heran und auch Deutschland hat noch nicht abchließend ratifiziert. Meine Frage lautet konkret: Wie will Deutschland dait umgehen, dass alle Länder Ja dazu sagen müssen, ir aber wissen, dass die Franzosen diese Verfassung auf einen Fall mehr zur Abstimmung vorlegen werden? Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des uswärtigen: Meine erste Teilantwort auf Ihre Frage lautet: Wir erden einen klugen Vorschlag unterbreiten. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607007600
Alexander Ulrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607007700

err Abgeordneter, damit das möglich bleibt, ist es in ei-
er solch schwierigen Konfliktlage sehr ratsam – das
ennen Sie aus anderen Arbeitszusammenhängen auch –,
icht mit Teilvorschlägen oder Lösungsansätzen an die
ffentlichkeit zu gehen.

Zweite Teilantwort: Ich stimme auch nicht mit der in
hrer Frage formulierten Bewertung überein, dass die
etzten eineinhalb Jahre sinnlos verstrichen sind. Ganz
nd gar nicht. Die europäischen Außenminister haben
iskussionen darüber geführt, die mir dabei geholfen
aben, das Spektrum möglicher Lösungen etwas zu ver-
ngen. Damit sind wir noch nicht bei der einzigen Lö-
ung, die am Ende übrig bleiben wird. Durch die Erwäh-
ung dieses Arbeitsprozesses will ich aber andeuten,
ass wir während unserer Ratspräsidentschaft und in den
rsten Monaten im kommenden Jahr intensiv versuchen
erden – ohne dabei das Thema Verfassung über alles

ndere hinwegstrahlen zu lassen –, im bilateralen Ge-
präch mit vielen europäischen Partnern zu erspüren, wo
m Ende die Lösung liegen wird, mit der wir unserem
nspruch gerecht werden, dass die Substanz der Verfas-

ung erhalten bleibt und dass sie gleichzeitig die Zustim-
ung aller Mitgliedstaaten finden kann.

Ich glaube, dass das gelingen kann. Es gelingt aber
ur, wenn alle Mitgliedstaaten bereit sind, dem Grund-
atz zu folgen, den ich in meinen öffentlichen Reden
erne immer wieder erwähne: Wenn das Projekt gelin-
en soll, dann müssen sich alle bewegen. Angesichts der
atsache, dass am Jahresende zwei Drittel der Mitglied-
taaten der Europäischen Union den Verfassungsvertrag
atifiziert haben – das heißt, ein Drittel hat dies noch
icht getan –, werden sich aber einige etwas mehr bewe-
en müssen als andere.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607007800

Haben Sie noch eine Nachfrage? – Bitte sehr.






(A) )



(B) )


Alexander Ulrich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607007900

Herr Außenminister, wenn Sie sagen, dass Sie die

Substanz erhalten wollen, dann heißt das möglicher-
weise, dass es einige Änderungen geben wird, was nor-
malerweise zur Folge hat, dass der Verfassungsvertrag
dann von neuem zur Ratifizierung vorgelegt werden
muss. Teilen Sie unsere Auffassung, dass man dann in
allen Ländern zu Volksabstimmungen kommen muss,
um Europas Bürgerinnen und Bürger dafür zu gewin-
nen?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Nein. Die Auffassung kann ich schon deshalb nicht
teilen, weil es ein völlig unrealistisches Vorhaben ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bernd Schmidbauer [CDU/CSU]: Aber so sind die eben!)



Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607008000

Nun hat der Kollege Michael Roth, SPD-Fraktion,

das Wort.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1607008100

Frau Präsidentin! Herr Bundesaußenminister, Sie

sprachen von den großen Erwartungen, die im Vorfeld
der Ratspräsidentschaft an Deutschland gerichtet wer-
den. Sie sind sicherlich auch deshalb so groß, weil wir
1999 eine ausgesprochen erfolgreiche Ratspräsident-
schaft absolvieren konnten, an der Sie in Ihrer damaligen
Funktion auch schon haben mitwirken können.

Sie sprachen zu Recht die Berliner Erklärung an. Wir
als Bundestagsabgeordnete würden Sie gerne dabei un-
terstützen, eine Berliner Erklärung zu formulieren, die
die gesamte Verfassungsgebung in ein noch positiveres
Fahrwasser bringt.

Meine Frage an Sie lautet, Herr Bundesaußenminis-
ter: Wie könnten Sie sich eine aktive Mitwirkung auch
von Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorstel-
len? Wo brauchen Sie noch Rückenwind? Wie könnten
wir dazu beitragen, dass die Berliner Erklärung zu-
kunftsweisend wird?

Ich möchte noch eine zweite Frage anschließen. Das
wachsende Unbehagen vieler Bürgerinnen und Bürger
an dem europäischen Integrationsprozess fußt auch auf
der Erwartung vieler Menschen, dass die Europäische
Union einen stärkeren Beitrag zur Lösung sozialer Pro-
bleme zu leisten vermag. Ich weiß, dass das auch ein
wichtiger Punkt auf der Agenda der Bundesregierung ist.
Wie könnten die Beiträge Deutschlands zur Stärkung der
sozialen Dimension der Europäischen Union aussehen,
Herr Außenminister?

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Um mit der letzten Frage zu beginnen: Es hülfe schon
Wahrheit weiter. Denn manche der Befürchtungen haben
ihren Urgrund darin, dass Erwartungen hinsichtlich der

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(C (D uständigkeiten auf europäischer Ebene bestehen, die icht gerechtfertigt sind. Kraft der Kompetenzverteilung zwischen der Euroäischen Union auf der einen Seite und ihren Mitgliedtaaten auf der anderen Seite haben wir gegenwärtig die ituation, dass der große Schwerpunkt der sozialen Getaltungszuständigkeiten bei den Mitgliedsländern verleibt, sodass manche Befürchtung, dass über die Euroäische Union in den nächsten Jahren in wichtigen ozialen Politikbereichen europaweit eine Nivellierung tattfinden wird, nicht berechtigt ist. Diese Gefahr droht us meiner Sicht nicht. Gleichwohl gibt es die Erwartung – ich will nicht verehlen, dass das auch in den Volksabstimmungen in rankreich und in geringerem Maße, glaube ich, in den iederlanden zum Ausdruck gekommen ist –, dass sich ach einem Verfassungskonvent, der das Thema soziales uropa aus den eben genannten Gründen – weil es auf uropäischer Ebene weitgehend an Kompetenzen fehlt – icht zu einem prägenden Schwerpunkt erhoben hat, die uropäischen Regierungschefs zu dieser Verantwortung ekennen. Ich gehe davon aus – damit leite ich gleich zu der ntwort auf Ihre erste Frage über –, dass es in den ächsten Wochen und Monaten aus verschiedenen Mitliedstaaten viele Anregungen für die Aufnahme eines olchen Textes geben wird. Ich will Ihnen versichern, err Abgeordneter, dass wir die in den bisherigen Ver ahren aus meiner Sicht gute Zusammenarbeit auch in ukunft beibehalten sollten. Deshalb biete ich Ihnen an, mmer dann, wenn es gewünscht wird, im Ausschuss mit hnen über Ihre Erwartungen zu diskutieren. Das Wort hat nun der Kollege Rainder Steenblock, raktion des Bündnisses 90/Die Grünen. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607008200
Vielen Dank, Herr Außenminister, für die Möglich-

eit der Befragung.

Für die Fraktionen ist es eine schwierige Situation,
enn sie erst heute Morgen das Dokument bekommen,
ann zusammen mit den Europapolitikern zwei Stunden
it dem Präsidenten der Europäischen Union, Herrn
arroso, diskutieren und nun in die Regierungsbefra-
ung kommen. Wir hätten uns ein bisschen mehr Zeit
ewünscht. Trotzdem ist es begrüßenswert, dass wir
eute Gelegenheit haben, in einer ersten Runde mit Ih-
en zu diskutieren.

Ich wäre mir nicht so sicher, ob die Geheimdiploma-
ie der Regierungen ein erfolgsträchtiger Weg ist, um bei
er Verwirklichung des Verfassungsprojekts voranzu-
ommen. Nach meiner Erfahrung in den letzten Jahren
rauchen wir eine sehr viel größere Öffentlichkeit, wenn
ir über die Verfassung diskutieren. Wir müssen die
ürgerinnen und Bürger aller europäischen Länder mit-
ehmen. Ich glaube, wir brauchen eine größere Offen-
eit in der Zieldarlegung. Sie haben unsere Ziele im Ver-






(A) )



(B) )


Rainder Steenblock
fassungsprozess zwar kurz angesprochen, aber aus
meiner Sicht nicht mit der notwendigen Klarheit. Da-
rüber dürfen nicht nur die Regierungen hinter verschlos-
senen Türen diskutieren. Vielmehr müssen wir die Be-
völkerung einbeziehen.

Das, was Sie zum Energiebereich gesagt haben, unter-
stützen wir in vielen Bereichen. Herr Barroso hat im Eu-
ropaausschuss sehr deutlich gesagt: Wir brauchen klare,
quantifizierbare Zielstellungen bei den Emissionen von
Treibhausgasen und den erneuerbaren Energien. Ich
finde, das Programm der Bundesregierung ist an dieser
Stelle zu wenig ambitioniert, weil es auf Konkretisierun-
gen verzichtet, insbesondere wenn es um Wettbewerb
geht. Wenn Wettbewerb im Energiebereich in Europa er-
reicht werden soll, dann ist – um es einmal krass und
platt zu formulieren – die Zerschlagung der Energiemo-
nopole notwendig. Die jetzige Struktur wirkt nicht wett-
bewerbsfördernd, sondern wettbewerbsverhindernd. Das
hat Herr Barroso unterstrichen. Deshalb lautet meine
Frage: Wie wollen Sie im Rahmen der EU-Ratspräsi-
dentschaft dafür sorgen, dass im Energiebereich Wettbe-
werb realisiert wird?

Meine letzte Frage in diesem Zusammenhang ist: Sie
haben die Kooperation mit Russland im Energiebereich
angesprochen. Ich will zwar nicht auf die aktuellen
Schwierigkeiten eingehen. Wenn ich mir aber den Text
betreffend die Kooperation mit Russland genau an-
schaue, dann stelle ich fest, dass Energie ein zentraler
Punkt ist. Nach meiner Meinung reicht es nicht aus, zu
sagen: Wir wollen die Zusammenarbeit mit Russland im
Energiebereich verstärken. Vielmehr kommt es darauf
an, Russland dazu zu bringen, internationales Recht
– am besten wäre eine Energiecharta – und insbesondere
die Durchleitungsrechte einzuhalten sowie für Investi-
tionssicherheit zu sorgen. Das muss Ziel der Verhand-
lungen sein. Es darf nicht nur um eine allgemeine Ver-
stärkung der Zusammenarbeit gehen, unter der sich jeder
etwas anderes vorstellen kann. Ich bitte Sie als einen der
zentralen Entscheider im Hinblick auf die Ratspräsident-
schaft, deutlich zu sagen, welches die Ziele der Koopera-
tion mit Russland im Energiebereich sein sollen.

Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des
Auswärtigen:

Herr Steenblock, um mit der Beantwortung der letz-
ten Frage zu beginnen: Sie wissen vermutlich, dass Sie
hier offene Türen bei mir einrennen. Ich habe mich im
Sommer öffentlich kritisieren lassen müssen, dass ich
gewagt habe, zu sagen: Wenn wir momentan nicht das
wünschenswerte Ergebnis erzielen, dass Norwegen und
Russland die Energiecharta ratifizieren, dann müssen wir
die europäischen und insbesondere die deutschen Ener-
gieinteressen langfristig auf andere Weise zu sichern
versuchen – was nicht die gleiche Qualität haben wird
wie die von uns erwünschte Energiecharta. Dann müssen
wir versuchen, bei der anstehenden Fortentwicklung des
Partnerschafts- und Kooperationsabkommens mit Russ-
land die tragenden Elemente von mehr Versorgungs-
sicherheit dort zu integrieren. Wir brauchen Vereinba-
rungen über langfristige Versorgungssicherheit sowie

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(C (D ber Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit der ersorgungsleistungen. Herr Steenblock, ich wünschte, wir wären weiter, aber m Augenblick diskutieren wir unter uns darüber, ob das er richtige Platz ist und, wenn ja, mit welchen Konkreisierungen wir in die Verhandlungen gehen sollen. Wir prechen überhaupt noch nicht mit einem Partner, den ir noch davon überzeugen müssen, dass das der rich ige Platz für die Verortung solcher Grundsätze ist. Sie ennen bei mir offene Türen ein. Ich glaube, wenn wir en Weg nach der Beilegung der Streitigkeiten mit Polen reibekommen, dann sollten wir versuchen, dieses zu eiem wichtigen Bestandteil des Kooperationsabkommens u machen. Dass wir den Weg freibekommen, hoffe ich mmer noch. Was wir in Gesprächen mit Polen dafür tun önnen, werden wir in den nächsten Tagen und Wochen erne tun. Im Augenblick allerdings zeigt sich bedauerliherweise an dem Punkt noch keine Bewegung. Zum Verfassungsvertrag. Herr Steenblock, ich würde erne vermeiden, dass wir eine Verhandlungsstrategie ls Geheimdiplomatie bezeichnen und eine andere einen ransparenten und offenen Prozess. Worum geht es denn irklich? Wir starten doch jetzt in eine Phase, in der sich iele Mitgliedstaaten zum ersten Mal festlegen müssen. islang war das im zurückliegenden Jahr eine öffentlihe, mehr politische Kommentierung, die man mit Blick uf die eigene Home Consumption vorgenommen hat. ir befinden uns aber noch nicht in einem Prozess, an essen Ende in sieben Monaten ein gemeinsamer Vorchlag stehen muss. Deshalb hoffe ich schon, dass es – nicht im Wege eier Geheimdiplomatie, sondern im Wege eines ernsthafen und seriösen Gesprächs mit allen Mitgliedstaaten der uropäischen Union – schon gelingen kann, zu erspüren, o das Maß des gemeinsamen Ganzen liegen kann. Da um bemühen wir uns. Das ist nicht intransparent; denn enn wir diesen Zeitpunkt erreicht haben, von dem wir einen, dass wir mit einem Vorschlag an die Öffentlich eit gehen sollten, dann wird das Ganze ein öffentlicher nd transparenter Vorschlag, der nicht nur nicht vor der ffentlichkeit geheim zu halten ist, sondern über den wir ie öffentliche Diskussion mit der Bevölkerung suchen. Jetzt habe ich die dritte Frage von Ihnen unterschlaen. Wie lautete sie? (Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Energiewettbewerbsrecht und quantifizierbare Energieziele!)


Ich weiß nicht, wie dicht Sie heute an Herrn Barroso
aren und ob Sie Gelegenheit hatten, mit ihm über die
inzelprobleme zu sprechen.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dicht, weil er heute im Ausschuss war!)


Es gibt eine sehr große Bereitschaft nicht nur der
ommission, sondern fast aller Mitgliedstaaten, sich im
ereich der Förderung regenerativer Energien strikteren
orgaben zu unterwerfen. Es gibt weitgehende Einigkeit
nter den Mitgliedstaaten, so etwas wie eine europäische






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier
Energiesolidarität untereinander zu vereinbaren. Es gibt
Schwierigkeiten, Vorgaben zu einem bestimmten Ener-
giemix oder, genauer gesagt, Vorgaben zur Nutzung der
Kernenergie in einem europäischen Energieaktionsplan
zu machen. Weiterhin ist das Maß einer europäischen
Regulierung umstritten. Darin, dass die Zerschlagung
volkswirtschaftlicher Einheiten nötig ist, damit ein euro-
päischer Wettbewerb in Gang kommt, bin ich – das muss
ich ganz ehrlich sagen – nicht mit Ihnen einig.


Gerda Hasselfeldt (CSU):
Rede ID: ID1607008300

Das Wort hat nun der Kollege Markus Löning für die

FDP-Fraktion.


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1607008400

Herr Außenminister, herzlichen Dank. – Ich möchte

zwei Punkte des Kollegen Steenblock unterstreichen.
Das eine ist die Rüge an Ihr Haus, was die Zustellung
des Regierungsprogramms angeht. Sie haben es gestern
beschlossen. Ich habe es heute einmal von der Presse
und einmal von der Europa-Union bekommen. Auf
Nachfrage erklärte Ihr Haus, wir könnten es gegen
13 Uhr haben. Es tut mir Leid: Ich finde, dass das kein
angemessener Umgang mit dem Parlament ist. Wir ha-
ben noch einmal nachgefragt und es dann um 11 Uhr be-
kommen. Insofern lag es vor. Dennoch: Der Dank an
Sie, dass Sie es hier im Parlament vorstellen, ist selbst-
verständlich.

Sie schreiben in Ihrem Papier – soweit konnte ich es
schon lesen –, dass Sie zum 1. Juli 2007 den Energiebin-
nenmarkt vollständig herstellen wollen. Dafür haben Sie
ausdrücklich die Unterstützung der FDP. Das hörte sich
jetzt hier ein bisschen anders an. Man muss aber sagen,
dass der Kollege Steenblock nicht völlig daneben liegt.
Wir haben in Deutschland eine Oligopolsituation. Das
wissen auch Sie. Wie die aufzulösen ist, ist Aufgabe ei-
ner Regulierungsbehörde bzw. der Bundesregierung. Wir
erwarten von Ihnen, dass Sie auch da politisch Druck
machen.

Herr Barroso hat großen Wert darauf gelegt, dass es
möglichst bald einen europäischen Binnenmarkt gibt.
Ich möchte von Ihnen gerne erfahren, wie die Bundesre-
gierung voranzuschreiten gedenkt. Andere sind da sehr
viel weiter als wir. Die Deutschen zahlen deutlich mehr,
gerade beim Strom. Das könnte längst anders sein.

Zum Thema Verfassung haben Sie gesagt, Sie möch-
ten, dass die Substanz 2009 ratifiziert ist. Auch da haben
Sie unsere volle Unterstützung. Ich finde die Formulie-
rung in Ihrem Papier allerdings sehr unglücklich. Dort
ist von einem ins Stocken geratenen Ratifizierungspro-
zess die Rede. Das widerspricht meiner Auffassung als
Demokrat. Die Regel ist eindeutig: Alle Länder müssen
ratifizieren; wenn ein Land nicht ratifiziert hat, ist nicht
ratifiziert.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich finde, das Ergebnis einer Volksabstimmung ist
diesbezüglich eindeutig. Es hat Volksabstimmungen in
Luxemburg und in Spanien gegeben; dort war man da-
für. Aber es hat eben auch zwei Volksabstimmungen ge-

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(C (D eben, bei denen man Nein gesagt hat. Damit ist der Verassungsvertrag in dieser Form – so Leid uns das tut – icht zu halten. Ich wünsche mir, dass das auch im Woring klar zum Ausdruck kommt. Man muss akzeptieren, as in diesen beiden Ländern passiert ist. Ich möchte von Ihnen etwas zum Thema Außenpoliik hören. Die Behandlung dieses Themas ist mir zu kurz ekommen. Notwendig ist, dass Europa gegenüber dem ran initiativ wird. Was passiert da? Was ist da geplant? ir sind noch nicht einmal im Ansatz da, wo wir sein üssten. Was wird aus der politischen Initiative im Na en Osten? Wir Europäer haben einen Waffenstillstand rreicht. Das ist sehr gut und das war ein Erfolg. Aber ieser Erfolg wird uns wie Sand durch die Finger rinnen, enn es nicht zu einem politischen Prozess kommt, enn wir keine politische Perspektive aufzeigen. Ich möchte Sie nach einem weiteren außenpolitischen omplex fragen: Wie möchte die EU ihre Beziehungen u den asiatischen Ländern außer China gestalten? Dort iegt unser größtes Potenzial, was Handel und was strateische politische Allianzen angeht. Welche Initiativen lanen Sie während Ihrer Präsidentschaft? Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des uswärtigen: Zunächst einmal muss ich – ohne dass ich jetzt Mög ichkeiten der Aufklärung habe – um Entschuldigung daür bitten, dass Ihnen das Programm zu spät zugegangen st. Ein kurzer Anruf bei mir oder eine Ansprache heute orgen – wir saßen uns gegenüber – hätte gereicht, um iesen Streitpunkt, wenn es denn einer war, aus der Welt u räumen. Was die Energie angeht: Sie haben das in dem kleinen chlagabtausch mit Herrn Steenblock eben schon richtig nterpretiert. Das Beispiel, das Sie genannt haben, ist chon ein Argument dagegen, dass der Zeitpunkt für eien europäischen Regulierer schon gekommen ist. Die egulierung kann dann greifen, wenn wir ein einigermaen gleiches Level Playing Field haben. Solange das eld so unterschiedlich ist, wie es in Ihrer Frage zum usdruck gekommen ist, erscheint ein europäischer Reulierer problematisch, jedenfalls für uns. Deshalb bin ch persönlich etwas skeptisch. Ich glaube, im Wirtchaftsministerium denkt man ähnlich. Was die Verfassung angeht: Ich sehe jetzt nicht, waum in den von uns gebrauchten Formulierungen manelnder Respekt gegenüber den Parlamenten oder den itgliedstaaten zum Ausdruck kommt. Was allenfalls um Ausdruck kommt, ist, dass wir den Prozess, der mit en Ergebnissen der Volksabstimmungen in Frankreich nd in den Niederlanden ein vorläufiges Ende genomen hat, noch nicht für endgültig abgeschlossen halten. as scheint in Europa überwiegend so gesehen zu weren; sonst fände das Bemühen um die Fortsetzung des atifizierungsprozesses gar nicht statt. Wenn in unserem räsidentschaftsprogramm von „ins Stocken geraten“ ie Rede ist, dann ist das noch keine Missachtung der ationalen Parlamente und insbesondere nicht der Erebnisse von Volksabstimmungen. Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier Im Übrigen weiß ich natürlich – halten Sie mich für realistisch genug; aber so haben Sie meine Worte auch in der Vergangenheit immer verstanden –: Wenn man das Schiff wieder auf Kurs bringen will, dann muss man auf diejenigen hören, die man dazu braucht. Ich weiß, dass man Flexibilität, also die Bereitschaft, sich zu bewegen, braucht. Verstehen Sie bitte so den von mir geprägten Satz: Alle müssen sich bewegen, aber einige müssen sich mehr bewegen als andere. Außerdem haben Sie nach unseren Partnerschaftsbeziehungen mit Asien gefragt. Wonach haben Sie noch gefragt? (Markus Löning [FDP]: Politische Initiativen im Nahen Osten!)





(A) )


(B) )


Die politische Initiative im Nahen Osten verstehen
Sie bitte nicht so, dass wir alle auf den Zeitpunkt warten,
zu dem wir unter einer neuen Überschrift noch einmal
aufschreiben, was die wesentlichen Elemente der
Roadmap sind.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Die Bemühungen um ein Wiederingangbringen des
Gesprächsprozesses, der dann hoffentlich irgendwann in
einen Friedensprozess mündet, insbesondere zwischen
Israel und Palästina, laufen. Sie sind sehr intensiv. Wir
haben das in den vergangenen Tagen am Rande des
Euromed-Gipfels in Tampere miteinander behandelt, aus
meiner Sicht sogar in einer ganz zufrieden stellenden Art
und Weise. Denn zum ersten Mal seit vielen Wochen und
Monaten ist wieder sichtbar geworden, dass es Ge-
sprächsbereitschaft zwischen der palästinensischen Au-
tonomiebehörde, gegebenenfalls auch der palästinensi-
schen Regierung, und der israelischen Regierung gibt.
Ein sehr fragiler Waffenstillstand zwischen Israel und
dem Gazastreifen hält immerhin den fünften Tag an und
auch einzelne Beschüsse mit Kassam-Raketen sind nicht
als Bruch des Waffenstillstands insgesamt interpretiert
worden.

Deshalb ist meine Bitte eigentlich nur die, das, was
im Augenblick stattfindet, nicht als Unterbrechung der
europäischen Bemühungen zu begreifen, sondern eher
so zu verstehen, dass im Augenblick ein neues Papier
oder eine neue Überschrift dem Problem nicht abhilft.
Aus meiner Sicht müssen wir zwei Dinge tun – wir sind
sehr engagiert dabei –: Zum einen müssen wir mit bei-
den Seiten, der israelischen und der palästinensischen,
arbeiten, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen,
und zum anderen brauchen wir eine Ertüchtigung und
Ermutigung des internationalen Quartetts – VN, Euro-
päische Union, USA und Russland –, weil wir glauben,
dass ohne die Autorität dieser Partner am Ende über den
ersten Schritt hinaus Entscheidendes im Nahen Osten
nicht zu bewegen sein wird.

Wir müssen jetzt vielleicht ein paar Tage Geduld ha-
ben. Ich stehe vor einer Reise in die USA, um dann nach
Vorlage des Baker-Hamilton-Berichts vielleicht auch zu
erfahren, ob das auf die Haltung der amerikanischen Re-
gierung mit Blick auf den Nahen Osten Einfluss haben

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(C (D ird, ob wir neue Initiativen zu erwarten haben, die wir it den europäischen Bemühungen koordinieren oder an ie wir uns anschließen können. Das müssen wir in den ächsten Tagen sehen. Darum kümmern wir uns sehr inensiv. Sie haben nach Asien außerhalb Chinas gefragt. Ich in mir nicht sicher, ob Sie dabei an die Region „Vietam und Nachbarstaaten“ denken oder möglicherweise n die Regionen in Zentralasien, die ich im Herbst beeist habe. indestens von der Region wissen Sie, dass wir wähend unserer Ratspräsidentschaft dem langjährigen achdenken darüber, ob Europa eine Zentralasieninitia ive starten sollte oder könnte, eine Initiative folgen lasen werden. Darüber hinaus wird es während unserer Ratspräsientschaft einen EU-Japan-Gipfel geben, auf dem wir indestens die Beziehungen zwischen der EU und Japan eu diskutieren werden. Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage hat ie Kollegin Dr. Schwall-Düren von der SPD-Fraktion. Herr Außenminister, mit dem Hinweis auf die Zen ralasienstrategie haben Sie schon einen Teil der EUstpolitik angesprochen. Neben der Energieaußenpolitik ommt es hier vor allem darauf an, in unseren Nachbaregionen eine Stabilisierung und Weiterentwicklung des emokratischen und marktwirtschaftlichen Transformaionsprozesses in Gang zu setzen. Ich würde Sie bitten, ns hier kurz einige Hinweise dazu zu geben, inwiefern ei der Nachbarschaftspolitik durch die deutsche EUatspräsidentschaft neue Akzente gesetzt werden sollen. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des uswärtigen: Ich habe vor einiger Zeit einmal zum Ausdruck ge racht, dass wir in der nach dem 1. Januar 2007 größeren uropäischen Union eine neue unmittelbare Nachbarchaft in Europa haben. Die Länder der gesamten chwarzmeerregion, die bislang sozusagen die überächsten Nachbarn sind, werden dann unsere unmittelaren Nachbarn sein. Daraus ergeben sich neue Fragen. as ist einer der Punkte, die einfließen werden in die ortentwicklung der europäischen Nachbarschaftspoli ik, zu der ich allerdings eine Vorbemerkung machen uss. Ich habe auf meiner Reise durch die Maghreb-Staaten ines immer deutlich unterstrichen: Es wird in Europa icht dazu kommen und nicht dazu kommen dürfen, dass ir unsere Nachbarstaaten im Osten und im Süden völlig nterschiedlich behandeln. Wir werden eine gleichgeichtige, ausgewogene Partnerschaftspolitik der Euroäischen Union haben, gegebenenfalls auch fortentwikeln. Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier Um das sicherzustellen und mit Glaubwürdigkeit gegenüber den südlichen Nachbarländern zu verbinden, weise ich immer darauf hin, dass wir unsere Bemühungen mit der portugiesischen Ratspräsidentschaft abgleichen, die vor ihrem geografischen Hintergrund ihren Blick natürlich stärker in Richtung südliche Anrainerstaaten des Mittelmeers richtet. Was sich aber für beide Nachbarschaften aus der Berichterstattung der Europäischen Kommission am Jahresende als Ergebnis destillieren lässt, ist, dass wir uns vermutlich stärker darauf konzentrieren müssen, nicht über das gesamte Politikfeld hinweg, sondern in bestimmten Sektoren Nachbarschaften zu intensivieren. Wir haben das im Bereich der Energiepolitik erfolgreich etwa mit den Staaten des westlichen Balkans getan, wobei wir auch gesagt haben: In einer Situation, in der zeitlich nicht absehbar ist, dass diese Staaten schon zur Europäischen Union gehören, kann es sinnvoll sein, in einzelnen Politikbereichen zu versuchen, den europäischen Acquis so weit wie möglich zu erreichen. Dies ist ein Modellfall, bei dem man überlegt, ob man ihn auch auf andere Regionen überträgt. Man könnte daran denken, dass man eine solch gezielte Politik auch gegenüber der Ukraine oder anderen Nachbarstaaten, auch gegenüber südlich gelegenen Staaten erreicht. Es kommt hinzu, dass die Kommission überlegt, ob man jenseits der bisherigen Praxis der Nachbarschaftspolitik auch darüber nachdenkt, dass man Belohnungselemente mit in diese Nachbarschaftspolitik einbaut, also die Staaten, die sich, was Rechtsstaat, Demokratie und Pluralismus angeht, schneller entwickeln, mit einer entsprechenden fördernden Nachbarschaftspolitik stärker untersützt. Das sind Elemente, die sich nach einem Bericht der Kommission ergeben werden, aus dem wir zusammen mit der Kommission einen neuen Verhandlungsvorschlag für die deutsche Ratspräsidentschaft im kommenden Halbjahr entwickeln werden. Vielen Dank. – Die Zeit ist eigentlich abgelaufen. Wir haben noch eine Frage. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, würde ich dem Kollegen Rainder Steenblock noch die Gelegenheit zu einer kurzen Frage geben. Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zuruf des Abg. Markus Löning [FDP])

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607008500
Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1607008600




(A) )


(B) )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607008700

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich mache es ganz kurz.

Das Thema, das ich gerne ansprechen möchte, ist die
Türkei. Herr Minister, die Grünen haben Ihre besonne-
nen Äußerungen zu den Verhandlungen mit der Türkei
immer unterstützt. Wir hören aus den Reihen Ihres Ko-
alitionspartners sehr unterschiedliche Positionen zu die-
sen Verhandlungen mit der Türkei. Das ist ein wichtiges
Thema auch für die Zeit unserer Ratspräsidentschaft.

Wir kennen die Situation, dass Koalitionspartner un-
terschiedlich in der Öffentlichkeit agieren. Deshalb lesen
wir mit besonderer Aufmerksamkeit das, was in den Pa-

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(C (D ieren zur Vorbereitung des Rates steht. Ich bin überascht. Auf der einen Seite steht dort: Der Beitrittsproess soll – ich sage es jetzt einmal frei – nach dem riterium der Aufnahmefähigkeit erfolgen. Auf der aneren Seite heißt es zur Türkei und zu Kroatien sinngeäß: Er wird je nach Fortschritt weitergeführt. Meine Frage lautet: Soll neben den geltenden Kopenagener Kriterien dieses unklare Kriterium der Aufnahefähigkeit auch in die Verhandlungen mit der Türkei nd Kroatien implementiert werden? Oder gilt das für ukünftige Prozesse? Wie bewertet die Bundesregierung or dem Hintergrund ihrer anstehenden Ratspräsidentchaft den jetzigen Vorschlag der Kommission, was die erhandlungen mit der Türkei und die Fortführung aneht? Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des uswärtigen: Was die so genannte Absorptionsoder Aufnahmefä igkeit angeht, so ist nach dem Antrag, den Frankreich ährend des europäischen Gipfels vor einem Jahr ge tellt hat, klar: Es soll sich hier kein neues Kopenhageer Kriterium entwickeln. Sie können im Grunde genommen, ohne dass ich der iskussion im Rat der Außenminister und erst recht der uf dem Gipfel vorgreifen will, aus dem Bericht der ommission schon jetzt ungefähr ableiten, wie sich die iskussion entwickeln wird. Im Bericht wird Skepsis eäußert – diese teile ich ausdrücklich –, ob sich der rad der Aufnahmefähigkeit Europas in irgendeiner Art nd Weise mathematisieren lässt. Ich habe von jeher geagt, man müsse sich wahrscheinlich von der Vorstelung verabschieden, dass es irgendwann einmal gelingt, en Grad der Aufnahmefähigkeit Europas aus statistichen Erhebungen über die Entwicklung des durchchnittlichen Wirtschaftswachstums und der Arbeitsloigkeit oder aus demografischen Kurven abzuleiten. Ich laube, das wird nicht gehen. Ein gewisses Maß an Erüchterung bringt ja auch der Bericht der Europäischen ommission zum Ausdruck. Hinsichtlich des nun vorliegenden Kommissionsvorchlages zur Fortführung des Beitrittsverfahrens mit der ürkei habe ich gestern zum Ausdruck gebracht, dass ch ihn für angemessen und verantwortungsvoll halte. ie wissen, niemand hätte es lieber als ich gesehen, enn es der finnischen Ratspräsidentschaft gelungen äre, auf Basis ihrer, wie ich finde, kreativen Komproissbemühungen eine Lösung zu erreichen. Das ist lei er nicht gelungen. Daher bleibt es dabei: Einerseits ann man im weiteren Prozess die Nichtratifizierung des nkaraprotokolls und damit die Nichtöffnung der Häfen nd Flughäfen auf türkischer Seite für zypriotische chiffe und Flugzeuge nicht ignorieren. Andererseits ringt der Kommissionsvorschlag zum Ausdruck, dass s nicht im europäischen Interesse sein kann, den Proess der Annäherung der Türkei an Europa abzubrechen der zu unterbrechen, und macht operative Vorschläge, ie dieser Prozess auf einem minderen Niveau aufrecht uerhalten ist. Das ist schon schwierig genug, weil es icht ganz einfach sein wird, über die Fortführung der Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeier Verhandlungen über Kapitel, die die Kommission im Prinzip für diskussionsfähig hält, Einigkeit unter allen Mitgliedstaaten zu erzielen. Diesen politischen Prozess müssen wir jetzt aber angehen. Eine weitere Frage ist, ob man Kompromissvorschläge der finnischen Ratspräsidentschaft, die nicht zum Erfolg geführt haben, noch einmal aufgreifen soll. Ich bin der Meinung, solange der Abstand zu entscheidenden Wahlen in der Region, insbesondere zu der türkischen Parlamentswahl, groß genug ist, sollte man den Versuch noch einmal unternehmen. Zugleich sollte man aber keine unrealistischen Erwartungen an weitere Kompromissbemühungen stellen. Vielen Dank, Herr Bundesminister Steinmeier. Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Die vorgesehene Zeit ist schon deutlich überschritten. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf: a)





(A) )


(B) )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607008800
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung telekommunikationsrechtlicher
Vorschriften

– Drucksache 16/2581 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-

(9. Ausschuss)


– Drucksache 16/3635 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Hans-Joachim Otto (Frankfurt)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abge-
ordneten Matthias Berninger, Bärbel Höhn,
Dr. Thea Dückert, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Mehr Wettbewerb und Verbraucherschutz auf
dem Telekommunikationsmarkt

– Drucksachen 16/2625, 16/3635 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Hans-Joachim Otto (Frankfurt)


Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin das Wort der Parlamentarischen Staatssekretärin
Dagmar Wöhrl.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D D Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Mit der Novelle des Telekommunikationsgesetes werden die Rahmenbedingungen auf den Kommuniationsmärkten weiter verbessert. Ich glaube, es ist uns amit gelungen, einen Ausgleich zwischen den vielchichtigsten Interessenlagen zu finden. Wir verfolgen ja it dem Gesetz zwei Zielrichtungen: einerseits die Stärung der Verbraucher und andererseits die Schaffung ines günstigen Innovationsund Investitionsklimas ür den Aufund Ausbau einer modernen Infrastrukur. Ich denke, dass wir in den vergangenen Jahren mit der ektorspezifischen Regulierung in unserer Telekommuikationspolitik den richtigen Weg eingeschlagen haben. ir haben gute Erfolge für die Wirtschaft und für die erbraucher erzielt. Es gibt inzwischen mehr Anbieter, ine größere Angebotsvielfalt und vor allem niedrigere reise, und zwar in allen Bereichen, ob Mobilfunk, Festetz oder Internet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1607008900

Wenn man merkt, dass man den richtigen Kurs einge-
chlagen hat, dann sollte man auf diesem Kurs weiter-
ahren. Für uns ist sehr wichtig, dass investiert wird und
nnovationen sich lohnen, vor allem in der breitbandigen
nfrastruktur. Wir alle kennen und schätzen die Breit-
andtechnologie in ihrer Bedeutung für die Entstehung
euer, innovativer Informations- und Kommunikations-
ienste.

Der Grundsatz unserer Regelungen, die wir sehr ab-
trakt und technikneutral gestaltet haben, heißt Nichtre-
ulierung neuer Märkte. Nur wenn die Wettbewerber
icht in der Lage sind, diesem Grundsatz zu folgen und
ich zu ökonomisch vertretbaren Bedingungen Zugang
um Markt zu verschaffen, kommt die Bundesnetz-
gentur ins Spiel und trifft die Entscheidung über die
egulierung bestimmter Märkte oder Produkte, und
war in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommis-
ion.

Wir wissen, dass dieses Thema sehr kontrovers disku-
iert worden ist, auch bei uns intern und in der Öffent-
ichkeit. Aber nun ist eine Lösung gefunden worden, von
er ich glaube, dass sie den berechtigten Interessen aller
eteiligten und vor allem der investitionswilligen Unter-
ehmen Rechnung trägt sowie den Wettbewerbsaspekten
echnung tragen kann, und bei der wir, auch nach inten-

iven Überprüfungen, das Gefühl haben, dass sie europa-
echtskonform ist.

Aber man muss auch klarstellen, dass die Forderun-
en nach einer generellen Freistellung von neuen Märk-
en über einen gewissen Zeitraum, die in der Branche er-
oben worden sind, nach unserer Auffassung nicht mit
em Europarecht vereinbar sind, auch nicht mit dem
iel, wettbewerbsrechtliche Verzerrungen zu vermeiden,
as wir immer gehabt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretärin Dagmar Wöhrl
Wir wollen – ich glaube, alle hier im Haus –, dass mög-
lichst viele Unternehmen in diese Infrastruktur investie-
ren und dass es in dem Zusammenhang zu einem nach-
haltigen Wettbewerb kommt.

Nun ist bei der Diskussion dieses Gesetzes oft von ei-
nem Spannungsverhältnis zwischen der Wirtschaft auf
der einen Seite und den Verbrauchern auf der anderen
Seite gesprochen worden. Ich glaube, das ist eine ober-
flächliche Betrachtungsweise. Wie ich schon erwähnt
habe, hat der Verbraucher gerade von der ausgeprägt
wettbewerbsorientierten und wirtschaftsfreundlichen
Politik in der Vergangenheit sehr profitiert. Deswegen
sind diese zwei Komponenten auch kein Widerspruch.

Aber wir müssen auch sehen, dass der Markt ein sehr
technikorientierter Markt mit einer sehr hohen Dynamik
ist, bei dem allerdings auch Intransparenz und miss-
bräuchliches Verhalten festzustellen sind.

Unsere Aufgabe ist, diesem missbräuchlichen Verhal-
ten entgegenzuwirken und entsprechende Gesetze zu er-
lassen. Gerade zum Schutz der Jugend müssen wir
neue Bestimmungen in das Gesetz aufnehmen. Ein
wichtiger Punkt war für uns die Überschuldung von
jungen Menschen, die gerade in diesem Bereich sehr
stark zugenommen hat. Denken Sie allein an das Thema
Klingeltöne; jeder, der Kinder hat, weiß, wovon ich spre-
che. Es wird nicht nur ein Klingelton, sondern es werden
meistens komplette Charts heruntergeladen. Ehe man
sich versieht, ist man an ein Abonnement gebunden. Am
Ende des Monats kommt dann das böse Erwachen in
Form einer Rechnung, die ins Haus flattert. Wir werden
dafür sorgen, dass ein Kündigungsrecht gesetzlich ver-
ankert wird. Wir werden ebenfalls dafür sorgen, dass zu-
künftig eine Warn-SMS gesendet werden muss, wenn
ein Betrag von 20 Euro aufgelaufen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wichtig ist, mehr Transparenz für die Verbraucher
zu schaffen, indem wir Vorgaben über Preisangaben und
Preisansagen verbessern. Es ist wichtig, dass wir damit
das Vertrauen in den Bereich der elektronischen Dienst-
leistungen zukünftig stärken. Der Endverbraucher muss
sich darauf verlassen können, dass er bei der Inanspruch-
nahme von Dienstleistungen über elektronische Medien
vor Missbräuchen geschützt ist. Wenn dieses Vertrauen
gegeben ist, dann werden diese Mehrwertdienstleistun-
gen auch mehr in Anspruch genommen, was wiederum
einen gewissen Impuls für die Wirtschaft gibt. Wir be-
grüßen in diesem Zusammenhang den Verhaltens-
kodex, den sich die Wirtschaft auferlegt hat. Wir werden
sie darin unterstützen.

Ich glaube, mit diesem Gesetz werden wir das Ziel er-
reichen, dass wir einen sehr leistungsfähigen Telekom-
munikationsmarkt mit einem optimalen Angebot von
Diensten schaffen. Es ist ein wichtiger Industriezweig,
der den erhofften Impuls für die Gesamtwirtschaft geben
wird.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


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(C (D Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Joachim Otto on der FDP-Fraktion. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen ie mich mit den Gemeinsamkeiten beginnen. Die Teleommunikationsbranche ist in der Tat der Innovationsnd Wachstumstreiber mit einem durchschnittlichen achstum pro Jahr von 3,5 Prozent und 25 000 neuen rbeitsplätzen in 2006 und 2007. Ich weiß nicht, woher ie Linken ihre Zahlen bekommen. Uns liegen sehr viel ositivere Zahlen vor. Ein Drittel des Produktivitätsortschritts in Europa wird durch die Informationsund ommunikationstechnologie getrieben. Uns alle eint der Wille, Rahmenbedingungen zu chaffen, die weiteres Wachstum und insbesondere den usbau der Infrastrukturen fördern. Der Wille eint ns; leider eint uns noch nicht der Weg. Ich komme leich darauf zurück. Uns eint auch das Ziel, Frau Staatssekretärin, den erbraucherschutz zu stärken. Im Interesse des Verraucherschutzes und einer höheren Transparenz hätten ir uns allerdings eine einheitliche Preisgrenze von Euro gewünscht. Sie haben mit zwei Preisgrenzen von Euro bzw. 3 Euro der Transparenz nicht gerade ge ient. Das trägt sicherlich ein wenig zur Verwirrung der erbraucher bei. (Beifall bei der FDP – Manfred Zöllmer [SPD]: Sie haben den Text nicht gelesen!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607009000

(Beifall bei der FDP)

Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1607009100

Ganz ruhig. – Insgesamt, lieber Herr Kollege, halten
ir die Verbraucherschutzregeln aber für einen Fort-

chritt, den wir mittragen können.

Wir tragen durchaus auch Ihre Auffassung mit, Inves-
itionen in neue Märkte durch Anreize zu ermutigen. Im
egensatz zu Ihnen wollen wir aber Investitionen im
ettbewerb stärken, nicht wie Sie unter Ausschaltung

es Wettbewerbs.


(Beifall bei der FDP)


Die Geschichte der Telekommunikationsbranche in
eutschland und darüber hinaus ist eine einzige Erfolgs-

tory. Keine andere Branche hat einen solchen Produk-
ivitätsfortschritt, solche Innovationskraft, so viele neue
rbeitsplätze und so starke Preissenkungen hervorge-
racht. Sie haben schon darauf hingewiesen: Für Tele-
ongespräche ins Festnetz gab es in den letzten zehn Jah-
en Preissenkungen von 94 Prozent. Was war das
rfolgsrezept? Wettbewerb, Wettbewerb, Wettbewerb.

Liebe Frau Wöhrl, Sie haben davon gesprochen, den
rfolgreichen Kurs weiterzufahren. Das ist auch unsere
uffassung. Wir denken aber, dass Sie gerade beginnen,
en erfolgreichen Kurs zu verlassen. Was wir brauchen,
st weiterhin eine behutsame Regulierung oder, wie es

ein Vorsitzender gesagt hat, eine Regulierung mit
ugenmaß. Aber was wir nicht gebrauchen können, ist






(A) )



(B) )


Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

die Ausschaltung von Wettbewerb – Regulierungsferien –,
wie Sie es jetzt vorschlagen.


(Klaus Barthel [SPD]: Es kann doch jeder investieren!)


Wir brauchen eine Balance zwischen den Investoreninte-
ressen und der Förderung von Wettbewerbsdynamik.


(Beifall bei der FDP – Dr. Martina Krogmann [CDU/ CSU]: Genau die haben wir geschafft!)


– Liebe Frau Kollegin Dr. Krogmann, dies könnte zum
Beispiel dadurch geschehen, dass wir die Möglichkeit
der Netzagentur erhalten, dem Investor Pioniergewinne
in Form von erhöhten Netzzugangsentgelten zuzubilli-
gen. Das Erfolg versprechende Rezept für mehr Inves-
titionen ist „Mut zum Wettbewerb“ und „Vertrauen zu
den Wettbewerbsbehörden“.

Aber in Ihrem Gesetzentwurf tun Sie im entscheiden-
den Punkt genau das Gegenteil. Es hätte überhaupt kei-
ner Gesetzesbestimmung zu den neuen Märkten bedurft.
Die Netzagentur verfügt schon bisher über alle Mög-
lichkeiten, behutsam und zurückhaltend neue Märkte zu
regulieren oder sich sogar ganz einer Regulierung zu
enthalten. Stattdessen wollen Sie eine Gesetzesdefinition
des neuen Marktes; das ist überflüssig. Aber wenn Sie
eine solche schon in das Gesetz schreiben, dann bitte
doch nicht in Abweichung vom bewährten Bedarfs-
marktkonzept der EU.

Jetzt kommen wir zu den entscheidenden Punkten.
Sie legen der Netzagentur eine Stahlkugel ans Bein. Sie
verbieten der Netzagentur, tätig zu werden, und zwar
selbst dann, wenn die Entwicklung eines Marktes durch
die Deutsche Telekom unzweifelhaft behindert wird.
Einschreiten dürfen die Wettbewerbshüter nämlich erst
dann, wenn der Markt dauerhaft behindert wird, also erst
dann, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist
und Deutschland Tausende Arbeitsplätze verloren hat.

Der zentrale Kritikpunkt an Ihrem Gesetz ist somit
das Wort „langfristig“ in § 9 a. Das ist die faktische Ent-
machtung der Netzagentur durch den Gesetzgeber.


(Beifall bei der FDP)


Genau an dieser Stelle besteht der Kern Ihres Konfliktes
mit der EU. Nicht nur die Medienkommissarin Reding,
sondern auch die Wettbewerbskommissarin Kroes und
die gesamte EU-Kommission werfen Ihnen wegen dieser
langfristigen Ausschaltung des Wettbewerbs Protek-
tion eines Staatsunternehmens vor. Die Kommission
wird – das hat sie angekündigt – ein Eilverfahren vor
dem Europäischen Gerichtshof einleiten. Übrigens sind
dieser Auffassung auch die Wirtschaftsminister im Bun-
desrat; denn, nebenbei gesagt, das Gesetz ist ja zustim-
mungspflichtig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitions-
fraktionen, Sie mögen vielleicht eine andere Rechtsauf-
fassung haben als die EU-Kommission. Das bewahrt Sie
aber nicht davor, dass die Bundesrepublik ein Vertrags-
verletzungsverfahren an den Hals bekommt und unsere
Nachbarländer uns mit langen Fingern Protektionismus
vorhalten. Ich kann mir vorstellen, dass dieses Verfahren

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(C (D nsere EU-Ratspräsidentschaft nicht besonders beflügelt – nd das alles wegen eines Wortes, des Wortes „langfrisig“. Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Sie streichen dieses ine Wort aus Ihrem Entwurf. Sie bekommen die Zutimmung der Opposition nd – das ist viel wichtiger – Sie vermeiden das peinlihe Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Sie ermeiden dadurch das Risiko von Schadensersatz in illiardenhöhe und schaffen – das will ich hier beson ers betonen – zugunsten der Deutschen Telekom echtssicherheit. Die Deutsche Telekom ist nach unserer Auffassung iel stärker, als Sie selbst vermuten. Dort nämlich, wo ie Deutsche Telekom in vollem Wettbewerb agiert hat, ie zum Beispiel im Mobilfunkbereich, hat sie sich er olgreich behauptet. Wir trauen der Deutschen Telekom nd insbesondere dem neuen Vorstandsvorsitzenden bermann mehr zu als Sie. Wir sind der Auffassung, ass er keine Protektion benötigt. Wir sind der Auffasung, dass sich die Deutsche Telekom und Obermann uf dem Markt behaupten werden. Zum Abschluss möchte ich feststellen: Mehr Verrauen in den Markt stärkt nicht nur den Wirtschaftstandort Deutschland. Mehr Vertrauen in den Markt tärkt – zumindest langfristig – auch die Deutsche Teleom. Das sollten Sie sich vor Augen halten. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Zuruf von der LINKEN: Der FDP vielleicht!)


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607009200

Das Wort hat jetzt der Kollege Martin Dörmann von

er SPD-Fraktion.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1607009300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit

er Novellierung des Telekommunikationsgesetzes ver-
olgt die große Koalition vor allem zwei übergeordnete
iele: Erstens: Wir verbessern die Schutzvorschriften für
ie Verbraucherinnen und Verbraucher. Zweitens: Wir
chaffen Anreize für zusätzliche Investitionen in neue
ärkte.

Beim Verbraucherschutz führen die neuen Regelun-
en beispielsweise zu mehr Preistransparenz, Jugend-
chutz und Kostenkontrolle. Hierauf wird mein
raktionskollege Manfred Zöllmer nachher noch aus-
ührlicher eingehen.

Das zweite zentrale Anliegen der Gesetzesnovelle ist
ie Stärkung des Investitionsstandortes Deutschland. Es
urde schon erwähnt: Die IT- und Telekommunikations-
ranche ist ein wichtiger Wirtschaftsmotor für unser
and. In den letzten zehn Jahren stieg ihr Anteil am
ruttosozialprodukt von 4,7 auf fast 7 Prozent. Wir wol-

en, dass auch in Zukunft Investitionen in diesem






(A) )



(B) )


Martin Dörmann
Bereich Wachstum und neue Arbeitsplätze schaffen. Von
besonderer Bedeutung sind hierbei Investitionen in inno-
vative Produkte, durch die neue Märkte entstehen.

Es stellt sich nun jedoch die Frage – sie haben wir
heute zu beantworten –, inwieweit diese neuen Märkte
reguliert werden sollen. Grundsätzlich hat sich die Regu-
lierung im Telekommunikationsbereich – da sind wir uns
alle einig – durchaus bewährt. Der Wettbewerb funktio-
niert. Wir alle profitieren von deutlich gesunkenen Prei-
sen.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU] – Iris Gleicke [SPD]: Das ist wohl wahr!)


Der Anteil der Wettbewerber am Gesamtmarkt für Tele-
kommunikationsdienste liegt nach aktuellen Zahlen des
Branchenverbandes VATM in diesem Jahr bei rund
51 Prozent gegenüber der Telekom mit 49 Prozent. Die
Regulierung greift dort zu Recht ein, wo ein Unterneh-
men eine marktbeherrschende Stellung hat und hier-
durch ein deutliches Ungleichgewicht gegenüber den
Wettbewerbern besteht.

Im Bereich neuer Märkte haben wir jedoch eine be-
sondere Situation vor Augen, die wir berücksichtigen
müssen. Hier sieht sich nämlich ein Marktführer, der in
neue Techniken und Produkte investieren will, einem
doppelten Risiko ausgesetzt. Zum einen weiß das Unter-
nehmen zum Zeitpunkt der Investition ja noch gar nicht,
ob und inwieweit sich die neuen Produkte am Markt
überhaupt etablieren und durchsetzen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das weiß keiner!)


Das ist bei einem neuen Markt ein spezifisches Risiko.
Bereits hieraus ergibt sich also ein spezifisches Investi-
tionsrisiko. Wird der neue Markt auch noch von Anfang
an reguliert und damit den Wettbewerbern die Möglich-
keit eröffnet, ein Vorleistungsprodukt zu regulierten Be-
dingungen in Anspruch zu nehmen, können diese unter
Umständen die neuen Produkte zu vergleichbaren oder
sogar zu geringeren Konditionen am Markt anbieten.
Das investierende Unternehmen würde aber so von vorn-
herein seine Pioniervorteile verlieren.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Warum denn?)


Es wird sich also sehr genau überlegen müssen, ob es an-
gesichts hoher Investitionskosten dieses doppelte Risiko
wirklich eingeht.

Insoweit besteht sogar ein zusätzliches Ungleichge-
wicht zulasten des zuerst investierenden Marktführers.
Denn die Wettbewerber können ja zunächst in Ruhe ab-
warten, ob die Produkte am Markt überhaupt angenom-
men werden, und möglicherweise zu einem späteren
Zeitpunkt nachziehen, um ihr eigenes Risiko gering zu
halten. Dieses spezifische Investitionsrisiko und
Ungleichgewicht bei neuen Märkten kann dazu führen,
dass ein Unternehmen bei frühzeitiger Regulierung auf
seine Investition ganz verzichtet.

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(C (D Das aber wäre schädlich, und zwar sowohl für den tandort Deutschland, für Arbeitsplätze, als auch für die erbraucherinnen und Verbraucher. Aus diesem Grund ieht das neue TKG in § 9 a eine spezielle Regelung für eue Märkte vor. iese sollen vorübergehend von der Regulierung ausgeommen werden, um Anreize für zusätzliche Investitioen in Innovationen zu setzen. Der neue § 9 a setzt hierfür gleichzeitig aber auch ine klare Grenze: Die Regulierung greift dann ein, enn ansonsten die nachhaltige Entwicklung eines wettewerbsorientierten Marktes langfristig behindert ürde. Damit stellen wir sicher, dass keine dauerhaften onopole entstehen können. Wir haben zudem großen Wert darauf gelegt – Herr tto hat ja gerade etwas anderes suggeriert –, dass die estimmung auch europarechtskonform ausgestaltet ird. Die EU gibt hinsichtlich der Telekommunikationsärkte einen Rechtsrahmen für die Regulierung vor, in em wir uns bewegen können. Darin ist ausdrücklich orgesehen, dass neue Märkte vorübergehend von der egulierung freigestellt werden können, um Investitioen nicht zu gefährden. (Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Genau! – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Aber nicht dauerhaft!)


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Aha!)


So kommen beispielsweise nach Erwägungsgrund 15
er Märkte-Empfehlung der EU-Kommission neue und
ich abzeichnende Märkte, auf denen Marktmacht auf-
rund von Vorreitervorteilen besteht, grundsätzlich für
ine Vorabregulierung nicht in Betracht.


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: So ist das!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607009400

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Otto?


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1607009500

Bitte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607009600

Bitte schön, Herr Otto.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1607009700

Ich wollte dem Präsidenten nicht vorgreifen. Aber die

0 Sekunden schreiben Sie mir bitte gut.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607009800

Die Uhr wird angehalten.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ich verlängere Ihre Redezeit!)


chauen Sie auf die Uhr, dann sehen Sie es.






(A) )



(B) )


Hans-Joachim Otto (FDP):
Rede ID: ID1607009900

Lieber Herr Kollege Dörmann, es ist Ihnen vielleicht

aufgefallen, dass auch meine Rede sehr differenziert war
und ich nicht von vornherein gegen § 9 a gesprochen
habe, dass ich mich vielmehr gegen die Tatsache ge-
wandt habe, dass hier eine dauerhafte Behinderung des
Marktes verlangt wird. Das genau ist der Punkt, der eu-
roparechtswidrig ist. Mich würde interessieren, wie Sie
zu der Auffassung kommen, dass das alles in Ordnung
sei, obwohl die EU-Kommission beabsichtigt, ein Ver-
fahren gegen Deutschland einzuleiten.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1607010000

Herr Kollege Otto, ich bin ein bisschen enttäuscht.

Wir haben uns gestern im Wirtschaftsausschuss sehr aus-
führlich über diese Frage unterhalten. Ich habe Ihnen
dort den Hinweis gegeben, dass seitens des Wirtschafts-
ministeriums eine Drucksache vorgelegt wurde, in der
genau diese Fragen erörtert werden. Darin wird eindeu-
tig festgestellt, dass die jetzt gefundene Regelung euro-
parechtskonform ist und insbesondere das Wort „lang-
fristig“ an vielen Stellen des EU-Rechtsrahmens
aufgeführt wird. Der EU-Rechtsrahmen berücksichtigt
also das Kriterium, ob ein Wettbewerb dauerhaft behin-
dert wird. Nichts anderes macht der deutsche Gesetzge-
ber in diesem Zusammenhang.

In Ihrer Rede haben Sie gesagt, dass die EU-Kommis-
sarin Reding Zweifel an der Rechtmäßigkeit nach EU-
Recht geäußert hat. Ich will darauf hinweisen, dass die
EU-Kommission keine Rechtsprechung betreibt, son-
dern selbst eine politische Rolle spielt. Sie wissen
ebenso wie ich, dass dieser Versuch der EU-Kommission
darauf abzielt, auf europäischer Ebene für die EU-Kom-
mission mehr Kompetenzen in Regulierungsfragen zu
etablieren. Zu Recht hat die Bundesregierung in ihrer
Stellungnahme klargestellt, dass sie das anders sieht. Wir
haben immer noch nationale Märkte. Ich interpretiere
die Äußerungen der zuständigen EU-Kommissarin als
einen politischen Versuch, Druck auf den deutschen Ge-
setzgeber auszuüben, damit er den vorgesehenen Rechts-
rahmen nicht ausfüllt. Das können wir doch wohl nicht
mitmachen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir können doch aufgrund einer politischen Stellung-
nahme einer Kommissarin nicht von unseren Grundsät-
zen und von dem, was wir als politisch richtig erachten,
abgehen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Die EU-Kommission ist doof und die Bundesregierung ist schlau?)


– Nein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607010100

Die Frage ist beantwortet. Fahren Sie bitte in der

Rede fort.


Martin Dörmann (SPD):
Rede ID: ID1607010200

Herr Otto, ich will Ihnen noch einen zweiten Hinweis

geben, der in den Dokumenten ebenfalls enthalten war.

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(C (D n Erwägungsgrund 27 der Rahmenrichtlinie wird anerannt, dass auf Märkten, die neu sind, der Marktführer war über einen beträchtlichen Marktanteil verfügen ürfe, ihm in diesen Konstellationen jedoch keine unanemessenen Verpflichtungen auferlegt werden sollten. ch gehe davon aus, dass sich die EU-Kommission auch n Zukunft an diesen Rahmen halten wird. Genau dieser rundsätzlichen Überlegung entspricht der neue § 9 a ämlich. Deshalb bewegen wir uns europarechtlich auf icherem Grund. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Der deutsche Gesetzgeber kann einen Rahmen vorge-
en, jedoch selbstverständlich keine Einzelfallentschei-
ungen treffen. Die Regulierungsbehörde, also die
undesnetzagentur, wird in konkreten Fällen zu ent-

cheiden haben, inwieweit eine langfristige Behinderung
es Wettbewerbs droht, und das Marktgeschehen ge-
auer beobachten. Herr Otto, Sie sollten Vertrauen in die
undesnetzagentur haben.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Habe ich doch! Mehr als Sie!)


uch spezielle Zugangsfragen zu nicht ohne weiteres
achzubildenden Teilen der Infrastruktur sind von der
undesnetzagentur gegebenenfalls zu prüfen. Wir lassen

hr den Ermessensspielraum, den sie braucht. Ich will
arauf hinweisen, dass die Bundesnetzagentur in der An-
örung des Wirtschaftsausschusses – Herr Otto, Sie wis-
en das – die Europarechtskonformität des neuen § 9 a
usdrücklich bestätigt hat.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Die alte Regelung!)


Die alte Regelung ist materiell identisch mit der neuen. –
or diesem Hintergrund sind manch kritische Anmer-
ungen zu diesem Thema sachlich kaum noch nachzu-
ollziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was aber sind „neue Märkte“? Auch hierüber hat
ich in den vergangenen Monaten eine kontroverse De-
atte entwickelt. Sie findet vor einem konkreten Hinter-
rund statt; wir wissen das. Die Deutsche Telekom hat
ngekündigt, ihr Glasfasernetz auszubauen; dank
DSL-Technik können deutlich vergrößerte Bandbrei-

en und Geschwindigkeiten für Datenübertragungen an-
eboten werden, die wiederum neue Nutzungsmöglich-
eiten schaffen. In zehn Städten erfolgt dieser Ausbau
ereits, weitere 40 könnten in einer nächsten Ausbau-
tufe folgen. Hierfür sind insgesamt 3 Milliarden Euro
nvestitionen und 5 000 zusätzliche Arbeitsplätze vorge-
ehen. Die aktuelle Diskussion hat also einerseits einen
onkreten Hintergrund. Andererseits kann es jedoch
icht darum gehen, eine Lex Telekom zu schaffen und
ine bestimmte Technik regulierungsfrei zu stellen.

Bei der gesetzlichen Definition, wann es sich um ei-
en neuen Markt handelt, haben wir uns vielmehr von
olgenden Kriterien leiten lassen: Eine gesetzliche Defi-
ition muss technikneutral formuliert sein, sie darf den
eurteilungsspielraum der Bundesnetzagentur nicht






(A) )



(B) )


Martin Dörmann
unangemessen einengen und sie ist selbstverständlich
ebenfalls europarechtskonform auszugestalten.

Die von uns gewählte Definition eines neuen Marktes
entspricht diesen Kriterien. Sie ist im Übrigen aus dem
anerkannten Bedarfsmarktmodell entwickelt. Danach
setzt ein neuer Markt neue Dienste und Produkte voraus,
die sich von den vorhandenen aus Sicht eines verständi-
gen Nachfragers erheblich unterscheiden und diese nicht
lediglich ersetzen. Es werden zugleich verschiedene
qualitative Eigenschaften genannt, die geprüft werden
müssen. In der Gesetzesbegründung ist ebenfalls aus-
führlich hervorgehoben, dass es bei dieser Prüfung
selbstverständlich um eine Gesamtbetrachtung geht.
Durch die gewählte Definition ist klargestellt, dass reine
Infrastrukturen nicht ohne weiteres für sich regulie-
rungsfrei gestellt werden, ohne dass damit neue Pro-
dukte verbunden wären. Auch insofern sind die von
manchen Wettbewerbern vorgebrachten Bedenken unbe-
gründet.

Es wäre gut – ich will das ausdrücklich betonen –,
wenn möglichst viele Unternehmen – nicht nur die Tele-
kom – selbst in neue Infrastrukturen investierten. In mei-
ner Heimatstadt Köln beispielsweise plant Net-Cologne
den Ausbau eines eigenen VDSL-Netzes und will hier-
für gut 200 Millionen Euro in die Hand nehmen. Es ist
also möglich, dass man selbst investiert.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich bin von daher sehr zuversichtlich, dass wir auf
dem VDSL-Markt in einigen Jahren mehrere Anbieter
und einen regen Wettbewerb haben werden.


(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotz des Gesetzes!)


Dauerhafte Monopolstrukturen schließen wir durch das
neue Gesetz aus. Aber ohne Vorreiter werden andere
nicht nachziehen. Mit dem neuen Telekommunikations-
gesetz geben wir grünes Licht für mehr Verbraucher-
schutz und zusätzliche Investitionen in neue Märkte.
Dies liegt im Interesse der Verbraucherinnen und Ver-
braucher und im Interesse einer guten wirtschaftlichen
Entwicklung in unserem Land.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607010300

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Herbert Schui von

der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607010400

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Besonders

bedeutend beim Entwurf eines Gesetzes zur Änderung
telekommunikationsrechtlicher Vorschriften ist der § 9 a.
Er legt fest: Neue Märkte unterliegen grundsätzlich nicht
der Regulierung. Zweierlei ist dazu zu fragen.

Erstens. Regelt das Gesetz einen Aspekt der Telekom-
munikation allgemein oder ist es eine spezielle Lex Tele-
kom? Die Koalitionsparteien müssen den folgenden

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(C (D erdacht entkräften: Der Kurs der Telekomaktie ist geenwärtig niedrig. Das Gesetz ermöglicht der Telekom ür eine bestimmte Zeit einen höheren Gewinn. Das steiert den Aktienkurs. Damit erzielt der Bund, wenn er enn privatisieren sollte, für seinen restlichen Anteil eien höheren Erlös. Schwer abzuschätzen ist, ob die öheren Preise, die die Verbraucher zahlen, den zusätzlihen Privatisierungserlös übertreffen oder unterschreien. Das Gesetz ermöglicht auf diesem so genannten euen Markt eine Art Sondersteuer, die den Privatisieungserlös des Bundes steigern soll. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Klaus Barthel [SPD]: So ein Quatsch!)


Sind Sie denn nicht darüber informiert, dass die Tele-
omaktie einen niedrigen Kurs hat, und darüber, dass der
und weiter privatisieren will und das nur dann erlös-
ünstig tun kann, wenn die Aktienkurse hoch sind? Das
st doch trivial.


(Beifall bei der LINKEN)


as sollte auch Ihnen aufgefallen sein, selbst wenn Sie
n der Koalition sind.


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Das war aber fies!)


s ist nicht ausgeschlossen, dass durch dieses Gesetz aus
em alten Staatsmonopol ein neues privates Monopol
ird. Immerhin ist das der Verdacht der EU-Kommis-

ion.

Zweitens. Um Frieden zu stiften, Herr Kollege, kom-
en wir der Koalition entgegen und verstehen das
esetz als eine allgemeine Norm, also nicht als ein spe-

ielles Telekomgesetz. Dann ist der Grundgedanke des
esetzes folgender: Geregelt wird die Position des
ionierunternehmers in einem speziellen Bereich. Er
ntwickelt im Allgemeinen neue Produkte, Produktions-
erfahren oder erschließt einen neuen Markt. Geregelt
ird offenbar dort, wo der Markt versagt und wo die
olitik lenken soll. An der Idee eines privaten Pionier-
nternehmers wird aus so genannten ordnungspoliti-
chen Vorstellungen festgehalten. Wenn Schumpeter in
iesem Zusammenhang Ihr Gewährsmann ist, sage ich
hnen ganz nebenbei: Seiner Auffassung nach konnte
uch ein öffentliches Unternehmen Pionierunternehmer
ein.


(Klaus Barthel [SPD]: Wenn jemand ein neues Auto baut, wird er doch auch nicht reguliert! Das ist doch Unsinn! – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ein bisschen mehr Verständnis für Netze hätte ich von Ihnen schon erwartet!)


Sie haben das Regulierungsgesetz selbst auf den Weg
ebracht. Reden Sie doch jetzt nicht über den Auto-
arkt.


(Beifall bei der LINKEN)


ber ich muss gestehen: Mit Ihren espritvollen Bemer-
ungen kann ich, selbst wenn ich mir Mühe gebe, nicht
ithalten.






(A) )



(B) )


Dr. Herbert Schui

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ganz allgemein wird an Ihrem Gesetzentwurf deut-
lich, dass die Fragen der neuen Märkte und des inno-
vativen Unternehmers, für den Investitionsanreize zu
schaffen sind, sehr gründlich erörtert werden müssen.
Die Idee des privaten Pionierunternehmers, also die Idee
ordnungspolitischer Prinzipien, könnte in einen Konflikt
mit wesentlichen ethischen Grundsätzen geraten.

Ein Beispiel: „Focus Money“ stellte dem BB-Bio-
tech-Manager Müller die Frage:

Was macht den Krebs-Markt so attraktiv?

Die Antwort von Herrn Müller lautete: Es lassen sich

wegen der hohen Sterblichkeit deutlich höhere
Preise für Behandlungen durchsetzen.

Sicherlich können wir den Telekommunikationsmarkt
viel gelassener angehen. Aber das Telekommunikations-
gesetz muss in einen allgemeinen Normenkontext pas-
sen. Ein Gesetz soll ja stets eine spezielle Regelung auf
der Basis allgemeiner Grundsätze sein. Deswegen ist
Sorgfalt am Platz. Diese Sorgfalt vermisse ich bei der
Formulierung von § 9 a des Telekommunikationsgeset-
zes, wonach neue Märkte grundsätzlich keiner Regulie-
rung unterliegen. Auch wenn sich dieses spezielle Ge-
setz auf den Kommunikationssektor bezieht, besteht die
Gefahr, dass es zum Vorbild für andere Gesetze wird,
zum Beispiel für Gesetze im Bereich der Pharmaindus-
trie, die noch zu beschließen wären.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ach du meine Güte!)


– Dies könnte dazu führen, dass der Pharmamarkt weiter
reguliert wird.


(Dr. Martina Krogmann [CDU/CSU]: Wo wird denn die Pharmaindustrie reguliert?)


– Es gibt auf diesem Markt eine ganze Menge Regulie-
rungen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass weitere Re-
gulierungen erforderlich sind.


(Zuruf von der CDU/CSU: Thema verfehlt! Setzen!)


Wenn Sie den Geist des neuen § 9 a des Telekommuni-
kationsgesetzes auf andere Politikbereiche übertragen,
dann sind Sie sehr schnell an dem Punkt, an dem auch
BB-Biotech-Manager Müller war. Dieses Problem müs-
sen wir aufgreifen.


(Klaus Barthel [SPD]: Haben Sie schon einmal etwas von einem Patent gehört?)


– Das alles kenne ich.

Zurück zum Speziellen: Sie bemühen sich, die Regeln
der privaten Wettbewerbswirtschaft in Ihrem Gesetzent-
wurf dort zur Geltung zu bringen, wo der Markt versagt.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ein Markt kann doch gar nicht versagen! Der Markt war effektiv!)


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(C (D as gelingt Ihnen in Ihrem Gesetzentwurf allerdings icht. Lassen Sie mich das wie folgt begründen: Erstens. Der Gesetzgeber soll bestimmen, wer Pioniernternehmer ist; dabei soll es sich um die Telekom andeln. In einer privaten Wettbewerbswirtschaft entcheidet allerdings die Konkurrenz darüber, wer Pioniernternehmer ist. Zweitens. Der Gesetzgeber soll festlegen, für welche auer die Regulierung ausgesetzt wird. Aber normalereise werden so lange Extraprofite als Lohn für eine eue Idee erzielt, wie die Nachahmer dies zulassen. Herr Kollege Schui, kommen Sie bitte zum Schluss. Nachahmer sind wichtig, damit sich eine neue Idee llgemein durchsetzt. Zusammengefasst: Der Gesetzgeber kann offenbar icht die Grundlage schaffen, auf der dann die Markträfte das ihre tun. Die einzige Möglichkeit, die aus dieem Dilemma herausführt, besteht darin, die Netze für elekommunikation aus der Privatwirtschaft herauszuehmen und zu öffentlichem Eigentum zu machen, wie s auch im Hinblick auf die Deutsche Bahn geplant war. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das war ja echt super!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607010500
Dr. Herbert Schui (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607010600


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607010700

Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Berninger

om Bündnis 90/Die Grünen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Jawohl! Stellen Sie die Sache jetzt einmal richtig!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erin-

ere mich gut daran, dass die ehemalige Bundesverbrau-
herministerin Renate Künast die Einführung von
erbraucherschutzstandards im Bereich der Telekom-
unikationsdienstleistungen angemahnt hat. Dieses
hema war damals sehr umstritten. Selbst im Zusam-
enhang mit dem Problem, dass sich junge Menschen

urch die Nutzung ihres Handys überschulden, wurde
och vor drei Jahren eine Grundsatzdiskussion darüber
eführt, ob der Staat überhaupt in Märkte eingreifen
ollte oder ob dadurch nicht die Marktwirtschaft in ihren
rundfesten erschüttert würde.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Ich glaube, das Grundproblem ist eher, dass Sie in dieser Frage damals überhaupt nichts zustande gebracht haben!)


emessen daran zeigt der heute zur Abstimmung ste-
ende Gesetzentwurf, dass wir erhebliche Fortschritte
rzielt haben. In diesem Gesetzentwurf sind gute






(A) )



(B) )


Matthias Berninger
Verbraucherschutzstandards formuliert. Auch wenn es
an der einen oder anderen Stelle noch ein bisschen mehr
hätte sein können, besteht in der Sache inzwischen Kon-
sens darüber, dass dieser Markt nur wachsen kann, wenn
die Verbraucher darauf vertrauen können, dass sich die
Abzocker am Markt nicht mehr durchsetzen können. Da-
mit befassen sich viele Punkte in diesem Gesetzentwurf.
Ich will für meine Fraktion ausdrücklich sagen, dass wir
besonders die Punkte, die den Schutz von Kindern und
Jugendlichen betreffen, positiv sehen; das wollen wir
hier würdigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das Problem liegt dort, wo dieser Gesetzentwurf sein
anderes Gesicht zeigt: wo er eine Lex Telekom ist. Die
lange Linie vom Koalitionsvertrag über den Regierungs-
entwurf zu dem jetzt vorliegenden, im Ausschuss von
den Koalitionsfraktionen geänderten Gesetzentwurf
zeigt eindeutig, dass die große Koalition beabsichtigt,
die große Telekom in besonderer Art und Weise zu pam-
pern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich denke, dass Sie diesem Unternehmen damit einen
Bärendienst erweisen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Sehr richtig!)


Ron Sommer war kein schlechter Manager; das zeigt
auch der Erfolg, den er jetzt als Berater hat. Herr Ricke
war kein schlechter Manager, er war relativ erfolgreich.
Auch Herr Obermann ist kein schlechter Manager.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ein Riesenmanager!)


Doch wenn wir nicht aufhören, die Telekom als ein
Staatsunternehmen anzusehen,


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Richtig!)


wenn wir nicht aufhören, zu versuchen, der Telekom
dort, wo es möglich ist, die Marktwirtschaft zu ersparen,
dann werden die Manager der Telekom es nicht schaffen,
das Unternehmen auf den Erfolgspfad zu führen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


Wenn erst einmal die Kunden weggelaufen sind, werden
die Beschäftigten des Unternehmens in umso härterer
Form die Zeche zahlen müssen.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Da hat er einfach Recht!)


Ich bin davon überzeugt, dass dieser Gesetzentwurf eine
entscheidende Schwäche hat. Er erschwert es den Wett-
bewerbern, in die Technik zu investieren. Das sagen die
Wettbewerber sehr deutlich.


(Klaus Barthel [SPD]: Wieso? Kann doch jeder!)



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(C (D Der Kollege Barthel fragt: Wieso? – Sie können die agenta-Kappe wieder abziehen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Das passiert einfach deshalb, weil die Leitungen, zu
enen Sie den Wettbewerbern den Zugang verwehren
ollen, Leitungen sind, auf denen „Deutsche Bundes-
ost“ steht. Das sind Leitungen und Ressourcen aus Zei-
en des Monopols, die der Telekom durch Ihr Wirken
nd das Wirken vieler anderer in diesem Parlament gesi-
hert wurden. Wenn sie auf denen jetzt wie der Gralshü-
er sitzen darf, ist die Folge, dass in diesem Bereich kein

ettbewerb entsteht.


(Beifall des Abg. Dr. Axel Troost [DIE LINKE])


enn kein Wettbewerb entsteht im Bereich des VDSL,
ann haben wir eine Form der Planwirtschaft, ist im
arkt zu wenig Dynamik, gibt es letzten Endes zu we-

ige preisgünstige Angebote für einen superschnellen
nternetzugang, sodass viele Bürgerinnen und Bürger
nd viele Unternehmerinnen und Unternehmer diese
echnik nicht nutzen werden.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Stimmt leider alles! Wo er Recht hat, hat er Recht!)


as ist das Problem. Deswegen ist Ihr Entwurf wachs-
umsfeindlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau EU-Kommissarin Reding tut, was die Regulie-
ung betrifft, nicht etwa ihre Privatmeinung kund, sozu-
agen zwischen Kaffee und Mittagessen, sondern die

einung der EU-Kommission. Zu argumentieren, die
undesregierung vertrete da eben eine andere Meinung
ls die EU-Kommission, ist entweder ziemlich kühn
der naiv. Ich vermute, dass es kühn ist, dass folgender-
aßen auf Zeit gespielt werden soll: Wir verschaffen der
elekom jetzt Regulierungsferien. Ein Verfahren vor
ericht, das klären soll, ob dies dem EU-Recht wider-

pricht, dauert seine Zeit. So lange hat die Telekom ihren
orsprung und die Wettbewerber bleiben schön verun-
ichert. Selbst wenn wir am Ende verlieren – ich sage
inmal: die Tabakwerbung lässt grüßen –, hat das Unter-
ehmen, das wir fördern wollen, in der Zwischenzeit den
ioniervorsprung, den wir beabsichtigt haben.

Ich halte das für falsch, weil ich glaube, kurz vor Be-
inn unserer EU-Ratspräsidentschaft wäre es gut gewe-
en, wenn die Bundesregierung hier ein klares Signal ge-
etzt hätte, dass sie für den Binnenmarkt eintritt,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)


ass sie den Wettbewerb und den Binnenmarkt fördern
ill und nicht fußkranke Exmonopolisten wie die Tele-
om pampert und in einer Art und Weise vor dem Wett-
ewerb schützt, die allen Beteiligten schaden wird. Ich
ill noch einmal sehr deutlich sagen: Die Telekom ist in
er Tat wirtschaftlich erfolgreich, wo sie sich dem Wett-
ewerb stellt. Doch das Vertrauen, dass das Unterneh-






(A) )



(B) )


Matthias Berninger
men im Wettbewerb besteht, wird ihm entzogen, wenn
die Politik ihm einen Pioniergewinn verschaffen will.

Herr Dörmann, Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten
Vertrauen in die Bundesnetzagentur. Die Bundesnetz-
agentur hat mit diesem Gesetzentwurf ein ernstes Pro-
blem. Denn Sie geben der Bundesnetzagentur sozusagen
eine Bedienungsanleitung an die Hand. Sie haben an die-
ser Stelle den Gesetzentwurf verschärft. Das heißt, Sie
trauen Herrn Kurth und seinen Experten nicht zu, im
Sinne des Marktes und des Wettbewerbes zu entschei-
den.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Bleikugel ans Bein! Mehr als das!)


Warum nicht? Weil Herr Kurth im Laufe des Verfahrens
deutlich gemacht hat, dass die Regulierungsferien nicht
so einfach vonstatten gehen können, wie sich das die
Manager der Telekom vor einigen Monaten gewünscht
haben.


(Klaus Barthel [SPD]: Auf der jetzigen Grundlage! Deswegen muss man sie ja ändern!)


Vor diesem Hintergrund vertrauen Sie der Bundesnetz-
agentur nicht, sondern Sie legen sie leider an die Kette,
was ich sehr bedauerlich finde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Jetzt können wir doch eine Koalition machen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607010800

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Martina Krog-

mann von der CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Martina Krogmann (CDU):
Rede ID: ID1607010900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Dieser Gesetzentwurf ist ein klares Signal für Investitio-
nen und für Wettbewerb.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Klingt sehr gut!)


Ich möchte gerne den Gesamtzusammenhang darstel-
len, um den es geht. Es geht um die Frage, wie wir in
Deutschland bei den modernen Breitbandinfrastruk-
turen wieder vorankommen. Uns allen ist klar, dass
schnelle Datennetze in der Informationsgesellschaft eine
Grundvoraussetzung dafür sind, dass wir die Vorteile
– auch die wirtschaftlichen Vorteile – nutzen können.
Die Wahrheit ist, dass wir in Deutschland in den letzten
Jahren zurückgefallen sind.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das stimmt!)


Wir sind bei der Leistungsfähigkeit der Datennetze, also
bei der Geschwindigkeit, zurückgefallen und wir liegen
insbesondere in den ländlichen Räumen bei der Flächen-
deckung zurück. Deshalb müssen wir uns doch fragen,
was wir als Politiker tun können, damit die Unternehmen

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(C (D n Deutschland wieder in Infrastrukturen investieren und ir wieder an die Spitze in Europa kommen. Ich habe mir angehört, was in dieser Debatte von der pposition kam: Die FDP streitet um ein einziges Wort n diesem Gesetzentwurf mit einem Umfang von 3 Seiten, (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das ist aber ein entscheidendes Wort!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


ie Grünen reden von Frau Künast und der Bundespost
nd die PDS kreiert den Ausdruck „private Pionierunter-
ehmer“ und möchte am liebsten wieder verstaatlichen,
as nun wirklich völlig absurd ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Um bei den Breitbandinfrastrukturen voranzukom-
en, müssen wir zwei Dinge tun: Erstens müssen wir

en Wettbewerb – vor allem den Wettbewerb der Infra-
trukturen – stärken und zweitens müssen wir dafür sor-
en, dass sich die Investitionen für die Unternehmen, die
nvestieren und etwas Neues schaffen wollen, auch loh-
en. Deshalb sagen wir: Es ist genauso einfach wie klar,
ass wir Anreize für Investitionen in neue Märkte schaf-
en müssen, wenn wir vorankommen und Innovationen
n unserem Land schaffen wollen. Es bleibt dabei: Wir
aben ein ausgewogenes Verhältnis geschaffen und wir
aben ein Signal für Investitionen in neue Märkte auf der
inen Seite und Wettbewerb auf der anderen Seite ge-
etzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das liegt mir besonders am Herzen: Wir wollen
nvestitionsanreize und keinen Investitionsschutz
chaffen.


(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die SPD aber nicht!)


errn Berninger, ich bin hier völlig bei Ihnen: Ein Inves-
itionsschutz hat mit der sozialen Marktwirtschaft wirk-
ich nichts zu tun. Deshalb wollen wir entsprechende
nreize schaffen.


(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht die SPD aber anders!)


Es ist falsch, ständig von Regulierungsferien zu re-
en.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Ja, genau!)


ie alle waren in der Anhörung der Sachverständigen
och anwesend.


(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Körperlich!)


hnen dürfte also nicht entgangen sein, dass sich nicht
ur der Vertreter der Deutschen Telekom – er tat das lo-
ischerweise –, sondern auch namhafte Sachverständige
ewünscht haben, dass man Zeiträume für Regulierungs-
reistellungen ins Gesetz geschrieben hätte.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Es gab aber auch andere Stimmen!)







(A) )



(B) )


Dr. Martina Krogmann
Diese Absurditäten haben wir natürlich nicht mitge-
macht, weil wir keinen Schutz wollen – dieser hat in der
Marktwirtschaft keinen Platz –, sondern weil wir An-
reize für etwas Neues geben wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Es ist auch deshalb völlig falsch, von Regulierungs-
ferien zu sprechen, weil die Zugangsregulierung im bis-
herigen Telekommunikationsgesetz, also die Regelung
über den Zugang der Wettbewerber, mit § 9 a TKG über-
haupt nicht außer Kraft gesetzt wird. All das, was in den
§§ 9 bis 13 und § 21 des Telekommunikationsgesetzes
steht, bleibt, wie es bisher war. Das heißt: Wenn der
Wettbewerb langfristig behindert wird, dann greift natür-
lich die Zugangsregulierung. Es gibt dann also zum Bei-
spiel einen Zugang zu den Kabelverzweigern, es gibt die
Möglichkeit des Bitstromzugangs und es gibt auch den
Zugang zu den Leerrohren.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das schauen wir uns einmal an!)


Wie bisher auch hat das die Bundesnetzagentur gemein-
sam mit der EU-Kommission zu bestimmen.

Deshalb sage ich hier ganz klar: Wir schaffen Anreize
und mehr Wettbewerb. Wir wollen keine neuen Mono-
pole schaffen. Deshalb ist es völlig falsch, von Regulie-
rungsferien zu reden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Selbstverständlich wollen wir, dass die Deutsche Te-
lekom in das deutsche Glasfasernetz investiert. Sie,
meine Herren von der Opposition, tun so, als gäbe es
zwei Klassen von Investitionen: die Investitionen der
Telekom, die böse und gefährlich sind, und die Investi-
tionen der anderen, die gut sind.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Warum hören Sie mir denn nicht zu, Frau Kollegin? Ich habe doch alles gesagt! – Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schaffen zwei Klassen von Investitionen und das wissen Sie auch! Deshalb bevorzugen Sie die Telekom!)


Diese Ansicht ist für die Volkswirtschaft gefährlich. Wir
wollen alle Investitionen – von jedem Unternehmen, von
wem auch immer – in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gefährlich wird es, wenn Sie an das glauben, was Sie sagen!)


Gerade weil wir das wollen, haben wir ein zentrales
Anliegen der Wettbewerber aufgenommen, nämlich
klarzustellen, dass es bei neuen Märkten um Dienste und
Produkte geht und nicht etwa nur um ein Stück Glasfaser
oder Infrastrukturen.

Herr Otto, ich habe mich daran erinnert, was Sie in
der ersten Beratung des Telekommunikationsgesetzes
ausgeführt haben. Sie haben gesagt: Wenn Sie klarstel-

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(C (D en, dass Infrastrukturen an sich keine neuen Märkte ind, dann sind wir uns einig und können zustimmen. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ja, aber Sie haben das nicht klargestellt!)


ass Sie sich jetzt an einem einzigen Wort festhalten,
eigt, dass Sie nur ein Haar in der Suppe suchen. Des-
alb fordere ich Sie auf, Herr Otto: Geben Sie sich doch
inen Ruck und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu, wie
s Ihr Vorsitzender schon vor sechs Wochen in seinem
rtikel getan hat!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Rainer Wend [SPD]: Wo ist der überhaupt?)


Wir müssen uns in diesem Zusammenhang auch eine
rundsatzfrage stellen. In der sozialen Marktwirtschaft
ann die Regulierung immer nur eine neu zu begrün-
ende Ausnahme sein. Sie darf nie zum Dauerzustand
erden. Deshalb ist es wichtig, dass wir auch auf euro-
äischer Ebene als Bundesregierung und auch als deut-
ches Parlament ein klares Signal geben, dass es unser
iel sein muss, dass die Märkte, die jetzt noch reguliert
ind, in das Wettbewerbsrecht überführt werden.

Wir leisten mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ei-
en entscheidenden Beitrag dazu, weil wir mutig nach
orne gehen und Vorreiter innerhalb der Europäischen
nion sind. Dieses Gesetz ist ein klares Signal für Inves-

itionen, Innovationen und auch für Wettbewerb.


(Matthias Berninger [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und Monopole!)


Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607011000

Das Wort hat jetzt der Kollege Manfred Zöllmer,

PD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Manfred Zöllmer (SPD):
Rede ID: ID1607011100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

erfolgt man die heutige Debatte, dann hat man den Ein-
ruck, der vorliegende Gesetzentwurf würde nur aus ei-
em einzigen Paragrafen – nämlich § 9 a – bestehen. Die
edeutung des Verbraucherschutzes ist bisher in der
ebatte etwas zu kurz gekommen. Über 90 Prozent des
esetzentwurfs betreffen aber den Verbraucherschutz.
eswegen will ich darauf eingehen.

Die Bedeutung dieses Bereichs zeigt sich unter ande-
em daran, dass es in Deutschland inzwischen mehr
andys als Einwohner gibt. Pro Jahr gibt es über
00 Milliarden Telefonate.

Mit diesem Gesetz zur Änderung telekommunika-
ionsrechtlicher Vorschriften verbessert sich der Ver-
raucherschutz in Deutschland in erheblichem Maße.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Manfred Zöllmer
In der Vergangenheit waren die Verbraucherinnen und
Verbraucher sehr oft mit undurchsichtigen Tarifkon-
struktionen konfrontiert. Versteckte Abodienste ließen
insbesondere junge Menschen in die Schuldenfalle tap-
pen und so manche Nutzung eines Mehrwertdienstes
wurde zum Kostenrisiko.

Mit dem novellierten Gesetz schaffen wir nun mehr
Preistransparenz, Kostenkontrolle und Jugendschutz. So
wird die Pflicht zur Preisinformation in der Werbung
ausgeweitet und bezieht sich auf die unterschiedlichsten
Dienste. Preisinformationen müssen zukünftig gut les-
bar, deutlich sichtbar und in unmittelbarem Zusammen-
hang mit der Rufnummer stehen. Wir führen eine Pflicht
zur Preisangabe vor Abschluss eines Vertrages bei Kurz-
wahldatendiensten – zum Beispiel bei Klingeltönen –
ein. Dies schützt insbesondere junge Verbraucherinnen
und Verbraucher vor erheblichen Kosten oder gar Über-
schuldung. In die gleiche Richtung zielt der Anspruch
der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Erhalt einer
kostenlosen Warn-SMS bei Erreichung eines Betrages
von 20 Euro innerhalb eines Monats durch Kurzwahl-
dienste im Abo.

Die Grenzen zwischen Mobilfunk und Festnetz ver-
schwinden immer mehr. Wir haben deshalb dafür ge-
sorgt, dass 2 Euro die einheitliche Grenze für verpflich-
tende Preisinformationen darstellen. Auch bei der
Preishöchstgrenze gibt es eine einheitliche Schwelle von
3 Euro. Das schafft Klarheit für die Verbraucherinnen
und Verbraucher und gibt der Wirtschaft den Spielraum,
neue Dienste zu entwickeln. Dieses Gesetz schafft einen
sehr vernünftigen Ausgleich zwischen den Interessen der
Verbraucherinnen und Verbraucher sowie den berechtig-
ten Interessen seriöser Anbieter.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Ein bisschen mehr Begeisterung!)


– Das war schon ganz gut, lieber Kollege Otto.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Jetzt wart ihr gut, Jungs!)


Maximalpositionen, wie sie zum Beispiel von den
Grünen vertreten werden, helfen hier nicht weiter. Ich
bin im Übrigen dem Kollegen Berninger für seine – wie
ich finde: sehr gute – Bewertung unserer Verbraucher-
schutzregelungen in diesem Gesetz dankbar. Man kann
sicherlich eine generelle Preisansage bei Call-by-Call-
Gesprächen fordern. Wenn aber in der Anhörung heraus-
kommt, dass es sich um einen Betrag von circa
2,50 Euro pro Monat und Telefonrechnung handelt, dann
wird deutlich, dass es wenig Sinn macht, diesen Markt
durch Überregulierung zu zerstören.

Die Branche braucht das Vertrauen ihrer Kunden. Nur
so haben die vielfältigen Angebote eine Chance. Die Ver-
braucherinnen und Verbraucher haben in der Vergangen-
heit sehr stark vom Wettbewerb profitiert. Umso bedau-
erlicher ist, dass wir uns in einigen Bereichen erneut mit
Problemen konfrontiert sehen, die uns als Gesetzgeber in
Zukunft fordern werden. Die zunehmende Telefonwer-

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(C (D ung außerhalb von Kundenbeziehungen ist belästigend, törend und verboten. Wir müssen hier intensiv über anktionen nachdenken. So manche kostenpflichtige arteschleife bei einer Hotline wird zum Ärgernis der erbraucherinnen und Verbraucher, wenn man nur Duelmusik hört und gleichzeitig der Gebührenzähler tickt. Diese Probleme zeigen: Verbraucherpolitik in der Teekommunikation bleibt eine dauernde Aufgabe. Dieser erausforderung werden wir uns auch in Zukunft stel en. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Begeisterung!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607011200

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
esregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur
nderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften,
rucksache 16/2581. Der Ausschuss für Wirtschaft und
echnologie empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-
chlussempfehlung auf Drucksache 16/3635, den Ge-
etzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
itte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
en, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthal-
ungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit
en Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim-
en der Oppositionsfraktionen angenommen.

Dritte Beratung

nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-
timmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Bera-

ung ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
egen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenom-
en.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungs-
ntrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3661.
er stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegen-

timmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag
st mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der
raktion Die Linke abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-
mpfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-
ogie auf Drucksache 16/3635 zu dem Antrag der Frak-
ion des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Mehr

ettbewerb und Verbraucherschutz auf dem Telekom-
unikationsmarkt“. Der Ausschuss empfiehlt unter
uchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Antrag
uf Drucksache 16/2625 abzulehnen. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-
altungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
en der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die
inke bei Zustimmung der Fraktion des Bündnisses 90/
ie Grünen und Enthaltung der FDP-Fraktion angenom-
en.






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Strafbarkeit beharrlicher
Nachstellungen (… StrÄndG)


– Drucksache 16/575 –

– Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Entwurfs eines Stalking-
Bekämpfungsgesetzes

– Drucksache 16/1030 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 16/3641 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ute Granold
Christine Lambrecht
Joachim Stünker
Jörg van Essen
Sevim Dagdelen
Irmingard Schewe-Gerigk

Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen
ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der
Fraktion des Bündnisses 90/die Grünen sowie je ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion der FDP und der Frak-
tion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Als erster Rednerin erteile ich der Kollegin, der Bun-
desministerin Brigitte Zypries das Wort.

Bitte schön.


(Jörg van Essen [FDP]: Frau Zypries ist auch eine Kollegin!)



Brigitte Zypries (SPD):
Rede ID: ID1607011300

– So ist es, Herr von Essen. Vielen Dank, dass Sie das

so freundlich bemerken. – Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen! Liebe Kollegen! Heute ist ein guter Tag für den
Opferschutz und ein schlechter Tag für Stalker.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich freue mich sehr, dass wir heute nach gründlicher Be-
ratung – auch mit den Ländern – ein Gesetz beschließen
werden, das die Strafverfolgung verbessert und den
Schutz von Stalkingopfern noch effektiver machen wird,
als es bisher der Fall war. Mit der Schaffung des neuen
Straftatbestandes der „Nachstellung“ durch das Gesetz,
das wir heute verabschieden wollen, senden wir ein ein-
deutiges Signal aus: Stalking ist keine Privatsache, keine
Sache von verschmähten Liebhabern, sondern strafwür-
diges Unrecht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wer solche Taten begeht, den wollen wir künftig mit
dem Strafrecht belangen. Wer von Stalking betroffen

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(C (D ird, wird künftig vom Staat raschen und wirksamen chutz erfahren. Dass wir mit der Ergänzung des Strafgesetzbuches, ie Ihnen vorliegt, unser Ziel erreichen, haben uns die xperten bei der Anhörung im Rechtsausschuss bestä igt. Sie haben sich nahezu einhellig für einen eigenen traftatbestand ausgesprochen. Zwar gab es die eine der andere Differenz über die genaue Formulierung, ber unter dem Strich kann man sagen, dass der Komromiss, den wir gemeinsam mit den Ländern ausgehanelt haben, eine gute Lösung ist. Die vier konkreten Handlungsalternativen, die wir orgeschlagen hatten, sind jetzt um einen Auffangtatestand ergänzt. Wie vom Bundesrat vorgeschlagen, erden dadurch auch andere vergleichbare Handlungen rfasst. Die Rechtsprechung kann also in Zukunft auch olche Nachstellungen erfassen, die wir heute noch gar icht kennen. So kannten wir beispielsweise früher noch icht die Möglichkeit, per SMS oder per Handyanruf eute nachts aus dem Schlaf zu holen. Die Entwicklung igitaler Kommunikationsmittel kann man heute noch icht voll absehen. Deswegen macht es Sinn, einen solhen Auffangtatbestand zu schaffen. Für schwere Fälle sind Qualifikationstatbestände orgesehen. Wenn durch die Belästigung die Gefahr des odes, einer schweren Gesundheitsschädigung oder gar er Tod als solcher herbeigeführt wird, dann beträgt der trafrahmen bis zu fünf bzw. zehn Jahren, wobei sich as nur auf das konkrete Stalking bezieht und nicht auf ndere mögliche Straftatbestände, die selbstverständlich uch erfüllt sein können. Gerade für diese schweren Fälle erweitern wir auch as strafprozessuale Instrumentarium. Das heißt, künftig ann bei Wiederholungsgefahr Untersuchungshaft angerdnet werden. Darauf werden Sie sicherlich noch eingehen. – Ich alte das auch für richtig. Wir haben gerade in Berlin eien Fall gehabt, in dem vielleicht Leben gerettet worden äre, wenn wir das Instrumentarium gehabt hätten. Bei der Ausgestaltung der Tatbestände haben wir uch die Belange der Presse berücksichtigt. Der Rechtsusschuss hat sich ausführlich damit befasst. Es ist völlig lar: Wer sich presserechtlich korrekt verhält, ist kein talker und er fällt auch nicht unter den neuen Straftatestand. Es gibt deshalb gar keinen Grund, wie es teileise gefordert wurde, Journalisten ausdrücklich von em Tatbestand auszunehmen oder gar einen besonderen echtfertigungsgrund für sie zu schaffen. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Kein Freibrief!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die neue Vorschrift berührt die grundrechtlich ge-
chützte Pressefreiheit bei der Berichterstattung und bei
er Informationsbeschaffung nicht; denn die Grenze zur
trafbarkeit wird erst dann überschritten, wenn sich ein
erhalten als Eingriff in die Grundrechte der betroffenen
erson darstellt und das Opfer dadurch in seiner Lebens-
estaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird. Wenn das






(A) )



(B) )


Bundesministerin Brigitte Zypries
aber die Folge von beharrlichen Nachstellungen durch
Journalisten ist, dann verdient dieses Verhalten auch kei-
nen Schutz.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das muss man ganz klar sagen. Wir wollen keine Papa-
razziklausel.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sehr guter Begriff! Hätte von mir nicht besser kommen können!)


– Da bin ich aber froh, Herr Kollege.

Die vorgeschlagene Lösung ist also ein gutes Ergeb-
nis unserer vielfältigen Beratungen und sie ist eine Rege-
lung mit Augenmaß, auch soweit es um strafprozessuale
Änderungen geht. Ich möchte mich deshalb sehr herzlich
bei all den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die auf
der einen oder anderen Seite an diesem Projekt mitgear-
beitet haben. Das gilt sowohl für die Mitglieder des
Rechtsausschusses als auch für die Vertreter der Länder.

Unser gemeinsames Ziel ist klar: Wir wollen Opfer
schützen und sicherstellen, dass die Täter bestraft wer-
den. Deswegen ist die Änderung dieses Gesetzes ein
ganz wichtiger Schritt. Aber mit der rechtlichen Ände-
rung allein ist es nicht getan.


(Joachim Stünker [SPD]: So ist es! – Klaus Uwe Benneter [SPD]: Sie muss auch durchgesetzt werden!)


Jetzt muss auf der Ebene der Polizei und auf der Ebene
der Staatsanwaltschaft nachvollzogen werden, was sich
hier geändert hat. Man kann nur empfehlen, dass die
Länder dem Best-Practice-Beispiel, zum Beispiel aus
Bremen, folgen und so etwas wie Schwerpunktstaatsan-
waltschaften und Polizeidienststellen mit besonders ge-
schultem Personal einrichten, wo die Opfer und die
ganze Problematik richtig wahrgenommen werden.

Ich habe vorhin gesagt: Es geht nicht um verschmähte
Liebhaber. Wenn jemand auf diese Art und Weise ver-
folgt wird – in aller Regel sind es nach wie vor Frauen;
es gibt allerdings auch Männer – und zur Polizei geht,
dann wird häufig mit den Worten reagiert: Nun stellen
Sie sich mal nicht so an; der liebt Sie doch bloß. Das ist
keine adäquate Reaktion. Es muss sichergestellt werden,
dass zwischen einer rechtmäßigen Verfolgung – auch das
mag es geben – und einer unrechtmäßigen Verfolgung
unterschieden wird. Dort, wo Hilfe erforderlich ist, muss
geholfen werden.

Von den Polizeien und Staatsanwaltschaften hängt
deswegen ganz besonders viel ab. Ich wünsche mir, dass
man diesen Tatbestand zum Anlass nimmt, Schulungen
und Fortbildungen anzubieten, damit man über mehr
Verständnis für die Lage der Opfer zu einem besseren
Schutz der Betroffenen kommt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dies ist mein Wunsch für die nächste Zeit.

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(C (D Ich möchte noch einmal besten Dank dafür sagen, ass wir dieses Gesetz so im Konsens verabschieden önnen. Das Wort hat jetzt der Kollege Jörg van Essen von der DP-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! anches, was gut gemeint ist, ist nicht auch tatsächlich ut. Dieser Satz ist mir eingefallen, als ich gerade die ede der Bundesjustizministerin gehört habe. Ich will zunächst einmal auf das Gemeinsame eingeen. Es hat lange gedauert, bis wir uns im Bundestag mit em Problem des beharrlichen Nachstellens befasst haen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode den Eintieg zustande gebracht. Wir haben schon in der ersten ebatte festgestellt, dass vieles, was wir uns vorgestellt aben, durch die bisherige Gesetzgebung leider nicht ereicht wird. Das liegt daran, dass es im rechtlichen Beeich zum Teil Lücken gibt; aber es liegt auch daran darauf hat die Ministerin, wie ich finde, zu Recht hin ewiesen –, dass diejenigen, die sich mit der Bitte um ilfe an die Polizei wenden, immer wieder auf Unver tändnis stoßen. Die Konsequenzen dieses Unverständisses gehen so weit – auch davon konnten wir lesen –, ass Opfer ihr Leben verloren haben, zum Beispiel weil ie umgebracht worden sind. Das kann uns hier im Bunestag natürlich nicht ruhig lassen. Deshalb müssen wir arüber reden. Ich habe es schon am Anfang gesagt: Die jetzt vorgechlagene Lösung halten wir nicht für den richtigen eg. ch will auch sagen, warum. Sie haben das Delikt als erfolgsqualifiziertes Delikt usgestaltet. Ich habe mir gedacht, dass Sie das sagen würden. Sie aben schon im Rechtsausschuss deutlich gemacht, waum das so ist. Sie sehen sehr wohl, welche rechtlichen robleme durch eine Fülle von unbestimmten Rechtsberiffen entstehen. Hinzu kommt dann noch ein Auffangatbestand. So wie Sie im Rechtsausschuss formuliert aben, wollen Sie das verfassungsrechtliche Risiko, das amit verbunden ist – der Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz tellt das Bestimmtheitsgebot auf; der Bürger soll vorher enau wissen, was verboten ist, weil ihm nur dann ein orwurf gemacht werden kann –, dadurch minimieren, ass ein bestimmter Erfolg eingetreten sein muss. (Joachim Stünker [SPD]: Das ist bei Betrug genauso! Da weiß auch keiner, wie es geht!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607011400

(Beifall bei der FDP)

Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1607011500

(Beifall bei der FDP)


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist auch gut so!)







(A) )



(B) )


Jörg van Essen
Das Besondere beim Stalking ist aber doch, dass es
permanent kleine Nadelstiche gibt und die Opfer auch
dann schon Hilfe erwarten. Insofern gibt man den Op-
fern bei der Lösung, die jetzt angestrebt wird, Steine statt
Brot.


(Beifall bei der FDP)


Das ist genau das, was nach unserer Vorstellung nicht
sein sollte: Auf der einen Seite besteht ein hohes verfas-
sungsrechtliches Risiko und auf der anderen Seite wird
den Frauen – die Ministerin hat zu Recht gesagt, dass es
fast immer Frauen sind, die in besonderer Weise zu lei-
den haben – keine wirkliche Hilfe angeboten.

Wir sind auch der Meinung, dass die Rolle, die die
Presse in einer Demokratie hat, hier nicht richtig gewür-
digt wird.


(Joachim Stünker [SPD]: Ah ja!)


Die Ministerin hat gesagt: Wer sich ordentlich verhält,
wird mit dem Gesetz nicht in Konflikt geraten. – Ja.
Aber die Presse braucht sich nicht immer ordentlich zu
verhalten. Sie hat sich zwar an Recht und Gesetz zu hal-
ten – das ist ganz selbstverständlich –,


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das ist gut!)


aber das, was wir „ordentlich“ finden, darf die Presse
auch mal durchbrechen.


(Christine Lambrecht [SPD]: „Recht und Gesetz“ reicht?)


Sie darf jemanden stellen. Sie darf jemanden mehrfach
ansprechen. Sie darf jemanden zu Stellungnahmen auf-
fordern. Alles das ist möglich.


(Joachim Stünker [SPD]: Das ist auch nicht verboten! – Christine Lambrecht [SPD]: Das alles geht auch in Zukunft!)


Wenn jemand so empfindlich ist, dass es bei ihm zu
Konsequenzen kommt,


(Widerspruch bei der SPD – Joachim Stünker [SPD]: Das ist aber schwach!)


dann darf das nicht dazu führen, dass sich die Presse
strafbar macht; das können jedenfalls wir so nicht akzep-
tieren.


(Beifall bei der FDP)


Wer Kritik übt, der hat die Verpflichtung, hier auch
vorzutragen, was er sich stattdessen vorstellt. Ich komme
gern auf einen Vorschlag zurück, den der frühere rhein-
land-pfälzische Justizminister Mertin schon sehr früh in
der Debatte gemacht hat. Das ist aus meiner Sicht der
sehr viel bessere Weg. Er hat eine Ergänzung des
Gewaltschutzgesetzes um weitere Tatbestände vorge-
schlagen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum legen Sie nichts vor, Herr Kollege?)


– Wir haben einen Entschließungsantrag vorgelegt, Herr
Kollege. Lesen Sie ihn! Sie können darin unsere Vor-
schläge finden.

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(C (D (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der ist gerade erst gekommen!)


Unser Vorschlag ist also, das Gewaltschutzgesetz zu
rgänzen. Das führt nämlich dazu, dass es klare richterli-
he Anordnungen für denjenigen gibt, der einer anderen
erson nachstellt, sodass er genau weiß, was er nicht tun
arf. Dann ist es selbstverständlich und richtig, dass er
estraft wird, wenn er dagegen verstößt.


(Beifall bei der FDP)


as heißt, hier kann früh angesetzt werden, hier kann
em Opfer wirkliche Hilfe gegeben werden und hier
ann auch die strafrechtliche Ahndung erfolgen; sie ist
ogar notwendig.

Die Strafvorschriften im Gewaltschutzgesetz müssen
ann natürlich etwas ergänzt werden; das findet sich al-
erdings – das gebe ich zu – auch in Ihrem Gesetzent-
urf. Wenn schwer wiegende Folgen eingetreten sind,
uss sich das ganz selbstverständlich auch schwer wie-

end bei der zu verhängenden Strafe niederschlagen.
as ist aus unserer Sicht ein verfassungsrechtlich ein-
andfreier Weg. Das ist ein Weg, der dem Opfer von
talking früh hilft und der dem Opfer deshalb sehr viel
esser und sehr viel wirksamer hilft, als es bei dem Vor-
chlag der Koalition der Fall ist.

Ich würde gern noch etwas zu einem anderen Aspekt
agen. Wie auch immer die Lösung aussieht – ich unter-
treiche mit Nachdruck das, was die Bundesjustizminis-
erin gesagt hat –: Wir brauchen eine bessere Schulung
er Polizei und eine bessere Schulung der Staatsanwalt-
chaften, damit die Opfer dort auf sachkundige Perso-
en treffen, die ihnen helfen, die Verständnis für sie ha-
en und die auch auf sie eingehen. Wenn sich das Opfer
n die Behörden wendet, soll es nicht das Gefühl haben,
eil es etwa abweisend behandelt wird, noch einmal

um Opfer zu werden. Wie auch immer wir die verschie-
enen Vorschläge beurteilen – wir sind gemeinsam,
enke ich, in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass dort eine
esentliche Verbesserung eintritt; denn wir wissen aus
er Praxis, dass da noch eine Menge zu tun ist.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607011600

Das Wort hat die Kollegin Ute Granold von der CDU/

SU-Fraktion.


Ute Granold (CDU):
Rede ID: ID1607011700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

eute ist ein guter Tag für den Opferschutz. Ich muss
irklich sagen: Was lange währt, wird endlich gut. Wir
aben lange beraten und gemeinsam eine Fassung vorge-
egt, die, denke ich, gut ist und insbesondere auch ver-
assungskonform ist.

Der neue § 238 StGB hat die Überschrift „Nachstel-
ung“ und nicht „Stalking“, weil wir im deutschen Ge-
etzbuch einen deutschen Begriff verwenden wollen.






(A) )



(B) )


Ute Granold

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg van Essen [FDP]: Sehr vernünftig!)


Das Phänomen Stalking gibt es bei uns seit einigen
Jahren. Es betrifft nicht nur Prominente, sondern es kann
nahezu jeden Menschen, jede Berufsgruppe, jede
Schicht betreffen. Täter sind nicht nur Exliebhaber, Kol-
legen oder Bekannte, Nachbarn; es kann jeder sein.

Forscher haben festgestellt, dass es sich hierbei mitt-
lerweile um ein Massenphänomen handelt und dass die
derzeitigen Gesetze die Opfer nicht ausreichend schüt-
zen.

Lassen Sie mich einige kurze Beispiele nennen, damit
Sie wissen, worum es geht. Ein Beispiel aus Bremen:
Ein Ehepaar trennt sich. Der 41-jährige Mann terrorisiert
seine 39-jährige Ehefrau monatelang durch Telefonate
und Auflauern. Er macht ihr das Leben zur Hölle und
schließlich ersticht er sie an ihrem Arbeitsplatz.

Ein weiteres Beispiel aus Weimar, letztes Jahr gesche-
hen: Eine 44-jährige Frau erhält anonym unzählige Male
am Tag, manchmal acht- bis zehnmal, Paketlieferungen,
Möbel, Anmeldungen zu Kreuzfahrten, Klappräder, Ero-
tikartikel, einen LKW mit 100 Bürostühlen etc. Der Frau
fallen die Haare aus, sie leidet unter Depressionen,
nimmt ab und bekommt eine Nervenentzündung.

In Münster wird eine Schülerin von ihrem Mitschüler
gestalkt, weil sie seine Liebe nicht erwidert. Es wird Te-
lefonterror betrieben, ihr Name, ihre Telefonnummer
wird ins Internet gestellt mit eindeutigen Sexangeboten.
Die Schülerin ist in psychiatrischer Behandlung und in
ihren Leistungen in der Schule abgesackt.

In Rheinland-Pfalz tyrannisiert jemand ein komplet-
tes Dorf. Manche werden im Monat mit 800 bis 900 Te-
lefonanrufen terrorisiert. Es kam hier zu schwersten Ma-
gen-Darm-Entzündungen, zu Herzinfarkten, zu ganz
großen Problemen in Familien.

Nach den Ergebnissen aus der Forschung ist festzu-
stellen, dass jeder Achte in Deutschland unter Stalking
leidet oder schon gelitten hat, dass jedes vierte Opfer
länger als ein Jahr gestalkt wird, dass jedes dritte Opfer
verprügelt und angegriffen wird, dass jeder vierte Be-
troffene einen Arzt oder einen Therapeuten aufsuchen
muss und dass die Hälfte aller Gestalkten unter Schlaf-
störungen und Angstzuständen leidet. Vielfach muss der
Arbeitsplatz oder auch der Wohnort gewechselt werden.
Zu 85 Prozent – wir haben es eben gehört – sind Männer
die Täter.

Welche Möglichkeiten bietet das Gesetz heute? Da
haben wir das Zivilrecht, Herr van Essen. Das Gewalt-
schutzgesetz reicht bei weitem nicht aus. Wir hatten eine
umfassende Anhörung. Es wurde eindeutig festgestellt,
dass ein Straftatbestand vonnöten ist.


(Joachim Stünker [SPD]: Richtig!)


Wenn Sie das Gewaltschutzgesetz zugrunde legen
– ich spreche hier aus meiner Erfahrung als Anwältin –,
dann gehen Sie in der Regel zu einem Anwalt und stel-
len vor Gericht einen Antrag, Sie müssen Prozesskosten-
hilfe beantragen oder einen Kostenvorschuss zahlen. Sie

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(C (D üssen selbst vortragen, was geschehen ist. Sie müssen as an Eides statt versichern. Sie sind gehalten, sich geebenenfalls mit dem Täter vor Gericht auseinander zu etzen. Das ist alles sehr, sehr belastend. (Jörg van Essen [FDP]: Deswegen wollen wir das Gesetz neu fassen!)


ie müssen, wenn der Täter die einstweilige Verfügung
icht beachtet, als Opfer erneut initiativ werden und da-
ür sorgen, dass ein Zwangsgeld festgesetzt wird und
ieles andere mehr. Das ist nach unserer Auffassung für
as Opfer nicht zumutbar. Deshalb brauchen wir einen
traftatbestand.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Auch das Strafrecht ist derzeit nicht geeignet, dem
pfer Hilfe zu leisten. Ein Straftatbestand ist nur dann
egeben, wenn eine Verletzung der Gesundheit, des Le-
ens, des Hausfriedens oder des Eigentums vorliegt. Erst
ann kann eingeschritten werden.

Wir wissen alle, dass Stalking ein Dauerdelikt ist. Das
eißt, der Täter ist permanent in Aktion. Seine Aktionen
teigern sich, werden immer intensiver und nicht selten
ommt es zu einer Eskalation. Deshalb brauchen wir ei-
en Straftatbestand, der genau auf dieses Täterverhalten
ugeschnitten ist. Derzeit können nur Einzelakte bestraft
erden. Vielleicht reicht es für eine Bestrafung – wegen
ausfriedensbruchs, Körperverletzung usw. –,


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Bleibt in Kraft!)


as ist aber nicht das, was strafrechtlich bewertet werden
oll. Deshalb muss Stalking als ein Straftatbestand ins
esetz aufgenommen werden. Wir müssen dafür sorgen,
ass es nicht zur Eskalation kommt. In vielen Fällen
die Ministerin hat es angesprochen – sind Menschen

u Tode gekommen. Wenn wir ein gescheites Gesetz mit
er Möglichkeit zur Inhaftierung gehabt hätten, hätte
ieles schon vermieden werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


er derzeitige Zustand ist nicht länger haltbar.

Ich erinnere daran – wir haben es auch im Ausschuss
esprochen –: Im Ausland gibt es zum Teil seit über
ehn Jahren Stalkingtatbestände. In Amerika, Australien,
kandinavien und Österreich wurden gute Erfahrungen
emacht.

In der letzten Legislaturperiode wurden wir auch in
eutschland aktiv. Der Bundesrat hat einen Gesetzent-
urf vorgelegt. Bayern und Hessen waren hier federfüh-

end. All das ist aufgrund der Neuwahlen der Diskonti-
uität anheim gefallen. Nach den Neuwahlen haben wir
s wieder aufgelegt. Im Mai dieses Jahres haben der
undesrat und die Bundesregierung entsprechende Ge-

etzentwürfe neu in die Beratungen eingebracht. Da die
orstellungen bezüglich der Einfügung eines Auffang-

atbestandes und von Qualifikationstatbeständen sowie
er Einführung von Deeskalationshaft ziemlich weit






(A) )



(B) )


Ute Granold
auseinander gingen, wurde eine Arbeitsgruppe, beste-
hend aus Mitgliedern von Bundestag und Bundesrat, ge-
bildet. In dieser Arbeitsgruppe sind wir zu guten Ergeb-
nissen gekommen – dafür bedanke ich mich nicht nur bei
der Bundesregierung, sondern auch bei den Kolleginnen
und Kollegen aus dem Bundesrat – und nun können wir
einen Gesetzentwurf vorlegen, der gut ist und den Op-
fern hilft. Dass es etwas länger gedauert hat, hat sich,
wie ich meine rentiert; denn dafür ist das Gesetz nun
umso besser.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bei der Auswahl der Sachverständigen zur Anhö-
rung, die wir durchgeführt haben, haben wir Wert darauf
gelegt, dass sowohl Vertreter von Opferverbänden, von
Beratungsstellen – die Vertreter der Interventionsstellen
aus Mainz und Bremen waren da –, Professoren, Prakti-
ker wie der Richter Nack vom BGH und auch Pressever-
treter


(Jörg van Essen [FDP]: Auf Veranlassung der FDP!)


zu Wort kamen. Ein Vertreter des Presseverbandes –


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Zwei!)


– zwei Vertreter des Presseverbandes waren da, um uns
zu informieren, ob das Gesetz auch wirklich praxistaug-
lich ist. Es wurde einhellig begrüßt, die vorgelegten Re-
gelungen ins Gesetzblatt aufzunehmen.

Wie sieht nun der Gesetzentwurf aus, der als Kom-
promiss vorgelegt wurde? Es gibt einen Grundtatbestand
mit einer Auflistung von einzelnen Stalkingfällen. Dazu
kommt der Auffangtatbestand, der sich auf die einzel-
nen, konkret ausgeführten Stalkingfälle bezieht und mit
den unter den Ziffern 1 bis 4 aufgelisteten Fällen ver-
gleichbare Fälle unter Strafe gestellt werden. Damit wol-
len wir vermeiden, dass eine Strafbarkeitslücke entsteht;
die Ministerin hat es ausgeführt. Die Technik schreitet ja
rapide voran und das Täterverhalten ist teilweise so un-
glaublich, dass man nicht alle Sachverhalte in diesem
Gesetz auflisten kann. Deshalb war die Einfügung eines
Auffangtatbestandes notwendig.


(Daniela Raab [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Etwas Ähnliches gibt es bezüglich des gefährlichen Ein-
griffs in den Straßenverkehr. Auch hier wird von ähnli-
chen, ebenso gefährlichen Fällen gesprochen, die unter
Strafe gestellt werden können. § 315 b Abs. 1 Ziffer 3
StGB enthält genau das Gleiche. Damit gibt es keine
Probleme. Ich weiß nicht, warum hier nun dem Be-
stimmtheitsgebot nicht Genüge getan werden sollte.


(Jörg van Essen [FDP]: Die sind doch viel schärfer kontrolliert! Das sagt Ihnen doch jeder!)


Für den Grundtatbestand haben wir einen Strafrah-
men von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geld-
strafe festgelegt. Für besonders schwere Fälle, wenn der
Unrechtsgehalt sehr groß ist, also für das Opfer die Ge-
fahr des Todes oder der schweren Gesundheitsverletzung
bestand, ist eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis
fünf Jahren vorgesehen. In dem Fall, dass das Opfer zu

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(C (D ode kommt, ist eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis ehn Jahren vorgesehen. Uns war es auch ganz wichtig, dass in die Qualifikaionstatbestände nicht nur das Opfer einbezogen wird, ondern auch die nahen Angehörigen des Opfers, weil ie in der Regel durch die Stalkingfälle mit betroffen ind. Deshalb ist es gut, dass wir auch diese im Tatbetand berücksichtigt haben. Der Grundtatbestand wurde darüber hinaus als ein elatives Antragsdelikt ausgestaltet. Das heißt, in den eichteren Stalkingfällen geht das Opfer zur Polizei oder taatsanwaltschaft und erstattet Anzeige, es sei denn, as öffentliche Interesse ist tangiert. Dann werden die rmittlungsorgane von sich aus tätig. Wir haben lange darüber diskutiert, ob die Deeskalaionshaft – das war für die Union ein wesentlicher Kernunkt dieser Reform – aufgenommen wird. Wir haben es etan, weil es nicht nur in der jüngsten Vergangenheit, ondern auch schon in früheren Zeiten zu Todesfällen ekommen ist, da nicht die Möglichkeit bestand, den Täer zu inhaftieren. Es musste zunächst eine Verletzung ines Rechtsgutes erfolgt sein – der Täter musste geprüelt haben, jemanden schwer verletzt haben oder es usste jemand zu Tode gekommen sein –, (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist das im Rechtsstaat!)


evor man überhaupt initiativ werden konnte. Deshalb
aben wir festgelegt, dass es dann, wenn eine konkrete
efahr für die Gesundheit oder für das Leben des Opfers
esteht, möglich ist, den Täter in Haft zu nehmen. Selbst
aufende Strafverfahren haben in der Vergangenheit Tä-
er nicht davon abgehalten, gegen ihr Opfer vorzugehen.
as ist ein unerträglicher Zustand, für den kein Opfer
erständnis hat. Dem konnte nur Abhilfe geschaffen
erden, indem eine Inhaftierung, wenn Wiederholungs-
der Rückfallgefahr besteht, möglich ist. Von daher er-
lärt sich die Erweiterung des § 112 a Abs. 1 Nr. 1 der
trafprozessordnung. Die Ausführungen der Experten
us der Anhörung haben uns bestätigt, dass wir das In-
trument der Deeskalationshaft brauchen. Das haben
uch die Strafverfolgungsbehörden, die in der Praxis mit
er Gesetzesmaterie befasst sind, so dargestellt. Die An-
rdnung der Deeskalationshaft muss natürlich verhält-
ismäßig sein; so prüft ein Richter im Einzelfall, ob die
aftgründe ausreichen oder ob es mildere Mittel gibt,
as Opfer zu schützen.

Noch einige Sätze zur Pressefreiheit. Die Ministerin
at hier völlig zu Recht ausgeführt, dass wir zwischen
er verfassungsrechtlich geschützten Pressefreiheit ei-
erseits und der Privatsphäre der Betroffenen anderer-
eits abwägen müssen. Solange sich die Presse innerhalb
er Gesetze bewegt, gibt es überhaupt keinen Grund,
ondertatbestände für sie zu schaffen. Der Gesetzent-
urf sorgt für einen ausgewogenen Ausgleich zwischen
en Privatinteressen einerseits und dem Informationsbe-
ürfnis der Öffentlichkeit andererseits.

Am Ende meiner Rede schließe ich mich voll und
anz den Ausführungen der Ministerin an: Wir werden
ls Bundesgesetzgeber ein Gesetz auf den Weg bringen,






(A) )



(B) )


Ute Granold
auf das die Opferschutzverbände, die Menschen, aber
auch die Ermittlungsorgane schon lange gewartet haben.
Nun ist es an den Ländern, mit dem Gesetz zu arbeiten,
wobei es in der Länderhoheit liegt, wie die Staatsanwalt-
schaften ausgestaltet sind und wie die Polizei arbeitet.
Das Bremer Modell wurde angesprochen. Hier gibt es
beim Landeskriminalamt Sonderdezernate, die sich mit
Stalking befassen. Die Mitarbeiter sind geschult. Aber
nicht nur die Polizeibeamten und die Staatsanwälte, son-
dern auch die Richter müssen Fortbildungen machen.
Nur dann, wenn diejenigen, die handeln müssen, infor-
miert sind, können sie das Gesetz in der Praxis gut an-
wenden.

Wir können am heutigen Tag sagen, dass wir ein Ge-
setz auf den Weg bringen, das für den Opferschutz gut
ist und auf das lange gewartet wurde. Ich würde mich
freuen, wenn wir in diesem Haus zu einer klaren Mei-
nungsbildung kämen und das Gesetz sehr schnell in
Kraft treten könnte. Wir werden sehen, dass es der rich-
tige Weg ist, da das Gesetz ausgewogen ist und alle Inte-
ressen berücksichtigt wurden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607011800

Das Wort hat jetzt der Kollege Jörn Wunderlich von

der Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607011900

Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle-

gen! Meine Damen und Herren! „Ein guter Tag für den
Opferschutz“, hieß es eingangs. Das ist richtig. Opfer
von Gewalt, seien es Männer, Frauen oder Kinder, brau-
chen Schutz. Ihn in solchen Fällen zu gewährleisten, ist
Aufgabe moderner Politik. Wir begrüßen ausdrücklich
den Versuch – ich wiederhole: den Versuch – der Bun-
desregierung, den Opfern des unter dem Begriff Stalking
bekannten Verhaltens wirksamer als bisher zu helfen.

Ich denke, wir sind über die Fraktionsgrenzen hinweg
einig, dass den Opfern Hilfe zuteil werden muss. Mei-
nungsverschiedenheiten gibt es allerdings hinsichtlich
des Weges zu einem besseren Opferschutz. In diesem
Punkt sind wir mit der FDP d’accord;


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist ja merkwürdig; heute Morgen auch schon!)


denn die Schaffung eines eigenen Straftatbestandes, wie
im vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, lehnen wir
ebenfalls ab.

Dafür sprechen folgende Punkte: Schwerpunkt einer
Gesetzesänderung ist für uns ein effektiver Opferschutz.


(Beifall bei der LINKEN – Jörg van Essen [FDP]: Ja! Genau das muss es sein!)


Das Gewaltschutzgesetz gewährleistet, wenn man unse-
rem Antrag folgt, der mit dem der FDP inhaltlich nahezu
gleichlautend ist – das muss man einmal feststellen –,

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(C (D (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich!)


inen wirksamen Opferschutz. Die Argumente gegen das
ewaltschutzgesetz sind, dass man einen Antrag bei Ge-

icht stellen müsse, dass man konfrontiert werde, dass es
in Hin und Her sei usw. Aber – da spreche ich aus eige-
er beruflicher Erfahrung – wie ist es denn beim straf-
echtlichen Ermittlungsverfahren, das ja auch auf einen
rfolg abzielt? Anzeige bei der Polizei, polizeiliche Er-
ittlungen, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen,


(Jörg van Essen [FDP]: Vernehmungen!)


öglicherweise Anklageerhebungen nach den Verneh-
ungen von Zeugen und Beschuldigten, der dann zum
ngeklagten wird, usw. Ich kenne aus eigener Erfahrung
älle, in denen das strafrechtliche Verfahren Monate län-
er dauert als eine gerichtliche Anordnung im Falle von
talking nach Gewaltschutzgesetz. Das habe ich selber
o erlassen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das bleibt doch jedem unbenommen! Das ist doch nicht aufgehoben! Das ist nur flankierend! Das ist ja wunderlich, Herr Wunderlich!)


Das Gesamtziel, durch die Strafbewehrung eine bes-
ere Verfolgbarkeit der Stalker zu erreichen und damit
etztlich den Opfern zu helfen, wird durch diesen Ge-
etzentwurf jedenfalls nicht erreicht. Denn nach Mei-
ung der Bundesregierung muss das Opfer schwerwie-
end und unzumutbar beeinträchtigt sein, damit die
chwelle zur Strafbarkeit überschritten wird. Dann ist es
ür einen wirksamen Opferschutz in aller Regel zu spät.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


a hilft auch die von den Grünen beantragte Änderung
n den RiStBV, den Richtlinien für das Strafverfahren
nd das Bußgeldverfahren, nichts; denn das meiste steht
ereits in diesen Richtlinien, gerade hinsichtlich des öf-
entlichen Interesses.

Während in Wissenschaft und Praxis der Versuch un-
ernommen wird, wirksamen Opferschutz auf Grundlage
er tatsächlichen Interessen der Betroffenen und einer
erlässlichen empirischen Forschung durchzusetzen, do-
iniert in der Politik immer wieder strafrechtlicher Ak-

ionismus. Gerade die Interessen der Opfer, die hier im
ordergrund stehen sollten, verbieten es, ein öffentlich-
eitswirksames Vorgehen einer wirklichen Problemlö-
ung vorzuziehen.

Der vorliegende Gesetzentwurf ist jedenfalls aus Op-
ersicht weitgehend nutzlos und aus rechtsstaatlicher
erspektive wohl verfassungswidrig. Herr van Essen hat
s schon gesagt: Es gibt in dem Gesetzentwurf eine Fülle
nbestimmter Rechtsbegriffe und einen Auffangtatbe-
tand. – Das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2
es Grundgesetzes dürfte allen hier anwesenden Juristen
in Begriff sein. Es stellt sich die Frage, wie zu erklären
st, dass die Bundesregierung zum Entwurf des Bundes-
ats zunächst wie folgt Stellung genommen hat:

Der Entwurf enthält neben einer Vielzahl wenig be-
stimmter Rechtsbegriffe einen Auffangtatbestand,






(A) )



(B) )


Jörn Wunderlich
der nach der Begründung der Tatsache Rechnung
tragen soll, dass sich der durch den „Stalker“ voll-
führte Terror einer abschließenden gesetzlichen Be-
stimmung entziehe. Der vorgelegte Entwurf begeg-
net durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf das
Bestimmtheitsgebot des Art. 103 des Grundgeset-
zes.


(Jörg van Essen [FDP]: Es hat sich nichts daran geändert!)


Jetzt wird ein ebenso unbestimmter Auffangtatbestand
vorgeschlagen. Das ist für mich nicht nachzuvollziehen.

Das Spektrum des Nachstellens – darin sind wir uns
einig – kann nicht komplett erfasst werden.


(Daniela Raab [CDU/CSU]: Richtig! – Jörg van Essen [FDP]: So ist es! Denen fällt immer etwas Neues ein!)


Das ist auch von der Ministerin ausgeführt worden. Mit
einem unbestimmten Straftatbestand können also nicht
sämtliche denkbaren Handlungen erfasst werden. Wie
weit wollen Sie da gehen?


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)


Der Vergleich mit § 315 c StGB hinkt. Da gibt es
ganz konkrete Tatbestandsmerkmale, die sehr scharf for-
muliert sind.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Haben wir doch hier auch!)


– Nein, das haben Sie hier nicht.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Warum?)


– Sie kennen Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Haben Sie schon einmal vom Begriff des Regelbeispiels gehört, Herr Wunderlich?)


– Schauen Sie einmal in den Gesetzentwurf.

Ich denke – in diesem Punkt sind wir, wie gesagt, mit
der FDP d’accord –, dass das Gewaltschutzgesetz gemäß
unserem Antrag ausgebaut werden sollte; denn mit Stra-
fen allein kann man das Ziel nicht erreichen. Sie können
auch so weitermachen, wie Sie es vorhaben. Für diesen
Fall will ich den Schriftsteller Martin Kessel zitieren:
„An der Härte der Strafen erkennt man die Schwächen
des Regimes.“


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607012000

Das Wort hat jetzt die Kollegin Irmingard Schewe-

Gerigk vom Bündnis 90/Die Grünen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Jetzt kommt Farbe in die Debatte!)


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(C (D Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE RÜNEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

elch schwer wiegende Folgen Stalking für die seeli-
che und körperliche Gesundheit der Opfer haben kann,
tellt heute niemand mehr infrage. Es ist auch bekannt,
ass beim Stalking über 80 Prozent der Opfer weiblich
ind und dass es sich bei den Tätern meistens um ehema-
igen Partner handelt. Wir hatten deshalb bereits im Ge-
altschutzgesetz einen zivilrechtlichen Schutz veran-
ert. Für die Opfer war das damals ein wichtiger Schritt.
n der Praxis hat sich aber gezeigt, dass dies gerade aus
pferschutzgründen – und das sehe ich anders als Sie,
err Kollege Wunderlich – nicht ausreicht. Das Zivil-

echt geht von prozessual gleichberechtigten Parteien
us, ein Gleichgewicht, das zwischen Stalker und Ge-
talkter nur selten zu finden ist. Die Opfer müssen – das
st gerade schon gesagt worden – selbstständig einen An-
rag stellen, Beweise erbringen und die Kostenlast tra-
en. Das überfordert sie meistens in ihrer sehr belasten-
en Situation.

Für uns Grüne ist der Opferschutz zentral. Deshalb ha-
en wir uns – anders als die Linksfraktion und die FDP –
ür einen Straftatbestand entschieden.


(Jörg van Essen [FDP]: Wir sind auch für einen Straftatbestand!)


llerdings ignoriert der hier vorliegende Vorschlag der
oalition ausgerechnet dieses Anliegen. Die Bundesre-
ierung hat nämlich den Grundtatbestand als Privatkla-
edelikt ausgestaltet. Damit sind die Opfer bei der
lage wieder auf sich selbst gestellt.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


rivatklagedelikte sind Delikte wie Beleidigung oder
achbeschädigung. Dass die Koalition das Stalking mit
iesen Delikten auf eine Stufe stellt, zeigt, dass Sie trotz
er Anhörung vieler Expertinnen und Experten die spe-
ifische Situation der Stalkingopfer nicht verstanden ha-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dem Entwurf fehlt auch eine Ausnahmeregelung für
ournalisten und Journalistinnen – in diesem Punkt bin
ch mit Ihnen einig, Herr Kollege van Essen –, damit
icht jede intensive Recherche sofort als Stalking diffa-
iert wird. Wie oft war es gerade in der Vergangenheit

ie Presse, die Missstände aufgedeckt hat. Darum haben
ir in unserem Änderungsantrag vorgeschlagen, dass für
ie Presse andere Regelungen gelten, wenn sie in der
ahrnehmung überragender öffentlicher Interessen han-

elt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Entscheidender ist aber: Nach wie vor bezweifeln wir,
ass Ihr Kompromissvorschlag in der jetzigen Form vor
em Bundesverfassungsgericht Bestand hätte, was die
eplante Ausweitung der Untersuchungshaft angeht.


(Joachim Stünker [SPD]: Was wollen Sie denn nun?)







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(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk
Denn die sehr hohen Anforderungen, die das Bundesver-
fassungsgericht an den Haftgrund der Wiederholungsge-
fahr gestellt hat, können von den weit gefassten Qualifi-
kationstatbeständen in Ihrem Entwurf unseres Erachtens
keineswegs erfüllt werden.


(Zuruf des Abg. Joachim Stünker [SPD])


– Herr Stünker, das ist Ihnen jetzt unangenehm; das tut
mir Leid. Ursprünglich hatte die Bundesregierung dies
im Entwurf des Bundesrates kritisiert. Hier hat die SPD
ihre Meinung offensichtlich um 180 Grad gedreht. Es tut
mir Leid, dass Ihnen das jetzt peinlich ist; aber so ist es.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und
der Union, was die Opfer viel besser schützt als eine so
genannte Deeskalationshaft, sind effektive Interven-
tionsmaßnahmen vor Ort und ein besseres Verständnis
der Behörden für diese Form von Gewalt. Ein Straftatbe-
stand ohne diese flankierenden Maßnahmen wird ins
Leere laufen. Ich bin mit Ihnen, Herr Kollege Wunder-
lich, einig: Allein einen Straftatbestand zu schaffen,
reicht nicht.

Ich erinnere an die Studie der Technischen Universität
Darmstadt, derzufolge fast 70 Prozent der befragten
Stalking-Opfer Schwierigkeiten hatten, der Polizei den
Ernst ihrer Situation zu vermitteln. Dass es vor den Ge-
richten ähnliche Probleme gibt, wissen wir von den Be-
ratungsstellen. Ganz wichtig ist daher die Schulung aller
Beteiligten, sowohl die der Justiz als auch die der Poli-
zei. Auch die Einrichtung von Sonderzuständigkeiten ist
nötig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Das haben wir alles schon gesagt!)


– Nein, das haben Sie nicht.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Doch! Das müssen Sie mal nachlesen!)


In unserem Entschließungsantrag haben wir zahlrei-
che notwendige Maßnahmen aufgelistet. Für besonders
wichtig halten wir Änderungen der Richtlinien für das
Straf- und Bußgeldverfahren. Festgeschrieben werden
soll unter anderem, dass gerade bei engen persönlichen
Beziehungen regelmäßig das besondere öffentliche Inte-
resse an der Strafverfolgung anzunehmen ist.

Als besonders erfolgreiche Maßnahme hat sich im
Bremer Modellprojekt die direkte Ansprache von Stal-
kern durch die Polizei in einem möglichst frühen Sta-
dium erwiesen. Das muss elementarer Bestandteil jedes
Vorgehens gegen Stalking werden.


(Jörg van Essen [FDP]: Das hatte Frau Kollegin Granold auch schon gesagt! – Daniela Raab [CDU/CSU]: Das ist nichts Neues! – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Waren Sie bei der Debatte eigentlich gar nicht hier?)


– Ich war hier.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Haben Sie es nicht gehört oder nicht verstanden?)



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(C (D Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Wenn Sie eine wischenfrage stellen wollen, dann sollten Sie dies auf rdentliche Weise tun und hier nicht so dazwischenruen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


Viele dieser Forderungen fallen nicht in die Zustän-
igkeit des Bundes. Aber der Aktionsplan „Häusliche
ewalt“ bietet uns die Möglichkeit, hieran anzuknüpfen
nd ein gemeinsames Konzept zu erstellen.

Ich finde, gerade diese Vorschläge in unserem Ent-
chließungsantrag zur Stärkung der Rechte der Opfer
önnten wir konsensual angehen. Da sind die FDP- und
ie Linksfraktion unserer Meinung; dazu gibt es ähnli-
he Vorschläge. Auch die Bundesregierung kann ihre
ugen vor diesen Notwendigkeiten nicht verschließen,
enn sie ein Gesetz schaffen will, das wirklich nützt.

Recht herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607012100

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt

ebe ich das Wort der Kollegin Christine Lambrecht von
er SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christine Lambrecht (SPD):
Rede ID: ID1607012200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als letzte

ednerin habe ich die nette Aufgabe, auf einige der vor-
ebrachten Scheinargumente einzugehen,


(Daniela Raab [CDU/CSU]: Genau, Scheinargumente!)


it denen versucht wird, den vorliegenden Gesetzent-
urf zu diffamieren, wofür ich – so muss ich sagen –
enig Verständnis habe.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Es wurde hier unglaublich gesetzestechnisch disku-
iert; dazu komme ich gleich. Wir sollten aber nicht au-
er Acht lassen, worum es hier geht. Wir haben vor vie-
en Jahren unter Rot-Grün ein Gewaltschutzgesetz
erabschiedet. Es war gut und richtig gemeint; es ist in
ie richtige Richtung gegangen. Aber wir mussten fest-
tellen, dass es in vielen Bereichen nicht ausreichend ist,
ass wir Ergänzungen bzw. Flankierungen brauchen.
as Gewaltschutzgesetz wird nicht außer Kraft gesetzt,


(Zurufe von der SPD und der CDU/CSU: So ist es!)


ondern bleibt für die einfachen Fälle bestehen und er-
ffnet die Möglichkeit, sowohl danach als auch nach
em nunmehr zu verabschiedenden Gesetz zur Ände-
ung des Strafgesetzbuches vorzugehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Sowohl-alsauch und nicht Entweder-oder!)







(A) )



(B) )


Christine Lambrecht
– Richtig. – Es bleibt jedem überlassen, auf welchen
Weg er sich machen möchte.

Frau Schewe-Gerigk, es ist nicht so, dass es ein reines
Antragsdelikt ist,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein relatives!)


wenn ich mich in Zukunft gegen solche Vorkommnisse
wehren möchte. Natürlich kann ich einen solchen Antrag
stellen. Aber da hilft ein Blick in den Gesetzentwurf, so
wie er auf dem Tisch liegt; denn in Abs. 6 des neu zu
schaffenden § 238 StGB steht:

In den Fällen des Absatzes 1 wird die Tat nur auf
Antrag verfolgt, es sei denn,


(Joachim Stünker [SPD]: So ist es! – Daniela Raab [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


dass die Strafverfolgungsbehörde wegen des beson-
deren öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung
ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

In genau diesen Fällen braucht man keinen Antrag zu
stellen. Dann wird die Strafverfolgungsbehörde tätig.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich möchte Ihnen einen Teil eines Briefes vorlesen,
damit wir einmal wissen, über welche Fälle wir reden.
Ich glaube, Sie, Herr van Essen, haben gesagt, dass Sti-
cheleien von dem neuen Gesetz nicht erfasst würden.
Selbstverständlich sollen Sticheleien nicht von diesem
Gesetz erfasst werden, sondern Tatbestände bzw. Sach-
verhalte wie der folgende. Ihn hat uns eine Mutter mit ei-
nem Schreiben vom Oktober dieses Jahres zur Kenntnis
gegeben. Ihre Tochter ist Opfer eines Stalking-Täters ge-
worden. Sie ist 44 Jahre. In dem Brief steht: Seit 2003 ist
das Leben der Familie total aus den Fugen geraten. Wei-
ter schreibt sie: Seit dem 15. Dezember 2004 lebe ich
nicht mehr, sondern funktioniere ich nur noch. – Die
Tochter wurde zwei Jahre gedemütigt, misshandelt, be-
lästigt, vergewaltigt, verfolgt, terrorisiert, mit Fäusten
geschlagen und am Ende umgebracht.

Es geht nicht um Sticheleien; es geht um genau solche
Vorfälle. Dafür reicht ein Gewaltschutzgesetz auch in
veränderter Form nicht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jörg van Essen [FDP]: Das ist doch überhaupt kein Gegensatz!)


Wenn wir zu dem Zeitpunkt, als diese Taten geschahen,
die hier kritisierte Deeskalationshaft, den Haftgrund
nach § 112 a StPO, gehabt hätten, dann hätte dieser Täter
schon in Haft genommen werden können, weil die Ge-
fahr bestand, dass er schwere Straftaten begehen wird.
Vielleicht hätte das Leben dieser jungen Frau gerettet
werden können. Mit Verlaub, dieses Vorgehen wäre ver-
hältnismäßig, wenn man die entsprechenden Rechtsgüter
gegeneinander abwägt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jörg van Essen [FDP]: Das zeigt, wie schlecht die Argumente sind, wenn man zu einer solchen Polemik greifen muss!)


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(C (D Es ist viel kritisiert worden, dass die Begriffe nicht estimmt genug seien und deswegen große Probleme auf ns zukämen. Herr van Essen hat hier den Reigen der edenkenträger und Kritiker eröffnet. Herr van Essen, nsonsten lassen Sie uns in solchen Diskussionen immer ern an Ihrem reichem Erfahrungsschatz aus Ihrer Zeit ls Oberstaatsanwalt teilhaben. Ich habe die Stellungahme eines Leitenden Oberstaatsanwaltes bekommen. (Klaus Uwe Benneter [SPD]: Da drüber gibt es nur noch die Generäle!)


ch will jetzt gar nicht auf die Hierarchie abheben oder
as in irgendeiner Form bewerten. Nur, dieser Mann hat
it einem solchen Gesetz überhaupt keine Probleme, im
egenteil. Er sagt ganz klar: Das ist so formuliert, dass
ie Gerichte sehr wohl in der Lage sein werden, es aus-
ulegen. Es ist hinreichend bestimmt und auslegungsfä-
ig. – Er fordert allerdings, genau wie Sie, ein Gefähr-
ungsdelikt.


(Jörg van Essen [FDP]: Ganz genau! Sehen Sie: Dass schon Sticheleien strafbar sein können, das wollten wir!)


ie haben Recht: Wir haben uns für etwas anderes ent-
chieden, nämlich für ein Erfolgsdelikt, mit dem wir
em Bestimmtheitsgebot in diesem Punkt Rechnung tra-
en können.

Herr van Essen, Sie müssen sich entscheiden: Soll es
inreichend bestimmt sein? Oder wollen Sie, dass das
ur ein Gefährdungsdelikt ist?


(Jörg van Essen [FDP]: Deswegen haben wir einen Änderungsvorschlag gemacht!)


eides geht nicht. Wasch mich, aber mach mich nicht
ass – das funktioniert im Strafrecht nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn man sich die Kritik an diesem Gesetz anschaut,
erkt man, dass diese Kritik überhaupt nichts Substan-

iiertes enthält. Es spricht nicht für Ihre Erfahrung und
hre Erkenntnisse als ehemaliger Oberstaatsanwalt,


(Jörg van Essen [FDP]: Es wird doch sogar die Bundesregierung und das Ministerium zitiert!)


enn Sie vortragen, dass ein Strafverfahren genauso auf-
endig sei wie ein Verfahren nach dem Gewaltschutzge-

etz. Das trifft natürlich besonders mit Blick auf den Be-
roffenen nicht zu. Er wird in einem Verfahren nach dem
ewaltschutzgesetz viel mehr in die eigene Verantwor-

ung genommen. Hinzu kommt, wie gesagt: Wir hätten
eine Möglichkeit, jemanden, bevor es zum Schlimms-
en kommt, aus dem Verkehr zu ziehen. Dieser neue
aftgrund eröffnet die Möglichkeit dazu.

Ich möchte nicht, dass es zu weiteren Fällen kommt,
ie sie in diesem Brief beschrieben wurden. Vielmehr
öchte ich den Menschen Brot und keine Steine geben;

ch möchte einen wirksamen Schutz vor solchen Über-
riffen. Deswegen bedarf es dieses Gesetzes.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607012300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes
zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen, Druck-
sache 16/575. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/3641, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über den
wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungs-
antrag auf Drucksache 16/3663? – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung von
Bündnis 90/Die Grünen und Enthaltung der FDP-Frak-
tion und der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Opposi-
tionsfraktionen angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit gleichem
Mehrheitsverhältnis angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-
ßungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag
der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/3662? – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsan-
trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und
des Bündnisses 90/Die Grünen bei Zustimmung der
FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-
tion Die Linke auf Drucksache 16/3665? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und des
Bündnisses 90/Die Grünen bei Zustimmung der Fraktion
Die Linke und Enthaltung der FDP-Fraktion abgelehnt.

Wer stimmt für den Entschließungsantrag der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck-
sache 16/3664? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Ko-
alitionsfraktionen bei Zustimmung des Bündnisses 90/
Die Grünen sowie Enthaltung der FDP-Fraktion und der
Fraktion Die Linke abgelehnt.

Abstimmung über den Entwurf eines Stalking-
Bekämpfungsgesetzes des Bundesrates auf Druck-
sache 16/1030. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/3641, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung ein-
stimmig abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Ge-
schäftsordnung die weitere Beratung.

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(C (D Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Thea Dückert, Margareta Wolf Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Partnerschaftliche Unternehmenskultur stärken – Mitarbeiterbeteiligung fördern – Drucksache 16/2653 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Finanzausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die raktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten rhalten soll. Gibt es Widerspruch dagegen? – Das ist icht der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rederin das Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert vom ündnis 90/Die Grünen. Ich darf die Kolleginnen und Kollegen, die der Deatte nicht folgen wollen, bitten, den Saal zu verlassen, odass die übrigen der Rednerin folgen können. – Bitte chön, Frau Dückert. Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen nd Kollegen! Wir sprechen heute über ein Thema, über as wir bereits gestern in der Aktuellen Stunde diskutiert aben. Wir haben Ihnen einen Antrag dazu vorgelegt, eil wir glauben, dass wir hier nach dem, was Sie ges ern dazu gesagt haben, vielleicht Einigkeit erzielen könen. In Großbritannien haben 30 Prozent der Betriebe mit ehr als 200 Beschäftigten Mitarbeiterbeteiligungsodelle. Bei uns sind es etwa 3 600 Betriebe. Es ist lso festzustellen, dass die Mitarbeiterbeteiligung in eutschland seit etwa 30 Jahren in einer Art Dornrös henschlaf gefangen ist. Ich denke, es ist an der Zeit, ass wir dieses Dornröschen wachküssen; enn die Mitarbeiterbeteiligung ist ein Baustein einer odernen, offenen Unternehmenskultur. Dazu gehören uch eine bessere Corporate Governance und Maßnahen zur Förderung von Frauen in Chefetagen, die wir oranbringen müssen. Das gehört alles zusammen. Arbeitnehmerbeteiligung ist „Mitbestimmung plus“. as sage ich vor allen Dingen den Kolleginnen und Kol egen von der Union und der FDP ganz deutlich. Ich abe nämlich immer wieder den Eindruck, dass Sie Areitnehmerbeteiligung als Alternative zur Mitbestimung diskutieren. Das ist ein falscher Ansatz. Es geht m beides: um mehr Mitbestimmung und Mitsprache, ber eben auch um Arbeitnehmerbeteiligung. Mitarbeiterbeteiligung birgt Chancen. Wir haben ürzlich ein Fachgespräch mit Betrieben geführt, die auf iesem Gebiet Pioniere sind. Dort konnte man uns eutlich belegen, was schon in der gestrigen Debatte Dr. Thea Dückert angedeutet wurde: Betriebe mit Mitarbeiterbeteiligung haben Produktivitätsvorteile. Dies zeigt auch folgendes Beispiel: Mit einer Maschine, die mit „Eigentum der Mitarbeiter“ gekennzeichnet ist, wird sehr viel sorgsamer umgegangen. Mitarbeiterbeteiligung kann zudem zu einer Stärkung der Eigenkapitaldecke führen, was gerade in kleinen und mittleren Unternehmen vorteilhaft ist. Auch in Betrieben, bei denen es um die Unternehmensnachfolge geht – im Schnitt pro Jahr 71 000 –, kann Mitarbeiterbeteiligung ein Projekt sein, diese Betriebe in die Zukunft zu führen. – Um all dies geht es und jeweils sind unterschiedliche Ansätze nötig. Ansätze von der Stange führen nicht weiter. Deshalb müssen wir darüber reden. Wir sollten auch – das ist mir wichtig – über die Risiken reden, die mit der Arbeitnehmerbeteiligung verbunden sind: Wenn ein Arbeitnehmer neben seiner Arbeitskraft auch noch Kapital einbringt, hat er für den Fall, dass sein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt, ein doppeltes Risiko zu tragen. Wir haben in unserem Antrag zu diesem Thema deshalb folgenden Vorschlag unterbreitet: Dort, wo Steuergelder gebunden sind, sollte eine Insolvenzsicherung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich vorgeschrieben sein. Für KMUs, kleine und mittlere Betriebe, muss die Lösung an dieser Stelle aber noch anders aussehen. Auf Landesebene, in Berlin und Thüringen, gibt es für Betriebe mit Mitarbeiterbeteiligung Programme mit Garantieübernahme von Bürgschaftsbanken. Das sind gute Stützen für kleine und mittlere Betriebe, in denen Mitarbeiterbeteiligung noch Neuland ist. (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607012400

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Arbeitnehmer brauchen gewisse Sicherheiten. Wenn
sie ihre Arbeitskraft plus ihr Kapital zum Einsatz brin-
gen, haben sie schon ein doppeltes Risiko zu tragen.
Wenn dann noch das hinzukommt, was Sie von der
Union, aber auch von der SPD in der aktuellen Debatte
vorschlagen – ich habe das heute beispielsweise von
Herrn Müntefering gelesen –, nämlich dass diese Mo-
delle zur Altersvorsorge genutzt werden könnten, dann
wird aus dem doppelten Risiko der Arbeitnehmer gar ein
dreifaches Risiko. Jemanden, der seinen Job in einem
Betrieb hat und auch sein Kapital dort bindet, sollte man
nicht auch noch dazu überreden, seine Altersvorsorge in
dem gleichen Betrieb zu platzieren. Man sollte ihn da-
rauf aufmerksam machen, dass es besser wäre, das Ri-
siko zu streuen, indem er einen Vertrag zur kapitalge-
deckten Altersvorsorge bei einer privaten Gesellschaft
abschließt. Ich finde Ihren Vorschlag sehr gefährlich. Sie
sollten ihn noch einmal überdenken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607012500

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607012600

Meine Redezeit ist überschritten. Deswegen komme

ich zum Schluss.

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(C (D Ich hoffe auf eine faire Beratung. Wir haben viele orschläge gemacht, die über das hinausgehen, was ich etzt in der Kürze der Zeit vortragen konnte. Zum chluss vielleicht noch Folgendes: Bevor wir über eine eitere Ausdehnung von Subventionen reden, sollten ir lieber noch einmal über die Halbierung des Sparer reibetrages sprechen, die Sie gerade beschlossen haben. uch das schadet nämlich der Vermögensbildung von rbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Danke schön. Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs, CDU/ SU-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und erren! Wir haben uns schon in der gestrigen Aktuellen tunde sehr intensiv über die Mitarbeiterbeteiligung un erhalten. Trotzdem halte ich es für gut, dass wir auch eute noch einmal über dieses Thema sprechen. Frau ollegin Dückert, Ihr Antrag geht im Prinzip in die rich ige Richtung. (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607012700

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1607012800

n einigen Stellen wird aber sicherlich noch darüber zu
iskutieren sein. Heute fangen wir damit an.

Dass Mitarbeiterbeteiligung notwendig ist, zeigt sich
chon daran, dass man sich in Deutschland seit mehr als
0 Jahren permanent mit diesem Thema beschäftigt,
ass aber noch keine zufrieden stellende Lösung auf den
eg gebracht worden ist. Untersuchungen zufolge
eine solche Studie hat das IAB durchgeführt – werden

ei nur 2 Prozent der Unternehmen in Deutschland For-
en der Mitarbeiterbeteiligung praktiziert. Im Hinblick

uf die Gewinnbeteiligung sieht die Situation besser aus:
und 9 Prozent der Unternehmen in Deutschland wen-
en solche Methoden an. Auch das ist mir allerdings viel
u wenig.

Ich persönlich bin Unternehmer und habe dieses In-
trument immer genutzt. Denn Mitarbeiter sind viel mo-
ivierter, wenn sie am Erfolg des Unternehmens, in dem
ie arbeiten, beteiligt werden. Das Problem ist natürlich,
ass diese Möglichkeit in den Tarifverträgen nicht vor-
esehen ist. Es wäre wünschenswert, wenn die Bereit-
chaft bestünde, daran etwas zu ändern. Darüber müssen
ir nachdenken.

Im internationalen Vergleich steht Deutschland ziem-
ich schlecht da. Denn im Ausland – in Großbritannien
nd Frankreich wie auch in den skandinavischen Län-
ern – ist die Mitarbeiterkapitalbeteiligung viel stärker
erbreitet als bei uns. In diesen Ländern wird sie aller-
ings in großem Umfang durch Steuern gefördert, Frau
ückert. Unter Umständen müssen auch wir diese Mög-

ichkeit ins Auge fassen. Es geht uns nicht darum, dass
ier und heute ein fix und fertiges Modell vorgelegt wer-






(A) )



(B) )


Dr. Michael Fuchs
den muss – auch Ihres ist das nicht –, sondern darum,
dass wir nach Wegen suchen, um die Anwendung dieses
Instruments auszubauen. Wir sollten endlich ohne Scheu
über die Mitarbeiterbeteiligung und über Wege hin zu
mehr unternehmerischem Miteinander diskutieren.

Es gefällt mir nicht, dass in diesem Zusammenhang
immer wieder dieselben notorischen Gegenmeinungen
vertreten werden. In den Zeitungen heißt es, dieses Vor-
haben sei ein „trojanisches Pferd“ und es handele sich
um einen „Sparlohn statt Barlohn“. Auf diese Weise
wird von den Gewerkschaften automatisch und reflexar-
tig reagiert. Das ist nicht der richtige Weg. Mir wäre es
lieber – wie ich sehe, lacht mich der Kollege Riester ge-
rade an –, wenn wir auf diesem Gebiet vorankommen
würden. Ich denke, dass wir nicht aufeinander eindre-
schen sollten, sondern dass es an der Zeit ist, dieses
Thema mit Gestaltungswillen anzugehen. Es hat mich
sehr gefreut, dass sich am Montag dieser Woche im An-
schluss an die Diskussion auf unserem Parteitag in Dres-
den auch der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz in
diese Richtung geäußert hat. An diesem Vorhaben soll-
ten wir nun gemeinsam arbeiten.

Meine Damen und Herren, die Mitarbeiterkapitalbe-
teiligung ist grundsätzlich der richtige Ansatz. Lassen
Sie uns daher über die damit verbundenen Chancen und
Ziele diskutieren: Die Arbeitnehmer am Kapital zu be-
teiligen führt in jedem Fall zu größerer Identifikation mit
dem Unternehmen; das ist völlig klar. Es führt sicherlich
auch zu einem besseren Betriebsklima. Es kann auch zur
Verbesserung der Eigenkapitalbasis – die Eigenkapital-
basis ist eines der großen Probleme, die wir in Deutsch-
land haben – führen. Möglich wäre es auch, die Mitar-
beiterbeteiligung am Ende des Berufslebens – in diesem
Punkt bin ich nicht ganz Ihrer Meinung, Frau Dückert;
ich schätze das Risiko nicht so groß ein wie Sie – in eine
Aufbesserung der Rente umzuwandeln. Wir wollen nicht
beides gleichzeitig, sondern nur eine Umwandlung nach
Ausscheiden aus dem Betrieb.

Aufgrund der gemeinsamen Interessenlage haben Ka-
pitalbeteiligungen stärkere Auswirkungen auf die part-
nerschaftliche Unternehmensführung. Deswegen befür-
worte ich eine Kultur der Beteiligung. Sie bietet die
Chance zu einer Art Mentalitätswandel. Was wäre in
Zeiten der Globalisierung, in denen sich die Welt überall
verändert, besser, als darüber nachzudenken, einen sol-
chen Weg zu gehen? Niemand wartet auf Deutschland.
Wir müssen uns selbst darum bemühen, diese Richtung
einzuschlagen.

An dieser Stelle sind auch die Tarifpartner gefordert.
Sie sollten überlegen, ob nicht doch ertragsabhängige
Komponenten in die Tarifpolitik eingeführt werden kön-
nen. Sollte aufseiten der Tarifpartner keine Bereitschaft
dazu vorhanden sein, könnte ich mir sogar vorstellen,
dass wir den Unternehmen und ihren Mitarbeitern für
diesen speziellen Fall die Möglichkeit eröffnen, vom Ta-
rifvertrag abzuweichen, um die Nutzung einer solchen
Komponente, wenn sie denn gewünscht ist – das muss
immer auf freiwilliger Basis geschehen –, zu ermögli-
chen.

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(C (D (Dr. Rainer Wend [SPD]: Das ist doch unproblematisch! Draufsatteln kann man nach dem Tarifrecht immer!)


Für mich ist wichtig, dass Arbeitnehmer und Arbeit-
eber Kapitalbeteiligungen grundsätzlich nur auf frei-
illiger Basis vereinbaren. Jeder gesetzliche und jeder

arifliche Zwang muss abgelehnt werden. Das Modell
uss einfach, unbürokratisch und schnell anwendbar

ein. Jedes Unternehmen soll frei das Angebot bereitstel-
en können, das am besten zu seiner Unternehmensstruk-
ur passt. Denn wir müssen uns darüber im Klaren sein,
ass eine GmbH oder gar eine OHG eine völlig andere
truktur hat als eine Aktiengesellschaft. Deswegen müs-
en wir unterschiedliche Modelle diskutieren und, damit
o etwas unbürokratisch möglich ist, unter Umständen
ntsprechende Veränderungen im Gesellschaftsrecht
ornehmen. An die bei Kapitalgesellschaften Beschäf-
igten können relativ einfach Aktien oder Optionen bzw.
ptionsscheine ausgegeben werden. Das mag einfach

unktionieren. Aber es geht doch gerade darum, wie
uch der Mittelstand solche Modelle auflegen kann. In
ittelständischen Unternehmen wird so etwas bis jetzt

icht gemacht.

Eine gesetzliche Pflicht zur Insolvenzsicherung ist in
einen Augen abzulehnen. Denn gesellschaftsrechtliche
eteiligungen, etwa in Aktien – die ja quasi Eigenkapital
arstellen –, sind von ihrem Charakter her risikobehaftet.
ieses Risiko kann man schlecht absichern. Und wenn
an es absichert, geht das zulasten der Rentabilität der
eteiligung. Dann kann es sehr schnell passieren, dass

ich diese Anlage für den Mitarbeiter nicht mehr lohnt.
as wollen wir nicht. Eine Aktie ist eo ipso nicht ab-

icherbar. Entscheidet sich ein Arbeitnehmer freiwillig
ür eine Absicherung, muss er auch die Kosten dafür tra-
en. Wie so etwas funktionieren könnte, darüber müsste
an nachdenken. Ob das über einen Pensionssiche-

ungsverein oder Ähnliches machbar wäre, wage ich al-
erdings zu bezweifeln.

Wir wollen die steuerliche Behandlung dieser Kapi-
albeteiligungen zielgerichteter aufstellen. Wir müssen
rüfen, ob der jetzige Freibetrag von 135 Euro ausreicht.
nter Umständen muss man ihn aufstocken. Man muss
abei aber immer daran denken, dass wir unsere Sozial-
ersicherungssysteme nicht beschädigen dürfen. Die So-
ialversicherungssysteme dürfen nicht weiter belastet
erden, weil das zu einer Erhöhung der Lohnzusatzkos-

en führen würde.

Ich bin unheimlich froh, dass ich am heutigen Tag re-
en darf. Denn dieser Tag ist für uns alle hier im Parla-
ent ein glücklicher Tag: Erstmals seit vier Jahren ist

ie Zahl der Arbeitslosen wieder unter 4 Millionen ge-
unken. Das macht mich sehr froh und es macht uns ge-
einsam auch stolz; denn damit hat man so nicht rech-

en können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir müssen in jedem Fall über eine nachgelagerte Be-
teuerung nachdenken: dass Steuern und Sozialbeiträge
ann gezahlt werden, wenn die Mitarbeiter das Kapital






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Dr. Michael Fuchs
in den Händen halten. Wir wollen die Umwandlung ei-
ner Mitarbeiterkapitalbeteiligung in eine betriebliche Al-
tersvorsorge ermöglichen, natürlich ebenfalls bei nach-
gelagerter Besteuerung.

Lassen Sie mich zum Schluss die Bundeskanzlerin zi-
tieren. Sie hat am Montag zu diesem Thema gesagt:

Wenn immer nur gesagt wird, was nicht geht, wird
Deutschland niemals weiterkommen. Auch wenn
man noch nicht so genau weiß, wie es denn geht,
sollte man dennoch darüber nachdenken, wie es zu
machen sei.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Lassen Sie uns in
diesem Parlament gemeinsam, über die Fraktionsgren-
zen hinweg, nach Wegen suchen! Wir sind dazu bereit
und wir freuen uns auf die Mitarbeit der Grünen und der
FDP.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607012900

Das Wort hat der Kollege Rainer Brüderle, FDP-Frak-

tion.


(Beifall bei der FDP)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1607013000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine

Mitarbeiterbeteiligung ist eine gute Sache – wenn sie
freiwillig ist: wenn Arbeitgeber ein solches Angebot ma-
chen können und wenn Arbeitnehmer die Wahl haben,
ob sie ein solches Angebot annehmen wollen oder nicht.
Zwang darf es nicht geben. Wir waren uns in der gestri-
gen Aktuellen Stunde alle einig: Einen staatlich verord-
neten Investivlohn kann es nicht geben. Ein Arbeitneh-
mer muss selbst entscheiden können, ob er in einem
Unternehmen, in mehreren oder in anderen Anlagefor-
men seine Chancen sieht. Das haben selbst die früher so
staatsgläubigen Grünen erkannt, wie ihr Antrag zeigt.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die sind lernfähig!)


Ansonsten bringt der Antrag leider wenig Neues. Er ist
vermutlich ein Beitrag zur wirtschaftspolitischen Fin-
dung und Positionierung Ihrer Partei. Seit neuestem wol-
len einige bei den Grünen ja, dass die Grünen eine Wirt-
schaftspartei werden und ihr Image von Müsli und
Chaos ablegen.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über wen sprechen Sie da? – Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich wusste nicht, dass Sie einen solch langen Bart haben!)


Hierbei haben Sie allerdings noch einen weiten Weg vor
sich; denn an den Steuerwettbewerb wollen Sie offen-
sichtlich nicht heran, bei der Kernenergie verabschieden
Sie sich nicht von Ihren alten ideologischen Positionen,
in der Handelspolitik sind Sie noch nicht beim Freihan-

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(C (D el angekommen und der Mindestlohn, den Sie fordern, st alles andere als ein marktwirtschaftliches Element. Bei den Grünen traut nicht nur die Parteivorsitzende, rau Roth, dem Markt nicht über den Weg – sie spricht ieber von Ökologie und sozialer Gerechtigkeit –, (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir trauen Ihnen nicht über den Weg!)


(Beifall bei der FDP)


elbst Herr Trittin glaubt, so seine Äußerung im „Han-
elsblatt“, dass es den grünen Wirtschaftspolitikern nicht
m den Markt, sondern um das Marketing geht.


(Beifall bei der FDP)


Meine Damen und Herren, an der Vermögensbildung
n Arbeitnehmerhand haben sich viele versucht. Herr
r. Fuchs hat es angesprochen: Durchschlagende Er-

olge hat es bisher nicht gegeben. Vielleicht ist es auch
anz vernünftig, weil manche Arbeitnehmer lieber einen
arlohn auf dem Konto als einen Sparlohn mit einer lan-
en Festlegungsfrist im Depot haben. Wir wollen, dass
ie Mitarbeiter zu Mitunternehmern werden. Das Mit-
igentum ist eine echte Form der Mitbestimmung. Wenn
ie Arbeitgeber und die Arbeitnehmer ausreichend über
ie Vor- und Nachteile von Beteiligungsmodellen infor-
iert worden sind und sich frei entscheiden können,

ann gibt es weder zu viel noch zu wenig Beteiligung,
ann gibt es genau so viel Beteiligung, wie sie die Be-
roffenen offenbar wünschen.

Wir können in der Tat nur für Beteiligungsmodelle
erben und darüber informieren. Wie andere Formen
er Alterssicherung können und sollten wir auch diese
orm der Vorsorge mit einer nachgelagerten Besteue-
ung versehen. Wir müssen allerdings auch vor den Ri-
iken warnen: Eine Anlage in Aktien ist und bleibt risi-
oreich; erst recht, wenn man sich mit dieser Anlage auf
ur ein Unternehmen konzentriert. Gerade für die Al-
ersvorsorge muss eine breitere Streuung vorhanden
ein, damit sie von Finanzexperten auch empfohlen wer-
en kann.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zitieren Sie jetzt die Grünen? Ist ja sehr originell!)


Es gibt Beispiele für eine gelungene Arbeitnehmerbe-
eiligung. Der „Stern“ stellt in seiner neuesten Ausgabe
inige gelungene Beispiele vor. Die letzte Forderung in
em Antrag des Bündnisses 90/Die Grünen, wonach
gelungene Beispiele von erfolgreichen Mitarbeiterbe-
eiligungsmodellen“ öffentlich gemacht werden sollen,
at der „Stern“ mit seiner heutigen Ausgabe quasi schon
rfüllt.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bekommen Sie für die Werbung?)


Eine staatliche Insolvenzsicherung darf es hierbei
eines Erachtens nicht geben. Wer das Risiko einer Un-

ernehmensbeteiligung eingeht, der muss es auch tragen.
s darf nicht möglich sein, Gewinne einzustreichen und
erluste quasi auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Wenn
nternehmen für die Beteiligung ihrer Arbeitnehmer pri-






(A) )



(B) )


Rainer Brüderle
vat eine Absicherung vornehmen – zum Beispiel bei ei-
nem Pensionssicherungsverein oder Ähnlichem –, dann
ist das ihre Sache. Der Staat hat hier meines Erachtens
aber nichts verloren.


(Beifall bei der FDP)


Die Grünen sollten klarstellen, dass es ihnen nicht um
eine staatlich finanzierte Garantie für Beteiligungsmo-
delle geht.

Ich begrüße es sehr, dass wir uns gestern und heute
erneut mit diesem Thema beschäftigt haben bzw. be-
schäftigen. Ich wiederhole aber auch: Dass die große
Koalition dieses Thema jetzt hochgezogen hat, liegt
letztlich darin begründet, dass sie von anderen Themen
ablenken will, nämlich von ihren Eingriffen in den Spa-
rerfreibetrag, von der Diskussion über den Mindestlohn
und von anderen Maßnahmen.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Von den guten Zahlen auf dem Arbeitsmarkt muss man nicht ablenken!)


Jetzt, da auf dem Arbeitsmarkt – gottlob! – eine er-
freuliche Entwicklung festzustellen ist, wäre es viel ver-
nünftiger, sie zu verstetigen und zu verstärken, indem
man auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer verzichtet,
sodass man einen nachhaltigen Trend daraus macht. Herr
Weise von der Bundesagentur für Arbeit hat auf seiner
heutigen Pressekonferenz ebenfalls gesagt: Im nächsten
Jahr wird sich der Trend nur sehr reduziert fortsetzen,
weil sich die Maßnahmen, die am 1. Januar 2007 grei-
fen, negativ auf die Entwicklung auswirken werden.

Deshalb sollte man bei dieser erfreulichen Debatte,
die aus durchsichtigen Motiven initiiert wurde, die Gele-
genheit nutzen, noch einmal zu appellieren, von seinen
starren Positionen abzukommen und etwas Vernünftiges
zu tun. Es ist nie verkehrt, dazuzulernen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP – Dr. Michael Fuchs [CDU/ CSU]: Für die FDP gilt das aber auch!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607013100

Das Wort hat die Kollegin Doris Barnett, SPD-Frak-

tion.


(Beifall bei der SPD)



Doris Barnett (SPD):
Rede ID: ID1607013200

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Lieber

Kollege Brüderle, Ablenken müssen wir von den Koali-
tionsfraktionen wirklich nicht; denn wir haben Erfolge
vorzuweisen. Dass wir uns jetzt mit der Mitarbeiterbetei-
ligung beschäftigen, hat direkt etwas mit dem Erfolg zu
tun; denn die Arbeitnehmer haben einen sehr großen An-
teil an diesem Erfolg und deswegen ist es nur gerecht,
wenn wir sie daran teilhaben lassen und deswegen für
eine stärkere Mitarbeiterbeteiligung eintreten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Heute beschäftigen wir uns mit dem Antrag der Grüen, in dem es ebenfalls um die Mitarbeiterbeteiligung eht. Sicherlich können wir uns über den einen oder aneren Vorschlag verständigen, aber mit einigen Fordeungen können wir uns nur wenig anfreunden. Deshalb st der Antrag für uns nicht zustimmungsfähig. Sie verlangen zum Beispiel Mitarbeiterbeteiligungsodelle, bei denen staatliche Förderungen wie die teuerfreie Beteiligung an Aktienvermögen in Höhe von 35 Euro pro Jahr in Anspruch genommen werden könen. Diese Beteiligungen sollen insolvenzgesichert weren oder mit der Garantieübernahme einer Bürgschaftsank ausgestattet werden. Gleichzeitig wollen Sie aber ine Beteiligungskultur fördern, die auf die Ausweitung teuerlicher Subventionstatbestände verzichtet. Seien ir einmal ehrlich: Sind Sie sicher, dass Regelungen wie ie Insolvenzsicherung oder Garantieübernahme letztich nicht doch auf staatliche Hilfeleistung hinausläuft, ie Sie an sich nicht wollen? (Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin sicher, dass Sie den Antrag nicht gelesen haben!)


Aktienoptionen wollen Sie nicht nur für die Großen,
ondern auch für die Kleinen. Aber wer von den Bezie-
ern kleiner Einkommen kennt sich denn mit Optionen
us? Helfen wir ihnen mit offen gelegten Aktienoptions-
länen wirklich oder zielt Ihr Vorschlag nicht eher in die
ichtung, über die Mitarbeiterbeteiligung Änderungen

m Aktienrecht vorzunehmen?


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben wirklich den Antrag nicht verstanden, Frau Barnett!)


Gleichzeitig fordern Sie, dass Unternehmen ihre Be-
egschaft als Ausdruck einer partnerschaftlichen Unter-
ehmenskultur über Erfolgsbeteiligungen am Gewinn
artizipieren lassen. Wäre es für dieses Ziel nicht besser,
or allem aber auch für den Arbeitnehmer leichter
urchschaubar und wahrscheinlich auch risikoärmer als
ktienoptionen, wenn das Unternehmen seinen Beschäf-

igten eine Gewinnbeteiligung anbietet, die in Beleg-
chaftsaktien angelegt werden könnte?

Neben den Managern gibt es zwar in der Tat auch gut
erdienende Facharbeiter, Meister und Ingenieure, die
ich wahrscheinlich für Aktienoptionen interessieren
nd das Risiko abschätzen können. Aber die große
ehrzahl der Menschen, die wir mit der Initiative zu
ehr Mitarbeiterbeteiligung erreichen wollen, gehört ei-

er anderen Einkommensklasse an. In ihrem Interesse ist
s wichtig, die Menschen nicht nur fair am Unterneh-
ensgewinn zu beteiligen, den sie schließlich selbst mit-

rarbeitet haben, sondern ihnen auch einfache Möglich-
eiten aufzuzeigen, Vermögen zu bilden.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb streichen Sie den Sparerfreibetrag! – Gegenruf des Abg. Dr. Rainer Wend [SPD]: Lassen Sie doch die unqualifizierten Zwischenrufe!)







(A) )



(B) )


Doris Barnett
Wer gerne spekuliert, dem steht schon heute der Weg of-
fen, Aktien oder sonstige Wertpapiere zu kaufen.

Im Übrigen haben wir uns noch nicht darüber verstän-
digt, um welche Summen es geht. Sind es jährlich Tau-
sende von Euros, die ein Arbeitnehmer anlegen kann,
oder geht es um eine ganz andere Größenordnung? Inso-
fern erscheint der Vorschlag der Aktienoptionen nur auf
den ersten Blick gut.

Wir sollten jedenfalls nicht den Eindruck erwecken,
der normale Arbeitnehmer könne sein Geld nicht auf die
Bank bringen, keine Lebensversicherung erwerben oder
keine Riesterrente abschließen. Ihm stehen längst alle
Anlageformen offen, jedoch fehlt es ihm in der Regel an
den notwendigen Überschüssen, mit denen er diese An-
lagen tätigen könnte.

Kommen wir also zurück zu dem ganz normalen Ar-
beitnehmer. Er hat es wahrlich verdient, an dem Auf-
schwung, den die Wirtschaft jetzt erlebt, beteiligt zu
werden. Aber wenn es um eine echte Gewinnbeteiligung
gehen soll – dafür plädieren wir Sozialdemokraten –,
dann kann diese nicht mit Lohnverzicht erkauft werden.
Denn auf Einkommen haben die Arbeitnehmer jetzt
schon längere Zeit verzichtet, weshalb die Schere zwi-
schen dem Zuwachs aus Arbeitseinkommen und Kapi-
taleinkommen mittlerweile drastisch auseinander geht.

Es kann also nicht sein, dass der jetzige Lohn bzw. die
anstehende Lohnerhöhung zum Teil in Investitionen in
den Betrieb umgewandelt wird, sodass der Beschäftigte
weniger in der Tasche hat und ihm nur im Herzen die
Hoffnung bleibt, dass sein Betrieb auf der Erfolgsspur
bleibt, wenn er gut und hart arbeitet, und er sein Geld,
das er in den Betrieb gesteckt hat, nach Jahr und Tag mit
Zins und Zinseszins wiederbekommt. Schließlich kann
niemand wollen, dass für den Arbeitnehmer das Arbeits-
platzrisiko noch mit einem Kapitalrisiko getoppt wird.

Aber bevor wir so weit sind, das Fell des Bären zu
verteilen, sollten wir wenigstens einen Bären haben.
Deshalb war die Aussage der Arbeitgeberseite gestern
und heute, dass sie einer Mitarbeiterbeteiligung grund-
sätzlich positiv gegenüberstehen, besonders wichtig.
Jetzt liegt es auch an den Tarifvertragsparteien, mitzuge-
stalten; denn es stehen ihnen bereits heute viele tarifver-
tragliche Möglichkeiten und Modelle der Mitarbeiterbe-
teiligung zur Verfügung, die nur reaktiviert und den
neuen Gegebenheiten angepasst werden bräuchten.

Inwieweit wir in der Politik zum Beispiel in Sachen
Altersvorsorge Rahmen stecken und Anreize setzen soll-
ten,


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607013300

Frau Kollegin, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?


Doris Barnett (SPD):
Rede ID: ID1607013400

– das ist mein letzter Satz –, werden wir in den Bera-

tungen sehen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Nächster Redner ist der Kollege Werner Dreibus, raktion Die Linke. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle en! Der Antrag der Grünen zeigt bei genauer Lektüre, ass auch sie wissen, was in vielerlei Managementhandüchern steht: Die Beteiligung der Arbeitnehmer dient en Unternehmen, erhöht die Motivation und fördert die roduktivität. So weit, so gut. Was mich entsetzt, ist, ass Sie in Ihrem Antrag an zwei Stellen einfach überehmen, was uns Angebotsökonomen seit Jahren gebetsühlenartig vortragen, nämlich dass Lohnverzicht Ar eitsplätze schaffen würde. Ich verweise ausdrücklich uf die Begründung zu Nr. 6 auf Seite 5 Ihres Antrags. u dem, was Sie dort zum Lohnverzicht im Zusammenang mit der Mitarbeiterbeteiligung ausführen, kann ich ur sagen: Ein solches Niveau habe ich nicht erwartet. Ihr Antrag zeigt aber auch, dass Sie vielleicht ein isschen mehr über die Literatur und ein bisschen wenier über die betriebliche Wirklichkeit Bescheid wissen nd die zentralen ökonomischen Fehlentwicklungen in en letzten Jahren erneut nicht zur Kenntnis nehmen. Ich öchte nur an zwei Punkte erinnern. Die Schere zwi chen Arbeitseinkommen und Unternehmensgewinnen ffnet sich rasant. Den Privathaushalten in Deutschland tehen heute – die Daten wurden erst diese Woche veröfentlicht – 2 Prozent weniger Realeinkommen zur Verfüung als Anfang der 90er-Jahre. Steuersenkungen für nternehmen und Vermögende sowie massive Sozialürzungen haben Löhne und Gehälter unter Druck geetzt. Deshalb werden heute bereits breite Bevölkerungschichten von der steigenden Wirtschaftsleistung bzw. roduktivität ausgeschlossen. Für diese Entwicklungen, ie auch Ergebnisse falscher Politik sind, sind Sie von en Grünen zumindest mitverantwortlich. n dieser Situation meinen Sie von den Grünen nun – zuindest zeigt das Ihr Antrag –, die Dosis der falschen olitik erhöhen zu müssen. Nach Ihrem Verständnis sind nvestivlöhne ein Mittel des Verzichts auf Lohn zugunsen von Kapitalbeteiligungen. Das lehnen wir mit allem achdruck ab. Auch wenn wir das Vorhaben der Koalition – das urde schon gestern deutlich – für ein Manöver zur Ab enkung von der wachsenden Verarmung in Deutschland alten, erkennen wir immerhin an, dass zumindest die rage nach der gerechten Verteilung des Reichtums und em Zuwachs des Reichtums in dieser Gesellschaft nicht ur von uns, sondern auch von anderen gestellt wird, alerdings aus meiner Sicht – bezogen auf das Thema Inestivlohn – zum völlig falschen Zeitpunkt, in einem völig falschen ökonomischen und sozialen Umfeld sowie it falschen Mitteln. Man könnte vielleicht sagen: Zuück in die 70er-Jahre! Damals hatte die Debatte über ermögensbildung und Investivlohn ihren Höhepunkt. Werner Dreibus Es gab sehr konkrete Modelle, bis hin zu Gesetzentwürfen beispielsweise von der SPD-Fraktion, aber in einem völlig anderen sozialen und ökonomischen Umfeld. Ich erinnere nur daran, dass es damals Tariflohnerhöhungen um mehr als 10 Prozent pro Jahr gab. Staatssekretär Thönnes hat meines Wissens in seiner damaligen Funktion als Sekretär der IG Chemie-Papier-Keramik kräftig dazu beigetragen und zunehmend höhere Forderungen gestellt. Lang, lang ist’s her. Wenn ich mir aber – im Zusammenhang mit dem, worüber gestern diskutiert wurde – die aktuellen Begründungen der Koalitionsfraktionen wie der Grünen vor Augen führe, die sich auf das Thema Investivlohn beziehen, muss ich sagen: Sie schätzen die Situation falsch ein. Sie sind mit falschen Mitteln auf dem völlig falschen Weg. Aus unserer Sicht stehen die Steigerung der Realeinkommen, gerechtere Verteilung des Produktivitätszuwachses und des Bruttosozialproduktes und mehr Mitbestimmung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der Tagesordnung. Wenn wir das geschafft haben, können wir auch über mehr Vermögensbeteiligung und Investivlohn reden. Vielen Dank. Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Katja Mast, SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir gestern nicht schon die Aktuelle Stunde „Stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg und Kapital von Unternehmen“ gehabt hätten, wäre diese Debatte jetzt sinnvoll. Gestern wurde jedoch deutlich, dass wir alle – damit meine ich wirklich alle Parteien – (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die Linke aber nicht!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607013500

(Beifall bei der LINKEN)

Werner Dreibus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607013600

(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der LINKEN)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607013700

(Beifall bei der SPD)

Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1607013800

auf der Suche nach dem richtigen Modell für mehr Mit-
arbeiterbeteiligung sind. Der nun zu diskutierende An-
trag der Grünen bringt uns hier auch nicht weiter. Für
uns Sozialdemokraten ist klar: Wir können uns mehr
Mitarbeiterbeteiligung gut vorstellen; denn wir wissen,
dass es Bewegung gibt. Wir haben schon heute Mitarbei-
terbeteiligung, die von Gewerkschaften, Betriebsräten
und Arbeitgebern gemeinsam ausgehandelt wurde.

Weil gute Beispiele wichtig sind, will ich hier auf
eines eingehen. Die Deutsche Bahn AG hat einen vor-
bildlichen Tarifvertrag zur Erfolgsbeteiligung der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemeinsam mit der
Gewerkschaft Transnet ausgehandelt. Abhängig vom
Unternehmensgewinn erhalten die Mitarbeiter seit 2005
eine Mitarbeiterbeteiligung, die von 100 auf bis zu

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(C (D 00 Euro anwächst. Wählt der Mitarbeiter die Option, ieses zum Tariflohn hinzukommende Geld in die Alersvorsorge umzuwandeln, wird dies vom Arbeitgeber usätzlich gefördert. Der Anreiz zur zusätzlichen berieblichen Altersvorsorge ist also hoch. Was können wir aus diesem Beispiel lernen? Einige spekte sind mir wichtig. Erstens. Die Mitarbeiter sind m Erfolg des Unternehmens beteiligt. Erreicht das Unernehmen seine Ziele, haben die Mitarbeiter etwas daon. Erreicht es seine Ziele nicht, bleibt der Tariflohn. ie Mitarbeiter sind hoch motiviert, den Unternehmens rfolg zu steigern. Schreibt das Unternehmen aber rote ahlen, gibt es keinen Tariflohnverlust. Zweitens. Die Mitarbeiterbeteiligung kann in Altersorsorge umgewandelt werden. Das ist das richtige Sinal. Wir wissen alle, dass neben der gesetzlichen Renenversicherung die betriebliche Altersvorsorge eine entrale Rolle spielt. Drittens. Untere Lohngruppen profitieren von dieser egelung, weil ein fester Betrag ausgezahlt wird, unabängig von der Einkommenshöhe. Viertens. Sogar beim Arbeitgeberwechsel verliert der rbeitnehmer seine Betriebsrentenansprüche nicht. Fünftens. Diese Form der Mitarbeiterbeteiligung tützt sich voll und ganz auf die Mitbestimmung. Ja, itarbeiterbeteiligung muss auch Mitbestimmung be euten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sechstens. Die Mitarbeiter können wählen, wofür sie
hr zusätzliches Geld verwenden, für die Altersvorsorge
der für den Konsum. Das scheint mir deshalb wichtig,
eil es aktuell einige Debatten darüber gibt, dass Mit-

rbeiter verpflichtet werden sollen, sich am Kapital ihres
nternehmens zu beteiligen.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Aber nicht bei uns!)


ch plädiere für eine grundsätzliche Wahlfreiheit des
itarbeiters.

Was lernen wir noch aus diesem Beispiel? Große Un-
ernehmen mit einer hohen Mitarbeiterbindung bieten
chon heute Belegschaftsaktien, Mitarbeiterbeteiligun-
en und Genossenschaftsanteile an. Aber seien wir doch
hrlich: Von einer Gewinn- oder Kapitalbeteiligung pro-
itieren diejenigen Arbeitnehmer, die einen gut bezahlten
ob haben und in einem finanzstarken Unternehmen ar-
eiten. Bei dieser ganzen Debatte dürfen wir eines nicht
ergessen: Wie können wir Löhne im unteren Einkom-
ensbereich armutsfest machen? Hier ist der Mindest-

ohn die Antwort.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607013900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/2653 an die in der Tagesordnung






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNIS-
SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Stasi-
Unterlagen-Gesetzes

– Drucksache 16/2969 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Kultur und Medien (22. Ausschuss)


– Drucksache 16/3638 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Maria Michalk
Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Christoph Waitz
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katrin Göring-Eckardt

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke vor.

Außerdem ist interfraktionell vereinbart, die heutige
Tagesordnung um die erste Beratung des vom Bundesrat
eingebrachten Gesetzentwurfs auf Drucksache 16/3653
zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes und zur
Änderung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften zu er-
weitern und als Zusatzpunkt 5 mit diesem Tagesord-
nungspunkt zu beraten. – Ich sehe, dass Sie damit ein-
verstanden sind. Dann ist das so beschlossen.

Dann rufe ich auch Zusatzpunkt 5 auf:

Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Stasi-Unterlagen-Gesetzes und zur Änderung
rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften

– Drucksache 16/3653 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Arnold Vaatz, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1607014000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Heute auf den Tag genau vor 30 Jahren gab es in
der Dreikönigskirche in Dresden eine Schriftstellerle-
sung. Diese Lesung hatten einige studentische Freunde
und ich zusammen organisiert. Der Lesende war Reiner
Kunze. Das Buch, aus dem er las, hieß „Die wunderba-
ren Jahre“. Diese Lesung sollte sich als die letzte öffent-

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(C (D iche Lesung von Reiner Kunze in Ostdeutschland ereisen. Ich will nicht erklären, welche Beschattungen, Nachorschungen, Vorladungen zur Staatssicherheit usw. daach für uns alle losgingen. Ich will über das Schicksal ines an dieser Lesung unbeteiligten jungen Mannes beichten: Es ist mein Freund Albrecht Heß. Er war einer er mit Abstand besten Mathematikstudenten in Dresen. Für alle war klar, dass er einmal einen Lehrstuhl bernehmen würde, eine Forschungsgruppe leiten ürde, in einer Akademie tätig sein würde oder etwas hnliches tun würde. Dieser junge Mann wurde kurze Zeit später bei der taatssicherheit vorgeladen. Er kam danach zu uns, zu en Organisatoren dieser Veranstaltung, und erklärte, an habe versucht, ihn zu werben; er habe die Anwer ung abgelehnt. Von diesem Zeitpunkt an war es mit der eruflichen Entwicklung von Albrecht Heß zu Ende. Er at es nur noch mit größter Mühe und kraft seiner überagenden Begabung geschafft, an einer anderen Univerität zu promovieren. Er kam beruflich nie richtig auf die eine. Nach 1990 fehlte ihm die Kraft, sich gegen die tarke Konkurrenz durchzusetzen. Heute ist er Matheatiklehrer an der Deutschen Schule Madrid. Sein Ge alt ist relativ gering. Er wird nicht wiederkommen. Wenn wir über diese Dinge reden, dann müssen wir atürlich von Anfang an sagen: Wir haben schon 1990 mmer wieder betont, wir wollen mit der Staatssicherheit icht so umgehen, wie sie mit uns umgegangen wäre. as ist richtig. Dieser Meinung wird auch Albrecht Heß ein. Aber ob das gleich bedeuten muss, dass man jeandem, der ein solches Schicksal hatte, als Richter der als Staatsanwalt einen ehemaligen Mitarbeiter des inisteriums für Staatssicherheit präsentiert, das glaube ch auch 16 Jahre später noch nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])


Im Übrigen vertreten wir die Auffassung – das drückt
ich auch in der heute zu verabschiedenden Novelle aus –,
ass die Überprüfung eines großen Teils der
eschäftigten im öffentlichen Dienst zu beenden ist.
as darf aber eben nicht für alle gelten. Was ist eigent-

ich die zugrunde liegende Frage? Wir haben aus der
itarbeit beim Ministerium für Staatssicherheit niemals

ine strafrechtliche Kategorie gemacht. Es ging immer
m die Frage der Eignung für ein bestimmtes öffentli-
hes Amt. Diese Frage war maßgebend. Es ging dabei
uch niemals darum, jemanden an den Pranger zu stel-
en. Die Sache ist ganz einfach: In dem Moment, in dem
ich jemand für ein öffentliches Amt für geeignet erklärt,
uss er erdulden, dass seine Biografie öffentlich disku-

iert wird. Das ist selbstverständlich. Tatsachen muss
an öffentlich erwähnen dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD] und des Abg. Christoph Waitz [FDP])


s geht um die Frage: Welches Vertrauen könnte ein öf-
entlicher Dienst für sich beanspruchen, der auch für
eine Spitzenpositionen die Türen für ehemalige Mit-






(A) )



(B) )


Arnold Vaatz
arbeiter des Staatssicherheitsdienstes öffnen würde? Das
ist eine Frage, die uns alle angeht. Da sollten wir sehr
sorgfältig entscheiden.

1991 dachte man nicht daran, dass 30 bis 40 Prozent
der Akten heute nicht erschlossen sein würden. Ange-
sichts dieser Tatsache aber halten wir es für nötig, für
weitere fünf Jahre für einen eingeschränkten Personen-
kreis die so genannte Regelüberprüfung zu gestatten. Ich
halte das für einen wichtigen Durchbruch, der uns damit
gelungen ist.

Wir haben in der Gesetzesnovelle außerdem die Ab-
hängigkeit von einem Anfangsverdacht gestrichen, und
zwar aus einem ganz einfachen Grund: Man kann das
Ergebnis einer Überprüfung nicht zur Bedingung der
Überprüfung machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir sind außerdem der Meinung gewesen, dass man
das so genannte Vorhalteverbot nicht braucht. Dass
man jemandem seine Mitarbeit beim Ministerium für
Staatssicherheit im Rechtsverkehr nicht mehr vorhalten
darf, bedarf keiner Regelung, und zwar aus folgendem
Grund: Auch bei Verjährungstatbeständen – mir ist dabei
völlig klar, dass der Verjährungstatbestand eine straf-
rechtliche Kategorie ist, die in diesem Zusammenhang
eigentlich nicht erwähnt werden muss – ist der Umgang
mit der verjährten Tat nach der Verjährung gesetzlich
nicht geregelt.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Das stimmt!)


Demzufolge ist es auch hier nicht notwendig.

Mit diesem Gesetz geben wir ein deutliches Signal:
Wir werden die Opfer der DDR nicht vergessen und es
ist auch kein Schlussstrich unter die Aufarbeitung der
DDR-Vergangenheit gezogen, wobei wir deutlich sagen
müssen: Die Regelanfrage und die Aufarbeitung der
DDR-Vergangenheit sind zwei völlig verschiedene
Dinge. Die Aufarbeitung ist wesentlich mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Was aber wäre unsere Aufarbeitung, wenn wir über diese
wichtigen Fragen jetzt den Teppich des Vergessens legen
würden? Das kann nicht sein.

Es ist uns hiermit ein überparteilicher Kompromiss
gelungen. Auch der Bundesrat wird diesem Gesetz zu-
stimmen. Ich bedanke mich bei allen, die daran mitge-
wirkt haben.

Zum Schluss sage ich: Dieses Gesetz ist auch eine
gute Antwort auf die Dreistigkeit jener, die sich heute ih-
rer Stasitätigkeit rühmen


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


und ihre einstigen Opfer verhöhnen, verletzen und de-
mütigen.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie der Abg. Grietje Bettin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607014100

Das Wort hat der Kollege Christoph Waitz, FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Christoph Waitz (FDP):
Rede ID: ID1607014200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Frau Birthler hat es gestern im Kulturaus-
chuss gesagt: Noch immer beantragen jedes Jahr Zehn-
ausende Bürger Einsicht in ihre Stasiakten. Das Inte-
esse an den Taten der Stasi und deren Bedeutung für die
igene Geschichte ist ungebrochen.

Vor diesem Hintergrund ist die Novelle zum Stasi-
nterlagen-Gesetz zu betrachten. Die Akten geben Aus-
unft über die eigene Biografie, über den Umfang der
espitzelung und den Einfluss der Stasi auf den eigenen
erdegang. Wer sich kritisch zum System äußerte, den
ehrdienst verweigern wollte oder ausreisewillig war,

and sich schnell in einem Gefängnis der Staatssicherheit
ieder – ohne zu wissen, wo er war, und ohne Rechts-
eistand. Regelmäßig wussten die Angehörigen nichts
ber den Verbleib der Opfer der Stasi. In den Gefängnis-
en herrschten zielgerichtete Verunsicherung und Ent-
ürdigung bis hin zur Folter durch Schlafentzug. Der
ufenthalt in Stasigefängnissen ließ die Opfer oft trau-
atisiert zurück. Dies sind Folgen, die die Opfer bis zum

eutigen Tag belasten und die in vielen Fällen nicht ver-
rbeitet werden konnten.

Heute erleben wir, gerade auch hier in Berlin am Bei-
piel des Gefängnisses Hohenschönhausen, wie sich
hemalige Stasimitarbeiter organisieren und versuchen,
ffentlichen Druck auszuüben, das Stasiunrecht zu be-
chönigen und bagatellisieren.

Die Opfer haben den ersten Entwurf von Koalition
nd Bündnis 90/Die Grünen zu Recht als problemati-
ches Signal wahrgenommen, was die weitere Aufarbei-
ung der DDR-Geschichte und des erlittenen Unrechts
ngeht,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


enn durch die dort vorgesehene Regelung wäre eine
berprüfung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes
öllig unpraktikabel geworden. Durch diese Regelung
äre es grundsätzlich nicht mehr möglich gewesen, Sta-

imitarbeitern ihre Tätigkeit für das MfS im Rechtsver-
ehr vorzuhalten. Im Ergebnis hätte dies bewirkt, dass
hemalige Stasimitarbeiter presserechtlich gegen Veröf-
entlichungen ihrer Namen hätten vorgehen können.
iese Überprüfung im öffentlichen Dienst wäre ohne Er-
ebnis geblieben, weil ein tatsächlicher Anhaltspunkt für
ine Stasitätigkeit nicht belegbar gewesen wäre.

Keine Frage: Die Diskussion um die Aufarbeitung der
DR-Geschichte und des Ministeriums für Staatssicher-
eit ist auf allen Seiten durch Emotionalität geprägt. Wer
etzt über Resozialisierung der Täter, Verhältnismäßig-






(A) )



(B) )


Christoph Waitz
keit und neue Chancen spricht, sollte Folgendes beach-
ten: Die ehemaligen Mitarbeiter des Ministeriums für
Staatssicherheit begreifen sich auch 17 Jahre nach der
Wiedervereinigung überwiegend nicht als Täter. Viele
glauben, dass sie sich gesetzeskonform verhalten und
weder eine straftrechtliche noch eine moralische Schuld
auf sich geladen haben.

Aus den Stasiausschüssen der Kommunen wissen wir,
dass sich kaum ein enttarnter IM für seine Tätigkeit bei
den Opfern entschuldigt. Ich denke, es wäre ein ermuti-
gendes und notwendiges Signal, wenn ehemalige Stasi-
mitarbeiter den ersten Schritt auf die Opfer zugehen und
sich öffentlich für das Unrecht entschuldigen würden,
das sie verursacht und zu verantworten haben.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, über eines sind wir Libera-
len froh: Mit dem Stasi-Unterlagen-Gesetz in dieser
Form können wir die Aufarbeitung dieser Epoche deut-
scher Geschichte weiter fördern. Die erweiterten For-
schungsmöglichkeiten für Historiker und Journalisten
führen zur Aufklärung weiterer Zusammenhänge der
deutschen Nachkriegsgeschichte in Ost und in West.

Mit dem nun ausgehandelten Kompromiss haben wir
weiterhin die Möglichkeit, dass herausgehobene Persön-
lichkeiten des öffentlichen Dienstes, Beamte mit Füh-
rungsverantwortung, Richter, Lehrer, Bürgermeister,
Stadt- und Gemeinderäte, aber auch die Mitarbeiter in
den Ämtern für Rehabilitation auf ihre Stasiverstrickung
verdachtsunabhängig überprüft werden können.

Wir glauben, dass wir damit Schaden von dem Anse-
hen öffentlicher Ämter fernhalten und gerade auch die
Interessen der Opfer des DDR-Unrechtsregimes berück-
sichtigt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Die FDP-Fraktion wird daher dem Gesetzentwurf in
der Ihnen heute vorliegenden Fassung zustimmen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607014300

Das Wort hat der Kollege Dr. Wolfgang Thierse,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1607014400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, wir

verhandeln heute ein Thema, das noch immer mit großen
Emotionen verbunden ist und das beträchtliche, auch
symbolische Bedeutung hat. Die Betroffenen reagieren
heftig. Sie wehren sich gegen Beschönigung; sie unter-
stellen bei allen Versuchen, die wir unternommen haben,
dass es sich um einen Schlussstrich handeln könnte. Die
DDR-Vergangenheit ist im Guten wie im Bösen noch
lange nicht erledigt.

Warum brauchen wir eine Novellierung? Nach dem
geltenden Stasi-Unterlagen-Gesetz läuft mit Ende dieses
Jahres die Möglichkeit zur Überprüfung von Personen

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(C (D m öffentlichen Dienst, in öffentlichen Ämtern aus. Desalb hatte der Gesetzgeber sich zu fragen, ob er das will der ob er eine rechtsstaatlich angemessene Nachfolgeegelung will oder nicht. Es ging und geht um die Zuunft der Aufarbeitung der DDR-Geschichte und des ED-Unrechts, sofern dies den Zugang zur Stasihinter assenschaft betrifft. Was wollte nun der Gesetzgeber 1991? Was war unere Intention damals? Ich erinnere mich sehr genau daan, weil ich damals an den Debatten schon teilgenomen habe. Es ging erstens darum, dem Unrechtsregime er Stasi, der SED beizukommen, Aufklärung zu erreihen. Zweitens ging es darum, Personen, die Macht und ertrauen missbraucht haben, nicht wieder in öffentliche mter zu lassen, damit sie nicht wieder Ämter, Macht nd Vertrauen missbrauchen könnten. Es ging um Eigung genau in diesem sehr präzisen Sinn. Um dieser doppelten Aufgabe gerecht zu werden, haen wir damals entschieden, dass die Opfer Einsicht in ie Akten haben sollten, und zwar nicht ohne Konseuenzen, sondern gegebenenfalls mit personellen Konequenzen. Auch ging es um die Einschränkung von ersönlichkeitsrechten. Um diesem Unrechtsregime beiukommen, musste man in gewisser Weise eine rechtstaatliche Ausnahmesituation schaffen. Dessen waren ir uns bewusst. Weil wir uns dessen bewusst waren, haen wir gesagt: Wir müssen diese Regelung befristen. ie meisten haben damals sogar gemeint, 15 Jahre seien igentlich eine zu lange Zeit, und waren der Hoffnung, s könne schneller gehen. Die Intention des Gesetzgebers, die ich beschrieben abe, ist, wie ich denke, zu einem guten Teil erfüllt. Die ahlen und Statistiken der Stasiunterlagenbehörde sprehen eine deutliche Sprache: Etwa 6 Millionen Anträge uf Akteneinsicht wurden gestellt, es gab über 3 Millioen Ersuchen von Behörden, circa 1,7 Millionen Mitrbeiter des öffentlichen Dienstes wurden überprüft. Das eißt, im Grunde wurden alle ostdeutschen Mitarbeiter es öffentlichen Dienstes mindestens einmal überprüft. ie Zahl der Anträge von Behörden auf Akteneinsicht st im letzten Jahr rapide gesunken. Diese Aufgabe ist lso im Wesentlichen erledigt. Der Verdacht qua ostdeutcher Herkunft ist endgültig überflüssig geworden. Eine ortsetzung der allgemeinen Anfragepraxis hätte diskriinierende Züge. Wenn heute jemand im öffentlichen Dienst eingestellt ird – das möchte ich betonen –, dann kann man wissen, as diese Person in den letzten 17 Jahren im gemeinsaen Deutschland, in einem Rechtsstaat und in einer Deokratie, getan hat. Das muss mindestens so viel zählen ie die Zeit davor, wenn nicht sogar mehr. Das ist jeden alls meine Überzeugung. Wenn die Person 25, 30 oder 5 Jahre alt ist, dann darf ihr das damalige jugendliche ehlverhalten ohnehin nicht mehr vorgeworfen werden, elbst nach dem geltenden Gesetz nicht. Ganz grundsätzlich möchte ich sagen: Wir sollten an er rechtsstaatlichen Grundüberzeugung, die übriens auch eine christliche Grundüberzeugung ist, einem enschen sein Fehlverhalten nicht ein Leben lang vor uwerfen, festhalten. Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)





(A) )


(B) )


Aus dieser Grundüberzeugung heraus haben wir den von
Thüringen im Bundesrat eingebrachten Antrag, die so
genannte Regelüberprüfung unbefristet zu verlängern,
abgelehnt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb war ich der Meinung, dass das Zulassen einer
Überprüfungsanfrage aus Anlass eines Verdachts eine
durchaus vernünftige und angemessene Regelung ist. In
den meisten Fällen, die uns in den letzten Jahren aufge-
regt haben, ist genau dies der Fall gewesen: Indem Opfer
oder Wissenschaftler oder Journalisten Einsicht in die
Akten genommen haben, ist ein Verdacht begründet
worden, der dann zu einer Untersuchung geführt hat.

Wir haben uns am Schluss nach mancherlei Kritik an
dem allerersten Entwurf auf einen erheblich veränderten
gemeinsamen Gesetzentwurf zur Novellierung des Stasi-
Unterlagen-Gesetzes geeinigt. Dieser Gesetzentwurf
bringt zwei wesentliche Änderungen:

Erstens. Die allgemeine Anfrage, die so genannte
Regelanfrage, wird eingestellt. Die Möglichkeit zur
Akteneinsicht wird auf einen klar definierten Personen-
kreis eingeschränkt, nämlich auf Inhaber öffentlicher
Positionen, denen die Bürger ein besonderes Vertrauen
entgegenbringen: Regierungsmitglieder, Abgeordnete,
politische Beamte, Leiter von Behörden, Richter, Solda-
ten höherer Dienstgrade, höhere Sportfunktionäre, Trai-
ner, Betreuer. Bei diesem Personenkreis sollen die Bürger
sicher sein, dass sie ihr Vertrauen verdienen, diese es also
nicht schon einmal missbraucht haben. Das gilt eben auch
und gerade für den Sport. Junge Sportler und ihre Eltern
müssen darauf vertrauen können, dass Funktionäre, Trai-
ner, Ärzte nichts mit dem scheußlichen Dopingsystem der
DDR zu tun hatten. Da hat der Sport bisherige Versäum-
nisse nachzuarbeiten.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die bisherige Regelung soll für diesen Personenkreis für
fünf Jahre weiter gelten. Für alle die Personen, die sich
unmittelbar mit Stasiunterlagen, mit Fragen der Aufar-
beitung und der Rehabilitierung befassen, soll die Rege-
lung nicht befristet werden; denn diese haben eine ganz
besondere Vertrauensposition inne.


(Beifall der Abg. Monika Griefahn [SPD])


Zweitens. Wir erweitern mit diesem Gesetz den Zu-
gang zu den Stasihinterlassenschaften für Wissenschaft-
ler, Medienvertreter und Journalisten. Der Forschungs-
zweck, für den Stasiunterlagen künftig herausgegeben
werden können, ist nicht mehr nur die Stasitätigkeit im
engeren Sinne, sondern auch die Erforschung der Herr-
schaftsmechanismen der DDR, also das politische Sys-
tem insgesamt. Zugleich sollen leichter als bisher auch
Unterlagen mit personenbezogenen Informationen zu-
gänglich werden. Hier geht es darum, eine Gleichstel-
lung zwischen der behördeninternen und der behörden-

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(C (D xternen Forschung zu erreichen. Da gab es bisher eine robe Benachteiligung von Forschung außerhalb der Beörde. Beides dient unserem gemeinsamen Anliegen: der wisenschaftlichen, öffentlichen, politisch-moralischen Aufrbeitung und Auseinandersetzung mit der Stasi und mit er DDR-Geschichte. Sie soll weitergehen. Dieses Novelierungsgesetz ist alles andere als ein Schlussstrich unter ie Aufarbeitung der SEDund DDR-Vergangenheit. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Zum Glück!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines halte ich für
otwendig und vielleicht gelingt uns das mit diesem No-
ellierungsgesetz, nämlich die Fixierung auf die Stasi zu
berwinden. Künftig muss es viel mehr als bisher um ein
esamtbild des kommunistischen Regimes, der SED-
errschaft gehen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


mmer wieder haben wir über eine Art negativer Fixie-
ung auf Spitzelei und Verrat vergessen, wer die Auf-
raggeber des Staatssicherheitsdienstes waren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


lltag, Widerstand, Zustimmung, Ablehnung, interna-
ionale Zusammenhänge – all das ist wichtig, um ein ei-
igermaßen realistisches Bild dieser Vergangenheit zu
ekommen und weiterzugeben.

Wichtig ist auch, dass wir endlich ein Gesetz, eine an-
tändige Regelung hinsichtlich der Pensionen für Opfer
on DDR-Unrecht erreichen.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin froh, dass
ir nach einer intensiven Debatte miteinander zu einem
reiten Konsens gekommen sind. Denn das entspricht ei-
er guten Tradition. 1990, 1991 und in den folgenden
ahren haben wir Regelungen zu den Stasihinterlassen-
chaften immer in einer großen demokratischen Gemein-
chaft erreicht. Das ist und bleibt wichtig, bei allen Mei-
ungsverschiedenheiten und Bewertungsunterschieden,
ie wir im Einzelnen haben mögen. Dies ist am Schluss,
enke ich, ein vernünftiges Ergebnis, ein vernünftiger
ompromiss.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607014500

Das Wort hat die Kollegin Dr. Lukrezia Jochimsen,

raktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607014600

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die

Vergangenheit unseres 40 Jahre in zwei Gesellschafts-
systeme getrennten und nunmehr seit 16 Jahren verein-
ten Landes verlangt heute von uns Abgeordneten eine
Auseinandersetzung über den Umgang mit der Ge-
schichte der DDR und ihrer Aufarbeitung einerseits und
eine humane Gewichtung der Rechtsprinzipien „Verjäh-
rung“ und „Verhältnismäßigkeit“ andererseits.

Für die Fraktion Die Linke steht außer Frage: Die
Aufarbeitung soll weitergehen. Opfer der Ausspähung
durch das Ministerium für Staatssicherheit müssen auch
in Zukunft ein uneingeschränktes Recht auf Einsicht in
ihre Akten haben;


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ebenso muss die wissenschaftliche Aufarbeitung garan-
tiert sein, sogar erweitert und vertieft werden.


(Jörg Tauss [SPD]: Dann können Sie ja zustimmen!)


Die Nutzung der Unterlagen des Ministeriums für
Staatssicherheit ist auch dann möglich, wenn sie vom
Bundesarchiv verwaltet und betreut werden. Die Zusam-
menführung der Akten würde viel größere Effekte für
Forschung und Bildung ermöglichen. Außerdem wäre
der Grundgedanke der Freiheit von Forschung und Wis-
senschaft in dieser Institution besser verwirklicht als in
einer Behörde, die beim Bundeskanzleramt angesiedelt
ist.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Da gehört sie auch hin!)


Diesen Weg der Aufarbeitung schlagen wir vor, und
zwar im Sinne einer

rückhaltlosen Auseinandersetzung mit den Verbre-
chen, die im Namen des Sozialismus und Kommu-
nismus begangen wurden,

wie es in der Präambel des PDS-Programms von 2003
heißt. Dabei wird

der unumkehrbare Bruch mit der Missachtung von
Demokratie und politischen Freiheitsrechten

als das die PDS einigende Fundament beschrieben.


(Beifall bei der LINKEN)


Kein Schlussstrich also unter die Aufarbeitung der
DDR-Geschichte, kein Stopp für den persönlichen Zu-
gang der Betroffenen zu den Akten, kein Ende der
Presse- und Forschungsarbeit. Aber Schluss mit dem
vielfältigen Verdacht gegen Bürgerinnen und Bürger des
Ostens.


(Beifall bei der LINKEN)


1991 hat der Bundestag die Dauer der Überprüfung
von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst aus gutem
Grund auf 15 Jahre begrenzt. Zum Rechtsstaat gehört
der Rechtsgedanke der Verjährung im Strafrecht wie im
Zivilrecht. Die Zeit spielt bei Fragen der Schuld eben
eine entscheidende Rolle. Selbst die Tatbestände der ge-

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(C (D ährlichen Körperverletzung oder der schweren Freieitsberaubung verjähren nach zehn Jahren. Bei schweer Vergewaltigung ist die Tat ebenfalls nach zehn Jahren erjährt und darf bei einer Einstellung in den öffentlihen Dienst nicht einmal geprüft und ermittelt werden. uch dort gibt es immer Betroffene, die diese Verjäh ung nicht verstehen. Der Rechtsstaat hat sie dennoch eschlossen. Deshalb plädierten wohl auch 1991 Abgeordnete der DP für eine zehnjährige Begrenzung der Gültigkeit des tasi-Unterlagen-Gesetzes, zumal es hier in der Regel m Moral und nicht um Straftaten geht. Ich zitiere – mit rlaubnis der Präsidentin – Burkhard Hirsch aus der amaligen Bundestagsdebatte: Ich sage Ihnen, dass es ganz und gar unserer Rechtstradition widerspricht, einem Täter über einen so langen Zeitraum hinweg eine Tat … nachzuhalten: 15 Jahre! Wenn ich Zweifel am Gesetz habe, dann an diesem Teil, der einen Zug der Erbarmungslosigkeit hat und nicht die Kraft findet, zu sagen, dass in fünf oder sechs Jahren, jedenfalls in diesem Jahrhundert, die allgemeine Durchleuchtung der Vergangenheit endet, wenn nicht ein individuelles Opfer Klage oder Anklage erhebt. urkhard Hirsch, wohlgemerkt 1991, FDP. Jetzt sind 15 Jahre vergangen und Willkür herrscht; enn mal werden Verstrickte beschäftigt – zum Beispiel n der Birthler-Behörde, wie wir gestern erfahren haben – nd mal eben nicht. Vor allem aber geht es mit den Überrüfungen weiter und weiter, unter anderem von kommualen Wahlbeamten, ehrenamtlichen Richtern, Angestellen des Deutschen Olympischen Sportbundes, Trainern, rzten, Betreuern von Nationalmannschaften, ständigen tellvertretern von Behördenleitern, Intendanten und so eiter und so fort. Es wird überprüft ohne Verdacht, und as mindestens noch fünf Jahre. So will es das neue Geetz der Riesenkoalition aus CDU/CSU, SPD, FDP und ündnis 90/Die Grünen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


(Unruhe bei der CDU/CSU und der FDP)


Immer wieder werde ich gefragt: Was kann die Links-
raktion im Bundestag überhaupt ausrichten?


(Zuruf von der CDU/CSU: Nichts!)


eute sage ich selbstbewusst: wenigstens eine Stimme
egen die übermächtigen anderen setzen. Wenn es uns
ier nicht gäbe, dann gäbe es keinerlei Widerspruch ge-
en dieses Gesetz, welches gegen die Prinzipien des
echtsstaates Verjährung und Verhältnismäßigkeit ver-

tößt.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


s gäbe keinen Entschließungsantrag, der Ja sagt zur
ufarbeitung der DDR-Vergangenheit, aber Nein zur
eiteren Überprüfung unzähliger Personengruppen.






(A) )



(B) )


Dr. Lukrezia Jochimsen
15 Jahre Überprüfungen sind genug. Die Verlängerung
über das Jahr 2006 hinaus verstößt gegen den verfas-
sungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da
jede Überprüfung einen gravierenden Eingriff in die Per-
sönlichkeitsrechte des Individuums darstellt und dieser
Eingriff nach 15 Jahren für Verhaltensweisen, die noch
viel länger zurückliegen können, nicht mehr zu rechtfer-
tigen ist.


(Monika Grütters [CDU/CSU]: Das ist ein Schlag ins Gesicht der Opferverbände!)


Vergessen Sie nicht, dass es sich hier nicht einmal um
das Strafrecht handelt.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Denken Sie mal an die Opfer!)


Ich bitte Sie, die Sie die Übermacht in diesem Hause
haben, unseren Entschließungsantrag wenigstens zu be-
denken. Dem Novellierungsgesetz werden wir nicht zu-
stimmen.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607014700

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katrin Göring-Eck-

ardt, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Frau Jochimsen, es geht nicht um einen
Verdacht gegen alle Bürgerinnen und Bürger des Ostens.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Dafür sitzen hier viel zu viele, die selbst dort gelebt ha-
ben.


(Frank Spieth [DIE LINKE]: Wer wird denn da überprüft? – Uwe Barth [FDP]: Bei Ihnen da drüben nicht!)


Es geht auch nicht einfach um die Frage, ob Zeit eine
wichtige Rolle bei der Schuld spielt. Das ist richtig; des-
wegen haben wir unseren Ursprungsgesetzentwurf ent-
sprechend formuliert.

Es geht aber um die Frage, ob wir über das Einge-
ständnis von Schuld und eine tatsächliche Aufarbeitung
reden können. Dazu gehört – Herr Waitz hat es vorhin
gesagt – die Entschuldigung. Darüber muss diskutiert
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Worum geht es? Es geht um Biografien, die zerstört
worden sind, um Leben, die infrage gestellt worden sind.
Es geht um die Zersetzung von Menschen. Worum geht
es? Es geht darum, dass es heute Leute gibt, die davon
reden, dass es nun genug ist mit der Aufarbeitung. Es
geht um ehemalige Stasioffiziere, die sich nicht mehr nur

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(C (D reffen, sondern sich auch ganz öffentlich zu dem bekenen, was sie gemacht haben nach dem Motto: „Das war och eigentlich gar nicht so schlimm“, und Geschichtslitterung betreiben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir über die Aufarbeitung unserer DDR-
eschichte reden, dann dürfen wir sie einerseits nicht

enjenigen überlassen, die sich an alte Puddingmarken
der „Professor Flimmrich“ erinnern. Wir dürfen sie
ber noch viel weniger denjenigen überlassen, die sagen:
Es war ja gar nicht alles schlecht“, wie das übrigens
eulich Herr Bisky in einer Debatte gemacht hat, in der
r über das DDR-Schulsystem geredet hat, ohne klar zu
achen, wie viele Kinder aus diesem Schulsystem ent-

ernt worden sind und wie viele Kinder keine Chance
atten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


s geht noch viel weniger darum, sie denjenigen zu
berlassen, die sagen: „Es gibt nur ein paar überspannte
pfer; eigentlich war alles nicht so schlimm“, den Stasi-
ffizieren, die alles andere tun, als sich zu entschuldigen.

Es geht darum, das Herrschaftssystem aufzuarbeiten,
ie Mechanismen der Diktatur aufzuzeigen. Es geht
brigens auch darum, darüber zu diskutieren und sich
arüber auseinander zu setzen. Dafür ist nach 15 Jahren
ohe Zeit. Es ist an der Zeit, dass Schülerinnen und
chüler ihre Lehrerinnen und Lehrer fragen, Zeit, dass
inder ihre Eltern fragen: Was hast du eigentlich ge-
acht? Wie konnte es sein, dass sich so viele auf Unfrei-

eit und auf ein autoritäres Regime eingelassen haben?
ie konnte es sein, dass Eltern ihren Kindern gesagt ha-

en – so wie das meine Eltern gemacht haben –: „Das,
as wir zu Hause besprechen, wie wir reden und wo-

über wir reden, darfst du in der Schule und draußen auf
er Straße unter gar keinen Umständen sagen“?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


m diese Diskussion geht es, wenn wir über die Aufar-
eitung der Herrschaftsmechanismen sprechen. Die ent-
cheidende Neuerung in dem vorliegenden Gesetzent-
urf ist der Zugang für Forschung und Wissenschaft.

ch hoffe sehr, dass mit diesem Zugang eine solche De-
atte ausgelöst wird.

Dazu gehört übrigens auch die Frage, ob man aus der
ergangenheit gelernt hat. Ich finde, wir sollten den
enschen ganz offen, ganz sachlich und mit großer Em-

athie zugestehen, dass sie aus ihrer eigenen Biografie,
us ihrer Vergangenheit, aus den Fehlern, die sie ge-
acht haben, und auch aus dem, was das System mit ih-

en als Person gemacht hat, gelernt haben. Ich glaube,
enn man über Schuld redet, dann geht es gleichzeitig
m Vergebung. Auch das ist aus meiner Sicht in dieser
ebatte ganz wichtig.






(A) )



(B) )


Katrin Göring-Eckardt

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir heute über die Regelüberprüfung für be-
stimmte Personen reden, dann geht es nicht um das Ein-
schränken von Persönlichkeitsrechten und um einen Ge-
neralverdacht. Dann geht es darum, dass jemand, der in
der Öffentlichkeit ein bestimmtes Amt innehat und dem
Vertrauen entgegengebracht werden soll und muss, ganz
sicher sagen kann: Ich bin überprüft und ich sage dir: Ich
war nicht bei der Staatssicherheit. Das ist das Gegenteil
von dem, was Sie mit Verletzung von Persönlichkeits-
rechten meinen, Frau Jochimsen.


(Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Ist es nicht!)


Es geht um die Personen, auf die es im öffentlichen
Leben ankommt. Wenn wir von Behördenleitern reden,
dann reden wir zum Beispiel über Schulleiterinnen und
Schulleiter und auch über deren Stellvertreterinnen und
Stellvertreter. Nicht die jungen Lehrerinnen und Lehrer,
die in den öffentlichen Dienst übernommen werden,
müssen überprüft werden; aber diejenigen, die mögli-
cherweise aufsteigen, sollen schon überprüft werden. Ich
glaube, es ist richtig, dass wir in unserem Land keine
Schulen haben, die von Menschen geleitet werden, die
irgendwann einmal für die Staatssicherheit gearbeitet ha-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dazu gehört auch der Bereich des Sports. Ich bin
froh, dass wir diesen Bereich in das Gesetz aufgenom-
men haben. Ich bin auch froh, dass es eine gute Zusam-
menarbeit mit denjenigen gab, die im Sport Verantwor-
tung übernehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordenten der SPD)


Es geht um die Mitglieder des Präsidiums, des Vorstands,
leitende Angestellte des Deutschen Olympischen Sport-
bundes, es geht um seine Spitzenverbände, um die Olym-
piastützpunkte, es geht um die Repräsentanten – auch das
ist ganz wichtig – und es geht auch um die Trainer und
die verantwortlichen Betreuer. Diese Aufzählung zeigt:
Hier muss mit der entsprechenden Überprüfung wirklich
Ernst gemacht werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Bei der Aufarbeitung der jüngeren Geschichte geht es
um Opfer und um Einzelfälle. Das muss bleiben. Aber
wir müssen auch darüber reden, was das System war.
Was sind das übrigens für Leute, die bei der Beerdigung
von Markus Wolf zumindest den Eindruck erweckt ha-
ben, dass sie sich nicht nur zurücksehnen, sondern dass
sie auch nichts gelernt haben und zumindest nur sehr we-
nig bereuen?

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(C (D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


ch bin sehr froh, dass meine Kollegin Petra Pau nicht
uf dieser Beerdigung gewesen ist.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607014800

Das Wort hat der Landesminister für Soziales, Fami-

ie und Gesundheit aus Thüringen, Dr. Klaus Zeh.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1607014900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Ich nehme hier heute als Beauftragter des Bun-
esrates zur Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Stel-
ung und stehe gleichzeitig auch für die Thüringer Lan-
esregierung, die diese Novelle im Bundesrat eingebracht
at.

Vorab möchte ich sagen, dass wir dem gefundenen
ompromiss zustimmen,


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


uch wenn wir uns zugegebenermaßen weitergehende
egelungen gewünscht hätten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


um Beispiel scheint uns die Begrenzung auf fünf Jahre
ng zu sein; die Einschränkung des Personenkreises ist
ns dabei etwas zu stark. Dennoch werde ich im Bundes-
at für eine Mehrheit zu dem Kompromiss werben, ob-
ohl der Bundesrat mehrheitlich für eine unbegrenzte
ortsetzung der jetzigen Regelung zur Überprüfung auf
tasimitarbeit votiert hat. Ich denke, der Bundesrat wird
ieser Empfehlung folgen; denn wenn kein Kompromiss
ustande kommt, würde das das Ende der Aufarbeitung
edeuten. Das wäre als Signal nach außen verheerend.

Es gibt zwei wichtige Botschaften, die heute vom Bun-
estag ausgehen müssen. Erstens. Es gibt keinen Schluss-
trich unter die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


weitens. Wir vergessen nicht die Opfer des SED-Un-
echtsstaates.

Zu Punkt eins. Mit dem gefundenen Kompromiss ist
rreicht, dass kein Schlussstrich gezogen wird. Dazu tra-
en die gesetzlich fixierten besseren Möglichkeiten für
ournalisten und Wissenschaftler im Umgang mit den
tasiunterlagen bei. Dazu wird aber auch das nunmehr
ndgültige Streichen des Vorbehalts- und Verwertungs-
erbotes beitragen; denn wenn man, wie ursprünglich
orgesehen, im Einzelfall nicht mehr über konkrete Ver-






(A) )



(B) )


Minister Dr. Klaus Zeh (Thüringen)

strickungen reden darf, dann streiten wir uns am Ende
nur in Gerichten über Formulierungen und Ähnliches,
nicht mehr über Sachverhalte. Wir haben das in der Ver-
gangenheit oft genug erlebt.

Auch der Wegfall der in der Gesetzesnovelle geplan-
ten Regelung, nur noch bei konkretem Verdacht eine
Überprüfung zu erlauben, ist für uns entscheidend; denn
wenn das, was erst im Ergebnis der Prüfung zweifelsfrei
feststehen kann, Voraussetzung für die Prüfung gewesen
wäre, dann wäre das Ende jeglicher Überprüfung einge-
leitet gewesen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Mit dem Wegfall der Verdachtsabhängigkeit ist eine
Überprüfung in der Form, wie wir sie mit der Regel-
überprüfung – so wurde sie bezeichnet – hatten, über-
haupt erst wieder möglich. Frau Jochimsen, ich kann
nicht nachvollziehen, weshalb die so genannte Regelan-
frage einen Generalverdacht ehemaliger DDR-Bürger
darstellen soll. In Thüringen haben wir in 15 Jahren Pra-
xis gegenteilige Erfahrungen gesammelt.

Wir haben in Thüringen alle Mitarbeiter – egal ob aus
Ost oder West – überprüft. Wir haben nicht qua Herkunft
überprüft. Im Rahmen der Rosenholz-Datei ist das erst
vor kurzem wieder geschehen.


(Beifall des Abg. Markus Meckel [SPD])


Die Regelanfrage hat es überhaupt erst ermöglicht, einen
Verdacht – gleich ob Generalverdacht oder konkreter
Verdacht – auszuräumen. Ich will gerade nicht, dass je-
mand verdächtigt wird, ohne dass man das überprüfen
könnte. Der Denunzierung wäre aus unserer Sicht Tür
und Tor geöffnet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Die Regelanfrage ist eben keine Verurteilung, sondern
nur der Schlüssel zu den Akten, die eine Auskunft er-
möglichen. Die Anfrage ist noch keine Verurteilung. Ich
gebe dem Kollegen Vaatz ausdrücklich Recht, der gesagt
hat, es gehe hier nicht um Bestrafung, sondern um eine
Bewertung der Eignung für einen bestimmten Dienst-
posten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich will das an Beispielen verdeutlichen: Mitarbeiter,
die zu DDR-Zeiten enteignet haben, sind als Mitarbeiter
ungeeignet, wenn es jetzt um die Klärung von Vermö-
gensansprüchen, zum Beispiel von SED-Opfern, geht.
Wenn sich Opfer und Täter gegenübersitzen – das ist
vorgekommen; alles, was vorkommen kann, passiert
auch –, dann ist das unerträglich. Ich halte ehemalige
Stasimitarbeiter auch für die Bewachung der Stasiakten
in der Birthler-Behörde nicht gerade für geeignet.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Deshalb hatten wir eine Ausweitung der Personenkreise,
die überprüft werden sollten, gewünscht.

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(C (D Frau Jochimsen, wenn die PDS hier verkündet, dass ie für die weitere Aufarbeitung steht, dann sollte sie em Kompromiss aus meiner Sicht zustimmen. Bei solhen Beteuerungen aus Richtung PDS fällt mir immer in Transparent von 1989, aus der Zeit der friedlichen evolution, ein: Vergesst die sieben Geißlein nicht, enn Herr Gysi zu euch spricht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])


ch zitiere das nur, Sie können selbst Schlussfolgerungen
araus ziehen.

Was die Schlussstrichdebatte angeht, möchte ich ein
pfer aus Südthüringen, Herrn Manfred May, zitieren.
r sagte richtigerweise: Nur die Opfer haben das Recht
u sagen: Schluss. Sie sagen es aber nicht. Es gibt einen
ichtigen Grund dafür: Für die quälenden Erinnerungen
er Opfer an Verhöre, Einschüchterungen und Zerset-
ungen gibt es keinen Schlussstrich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich bin außerordentlich dankbar dafür – das sage ich
bschließend dazu –, dass Herr Thierse auf die Opfer
ingewiesen hat. Der Bundesrat hat eine Gesetzes-
ovelle zur Verlängerung der Rehabilitierungsfristen um
rei Jahre auf den Weg gebracht. Auch hierfür werbe ich
m Ihre Zustimmung. Wir müssen uns ferner für die fi-
anzielle Unterstützung der Opfer entscheiden. Leider
st Geld aber nicht alles. Abschließend zitiere ich noch
inmal ein Opfer, Herrn May: Aber ebenso wichtig ist
twas, das mit Geld nicht aufzuwiegen ist. Was fehlt, ist
ine Würdigung, eine öffentliche Wahrnehmung der
chicksale, ein Respekt in der Gesellschaft.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607015000

Das Wort hat der Kollege Uwe Barth, FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Uwe Barth (FDP):
Rede ID: ID1607015100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das ist aus
utem Grund der erste Satz in unserem Grundgesetz. Die
xponierte Stellung dieses Bekenntnisses zur Men-
chenwürde zeigt, dass es der zentrale Punkt des Kon-
enses ist, auf dem unsere demokratische, offene und
reiheitliche Gesellschaft beruht. Das Bekenntnis zur

enschenwürde ist somit sinnstiftend für unsere Gesell-
chaft.

Die Würde des Menschen spielte auch für die Stasi
ine wichtige Rolle. Menschen in ihrer Würde zu verlet-
en und sie ihnen zu rauben, war fester Bestandteil des
ls tschekistischer Kampf verklärten Vorgehens der
taatssicherheit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Uwe Barth
Die Methoden dazu waren manchmal brutal, manchmal
subtil, aber fast immer darauf gerichtet, Menschen zu
verfolgen, einzuschüchtern, zu manipulieren und zu bre-
chen. Die Stasi war mit diesem Vorgehen im Laufe der
Zeit nicht nur der wesentliche machterhaltende Faktor
für die SED geworden – deswegen ist der Ansatz von
Herrn Kollegen Thierse, das System insgesamt zu be-
trachten, sehr richtig und wichtig –, die Stasi war für
viele Bürgerinnen und Bürger der DDR vor allem Schre-
ckens- und Feindbild zugleich. Sie war es, wovor die
Demonstranten im Herbst 1989 Angst hatten. Trotzdem
gingen sie auf die Straße. Die Stasi war es, die Opposi-
tionelle und Bürgerrechtler verfolgte, verhaftete, entwür-
digte und auch folterte, und eben nicht nur ausspähte,
wie es in dem Antrag der Linken verantwortungslos ver-
harmlosend dargestellt wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Sieg der friedlichen Revolution über das kommunis-
tische System in der DDR war somit ganz wesentlich ein
Sieg über das System Staatssicherheit. Dieser Sieg er-
möglicht uns heute überhaupt erst die Aufarbeitung und
die Debatte darüber.

Das im ersten Entwurf des Gesetzes vorgesehene
Ende der Regelanfrage und das dort vorgesehene Vor-
halte- und Verwerteverbot einer Stasitätigkeit wären in
der Tat fatale Schlussstrichsignale gewesen. Überprü-
fungen vom Vorliegen konkreter Verdachtsmomente ab-
hängig zu machen hätte bedeutet, das Ergebnis zu einer
Voraussetzung für eine Überprüfung zu machen.

Aus diesen Gründen war und ist es für mich ganz un-
verständlich, dass sich gerade von den Fraktionen der
SPD und der CDU/CSU, insbesondere vonseiten der Ab-
geordneten aus den neuen Ländern und hier besonders
der ehemaligen Bürgerrechtler unter ihnen, so wenig Wi-
derstand gegen den ersten Entwurf geregt hat, sie gar
Zustimmung signalisierten.


(Beifall bei der FDP – Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Sie waren doch gar nicht bei den Beratungen dabei! – Jörg Tauss [SPD]: Er hat Zeitung gelesen und das übernimmt er!)


Dass sich die Grünen indes diesem Antrag angeschlos-
sen haben, zeigt mir, wie dramatisch weit sie sich von ih-
ren Wurzeln im Osten entfernt haben.

Für uns, die FDP, sind in dieser Debatte zwei Punkte
von zentraler Bedeutung. Zum einen halten wir die wei-
tere Aufarbeitung des Unrechts der zweiten Diktatur, die
im 20. Jahrhundert auf deutschem Boden geherrscht hat,
nach wie vor für genauso unverzichtbar wie die Aufar-
beitung der ersten Diktatur.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein immanenter Bestandteil dieser Aufarbeitung ist nach
unserer festen Überzeugung die Suche nach Tätern und
Opfern. Das hat in aller Regel keine strafrechtliche Re-
levanz. Deswegen ist die Debatte über Verjährungsfris-
ten hier fehl am Platze.

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(C (D (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Ja! – Dr. Lukrezia Jochimsen [DIE LINKE]: Ist sie nicht!)


s hat Relevanz für die Betroffenen und für den Staat,
er berechtigterweise eine bestimmte Kategorie von Tä-
ern nicht in einer bestimmten Kategorie verantwortli-
her Positionen innerhalb des demokratischen Gemein-
esens dulden will und kann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der zweite wichtige Punkt ist für uns der Konsens
ller Demokraten in dieser Frage. Deshalb werden wir
iesem Gesetzentwurf zustimmen, auch wenn uns das
esetz in einigen Punkten nicht weit genug geht. Herr
inister Zeh, auch mir hat der Thüringer Entwurf besser

efallen. Insbesondere aber darf die Verlängerung um
ünf Jahre aus unserer Sicht nicht dahin gehend missver-
tanden werden, dass die Aufarbeitung und die ver-
achtsunabhängigen Überprüfungen dann quasi automa-
isch enden.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ In kaum
iner Entscheidung dieses Hohen Hauses wird die Zu-
timmung zur freiheitlich-demokratischen Grundord-
ung unseres Vaterlandes so deutlich wie hier – oder ihre
blehnung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607015200

Nächster Redner ist der Kollege Jörg Tauss, SPD-

raktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1607015300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Birthler,

ie ich gerade auf der Tribüne sehe!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


iebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit Blick auf Sie,
ollegin Jochimsen – ich will Ihnen nichts unterstellen –,
öchte ich sagen: Man könnte in einer solchen Debatte

hrlicher sein. Sie haben gesagt, dass Sie keine Schluss-
trichdebatte führen wollen – auf die Schlussstrichde-
atte komme ich gleich noch einmal zu sprechen –, und
orgeschlagen, die Regeln des Bundesarchivgesetzes an-
uwenden, bei dem im Hinblick auf Verstorbene und an-
ere Gruppen Schutzfristen von 30 Jahren gelten. Es
äre ehrlicher gewesen, wenn Sie gesagt hätten, dass Sie
ie Aufarbeitung der Vergangenheit einstellen wollen;
in Blick in das Gesetz würde in diesem Fall die Rechts-
indung erleichtern. Das fand ich nicht in Ordnung. Inso-
ern verfolgen Sie mit Ihrem Antrag tatsächlich das Ziel,
inen Schlussstrich zu ziehen. Das wollen wir nicht tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Jörg Tauss
Ich freue mich in der Tat, dass wir es doch noch ge-
schafft haben, im Deutschen Bundestag zu einem breiten
parlamentarischen Konsens in dieser Frage zu kom-
men. Ich freue mich auch, dass ich als jemand, der be-
kanntermaßen aus dem Westen der Republik stammt, die
Gelegenheit habe, zu diesem Thema zu sprechen. Ich
glaube, das ist ein Signal, dass es sich nicht um ein ost-
spezifisches Thema handelt, sondern dass die Aufarbei-
tung der Geschichte eine gesamtgesellschaftliche Auf-
gabe ist, der wir uns alle zu stellen haben.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Uns geht es in unserem Gesetzentwurf darum, sicher-
zustellen, dass die wissenschaftliche, mediale und ge-
sellschaftliche Aufarbeitung der Herrschaftsmechanis-
men dieser kommunistischen Diktatur, die unbestritten
auch in Zukunft notwendig ist, weiterhin erfolgt.

Sie, Kollege Börnsen, haben in Ihrer heutigen Presse-
mitteilung die verdienstvolle Bundesratsinitiative des
Landes Thüringen, durch die jegliche Schlussstrich-
mentalität unterbunden worden sei, gewürdigt. Ich bin
froh, dass diese Aussage heute nicht wiederholt worden
ist. Dennoch sage ich als jemand, der unter den Gesichts-
punkten der geisteswissenschaftlichen und der histori-
schen Forschung sehr intensiv an diesem Gesetzentwurf
mitgewirkt hat – das war meine wesentliche Rolle –, in
aller Deutlichkeit, dass der Vorwurf im Zusammenhang
mit der Schlussstrichdebatte uns gegenüber ungerecht-
fertigt und letztlich verletzend ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich weise diesen Vorwurf, auch wenn er heute nicht wie-
derholt worden ist, zurück.


(Beifall bei der SPD)


Worum ging es uns? Es ging darum, ein Gesetz zu
verhindern, das dazu geführt hätte – das war der Wille
des damaligen Gesetzgebers –, dass ein Schlussstrich ge-
zogen worden wäre. Wir haben gesagt: Es gibt noch viel
zu tun. Die entsprechenden Anfragen sind bereits ange-
sprochen worden. Dann haben wir uns überlegt: Wo
könnten Probleme bestehen? Die Anfragen, die zurück-
gegangen sind, sind festgestellt worden. Wir haben uns
ganz eindeutig dazu bekannt: Unser Ziel ist, die wissen-
schaftliche, zeitgeschichtliche und mediale Aufarbeitung
der Herrschaftsstrukturen weiterhin zu ermöglichen und
für Forschung und Medien freien Zugang zu gewährleis-
ten. All diejenigen, die auf polemische Art und Weise
eine Schlussstrichdebatte geführt haben, bitte ich, das
Ergebnis, zu dem sie gekommen sind, zu revidieren.

Die Regelanfrage, die Sie, lieber Herr Minister, an-
gesprochen haben, hat nicht zu den Erkenntnissen ge-
führt, die Sie nannten. Die Erkenntnisse der letzten Zeit
sind vielmehr das Ergebnis der Akteneinsicht durch Be-
troffene und durch die Wissenschaft und das Resultat der
Medienarbeit, die dazu beigetragen hat, dass Täter iden-
tifiziert werden konnten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Aus diesem Grunde war es richtig, auch über die Reelanfrage zu diskutieren. Das war ursprünglich auch Ihr ille. Ich weise an dieser Stelle nur darauf hin, dass sich urkhard Hirsch für eine Verjährungsfrist von zehn Jah en ausgesprochen hat. (Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Jetzt nennen Sie aber auch einmal ein paar Gemeinsamkeiten!)


Ja. Aber wenn man über Gemeinsamkeiten redet, dann
ollte man diese Debatte auch dazu nutzen,


(Uwe Barth [FDP]: Noch einmal die Unterschiede herauszustellen!)


eutlich zu machen, dass ein Teil der Unterstellungen,
ie man denjenigen gegenüber geäußert hat, die an die-
em Gesetzentwurf mitgearbeitet haben, schlichtweg
alsch ist, lieber Kollege Barth und lieber Kollege Waitz.
eswegen weise ich diese Unterstellungen zurück.

Jetzt komme ich wieder auf die Gemeinsamkeiten zu
prechen. Was erreichen wir durch diesen Gesetzent-
urf? Eine wichtige Änderung haben wir in § 32 des
tasi-Unterlagen-Gesetzes vorgenommen. Unter be-
timmten Voraussetzungen können wir nun im Interesse
er wissenschaftlichen Arbeit an Hochschulen und ande-
en Forschungseinrichtungen die Einsicht in unanony-
isierte Originalunterlagen ermöglichen. Selbstver-

tändlich haben die Persönlichkeitsrechte Bestand; das
st völlig klar. Sie standen für uns sogar im Mittelpunkt.
us diesem Grunde haben wir an einigen Stellen Siche-

ungsvorkehrungen eingebaut und Abwägungen vorge-
ommen.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, was in Hohen-
chönhausen geschehen ist. Auch wenn dieses Ereignis
ichts mit dem Gegenstand der heutigen Debatte und
ichts mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu tun hat,
st es richtig, dass wir über diese kommunistische Dikta-
ur reden müssen. Dabei sollten wir ehrlich sein. Das gilt
uch für die Diskussion über frühere Mitarbeiter, die
omentan geführt wird. Kollege Vaatz, als ehemaliger
inister des Landes Sachsen wissen Sie besser als bei-

pielsweise ich, wie die Situation damals war. Auch Sie
aben damals gesagt, es gibt gar keine andere Möglich-
eit, als auch Menschen, die einschlägig tätig waren, zu
bernehmen; wir hatten hier ja in der Tat einiges an Pro-
lemen. Hier wird jetzt sehr aufgeregt diskutiert und die
undesbeauftragte, Frau Birthler, ist öffentlich angegrif-

en worden. Deshalb will ich an dieser Stelle in aller
eutlichkeit festhalten: Die heutige Bundesbeauftragte

st nicht die richtige Ansprechpartnerin für personalpoli-
ische Entscheidungen der 90er-Jahre.

Was haben wir in diesem Gesetzentwurf sonst noch
orgesehen? Wir gewährleisten den Zugang für Wis-
enschaft und Forschung, insbesondere für die zeitge-
chichtliche Forschung. Wir haben bei der Tiefe des Ein-
riffs in Persönlichkeitsrechte die notwendige Trennung
orgenommen und ganz klare wissenschaftsspezifische
onderregelungen getroffen. Die Bundesbeauftragte hat

m Hinblick auf die Schutzwürdigkeit von Belangen
icht immer einfache Abwägungen zu treffen. So dürfen
nterlagen nur dann zur Verfügung gestellt werden,






(A) )



(B) )


Jörg Tauss
wenn ganz klar ein öffentliches Interesse an der Aufar-
beitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes be-
steht und dem auch Rechnung getragen wird. Die Ein-
sicht in Originalunterlagen wird nur dann möglich sein,
wenn dies für die Durchführung des Forschungsvorha-
bens erforderlich ist. Weiterhin haben ausschließlich
Mitarbeiter der Behörde Zugang zu den Akten.

Das eine oder andere Verwaltungsgericht hat in der
Vergangenheit nicht in genügender Form zur Kenntnis
genommen – diesen Grundsatz hat der historische Ge-
setzgeber schon damals bei der Verabschiedung des Ge-
setzes in der Volkskammer und im Bundestag verfolgt –,
dass zwischen dem Zugang für Wissenschaft und For-
schung und dem Zugang für Medien nicht unterschie-
den wird. Dies ist ein ganz wichtiger Punkt und soll
grundsätzlich so bleiben. Eine Ausnahme davon, die mit
dieser Novellierung vorgesehen ist, habe ich angespro-
chen.

Nochmals: Es war und ist das erklärte Ziel des Ge-
setzgebers, die wissenschaftliche, zeitgeschichtliche und
mediale Aufarbeitung der Herrschaftsstrukturen dieses
Unrechtsstaates möglich zu machen. Liebe Kolleginnen
und Kollegen der PDS, mit Ihrem Versuch, das mit dem
Hinweis auf das Archivgesetz zu verhindern, haben Sie
sich ein Stück weit entlarvt. Ich bin froh, dass wir einen
Kompromiss gefunden haben, und hoffe, dass die De-
batte über die Novellierung des Gesetzes, die leider po-
lemisch geworden ist, ein Ende findet und wir mit dem
heutigen Tag eine klare Gesetzgebung haben, die dem
Anliegen der Betroffenen, aber auch dem Anliegen der
Aufarbeitung gerecht wird.

Recht herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607015400

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem

Kollegen Vaatz.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1607015500

Sehr geehrter Herr Kollege Tauss, Sie haben auf die

Kündigungspraxis im öffentlichen Dienst im damaligen
sächsischen Umweltministerium hingewiesen.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich habe nur auf die Probleme hingewiesen!)


Ich möchte dazu Folgendes ergänzen: Was Sie gesagt
haben, trifft in der Tat auf viele Mitarbeiter aus dem so
genannten Staatsapparat der DDR zu. Zu meiner Zeit als
Minister war es so, dass wir, wenn sich Anhaltspunkte
ergeben haben, dass jemand mit für die Staatssicherheit
gearbeitet hatte, eine Einzelfallprüfung durchgeführt und
die Schwere der Verstrickung abgewogen haben. Wenn
sich herausstellte, dass eine Fortführung der Beschäfti-
gung des bzw. der Betreffenden unzumutbar war, haben
wir in der Regel erfolgreich kündigen können. Das heißt,
es ist sehr wohl möglich, dass sich der öffentliche Dienst
von Personen, die aufgrund ihrer Mitarbeit bei der
Staatssicherheit belastet sind, trennt, wenn dies als erfor-
derlich empfunden wird.

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(C (D (Dr. h. c. Wolfgang Thierse [SPD]: Damals ja! – Monika Griefahn [SPD]: Aber jetzt nicht mehr!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607015600

Herr Kollege Tauss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1607015700

Kollege Vaatz, ich wollte Ihnen keineswegs etwas un-

erstellen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass man da-
als – da ist man als Wessi eher ein Außenstehender –
it Problemen zu tun hatte. Es gab damals einen Unter-

uchungsausschuss im Lande Sachsen. Ich finde es sehr
hrlich, dass Sie damals gesagt haben, dass bei der Ent-
ernung von Stasimitarbeitern aus der öffentlichen Ver-
altung gewisse Grenzen gesetzt gewesen seien.

Das war der Sachverhalt. Wir sollten die Grenzen, die
ir damals festgestellt haben, heute, im Jahre 2006,
icht zum Gegenstand aufgeregter Debatten machen. Ich
laube, in diesem Punkt sind wir uns nicht uneinig.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607015800

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Wolf-

ang Börnsen, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Wolfgang Börnsen (CDU):
Rede ID: ID1607015900

Völker, hört die Signale! Auf zum letzten Gefecht!


(Jörg Tauss [SPD]: Die Internationale usw.!)


erehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen! Nein,
icht zum letzten Gefecht wird heute geblasen. Mit einer
reiten parlamentarischen Mehrheit verabschiedet der
eutsche Bundestag heute mit dem neu gefassten Stasi-
nterlagen-Gesetz kein kaltes Schlussstrichgesetz. Die
ufarbeitung der roten DDR-Diktatur wird fortgesetzt,
essen Herrschaftsmechanismen werden demaskiert und
onecker und Co. wird ebenso ein später Sieg verwehrt
ie den PDS-Altkadern.

Diese Botschaft wird den Altbarden Wolf Biermann
esonders erfreuen. Er ist ein couragierter, großartiger
ünstler und war gestern Gast des Deutschen Bundesta-
es. Er erzählte, dass ihn ein Stasispitzel, eine schöne
chauspielerin, ins Bett locken sollte.


(Hans-Joachim Otto [Frankfurt] [FDP]: Oh!)


och die Aktion der Geheimpolizei erwies sich als Fehl-
chlag. Die Schöne verliebte sich in den Liedermacher.
ie Informationsausbeute blieb daher mager, doch die
iermann-Stasi-Balladen-Akte wurde trotzdem aufge-
läht. Mit dem, was amüsant klingt, verfolgte man je-
och ein menschenverachtendes Ziel.

Die Koalition handelt konsequent. Für uns als Christ-
emokraten gilt: Abgelegt, abgehakt, vergessen gibt es
icht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Wolfgang Börnsen (Bönstrup)

Die Regelanfrage für die Repräsentanten unseres Staa-
tes und unserer Gesellschaft bleibt bestehen. Bis hin zum
stellvertretenden Behörden- und Schulleiter gilt das, was
war. Das umfasst auch den Sport. Für eine Überprüfung
ist kein Anfangsverdacht notwendig. Arbeits- und
dienstrechtliche Folgen bei einer nachgewiesenen Spit-
zeltätigkeit für den Staatssicherheitsdienst werden durch
kein Vorhalteverbot mehr verhindert. Die Opfer und
nicht die Täter bleiben im Blickpunkt des Gesetzgebers.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das ist ganz im Sinne von Wolf Biermann, der in seiner
Stasi-Ballade beklagt:

… ich sitz hier fest,
darf nach Ost nicht, nicht nach West,
darf nicht singen, darf nicht schrein,
darf nicht, was ich bin, auch sein …

Die Befristung auf fünf Jahre ist verfassungsrechtlich
und aus Gründen des Datenschutzes geboten. Sie gilt
nicht für Bedienstete der Behörde und nicht für Beschäf-
tigte im Rahmen der Rehabilitation.

Durch das neue Gesetz wird notwendigerweise
gleichzeitig für eine größere Transparenz der Behörde
gesorgt. Der Beirat erhält mehr Befugnisse. Er kann sich
direkt an den Deutschen Bundestag wenden. Die For-
schungsmöglichkeiten für externe Wissenschaftler
werden erweitert. Der Personenschutz wird wie bisher
gewährleistet. Der Kernbereich menschlicher Lebens-
führung wird nicht angetastet.

Wir sollten nicht vergessen: Auch Stasispitzel haben
skrupellos manipuliert und in den Akten gelogen, dass
sich die Balken bogen. Die politisch-historische Aufar-
beitung des Unrechtregimes wird ausgedehnt; denn For-
schung kennt keine Verjährung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Pressezugang wird nicht geändert; er bleibt frei.
Die Drahtzieher der DDR-Diktatur und nicht der kleine
Stasispitzel gehören ins Zentrum der Untersuchungen:
die, die für den Mauerbau, den Bruch der Menschen-
rechte, die Todesschüsse und das unheilvolle Wirken der
Geheimpolizei verantwortlich waren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Auch ich komme noch einmal auf Markus Wolf zu-
rück. Eine Heldenverehrung, wie sie der verstorbene
Markus Wolf, Boss der Geheimpolizei, in diesen Tagen
unter anderem durch den russischen Botschafter erfahren
hat, ist völlig fehl am Platz.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Auftraggeber für Verbrechen gegen die Menschlichkeit
gehören ohne Wenn und Aber kaltgestellt.

Fast 5 Millionen Anfragen hat die Behörde seit ihrem
Bestehen bearbeitet. Es gelang, Tausende von Zuträgern
des DDR-Repressionsapparates von öffentlichen Funk-

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(C (D ionen fern zu halten. Diese gründliche Aufklärung ist nsofern eine Erfolgsgeschichte – trotz der Ungereimteiten in der Behörde wegen der Anstellung von über 0 ehemals hauptamtlichen Mitarbeitern des Staatsicherheitsdienstes. Hier müssen die Fakten auf den isch. Doch die jüngst zur Nutzung freigegebene Rosenolzdatei macht deutlich, dass es immer noch brisante älle gibt. Unser Aufklärungswille darf nicht erlahmen. as gilt auch für die 16 000 noch nicht ausgewerteten chnipselsäcke mit über 45 Millionen Blatt. Sie enthal en nach Auffassung von Fachkennern tief greifende Inormationen über das böse Spiel der Staatssicherheitsienste in Ost und West. Dem müssen wir weiter achgehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im ersten Halbjahr 2006 gingen 48 000 Anträge auf
kteneinsicht bei der Behörde ein. Das sind 19 Prozent
ehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Nicht zuletzt

er eindrucksvolle Film „Das Leben der Anderen“ hat
ine neue Nachfragewelle bewirkt.

Die Geheimpolizei der SED umfasste 91 000 haupt-
mtliche und über 100 000 inoffizielle Mitarbeiter. Das
etzt siebte Stasi-Unterlagen-Gesetz differenziert bei den
eschuldigten. Es nimmt nach 15 Jahren Rücksicht auf
ie kleinen Täter und baut einem Generalverdacht gegen
DR-Bürger vor. Damit dient es auch dem Rechtsfrie-
en in unserem Land. Die moralische Verantwortung für
ns alle – gleich aus welcher Region wir kommen –
leibt, die Opfer nicht zu vergessen. Die Diktatur gilt es
u demaskieren und unsere Demokratie zu stärken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


azu gehört auch, dass wir das Thema der Opferpension
ndlich zu einem guten Ende und Ergebnis führen.

Wolf Biermann – damit will ich schließen – hat über
ie Hoffnung des Kommunismus auf eine Gesellschaft,
n der alle Menschen Brüder sind, gesagt:

Ich bin der Meinung, dass niemand gefährlicher
war in der Geschichte der Menschheit als die, die
das Paradies auf Erden erzwingen wollten.

Die haben uns in Höllen geführt, die schlimmer
sind als alles, was wir bisher kannten.

em ist nichts mehr hinzuzufügen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607016000

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von den
raktionen der CDU/CSU, SPD und des Bündnisses 90/
ie Grünen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung
es Stasi-Unterlagen-Gesetzes, Drucksache 16/2969. Zu






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
dieser Abstimmung liegen mir zwei schriftliche Erklä-
rungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung der Kolle-
gen Koppelin und Parr vor.1)

Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt in
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3638,
den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-
entwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der CDU/CSU
und der FDP gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke
angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? –


(Jörg Tauss [SPD]: Sie stimmen hoffentlich aus anderen Motiven dagegen, Herr Koppelin!)


Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit demselben
Stimmergebnis wie in zweiter Beratung angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 16/3666. Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Entschließungsantrag ist gegen die Stimmen der Frak-
tion Die Linke vom Rest des Hauses abgelehnt.

Zusatzpunkt 5: Interfraktionell wird vorgeschlagen,
den Gesetzentwurf auf Drucksache 16/3653 zur feder-
führenden Beratung an den Ausschuss für Kultur und
Medien und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den
Sportausschuss, den Rechtsausschuss sowie an den Aus-
schuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu über-
weisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist
nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef
Parr, Joachim Günther (Plauen), Jens Acker-
mann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP

Liberalisierung des Sportwettenmarkts in
Deutschland einleiten und europakonformes
Konzessionsmodell vorlegen

– Drucksache 16/3506 –
Überweisungsvorschlag:
Sportausschuss (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit

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B1) Anlagen 2 und 3

(C (D Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die DP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Wierspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege etlef Parr, FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Glücks piel kann süchtig machen, richtig. Wir müssen sicherich ein Augenmerk auf die Suchtprävention und die ekämpfung von Spielsucht richten, wenn wir über ine Neuordnung des Glücksspielund Sportwettenarktes sprechen. Das gilt für staatliche und private An ieter gleichermaßen. Das gilt auch für die FDP. Ich öchte mich als suchtund drogenpolitischer Sprecher einer Fraktion zu dieser Zielrichtung eindeutig beken en und mich insbesondere für den Schutz unserer Juend aussprechen. Aber eht es bei der Frage nach der Aufrechterhaltung oder her nach der Errichtung eines staatlichen Monopols antelle einer Öffnung des Sportwettenmarktes für private nternehmen wirklich in der Hauptsache um Spiel ucht? Ein Blick in unsere Geschichte belehrt uns eines esseren. Wetten gehören seit Jahrhunderten zum Alltag nseres Zusammenlebens. Seit Jahrhunderten hat der taat nichts anderes im Sinn, als über Wettangebote das taatssäckel zu füllen, enauso wie unsere Bundesländer seit Jahren einen groen Teil der Erträge einstreichen, um staatliche Aufgaen zu finanzieren. Seien wir ehrlich: Bis zum Urteil des undesverfassungsgerichtes hat das Thema Eindämung der Spielsucht so gut wie keine Rolle gespielt. (Dr. Peter Danckert [SPD]: Doch, wir haben das im Ausschuss behandelt!)


(Beifall bei der FDP)

Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1607016100

(Dr. Peter Danckert [SPD]: Aber?)


(Beifall bei der FDP)


In Wahrheit stecken knallharte fiskalische Interessen
inter dem voreiligen Bekenntnis zum Monopol, lieber
ollege Danckert. Die Bundesländer erhoffen sich eine
rhöhung der Einnahmen aus Oddset, die seit etlichen
ahren rückläufig sind, und eine Rückkehr der Wetter
ach einem gesetzlichen Verbot anderer Anbieter.

Das ist ein Trugschluss und ein gefährlicher Bume-
ang, der letztendlich gerade die Sportförderung emp-
indlich treffen wird. Individuelle Wettgewohnheiten
assen sich nicht durch Festigung staatlicher Monopole
uf Knopfdruck wieder verändern. Das Beispiel Groß-
ritannien zeigt, dass gerade der umgekehrte Weg einer
fiffigen Steuer- und Abgabenpolitik Anbieter und Wet-
er sogar wieder ins Heimatland zurückholt. Denken wir
ei der Wettsteuer nur an die Wirkung der Umstellung
er Bemessungsgrundlage vom Wetteinsatz auf den
ruttospielertrag!






(A) )



(B) )


Detlef Parr
In 14 Tagen wollen sich die Ministerpräsidenten der
Bundesländer selbst ein Weihnachtsgeschenk machen.
Sie wollen einen neuen Staatsvertrag unterzeichnen.


(Dagmar Freitag [SPD]: Mit Unterstützung der FDP!)


Sie werden sich damit eher ein Kuckucksei unter den
Weihnachtsbaum legen.


(Beifall bei der FDP)


Das haben mittlerweile auch viele Politiker länderüber-
greifend erkannt. Die FDP-Fraktionsvorsitzendenkonfe-
renz fordert einstimmig, den Beschluss über den vorlie-
genden Entwurf von der Tagesordnung des 13. Dezember
abzusetzen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Dann macht doch mal was!)


Auch das eine oder andere prominente CDU- und SPD-
Mitglied des Sportausschusses hat nachdrücklich vor ei-
nem überstürzten Festhalten am Monopol gewarnt.
DFB-Präsident Theo Zwanziger weist auf die Gefahr zü-
gelloser Wettveranstaltungen und von Manipulationen
im Sportbetrieb hin, wenn sich der Staatsvertrag als
nicht verfassungskonform erweisen sollte. Viele Rechts-
experten erkennen das Risiko eines dann rechtsfreien
Raumes.

Es wird interessant, wenn man nach Schleswig-Hol-
stein schaut. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsi-
dent Carstensen hat gestern vor dem Landtag erklärt, er
stimme dem Entwurf nicht zu. Er stützt sich dabei auf
einen einstimmigen Beschluss ausnahmslos aller Land-
tagsfraktionen. Diese haben nämlich – genauso wie die
FDP-Bundestagsfraktion – Empfehlungen der Kommis-
sion „Sportwetten“ vom 22. Februar 2006 entdeckt, die
– man höre und staune – von der Ministerpräsidenten-
konferenz selbst eingesetzt worden ist. Auch der dama-
lige Deutsche Sportbund, der DFB, und die Deutsche
Fußball-Liga waren daran beteiligt. Das Ergebnis dieser
Kommission können Sie weitgehend in unserem Antrag
nachlesen. Besser und konkreter kann man den Abschied
vom staatlichen Monopol der Sportwetten nicht formu-
lieren.


(Beifall bei der FDP)


Mit uns gehen die Norddeutschen davon aus, dass auf
dieser Grundlage die erforderliche Einigung erzielt wer-
den kann, insbesondere auch deshalb, weil der Lotterie-
betrieb völlig unverändert bleiben soll.


(Dagmar Freitag [SPD]: Was macht Nordrhein-Westfalen?)


Nach diesen Vorstellungen muss der nationale Wett-
markt durch einen nachhaltig globalisierungsfesten
staatlichen Ordnungsrahmen im Vergleich zum Ausland
attraktiv bleiben können. Eine unabhängige Kontroll-
instanz ähnlich wie in Großbritannien erteilt die Kon-
zession für diejenigen, die gewerbsmäßig Wetten auf
Sportereignisse veranstalten, vermitteln oder anbieten
wollen, nach den in unserem Antrag nachlesbaren Krite-
rien. Aspekten des Vergaberechts ist Rechnung zu tragen
und gegebenenfalls ist europaweit auszuschreiben. Die

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(C (D nzahl der Konzessionen soll beschränkt und die Ereilung angemessen befristet werden. Sollte dies aus echtlichen Gründen nicht möglich sein, ist eine gewererechtliche Genehmigungspflicht vorzusehen. Eine eitere Alternative wäre die Trennung des Sportwettenarktes vom übrigen Glücksspielmarkt in einem dualen ystem. Dann wäre der Bund wie bei den Pferdewetten uständig. Die EU-Kommission hat in diesen Fragen Vertragserletzungsverfahren gegen zehn europäische Länder ngestrengt. Wir diskutieren heute also nicht allein über in nationales Problem. Deshalb fordert die FDP von der undesregierung, die EU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, uf europäischer Ebene zu gemeinsamen Strukturen zu ommen. ine Sportdirektorenkonferenz im Februar und eine inormelle Sportministerkonferenz im März bieten sich als ächste Gelegenheit an. Ohne Europa wird es keine mitelbis langfristige Lösung der Sportwettenprobleme geen. Wir Deutschen sollten uns zum Vorreiter einer intellienten Neuordnung machen, die Spielsucht unter Konrolle hält, Wettangebote und Wetter nicht ins Ausland ertreibt und eine – Zitat aus dem Bericht der Ministerräsidentenkommission – „bislang den Sportveranstalern nicht zugängliche Wertschöpfung erschließt“. Ende gut, alles gut? Darauf hoffen wir und setzen auf ine sachlichere Debatte als beim ersten Antrag, den wir n dieser Sache im Bundestag gestellt haben. Herzlichen Dank. Nächster Redner ist der Kollege Bernd Heynemann, DU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! as Thema Liberalisierung des Sportwettenmarktes ätte nicht passender heute platziert werden können. Vor wei Tagen befasste sich der Bundesgerichtshof mit eiem Vorgang vom Januar 2005, der sehr stark die Sportnd besonders die Fußballwelt erschütterte. Am 21. Jauar des letzten Jahres wurde bekannt, dass der Schiedsichter Hoyzer gemeinsam mit einem Wettlokalbesitzer us Berlin mehrere Spiele manipuliert hat. uch wenn das abschließende Urteil erst im Dezember esprochen wird, so ist schon jetzt großes Unverständnis u vernehmen, dass es womöglich einen Freispruch geen könnte. (Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Freispruch für das ganze System!)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607016200

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bernd Heynemann (CDU):
Rede ID: ID1607016300

(Zuruf von der FDP: Sauerei!)







(A) )



(B) )


Bernd Heynemann
Wir wissen, dass sich gerade im Bereich des Glücks-
spieles die Begleitkriminalität immer breiter macht.
Aber wenn sich juristische Winkel- und Klimmzüge der-
maßen darstellen wie in diesem Fall, dann wird vieles
unglaubwürdig.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier ist also eine Grauzone. Ich glaube, wir müssen uns
keine Grauzonen schaffen.

Wir als CDU/CSU-Fraktion sind dafür, das Monopol
für Lotterie und Sportwetten beizubehalten. Wir wissen,
dass eine Liberalisierung des Sportwettenmarktes ange-
strebt wird. Der Sportwettenmarkt, der circa 8 Prozent
der gesamten Lotto- und Totoumsätze ausmacht, wäre
die Öffnung einer Tür, die man nicht wieder schließen
kann.

Natürlich gibt es dazu viel Pro und Kontra. Erst in
dieser Woche habe ich von einer Lotto-Toto-GmbH ei-
nen Brief bekommen, in dem dazu aufgefordert wird,
dass Monopol des Glückspielbereiches beizubehalten.
Das soll natürlich auch Arbeitsplätze sichern. Dazu – das
ist bereits ausgeführt worden – werden am 13. Dezember
die Ministerpräsidenten eine Entscheidung treffen: ob
das Monopol am Lotterie- und Sportwettenmarkt erhal-
ten bleibt bzw. für einige Zeit festgeschrieben wird.

Natürlich hat die EU die Wettbewerbsfreiheit auch für
den Glückspielmarkt gefordert. Aber wir alle wissen,
dass Glücksspiel als Angebot kein Produkt als solches
darstellt. Auf jeden Fall würde eine Liberalisierung, das
heißt eine Freigabe die Spielsucht noch weiter fördern
und unkontrolliert ausweiten.


(Detlef Parr [FDP]: Das wollen wir gerade nicht!)


Die Abschaffung des Monopols hat natürlich auch
viele Befürworter. Dies zeigen auch großflächige Anzei-
gen, wie die aus dem „Kicker“ vom 27. November: „Ab-
pfiff für das Monopol“.


(Beifall bei der FDP)


Als Partner im Bündnis gegen das Wettmonopol haben
unterzeichnet: Eurosport, Premiere, einige Bundes-
ligisten aus den Bereichen Fußball und Handball und na-
türlich einige Wettanbieter.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die FDP!)


– In diesem Fall nicht.

Fakt ist, dass jährlich circa 3,3 Milliarden Euro aus
dem Lotto- und aus dem Sportwettenbereich in die ein-
zelnen Bereiche des Sportes, der Wohlfahrts- und Denk-
malspflege, der Kultur und anderswohin fließen. Ich
konnte mich in meiner Heimatstadt Magdeburg persön-
lich davon überzeugen, wie glücklich ein Sportverein ist,
der – natürlich dank Kofinanzierung und Lottomitteln –
einen neuen Kunstrasen einweihen konnte. Über
50 Jahre wurde dort auf Bockasche gespielt.


(Heiterkeit des Abg. Dr. Peter Danckert [SPD])



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(C (D Peter, du lachst, aber das gibt es noch. – Jetzt gibt es ort einen Rasenplatz. Hätte dafür auch ein Lottoanbieer gesorgt? Wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass Sportfördeung und Sportsponsoring zwei unterschiedliche Paar chuhe sind. Das Ergebnis von Sportförderung ist unter nderem der angesprochene Rasenplatz. Beim Sportponsoring geht es dagegen um die Leistungsanbietung er großen Vereine in der Bundesliga und in Europa. enn ein Sponsor mit den Leistungen eines Bundes igisten nicht zufrieden ist, so kann es passieren, dass er ich und sein Geld zurückzieht. In diesem Zusammenhang ist es auch eine Wahrnehungsund werbestrategische Frage, wie sich die ffentlichkeit im Einzelfall verhält. Der Deutsche Lottond Totoblock gibt pro Jahr mehr als 500 Millionen uro allein für die Förderung des Breitensports aus; aber ie Wahrnehmung ist sehr gering, teilweise lokal berenzt. Bei den privaten Sportwettenanbietern ist die ahrnehmung – denken Sie an das Hickhack um den rustsponsor von Werder Bremen; der Name dieses ponsors hat dreioder viermal gewechselt – natürlich ehr ausgeprägt. (Detlef Parr [FDP]: Weil unsere Rechtsprechung so verheerend ist! Weil Grauzonen da sind, deswegen!)


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Nein, nie!)


ie Sponsorentätigkeit hält sich finanziell dagegen im
ittleren Bereich. Private Anbieter bieten keine Sport-

örderung, sondern gewinnorientiertes Sponsoring an.
ch glaube, das kann nicht im Gemeininteresse sein.

Uns geht es ganz klar um eine Suchtbekämpfung und
m Planmäßigkeit im Lotterie- und Sportwettenbereich.
m 20. November fand hier in Berlin ein Kolloquium

ur Spielsuchtprävention statt. Zusammen mit der Dro-
enbeauftragten der Bundesregierung befasste sich die-
es Kolloquium – es war nicht nur gut besucht, sondern
uch gut besetzt – mit der Spielsucht als Sucht der post-
odernen Gesellschaft und auch mit den gesundheitsbe-

ogenen Aspekten. Im ersten Teil, in dem es um ord-
ungspolitische Aspekte ging, waren auch einige
ollegen aus dem Bundestag bzw. aus dem Sportaus-

chuss anwesend. Die vorherrschende Meinung, beson-
ers der Koalitionsvertreter, war, dass das Monopol un-
edingt aufrechterhalten werden muss.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das Bundesverfassungsgericht hat vor kurzem nach
iner Klage von privaten Wettanbietern entschieden,
ass das Lottomonopol nicht verfassungsgemäß ist.
leichzeitig hat es festgestellt, dass eine Monopollösung
erfassungsrechtlich zulässig ist, wenn sie der Suchtprä-
ention dient. Die Ziele einer zukünftigen Ordnung des
lücksspielmarktes in Deutschland sollten daher auf je-
en Fall sein: der präventive Schutz der Spieler vor den
efahren der Spielsucht, die Lenkung des Spielbetriebs

n geordneten und kontrollierten Bahnen, die Vermei-
ung von Begleit- und Folgekriminalität und Betrug, die






(A) )



(B) )


Bernd Heynemann
Gewährleistung eines ordentlichen Spielablaufs und die
Abschöpfung von Erträgen zur nachhaltigen Förderung
des Gemeinwohls.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607016400

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Waitz?


Bernd Heynemann (CDU):
Rede ID: ID1607016500

Nein, ich möchte keine Zwischenfrage zulassen.

Die Realisierung dieser Ziele muss die Messlatte für
jedes Ordnungsmodell sein. Legt man diese hohe Mess-
latte an, kommt man zu dem Schluss, dass allein durch
die Aufrechterhaltung des staatlichen Angebots und
durch die Regulierung des Glücksspielmarktes durch ein
Monopol eine konsequente Erreichung der genannten
Ziele sichergestellt ist. Das schreiben Sie sogar in Ihrem
Antrag, meine Damen und Herren von der FDP:

Jede Neugestaltung des staatlichen Sportwetten-
monopols wäre daran zu messen, ob es ihr gelingt,
den Konflikt zwischen fiskalischen Interessen des
Staates und einer aktiven Begrenzung der Spiellei-
denschaft aufzulösen.

Das wollen wir; genau das ist es.


(Birgit Homburger [FDP]: Das glaubt Ihnen doch keiner!)


Nun wird von der FDP ein begrenztes Konzessions-
modell, das heißt die Zulassung gewerblicher und damit
gewinnorientierter Anbieter, gefordert. Dies würde ein
eindeutiges marktwirtschaftliches Element in den
Glücksspielsektor einführen mit der Folge eines europa-
weiten und ungehemmten Wettbewerbs.


(Otto Fricke [FDP]: Was? Marktwirtschaftlich heißt doch gerade nicht ungehemmt!)


Ein begrenztes Modell hieße, dass man nur einigen die
Möglichkeit einräumt, marktwirtschaftliche Strukturen
aufzubauen, wogegen andere wieder klagen würden, zu-
mal für diejenigen, die den Wettbetrieb hier durchführen,
kein Niederlassungszwang in Deutschland besteht. Eine
Vergabe der Konzession kann nach der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofs nämlich nicht von einer
Niederlassung in Deutschland abhängig gemacht wer-
den. Es ist zu erwarten, dass eine größere Zahl der Be-
werber um Lizenzen aufgrund geringerer Steuer- und
Abgabenlast ihren Sitz im europäischen Ausland haben
wird. Eine Besteuerung von Anbietern im Ausland wäre
nicht möglich.


(Beifall des Abg. Klaus Riegert [CDU/CSU])


Es geht also auch um einen fiskalischen Aspekt. Zu
fragen ist: Welcher Umsatz müsste in einem liberalisier-
ten Markt erreicht werden, um die derzeitigen Abgaben
des Lotto- und Glücksspielmarkts für gemeinwohldienli-
che Zwecke zu sichern?


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein riesiger!)


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(C (D er Umsatz betrug 2005 8,1 Milliarden Euro. Wie beeits gesagt, wurden 3,3 Milliarden Euro für gemeinohldienliche Zwecke ausgegeben. Allein schon diese ,3 Milliarden Euro müssten aus Steuermitteln generiert erden. Zusammenfassend sei gesagt: Es gibt in fast allen euopäischen Staaten eine restriktive Zulassungspraxis, in er Regel ein Monopol. (Beifall des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


em liegt ein kultureller Erfahrungshintergrund, gerade
n der Suchtprävention, zugrunde, von dem ich nicht
laube, dass er entwertet ist. Unser gesamtes System der
ottoanbieter ist traditionell darauf ausgerichtet, das
pielbedürfnis der Menschen zu kanalisieren. Der Staat
ill nicht, dass sich der Spielbetrieb schrankenlos entfal-

en kann,


(Otto Fricke [FDP]: Wer will denn das?)


eil dies Menschen ins Unglück zu stürzen vermag. Au-
erdem geht mit dem Glücksspiel erfahrungsgemäß die
efahr von Begleitkriminalität einher, was ich anfangs

m Beispiel des Falles Hoyzer darstellen wollte.

Wir von der CDU/CSU-Fraktion lehnen den FDP-An-
rag zur Liberalisierung des Sportwettenmarktes ab.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607016600

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem

ollegen Parr.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das muss doch nicht auch noch sein!)



Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1607016700

Der Herr Kollege Heynemann hat erwähnt, dass das
onopol aufrechterhalten werden muss, damit keine Be-

leitkriminalität stattfindet und die Hoyzer-Betrüge-
eien aufhören. Darf ich die Kolleginnen und Kollegen
arauf aufmerksam machen, dass die Hoyzer-Betrüger
ei Oddset, also bei dem staatlichen Monopolisten, ge-
pielt haben?


(Beifall bei der FDP – Dr. Peter Danckert [SPD]: Ein ganz wichtiger Beitrag!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607016800

Sie können antworten.


Bernd Heynemann (CDU):
Rede ID: ID1607016900

Werter Herr Kollege Parr, lieber Detlef! Das ist nur

ie halbe Wahrheit. Wir wissen, dass die Brüder Sapina
nternational, in ganz Europa – von Griechenland bis
rankreich – Wetten platziert haben. Also ist bei dem
roblem, das ich angesprochen habe, international und
icht allein auf Oddset zu fokussieren.






(A) )



(B) )


Bernd Heynemann

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist die selektive Wahrnehmung der FDP!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1607017000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine

Lötzsch, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607017100

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Als ich den Antrag der Kollegen der FDP zur
Aufgabe des staatlichen Wettmonopols las, kam mir
die Handschrift gleich sehr bekannt vor.


(Detlef Parr [FDP]: Jetzt kommen die Vorurteile!)


Zuerst zum Allgemeinen. Viele der Anträge, die Sie
einbringen, tragen die gleiche Handschrift. Man braucht
gar nicht lange nachzudenken: Es ist die Handschrift von
Frau Breuel, der letzten Chefin der Treuhandgesell-
schaft.


(Detlef Parr [FDP]: Was? Die hat mit der FDP gar nichts zu tun!)


Frau Breuel hat leidenschaftlich gern privatisiert. Sie hat
alles, was im Osten nicht niet- und nagelfest war, privati-
siert, verkauft, verscherbelt. Unter den Folgen hat Ost-
deutschland noch lange zu leiden. Nun weiß ich nicht,
meine Damen und Herren, ob Frau Breuel einen kleinen
Honorarvertrag bei der FDP-Fraktion hat; ich könnte vor
einer Weiterbeschäftigung nur warnen.

Jetzt zum Konkreten; es ist eine sicherlich auch Ihnen
bekannte Methode, so vorzugehen. – In Ihrem Antrag
fordern Sie, das staatliche Wettmonopol zu verscherbeln,


(Detlef Parr [FDP]: Ganz einfach neu zu entscheiden!)


weil Ihnen die Wettlobby im Nacken sitzt und das ganz
große Geschäft wittert. In Deutschland liegt der Wett-
spieleinsatz pro Kopf bei 33 Dollar, in Großbritannien
bei 627 Dollar und in Hongkong bei 1 848 Dollar. Da
kann natürlich jeder verstehen, dass in den Augen der
Lobbyisten die Dollarzeichen blitzen. In Deutschland
kann man einen zweistelligen Milliardenbetrag erwirt-
schaften, wie eine Studie des Kölner Instituts „Sport +
Markt“ prognostiziert hat. Nur das staatliche Wettmono-
pol steht dem noch entgegen.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt)


Als Wolf im Schafspelz kommt die FDP daher, wenn
sie in ihrem Antrag die Kriterien für die Vergabe von
Konzessionen formuliert. Es soll unter anderem geprüft
werden, ob der Konzessionsnehmer persönlich zuverläs-
sig ist. Wer ist zuverlässig? Ist es der erwähnte Ex-
schiedsrichter Hoyzer, der gerade freigesprochen wurde


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Nein, nein!)


– oder freigesprochen wird, wie wir alle wissen –,

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(C (D (Dr. Peter Danckert [SPD]: Nein, auch nicht! – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht gibt es noch vernünftige Juristen!)


der ist es jemand wie Herr Ackermann von der Deut-
chen Bank? Dem würde ich zum Beispiel auch keine
pielkonzession geben.


(Detlef Parr [FDP]: Jetzt sind wir ganz eng bei der Sache!)


Meine Damen und Herren, weiterhin fordern Sie ein
usgereiftes Sozialkonzept. Auch da kommt wieder die
ereits erwähnte Kollegin Breuel zum Vorschein.


(Klaus Riegert [CDU/CSU]: Was ist mit Oskar Lafontaine?)


ei der Privatisierung ostdeutscher Unternehmen wur-
en von der Treuhand auch immer Sozialkonzepte ver-
bschiedet. Es wurden Beschäftigungsgarantien und an-
ere schöne Sozialmaßnahmen festgelegt. Doch keiner
at sich daran gehalten. Es hat auch keiner kontrolliert.
as Sie uns hier anbieten, ist doch „Sozial-Lametta“,

as, würde Ihr Antrag angenommen – was ja nicht pas-
ieren wird –, gleich nach Weihnachten wieder entsorgt
ürde.

Wir als Linke sind der Auffassung, dass das staatliche
ettmonopol die beste Voraussetzung ist, um die von Ih-

en formulierten Anforderungen zu erfüllen. Eine Kom-
erzialisierung macht nur die privaten Wettbüros reich

nd treibt die Menschen in die Arme von Zockern, de-
en das Schicksal der Spieler gleichgültig ist.


(Detlef Parr [FDP]: Das bringt Arbeitsplätze auch in den Osten!)


Ich bin keine Freundin von Glücksspielen und möchte
hnen jetzt den Spruch meiner Großmutter vortragen:

er wetten will, will auch betrügen. Das hat meine
roßmutter immer gesagt. Es trifft sicherlich nicht ganz

u. Ich kenne aber mehr Menschen, die durch das
lücksspiel unglücklich geworden sind, als solche, die
adurch glücklich geworden sind.

Wir als Linke lehnen den Antrag der FDP ab und for-
ern gleichzeitig die Bundesregierung auf, das Urteil des
undesverfassungsgerichts konsequent zu nutzen, um
ie Wettsucht zu bekämpfen und illegale Wetten intensi-
er zu verfolgen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607017200

Martin Gerster hat das Wort für die SPD-Fraktion.


Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1607017300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

erren! Wir alle fragen uns: Was sind eigentlich die Mo-
ive dafür, dass die FDP schon wieder einen Antrag zum
hema Sportwetten einbringt und im Eilverfahren hier

m Plenum debattieren will?






(A) )



(B) )


Martin Gerster
Die FDP hat doch einen Antrag im Verfahren, einen
Antrag, der in ganzen Passagen mit dem übereinstimmt
– nicht nur Halbsätze –, was uns hier vorgelegt wird,
werter Detlef Parr.


(Dagmar Freitag [SPD]: Die schreiben bei sich selber ab! – Detlef Parr [FDP]: Er ist detaillierter und konkreter!)


Dabei wissen Sie von der FDP-Bundestagsfraktion
doch ganz genau, dass die Ministerpräsidenten in zwei
Wochen die Problematik rund um die Sportwetten lösen
werden. Dann nämlich wird ein neuer Staatsvertrag un-
terschrieben, der unsere Jugendlichen, aber auch Er-
wachsene vor den Gefahren der Wettsucht so gut wie
möglich schützt und im Übrigen sicherstellt, dass der
Breitensport auch über die Wetteinnahmen gefördert
wird.

Wenn die FDP das nicht möchte, dann frage ich mich:
Warum bringt sie sich denn nicht dort ein, wo sie in den
Landesparlamenten und Landesregierungen auch Ver-
antwortung trägt?


(Beifall bei der SPD – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In BadenWürttemberg, in Niedersachsen usw.!)


Warum unterstützt die FDP die Ministerpräsidenten
bei diesem neuen Staatsvertrag? Hier wird von der FDP
ein doppeltes Spiel betrieben. So sieht es aus:


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Spieler! Falschspieler!)


Hier im Bundestag Schaufensteranträge einzureichen,
sich vor den Karren der privaten Wettanbieter spannen
zu lassen, sich aber über die Landesparlamente und die
Landesregierungen, in denen man selber Regierungsver-
antwortung trägt, nicht entsprechend zu engagieren.

Frau Homburger, ich freue mich, dass Sie hier sitzen.
Ich möchte nur an den 9. Mai dieses Jahres erinnern.
Vielleicht erinnern Sie sich auch an den Tag. Das war
der Tag, an dem wunderschöne Bilder produziert wur-
den. Da wurde nämlich der Koalitionsvertrag zwischen
CDU und FDP in Baden-Württemberg unterschrieben.
In diesem Koalitionsvertrag auf Seite 62 liest man – man
höre und staune –:

Auch zukünftig bedarf das Glücksspiel eines sach-
gerechten ordnungsrechtlichen Rahmens, der insbe-
sondere die Anforderungen an den Jugendschutz
und die Suchtprävention beachtet.

Ja, wunderbar.


(Detlef Parr [FDP]: Das wollen wir auch!)


Ferner heißt es da:

Wir werden uns dafür einsetzen, dass ordnungs-
rechtlich begründete Abgaben aus dem Glücksspiel
auch zukünftig für gemeinnützige Zwecke zur Ver-
fügung gestellt werden.



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(C (D (Detlef Parr [FDP]: Entsprechend unserem Antrag!)


Entschuldigung! Lesen Sie mal weiter: –

Wir bekennen uns zum staatlichen Monopol.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie peinlich!)


Im Übrigen fordern Sie in Ihrem Antrag Unmögli-
hes. Sie sagen: Die privaten Wettanbieter sollen eine
izenz erhalten, wenn sie einen inländischen Geschäfts-
itz vorweisen. Das passt doch gar nicht zusammen. Es
st gerade die FDP, die den freien Markt in der Europäi-
chen Union unterstützt. Die Kopplung an einen inlän-
ischen Geschäftssitz, wie in dem Antrag gefordert,
iderspricht der Niederlassungs- und Dienstleistungs-

reiheit in Europa. Das passt überhaupt nicht zusammen.
eswegen ist eine Beschränkung auf inländische Anbie-

er überhaupt nicht möglich. Bestätigt wird das Ganze
urch ein Gutachten von Professor Stein von der Univer-
ität Saarbrücken:

Ein auf wenige gewerbliche Anbieter begrenztes
Lizenzierungsmodell ist europarechtlich nicht reali-
sierbar und kann keine Alternative zum staatlichen
Monopol sein.

ch weiß nicht, ob der FDP-Fraktion dieses Papier be-
annt ist. Es liegt aber auf dem Tisch und ist für jeden
rei zugänglich.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607017400

Lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Parr zu?


Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1607017500

Ja.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607017600

Bitte schön, Herr Parr.


(Dagmar Freitag [SPD]: Das kann nur ins Auge gehen!)



Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1607017700

Mir liegt hier das Protokoll der Sitzung des Schles-

ig-Holsteinischen Landtags von gestern vor. Ich zitiere
en Ministerpräsidenten:

Ich bin der Meinung, wir sollten die Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofes in Sachen
Placanica

da geht es um die Probleme in Italien –

und andere abwarten.

r sagt außerdem:

In den Gesprächen mit den Ministerpräsidenten und
Mitgliedern aus Fraktionen und Regierungen aus
den Ländern erkenne ich auch deren Unbehagen
und ihre Zweifel in Bezug auf den eingeschlagenen
Weg.






(A) )



(B) )


Detlef Parr
Wie beurteilen Sie diese Aussagen, die aus Schleswig-
Holstein kommen, vor dem Hintergrund, dass mittler-
weile klar ist, dass in dieser Frage das Einstimmigkeits-
prinzip gilt?


(Dr. Peter Struck [SPD]: Erst einmal abwarten, was dabei herauskommt!)



Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1607017800

Ich würde sagen, wir sollten erst einmal abwarten,

was dabei herauskommt.


(Detlef Parr [FDP]: Das steht fest!)


Wo ist denn eine Initiative der Bundesländer, in denen
die FDP an der Regierung beteiligt ist?


(Dagmar Freitag [SPD]: In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel!)


Ich sehe überhaupt keine. Sie hätten da doch die Mög-
lichkeit, entsprechend zu agieren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich kann nur noch einmal wiederholen: Die FDP-
Bundestagsfraktion erweist dem Sport mit ihrer Initia-
tive einen Bärendienst und geht der Kampagne der pri-
vaten Wettanbieter voll auf den Leim


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und unterstützt eine für den Sport und die vielen Sport-
vereine schädliche Kampagne.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] – Detlef Parr [FDP]: Sie sind verantwortlich für die sinkende Sportförderung!)


– Ich bin in keiner Weise für sinkende Sportförderung
verantwortlich.

Im Übrigen kann ich nur sagen: Der Sport steht über-
haupt nicht auf der Seite der FDP-Bundestagsfraktion.


(Detlef Parr [FDP]: Der Sport wird sich da schon positionieren!)


Ich habe hier eine entsprechende Mitteilung vom
Württembergischen Landessportbund. Es wird zunächst
die Position der Gegenseite dargestellt:

In dem Brief an die Sportvereine spricht der Präsi-
dent der Lottovermittler, Norman Faber, von erheb-
lichen Umsatzeinbußen, die angeblich durch die
Werbebeschränkungen im geplanten Staatsvertrag
zu befürchten seien – worunter auch Sport, Kultur
und Wohlfahrt zu leiden hätten.

Der Württembergische Landessportbund stellt aber klar,
dass es sich ganz anders verhält. Wörtlich sagt der Präsi-
dent Klaus Tappeser – Klaus Riegert kennt ihn ja auch
ganz gut –:

Nur das staatliche Monopol mit seinen Zweck-
erträgen fördert das Solidarsystem des Sports in

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(C (D Baden-Württemberg – und damit den Breitenund Spitzensport. Ich würde mir wünschen, dass auch die FDP-Bundesagsfraktion nicht gegen den Sport und die Sportvereine gieren würde, sondern zugunsten des Sports und der portvereine. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE] – Zuruf von der SPD: Die FDP ist unsportlich! – Detlef Parr [FDP]: Wer dagegen argumentiert, werden wir sehen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607017900

Ich erteile Winfried Hermann für Bündnis 90/Die

rünen das Wort.


Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607018000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Die FDP ist auf ihrer rastlosen Suche nach
onen ohne Markt fündig geworden, nämlich beim
taatlichen Wettmonopol. Wenn man ihren Antrag ge-
au liest, stellt man fest, dass sie nicht nur versucht, das
taatliche Wettmonopol zu beseitigen, sondern auch ein
eues Modell präsentiert.


(Detlef Parr [FDP]: Mehrere!)


an könnte etwas zugespitzt sagen: Es ist das Modell ei-
er Eier legenden Sportwettwollmilchsau.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sauerei!)


ieses Glücksschwein ist einerseits wettbewerbsgerecht,
emeinwohlbelangeorientiert, nicht nur spielsüchtig ma-
hend, nein, diese auch bekämpfend. Es ist zugleich über
ie nationalen Grenzen hinaus attraktiv. Es ist globalisie-
ungsfest. Kurzum: Es ist kapital, liberal und sozial.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Detlef Parr [FDP]: Jetzt haben Sie aber alle Vorurteile gebündelt!)


s ist beschränkt und frei, es ist föderal, national und
lobal.


(Detlef Parr [FDP]: Jetzt bündeln Sie noch einmal! – Zuruf von der CDU/CSU: Kolossal!)


Jetzt kann man sagen: Das ist ein schönes Modell.
an muss aber einmal ganz ernsthaft festhalten: Das
arktmodell ist in der Tat für viele Bereiche eine sinn-

olle Form des Suchens und des Bedienens. Dort, wo es
u wenig Angebote an Produkten und Dienstleistungen
ibt, braucht man so ein Modell. Die Frage ist aber: Ist
usgerechnet der Spielbereich angesichts der Tatsache,
ass es Wett- und Spielsucht gibt, ein Bereich, wo wir
ber ein Marktsystem für ein Mehr an Spielangeboten
nd für immer verrücktere Angebote sorgen müssen?
rauchen wir hier wirklich mehr Effizienz usw.?


(Detlef Parr [FDP]: Wir reden nur über Sportwetten!)







(A) )



(B) )


Winfried Hermann
Brauchen wir das wirklich? Ist das Marktmodell wirk-
lich das richtige Modell? Da kann ich nur sagen: Völlig
verfehlt; für diesen Bereich taugt das Marktmodell über-
haupt nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, wenn man wirklich etwas
gegen Spielsucht tun will, dann darf man das Angebot
nicht vermehren, sondern muss es beschränken und klar
und eindeutig kanalisieren.


(Detlef Parr [FDP]: Der Staat wird es schon richten!)


Nun sagen Sie, Sie wollten das irgendwie kanalisieren.
Aber Sie geben nicht wirklich an, wie die Spielsucht be-
kämpft werden soll, und sagen auch nicht, wie man den
grundlegenden Widerspruch lösen will, der dadurch ent-
steht, dass man im Markt Wachstum braucht und immer
mehr von ebendem, was man bekämpfen will. Deswegen
taugt das Marktmodell in diesem Bereich überhaupt
nicht.

Ich bin froh, dass die Länder sich jetzt zu einem
Staatsvertrag durchgerungen haben, der sich ganz ein-
deutig zum Monopol bekennt.


(Birgit Homburger [FDP]: Der wird nicht kommen!)


– Die Länder haben sich bisher darauf verständigt. Wenn
Sie da mehr wissen, bin ich gespannt. Bisher höre ich
noch von keinem Bundesland, dass es diesen Staatsver-
trag blockieren will.


(Detlef Parr [FDP]: Doch, SchleswigHolstein!)


– Da sind wir mal gespannt, ob die das wirklich machen.
Wir haben oft genug solche Sprüche gehört und am
Schluss sind die Leute dann doch eingeknickt.

Wir jedenfalls hoffen, dass dieser Staatsvertrag durch-
kommt; denn ich glaube, dass das die richtige Antwort
ist. Kollege Parr, Sie haben angesprochen, dass der
Hoyzer-Skandal und das Ganze unter den jetzigen Be-
dingungen stattgefunden haben. Das ist richtig. Aber
wollen Sie im Ernst diesen Bereich ausweiten und zu ei-
nem privaten Geschäft machen, in dem sich dann ziem-
lich viele Geschäftemacher tummeln werden? Natürlich
werden die Betrügereien dramatisch zunehmen, wenn
man diesen Markt anheizt und ausweitet. Dem leisten
Sie mit Ihrem Vorschlag Vorschub.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss
und fasse zusammen. Das Angebot der FDP ist im
Grunde genommen sportschädlich.


(Detlef Parr [FDP]: Ihre Haltung blockiert die Sportförderung!)


Es kann allenfalls wenigen im Profisport nützen. Sie
sind das Sprachrohr des Profispitzenfußballs im DFB,
aber nicht des Breitensports.

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(C (D ie sind übrigens auch nicht interessensfrei, sondern wir issen, dass Sie mit den freien Wettbewerbsanbietern on Sportwetten gut zusammenarbeiten und sich gerne ponsern lassen. Das heißt, wir wissen, dass Ihre Interesen nicht nur ordnungsrechtlicher Natur sind, sondern uch einen ganz konkreten materiellen Hintergrund haen. Ihr Antrag ist nicht nur sportschädlich, sondern, wie ch meine, letztendlich auch sozialschädlich. (Birgit Homburger [FDP]: Das ist aber unverschämt, Herr Hermann!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


s ist das völlig falsche Modell für ein schwieriges Pro-
lem.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607018100

Der Kollege Dr. Peter Danckert hat das Wort für die

PD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Peter Danckert (SPD):
Rede ID: ID1607018200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-

en! Eigentlich können wir froh sein, dass das Jahr lang-
am zu Ende geht; denn wenn es noch mehr Sitzungswo-
hen gäbe, dann hätten wir wahrscheinlich ein drittes
al das Vergnügen, den FDP-Antrag hier zu behandeln.

Getretener Quark wird breit, nicht stark“, lieber Detlef.


(Detlef Parr [FDP]: Das sind doch nicht wir gewesen!)


Warum eigentlich der heutige Antrag? Der einzige
nterschied zu der letzten Debatte vor wenigen Monaten

st der, dass ihr diesmal keine öffentliche Veranstaltung
it Unterstützung von Bet and Win gemacht habt. Der
ntrag ist derselbe, die Argumente sind dieselben;


(Detlef Parr [FDP]: Wieder falsch gelesen! Überhaupt nicht gelesen! – Dagmar Freitag [SPD]: Wortwörtlich abgeschrieben!)


s hat sich eigentlich überhaupt nichts verändert.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Situation ist so: Die Ministerpräsidenten werden
m 13. Dezember entscheiden. Das wissen wir ja; es ist
on meinem Freund Martin Gerster schon gesagt wor-
en. Die FDP hätte es in der Hand – das wurde hier
chon ausgeführt; aber ich will es noch einmal unter-
treichen –, das, was sie hier mit diesem Antrag angreift
das staatliche Wettmonopol, das die Ministerpräsiden-
en im Auge haben –, zu verhindern, indem Baden-

ürttemberg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
ich dagegen aussprechen.


(Detlef Parr [FDP]: Wir haben dort ja nicht die Mehrheit!)







(A) )



(B) )


Dr. Peter Danckert
Das macht ihr aber nicht und deswegen ist das ein unlau-
teres Vorgehen an dieser Stelle:


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Da, wo man ein Gesetz als Koalitionspartner auf Länder-
ebene glatt verhindern könnte, wird mitgestimmt und
hier im Bundestag macht ihr den Liberalen. So geht es
nicht; entweder – oder.

Das ist eine komplizierte Situation, Detlef Parr; aber
das muss einmal gesagt werden.


(Detlef Parr [FDP]: Das wird dadurch aber nicht richtiger!)


Das Verhalten an dieser Stelle ist völlig uneinheitlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden ja sehen, ob sich die Ministerpräsidenten am
13. Dezember verständigen.


(Detlef Parr [FDP]: Genau so!)


Die Koalition hat ganz klar gesagt, dass die Entschei-
dung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März die-
ses Jahres zwei Möglichkeiten zulässt. Die Ministerprä-
sidenten haben die Initiative ergriffen; wir sind auf sie
angewiesen. Sie sind dabei, einen Staatsvertrag zustande
zu bringen. Ob dieser Staatsvertrag zur Folge hat, dass
all das umgesetzt werden kann, was man sich vorgenom-
men hat, ist in der Tat eine andere Frage. Ich will an die-
ser Stelle gar nicht verhehlen, dass ich in diesem Punkt
etwas skeptisch bin.

Ich fände es sehr gut, wenn wir uns einmal Gedanken
darüber machen würden, wer dahinter steht, anstatt im-
mer über den gleichen Antrag zu reden. Dahinter stehen
Sportveranstalter, deren Veranstaltungen bzw. Spiele für
Wetten genutzt werden. Wir sollten über Leistungs-
schutzrechte nachdenken, wie es die Max-Planck-Ge-
sellschaft gemacht hat. Seit wenigen Tagen liegt nämlich
ein Working Paper vor,


(Zurufe von der SPD: Oh!)


– soll ich „Working Paper“ noch übersetzen? –, in dem
man nachlesen kann, wie kompliziert die Materie ist.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607018300

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Parr

zulassen?


Dr. Peter Danckert (SPD):
Rede ID: ID1607018400

Ja.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607018500

Bitte schön, Herr Parr.


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Herr Parr ist heute sehr aktiv!)


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(C (D Angesichts solcher Beiträge muss man natürlich Fra en stellen. Die FDP ist hier als eine Partei dargestellt orden, die – das ist zumindest die Interpretation des ollegen Danckert – offensichtlich widersprüchlich reaiert. (Dagmar Freitag [SPD]: Ich warte auf die Frage!)

Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1607018600

Ich möchte den Innenminister des Landes Schleswig-
olstein aus der gestrigen Debatte zitieren, Frau Kolle-
in Freitag. Er hat nämlich gesagt: Wer Monopole ver-
eidigt, darf in der Regel als Ewiggestriger gelten. – Dem
st nichts hinzuzufügen.


(Dagmar Freitag [SPD]: Was sagt der FDPInnenminister? – Dr. Peter Struck [SPD]: Was war die Frage?)



Dr. Peter Danckert (SPD):
Rede ID: ID1607018700

Ich denke, jeder hat mitbekommen, dass der Kollege

arr nicht in der Lage ist, eine Frage zu stellen.


(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)

as war eine Kurzintervention. Diese ist zwar nach un-

erer Geschäftsordnung vorgesehen, aber an einer ande-
en Stelle. Sei’s drum.

Wir haben eine Situation, in der wir alle gemeinsam
ut beraten wären, einmal an die Sportveranstalter zu
enken. Denn deren Veranstaltungen werden benutzt,
m Sportwetten durchzuführen. Wenn es beispielsweise
ußballspiele nicht gäbe, dann gäbe es in dem Bereich
eine Wetten. Wir sollten also einmal darüber nachden-
en, wo das Ganze anzusiedeln ist, im Bereich des Urhe-
errechts, im Bereich des Gesetzes gegen den unlauteren
ettbewerb oder an einer anderen Stelle. Das wäre sach-

erecht und förderlich.
Wir sollten nicht jedes Mal über denselben Antrag im

undestag reden. Die Wiederholung alter Argumente
ringt nichts. Neue Argumente wurden von der FDP
icht vorgetragen. Warten wir also ab, was uns die Mi-
isterpräsidenten vorzutragen haben.

In diesem Sinne vielen Dank für Ihre Aufmerksam-
eit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607018800

Die Fraktionen haben verabredet, die Vorlage auf

rucksache 16/3506 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse zu überweisen. – Damit sind Sie of-
ensichtlich einverstanden. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

– Beratung der Beschlussempfehlung und des

(3. Ausschuss)

Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter
deutscher Streitkräfte an der EU-geführten
Operation „ALTHEA“ zur weiteren Stabili-






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
sierung des Friedensprozesses in Bosnien
und Herzegowina im Rahmen der Imple-
mentierung der Annexe 1-A und 2 der
Dayton-Friedensvereinbarung sowie an dem
NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen
Aufgaben, auf Grundlage der Resolutionen
des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
1575 (2004) vom 22. November 2004, 1639

(2005) vom 21. November 2005 und 1722


(2006) vom 21. November 2006


– Drucksachen 16/3521, 16/3636 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Eckart von Klaeden
Detlef Dzembritzki
Dr. Werner Hoyer
Kerstin Müller (Köln)

Dr. Norman Paech


(8. Ausschuss)


– Drucksache 16/3645 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Lothar Mark
Jürgen Koppelin
Michael Leutert
Alexander Bonde

Über die Beschlussempfehlung werden wir später na-
mentlich abstimmen. Es ist verabredet, eine Dreiviertel-
stunde zu debattieren. – Ich sehe keinen Widerspruch.
Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für
die SPD-Fraktion dem Kollegen Johannes Jung.


Johannes Jung (SPD):
Rede ID: ID1607018900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Wir sprechen heute zu dieser Stunde über ein
europäisches Land und über Europäer wie Sie und mich.
Bosnien-Herzegowina liegt mitten in Europa. Auf diese
Formulierung werde ich noch zurückkommen.

Allerdings sprechen wir in diesem Fall über Men-
schen, denen die Erfolge unseres Kontinents der letzten
15 Jahre in Sachen Demokratie und Zusammenwachsen
nach wie vor nicht zuteil geworden sind. Bosnien-Herze-
gowina war als Teil des zweiten Jugoslawien sehr nah
am Westen. Den Menschen in den heutigen EU-Mit-
gliedstaaten in Mittelosteuropa und zumal in der unmit-
telbaren Nachbarschaft, in Ungarn, Rumänien und Bul-
garien, galt Bosnien-Herzegowina bis zum Krieg als ein
fast westliches Land, dessen Lebensstandard weit besser
war als der eigene. Man muss kein so genannter Jugo-
Nostalgiker sein, um das so zu sehen.

Dann plötzlich und für die meisten Beobachter auch
hierzulande unerwartet waren Sarajevo, Banja Luka und
Mostar nicht mehr Städte des jahrhundertelang gut ein-
geübten Zusammenlebens einer friedlichen Bevölkerung
mit einer Sprache, mit katholischen und orthodoxen Kir-
chen, Moscheen und Synagogen, sondern wurden zu
Zentren des mordenden Ethnonationalismus.

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(C (D Ein sehr eindrucksvolles Bild dieser Jahre von 1991/ 992 bis 1995 vermittelte vor einigen Jahren der Film Ničija zemlja“ von Regisseur Danis Tanović unter dem nternationalen Titel „No Man’s Land“, übersetzt „Nie andsland“. Er gewann zahlreiche internationale Preise, arunter den Golden Globe und einen Oscar. Ich nehme n, einige von Ihnen kennen diesen Film. „No Man’s and“ spielt im Wesentlichen in einem Schützengraben, er sich irgendwo in Bosnien-Herzegowina im Nieandsland zwischen den Frontlinien des Krieges befin et. Diese Schützengräben hat die internationale Gemeinchaft damals nicht verhindert. Wegen falscher Wahrehmung, gegenläufiger Interessen und falscher politicher Vorgaben der Europäer und der internationalen taatengemeinschaft waren die Blauhelme völlig überordert und ihre Mission zum Scheitern verurteilt. Die enschen in Bosnien-Herzegowina haben das teuer beahlt. Die Blauhelme, die seinerzeit geschickt wurden, annte man dort im Krieg „strumpfovi“, also Schlümpfe“. Das ist absolut keine respektvolle Beeichnung und macht den Stellenwert dieser internatioalen Truppe in den 90er-Jahren deutlich. Heute, rund 15 Jahre nach dem ersten Schuss und elf ahre nach dem Frieden von Dayton, stimmen wir wieer über die Verlängerung eines Mandates in Bosnienerzegowina ab. Elf Jahre sind eine verdammt kurze eit, wenn es um Wiederaufbau, Rückkehr, Versöhnung nd die Aufarbeitung von Kriegsverbrechen nach einem ürgerkrieg mit mehr als 200 000 Toten geht und Täter nd Opfer sich durchaus im selben Dorf bewegen und ich dort begegnen. Ob Bosnien-Herzegowina noch ehr Zeit bekommt, liegt auch an uns. Die wirtschaftliche Lage in Bosnien-Herzegowina ist chlimm. Organisierte Kriminalität, Zwangsprostitution, enschen-, Waffenund Drogenhandel sind alltäglich nd brandgefährlich. Vordringlich ist deshalb jetzt die egalisierung der Ökonomie, weg von Schwarzmarkt nd Schwarzarbeit. Trotz Besserung der Beziehungen ibt es nach wie vor die Spaltung in die Republika rpska und die Föderation. Die zwei prominentesten riegsverbrecher Ratko Mladić und Karadžić bewegen ich mutmaßlich auch in Bosnien-Herzegowina. Und siherlich ist die international oktroyierte Verfassung eine u Recht ständig beklagte Katastrophe. Das alles ist wahr und das sind große Probleme in osnien-Herzegowina. Das eigentliche politische und eistig-kulturelle Problem jedoch ist der Nationalismus n diesem Land. Trotz der schlichten Tatsache, dass der rieden von Dayton eben nur als Waffenstillstand und amit nur für einen Tag ein Erfolg war, trotz der allseits nd schon im Jahre 1995 bekannten Unzulänglichkeiten er staatsrechtlichen Konstruktion muss uns klar sein: Es st nach wie vor in erster Linie der Nationalismus, der em Fortschritt in diesem Lande im Wege steht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Johannes Jung (Karlsruhe)

Es muss uns klar sein, dass die Verantwortlichen in Bos-
nien-Herzegowina auch mit der denkbar schlechtesten
Verfassung eine vernünftige Politik betreiben könnten,
was sie nicht tun.

Wer das viel bemühte Wort „Ownership“ ernst nimmt,
muss seine Gesprächspartner in der Region mit Nach-
druck auf diese Tatsachen hinweisen und penetrant Bes-
serung einfordern. Das ist nicht einfach; denn die tonan-
gebende Garnitur in den bisher bestimmenden drei
nationalen Parteien hat massive politische und wirt-
schaftliche Eigeninteressen, die absolut nicht mit dem
idealistischen Leitbild von einem vereinten, friedlichen,
demokratischen und EU-orientierten Bosnien-Herzego-
wina übereinstimmen.

Die Mission „Althea“ ist erfolgreich. Sie ist aber kei-
neswegs deshalb erfolgreich, weil sie eine leichte Auf-
gabe hätte und daher überflüssig wäre.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


So rosig ist die Lage nicht, als dass wir dort im
Jahre 2007 zum Beispiel für die Sicherheit von zurück-
kehrenden Flüchtlingen kein Militär mehr bräuchten –
und sei es nur für das subjektive Sicherheitsgefühl dieser
Rückkehrer.

Im Antrag der Bundesregierung werden einige Fort-
schritte in Richtung eines friedlichen und demokrati-
schen Rechtsstaats, der selbstständig die Freiheit und Si-
cherheit seiner Bürger gewährleisten kann, vollkommen
zu Recht festgestellt. Erwähnt werden diverse Reformen,
die uns Mut machen, und erfreulicherweise auch der Sta-
bilitätspakt Südosteuropa mit einer Fülle von zivilen
Projekten.

Das Vorgängermandat SFOR hat verlorenes Vertrauen
zum Teil wieder zurückgewonnen. Seit zwei Jahren nun
ist „Althea“ unter Führung der EU die erfolgreiche Fort-
setzung der internationalen Bemühungen um Sicherheit
und Stabilität in Bosnien-Herzegowina.

Zum Schluss möchte ich noch einen Blick auf die
Wahlen werfen, in die ich persönlich wieder einmal
große Hoffnungen gesetzt hatte. Die Vorherrschaft der
klassischen ethno-nationalen Parteien ist gebrochen. Ihre
Kandidaten waren in der Wahl für das Präsidium unterle-
gen, auch deshalb, weil sie Konkurrenz aus dem eigenen
Lager hatten. Der interessanteste Mann im neuen Präsi-
dium ist Zeljko Komsic, der für eine übernationale Partei
angetreten ist und den wir dringend unterstützen sollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Schlussbemerkung: Alle Anstrengungen von innen
und von außen sind nur erfolgreich, wenn wir die Tür
zur Europäischen Union für die gesamte Region offen
halten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D s darf nicht noch einmal ein europäisches Niemandsand im Südosten Europas geben und schon gar keine euen Schützengräben. Die Begründung für „Althea“ ist die europäische Zuunft von Bosnien und Herzegowina. Deshalb ist der ntrag zur Fortsetzung der Operation richtig. Deshalb timmt die SPD-Bundestagsfraktion diesem Antrag zu. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich danke allen zivilen und militärischen Aufbauhel-
ern in der Region und ich danke Ihnen für Ihre Auf-
erksamkeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607019000

Ich gebe Dr. Rainer Stinner das Wort für die FDP-

raktion.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1607019100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch freue mich, dass heute der Botschafter von
osnien-Herzegowina der Debatte beiwohnt. Mit Ihrer
enehmigung, Frau Präsidentin, darf ich ihn ganz herz-

ich begrüßen. Wir führen eine wichtige Debatte für Ihr
and. Ich freue mich, dass Sie heute bei uns sind.


(Beifall)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDP-
raktion wird heute dem Antrag der Bundesregierung
uf Verlängerung des Mandates zustimmen. Wir zeigen
amit, dass wir weiterhin Verantwortung für die Stabili-
ierung und den Aufbau dieses wichtigen europäischen
andes übernehmen. Wir begrüßen, dass die Bundesre-
ierung die Mandatsobergrenze – eher eine symbolische
ahl, aber ein wichtiges Signal – von 3 000 auf
400 Soldaten reduziert hat. Das ist der richtige Schritt.

Sicherlich kann man in diesem Zusammenhang da-
über diskutieren, ob und wann es richtig ist, die Zahl
er Soldaten vor Ort zu reduzieren. Aber leider, Herr
inister Jung, haben Sie auch dieses Mal wieder mit ei-

er eher unbedachten Äußerung in Bosnien und Herze-
owina Unruhe ausgelöst, wie uns gestern Herr
chwarz-Schilling sehr deutlich bestätigt hat. Sehr ge-
hrter Herr Minister Jung, ich bitte Sie ganz herzlich, bei
hren öffentlichen Äußerungen darauf zu achten, welche

irkung sie im Ausland haben. Selbst wenn Sie das
erwundert, Herr Jung: Was ein deutscher Verteidi-
ungsminister im Ausland sagt, wird in der Welt gehört –
as ist so. Deshalb ist es wichtig, dass wir das hier klar-
tellen.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607019200

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von

laeden zulassen?






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1607019300

Sehr gern lasse ich Zwischenfragen zu.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607019400

Bitte schön.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1607019500

Herr Kollege Stinner, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu

nehmen, dass zunächst einmal im Auswärtigen Aus-
schuss der Komment gilt, dass über Aussagen, die dort
gemacht werden, nicht öffentlich berichtet wird


(Walter Kolbow [SPD]: Sehr wahr!)


und dass zum Zweiten die Aussage, die Sie hier dem
Kollegen Schwarz-Schilling in den Mund gelegt haben,
nicht zutreffend ist?


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1607019600

Ich kann nur darauf hinweisen, dass Herr Schwarz-

Schilling diese Einschätzung der Situation nicht gestern
im Ausschuss, aber durchaus in öffentlichen Äußerun-
gen vorgenommen hat.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da würde ich gern einmal Belege haben!)


– Leider ist Herr Schwarz-Schilling heute nicht da, aber
dazu können Sie gerne Belege sehen.

Die Entscheidung über die Reduzierung des Kontin-
gentes ist von den Entwicklungen in den nächsten Mo-
naten abhängig. Drei Entwicklungen müssen wir genau
beobachten: Erstens. Eine Statusentscheidung über den
Kosovo wird sicherlich Auswirkungen auf die Situation
in der gesamten Region, insbesondere in der Republika
Srpska, haben. Zweitens müssen wir den Bericht über
die zu erwartende Entwicklung abwarten, den uns der
Beauftragte, Herr Schwarz-Schilling, im Februar vorle-
gen wird. Dieser Bericht wird sicherlich Auswirkungen
haben. Drittens. Was passiert eigentlich am 30. Juni des
nächsten Jahres, wenn das Mandat des OHR auslaufen
soll? All das müssen wir beobachten. Es ist sinnvoll, erst
dann die Entscheidung zu treffen, in welchem Umfang
das Kontingent der Soldaten eventuell zu reduzieren ist.

Die gute Nachricht lautet – da sind wir alle derselben
Meinung –: Gegenwärtig besteht keine Gefahr mehr,
dass es in diesem Land zu einem organisierten, bewaff-
neten Konflikt kommt. Diese gute Nachricht ist die Ba-
sis für die Überlegung, die Anzahl der Soldaten in die-
sem Land zu reduzieren.

Der Plan sieht bisher vor, dass das Mandat des Hohen
Repräsentanten am 30. Juni des nächsten Jahres ausläuft.
Herr Schwarz-Schilling hat in einer öffentlichen Sitzung
darüber gesprochen, dass es Überlegungen gibt – das
kann ja angebracht sein –, diesen Zeitplan zu verändern.
Ich bitte die Bundesregierung, uns ihre Position dazu
mitzuteilen. Hält sie an dem Fahrplan 30. Juni fest oder
gibt es Überlegungen, das Mandat OHR zu verlängern
und den Übergang auf die so genannte europäische Lö-
sung entsprechend zu verschieben? Diese Informationen
wären für die Diskussion in diesem Hause interessant.

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(C (D Das Jahr 2007 ist ein – in Anführungsstrichen – deutches Jahr für das Land Bosnien-Herzegowina: Wir stelen den Hohen Repräsentanten, seit November stellen ir mit einem deutschen Admiral auch den obersten ommandeur der EUFOR-Truppen und am 1. Januar es nächsten Jahres übernehmen wir die EU-Ratspräsientschaft. Umso wichtiger ist, dass wir dieser Verantortung im Deutschen Bundestag nachkommen. Desalb bedauere ich es außerordentlich, dass das Budget es Auswärtigen Amtes für dieses Land, für das wir im ahr 2007 besondere Verantwortung übernehmen, in den aushaltsberatungen reduziert worden ist. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ch bedauere es sehr, dass diese Mittel trotz der Bemü-
ungen, die sich die so genannte Balkanfraktion partei-
bergreifend gemacht hat, reduziert werden. Ich bitte die
undesregierung sehr herzlich, im Haushaltsvollzug zu
ersuchen, diesen Fehler – es ist wirklich ein Fehler – zu
orrigieren und die entsprechenden Mittel einzusetzen.

Bosnien-Herzegowina hat wie alle anderen Länder
uropas durch die Vereinbarung von Thessaloniki eine
uropäische Perspektive bekommen. Diese Perspektive
st der Motor für die Entwicklung dieses Landes. Von
aher ist es sehr wichtig, diese Perspektive aufrechtzuer-
alten. Der Kollege Jung hat vorhin schon darauf hinge-
iesen; wir sind uns darin völlig einig.

Der NATO-Gipfel in Riga hat mit dem Angebot des
artnership-for-Peace-Programmes an dieses Land
in weiteres deutliches Signal gesetzt. Die Frage ist tat-
ächlich, ob Bosnien-Herzegowina schon bereit ist, an
iesem Programm mitzuarbeiten. Das Angebot steht auf
eden Fall. Die westliche Welt zeigt: Wir wollen diesem
and helfen, wir wollen es unterstützen, damit es in Eu-

opa und in unsere Gemeinschaft eingeführt wird.

Wir wissen aber genau, dass die Hauptarbeit von die-
em Land selbst geleistet werden muss. Es gibt einige
ignale dafür, dass dort einiges nicht so läuft, wie es lau-
en sollte. Der Verfassungsprozess, die Polizeireform
nd weitere wichtige Reformprojekte stocken in Bos-
ien-Herzegowina im Augenblick. Unser Aufruf an die-
es Land sollte lauten: Wenn ihr zu uns kommen wollt,
eid ihr willkommen; aber erst einmal müsst ihr eure
ausaufgaben machen. Ich stelle immer wieder fest,
ass die insbesondere in Europa verbreitete Denkweise
on der guten Nachbarschaft in dieser Region insgesamt
eider völlig unterentwickelt ist. Wir hoffen, dass wir
uch auf diesem Gebiet Fortschritte machen.

Abschließend frage ich, ob wir eigentlich genügend
un, damit der europäische Geist und das europäische
enken in Bosnien-Herzegowina ankommen können.

ch spreche das kritische Thema des Visaregimes an.
eines Erachtens handelt die Europäische Union völlig
idersprüchlich. Auf der einen Seite erwarten wir, dass
ieses Land das europäische Denken, das europäische
andeln und die europäischen Werte annimmt, verweh-

en den Bürgern dieses Landes aber den Weg nach
uropa. Wir haben ein extrem strenges Visaregime.






(A) )



(B) )


Dr. Rainer Stinner
Abschließend bitte ich die Bundesregierung, im ersten
Halbjahr 2007 jedenfalls hier dafür zu sorgen, dass wir
deutliche Fortschritte machen, damit die Bürger Bos-
nien-Herzegowinas Europa wirklich kennen lernen kön-
nen.


(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Visaausschuss!)


– Herr Bonde, ich habe Sie nicht verstanden.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607019700

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Viel-

leicht können Sie das bilateral besprechen.


Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1607019800

Mein Appell lautet also: Visaregime verändern!

Danke schön.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607019900

Ich erteile das Wort dem Bundesminister Franz Josef

Jung.

Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidi-
gung:

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Seit 1995 beteiligt sich Deutschland mit der Bundeswehr
an der Stabilisierung des Friedensprozesses in Bos-
nien-Herzegowina. Ich denke, die Angehörigen der Bun-
deswehr haben hier einen wichtigen Beitrag zur Schaf-
fung eines sicheren Umfeldes geleistet, in dem sich die
politische Normalisierung und der gesellschaftliche
Wiederaufbau des Landes vollziehen können. Deshalb
möchte ich im Rahmen dieser Debatte unseren Soldatin-
nen und Soldaten, aber auch den zivilen Helfern herzlich
für den Beitrag danken, den sie in Bosnien-Herzegowina
geleistet haben, um ein sicheres Umfeld, eine friedliche
Entwicklung und Stabilisierung in diesem Land zu ge-
währleisten.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Mittlerweile ist dieses Land auf einem guten Weg zu
einem multi-ethnischen, modernen und demokratischen
Rechtsstaat. Hier ist darauf hinzuweisen, dass es zu-
nächst ein Erfolg der transatlantischen Politik war, aber
seit zwei Jahren eindeutig ein Erfolg der europäischen
Politik ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der jüngste Meilenstein ist die ruhig und friedlich
verlaufene Wahl vom 1. Oktober dieses Jahres, bei der
die Bevölkerung Bosnien-Herzegowinas ihre Vertreter
für die Parlamente und die Staatspräsidentschaft in eige-
ner Verantwortung bestimmt hat. Deshalb war es wich-
tig, Kollege Stinner, dass es vor diesen Wahlen keine
Diskussionen gab, die ein falsches Signal ausgelöst hät-
ten.

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(C (D Da wir jetzt einen Stufenplan – ich komme darauf zuück – vorbereiten, ist es notwendig, über die Fragen zu iskutieren, die in diesem Zusammenhang von Bedeuung sind. Aber ich will darauf hinweisen, dass es nicht o ist, dass Bosnien-Herzegowina mit diesen Wahlen sousagen bereits am Ziel angekommen ist. Gemeinsam it der internationalen Gemeinschaft sind noch eine eihe von Herausforderungen zu meistern. Sie haben Christian Schwarz-Schilling angesprochen. s ist zu unterstreichen, dass er einen wichtigen Beitrag eistet, um diesen Prozess positiv fortzuführen und zu eiem guten Ergebnis zu bringen. Deshalb bin ich ihm ehr dankbar – auch im Namen der Bundesregierung – ür den Einsatz, den er in Bosnien-Herzegowina leistet. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Trotz der Erfolge bestehen immer noch Risiken für
ie Sicherheit und die Stabilität. Deswegen ist Bosnien-
erzegowina weiterhin auf die internationale, auf die

uropäische Unterstützung angewiesen. Die Bundesre-
ierung erkennt – ich habe es gerade dargelegt – die po-
itive Entwicklung ausdrücklich an. Sie schlägt deshalb
or, im Einklang mit unseren Partnern die Obergrenze in
em heute zur Abstimmung stehenden Mandat von
000 auf 2 400 Soldaten zu senken. Das bedeutet keine

nmittelbare, einseitige Reduzierung vor Ort, sondern
ies ist mit den europäischen Partnern abzustimmen.
ber es gibt erste Überlegungen – der kommandierende
eneral hat dies den europäischen Verteidigungsminis-

ern nachdrücklich vorgetragen – über den künftigen
mfang der internationalen Präsenz. Ich hoffe, dass im
ezember erste konkrete politische Entscheidungen zur
eduzierung getroffen werden können. Es handelt sich
m einen Stufenplan, der davon ausgeht, dass wir im
rsten Halbjahr des nächsten Jahres mit der ersten Stufe,
lso mit einer konkreten Reduzierung, rechnen können.

Gemeinsam mit unseren europäischen Partnern ver-
olgen wir das Ziel, die Operation „Althea“ in Stufen er-
olgreich zu beenden. Das ist wichtig für Bosnien-Her-
egowina. Es wäre ein weiterer Meilenstein der
eiterentwicklung der Europäischen Sicherheits- und

erteidigungspolitik. Wir müssen diesem Land dann
elbstverständlich auch die europäische Perspektive für
eine Weiterentwicklung geben, um es in eine gute Zu-
unft zu führen.

Ich will hinzufügen: Zu einem erfolgreichen Einsatz
ehört auch, dass man unter Berücksichtigung der allge-
einen Lage – hierbei sind auch die Statusverhandlun-

en im Kosovo in den Blick zu nehmen – imstande ist,
hn sachgerecht zu Ende zu führen. Diese Entscheidung
oll im Dezember dieses Jahres getroffen werden. Jetzt
st es notwendig, dass dieses Mandat, wie vonseiten der
undesregierung vorgeschlagen, in reduziertem Umfang

ortgesetzt wird, um eine Stabilisierung und eine friedli-
he Entwicklung in Bosnien-Herzegowina zu gewähr-
eisten. Deshalb bitte ich Sie namens der Bundesregie-
ung um Zustimmung zur Verlängerung dieses Mandats.

Besten Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607020000

Dr. Norman Paech hat das Wort für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norman Paech (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607020100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich finde es interessant, dass sich die Frau Bundeskanz-
lerin derzeit in der NATO genauso dem Druck anderer
Staaten erwehren muss, wie wir es gewöhnlich im Deut-
schen Bundestag tun müssen, wenn wir uns der Zustim-
mung zum Einsatz bzw. zur Verlängerung des Einsatzes
unserer Truppen im Ausland verweigern.


(Zuruf von der CDU/CSU: Na, na! Dieser Vergleich ist aber ein bisschen schief!)


Ich hoffe allerdings, dass sie sich als genauso standhaft
erweisen wird und sich den Forderungen, die Truppen in
den Süden Afghanistans zu schicken, auch weiterhin
verweigern wird, wie auch wir uns in diesen Fragen im-
mer wieder als standhaft erwiesen haben.


(Beifall bei der LINKEN)


In Bosnien-Herzegowina ist die Situation zum Glück
ganz anders. Ich frage mich: Warum machen Sie es sich
eigentlich so schwer, dieser gänzlich anderen Lage end-
lich mit einem Rückzug des Militärs Rechnung zu tra-
gen? Sie haben gute Ansätze vorgetragen. Herr Minister
Jung hat vor genau einem Monat angekündigt, die Trup-
pen zurückziehen zu wollen. Damals hatte er – daran
darf ich Sie erinnern – prominente Unterstützung. Nicht
nur der Vorsitzende des Bundeswehr-Verbandes, Herr
Gertz, hat ihn unterstützt, sondern auch Herr Struck, der
Vorgänger von Herrn Jung. Der Kollege Siebert von der
Unionsfraktion hat gesagt, dass die militärischen Auf-
gaben dort weitgehend erfüllt seien. Sogar Herr Wester-
welle hat sich zu diesem Zeitpunkt für einen Abzug mit
Augenmaß ausgesprochen.

Dann aber wurde Herr Jung gescholten. Nun möchte
auch er selbst sich nicht mehr an seinen Vorschlag erin-
nern. Die Hauptkritik, die in den Regierungskreisen ge-
äußert wurde, lautete, er hätte seinen Vorschlag nicht mit
der Überlastung der Bundeswehr, sondern allein mit
politischen Argumenten wie der Stabilisierung der Lage
begründen sollen. Hier hätte er ruhig auf seinen Soldaten
Gertz hören sollen. Denn er hat gesagt, dass man beim
zivilen Wiederaufbau seit dem Beginn des Bundeswehr-
einsatzes im Jahre 1995, also vor mehr als zehn Jahren,
derartige Fortschritte gemacht habe, dass das, was übrig
geblieben sei, nun wirklich keine militärische Aufgabe
mehr, sondern allenfalls eine Polizeiaufgabe sei.


(Beifall bei der LINKEN)


Das war schon vor einem Jahr unser zentrales Argu-
ment, als wir die Verlängerung des Mandats abgelehnt
haben. Heute können wir unsere Bestätigung, dass wir
Recht hatten, im Antrag der Regierung nachlesen. Dem,
was Sie in Ihrem Antrag zum Aufbau des Justizwesens,
zur Polizeireform, zum Beitrag der Bundesregierung zur
Stabilisierung und zur Demokratisierung Bosnien-Her-
zegowinas und zur Tätigkeit von Herrn Schwarz-
Schilling geschrieben haben, kann man zustimmen oder

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(C (D icht. Aber eines ist klar – das hat auch Herr Stinner unerstrichen –: Es ist, und zwar zu Recht, an keiner Stelle avon die Rede, dass die Situation in Bosnien-Herzegoina auch weiterhin eine Bedrohung des Weltfriedens der der internationalen Sicherheit darstellt. Darüber ollte zwischen uns eigentlich Einigkeit herrschen. Die einzigen Fehlentwicklungen, die Ihren Antrag beründen sollen, sind die organisierte Kriminalität und ie Korruption. Das gibt es aber auch bei uns. Wir würen doch nie auf den Gedanken kommen, diese Proleme mit dem Einsatz von Militär zu bekämpfen. (Beifall des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE])


enn Sie meinen, dass die Institutionen in Bosnien-Her-
egowina, die derartige Probleme eindämmen können,
ämlich Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz, der Lage
icht gewachsen sind, dann fordern wir Sie auf: Stecken
ie die 74 Millionen Euro, die Sie der Bundeswehr zur
erfügung stellen wollen, in den Aufbau dieser Institu-

ionen, damit sie in die Lage versetzt werden, Korruption
nd Kriminalität zu bekämpfen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie ferner meinen, dass die Präsenz des Militärs
ür das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung so wichtig sei
Herr Schwarz-Schilling hat dies nicht nur im Aus-
chuss gesagt, sondern auch öffentlich –, dann bedenken
ie, dass man dieses Gefühl viel besser mit sichtbarer
räsenz ziviler Institutionen wie der Polizei und einer
unktionierenden Justiz erreichen kann. Stattdessen kür-
en Sie die Mittel für den Stabilitätspakt für Südost-
uropa von 30 Millionen Euro auf 15 Millionen Euro.
as ist genau der falsche Weg.


(Beifall bei der LINKEN)


Beim Gefühl der Sicherheit geht es um Psychologie.
erade ein Abzug des Militärs könnte der Bevölkerung

ignalisieren, dass keine Kriegsgefahr mehr besteht, dass
as Land nunmehr auf einem eigenen, sicheren, souverä-
en Weg in die Zukunft ist. Mit einer anhaltenden Mili-
ärpräsenz würden Sie dagegen eine Gefahr vorspiegeln,
ie in der Realität schon seit längerem nicht mehr be-
teht. Deswegen lehnen wir diesen Antrag nunmehr zum
weiten Mal ab.

Danke sehr.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607020200

Ich erteile Marieluise Beck das Wort für Bündnis 90/

ie Grünen.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE
RÜNEN):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch möchte ganz kurz einen etwas prekären Sachverhalt
nsprechen. Ohne dem umtriebigen Kollegen Stinner,
er sein Amt als Beauftragter des Deutschen Bundesta-
es für Bosnien und Herzegowina wunderbar wahr-
immt, nahe treten zu wollen, muss ich sagen: Wir






(A) )



(B) )


Marieluise Beck (Bremen)

haben leider keine Deutsch-Bosnische Parlamentarier-
gruppe. Ich halte das für einen Fehler. Bosnien ist ein
Land, zu dem es kaum engere Verbindungen geben
könnte, ein Land, mit dem wir in vielfältiger Weise ver-
bunden sind. Die Bosnier sind sehr enttäuscht, dass es
bis jetzt eine solche Parlamentariergruppe noch nicht
gibt. Sie bräuchten dringend parlamentarischen Aus-
tausch mit uns, gerade weil die Nationalitäten und die
Ethnien in Bosnien es miteinander oft so schwer haben.
Ich würde darum bitten, dass wir, alle Fraktionen mit-
einander, darüber nachdenken, ob dieses Fehlen einer
entsprechenden Gruppe nicht zu heilen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der FDP und der LINKEN)


Dass eine Parlamentariergruppe, die sich mit Südost-
europa befasst, nach Serbien, Kosovo und Montenegro
fährt, aber um Bosnien herum, ist angesichts der politi-
schen Bedeutung Bosniens und der Verbindungen, die
wir zu diesem Land haben, nicht angemessen.

Zu der heute anstehenden Entscheidung. Deutschland
ist mit dem Fall der Mauer politisch in ein neues Zeital-
ter gestoßen worden. Wir mussten lernen, dass erwartet
wird, dass wir an internationalen Interventionen teilneh-
men. Auch wurde von uns die Einsicht erwartet, dass hu-
manitäre Interventionen manchmal einen militärischen
Teil brauchen. Ich will meine Redezeit an Sie nicht ver-
schwenden, Herr Paech. Aber dass Sie Srebrenica, die
Befreiung von Sarajevo und die Tatsache, dass das Ende
des Mordens erst mit der Militärintervention kam, ein-
fach unter den Tisch fallen lassen, das ist unglaublich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wenn wir im Zusammenhang mit Bosnien eines gelernt
haben, dann doch das: Es kann sehr inhuman sein, nicht
militärisch zu intervenieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)


Zu der Entwicklung in Bosnien. Dieses Land befindet
sich im Stadium des Nation-Building. Das ist ein
schwieriger Prozess, der in jedem Land mit anderen In-
strumentarien zu leisten ist. Aber offensichtlich ist es
überall ein Prozess, der unendlich viel Geduld braucht.
Es wäre absurd, jetzt, nach den vielen Jahren, nach den
Investitionen, die an Menschen und Finanzen geleistet
worden sind, durch Ungeduld, durch Kurzatmigkeit das
Erreichte zu zerstören. Deswegen ist es richtig, dass in
verringertem Umfang Truppen bleiben. Ich will noch
einmal sagen: Die Menschen in Bosnien – und zwar aller
Ethnien – wünschen sich den Verbleib von „Althea“.

Bosnien ist nach wie vor ein fragiler Staat; wir haben
vor kurzem darüber gesprochen. Als Folge von Dayton
hat Bosnien nach wie vor vollkommen unzureichende
Grundlagen. Es kann noch gar kein richtiger Staat sein,
weil seiner Verfassung fast alle wesentlichen Teile
fehlen, die eine Nation braucht: Es gibt keine Ewigkeits-
garantie für demokratische Rechte, es gibt keine Finanz-
verfassung, es gibt keine Schul- und Wissenschaftsver-

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(C (D assung, es gibt bisher keine rechtspolitische Verfassung nd die unabhängige Justiz steckt in dramatischer Weise och in den Kinderschuhen. Wenn man sich klar macht, dass dort ein Kriegsverrecher in einer Entität zu einer Höchststrafe von 25 Jahen verurteilt werden kann, während es auf Staatsebene is zu 45 Jahren sind, dann wird die Absurdität sehr ofensichtlich. Man sieht daran, dass es noch kein gemeinames Bosnien gibt. Daran muss gearbeitet werden. Daür braucht Bosnien noch Zeit. Wir sollten noch einmal sehr gut überlegen, ob es icht doch zu früh ist, das OHR-Mandat im kommenden ommer abzuschließen und diesen Aktendeckel zuzuachen, weil damit die Bonn Powers verloren gehen. egen der Zentrifugalkräfte, die es in dem Land derzeit och gibt, wegen des starken Nationalismus und wegen er Unvollkommenheit der Verfassung plädiere ich daür, dass in jedem Fall ein Weg dafür gesucht wird, dass ie Durchgriffsrechte für denjenigen, der dort als Repräentant tätig sein wird – wer auch immer das sein wird –, eiterhin bestehen bleiben. Ich glaube, man braucht sie ür den Aufbau dieses Landes und damit dieses Land in rieden erwachsen werden kann. Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607020300

Für die SPD-Fraktion spricht Gerd Höfer.


Gerd Höfer (SPD):
Rede ID: ID1607020400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
anchmal hat man im parlamentarischen Spiel das
lück, die Gelegenheit zu haben, das Land, über das

ich eine Streitfrage entwickelt hat, zu besuchen. Am
. und 3. November 2006 war ich dank Peter Struck, der
as für die SPD-Fraktion verantwortet hat, und anderer
n Bosnien-Herzegowina.

Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir bestimmte
inge aus unserer eigenen Sicht auf ein Land projizie-

en, während wir von dem Land nur relativ wenig wis-
en. Auch dank der fürsorglichen Begleitung des Bot-
chafters wurde mir bei diesem Besuch gezeigt, wie es
ort zurzeit in weiten Teilen aussieht. Wir wollen nicht
arum herumreden. Ich nehme an, der Kollege Schwarz-
chilling, mit dem ich in der Botschaft in Sarajewo habe
eden können, wird nichts dagegen haben, dass ich sage,
ass er am 6. November 2006 dem „Spiegel“ ein Inter-
iew gegeben hat, in dem steht, dass die Ankündigung
on Dr. Jung, die Bundeswehr aus Bosnien abzuziehen,
ort eine Diskussionslawine ausgelöst hat.

Vier Tage vorher habe ich mir die Situation vor Ort
ngeschaut. Dr. Stinner, man kann das eine so und das
ndere anders sehen. Es gibt nichts, was nur gut oder nur
chlecht ist. Die Diskussionslawine, die dort ausgelöst
urde, hat dazu geführt, dass man sich die Situation in
osnien-Herzegowina genauer anschaut. Ich sage ein-
al, was die „loyal“, die Zeitschrift der Reservisten, vor






(A) )



(B) )


Gerd Höfer
wenigen Tagen veröffentlicht hat: Es ging von der Mei-
nung eines Redakteurs, dass es dort einen schlafenden
Krieg gebe, bis hin zur Aussage, Bosnien-Herzegowina
sei relativ stabilisiert.

Liebe Kollegin Beck, ich bitte darum, nicht immer
den englischen Begriff „Nation Building“ zu verwenden.
In Bosnien-Herzegowina tut die Antwort auf die Frage
Not, ob sich dort eine Staatsbürgerschaft entwickelt,
gleichgültig welcher Ethnie irgendjemand angehört.
Eine Nation wird es nie werden.

In diesem Zusammenhang hatten natürlich auch die
Soldaten bestimmte Hoffnungen. Sie haben gesagt: Na
gut, wenn die plakative Aussage verwirklicht wird, dann
werden wir Weihnachten wieder zu Hause sein. – Auf-
grund ihrer eigenen Einschätzung haben sie aber selbst
gesagt: Dass es so nicht gehen wird, kann man erkennen,
wenn man die Liaison and Observation Teams besucht
hat. Ich hatte die Gelegenheit, einen Vormittag lang ein
solches Team durch eine Kleinstadt mit etwa 5 000 bis
6 000 Einwohnern und deren Umfeld zu begleiten.

Auch von den Menschen in Uniform, die dort mitten
in der Gesellschaft wohnen, ist klar gesagt worden, dass
eine sich selbst tragende Sicherheitsstabilität ohne Un-
terfütterung durch ein militärisches Angebot in Bosnien-
Herzegowina noch nicht besteht.

Meine Empfehlung weicht etwas von dem ab, was der
Bundesminister der Verteidigung ausgeführt hat. Wenn
man im Dezember mit einer Review beginnt, kann diese
möglicherweise nicht vor Januar abgeschlossen werden,
weil die Wahlen in Serbien auch eine Rolle spielen. Da-
mit sind Risiken verbunden, die auf Bosnien-Herzego-
wina ausstrahlen können. Das geht auf eine unselige
Verfassungsbestimmung zurück; die Ethnien – übersetzt
heißt das: die Religionen – haben in Bosnien-Herzego-
wina ein Minderheitenrecht im Parlament erstritten.
Übertragen wir das einmal auf den Bundestag. Ich
nehme nur die zwei größten Religionen als Beispiel.
Man stelle sich vor, was hier los wäre, wenn die Protes-
tanten – um einen veralteten Begriff zu gebrauchen – ein
Minderheitenvotum gegenüber den Katholiken hätten
oder umgekehrt.

Ich wage nicht einzuschätzen, wie die Wahlen in Ser-
bien ausgehen und inwieweit sie nationalistische Ten-
denzen haben, zumal in der Verfassung festgeschrieben
ist, dass das Kosovo auf ewig serbisches Hoheitsgebiet
bleibt. Ich wage zurzeit nicht auszudenken, was ge-
schieht, wenn die Statusfrage des Kosovos geklärt wird
– in welche Richtung auch immer –, ob nicht separatisti-
sche und ebenfalls auf die Religionsgemeinschaft bezo-
gene Auseinandersetzungen in Bosnien-Herzegowina
ausbrechen könnten. Denn das würde eine Signalwir-
kung haben. Von der Republik Srpska wurde seit lan-
gem angekündigt, dass ähnlich wie in Montenegro ein
Referendum darüber entscheiden soll, ob sich die Repu-
blik Srpska nach Serbien orientiert. Dadurch würde sich
das gesamte Staatsgebilde Bosnien-Herzegowina völlig
anders darstellen als heute.

Es gibt dort also noch jede Menge politische Risiken,
die wir begleiten müssen. Allein durch Polizeikräfte,

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(C (D hne dass die Stabilität von Soldaten bzw. der internatioalen Gemeinschaft abgesichert wird, wird nichts zu ereichen sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Selbst wenn es inzwischen gelungen ist, ein Verteidi-
ungsministerium für Bosnien-Herzegowina zu imple-
entieren, sind die Soldaten, die von diesem Verteidi-

ungsministerium befehligt werden sollen, immer noch
ein ethnisch und religiös geprägt. Die Republik Srpska
at eine andere Struktur als die Allianz aus Kroaten und
osniern. Das ist in diesem Fall unproblematisch, weil
icht von einem Krieg auszugehen ist.

Anders verhält es sich, wenn man diese Verhältnisse
uf die Polizeistruktur überträgt. Wenn der Innenminis-
er keine Herrschaft über seine eigenen Polizeikräfte hat
nd auch bei diesen ethnische oder religiöse Gesichts-
unkte eine Rolle spielten, dann wäre das Ziel einer
elbst tragenden Stabilität sehr weit entfernt. Insofern ist
ie Ankündigung des Ministers, die in unserem Bundes-
agsmandat festgelegte Obergrenze zu senken, richtig.
as ist aber leider in Bosnien-Herzegowina so verstan-
en worden, dass die Zahl der 872 Soldatinnen und Sol-
aten, die sich zurzeit noch dort aufhalten, reduziert wer-
en soll.

Dass die Obergrenze gesenkt werden kann, steht au-
er Frage. Wie weit man das machen kann oder soll,
ollte nach den Wahlen in Serbien bzw. nach einer Re-
iew im Dezember, Januar oder Februar entschieden
erden, wenn die wichtigen politischen Fragen geklärt

ind. Dann sollten wir uns allerdings an die mühselige
ufgabe begeben, eine Exitstrategie zu entwickeln, die

llerdings konditioniert sein sollte. Eine Kondition
önnte unter anderem darin bestehen, dass es von der
uropäischen Gemeinschaft nicht hingenommen wird,
ass die Verfassung ein ethnisches Minderheitenvotum
orsieht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Diese Aufgabe fällt dann – wie Herr Dr. Stinner fest-
estellt hat – Gott sei Dank in die deutsche Hauptver-
ntwortung, die sich durch die deutsche EU-Ratsprä-
identschaft, den deutschen Hohen Repräsentanten für
osnien-Herzegowina und einen deutschen Komman-
eur ergibt. Ich denke, diese Aufgabe ist nicht nur hin-
eichend sinnvoll, sondern auch interessant. Denn dann
önnte ein Stabilitätsanker in einem Bereich entstehen,
er bisher noch nicht zur Ruhe gekommen ist und des-
alb noch militärische Unterstützung braucht. Das
urde mir bei meinem Besuch auch von den Militärs be-

tätigt. Sie sehen darin eine sinnvolle Aufgabe.

Ich bitte Sie herzlich um die breit gefächerte Zustim-
ung dieses Hauses.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607020500

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich dem letz-

ten Redner das Wort gebe, bitte ich darum, den Ge-
räuschpegel zu senken.


(Beifall)


Ich weiß, dass es untereinander viel zu besprechen gibt,
aber ich glaube, die Debatte ist zu wichtig.

Herr Kollege Freiherr zu Guttenberg, Sie haben das
Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



(CDU/ CSU)


Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! In den vergangenen Jahren ist in Bosnien-Her-
zegowina tatsächlich viel erreicht worden. Allerdings
verharrt auch vieles in Stagnation; Kollege Stinner und
Kollege Jung sowie andere haben in dieser Debatte da-
rauf hingewiesen. Der gescheiterte Verfassungsprozess
ist das eine, die stockende Polizeireform das andere. Wir
können die Verantwortlichen vor Ort gar nicht mit genü-
gend Nachdruck dazu aufrufen, beide Prozesse wieder in
Gang zu bringen und auf diesem Weg fortzuschreiten,
damit hier wieder Substanz geschaffen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Errungenschaften, von denen wir sprechen, Herr
Kollege Paech – Frau Beck, hier gebe ich Ihnen aus-
drücklich Recht –, sind auch und gerade auf die unter-
stützenden Leistungen unserer Bundeswehrsoldaten vor
Ort zurückzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Daher können wir von einem erfolgreichen integrierten
Ansatz in Bosnien-Herzegowina sprechen, der den zivi-
len Ansatz mit dem militärischen verzahnt. Seitens der
Unionsfraktion gibt es genügend Gründe, unseren Solda-
ten wie den zivilen Kräften vor Ort sehr zu danken.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Dieser einmal im Jahr ausgesprochene Dank dürfte an-
gesichts der Belastungen und Entbehrungen vor Ort so-
wie des Verzichts auf Familie und gewohnte Umfelder
– das gilt sowohl für die zivilen als auch für die militäri-
schen Kräfte – manchmal etwas breiter ausfallen. Umso
unwürdiger ist die Behandlung durch manche hier im
Saal, die dem keine Beachtung schenken. Ich glaube, un-
sere Soldaten haben mehr verdient als das.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Arbeit des Hohen Repräsentanten Christian
Schwarz-Schilling wurde heute schon einige Male blu-
menreich hervorgehoben. Ich schließe mich diesem Rei-
gen gerne an und danke ihm seitens der Unionsfraktion
für seinen Einsatz herzlich. Er ist jemand, der mit pro-

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(C (D undem historischen Wissen an die Sache herangeht und ie Region kennt, der aber, wenn es geboten ist, Härte eigt – Stichwort „Bonn Powers“ –, und zwar in Verbinung mit konstruktiven Ansätzen. Christian Schwarzchilling, auch von unserer Seite herzlichen Dank für iese Arbeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Noch ein Wort zur Entscheidung von Riga in den
etzten beiden Tagen, Serbien, Bosnien-Herzegowina
nd Montenegro die Tür für PfP zu öffnen. Diese Tür
ar bislang nur quietschend zu öffnen. Das Ausmaß der
eisheit dieser Entscheidung werden wir wahrschein-

ich erst nach den Wahlen in Serbien am 21. Januar
ächsten Jahres ermessen können. Mir ist sehr wichtig,
ervorzuheben, dass es in unserem Interesse liegt, dass
ie Perspektive der NATO-Mitgliedschaft und die einer
uropäischen Mitgliedschaft gerade im Hinblick auf Ser-
ien aufrechterhalten wird. Aber wir dürfen mit unseren
rundsätzen nicht brechen. In diesem Kontext ist es mir
mit Blick auf die Bundesregierung – wichtig, deutlich
u machen, dass wir auch nach der Entscheidung in den
etzten beiden Tagen immer wieder darauf hinweisen,
ass die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Straf-
erichtshof all das erst begründet, was in Zukunft ge-
ährleistet werden kann. Das ist ein sehr wichtiger
unkt.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deutschland wird im Rahmen der doppelten Präsi-
entschaft im kommenden Jahr – darauf wurde bereits
ingewiesen – aufgerufen sein, ein Höchstmaß an Fin-
erspitzengefühl, Kreativität und Fertigkeiten an den
ag zu legen, insbesondere wenn es um die Lösung einer
er Schlüsselfragen dieser Region, den Status des
osovo, und darum geht, dies konfliktfrei zu gestalten

nd ein Übergreifen dieses Problems auf Bosnien-Her-
egowina zu verhindern, Stichwort „Republika Srpska“.
ir müssen vorsichtig vorgehen.

Gerade vor diesem Hintergrund bleibt die Verlänge-
ung der Mission „Althea“ das Gebot der Stunde und un-
erzichtbar. Wir müssen Konflikte vermeiden. Das lässt
ich nicht ohne eine militärische Präsenz herstellen. Von
aher ist die Verlängerung in unserem Interesse. Die
nion unterstützt den Antrag der Bundesregierung und
ird ebendiesem Antrag zustimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Insgesamt handelt es sich bei „Althea“ in unseren Au-
en um ein Erfolgsmodell europäischer Verantwortung,
as für andere Partner kein Gegengewicht bedeutet und
as nicht im Gegensatz zu anderen Organisationen wie
er NATO entwickelt wurde; vielmehr gibt es Ver-
chränkungen, Verzahnungen. Komplementäres Handeln
teht im Vordergrund. Ein solches Erfolgsmodell ist
etztlich ein Zukunftsmodell, möglicherweise auch für
ndere Einsätze. Wir können stolz auf das sein, was mit
Althea“ in der Region geleistet wurde. Wir haben im-
ense Aufgaben zu lösen. Von daher ist die Verlänge-






(A) )



(B) )


Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
rung dieses Mandats notwendig. Wir bitten Sie alle um
Unterstützung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607020600

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-

empfehlung des Auswärtigen Ausschusses, Druck-
sache 16/3636, zu dem Antrag der Bundesregierung zur
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
Streitkräfte an der EU-geführten Operation „Althea“.
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck-
sache 16/3521 anzunehmen. Es ist namentliche Abstim-
mung verlangt. Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen,
bei der Stimmabgabe sorgfältig darauf zu achten, dass
sie nur eine Stimmkarte einwerfen, die auch ihren Na-
men trägt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind
alle Plätze an den Urnen besetzt? – Das scheint der Fall
zu sein. Ich eröffne hiermit die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das scheint nicht der
Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-
lung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird
Ihnen später bekannt gegeben.1)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Hans-
Kurt Hill, Eva Bulling-Schröter, Lutz Heilmann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der LIN-
KEN

Heizkostenzuschüsse für einkommensschwa-
che Privathaushalte ermöglichen
– Drucksache 16/3351 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f))
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Haushaltsausschuss

Für die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgesehen. –
Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich bitte Sie, Ihre Gespräche außerhalb des Plenarsaa-
les fortzusetzen, und erteile das Wort dem Kollegen
Hans-Kurt Hill, Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607020700

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Gäste und alle, die mir zuhören
oder die mir nicht zuhören!

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z1) Ergebnis Seite 6994 D

(C (D und 1 Million Menschen in Deutschland müssen dieses ahr Wohngeld in Anspruch nehmen. Die bisherige Art ieser Mietzuschüsse ist völlig ungeeignet, um armen aushalten konsequent zu helfen. Das hat zwei Gründe: rstens. Die Energiekosten sind explosionsartig gestieen. Zweitens. Ausgerechnet für Heizung und warmes asser gibt es keinen Zuschuss. Ich möchte das noch einmal verdeutlichen: Die Mieen sind in den letzten fünf Jahren um 5 Prozent gestieen, aber die Energiekosten für Privathaushalte sind im leichen Zeitraum um 30 Prozent gestiegen. echnen Sie einmal weiter! Allein der Anstieg der Eneriepreise seit 2004 macht mittlerweile den Gegenwert on fast zwei Monatsmieten aus. Was ist mit dem Einkommen? Gerade in den unteren ohngruppen ist es praktisch gleich geblieben. Es ist eher weniger, ja. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Ist das Kritik an den Gewerkschaften oder was ist das?)


(Ernst Burgbacher [FDP]: Wir hören zu!)


(Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!)


(Zuruf von der LINKEN)


er mit wenigen Hundert Euro pro Monat auskommen
uss, wohnt oft in schlecht isolierten Wohnungen, das

eißt zugige Fenster anstelle von Doppelverglasung, der
eiz-ist-geil-Kühlschrank anstelle eines Energiesparmo-
ells der Kategorie „AAA+“, Durchlauferhitzer mit ho-
em Verbrauch anstelle der Zentralheizung mit Warm-
asserversorgung. So könnte man die Aufzählung
eiterführen. Ich bin mir aber sicher, dass Menschen mit

o wenig Geld in der Tasche uns in Sachen Energiespa-
en trotzdem noch einiges vormachen.

Wer aber glaubt, diese Bürgerinnen und Bürger könn-
en noch mehr Energie einsparen, hat den Ernst der so-
ialen Schieflage in Deutschland nicht begriffen.


(Beifall bei der LINKEN)


ch sage Ihnen: An dieser Stelle ist es unsere Pflicht, zu
andeln. Hier müssen wir handeln.


(Beifall bei der LINKEN)


er gravierende Mangel im Wohngeldgesetz muss sofort
ehoben werden. Heiz- und Warmwasserkosten müs-
en für wohngeldberechtigte Haushalte in angemessener
öhe erstattungsfähig werden.


(Beifall bei der LINKEN – Unruhe)


Ich entnehme der Unruhe: Jeder wird wieder fragen:
oher soll das Geld kommen?


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie machen sich doch keine Gedanken darüber, oder?)


Das sagen Sie in Ihrer Leichtfertigkeit. – Ich sage: Die
egenfinanzierung ist sehr einfach. Über die Mehr-
ertsteuer profitiert auch der Finanzminister vom jetzi-
en Energiepreiswucher. Schrauben die Energiekon-
erne die Preise hoch, füllt sich auch Steinbrücks






(A) )



(B) )


Hans-Kurt Hill

Konsequenz – kein Weihnachtsmärchenbesuch mit den weiteren Stabilisierung des Friedensprozesses in Bos-nien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung

Oma und Opa, kein Weihnachtsbraten oder sogar kein
Tannenbaum?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der großen Ko-
alition, machen Sie Schluss mit der Umverteilung von
unten nach oben! Sie entscheiden, ob es in Deutschland
in vielen Wohnungen kalt oder warm ist. Sie entscheiden
das.

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Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 534;
davon

ja: 486
nein: 46
enthalten: 2

Ja

CDU/CSU

Ulrich Adam
Ilse Aigner
Dorothee Bär
Thomas Bareiß
Norbert Barthle
Günter Baumann
Ernst-Reinhard Beck


(Reutlingen)

Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Otto Bernhardt
Clemens Binninger
Carl-Eduard von Bismarck
Renate Blank

Peter Bleser
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen


(Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Helmut Brandt
Dr. Ralf Brauksiepe
Monika Brüning
Georg Brunnhuber
Gitta Connemann
Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Thomas Dörflinger
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Georg Fahrenschon
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Enak Ferlemann
Ingrid Fischbach
Hartwig Fischer (Göttingen)

Dirk Fischer (Hamburg)


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(D owie an dem NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen ufgaben, auf Grundlage der Resolutionen des icherheitsrates der Vereinten Nationen“, Druckachen 16/3521 und 16/3636, bekannt: Abgegebene timmen 534. Mit Ja haben gestimmt 486, mit Nein haen gestimmt 46, Enthaltungen 2. Damit ist die Bechlussempfehlung des Ausschusses angenommen. xel E. Fischer (KarlsruheLand)

r. Maria Flachsbarth
laus-Peter Flosbach
erbert Frankenhauser
r. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


ochen-Konrad Fromme
r. Michael Fuchs
ans-Joachim Fuchtel
r. Jürgen Gehb
orbert Geis
berhard Gienger
alf Göbel
r. Reinhard Göhner

osef Göppel
eter Götz
r. Wolfgang Götzer
te Granold
einhard Grindel
ermann Gröhe
arkus Grübel
anfred Grund
onika Grütters
arl-Theodor Freiherr zu
Guttenberg

Holger Haibach
Gerda Hasselfeldt
Ursula Heinen
Uda Carmen Freia Heller
Michael Hennrich
Jürgen Herrmann
Bernd Heynemann
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Robert Hochbaum
Klaus Hofbauer
Franz-Josef Holzenkamp
Joachim Hörster
Anette Hübinger
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr. Hans-Heinrich Jordan
Andreas Jung (Konstanz)

Bartholomäus Kalb
Hans-Werner Kammer
Steffen Kampeter
Alois Karl
Bernhard Kaster

(Villingen Schwenningen)

Volker Kauder
Kindern, kein Weihnachtsgeschenk, kein Besuch bei der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung
Haushaltskasse. Erzählen Sie u
kein Geld, den armen Haushalte
den letzten Monaten eine beisp
orgie zugunsten der Konzerne
dass die Bundesregierung daf
tung verlangte.

Und wie ist es bei Wohngelde
Empfängern? Diese – das kann
sagen – müssen sich quasi für
Behörden ausziehen.

Machen Sie endlich Schluss
Geld an die Leute weiter, die e
für die armen Haushalte in Deu
dicker:

Erstens. Die Mehrkosten fü
diesem Winter gegenüber dem
verdoppeln.

Zweitens. Die von Ihnen be
höhung der Mehrwertsteuer auf
men Haushalte vollends in Exis

Sagen Sie mir: Wie soll da n
Teilhabe sichergestellt werden
warme Wohnung und kein war
ns bitte nicht, Sie hätten
n zu helfen! Sie haben in
iellose Steuerbefreiungs-
betrieben, und zwar ohne
ür eine echte Gegenleis-

mpfängern und Hartz-IV-
man nur immer wieder

ein „Handgeld“ vor den

damit und geben Sie das
s ehrlich brauchen! Denn
tschland kommt es noch

r Energie werden sich in
letzten Jahr noch einmal

schlossene unsinnige Er-
19 Prozent bringt die ar-
tenznot.

och eine gesellschaftliche
, wenn es heißt: keine
mes Wasser und – in der

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(Beifall bei der LINKEN [SPD]: Das ist Populismus zuhalten, was Sie für ein den! – Sören Bartol [SPD] lich!)


Eines möchte ich Ihnen noc
st keiner freiwillig arm.


(Beifall bei der ch möchte nicht, dass in Deut en ist, im Winter zu frieren, icht leisten kann. Ich sage Ihn st Weihnachten! Tun wir etwas Vielen Dank. (Beifall bei der Vizepräsidentin Katrin Gö Ich gebe das von den Schrif ührern ermittelte Ergebnis de ung zu dem Antrag der Bund el „Fortsetzung der Beteiligun treitkräfte an der EU-geführte (C – Uwe Beckmeyer ! Es ist ja nicht ausen Schwachsinn re: Das ist ja unglaub h sagen: In diesem Land LINKEN)


schland jemand gezwun-
weil er sich die Heizung
en eines: In vier Wochen
!

LINKEN)

ring-Eckardt:
tführerinnen und Schrift-
r namentlichen Abstim-
esregierung mit dem Ti-
g bewaffneter deutscher

n Operation „Althea“ zur






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Eckart von Klaeden
Jürgen Klimke
Julia Klöckner
Jens Koeppen
Kristina Köhler (Wiesbaden)

Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Dr. Rolf Koschorrek
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Gunther Krichbaum
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Dr. Karl Lamers (Heidelberg)

Andreas G. Lämmel
Dr. Norbert Lammert
Katharina Landgraf
Dr. Max Lehmer
Paul Lehrieder
Ingbert Liebing
Eduard Lintner
Patricia Lips
Dr. Michael Luther
Stephan Mayer (Altötting)

Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Laurenz Meyer (Hamm)

Maria Michalk
Hans Michelbach
Philipp Mißfelder
Dr. Eva Möllring
Marlene Mortler
Carsten Müller


(Braunschweig)

Stefan Müller (Erlangen)

Bernward Müller (Gera)

Dr. Gerd Müller
Henry Nitzsche
Michaela Noll
Dr. Georg Nüßlein
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Henning Otte
Rita Pawelski
Dr. Peter Paziorek
Ulrich Petzold
Dr. Joachim Pfeiffer
Sibylle Pfeiffer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Daniela Raab
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Eckhardt Rehberg
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Albert Rupprecht (Weiden)

Peter Rzepka
Anita Schäfer (Saalstadt)


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hristian Schmidt (Fürth)

go Schmitt (Berlin)

r. Andreas Schockenhoff
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hristian Freiherr von Stetten
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eter Weiß (Emmendingen)

erald Weiß (Groß-Gerau)

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(Hildesheim)


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r. Michael Bürsch
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r. Carl-Christian Dressel
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ainer Fornahl
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artin Gerster

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ngelika Graf (Rosenheim)

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(Wackernheim)

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(C (D hristian Kleiminger ans-Ulrich Klose strid Klug r. Bärbel Kofler alter Kolbow ritz Rudolf Körper arin Kortmann olf Kramer nette Kramme rnst Kranz icolette Kressl olker Kröning ngelika Krüger-Leißner r. Hans-Ulrich Krüger ürgen Kucharczyk elga Kühn-Mengel te Kumpf r. Uwe Küster hristine Lambrecht hristian Lange r. Karl Lauterbach altraud Lehn elga Lopez abriele Lösekrug-Möller irk Manzewski othar Mark aren Marks atja Mast ilde Mattheis arkus Meckel etra Merkel r. Matthias Miersch rsula Mogg arko Mühlstein etlef Müller ichael Müller esine Multhaupt r. Rolf Mützenich homas Oppermann olger Ortel einz Paula oachim Poß hristoph Pries r. Wilhelm Priesmeier r. Sascha Raabe echthild Rawert aik Reichel erold Reichenbach r. Carola Reimann hristel RiemannHanewinckel alter Riester önke Rix r. Ernst Dieter Rossmann arin Roth ichael Roth rtwin Runde arlene Rupprecht nton Schaaf xel Schäfer ernd Scheelen arianne Schieder tto Schily ilvia Schmidt r. Frank Schmidt einz Schmitt arsten Schneider Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Jörg-Otto Spiller Birgit Homburger Winfried Hermann Peter Hettlich Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. h. c. Wolfgang Thierse Jörn Thießen Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Waltraud Wolff Heidi Wright Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Daniel Bahr Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Patrick Döring M D H G H S H In S M P J B D H D C G J F D M D D D F C D D H B G K M V C B M Wir kehren zurück zur Deb dem Kollegen Gero Storjohann (Beifall bei der C Gero Storjohann (CDU/CS Frau Präsidentin! Meine se Herren! Wir diskutieren heute e ichael Kauch r. Heinrich L. Kolb ellmut Königshaus udrun Kopp einz Lanfermann ibylle Laurischk arald Leibrecht a Lenke abine LeutheusserSchnarrenberger arkus Löning atrick Meinhardt an Mücke urkhardt Müller-Sönksen irk Niebel ans-Joachim Otto etlef Parr ornelia Pieper isela Piltz örg Rohde rank Schäffler r. Konrad Schily arina Schuster r. Hermann Otto Solms r. Max Stadler r. Rainer Stinner lorian Toncar hristoph Waitz r. Claudia Winterstein r. Volker Wissing artfrid Wolff ÜNDNIS 90/DIE RÜNEN erstin Andreae arieluise Beck olker Beck ornelia Behm irgitt Bender atthias Berninger U D B U S R U M M D A J K W B K E C I D R S H D W N C D W S P F J J atte. Ich gebe das Wort , CDU/CSU-Fraktion. DU/CSU)


(Tuchenbach)





(A) )


(B) )


(Wiesloch)


(Wolmirstedt)


(Frankfurt)


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inen Antrag der Fraktion

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r. Anton Hofreiter
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r. Reinhard Loske
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rigitte Pothmer
rista Sager
lisabeth Scharfenberg
hristine Scheel

rmingard Schewe-Gerigk
r. Gerhard Schick
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ans-Christian Ströbele
r. Harald Terpe
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r. Wolf Bauer
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chüsse für einkommensschw
ahmen der Wohngeldbewill
er Antrag stellt darauf ab, das

hend zu ändern. Kosten für H
ollen für wohngeldberechtigte
ogar noch in der jetzt laufende
rstattungs- bzw. zuschussfähig

(D ornelia Hirsch ge Höger-Neuling r. Barbara Höll r. Lukrezia Jochimsen r. Hakki Keskin atja Kipping onika Knoche an Korte skar Lafontaine ichael Leutert lla Lötzer r. Gesine Lötzsch lrich Maurer orothée Menzner ersten Naumann olfgang Nešković r. Norman Paech etra Pau odo Ramelow aul Schäfer olker Schneider r. Herbert Schui r. Ilja Seifert r. Petra Sitte rank Spieth r. Kirsten Tackmann lexander Ulrich örn Wunderlich aktionslos ert Winkelmeier nthalten DU/CSU eter Albach DP we Barth enund Warmwasserzuache Privathaushalte im igung ermöglichen soll. Wohngeldgesetz entspreeizung und Warmwasser Haushalte dauerhaft und n Heizperiode 2006/2007 werden. Andreas Steppuhn Dr. Werner Hoyer Priska Hinz Olaf Scholz Ottmar Schreiner Reinhard Schultz Swen Schulz Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Miriam Gruß Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein G A E D D H K K A B (Crietje Bettin lexander Bonde kin Deligöz r. Thea Dückert r. Uschi Eid ans Josef Fell ai Gehring atrin Göring-Eckardt nja Hajduk ritta Haßelmann DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Werner Dreibus Klaus Ernst Diana Golze Gero Storjohann Mit dem Antrag der Linken würden Inhalt und Umfang des Wohngeldes signifikant erweitert werden. Wohngeld wird Mietern und Eigentümern gezahlt, wenn die Höhe ihrer Miete oder Belastung für angemessenen großen Wohnraum die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihres Haushalts überfordert. Seit 40 Jahren werden die Wohnkosten einkommensschwacher Mieter und selbst nutzender Eigentümer durch das Wohngeld bezuschusst. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD steht: Das Wohngeld wird weiterhin der sozialen Absicherung des Wohnens dienen. Wir haben dort aber auch klar und deutlich formuliert – ich zitiere –: Wohngeld ist keine Subvention, sondern eine Fürsorgeleistung. Wir haben dies so festgeschrieben, da es zur Sanierung unserer Haushalte unerlässlich ist, alle Ausgaben auf den Prüfstand zu stellen. Außerdem haben wir festgelegt, dass Bund und Länder das Wohngeldrecht zügig mit dem Ziel einer deutlichen Vereinfachung überprüfen werden. Vorarbeiten dazu wurden schon durch die Bauministerkonferenz getätigt. Wir sind optimistisch, dass der daraus resultierende Gesetzentwurf im kommenden Jahr beraten werden kann. Bereits im Rahmen der Gesetzgebung zu Hartz IV wurde das Wohngeld umfassend strukturell überarbeitet. Hierbei wurde eine klare Abgrenzung der Zahlung des Wohngeldes zum Transferleistungssystem für Hartz-IVEmpfänger vorgenommen. Wohngeld sollte wieder als originär wohnungspolitisches Instrument auf einen Kernbereich von Leistungsempfängern zurückgeführt werden. Zu diesen Leistungsempfängern gehören Menschen, die zwar ihren allgemeinen Lebensunterhalt, nicht aber ihre Wohnkosten vollständig durch eigenes Einkommen decken können. Als Wohngeldempfänger verbleiben nur noch Gruppen, die finanziell nicht in der Lage sind, ihre Wohnkosten vollständig aus eigenem Einkommen zu decken, und kein Arbeitslosengeld II erhalten. Überwiegend sind das Familienhaushalte von Geringverdienern und Haushalte von Arbeitslosengeld-IEmpfängern sowie Rentnerhaushalte. Mit der Wohngeldvereinfachung im Rahmen des Hartz-IV-Gesetzes hat sich die Struktur der Wohngeldempfänger stark verändert. Die Anzahl der Empfänger von Wohngeld ist erheblich zurückgegangen. Hierfür gibt es zwei Gründe: Erstens. Nach dem Ausschluss der Transferleistungsempfänger vom Wohngeldbezug sind bei weitaus mehr Haushalten Unterkunftsleistungen des Transferleistungssystems an die Stelle des Wohngeldes getreten als erwartet. Zweitens hat die Erweiterung der Zuverdienstmöglichkeiten im SGB II diese Entwicklung beschleunigt. So gab es im Jahre 2004 in Deutschland rund 3 t e 7 d Z z h s g s U e d E P g m w b a m d s D e s E r d s w d t g g t S H M e z M C z (C (D ,5 Millionen Wohngeldempfängerhaushalte. Nach ersen Schätzungen ist die Zahl aber stärker abgesunken als rwartet. Am Jahresanfang 2006 bezogen noch rund 50 000 Haushalte Wohngeld. Das Wohngeld senkt im Gegensatz zur Unterstützung urch Transferleistungen die Mietbelastung durch einen uschuss zur Bruttokaltmiete lediglich ab. Für den einelnen Wohngeldempfänger bleiben Wohnkosten desalb spürbar. Für ihn besteht somit immer ein Anreiz, ich eine preisgünstigere Wohnung zu suchen oder Enerie zu sparen. Zum Energiesparen gehört eben auch ein chonender Umgang mit Wasser und der angemessene mgang mit der Heizung. Für ihn besteht deshalb immer in Anreiz, eine Wohnung mit niedrigen Heizkosten bei er Wohnungssuche vorzuziehen. (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Muss man sich aber auch leisten können!)


(Saarbrücken)


(Everswinkel)





(A) )


(B) )


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


s entsteht somit ein Marktdruck – jetzt kommt der
unkt – für Vermieter, bestehende Mietwohnungen ener-
etisch zu optimieren, weil es eine Nachfrage nach opti-
ierten Wohnungen gibt. Das sind notwendige und be-
ährte Anreizmechanismen, die wir als Union nicht
ereit sind, aufzugeben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ziel ist aber auch die Einhaltung einer tragbaren und
ngemessenen Wohnkostenbelastung. Über die Ange-
essenheit der Höhe des staatlichen Zuschusses ist in

er Vergangenheit – das zeigt auch die heutige Debatte –
tets kontrovers debattiert worden. Ich erinnere mich an
ebatten beispielsweise in Landtagen, wo immer wieder

inmal der Antrag gestellt wurde, man solle den Zu-
chuss wegen der steigenden Nettokaltmieten erhöhen.
s bestand somit immer schon das Begehren, den be-

echtigten Haushalten mehr Zuschüsse zu zahlen. Für
ie Bestimmung der Angemessenheit der Höhe des
taatlichen Zuschusses ist meines Erachtens ein Mittel-
eg, der sich an der Leistungsfähigkeit des Staates und
en möglichen Eigenleistungen des Empfängerhaushal-
es orientiert, zu wählen.

Die Linksfraktion greift das Thema nun nicht auf-
rund der Steigerung der Nettomieten auf, sondern auf-
rund der Steigerung der Heiz- und Warmwasserkos-
en. Im Ergebnis bleibt die politische Frage, was sich der
ozialstaat noch zusätzlich leisten kann bzw. was der
aushalt noch hergibt. Mein Fazit: Eine Übernahme der
ehrbelastungen durch Neben- und Heizkosten wäre

nergiepolitisch unvernünftig. Es würde dem Anreiz
um sparsamen Umgang mit Energie zuwiderlaufen, bei
ietern und vor allem auch bei Vermietern.

Aus fiskalischen und energetischen Gründen lehnt die
DU/CSU-Fraktion diesen Antrag ab.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607020800

Möchten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Hill

ulassen, Herr Kollege?






(A) )



(B) )


Gero Storjohann (CDU):
Rede ID: ID1607020900

Nein, ich habe meine Rede schon beendet.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607021000

Sie sind schon am Ende Ihrer Rede. Vielen Dank.

Der Kollege Joachim Günther, FDP, hat das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1607021100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte den Antrag, den die Linke hier gestellt hat,
nicht pauschal in Grund und Boden reden. Aber, Herr
Hill, was Sie zuletzt gesagt haben, war Polemik, die die-
sem Anliegen nicht gerecht wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sind in einer Art mit den Gefühlen von Menschen
umgegangen, die jeglicher Realität entbehrt.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Die Menschen haben diese Gefühle, Herr Kollege!)


– Nein, ich werde es Ihnen erklären, ganz in Ruhe. – Ich
möchte zunächst sagen, warum wir Ihrem Antrag in die-
ser Art nicht zustimmen können, aber natürlich auch
Vorschläge machen, was man unternehmen kann.

Sie haben in Ihrem Antrag selbst Eckpunkte der Ent-
wicklung auf dem Immobilienmarkt in den letzten fünf
Jahren dargelegt. Sie haben von einer Mieterhöhung um
5 Prozent gesprochen. Dazu muss man allerdings sagen,
dass es in unserem Land Gebiete mit Mieterhöhungen
und Gebiete mit Mietrückgängen gibt. Das heißt, die
Miete ist nicht das Problem, sondern die Betriebskos-
ten.


(Beifall bei der FDP)


Auch das wurde hier deutlich gesagt. Bei den Betriebs-
kosten gab es deutliche Steigerungen: bei Gas rund
35 Prozent, bei Heizöl 33 Prozent, bei Strom 24 Prozent.
Ich nenne diese Zahlen ganz bewusst. Hinzu kommen
andere Nebenkosten. Für Wasser, Abwasser und Müll
kann man im Prinzip noch einmal 10 Prozent hinzurech-
nen. All das sind Kosten, die – damit geht keine Fraktion
in diesem Haus leichtfertig um – von einkommens-
schwachen Bürgern nur schwer getragen werden kön-
nen.

Genau an dieser Stelle muss man die Frage stellen,
wie es zu diesen Kostensteigerungen gekommen ist. Da
muss man einmal genau hinschauen, zum Beispiel wel-
che Steuererhöhungen wir in den letzten fünf Jahren
durchgeführt haben. Dann sieht man, wie die Ökosteuer
diese Kosten nach oben getrieben hat.


(Beifall bei der FDP – Heidi Wright [SPD]: Aber die Ökosteuer ist doch nicht das Heizöl!)


All das stellt einen Kreislauf dar, der meines Erachtens
auf die von Ihnen vorgeschlagene Weise nicht zu durch-
brechen ist.


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(C (D Dann rechnen Sie einmal durch, wie viel von der Gasreiserhöhung durch die Steuererhöhungen zustande geommen ist. Wenn wir nach vorn blicken, sehen wir, dass es im ächsten Jahr wieder einen großen Sprung geben wird: urch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um Prozentpunkte und durch die Erhöhung der Versiche ungsteuer. Im Übrigen sind Sie als PDS an der Erhöung der Nebenkosten direkt beteiligt. Schauen Sie nach erlin; da haben Sie die Grundsteuer kräftig angehoen. All das wird auf die Mieter niederprasseln und die ietnebenkosten noch einmal deutlich erhöhen. Da reicht es nicht, die Bundesregierung aufzufordern, as Wohngeldgesetz zu ändern und mehr Geld einzuseten. Die Bundesregierung hat neben den einkommenschwachen Haushalten ja auch die ALG-II-Empfänger in ine Situation gebracht, in der sie ihnen helfen muss. Sie ätten sich einmal die Kosten anschauen sollen. Dann ätten Sie festgestellt, dass die Finanzierung so einfach icht funktioniert. Es ist ein Teufelskreis, aus dem man chlecht herauskommt. Ein zweiter Punkt kommt hinzu; der Kollege Storjoann hat ihn schon angesprochen. Wenn wir Warmwaser und Heizung aus den Kosten herausnehmen und zuammen mit dem Wohngeld übernehmen lassen, wo leibt dann der private Anreiz, etwas einzusparen? Auch as widerspricht dem Prinzip der Eigenverantwortung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Zuruf des Abg. Hans-Kurt Hill [DIE LINKE])


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607021200

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hill

ulassen? – Bitte schön.


Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607021300

Herr Kollege Günther, Sie haben zu Recht angespro-

hen, dass die Mietpreissteigerungen nicht nur mit den
nergiekosten, sondern auch mit anderen Kosten zusam-
enhängen; es sind aber im Wesentlichen die Energie-

osten. Da wir über die Finanzierung und die Teilhabe
er Gesellschaft sprechen, habe ich folgende Frage:
enn wir über den Emissionshandel 10 Prozent der
missionszertifikate versteigern würden, hätten wir
ehreinnahmen von 5 Milliarden Euro, die wir zurzeit

er Energieindustrie schenken. Glauben Sie, dass wir im
alle einer Versteigerung der Emissionszertifikate in der
age wären, den armen Haushalten die Kosten zu vergü-

en?


Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1607021400

Ich kann mir sehr viele Punkte vorstellen, bei denen

an theoretisch eine finanzielle Grundlage zum Beispiel
ür die Bezahlung von mehr Wohngeld nachweisen
ann. Ich weiß, wie oft es in diesem Haus schon eine
iskussion über den Emissionshandel gegeben hat. Man
ann beispielsweise beschließen, den Einsatz in Afgha-






(A) )



(B) )


Joachim Günther (Plauen)

nistan nicht zu verlängern und das Geld umzuschichten.
Das sind aber alles Dinge, die das Wohngeld und den
Haushalt, an den es gezahlt wird, nicht betreffen.

Ich möchte das gleich weiterführen, weil das eine
Diskussion ist, um die sich viele im Moment leider et-
was drücken. Es geht um die Zahlung von Unterkunft
und Heizung für die ALG-II-Empfänger. Ich habe das
einmal an einem Rechenbeispiel dargestellt, das sich auf
meinen Wahlkreis bezieht; die Zahlen sind je nach Kreis
sehr unterschiedlich: Eine Familie mit zwei Kindern er-
hält in unserem Wahlkreis einen Zuschuss für Wohnung
und Heizkosten in Höhe von bis zu 506 Euro im
Monat. – Ich muss das vereinfachen, sonst reicht die Zeit
nicht. – Eine Familie in vergleichbarer Größe mit einem
monatlichen Einkommen von 1 500 Euro in einer ver-
gleichbaren Wohnung, die diese Miete kosten würde, be-
kommt im Moment 130 Euro Wohngeld. Das heißt, die
Familie, die ALG II bezieht, hat im Monat 100 Euro
netto mehr zur Verfügung als die Familie, die ihr Ein-
kommen aus dem Niedriglohnsektor bezieht.

Angesichts dieses Sachverhalts muss man fragen:
Stimmt die Relation noch? Gibt es überhaupt einen An-
reiz, eine Arbeit aufzunehmen? Oder müssen wir nicht
darüber nachdenken, ein neues und für alle einheitliches
Wohngeld einzuführen?


(Beifall bei der FDP)


Ich bin sicher: Wenn wir im Rahmen von ALG II weiter-
hin Wohnkosten, Heizkosten und andere Kosten kom-
plett zahlten, wäre dies auf Dauer nicht oder nur sehr
schwer finanzierbar.


(Beifall bei der FDP)


Die Länder würden große Probleme bekommen.

Unsere Schlussfolgerung ist deshalb, an den Grundla-
gen etwas zu ändern. Für uns gehört dazu, dass die Steu-
ern gesenkt werden müssen. Wenn wir in dieser Rich-
tung vorankommen, dann wird sich die Kostenspirale
nicht weiter drehen.


(Beifall bei der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607021500

Für die SPD-Fraktion erteile ich Sören Bartol das

Wort.


(Beifall bei der SPD)



Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1607021600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In ihrem Antrag fordert die Linke eine Änderung des
Wohngeldgesetzes. Sie wollen Wohngeldbeziehern die
Kosten für Heizung und Warmwasser dauerhaft und in
vollem Umfang erstatten. Sie begründen dies mit stark
gestiegenen Energiekosten. Unbestritten ist: Die Ener-
giekosten sind gestiegen. Ob jedoch Transferleistungen
hier eine angemessene Reaktion darstellen, wage ich zu
bezweifeln. Aber dazu später mehr.

Zunächst zur Ausgangslage. Sie sprechen von
5,2 Millionen Haushalten in Deutschland, die laut Ar-
muts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung mit ei-

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(C (D em monatlichen Nettoeinkommen zwischen 500 und 00 Euro auskommen müssen. Die Zahl ist zwar richtig; ie hat aber nur wenig mit Ihrem Antrag zu tun. Die roße Mehrheit dieser Menschen ist durch Arbeitsloseneld II, Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter abgeichert. Mit den seit 2005 geltenden Änderungen des ohngeldrechtes sind sie vom Wohngeld ausgenomen. Bei ihnen werden die Unterkunftskosten nämlich ereits im Rahmen der jeweiligen Sozialleistungen beücksichtigt. Konkret heißt das: Der Staat übernimmt die ngemessenen Wohnkosten inklusive Nebenkosten. iese Haushalte sind durch den Energiepreisanstieg inanziell also nicht betroffen. Damit sorgt der Gesetzgeber dafür, dass eine große ruppe Bedürftiger, die ihren Lebensunterhalt nicht aus igener Kraft bestreiten kann, abgesichert ist. Für rbeitslose etwa, die im Jahr 2004 mit fast 40 Prozent ie mit Abstand größte Gruppe unter den Antragstellern on Wohngeld ausmachten, hat die Gesetzesänderung erade in dieser Hinsicht eine klare Verbesserung geracht. Auch das kann an dieser Stelle ruhig einmal geagt werden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Gero Storjohann [CDU/CSU])


Der Bund zahlt jährlich Milliardenbeträge für Wohn-
eld und Unterkunftskosten im Rahmen von Hartz IV.
llein für Wohngeld hat der Bund im Jahr 2005 über
Milliarde Euro ausgegeben. Im Haushalt 2006 ist ge-

au 1 Milliarde Euro veranschlagt. Bis September dieses
ahres waren davon 833 Millionen Euro verausgabt. Das
st gut so. Denn damit leistet der Staat einen wesentli-
hen Beitrag, um eine angemessene Wohnraumversor-
ung für einkommensschwache Haushalte sicherzustel-
en. Wir stehen zu unserer sozialen Verantwortung.

Hier wird eines ganz deutlich: Ihre Mär von einem
taat, der sich aus seiner sozialen Verantwortung stiehlt,

st an den Haaren herbeigezogen. Die Gerechtigkeits-
rage, wie sie in Ihrem Antrag formuliert ist, stellt sich
n diesem Punkt gerade nicht.

Wenn wir über Bezieherinnen und Bezieher von
ohngeld sprechen, reden wir über 1 Million Haushalte,

ie in besonderem Maße von gestiegenen Energiepreisen
etroffen sind. Wohlgemerkt reden wir hier nicht über
enschen mit einem Einkommen unter dem Existenz-
inimum; wir reden über Menschen, die ihren Lebens-

nterhalt und den ihrer Familien aus eigener Kraft be-
treiten können. Menschen, die jedoch angesichts hoher

ietbelastungen oder anderer Lasten nicht in der Lage
ind, ihre Wohnung allein zu bezahlen, gewährt der Staat
inen Zuschuss zu den Wohnkosten. Wohngeld ist also
eine Leistung zur Sicherung des Existenzminimums. Es
st ein ergänzender Beitrag.

Ganz klar: Wohngeld ist und bleibt ein essenzieller
eil unserer Wohnungspolitik. Seit den 50er-Jahren sorgt
s dafür, einkommensschwachen Haushalten ein ange-
essenes und familiengerechtes Wohnen zu sichern. Es

st ein wichtiges und bewährtes Instrument, das immer
ls Zuschuss des Staates zur Bruttokaltmiete definiert
ar – zum einen, weil es bewusst so angelegt ist, dass






(A) )



(B) )


Sören Bartol
die Bezieherinnen und Bezieher den Großteil ihrer
Wohnkosten selbst finanzieren, und zum anderen, um
den Bezug unnötig großer oder aufwendiger Wohnräume
zu verhindern und Anreize zum Energiesparen zu setzen.
Das halte ich für richtig.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])


Ich bin mir natürlich darüber bewusst, dass Neben-
kostenabrechnungen aufgrund der stark gestiegenen
Energiepreise für viele Mieterinnen und Mieter zu einem
Problem geworden sind. Allein zum Energiesparen auf-
zurufen kann da wie Hohn klingen. Wenn aber Beziehe-
rinnen und Bezieher von Wohngeld tatsächlich durch
eine Heizkostenabrechnung die Grenze des Existenzmi-
nimums unterschreiten sollten, haben sie die Möglich-
keit, für den jeweiligen Monat ergänzende Leistungen zu
beantragen.

Klar ist aber auch: Der Staat kann nicht alles finanzie-
ren, was irgendwie wünschenswert wäre. Er greift nur
dort ein, wo Hilfe nötig ist. Genau das tut er an dieser
Stelle. Ebenso klar gesagt werden muss: Wir können
nicht jedes Problem in diesem Land durch Transferleis-
tungen lösen. Hohe Energiepreise verlangen eine andere
Reaktion.

Haben Sie sich einmal gefragt, welche Signalwirkung
sich für die Energiekonzerne aus Ihrem Antrag ergeben
würde? Die von Ihnen geforderte Änderung des Wohn-
geldgesetzes wäre ein Anreiz, die Energiepreise weiter
anzuziehen, da der Staat die Nebenkostenabrechnungen
seiner Bürgerinnen und Bürger ohnehin finanziert, so-
bald die Belastungsgrenze überschritten wird.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Schauen Sie einmal andere Gesetzesanträge von uns an!)


Auch auf Verbraucherseite kann die schlichte Über-
nahme der Kosten für Heizung und Warmwasser in vol-
ler Höhe keine Option sein. Sie würde vielmehr das, was
angesichts steigender Energiepreise und knapper wer-
dender Ressourcen erforderlich und auch ökologisch
dringend notwendig ist, nämlich eine Verhaltensände-
rung der Verbraucher hin zu einem geringeren Energie-
verbrauch, konterkarieren.

Die Frage, welche politischen Konsequenzen hohe
Energiepreise und daraus resultierende steigende Wohn-
kostenbelastungen erfordern, wird in Ihrem Antrag un-
beantwortet gelassen. Sie setzen sich in Ihrem Antrag
mit einem Symptom auseinander und ignorieren die Ur-
sachen. Wie so viele Ihrer Forderungen bleiben Sie dabei
an der Oberfläche.


(Beifall bei der SPD)


Nachhaltige Politik sieht anders aus. Ihr geht es um
Konzepte, die die Lebenssituation der Menschen in die-
sem Land nachhaltig und tief greifend verbessert. Was
bedeutet das im vorliegenden Fall der gestiegenen Ener-
giekosten? Energieeffizienz heißt das Stichwort. Damit
Wohnen für alle bezahlbar bleibt, müssen wir die Woh-
nungen und Häuser energetisch weiter verbessern, um so
die Belastungen der Mieter und Eigenheimbesitzer zu re-
duzieren. Deshalb forcieren wir umfassende energeti-

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(C (D che Sanierungen des Gebäudebestandes, die gleichzeiig zur Reduktion von CO2-Emissionen beitragen. elche Wirkungen sich hier erzielen lassen, zeigen die isher ergriffenen Maßnahmen. (Abg. Hans-Kurt Hill [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Ich lasse die Zwischenfrage nicht zu.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607021700

Sie lassen sie nicht zu?


Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1607021800

Nein. – Mit der Energieeinsparverordnung und dem

O2-Gebäudesanierungsprogramm konnte der Heizener-
ieverbrauch je Quadratmeter Wohnfläche in den letzten
0 Jahren um etwa 40 Prozent gesenkt werden.

Diese Potenziale gilt es weiter auszuschöpfen. Des-
alb haben wir die Mittel für das CO2-Gebäudesanie-
ungsprogramm für 2006 um 350 Millionen Euro auf
,5 Milliarden Euro aufgestockt. Seit Beginn dieses Jah-
es wurde die energetische Sanierung von mehr als
50 000 Wohnungen mitfinanziert. Davon profitieren
ieterinnen und Mieter durch sinkende Heizkostenab-

echnungen; denn mehr als ein Drittel aller Energie in
eutschland wird für das Heizen von Wohnungen und
ie Warmwasseraufbereitung genutzt. Durch Sanierun-
en an Fassaden, die Verbesserung der Wärmedämmung
owie die Modernisierung der Heizung und Fenster kön-
en Mieter und Hausbesitzer bis zu 25 Prozent Energie
paren. Das senkt die Nebenkosten und die finanziellen
elastungen der Haushalte.

Auch bei der Wohnungsauswahl wird die Energieeffi-
ienz immer mehr zu einem Schlüsselkriterium. Hier
ird der Energieausweis neben dem CO2-Gebäudesanie-

ungsprogramm zu einem wichtigen Instrument für Mie-
erinnen und Mieter, das für Transparenz sorgen und län-
erfristig zu weiteren Gebäudesanierungen führen wird.

Von diesen Maßnahmen und Angeboten profitieren
erbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie Städte
nd Gemeinden. Das Gebäudesanierungsprogramm ist
ber nicht nur ökologisch sinnvoll und ein wichtiger,
berfälliger Beitrag zum Klimaschutz. Auch in wirt-
chaftlicher Hinsicht ist es ein Erfolg. Es sichert Arbeit
nd Beschäftigung in Deutschland; denn mit jeder in die
ebäudesanierung investierten Milliarde werden
5 000 Arbeitsplätze geschaffen. Das ist nachhaltige
olitik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


So wie die staatliche Förderung des Wohnungsbaus
nd die Steigerung der Energieeffizienz einkommens-
chwachen Bevölkerungskreisen mittelbar helfen, eine
ngemessene Wohnung zu erhalten, unterstützt das
ohngeld durch einen Miet- bzw. Lastenzuschuss un-
ittelbar Mieter und Eigentümer, die hohe Mieten und
asten nicht tragen können. Hieran gibt es nichts zu rüt-

eln. Die Koalition hat sich vorgenommen, das Wohn-






(A) )



(B) )


Sören Bartol
geld auf dieser Grundlage fortzuentwickeln, aber nicht
wie Sie durch einen Schnellschuss.

Ihr Antrag, in dem Sie die volle Übernahme der Heiz-
kosten für einkommensschwache Haushalte fordern,
kennt kein Maß und keine Grenzen. Er ist, wie mein
Kollege von der FDP schon gesagt hat, populistisch.
Sinnvoll ist er aber ganz sicher nicht.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607021900

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Hans-Kurt Hill.


Hans-Kurt Hill (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607022000

Herr Kollege Bartol, Sie haben die Energieeffizienz,

das Gebäudesanierungsprogramm und viele Dinge mehr
angesprochen, die mit Sicherheit notwendig sind und die
wir wie Sie unterstützen. Wenn Sie unseren Antrag zum
Haushalt gelesen haben, dann haben Sie feststellen kön-
nen, dass wir, was das Gebäudesanierungsprogramm be-
trifft, sogar die doppelte Summe gefordert haben.


(Zurufe von der SPD: Wie immer!)


– Ich sage nur: 5 Milliarden Euro aus dem Emissions-
handel und das alles wäre gar kein Problem.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: So kennen wir Sie!)


Aber darum geht es mir gar nicht.

Es geht mir darum, dass arme Haushalte in Wohnun-
gen wohnen, die all das, was Sie beschreiben, nicht ha-
ben. Diese Haushalte haben entsprechend hohe Neben-
kostenabrechnungen, gegen die sie sich nicht wehren
können, und werden deshalb diesen Winter ein Problem
bekommen. Wir werden darüber noch zu reden haben.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607022100

Zur Erwiderung Herr Kollege Bartol.


Sören Bartol (SPD):
Rede ID: ID1607022200

Lieber Kollege Hill, genau so kennen wir die Links-

partei bzw. die PDS: überall das Doppelte, immer etwas
oben drauf, immer schön populistisch. Ich weiß nicht,
wie oft Sie die 5 Milliarden Euro aus dem Emissions-
handel in dieser Debatte schon für dieses oder jenes ver-
teilt haben.


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Aber das stimmt doch!)


Irgendwann muss einmal Schluss mit dem Verteilen
sein.


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Sie verschenken die Emissionszertifikate ja!)


– Lassen Sie mich doch mal ausreden.

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(C (D Wir müssen das Geld, das wir haben, zielgerichtet insetzen. Ich glaube, das haben wir getan. Wir halten m Wohngeld fest. Die Koalition hat sich vorgenommen, as Wohngeld weiterzuentwickeln. Es wird dabei sicherich immer wieder zu Verbesserungen kommen. Ganz ichtig ist: Die Wohnungen, in denen die Mieter wohen, die Sie gerade angesprochen haben, sollen natürlich uch energetisch saniert werden. Sie müssen einmal mit ohnungsbaugesellschaften reden. Unser CO2-Gebäu esanierungsprogramm wird doch angenommen; das ist in Auftakt in die richtige Richtung. Ich glaube, diesem uftakt wird auch noch einiges folgen, sodass wir irendwann sagen können: Wir haben Wohnungen – – Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Das ist och klar, Herr Hill. (Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Aber Sie müssen jetzt anfangen!)


(Hans-Kurt Hill [DIE LINKE]: Irgendwann!)


Man muss anfangen, ja. Wir fangen doch an. Das müs-
en Sie einfach mal zur Kenntnis nehmen.

Danke.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607022300

Das Wort hat der Kollege Peter Hettlich, Bündnis 90/

ie Grünen.


Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607022400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Lieber Kollege Hill, als ich den Antrag gese-
en habe, habe ich mir gedacht: Es lohnt sich auf jeden
all, darüber zu diskutieren. Wenn ich jetzt allerdings Ih-
en Vortrag Revue passieren lasse, muss ich ehrlich sa-
en, dass mir Bedenken kommen, wie ernst Sie es ei-
entlich mit Ihrem Antrag halten. Wir werden das aber
m parlamentarischen Verfahren diskutieren und dann
ehen, was letztendlich von der ganzen Sache übrig
leibt.

Eines ist sicherlich unbestritten: Die Nebenkosten für
eizung und Warmwasser sind gerade in den letzten bei-
en Jahren dramatisch angestiegen und belasten insbe-
ondere Haushalte mit geringen Einkommen. Sie belasten
uch die Volkswirtschaft; denn wenn man die negativen
ffekte auf die Kaufkraft mit ins Kalkül zieht, dann dürfte
ich gerade bei den Beziehern niedriger Einkommen ein
urchaus signifikanter Effekt zeigen. Die Entlastungen,
ie in den letzten Jahren durch Steuerreformen und auch
urch die Senkung von Sozialversicherungsbeiträgen bei
iesen Einkommensgruppen entstanden sind, dürften
urch die Steigerungen bei den Energiepreisen durchaus
ufgefressen worden sein.

Ich stimme dem Kollegen Hill übrigens zu, wenn er
arauf verweist, dass sich die Nebenkosten für Heizung
nd Warmwasser zu einem bedeutenden Ausgabenpos-
en für bestimmte Haushalte entwickelt haben. Ich
timme ihm auch insofern zu, dass das nicht unbedingt
urch ein verändertes Heizverhalten korrigiert werden
ann.






(A) )



(B) )


Peter Hettlich
Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass die sozi-
alen Auswirkungen der Preissteigerungen natürlich vom
Ausgangsniveau der Nebenkosten abhängen. Die Frage
der Belastung der Haushalte steht in direkter Korrelation
mit dem Sanierungszustand der Gebäude. Es macht
schon einen gewaltigen Unterschied aus, von welchem
Nebenkostenniveau aus eine Preissteigerung um 30 Pro-
zent verkraftet werden muss. Dadurch wird auch deut-
lich, dass Klimaschutz am Bau nicht nur eine ökologi-
sche und eine volkswirtschaftliche, sondern auch eine
erhebliche soziale Komponente darstellt und daher un-
sere volle Anstrengung benötigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die beste Gegenmaßnahme bei hohen Nebenkosten ist
die Senkung des Gebäudeverbrauchs. Dazu muss ich
jetzt nicht mehr sagen; der Kollege Sören Bartol hat das
eben ausgeführt.

Es erscheint allerdings auf den ersten und vielleicht
auch auf den zweiten Blick ungerecht, wenn sich das
Wohngeld nicht an den Warmmieten, sondern an den
Kaltmieten orientiert. Dabei könnte durchaus die ab-
surde Situation entstehen, dass ausgerechnet ein einkom-
mensschwacher Haushalt für eine niedrige Kaltmiete ei-
nes unsanierten Gebäudes – weil er sich nicht mehr
leisten kann – benachteiligt wird, während die höhere
Kaltmiete eines energetisch sanierten Gebäudes bis zu
den Höchstbeträgen bezuschusst wird. Das müssen wir
in der Tat diskutieren. Ich habe mir noch kein abschlie-
ßendes Urteil bilden können, ob und wie eine Novellie-
rung des Wohngeldgesetzes hier tatsächlich Abhilfe
schaffen kann; denn es gibt noch einige offene Fragen,
die wir hier im parlamentarischen Verfahren klären müs-
sen.

In Ihrem Antrag sprechen Sie von 5,2 Millionen Haus-
halten in Deutschland, die mit Nettoeinkommen zwi-
schen 500 und 900 Euro auskommen müssen. Das sind si-
cherlich 5,2 Millionen Haushalte zu viel; das ist keine
Frage. Aber das Statistische Bundesamt hat im Oktober
mitgeteilt, dass Ende 2005 nur noch 781 000 Haushalte in
Deutschland rund 1,2 Milliarden Euro Wohngeld erhalten
haben. Jetzt frage ich mich natürlich, wie diese Lücke zu
erklären ist. Liegt das etwa daran, dass alle Haushalte, die
Arbeitslosengeld II, Sozialgeld oder Altersgrundsiche-
rung erhalten, aus der Wohngeldförderung herausfallen?
Oder gibt es eventuell noch eine Gruppe von Menschen,
die wir weder durch das eine noch durch das andere er-
reichen? Wie würde es sich auswirken, wenn wir die
Warmmiete als Bezugsgröße nehmen würden? Was
würde das kosten? Wir dürfen nicht vergessen, dass rund
500 000 der Wohngeldbezieher einen Anspruch auf le-
diglich 60 bis 90 Euro im Monat haben. Wie verteilen
sich die Wohngeldempfänger auf die unterschiedlichen
Wohnraumklassen? Wir müssen auch berücksichtigen,
dass nach 1992 Gebäudeklassen erstellt wurden, die hö-
heren energetischen Ansprüchen gerecht werden. Es gibt
also eine ganze Menge Fragen, die wir beantworten müs-
sen.

Wir nehmen Ihren Antrag durchaus ernst. Weniger
ernst kann ich allerdings Ihre Forderung nehmen, das
Wohngeldgesetz umgehend zu ändern, damit die Kosten

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(C (D och in dieser Heizperiode erstattungsfähig werden; enn angesichts der schwierigen Haushaltslage und der ustimmungspflicht des Bundesrates halte ich eine derrtige Forderung schlichtweg für populistisch und von ornherein unerfüllbar. ie wissen doch selbst, wie lange ein Gesetzgebungsverahren dauert. Ansonsten hätten Sie Ihren Antrag etwas rüher stellen müssen und nicht erst am 8. November ieses Jahres. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich mit der rot-roten oalition in Berlin zusammensetzen. Vielleicht bringen ie sie ja dazu, sich parallel zu den Beratungen in unseem Hause an die Spitze der Bewegung zu setzen und ine entsprechende Bundesratsinitiative zu initiieren. ann könnten wir nämlich sehr schnell sehen, wie sich ie anderen Bundesländer zu diesem Problem positionieen. Wir sichern Ihnen auf jeden Fall eine ernsthafte Beatung zu. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607022500

Ich schließe die Aussprache.

Die Vorlage auf Drucksache 16/3351 soll an die in der
agesordnung aufgeführten Ausschüsse mit Federfüh-
ung beim Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtent-
icklung überwiesen werden. – Damit sind Sie einver-

tanden. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Zweiten Gesetzes zur Modernisierung der Jus-
tiz (2. Justizmodernisierungsgesetz)


– Drucksache 16/3038 –

– Zweite und dritte Beratung des von dem Abge-
ordneten Jerzy Montag und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrach-
ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlänge-
rung von Befristungsregelungen im Gesetz
zur Entlastung der Rechtspflege und im
Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung

(Justizmodernisierungsauskopplungsgesetz)


– Drucksache 16/3282 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)


– Drucksache 16/3640 –

Abgeordnete Dr. Jürgen Gehb
Joachim Stünker
Christine Lambrecht
Mechthild Dyckmans
Wolfgang Nešković
Jerzy Montag






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-
nen vor.

Es ist verabredet, hierzu eine halbe Stunde zu debat-
tieren. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Parlamentarischen Staatsekretär Alfred Hartenbach für
die Bundesregierung.

A
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1607022600


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-
gen! Dieses Gesetz ist von Praktikern für die Praxis ge-
macht. Nachdem der Regierungsentwurf im ersten
Durchgang im Bundesrat überwiegend Zustimmung ge-
funden hat, ist im Rechtsausschuss eine intensive und
wichtige Diskussion geführt worden. Themen waren in
erster Linie einzelne Vorschläge zum Strafrecht und zum
Jugendstrafrecht. Hierauf hat sich eine vom Rechtsaus-
schuss durchgeführte Anhörung im Wesentlichen kon-
zentriert. Diese Punkte werde auch ich jetzt aufgreifen.

Die Anhörung hat uns darin bestärkt, dass wir mit der
Erweiterung der Verwarnung mit Strafvorbehalt auf dem
richtigen Weg sind; denn damit geben wir den Gerichten
mehr Flexibilität bei der Sanktionierung von Kleinkrimi-
nalität. Durch die vorgeschlagenen Änderungen wird die
bislang verkümmerte Verwarnung mit Strafvorbehalt zu
einer wertvollen Ergänzung im System der vorgerichtli-
chen und gerichtlichen Diversion.

Für die Neuregelung gibt es entgegen der Auffassung
des Bundesrates durchaus einen praktischen Bedarf. Der
klassische Anwendungsbereich der Verwarnung sind
diejenigen Fälle, in denen zwar ein Schuldspruch not-
wendig, eine Bestrafung jedoch nicht erforderlich ist.
Befremden hat das Argument des Bundesrates ausgelöst,
dass die Erweiterung der Verwarnung mit Strafvorbehalt
zu Einnahmeausfällen im Bereich der Geldstrafen führen
würde. Die Geldstrafe hat aber nicht den Zweck, den
Ländern Einnahmen zu verschaffen.


(Beifall des Abg. Dr. Carl-Christian Dressel [SPD])


Das Sanktionensystem wird entgegen der Behauptung
des Bundesrates nicht ins Rutschen geraten. Neben den
potenziellen Geldstrafefällen, die künftig mit einer Ver-
warnung geahndet werden können, wird es sicher auch
Anwendungsfälle der Verwarnung geben, die heute mehr
schlecht als recht über § 153 a StPO gelöst werden und
nicht immer Akzeptanz in der Öffentlichkeit finden.

Auf dem Gebiet des Jugendstrafverfahrens haben
die Beratungen zu Änderungen geführt, die gut und sinn-
voll sind. Ziel war und ist es, den Opferschutz auch im
Jugendstrafverfahren zu verbessern. Dabei muss ein
Ausgleich zwischen den Opferinteressen und den Beson-
derheiten des Jugendstrafrechts geschaffen werden. Wel-
che Lösungen dieser Balance am besten gerecht werden,
ist eine schwierige Frage. Das hat auch das unterschied-
liche Meinungsbild in der Anhörung gezeigt. Im Ergeb-

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(C (D is war die Mehrheit des Rechtsausschusses der Auffasung, dass die im Regierungsentwurf vorgeschlagene usweitung von Schutzund Informationsrechten bei chwersten Straftaten mit schwerer Verletzung des Opers nicht ausreicht. Würde man das Opfer auch in solhen Fällen auf eine weitgehend passive Rolle im Straferfahren beschränken, wäre dem legitimen Interesse es Verletzten nicht ausreichend Genüge getan. Deshalb oll im Ergebnis die Nebenklage gegenüber Jugendlihen nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern begrenzt uf schwerste Verbrechen eröffnet werden. Diese Entscheidung haben wir uns nicht leicht geacht. Die offensiven Rechte der Nebenklage stehen un einmal in einem Spannungsverhältnis zu dem juendstrafrechtlichen Erziehungsgedanken; wir können iesen Konflikt nicht leugnen. Wir können diese wichige und grundlegende Entscheidung aber auch nicht auf ie Jugendrichter abwälzen, die nach den herrschenden orgaben wohl meist gezwungen wären, gegen die Be ange der Opfer zu entscheiden. Deshalb haben wir uns ntschlossen, die Zulassung der Nebenklage strikt an en Belangen schwer geschädigter Opfer auszurichten. as ist ein plausibler und gut vermittelbarer Komproiss zwischen den bislang vertretenen Auffassungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich ei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern dafür, ass die Beratungen im Bundestag auch in so schwierien und kontroversen Fragen wie den gerade angesprohenen zu guten Ergebnissen geführt haben, die letztlich on einer soliden Mehrheit getragen werden. In diesen ank schließe ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nseres Ministeriums und des Rechtsausschusses ein, ie praktisch bis zur letzten Minute eine saubere Fleißrbeit geleistet haben. ie dafür aufgewandte Zeit hat sich gelohnt. Jetzt allerings wird ein zügiger Abschluss der Beratungen im Parament und im Bundesrat umso dringlicher. Denn mit em Gesetz sollen drei für die Praxis wichtige Regelunen verlängert werden, die anderenfalls zum 31. Dezemer dieses Jahres auslaufen würden: die Verlängerung der esetzungsreduktion bei großen Strafkammern – die für ie Länder große praktische Bedeutung hat –, die Verlänerung der Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden n allgemeinen Zivilsachen sowie die Verlängerung des usschlusses der Nichtzulassungsbeschwerde in Famili nsachen. Einen Satz zum Schluss an den Kollegen Montag. Siher werden Sie, lieber Kollege Montag, nachher mit Iher ganzen Argumentationskraft – das haben Sie im Auschuss bereits getan – auf eine Vorschrift eindreschen, ämlich die, dass man nachträglich bekannt gewordene atsachen bei Widerruf der Bewährung verwerten darf. ch darf Ihnen Folgendes sagen: Das haben nicht wir uns us den Fingern gesogen. Dies ist ein urgrüner Gedanke hres früheren Kollegen und hessischen Justizministers upert von Plottnitz. Ich finde, das war ein guter Geanke. Für die FDP-Fraktion hat das Wort die Kollegin Mechthild Dyckmans. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Häufig beginnen oder – wie eben – enden die Redebeiträge in den Debatten zur abschließenden Beratung von Gesetzentwürfen über Reformen in der Justiz mit dem Dank an die anderen Fraktionen und an die Berichterstatter für die gute Zusammenarbeit und die Bereitschaft, in ausführlichen Berichterstattergesprächen zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Mit dem 2. Justizmodernisierungsgesetz ist mit dieser guten Tradition leider gebrochen worden. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wahr!)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)





(A) )


(B) )

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607022700
Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1607022800

(Vorsitz: Vizepräsidentin Petra Pau)


Die Bundesregierung hat dem Bundestag im Herbst ei-
nen Entwurf für ein Zweites Gesetz zur Modernisierung
der Justiz zugeleitet. Diesen Gesetzentwurf haben wir
am 26. Oktober dieses Jahres in erster Lesung beraten.
Nur auf Druck der Opposition hat überhaupt eine Anhö-
rung stattgefunden,


(Ernst Burgbacher [FDP]: Unglaublich!)


die allerdings von der Koalition so kurzfristig terminiert
war, dass es nur unter großen Mühen gelang, überhaupt
Sachverständige zu finden, die trotz der kurzen Vorberei-
tungszeit bereit waren, an der Anhörung teilzunehmen.
Nur wenige Tage nach der Anhörung hat der Rechtsaus-
schuss den Gesetzentwurf abschließend beraten. Zeit für
eine ausführliche oder gar intensive Auswertung der An-
hörung bestand somit nicht, Herr Staatssekretär. Es war
auch bei der Koalition keinerlei Interesse erkennbar, mit
der Opposition in dem einen oder anderen Punkt zu einer
gemeinsamen Lösung zu kommen.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Da ist etwas Wahres dran! – Ernst Burgbacher [FDP]: Leider!)


Das war in der vergangenen Wahlperiode, als es um das
1. Justizmodernisierungsgesetz ging, noch ganz anders.
Auch damals waren die Fronten anfänglich verhärtet und
die Positionen der Fraktionen lagen weit auseinander.
Dennoch ist es nach der Anhörung und weiteren Bericht-
erstattergesprächen gelungen, sich auf eine gesetzliche
Regelung zu einigen, der im Ergebnis alle Fraktionen
zugestimmt haben.


(Beifall bei der FDP – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das haben wir gut gemacht!)


Es ist gute Tradition, dass Justizreformen im Rechts-
ausschuss einmütig beschlossen werden. Die Justiz ge-
hört zu den Kernaufgaben des Staates. Daher ist es be-
sonders wichtig, dass die gesetzlichen Grundlagen für
die Arbeit der Justiz vom gesamten Bundestag getragen
werden.

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(C (D Am parlamentarischen Verfahren zum 2. Justizmoderisierungsgesetz wird deutlich, dass die Koalition an iesem Konsens offensichtlich kein Interesse mehr hat. er Verzicht auf eine gemeinsame Suche nach dem bes en Weg lässt in mir die Sorge reifen, dass die große Kolition der Justiz nicht mehr den Stellenwert beimisst, er ihr eigentlich gebührt. (Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Hört! Hört!)


(Beifall bei der FDP)


Nun zur Sache.


(Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Jetzt wird es aber auch Zeit!)


Ja. Ich habe aber noch etwas Zeit, Herr Kollege Gehb. –
er Gesetzentwurf enthält eine Reihe von Regelungen,
ie auch von der FDP unterstützt werden. So werden
iele Anregungen aus der Justiz umgesetzt, die zu einer
erfahrensbeschleunigung und zu einer Entbürokra-

isierung führen. Als besonderes Beispiel nenne ich die
inführung eines spezifischen Wiederaufnahmegrundes

ür den Fall, dass der Europäische Gerichtshof für Men-
chenrechte eine Verletzung der Europäischen Men-
chenrechtskonvention festgestellt hat und das Urteil auf
ieser Verletzung beruht. Zu begrüßen ist auch der Vor-
ang von Wiedergutmachungsansprüchen der Opfer bei
er Vollstreckung von Geldstrafen. Auch eine stärkere
erankerung des Opferschutzgedankens im Jugendstraf-
erfahren entspricht langjährigen Forderungen der FDP.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Oh!)


Dennoch ist fraglich, ob die weit reichenden Ände-
ungen bezüglich der Anwendbarkeit der Nebenklage im
ugendstrafverfahren nicht dem Erziehungsgedanken
es Jugendstrafrechts zuwider laufen. Hier hätte ich mir
ine breitere und intensivere Diskussion gewünscht, zum
eispiel über die Frage, ob mit der Nebenklage auch Be-
eisantrags- und Rechtsmittelrechte verbunden sein dür-

en.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Das ist so!)


ie ich eingangs geschildert habe, hatte man an einer
olchen Diskussion allerdings kein Interesse.

Was uns jedoch unabhängig von dem nicht hinzuneh-
enden Verfahren zur Ablehnung Ihres Gesetzentwurfs

wingt, ist die geplante Änderung der Strafprozessord-
ung, wonach Straftäter künftig auch dann in Haft blei-
en sollen, wenn sie eine Wiedereinsetzung in den
origen Stand erreicht haben. Das Bundesverfassungs-
ericht hat diese Rechtspraxis ausdrücklich für verfas-
ungswidrig erklärt, und zwar nicht nur aufgrund des
ehlens einer gesetzlichen Grundlage. Vielmehr hat das
ericht die Legitimation einer solchen Regelung grund-

ätzlich in Zweifel gezogen.


(Joachim Stünker [SPD]: Wo denn?)


ennoch will die Bundesregierung genau dieses Verfah-
en jetzt gesetzlich verankern. Wir halten eine solche Re-
elung für verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.






(A) )



(B) )


Mechthild Dyckmans

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Bemerkenswert waren die Ausführungen, die Vertre-
ter der Koalitionsfraktionen im Rechtsausschuss hierzu
gemacht haben. Dort wurde beispielsweise gesagt, das
Urteil des Bundesverfassungsgerichts stoße auf Unver-
ständnis und verkenne die wirklichen Bedürfnisse der
Praxis. Bisher bestand im Rechtsausschuss der Konsens,
dass wir uns von der Rechtsprechung des Bundesverfas-
sungsgerichts leiten lassen. Die Feststellungen des Bun-
desverfassungsgerichts haben uns immer den Rahmen
vorgegeben, in dem wir uns als Gesetzgeber bewegt ha-
ben. Daher finde ich es höchst bedenklich, wenn die Ko-
alition nun zu einer anderen Bewertung kommt und
meint, im Hinblick auf diesen Gesetzentwurf müsse die
Rechtsprechung aus Karlsruhe nicht so ernst genommen
werden, wenn sie Forderungen aus der Praxis zuwider
laufen. Diesen Weg wird die FDP nicht mitgehen.

Da in der Begründung des Gesetzentwurfs ausgeführt
wird, dass die zur Gewährleistung einer erneuten Inhaf-
tierung von den beteiligten Gerichten und Staatsanwalt-
schaften zu veranlassenden Maßnahmen zu aufwendig
seien, stelle ich für die FDP fest: Die Anordnung von
freiheitsentziehenden Maßnahmen und die damit ver-
bundenen Eingriffe in die Grundrechte der Betroffenen
sind jeden Aufwand der Gerichte und Staatsanwaltschaf-
ten wert.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607022900

Kollegin Dyckmans, Sie müssen bitte zum Schluss

kommen.


Mechthild Dyckmans (FDP):
Rede ID: ID1607023000

Mein letzter Satz: Wer hier mit Entbürokratisierung

und Verfahrensbeschleunigung argumentiert, legt die
Axt an die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Ulrich Maurer [DIE LINKE] und des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607023100

Das Wort hat der Kollege Siegfried Kauder für die

Unionsfraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Jetzt gibt es wieder eine freie Rede!)


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
CSU):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-
legen! Ich kann mich an kein Gesetz erinnern, das, wie
die Kollegin Dyckmans es glauben macht, vom Himmel
fiel. In aller Regel haben Gesetzentwürfe eine lange Vor-
geschichte. Ich möchte Ihnen das am Beispiel des
2. Justizmodernisierungsgesetzes gerne demonstrieren.
Aber fangen wir in aller Ruhe von vorne an.

Jedes Jahr am 22. März findet in ganz Deutschland
der Tag des Kriminalitätsopfers statt. Opferschutzorgani-
sationen wie der Weiße Ring erwähnen lobend Tausende

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(C (D on ehrenamtlichen Mitarbeitern, die zahllose Stunden n die Opferbegleitung und Opferbetreuung investieren, ie mit den Opfern schwere Stunden teilen. Ich glaube, as ist doch ein Lob dieses Hauses wert. m 22. März eines jeden Jahres werden aber nicht nur pferhelfer gelobt, da werden auch berechtigte Forde ungen an die Politik artikuliert. Ich kann mich an viele ieser Veranstaltungen am 22. März erinnern, an der olitiker teilgenommen und Beifall geklatscht haben. as reicht aber nicht aus – man muss berechtigte Interes en auch umsetzen. Im Zusammenhang mit dem Opferrechtsreformgeetz, das in der letzten Legislaturperiode zu deutlichen erbesserungen des Opferschutzes geführt hat, habe ich m 13. November 2003 in diesem Haus eine Rede gehalen. An diesem 13. November 2003 habe ich auf eine ücke im Opferschutz hingewiesen, nämlich die, dass es ahezu keinen effektiven Opferschutz im Jugendtrafverfahren gibt. Ich habe die damalige rot-grüne undesregierung ultimativ aufgefordert, einen Gesetzntwurf vorzulegen, mit dem die Nebenklage im Jugendtrafverfahren vorgesehen wird. Frau Kollegin Dyckans, ich kann mich nicht daran erinnern, dass in diesem usammenhang von Ihnen der Einwand kam, dem stehe er Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts entgegen. (Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Da war Frau Dyckmans noch nicht im Bundestag und alle anderen von der FDP können Einwände, die so klug sind, nicht bringen! – Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dann nehme ich meine Vorhaltungen gegenüber der
ollegin Dyckmans zurück und richte diese an die Kol-

eginnen und Kollegen der FDP.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von uns kam der Einwand!)


Die Bundesregierung nimmt den Opferschutz ernst
nd hat mit dem 2. JuMoG einen entsprechenden Ent-
urf vorgelegt. Die Regierungskoalition bringt den
pferschutzgedanken voran. Auch die Oppositionsfrak-

ionen geben sich zugegebenermaßen redlich Mühe. Was
ird mit diesem 2. Justizmodernisierungsgesetz von der
undesregierung vorgeschlagen? Opferschutz im Ju-
endstrafverfahren, wie wir ihn in der Praxis schon na-
ezu haben: eine Stärkung der Beteiligungsrechte, eine
tärkung der Informationsrechte – mehr nicht! So funk-

ioniert effektiver Opferschutz nicht. Jeder, der in diesem
ereich tätig ist, weiß, was ich meine. Stattet man
pferschutz und Nebenklage nicht mit Aktivrechten, mit
echtsmitteln, aus, bleibt dies eine stumpfe Waffe.

Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der großen
oalition, dass sie mir auf meinem Weg, der eben weiter
ing als dieser „Opferschutz light“ im Jugendstrafver-
ahren, gefolgt sind. Ich weiß, dass man es sich nicht
eicht gemacht hat. Über den immer wieder vorgebrach-
en Gedanken, dass Opferschutz im Jugendstrafverfah-
en dem Erziehungsgedanken entgegensteht, wurde
eftig debattiert. Ich empfehle jedem opferpolitischen






(A) )



(B) )


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen)

Bedenkenträger, im Kommentar von Ostendorf zum Ju-
gendgerichtsgesetz Anmerkung 8 zu § 80 JGG nachzu-
lesen, in dem es noch heute heißt:

Auch geringe erzieherische Bedenken stehen den
berechtigten Interessen des Verletzten entgegen.

Ich empfehle den Bedenkenträgern auch, die Entschei-
dung des Bundesgerichtshofs in der Amtlichen Samm-
lung, 41. Bd., S. 288 f. zu lesen: Wir haben schon Opfer-
schutz im Jugendstrafverfahren und haben aus diesem
Bereich auch belastbare Informationen. Im so genannten
verbundenen Verfahren, wenn also Jugendliche mit He-
ranwachsenden und Erwachsenen auf der Anklagebank
sitzen, gibt es die Nebenklage schon. Keiner hat bisher
Bedenken geäußert, dass dadurch der Erziehungsge-
danke konterkariert würde. Das ist auch nicht so. Genau
der Bereich des verbundenen Verfahrens zeigt, dass so
wie Strafverteidiger ihre prozessualen Rechte verant-
wortungsvoll wahrnehmen, dies auch Nebenklagevertre-
ter tun. Deswegen komme ich zu dem Ergebnis: Der
Erziehungsgedanke des Jugendstrafrechts steht einem
Opferschutz nicht entgegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


H
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1607023200
Wir haben uns für eine Lösung
entschieden, die meines Erachtens von allen Fraktionen
dieses Deutschen Bundestages mitgetragen werden
kann. Die Nebenklage soll nicht in jedem Jugendstraf-
verfahren zugelassen werden, sondern nur dann, wenn
das Opfer besonders belastet worden ist, wenn es also
um Verbrechen gegen Leib und Leben geht, wenn es um
Verbrechen gegen die sexuelle Selbstbestimmung geht
oder wenn es um Verbrechen gegen die persönliche Frei-
heit geht. Auch dort haben wir eine Trennlinie eingezo-
gen: nur dann, wenn es zu schwerwiegenden seelischen
oder körperlichen Schädigungen gekommen ist oder
wenn die Gefahr solcher Schädigungen bestanden hat!
Das ist also ein ganz sanfter Einstieg in die Nebenklage.
Ich halte ihn für vertretbar.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie alle, ein Zei-
chen zu setzen, auch wenn bei den übrigen Bereichen
des 2. Justizmodernisierungsgesetzes Bedenken beste-
hen sollten. Es wäre ein gutes Zeichen für alle Krimina-
litätsopfer, wenn Sie zeigen würden, dass nicht nur am
22. März eines jeden Jahres, sondern auch heute der Tag
des Kriminalitätsopfers ist. Wir sehen es ja: Wir haben
heute über den Gesetzentwurf zur Strafbarkeit beharrli-
cher Nachstellungen entschieden und im nächsten Ta-
gesordnungspunkt werden wir über das Opferentschädi-
gungsgesetz reden. Geben Sie sich einen Ruck und
stimmen Sie diesem Gesetz zu.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich noch etwas zum Rechtsinstitut der
Verwarnung mit Strafvorbehalt sagen. Herr Staats-
sekretär Hartenbach hat die Bedenken der Länder artiku-
liert, dass dies möglicherweise zu Einnahmeausfällen
führen würde. Nicht einmal das stimmt.


(Joachim Stünker [SPD]: Stimmt!)


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(C (D er in § 59 a des Strafgesetzbuches schaut, der weiß, ie eine Verwarnung mit Strafvorbehalt abläuft. tatt einer Geldstrafe wird eine Geldbuße festgesetzt. er praktische Erfahrungen hat, der weiß, dass die Verarnung mit Strafvorbehalt oftmals dann eingeführt ird, wenn gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt urde. Ich erlebe es immer wieder, dass das Gericht dem erteidiger in solchen Fällen eine Verwarnung mit Straforbehalt anbietet, aber darauf hinweist, dass es davon usgehe, dass die im Strafbefehl festgesetzte Geldstrafe ls Geldbuße festgesetzt wird. s kommt also nicht zu einem Einnahmeausfall. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie Recht, Herr Kollege!)


(Beifall des Abg. Joachim Stünker [SPD])


(Joachim Stünker [SPD]: So ist es!)


iese Verwarnung mit Strafvorbehalt ist ein hervorra-
endes Scharnier zwischen der Möglichkeit einer Ver-
ahrenseinstellung nach § 153 a der Strafprozessordnung
nd einer Geldstrafe.

So, wie es eine Freiheitsstrafe zur Bewährung gibt,
oll es auch eine Geldstrafe zur Bewährung geben. Der
nwendungsbereich ist ohnehin klein genug. Deswegen
ar es gut, diesen Anwendungsbereich moderat zu öff-
en und die Klauseln zu lockern. Ich bin der Meinung,
ass dieses Rechtsinstitut damit auch eine Berechtigung
n der Rechtspolitik haben wird.

Ich bedanke mich bei Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607023300

Das Wort hat der Kollege Ulrich Maurer für die Frak-

ion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulrich Maurer (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607023400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der

ollege Kauder hat eine elegante Volte gemacht, indem
r das Ganze auf eine Frage des Opferschutzes reduziert
at. Das ist natürlich nicht richtig. Dieser Gesetzentwurf
at einen ganz anderen Umfang. Die Frau Kollegin von
er FDP hat das ja bereits dargelegt.

Sie werden damit vor dem Verfassungsgericht wahr-
cheinlich erneut in Teilen scheitern. Es ist eine be-
ährte Übung in diesem Haus, dem höchsten deutschen
ericht sozusagen einmal die Leviten zu lesen, indem
an Gesetzentwürfe verabschiedet, die geltenden Geset-

en entgegenstehen. Ich erkenne anhand der Zwischen-
ufe, dass Sie diese ganz merkwürdige Einstellung ha-
en. Sie wissen alle, welch hohe Hürden vor einer
iedereinsetzung stehen. Wenn Sie sagen, aus Gründen

er Praktikabilität ließen Sie die Leute in Haft, offenbart
ies eine Rechtsgüterabwägung, die mich erschreckt. Ich
age Ihnen das ganz offen.

Sie haben auch kein Wort darüber verloren – das sind
ür Sie wahrscheinlich Peanuts –, dass der bargeldlose






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(B) )


Ulrich Maurer
Zahlungsverkehr eingeführt wird. Sie verkennen im-
mer wieder, wie viele Menschen in diesem Land nicht an
dem bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen können.
Sie verkennen auch, was es eigentlich heißt, dass Sie bei
der Nichtzulassung immer wieder mit der Grenze von
20 000 Euro operieren. Es gibt Leute, für die das kein
Problem ist, es gibt aber auch Menschen, die Recht su-
chen und für die das ein Problem darstellt.

All diese Dinge sind hier nicht zur Sprache gekom-
men. Ich sage aber ganz offen: Diese verblassen sogar
vor der Art und Weise, wie Sie dieses Gesetz durchge-
peitscht haben.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Jetzt kommen die Textbausteine!)


Herr Kollege Kauder, es mag ja sein, dass der Entwurf
für Sie eine lange Vorgeschichte hat; trotzdem kann die
Bevölkerung dieses Landes von ihrem Parlament die
parlamentarische Behandlung eines Gesetzentwurfs
verlangen. Die Tatsache, dass Sie die entsprechende An-
hörung, die Sie ursprünglich selbst nicht durchführen
wollten, auf zehn Minuten nach Schluss der letzten
Haushaltswoche terminiert haben


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Nutzen Sie Ihre Redezeit doch für Kritik und nicht für Formalismus!)


– die Frau Kollegin hat das bereits gesagt –,


(Joachim Stünker [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)


zeigt im Grunde genommen nichts anderes, als dass Sie
weder an einer Anhörung noch an einer vertieften Dis-
kussion über Ihre Gesetzesvorhaben interessiert sind.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie sind nicht daran interessiert.


(Beifall bei der LINKEN)


An den Schulen unseres Landes wird eine Vorstellung
von parlamentarischen Verfahren vermittelt, die Sie
längst ad acta gelegt haben. Sie machen Ihre Gesetze
vorher selber – wo auch immer – und dann werden sie
hier abgenickt. Auf diese Art und Weise kann ein Parla-
ment nicht funktionieren. Wir sind auch nicht bereit,
eine solche Art und Weise hinzunehmen.

Dass Sie das Thema sechs Tage nach dieser Farce von
Anhörung im Parlament beraten wollen, vertieft den
Eindruck nur noch mehr.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Was Sie gerade machen, ist ungehörig!)


Denn wir leben leider in einem Land, in dem in zuneh-
mendem Maße von Interessierten, manchmal auch von
Interessenverbänden und von der Regierung Gesetze ge-
macht werden. Aber die üblichen parlamentarischen
Verfahren zur Rechtsfindung werden nicht mehr gewähr-
leistet.

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(C (D Wir jedenfalls sind nicht bereit, das zu tolerieren. elbst wenn man dem Gesetz in Teilen positiv gegenbersteht, (Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal, zu welchen Teilen Sie positiv stehen!)


rzwingt allein die Tatsache, wie Sie in dieser Frage mit
em Parlament umgehen, das Nein zu diesem Vorhaben.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607023500

Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag für die Frak-

ion des Bündnisses 90/Die Grünen.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607023600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf die

rt und Weise des Zustandekommens des Gesetzes will
ch nicht eingehen. Dazu haben meine Vorrednerinnen
nd Vorredner alles Notwendige gesagt. Nur zu Ihnen,
err Kollege Hartenbach: Sie können nicht ernsthaft be-
aupten, dass wir seit der Einbringung des Gesetzent-
urfs durch die Bundesregierung eine „intensive Bera-

ung“ durchgeführt haben.

Ich komme sogleich zur Sache. Der Gesetzentwurf
nthält etliches Positives. Das will ich an den Anfang
einer Ausführungen stellen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
tellt bisweilen – es ist zwar selten, aber es kommt vor –
uch gegenüber deutschen Gerichtsurteilen fest, dass
iese Menschenrechte verletzen. Nachdem es in der
trafprozessordnung bereits geregelt ist, soll nun auch in
er Zivilprozessordnung ein Wiederaufnahmegrund we-
en einer Menschenrechtsverletzung durch gerichtliche
rteile in Zivilsachen eingeführt werden. Das ist auch

ür Verwaltungsverfahren und andere Verfahrensarten
orgesehen. Das halten wir für richtig.

Die Ausweitung der Verwarnung mit Strafvorbehalt
st bereits erwähnt worden. Das findet unsere volle Zu-
timmung.

Auch dass Opferansprüche in der Vollstreckung jetzt
or der Vollstreckung von Geldstrafen zum Zuge kom-
en sollen – das ist sozusagen eine praktische Form des
pferschutzes –, findet unsere Zustimmung.


(Beifall bei der LINKEN)


Es wäre deswegen schön gewesen, wenn wir über die
nderen Punkte, die hoch streitig sind, intensiv und in
uhe hätten reden können, weil wir dann vielleicht auch
nter den Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern zu
inem guten Ergebnis gekommen wären. Die Zeit ist
icht geblieben.

Ich begründe aber auch, warum wir Grünen leider
iesem Gesetzentwurf die Zustimmung verweigern müs-
en. Es geht nicht an, dass gegenstandslos gewordene
reiheitsentziehungen, die nur aufgrund einer gerichtli-
hen Entscheidung ergehen können, allein deswegen
ieder aufleben sollen, weil derjenige, der durch sie
elastet war, im Wege einer Wiedereinsetzung in den






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
vorigen Stand in eine für ihn günstigere Position gekom-
men ist.

Es ist Irrsinn, dass jemand ein Grundrecht erstreitet
– nämlich das Recht auf rechtliches Gehör – und als
Dank dafür von der Justiz die sofortige Inhaftierung ver-
fügt wird.


(Wolfgang Wieland [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich! – Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat sich denn das ausgedacht?)


Das geht nur dann, wenn ein Gericht wiederum in einer
neuen Entscheidung darüber befindet. Das ist eigentlich
ein völlig klarer Gedanke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP])


Es ist mir völlig unklar, warum Sie diese Regelung ha-
ben passieren lassen.

Der Widerruf einer Strafaussetzungsentscheidung ist
eine Entscheidung, die nur nach strengen rechtsstaatli-
chen Regeln durchgeführt werden kann. Wenn eine Ent-
scheidung eines Gerichts vorliegt, mit der jemand mit
günstiger Sozialprognose in die Freiheit entlassen wird,
dann ist der Widerruf einer solchen Entscheidung nur
dann möglich, wenn ganz gewichtige Gründe – wie Wie-
deraufnahmegründe zulasten eines Angeklagten oder
Beschuldigten – dafür sprechen. Keinesfalls darf es aber
ausreichen, dass irgendwelche Tatsachen, die dem Ge-
richt zuerst unbekannt waren, dann aber bekannt wur-
den, zulasten einer solchen Entscheidung eingewendet
werden, obwohl sich der Betroffene nach der Entschei-
dung des Gerichts in der Sache selbst, in punkto seiner
Bewährung, gar nichts hat zuschulden kommen lassen.
So etwas geht nicht.

Zum Schluss zum Jugendstrafverfahren. Herr Kollege
Kauder, Sie sagen, dass Sie keine stumpfen Schwerter
wollen. Wir waren ja für den Ausbau der Opferrechte
im Jugendstrafverfahren. Wir wollten zusammen mit
Ihnen und der Bundesregierung das Informationsrecht,
das Akteneinsichtsrecht, das Anwesenheitsrecht und das
Beistandsrecht in das Jugendstrafgerichtsverfahren im-
plementieren. Sie denunzieren nun diese Mittel als
stumpfe Waffen und sagen, was Sie im Jugendstrafrecht
tatsächlich wollen: scharfe Waffen.


(Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Wir wollen Waffengleichheit!)


Ich sage Ihnen: Wir wollen gar keine Waffen im Jugend-
strafverfahren; denn dieses Verfahren eignet sich nicht
für ein solches Vorgehen. Deswegen sind wir auch gegen
die Nebenklage im Jugendstrafverfahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir müssen den gesamten Gesetzentwurf ablehnen,
so Leid es uns um die positiven Punkte tut.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Stün er. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Kollege Maurer, in Sachen Rechtsstaatlichkeit sollen Sie uns, glaube ich, keine Belehrung erteilen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607023700

(Beifall bei der SPD)

Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1607023800

m „Tagesspiegel“ vom 30. November dieses Jahres fin-
et sich im Zusammenhang mit der auch in meinen
ugen nicht akzeptablen Einstellung des Mannesmann-
alls von Ihrem rechtspolitischen Sprecher und stell-
ertretenden Vorsitzenden des Rechtsausschusses, Wolf-
ang Nešković, Folgendes:

Der stellvertretende Vorsitzende des Rechtsaus-
schusses, Wolfgang Nešković, fordert dagegen eine
unabhängige Instanz, die Verabredungen wie im
Mannesmann-Prozess anfechten kann. Zur Not
muss das Parlament die Möglichkeit einer Überprü-
fung bekommen.

er solche populistischen Äußerungen, die schon die
ewaltenteilung negieren, den Journalisten in die Feder
iktiert, der muss mit uns über Rechtsstaatlichkeit nicht
ehr diskutieren.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu kann ich nur sagen: Das Zentralkomitee der
ED lässt grüßen! Der Arbeiter- und Bauernstaat hebt
erichtliche Entscheidungen hinterher wieder auf. Ir-
endwann ist es wieder so weit, dass Richterbriefe ge-
chrieben werden, Herr Kollege.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Frau Leutheusser-Schnarrenberger ist nicht mehr da.
onst hätte ich noch etwas zu ihrer Äußerung gesagt,
ass man den § 153 a der Strafprozessordnung überprü-
en sollte. Das will ich jetzt nicht machen. Aber so viel
opulismus in der Rechtspolitik war noch nie, wie ge-
enwärtig von der Opposition in diesem Hause offenbart
ird!


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht von der ganzen!)


Nun komme ich zu Ihnen, Herr Montag.


(Heiterkeit bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich erlaube mir, mit Genehmigung der Frau Präsiden-
in aus der Pressemitteilung Nr. 1537 der Bundestags-
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen vom 29. Novem-
er 2006 zu zitieren:

Gegen den Willen von Schwarz-Rot konnte die Op-
position dennoch wenigstens kurzfristig eine Sach-
verständigenanhörung durchsetzen.






(A) )



(B) )


Joachim Stünker
Herr Kollege Montag, bleiben Sie bitte bei der Wahrheit!
Wenn ich mich richtig erinnere, waren wir es, die diese
Anhörung gegen Ihren Willen – weil Sie keinen Termin
mehr vor Weihnachten finden konnten – durchsetzen
mussten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Herr Kollege Montag, natürlich haben wir von Anfang
an das Recht der Opposition, eine Anhörung zu beantra-
gen, akzeptiert. Wir haben gesagt: Jawohl, wir machen
die Anhörung. Auch wenn Sie vor Weihnachten keine
Zeit mehr hatten, haben wir uns die Zeit genommen, um
darüber zu beraten.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607023900

Kollege Stünker, gestatten Sie eine Zwischenfrage

des Kollegen Montag?


Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1607024000

Von Herrn Montag immer!


(Ulrich Maurer [DIE LINKE]: Junge, Junge, das ist ja ein Winkeladvokat!)


– Frau Präsidentin, haben Sie diesen Zwischenruf ge-
hört? – Das will ich dem Kollegen Maurer nicht durch-
gehen lassen. Er hat mich eben einen Winkeladvokaten
genannt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607024100

Ich werde es prüfen.


Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1607024200

Gut. – Das aus Ihrem Mund, Herr Kollege Maurer!


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607024300

Bitte, Herr Montag.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607024400

Ich habe diesen Zuruf nicht gehört. Aber ich weiß ge-

nau, dass der Kollege Maurer ein Anwalt ist und Sie ein
Richter sind.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Jürgen Gehb [CDU/CSU]: Ein Winkelrichter!)


An Sie, Herr Kollege Stünker, habe ich die Frage, ob
Sie bereit sind, hier vor dem Plenum zu bestätigen, dass
nicht die große Koalition, nicht die Mehrheit in diesem
Hause, den Antrag gestellt hat, eine Anhörung im
Rechtsausschuss zum 2. Justizmodernisierungsgesetz
durchzuführen, sondern dass dies die Oppositionspar-
teien waren, und es deswegen richtig ist, dass es auf An-
trag der Opposition überhaupt zu einer solchen Anhö-
rung gekommen ist?

Sind Sie auch bereit, hier im Plenum zu bestätigen,
dass die Terminierung selbstverständlich in den Händen
der Mehrheit und nicht in den Händen der Minderheit
liegt und dass es deswegen Sie, die große Koalition, wa-
ren, die den tatsächlich nicht ganz sauberen Vorschlag
gemacht haben: wenn schon in einer Haushaltswoche,

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(C (D ann schreiten wir am Freitag Nachmittag zu dieser Anörung? Wir als Minderheit konnten uns gegen diese urch die Mehrheit bestimmte Terminierung nicht wehen. Sie werden aber doch wohl bestätigen können, dass rotz allem wenigstens ich an dieser Anhörung teilgeommen habe. Herr Kollege Montag, ich kann drei Viertel von dem, as Sie gesagt haben, bestätigen. Das ist richtig. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schon sehr viel! Danke!)

Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1607024500

ie hatten mir gesagt: Beantragen Sie die Anhörung,
ann brauchen wir sie nicht zu beantragen! – Das ist in
rdnung, das haben wir schon oft so gemacht.

Nicht ganz richtig ist die Darstellung der Termin-
rage. Wir hatten Ihnen, der Opposition, mehrere Ter-
ine angeboten. Wir hatten sogar um eine Ausnahmege-

ehmigung des Präsidenten für die Haushaltswoche
ebeten. Das ist abgelehnt worden. Daher mussten wir
uf den Termin ausweichen, an dem die Haushaltswoche
eendet war, um noch fristgemäß die Anhörung durch-
ühren zu können. Sie, Herr Kollege Montag, waren an-
esend und haben wie immer sachgemäß zu der Anhö-

ung beigetragen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke schön!)


Lassen Sie mich noch zu zwei Punkten eine Anmer-
ung machen. Herr Kollege Montag hat mit Verve die
ür Laien schwer zu durchschauende Vorschrift des
47 Abs. 3 (neu) der Strafprozessordnung vorgetragen.
as betrifft die Frage der Wiedereinsetzung in den vor-
erigen Stand. Ich will dazu nur eines sagen, Herr Kol-

ege Montag: Lesen Sie bitte auch Satz 2 und Satz 3. Wir
tellen sicher, dass, wenn Wiedereinsetzung gewährt
ird, sich das wiedereinsetzende Gericht unmittelbar
it der Haftfrage beschäftigen muss. Aus unserer Sicht
ird Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes in diesem Fall

ingehalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


aher sehen wir die verfassungsrechtlichen Probleme,
ie Sie haben, nicht. Trotzdem, Frau Dyckmans, erlaube
ch es mir und lasse es mir nicht nehmen, Entscheidun-
en auch des Bundesverfassungsgerichts kritisch zu hin-
erfragen. Das Recht nehme ich mir als frei gewählter
bgeordneter in diesem Hause heraus. Das muss ich Ih-
en ganz deutlich sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Noch ein weiterer Punkt: Ich bin sehr froh darüber,
ass wir mit diesem Gesetz die Verwarnung mit Straf-
orbehalt ausweiten können. Ich habe überhaupt nicht
erstanden, dass in einigen Stellungnahmen dazu ge-
chrieben wurde, eine solche Vorschrift setze das Werte-
efühl der Menschen in diesem Land gegenüber der






(A) )



(B) )


Joachim Stünker
Geldstrafe außer Kraft. Meine Damen und Herren, wenn
die Schuldfeststellung durch ein Urteil gegeben ist und
lediglich die Geldstrafe sozusagen zur Bewährung aus-
gesetzt wird, wird das Wertegefühl der Menschen in kei-
ner Weise beeinträchtigt. Viel eher ist das der Fall, wenn,
wie im Mannesmann-Verfahren geschehen, das Verfah-
ren nach § 153 a StPO gegen die Zahlung einiger Millio-
nen Euro eingestellt wird. Das beeinträchtigt das Werte-
gefühl der Menschen viel mehr als die Ausdehnung der
Verwarnung mit Strafvorbehalt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Ein Zweites dazu – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607024600

Kollege Stünker, es tut mir Leid, diese Aufzählung

können wir nicht mehr beenden.


Joachim Stünker (SPD):
Rede ID: ID1607024700

Frau Präsidentin, einen Satz muss ich noch sagen dür-

fen. – Es wurde gesagt, dem Staat gehe Geld verloren,
wenn wir die Verwarnung mit Strafvorbehalt ausdehnen.
Dazu eine Anmerkung: Er spart sogar Geld, Herr Kol-
lege Kauder, und zwar insofern, als dann die Ersatzfrei-
heitsstrafen weniger werden, die sonst dazu führen wür-
den, dass die Menschen wieder in den Knast müssten.
Der Staat spart also Haftplätze.

Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607024800

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten
Gesetzes zur Modernisierung der Justiz, Drucksa-
che 16/3038. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 16/3640, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über den
wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsan-
trag auf Drucksache 16/3674? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Antragsteller bei Enthaltung der FDP-Fraktion und der
Fraktion Die Linke abgelehnt.

Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in
der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Hand-
zeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-

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(C (D urf ist gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktioen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Frakion des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Enturf eines Justizmodernisierungsauskopplungsgesetzes uf Drucksache 16/3282. Der Rechtsausschuss empfiehlt nter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf rucksache 16/3640, den Gesetzentwurf abzulehnen. ch bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – ibt es Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter eratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Ge chäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b auf: a)

Montag, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, wei-
teren Abgeordneten und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Ausweitung der
Opferentschädigung bei Gewalttaten
– Drucksache 16/1067 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van
Essen, Dr. Max Stadler, Mechthild Dyckmans,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Opferentschädigung bei Terrorakten im Aus-
land sicherstellen
– Drucksache 16/585 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
raktion des Bündnisses 90/Die Grünen fünf Minuten
rhalten soll. – Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann
st das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
ontag von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-

en.


Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1607024900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will

n dieser Stelle an zwei schreckliche Ereignisse erin-
ern, die sich bereits vor einigen Jahren abgespielt ha-
en.






(A) )



(B) )


Jerzy Montag
Fall Nummer eins. Ein deutscher Staatsangehöriger,
ein Vater, fährt mit seinen beiden Kindern nach Mallorca
und tötet sie dort. Die Mutter, die in Deutschland zu-
rückgeblieben ist, bekommt einen Schock. Sie macht
viele Monate später Ansprüche nach dem Opferentschä-
digungsgesetz geltend. Wiederum nach einigen Jahren
gerichtlicher Auseinandersetzung teilt ein deutsches Ge-
richt dieser Mutter mit: In der Sache steht Ihnen ein An-
spruch nach dem Opferentschädigungsgesetz eigentlich
zu; aber leider sind Ihre Kinder am falschen Ort getötet
worden. Wären sie auf Helgoland getötet worden, dann
würden Sie Geld bekommen. Aber weil es auf Mallorca
geschehen ist, bekommen Sie nichts.

Fall Nummer zwei. In Mölln und in Solingen brannte
jeweils ein Haus wegen einer neonazistischen Tat ab.
Dabei sind einige türkische Mädchen verbrannt. Sie wa-
ren zu Besuch bei ihren türkischen Verwandten, die seit
vielen Jahren in Deutschland lebten. Die Hinterbliebe-
nen der toten Mädchen haben ebenfalls Anträge nach
dem Opferentschädigungsgesetz gestellt. Auch diesen
Hinterbliebenen wurde von einem deutschen Gericht
letztendlich mitgeteilt: Eigentlich haben Sie einen An-
spruch; aber leider befinden Sie sich im falschen Ver-
wandtschaftsverhältnis zu den Verwandten, die Sie be-
sucht haben. Wären die getöteten Mädchen Verwandte
ersten oder zweiten Grades gewesen, hätten Sie etwas
bekommen; bei einem Verwandtschaftsverhältnis dritten
Grades bekommen Sie nichts. Es waren nur Kusinen
bzw. Nichten und deswegen bekommen Sie nichts.

Diese beiden Fälle haben mich seit Jahren bewegt. Ich
weiß, dass einige von Ihnen – wir haben viele Male da-
rüber gesprochen – von diesen Fällen auch bewegt wa-
ren und bewegt sind. Wir haben in der letzten Legislatur-
periode den Versuch unternommen, hier eine gesetzliche
Abhilfe zu schaffen. Wir waren uns unter den Rechts-
politikern und auch unter den Sozialpolitikern eigentlich
so gut wie einig darüber, dass wir den zweiten Fall – da
geht es um Ausländer, die zu Besuch in Deutschland
sind – dadurch lösen wollen, dass wir nicht nur Ver-
wandte ersten und zweiten, sondern auch Verwandte
dritten Grades in den Schutzbereich des OEG aufneh-
men, und zwar aus der Überlegung heraus, dass es sich
um Straftaten handelt, die in Deutschland geschehen,
weswegen die Schutzpflicht des deutschen Staates ge-
bietet, nach dem Territorialitätsprinzip auch für solche
Personen die Ansprüche nach dem Opferentschädi-
gungsgesetz entstehen zu lassen.

Der erste Fall ist zugegebenermaßen etwas komple-
xer; denn es handelt sich um Straftaten im Ausland. Des-
wegen haben wir gesagt, dass wir für deutsche Staatsan-
gehörige und ihnen gleichgestellte EU-Ausländer sowie
Ausländer mit festem langjährigen Aufenthalt in
Deutschland wenigstens die Hereinnahme in die Billig-
keitslösung des Opferentschädigungsgesetzes erreichen
wollen.

Wir Grünen haben jetzt einen entsprechenden Gesetz-
entwurf vorgelegt. Auch wenn die Koalitionsmehrheit
den Rechtspolitikern das zu meinem völligen Unver-
ständnis aus der Hand genommen hat – wir können da-
rüber nicht im Rechtsausschuss beraten; das tut der Sa-

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(C (D he aber überhaupt keinen Abbruch; das können wir uch in jedem anderen Ausschuss sachgerecht diskutieen –, würde ich mir wünschen, dass die Tatsache, dass er Gesetzentwurf von uns kommt, für Sie kein Anlass ird, ihn abzulehnen. Ich bitte Sie dringend, sich damit achlich intensiv zu beschäftigen und in der Sache eine emeinsame Lösung zu finden. Ich will Sie zum Schluss daran erinnern, das Bundesanzlerin Merkel am 10. Oktober bei der 30-Jahr-Feier es Weißen Ringes hier in Berlin erklärt hat, das Opferntschädigungsgesetz sei ein sehr fortschrittliches esetz. Ich darf nun zitieren: Es ist aber eines, das kontiuierlich weiterzuentwickeln und an die sich verändernen Gegebenheiten anzupassen ist. Genau dies ist der Vorschlag von uns Grünen, nämich das Opferentschädigungsgesetz den sich ändernden egebenheiten anzupassen und dafür zu sorgen, dass olche Fälle wie die, die ich beschrieben habe, sich nicht ehr wiederholen. Danke. Für die Unionsfraktion spricht nun der Kollege Paul ehrieder. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und erren! Lieber Kollege Jerzy Montag, keine Angst: Wir aben keine Bedenken, einem guten Gesetzentwurf der rünen zuzustimmen, aber er muss wirklich gut sein. (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607025000

(Beifall bei der CDU/CSU)

Paul Lehrieder (CSU):
Rede ID: ID1607025100

icht weil „grün“ draufsteht, werden wir ihn ablehnen.
ir werden ihn gleichwohl ablehnen.

Wir beraten heute den Antrag der FDP und den Ge-
etzentwurf zum Opferentschädigungsgesetz der Grü-
en. Die Thematik ist nicht neu; Sie haben darauf hinge-
iesen, Herr Montag. Es geht im Wesentlichen um

ragische Schicksale und um die Erkenntnis, dass für die
etroffenen etwas getan werden muss. Dennoch lehnen
ir den Antrag der FDP und den Gesetzentwurf hier und
eute ab.

Ursprünglicher Sinn und Zweck des Opferentschädi-
ungsgesetzes ist, demjenigen eine Entschädigung zuzu-
estehen, den der Staat als Träger des Gewaltmonopols
icht zu schützen vermochte. Davon erfasst sind deut-
che Staatsbürger und Ausländer, die unter § 1 Abs. 4
nd 5 des Opferentschädigungsgesetzes fallen. Das Ge-
etz sieht für Opfer von Gewaltverbrechen nach § 1
bs. 1 momentan einen Anspruch auf Versorgung vor,

oweit die Schädigung im Geltungsbereich des Opfer-
ntschädigungsgesetzes, also im Inland oder auf einem
eutschen Schiff oder Flugzeug, eingetreten ist. Es gilt
nsoweit das Territorialitätsprinzip.






(A) )



(B) )


Paul Lehrieder
Warum ist das so? Laut amtlicher Gesetzesbegrün-
dung trifft den Staat und seine Organe nur in diesem Be-
reich die Verantwortung für die Sicherheit der Men-
schen. Das hat dazu geführt, dass bereits in mehreren
Fällen die Entschädigung versagt wurde, weil der Tatort
im Ausland lag. Exemplarisch verweise ich auf den Fall
einer Mutter, deren Kind in Mallorca ermordet wurde –
Herr Montag, Sie haben gerade dasselbe Beispiel ge-
bracht. Ihr wurde unter Hinweis auf das Territorialitäts-
prinzip ein Anspruch nach dem Opferentschädigungsge-
setz für den Schockschaden vom Bundessozialgericht
versagt.

Für die Betroffenen spielt es keine Rolle, wo das Ge-
waltverbrechen begangen wurde, denn Trauer und Leid
kennen kein Territorialitätsprinzip. Paradoxerweise kann
aber ein Ausländer, soweit er die Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 4 und 5 des Opferentschädigungsgesetzes er-
füllt, bei Schädigung in Deutschland einen Versorgungs-
anspruch erwerben. Hier wird die große Lücke im der-
zeit gültigen Gesetz deutlich.

Nun bringt die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grü-
nen einen Gesetzentwurf ein, der das Territorialitätsprin-
zip über den Weg des § 10 b des Opferentschädigungs-
gesetzes aufgeben will. Was Sie hier fordern, liebe
Kolleginnen und Kollegen, hätten Sie in besserer Form
schon lange haben können. Die CDU/CSU-Fraktion hat
mit ihrem kompetenten Referenten Siggi Kauder


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)


bereits im Jahre 2003 einen ausgewogenen Gesetzent-
wurf vorgelegt, um eben dieses Problem zu beseitigen.
Rot-Grün hat ihn abgelehnt.

Indem Sie zusätzlich fordern, dass Menschen ohne
deutsche Staatsangehörigkeit, die mit dauerhaft in
Deutschland lebenden Menschen bis zum dritten Grad
verwandt sind und sich nur vorübergehend in Deutsch-
land aufhalten, auch noch unter das Opferentschädi-
gungsgesetz fallen sollen, schießen Sie weit über das
Ziel hinaus.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber da gilt das Territorialitätsprinzip!)


In Härtefällen ist für diese Personengruppe bereits jetzt
eine Entschädigung nach Paragraph 10 b des Opferent-
schädigungsgesetzes möglich. Das wissen Sie.

Was die Versorgung deutscher Terroropfer im Aus-
land angeht, so sei an die Adresse der FDP gesagt: Seit
dem Jahre 2002 sind im Bundeshaushalt beim General-
bundesanwalt Gelder für die Soforthilfe in solchen
Fällen eingestellt, für das Jahr 2007 immerhin
300 000 Euro. In der Vergangenheit haben aus diesem
Topf deutsche Opfer der Terroranschläge in den USA am
11. September und der Attentate von Djerba und Bali er-
hebliche Zahlungen erhalten. Das zeigt, dass wir diese
Menschen mit ihrem Leid nicht alleine lassen.

Nur für den speziellen Fall der Terrorangriffe eine
Anspruchslösung zu konstruieren, wie es die FDP in ih-
rer Begründung fordert, ist sicherlich zu kurz gegriffen.

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(C (D s geht ganz allgemein um alle Schädigungen im Ausand. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die CDU/ SU im Kern für die Erweiterung des Opferentschädiungsgesetzes um die Fälle der Schädigung im Ausland st. Das können Sie im Gesetzentwurf aus dem Jahre 003 bereits nachlesen, allerdings nicht in der Form, wie s die Grünen hier und heute in ihrem Gesetzentwurf orlegen. Ich bedanke mich. Das Wort hat der Kollege Jörg van Essen für die FDP raktion. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ie Rede des Kollegen Lehrieder hat gerade deutlich geacht, wie unterschiedlich manchmal die Diskussionen usfallen, je nachdem, ob man in der Opposition oder in er Regierung ist. Manches, was man vorher als ändeungsbedürftig unterstützt hat, wird auf einmal als wohl elungen gelobt, beispielsweise der Härtefonds beim eneralbundesanwalt. Als wir gemeinsam in der Oppo ition waren, waren wir, wenn ich mich recht entsinne, uch gemeinsam der Auffassung, dass es nicht bei dieser rmessensentscheidung bleiben soll, sondern dass wir iejenigen, die ein schweres Schicksal haben, die Opfer ines Terroranschlages im Ausland geworden sind, mit echtsansprüchen ausstatten wollen. as bleibt auch der Wunsch der FDP. Deshalb haben wir iesen Antrag eingebracht. Wie sich die Rolle verändern kann, haben wir auch ei den Grünen gesehen. Herr Lehrieder, Ihr Hinweis ist ichtig: All das, was die Grünen jetzt vortragen, hätten ie schon unglaublich lange haben können. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir hatten keine Alleinregierung!)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607025200
Jörg van Essen (FDP):
Rede ID: ID1607025300

(Beifall bei der FDP)


ie waren viele Jahre in der Regierung.

Ich erinnere mich an, wie ich finde, sehr gute Bericht-
rstattergespräche und bin deshalb sehr traurig, dass ich
on Ihnen, Herr Lehrieder, die Botschaft höre: Da ändert
ich nichts.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen: Kollege Kau-
er war dafür verantwortlich, dass es bei Ihnen einen,
ie ich finde, sehr bemerkenswerten Antrag auf Ände-

ung des Opferentschädigungsgesetzes im Jahre 2003
egeben hat. Ich erinnere mich auch noch sehr gut an die
ede des Kollegen Kauder – ich glaube, das war im Jahr
arauf –, in der er uns Defizite aufgezeigt hat, die von
ir geteilt worden sind.

Ich glaube, dass wir das, was sich in den letzten Jah-
en entwickelt hat, dass es nämlich hier im Deutschen






(A) )



(B) )


Jörg van Essen
Bundestag Kolleginnen und Kollegen gibt, die sich in
besonderer Weise für den Schutz der Opfer einsetzen,
nicht so leichtfertig aufgeben sollten, wie das vorhin von
Ihnen gemacht wurde.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)


Ich finde, dass wir uns wieder zusammensetzen soll-
ten und dabei schauen sollten, was wir machen können
und was nicht, und dass wir das mit Augenmaß tun soll-
ten. Sie, Herr Lehrieder, haben zu Recht am Antrag der
Grünen kritisiert, dass man das Gefühl hat, da und dort
fehle es an Augenmaß. Wir können uns natürlich gegen-
seitig in den Forderungen überbieten; zugleich müssen
wir aber sehen, dass das Ganze von den Ländern zu be-
zahlen ist, die zu Recht von uns erwarten, dass wir auf
das Machbare Rücksicht nehmen. Danach zu suchen,
was einerseits machbar und bezahlbar ist, andererseits
aber auch den Interessen der Opfer gerecht wird, ist, wie
ich finde, des Schweißes der Edlen wert.

Wir bieten jedenfalls unsere Mitarbeit an. Ich bin
auch ganz sicher, dass der Kollege Kauder dafür offen
ist – er ist immer dafür offen gewesen. Auch der Kollege
Montag war bei diesen Gesprächen immer außerordent-
lich hilfreich. Ich denke, wir sollten den Versuch unter-
nehmen, uns zusammenzusetzen und zu schauen, was zu
machen ist. Für die FDP-Bundestagsfraktion erkläre ich
jedenfalls Bereitschaft dazu.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607025400

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Franz Thönnes.

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Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1607025500


Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Das Opferentschädigungsrecht – das klang auch schon
bei den Ausführungen meiner Vorredner an – beinhaltet
eine Einstandspflicht des Staates für unschuldige Op-
fer von vorsätzlichen Gewalttaten. Es regelt eine eigen-
ständige staatliche Entschädigung jenseits der allgemei-
nen sozialen Sicherungssysteme und der Sozialhilfe für
diejenigen, die der Staat mit seinen Polizeiorganen nicht
vor einer vorsätzlichen Gewalttat hat schützen können.

Es wurden jetzt Fälle beschrieben, die im Rahmen ei-
ner Erweiterung der Opferentschädigung einbezogen
werden sollten. Alle diese Fälle stimmen sehr nachdenk-
lich und es ist schwierig, Fälle wie den der hilflosen
Rentnerin, die überfallen wird, wie den des Missbrauchs
von Kindern oder auch den des Terroranschlags im In-
land, bei dem unschuldige Passanten schwer verletzt
oder getötet werden, zu bewerten. In all diesen Fällen
liegt ein tätlicher Angriff auf Leib und Leben der Betrof-
fenen vor und es kommt auf den zumindest bedingten
Vorsatz der Täter, aber nicht ihre Motive an, damit die

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(C (D pferentschädigung greifen kann. Umfang und Höhe er nach dem Opferentschädigungsgesetz zu erbringenen Leistungen richten sich nach dem Bundesversorungsgesetz. So neu ist das alles allerdings nicht, sondern wir reden ereits länger darüber; der Kollege Montag hat im Prinip die Geschichte der Beratungen beschrieben. Auch in er letzten Legislaturperiode hat es darüber zwischen alen Fraktionen, nicht nur den Koalitionsfraktionen, inensive Beratungen gegeben. Das Bundesministerium ür Arbeit und Soziales war mit an diesem Prozess beteiigt. Es ist auch deutlich geworden, dass das bisherige pferentschädigungsgesetz an einigen Stellen durchaus iniger Ergänzungen und Änderungen bedarf. Über anere Punkte konnte bei diesem Prozess allerdings keine inigung erzielt werden. So könnte man davon sprechen, ass es zurzeit so eine Art Zwischenergebnis gibt, das alerdings nicht befriedigt. Diejenigen, die sich damit beassen, sind deswegen der Meinung, dass man da noch inmal herangehen sollte. Im vorliegenden Entwurf wird zunächst einmal voreschlagen, den Personenkreis bei Inlandstaten zu rweitern. Diese Frage spielte schon bei den parlamentaischen Beratungen zur Novelle des Opferentschädiungsgesetzes im Jahre 1993 eine Rolle. Es ist zu Recht uf den damaligen Hintergrund hingewiesen worden, ämlich die Schandtaten in Solingen und Mölln. Die daals vorgenommenen Beschränkungen waren allerdings olitisch gewollt. Auch heute geht es darum – das klang ben auch ein Stück weit aus Ihren Schlussworten heaus, Herr van Essen –, mit Augenmaß zu argumentieren nd zu schauen, was haushalterisch möglich und tolerael ist. Man muss aber auch darüber sprechen, was Akzepanz findet. Deswegen ist eine generelle Einbeziehung ller ausländischen Touristen und Geschäftsreisenden in en umfassenden Schutzbereich des Gesetzes nicht verretbar. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Will doch keiner!)


Ganz ruhig, ich komme Ihnen ja jetzt entgegen, Herr
ollege Montag. – Ihr Vorschlag, sozusagen die Ver-
andten dritten Grades einzubeziehen, unter Beibehal-

ung der Härteregelung für sonstige Touristen und Ge-
chäftsreisende, ist zumindest sehr diskussionswürdig.
arüber sollte man sprechen. Auf jeden Fall muss man

n dieser Stelle ganz deutliche Grenzen ziehen.


(Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einverstanden!)


Ich glaube auch, dass man wahrscheinlich ganz ein-
ach und schnell den Begriff Lebenspartnerschaft einfü-
en kann, denn das ist lediglich versäumt worden; das
ätte bereits in § 1 Abs. 6 Ziffer 1 des Opferentschädi-
ungsgesetzes eingefügt werden müssen.


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)


Die Bundesregierung begrüßt, dass der vorliegende
esetzentwurf auf so genannte Regelleistungen ver-

ichtet. Das ist objektiv so. Ein solcher Vorschlag wäre






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Franz Thönnes
auch aus rechtssystematischen Gründen abzulehnen, da
es an dem entsprechenden so genannten Aufopfe-
rungstatbestand fehlt. Ich glaube, wir müssen diese De-
batte so führen, dass nicht der Eindruck entsteht, der
Staat könne außerhalb seines Hoheitsgebietes die Men-
schen so bewahren, dass ihnen kein Leid geschieht, oder
ihnen wirksamen Schutz garantieren. Erwägenswert
wäre von daher allenfalls die Schaffung einer Entschä-
digungsmöglichkeit aus Billigkeitsmotiven, wie auch
Sie es vorschlagen. Rechtssystematisch bietet sich dafür
eine Anlehnung an die Regelung des § 10 b des Opfer-
entschädigungsgesetzes an. Ich denke, dass man die ge-
naue Ausgestaltung einer solchen Regelung noch aus-
führlich diskutieren sollte.

Wenn man einmal einen Strich unter die Beratungen
und den vorliegenden Gesetzentwurf ziehen und eine
Bewertung vornehmen will, passt wieder der Begriff des
Zwischenergebnisses. Im Kern muss man sagen, dass
der Prozess ein Stück weit auch dem Ende der Legisla-
turperiode zum Opfer gefallen ist. Deshalb wäre es ein
guter Weg, wenn sich an dieser Stelle sowohl die Rechts-
politiker wie auch die Haushaltspolitiker und die Sozial-
politiker noch einmal zusammensetzen und den Versuch
unternehmen würden, unter Einbeziehung der Eck-
punkte, die hier von allen Rednern, auch von mir, vorge-
tragen worden sind, zu einer Regelung zu kommen.
Denn es geht ja nicht um Mehrheitsverhältnisse; das hat
man an jeder Stelle herausgehört. Alle stellen fest, dass
es ein Defizit gibt, dass man nicht zu viel versprechen
darf, dass man die politische Akzeptanz im Auge behal-
ten muss. Ich denke, uns eint das Ziel, den Menschen,
die Opfer von Straftaten werden, auch in den bisher
nicht geregelten Bereichen unter vertretbaren Gesichts-
punkten – sowohl was die Finanzmittel wie auch was die
politische Akzeptanz angeht – zu helfen und sie nicht al-
lein zu lassen.

Ich möchte auch gegenüber allen Fraktionen anregen,
einen solchen Prozess zu initiieren. Unser Haus und die
kompetenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind
gerne bereit, diesen Prozess, wie man so schön sagt, er-
gebnisorientiert zu fördern und zu begleiten.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607025600

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Jörn

Wunderlich das Wort.


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607025700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Grund-

gedanke des Opferentschädigungsgesetzes ist die Ver-
antwortung des Staates, seine Bürgerinnen und Bürger
vor Gewalttaten und Schädigungen durch kriminelle
Handlungen zu schützen und denjenigen Opfern zur
Seite zu stehen, die nach dem bürgerlichen Recht keinen
hinreichenden Schutz und Schadensersatz in Anspruch
nehmen können.


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(C (D An dem vorliegenden Gesetzentwurf begrüßen wir ich denke, das geht hier durch alle Reihen – den Ver uch zum Paradigmenwechsel weg von der Perspektive es Staates hin zur Opferperspektive. Besonders deutich zeigt sich dieser Fakt an den vorgeschlagenen Regeungen zur Entschädigung von Straftaten im Ausland diese Sichtweise entspricht auch der Intention meiner raktion – sowie der vorgeschlagenen Anpassung des pferentschädigungsgesetzes an das Lebenspartner chaftsgesetz. Es ist schon erwähnt worden, dass das etztlich nur vergessen worden ist. Zu unterstützen ist uch die Forderung, dass weiterhin diejenigen von Entchädigungen ausgeschlossen werden sollen, die durch igenes Verhalten, insbesondere durch die Wahl eines efährlichen Reiseziels, fahrlässig handeln. Trotzdem komme ich an einigen kritischen Bemerungen zu der vorliegenden parlamentarischen Initiative icht vorbei. Sie, meine Damen und Herren von den rünen, schlagen in Ihrem Entwurf vor, den Kreis der nspruchsberechtigten gemäß Opferentschädigungsesetz auch auf die Menschen auszudehnen, die sich nur orübergehend in der Bundesrepublik aufhalten und mit inem dauerhaft hier lebenden Menschen bis zum dritten rad verwandt sind. Wenn man sich schon richtigerweise dazu entschließt, 1 Abs. 6 des Opferentschädigungsgesetzes auszuwei en, dann hätte dies nicht so halbherzig geschehen düren. Wie Herr Lehrieder schon gesagt hat: Es ist die Verntwortung des Staates, für die Menschen auf seinem erritorium einzustehen. Sind denn Menschen, die sich ier aufhalten und die nicht dritten Grades mit hier Leenden verwandt sind, schlechtere Menschen? Ihr Voraben, aus rein finanziellen Erwägungen nicht alle Opfer on Gewalttaten auf dem Territorium der Bundesrepulik gleichzustellen und in gleicher Weise zu entschädien, nenne ich Rechtsansprüche nach Kassenlage gestalen. Ich denke, das darf nicht sein. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Problem der Linken ist, dass sie auf die Kasse nie achten!)


Wir fordern gleiche Entschädigungsleistungen für alle
enschen, die auf dem Territorium der Bundesrepublik
pfer von Gewalttaten werden, unabhängig von ihrer
taatsangehörigkeit, von ihrem Aufenthaltsstatus oder

hren verwandtschaftlichen Beziehungen.

Eine weitere kritische Anmerkung. Wenn wir uns mit
er Ergänzung bzw. Erweiterung des Opferentschädi-
ungsgesetzes befassen, dann hätte ich eigentlich erwar-
et – aber wir befinden uns erst in der ersten Lesung; es
olgen noch die Berichterstattergespräche –, dass wir uns
eiteren notwendigen Änderungen zuwenden. Denn
ach wie vor ist es so, dass Opfer von Gewaltverbre-
hen, deren Wohnsitz in Ostdeutschland liegt, nur eine
rundrente in Höhe von 87 Prozent der Grundrente ei-
es Westdeutschen beziehen. Hier sehe ich noch genü-
end Raum, um den vorliegenden Gesetzentwurf in den
usschussberatungen inhaltlich anzureichern, sofern der
olitische Wille für die wirklich großen Schritte vorhan-
en ist.






(A) )



(B) )


Jörn Wunderlich
Aber immerhin: Der Anfang ist gemacht. Es ist schon
signalisiert worden, dass man konstruktive Berichterstat-
tergespräche führen will, in denen man ausloten kann,
inwieweit diese Forderungen umsetzbar sind. Um mit
den Worten von Aristoteles zu sprechen: „Der Anfang ist
die Hälfte vom Ganzen.“ In diesem Sinne hoffe ich, dass
wir tatsächlich konstruktive Berichterstattergespräche
führen und dass auch die zweite Hälfte dieses Ganzen in
das Gesetzgebungsverfahren einfließen kann.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607025800

Für die Unionsfraktion hat der Kollege Siegfried

Kauder das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) (CDU/
CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!
Liebe Kollegen! Ich bin im Jahr 2002 mit einem ausge-
arbeiteten Gesetzentwurf unter dem Arm voller Enthu-
siasmus in den Deutschen Bundestag eingezogen. Es hat
sich dabei um das Gesetz zur Änderung des Opferent-
schädigungsgesetzes gehandelt. Lassen Sie mich beto-
nen: Ich habe sehr schnell Wegbegleiter über die Frak-
tionsgrenzen hinaus gefunden. Die Diskussion, die wir
heute führen, zeigt, dass dieses sachliche und konstruk-
tive Arbeitsklima weiterhin besteht. Ich würde darauf
gerne zurückgreifen.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie des Abg. Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist so, wie es der Kollege van Essen und der Kol-
lege Montag gesagt haben: Wir hatten unser Ziel fast er-
reicht. Aber jetzt muss man einmal die Möbel wieder ge-
raderücken. An was ist es eigentlich gescheitert? Es ist
gescheitert an der Kostenfolge für die Länder. Ich habe
damals schon folgenden Gesichtspunkt erwähnt: Das
Opferentschädigungsgesetz beinhaltet ein Territoriali-
tätsprinzip, das schon nach bestehendem Recht leicht
durchbrochen ist. Denn es gilt auch auf deutschen Schif-
fen und in deutschen Botschaften im Ausland mit einer
Besonderheit: Geschieht eine Straftat auf einem deut-
schen Schiff, sitzen die Länder sozusagen nicht mit im
Boot. Die gesamte Entschädigung zahlt der Bund; die
Länder sind daran nicht mit einer bestimmten Quote be-
teiligt.

Man kann nun schnell die Argumentationskette er-
kennen, auf die sich die Länder berufen: Verlässt ein
Reisender das Schiff und begibt sich auf fremdes Ter-
rain, so ist eine etwaige Entschädigung eine Sache des
Bundes, weil ein Bezug zum Bundesland des Reisenden
nicht besteht. An dieser endlosen Diskussion sind wir
gescheitert, zumal noch das Ende der Legislaturperiode
herannahte.

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(C (D Ich bin der Meinung, dass man diese Überlegung wieer aufgreifen sollte. In diesem Zusammenhang will ich icht verschweigen, dass es eine Bund/Länderrbeitsgruppe gibt, die sich weitergehende Gedanken emacht hat. Ich habe auf mehreren Fachtagungen erfahen, wie Opferentschädigungen im Ausland geregelt erden. In Österreich ist man schon weiter; dort gilt das erritorialitätsprinzip nicht. Aber auch in anderen Ländern ist man, was das Verahren anbelangt, schon weiter als in Deutschland. In en angelsächsischen Ländern ist die Opferentschädiung völlig anders als bei uns geregelt. Dort gibt es ein remium, das aus ehrenamtlichen Mitarbeitern entsteht, ie nach typisierten Sachlagen entscheiden, ob eine Pauchale gezahlt wird. In wenigen Wochen wird eine pferentschädigung zugesprochen. Ist das Opfer damit icht einverstanden, kann es ein Rechtsmittel einlegen. ann ist der Rechtsweg abgeschlossen. Deswegen lasse ich diese Diskussion in der Bundänder-Kommission gerne zu. Dort macht man sich Geanken, ob man Opferentschädigungen nicht mit Pauchalen abarbeiten kann. Denn das derzeit geltende pferentschädigungsgesetz ist, was die Abwicklung anelangt, ein bürokratisches Monstrum. Es gibt im Rahen des Opferentschädigungsrechtes Verfahren, die ünf, sechs und sieben Jahre durch mehrere Instanzen ehen; das sage ich Ihnen ganz klar. Es ist mir lieber, ein pfer bekommt weniger, aber sofort und auf der Stelle, ls dass es sich mit einem belastenden Verfahren über iele Jahre beschäftigen muss. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen möchte ich Sie alle recht herzlich dazu ein-
aden, diese Diskussion fortzuführen. In den angelsäch-
ischen Ländern hat sich die Praxis bewährt, dass man
ie Entschädigung pauschal abarbeitet. Es gibt aber auch
ie andere Überlegung, die Opferentschädigung den Ge-
eindeversicherungsverbänden zu übertragen, was mir

icht so schmeckt wie die Pauschallösung. Ich wieder-
ole: Ich lade Sie alle recht herzlich ein. Ich bin der Mei-
ung, dass die Berichterstatter der letzten Legislatur-
eriode sich an einen Tisch setzen sollten. Ich begrüße
ie Initiative, die Sie gestartet haben. Das ist für mich
in Merkposten, dieses Gesetz, das ich sicher nicht ver-
essen habe, wieder gerne mit Ihnen zu debattieren.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607025900

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
en Drucksachen 16/1067 und 16/585 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen,
obei die Federführung jeweils beim Ausschuss für Ar-
eit und Soziales liegen soll. Sind Sie damit einverstan-
en? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so
eschlossen.






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Petra Pau
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 15 a und 15 b auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung
der Beitragssätze in der gesetzlichen Renten-
versicherung und der Beiträge und Beitrags-
zuschüsse in der Alterssicherung der Land-
wirte für das Jahr 2007

– Drucksache 16/3268 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)


– Drucksache 16/3637 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Gregor Amann

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Soziales

(11. Ausschuss)


– zu dem Antrag der Abgeordneten Dirk Niebel,
Dr. Heinrich L. Kolb, Jens Ackermann, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit
für weitere Beitragssenkungen verwenden

– zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Poth-
mer, Priska Hinz (Herborn), Markus Kurth,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit
für Ausbildung, Qualifizierung und Progres-
siv-Modell verwenden

– Drucksachen 16/3091, 16/2509, 16/3637 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Gregor Amann

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Auch dazu
höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-
mentarische Staatssekretär Franz Thönnes.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1607026000


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute Morgen stand die mittelfristige und langfristige
Entwicklung der Rentenpolitik im Zentrum der Dis-
kussion. Jetzt geht es um die aktuelle Situation der Ren-
tenversicherungsbeiträge und der Arbeitslosenver-
sicherungsbeiträge. Es bleibt dabei: Kalkulierbarkeit,
Verlässlichkeit und Nachhaltigkeit sind auch bei diesem
Thema die Orientierungsmarken.

Bereits im Koalitionsvertrag wurde festgelegt, dass
der Rentenversicherungsbeitrag zum 1. Januar 2007 auf
19,9 Prozent angehoben und gleichzeitig die Arbeitslo-
senversicherungsbeiträge von 6,5 auf 4,5 Prozent sinken

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(C (D ollen. Vier Jahre lang ist es trotz schwieriger ökonomicher Situation gelungen, die Beitragssätze in der Renenversicherung stabil bei 19,5 Prozent zu halten. 2005 urde vereinbart, den Beitragssatz 2007 auf 19,9 Pro ent festzulegen und mittelfristig unterhalb eines Beiragssatzes von 20 Prozent zu bleiben, um auch vor dem intergrund der ökonomischen Entwicklung eine solide inanzentwicklung in der Rentenversicherung sicherzutellen. Nun freuen wir uns über die ökonomische Entwickung und die heutige finanzielle Situation in der Rentenasse. Nimmt man die Daten des Schätzerkreises hinichtlich der ökonomischen Entwicklung für die nahe ukunft zur Kenntnis, dann wäre sogar unter Einhaltung er Nachhaltigkeitsrücklage von 0,2 Monatsausgaben in Beitragssatz von 19,7 Prozent möglich. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Eben! Sie sagen es ja selbst, Herr Staatssekretär!)


So verlockend das ist – Sie folgen diesen Verlockun-
en ja hemmungslos –:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir glauben an das Gute!)


s gilt, über den Tag hinauszuschauen, Herr Kollege, fi-
anzielle Solidität zu gewährleisten,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


inen grundsätzlichen Kurs zu halten und nicht zickzack
u fahren.


(Anton Schaaf [SPD]: So ist der Kolb! – Dr. Uwe Küster [SPD], an den Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP] gewandt: Man muss auch mal einstecken können!)


Deswegen sei auf Folgendes hingewiesen: Die Ent-
icklung würde, wenn wir dem so folgen würden, bei
leich bleibender Datenbasis dazu führen, dass der Ren-
enversicherungsbeitrag 2008 auf 20,1 Prozent steigt.
ie bestehende gesetzliche Verstetigungsregelung

orgt dafür, dass der Rentenversicherungsbeitrag erst
ann wieder gesenkt werden darf, wenn die Nachhaltig-
eitsrücklage 1,5 Monatsausgaben überschreitet. Das
ollen wir nicht. Das wäre nicht gut für die Konjunktur.
as wäre auch für den Bundeshaushalt nicht gut, weil
ann zusätzliche Finanzmittel in Höhe von 1,5 Milliar-
en Euro


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: So ist es!)


der Leistungskürzungen, wie das sogar einige vorschla-
en, erforderlich sind. Wir lehnen Kürzungen ab.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ir wollen keine zusätzlichen Finanzmittel. Wir wollen
erlässlichkeit und Kalkulierbarkeit.

Deshalb bleibt es bei den 19,9 Prozent, auch damit
ir auf dem langen Pfad bis 2020 unter der Größe von
0 Prozent bleiben. Nicht der schnelle 5-Euro-Blick ist
ier für Berechenbarkeit Ausdruck, sondern derjenige,
er sich auf die Perspektiven verlässt, die auch der So-






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Franz Thönnes
zialbeirat durchaus so gesehen hat. Dieses Gremium, das
sich aus Arbeitgebervertretern, Gewerkschaftsvertretern
und Wissenschaftlern zusammensetzt, unterstützt uns
auf diesem Kurs.

Man muss natürlich auch deutlich sagen: An anderer
Stelle senken wir. Wir reduzieren den Arbeitslosenver-
sicherungsbeitrag über das hinaus, was schon beschlos-
sen war; wir reduzieren nämlich jetzt auf 4,2 statt auf
4,5 Prozent. Damit werden die Beitragszahlerinnen und
Beitragszahler um 2,2 Milliarden Euro entlastet. Das
Gesamtvolumen der Entlastungen beträgt sogar 17 Mil-
liarden Euro. Damit wird ganz deutlich: Die Beitrags-
zahlerinnen und Beitragszahler werden hinsichtlich ihrer
Lohnnebenkosten ein Stück weit entlastet und haben
netto mehr im Portemonnaie.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will noch hinzufügen, dass man denjenigen, die
nach weiterer Reduzierung rufen, nicht folgen darf. Wir
machen nur das, was solide finanziert werden kann;
denn darauf zählen die Menschen, die wollen, dass es
weiterhin eine gute aktive Arbeitsmarktförderung
gibt. Das ist gewährleistet. Deswegen braucht man auch
den Skeptikern nicht zu folgen, die glauben, die aktive
Arbeitsmarktpolitik würde nicht weitergehen.

Für den Eingliederungstitel für 2007 stehen weiterhin
3,3 Milliarden Euro zur Verfügung, und das, obwohl so-
gar mit weniger Arbeitslosen gerechnet wird. Darin sind
200 Millionen Euro für ein Integrationsfortschrittspro-
gramm enthalten, mit dem ganz besonders Menschen ge-
fördert werden sollen, die unsere Hilfe benötigen. Wei-
tere 218 Millionen Euro aus dem Eingliederungstitel
gehen gezielt in die Förderung von Jugendlichen, unter
anderem zur Finanzierung von 12 500 Ausbildungsplät-
zen in außerbetrieblichen Einrichtungen. Insgesamt ste-
hen 13 Milliarden Euro für aktive Arbeitsförderung in
2007 zur Verfügung. Das ist – gerade angesichts der gu-
ten Konjunktur – ein ordentlicher Beitrag, der den Men-
schen, die keine Arbeit haben, helfen wird, wieder Ar-
beit zu finden.

Die 317 000 sozialversicherungspflichtigen Arbeits-
plätze, die wir jetzt mehr haben im Vergleich zum No-
vember des vorigen Jahres, sind wirklich gute Mutma-
cher, die uns bestätigen, dass das Geld auf diesem Kurs
gut investiert ist. Auch die Senkungen und die Reduzie-
rungen, die stattfinden, werden nichts daran ändern, dass
die Konjunktur weiter gefördert wird; denn der modera-
ten Belastung von 4 Milliarden Euro stehen 17 Milliar-
den Euro an Entlastung gegenüber. Das macht 13 Mil-
liarden Euro als Nettoentlastung. Das ist gut für die
Menschen, für die Wirtschaft und für die Konjunktur in
diesem Land und das wird das Land auch weiter nach
vorne bringen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607026100

Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb für die

FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! e Die 13 Milliarden Euro Entlastung, die ie jetzt quasi als Geldsegen den Versicherten zurückgeen wollen, haben Sie sich doch am Anfang dieses Jahes bei den Unternehmen längst geholt. (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607026200
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1607026300

urch den „13. Monatsbeitrag“ haben Sie 22 Milliarden
uro in die Sozialkassen vereinnahmt. Deswegen ist es
icht redlich, wenn Sie hier behaupten, Sie täten nun et-
as ganz Tolles.


(Beifall bei der FDP)


Im Übrigen, Herr Staatssekretär, hat die Anhörung
anz deutlich gezeigt, dass das Maßnahmenpaket, das
ie hier heute zu vertreten haben – bestehend aus der
entenbeitragssatzerhöhung, einer Senkung des Arbeits-

osenversicherungsbeitrags, einer absehbaren Erhöhung
es Krankenversicherungsbeitrags und der Mehrwert-
teuererhöhung –, im Ergebnis das Wachstum im Jahr
007 erheblich belastet und die sozialen Sicherungssys-
eme wieder destabilisiert.


(Beifall bei der FDP)


Der Sachverständige Professor Horn hat in der Anhö-
ung gesagt, dass das Wirtschaftswachstum im nächs-
en Jahr durch den negativen Impuls aus dem Regie-
ungshandeln um über 1 Prozentpunkt niedriger
usfallen wird, als es bei einer ungebremsten Entwick-
ung der Fall wäre. Statt 2,5 Prozent plus x werden wir
,5 Prozent minus x haben. Das bedeutet, das Wachstum
ird wieder unter die Beschäftigungsschwelle sinken.
as ist das Problem.


(Beifall bei der FDP)


Die Trendumkehr führt auch dazu, dass die sozialen
icherungssysteme wieder stärker belastet werden.
esw
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1607026400
2007 um 0,6 Prozent und 2008
m 0,4 Prozent. Das ist sehr optimistisch, zumal im Jahr
006 bei einem Wachstum von 2,4 Prozent gerade ein-
al ein Beschäftigungszuwachs von 0,5 Prozent erzielt
urde. Da passt doch irgendwo etwas nicht zusammen.

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, ein Beitrags-
atz zur Rentenversicherung von 19,7 Prozent wäre ei-
entlich ausreichend. Die Koalition verteidigt die Erhö-
ung auf 19,9 Prozent – auch Sie haben das getan –
amit, dass ansonsten schon im Jahr 2008 eine Anhe-
ung des Beitragssatzes auf über 20 Prozent erforderlich
äre. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass mit dem
entenversicherungsbericht 2006 die Rechtfertigung für
iese Argumentation entfallen ist; denn in vier von neun
zenarien der möglichen Entwicklung von Beschäfti-
ung und Löhnen – Herr Staatssekretär, aus meiner Sicht
ind das die wahrscheinlicheren – muss der Beitragssatz
ür 2008 auf über 20 Prozent angehoben werden. Das ist
ie Wahrheit.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Genau!)







(A) )



(B) )


Dr. Heinrich L. Kolb
Ich habe den Bericht dabei und könnte Ihnen meine Aus-
führungen im Detail belegen.

Man muss schon ein sehr großer Optimist sein, wenn
man Ihren Versprechungen folgt, der Beitragssatz zur
Rentenversicherung könne über 2012 hinaus – in der De-
batte heute Morgen hieß es sogar: bis 2020 – bei
19,9 Prozent gehalten werden.


(Jörg Rohde [FDP]: Wunschtraum! – Anton Schaaf [SPD]: Im letzten Jahr wollten Sie uns auch nicht folgen!)


Herr Schaaf, von den Koalitionsfraktionen hat zumin-
dest die SPD diesbezüglich aufgrund der Erfahrungen in
der Vergangenheit jede Glaubwürdigkeit verloren.


(Beifall bei der FDP)


Sie haben immer wieder versprochen, die Beiträge wür-
den zumindest stabil bleiben, wenn nicht sinken. Im Er-
gebnis sind sie aber von Mal zu Mal weiter angestiegen.


(Elke Ferner [SPD]: Wie hoch waren sie denn damals, als Sie regiert haben?)


Immer deutlicher wird – darauf will ich noch hinwei-
sen –, dass die große Koalition bei den Lohnzusatzkos-
ten einen Paradigmenwechsel vorbereitet. Spielräume
für eine Absenkung der Gesamtbelastung werden vor-
sätzlich nicht genutzt. Was mich besonders hellhörig
macht, ist, dass man des Öfteren aus den Reihen der Ko-
alition hört, eine weitere Absenkung sei jetzt nicht mehr
so vordringlich. Herr Weiß, dabei war im Koalitionsver-
trag doch alles noch recht klar formuliert: Die Lohnzu-
satzkosten, die Sozialversicherungsbeiträge, sollten dau-
erhaft unter 40 Prozent gesenkt werden.


(Anton Schaaf [SPD]: Waren Sie nicht dabei, als sie auf über 40 Prozent getrieben worden sind?)


In 2007 liegen sie bei 40,6 Prozent.

Ich frage Sie, wann in dieser Legislaturperiode wollen
Sie an die Schwelle von 40 Prozent herankommen, wenn
nicht jetzt? Der Beitragsdruck in der Krankenversiche-
rung und in der Pflegeversicherung lässt es doch über-
haupt nicht wahrscheinlich erscheinen, dass die Beiträge
noch einmal sinken könnten. Im Gegenteil: Sie werden
sich weiter noch oben entwickeln. Das ist die Realität.


(Beifall bei der FDP)


Jetzt kommen Sie bitte nicht mit dem Hinweis – der
Kollege Brandner hat das neulich im Ausschuss versucht –,
Sie hätten die 40 Prozent längst mehr als erreicht; der
Prozentsatz sei sogar niedriger, weil der Pflegebeitrag
gegenfinanziert werde und man den Krankenversiche-
rungszusatzbeitrag der Arbeitnehmer separat betrachten
müsse. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der großen
Koalition, wir werden es Ihnen nicht durchgehen lassen,
dass Sie hier versuchen, das Ziel einfach umzudefinieren
und die Argumentation nur noch auf die gemeinsam von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanzierten Beitrags-
sätze abzustellen.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Wir zittern schon!)


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(C (D Ich finde, Sie verpassen eine Chance, wenn Sie nicht lle Spielräume für eine Beitragssenkung konsequent utzen. Erst Ihre Politik des fehlenden Mutes schafft ämlich die Voraussetzungen dafür, dass die Beiträge atsächlich steigen müssen. Jeder Unternehmer würde nders handeln. Er würde den Spielraum ausschöpfen, m die gute Entwicklung des Jahres 2006 zu verstärken nd fortzusetzen. Zum Schluss: Es ist bedrückend, zu sehen, dass die roße Koalition offensichtlich den gleichen Fehler acht wie die Vorgängerregierung unter Gerhard chröder 1998. Damals hat man bei Amtsantritt und gut aufender Konjunktur keine Reformen eingeleitet. Man at die Bürger erst einmal kräftig zur Ader gelassen. (Elke Ferner [SPD]: Kräftig zur Ader gelassen haben Sie die Leute in Ihrer Regierungszeit!)


(Beifall des Abg. Jörg Rohde [FDP])


ls die Konjunktur dann wieder nachgelassen hat, hat
an zunächst mit unsystematischen Einsparmaßnahmen

egonnen. Erst nach einem Lernprozess von einigen Jah-
en wurden mit der Agenda 2010 echte Reformansätze
ingebracht. Unser Land hat wirklich nicht so viel Zeit
u verlieren, dass man diesen Leidensweg noch einmal
ehen könnte.


(Elke Ferner [SPD]: Deshalb müssen Sie noch lange in der Opposition bleiben!)


Dazu fällt mir nur ein: Ein kluger Mensch lernt aus
en eigenen Fehlern, ein weiser Mensch lernt aber auch
us den Fehlern anderer. An Weisheit scheint es in dieser
roßen Koalition wahrlich zu fehlen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607026500

Das Wort hat der Kollege Peter Weiß für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Anton Schaaf [SPD]: Jawohl, jetzt wird es vernünftig!)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1607026600

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! Mit dem Gesetz zur Beitragsfestsetzung schafft die
roße Koalition die Voraussetzungen für Verlässlichkeit
nd Sicherheit bei der Rente einerseits und für eine dau-
rhafte Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge an-
ererseits. Wir geben eine klare Botschaft an die Wirt-
chaft und an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
n Deutschland: Die Chancen für mehr Wachstum und
eschäftigung in Deutschland werden von der großen
oalition und ihrer Politik nach Kräften unterstützt und
eflügelt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Herr Kollege Dr. Kolb, was Sie gesagt haben, stimmt
chlichtweg nicht.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Na!)







(A) )



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)

Sie haben behauptet, die Bundesregierung würde in ih-
rem am Mittwoch im Kabinett verabschiedeten Renten-
versicherungsbericht den Beschäftigungszuwachs der
nächsten Jahre zu optimistisch schätzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das habe ich nicht gesagt!)


– Doch, das haben Sie gesagt. Sie haben gesagt, wir wür-
den von zu optimistischen Annahmen ausgehen.

Sie haben gesagt, dass die Beitragssätze zur Renten-
versicherung für die kommenden Jahre höchst problema-
tisch seien.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! Das steht hier drin!)


Herr Kolb, der Sozialbeirat hat in seiner Stellungnahme
zum Rentenversicherungsbericht genau das Gegenteil
von dem, was Sie sagen, festgestellt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Ich habe es schwarz auf weiß!)


Ich zitiere:

Der Sozialbeirat begrüßt ausdrücklich, dass die mit-
telfristigen ökonomischen Grundannahmen für den
Rentenversicherungsbericht 2006 vorsichtiger


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: „Vorsichtiger“! Komparativ! Weniger falsch ist nicht richtig, Herr Weiß!)


als in den vergangenen Jahren festgesetzt wurden.
… Die Berechnungen zeigen, dass sich die Finanz-
lage der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich
verbessert hat und mittelfristig weitgehend gesi-
chert ist.

Das ist ein positives Urteil und das Gegenteil von
dem, was Sie, Herr Kolb, hier festgestellt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607026700

Kollege Weiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1607026800

Bitte schön.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607026900

Sie haben es selbst vorgetragen, es wurde der Kompa-

rativ verwendet. Die Schätzung ist ehrlicher als in der
Vergangenheit, aber leider doch noch ein bisschen zu op-
timistisch.

Das habe ich aber gar nicht in meiner Rede gesagt.
Sie hätten mir zuhören sollen. Ich habe gesagt: In vier
von neun Varianten – es werden drei verschiedene Be-
schäftigungsszenarien mit drei verschiedenen Lohnent-
wicklungsszenarien kombiniert – kommen 20 oder mehr
Prozent Rentenversicherungsbeitrag in den Jahren 2008,
2009 und 2010 heraus. Stimmen Sie mir zu, dass damit
Ihre Behauptung nicht mehr haltbar ist, es sei auf jeden
Fall – egal was passiert – möglich, den Rentenversiche-
rungsbeitrag bei 19,9 Prozent zu halten? Ich verstehe

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(C (D icht, warum die Bundesregierung diese Szenarien überaupt in ihren Rentenversicherungsbericht aufnimmt, enn solche Negativszenarien von vornherein ausge chlossen werden können. Können Sie mir zustimmen? (Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär: Einfach Nein sagen!)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1607027000

Herr Dr. Kolb, nein, ich kann Ihnen nicht zustimmen,

eil Sie hier bewusst Nebelkerzen werfen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich lese nur, was in Ihrem Bericht steht!)


s war schon immer so, dass im Rentenversicherungs-
ericht mehrere Varianten dargestellt werden. Wir rich-

en uns politisch zu allen Zeiten an der mittleren Variante
us. Sie ist einigermaßen sicher gerechnet und besagt,
ass wir die Beitragsziele, die wir uns politisch gesetzt
aben, einhalten können, nämlich dass wir unter
0 Prozent Beitragssatz bei der Rentenversicherung blei-
en.


(Jörg Rohde [FDP]: Haarscharf!)


Sie können den gesamten Rentenversicherungsbericht
nd den Bericht des Sozialbeirates lesen. Sie werden
olgendes finden: Bei diesem Rentenversicherungsbe-
icht ist die Bundesregierung hinsichtlich des Wirt-
chaftswachstums und der Entwicklung der Zahl der
eschäftigten von deutlich niedrigeren Annahmen aus-
egangen als der Sachverständigenrat. Deswegen rech-
et die Bundesregierung mit deutlich konservativeren
nnahmen als die Sachverständigen. Sie hat sich also

uf die besonders sichere Seite gestellt.


(Anton Schaaf [SPD]: So ist das!)


eswegen können Sie das, was im Rentenversicherungs-
ericht steht, nicht plötzlich problematisieren und nicht
ritisieren, dass da vielleicht zu gut gerechnet worden ist
der Unwägbarkeiten drin sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir werden sehen!)


Sie müssten eigentlich sagen: endlich eine Bundes-
egierung, die bewusst vorsichtig rechnet, der von den
achverständigen sogar vorgehalten werden kann, dass
ie viel besser hätte rechnen können. Das ist das Ergeb-
is des Rentenversicherungsberichtes. Deswegen ist das,
as Sie hier festgestellt haben, schlichtweg falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])


Sie haben, Herr Kollege Kolb, echte Reformen ange-
ündigt. In der nächsten Sitzungswoche findet die erste
esung eines großen Reformvorhabens, der Rente mit 67,
tatt. Die große Koalition geht echte Reformen an. Es ist
ie FDP, die sich in einem Bundesparteitagsbeschluss
eider darauf festgelegt hat, dass sie gegen die Rente mit
7 ist.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist nicht wahr!)







(A) )



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)

Wenn hier jemand Reformen macht, dann doch die große
Koalition und nicht die FDP.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Das kann ich nicht so stehen lassen!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607027100

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1607027200

Ja, sehr gerne. Selbstverständlich darf Kollege Kolb

eine weitere Frage stellen.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607027300

Ich mache allerdings darauf aufmerksam, dass sich

die Antwort ein wenig auf die Frage beziehen sollte.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Die beiden sind doch mittlerweile ein eingespieltes Team, Frau Präsidentin!)


– Ja. Das habe ich schon gemerkt.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607027400

Frau Präsidentin, ich würde es sehr begrüßen, wenn

sich die Antwort auf meine Frage beziehen würde.

Herr Kollege Weiß, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass die FDP auf ihrem Bundesparteitag in Ro-
stock in einem Antrag mit dem Titel „Rentenpolitik fair
und generationengerecht gestalten“ sechs Punkte beraten
und fünf von ihnen beschlossen hat,


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Aber die Rente mit 67 haben Sie abgelehnt!)


zum Beispiel einen Schritt, Herr Kollege Brauksiepe, zu
dem Sie sich nie werden durchringen können, nämlich
die Frühverrentung, die uns pro Jahr immerhin 7 Milliar-
den Euro kostet, unverzüglich zu beenden? Darüber hi-
naus ging es um die Altersteilzeit, die 58er-Regelung
und weitere Maßnahmen wie die Entfernung des Kündi-
gungsschutzes als eigenständiger Tatbestand im Kündi-
gungsschutzgesetz.


(Elke Ferner [SPD]: Ja, aber ohne Vertrauensschutz! Das ist sehr berechenbar! Mein lieber Mann!)


Das waren sehr mutige Beschlüsse.


(Elke Ferner [SPD]: Nein! Das ist Kamikaze!)


Was die Anhebung des regulären Renteneintrittsalters
betrifft, haben wir uns noch nicht festgelegt.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607027500

Könnte es sein, dass eine Frage mit einem Fragezei-

chen enden muss? Den Werbeblock zu Ihrem Parteitags-
antrag können wir vielleicht verschieben.


(Heiterkeit)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607027600

Herr Kollege Weiß, wären Sie bereit, zur Kenntnis zu

nehmen, dass wir uns im Hinblick auf die Anhebung des

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(C (D egulären Renteneintrittsalters noch nicht festgelegt haen, (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das interessiert doch niemanden!)


eil wir glauben, dass man nicht einfach, wie Sie es ge-
an haben, das bisherige feste Renteneintrittsalter durch
in höheres festes Regeleintrittsalter ersetzen kann, son-
ern dass man von neuem überlegen und den Menschen
inen flexiblen Renteneintritt ermöglichen muss, –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607027700

Kollege Kolb, versuchen Sie, zum Abschluss Ihrer

rage zu kommen.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1607027800

– weil zwei Drittel der Menschen in diesem Land ge-

au das wollen?

(Anton Schaaf [SPD]: Das ist doch völliger Unfug!)

ären Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, Herr
ollege Weiß?


(Beifall bei der FDP – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Sie sind gescheitert!)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1607027900

Herr Kollege Dr. Kolb, zunächst danke ich Ihnen sehr

erzlich für die Darlegung der Beschlüsse des Bundes-
arteitags der FDP.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sehr gerne! Ich kann sie Ihnen auch schicken, wenn Sie daran interessiert sind! – Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/ CSU]: Sie waren aber falsch!)


ch kann mich noch daran erinnern, dass der Bundesvor-
itzende der FDP, der verehrte Herr Westerwelle, erst
ürzlich in einem Interview mit einem landesweit be-
annten politischen Magazin geäußert hat


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war der „Focus“!)


ich wollte im Parlament keine Schleichwerbung ma-
hen; deswegen habe ich mich neutral ausgedrückt –,
ass sich die FDP gegen die Festlegung einer neuen Re-
elaltersgrenze bei 67 Jahren ausspreche.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein! Das ist nicht bestätigt!)


Im Übrigen würden wir uns sehr freuen, wenn die
DP im Rahmen der parlamentarischen Beratungen un-
eres Gesetzentwurfs, die wir im Frühjahr des nächsten
ahres durchführen werden,


(Jörg Rohde [FDP]: Oh ja! Dafür werden bestimmt schon richtig gute Vorschläge vorbereitet!)


och noch die Kurve kriegen und unserem Gesetzent-
urf in der zweiten und dritten Beratung zustimmen
ürde.


(Heiterkeit der Abg. Elke Ferner [SPD])







(A) )



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)

Wir sind sehr gespannt und freuen uns darauf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, den Beitragssatz
zur Rentenversicherung schreiben wir bei 19,9 Prozent
fest. Das bedeutet, so die Voraussage des Schätzerkrei-
ses, dass er bis zum Jahr 2012 konstant bleibt. Ausge-
rechnet dabei wollen FDP und Grüne nicht mitmachen.
Sie wollen den Beitragssatz zur Rentenversicherung für
das kommende Jahr bei 19,7 Prozent festsetzen. Der
Schätzerkreis sagt uns voraus, dass der Beitragssatz
dann im Jahr 2008 auf 20,1 Prozent angehoben werden
müsste; das hat der Staatssekretär schon vorgetragen.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber nur, weil Sie mit der Mehrwertsteuererhöhung die Konjunktur abwürgen!)


Die Verstetigungsregelung hätte zur Folge, dass der Bei-
tragssatz bis zum Jahre 2010 bei 20,1 Prozent verbleiben
würde.

Jetzt muss jeder von uns – das kann auch jeder – eine
ganz einfache Rechnung aufmachen und sich fragen:
Welche Lösung ist für die deutsche Wirtschaft und für
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter dem
Strich günstiger? FDP und Grüne wollen den Beitrags-
satz zur Rentenversicherung von 19,7 Prozent bis zum
Jahre 2010 auf 20,1 Prozent erhöhen. CDU/CSU und
SPD wollen ihn im nächsten Jahr bei 19,9 Prozent fest-
setzen und diese Beitragssatzhöhe bis zum Jahre 2012
beibehalten. Unter dem Strich ist die Lösung von Grü-
nen und FDP für die deutsche Wirtschaft und für die Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer deutlich teurer als
der Vorschlag der großen Koalition.


(Anton Schaaf [SPD]: So ist das!)


Um es ganz einfach zu sagen: Durch die Anträge von
FDP und Grünen würden die Wirtschaft und die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer zusätzlich belastet. Die
große Koalition hingegen entlastet die Wirtschaft und
die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch hoffentlich selbst nicht!)


Diese Wahrheit muss deutlich ausgesprochen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Jörg Rohde [FDP]: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach!)


FDP und Grüne wollen einen rentenpolitischen Zick-
zackkurs. Die große Koalition sorgt für Verlässlichkeit.
Das ist ein Faktum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das ist nicht nur die Sichtweise eines Abgeordneten
der Koalition, sondern das hat auch der Sozialbeirat aus-
drücklich festgestellt; auch darauf hat der Herr Staatsse-
kretär bereits hingewiesen. Ich zitiere den Sozialbeirat
noch einmal:

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(C (D Angesichts der mit der Anhebung des Beitragssatzes auf 19,9 Prozent mittelfristig verbundenen Stabilisierung des Beitragssatzes begrüßt der Sozialbeirat diesen Schritt … Mit der dadurch möglichen Beitragssatzstabilität in der gesetzlichen Rentenversicherung kann nach Einschätzung des Sozialbeirats einer anhaltenden Diskussion über die finanzielle Situation der gesetzlichen Rentenversicherung in der Öffentlichkeit entgegengewirkt werden. enau so ist es. Deswegen, verehrte Kolleginnen und ollegen: Machen wir einen vernünftigen Schritt, sorgen ir für einen stabilen Rentenversicherungsbeitrag! Kollege Weiß, nachdem mithilfe der FDP Ihre Rede eit mehr als verdoppelt wurde, (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607028000

itte ich Sie, jetzt wirklich zum Schluss zu kommen.


(Anton Schaaf [SPD]: Lasst ihn noch ein bisschen, den Peter!)



Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1607028100

Verehrte Frau Präsidentin, ich wollte, um bei Ihnen

och Gnade zu finden, gerade zu meinem Schlusssatz
nsetzen.


(Klaus Brandner [SPD]: Lange Laufzeiten hat er! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schönen Gruß an Tante Käthe, dann ist Schluss!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607028200

Einen Satz.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1607028300

Wir wollen den Beitragssatz zur Rentenversicherung

o festsetzen, dass er möglichst viele Jahre stabil bleibt.
nter dem Strich bringt das den Arbeitnehmern und der
irtschaft eher Entlastung als Belastung. Gleichzeitig

enken wir den Arbeitslosenversicherungsbeitrag auf
en seit 20 Jahren niedrigsten Stand. Das ist die gute
otschaft für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
nd die Wirtschaft in unserem Land.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607028400

Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Volker

chneider das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Volker Schneider (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607028500

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-

en! 0,2 Prozentpunkte oder 0,4 Prozentpunkte rauf bei
er Rentenversicherung, 0 Prozentpunkte oder 0,3 Pro-
entpunkte runter bei der Arbeitslosenversicherung, das
aren die zentralen Diskussions- und Streitpunkte in un-

erer heutigen Diskussion.






(A) )



(B) )


Volker Schneider (Saarbrücken)


(Anton Schaaf [SPD]: 2 Prozentpunkte oder 2,3 Prozentpunkte!)


– Das war schon etwas vorher, lieber Kollege Schaaf. –
Das waren die bisherigen Beratungen in Plenum, Aus-
schuss und Anhörungen: Null-Komma-Beträge, und
doch hatte man teilweise den Eindruck, es würden die
für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland
entscheidenden Debatten ausgetragen.

Die Annahme, dass eine Senkung der Lohnneben-
kosten in dem hier diskutierten Umfang wesentliche
Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deut-
schen Wirtschaft und damit auf die Beschäftigungssitua-
tion hat, gehört – schöne Grüße an Herrn Rüttgers! – in
den Zyklus der Lebenslügen. Arbeitnehmer, die sich Ge-
danken um ihre Rente machen oder die sich vor Arbeits-
losigkeit fürchten, hätte bei unseren Diskussionen wahr-
scheinlich das Gefühl beschlichen, im falschen Film zu
sitzen. Die Bereitschaft, in eine Versicherung einzuzah-
len – das gilt auch für die Sozialversicherung –, und die
Frage, wie viel man zu zahlen bereit ist, sind doch auch
davon abhängig, was man im Schadensfall von dieser
Versicherung erwarten darf. Fragen Sie sich doch ein-
mal, mit wie viel Zustimmung man unter den pflichtver-
sicherten Kunden der Renten- oder Arbeitslosenversi-
cherung rechnen darf! Oder umgekehrt: Meinen Sie
nicht, es ist einem Arbeitnehmer relativ egal, ob er nun
19,5 oder 19,7 oder 19,9 Prozent an die Rentenversiche-
rung zahlt, wenn er dafür das Gefühl hat, seinen Lebens-
abend unter halbwegs gesicherten Bedingungen gestal-
ten zu können?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist ja ein Freibrief für weitere Beitragserhöhungen, den Sie da ausstellen!)


– Erwarten Sie von der Linken etwas anderes?


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben im Ausschuss signalisiert, dass wir uns mit
einer Anhebung des Rentenversicherungsbeitrags auf
19,9 Prozent hätten einverstanden erklären können.
Doch missverstehen Sie das nicht als grundsätzliche Zu-
stimmung zu Ihrer Rentenpolitik! Denn es ist uns nicht
entgangen – Frau Schewe-Gerigk, passen Sie jetzt auf;
das ist, glaube ich, auch Ihr Anliegen –,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Linke ist immer etwas regierungsgläubig!)


dass die Anhebung des Beitragssatzes entbehrlich gewe-
sen wäre, hätte die Bundesregierung nicht die Beitrags-
zahlung für Empfänger von Arbeitslosengeld II halbiert.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir wünschen uns im Interesse der Beitragszahler wie-
der mehr Kontinuität in der Rentenversicherung. Dann
macht es keinen Sinn, den Beitrag so auf Kante zu nä-
hen, wie sich das die Grünen und die FDP wünschen.

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(C (D Derzeit wird insbesondere in den Reihen der CDU/ SU – wir haben es eben aber auch von Staatssekretär hönnes gehört – fast schon penetrant betont, dass der ozialbeirat die mittelfristigen ökonomischen Grundanahmen ausdrücklich als realistisch lobt. Dazu eine Anerkung: Ich wünsche Ihnen wirklich, dass Ihre Annahen dieses Mal mehr der Realität entsprechen, als wir as von der Vergangenheit gewohnt sind. Ich wünsche ir das insbesondere deshalb, weil wir wieder mehr Ver ässlichkeit in der Rentenversicherung brauchen. Mit em Vertrauen der Menschen in die Zukunft der Rente st die Politik viel zu lange viel zu fahrlässig umgeganen. Nicht alle teilen Ihre Zuversicht so, wie der Sozialbeiat das tut. Das Deutsche Institut für Altersvorsorge ennt den Bericht realitätsfern und kritisiert insbesonere die Annahmen zur künftigen Lohnentwicklung. (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Deutsche Institut für Altersvorsorge ist die Deutsche Bank! Wussten Sie das?)


(Anton Schaaf [SPD]: Da hat er Recht!)


(Beifall bei der LINKEN)


ei unterstellten Lohnsteigerungen von im Mittel
,5 Prozent muss man wirklich keine Kassandra sein,
m eine gewisse Skepsis an den Tag legen zu können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Allerdings!)


Wie dem auch sei, in die Verlegenheit, Ihnen halbher-
ig zustimmen zu müssen, haben Sie uns gar nicht erst
ebracht, weil Sie die Arbeitslosenversicherung nun
irklich bis an die Grenze fahren. Dabei behaupten Sie

uch noch: Die Beitragssatzsenkung führt zu keinen Ein-
chränkungen bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die
ktive Arbeitsmarktförderung wird auf hohem Niveau
tabilisiert. Dies wird auch in den Folgejahren der Fall
in. – Herr Staatssekretär, das haben einige Sachverstän-
ige in der Anhörung durchaus anders gesehen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Einer!)


Wir haben das Gefühl, dass sich einige der Arbeitslo-
en angesichts ihrer realen Situation schlicht verhöhnt
orkommen, weil sie nicht verstehen können, dass auf
er einen Seite Überschüsse erzielt und deshalb die Bei-
räge gesenkt werden, während ihnen auf der anderen
eite oft nicht adäquat geholfen wird.

Überschüsse müssen denen zurückgegeben werden,
ie Beiträge gezahlt haben. Zusätzliche arbeitsmarkt-
olitische Leistungen und die längere Zahlung des Ar-
eitslosengeldes I auch, ohne dass dabei Ältere gegen
üngere ausgespielt werden, hätten den Betroffenen
ehr geholfen als eine Senkung der Beiträge, die denen,

ie zwischenzeitlich arbeitslos geworden sind, definitiv
icht hilft. Deshalb können wir Ihrem Antrag nicht zu-
timmen.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)







(A) )



(B) )


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607028600

Das Wort hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die fünf Wirtschaftsweisen bringen den widersprüchli-
chen Reformkurs der Bundesregierung zutreffend auf
den Punkt – ich zitiere –:

Trotz der guten konjunkturellen Entwicklung blie-
ben die Anstrengungen in den wichtigen Politikfel-
dern im Dickicht widerstreitender Interessen ste-
cken.

Diese Bilanz des Sachverständigenrats bezüglich der
Politik der großen Koalition im ersten Regierungsjahr
gilt auch für das Vorhaben der Bundesregierung, das
heute zur Abstimmung steht.

Der Sachverständige Professor Horn – er wurde von
der Koalition als Sachverständiger benannt und schon
vielfach zitiert –


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Guter Mann!)


hat Ihnen die konjunkturdämpfende Wirkung der Erhö-
hung der Mehrwertsteuer bescheinigt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das haben wir schwarz auf weiß!)


Hinzu kommt die Erhöhung der Renten- und der Kran-
kenkassenbeiträge. Laut Professor Horn droht eine Sen-
kung des Wachstums bis unterhalb der Schwelle, ab der
eine positive Beschäftigungswirkung erzielt wird. Sie
halten aber eisern an der Umsetzung der Koalitionsver-
einbarung fest. Offenbar brauchen Sie die wortgetreue
Umsetzung des Koalitionsvertrages, weil die Koalition
Ihnen sonst vielleicht auseinander bricht.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein, sondern weil es vernünftig ist!)


Aktuelle Entwicklungen und neu entstandene Spiel-
räume interessieren Sie dabei einfach nicht. Dazu zählen
im Bereich der Rentenversicherung höhere Einnahmen
in Höhe von 700 Millionen Euro und Einsparungen des
Bundes beim zweckgebundenen Bundeszuschuss für
Kindererziehungszeiten in Höhe von 300 Millionen
Euro. Auf der Belastungsseite der Rentenversicherung
steht die gesunkene Zahl der Bezieher von Arbeitslosen-
geld I, die zu Beziehern von Arbeitslosengeld II werden.
Dann wird nämlich nur noch die Hälfte der Versiche-
rungsbeiträge entrichtet, was auch wieder 2 Milliarden
Euro ausmacht.

Durch die unerwarteten Steuermehreinnahmen wird
Ihnen der Spielraum gegeben, die Einsparung bei den
Rentenbeiträgen für Langzeitarbeitslose auszusetzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!)


Mit den dadurch gewonnenen zusätzlichen 2,1 Milliar-
den Euro könnten Sie im kommenden Jahr auf die ge-

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(C (D lante Beitragssatzsteigerung bei der Rentenversicheung verzichten. as hat uns auch der Präsident der Deutschen Rentenersicherung Bund bestätigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist wahr!)


ie rentenversicherten Arbeitnehmer würden dadurch
ntlastet.

Angesichts der, wie wir heute gehört haben, knapp
Millionen Arbeitslosen und dem weiterhin hohen An-

eil von Langzeitarbeitslosen bei bislang fehlender För-
erung der Beschäftigung ist die weitere Senkung der
rbeitslosenbeiträge ein Signal zum falschen Zeitpunkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Kollegin Pothmer, die Bundesagentur für Arbeit
st nicht zum Sparen da, sondern sie soll qualifizieren
nd vermitteln.


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)


ber die progressive Beitragssenkung wollen wir die ar-
eitsmarktpolitisch effektivere Steuerung und Gestal-
ung der Lohnnebenkosten erreichen. Die Koalitions-
raktionen bleiben mit ihrem Antrag weit dahinter
urück.

Wir wollen die ungenutzten Überschüsse für eine ar-
eitsmarktpolitische Prioritätensetzung der BA verwen-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die gehören doch den Beitragszahlern!)


Für uns steht ein Sonderprogramm für Ausbildung
n erster Stelle, das wir auch weiterhin – also auch nach
em absehbaren Beschluss der Senkung des Beitrages
uf 4,2 Prozent – fordern. Die hierfür erforderlichen
50 Millionen Euro sind gut angelegt; denn sonst sind
ie Ausbildungsverlierer von heute die fehlenden Fach-
räfte von morgen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


uch darüber haben wir heute Morgen in der Debatte
ereits gesprochen.

Aber auch die bessere Qualifizierung bisher ver-
achlässigter Gruppen bzw. die gezielte Förderung der
eschäftigungsfähigkeit von älteren Arbeitslosen gehö-

en auf die Agenda der Bundesagentur für Arbeit.

Meine Ausführungen sollen verdeutlichen, dass wir
rüne die Weichen anders stellen. Wir lehnen die Erhö-
ung der Rentenversicherungsbeiträge und die weitere
enkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab
nd werden Ihrem Gesetzentwurf daher nicht zustim-
en.


(Anton Schaaf [SPD]: Was sollen wir da machen?)







(A) )



(B) )


Irmingard Schewe-Gerigk
Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607028700

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Gregor Amann

das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Gregor Amann (SPD):
Rede ID: ID1607028800

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Um die Anhebung des Rentenversicherungsbeitra-
ges auf 19,9 Prozent zum 1. Januar 2007 zu begründen,
reichen eigentlich zwei Wörter aus – meiner Ansicht
nach hat das auch keiner der Oppositionsredner wider-
legt –: Berechenbarkeit und Verlässlichkeit, und zwar
sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeber.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Darauf kann man sich verlassen, dass ihr mit den Beiträgen nach oben marschiert!)


Wenn wir jetzt den Beitragssatz auf 19,9 Prozent anhe-
ben, dann bleibt er für mehrere Jahre stabil und wir müs-
sen die 20-Prozent-Grenze nicht überschreiten.

Herr Dr. Kolb hat vorhin wieder einmal behauptet, die
SPD sei bei den Beitragssätzen in der Rentenversiche-
rung nicht glaubwürdig.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Allerdings! Leidvolle Erfahrung!)


Wenn man die Beiträge in der Rentenversicherung über
Jahrzehnte hinweg betrachtet, dann wird deutlich, dass
gerade in der Zeit Ihrer Mitregierung die Rentenversi-
cherungsbeiträge den größten Sprung gemacht haben.


(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihr habt die Ökosteuer eingeführt! Ihr habt die GAGFAH verkauft! Ihr habt die Beitragsbemessungsgrenze eingeführt!)


Insofern frage ich mich, wer glaubwürdiger ist: die SPD
oder Herr Dr. Kolb?


(Anton Schaaf [SPD]: Das wissen wir!)


Es ist durchaus legitim, zu fordern, den Beitrag kurz-
fristig nicht über 19,7 Prozent anzuheben. Aber das führt
bei den Beiträgen zu einer Achterbahnfahrt oder zu stei-
genden Zuschüssen in die Rentenkasse aus Steuermitteln
im Jahr 2008. Das wollen wir mit unserem Gesetzent-
wurf verhindern. Wir werden nachher über die Alternati-
ven Zickzackkurs oder Verlässlichkeit abstimmen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich komme nun zu den beiden Anträgen der Opposi-
tion. Zunächst zu den Grünen: Auf Ihr Progressivmodell
will ich angesichts der Kürze meiner Redezeit jetzt nicht
eingehen. Wir werden über diesen Themenkomplex
noch diskutieren. Wie Sie wissen, gibt es eine Arbeits-
gruppe der Bundesregierung zum Thema Niedriglohn-
sektor.

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(C (D Was die Verwendung der Überschüsse der Bundesgentur für Qualifizierungsund Förderangebote aneht, darf ich Sie daran erinnern, dass Herr Weise – imerhin Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für rbeit – im Ausschuss ausgeführt hat, dass der Einglieerungstitel im nächsten Jahr mit 3,3 Milliarden Euro in er gleichen Höhe im Haushalt eingestellt ist wie in dieem Jahr, und zwar bei niedrigeren Arbeitslosenzahlen. as bedeutet pro Kopf also mehr. Alle Anforderungen der lokalen Agenturen wurden efriedigt. Wie uns mitgeteilt wurde, wurde keine einige abgelehnt. 218 Millionen Euro der Gesamtsumme erden gezielt für die Förderung von Jugendlichen einesetzt, unter anderem zur Finanzierung von 12 500 Beufsausbildungen in außerbetrieblichen Einrichtungen. ir Sozialdemokraten begrüßen das und halten weiterehende Forderungen, wie sie in Ihrem Antrag gestellt erden, nicht für sinnvoll. Unser Ziel kann es nicht sein, den Markt mit außerberieblichen Ausbildungsplätzen zu überschwemmen und ie Wirtschaft damit aus ihrer Verantwortung zur Schafung betrieblicher Arbeitsplätze zu entlassen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Antrag der FDP: Sie wollen den Beitragszahlern
n Form von weitergehenden Beitragssenkungen ihr
eld zurückgeben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ihr euch vorher schamlos geholt habt!)


as klingt zunächst einmal vernünftig,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist auch vernünftig!)


ber Sie verschweigen dabei, dass die Bundesagentur für
rbeit seit 1988 Zuschüsse in zweistelliger Milliarden-
öhe aus dem Bundeshaushalt bekommen hat.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Kolb, haben Sie das vergessen? Die Erinnerung lässt nach! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein!)


Wenn Sie die kumulierten Überschüsse mit dem
berschuss der Bundesagentur in diesem Jahr und in den
ächsten Jahren verrechnen, dann bleibt für längere Zeit
ichts mehr für eine Beitragssenkung übrig, nicht einmal
ür die, die wir heute Abend beschließen wollen.


(Anton Schaaf [SPD]: So ist es!)


Was den zweiten Teil Ihres Antrags hinsichtlich der
ffizienteren Strukturen in der Arbeitsverwaltung an-
eht, handelt es sich, glaube ich, um die übliche Niebel-
lausel in FDP-Anträgen zur Bundesagentur.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


ie wollen offensichtlich nicht wahrnehmen, dass die
euorganisation der Bundesagentur für Arbeit bereits in
ang ist.






(A) )



(B) )


Gregor Amann
Wir werden Ihren Antrag aus diesem Grund ablehnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607028900

Das Wort hat der Kollege Stefan Müller für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber jetzt keine Gehässigkeiten! Sonst verdoppele ich meine Redezeit! – Anton Schaaf [SPD]: Doch, ein paar noch!)



Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1607029000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sie werden gestatten, dass ich zum Rentenversiche-
rungsbeitrag nichts mehr sage. Ich habe den Eindruck,
dass ich gegen 21.40 Uhr FDP, Grüne und Linke nicht
mehr davon überzeugen kann, dass unser Gesetzentwurf
vernünftig ist. Insofern gebe ich die Hoffnung auf.

Kollege Dr. Kolb, schade und außerordentlich bedau-
erlich ist allerdings, dass die FDP der Senkung des Bei-
tragssatzes in der Arbeitslosenversicherung nicht
zustimmt. Schließlich sind wir Ihrem Ansinnen nachge-
kommen, freie Spielräume bei der Bundesagentur für
Arbeit zu nutzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben euch getrieben!)


Das will ich einmal so festhalten, Herr Kollege Dr. Kolb.
Sie haben schon einmal einen Antrag eingebracht; da-
rüber haben wir bereits diskutiert. Natürlich haben Sie
gewusst, dass wir uns auf diesem Weg bewegen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Auch große Elefanten werden mit kleinen Stöckchen vorwärts bewegt!)


Daher konnten Sie den jetzigen Antrag ungehindert ein-
bringen. Er ist von der Grundintention her sicherlich ver-
nünftig. Wir werden das so machen. Umso bedauerlicher
ist, dass Sie sich einer weiteren Beitragssatzsenkung ver-
schließen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Anton Schaaf [SPD]: Verweigern!)


– Richtig, sogar verweigern.

Es ist klar, dass das Geld bei der Bundesagentur für
Arbeit nicht für irgendwelche Zwangsbeglückungsmaß-
nahmen ausgegeben, sondern denjenigen zurückgegeben
wird, die es erwirtschaftet haben: den Beitragszahlern in
unserem Land, den Arbeitgebern und den Arbeitneh-
mern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das heißt, der Beitragssatz in der Arbeitslosenversiche-
rung sinkt nicht um 2 Prozentpunkte, sondern um
2,3 Prozentpunkte auf 4,2 Prozent. Dieser Beitrag kann
in den nächsten Jahren gehalten werden. Die Arbeitge-
bervertreter haben uns in der Anhörung mit auf den Weg

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(C (D egeben, dass Beitragssatzsenkungen dann am meisten inn machen, wenn sie nachhaltig sind. (Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


enau das machen wir jetzt. Wenn sich die gute Arbeits-
arktentwicklung fortsetzt, wird man sehen, ob weitere
pielräume für Beitragssatzsenkungen entstehen.

Herr Dr. Kolb, lassen Sie mich ein Stück weit meiner
erwunderung darüber Ausdruck verleihen, auf welchen
at Sie seit neuestem hören. Sie bemühen seit der Anhö-

ung Herrn Professor Horn, der – zugegeben – gesagt
at, dass die Mehrwertsteuererhöhung einen stark
ämpfenden Effekt haben werde. Ich finde, es ist bemer-
enswert, dass Sie ausgerechnet diesen Mann zum Kron-
eugen Ihrer Politik machen. Herr Dr. Kolb, es interes-
iert mich, ob Sie dem Herrn Professor Horn auch an
nderer Stelle folgen. In der Anhörung hat er behauptet
Sie waren dabei –:

Deutschland ist heute sehr wettbewerbsfähig, wir
haben die niedrigsten Arbeitskostensteigerungen
innerhalb des Euroraumes seit längerer Zeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


r sagt weiter:

Demnach hätte die Lohnsteigerung um 1 bis 2 Pro-
zentpunkte höher ausfallen können, ohne dass es zu
einer nachhaltigen Verschlechterung der Wettbe-
werbsfähigkeit gekommen wäre.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


ine verrückte Welt, kann ich dazu nur sagen. Herr Kol-
ege Dr. Kolb, vielleicht erläutern Sie uns das einmal.
der kann es vielleicht nicht doch sein, dass Sie nur das
erausgesucht haben, was Sie gebrauchen konnten?
enn ja – das soll ja gelegentlich vorkommen –, dann

eben Sie es zu.

Tatsache ist jedenfalls, dass der gute Sachverständige
orn mit seiner Meinung zur Mehrwertsteuererhöhung

iemlich alleine dasteht. Ich möchte zitieren – das ist
eute über die Agenturen gelaufen –:

„Wir denken, dass die Dynamik nach Bremsspuren
zu Beginn des nächsten Jahres doch trägt und der
Aufschwung weitergeht“, erklärte vor kurzem Ifo-
Konjunkturexperte Klaus Abberger.

in weiteres Zitat:

„Den robusten Konjunkturaufschwung wird auch
die Mehrwertsteuererhöhung im kommenden Jahr
nicht aufhalten können“, meint auch Postbank-
Chefvolkswirt Bargel.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Amen!)


iese Zitate ließen sich beliebig fortsetzen. Lassen wir
ns einfach überraschen, wie es im nächsten Jahr aus-
ieht.

Abschließend möchte ich noch auf eines hinweisen,
eil Sie gesagt haben, wir deuteten etwas um.






(A) )



(B) )


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607029100

Kollege Müller, da der Kollege Kolb nicht so lieb

war, auch Ihnen die Redezeit zu verlängern, müssen Sie
jetzt bitte Ihren Schlusssatz sprechen.


Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1607029200

Ich will nur auf eines hinweisen: Es lässt sich im „In-

formationsdienst des Instituts der deutschen Wirtschaft“
nachlesen, dass die Sozialversicherungsbeiträge endlich
unter 40 Prozent liegen werden. Ich stelle Ihnen die Un-
terlage gern zur Verfügung. Erstmals seit 1995 wird die
Summe der paritätisch finanzierten Sozialversicherungs-
beiträge im kommenden Jahr vermutlich die 40-Prozent-
Marke unterschreiten. Ich finde – auf besonderen
Wunsch von Frau Pothmer sollte ich das festhalten –, das
ist ein guter Tag für Deutschland.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1607029300

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der CDU/CSU und der SPD eingebrachten Entwurf
eines Gesetzes über die Festsetzung der Beitragssätze in
der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beiträge und
Beitragszuschüsse in der Alterssicherung der Landwirte
für das Jahr 2007, Drucksache 16/3268. Der Ausschuss
für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be-
schlussempfehlung auf Drucksa-che 16/3637, den Gesetz-
entwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP, der Fraktion Die Linke und der Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist damit angenommen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 15 b. Unter
Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Aus-
schuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP
auf Drucksache 16/3091 mit dem Titel „Überschüsse der
Bundesagentur für Arbeit für weitere Beitragssenkungen
verwenden“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Die Gegenprobe! – Enthaltungen? – Damit ist
die Beschlussempfehlung gegen die Stimmen der An-
tragsteller angenommen.

Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3637 die
Ablehnung des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen auf Drucksache 16/2509 mit dem Titel
„Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit für Ausbil-
dung, Qualifizierung und Progressiv-Modell verwen-
den“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Es gibt keine Enthaltun-

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(C (D en. Die Beschlussempfehlung ist damit gegen die Stimen der Antragsteller angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Hartfrid Wolff ckmans, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Fortentwicklung der Internationalen Rechnungslegungsstandards im Rahmen der Präsidentschaft Deutschlands in EU und G8 thematisieren – Drucksache 16/3341 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Auswärtiger Ausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die DP sechs Minuten erhalten soll. – Ich höre dazu keinen iderspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Der Kollege Hartfrid olff hat für die FDP-Fraktion das Wort. Hartfrid Wolff Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Interna ionale Bilanzierungsstandards werden für die Wirtchaft in Deutschland immer wichtiger. Kapitalmarktorintierte Unternehmen müssen die IFRS anwenden. Für onzernabschlüsse anderer Unternehmen und für Ein elabschlüsse aller Kapitalgesellschaften besteht ein ahlrecht zur Anwendung der internationalen Rech ungslegungsvorschriften. Gleichzeitig muss weiterhin in Abschluss nach dem deutschen HGB, auch aufgrund es Maßgeblichkeitsgrundsatzes für steuerliche Zwecke, rstellt werden. Der Großteil deutscher Unternehmen besteht aus mitelständischen, nicht kapitalmarktorientierten Unternehen. 8 Prozent davon bilanzieren nach IFRS, andere lanen, dazu überzugehen. Der Druck auf die mittelstänische Wirtschaft, nicht nur nach HGB zu bilanzieren, ächst. Für die Kreditgewährung und auch beim Rating at ein IFRS-Abschluss immer größere Bedeutung. Desalb ist es dringend geboten, dass eigene Standards für leine und mittlere Unternehmen schneller verwirklicht erden. Die internationalen Bilanzierungsstandards sind in er derzeitigen Form für die meisten mittelständischen nternehmen nicht geeignet. Ihnen liegt als Grundgeanke unter anderem die Kapitalmarktorientierung der esellschaften zugrunde. Die Bundesregierung hat auf ehrere Anfragen der FDP-Fraktion mitgeteilt, dass sie nsere Sorge bezüglich der Kompatibilität der interna Hartfrid Wolff tionalen Rechnungslegungsstandards mit der stark mittelstandsorientierten deutschen Wirtschaftsstruktur und den Besonderheiten des deutschen Gesellschaftsrechts teilt. Hier ist vor allem die Kommanditgesellschaft mit ihrem jederzeit kündbaren Gesellschaftskapital zu erwähnen. Vielfach steht gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch für große Familienunternehmen in Deutschland die über Generationen gehende Werterhaltung im Vordergrund, welche ihren Niederschlag auch in der Rechtsform findet. Deshalb sind den Entscheidern sowohl im IASB als auch in der EU-Kommission die besonderen deutschen Interessen des Mittelstands zu verdeutlichen und deshalb sind eigene Formen der Bilanzierungsstandards für den Mittelstand schnellstmöglich zu entwickeln. (Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


Deutsche Unternehmen müssen vielfach nicht nur die
IFRS anwenden. Zum Beispiel bei einer Börsennotie-
rung in den USA besteht auch für deutsche Unternehmen
eine zusätzliche Bilanzierungspflicht nach den amerika-
nischen Standards. Am 27. Februar dieses Jahres hat
man sich auf einen Konvergenzfahrplan zwischen IFRS
und den amerikanischen Bilanzierungsstandards bis
2008 geeinigt. Der Ausgang ist noch offen.

Die Annäherung der Bilanzierungsstandards ist
grundsätzlich zu befürworten. Es ist wichtig, gegenüber
dem Verhandlungspartner Vereinigte Staaten eine starke,
einheitliche und europäische Position zu vertreten.


(Beifall bei der FDP)


Gerade die Einheitlichkeit der europäischen Position ist
hier bedeutsam.

Die Präsidentschaft Deutschlands in der EU und der
G 8 bietet die ideale Grundlage, die Interessen der deut-
schen Wirtschaft verstärkt nach außen zu tragen und de-
ren bessere Berücksichtigung zu fördern. Es ist traurig,
Herr Staatssekretär, dass dieses Thema in den Planungen
zur EU-Ratspräsidentschaft bisher mit keinem Wort er-
wähnt ist. Vor diesem Hintergrund fordert die FDP die
Bundesregierung auf, sich erstens auf europäischer
Ebene für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen
deutscher Unternehmen, insbesondere des Mittelstandes,
bei der Fortentwicklung der IFRS einzusetzen, zweitens
darauf hinzuwirken, dass die Anwendung der IFRS für
nicht kapitalmarktorientierte, mittelständische Unterneh-
men weiterhin auf freiwilliger und nicht auf verpflich-
tender Basis erfolgt, und, dass Deutschland drittens in
der EU und der G 8 auf eine langfristige und sichere Fi-
nanzierung des IASB hinwirkt und die Konvergenz mit
den Amerikanern vorantreibt.


(Beifall bei der FDP)


Rechnungslegungsvorschriften haben für die Außen-
darstellung von Unternehmen eine besondere Bedeutung
und sie beeinflussen auch die Unternehmenskultur; das
darf man nie vergessen. Dabei sind natürlich die Interes-
sen von Anlegern und in- und ausländischen Investoren
sowie von Wettbewerbern und Geschäftspartnern deut-

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(C (D cher Unternehmen und von Kreditinstituten zu berückichtigen. Andererseits muss auch eine individuelle ntscheidungshoheit im Rahmen der Bilanzierungsvoraben bestehen bleiben, zum Beispiel beim Maßstab der erterhaltung. Aufgrund der dargestellten wachsenden Relevanz inernationaler Rechnungslegungsstandards ist es von herusragender Bedeutung, die deutschen Interessen und nsbesondere die Interessen des Mittelstandes in den ntwicklungen der internationalen Bilanzierungsstanards zu stärkerer Bedeutung zu verhelfen. Die Präsientschaft Deutschlands in der EU und der G 8 bietet die deale Grundlage, diese Interessen verstärkt nach außen u tragen und durchzusetzen. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Tillmann von er CDU/CSU-Fraktion. Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle en! Zu einem attraktiven Finanzplatz gehört ein moderes und transparentes Bilanzrecht. Dass wir alle daran nteressiert sind, haben die konstruktiven Beratungen um Bilanzrechtsreformgesetz in der vergangenen Leislaturperiode gezeigt. Hierbei spielt aufgrund eines lobalisierten Marktes auch eine Rolle, dass die Bilanierungsregelungen möglichst international akzeptiert erden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607029400

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Antje Tillmann (CDU):
Rede ID: ID1607029500

Für kapitalmarktorientierte Unternehmen sind wir mit
en International Financial Reporting Standards, IFRS,
uf einem guten Weg. Für kleine und mittlere Unterneh-
en können diese Standards noch nicht die Lösung sein.
ine Anpassung an die Belange von kleinen und mittle-

en Unternehmen ist für die Bilanzierung deutscher Un-
ernehmen wichtig.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Richtig!)


Dies haben sowohl die Bundesregierung als auch die
oalitionsfraktionen in der Vergangenheit deutlich ge-
acht.

Schon im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD
aben wir uns für eine Fortentwicklung bestehender Re-
elungen ausgesprochen. Wörtlich heißt es dort:

Die Arbeiten auf EU-Ebene zur Schaffung einer
einheitlichen konsolidierten Bemessungsgrundlage
werden wir aktiv mitgestalten, um ein modernes
und wettbewerbsfähiges Bilanzsteuerrecht zu ent-
wickeln.

Weiter heißt es:

Die Modernisierung des Bilanzrechts und die wech-
selseitige Anerkennung deutscher, europäischer






(A) )



(B) )


Antje Tillmann
und amerikanischer Rechnungslegungsvorschriften
sind vordringliche Maßnahmen zur Stärkung des
Finanzplatzes Deutschland.

Darüber hinaus haben wir in den zurückliegenden
Monaten intensive Gespräche mit betroffenen Unterneh-
men, Banken, Wirtschaftsprüfern und anderen Sachver-
ständigen geführt. Die Klausurtagung der Arbeitsgruppe
der CDU/CSU-Fraktion im Januar 2007 wird dieses
Thema zum Gegenstand haben.


(Uwe Barth [FDP]: Viel Erfolg!)


Dankenwerterweise haben Sie, liebe Kollegen der
FDP, zur Diskussion beigetragen, indem Sie allein in
diesem Jahr drei Kleine Anfragen zu diesem Thema ge-
stellt haben.


(Beifall des Abg. Uwe Barth [FDP] – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Also hat es doch Erfolg!)


Mit Ihren Fragen haben Sie sehr deutlich auf die Pro-
bleme bei der Umsetzung internationaler Bilanzierungs-
standards für den deutschen Mittelstand hingewiesen.
Die Antworten der Bundesregierung waren sehr detail-
liert und gaben gute Hinweise auf den derzeitigen Stand
des Verfahrens.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Vor dem Hintergrund der Anfragen und der Antwor-
ten ist mir heute etwas unverständlich, warum Sie diesen
Antrag vorlegen; denn Ihre Forderungen in den Anfra-
gen sind jeweils weitestgehend erfüllt worden.


(Zuruf von der FDP: Das sind keine Forderungen!)


Auch halte ich die Aussage in Ihrem Antrag, durch
das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz, über das wir im
kommenden Jahr diskutieren werden, solle die Rech-
nungslegung nach HGB an die internationalen Stan-
dards, IFRS, angenähert werden, für durchaus diskus-
sionsbedürftig. Zuvor ist von uns erst einmal die Frage
zu klären, ob wir uns von der Einheitsbilanz, also der
einen Bilanz für die Besteuerung und den Gläubiger-
schutz, ohne weiteres verabschieden wollen.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Interessanter Ansatz!)


Zwei Bilanzen bedeuten zweimal Bürokratiekosten.

Auch die Bundesregierung hat sich dazu wesentlich
vorsichtiger geäußert. Sie will das Bilanzrecht zwar mo-
dernisieren und nicht mehr zeitgerechte Wahlrechte ab-
schaffen; eine Annäherung an internationale Bilanzie-
rungsmaßstäbe muss ihres Erachtens jeweils im
Einzelfall geprüft werden.

Sie stellen Forderungen an die Bundesregierung auf.
Unter den Nrn. 1 und 2 fordern Sie die Bundesregierung
auf, sich sowohl beim International Accounting Stan-
dards Board als auch bei der EU-Kommission für die In-
teressen des deutschen Mittelstandes einzusetzen. Die
Antwort der Bundesregierung auf Ihre Kleine Anfrage

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(C (D uf Drucksache 16/704 macht die Haltung der Bundesreierung hinsichtlich der Einwirkung auf den IASB deutich. Darin heißt es: Der IASB ist eine weltweit tätige private Organisation von Rechnungslegern. Er arbeitet im Bereich der Rechnungslegung eng mit den nationalen Standardsettern zusammen. Auf Initiative gerade des Deutschen Rechungsleungs Standards Committee arbeitet der IASB derzeit an iner Änderung des International Accounting tandard 32. Das ist genau der, zu dem Sie eben richtierweise dargestellt haben, dass er durch die Umqualifiierung von Eigenin Fremdkapital bei Personengesellchaften den kleinen und mittleren Unternehmen Sorge ereitet. Ob der IAS 32 nach einer Änderung für deutsche mitelständische Unternehmen geeignet ist, lässt sich erst eurteilen, wenn die geänderte Fassung vorliegt. Wenn er Entwurf vorliegt, dann sind die deutschen Unternehen aufgefordert, dazu intensiv Stellung zu nehmen, as – das nur als Nebenbemerkung – bei der ursprüngli hen Verabschiedung des IFRS nicht nur von der Bunesregierung, sondern offensichtlich auch von den Unernehmen selbst vergessen wurde. Rechtsverbindlich ür europäische Unternehmen werden die vom IASB erassenen IFRS erst durch die Anerkennung seitens der U. Sie haben die Bundesregierung gefragt, ob sie auf euopäischer Ebene Einfluss nimmt. Die Bundesregierung at Ihnen bereits mitgeteilt, dass sie selbstverständlich in en betreffenden EU-Gremien vertreten ist und dort sehr ohl die Interessen deutscher Unternehmen wahrimmt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das ist auch ihre Pflicht!)


Das ist ihre Pflicht, auch ohne dass sie von der FDP
azu aufgefordert wird. Ich will Ihnen ja nachweisen,
ass das Pferd nicht mehr zum Reiten getragen werden
uss, sondern schon auf der Bahn ist.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Die Auswirkungen waren aber noch nicht zu erkennen!)


Darüber hinaus sehen wir keine Notwendigkeit für
ine gesonderte Initiative der deutschen Präsidentschaft.
s ist ausgesprochen wichtig – Sie haben sehr deutlich
arauf hingewiesen –, europäisch einheitlich vorzuge-
en, um die deutschen Interessen durchzusetzen. Ein
onderweg kann da eher schaden als nützen. Deshalb
lauben wir, dass der Weg der Regierung richtig ist, die
nteressen Deutschlands im europäischen Kontext zu
ertreten.

In Nr. 3 Ihres Antrags fordern Sie die Regierung auf,
ich dafür einzusetzen, dass die Anwendung der Inter-
ationalen Bilanzierungsstandards bei mittelständi-
chen Unternehmen auch weiterhin auf freiwilliger
asis erfolgt.






(A) )



(B) )


Antje Tillmann

(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das ist auch richtig so!)


Ich frage Sie: Wieso können Sie diese Frage beantwor-
ten, bevor Sie überhaupt wissen, wie die internationalen
Bilanzierungsstandards für mittelständische Unterneh-
men aussehen?


(Uwe Barth [FDP]: Das sollen Sie ja beantworten!)


– Die Frage muss nicht von uns beantwortet werden. Wir
müssen den Entwurf der Standards sehen und können
dann entscheiden, ob diese Standards im mittelständi-
schen Bereich freiwillig anzuwenden sind oder ob sie so
passend für unsere Unternehmen sind, dass wir sie sogar
verpflichtend machen sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Das ist eine Forderung der Wirtschaftsminister der Länder!)


– Die Wirtschaftsminister der Länder beurteilen natür-
lich den jetzigen und nicht den künftigen IFRS. Den
können sie noch nicht kennen, weil er noch nicht vor-
liegt.

Unabhängig davon hat das Bundesministerium ein-
deutig klargestellt, dass es weder geplant ist, die IFRS
zur Besteuerungsgrundlage zu machen, noch geplant ist,
dass sie sich maßgeblich auf die steuerliche Gewinn-
ermittlung auswirken.

Der vierte Forderungspunkt verweist darauf, dass sich
die Bundesregierung in den Verhandlungen zum Kon-
vergenzfahrplan zur gegenseitigen Anerkennung von
IFRS und US-GAAP, den amerikanischen Bilanzie-
rungsstandards, für die Interessen der deutschen Wirt-
schaft stark machen soll.

Ganz offensichtlich haben Sie die Antworten auf Ihre
Fragen gar nicht gelesen. Dann hätten Sie nämlich er-
kennen können, dass die Bundesregierung das seit Mo-
naten, wenn nicht seit Jahren auch tut. Auch da gibt es
keinen Bedarf, zusätzlich von Ihnen aufgefordert zu
werden.

Abschließend zu Ihrer Forderung nach Mitwirkung an
einer langfristigen und sicheren Finanzierung des
IASB. Die Bundesregierung ist in den einschlägigen
europäischen Gremien vertreten, um eine angemessene
Lösung zur Sicherstellung der Finanzierung des IASB zu
finden. Wir vertreten die Auffassung, dass es sich hierbei
um ein privates Unternehmen handelt und deshalb die
freiwillige Finanzierung durch die Unternehmen die
oberste Option sein sollte.

Liebe Kollegen der FDP, da verwundert es schon sehr,
dass ausgerechnet Sie in dem Augenblick, in dem es fi-
nanzielle Schwierigkeiten gibt, sofort nach staatlicher
Finanzierung rufen. Eigentlich wäre es an Ihnen, gegen-
über den mittelständischen Unternehmen deutlich zu
machen, dass es im eigenen Interesse dieser Unterneh-
men liegt, dass der IASB auch mit deutscher Beteiligung
finanziert wird.

Das Erste, was Sie tun: Sie schreien nach staatlicher
Förderung. Das passt nicht so richtig in Ihr Konzept, da

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(C (D ie ja sonst von Subventionsabbau und staatlichem inanzabbau sprechen. Wir haben ausreichend Diskussionsstoff für die Deatten zum angekündigten Bilanzrechtsmodernisieungsgesetz. Ich glaube, dass die Antworten auf die Anragen seitens der Regierung eine gute Grundlage sind. ir werden die aufgeworfenen Fragen im nächsten Jahr iskutieren. Ich freue mich darauf. Ich würde mich reuen, wenn all das, was Ihnen geantwortet wurde, bei hnen auch ankäme. Diese Regierung braucht nicht zum Jagen getragen zu erden. Sie ist Motor dieser Initiative. Wir werden sie abei unterstützen. Den Beitrag der Kollegin Dr. Barbara Höll nehmen ir zu Protokoll.1)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607029600

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär
lfred Hartenbach.

A
Alfred Hartenbach (SPD):
Rede ID: ID1607029700


Verehrtes Präsidium! Liebe Kolleginnen und Kolle-
en! Es ist sicherlich ein sehr unerotisches Thema, das
ir heute Abend besprechen, aber es ist hoch interessant.
enn die internationalen Rechnungslegungsstan-
ards sind ein wichtiges Thema für die deutsche Wirt-
chaft. Die zunehmende Bedeutung der Standards dürfen
ir nicht unterschätzen. Ich bin in diesem Punkt mit den
amen und Herren Abgeordneten der FDP-Fraktion
anz einer Meinung, wie auch Sie, Frau Tillmann.

Sie haben allerdings – darauf hat Frau Tillmann
chon hingewiesen – die einzelnen Punkte Ihres Antra-
es auch schon zum Gegenstand einer Reihe von
chriftlichen Fragen gemacht. Den Antworten der Bun-
esregierung werden Sie entnommen haben, dass wir
em Thema die nötige Aufmerksamkeit widmen, und
war unabhängig von der deutschen EU-Ratspräsident-
chaft und dem G-8-Gipfel. Um genau zu sein: Wir tun
ies bereits seit den Verhandlungen zur IAS-Verordnung
IAS steht für: International Accounting Standards –
nd die begannen bekanntlich im Jahre 2002. Wie schön,
ass jetzt endlich auch die Wirtschaftspartei, die Kolle-
innen und Kollegen aus der FDP, auf den Geschmack
ekommen sind.

Wir haben Ihnen auch ein höchst persönliches Junior-
rainingsprogramm geboten. Ich stelle fest, verehrter
err Wolff, Sie waren ein gelehriger Schüler, sonst hät-

en Sie nämlich einen solch schönen Antrag nicht stellen
önnen. Leider ist der Antrag überflüssig, weil all das,
as Sie darin fordern, bereits gemacht wird.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Man merkt es bloß nicht!)


Anlage 4






(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Alfred Hartenbach
Es ist gerade so, als ob Sie Joachim Löw auffordern
würden, er solle endlich das Training für die deutsche
Fußballnationalmannschaft übernehmen. Aber das
macht er schon lange.

Genauso machen wir das auch. Die Standards spielen
eine wichtige Rolle für die Unternehmen aus Deutsch-
land und Europa, die an der New Yorker Börse gelistet
sind. Es ist zeitaufwendig und kostenintensiv, wenn sie
zusätzlich zu ihrem IFRS-Abschluss, also dem Interna-
tional-Financial-Reporting-Standards-Abschluss, noch
einen Abschluss nach amerikanischen Standards vorle-
gen müssen.


(Frank Schäffler [FDP]: Richtig!)


Auf europäischer Seite müssen wir deshalb entschlos-
sen auf eine baldige Anerkennung der IFRS einwirken.
Dafür hat sich Frau Bundesministerin Zypries auch per-
sönlich gegenüber Kommissar McCreevy eingesetzt.
Die EU-Kommission wird den Konvergenzprozess in
den nächsten zwei Jahren aktiv begleiten


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Sehr gut!)


und für gleiche Bedingungen für Emittenten innerhalb
und außerhalb der Gemeinschaft sorgen. Man muss uns
nicht, wie Frau Tillmann es schon gesagt hat, zum Rei-
ten zu scheuchen. Wir machen das.

Wir haben aber selbstverständlich auch die Belange
der nicht an den Kapitalmärkten notierten Unternehmen
im Blick. In der Arbeitsgruppe des IASB, des Internatio-
nal Accounting Standards Board, zum Thema „IFRS für
kleine und mittlere Unternehmen“ treten wir dafür ein,
für mittelständische Unternehmen echte Erleichterun-
gen und vor allem praktikable Regelungen zu schaffen.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Da arbeiten wir viel zu lange dran!)


– Wir arbeiten, wir schwätzen nicht!


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Viel zu lange!)


Was nützen die besten Standards, wenn sie in der Praxis
zu kompliziert sind und Unternehmen plötzlich ohne Ei-
genkapital dastehen? Allerdings ist noch offen, inwie-
weit das IASB dem nachkommen wird. Umso wichtiger
ist es, dass mittelständischen Unternehmen eine vollwer-
tige Alternative zu den IFRS zur Verfügung steht. Dieses
Ziel verfolgen wir in Deutschland mit der Erarbeitung
eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Sehr gut! Es dauert nur zu lange!)


Auch das ist Ihnen gesagt worden. Offensichtlich haben
Sie da aber nicht gut zugehört.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Doch!)


– Hören Sie mir doch jetzt wenigstens einmal zu. Sie
könnten noch etwas lernen.

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(C (D Auf EU-Ebene gibt es nach der letzten Erhöhung der chwellenwerte für kleine und mittlere Unternehmen berlegungen, weitere Erleichterungen im Zusammenang mit den Bilanzrichtlinien vorzunehmen. Dabei öchte ich betonen: Die Überlegungen gehen keinesegs dahin, dem Mittelstand die Anwendung von IFRS orzuschreiben. Daher sehe ich auch keinen Handlungsedarf für die deutsche Ratspräsidentschaft und erst echt nicht für die G-8-Präsidentschaft. (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Ich denke, Sie tun es! Das war ein Widerspruch!)


(Frank Schäffler [FDP]: Jawohl, Herr Lehrer!)


Dies gilt im Übrigen auch für die Frage nach der
ASB-Finanzierung. Der Ecofin-Rat hat sich im Juli ein-
ellig dafür ausgesprochen, das bisherige Finanzierungs-
ystem auf der Grundlage freiwilliger Beiträge zunächst
ortzusetzen.


(Beifall der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Da dürft ihr ruhig klatschen; das ist gut. – Herr Kley
at als deutsches Mitglied der IASC-Foundation bei den
nternehmen in Deutschland erfolgreich für die Sache
eworben, wofür ihm nochmals herzlich gedankt sei. Es
andelt sich also nicht um eine staatliche Intervention.

Erlauben Sie mir zum Schluss noch einen Hinweis,
iebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion.
hr Rundumschlag in Sachen Rechnungslegung – der
ar ja sehr spannend und sehr schön – in allen Ehren,
ie müssen sich aber am Ende entscheiden, was Sie wol-

en: international akzeptierte Standards oder hundert
rozent HGB. Beides passt jedenfalls nicht ganz zusam-
en.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Richtig!)


Wir können ja noch einmal ein ganz persönliches
olloquium veranstalten.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Machen wir!)


s war jedenfalls sehr nett mit Ihnen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607029800

Die Reden der Kollegen Jerzy Montag von den Grü-

en und Klaus Uwe Benneter von der SPD nehmen wir
u Protokoll.1)

Damit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/3341 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Anlage 4






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom
15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der
Transparenzanforderungen in Bezug auf
Informationen über Emittenten, deren Wert-
papiere zum Handel auf einem geregelten
Markt zugelassen sind, und zur Änderung der

(TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz – TUG)


– Drucksachen 16/2498, 16/2917 –

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)


– Drucksache 16/3644 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Georg Fahrenschon
Nina Hauer
Frank Schäffler

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion
der FDP vor.

Interfraktionell ist vereinbart, dass die Aussprache
eine halbe Stunde dauern soll. Gibt es Widerspruch? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-
nerin der Kollegin Nina Hauer von der SPD-Fraktion das
Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Nina Hauer (SPD):
Rede ID: ID1607029900

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Wir beraten heute abschließend über die Umsetzung der
EU-Transparenzrichtlinie in nationales Recht. Dabei
geht es um einen einheitlichen europäischen Standard,
der für mehr Transparenz in börsennotierten Unter-
nehmen sorgen soll.

Es gibt ja derzeit eine öffentliche Debatte nicht nur in
der Politik, sondern auch in den Medien darüber, welche
Rolle Private-Equity-Unternehmen am Finanzmarkt und
in unserer Unternehmenslandschaft spielen. Am beach-
tenswertesten bei diesen ist, dass sich ihre Geschäfte
zum größten Teil im Verborgenen abspielen.

Unser Interesse ist aber eigentlich, dass der Finanz-
markt in Deutschland transparenter und offener wird;
denn die Anleger müssen darauf vertrauen können, dass
die Bilanz des Unternehmens, in das sie investieren wol-
len, richtig ist, dass die kursrelevanten Informationen,
die notwendig sind, um Entscheidungen zu treffen, re-
gelmäßig und rechtzeitig erfolgen und dass es Informa-
tionen darüber gibt, wem das Unternehmen gehört und
wie sich die Eigentumsverhältnisse verändern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Deswegen haben wir bei der nationalen Umsetzung arauf geachtet, die Meldeschwelle, ab der eine Veränerung von Unternehmensanteilen, zum Beispiel daurch, dass sich ein Anteilseigner einkauft, bekannt geacht werden muss, von 5 auf 3 Prozent abzusenken. ie FDP spricht sich in ihrem Antrag vehement dagegen us. Lieber Kollege Schäffler, ich kann das verstehen; er Kampf gegen den Abstieg auf 5 Prozent und dann uf 3 Prozent mag eine FDP-Eigenschaft sein. ür Ihre Partei kann ich das akzeptieren, (Frank Schäffler [FDP]: Das glaube ich, dass Sie das können!)


(Lachen bei der FDP)


ür den Finanzmarkt aber nicht. Denn die großen Finanz-
ärkte, mit denen wir uns vergleichen sollten, haben

chon längst niedrigere Meldeschwellen. Großbritannien
at 3 Prozent, Italien 2 Prozent. Sie sprechen in Ihrem
ntrag davon, dass die meisten Länder eine höhere Mel-
eschwelle hätten. Ich sage Ihnen bei allem Respekt vor
iesen Ländern – Slowakei, Zypern, Estland –: Das sind
eine Vorbilder und nicht die Konkurrenten, mit denen
nser Finanzmarkt sich messen muss.

Deswegen sollten wir uns so orientieren, dass wir un-
eren Anlegern mehr Transparenz bieten können. Da-
urch soll auch öffentlich deutlich werden, wem Unter-
ehmen gehören. Wir wollen mit dieser Meldeschwelle
a auch verhindern, dass sich jemand anschleicht. Wir
aben die Veränderungen im Fall der Deutschen Börse
lle öffentlich nachvollziehen können. Es muss für ein
nternehmen gar nichts Schlechtes sein, wenn jemand

eine Anteile langsam aufstockt. Aber bei der schlechten
räsenz auf unseren deutschen Hauptversammlungen
ann es schon Auswirkungen haben, wenn jemand sei-
en Anteil von 2 auf 3 Prozent erhöht. Dadurch können
nter Umständen wesentliche Unternehmensentschei-
ungen beeinflusst werden. Das ist der Grund, warum
ir wollen, dass dieser Vorgang, der an sich in Ordnung

st, transparenter erkennbar wird.

Was bei der Diskussion um die Umsetzung der EU-
ichtlinie immer eine Rolle spielt, ist die Frage, ob das

ins zu eins geschehen ist oder nicht. Wir bekennen uns
u der Partei, der wir angehören; manche bekennen sich
u dem Fußballverein, dem sie angehören. Aber muss
an denn aus der Frage einer Eins-zu-eins-Umsetzung

ine Religionsfrage machen? Wir haben die Richtlinie
eins zu eins plus“ umgesetzt. Wir haben natürlich die
ahlrechte, die uns die Europäische Union einräumt,

enutzt, um damit auf unsere spezielle Situation einge-
en zu können. Ich meine, das ist uns auch gelungen.

Wir haben bei den Halbjahresberichten, die zwi-
chen den Jahresabschlüssen liegen, darauf geachtet,
ass die Prüfungen der Prüfstelle materiell und nicht for-
ell sind. Von einer formellen Prüfung hat kein Anleger

twas; er hat nur etwas von einer materiellen Prüfung.
ir wollen, dass sich unsere Anleger auf die Prüfung

erlassen können.

Wir haben aber umgekehrt auch gesagt, wir brauchen
icht noch mehr Bürokratie und keine unnötige Belas-
ung für die Unternehmen. Das ist auch der Grund,






(A) )



(B) )


Nina Hauer
warum wir auf die Durchsicht durch Wirtschaftsprüfer
verzichtet haben. Das war nicht nur der Vorschlag eini-
ger Marktteilnehmer, sondern es war unser politischer
Wille, dass an dieser Stelle keine unnötige Bürokratie
geschaffen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die Prüfung von Halbjahresberichten erfolgt dann,
wenn es einen Anlass dazu gibt, nicht stichprobenartig.
Auch das haben wir nach langem Abwägen beschlossen,
damit es weniger Bürokratie gibt, aber ein deutliches Si-
gnal an die Investoren erfolgt, dass ein Unternehmen,
wenn es Unregelmäßigkeiten oder anderen Anlass zur
Prüfung gibt, ordentlich geprüft wird.

Außerdem haben wir dafür gesorgt, dass, wie es in
der Richtlinie vorgesehen ist, die Zeitrahmen, die wir ge-
ben, so nah am realen Marktgeschehen sind, dass die
Unternehmen sie auch einhalten können. Wenn Zwi-
schenmitteilungen abgegeben werden müssen, dann ist
es weniger gut, diese in einem starren Zeitrahmen einzu-
fordern; vernünftiger ist es, da für Flexibilität zu sorgen,
wie das auch andere große Finanzmärkte machen. Ich
habe gerade schon Großbritannien erwähnt. Wir haben
uns daran ein Beispiel genommen. Ich finde, das steht
dem deutschen Finanzmarkt gut an.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir legen eine Entschließung vor, an der sich alle
Fraktionen des Parlaments beteiligen. Denn wir wollen,
dass die Umstellung, wonach Meldungen nicht mehr in
deutschen Tageszeitungen, in den Börsenpflichtblättern,
erscheinen sollen, sondern auf Internetplattformen
– diese sollen nach diesem Gesetz europaweit zugäng-
lich sein und in denen sollen europaweit Informationen
gesammelt werden –, einer Prüfphase unterzogen wird.
Es wird eine Frist von anderthalb Jahren geben. Wir for-
dern von unserer Regierung einen Bericht darüber, wie
diese Umstellung funktioniert hat.


(Frank Schäffler [FDP]: Das ist das einzig Positive!)


Wir wollen unsere Investoren und Anleger nicht ver-
wirren. Jemand, der gerne in der Zeitung nachliest, wie
sich die Situation des Unternehmens, in das er investiert,
verändert hat, soll die Chance haben, das auch weiterhin
auf diese Weise zu tun. Wir müssen aber nachprüfen, ob
die Anleger diese Möglichkeit in Anspruch nehmen.
Deswegen legen wir diese Entschließung vor und for-
dern die Bundesregierung zu einem Bericht auf. Ich
denke, das ist dem Regelungsanlass angemessen. Ich
freue mich, dass die Abstimmung darüber einvernehm-
lich erfolgt ist.

Ich denke, dass wir im Rahmen der nationalen Umset-
zung dieser Richtlinie ein Gesetz beschließen, das dazu
beitragen wird, dass wir europaweit Standards haben
werden, die für mehr Transparenz und die für Groß-
investoren, aber auch für Kleinanleger für mehr Infor-
mationen über Unternehmen, in die sie investieren, sor-
gen werden. Das stärkt den Finanzplatz Deutschland.

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(C (D eswegen können wir mit dieser Umsetzung sehr zufrieen sein. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt der Kollege Frank Schäffler von er FDP-Fraktion. Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle en! Die FDP-Fraktion lehnt den vorliegenden Gesetzntwurf ab. Wir erkennen aber an, dass der Gesetzenturf im Ausschuss noch verbessert wurde und einige on der Bundesregierung geplante bürokratische Belasungen, die bereits zu erheblicher Unruhe in der Wirtchaft geführt hatten, zurückgenommen wurden. Wir ehnen den Gesetzentwurf, wie gesagt, ab, weil er denoch über die Eins-zu-eins-Umsetzung einer europäichen Richtlinie hinausgeht. Dazu komme ich gleich. Neben den von der Richtlinie vorgegebenen acht Meleschwellen führen Sie seitens der Koalition eine zusätziche Meldeschwelle bei 3 Prozent ein, wie Sie das im brigen auch beim REITs-Entwurf tun. Sie hatten in Ih em Koalitionsvertrag – an dieser Stelle wird man daran rinnern dürfen – zum Stichwort „Integration des euroäischen Finanzbinnenmarktes“ ausgeführt, dass Sie ichtlinien nur noch eins zu eins umsetzen wollen. Hier alten Sie sich nicht daran. Die Union ist der Heuchreckenrhetorik der SPD wieder einmal auf den Leim egangen. Es ist bemerkenswert, dass Sie das Beispiel er Deutschen Börse, des Hortes des Kapitalismus in eutschland, heranziehen, um diese zusätzliche Melde chwelle einzuführen. Hinter dieser Geschichte steckt am Ende ein relativ inseitiges Verständnis des Kapitalmarktes. Sie sprechen on „Anschleichen“. Dabei geht es darum, dass ein Inestor, der in ein Unternehmen investieren will, sich am nde als Eigentümer an diesem Unternehmen beteiligen ill. Wenn ein Vorstand einer Aktiengesellschaft dies icht will, kann er seine Aktionäre davon überzeugen, in Delisting zu beschließen oder die Aktien in Namensktien umzuwandeln. Das Unternehmen kann auch von ornherein ausschließen, an die Börse zu gehen. Die örse ist keine Einbahnstraße. Sie vergessen, dass das Unternehmen nicht den Vortänden, sondern den Aktionären gehört. as mussten sehr schmerzhaft die Deutsche Börse und ie Herren Seifert und Breuer erfahren. Die zusätzliche Meldeschwelle führt – das hat die Anörung im Ausschuss belegt – ganz klar zu einem Wettewerbsnachteil für den Finanzplatz Deutschland. Wenn Frank Schäffler Sie argumentieren, dass in Großbritannien ebenfalls die 3-Prozent-Schwelle gilt, dann sage ich Ihnen, dass uns ein kleiner Wettbewerbsvorteil ganz gut anstünde und sehr gut für den deutschen Finanzplatz wäre. Ganz konkret wurde in der Anhörung angeführt, dass die Aktionäre diese Meldungen nicht automatisch vornehmen können, sondern jede Meldung manuell ausgeführt werden muss. Dies konterkariert das ansonsten von Ihnen zumindest rhetorisch vertretene Ziel des Bürokratieabbaus. Gerade kleinen börsennotierten Unternehmen, also mittelständischen Unternehmen, werden Sie mit der 3-prozentigen Meldeschwelle schaden, da sich dann Investmentfonds und Investoren sehr genau überlegen werden, ob sie ein meldepflichtiges Engagement wählen oder nicht. Im Ausschuss hat die SPD dies „eins zu eins plus“ genannt; auch Sie, Frau Kollegin Hauer, haben es gerade erwähnt. Für die Union sprach der Kollege Fahrenschon von „eins plus eins gleich drei“. Diese neue Art der Arithmetik ist sehr bemerkenswert. Das kennen wir von der schwarz-roten Koalition schon genügend; denn eine ähnliche Argumentation wurde bei der Mehrwertsteuererhöhung gewählt. Da hieß es: Zwei plus null gleich drei. Das ist eine Analogie, die zu erwähnen sich zu dieser späten Stunde lohnt. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt der Kollege Georg Fahrenschon von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607030000

(Beifall bei der FDP)

Frank Schäffler (FDP):
Rede ID: ID1607030100

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo denn?)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607030200


Georg Fahrenschon (CSU):
Rede ID: ID1607030300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Lieber Herr Schäffler, Sie haben ja eine ordentliche
Ausbildung zum Diplom-Betriebswirt gemacht. Gegebe-
nenfalls haben sich da der Besuch von Vorlesungen und
der Erwerb von Scheinen in der Volkswirtschaftslehre
nicht ergeben. Ich will allerdings darauf hinweisen, dass
die Studenten der Volkswirtschaftslehre im ersten Se-
mester lernen und verinnerlichen, dass Märkte dann am
wirkungsvollsten sind, wenn alle Marktteilnehmer zeit-
nah und gleichmäßig über dieselben Informationen ver-
fügen. Denn erst dann erfüllen der Markt und der damit
gefundene Preis ihre Lenkungsfunktion optimal. Das
heißt, Transparenz ist an dieser Stelle, wenn Sie so wol-
len, das Blut im Kreislauf der Markteffizienz; denn da-
rauf kommt es an.

Lieber Herr Kollege, dass die FDP jetzt auf einmal
Gefallen an intransparenten Vorgängen findet,


(Frank Schäffler [FDP]: An einer Eins-zueins-Umsetzung!)


können Sie der interessierten Öffentlichkeit an keiner
Stelle nachvollziehbar erklären. Dass Sie die politische
Entscheidung, statt bei der 5-Prozent-Schwelle zu blei-

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(C (D en, eine Schwelle von 3 Prozent festzulegen, quasi ochstilisieren, um einen Grund zu finden, sich aus der erantwortung für den deutschen Finanzmarkt herauszutehlen, wirft ein schlechtes Zeichen auf die zukünftigen rbeiten zur Verwirklichung des europäischen Finanzarktes. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aus gutem Grunde sind in der europäischen Transpa-
enzrichtlinie in Bezug auf die Informationen über Emit-
enten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem gere-
elten Markt zugelassen sind, eine ganze Reihe von
flichten vorgesehen: Pflichten zur Finanzberichterstat-

ung, Pflichten zur Mitteilung und Veröffentlichung von
eränderungen des Stimmrechtsanteils, Pflichten zur
ieferung von notwendigen Informationen für die Wahr-
ehmung von Rechten aus Wertpapieren und Pflichten
ur Veröffentlichung und Speicherung wichtiger Kapi-
almarktinformationen. Man muss hinzufügen: Das sind
flichten, die man nicht nur in Deutschland erbringen
uss, sondern die auch von allen auf den Wertpapier-
ärkten handelnden Akteuren auf dem gesamten euro-

äischen Binnenmarkt abzuarbeiten sind. Das sind gute
flichten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Pflichten leisten im volkswirtschaftlichen
inne einen wichtigen Beitrag dazu, die Wirksamkeit,
ie Offenheit, die Integrität und die Transparenz der eu-
opäischen Kapitalmärkte zu stärken. Denn ein echter
innenmarkt für Finanzdienstleistungen setzt voraus,
ass alle Anleger – ob nun die kleinen oder die großen –
roblemlos und voller Vertrauen über Grenzen hinweg
nvestieren können.

An dieser Stelle muss man sagen: Die Argumentation,
ie 5-Prozent-Schwelle sei im Vergleich zur 3-Prozent-
chwelle in Großbritannien ein Marktvorteil, nimmt Ih-
en keiner ab. Denn wenn es einen Markt gibt, bei dem
eltweit anerkannt ist, dass die Kräfte des Marktes, des
ngebots und der Nachfrage, optimal wirken können,
ann ist dies in London. Dass wir schlechtere Bedingun-
en als in London schaffen wollen, nimmt uns kein in-
ernationaler Anleger ab. Wir müssen es mindestens
leich gut machen wie Großbritannien.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die CDU/CSU ist mit zwei Zielen an die nationale
msetzung gegangen. Wir haben uns einerseits vorge-
ommen, dass deutsche Unternehmer durch die natio-
ale Umsetzung nicht stärker in die Pflicht genommen
erden, als nach der Richtlinie notwendig ist. Gleichzei-

ig war es allerdings auch von Anfang an unser Interesse,
ass der Anlegerschutz und die Transparenz durch die
ationale Umsetzung erhöht werden. Dass wir uns da-
über hinaus bereits im Koalitionsvertrag mit unserem
oalitionspartner darauf geeinigt haben, eine weitere
egelung einzuführen, um Übernahmen durch Hedge-

onds oder andere Investoren frühzeitig aufzeigen zu






(A) )



(B) )


Georg Fahrenschon
können, ist unser gutes Recht. Dieses Gesetz zeigt den
politischen Willen und abermals die Handlungsstärke
der großen Koalition in Fragen des Finanzmarkts und
der Regulierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


In den Berichterstattergesprächen konnten in diesem
Sinne wesentliche Änderungen auch gegenüber dem Ka-
binettsbeschluss erreicht werden. Wichtige Anregungen
aus der Anhörung und Vorschläge des Bundesrats wur-
den aufgegriffen. Damit haben wir einen guten Beitrag
zur Eins-zu-eins-Umsetzung geleistet. Ich will mich an
der Stelle bei allen Berichterstatterkollegen und auch bei
der Arbeitsebene des Bundesfinanzministeriums ganz
herzlich für die sachliche, kollegiale und an der Sache
orientierte Arbeit bedanken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, ich will in aller Kürze auf
die fünf wichtigsten Änderungen eingehen, weil sie zei-
gen, mit welcher Intensität wir uns mit der Umsetzung
auseinander gesetzt haben, und weil sie begründen, wa-
rum wir mit gutem Gewissen der nationalen Umsetzung
zustimmen können.

Erstens. Im ursprünglichen Gesetzentwurf sollten
Halbjahresberichte sowohl bei Vorliegen eines konkre-
ten Verdachts auf Rechnungslegungsverstöße als auch
stichprobenhaft in gleicher Frequenz wie die Jahresab-
schlüsse einer Prüfung durch die BaFin oder die Deut-
sche Prüfstelle für Rechnungslegung unterzogen wer-
den. Wir konnten gemeinsam durchsetzen, dass das
materielle Enforcement, bei dem wir aus gutem Grund
geblieben sind, nun allerdings bei den Halbjahresberich-
ten nur dann angewandt wird, wenn ein konkreter Anlass
vorliegt. Eine stichprobenhafte Überprüfung ist in
Deutschland nicht zulässig.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das hat Vorteile für alle Beteiligten, weil wir frühzeitig
Rechtsklarheit für den Jahresabschluss herstellen und
weil wir die Unternehmen in die Lage versetzen, in
Streitfällen frühzeitig das Enforcement anzurufen und
die Fragen klären zu lassen.

Zweitens. Die Kollegin Hauer ist auf die Veränderun-
gen bezüglich der prüferischen Durchsicht schon einge-
gangen. In Zukunft liegt in Deutschland die Beantwor-
tung der Frage, ob die Abschlüsse von einem
Wirtschaftsprüfer durchgeschaut werden sollen, in der
Hand und im Ermessen des Emittenten. Da ist sie auch
gut aufgehoben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Drittens. Bezogen auf den Bilanzeid sah die ur-
sprüngliche Regelung vor, dass unrichtige Versicherun-
gen der gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft
im Rahmen des Bilanzeids zum Jahresabschluss als
Straftatbestand erfasst werden. Dies hätte auch bei

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(C (D ichtabgabe einer entsprechenden Versicherung gegolen. Wir sind, glaube ich, mit Augenmaß an die Fragetellung herangegangen und haben durch die Änderunen herbeigeführt, dass es bei Nichtabgabe eines ilanzeids nun nicht mehr zu strafrechtlichen Sanktioen kommt. Wir haben das rechtssystematisch richtig ingeordnet: Die Nichtabgabe des Bilanzeids wird nun ls Ordnungswidrigkeit betrachtet. Daneben übernehen wir das allgemein geltende Grundverständnis über eldungen „nach bestem Wissen“ in den Wortlaut des esetzes. An einer weiteren Stelle ist es uns gelungen, die Paallelität zum EHUG und zum Transparenzrichtliniemsetzungsgesetz herauszuarbeiten. Wir haben nämlich m Bericht des Finanzausschusses klargestellt, dass hinichtlich der Bußgeldvorschrift des § 104 a des Handelsesetzbuchs die Einführung eines elektronischen Hanelsregisters zwar weiter vorangebracht wird, dass der nwendungsbereich dieser Vorschrift aber lediglich auf apitalmarktunternehmen beschränkt ist. Das heißt, der eutsche Mittelstand und die Personengesellschaft weren nicht unter das Dach des elektronischen Handelsreisters und auch nicht unter die Bußgeldvorschrift gezoen. Viertens. Wir haben erreicht, dass die Zwischenmiteilung der Geschäftsführung in Zukunft flexibel in eiem Zeitraum zwischen zehn Wochen nach Beginn und echs Wochen vor Ende des betroffenen Sechsmonatseitraums erstellt wird. Fünftens, last but not least, haben wir bei den Veröfentlichungspflichten die Chance ergriffen, mit einem wischenbericht der Bundesregierung zur Mitte des ahres 2008 noch einmal innezuhalten, um abwägen zu önnen, inwieweit die Veröffentlichung von Meldungen ber Internet tatsächlich praktikabel ist und ob wir 2009 ie Möglichkeit nutzen wollen, alle Meldungen, auch die d-hoc-Meldungen und die so genannten Final-Termeldungen, im Internet zu veröffentlichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dem orliegenden Entwurf eines Transparenzrichtlinie-Umetzungsgesetzes eine gute nationale Umsetzung abgechlossen haben. Zum Schluss meiner Rede will ich och einmal auf die Grundzüge der Volkswirtschaftsehre zu sprechen kommen, lieber Kollege Schäffler. ransparenz ist aus mikroökologischer Sicht von elemenrer Bedeutung für das Funktionieren eines Marktes und einer Effizienz. Makroökonomisch darf man jedoch die osten der Transparenz nicht außer Acht lassen. Also uss auch hier die Regel gelten, dass die Kosten immer n einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen für die nlieger stehen müssen. Beim TUG ist diese Balance elungen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Die Reden der Kollegen Dr. Axel Troost von den Linken und Dr. Gerhard Schick von Bündnis 90/Die Grünen nehmen wir zu Protokoll.1)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)





(A) )


(B) )

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607030400

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurf eines Transparenz-
richtlinie-Umsetzungsgesetzes, Drucksachen 16/2498 und
16/2917. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Nr. 1 sei-
ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/3644, den
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
in zweiter Beratung angenommen mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und des Bündnisses 90/Die Grünen
bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der Linken.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-
stimmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit gleichem
Stimmenverhältnis angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktion der FDP auf Druck-
sache 16/3675. Wer stimmt für diesen Entschließungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen
aller Fraktionen bei Zustimmung der FDP-Fraktion.

Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 16/3644 empfiehlt der Finanzausschuss, eine Ent-
schließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die
Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
aller Fraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Jan
Korte, Petra Pau, Kersten Naumann, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der LINKEN

Entschädigung für Opfer nationalsozialisti-
scher Verfolgung

– Drucksache 16/3536 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss

Die Reden der Kollegen Günter Baumann und
Manfred Kolbe, CDU/CSU, Maik Reichel, SPD,
Dr. Max Stadler, FDP, Jan Korte, Die Linke, und Volker
Beck, Bündnis 90/Die Grünen, werden zu Protokoll
genommen.2)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 16/3536 an die in der Tagesordnung aufge-

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1) Anlage 5
2) Anlage 6 3)

(C (D ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einerstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des Bundes – zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Katrin Göring-Eckardt, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Recht statt Pflicht – Einschränkungen behinderter Menschen bei der Teilhabe am öffentlichen Leben entgegenwirken – zu dem Antrag der Abgeordneten Jörg Rohde, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am öffentlichen Leben konsequent sichern – Drucksachen 16/1100, 16/1476 Nr. 1.3, 16/949, 16/853, 16/2840 – Berichterstattung: Abgeordnete Katja Kipping Die Reden der Kollegen Hubert Hüppe, CDU/CSU, arin Evers-Meyer von der SPD, Jörg Rohde, FDP, r. Ilja Seifert, Die Linke, Markus Kurth, Bündnis 90/ ie Grünen, und Franz Thönnes für die Bundesregie ung werden zu Protokoll genommen.3)


(11. Ausschuss)


Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
ehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf
rucksache 16/2840. Unter Buchstabe a seiner Beschluss-

mpfehlung empfiehlt der Ausschuss, in Kenntnis des
erichts der Bundesregierung über die Beschäftigung

chwerbehinderter Menschen im öffentlichen Dienst des
undes auf Drucksache 16/1100 eine Entschließung an-
unehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –
egenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-

ehlung ist angenommen mit den Stimmen der Koalitions-
raktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen.

Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
ung des Antrags der Fraktion des Bündnisses 90/Die
rünen auf Drucksache 16/949 mit dem Titel „Recht statt
flicht – Einschränkungen behinderter Menschen bei der
eilhabe am öffentlichen Leben entgegenwirken“. Wer
timmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-
en? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist

ngenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
egen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und den
inken bei Enthaltung der FDP-Fraktion.

Anlage 7






(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 16/2840
die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf
Drucksache 16/853 mit dem Titel „Teilhabe von
Menschen mit Behinderungen am öffentlichen Leben
konsequent sichern“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die
Beschlussempfehlung ist angenommen mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von FDP
und den Linken bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grü-
nen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Josef
Philip Winkler, Volker Beck (Köln), Monika La-
zar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Für eine wirksame Bleiberechtsregelung für
langjährig in Deutschland geduldete Personen
– Drucksache 16/3340 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei Bünd-
nis 90/Die Grünen fünf Minuten erhalten soll. Gibt es
Widerspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Josef Philip Winkler vom
Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die
Innenministerkonferenz ist mit ihrem Beschluss zum
Bleiberecht für langjährig geduldete Flüchtlinge nicht
nur weit hinter den Erwartungen der Kirchen und Flücht-
lingsorganisationen zurückgeblieben. Sie ist auch – das
muss man einmal festhalten – der großen Koalition in
Gänze in den Rücken gefallen. Denn wir haben hier erst
vor 14 Tagen ganz andere Töne gehört.

Allerdings muss man sagen: Das Gerangel zwischen
den Koalitionsfraktionen – Herr Kollege Körper, da Sie
anwesend sind, beschimpfe ich Sie gleich persönlich –
erinnerte an die beiden alten Herren, die in der Muppet
Show auf dem Balkon sitzen. Herr Körper und Herr Bos-
bach haben sich beschimpft und gesagt: Es stimmt ja gar
nicht, dass die Eckpunkte so sind, wie du sagst, dass wir
sie beschlossen hätten. Ich muss ehrlich sagen: Das war
kein Beispiel für gute Regierungsarbeit in dieser Koali-
tion.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine Verlängerung der Duldung, wie von der Innen-
ministerkonferenz jetzt beschlossen, reicht uns und den
Menschen nicht. Dieser Aufenthaltstatus, der unsicher
ist, schreckt Arbeitgeber ab. Schließlich gilt die so ge-

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(C (D annte Residenzpflicht. Der Aufenthalt ist auf den Landreis oder den Bezirk der Ausländerbehörde beschränkt. Außerdem haben wir in unserer Republik völlig nterschiedliche Auslegungen. In einer Millionenstadt ie Köln haben 100 Prozent der geduldeten Ausländer eine Arbeitserlaubnis bekommen; das konnte ich heute n der Zeitung lesen. In einer so großen Stadt wie Münhen haben 90 Prozent der Geduldeten eine Arbeitsrlaubnis bekommen. Bitte? Sie sind nicht laut genug, Frau Kollegin Philipp. (Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Jeder! Nicht 90 Prozent!)


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Jeder eine!)


Nein, es ist so. 90 Prozent haben eine Arbeitserlaubnis,
0 Prozent davon kommen deshalb völlig ohne Sozial-
eistungen aus und immerhin 30 Prozent mit nur teil-
eise Sozialleistungen. Warum in Köln 100 Prozent
eine Arbeitserlaubnis bekommen, ist völlig unverständ-
ich und zeigt, dass der Beschluss der Innenministerkon-
erenz hier zu kurz greift.

Es ist so, dass sich das, was bisher umgesetzt wurde
in Bayern gibt es beispielsweise schon einen Landes-

rlass –, von Bundesland zu Bundesland ganz extrem
nterscheidet. In Bayern reicht es schon, wenn die Kin-
er eine negative Schulabschlussprognose haben, um
us der Bleiberechtsregelung zu fallen. In Hamburg hin-
egen müssen sie nur nachweisen, dass sie die Schule
esuchen. In dem einen Fall bekommen sie eine Aufent-
altserlaubnis und in dem anderen nicht. Dies alles ge-
chieht unter dem gleichen Beschluss der Innenminister-
onferenz. Dies ließe sich jetzt noch mit 20 oder
0 Beispielen fortsetzen. Dafür reicht meine Redezeit
icht.

Um dieses Kuddelmuddel zu überwinden, fordern wir
ie große Koalition erneut auf, eine bundesgesetzliche
egelung zu treffen, um einheitlich vorgehen zu können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine Verknüpfung der Bleiberechtsregelung mit einer
erschärfung des Aufenthalts- bzw. Asylbewerberleis-
ngsgesetzes lehnen wir ab. Denn die Leistungen, die die
sylbewerber bzw. die Geduldeten bekommen, sind

chon um ein Drittel geringer als der Sozialhilfesatz. Man
uss sich auf der Zunge zergehen lassen, dass diese
egelung, wie beschlossen wurde, um ein Jahr verlängert
erden soll. Das finden wir inhuman und unsozial.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine wirksame gesetzliche Bleiberechtsregelung für
ie von diesem Beschluss der Innenministerkonferenz
icht betroffenen Geduldeten sollte nach unserer Mei-
ung zumindest folgende Kriterien erfüllen: Die
egünstigten sollten keine Verlängerung des rechtswid-

igen Status der Duldung, sondern sofort eine Aufent-
altserlaubnis bekommen. Das Bleiberecht darf nicht da-
on abhängig gemacht werden, ob bereits eine
rbeitsmöglichkeit besteht; das Kölner Beispiel, dass
ie Ausländerbehörden zum Teil keine erteilen, habe ich
ngeführt. Es dürfen keine überzogenen Anforderungen






(A) )



(B) )


Josef Philip Winkler
an die Erfüllung der Mitwirkungspflichten gestellt wer-
den. Der Nachweis von Deutschkenntnissen darf nicht
zur Voraussetzung gemacht werden.


(Beatrix Philipp [CDU/CSU]: Warum?)


– Es ist wichtig, dass sie Deutsch lernen. Aber man darf
Deutschkenntnisse nicht zur Voraussetzung für das Blei-
berecht machen. Denn die Betroffenen hatten überhaupt
keinen Anspruch darauf, Deutschkurse zu besuchen,
weil sie gar nicht integriert werden sollten. Schließlich
ist ihr Aufenthalt nicht rechtmäßig. Man muss zumindest
eine Übergangsfrist einführen und den Betroffenen sa-
gen, dass sie ein Jahr, nachdem sie ihre Aufenthalts-
erlaubnis bekommen haben, Deutschkenntnisse erwor-
ben haben müssen. Mit einer solchen Regelung wäre ich
durchaus einverstanden. Aber man darf Deutschkennt-
nisse nicht zur Voraussetzung erklären. Das lehnen wir
ab.

Außerdem muss klar sein – das ist der wichtigste und
letzte Punkt –, dass diejenigen, die potenziell unter eine
gesetzliche Bleiberechtsregelung fallen – Sie haben ja
angekündigt, eine solche Regelung in Angriff nehmen
zu wollen –, nicht mehr abgeschoben werden. Aus NRW
zum Beispiel hören wir, dass Familien nach Afghanistan
oder in den Irak abgeschoben werden sollen. Auch aus
Hamburg gibt es solche Meldungen. Ich muss sagen:
Das lehnen wir mit aller Vehemenz ab. Niemand, der
unter diese Regelung fallen könnte, darf in Nacht-und-
Nebel-Aktionen kurz vor ihrem In-Kraft-Treten abgescho-
ben werden. Dafür werden wir uns weiterhin einsetzen.

Herzlichen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607030500

Das Wort hat der Kollege Reinhard Grindel von der

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Reinhard Grindel (CDU):
Rede ID: ID1607030600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Kollege Josef Winkler hat an die beiden Alten in der
Muppet Show, an Waldorf und Statler, erinnert.


(Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Ja, an Waldorf!)


Sie haben sich nicht gegenseitig beschimpft, sondern sie
haben diejenigen beschimpft, die unten aufgetreten sind.
Die Art und Weise, wie Sie Ihren Antrag vorgestellt
haben, hat mich eher an Miss Piggy erinnert: So, wie sie
schönzureden versucht, dass ihre Frisur toll ist, so haben
auch Sie Ihren Antrag schönzureden versucht.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn schon, dann Kermit!)


– Vergleiche sind eine schwierige Angelegenheit.

Bei aller Scherzhaftigkeit und allen Nachtgedanken,
die man um diese Uhrzeit haben kann, muss ich sagen:
Dieses Thema ist zu ernst. Sie haben den Beschluss der

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(C (D nnenministerkonferenz nicht richtig dargestellt. Wichtig st, dass im Interesse der betroffenen Menschen schnell ür Rechtssicherheit gesorgt wurde. Viele von ihnen haben ich schon bei den Ausländerbehörden darum bemüht, in ie Bleiberechtsregelung einbezogen zu werden. Da Sie die Kölner Ausländerbehörde angesprochen haen und ich sehe, dass der Kollege Uhl anwesend ist, öchte ich darauf hinweisen, dass wir die Qualität der Ar eit der Kölner Ausländerbehörde im Rahmen der Berangen des Visa-Untersuchungsausschusses zu schätzen elernt haben. Ich kann nur feststellen: Das, was Sie gesagt haben, at mit der Beschlusslage der Innenministerkonferenz irklich nichts zu tun. Natürlich müssen die Ausländerehörden jetzt das umsetzen, was die Innenminister eschlossen haben; so ist es gedacht. Man soll dann ein ufenthaltsrecht bekommen, wenn man eine Arbeit hat der – auch das haben Sie etwas verkürzt dargestellt – enn man ein konkretes Arbeitsangebot nachweisen ann. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dauert aber!)


ann fällt man aus der Nachrangigkeitsprüfung heraus.


(Zuruf des Abg. Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP])


Herr Kollege Wolff, die Bleiberechtsregelung wurde
on Innenministern der CDU/CSU, der SPD und, wenn
ch das sagen darf, der FDP erarbeitet; ich meine den
guten Wolf“, den Innenminister von Nordrhein-Westfalen.
ie müssen sich also entscheiden, ob Sie nur die große
oalition oder auch den Innenminister von Nordrhein-
estfalen beschimpfen wollen; denn auch er war daran

eteiligt. Wenn man Zurufe macht, sollte man etwas vor-
ichtiger sein.


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Fragen Sie doch einmal Herrn Müntefering! – Gegenruf des Abg. Dr. Carl-Christian Dressel [SPD]: Der ist aber nicht Innenminister!)


Herrn Müntefering fragen wir jeden Tag


(Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Sehr gut! Wenigstens ihn!)


nd wir bekommen jeden Tag gute Antworten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Aber jetzt ernsthaft: Es macht schon Sinn, wenn wir
in Bleiberecht an eine Beschäftigung koppeln. Unser
rundsatz bleibt natürlich – da stimmen wir mit der gro-
en Mehrheit unserer Bevölkerung überein –: Wir wol-
en keine Zuwanderung in die Sozialsysteme, wir wol-
en, wenn überhaupt, eine Zuwanderung in den
rbeitsmarkt. Das hat nicht nur finanzielle, sondern

uch integrationspolitische Gründe: Wir wissen doch
anz genau, dass derjenige, der von Sozialleistungen
ebt, oftmals auch in einer Parallelgesellschaft lebt, kein
eutsch spricht, keinen Kontakt hat zu Kollegen. Wir
ollen damit auch erreichen, dass diejenigen, die auf
auer bei uns leben, auch signalisieren, dass sie wirklich






(A) )



(B) )


Reinhard Grindel
angekommen sind in unserem Land und bereit sind, sich
hier wirtschaftlich, aber auch sprachlich, gesellschaftlich
und kulturell zu integrieren. Deswegen ist es keine sach-
fremde Verknüpfung, wenn man sagt: Es gibt ein Bleibe-
recht für diejenigen, die Arbeit haben oder ein Ar-
beitsangebot nachweisen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Kollege Winkler, Sie haben das Asylbewerberleis-
tungsgesetz angesprochen. Es macht doch nun wirklich
keinen Sinn, Asylbewerbern oder Geduldeten den An-
reiz, eine Arbeit aufzunehmen, dadurch stark zu be-
grenzen, dass man ihnen nach drei Jahren höhere Sozial-
leistungen in Aussicht stellt.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist, wenn sie keine Arbeitserlaubnis haben?)


Es muss doch genau andersherum sein: Es muss sich
lohnen, eine Arbeit aufzunehmen. Weil die Innenminis-
ter hier nicht hartherzig vorgegangen sind, sondern das
Problem gesehen haben, dass vor allen Dingen Familien
mit Kindern selbstverständlich so hohe Sozialleistungen
in Anspruch nehmen können, wie es mit niedrig qualifi-
zierter Beschäftigung an Lohn nicht zu erreichen wäre,
haben sie in ihren Beschluss hineingeschrieben, dass
man überwiegend nicht von Sozialleistungen abhängig
sein soll, dass man seinen Lebensunterhalt überwiegend
aus Beschäftigung bestreiten soll. Auch dabei haben die
Innenminister die soziale Lage der Familien, denen wir
ein Bleiberecht geben wollen, denen die Innenminister
ein Bleiberecht geben wollen, sehr wohl im Blick.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum wollt ihr dann ein Gesetz machen?)


Das festzustellen, ist entscheidend, weil Sie in Ihrem
Antrag auch ein paar andere Bedingungen monieren, die
die Innenminister beschlossen haben. Es ist schon merk-
würdig – das muss man auch um diese Zeit in aller Deut-
lichkeit sagen –, wenn Sie schreiben:

Es dürfen keine unverhältnismäßigen Anforderun-
gen an die Erfüllung von Mitwirkungspflichten ge-
stellt werden.

Zu Deutsch: Sie wollen auch ein Bleiberecht für die-
jenigen, die ihren langen Aufenthalt vorsätzlich selbst
verschuldet haben, die selbst verschuldet haben, dass
ihre Kinder in einem für sie fremden Land aufwachsen
mussten. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wer über seine
Identität nachhaltig getäuscht hat, wer sich dagegen zur
Wehr gesetzt hat, dass Passersatzpapiere ausgestellt wer-
den, wer sich durch Untertauchen einer möglichen Ab-
schiebung entzogen hat, der kann doch nicht im Ernst
ein Bleiberecht bekommen!


(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen die Begründung lesen! Da haben wir das erläutert!)


Das wird mit der CDU/CSU nicht zu machen sein!

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(C (D Wir müssen uns einmal deutlich vor Augen führen, ass wir auch eine gewisse Mindestsorgfaltspflicht geenüber den Mitarbeitern in Ausländerbehörden, bei der änderpolizei und bei der Bundespolizei haben, die mit er Rückführung von Ausländern nun wirklich ein chwieriges Geschäft zu erledigen haben. Leuten ein leiberecht zu geben, die jahrelang vorsätzlich gegen as geltende Recht verstoßen haben, (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das besagt unser Antrag nicht!)


äre natürlich keine Motivation für diese Mitarbeiter,
hre schwierige Arbeit zu verrichten. Da würden wir
eute mit einem Bleiberecht belohnen, die es nicht ver-
ient haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das denn gefordert? Wir nicht!)


Es geht auch nicht um Zahlen, lieber Kollege Wink-
er. Ein Bleiberecht ist dann gut, wenn die Fälle erfasst
erden, bei denen man wirklich sagen muss: Aus huma-
itären Gründen – weil die Menschen bei uns verwurzelt
ind, weil jetzt Deutschland ihre Heimat ist – oder auch
us dem Interesse unseres Landes ist es nicht vertretbar,
ie jetzt noch in ihr ursprüngliches Herkunftsland abzu-
chieben. Wenn wir das sagen können, dann haben wir
ine gute Bleiberechtsregelung. Ich bekenne deutlich: In
iesem Sinne haben die Innenminister der Länder eine
ute Bleiberechtsregelung geschaffen. Nun haben die In-
enminister der Länder von einer Stufenlösung gespro-
hen, die sehr kurzfristig durch ihre Vereinbarung in
ollzug gesetzt worden ist, und einer möglichen weite-

en Altfallregelung etwa in Form eines § 104 a Aufent-
altsgesetz. Darüber befinden wir uns in der Koalition in
er Tat in einer intensiven Diskussion.

Für uns als Innenpolitiker der CDU/CSU-Bundes-
agsfraktion gilt dabei exakt der gleiche Grundsatz wie
ür alle Landesinnenminister: Wir wollen keine Zuwan-
erung in die Sozialsysteme, wir wollen eine Zuwande-
ung in den Arbeitsmarkt, wir wollen Humanität und
echtsstaatlichkeit miteinander verbinden und wir wol-

en mehr und nicht weniger für die Integration tun. Ich
offe, wir kommen hier ein gutes Stück voran.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607030700

Das Wort hat der Kollege Hartfrid Wolff von der

DP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stell das alles einmal richtig!)


Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

DP begrüßt es, dass die Innenministerkonferenz einen
eschluss über eine Bleiberechtsregelung gefasst hat.






(A) )



(B) )


Hartfrid Wolff (Rems-Murr)

Das war überfällig und hat meiner Meinung nach etwas
zu lange gedauert.

Dadurch wird langjährig geduldeten Ausländern die
Chance auf einen Daueraufenthalt gegeben, wenn sie
wirtschaftlich und sozial faktisch in der Bundesrepublik
integriert sind. Mit einer solchen Bleiberechtsregelung
werden in vielen Tausenden Fällen für beide Seiten kost-
spielige und nervenaufreibende Streitigkeiten über das
Aufenthaltsrecht von Menschen beendet, die in Wahrheit
längst Teil unserer Gesellschaft sind. Den Betroffenen
und ihren Familien wird dadurch die notwendige Sicher-
heit für eine verlässliche Lebensplanung gegeben.


(Jörg Tauss [SPD]: Nur nicht in BadenWürttemberg!)


– Herr Maurer, Entschuldigung, Herr Tauss, ich weiß gar
nicht, warum Sie dazwischenrufen.


(Jörg Tauss [SPD]: Bitte nicht mit Herrn Maurer verwechseln!)


– Entschuldigung. – In vielen Fällen dient die Bleibe-
rechtsregelung auch den Interessen mittelständischer
Unternehmen, in denen die Betroffenen seit Jahr und Tag
arbeiten bzw. beschäftigt sind.

Die FDP fordert, dass der IMK-Beschluss von den
Ausländerbehörden wohlwollend umgesetzt wird. Vor
allem das Kindeswohl muss wesentlicher Bestandteil der
Entscheidungen sein. Die FDP fordert die Bundesregie-
rung auf, jetzt schnellstmöglich eine gesetzliche Bleibe-
rechtsregelung zu schaffen. Eine bundesgesetzliche
Regelung hat gegenüber der Regelung durch die Innen-
minister den Vorteil der klaren Verbindlichkeit. Dies
schafft Rechtssicherheit und macht die Regeln in rechts-
staatlicher Weise transparent. Insofern stehen wir dem
Antrag der Grünen mit einer gewissen Sympathie gegen-
über.

Allerdings halten wir nichts davon, die Bedingung
„gut integrierte Geduldete“ inhaltsleer zu lassen.


(Ute Kumpf [SPD]: Was macht ihr denn in Baden-Württemberg?)


So lehnen die Grünen die von uns geforderte Mitwir-
kungspflicht leider ab. Natürlich weisen die Grünen zu
Recht darauf hin, dass der Zugang zu Sprachkursen und
Arbeitsplätzen für Geduldete bislang erschwert oder so-
gar unmöglich war. Allerdings reicht die Frist von knapp
einem Jahr durchaus aus, um Sprachkenntnisse zu er-
werben. Wenn ich mich richtig erinnere, dann lautete der
Beschluss der Innenministerkonferenz, dass das Beste-
hen des Sprachkurses A 2 gefordert wird. Das ist keine
riesige Hürde.

Wer sich sechs oder gar acht Jahre lang geduldet im
Land aufgehalten hat, der kann nach dem Zuwande-
rungsgesetz auch ohne Betreuung in staatlichen Kursen
Deutsch gelernt haben. Es gibt jedenfalls sehr viele gute
Beispiele dafür. Ich denke, wir sollten die Integration
nicht nur als eine Bringschuld des Staates ansehen, son-
dern vor allem die aktive Mitwirkung der Zuwanderer
einfordern.

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(C (D (Beifall bei der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht bei Geduldeten!)


Die Grünen erwecken mit ihrem Antrag den Ein-
ruck, Geduldete könnten sich allein dadurch, dass sie
ich acht Jahre lang hierzulande aufgehalten haben, ohne
ktiv etwas für ihre Integration zu tun, einen Anspruch
uf ein Bleiberecht erwirken. Das erscheint mir wenig
lausibel. Die Integration ist das entscheidende Merk-
al. Dabei ist Arbeit aber ein entscheidender Faktor. Da-
it gebe ich Ihnen wieder Recht.

Die Möglichkeit für langjährig Geduldete, den eigen-
tändigen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist ein wichti-
es Kriterium. Dies dient der Sicherstellung, dass keine
berinanspruchnahme der Sozialleistungen oder ein
issbrauch erfolgt. Dies dient aber auch der Integration.
urch die Arbeit wird es den Zuwanderern ermöglicht,

inanziell auf eigenen Beinen zu stehen, wodurch nicht
ur das Selbstwertgefühl der Berufstätigen, sondern
uch ihrer Familienangehörigen gefördert wird. Dane-
en werden durch die Arbeit soziale Kontakte ermög-
icht und eine Akzeptanz in der Bevölkerung geschaffen.
ies ist auch im Interesse der Gesellschaft als Ganzes.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das bestreitet ja niemand!)


Im Zusammenhang mit der bundesgesetzlichen Rege-
ung muss die Arbeitserlaubnis allerdings ohne Restrik-
ion mit dem Bleiberecht gekoppelt werden und im Vor-
eld müssen Hürden für den Zugang zum Arbeitsmarkt
eseitigt werden.


(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


nsonsten ist das Erfordernis, selbst für den Lebensun-
erhalt sorgen zu können, nicht praktikabel. Der sofor-
ige Zugang zum Arbeitsmarkt muss gewährleistet sein
nd darf nicht durch Überbürokratisierung verhindert
erden.

Der Antrag der Grünen erscheint uns alles im allem
orwiegend als Schnellschuss. Ich habe aber die Hoff-
ung, dass es möglich sein wird, hier im Hause frak-
ionsübergreifend eine konsensfähige Lösung zu finden,
enn sich sowohl Herr Winkler als auch Herr Grindel

in bisschen bewegen.

Die FDP hat eine Kleine Anfrage an die Bundesregie-
ung gerichtet, um auszuloten, welche Chancen beste-
en, eine sachlich sinnvolle, möglichst weit reichende
nd doch auch das Integrationserfordernis möglichst klar
räzisierende Bleiberechtsregelung zu finden.

Wir hoffen, dass es der Bundesregierung gelingt, kon-
ensfähige Vorschläge zu unterbreiten. Die FDP wird
iesbezüglich parlamentarische Beratungen konstruktiv
egleiten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607030800

Das Wort hat jetzt der Kollege Rüdiger Veit von der

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sag mal was zu dem Bundesgesetz!)



Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1607030900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu-

nächst einmal darf ich – ohne oberlehrerhaft wirken zu
wollen – die Gelegenheit nutzen, um eine Korrektur an-
zubringen. Lieber Josef Winkler, wenn wir über das
Bleiberecht für langjährig in Deutschland geduldete
Ausländerinnen und Ausländer reden, dann handelt es
sich nicht um einen – wie von Ihnen versehentlich gesagt
worden ist – rechtswidrigen, sondern um einen rechtmä-
ßigen Aufenthalt. Das ist sicherlich ein Lapsus Linguae,
den Sie hoffentlich im Protokoll korrigieren, damit nicht
andere Sie womöglich daran festmachen, was sicherlich
weder in Ihrem noch in meinem Interesse wäre.

Meine zweite Bemerkung zu meinen Vorrednern rich-
tet sich an Herrn Grindel. Ich bin es fast ein bisschen
leid, dass bei diesem Thema immer wieder von der
Zuwanderung in die Sozialsysteme die Rede ist, und
zwar deswegen, weil die Leute schon da sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Ja!)


Sie sind schon in den sozialen Sicherungssystemen, so-
weit sie noch keine Arbeit haben.

Deswegen ist es nicht richtig, zu sagen, sie kämen zu
uns, um Sozialhilfe zu beantragen. Sie sind nämlich
schon da. Insgesamt sind es ungefähr 200 000, darunter
rund 50 000 Kinder und Jugendliche. Dass sie nicht ar-
beiten dürfen und damit außerstande sind, für sich und
ihre Familien den Lebensunterhalt zu bestreiten – es
wurden bereits einige Fallbeispiele genannt –, haben wir
als Gesetzgeber verursacht. Das ist die Krux.


(Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ansonsten ist es schon fast ein Quantensprung in der
öffentlichen und auch politischen Diskussion in diesem
Hause, wenn wir im Einzelnen über die Frage diskutie-
ren, wie ein Bleiberecht gewährt werden soll. Denn ich
erinnere mich noch an Zeiten, als es nicht unter allen
Fraktionen im Deutschen Bundestag üblich war, festzu-
stellen, dass wir ein Bleiberecht wollen. Vielmehr gab es
einige – ich will jetzt keine Namen oder Fraktion nennen –,
die die Notwendigkeit dringend bestritten haben.


(Zuruf des Abg. Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP])


– Richtig. Heute sagen das alle – auch die ganz Forschen
und Mutigen –, Gott sei Dank. Ich habe immer noch im
Ohr, was früher gesagt wurde: Vielleicht können wir ir-
gendwann 10 Prozent der 200 000 abschieben; wenn wir
großes Glück haben, sind es 20 Prozent. Deswegen muss
es in unser aller Interesse sein – nicht nur, aber auch we-

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(C (D en der betroffenen Menschen –, eine umfassende und lare Bleiberechtsregelung zu finden. Jetzt komme ich zu einem Punkt, bei dem ich mögliherweise zu seinem Erstaunen feststelle, dass Herr rindel Recht hat. Der Innenministerbeschluss ist in inem entscheidenden Punkt besser, als ich hier noch am . November eher kritisch-sorgenvoll angemerkt habe. r ist deswegen besser, weil er nicht nur diejenigen beünstigt, die tatsächlich bereits eine Arbeit haben bzw. n dem darauf folgenden Montag Arbeit gehabt haben, ondern weil er den Betroffenen, die über eine Duldung erfügen, die Möglichkeit gibt, bis zum 30. September 007 eine Arbeit zu suchen, um ihnen dann eine Aufentaltserlaubnis zu geben, aus der wiederum die Berechtiung zum gleichrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt olgt. Ich finde, dass dieser Punkt eine besondere Bedeuung hat und vielleicht sogar eine gewisse Trendwende arstellt. Ich bin mir auf der anderen Seite – aus der Sicht der rbeitgeber – aber auch darüber klar, dass jemand, der ur eine Duldung vorweisen kann, bei der heutigen Areitsmarktlage größere Schwierigkeiten hat, Arbeit zu inden, als jemand, der über eine Aufenthaltserlaubnis erfügt und einige Jahre bleiben kann. Die Optimisten und Gutgesonnenen gehen davon aus, ass aufgrund der von der IMK beschlossenen Bleibeechtsregelung vielleicht sogar 40 000 bis 60 000 Menchen in Deutschland bleiben können. Ich fürchte hingeen, dass diese Zahl deutlich zu hoch gegriffen ist. Aber as sind alles Spekulationen. Es bleibt abzuwarten, wie ie Regelungen in den einzelnen Bundesländern angeandt werden. Das wird sicherlich sehr unterschiedlich ehandhabt. Die Innenminister selber, aber auch die Bundespolitier betrachten die Regelung mittlerweile ganz entspannt ls einen ersten, aber wichtigen Schritt, Herr Winkler. ie meinen nicht unbedingt, dass man uns damit in den ücken fällt. Ich hatte am 9. November dargelegt, wie eine kritischen Bemerkungen zu dem, was aus der Be chlussfassung der Innenministerkonferenz drohte, einuordnen sind und warum ich glaube, dass eine gesetzlihe Regelung in der Tat besser wäre. Ich will Ihnen erne sagen, wo nach meiner persönlichen Meinung eine esetzliche Altfallregelung – inwieweit wir das in der oalition durchsetzen können, ist eine ganz andere rage – mehr Klarheit bringen könnte und wie wir sie mfassender ausgestalten könnten. Eigentlich wäre wünchenswert gewesen, nicht mit einer Mindestaufenthaltsrist von sechs oder acht Jahren zu operieren, sondern um möglichst viele Menschen zu erfassen – von vier ahren bei Familien mit minderjährigen Kindern und von echs Jahren bei Alleinstehenden auszugehen. Ich hoffe, ass wir die Kraft haben, den Bezug von lediglich ergänender Sozialhilfe – Herr Grindel, Sie haben das danenswerterweise schon in die IMK-Regelung hineinnterpretiert; ich bin nicht ganz so optimistisch – urchzusetzen. Eines ist jedenfalls völlig klar. Nicht nur ür die Betroffenen, sondern für uns alle und insbesonere für die sozialen Sicherungssysteme ist es allemal esser, wenn Familien ihren Lebensunterhalt überwie Rüdiger Veit gend selbst bestreiten können und vielleicht lediglich in der Spitze auf ergänzende Sozialhilfe angewiesen sind. Das ist weniger und – mit Verlaub – billiger, als wenn sie dem Staat völlig auf der Tasche liegen, weil sie gar nichts anderes dürfen. Unterschiedlicher Auffassung mögen wir in der Frage sein, wie Familienangehörige zu behandeln sind, wenn sich Vater oder Mutter im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens nicht ganz korrekt verhalten haben oder wenn ein Mitglied der Familie straffällig geworden ist. Wir Sozialdemokraten sind der Meinung, dass das nicht zwangsläufig dazu führen darf, dass alle anderen Familienmitglieder sozusagen im Wege der Sippenhaft von der Anwendung der Bleiberechtsregelung ausgeschlossen sind. Hier brauchen wir differenzierte Regelungen. Ich persönlich betone: Wenn sich ein einziges Familienmitglied entgegen unserer Rechtsordnung verhalten hat oder verhält, dann darf das nicht bedeuten, dass der gesamten Familie gesagt wird: Ihr habt Deutschland sofort zu verlassen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen,
der nach meinem Dafürhalten in der Innenministerrege-
lung ein bisschen vernachlässigt wurde. Das ist die
Frage, wie wir die als Minderjährige ganz allein nach
Deutschland eingereisten jungen Leute behandeln. Wenn
wir mit sehr viel Geld dafür gesorgt haben, dass junge
Menschen, die mit zwölf, 13 oder 14 Jahren hierher ge-
kommen sind, keine Verwandten mehr weder im Her-
kunftsland noch irgendwo sonst auf der Welt haben und
vielleicht schon ihren Schulabschluss hier gemacht ha-
ben – manche haben erst in Deutschland eine Schule
kennen gelernt –, beispielsweise in stationären Einrich-
tungen der Jugendhilfe bei uns integriert wurden, dann
kann es nicht richtig sein, den Betreffenden zu sagen: In
dem Augenblick, in dem ihr volljährig werdet, ist jeder
Schutz weg und ihr habt Deutschland sofort zu verlas-
sen. – Das ist inhuman und absolut unvernünftig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Noch einmal: Es darf nicht wahr sein, dass wir zuerst
Tausende im Monat ausgeben, diese Menschen in
Deutschland zu integrieren, um dann die ganze staatliche
Energie darauf zu verwenden, sie loszuwerden, und zu
sagen: Wenn ihr volljährig seid, interessiert uns das alles
nicht; dann geht dorthin, wo immer ihr jemanden findet.
– Wahrscheinlich finden sie hier niemanden. Dafür brau-
chen wir entweder eine Regelung in § 25 Abs. 5 des
Aufenthaltsgesetzes – das würde ich eindeutig bevorzu-
gen – oder zumindest eine klare Regelung im Gesetz
über die Altfälle. Ich meine, dass hier eine Mindestver-
weildauer von vier Jahren ausreichend wäre.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])


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(C (D Lassen Sie mich zum Schluss zu dem kommen, was undesminister Franz Müntefering gerade erarbeitet. Ich alte es für richtig und vernünftig, dass seine Position autet: Wir wollen mindestens 100 000 von den rund 00 000 in Deutschland geduldeten ausländischen itbürgerinnen und Mitbürgern hier dauerhaft inte rieren. Wir wollen ihnen eine Aufenthaltserlaubnis geen. Ich kann das nicht ausschließlich von dem K.-o.riterium „vorhandener Arbeitsplatz“ abhängig machen, ondern ich muss ihnen auch dann eine Arbeitserlaubnis eben, wenn sie einen Arbeitsplatz in Aussicht haben der sich zumindest sehr ernsthaft und intensiv um einen rbeitsplatz bemühen. Es gibt genügend Möglichkeiten, as zu kontrollieren. Über diese Formulierungen sind ir intensiv im Gespräch. Ich hoffe, dass wir zu Lösunen kommen. Dabei wäre es aus Sicht der SPD-Fraktion in nicht zu unterschätzender Preis und keinesfalls berüßenswert, wenn man das Asylbewerberleistungsgeetz ändern müsste. Wünschenswert wäre, wenn wir zu em Ergebnis kämen: Wer sich vier Jahre in Deutschand geduldet aufgehalten hat, der soll einen gleichbeechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Das fände ch wichtig und erfreulich. Zum Schluss zu Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und ollegen von den Grünen: Ihr Antrag ist wegen seiner rgumentation zur Unterstützung des gemeinsamen An iegens, von dem ich eingangs sagte, dass es erfreulich st, dass wir alle darüber reden und im Grundsatz einer einung sind, willkommen. Aber, in aller Bescheideneit, wir hätten dieser Unterstützung nicht unbedingt beurft, weil wir uns seit Monaten in intensiven Gesprähen mit unserem neuen Koalitionspartner um eine ösung bemühen. Lassen Sie uns das weiter auf dieser bene verfolgen. Dann mag vielleicht etwas Vernünfties für die Betroffenen und unsere Gesellschaft dabei erauskommen. Danke schön. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1607031000

Die Rede der Kollegin Ulla Jelpke von der Fraktion

ie Linke nehmen wir zu Protokoll.1)


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


amit schließe ich die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 16/3340 an die in der Tagesordnung aufge-

ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

Jetzt haben wir noch fünf Tagesordnungspunkte, die
lle zu Protokoll genommen werden. Ich bitte Sie, trotz-
em noch anwesend zu bleiben, damit wir das formal
ichtig zu Ende bringen können.

Anlage 8






(A) (C)



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: reiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Marie-Luise Dött, Ing-
bert Liebing, Katherina Reiche (Potsdam), weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dirk Becker, Marco
Bülow, Petra Bierwirth, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der SPD

Sensible Ökosysteme in der Tiefsee besser
schützen

– Drucksachen 16/3089, 16/3624 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Ingbert Liebing
Dirk Becker
Angelika Brunkhorst
Eva Bulling-Schröter
Cornelia Behm

Die Reden, die zu Protokoll genommen werden, sind
von den Kollegen Ingbert Liebing, CDU/CSU, Gabriele
Groneberg und Dirk Becker von der SPD, Angelika
Brunkhorst, FDP, Eva Bulling-Schröter, Die Linke, und
Cornelia Behm, Bündnis 90/Die Grünen.1)

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
auf Drucksache 16/3624 zu dem Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und der SPD mit dem Titel „Sensible
Ökosysteme in der Tiefsee besser schützen“. Der Aus-
schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/3089
anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke, im Übrigen mit den Stimmen aller anderen
Fraktionen angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Pa-
trick Döring, Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Defizite im Kampf gegen Trunkenheitsfahrten
in der Seeschifffahrt beseitigen

– Drucksachen 16/1158, 16/2736 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Annette Faße

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainder
Steenblock, Winfried Hermann, Dr. Anton Hof-

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1) Anlage 9 2)

(D Umweltfreundliche Stromversorgung von Schiffen in Häfen unterstützen – Drucksache 16/2791 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bei den Reden, die zu Protokoll genommen werden, andelt es sich um die Reden der Kollegen Enak Ferleann, CDU/CSU, Annette Faße und Dr. Margrit Wetzel on der SPD, Hans-Michael Goldmann, FDP, Dorothée enzner, Die Linke, und Rainder Steenblock, Bündnis 0/Die Grünen.2)


Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf
rucksache 16/2736 zu dem Antrag der Fraktion der
DP mit dem Titel „Defizite im Kampf gegen Trunken-
eitsfahrten in der Seeschifffahrt beseitigen“. Der Aus-
chuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/1158
bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
ung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-
chlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-
raktionen gegen die Stimmen der Fraktion der FDP und
er Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion des
ündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt 22 b: Interfraktionell wird Über-
eisung der Vorlage auf Drucksache 16/2791 an die in
er Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
en. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
ann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (21. Ausschuss) zu der
Unterrichtung durch die Bundesregierung

Vorschlag für eine Verordnung des Europäi-
schen Parlaments und des Rates zur Einrich-
tung des Europäischen Fonds für die Anpas-

(inkl. 7301/06 ADD 1, 7301/06 ADD 2 und 7301/06 ADD 3)

KOM (2006) 91 endg.; Ratsdok. 7301/06

– Drucksachen 16/1207 Nr. 1.12, 16/3639 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Veronika Bellmann
Dr. Martin Schwanholz
Markus Löning
Alexander Ulrich
Rainder Steenblock

Es handelt sich bei den Reden, die zu Protokoll ge-
ommen werden, um die Reden der Kollegen Veronika
ellmann, CDU/CSU, Dr. Martin Schwanholz, SPD,

Anlage 10






(A) (C)



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Markus Löning, FDP, Ulla Lö
der Steenblock, Bündnis 90/D

Der Ausschuss empfiehlt,
tung eine Stellungnahme anz
diese Beschlussempfehlung?
haltungen? – Die Beschlussem
men der Koalitionsfraktionen
Oppositionsfraktionen angeno

Ich rufe den Tagesordnung

Erste Beratung des von
gebrachten Entwurfs e
fachung des Insolven

– Drucksache 16/3227
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft un

Wir nehmen die Reden

Hiller-Ohm, Renate
Abgeordneter und der

in Deutschland umfas-

Technologie

d Stadtentwicklung
chutz und Reaktorsicherheit

ollegen Jürgen Klimke,
m, SPD, Ernst Burgba-
inke und Dr. Anton Hof-
zu Protokoll.3)

eisung der Vorlage auf
rführung an den Aus-
Krings, CDU/CSU, Dirk Manzewski, SPD, Sabine Leut-
heusser-Schnarrenberger, FDP, Wolfgang Nešković,
Die Linke, Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen, und
des Parlamentarischen Staatssekretärs Alfred Hartenbach
zu Protokoll.2)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 16/3227 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann
ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Brähmig, Jürgen Klimke, Dr. Hans-Peter Fried-
rich (Hof), weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten An-

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1) Anlage 11
2) Anlage 12 3)

Berichtig

69. Sitzung, Seite 6857 (B),
Satz ist wie folgt zu lesen: „D
großes Interesse hat, zügig zu
men, die § 9 b des Atomgeset
sich um eine Lösung handeln,
von Wissenschaft und Technik
rantiert –, dürfte sich daraus erg


(D), zweiter Absatz, der erst

sen: „Ich bleibe dabei, dass nac
die Verpflichtung besteht,
schluss für ein Endlager nur da
mal Vorsorge nach Stand von T
gegeben ist.“
(D

chuss für Tourismus und zur Mitberatung an den Sport-
usschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Technolo-
ie, den Ausschuss für Gesundheit, den Ausschuss für
erkehr, Bau und Stadtentwicklung, den Ausschuss für
mwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sowie an
en Haushaltsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit
inverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
ung so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 1. Dezember 2006,
Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.