Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ichder Kollegin Ursula Lietz sowie dem KollegenDr. Dieter Thomae jeweils zum 65. Geburtstag unddem Kollegen Rainer Brüderle zum 60. Geburtstagnachträglich herzlich gratulieren und die besten Wün-sche des Hauses aussprechen.
Sodann teile ich mit, dass die Abgeordneten Karl-Josef Laumann und Dr. Andreas Pinkwart am 28. Juni2005 auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestagverzichtet haben.
Als Nachfolger haben der Abgeordnete HelmutBrandt und der Abgeordnete Dr. Michael Terwiescheam 28. Juni 2005 die Mitgliedschaft im Deutschen Bun-destag erworben. Ich begrüße die beiden Kollegen sehrherzlich.
TasrtisRedetAm 1. Juli tritt das neue Abkommen über dasDeutsch-Französische Jugendwerk in Kraft. Demnachsind vom Deutschen Bundestag für den Verwaltungsratein ordentliches und ein stellvertretendes Mitglied zu be-nennen. Zwischen den Fraktionen der CDU/CSU undder SPD besteht Einvernehmen, den KollegenDr. Andreas Schockenhoff als ordentliches und dieKollegin Monika Griefahn als stellvertretendes Mit-glied vorzuschlagen. Sind Sie damit einverstanden? –Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind die Kolleginund der Kollege als Mitglieder für den Verwaltungsratdes Deutsch-Französischen Jugendwerks benannt.Interfraktionell ist zur Tagesordnung Folgendes ver-einbart worden: Kernzeitthemen sind Tagepunkt 4 – Vorstandsvergütungs-Offenlegunund Tagesordnungspunkt 3 – Energiepolitikordnungspunkt 6 – Abgeordnetengesetz –
Brunkhorst, Birgit Homburger, Michael Kauch, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der FDP: Wärmebereich fürden Klimaschutz erschließen – Erneuerbare Energienmarktwirtschaftlich einbeziehen– Drucksache 15/5731 –b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-
Hubert Hüppe, Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der CDU/CSU: Gentests in Medizin, Arbeitsle-ben und Versicherungen– Drucksachen 15/543, 15/5866 –extBerichterstattung:Abgeordneter Dr. Wolfgang Wodargc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
zu der Verordnung der Bundesregierung:
Erste Verordnung zur Änderung der Biomasseverord-nung– Drucksachen 15/5666, 15/5761 Nr. 2.1, 15/5867 –Berichterstattung:Abgeordnete Marco BülowFranz ObermeierDr. Antje Vogel-SperlAngelika Brunkhorstd) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU,NISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Gegend Vertreibungen in Simbabwe – Die Afrikani-n muss handelnche 15/5830 –sordnungs-gsgesetz – –; Tages-soll nachdes BÜNDGewalt unsche Unio– Drucksa
Metadaten/Kopzeile:
17306 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Präsident Wolfgang Thiersee) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 223 zu Petitionen– Drucksache 15/5836 –f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 224 zu Petitionen– Drucksache 15/5837 –g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 225 zu Petitionen– Drucksache 15/5838 –h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 226 zu Petitionen– Drucksache 15/5839 –i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 227 zu Petitionen– Drucksache 15/5840 –j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses
Sammelübersicht 228 zu Petitionen– Drucksache 15/5841 –ZP 3 a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-wurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung der Umsetzungvon öffentlich-privaten Partnerschaften und zur Verbesse-rung gesetzlicher Rahmenbedingungen für öffentlich-private Partnerschaften– Drucksache 15/5668 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirt-schaft und Arbeit
– Drucksache 15/5859 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael Fuchsb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-schusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem An-trag der Abgeordneten Otto Fricke, Gudrun Kopp, RainerBrüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP:Privatisierung und öffentlich-private Partnerschaften– Drucksachen 15/2601, 15/5859 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael Fuchsc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-
Lippold , Hartmut Schauerte, Christian Freiherrvon Stetten, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSU: Wachstumsstrategie für Deutschland: PublicPrivate Partnership weiterentwickeln und nunmehr reali-sieren – Infrastruktur optimieren, Investitionsstau auflö-sen– Drucksachen 15/5676, 15/5861 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Margrit WetzelZP 4 a) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Arbeit schaffen – Sozia-len Zusammenhalt und wirtschaftliche Dynamik im euro-päischen Binnenmarkt für Dienstleistungen verbessern– Drucksache 15/5832 –b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-schusses für Wirtschaft und Arbeit zu der Un-terrichtung durch die Bundesregierung: Vermerk des Gene-wsWAhOKk
– Drucksache 15/5577 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-ordneten Rainer Funke, Rainer Brüderle,Daniel Bahr , weiteren Abgeordnetenund der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-wurfs eines Ersten Gesetzes zur Stärkungder Eigentümerrechte einer Aktiengesell-
– Drucksache 15/5582 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 15/5860 –Berichterstattung:Abgeordnete Olaf ScholzErika SimmDr. Günter KringsJerzy MontagRainer FunkeNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegenlaf Scholz, SPD-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Zunächst einmal möchte ich dem Bundes-anzler meinen Dank aussprechen;
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17307
)
)
Olaf Scholzdenn es wird uns die Möglichkeit eröffnet, bald eineNeuwahl durchzuführen. Offenbar fördert das die Ge-dankenbildung. Dabei entstehen Situationen, in denenVorhaben, die sonst nicht zustande gekommen wären,plötzlich zustande kommen.
Der Gesetzentwurf, über den wir heute reden, ist ein sol-ches Vorhaben.Es wurde schon lange darüber diskutiert, die Vor-standsvergütungen offen zu legen. Immer wieder wirdvon allen die Offenlegung gefordert, aber wenn es da-rum geht, diese Forderung handfest zu machen, also inForm von Gesetzen zu gießen, denen man nicht auswei-chen kann, wird es schwierig. Insofern bin ich sehr froh,dass die Tatsache, dass man wahrscheinlich in wenigenWochen von den Wählerinnen und Wählern gefragtwird, welche Einstellung man zu diesem Vorhaben hat,nun dazu führt, dass die Ankündigungen umgesetzt wer-den.Ich möchte eine zweite Vorbemerkung machen; siehat etwas mit einem anderen Gesetzentwurf zu tun, überden wir heute diskutieren. Dabei geht es um die Trans-parenz von Einkünften von Bundestagabgeordneten,es geht um Nebentätigkeiten, die wir offen legen sollen.Es war zwar nicht geplant, aber es ist doch ein ganz klu-ger Zufall, dass wir heute über beide Gesetzentwürfe be-raten; denn damit ist das Argument des einen oder ande-ren, der meint, die Vorstandsvergütungen müsstentransparent sein und öffentlich gemacht werden, die Ein-künfte der Bundestagsabgeordneten jedoch nicht, abge-schnitten. Für die Fraktionen von SPD und Grünen, diediesen Gesetzentwurf unterstützen werden, ist das jeden-falls so.
Darum, meine Damen und Herren, ist heute ein guterTag.
Wir tun etwas für die Transparenz der Vorstände undwir tun etwas für die Transparenz der Abgeordneten.
Das passt gut zusammen.Nun zum Inhalt des Gesetzentwurfs. Wir haben ge-sagt: Wenn es die deutsche Wirtschaft von sich ausschafft, eine Offenlegung von Vorstandsvergütungen zu-stande zu bringen, dann ist das gut. Hier haben wir unsim Einklang mit den Vorschlägen befunden, die dieCromme-Kommission gemacht hat. Aber wir habenauch gesagt: Wir warten ab, welchen Erfolg diese Frei-willigkeitsoffensive haben wird.In diesem Jahr wurde uns ein Bericht vorgelegt, indem wir erfahren mussten, dass Aktiengesellschaften,dMsdneueddinmdhmAfbvszhingBddtekmbmwABzpgedGUGCs
Es geht – das will ich ausdrücklich sagen – nicht umie Befriedigung irgendeiner nicht berechtigten Neugier,ie darin bestehen würde, dass man immer schon einmal irgendeiner Zeitung lesen wollte, welches Vorstands-itglied wie viel verdient. Das ist zwar interessant, aberafür ist der Deutsche Bundestag nicht zuständig. Daserauszufinden ist eine journalistische Aufgabe. Dabeiüssen wir nicht gesetzgeberisch nachhelfen.Vielmehr geht es darum, einen Weg zu finden, wie diektionäre von Unternehmen und diejenigen, die sichür Aktiengesellschaften interessieren und sich an ihneneteiligen wollen – sei es mit einer Aktie oder mit sehrielen Aktien –, etwas darüber erfahren, wie die Vor-tände der Aktiengesellschaften in Deutschland finan-iell ausgestattet sind.Diese Frage – das muss man ganz nüchtern sagen – isteute eine andere als in früheren Jahren. Wir wissen ja, welchem Ausmaß die Gehälter von Fußballspielernestiegen sind und welch hohe Ablösesummen in diesemereich gezahlt werden. Wenn man diese Summen aufie Verzinsung einer Kapitalanlage überträgt, kommenabei, wenn man das umrechnet, ganz ordentliche mit-lständische Unternehmen heraus. Einige Vorstandsein-ommen bewegen sich in einer Größenordnung, die sichanch hart arbeitender Unternehmer mit vielen Mitar-eitern ganz ernsthaft als Dividende seines Unterneh-ens wünschen würde; aber eine solch hohe Summeird er niemals erreichen.
ngesichts dessen ist es von zentraler wirtschaftlicheredeutung, die Höhe der Gehälter, die gezahlt werden,u erfahren. Daher ist es im Interesse des Wirtschafts-latzes Bundesrepublik Deutschland, dass die Vorstands-ehälter offen gelegt werden.
Das geschieht durch dieses Gesetz. Es geschieht aufine so charmante und gesetzgeberisch kluge Weise,ass niemand etwas dagegen haben konnte. Das ist derrund dafür, dass es letztendlich zu einer solch breitennterstützung gekommen ist, und das ist wohl auch derrund dafür – das will ich lobend sagen –, dass dieDU/CSU – die FDP allerdings nicht – gesagt hat, dassie unseren Gesetzentwurf unterstützt.
Metadaten/Kopzeile:
17308 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Olaf ScholzWir haben folgende Opting-Out-Lösung in unserenGesetzentwurf aufgenommen: Wenn die Aktionäre, fürdie wir das machen, mit Dreiviertelmehrheit für fünfJahre beschließen, dass sie die Höhe der Gehälter ihrerVorstandsmitglieder nicht erfahren wollen, dann sollman sie daran nicht hindern. Weil das so ist, kann manjedem, der meint, hier gebe es verfassungsrechtliche Be-denken, sagen: Das ist nicht so. Es gibt keine verfas-sungsrechtlichen Bedenken; denn diejenigen, um die esgeht, können selbst entscheiden und zu einer anderenLösung kommen.Auch ist dann jedem das Argument abgeschnitten, dersagt, hier gehe es um die Befriedigung unberechtigterNeugier; denn derjenige, der das alles schon weiß bzw.gar nicht genauer wissen will, kann eine andere Ent-scheidung treffen. Darum glaube ich, dass dieser Gesetz-entwurf, den wir heute verabschieden, gut ist. DiesesGesetz wird lange Zeit Bestand haben. Dadurch werdendie Bundesrepublik Deutschland und ihre Aktiengesell-schaften an die Transparenz moderner Aktienmärkte inanderen Ländern anschließen. Wir holen jetzt das nach,was anderswo schon existiert, und zwar unter einer mo-dernen rot-grünen Regierung.Schönen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Günter Krings,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren Kollegen! Vielleicht sollten wir zu Beginn mei-ner Rede, wenn schon nicht zu Beginn der ganzen De-batte, einmal kurz klarstellen, worum es hier heute ei-gentlich geht, vielleicht auch für die Zuschauer zu Hausean den Fernsehern: Es geht um die Offenlegung derBezüge von Vorständen von börsennotierten Aktien-gesellschaften. Es geht nicht um die Nebeneinkünftevon Vorständen von börsennotierten Aktiengesellschaf-ten; genau diesen Vergleich haben Sie, Herr Scholz, abergerade hergestellt. Die Bezüge der Abgeordneten sindim Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Wir wollen nicht,dass die Nebeneinkünfte der Vorstände im Bundesge-setzblatt veröffentlicht werden, wir wollen lediglich,dass die Haupteinkünfte veröffentlicht werden. Das istsozusagen die Parallelität und keine andere.
Die Tagesordnungsregie, die vielleicht doch nichtganz zufällig ist, hat dazu geführt, dass die Offenlegungder Vergütungen der Vorstandsmitglieder börsennotierterAktiengesellschaften heute während der Kernzeit desPlenums behandelt wird. Darüber freuen wir als Unionuhhftcgdsg9sgdthm–SgtUsstdHGGsgSDtGhcrmfsestsüutd
Schauen Sie sich die Zahlen an; die Zahlen belegen es.
ie bauen Legenden auf; wir können mit Zahlen bele-en, was wir gemacht haben. Das markiert eben den Un-erschied zwischen Ihrer Politik und der Politik dernion. Unsere Zustimmung, auch heute zu dem Vor-tandsvergütungs-Offenlegungsgesetz, verweist Ihretändig wiederholte Unterstellung einer Blockadehal-ung der Union endgültig in das Reich politischer Legen-en.
Wir lassen uns von unserer an der Sache orientiertenaltung auch dann nicht abbringen, wenn sich Rot-rün, wie heute, bei dem Zeitplan für die Beratung einesesetzes eher von Populismus als von solider Wirt-chaftspolitik leiten lässt. Während die SPD-Parteispitzeegen „Heuschrecken“ wetterte und der Kapitalismus alsündenbock für die miserable Wirtschaftslage ineutschland ausgemacht wurde, stellte die Justizminis-erin scheinbar ganz zufällig den heute zu beratendenesetzentwurf vor – ein sehr merkwürdiger Vorgang. Sieaben mit der Herstellung dieses unmittelbaren zeitli-hen Zusammenhangs dem Anliegen für mehr Transpa-enz im Aktienrecht – das uns in diesem Hause eint –ehr geschadet als genutzt. Wer die Forderung nach Of-enheit als Vorwurf an die Wirtschaft formuliert, darfich nicht wundern, wenn die betroffenen Unternehmenher in einer Abwehrhaltung verharren, als dass sie die-em Ziel auch positiv gegenüberstehen.Ich kann mir daher lebhaft vorstellen – und die Reak-ionen haben es ja gerade gezeigt –, wie groß die Enttäu-chung in den Reihen von Rot-Grün in den letzten Tagenber unsere Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf warnd ist. In Wahrheit sind Ihnen die Kapitalismuskritik-hemen längst ausgegangen. Ein Klassenkampfthemaer SPD nach dem anderen hat sich in heiße Luft
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17309
)
)
Dr. Günter Kringsaufgelöst. Diese Woche haben Sie gar noch das für heuteangesetzte Arbeitnehmer-Entsendegesetz von der Tages-ordnung absetzen müssen. Was Ihnen bleibt, ist dienackte Heuschreckenrhetorik. Wenn die Menschen Sieaber fragen, was Sie politisch-inhaltlich anders machenwollen – wozu Sie sieben Jahre Gelegenheit gehabt hät-ten –, dann fällt Ihnen nichts mehr ein, jedenfalls nichts,wofür Sie in Ihren jeweiligen Fraktionen auch nur annä-hernd eine Mehrheit zusammenbekommen würden.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollenmit unserer Zustimmung zu diesem Gesetz im In- undAusland das Vertrauen in unseren Aktienmarkt stär-ken.
Ein logischer Beitrag hierzu ist ein möglichst hohes Maßan Transparenz im Hinblick auf die relevanten Unter-nehmensdaten von börsennotierten Aktiengesellschaf-ten. Gerade viele ausländische Anleger – die wir übri-gens anders als Herr Müntefering nicht als Schädlingebekämpfen wollen, sondern deren Nutzen für unsereWirtschaft wir anerkennen – erwarten eine individuali-sierte Offenlegung von Vorstandsbezügen. Dort, wo wirin einem internationalen Kapitalmarkt mit einer deut-schen Sonderregelung von internationalen Standardsabweichen, muss man schon gute Gründe für diesesAbweichen haben. Bei der Offenlegung von Vorstands-vergütungen vermag ich solche Gründe nicht zu erken-nen. Die Höhe der Vorstandsbezüge gehört zu den rele-vanten Informationen, die Aktionäre einer Gesellschaftoder auch solche, die es noch werden wollen, durchausinteressieren dürfen; so weit ist im Hause wohl insge-samt, bis hin zu FDP, Konsens. Zu einer für den Durch-schnittsaktionär fassbaren Größe werden diese Angabenaber erst, wenn sie auch getrennt nach den einzelnenVorstandsmitgliedern gemacht werden.Bei der konkreten Ausgestaltung dieses Gesetzent-wurfes hätten wir in der Union uns durchaus auch andereLösungswege vorstellen können. Nach dem von uns imErgebnis akzeptierten Vorschlag des Herausoptierenskönnen 75 Prozent des auf der Hauptversammlung er-schienenen Kapitals eine Offenlegung verhindern. Um-gekehrt betrachtet: 25 Prozent des Kapitals sind erfor-derlich, um die auch von der Cromme-Kommissiongeforderte Transparenz im Ergebnis tatsächlich sicherzu-stellen. Hätte man sich darauf einigen können, dassgrundsätzlich ein positiver Beschluss der Hauptver-sammlung notwendig ist, um die Offenlegung zu errei-chen – ein so genanntes Opt-in –, dann hätte man demMinderheitenschutz meiner Meinung nach sogar nochmehr Vorschub geleistet. Denkbar wäre hier nämlich einQuorum deutlich unter 25 Prozent gewesen.Wenn man jedoch die Offenlegung als Grundfall insGesetz schreibt und den besonders gelagerten Interesseneiniger Aktiengesellschaften durch ein Modell des He-rausoptierens Rechnung trägt, dann darf dieses Heraus-optieren nicht unnötig verkompliziert werden. Es istdaher entscheidend, dass der Hauptversammlungsbe-schluss, von der Offenlegung abzusehen, nicht alle zweiJahre oder gar jedes Jahr wiederholt werden muss. Es istuns wichtig, durchgesetzt zu haben, dass die Fünf-Jah-rgttKmfSldBgGbGtsgeaswtFseutLüHReisdcweEsswDetms
Ich will zum Schluss aber noch deutlich machen, dassines bei diesem Gesetzgebungsverfahren sehr auffälligst; das sollten Sie sich sehr ernsthaft anhören. Der Deut-che Bundestag ist beim Offenlegungsgesetz offenbar iner Lage, eine relativ komplexe Frage in wenigen Wo-hen einer sachdienlichen Regelung zuzuführen. Esirft kein gutes Licht auf die Bundesregierung, dass sies in der gleichen Zeit nicht geschafft hat, etwas ganzinfaches zu tun, nämlich in den Gesellschafterver-ammlungen der Unternehmen des Bundes dafür zuorgen, dass auch dort die Vorstandsgehälter offen gelegterden.
as ginge viel einfacher und schneller, als ein Gesetz zurlassen, und das griffe nicht in Rechtspositionen priva-er Dritter ein. Jedermann leuchtet ein, dass Unterneh-en der öffentlichen Hand auch verstärkt unter der Auf-icht der Öffentlichkeit stehen sollten.
Metadaten/Kopzeile:
17310 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Günter KringsDennoch ist alles, was wir auf ein wiederholtes Nachfra-gen – auch gestern im Rechtsausschuss noch – zu diesemPunkt von der Bundesregierung zu hören bekommen:Wir beraten die Frage.Die Bundesregierung hat hierzu offenbar sogar einenArbeitskreis gegründet und eingesetzt. Es ist schon fastpharisäerhaft, wenn Sie den Unternehmen einerseits sa-gen, die Empfehlungen einer von der Wirtschaft einge-setzten Kommission, eines Arbeitskreises, nämlich derCromme-Kommission, reichten nicht aus, man bräuchteeine verbindliche Entscheidung hierzu, während dieBundesregierung zur gleichen Zeit andererseits erst ein-mal einen Arbeitskreis gründet, um das Thema sozusa-gen ohne verbindliche Entscheidungen anzugehen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie werdennicht an den Worten, sondern an den Taten gemessen.Gehen Sie endlich mit gutem Beispiel voran und sorgenSie dafür, dass Sie von den privaten Unternehmen nichtetwas fordern, was Sie nicht bereit sind, in Ihrem eige-nen Arbeitsbereich, bei den öffentlichen Unternehmen,einzulösen!Danke schön.
Ich erteile Kollegin Thea Dückert, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitdem Gesetz zur Offenlegung der Managergehälter, daswir heute hier beschließen werden, holen wir etwasnach, was in Deutschland schon längst eine Selbstver-ständlichkeit sein sollte. In vielen anderen Marktwirt-schaften dieser Welt ist dies bereits eine Selbstverständ-lichkeit, weil zu einer Marktwirtschaft Transparenzgehört, auch um die Vertrauensbildung voranzubrin-gen.
Dieser Selbstverständlichkeit konnte sich nun auch dieUnion nicht mehr entziehen. Ich bin froh, dass wir heutegemeinsam mit diesem wichtigen Schritt das auf denWeg bringen, was in den großen deutschen Aktiengesell-schaften zum Regelfall werden soll. Dafür beschließenwir heute dieses Gesetz.Es ist schon interessant, dass sich die selbst ernanntenHerolde der freien Marktwirtschaft, nämlich die FDP, angenau dieser Stelle sperren. Das ist interessant, aberüberhaupt nicht verwunderlich. Wir haben hier erneutein Beispiel dafür, dass die FDP nichts anderes als dieVerteidigerin des Lobbyismus in diesem Lande ist.
suWgagAdzgzuWmmSFbUignmdlkbiwssusteilwmwg
ir meinen, dass Manager in diesem Land nicht nur ge-enüber ihren Aktionärinnen und Aktionären, sondernuch gegenüber der Öffentlichkeit Verantwortung tra-en. Die heutigen und zukünftigen Aktionärinnen undktionäre und diejenigen, die sich überlegen, es zu wer-en, aber auch die Öffentlichkeit haben das gute Recht,u erfahren, warum und in welchem Maße sich Mana-ergehälter entwickeln, wenn beispielsweise große Kon-erne ihre Belegschaften in die Wüste schicken. Jedernd jede haben ein Recht, dies öffentlich zu diskutieren.enn wir zu Recht sagen, dass Leistung in Deutschlandessbar sein muss und sich Entlohnung an Leistungessen soll, dann darf es für die Manager keinenchutzschild geben. Sie von der FDP wollen genau dies.
Ich muss auch sagen, dass diese selbstverständlicheorderung nach Transparenz und nach Schutz für Ver-raucherinnen und Verbraucher ebenso für öffentlichenternehmen gilt. Da bin ich mit Ihnen völlig einig. Esst sehr einfach, diese Forderung zu erfüllen. Es wäreut, wenn das Finanzministerium gerade in den Unter-ehmen, in denen wir als öffentliche Hand die Aktien-ehrheit haben, wie beispielsweise bei der Bahn oderer KfW, die Öffentlichkeit zügig herstellte; das ist völ-ig richtig.
Zur Marktwirtschaft gehört auch Transparenz; das istlar. Warum? Um Vertrauen zu bilden. Um Vertrauen zuilden, gehört es zukünftig auch dazu, Vetternwirtschaftn großen Konzernen zu unterbinden. Deswegen müssenir in Zukunft dafür sorgen, dass die Zahl der Auf-ichtsratsmandate auf maximal fünf pro Person be-chränkt wird. Auch der Wechsel zwischen Vorstandnd Aufsichtsrat darf nicht mehr selbstverständlichein, sondern muss untersagt werden.
Sie sehen: Zur Herstellung von Transparenz und Ver-rauen ist noch einiges zu tun. Heute machen wir dafürinen wichtigen Schritt. Es wäre gut, wenn die FDP aushrer Ecke herausgekommen wäre. Das ist ihr nicht mög-ich gewesen. Wie gesagt, das wundert uns nicht. Aberir leiten heute die entsprechenden Maßnahmen fürehr Transparenz ein. Ähnliche Maßnahmen werdenir heute auch für Abgeordnete beschließen. Das ist sehrut so.Ich danke Ihnen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17311
)
)
Ich erteile das Wort Kollegin Sibylle Laurischk, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darfzu den Bemerkungen von Herrn Scholz vorweg eines an-merken: Es geht hier nicht nur darum, dass wir Transpa-renz schaffen, es geht auch darum, dass wir Eigentums-rechte wahren.
Dass nun gerade vonseiten der SPD eine völlig unter-schiedliche Problemlage angeschnitten wird und dieVorstandsvergütungen und die Abgeordnetenein-künfte in einen Topf geworfen werden, ist bezeichnend.Sie wissen nicht zu unterscheiden und wissen deshalbnicht, wovon Sie reden.
Zur Sache:
Es geht um Eigentumsrechte.
– Ich möchte Sie doch bitten, mir zuzuhören.
Seit über einem Jahr wird in der Öffentlichkeit und inder Politik über die Offenlegung von Vorstandsvergütun-gen diskutiert. Kurz vor der Wahl in NRW, die bekannt-lich für die SPD katastrophal ausging, legte uns dieBundesjustizministerin einen Gesetzentwurf vor, der ingrößter Eile ganz offenbar zu Wahlkampfzwecken imparlamentarischen Verfahren beraten wurde, und dies,obwohl Frau Bundesjustizministerin Zypries immer undmit Nachdruck angekündigt hatte, einen Gesetzentwurffür einen gesetzlichen Zwang zur Offenlegung frühes-tens im Herbst dieses Jahres vorzulegen.Die FDP hat sich schon im letzten Herbst mit ihremAntrag zur Konzernmitbestimmung und zur Stärkungvon Aufsichtsräten und Eigentümerrechten deutlichpositioniert.
Diese Position haben wir durch Einbringung eines eige-nen Gesetzentwurfs zur Offenlegung von Vorstandsver-gütungen noch einmal bekräftigt. Ein Gesetz zur Stär-kung der Eigentümerrechte liegt heute ebenfalls zurBeratung vor. Bereits dem Titel unseres Gesetzentwurfskönnen Sie entnehmen, worum es bei dieser Diskussioneigentlich gehen sollte: um die Stärkung der Rechte derEigentümer einer Aktiengesellschaft, also der Aktionäre.Denn diese sind die Einzigen, die ein gerechtfertigtes In-teresse an einer Offenlegung der Vorstandsgehälter ha-btAstssdcaEwstlRRdhDpsIeRfEmnAisszdwrleloGdeztnd
Metadaten/Kopzeile:
17312 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Immerhin dürfen wir uns über die Unterstützung derUnion freuen. Damit können wir, glaube ich, auch ein-mal die Mehrheiten im Bundesrat positiv beeinflussen.Verehrter Kollege Krings, man hat dem ersten Teil Ih-rer Rede ein bisschen angemerkt, dass Sie aus West-deutschland kommen. Sie wohnen in der Nähe vonAachen. Der erste Teil Ihrer Rede war zwar sicherlichlustig, aber für eine Nominierung für den „Orden widerden tierischen Ernst“ reicht sie nicht aus.
Wir stärken die Eigentümerrechte und schaffen mehrTransparenz. Vor allen Dingen kommen wir dem Deut-sgdvesaUbgNlsetgttsfgvegDdsnszoA–sAmMuIdasmsEshawelVe
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17313
)
)
– Mein lieber Kollege Krings, Sie haben mir gestern gutzugehört. Ich danke Ihnen dafür. – Es geht darum, dasswir Regelungen schaffen, die auch für die Länder undvor allem für die Kommunen – für die öffentlich-rechtli-chen Sparkassen zum Beispiel – gelten. Es ist doch gut,wenn wir uns sehr genau überlegen, was wir machen.Wir machen etwas; das Gesetz wird kommen. Wir wer-den das noch machen. Ich freue mich, dass Sie dies alsOpposition genau so sachlich und kompetent begleitenwerden, wie Sie es bisher begleitet haben.
Vielen herzlichen Dank, meine lieben Kollegen.
Ich erteile das Wort Kollegen Hartmut Schauerte,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Herr Staatssekretär Hartenbach, offensichtlich hatSie die Bemerkung des Kollegen Krings zur Frage, werin der Vergangenheit was blockiert hat, doch sehr getrof-fen.
Deswegen möchte ich die Fakten noch einmal in allerRuhe und in aller Sachlichkeit benennen. Von mehr als90 Gesetzgebungsvorhaben, die im Vermittlungsaus-schuss gelandet sind,
ist eines definitiv blockiert worden und gescheitert: Daswar das unglaublich wichtige Verfütterungsverbotsge-setz aus dem Bereich landwirtschaftlicher Ernährungs-fragen – ein ganz zentrales Gesetzgebungsvorhaben.Umgekehrt haben der Bundesrat und die Bundesländerin der zurückliegenden – man muss wohl sagen: in dernoch laufenden – Legislaturperiode über 100 Gesetzes-anträge eingebracht, von denen mit Ihrer Mehrheit über90 abgelehnt wurden. Seien Sie in Zukunft also vorsich-tig mit dem Blockadevorwurf; denn die Fakten sprechenganz eindeutig gegen Sie. Sie haben immer wieder eineBlockade gegen vernünftige Gesetzgebungsvorhabender Union praktiziert.
zdKpdDzDesiu„gEdasfgsthDwEJdedtdgO1gÜWnNbmgasatmDdg
Metadaten/Kopzeile:
17314 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Auch bei den Vorständen reden wir im Moment nur überdie Offenlegung der Gehälter. In der derzeitigen Diskus-sion über die Einkünfte der Abgeordneten geht es abernicht um die Gehälter, sondern um ihr sonstiges Einkom-men. Darüber reden wir bei Vorständen mitnichten. Dasist ein sehr wesentlicher Unterschied.
– Entschuldigung, die Fakten müssen doch geklärt wer-den. Das, was wir jetzt für Vorstände beschließen wol-len, ist für die Abgeordneten schon lange gesetzlich ge-regelt.
Die Offenlegung der Gehälter ist nicht nur für Abgeord-nete, sondern für den gesamten öffentlichen Dienst ge-setzlich geregelt. Jeder Bürger in dieser Republik kannsich danach erkundigen, was welcher Gemeindedirektorund was welcher Studienrat und Oberstudienrat verdient.Dadurch ist die Welt nicht zusammengebrochen. DieseArt von Transparenz haben wir bereits.
DbisddnlddlaeZüUgFeBdGbgggsDgDudAmzkdümRvaMs
Ich sage noch einmal: Wegen der besonderen Befan-enheit erscheint es uns nach gewissenhafter Prüfungeboten, sinnvoll und vernünftig, das Gesetz jetzt in die-er Form zu verabschieden.Eine letzte Bemerkung. Es ist ja interessant, dass dieebatte über das Entsendegesetz von der heutigen Ta-esordnung genommen worden ist. Im Rahmen dieserebatte zum Beispiel darüber zu diskutieren, ob die Artnd Weise, wie wir unseren Arbeitsmarkt entwickeln,er falsche Weg ist, wäre absolut sinnvoll gewesen.
ber Sie haben auf die Tagesordnung nur noch populis-usverdächtige Themen gesetzt. Um die Dinge durch-usetzen, die dieses Land wirklich braucht, haben Sieeine Kraft mehr. Das ist nun einmal so; das wurde heuteeutlich.
Ich kann Ihnen genau sagen, warum Sie die Debatteber das Entsendegesetz von der Tagesordnung genom-en haben. Der Grund ist, dass die SPD in ihrem neuenegierungsprogramm, das sie nach der Vertrauensfrageerabschieden will, nicht mehr auf das Entsendegesetzbheben, sondern grundsätzlich die Einführung einesindestlohns vorsehen will. Das ist der Hintergrund die-er Operation.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17315
)
)
Hartmut Schauerte
– Doch, das ist ein großer Gegensatz; das ist ein völliganderes Modell. – Ich wette mit Ihnen, dass Sie in IhremProgramm die Einführung eines generellen Mindest-lohns in Deutschland festlegen werden. Deswegen passtIhnen die bisherige Konzeption des Entsendegesetzesnicht mehr. Wir werden es erleben. Wir halten jedenfallsIhren Weg für falsch und schädlich.Dem Entwurf eines Gesetzes über die Offenlegungder Vorstandsvergütungen werden wir zustimmen. Ichdenke, dass die Wirtschaft das akzeptieren kann. Wirwerden sehen, ob sich das Gesetz in der Praxis bewährt.Möglicherweise kann man auch über eine Befristung re-den und diesen Bereich von einem gesetzlichen Zwangbefreien, wenn akzeptiert worden ist, dass solche Dingeoffen gelegt werden müssen. Das werden wir dann über-prüfen, wenn wir – hoffentlich – den klaren Auftrag un-serer Wähler bekommen haben, Sie abzulösen. Daraufarbeiten wir hin.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin
Abgeordnete der PDS.
Es ist schon erstaunlich, wie viel Zeit die Bundesre-
gierung den börsennotierten Unternehmen gelassen hat,
um die Vorstandsgehälter zu veröffentlichen: mehr als
drei Jahre. Im Februar 2002 wurde der Corporate-
Governance-Kodex vorgestellt. Dieser Kodex verlangt
von börsennotierten Unternehmen, dass die Vorstands-
vergütungen nicht mehr als Summe für alle Vorstands-
mitglieder, sondern dass die Vergütung jedes Einzelnen
veröffentlicht wird. Nach drei Jahren gibt es noch immer
hartnäckigen Widerstand von einigen Vorständen und
erst jetzt, kurz vor der Bundestagswahl, soll dazu ein
wahrlich zahnloses Gesetz verabschiedet werden.
Mich verwundert schon, dass sich deutsche Topmana-
ger so vehement gegen eine Veröffentlichung ihrer Ver-
gütung wehren. Man könnte annehmen, dass sie eine
Diskussion über die Höhe ihrer Gehälter fürchten. Of-
fensichtlich sind sie sich nicht sicher, ob die Höhe ihrer
Gehälter in der Öffentlichkeit gerechtfertigt werden
kann. Die Millionengehälter von Herrn Ackermann von
der Deutschen Bank oder Herrn Schrempp von Daimler-
Chrysler sind wirklich nicht zu rechtfertigen.
Warum wehren sich die Bundesregierung und die
konservative Opposition eigentlich gegen eine gesetzlich
verankerte Vergütungsobergrenze für Vorstände? Seit
l
u
m
Z
z
g
v
K
w
V
s
A
g
d
S
d
f
d
A
s
s
I
m
–
t
w
d
e
n
r
4
t
v
m
d
B
s
u
d
Metadaten/Kopzeile:
17316 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Wir, die SPD-Fraktion und sicherlich auch die Grü-nen-Fraktion, freuen uns, dass die Bundesregierung so-fort reagiert hat. Ich will deshalb ein Wort des Dankesauch an Sie, Frau Ministerin Zypries und Herr Staats-sekretär Hartenbach, richten.
Es war für uns vom Netzwerk Berlin eine Selbstver-ständlichkeit, dass wir unseren Gesetzentwurf zugunstendes Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen zurückzie-hen. An dieser Stelle will ich deutlich und klar sagen:Uns ist in der Tat wichtig, dass wir diesen Gesetzentwurfnicht gegen die Cromme-Kommission, sondern im Ein-vernehmen mit ihr verhandelt haben.Ein zweiter Punkt ist mir ganz besonders wichtig– ich erinnere an das, was Sie und auch der KollegeScholz angesprochen haben; wir werden das heute eben-falls noch beraten –: die Offenlegung der Nebenein-künfte von Abgeordneten. Das, was beide Gesetzent-würfe, die wir heute verabschieden werden, verbindet,ist das Thema Vertrauen: Bei den Managergehältern,über die wir heute Vormittag diskutieren, geht es um dasVertrauen der Anleger in ihre Aktiengesellschaften undin deren Vorstände; es geht um Anlegerschutz.
Heute Mittag geht es um das Vertrauen der Wählerinnenund Wähler in die wirtschaftliche Unabhängigkeit ihrerVolksvertreter. Das Vertrauen ist also das verbindendeElement beider Gesetzentwürfe. Wir brauchen beide Ge-setze und deswegen werden wir sie heute verabschieden.
Herr Staatssekretär, ich will Ihnen ausdrücklich dafürdanken, dass Sie mit Blick auf die öffentlichen Unter-nehmen – wohlgemerkt: öffentlichen, nicht börsenno-tierten; um öffentliche Unternehmen geht es in diesemGesetzentwurf nämlich nicht – angekündigt haben,
dass die Vergütungen auf allen drei Ebenen – in den Län-dern, in den Gemeinden und im Bund – veröffentlichtwerden.
Ich will auch erläutern, warum wir den Gesetzentwurfder FDP ablehnen. Ich stimme dem Kollegen Kringsausdrücklich zu: Nach den Vorstellungen der FDP sollteeHfAdcSavsniic–wGlsUFbzBaebmseImiFeVae
nd das ist gut so!Deshalb sage ich an dieser Stelle in Richtung derDP, die zu diesem Gesetzentwurf Nein sagen will: Sieehaupten doch sonst immer, ein Auge für die Wirtschaftu haben.
itte, sorgen Sie dafür, dass internationale Standardsuch in Deutschland gelten!
Wir verbinden mit diesem Gesetz das Anliegen, dasss unbürokratisch umgesetzt werden kann. Ein Über-lick hat uns schon klar gemacht, wie es andere Länderachen. Großbritannien hat es beispielsweise ge-chafft, die Pflicht, Managergehälter offen zu legen, ininer 27-seitigen Verwaltungsschrift zu regeln. Ich willhnen sagen: Wir schaffen das mit drei Artikeln. Dasacht deutlich, dass dieser Gesetzentwurf kurz, klar undntelligent ist. Wir bitten um Zustimmung.Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grüneningebrachten Gesetzentwurf über die Offenlegung derorstandsvergütungen, Drucksache 15/5577. Der Rechts-usschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschluss-mpfehlung auf Drucksache 15/5860, den Gesetzent-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17317
)
)
Präsident Wolfgang Thiersewurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Werstimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD,CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die übri-gen Stimmen angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-wurf ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU,Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP beiStimmenthaltung von zwei fraktionslosen Abgeordnetenangenommen.
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktionder FDP zur Stärkung der Eigentümerrechte einerAktiengesellschaft auf Drucksache 15/5582. Der Rechts-ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 15/5860, den Gesetz-entwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-setzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen desHauses gegen die Stimmen der FDP abgelehnt.Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung dieweitere Beratung.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten DagmarWöhrl, Karl-Josef Laumann, Dr. Peter Paziorek,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUEnergiepolitik für mehr Wachstum und Be-schäftigung– Drucksache 15/4844 –b) Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenDr. Peter Paziorek, Karl-Josef Laumann, DagmarWöhrl, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSUAuswirkungen des weltweiten Energie- undRessourcenbedarfs auf die globale Klimaent-wicklung– Drucksachen 15/3740, 15/5809 –c) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierungBericht der Bundesregierung zum Jahresgut-achten 2003„Welt im Wandel – Energiewende zur Nach-haltigkeit“ des Wissenschaftlichen Beirats derBundesregierung „Globale Umweltverände-rungen“– Drucksache 15/4155 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAWJrg–gnWvrASweeswwNsPGZdMeSlmtmEs
Die Wahrheit muss auch heute Morgen noch einmalesagt werden.1998 sind Sie mit der vollmundigen Ankündigung ei-er Energiewende angetreten.
as ist außer Verbalakrobatik daraus geworden? Nichtiel!
Beim Thema Energie – das müssen wir allerdings ein-äumen – haben Sie sich wesentlich eleganter aus derffäre gezogen als in anderen Politikbereichen. Ihrcheitern ist nicht so offensichtlich, deswegen aber nichteniger
klatant und nicht minder fulminant. In anderen Feldern,twa der Arbeitsmarktpolitik, haben sich der Wirt-chaftsminister und der Bundeskanzler Ziele gesetzt. Sieollten die Arbeitslosigkeit halbieren. Was daraus ge-orden ist, sehen wir jeden Monat bei den Zahlen ausürnberg.In der Energiepolitik haben Sie aus weiser Voraus-icht und in Erwartung Ihres Scheiterns erst gar keinrogramm auf- und vorgelegt. In sieben Jahren Rot-rün gab und gibt es kein Energieprogramm, in demiele und die Instrumente zur Erreichung derselben nie-ergelegt sind. Ihr Vorgänger, Herr Clement, der Herrüller, räumt mittlerweile auch öffentlich und freimütigin, man habe ein Energieprogramm einmal in derchublade gehabt, das aber überhaupt nicht mit den Rea-itäten in Einklang zu bringen gewesen sei; die Instru-ente und Aktivitäten, die entwickelt worden seien, hät-en auch überhaupt nicht zueinander gepasst, weshalban in weiser Voraussicht darauf verzichtet habe, diesesnergieprogramm überhaupt vorzulegen.Statt also mit einem konsistenten Energieprogrammeine Hausaufgaben zu machen und dieses Programm
Metadaten/Kopzeile:
17318 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Joachim Pfeifferdann auch abzuarbeiten, kamen in sieben Jahren leidervor allem nur ideologiegetriebenes Stückwerk und Hick-hack: Einzelaktionen, die nicht zueinander passen, Poli-tik mit Scheuklappen, gepaart mit einem großen Schussan Volksverdummung und Volksverhetzung, was insbe-sondere der Part von Herrn Trittin war und ist.Wo steht Deutschland heute, 2005,
energiepolitisch in Europa und in der Welt? Wir habenmittlerweile wieder die höchsten Energiepreise in Eu-ropa. Allein in den energieintensiven Branchen sind akut600 000 Arbeitsplätze gefährdet. Ich nenne als Stichwortdie Alu-Hütten in Nordrhein-Westfalen und Hamburg;das ist ja täglich nachzulesen.Ihre selbst gesteckten Klimaziele wurden klar ver-fehlt. Das, was erreicht wurde, wurde teuer erkauft.Viele strukturelle Probleme in der Energiewirtschaft,beispielsweise die hohe Einfuhrabhängigkeit, wurdenvon Ihnen nicht wirkungsvoll angegangen. Investitions-stau und Planungsunsicherheit herrschen in weiten Be-reichen der Energiewirtschaft. Entscheidungen über Mil-liardeninvestitionen in die Netze und in die Erneuerungdes Kraftwerksparks – allein 40 000 Megawatt sind ei-gentlich bis 2020 zu erneuern –
hätten angesichts der Planungsvorlaufzeiten bzw. desProzedere, das wir in Deutschland haben, heute eigent-lich schon getroffen werden müssen. Das ist aber nichtder Fall.Energiepolitik, meine Damen und Herren, sollte ei-gentlich zuvörderst Standortpolitik sein. Das ist eigent-lich ein selbstverständlicher Leitsatz, dem Sie aber nichtgefolgt sind. Wir brauchen wettbewerbsfähige Energie-preise im europäischen Kontext für Wirtschaft und Ver-braucher, damit wir für Wachstum sorgen und Arbeits-plätze schaffen,
damit wir die Konsumentensouveränität erhalten undstärken und damit wir die Nachfrage ankurbeln. Was istbei den Strompreisen passiert? 2 Milliarden Euro betru-gen die staatlich administrierten Abgaben und Belas-tungen bei Ihrem Regierungsantritt 1998. Was ist heutedaraus geworden? Sie belasten heute mit über 12 Mil-liarden Euro Wirtschaft und Verbraucher und schädigendamit die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes nachhal-tig. Die Steuer- und Abgabenlast der privaten Haushalteim Strombereich beträgt statt 25 Prozent im Jahr 1998heute 40 Prozent. Auch die Maßnahmen für mehr Wettbewerb, die vorIhrer Regierungsübernahme schon durch die schwarz-gelbe Bundesregierung initiiert wurden und anfangsdurchaus Wirkung gezeigt haben – es wurden nämlichLiberalisierungs- und Rationalisierungseffekte in einerGrößenordnung von 7,5 Milliarden Euro erzielt –, habenSSIdswdcsizsDaNbidfsmSgS1Dv–btSKlsidM715Krg
as Entry-Exit-Modell stand zwar auf der Agenda, warber im Gesetz nicht drin. Wesentliche Stellgrößen, wieetznutzungsentgelte im Bereich der Regelenergien, ha-en Sie nicht angepackt. Erst im Vermittlungsverfahrenst es gelungen, einen Kompromiss herbeizuführen undem Wettbewerbsgedanken neue Triebkraft zu verschaf-en.Lassen Sie mich auch noch etwas zum Klimaschutzagen. Sie haben sich auch hier große Ziele vorgenom-en. In Ihrer Koalitionsvereinbarung von 1998 habenie das Ziel vorgegeben, den CO2-Ausstoß bis 2005 ge-enüber 1990 um 25 Prozent zu reduzieren. Was habenie erreicht? 19 Prozent. Dabei waren 1998 schon3 Prozent durch die Kohl-Regierung erfüllt.
as heißt, trotz kostspieliger Anstrengungen in Formon Ökosteuer, EEG, Emissionshandel und KWK-Gall das sind Instrumente, die Sie eingeführt haben – ha-en Sie Ihre Klimaschutzziele, bezogen auf die absolu-en Zahlen, nicht erreicht. Und wie haben Sie das, wasie erreicht haben, erreicht? Zu hohen oder gar höchstenosten. Vor allem die erneuerbaren Energien sind näm-ich heute noch nicht wettbewerbsfähig, weder wirt-chaftlich in Bezug auf Stromerzeugung noch bezüglichhrer Klimaschutzwirkung.Lassen Sie mich das an dem Beispiel der Vermei-ungskosten deutlich machen. Das ist ein objektiveraßstab. Bei der Windenergie müssen mindestens0 Euro eingesetzt werden, um eine Reduktion vonTonne CO2 zu erreichen, bei der Photovoltaik gar00 Euro. Durch die Steigerung des Wirkungsgrades vonraftwerken oder durch Maßnahmen im Gebäudebe-eich – auf die dort vorhandenen Potenziale werde ichleich noch eingehen –
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17319
)
)
Dr. Joachim Pfeifferkönnen wir mit dem Einsatz von 5 bis 10 Euro den CO2-Ausstoß um 1Tonne reduzieren. Das heißt, wenn Klima-schutz wirklich das Gebot der Stunde ist, dann müssenwir ihn heute mit den Instrumenten betreiben, die wirk-sam und vor allem kosteneffizient sind. Das Gegenteildessen haben Sie gemacht.Wir werden eine andere Klimapolitik machen. Wirwollen Vorfahrt für Arbeit und Arbeitsplätze, Arbeitdurch Wachstum. Bei der Schaffung von Wachstumspielt die Energie eine große Rolle. Wir wollen keineDenkverbote bei der Energieforschung, eine marktwirt-schaftliche Rückbesinnung und vor allem einen nachhal-tigen, diversifizierten Energiemix, in dem alle Energie-träger ihren Platz haben und ihre spezifischen Vorteilegenutzt werden können. Das gilt für die fossilen Ener-gien, die, wie beispielsweise die Braunkohle, inDeutschland verfügbar sind, Versorgungssicherheit ga-rantieren und deren Abbau wirtschaftlich ist. In der For-schung müssen wir uns für die CO2-Reduktion – Stich-wort: CO2-freie Kraftwerke – einsetzen. Das gilt auchmit Blick auf die Abgase.Auch die erneuerbaren Energien sind Bestandteil desEnergiemix. Die erneuerbaren Energien spielen eine zu-nehmend wichtige, aber keine alleinige Rolle für denEnergiemix in Deutschland. Bis die erneuerbaren Ener-gien wettbewerbsfähig sind und bis beispielsweise dieCO2-Reduktion bei den fossilen Energien technischmöglich und wirtschaftlich umsetzbar ist, brauchen wireine Brücke in die Zukunft. Diese Brücke in die Zukunftbildet für uns die Kernenergie. Um sie zu beschreiten,werden wir die Laufzeiten der Kernenergieanlagen, amspezifischen Sicherheitsniveau orientiert, verlängern.Damit werden wir auch volkswirtschaftliche Potenzialefür die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands heben kön-nen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen; Sie ha-
ben Ihre Redezeit bereits deutlich überschritten.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Wir werden darüber hinaus einen weiteren Schwer-
punkt im Bereich der energetischen Sanierung setzen.
Herr Kollege, keinen weiteren Schwerpunkt! Sie
müssen zum Schluss kommen; Sie haben Ihre Redezeit
deutlichst überschritten.
Bei Ihnen; da macht es nichts aus.
g
E
W
v
B
v
w
n
C
u
f
n
r
W
w
g
u
w
m
s
I
w
D
d
w
s
–
d
n
s
D
i
T
m
g
Ich erteile das Wort dem Bundesminister Wolfganglement.Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftnd Arbeit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Unionragt in ihrem Antrag, der dem Hohen Haus vorliegt,ach dem energiepolitischen Konzept der Bundesregie-ung. Herr Kollege Pfeiffer hat das gerade auf seineeise noch einmal deutlich zu machen versucht. Ich ant-orte ihm, dass sich das Energiekonzept der Bundesre-ierung dadurch auszeichnet, dass es zukunftsfähig istnd den Unternehmen Planungssicherheit bietet; daserde ich gleich darstellen.
Nachdem ich seine Rede aufmerksam verfolgt habe,uss ich sagen: Das Energiekonzept der Union zeichnetich dadurch aus, dass es keines gibt.
ch meine, Sie sollten Ihre Energie lieber auf die Ent-icklung eines solchen Energiekonzeptes konzentrieren.as, was Sie mit Ihrem Antrag, den ich studiert habe,argelegt haben und was eben hier öffentlich erörtertorden ist, habe ich, ehrlich gesagt, als Energiever-chwendung empfunden.
Das Energiekonzept der Bundesregierung bedeutetdas ist bekannt – einen ausgewogenen Energiemix, zuem die Kernenergie auf die Dauer, wie es vereinbart ist,icht mehr gehört. Das ist einer der Unterschiede zwi-chen uns, über den wir uns auseinander setzen werden.ie Bilanz der Energiepolitik, die wir vorlegen können,st meines Erachtens positiv. Der beste Beweis ist dieatsache, dass die Energieversorgungsunternehmen un-ittelbar nach der Verabschiedung des EnWG, des Ener-iewirtschaftsgesetzes, erklärt haben, dass sie Investitionen
Metadaten/Kopzeile:
17320 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Bundesminister Wolfgang Clementin einer Größenordnung von rund 19 Milliarden Eurovornehmen werden.
Erst gestern las ich eine Meldung von Vattenfall, dasses seine Investitionen noch einmal um 1 Milliarde Euroerhöhen wird. Ich frage mich wirklich, wie Sie allenErnstes in Ihrem Antrag schreiben können, durch das,was wir täten, insbesondere durch das EnWG, würdenInvestitionen verhindert und Arbeitsplätze gefährdet.Wenn wir einigermaßen vernünftig miteinander umge-hen wollten, müssten Sie einen solchen Antrag sofort zu-rückziehen.
Das entspricht doch wirklich nicht dem, was wir verein-bart und woran wir gemeinsam gewirkt haben.Ich frage mich gelegentlich – das mag altersbedingtsein –, wozu die Auseinandersetzungen, die Sie mit Be-hauptungen führen, die nichts mehr mit der Realität zutun haben, dienen sollen.
Sie haben gerade dem Energiewirtschaftsgesetz zuge-stimmt, mit dem Investitionen in Netze und Anlagen inHöhe von vielen Milliarden Euro ermöglicht werden.Wir haben meines Erachtens die Weichen in RichtungEnergiemix richtig gestellt. Dazu gehören hocheffi-ziente und klimaverträgliche fossile Energien. Dazu ge-hört auch das CO2-arme Kraftwerk. Die Experten erwar-ten, dass es bis zum Jahr 2020 fast CO2-freie Kraftwerkegibt. Das erste Pilotkraftwerk dieser Art wird jetzt ver-mutlich – Vattenfall hat es so angekündigt – in Deutsch-land errichtet. Es soll im Jahr 2008 fertig gestellt sein.Um es Ihnen klar und deutlich zu sagen: Aus meinerSicht ist das die Antwort, die die BundesrepublikDeutschland auf die Frage nach der Kernenergie gebensollte.
Diese Antwort ist richtig, weil die neuen Kraftwerke kli-maverträglich sind.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage desKollegen Schauerte?Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Nein. Ich bitte um Verständnis.
Zum anderen gehört zu einem zukunftsfähigen Ener-giemix, dass wir im Rahmen einer vernünftigen Gesamt-strategie die technologische Weiterentwicklung auf demGebiet der erneuerbaren Energien vorantreiben. Wirhaben uns das Ziel gesetzt, bis 2020 einen Anteil von20 Prozent der erneuerbaren Energien an der Stromver-sWnMSdvedNdmEdTmDEpuErGcanpaÖDgslgfdÖwwslbLe2BAb
erade an die USA muss man appellieren, in einer sol-hen Zeit endlich die notwendigen Raffineriekapazitätenufzubauen. Die geringen Kapazitäten sind nämlich ei-er der wesentlichen Gründe, warum die USA die euro-äischen Märkte leer kaufen und warum die Situationm Ölmarkt so angespannt ist.
Der Bundeskanzler war es, der angeregt hat, über denlpreis auf dem G-8-Gipfel in Gleneagles zu sprechen.as wird auch geschehen. Der Bundeskanzler ist übri-ens auch derjenige, der die Beziehungen zu Russlando entwickelt hat, dass es eine absolut sichere und vor al-en Dingen ausbaufähige Energiepartnerschaft gibt – dasilt für die Partnerschaft mit Russland insgesamt –, dieür unsere Energieversorgung von außerordentlicher Be-eutung ist und die wir pflegen müssen.
Schließlich müssen wir mit der Strategie „Weg voml“ weitermachen. Ich habe wenig von Ihnen gehört,ie Sie mit der Ölpreissituation umgehen wollen. Wirerden aus meiner Sicht den Anteil alternativer Kraft-toffe steigern müssen. Der Anteil der Biokraftstoffeiegt zurzeit bei 1,8 Prozent. Wir werden hier wie auchei der Energieeinsparung als eines von ganz wenigenändern das europäische Ziel erreichen. Wir werden mitiniger Sicherheit im Jahre 2005 einen Anteil vonProzent erreichen. Im Jahr 2010 wird der Anteil deriokraftstoffe bei über 5 Prozent liegen. Die deutscheutomobilindustrie geht davon aus, dass dieser Anteilis 2020 bei einer Größenordnung von 10 Prozent liegt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17321
)
)
Bundesminister Wolfgang ClementDas ist wichtig für die Landwirtschaft wie auch für dieSicherstellung der Energieversorgung in unserem Land.Um es kurz und knapp zu sagen, Herr KollegePfeiffer: Wir sichern die Energieversorgung am zuver-lässigsten, wenn wir Investitionen in unseren Standortattraktiv machen.
– Herr Kollege, ich war gerade in Ihrem Wahlkreis. Eshat mir dort unten ausgesprochen gut gefallen. Ich habeaber von Ihnen nichts zur Energiepolitik gehört.
– Ich war in Ihrem Wahlkreis. Mir ist gesagt worden, Sieseien dort nicht gesehen worden.
Ich hatte dort ausgesprochen nette Gesprächspartner.Deshalb bitte ich um Entschuldigung für meine Bemer-kung.Attraktiv heißt jedenfalls erstklassige und stabileRahmenbedingungen sowie Anreize für Investitionen inKraftwerke und in Leitungen. Dazu haben wir mit demEnergiewirtschaftsgesetz einen großen Schritt getan.Ich sage ganz offen: Ich bin allen Beteiligten – auchdenen von Ihrer Seite –, die daran mitgewirkt haben,sehr dankbar dafür, dass wir einen Kompromiss zustandegebracht haben, sodass der Entwurf eines Energiewirt-schaftsgesetzes noch verabschiedet werden konnte. Dasist von großer Bedeutung.Noch ein Wort zur Aluminiumindustrie. Sie solltenzur Kenntnis nehmen, dass die Aluminiumindustrie inganz Europa unter Druck ist. Das ist kein deutsches Pro-blem. Es ist auch nicht mit der Ökosteuer zu begründen.Ich hätte gerne von Ihnen gehört, was Sie, wenn Sie dieÖkosteuer abschaffen wollen, stattdessen tun wollen;aber lassen wir das jetzt.Sie sollten zur Kenntnis nehmen, dass beispielsweiseNorsk Hydro, das Unternehmen, mit dem die Alumi-niumindustrie hier viel zu tun hat, auch in Norwegenzwei Hütten stilllegt. Wir reden hier über ein Problem,das uns am Standort Deutschland insgesamt sehr be-schäftigt. Wir werden alles tun, um die jetzigen Stand-orte, soweit es irgendwie geht, zu erhalten. Wir sind mitallen beteiligten Unternehmen sowohl auf der Stromver-sorgungsseite als auch auf der Seite der Aluminium-industrie im Gespräch. Ich meine, dass es – um es klarzu sagen – im Interesse von RWE und Vattenfall seinsollte – dabei geht es um die Standorte in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Stade –, die Aluminiumindus-trie als Kunden in unserem Land zu halten. Das sollte, soschwierig das im Moment angesichts der Preissituationist, das Interesse der Stromversorgungsunternehmensein. Aber auch die Aluminiumindustrie sollte ab-schlusswillig sein. Sie darf die Verantwortung nicht aufdie Politik verlagern. Da wäre sie nicht richtig.bdgSmWdIrnESmdlidemagcsURddgeTwCmSlaUmudmdhteKhE
Kurz und gut, klimaverträgliche fossile Energien plusine Gesamtstrategie für die erneuerbaren Energien,ehr Energieeffizienz auch im Sinne einer höheren Un-bhängigkeit vom Öl und erstklassige Rahmenbedingun-en für die Energiebranche, darum geht es. Das versu-hen wir herzustellen.Wenn wir in diesem Zusammenhang über die Wirt-chaftlichkeit sprechen, dann gehört dazu auch, dass dennternehmen die Möglichkeit eröffnet wird, ihreeduktionsverpflichtungen aus dem Emissionshan-el möglichst kostengünstig und flexibel zu erfüllen, in-em sie auch ihre im Ausland erzielten Minderungen an-erechnet bekommen. Dazu hat die Bundesregierunginen Entwurf vorgelegt; ich nehme an, mein Kollegerittin wird dazu etwas sagen. Ich bitte Sie, diesem Ent-urf zuzustimmen. Sie sagen, dass die Maßnahmen derlean Development Mechanism und des Joint Imple-entation vollkommen fehlen. Der Gesetzentwurf ist da.timmen Sie ihm zu! Dann haben wir eine weitere Ent-stung der Energieindustrie.
nterschätzen Sie das nicht! Das sage ich nicht aus pole-ischen Gründen. Ein ganz wichtiger Gesichtspunkt innseren Gesprächen mit der Aluminiumindustrie ist,ass wir längerfristig eine Perspektive für den Umgangit dem Emissionshandel bieten können. Auch dort sindie Preise durch Spekulationen inzwischen ziemlichoch.Machen Sie den Weg frei, sodass wir die Möglichkei-n des Joint Implementation und die Instrumente, die imioto-Protokoll vorgesehen sind, nutzen können! Dannaben Sie einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, dienergiepreise in den Griff zu bekommen.Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
Metadaten/Kopzeile:
17322 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Ich erteile das Wort Kollegin Gudrun Kopp, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da-men! Herr Minister Clement, in der heutigen Energie-debatte müssen wir festhalten, dass Sie in der zurücklie-genden Legislaturperiode den Kampf um die richtigeEnergiepolitik, das heißt um Wettbewerbsfähigkeit, Ar-beitsplätze und die Entlastung von Verbrauchern,schlicht verloren haben.
Denn die richtige Energiepolitik hat auch eine wichtigeSozialkomponente.Wie das zusammenhängt, möchte ich Ihnen kurz dar-stellen. Die Strompreise für Endverbraucher, also fürHaushalte und Gewerbe, liegen nach Auskunft der Bun-desregierung – dies ist in einer Drucksache nachzulesen –in allen Abnahmebereichen an der Spitze Europas. EinBeispiel eines mittelständischen Maschinenbauers inDeutschland: Er musste im Jahr 2003 eine Stromrech-nung von im Durchschnitt circa 9 100 Euro bezahlenund sein Kollege in Schweden eine Stromrechnung vonnicht einmal der Hälfte, nämlich von 4 083 Euro.
Das ist ein Standortnachteil, den Sie mit Ihrer rot-grünenEnergiepolitik in den zurückliegenden Jahren verursachthaben. An dieser Bilanz kommen Sie auch am heutigenMorgen nicht vorbei.
Wir wissen, dass die Strompreise inzwischen zu41 Prozent durch staatliche Belastungen verursachtwerden. Ich nenne die Fakten: die Stromsteuer, die Be-lastungen durch das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz unddas Erneuerbare-Energien-Gesetz.
– Die Mehrwertsteuer ist natürlich ebenso dabei wie dieKonzessionsabgaben.Die Belastungen auf den Energiepreisen haben sichseit Ihrem Regierungsantritt versechsfacht, Herr KollegeHempelmann.
Auch das gehört zu der Bilanz Ihrer Energiepolitik.
Über 7 Milliarden Euro betragen die Zusatzkosten
für die Zwangseinspeisung nach dem Erneuerbare-Ener-gien-Gesetz, wenn man diese mit den Strompreisen ander Leipziger Börse vergleicht.dZemssLCtrmzWBkIWgngeswsvwWfd–zUwzdte4T
ch möchte Ihnen daher erklären, worum es uns geht.ir möchten, dass Markt und Wettbewerb wieder Raumreifen, dass Vernunft zurückkehrt und Ideologie sichicht ausbreiten kann. Wir legen Wert auf einen Ener-iemix, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Wir wolleninen ausgewogenen Energiemix, der nicht politisch be-timmt wird, sondern sich nach Markt- und Wettbe-erbsgegebenheiten richtet.In unserem energiepolitischen Programm sind die fos-ilen Energien genauso wie die erneuerbaren Energienorgesehen. Die erneuerbaren Energien dürfen nichteiter überfördert werden, sondern müssen sich imettbewerb bewähren. Es darf nicht sein, dass sie Über-örderung zulasten der Steuerzahler und der Stromkun-en genießen.
Ganz richtig, Herr Kollege Tauss.Sie haben die Laufzeiten der Kernkraftwerkewangsweise beschlossen.
ns ist wichtig, dass daran nicht so einfach festgehaltenird. Ich nenne Ihnen dafür ein Beispiel. Wenn die Lauf-eiten der bestehenden Kernkraftwerke ausgenutzt wür-en –
chnisch und sicherheitstechnisch sind im Schnitt0 Jahre vorgesehen –, dann könnten wir 500 Millionenonnen CO2 einsparen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17323
)
)
Gudrun KoppWir könnten damit enorme volkswirtschaftliche Ge-winne erzielen. Auch dieser Punkt muss hier einmal ge-nannt werden.Das Energiewirtschaftsgesetz haben wir inzwischengemeinsam im Vermittlungsverfahren auf den Weg ge-bracht. Mir liegt daran, zu sagen: Auch wir wollten einZeichen dafür setzen, dass ein Rahmenprogramm undRechtssicherheit für die Energieunternehmen inDeutschland gegeben werden und sie nicht länger auf dienötigen Beschlüsse warten müssen. Ich bin ganz beson-ders froh darüber, dass es uns im Rahmen des Vermitt-lungsverfahrens auch gelungen ist, die bürokratischenLasten, nämlich über 130 Berichts- und Veröffentli-chungspflichten, um 75 Prozent zu senken. Das war sehrgut.Wir möchten einen Neustart. In Nordrhein-Westfalenhaben wir, CDU und FDP, ihn bereits eingeleitet. Bei derSubventionierung der Steinkohle haben wir Fakten ge-schaffen. Auch beim Thema Windenergie sind wir vo-rangegangen und haben Abstandsflächen zur Wohnbe-bauung eingezogen,
nämlich 1 500 Meter, weil es uns in erster Linie um dieMenschen und nicht um Ideologie geht.
Wir legen Wert auf Forschung und Entwicklung, undzwar in allen Bereichen. Wir möchten keine Denk- undForschungsverbote. Deshalb verfolgen wir auch dasZiel, in der Fusionsforschung voranzukommen. Wie Siewissen, wird in Frankreich von hoch qualifizierten Wis-senschaftlern der erste ITER-Forschungsreaktor gebaut.Wir möchten, dass sich daran auch deutsche Wissen-schaftler beteiligen und das Know-how, das sie haben,einbringen können.Ich glaube, dass ab morgen, nachdem sich auch Rot-Grün zur Vertrauensfrage geäußert hat, neue Zeiten an-brechen – nicht nur neue energiepolitische Zeiten, son-dern auch ein Neustart,
der im Interesse unseres Landes, seiner Menschen, derSchaffung von Arbeitsplätzen und eines besseren Wirt-schaftens in Deutschland dringend notwendig ist.Vielen Dank.
Ich erteile der Kollegin Michaele Hustedt, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!Herr Pfeiffer, wenn Sie sagen, wir hätten keine Ener-giewende durchgesetzt und wir hätten kein Energiekon-zept, kann ich nur mit den Worten von Minister ClementaudWCGhwelDbIghiwgWmdEAHddnmspDBaWC
as Ergebnis ist, dass die Stromkonzerne zugesagt ha-en, 20 Milliarden Euro zu investieren; das ist das größtenvestitionsprogramm, das in der Bundesrepublik zurzeiteplant ist.
Wir haben unser Konzept umgesetzt. Sie allerdingsaben gar keines. Sie selbst sagen, dass Sie Ihr Konzeptm Jahre 2007 – man höre: im Jahre 2007 – vorlegenollen. Wofür haben Sie eigentlich Ihre Oppositionszeitenutzt?
arum haben Sie nicht schon seit langem ein gemeinsa-es Konzept erarbeitet, das Sie jetzt vorlegen könnten,amit der Wähler weiß, was von Ihnen zu erwarten ist?
Sie sind sich nicht einig. Beim Thema erneuerbarenergien zum Beispiel vertreten Sie unterschiedlicheuffassungen. Die Positionen von Herrn Lamp underrn Pfeiffer stehen sich diametral gegenüber.
Ich sage Ihnen: Unter der Überschrift „Angleichunger Instrumente“ spekulieren Sie auf die Abschaffunges EEG, sagen es aber nicht offen. Wenn man dann ge-au hinsieht, was Sie in Nordrhein-Westfalen tun, stelltan fest, dass Sie dort, zum Beispiel durch das Ab-tandsgebot, eine Windkraftinvestitionsverhinderungs-olitik betreiben. Das ist die Realität.
aher fordere ich Sie auf: Lassen Sie, was die jungeranche der erneuerbaren Energien betrifft, die Katzeus dem Sack. Sagen Sie vor und nicht erst nach derahl, ob die erneuerbaren Energien bei Ihnen einehance haben.
Metadaten/Kopzeile:
17324 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)Michaele HustedtBeim Thema Verlängerung der Laufzeiten derAtomkraftwerke verhalten Sie sich eindeutiger. Dazumuss ich sagen: Laufzeitverlängerungen führen erstensdazu, dass das Investitionsprogramm, das jetzt auf denWeg gebracht werden soll, gefährdet wird. Zweitenserhöhen sie die Sicherheitsgefahren; denn Kraftwerkewerden, je länger sie in Betrieb sind – vor allem in derEndphase –, immer unsicherer. Drittens gefährden siedie Integration der erneuerbaren Energien ins Netz; dennAtomkraftwerke sind am unflexibelsten; der von ihnenproduzierte Strom kann am wenigsten mit den erneuer-baren Energien gemixt werden. Viertens gefährden siedie Versorgungssicherheit.Frankreich hat aktuell angekündigt, keinen Strommehr nach Deutschland liefern zu können; denn dortmüssen Atomkraftwerke in absehbarer Zeit wahrschein-lich wieder vom Netz genommen werden, weil die Küh-lung wegen der großen Hitze nicht mehr organisiert wer-den kann. Das ist ein Fakt. Deswegen sage ich Ihnen:Eine Kombination aus Energieeinsparung, Energieeffi-zienz, erneuerbaren Energien und Atomausstieg ist einebessere Klimaschutz- und eine bessere ökonomischeStrategie als das, was Sie hier vorlegen.
Mir liegt am Herzen, noch etwas zur Debatte über dieKosten zu sagen; denn die Art und Weise, wie sie – ins-besondere von der CDU/CSU – geführt wird, ist verlo-gen bis zum Abwinken. Sie sprechen von staatlichenAuflagen, aber die Konzessionsabgabe wollen Sie nichtabschaffen; jedenfalls habe ich nichts Derartiges gehört.Sie schimpfen über die Ökosteuer, aber Frau Merkel hatauf der VDEW-Jahrestagung klipp und klar gesagt: DieÖkosteuer wird beibehalten, wir brauchen sie zur Ge-genfinanzierung der Renten. Ich sage Ihnen eines: IhreStrategie, die sozialen Sicherungssysteme verstärktdurch Mehrwertsteuer, also durch indirekte Steuern zufinanzieren, ist genau die Strategie, die wir mit der Öko-steuer eingeschlagen haben. Der Unterschied liegt nurdarin, ob das über die Mehrwertsteuer oder eine Öko-steuer erfolgen soll. Nebenbei gesagt: Eine Erhöhungder Mehrwertsteuer um 3 bis 4 Prozentpunkte würde na-türlich auch die Energiepreise erhöhen.
Also lassen Sie die Kirche bitte im Dorf.Zum nächsten Punkt, zur Förderung der erneuerba-ren Energien: Was denn nun? Entweder Sie wollen dieFörderung der erneuerbaren Energien – dann wird dasauch weiterhin etwas kosten – oder Sie wollen sie nicht.Damit bin ich wieder beim Thema: Lassen Sie bitte dieKatze aus dem Sack, und zwar vor der Wahl und nichthinterher!
Es geht nicht nur um die heute entstehenden Kosten,ondern es geht auch um die Kosten in der Zukunft.enn Sie sich die Entwicklung des Ölpreises an-chauen – dieses Thema kommt in Ihren Gedanken nochicht einmal vor, weder im Antrag noch in Ihren Reden;a hat Minister Clement Recht –, müssen Sie doch fest-tellen: Da droht ein Problem für die wirtschaftliche Ent-icklung. Denn wenn der Förderhöhepunkt einmal über-chritten ist – ob das nun in den nächsten Jahren ist oderrst in zehn Jahren –, wird der Ölpreis gegebenenfallsicht mehr bei 60 Dollar pro Barrel liegen, was die wirt-chaftliche Entwicklung schon jetzt gefährdet, sondernei 100 oder 200 Dollar pro Barrel. Was sind Ihre Ant-orten auf diese Frage?
ichts! Gar nichts! Wir haben unsere Antworten auf denisch gelegt.
Abschließend möchte ich mich noch ganz herzlichedanken.
Herr Schauerte, die Anzeige blinkt schon; deswegenassen Sie mich das noch kurz sagen. – Sie wissen, diesst meine letzte Rede im Bundestag; ich werde nichtehr kandidieren. Ich möchte mich bei allen Kollegenller Parteien ganz herzlich für die gute Zusammenarbeitedanken. Ich weiß, dass es für alle Mitglieder des Um-eltausschusses nicht immer einfach ist, in diesen harteneiten ihre Anliegen durchzusetzen. Ich wünsche mir,ass die Kollegen aller Parteien da in Zukunft noch en-er zusammenarbeiten. Ich danke auch den Kollegen imirtschaftsausschuss, insbesondere natürlich den ener-iepolitischen Sprechern. Ich glaube, es war immer eineute Zusammenarbeit. Es war nicht immer bierernst, wiraben auch mal zusammen gelacht. Gerade im Wirt-chaftsausschuss ging es manchmal ganz lustig zu.
Ich wünsche Ihnen allen eine gute Zukunft.
ch wünsche Ihnen einen fairen Wahlkampf und ichünsche, dass die richtige Politik gewinnt.Danke schön.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17325
)
)
Ich erteile das Wort Kollegen Peter Paziorek, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Heute debattieren wir auch über das Jahresgutachten desWissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung „Glo-bale Umweltveränderungen“, und zwar zu dem Thema„Welt im Wandel – Energiewende zur Nachhaltigkeit“.Im Namen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchteich zunächst den Sachverständigen für dieses Gutachtenausdrücklich danken.
Mit vielen Handlungsempfehlungen des Sachverständi-genrats über eine in sich schlüssige und konsistente Um-welt- und Energiepolitik stimmen wir überein, auchwenn wir nicht alle Ziele im Detail teilen. Ich will be-wusst die Übereinstimmungen aufzählen: zum Beispieldie Erhöhung der Energieproduktivität, der Ausbau dererneuerbaren Energien, die Beseitigung der globalenEnergiearmut, die Verbesserung der Entwicklungszu-sammenarbeit oder die Erhöhung der Anstrengungen imBereich Forschung und Entwicklung.Frau Hustedt, Sie haben gerade die erneuerbarenEnergien angesprochen. Ich hatte gesagt, dass wir mitden Forderungen des Sachverständigenrats übereinstim-men. Auf Ihre politischen Vorwürfe bezogen auf die an-gebliche Bandbreite der Meinungen in der Union sageich Ihnen ganz deutlich: Sie werden niemanden in mei-ner Fraktion finden, der nicht zu dem Ziel steht, den An-teil der erneuerbaren Energien in Deutschland bis zumJahr 2010 auf 12,5 Prozent zu erhöhen.
Warum leugnen Sie das? Wir waren immer dafür.Wenn Sie als Beispiel anführen, dass in Nordrhein-Westfalen durch die neue Koalition von CDU und FDPjetzt ein Erlass in Vorbereitung ist, der die Windradan-siedlung erschwert, muss ich Ihnen für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion klar und deutlich sagen: ErneuerbareEnergien sind mehr als Windenergie. Es gibt auch an-dere Bereiche, die wir fördern wollen.
Diese Konzentration auf die Windenergie ist fachlichund sachlich falsch.Ich sage den Anhängern der Windenergie aber auch:Wir werden uns im Bereich Offshore – Nordsee, Ostsee –nicht von der Diskussion verabschieden.
Wir werden uns auch nicht von der Diskussion darüberverabschieden, wie bestehende Windparks repowered– das ist der Fachausdruck –, also erneuert werden kön-nen. Aber wir müssen neue Akzente setzen; in den Be-rCIihbwüzzsgnnuFKmEknszwprltAWhwssAzide2–
Metadaten/Kopzeile:
17326 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
– Der Herr Bundeswirtschaftsminister ruft dazwischen.Vielleicht hat er ja noch die Möglichkeit, einige Sätzedazu zu sagen.Herr Minister Trittin, Sie werden hier gleich noch re-den. Die Fragen der Opposition lauten: Stimmt es, dassDeutschland im Vorfeld des Gipfels beim Klimaschutzbremst? Gibt es in der rot-grünen Bundesregierung un-terschiedliche Vorstellungen zur internationalen Klima-schutzpolitik?
Herr Minister Trittin, warum haben Sie die seit langemangekündigte Neufassung des Klimaschutzprogrammsaus dem Jahre 2000 noch nicht vorgelegt?Ich weiß, was Sie gleich sagen werden. Sie werdensagen, dass Sie das Klimaschutzprogramm in der Kabi-nettsitzung am 6. Juli 2005 verabschieden werden. Hiergeht es Ihnen genauso wie bei der Vorlage Ihres Konzep-tes zur Endlagersuche: Jetzt, da politisch das Ende derLegislaturperiode zu erkennen ist, dürfen Sie wieder mitVorschlägen, zum Beispiel zur Endlagerpolitik, heraus-kommen. Jetzt auf einmal dürfen Sie auch ein Klima-schutzprogramm vorlegen, das Sie schon seit Anfangdieses Jahres angekündigt haben. Aber so können wir in-ternational im Vorfeld einer wichtigen Konferenz keineGlaubwürdigkeit erreichen. Deshalb müssen wir wissen,was Sie in dieser Frage überhaupt wollen.
Ein Hinweis von uns: Mit einer solchen Bilanz brau-chen Sie, Herr Minister, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der rot-grünen Koalition, nicht in den Wahlkampf zuziehen. Unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzessind all die hehren Ziele, die Sie in der Koalitionsverein-barung festgelegt haben, nicht erreicht worden.Unsere Aufgabe ist es – das kann man nicht so vomTisch wischen, wie es der Wirtschaftsminister getan hat –,den Spagat zu bewältigen, den Energiemix in Deutsch-land neu auszurichten und die dadurch entstehende Kos-tdstdanlGguakrAnePsfasS–lwlbSesDbSn
aran sieht man doch, dass Sie die Augen vor den Pro-lemen, die wir lösen müssen, verschließen.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort Kollegen Rolf Hempelmann,
PD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Herr Dr. Pfeiffer – Pfeiffer mit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17327
)
)
Rolf Hempelmanndrei f –, anscheinend hat es auf einem der vielen Som-merfeste auch Feuerzangenbowle gegeben. Anders kannich mir das, was Sie heute vom Stapel gelassen haben,nicht erklären. Wir arbeiten ja seit Jahren im Wirt-schaftsausschuss zusammen. Ich glaube, so weit kannman sich von der Realität nicht mehr entfernen, wie Siedas gerade in Ihrem Beitrag gemacht haben.
Zu der Forderung, ein Energieprogramm vorzule-gen, die Sie immer gestellt haben, der Sie aber selber inIhrer Regierungszeit über die gesamten 90er-Jahre hin-weg nicht nachgekommen sind, ist zu sagen, dass in Zei-ten einer liberalisierten Energiewirtschaft die Zeit derProgramme mehr oder weniger vorbei ist. Wir könnendoch keine Energieprogramme auflegen und dann erwar-ten, dass sie sozusagen von Dritten abgearbeitet werden.Was wir entwickeln können – darüber ist hier heute ge-sprochen worden –, sind Konzepte. Diese können wirdann überzeugend abarbeiten.Wir haben in dieser Legislaturperiode beispielsweiseeine Energieagenda abgearbeitet, und zwar mit großemErfolg, mit großer positiver öffentlicher Resonanz. Neh-men wir nur das EEG, das Sie gerade wieder gescholtenhaben. Gleichzeitig versuchen Sie aber, in Nebensätzenimmer einzuflechten, dass Sie natürlich zu den erneuer-baren Energien stehen
– das nehme ich Ihnen persönlich auch ab, Herr Paziorek –und dass Sie einen Anteil der erneuerbaren Energien von12,5 Prozent im Jahre 2010 erreichen wollen. Wenndann aber einige in Ihrer Fraktion, wenn auch nicht Siepersönlich, die erneuerbaren Energien diffamieren, in-dem sie so tun, als könne die Bedeutung der erneuerba-ren Energien ausschließlich an ihrem Beitrag zur Sen-kung der CO2-Emissionen gemessen werden, dann istvöllig klar, dass viele von Ihnen die erneuerbaren Ener-gien nicht wirklich wollen. Sie müssen sie aber schondeswegen wollen, weil die fossilen Ressourcen irgend-wann zu Ende gehen. Wir müssen heute handeln, ummorgen vorbereitet zu sein.
Wir haben das EEG novelliert. Wir haben dabei diezum Teil berechtigten Kritikpunkte aufgenommen undinsbesondere dafür gesorgt, dass die Kosteneffizienzdes EEG gesteigert worden ist. Da ist immer noch Luftund da gibt es immer noch Verbesserungsmöglichkeiten;das will ich überhaupt nicht in Abrede stellen. Auch beider Windenergie wird man sich sicherlich weiter darüberverständigen müssen, wie man die Netzintegration vonWindenergie verbessert, um auch die ökonomischen Ef-fekte, von denen Sie gesprochen haben, zu erzielen.
Das ist in Ordnung so. Sie sollten aber auch anerkennen,dass wir auf diesem Weg schon erheblich weitergekom-men sind. Die Degression der Förderung gerade derWvAzRWuFGgIfWwAEduwEdggGkWgEdagvIuSzHmtwEdmcmsSdVa
ch glaube, dass man auch das der Ehrlichkeit halber of-en ansprechen sollte.
ir haben also das EEG durchaus erfolgreich weiterent-ickelt, was arbeitsmarktpolitische Effekte hatte und zunkündigungen von Investitionen führte.Genauso verhält es sich mit dem Emissionshandel.s ist richtig, dass der erste Entwurf, der damals vom fe-erführenden Ministerium vorgelegt worden ist, auch beins zum Teil kritisch gesehen wurde. Wir haben ihn abereiterentwickelt und dafür gesorgt, dass durch denmissionshandel der Energiemix nicht gefährdet, son-ern befördert wird. Wir haben in diesem Bereich auf-rund unserer Regelungen Ankündigungen aus der Ener-iewirtschaft, dass es umfangreiche Investitionen inaskraftwerke, in Braunkohlekraftwerke und in Stein-ohlekraftwerke geben wird. Das ist gut so. Das schafftertschöpfung in Deutschland. Das schafft Unabhän-igkeit, jedenfalls in dem Umfang, den wir als vomnergieimport abhängiges Land erreichen können. Ichenke, das ist zu würdigen. Diese Investitionen schaffenuch Arbeitsplätze. Insofern haben wir ein Instrumenteschaffen, das erfolgreich für Beschäftigung und für In-estitionen am Standort Deutschland sorgt.Gleichzeitig hatten wir auf die energieintensivenndustrien zu achten. Wir haben zahlreiche Ausnahme-nd Sonderregelungen für diejenigen geschaffen, dietrom sozusagen als Rohstoff für ihre Produktion benut-en. Das ist von denen anerkannt worden.Richtig ist auch, dass wir, wenn wir in die zweiteandelsperiode gehen, dieses Instrument überprüfenüssen. Natürlich zeigt sich, dass, wenn Zertifikate kos-enlos vergeben werden, die aber, wie es sein muss,erthaltig in die Bilanzen eingestellt werden, das amnde zu Preiserhöhungen führt, zum Beispiel für die In-ustrie. Darüber werden wir nachdenken müssen. Wirüssen überlegen, ob wir diesen Mechanismus mögli-herweise in einer zweiten Handelsperiode verändernüssen. Aber klar ist: Wir haben beide im Auge gehabt,owohl die Industrie als auch die Energiewirtschaft.Genauso sieht es beim Energiewirtschaftsgesetz aus.chon der erste Entwurf, der vom Bundestag verabschie-et worden ist, ist von allen Akteuren – sowohl von dererbraucherseite als auch von der Energiewirtschaft –ls ein vernünftiger Kompromiss gelobt worden. Wir
Metadaten/Kopzeile:
17328 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Rolf Hempelmannhaben das dann im Vermittlungsausschuss weiterentwi-ckelt. Herr Dr. Pfeiffer, man sollte doch nicht versuchen,dort mit uns gemeinsam zu Lösungen zu kommen, undsagen, es sei ein vernünftiges Verhandlungsklima gewe-sen,
und sich anschließend hier hinstellen und so tun, alshabe dieses Gesetz nur durch Sie – wahrscheinlich auchnoch durch Sie persönlich – zu einem vernünftigen Er-gebnis geführt. Das ist doch unglaubwürdig. Tun Sieeinfach einmal Folgendes: Loben Sie uns ab und zu! Dassteigert Ihre persönliche Glaubwürdigkeit.
Auch dieses Energiewirtschaftsgesetz sorgt nicht nurdafür, dass wir mehr Wettbewerb haben und dass esPreissenkungsspielräume geben wird – ich sage ganzklar: sie sind sehr begrenzt durch eine Kostensteigerungam anderen Ende, etwa bei den Primärenergiekosten –,sondern es sorgt auch für mehr Investitionen. Diese sindvon der gesamten betroffenen Wirtschaft angekündigt.Es handelt sich um zahlreiche Investitionen in die Netze.Insgesamt kann man also zu unserer Energiepolitiksagen: Es gibt große Akzeptanz in der Bevölkerung. Da-rum sollten Sie sich auch einmal bei Ihrer Atompolitikkümmern. Es gibt große wirtschaftliche Effekte, geradeauch in der Energiewirtschaft selbst.Was die Industrie angeht, so haben wir durch entspre-chende Sonderregelungen dafür gesorgt, dass auch inunserem Hochlohn- und Hochpreisland Industrie weitermöglich ist. Trotzdem ist dies eine Daueraufgabe, an derwir weiter arbeiten müssen. Sie sind herzlich eingeladen,daran mitzuwirken.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort Bundesminister Jürgen Trittin.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSU hat in ihrem Antrag die Vorlage eines energiepoliti-schen Konzepts gefordert. Ich kann Ihnen nur einen Ratgeben, der unter Juristen üblich ist:
Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.Alle Eckpunkte der energiepolitischen Konzeptiondieser Koalition sind bereits im Bundesgesetzblatt veröf-fentlicht worden. Dabei handelt es sich um das Gesetzzum Atomausstieg, das Erneuerbare-Energien-Gesetz,das Gesetz zur Einführung des Emissionshandels unddas Energiewirtschaftsgesetz. Diese politischen Rah-mgwsagedtldüddpgfEnAdDakksvrbsmeIbasgR–dlbwul
as heißt: mehr Bürokratie. Das heißt vor allen Dingenber auch, lieber Herr Pfeiffer: Die Anreizregulierungommt ein bis zwei Jahre später. Damit wird die Sen-ung der zu hohen Netzkosten erst ein bis zwei Jahrepäter wirksam. Das war Ihr Verdienst im Vermittlungs-erfahren. Jetzt aber vergießen Sie Krokodilstränen da-über, dass die Preise zu hoch sind. Dabei haben Sie sel-er dafür gesorgt, dass die Netzpreise nicht so schnellinken, wie wir es wollten.
Ich bin gerne bereit, dem Kollegen Paziorek abzuneh-en, dass auch er möchte, dass es noch ein bisschenrneuerbare Energien gibt. Sie haben aber schon mithrer Koalitionsvereinbarung in Nordrhein-Westfalenewiesen, Herr Paziorek, dass das nichts taugt. Die Ko-litionsvereinbarung in NRW sieht nicht nur die Ab-tandsregel, sondern auch die Änderung des Bundesbau-esetzes vor. Danach werden Sie in diesem Land keinepowering und keinen Ausbau von Energieanlagendas gilt übrigens auch für Biomasseanlagen – mehrurchführen können.Die FDP in Ihrer Koalition sagt auch genau, wo esanggehen soll: Wir wollen nicht mehr, dass die erneuer-aren Energien weiter wachsen. Das ist die Realpolitik,enn CDU und FDP regieren,
nd Sie dürfen das umweltpolitische Feigenblatt dazuiefern. Das ist das Problem.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17329
)
)
Bundesminister Jürgen Trittin
Wenn wir über Pragmatismus in diesem Lande reden,dann tun Sie so, als wollten Sie nur ein paar Laufzeitenverlängern.
Sie verschweigen dabei zwei Punkte: Die Verlängerungder Laufzeiten vergrößert den Umfang eines Problems,nämlich die Menge des einzulagernden Atommülls.
Die letzten Gebote, die ich aus Ihren Reihen, den Reihender Union und der FDP, gehört habe, lauteten: Laufzeit-verlängerung auf 60 Jahre. Dies bedeutet eine Verdoppe-lung der Atommüllmenge, die eingelagert werden muss.So sieht Ihre nachhaltige Energiepolitik aus!Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange. Indem von Ihnen produzierten Papier zur Endlagerpolitikwird der Frage nachgegangen,
wie man in Gorleben weiter enteignen kann, obwohl esnoch nicht einmal eine atomrechtliche Genehmigunggibt.
Enteignen müssen Sie nur, wenn Sie solche zusätzlichenMengen von Atommüll dorthin schaffen. Das heißt, Siehaben in Ihrem eigenen Konzept zur Endlagerung zuge-geben, worum es Ihnen bei der Diskussion um Laufzeit-verlängerung wirklich geht: auch und gerade um eineRenaissance von, den Wiedereinstieg in und den Neubauvon Atomanlagen. Verstecken Sie sich an dieser Stellenicht so feige, meine Damen und Herren!
Dann sagen Sie uns auch, bei welchen technischenMeisterwerken Sie die Laufzeit verlängern wollen. Eshandelt sich um ganz konkrete Kraftwerke wie Bruns-büttel und Biblis.
Diese beiden Kraftwerke haben auf jeder unserer Stör-falllisten einen Stammplatz. Wenn Sie das Atomgesetzändern, dann verhindern Sie, dass diese Kraftwerke wievorgesehen endlich vom Netz gehen.HgagcisdeDiarlEsgelc7DCneWpmdUhedwe
Eine Schlussbemerkung zu einem Punkt, auf den Frauustedt bereits hingewiesen hat: Frau Merkel hat selberesagt, sie wolle an der Ökosteuer festhalten. Hören Sielso auf, hier solche Reden zu halten! Ich will Sie nuranz diskret auf das von Herrn Paziorek schon angespro-hene Klimaschutzprogramm hinweisen. Deutschlandt nicht nur der größte Einsparer von Treibhausgasen iner Europäischen Union – zwei Drittel sind allein hierrwirtschaftet worden –,
eutschland ist auch das einzige Land in ganz Europa,n dem die Verkehrsemissionen sinken, während sie inllen anderen Ländern steigen. Allein im Verkehrsbe-eich haben wir – übrigens dank der Ökosteuer – 15 Mil-ionen Tonnen CO2 eingespart.
Meine Damen und Herren, dies belegt, dass sichnergiepolitik in Zeiten steigender Ölpreise und wach-ender Nachfrage nach Rohstoffen nur auf mehr Ener-ieeffizienz, mehr Energieeinsparung und den Ausbaurneuerbarer Energien konzentrieren kann. All dies wol-en Sie zugunsten einer Energiepolitik rückgängig ma-hen, die nichts anderes als „Vorwärts, zurück in die0er-Jahre“ heißt.
as ist das Gegenteil von Zukunftsbewältigung.
Ich erteile das Wort Kollegen Kurt-Dieter Grill, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mi-ister Trittin, zu Ihrer Rede fällt mir eigentlich nur einesin: Lautstärke ersetzt nicht die richtigen Argumente.
enn Sie meinen, in dieser Art und Weise über Energie-olitik und Standortfragen in Deutschland diskutieren zuüssen, dann ist das Ihre Wahl.Dass der Kollege Pfeiffer mit dem, was er vorhin zuer Art, wie Sie Politik machen, geäußert hat, nicht ganznrecht hat, beweise ich an einem Beispiel: Sie habenier gerade vorgetragen, dass in unserem Papier irgend-twas über Enteignung stehe, und damit wohl gemeint,ass dies die Vorbereitung des Ganzen sei, 60 Jahre, undas Sie wahrscheinlich draußen im Wahlkampf nochrzählen werden. Sie haben aber in Ihrem jetzt
Metadaten/Kopzeile:
17330 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Kurt-Dieter Grillvorliegenden Gesetzentwurf – dazu hat eine Zeitung inNiedersachsen geschrieben, dieses Gesetz sei für dieEndlagerung bestimmt, weil es diesen Bundestag garnicht mehr erreichen wird, also eine reine Showveran-staltung ist – mit denselben Ziffern wie Angela MerkelEnteignungsparagraphen für dieses Land vorgeschlagen.Sie schreiben also die Enteignungsparagraphen in IhrenGesetzentwurf.
Nun können Sie selber von dieser Stelle aus sagen, obIhre Enteignung eine andere ist als unsere Enteignung.
Sie haben damals von einer Lex Bernstorff gesprochen.Nun frage ich Sie: Wozu brauchen Sie eine Enteignung?Im Übrigen reicht das Volumen des Salzstockes Gor-leben in dem Teil, der nicht enteignet werden muss, weildie Rechte vorliegen – das wissen Sie genau so gut wieich –, für die Mengen, über die Sie hier diskutieren, alle-mal aus.Nun wende ich mich der Energiepolitik insgesamt zu.Hier war von Energieeffizienz und von „weg vom Öl“die Rede, Herr Minister Clement. Was Sie heute vorge-tragen haben, war weder eine schlüssige Konzeption imSinne von „weg vom Öl“ noch hat es den darüber liegen-den problematischen Teil der Rohstoffpolitik auch nuransatzweise erwähnt, nämlich die Frage, wie diesesLand in dieser Situation überhaupt zu einer Sicherungseiner Energieversorgung kommt und was Versorgungs-sicherheit bedeutet.Hier an diesem Pult haben Frau Hustedt und andereVertreter von Rot-Grün noch zu Beginn Ihrer Regie-rungszeit eine Vision von Gaskraftwerken vorgestellt,als ob es nur der Gaskraftwerke bedürfte, um die beste-henden Kernkraftwerke und Kohlekraftwerke im SinneIhrer Klimapolitik zu ersetzen. Bis heute ist kein einzi-ges angekündigtes Kraftwerk gebaut worden. Deswegenglauben wir nicht, dass Sie eine Strategie hatten; das be-weise ich Ihnen anhand der Papiere des Nachhaltigkeits-rates. Wir reden heute über die Situation nach immerhinsieben Jahren Ihrer Regierungsverantwortung. Sie habenbisher kein Offshorewindkraftwerk gebaut, sodass manes hätte testen können.
Sie haben das CO2-freie Kohlekraftwerk in der Enquete-Kommission abgelehnt. Jetzt geben Sie, die Vertretervon Rot-Grün, mit einem 35-Megawatt-Kraftwerk an,das eine private Firma baut.
neKwKIsaBdbgrdkherWkkgvvcGnw2Kv2KÜuwshns
hre Projekte sind nicht kernenergiefrei und Sie ver-chweigen der Bevölkerung genau dieses Faktum. Ganzbgesehen davon gibt es ja durchaus Signale, dass dieseundesregierung nicht aufschreien würde, wenn sich dieeutschen EVUs am französischen EPR in Flamanvilleeteiligten.
Ich denke, wir dürfen im Zusammenhang mit Ener-iepreisen nicht allein über Aluminiumwerke diskutie-en. Die Energiepreise haben nicht nur einen Aspekt, derie energieintensive Industrie betrifft. Vielmehr bewir-en sie auch eine Abschöpfung der Kaufkraft. Durchohe Energiepreise und durch die 40-prozentige Verteu-rung der staatlichen Abgaben auf Energie während Ih-er Regierungszeit wurden Kaufkraft und damit auchachstumskräfte abgeschöpft.
Im Übrigen will ich auch deutlich sagen, dass Sie aneiner Stelle den Beweis für die Behauptung antretenonnten, wir wollten ein Ende der erneuerbaren Ener-ien. Ich will Ihnen einen Satz, den ich persönlich miterfasst habe und den ich deshalb hier mit Nachdruckortrage, noch einmal vorlesen, damit Sie ihn verinnerli-hen können:CDU und CSU sind davon überzeugt, dass dieKernenergie als Brücke in den zukunftsfähigenEnergiemix mit einem wachsenden Anteil erneuer-barer Energien fungieren kann.
enau das ist der Punkt, meine Damen und Herren, undicht das, was Sie die Bevölkerung glauben machenollen.Die von Ihnen hier zitierten Investitionen in Höhe von0 Milliarden tragen nun weiß Gott nicht dazu bei, dieernenergie zu ersetzen. Sie haben bis heute kein Papierorgelegt, dem man entnehmen könnte, wie die0 000 Megawatt Energie, die in Deutschland durchernkraft produziert werden, ersetzt werden sollen. Imbrigen steht in dem Vertrag, den Sie, Herr Trittin, mitnterschrieben haben, dass die deutschen Kernkraft-erke gemäß einem hohen internationalen Sicherheits-tandard gebaut worden sind und betrieben werden. Sieaben zwar großspurig angekündigt, Sie würden eineeue Risikobewertung vornehmen, aber bis heute liegtie nicht vor. Sie haben in diesem Vertrag, den man auch
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17331
)
)
Kurt-Dieter Grillganz anders nennen könnte als Ausstiegsvertrag, bestä-tigt, dass Gorleben eignungsfähig ist. In Ihrer Regie-rungszeit wurden die Pilotkonditionierungsanlage inGorleben und das Endlager Konrad genehmigt. Wo istalso das Problem? Was werfen Sie uns eigentlich vor?Diese Fragen müssen Sie sich gefallen lassen. Allesdas, was Sie noch 1998/99 in diesem Hause kritisierthatten, haben Sie hinterher genutzt. Ich fasse das in demSatz zusammen, den wir ab dem 19. September inDeutschland sicher wieder hören werden: grüner Castor –guter Castor, schwarzer Castor – schlechter Castor. Dasist das, was wir mit Ihnen erleben werden.
Nun will ich Ihnen noch einige Zitate aus dem Papierdes Nachhaltigkeitsrates vortragen. Es heißt dort:… dabei wird in dieser Empfehlung vornehmlichauf bislang vernachlässigte Felder abgehoben:1. Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienzim Bereich der Energienutzung, des Verkehrs unddes Materialeinsatzes.2. Entwicklung einer Strategie, um Klimaschutzund Wettbewerbsfähigkeit, gegebenenfalls auch un-abhängig von internationalen Vereinbarungen, zuverbinden.Das sagt der Nachhaltigkeitsrat. Dann kommt er zu ent-scheidenden Bemerkungen und damit zu genau demPunkt, über den wir heute diskutieren. Er spricht von derNotwendigkeit einer konsistenten Strategie. Der Ratschreibt:Das letzte, gegenwärtig noch gültige Energie-programm aus dem Jahr 1996 und auch der Ener-giedialog 2000 haben letztlich nicht zu einem neuenEnergiekonzept geführt. … Die genannten Hand-lungsfelder der Energiepolitik sind bislang nochnicht unter eine neue einheitliche Strategie und einedurchdachte Entwicklung von Energienutzung und-umwandlung gestellt worden. Das Credo der Bun-desregierung, die Versorgung mit einem „ausgewo-genen Energiemix“ bereitstellen zu wollen, bei demdie Anforderungen kostengünstige Energiedienst-leistungen … berücksichtigt werden, ist noch un-ausgefüllt geblieben. …Diese– Ihre Maßnahmen –sind einzeln stets erklärbar … Durch fehlende Ori-entierung entwickeln sich jedoch Ergebnisse, dienicht zielkongruent, teilweise widersprüchlich, zu-mindest aber ohne ausreichende Begründung blei-ben und hier – beispielhaft – aufgeführt sind.Das ist die Realität Ihrer Energiepolitik.
Der Nachhaltigkeitsrat schreibt weiter:ddwf2vptbutSddUlKemodftmEdgbaddzidivnwm
Wenn man die Situation betrachtet, dann stellt manest: Die Opposition steht beispielhaft für ein antiquier-es Denken in der Energiepolitik, das vor allem zuneh-end größere Kapazitäten und mehr Wachstum in dernergieversorgung kennt, das aber nicht den entschei-enden Weg sucht, Energieeinsparungen, Effizienzstei-erungen und die Solarenergie mit aller Kraft voranzu-ringen. Das ist der Unterschied. Diesen werden wiruch im Wahlkampf herausstellen; denn hier geht es umie Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Für uns ist völlig klar: Eine moderne Energiepolitikarf nicht mehr in der alten Logik der grenzenlosen Nut-ung von Energieressourcen stehen. Vielmehr muss sien der Logik der Sicherung der notwendigen Leistungenurch zunehmend geringeren Energieeinsatz stehen. Dasst eine ganz andere Philosophie als diejenige, die Sieertreten. In Ihren Papieren heißt es, dass Sie ein Bünd-is aus Atomkraft und erneuerbaren Energieträgernollen. Ich stelle fest, dass dieses Bündnis real nichtöglich ist; denn die Atomkraft ist auf einen zunehmend
Metadaten/Kopzeile:
17332 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Michael Müller
höheren, und zwar sehr extensiven, Energieverbrauchausgerichtet. Sonst rechnet sie sich wirtschaftlich nicht.
– Herr Paziorek, Sie haben die Logik noch immer nichtbegriffen. Ich verstehe Sie wirklich nicht. Die Enquete-Kommission schreibt mit Zustimmung der CDU/CSU inihrem Bericht: Eine Energiepolitik, die glaubt, die Kli-maprobleme mit der Atomkraft zu lösen, geht ins Leere.
Aber hier sagen Sie das genaue Gegenteil. Das passtdoch nicht zusammen.
In dem Bericht der Enquete-Kommission steht völligzu Recht: Die entscheidende Frage ist, wie man soschnell und so umfassend wie möglich die Sparpoten-ziale mobilisieren kann.
Wie wollen Sie aber mit einer Energietechnik, die imGrunde genommen über einen Wirkungsgrad von etwa30 Prozent nicht hinauskommt, dieses Problem lösen?
Ihre Philosophie kreist um den Austausch von Energie-trägern. Darum geht es aber nicht. Vielmehr geht es umeine andere Grundlogik in der Energiepolitik. Das habenSie bis heute nicht begriffen.
Auch wenn Sie noch so viel mit dem Kopf schütteln:Es geht einfach nicht an, über Nachhaltigkeit zwar zusprechen, aber im Grunde genommen die alte Strategieweiterhin zu verfolgen. Immer wenn es darauf ankam,haben Sie an den alten Strukturen festgehalten. Sie redenüber erneuerbare Energien und wenn es ernst wird, blo-ckieren Sie. Genau das und nichts anderes ist es, was wirüberall erleben.
Die Neuordnung der Energieversorgung ist keinSelbstzweck. Auch wir wissen, dass das zum Teil mitUmstrukturierungen und höheren Kosten verbunden ist.Das ist richtig; wir streiten das überhaupt nicht ab. Aberwas ist denn die Alternative? Die Alternative ist, weiteran einem Energiesystem festzuhalten, von dem wir wis-sen, dass es nicht zukunftsfähig ist. Es ist leider so: Inno-vationen kosten Geld. Aber Innovationen zahlen sichauch aus. Mittelfristig ist es immer besser, auf die Erneu-erung des Energiesystems zu setzen, als unter ZwangKraftakte vorzunehmen, die uns alle, auch finanziell,überfordern. Diesen Weg wollen wir nicht.gMsPz3gnieuüdLnpbuaucgddzddPschaKmkdgtkIda
Die Ausgangssituation ist klar: Unser heutiges Ener-iesystem wird zu Dreivierteln von etwa 1,2 Milliardenenschen genutzt. Schon jetzt überfordern wir mit die-em Energiesystem die natürliche Tragfähigkeit unsereslaneten. Was passiert aber – das wird in wenigen Jahr-ehnten so sein –, wenn diese Energieressourcen vonbis 4 Milliarden Menschen unter industriellen Bedin-ungen genutzt werden? Sagen wir dann: „Ihr dürft dasicht“? Oder werden wir unserer Verantwortung gerecht,ndem wir zeigen, dass es auch eine andere, eine effizi-nte Energieversorgung gibt – nämlich die Versorgungnter anderem mit Solarenergie –, die auf die ganze Weltbertragbar ist? Wir sind immer für den zweiten Weg,enn es ist der richtige.
angfristig ist das Ganze für die Welt nicht nur eine öko-omische Frage, sondern auch eine Frage von friedens-olitischer Bedeutung.Man muss auch Folgendes sehen: Es geht nicht an,ei jeder Gelegenheit über Klimaänderungen zu redennd das Ziel, dass die globale Erwärmung um nicht mehrls 2 Grad Celsius steigen soll, festzulegen – wir müssenns schon ziemlich anstrengen, um dieses Ziel zu errei-hen –, dann aber, wenn es um konkrete Einsparungeneht, zu sagen: Nein, das würde uns so sehr belasten,ass wir es nicht wollen. – Wir müssen uns hier entschei-en. Sie kommen nicht darum herum, eine Entscheidungu treffen. Wenn es zu keiner gemeinsamen Entschei-ung kommt, dann werden wir natürlich klarstellen, werafür die Verantwortung trägt.
Politik muss mehr sein als die Reaktion auf Krisen.olitik muss sich vor allem dadurch auszeichnen, dassie erkennbaren Gefahren früh genug vorgreift und Wei-hen anders stellt. Das tun wir in der Energiepolitik. Wiraben nicht etwa kein Konzept, sondern wir haben einnderes Konzept als Sie. Ich glaube, es ist das richtigeonzept. Darum geht es.
Ich möchte auch noch auf die Entwicklung der Infor-ations- und Kommunikationstechnologien zu sprechenommen. Vor dem Hintergrund der Unsicherheiten iner Nachfrage nach Energie sind im letzten Jahrhundertroße Kapazitäten mit entsprechend hohen Reserveleis-ungen geschaffen worden. Die Energiepolitik der Zu-unft kann auf die Bedarfe sehr viel flexibler reagieren.ch bin zutiefst überzeugt: Diejenige Volkswirtschaft,ie effiziente bzw. solare Technologien im großen Stilnbietet, wird auch die Märkte der Zukunft bestimmen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17333
)
)
Michael Müller
Das ist ein ökonomisch brisantes Feld. Ich sage Ih-nen: Wir befinden uns in einem Wettbewerb mit anderenLändern um die Vorreiterrolle. Auch hier ist das Bildklar: Aufseiten der Opposition sitzen die Bremser, auf-seiten der Koalition gibt es Abgeordnete, die mutigSchritte nach vorn machen. Wir wollen diese Schrittenach vorn machen; denn das wird eine neue und langePhase ökonomischer Stabilität nach sich ziehen. Wirwollen Vorreiter bei der ökologischen Modernisierungder Energie- und Ressourcenbasis in der Welt werden.Es lohnt sich, dort an der Spitze zu stehen. Dies wäreeine Leistung, auf die wir stolz sein könnten.
Wir wissen, dass dieser Umbau nicht leicht ist. Wirwissen, dass er natürlich auch etwas kostet. Aber wirversprechen, alles zu tun, ihn sozial- und wirtschaftsver-träglich durchzuführen. Das heißt, dieser Umbau wirdsich sowohl sozial, nämlich in einer höheren Beschäfti-gung, als auch zum Vorteil der Wirtschaft auswirken. Esist klar: Energiesparen und Solarenergie sind auch Job-motoren. Wir wollen diese Jobmotoren. Wir wollenmehr Beschäftigung in diesen Bereichen.
Wir wollen keinen Rückfall in alte Strukturen.Wir stehen für diesen Richtungswechsel. Sie wollenan alten Strukturen festhalten. Die Verlängerung derLaufzeiten von Atomkraftwerken macht nur einen Sinn,wenn Sie zur alten Atomtechnologie zurückwollen.
Sie müssten aber wissen, dass Sie schnell an Grenzenstoßen, nicht nur in Bezug auf die Entsorgung, sondernauch hinsichtlich der Verfügbarkeit von Uran.Die Atomtechnologie hat in den 70er-Jahren unserLand tief gespalten. Wir haben diese Spaltung überwun-den. Die Bürger müssen wissen: Wer zur Atomtechnolo-gie zurück will, wird dieses Land erneut spalten. Wirwollen das nicht.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag derFraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4844 mitdem Titel „Energiepolitik für mehr Wachstum und Be-schäftigung“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Werstimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Antrag istmit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion abge-lehnt.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 15/4155 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-vsZscdmAcemusEnewdssm
– Drucksache 15/5653 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 15/5856 –Berichterstattung:Abgeordnete Erika SimmDaniela RaabJerzy MontagJörg van EssenDer Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-mpfehlung auf Drucksache 15/5856, den Gesetzent-urf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitteiejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-ung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegen-timmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist da-it in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Metadaten/Kopzeile:
17334 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsKoalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Enthal-tung der CDU/CSU-Fraktion angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 22 c. DerFinanzausschuss hat in seiner Beschlussempfehlung denGesetzentwurf der Fraktionen der SPD und desBündnisses 90/Die Grünen zur Änderung des Umsatz-steuergesetzes mit einbezogen, über den jetzt ebenfallsabgestimmt werden soll. Sind Sie damit einverstanden?– Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.Ich rufe also Tagesordnungspunkt 22 c auf:– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zwan-zigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatz-steuergesetzes– Drucksache 15/5444 –
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Zwanzigs-ten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuer-gesetzes– Drucksachen 15/5558, 15/5812 –
aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi-nanzausschusses
– Drucksache 15/5863 –Berichterstattung:Abgeordnete Gabriele FrechenPeter Rzepka
– Drucksache 15/5864 –Berichterstattung:Abgeornete Steffen KampeterWalter SchölerAnja HajdukOtto FrickeDer Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 15/5863, die genannten Ge-setzentwürfe zusammenzuführen und als Entwurf einesZwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuer-gesetzes und zur Änderung des Einkommensteuergeset-zes in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte die-jenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassungzustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zwei-ter Beratung mit den Stimmen der KoalitionsfraktionenuFushSgDsdwheusEn
– Drucksache 15/5654 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
– Drucksache 15/5851 –Berichterstattung:Abgeordnete Marlene Rupprecht
Antje BlumenthalIrmingard Schewe-GerigkIna LenkeDer Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-end empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 15/5851, den Gesetzentwurf in der Aus-chussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, dieem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenollen, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-altungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratunginstimmig angenommen.Dritte Beratungnd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zu-timmen wollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? –nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig ange-ommen.Tagesordnungspunkt 22 e:Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Vertrag vom 10. Novem-ber und 19. Dezember 2003 zwischen der Bun-desrepublik Deutschland und der RepublikÖsterreich über die grenzüberschreitende Zu-sammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenab-wehr und in strafrechtlichen Angelegenheiten– Drucksache 15/5568 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-schusses
– Drucksache 15/5843 –Berichterstattung:Abgeordnete Frank Hofmann
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17335
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsClemens BinningerSilke Stokar von NeufornDr. Max StadlerDer Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 15/5843, den Gesetzent-wurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmenwollen, sich zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 22 f:Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Abkommen vom 25. Au-gust 2004 zwischen der BundesrepublikDeutschland und der Republik Aserbaidschanzur Vermeidung der Doppelbesteuerung aufdem Gebiet der Steuern vom Einkommen undvom Vermögen– Drucksache 15/5518 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-schusses
– Drucksache 15/5833 –Berichterstattung:Abgeordnete Lydia WestrichDer Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 15/5833, den Gesetzent-wurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-entwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist der Gesetz-entwurf einstimmig angenommen.Tagesordnungspunkt 22 g:Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Straffung der Umweltstatistik– Drucksache 15/5538 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit
– Drucksache 15/5848 –Berichterstattung:Abgeordnete Petra BierwirthDr. Maria FlachsbarthWinfried HermannBirgit HomburgerDer Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 15/5848, den Gesetzentwurf in der Aus-schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratungmit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthal-tmusDaLlAdwhmtusES
Metadaten/Kopzeile:
17336 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Gradistanac, Annette Faße, Bettina Hagedorn,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENFamilienurlaub in Deutschland zukunftsfähiggestalten– Drucksachen 15/5685, 15/5862 –Berichterstattung:Abgeordneter Wilhelm Josef SebastianDer Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache5/5685 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluss-mpfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dieeschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koali-ionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU- undDP-Fraktion angenommen.Tagesordnungspunkt 22 n:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Familie, Senioren,Frauen und Jugend
– zu dem Antrag der Abgeordneten MarleneRupprecht , Kerstin Griese, RitaStreb-Hesse, weiterer Abgeordneter und der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17337
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsFraktion der SPD sowie der AbgeordnetenEkin Deligöz, Jutta Dümpe-Krüger, IrmingardSchewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und derFraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENDie Zukunft unseres Landes sichern – Einkindergerechtes Deutschland schaffen– zu dem Antrag der Abgeordneten MarleneRupprecht , Angelika Graf (Ro-senheim), Kerstin Griese, weiterer Abgeordne-ter und der Fraktion der SPD sowie der Abge-ordneten Ekin Deligöz, Jutta Dümpe-Krüger,Volker Beck , weiterer Abgeordneterund der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNENKinderrechte in Deutschland stärken – Er-klärung zur UN-Kinderrechtskonventionzurücknehmen– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Ingrid Fischbach, Maria Eichhorn,Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der CDU/CSU zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungNationaler Aktionsplan für ein kinderge-rechtes Deutschland 2005 bis 2010– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungNationaler Aktionsplan für ein kinderge-rechtes Deutschland 2005 bis 2010– Drucksachen 15/5341, 15/4724, 15/5348,15/4970, 15/5806 –Berichterstattung:Abgeordnete. Marlene Rupprecht
Ingrid FischbachEkin DeligözKlaus HauptDer Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Be-schlussempfehlung in Kenntnis der genannten Unter-richtung die Annahme des Antrags der Fraktionen derSPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache15/5341 mit dem Titel „Die Zukunft unseres Landessichern – Ein kindergerechtes Deutschland schaffen“.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-stimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion ange-nommen.Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Ausschuss in Kenntnis der genannten Unterrichtungdie Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/4724mit dem Titel „Kinderrechte in Deutschland stärken –Erklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurückneh-men“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussemp-fehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionenbei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und Enthaltung derCDU/CSU-Fraktion angenommen.srFsfBtmdsdiCaDafrd
, Dr. Karl Addicks, Rainer Brüderle,
Metadaten/Kopzeile:
17338 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
, Volker Beck (Köln), weiterer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17339
)
)
Metadaten/Kopzeile:
17340 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17341
)
)
Metadaten/Kopzeile:
17342 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-zes zur Beschleunigung der Umsetzung von öf-fentlich-privaten Partnerschaften und zurVerbesserung gesetzlicher Rahmenbedingun-gen für öffentlich-private Partnerschaften– Drucksache 15/5668 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Wirtschaft und Arbeit
– Drucksache 15/5859 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael Fuchsb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
zu dem Antrag der Abgeordneten
Otto Fricke, Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion der FDPPrivatisierung und öffentlich-private Partner-schaften– Drucksachen 15/2601, 15/5859 –Berichterstattung:Abgeordneter Dr. Michael Fuchsc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- undWohnungswesen zu dem Antrag
AkBKmvnedeZPdkglinnczwkphAsIvnssvbDAlw
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17343
)
)
Dr. Michael BürschWir halten Privatisierungen – auch angesichts der Ergeb-nisse, zu denen es zum Beispiel in England zur Zeit von„Maggie“ Thatcher gekommen ist – nicht für den Kö-nigsweg.Lassen Sie mich noch ein paar Worte zur Einordnungunseres Gesetzentwurfes sagen – denn das ist von Ver-bänden und anderen außerhalb des Parlaments kritischangemerkt worden –: Der DIHK schreibt, dass sich dieDiskussion über ÖPP nicht nur auf die Beseitigungrechtlicher Hemmnisse beschränken darf. Erforderlichist eine offene Auseinandersetzung darüber, welche poli-tischen Rahmenbedingungen nötig sind. An der Stellestimme ich dem DIHK vollkommen zu: Wir brauchen inDeutschland einen Bewusstseinswandel, die Bereitschaftdazu, sich diesen öffentlich-privaten Partnerschaftenwirklich zu öffnen. Die Bereitschaft, das in aller Sorgfaltund Offenheit zu prüfen, muss auf öffentlicher, aberauch auf privater Seite vorhanden sein.Was wir hier vorlegen, ist, wenn man so will, solidesHandwerk. Wir haben uns einige Punkte vorgenommen,denen in der Tat in Deutschland rechtliche Hemmnisseentgegenstehen. Diese wollen wir mit diesem Gesetzes-werk beseitigen. Wir sind uns alle einig, dass wir nocheiniges auf der Agenda haben; da kann ich auch ganzzwanglos aus dem Antrag der CDU/CSU zitieren. Natür-lich sind wir auch für ein bundesweit einheitliches Ver-fahren für den Wirtschaftlichkeitsvergleich. Wir sindauch dafür, dass standardisierte Vertragsstrukturen ent-wickelt und die Ausschreibungs- und Vergabebedingun-gen standardisiert werden. Auch privates Kapital zumAbbau des öffentlichen Investitionsstaus wollen wirakquirieren.
Insbesondere sind wir uns mit der CDU/CSU undauch der FDP darüber einig, dass der Mittelstand beiden öffentlich-privaten Partnerschaften eine herausra-gende Rolle spielen soll. Weil der Mittelstand 70 Prozentunserer Wirtschaft ausmacht, brauchen wir natürlich An-gebote, die auch für die Mittelstandswirtschaft geeignetsind; darüber sind wir uns einig. Ich kann insofern ausdem Katalog, den die CDU/CSU vorgelegt hat, etlichesunterschreiben. Wir werden daraus, wenn wir an diesemThema weiterarbeiten wollen, die entsprechenden Agen-dapunkte herausfiltern. Ich stelle mir vor, dass wir diesesin den nächsten Monaten bzw. in den nächsten Jahren inRuhe weiterentwickeln.Wir brauchen in der Tat einen Bewusstseinswandelauf der öffentlichen und der privaten Seite – vielleichtauch noch bei den Haushältern – dahin gehend, dass dieBundeshaushaltsordnung kein heiliger Katechismusist. Ich habe manchmal den Eindruck, dass es absolutverboten ist, an die Bundeshaushaltsordnung überhauptHand anzulegen. Aber wir wollen ja nur eine kleine Aus-nahme schaffen, nämlich die Veräußerung von öffentli-chem Eigentum dann erlauben, wenn die Aufgaben desBundes auf diese Weise nachweislich wirtschaftlichererfüllt werden können. Wir wollen eine minimale Öff-nung. Das ist das, was im 21. Jahrhundert, meine ich, dermoderne Weg ist. Da braucht niemand zu befürchten,dolswetdrewsCrawhtwdmgumwdnlbiWszWspRjsr
Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus Lippold von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich knüpfe an dasn, was der Kollege Dr. Bürsch gerade gesagt hat: dassir die Dinge gemeinschaftlich vorantreiben sollen. Ichalte das für richtig, Herr Kollege Bürsch. Aber Sie hät-en dies ja realisieren können, nachdem Sie dieses schonährend der letzten Sitzung angesprochen haben und icharauf gesagt habe, dass wir zu konstruktiver Zusam-enarbeit bereit sind. Wir hätten hier und heute einenemeinschaftlichen Entwurf verabschieden könnennd hätten dieses Vorhaben nicht weiter verschiebenüssen.Ich sage das – das ist besonders wichtig – deshalb,eil Sie davon gesprochen haben, dass jetzt die „Ruheer nächsten Monate“ kommt. Ich sehe keine „Ruhe derächsten Monate“, Herr Bürsch: Wir haben eine Arbeits-osigkeit auf Rekordniveau, wir haben eine Jugendar-eitslosigkeit, die überhaupt nicht mehr zu überbietenst, wir haben einen Rekord an Unternehmenspleiten.
ir haben ein Haushaltsloch, das in der deutschen Ge-chichte einen Rekord darstellt, und das, obgleich wirurzeit noch nicht einmal eine Sondersituation wie dieiedervereinigung zu bewältigen haben. Das heißt, wirtehen unter der rot-grünen Koalition vor einer katastro-halen Entwicklung. Und Sie sagen, wir können das inuhe in den nächsten Monaten angehen! Nein, das mussetzt, also umgehend passieren, sonst kommen wir ange-ichts des katastrophalen Versagens der Bundesregie-ung nicht weiter.
Metadaten/Kopzeile:
17344 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Klaus W. Lippold
Ich will auch noch einmal sehr deutlich machen: Ichglaube, dass – was Sie auch angesprochen haben – dieFrage der Privatisierung nach wie vor ganz zentral ist.Ich meine, dass dort, wo sinnvoll privatisiert werdenkann, die Privatisierung auch als Instrument genutztwerden muss, weil wir damit entscheidend weiterkom-men. Vor diesem Hintergrund ist die öffentlich-privatePartnerschaft ein weiteres Instrument, das ich ebenfallspositiv bewerte. Es ist jedoch kein Allheilmittel, um dasnoch einmal ganz deutlich hinzuzufügen.
Mit diesem Mittel können wir unter Umständen aber dasbewerkstelligen, was der Staat, die Länder und die Kom-munen ansonsten nicht könnten.Herr Dr. Bürsch, man muss sehen, dass das katastro-phale Versagen der Regierung natürlich auch dazugeführt hat, dass die anderen staatlichen Ebenen in derRepublik – Länder und kommunale Gebietskörper-schaften – nicht über die Investitionsmittel verfügen,über die sie verfügen könnten, wenn Sie eine konse-quente Wachstumspolitik betrieben hätten.
Das haben Sie nicht getan. Deshalb sind wir der Mei-nung, dass die Chancen für Public Private Partnershipverbessert werden müssen. Vor diesem Hintergrund istder vorliegende Gesetzentwurf ein Schritt in die richtigeRichtung. Sie haben gerade schon angesprochen, dass erweiter verbessert werden muss. Hätten Sie unsere Vor-schläge direkt aufgegriffen, dann müsste das nicht erst inZukunft geschehen.
Ich sage noch einmal ganz deutlich: Es gibt in denPassagen zum Vergaberecht Mängel. Die Mittelstands-problematik ist absolut unzureichend berücksichtigt, umnicht deutlich von völlig vernachlässigt zu sprechen. Daskönnen wir so nicht durchgehen lassen. Der nächstePunkt ist: Trotz der schlechten Erfahrungen mit derLKW-Maut ist Controlling in diesem Gesetzentwurfkein Thema. Auch das kann nicht sein. Ich meine, des-halb werden wir hier sofort weiterarbeiten müssen.
Auch auf dem defizitären Feld der Verkehrsin-frastruktur – Ausbau des Fernstraßenbauprivatfinan-zierungsgesetzes, um weitere Projekte im Straßenbaurealisieren zu können, und Ausgestaltung derVerkehrswegeinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft alseine Managementgesellschaft – ist bei Ihnen Fehlan-zeige; hier tut sich bei Ihnen nichts. Ich bin dafür, dasswir dies alles möglichst bald ändern.pnpcbWdgdbdWWaGvrwsatAwIehdbnenEgnöwü
ir jedenfalls werden bei unserer Linie bleiben. Was fürachstum und Beschäftigung spricht, werden wirkzeptieren und vorantreiben. Deshalb lassen wir diesenesetzentwurf trotz großer Bedenken passieren.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Anja Margarete Hajduk
om Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Liebe Kollegen! Es ist sicherlich notwendig undichtig, unseren Staat Deutschland weiter zu moderni-ieren sowie ihn effizienter und mit Sicherheit teilweiseuch schlanker zu machen. Dies ist jedenfalls die Posi-ion von Bündnis 90/Die Grünen.Wir sind durchaus für Wettbewerb, wenn öffentlicheufgaben dadurch besser erledigt werden können, alsenn der Staat das alleine macht.
n vielen Bereichen ist es sinnvoll, wenn sich der Staather auf eine Gewährleisterrolle beschränkt; das will ichier ganz deutlich sagen. Der Staat muss die Erfüllunger öffentlichen Aufgaben sicherstellen, die konkrete Er-ringung der Leistungen kann man aber auch auf Unter-ehmen übertragen.Wir haben heute und in dieser Wahlperiode überhauptine ganze Menge für den Wettbewerb erreicht. Bei denetzgebundenen Infrastrukturen sorgen wir mit demnergiewirtschaftsgesetz und dem Telekommunikations-esetz wirklich für mehr Wettbewerb. Auch ÖPP meintichts anderes: Der Staat soll einen bestimmten Teil derffentlichen Aufgaben definieren, aber in einem wettbe-erblichen Verfahren die Aufgabe selbst auf Privatebertragen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17345
)
)
Anja HajdukWir Grünen wollen auch gerne bei der Bahn weiter-kommen. Hier geht es um die Trennung des Schienen-weges und des Bahnbetriebs.
Eine Privatisierung von Netz und dem früheren Mono-polisten in einem Unternehmen dagegen führte eher zuneuen Verkrustungen.
– Das hat im engeren Sinne nichts mit ÖPP zu tun. Ichwill nur im Zusammenhang mit dem Wettbewerb diesessehr heiße Thema trotzdem ansprechen.Da der FDP-Kollege hier dazwischenruft, will ichnoch etwas anderes sagen: Wir sind gegen ein einseitigesPrimat der Privatisierung. Diese Tendenz ist bei Ihnenstark ausgeprägt.
Dagegen spricht auch die Erfahrung. Das muss nichtsein. Insofern gibt es auch beim Thema ÖPP Differen-zen, wenn auch keine grundsätzlichen.Die Effizienzgewinne durch die Einbeziehung vonPrivaten sind das entscheidende Kriterium für ÖPP; dashat auch der Kollege Dr. Bürsch deutlich gemacht. In ei-ner Zeit, in der der Bedarf an der Modernisierung der öf-fentlichen Infrastruktur – das betrifft nicht nur den Stra-ßenbau, sondern zum Beispiel auch öffentliche Gebäudeund Schulen – sehr hoch ist, aber die Finanzierungsmög-lichkeiten der öffentlichen Hand beschränkt sind, ermög-licht es ÖPP, die Kooperation zwischen Staat und Privat-wirtschaft zu fördern. Ich sage aber auch: Eine verdeckteErhöhung von Schulden durch ÖPP, wenn man sie nurals eine privatrechtliche Konstruktion nutzt und anwen-det, sollten wir aus haushaltsrechtlichen Gründen ver-meiden. Es kommt dabei sehr auf den Einzelfall an; dasfinde ich wichtig.
Unter der Begrifflichkeit ÖPP werden oft unterschiedli-che Dinge gefasst. Ich unterstelle niemandem Böses,sondern formuliere das als einen Anspruch, hier sorgsamabzuwägen, Herr Fuchs.
Für Bündnis 90/Die Grünen, aber auch für die ande-ren kommt es entscheidend darauf an, Chancen und Risi-ken zwischen Staat und Privaten fair zu teilen. Deswe-gen passen wir eine Reihe von rechtlichen Regelungenim Bereich des Vergabe-, Gebühren-, Haushalts- undSteuerrechts an, damit sie öffentlich-privaten Partner-schaften nicht entgegenstehen. Uns war wichtig, voneiner generellen Öffnung von geschlossenen Immobi-lsvkFmrDeLmbdscAibhmlßnDwussawsBgFnmgsaswm1abd
as ist aber nur ein Teil des ganzen Reigens. Ursächlichar nicht mangelnder Wille unsererseits, fair mit Ihnenmzugehen; vielmehr gab es bei den Akzenten, die Sieetzen wollten – das betraf auch das Steuerrecht –,chlicht Differenzen. Ich finde es gut, dass Sie mit Blickuf den Bundesrat dennoch weiterkommen wollen. Des-egen beschließen wir hier – ich hoffe, ohne Gegen-timmen von Ihrer Seite – unser Gesetz. Den weitereneratungen im Bundesrat sehen wir hoffnungsvoll ent-egen.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Horst Friedrich von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-au da, liebe Kollegin Hajduk, ist das Problem: Sieöchten ÖPP nach Ihren Kriterien definieren. Sie ver-essen dabei, dass ÖPP nur funktioniert, wenn es insge-amt ein gesellschaftliches Klima gibt, in dem überhauptkzeptiert wird, dass sich Private stärker beteiligen. Die-es Klima müssen Sie aber zunächst schaffen; denn das,as Sie wollen, ist auch jetzt schon möglich, nämlichit Gesetzen, die im Übrigen aus den Jahren 1993 und994 stammen und die damals gegen Ihre Stimmen ver-bschiedet wurden. Mit dem, was Sie jetzt vorgelegt ha-en, schaffen Sie bestenfalls eine Arbeitsgrundlage fürie beiden Leuchttürme – in Rostock und bei der
Metadaten/Kopzeile:
17346 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Horst Friedrich
Querung der Trave in Lübeck –, die zwei Unternehmergesetzt haben. Das ist das, was hier drinsteht.Das, was Sie machen und wie Sie es machen, ist aller-dings einer parlamentarischen Beratung von Gesetzennicht angemessen; denn Sie treiben das im Schweinsga-lopp voran. Die Opposition wird im Prinzip nicht betei-ligt, es gibt kaum Chancen, sich einzubringen, und Siehaben offensichtlich noch nicht einmal Ihren Koalitions-partner so informiert, dass er weiß, wie er in den Aus-schüssen abstimmen muss.Sie führen hier neue Rechtsbegriffe ein und verwen-den diese zum Teil sogar noch unterschiedlich. Sie redenim Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen von „öf-fentlichen Auftraggebern“, in der Vergabeverordnunghingegen auf einmal von „staatlichen Auftraggebern“.Das mag ein Flüchtigkeitsfehler sein, aber man müsstedie Begriffe zumindest definieren.Tatsächlich neu ist allerdings, dass Sie neben denschon bekannten Begriffen „offene Verfahren“, „nichtoffene Verfahren“ und „Verhandlungsverfahren“ in derVergabeverordnung den so genannten wettbewerblichenDialog einführen – einen Begriff, den es in Deutschlandim Vergaberecht noch gar nicht gibt. Derartiges ist in derEU zwar angedacht, aber noch keineswegs umgesetzt.Es ist auch nicht verpflichtend, dies umzusetzen; tat-sächlich weiß niemand, was „wettbewerblicher Dialog“heißt.Dies führt uns zu der Frage: Wer schützt denn denMittelstand? Denn die Konsequenz Ihrer Gesetzesvorga-ben ist, dass der Auftraggeber aus dem wettbewerb-lichen Dialog heraus – nach Zustimmung der anderenVorschläge – berechtigt sein soll, technische Lösungenund innovative Ansätze mit anderen zu erarbeiten. Daskann es aus meiner Sicht nicht sein.
Die hoch innovativen Mittelstandsfirmen, die konse-quente Vorschläge machen, dann aber vielleicht nicht inder Lage sind, die Finanzierung zu realisieren, liefern dieTechnik, aber ein anderer produziert und benutzt dieseFirmen als Subunternehmer. Das kann aus unserer Sichtnicht sein. Deswegen wäre es gut gewesen, diesen Be-griff überhaupt einmal zu definieren und deutlich zu ma-chen, was das Ganze soll.In der Summe sagen wir: Was Sie vorlegen, ist imGrunde nicht falsch; es geht uns aber nicht weit genug.Sicherlich ist das nicht das richtige Zeichen: Sie wollenÖPP ausschließlich dann nutzen, wenn der Staat bei derFinanzierung nicht mehr weiter weiß und ein Loch ge-stopft werden muss. Genau das kann es nicht sein. Dasist ein völlig falsches Signal. Deswegen werden wir unsbei der weiteren Beratung enthalten. Sollte es am18. September Neuwahlen geben, dann muss dieses Ge-setz als allererstes auf den Prüfstand und dann muss dasThema richtig angefasst werden, hoffentlich unter ande-ren Mehrheitsverhältnissen.Danke sehr.
SDdkaükgKrwsDadtwBdsVscmgfaflzSLvtzFSvtchml5ÖArL
ber den vorliegenden Gesetzentwurf so sachlich undonstruktiv debattieren können, wie es dem Thema an-emessen ist. Ich hoffe nur, dass sich dieser Wille zumonsens von heute auch auf die Beratungen des Bundes-ates am 8. Juli erstrecken wird. Dann nämlich hättenir alle einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Wirt-chaftsstandortes Deutschland geleistet.Im Übrigen muss ich Ihnen klar sagen, Herrr. Lippold: Wir warten nicht ab, wir sitzen auch nichtus, sondern wir haben schnell gearbeitet und sehr frühazu eine Arbeitsgruppe installiert. Wir haben mit Prak-ikern geredet und insofern ein Gesetz vorgelegt, das an-endungstauglich ist. Wir hoffen wirklich, dass es imundesrat recht bald Zustimmung erfahren wird, damiter Segen dieses Gesetzes von allen am Wirtschafts-tandort Deutschland genutzt werden kann.Über die Einzelheiten des Gesetzes ist von meinenorrednerinnen und Vorrednern schon ausführlich ge-prochen worden. Ich möchte auf einen Aspekt zu spre-hen kommen, der in der öffentlichen Debatte bisher, soeine ich, zu kurz gekommen ist. Das Konzept ÖPPeht weit über die Frage neuer Finanzierungsmodelle öf-entlicher Leistungen hinaus. Es handelt sich auch nichtllein um eine neue öffentlich-private Form des Entwer-ens, des Bauens und des Betreibens bisher in Eigenrea-isierung des Staates erbrachter Leistungen. ÖPP kannu einem Effizienztreiber und Modernisierungsmotor fürtaat und Gesellschaft schlechthin werden. Allein dieebenszyklusbetrachtung und der Wirtschaftlichkeits-ergleich werden eine Debatte über den besten und kos-engünstigsten Weg öffentlicher Leistungserstellung er-wingen. Darauf werden zukünftig nicht nur dieinanzminister und die Kämmerer, sondern auch dieteuerzahler und die Öffentlichkeit bestehen müssen.Richtig ist: Es gibt keinen Automatismus zugunstenon ÖPP. Richtig ist aber auch: Es darf keinen Automa-ismus mehr für die Eigenrealisierung durch die öffentli-he Hand geben. Beide Beschaffungsvarianten sind zuinterfragen; beide haben sich im Wettbewerb zu legiti-ieren. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft jede öffent-iche Investition mit einem Volumen von mehr alsMillionen Euro darauf überprüft werden wird, ob einePP-Variante nicht besser und kostengünstiger wäre.llein eine solche Debatte wird zu einem Modernisie-ungsschub in den Verwaltungen führen, der unseremand gut tun wird.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17347
)
)
Klaus BrandnerWir alle wissen, dass bei herkömmlichen Bauvorha-ben des Staates Kosten- und Zeitüberschreitungen an derTagesordnung sind. Bei öffentlich-privaten Partnerschaf-ten sind Kosten- und Zeitüberschreitungen dagegen dieAusnahme. Wir wissen aus anderen Ländern, dass mitÖPP gegenüber der Eigenrealisierung des Staates einedurchschnittliche Kostenunterschreitung von bis zu20 Prozent möglich ist. Auch bei den – wenigen – ÖPP,die zurzeit in Deutschland verwirklicht werden, ver-zeichnen wir Kostenvorteile von bis zu 19 Prozent; diesbelegen zum Beispiel die Schulprojekte im LandkreisOffenbach. Auch in meinem Wahlkreis Gütersloh gibt essolche Projekte. Insofern gibt es schon diese „Leucht-türme“, für die wir werbend tätig werden sollten und de-nen wir durch die Verabschiedung des ÖPP-Gesetzeseine noch schnellere Verwirklichung ermöglichen.Mithilfe von ÖPP können und sollen sich der Staatund die öffentliche Hand auf die Vorgaben und die Kon-trolle der von den politischen Gremien gewünschtenProjekte zurückziehen. Damit wird der Weg auch für einmodernes Staatsverständnis geebnet. Der Staat sieht sichnicht mehr in der Verantwortung, öffentliche Leistungenselbst zu erstellen; er sieht sich vielmehr in der Verant-wortung, öffentliche Leistungen für die Bürgerinnen undBürger in ausreichender Qualität und Quantität zu ge-währleisten.Rolf Böhme, der frühere Oberbürgermeister von Frei-burg, hat neulich in einem Zeitungsbeitrag dazu ge-schrieben:Die Entwicklung zu einer Gewährleistungsge-meinde, die nicht mehr selbst über ihre Ämter plant,ausführt und bewirtschaftet, sondern nur noch dieInhalte bestimmt und ihre Gewährleistung gegen-über der Bürgerschaft überwacht, ist vorgezeichnet.Die ÖPP-Modelle würden daher nicht nur Investitionenim öffentlichen Bereich, sondern auch Innovationen fürdie Struktur der öffentlichen Verwaltung insgesamt aus-lösen. Dieser Prozess wird sich langsam vollziehen, aberÖPP ist ein erster Schritt in die richtige Richtung; damitwird der richtige Weg eingeschlagen. So weit RolfBöhme, der sich sehr engagiert mit diesem Themenkom-plex befasst hat.Wir verabschieden heute das erste ÖPP-Gesetz inDeutschland. Es wird mit Sicherheit nicht das letzte sein.Nach wie vor ungelöst ist die Umsatzsteuerdiskriminie-rung von ÖPP gegenüber der Eigenrealisierung durchdie öffentliche Hand. Schnelle und einfache Lösungen,wie sie in anderen Ländern mit so genannten Umsatz-steuerrefundsystemen möglich sind, sind in unserem fö-deralen System nicht realisierbar.Wir haben mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nureinen ersten Einstieg in eine ÖPP-freundliche Ausgestal-tung des Investmentgesetzes geschafft. Die Frage derBeimischung von ÖPP-Projektgesellschaften in Port-folios offener Immobilienfonds und die Schaffung vonÖPP-Infrastrukturfonds müssen wir in Zukunft angehen.Wir müssen wahrscheinlich auch das Dienstrecht nocheinmal genauer betrachten. Des Weiteren werden wir dieAusweitung des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsge-setzes auf Bundesautobahnen zu thematisieren haben.iwDAhbCHKsltvheAHdwdwutEddswv–lfw
Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Fuchs von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieberollege Brandner, Sie haben das Ganze heute sehrtaatstragend vorgetragen. Allerdings wäre es mir vielieber gewesen, wenn Sie dieses staatstragende Verhal-en schon eher hinbekommen hätten; dann hätten wirielleicht die Punkte, die wir zwar gemeinsam diskutiertaben, die uns aber trennen, auch noch in diesen Gesetz-ntwurf aufnehmen können. Genau dies wäre unsereufgabe gewesen. Es tut mir Leid; ich weiß, dass Sie,err Bürsch, viel Herzblut hineingesteckt haben, umies hinzubekommen. Aber es ist eben nicht so weit. Icherde gleich noch die Punkte aufzählen, warum es nichter Fall ist.Zuerst mache ich deutlich, warum ÖPP für uns soichtig ist: Wir haben einen riesigen Investitionsstau innserem Land. Dieser Investitionsstau ist Ihr Investi-ionsstau.
r kommt schlicht und ergreifend daher, dass der Bun-eshaushalt ein strukturelles Defizit von über 60 Milliar-en Euro ausweist. Das ist der Erfolg Ihrer Politik: eintrukturelles Defizit von über 60 Milliarden Euro. Sieerden in diesem Jahr die Maastricht-Kriterien zumierten Mal verfehlen.
Ich weiß, dass Ihnen das weh tut. – Sie haben in denetzten Jahren eine Strukturpolitik gemacht, die dazu ge-ührt hat, dass die Investitionen in Deutschland ständigeiter zurückgegangen sind.
Metadaten/Kopzeile:
17348 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Michael FuchsEin weiterer Indikator für die Schieflage des Bundes-haushalts ist die Tatsache, dass 2005 erstmals die Sozial-,Versorgungs-, Zins- und Personalausgaben in Höhe von207 Milliarden Euro die Einnahmen um über 20 Milliar-den Euro übersteigen werden. Nach der letzten Kor-rektur, die Herr Eichel vornehmen musste, werden dieEinnahmen in diesem Jahr nur 187 Milliarden Euro be-tragen.Schauen Sie einmal nach, was Sie aus Investitionengemacht haben! Sie werden feststellen, dass die Investi-tionsquote von 12,5 Prozent im Jahre 1998 auf heute8,3 Prozent abgesackt ist. Alle Ihre Haushalte sind nichtmehr verfassungsgemäß. Die Investitionen, die letztend-lich Arbeitsplätze in Deutschland bedeuten, haben Siekaputtgemacht; dies sage ich ganz deutlich.
Herr Brandner, ich sage Ihnen dies an einem Tag, andem Sie alle wirklich mit Asche auf dem Haupt in die-sem Haus sitzen müssten: 4,7 Millionen Arbeitslose imarbeitsstärksten Monat Juni! Diese Zahl wurde heute inNürnberg verkündet.
– 471 000 mehr als im Juni letzten Jahres. Das ist dieFolge Ihrer Politik, die Folge der Tatsache, dass wir indiesem Land keine Investitionen mehr haben, weil sichdie Unternehmen nicht zu investieren trauen und weilSie staatliche Investitionen derart erschwert haben. Ge-nau das ist das Problem und das sollten wir hier ganzdeutlich benennen.
Deswegen halte ich es für richtig, dass wir heute hiergemeinsam ÖPP nach vorne bringen wollen. Nun wirdÖPP nicht das gesamte Problem lösen.
Wir sollten uns auch davor hüten, zu glauben, dass wir– für mich ist es eine Second-best-Lösung – mit dieserSecond-best-Lösung Privatisierungen verhindern könn-ten. Wir brauchen genauso die Privatisierungen. An die-sem Thema sollten wir dran bleiben.
Ich freue mich dennoch, dass wir gemeinsam – vor al-len Dingen mit Ihnen, Kollege Bürsch – nach Lösungengesucht haben. Allerdings will ich auch die Punkte an-sprechen, die wir nicht gemeinsam hinbekommen haben.Wir werden mit dem ÖPP-Gesetz leben können, aber wirwerden es so schnell wie möglich – das wird nach dem18. September ziemlich zügig gehen – reformieren müs-sen, weil es uns zu viele großvolumige Projekte fördert.Deswegen hatten wir auch eine Revisionsklausel ver-langt, um nachprüfen zu können, ob wir nicht unter Um-sasgAPzbHIdnDmwEhKdrmbNunhdvVvawmvInmAtgIw
ieses Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzuss besser eingebaut werden. Es kann nicht sein, dassir da nur über so genannte Ingenieurbauten sprechen.s muss auch für gesamte Autobahnen gelten. Ich denkeier zum Beispiel an die A 20, die dringend notwendigeüstenautobahn. Könnten wir sie über ÖPP finanzieren,ann sollten wir es auch tun.
Wir lehnen auch ganz massiv die geplante Veräuße-ung unbeweglichen Vermögens dann ab, wenn das Ver-ögen immer noch zur Aufgabenerfüllung des Bundesenötigt wird.Art. 4 Abs. 2 Ihres Gesetzentwurfs hat aber denachteil, dass kurzfristige Veräußerungserlöse erzieltnd zur Haushaltsfinanzierung verwandt werden kön-en. Wir brauchen aber keine zusätzlichen Schattenhaus-alte und auch keine Ausweitung des Kreditrahmens aufiese Art. Wir haben schon viel zu hohe inakzeptableerdeckte Kreditaufnahmen. Wenn wir jetzt immobilesermögen des Bundes, der Länder und der Kommunenerkaufen, das in einem Sale-and-lease-back-Verfahrennschließend wieder zurückgemietet wird, verschiebenir wieder einmal die Verantwortung in die Zukunft, ge-äß dem Motto „Was kümmern mich meine Schuldenon morgen?“
ch will es anders ausdrücken: Sie machen damit Politikach dem Motto „Kinder haften für ihre Eltern“. Dasachen wir nicht mehr mit. Auf die Verschiebung vonufgaben in die Zukunft zulasten einer anderen Genera-ion sollten wir verzichten. Das haben wir lange genugemacht.
ch glaube, in diesem Punkt muss das Gesetz geänderterden. Wir werden das so bald wie möglich tun.Vielen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17349
)
)
Ich schließe die Aussprache. Es liegen einige Erklä-rungen nach § 31 der Geschäftsordnung vor, die ich zuProtokoll nehme.
– Einige Kollegen aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-nen haben eine Erklärung abgegeben.1)
Zusatzpunkt 3 a: Abstimmung über den von den Frak-tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen ein-gebrachten Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Um-setzung von öffentlich-privaten Partnerschaften und zurVerbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für öf-fentlich-private Partnerschaften, Drucksache 15/5668.Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehltunter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung aufDrucksache 15/5859, den Gesetzentwurf in der Aus-schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratungmit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthal-tung von CDU/CSU- und FDP-Fraktion angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.Zusatzpunkt 3 b: Unter Buchstabe b seiner Beschluss-empfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung desAntrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2601mit dem Titel „Privatisierung und öffentlich-privatePartnerschaften“. Wer stimmt für diese Beschlussemp-fehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-fraktionen gegen die Stimmen von FDP- und CDU/CSU-Fraktion angenommen.Zusatzpunkt 3 c: Beschlussempfehlung des Aus-schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen aufDrucksache 15/5861 zu dem Antrag der Fraktion derCDU/CSU mit dem Titel „Wachstumsstrategie fürDeutschland: Public Private Partnership weiterentwi-ckeln und nunmehr realisieren – Infrastruktur optimie-ren, Investitionsstau auflösen“. Der Ausschuss emp-fiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5676 abzulehnen.Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-stimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen von CDU/CSU- und FDP-Fraktion angenom-men.1) Anlage 3
richts des Innenausschusses
– zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENZusammenleben auf der Basis gemeinsamerGrundwerte– zu dem Antrag der Abgeordneten WolfgangBosbach, Hartmut Koschyk, Kristina Köhler
, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSUPolitischen Islamismus bekämpfen – Verfas-sungstreue Muslime unterstützen– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. MaxStadler, Klaus Haupt, Ernst Burgbacher, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der FDPKulturelle Vielfalt – Universelle Werte –Neue Wege zu einer rationalen Integrations-politik– Drucksachen 15/4394, 15/4260, 15/4401,15/5238 –Berichterstattung:Abgeordnete Rüdiger VeitKristina Köhler
Josef Philip WinklerDr. Max Stadlerb) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrateingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Er-richtung einer gemeinsamen Datei der deut-schen Sicherheitsbehörden zur Beobachtungund Bekämpfung des islamistischen Extremis-
– Drucksache 15/4413 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-schusses
– Drucksache 15/5239 –Berichterstattung:Abgeordnete Frank Hofmann
Dr. Ole SchröderSilke Stokar von NeufornDr. Max Stadlerc) Erste Beratung des von den AbgeordnetenWolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, ThomasStrobl , weiteren Abgeordneten undder Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent-wurfs eines Gesetzes über die Eidesleistung beiEinbürgerungen– Drucksache 15/5020 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussRechtsausschuss
Metadaten/Kopzeile:
17350 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uniond) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes über die Eidesleistungbei Einbürgerungen– Drucksache 15/5225 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
RechtsausschussNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Rüdiger Veit von der SPD-Fraktiondas Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beratenheute unter diesem Tagesordnungspunkt über drei The-men, die inhaltlich nur sehr bedingt etwas miteinanderzu tun haben – so ist es nun einmal –, und wir werdendazu getrennt Stellung nehmen müssen. Ich beginne mitdem vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Geset-zes zur Errichtung einer Antiterrordatei, den sich dieCDU/CSU-Fraktion zu Eigen gemacht hat. Wir sind derAuffassung, dass dieser Gesetzentwurf als unausgegorenund fachlich unzureichend abzulehnen ist. Er wird ja be-zeichnenderweise im Bundesrat noch nicht einmal vonallen unionsgeführten Bundesländern unterstützt.Wir haben völlige Einigkeit in der Zielsetzung: Wirk-same Terrorbekämpfung, und zwar jedweden Terrors,egal von wem und wo er ausgeübt wird, bedarf einermöglichst guten Zusammenarbeit aller Sicherheitsbehör-den – national und international –, natürlich mithilfe derelektronischen Datenverarbeitung. Der ParlamentarischeStaatssekretär Fritz Rudolf Körper und mein KollegeFrank Hofmann haben bereits in der ersten Lesung die-ses Gesetzentwurfs am 17. Februar dieses Jahres deut-lich gemacht, dass er gerade dazu nicht geeignet ist, undzwar nicht nur, weil er sich unverständlicherweise ledig-lich auf islamistischen Terrorismus und Extremismus be-schränkt, sondern auch, weil er sich um die notwendigenflankierenden datenschutzrechtlichen Bestimmungennicht kümmert.Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU,haben zudem geglaubt, uns von der Koalition und demBundesinnenminister in Fragen der wirksamen Terrorbe-kämpfung Nachhilfe geben zu müssen. Aber es ist um-gekehrt: Seit dem Dezember 2004 arbeiten in Berlin-Treptow 37 verschiedene Sicherheitsbehörden des Bun-des und der Länder in einem gemeinsamen Zentrum zurBekämpfung des Terrors intensiv zusammen. Davon ha-ben wir uns von der SPD-Arbeitsgruppe „Innenpolitik“einen Eindruck verschafft. Auch Sie von der Union sol-len dort gewesen sein und waren wohl einigermaßen an-getan.eEuvuVggmdgaEb–dcsdzreSdahtudDsdSssgdgAcdkmsgsO
Genau. – Schon der Begründung des Gesetzentwurfser Union kann man entnehmen, dass es einer zusätzli-hen gesetzlichen Regelung nicht bedarf. Einerseitschwebt Ihnen vor, die Bedeutung der Einbürgerungurch die Schaffung eines feierlichen Rahmens hervor-uheben. Dagegen ist nichts zu sagen. Einige Einbürge-ungsbehörden praktizieren schon die Aushändigung derntsprechenden Urkunden im Rahmen einer Feierstunde.olche löblichen Beispiele könnte man durchaus beför-ern, wenn man die ohnehin zur Änderung anstehendenllgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Staatsange-örigkeitsrecht entsprechend ergänzte.
Zum andern versprechen Sie sich von einer Eidesleis-ng wohl eine bessere Bindung des Einzubürgernden anie staatliche Gemeinschaft in der Bundesrepublikeutschland. Sie verkennen dabei aber völlig, dasschon die bestehende so genannte Loyalitätserklärunger Betreffenden gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 destaatsangehörigkeitsgesetzes als Einbürgerungsvoraus-etzung wesentlich weiter geht als die von Ihnen vorge-chlagene Eidesformel.Gegen Ihren Vorstoß einer – wie gesagt: unnötigen –esetzlichen Regelung muss aber auch eingewandt wer-en, dass nach deutschem Recht und unserer langjähri-en Tradition eine Eidesleistung ausschließlich vonmtsträgern verlangt wird, während sie uns beim „einfa-hen“ Staatsbürger völlig fremd ist. Wenn man einmalaran denkt, dass der Landtag des Freistaates Bayern be-anntlich im Jahr 1949 unser Grundgesetz abgelehnt hat,üsste man mit der gleichen Logik, wie sie Ihrem Ge-etzentwurf zugrunde liegt, alle bayerischen Staatsbür-er zur sofortigen Eidesleistung auf unsere bundesdeut-che Verfassung antreten lassen.
Ich komme zum dritten Thema, das wir unter demberbegriff „Integration“ hier und in den Ausschüssen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17351
)
)
Rüdiger Veitbehandelt haben. Der Titel „Politischen Islamismus be-kämpfen – Verfassungstreue Muslime unterstützen“ desCDU/CSU-Antrags zeigt bereits, dass die Union einenviel zu engen Teilaspekt beleuchtet. Außerdem wandeltsie – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – auf dem sehrschmalen Grat von durchaus berechtigten Anliegen ei-nerseits und der stets vorhandenen Gefahr andererseits,gegenüber allen Anhängern des Islams in Deutschlandunterschwellig fremdenfeindliche Gefühle in der Bevöl-kerung anzusprechen.Statt der gut sieben Seiten Text hätte Ihrerseits fol-gende Feststellung ausgereicht: Volksverhetzung, verfas-sungsfeindlicher Extremismus und Straftaten werden inDeutschland auch dann nicht toleriert, wenn der Täterversucht, sie mit religiösen Motiven zu begründen. Sobesagt es das Gesetz, so handeln unsere Sicherheitsbe-hörden und so urteilen unsere Gerichte. Darüber sind wiruns alle hier eigentlich einig.
Schließlich waren es, wenn ich daran erinnern darf,die rot-grüne Bundesregierung und die sie tragende Ko-alition, die dafür Sorge getragen haben, dass die religiö-sen Tarnvereine verboten werden können und dass ge-gen ihre Anhänger konsequent vorgegangen werdenkann.Der FDP-Antrag „Kulturelle Vielfalt – UniverselleWerte – Neue Wege zu einer rationalen Integrationspoli-tik“ enthält insbesondere in den Punkten 14 und 15 ausmeiner Sicht nachhaltig zu begrüßende Feststellungenund Forderungen, auf die ich im Zusammenhang auchmit Ihren Ausführungen, Herr Kollege Dr. Stadler, in derersten Lesung gern zurückkommen werde. Gleichwohlbitte ich um Verständnis, wenn ich Ihnen hier und heuteden Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mitdem Titel „Zusammenleben auf der Basis gemeinsamerGrundwerte“ zur Verabschiedung empfehle.Mit dem von uns auf den Weg gebrachten Zuwande-rungsgesetz bekennt sich unser Staat nach jahrzehnte-langen Versäumnissen zu seiner Mitverantwortung fürdie Integration von Zuwanderern. Wir, gerade die Innen-politiker der Koalition, können auf dieses Gesetz und imÜbrigen auch auf die Staatsbürgerschaftsreform desJahres 1999 stolz sein, auch wenn leider viele, zum Teilsehr schmerzhafte Kompromisse und Abstriche in Bezugauf unsere Vorstellungen im Gesetzgebungsverfahrender CDU/CSU und ihrer Mehrheit im Bundesrat ge-schuldet waren.Nach unseren Vorstellungen ist Integration ein Pro-zess, der sowohl von den Zugewanderten oder Zuwan-dernden als auch von den Menschen der aufnehmendenGesellschaft wechselseitig Anerkennung, ein Aufeinan-derzugehen und die Übernahme von Verantwortung mitdem Ziel der Achtung und des im Grundgesetz beschrie-benen Wertesystems verlangt.
SvishrgOedtiSAzdjätebaAHgüdjarsdläAVüMsgtV85nTRbledicazpsz
Ziel der Integration ist die gleichberechtigte Teil-abe am ökonomischen, sozialen, politischen und kultu-ellen Leben. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Auf-abe aller staatlichen Ebenen und nicht staatlichenrganisationen, die gemeinsam mit der Bevölkerung zurfüllen ist. Unser Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabeer Migranten und ihrer Familien. Der vielleicht wich-gste Schlüssel hierzu ist die Vermittlung ausreichenderprachkenntnisse. Wir haben die Koordinierung dieserufgabe beim Bundesamt für Migration und Flüchtlingeusammengefasst. Für alle Migrantengruppen stehenort Haushaltsmittel in Höhe von 208 Millionen Eurohrlich zur Verfügung.Auch wir von Bündnis 90/Die Grünen und SPD hät-n gern nicht nur die Ansprüche von Neuzuwanderernegründet, sondern auch für alle bereits bei uns lebendenusländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger noch mehrngebote gemacht. Aber Sie von der anderen Seite desauses haben sich bei der Beratung des Zuwanderungs-esetzes auch mit entsprechenden Forderungen geradezuberschlagen. Sie wollten dabei vergessen machen, dassie verstärkten gegenwärtigen Anstrengungen aus denhrzehntelangen Versäumnissen Ihrer Regierungszeitesultieren. Sie müssen sich außerdem mit dem Wider-pruch auseinander setzen, dass Sie hier zwar mehr for-ern, dass andererseits gerade unionsgeführte Bundes-nder ihre Haushaltsmittel – beispielsweise bei derusländersozialberatung – auf null gesetzt haben.
Unter unserer Verantwortung wird der Bund seinererantwortung jedenfalls mehr als gerecht. Das belegenbrigens auch die jüngsten Zahlen des Bundesamtes fürigration und Flüchtlinge. Ich kann hier sagen, dassich dies wesentlich besser entwickelt hat, als wir ge-laubt haben. Nach heutigem Stand sind 3 842 Integra-ionskurse für zusammen 117 232 Teilnehmer bewilligt.on diesen 117 232 Teilnehmern leben bereits fast0 000 länger in Deutschland. Wir sind ursprünglich von0 000 pro Jahr ausgegangen. Diese Zahl ist also bereitsach einem halben Jahr mehr als deutlich überschritten.Für uns ist im Übrigen selbstverständlich: Religion isteil der Kultur. Jeder hat in Deutschland das Recht, imahmen unserer Verfassung entsprechend seinem Glau-en zu leben und seinen Glauben auszuüben. Aber wirhnen es ab – wie Sie es in Ihrem Antrag getan haben –,ie Zahlen und die Ereignisse zu dramatisieren.Meine Redezeit läuft ab. Wie versprochen, möchteh noch auf die Punkte 14 und 15 des FDP-Antrags unduf Herrn Kollegen Dr. Stadler eingehen. Mindestenswei Baustellen werden wohl dann, wenn die Legislatur-eriode jetzt vorzeitig zu Ende geht, leider nicht abge-chlossen werden können; auch sie haben mit Integrationu tun.
Metadaten/Kopzeile:
17352 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Rüdiger VeitZum einen meine ich unsere gemeinsamen Bestre-bungen, alle diejenigen straffrei zu stellen, die aus reinhumanitären Gründen den illegal in Deutschland sichaufhaltenden Menschen Hilfe leisten, namentlich alsoÄrzte, Krankenschwestern, Sozialarbeiter, Kirchenver-treter, Lehrer und Vertreter ähnlicher Berufsgruppen.
Zum anderen meine ich eine so genannte Altfall- oderBleiberechtsregelung, die wir trotz entsprechender Be-mühungen im Zuwanderungsgesetz leider nicht veran-kern konnten.
Herr Kollege Veit, ich bin sehr großzügig, aber auch
das hat seine Grenzen.
Ich bin sofort am Ende. – Ich jedenfalls kann es bis
zum heutigen Tage niemandem erklären, dass wir einer-
seits die zu niedrige Geburtenrate in Deutschland bekla-
gen und uns um die Integration von Neuzuwanderern
Gedanken machen, dafür Geld ausgeben, andererseits
aber Familien mit in Deutschland geborenen und hier
aufgewachsenen Kindern, die bestens integriert sind, des
Landes verweisen oder verweisen wollen.
In diesem Zusammenhang bin ich froh über den Vor-
stoß des Innensenators von Berlin auf der letzten Innenmi-
nisterkonferenz und auch – das will ich hier ausdrücklich
sagen – über die Unterstützung durch Bundesminister
Otto Schily. Ich habe kein Verständnis für die Innenmi-
nister der CDU- und CSU-regierten Länder, die ihrer
christlichen Gesinnung nun gar nicht entsprochen haben
und diesen Vorstoß in, wie ich finde, völlig unvernünfti-
ger Weise ausgebremst haben.
Meine Damen und Herren, wir werden daran in der
nächsten Legislaturperiode – ich hoffe, mit noch breite-
ren Mehrheiten – weiter arbeiten müssen.
Ich bedanke mich.
Das Wort hat der Kollege Hartmut Koschyk von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Niemand, Herr Veit, kann doch ernsthaft bestreiten, dassFragen der Zuwanderung und Fragen der inneren Sicher-heit zu den größten Herausforderungen der deutschen In-nenpolitik gehören. Im Gegensatz zu Ihnen, lieber Kol-lege Veit, legen wir hierbei einen ganzheitlichen AnsatzzDsdddhvslifFiIaDhIstkazRjsaWlsgKdDwMbv
Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dassich aus mangelnder Integration und wachsenden Paral-elgesellschaften auch religiöser Fundamentalismus undslamistischer Extremismus speisen. Hiergegen gilt esrühzeitig anzugehen. Es hilft nichts, den Blick an denakten vorbei zu lenken.
Ohne eine Gleichsetzung vorzunehmen, sage ich: Esst eine Tatsache, dass der extremistische und politischeslamismus seine vermeintliche Legitimation letztlichus dem Islam herleitet.
as mag zu Unrecht geschehen, aber es geschieht. Des-alb müssen wir bei der Bekämpfung von politischemslamismus und islamistischem Extremismus auf verfas-ungstreue Muslime in Deutschland setzen.Sicherlich müssen wir dort ansetzen, wo die Deu-ungshoheit bezüglich des Islam liegt. Wir müssen er-ennen: Sie liegt nicht bei der Politik. Unsere Aufgabels Politik ist es, eindeutig und unmissverständlich klar-ustellen, was in unserem freiheitlichen demokratischenechts- und Verfassungsstaat die Anforderungen an die-enigen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschlandind, die sich zum Islam bekennen. Dabei beziehe ichusdrücklich die Grundlagen unserer abendländischenert- und Gesellschaftsordnung sowie unser christ-ich-jüdisches Menschenbild ein; denn darauf gründetich unser Grundgesetz.
Hierzu zählen die Anerkennung der Gleichberechti-ung von Mann und Frau, die Trennung von Staat undirche, aber auch die Achtung der Religionsfreiheit under Würde des anderen. Der notwendige interreligiöseialog muss deshalb auf einer klaren Grundlage geführterden. Es kann nicht hingenommen werden, wennenschen anderen Glaubens von Muslimen als Ungläu-ige diffamiert und damit in ihren religiösen Gefühlenerletzt werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17353
)
)
Hartmut KoschykDer Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,Kardinal Lehmann, hat dies deutlich gemacht, als erjüngst ausführte, dass im Dialog mit dem Islam die ge-genseitige Anerkennung von Grundrechten gewährleis-tet sein müsse. Zu Recht hat Kardinal Lehmann diesbe-züglich auch skeptisch geäußert, dass der Islam sehrstark kämpferische, sieghafte Elemente fast absolutsetzt. Gerade deshalb darf sich die Politik nicht einenverklärenden Blick auf die Herausforderungen des Zu-sammenlebens von Menschen unterschiedlicher Reli-gion in Deutschland leisten. Der Vorsitzende des Ratesder Evangelischen Kirche in Deutschland, BischofHuber, hat es auf den Punkt gebracht, als er kritisierte– ich darf das zitieren –: Manche hingennoch einer idealisierenden Multi-Kulti-Stimmungnach, obwohl offenkundig geworden ist, dass inter-religiöse Schummelei nicht mehr funktioniert …So zu Recht der Ratsvorsitzende der EKD, BischofHuber.
Genau diese Mahnungen, Herr Kollege Winkler, spie-geln sich in unserem Antrag wider. Ihm liegt eben einunvoreingenommener Blick auf die Realität zugrunde,der weder dramatisiert noch beschönigt. Deshalb sinddie von uns vorgeschlagenen Maßnahmen sachgemäßund dienen der effektiven Bekämpfung des politischenIslamismus, der leider traurige Realität in unserem Landist. Auch dürfen wir uns nicht einer falschen Toleranzhingeben. Hier möchte ich Bundespräsident Köhler zi-tieren:Toleranz ist deshalb nicht zu verwechseln mitGleichgültigkeit, auch nicht mit Ignoranz. Toleranzfordert meinen Respekt vor dem Anderssein des an-deren, aber sie fordert auch den Respekt des ande-ren vor meiner Haltung und Lebensweise. Nur sowird sich Toleranz letzten Endes nicht als Schwä-che, sondern als zivilisatorische Stärke erweisen.Darum geht es: Toleranz muss sich als zivilisatorischeStärke erweisen.
Deshalb betrachten wir auch die Herausforderungen despolitischen Islamismus nicht eindimensional; vielmehrmüssen wir die Probleme umfassend angehen.So wie die Bekämpfung des politischen und extremis-tischen Islamismus in Deutschland eben nicht ohne dieUnterstützung, auch die deutliche Unterstützung, verfas-sungstreuer Muslime denkbar ist, so gehört für uns zurLösung von Integrationsproblemen auch die Unterstüt-zung erfolgreicher Integration. Wir meinen, am Ende er-folgreicher Integration kann die Verleihung der deut-schen Staatsangehörigkeit an den einbürgerungswilligenAusländer stehen. Wir meinen, dass die derzeitige Praxisder Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit die-sem wichtigen Ereignis in keiner Weise gerecht wird.AdEhgsBoddOBSdh––LdAzmFdgdavSawohbrrbsntdmdW
Das hat er nicht sehr überzeugend darlegen können.
Ach, Sie sehen Eidesleistung als Formalismus?
ieber Herr Kollege Hacker, ich finde, die Verleihunger deutschen Staatsangehörigkeit an jemanden, der alsusländer diese erwerben will, mit einer Eidesleistungu verbinden, ist alles andere als bloßer Formalismus.
Zu unserem ganzheitlichen Ansatz in diesem Zusam-enhang zählt neben der Bekämpfung der Ursachen vonundamentalismus, Extremismus und Terrorismus auch,ass der Staat über die notwendigen Instrumente verfü-en muss, um seine Bürger effektiv zu schützen. Einesieser Instrumente ist die vom Land Niedersachsen undnderen Bundesländern über den Bundesrat, aber auchon uns im Bundestag vorgeschlagene Antiterrordatei.ie haben die Einrichtung einer solchen Datei bislangbgelehnt. Bundesinnenminister Schily hat zwar immerieder Unzulänglichkeiten des niedersächsischen Uni-nsentwurfes kritisiert; aber jetzt hat er nach langen Mü-en endlich einen eigenen Gesetzentwurf zu dieser Pro-lematik vorgelegt. Das ist zwar ein Schritt in dieichtige Richtung; aber wie so oft genügen die Anforde-ungen des Bundesinnenministers nicht der Praxis. Soeinhaltet der Vorschlag, dass es sich um eine geschlos-ene Datei handelt. In Wirklichkeit handelt es sich aberur um eine Reihe von zeitlich befristeten Projektda-eien. Diese Zersplitterung wichtiger Informationen, aufie unsere Sicherheitsbehörden angewiesen sind, inehrere Dateien ist völlig unsachgemäß und wird auchurch die Errichtung einer Indexdatei nicht aufgefangen.ir meinen, es bedarf hier einer umfassenden
Metadaten/Kopzeile:
17354 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Hartmut KoschykVolltextdatei, um den raschen Informationsfluss von denSicherheitsbehörden an wichtige politische Entschei-dungsstellen zu gewährleisten.Der Bundesinnenminister hat auch bei der Innenmi-nisterkonferenz deutlich gemacht, dass der Entwurf, dener vorgelegt hat, zwischen den Ressorts abgestimmt ist.Das ist bei dieser Bundesregierung schon ein großerFortschritt. Aber wir haben den Eindruck, dass er mögli-cherweise noch nicht mit dem grünen Koalitionspartnerabgestimmt ist. Wir sind gerne bereit – es ist gut, dassdie Innenministerkonferenz das beschlossen hat –, eineArbeitsgruppe einzusetzen, damit an diesem Thema wei-tergearbeitet wird, auch wenn es zu einer vorzeitigenAuflösung des Bundestages kommt. Wir halten eine sol-che Datei für wichtig und unverzichtbar und wir sindgerne bereit, mit Ihnen gemeinsam nach Lösungen fürbessere Informationsmöglichkeiten der Sicherheitsbe-hörden in unserem Land zu suchen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Josef Winkler, Bündnis 90/
Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich gehe ganz kurz auf die Frage der Eidesleis-tung bei der Einbürgerung ein. Herr Kollege Koschyk,Sie waren es doch, der im Vermittlungsverfahren zumZuwanderungsgesetz dafür gesorgt hat, dass ein Antragvon der Union eingebracht wurde, mit dem die Reformdes Staatsbürgerschaftsrechtes, die wir 1999 vorgenom-men haben, in einem wesentlichen Punkt zurückgedrehtwerden sollte, indem nicht mehr die Kinder, sondern erstdie Enkelkinder von Migranten sich einbürgern lassenkönnen.
Sie bauen hier einen gewissen Popanz auf: Erst wollenSie die Einbürgerung so schwer wie möglich machen;wenn aber Einbürgerung verlangt wird, dann wollen Sieauch noch den Eid einführen, weil sich der Eingebür-gerte sonst nicht an unsere Grundwerte und unsere Ver-fassung halte.Das sehen wir anders. Wir haben da mehr Zutrauen zuunseren Migrantinnen und Migranten, vor allem zu de-nen, die unsere deutsche Staatsbürgerschaft annehmenund sich dazu bekennen wollen. Wir wollen, dass dieseUrkunde nicht mehr in den Hinterzimmern der Rathäu-ser ausgehändigt wird, sondern feierlich. Da sind wir da-bei. Aber die Eidesleistung ist überflüssig.
Zum Thema Integration. Bei diesem Thema werdenheute mehrere Punkte zusammengefasst debattiert. Mei-ner Meinung nach reduzieren Sie in Ihrem Antrag zumThema Integration die Debatte einseitig auf die Bekämp-fdbseVda–aZdEzSvh–sTsVdbwrdeBgsnGgBhHwbrhasti
Sie bestreiten das heute nicht. Aber gestern im Innen-usschuss hat der Kollege Grindel eindeutig gesagt, dassuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland sichadurch auszeichne, dass – das hat er ohne irgendwelcheinschränkungen gesagt – eine Zuwanderung in die So-ialsysteme stattgefunden habe.
o reden Sie im Ausschuss. Im Plenum sind Sie dannielleicht etwas konzilianter; das will ich noch zugeste-en.
Das ist seine Sache, wenn er anderes zu tun hat undich dieser Debatte im Plenum nicht stellt.Die Bekenntnisse der Union, wie wichtig ihr dashema Integration ist, erweisen sich als leere Worthül-en, und das in schöner Regelmäßigkeit. Der Kollegeeit hat das eben angesprochen. Die Vorkommnisse aufer Innenministerkonferenz in der letzten Woche ha-en noch einmal deutlich gezeigt, dass Sie, wenn esirklich einmal hart auf hart kommt und eine Bevölke-ungsgruppe hier integriert werden soll, indem ihr einauerhaftes Bleiberecht gewährt wird, das ablehnen unds bei der Kettenduldung belassen wollen, dass Sie keinleiberecht für Kinder und Jugendliche, die hier inte-riert sind, wollen. Der Bundesinnenminister hat einenehr guten Vorschlag unterbreitet, der sich an der huma-itären und an der christlichen Ausrichtung unseresrundgesetzes orientiert und besagt: Wir wollen inte-rieren. Aber die Innenminister aller unionsregiertenundesländer haben diesen Vorschlag abgelehnt. Ichalte dies für einen Skandal.
Weil Sie vorhin Kardinal Lehmann und Bischofuber zitiert haben, möchte ich sagen: Ihre Haltungiderspricht genau dem, was die evangelische Kircheeschlossen hat und was die Deutsche Bischofskonfe-enz in verschiedenen Stellungnahmen schon gefordertat. Wenn Sie hier einzelne Äußerungen der Eminenzenus dem Zusammenhang reißen und sich auf die Fahnechreiben wollen, dann sollten Sie auch einmal die Kri-k der katholischen und der evangelischen Kirche an
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17355
)
)
Josef Philip WinklerIhrer Integrations- und Ausländerpolitik zur Kenntnisnehmen und in praktisches Handeln umsetzen.
Nun zum Thema Zwangsheirat. Ich will gleich Ih-rem Vorwurf entgegentreten, wir würden dieses Themaunter dem Deckmantel der multikulturellen Identitätnicht offensiv angehen. Dem ist nicht so. Die Innenmi-nisterkonferenz hat vorgeschlagen, dass man Zwangs-ehen dadurch verhindern solle, dass man die Alters-grenze für den Ehegattennachzug auf 21 Jahreheraufsetzt. Die Intention ist natürlich lobenswert. Aller-dings hat das Bundesverfassungsgericht in einem gleichgelagerten Fall vor einigen Jahren eindeutig entschieden,dass Wartezeiten beim Ehegattennachzug verfassungs-widrig sind. Insofern kann meine Fraktion diesen Vor-schlag nicht unterstützen.
Dieser Vorschlag hätte auch gar nicht den Erfolg, denman sich davon verspricht. Denn die Frauen würden inihrem Heimatland warten und dann eben mit 21 Jahrennachziehen. Mir erschließt sich nicht, worin da der inte-grationspolitische Fortschritt sein soll. Keine einzigeZwangsheirat wird dadurch verhindert werden können.
Wir brauchen andere Maßnahmen, nämlich niedrig-schwellige Integrationsangebote und einen Opferschutz,der mit Nachdruck ausgebaut werden muss und nicht,wie es in vielen unionsregierten Bundesländern der Fallist, abgebaut wird. Wir brauchen außerdem eine Stär-kung der Rechte der Opfer und eine langfristig angelegtePräventionsarbeit, und zwar innerhalb und außerhalb derMigranten-Communities.Schließlich benötigen Zwangsverheiratete ein eigen-ständiges Aufenthaltsrecht, um ihrer Situation entfliehenzu können. Frauen mit einem unsicheren Aufenthaltssta-tus müssen sich ohne Furcht vor Abschiebung aus einerZwangsehe befreien können. Wurden Frauen ins Aus-land zwangsverheiratet, dann – so ist die bisherige Rege-lung – konnten sie, wenn sie länger als sechs Monate imAusland waren, nicht mehr zurückkehren. Unser konkre-ter Vorschlag ist, diese Regelung zu ändern. Auch wenndie Frauen sich länger im Ausland aufgehalten haben,sollten sie ein eigenständiges Recht auf Rückkehr nachDeutschland haben. Diese Frist muss weg. Das wäre einesinnvolle Regelung gegen die Zwangsheirat. Aber wo istda die Union?
Ich will zum Schluss betonen: Integration erfordertvon allen Seiten kontinuierliches Engagement, Kompro-missbereitschaft und Geduld. Natürlich gibt es keine To-leranz gegenüber Menschen, die Verbrechen unter demDeckmantel irgendwelcher Ehrgefühle begehen. Es istaber falsch, Menschen den Willen zur Integration gene-rell abzusprechen. Wer dies tut, bewirkt das Gegenteildessen, was er zu erreichen vorgibt.Herzlichen Dank.Fr1sssanehlbnreierpvthwmdwIshHiTArewBcHkd
Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, nämlich am. Juli 2004, fand in diesem Hohen Haus die große ab-chließende Debatte über das neue Zuwanderungsge-etz statt. Ich erwähne dies, weil man daran sieht, wiechnelllebig unsere Zeit ist. Mittlerweile stehen längstndere Themen im Vordergrund der politischen Ausei-andersetzung. Es wird im bevorstehenden Wahlkampfntscheidend darum gehen, wer die besseren Konzepteat, mit denen der Abbau von Arbeitsplätzen in Deutsch-and verhindert werden kann und mit denen neue Ar-eitsplätze in Deutschland entstehen können.Anscheinend ist bei manchen im letzten Jahr der ge-aue Inhalt des gemeinsam beschlossenen Zuwande-ungsgesetzes in Vergessenheit geraten. Ich darf daranrinnern, dass gerade wegen der hohen Arbeitslosigkeitn Deutschland die Regelungen zur Zuwanderung sehrng gefasst worden sind. Es gilt beispielsweise der Vor-ang für Inländer bei der Bewerbung auf freie Arbeits-lätze und es gilt im Zuwanderungsgesetz das Verboton Dumpinglöhnen. Dennoch hat Bayerns Innenminis-er Günther Beckstein in der letzten Woche vor massen-after Zuwanderung, wie er sich ausgedrückt hat, ge-arnt. Er kann damit jedenfalls nicht das von der FDPitgetragene Zuwanderungsgesetz gemeint haben; dennieses Gesetz verhindert ja gerade eine umfängliche Zu-anderung in unser Land.
ch meine, wir sollten trotz des Wahlkampfes um eineorgfältige Wortwahl bemüht sein.
Diese Debatte gibt aber auch Anlass, auf Folgendesinzuweisen – es wäre eigentlich besser, sich mit diesemerrn ansonsten nicht zu befassen –: Völlig unerträglichst die Art und Weise, wie Oskar Lafontaine bei diesenhemen im Trüben zu fischen versucht.
nstatt Ängste in der Bevölkerung zu instrumentalisie-en, sollten wir uns gemeinsam darauf konzentrieren,ndlich die ungelösten Probleme der Integration von Zu-anderern zu lösen. Aus Zeitgründen kann ich aus demündel von Anträgen nur zu diesem Thema noch spre-hen.Die FDP hat auf Initiative unseres Kollegen Klausaupt im November 2004 ein umfangreiches Gesamt-onzept zur Integration vorgelegt. Ich fand es sehr fair,ass uns die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung,
Metadaten/Kopzeile:
17356 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Max StadlerMarieluise Beck, in ihrem Jahresbericht 2005 ausdrück-lich differenzierte Lösungsvorschläge attestiert hat.
Wir haben unser Konzept immer als einen Beitrag zurVersachlichung der Debatte empfunden, legen aber auchWert darauf, dass es jetzt Schritt für Schritt umgesetztwird.Unser Integrationskonzept enthält drei zentrale Aus-sagen, die wir aus der Verfassung ableiten:Erstens. Das Grundgesetz sichert jedem Einzelnen diepersönliche Freiheit zu, gemäß den eigenen kulturellenWurzeln sein Leben zu gestalten.Zweitens. Das Grundgesetz kennt aber auch Pflich-ten. Kulturelle Eigenheiten finden ihre Grenze in derWahrung der Rechte anderer. Deswegen finde ich zumBeispiel die Initiative von Justizminister Ulrich Goll vonder FDP in Baden-Württemberg, Zwangsverheiratungenals eigenen Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufzuneh-men und unter Strafe zu stellen, sehr richtig.
Wir halten es auch für richtig, wenn die Rechtsprechungein klares Signal gegen so genannte Ehrenmorde setzt,die in Wahrheit natürlich unehrenhafte Morde sind.
Drittens. Ein weiteres Anliegen des Grundgesetzes istdas Recht auf aktive Teilhabe an politischen Entschei-dungen. Als Liberale verstehen wir daher nicht, warumMenschen, die schon länger als fünf Jahre rechtmäßig inDeutschland leben, in kommunalen Angelegenheiten,also im eigenen unmittelbaren Lebensbereich, nicht mit-bestimmen dürfen. Das muss dringend geändert werden.
Auch wir halten übrigens die Argumente der Innen-ministerkonferenz gegen ein Bleiberecht für Kinder undJugendliche, die schon lange in Deutschland leben, fürnicht stichhaltig. Wir meinen, die Innenministerkonfe-renz hat den alten Fehler gemacht, gerade denjenigen,die schon integriert sind, eine Zukunftsperspektive zuverweigern.
Dabei hätten wir ohnehin noch viel zu tun bei der Inte-gration vieler anderer Ausländer.In diesem Zusammenhang begrüße ich ausdrücklichden Vorstoß der CDU/FDP-Landesregierung Nieder-sachsens, Sprachkurse verpflichtend auch für solcheAusländer anzubieten, die schon längere Zeit inDeutschland leben. Früher nannte man das etwas hoch-gestochen „nachholende Integration“. Dabei gilt dasPrinzip des Forderns und Förderns. Integration setzt An-gebote durch unsere Gesellschaft voraus, verlangt aberauch Anstrengungen von denjenigen, die in Deutschlandleben und hier bleiben wollen. Ich glaube, das ist selbst-verständlich.üuzntadd1UgtrduddzttUSstrhrpVtLanwdddVgigu
Die parlamentarische Arbeit bringt es mit sich, dassber bestimmte Themen einmal im Jahr diskutiert wirdnd dann wieder der Alltag einzieht. Ich glaube, bei derentral wichtigen Aufgabe der Integration können wir soicht verfahren. Deswegen schlägt die FDP die Einrich-ung einer ständigen Berichterstattergruppe des Innen-usschusses vor, um die Migrationsbeauftragte und alle,ie sich um dieses Thema bemühen, bei der Umsetzunger Integrationskonzepte zu unterstützen.Wir bitten Sie, dem realistischen und konkreten5-Punkte-Programm der FDP „Kulturelle Vielfalt –niverselle Werte – Neue Wege zu einer rationalen Inte-rationspolitik“ zuzustimmen und bei der Umsetzungatkräftig mitzuwirken.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretä-
in Ute Vogt.
U
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnennd Kollegen! Ich bin dem Kollegen Stadler außeror-entlich dankbar, dass er gleich zu Beginn seiner Redearan erinnert hat, dass wir in der Tat hier im Haus be-üglich des Themas Integration schon ein bisschen wei-er waren und mehr an Übereinstimmung gefunden hat-en, als bei manchem Antrag, insbesondere aus dernion, heute deutlich wird.Ich gebe Ihnen Recht, Herr Kollege Koschyk, wennie darauf hinweisen, dass mangelnde Integration tat-ächlich eine der Quellen ist, aus denen sich Fundamen-alismus und Extremismus speisen können. Es ist auchichtig, dass wir uns in unserem Land stärker als in frü-eren Jahrzehnten dazu bekennen müssen, Anforde-ungen an Integration zu stellen. Wir haben die Ver-flichtung zur Integration gesetzlich verankert. Dieseerpflichtung besteht sowohl für uns, die wir Integra-ionskurse anbieten, als auch für diejenigen, die in unserand kommen. Ich halte das für einen großen Fortschritt,uf den wir stolz sein sollten, den wir aber auch offensivach außen vermitteln müssen.Wir müssen deutlich machen, dass bestimmte Dingeie beispielsweise die Zwangsheirat nicht geduldet wer-en. Wir müssen klar machen, dass wir dafür eintreten,ass Mädchen an der Gesellschaft teilhaben können,ass sie beim Sportunterricht und bei gesellschaftlicheneranstaltungen dabei sein können und dass wir Macho-ehabe in der Erziehung nicht gutheißen. Dass wir ihmm Bildungswesen und in öffentlichen Äußerungen ent-egentreten, halte ich für einen wichtigen Bestandteilnserer Politik.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17357
)
)
Parl. Staatssekretärin Ute VogtDie Zwangsheirat ist nach dem deutschen Gesetzstrafbar. Nach meiner persönlichen Auffassung könnenwir durchaus darüber reden, ob wir nicht einen eigenenParagraphen ins Gesetz aufnehmen sollten, um unsereAblehnung der Zwangsheirat – gleichsam als einSignal – noch einmal zu verdeutlichen. Ich bin in dieserHinsicht diskussionsbereit.
Wir müssen uns bewusst machen, dass es beimThema Integration nicht nur darum geht, was wir an Ge-setzen haben, sondern dass es jetzt vor allem darauf an-kommt, die gemeinsam beschlossenen Gesetze auch tat-sächlich anzuwenden. Ich sehe schon einen Unterschiedzwischen der Innenpolitik von Herrn Kanther und dem,was wir in unserer Regierungszeit machen konnten undmachen können.
– Nein, können. Ich meine das, was wir bisher konntenund weiterhin können werden. – Der Hauptunterschiedbesteht darin, dass Sie immer versucht haben, mitBedrohungsszenarien zu arbeiten. Sie haben immerwilde Geschichten hochgezogen und Anlässe gesucht,um darauf hinzuweisen, welch schlimme Bedrohungenund schwierige Situationen auf uns zukommen können.Sie müssen nun aber zur Kenntnis nehmen, dass das, wasSie zu Recht fordern, nämlich das Zurückdrängen der in-terreligiösen Tarnerei über Vereine, von unserer Bundes-regierung vorangebracht worden ist. Sie war nämlich imGegensatz zu Ihnen in der Lage, das Vereinsverbotdurchzusetzen und damit die notwendigen Grundlagenzu schaffen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Abgeordneten Koschyk?
Ut
Ja.
Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir erstens zu,
dass der Bundesinnenminister zu Recht von der Bedro-
hung durch islamistisch gespeisten Terrorismus als von
der größten Bedrohung für die innere Sicherheit unseres
Landes spricht? Stimmen Sie mir zweitens zu, dass CDU
und CSU alle Maßnahmen im Zusammenhang mit den
Antiterrorpaketen I und II im Bundestag und im Bundes-
rat unterstützt haben und dass das, was der Bundesinnen-
minister jetzt noch an notwendigen Gesetzeserfordernis-
sen unter dem Stichwort Antiterrorpaket III beschrieben
hat, auch inhaltlich von der Union unterstützt wird?
U
Sehr geehrter Herr Kollege Koschyk, selbstverständ-lich stimme ich Ihnen zu, dass der Herr InnenministermmAgsBzTVwtiddDstenuvisZEwZkEudgdhgvnaSInDmtaka5B
as ist ein entscheidender Punkt, der unsere Regierungo glaubwürdig macht und Ihnen so große Schwierigkei-n bereitet, beim Thema innere Sicherheit überhauptoch ein eigenes Profil zu entfalten.An dieser Stelle möchte ich Ihnen den Erfolg des vonns gemeinsam verabschiedeten Zuwanderungsgesetzesorhalten; denn ich glaube, dass es wirklich notwendigt, sich seiner Umsetzung zu widmen. Als wir dasuwanderungsgesetz beschlossen haben, hatten wir dierwartung, dass mehr neue Zuwanderer zu uns kommenerden, die Integrationskurse benötigen, und dass dieahl der Bestandsausländer, die an ihnen teilnehmenönnen, geringer sein wird.Bis heute verlief die Entwicklung allerdings anders:twa 20 000 neu Zugewanderte nehmen die Sprach-nd Integrationskurse in Anspruch. Dadurch, dass wirie Entwicklung mit diesem Gesetz steuern, sind weni-er Zuwanderer zu uns gekommen. Aber 72 000 Auslän-er, die heute in Deutschland leben und schon vorherier gelebt haben, haben jetzt die Chance, an einem Inte-rationskurs teilzunehmen.Was ich besonders wichtig finde, ist: Zwei Drittel da-on sind Frauen. 64 Prozent der Teilnehmer sind Teil-ehmerinnen. Das ist der Baustein dafür, dass die Kinderuch zu Hause Unterstützung finden, dass die deutscheprache daheim gelernt werden kann und dass man dientegration so gestaltet, dass die Kleinen schon früh ler-en können. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schlüssel.as ist uns gelungen. Wir sollten nicht durch immerehr Aktionismus verdecken, was wir an diesem Punkttsächlich schon erreicht haben, sondern uns daraufonzentrieren, dafür zu werben, dass diese Angeboteuch weiterhin angenommen werden.
Im Rahmen der Sozialberatung werden inzwischen30 hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen voneratungsstellen mit Bundesmitteln finanziert. Das sage
Metadaten/Kopzeile:
17358 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Parl. Staatssekretärin Ute Vogtich vor dem Hintergrund, dass wir hier eine Aufgabeübernommen haben, aus der sich Länder wie Baden-Württemberg und Hessen völlig zurückgezogen haben.
Diese Länder haben ihre eigentlich originäre Pflicht undAufgabe, für Integration zu sorgen, nicht wahrgenom-men. Jetzt entsteht an 660 Standorten ein bundesweitesNetz von Erstberatungsstellen. Statt sich immer nur zuüberlegen, welche Forderung Sie als Nächstes aufstellenkönnen, bitte ich Sie: Arbeiten Sie in den Ländern, in de-nen Sie die Regierung stellen, daran, dass dort die Auf-gabe, die Integration zu verbessern, gelöst wird.Ich wünsche mir, dass wir im Deutschen Bundestagerkennen, dass es nicht immer darum geht, eine Ent-schließung nach der anderen, einen Gesetzentwurf nachdem anderen und einen Antrag nach dem anderen zu ver-abschieden, sondern dass es unsere ureigene Aufgabe ist,auch dafür zu sorgen, dass diese Gesetze ins Bewusst-sein der Bürgerinnen und Bürger gelangen; denn nurdann können sie tatsächlich ihre Wirkung entfalten.
Ich möchte noch ein Zweites ansprechen: ihrenWunsch in Bezug auf die Antiterrordatei. Wir brauchengemeinsame Dateien von Polizei und Nachrichtendiens-ten; hier sind wir uns einig. Aber die Vorschläge, die Siein Ihrem Bundesratsentwurf machen, beschränken sichauf den islamistischen Extremismus. Diese Perspektiveist aus unserer Sicht viel zu eng. In unserem Entwurf, indem wir eine Indexdatei vorschlagen, nehmen wir dengesamten internationalen Terrorismus in den Blick, undzwar überall, wo er Bezüge zu Deutschland aufweist.In dieser Indexdatei werden sämtliche Erkenntnissezu Personen aus diesem Bereich zusammengefasst. Vorallem werden sie rasch auffindbar sein, weil nicht per-manent der Volltext Arbeitsgrundlage ist, wobei ein Da-tenfriedhof erstellt würde; denn je mehr Text man sam-melt, desto schwieriger werden die Zuordnungen. Mitder Indexdatei wird das Ziel verfolgt, rasch zugreifen zukönnen und den Zugriff dann, wenn es notwendig ist, zuvertiefen. Also nicht blinde Vernetzung aller Daten, de-rer man überhaupt habhaft werden kann, sondern tat-sächlich die Chance nutzen, vor allem schnell zu Infor-mationen zu kommen!Sie übersehen bei Ihrem Antrag auch, dass bei einerVolltextdatei das Risiko besteht, dass wir bestimmteTexte und Zuarbeit nicht mehr bekommen: Material, dasuns zum Beispiel von ausländischen Geheimdiensten anInformationen und Nachrichten zugeliefert wird. Des-halb sollten wir gut bedenken, ob wir diesen Weg wirk-lich gehen – auf die Gefahr hin, dass Partnerdienste be-stimmte Informationen nicht mehr an uns weitergeben,weil sie aus Quellen- und Geheimhaltungsschutzgründennicht damit einverstanden sind, in diesem Bereich Voll-texte zu liefern.znbzdbiddssfumssiwThuademwPDisdgBeAEtrCgWdwamw
Danke schön. – Das Wort hat jetzt die Abgeordnete
etra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!as Thema dieser Diskussion heißt „Integration“. Dasst ein wichtiges Thema, ein überfälliges und auch einehr komplexes Thema; jedenfalls ist das die Auffassunger PDS im Bundestag. Laut Tagesordnung sind dafüreschlagene 45 Minuten vorgesehen. Allein das sprichtände, wie ernst wir uns hier mit diesem Thema aus-inander setzen.
nders gesagt: Wir führen hier am voraussichtlichennde dieser Legislaturperiode eine Kehrausdebatte.Noch toller wird es, wenn man sich die einzelnen An-äge zu diesem Thema ansieht, insbesondere die derDU/CSU. Noch einmal: Die Überschrift heißt „Inte-ration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger“.as fällt der CDU/CSU dazu ein? Eine Warndatei, iner die Daten verdächtiger Ausländer zentral erfassterden sollen; ein Eid, den Migrantinnen und Migrantenufs deutsche Grundgesetz schwören sollen; eine Isla-istendatei, mit der Extremisten und Terroristen enttarnterden sollen, kurzum: Der CDU/CSU fällt zum Thema
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17359
)
)
Petra PauIntegration offenbar nichts anderes ein als erfassen, ver-folgen und kriminalisieren. An einer solchen Debattewird sich die PDS im Bundestag nicht beteiligen. Wirwollen Integration. Ich denke, wir brauchen dazu klugeAnalysen, und wir wollen dafür gute Konzepte. Für gif-tige Wahlkampfschlachten, noch dazu auf dem RückenBetroffener, sind wir nicht zu haben.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Friedbert Pflüger.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Kollege Veit hat eben eine Unterstellung ge-macht, die ich doch zurückweisen möchte: wir würdenbewusst oder unbewusst am Islam nur den engen Teil-aspekt Islamismus betrachten und in Kauf nehmen, dassmit unserer Kritik am Islamismus eine ganze Glaubens-gemeinschaft diskreditiert wird.Ich möchte für meine Fraktion ganz klar sagen – dasgilt auch für den Antrag über den Islamismus, den wireingebracht haben –: Wir unterscheiden sehr wohl undganz genau zwischen dem Islam als einer der großen Re-ligionen der Welt und dem Islamismus als einer totalitä-ren Religionsideologie, die Teile dieses Islam instrumen-talisiert und gewalttätig wird.
Der Islam ist eine große Religion. Ich bin beim Waliin Fes gewesen; das ist eine Art Gouverneur in Fes. Erhat in seinem Wohnzimmer die Koransure 2/256 aufge-hängt: Es soll kein Zwang herrschen in Glaubensdingen.Er hat mir von der großen Zeit des Islam vor etwa1 000 Jahren im Kalifat von Córdoba in Andalusien be-richtet, wo es ein im Großen und Ganzen sehr fruchtba-res Zusammenleben von Muslimen, Christen und Ju-den gab. Die Juden sprechen heute noch von derGoldenen Diaspora dieser Zeit.Wir wissen, dass es damals, als es in Mitteleuropaetwa 95 Prozent Analphabeten gab, in den Ländern, indenen der Islam herrschte, eine Schulpflicht gab unddass man dort Krankenhäuser hatte. Die Mathematik,vor allem die Algebra, kommt ganz wesentlich aus derarabischen Welt. Man hat damals die großen Philoso-phen der Antike übersetzt und las sie. Privatmänner hat-ten große Bibliotheken. Ich glaube, niemand will dem Is-lam seine große Geschichte und zivilisatorischeLeistung, ja, auch einen Einfluss auf unsere europäischeabendländische Kultur absprechen.kEAsDsddGndsvdlimmKdwmIdaNhwinkIvc1Cgte
in führender islamischer Wissenschaftler, Mohammedrkoun, der Ideengeschichte des Islam in Paris lehrt,agt: Wenn die heutigen Muslime an die philosophischeimension des aufgeklärten arabischen Denkens, wieie im Mittelalter vorherrschend war, anknüpfen würden,ann würden sie in die Kultur des Westens eintreten.
Es ist doch nicht irgendein Unionspolitiker, der jetzten Islamismus dämonisiert und sagt, das sei eine großeefahr, sondern es ist Annemarie Schimmel, der manun wirklich viel vorwerfen kann, aber bestimmt nicht,ass sie den Islam per se in eine Ecke stellen will, dieagt:In einer Kultur, deren traditioneller Gruß salam„Frieden“ heißt …, findet zurzeit eine erschre-ckende Verengung und Verhärtung dogmatischerund legalistischer Positionen statt. … Wir stehenweithin einem Ausdruck reiner Machtpolitik gegen-über, Ideologien, die sich des Islam als einesSchlagwortes bedienen und mit seinen religiösenGrundlagen kaum noch etwas gemein haben.
Das müssen wir doch zur Kenntnis nehmen. Natürlichersteht die überwältigende Mehrheit der Muslime unterem Islam auch heute und auch in Deutschland eine Re-gion der Barmherzigkeit und sie sympathisiert nichtit dem Terror. Dass es weltweit das Phänomen des Isla-ismus und der Dschihadisten gibt, die den „heiligenrieg“ in die Städte der Ungläubigen tragen wollen, dieie Scharia, das islamische Recht, weltweit etablierenollen und ein weltweites Kalifat errichten wollen, kannan aber doch nicht übersehen.
ch glaube, das wird bei uns zu sehr übersehen und ver-rängt.Kofi Annan zum Beispiel – nicht George Bush – hatm 12. März 2005 im Berliner „Tagesspiegel“ gesagt:uklearterrorismus ist keine Science Fiction mehr. – Erat vor der Gefahr des biologischen Terrorismus ge-arnt. Ich glaube, wir müssen es ernst nehmen, dass wir einer globalen Auseinandersetzung mit einem – dasann man ja sagen – völlig verfehlten Verständnis vomslam stehen.Wie ist das mit den Muslimen bei uns? Ich habe sehriele positive Erfahrungen gemacht. In der letzten Wo-he war ich bei einer Diskussion mit vielleicht 100 bis50 Türken hier in Berlin in der Sehitlik-Moschee amolumbiadamm in Neukölln. Dort haben wir eine sehrute und sehr vernünftige Diskussion geführt. Beim Fas-nbrechen in Hannover, in meinem Wahlkreis, habe ich
Metadaten/Kopzeile:
17360 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Friedbert Pflügergroßartige Leute kennen gelernt, die sich fantastisch fürunser Gemeinwesen und unseren Staat einsetzen. Aberes gibt noch etwas anderes, was nicht irgendein Unions-politiker, sondern Bischof Huber wie folgt anspricht:Bei aller Dialogbereitschaft darf es keine Verharm-losung geben.
Man muss sich fragen, ob die Gefahren, die vom Is-lamismus ausgehen, bisher realistisch gesehen wor-den sind.Das ist ein Zitat von Bischof Huber. Das sollten Sie ernstnehmen und nicht jedes Mal, wenn wir vor dem Islamis-mus warnen, nur über Integration reden. Integration undDialog sind gut, aber es muss neben der ausgestrecktenHand auch eine Faust, eine klare Absage an den politi-schen Islamismus in unserem Land geben.
Frau Kollegin Vogt, von uns werden keine Szenarienhochgezogen, wie Sie gesagt haben, sondern Ehren-morde, Zwangsverheiratung und Unterdrückung derFrau sind auch in unseren Gesellschaften eine Realität,wenige Meter von hier entfernt. Das sollten Sie nichtverharmlosen.
– Die Kollegin Vogt hat eben gesagt, wenn wir über sowas sprächen, würden wir Bedrohungsszenarien hoch-ziehen. – Es geht nicht um Bedrohungsszenarien, son-dern um die Beschreibung der Realität in unserem Land.
Wenn Sie mir nicht glauben, dann glauben Sie viel-leicht Ayaan Hirsi Ali, einer Muslimin aus Mogadischu.Sie sagt:Frauen im Islam werden unterdrückt.
Und diese Frauen sind überall. Und in liberalen Ge-sellschaften ignorieren wir sie, anstatt ihnen zu hel-fen.
Nehmen Sie doch solche Leute ernst! Helfen wir ihnengenug? Ist es wahr, dass wir, wenn wir von Integrationsprechen, wirklich Integration meinen? Zur Integrationgehört auch ein klarer Standpunkt der eigenen Kultur.Diese eigene Kultur sagt Ja zur Gleichberechtigung.Das müssen wir klarer und deutlicher machen und sol-chen Frauen, wenn sie bedroht und angegriffen werden,den Rücken stärken.
Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so erregen. Wennie mir zustimmen, ist das doch gut. – Ich darf Ihnen sa-en, was mich zum Beispiel in den letzten Wochen ge-tört hat. Wir alle miteinander haben uns zu Recht darü-er aufgeregt, dass es in Guantanamo zuoranschändungen gekommen ist. Das hat weltweitmpörung hervorgerufen. Diese Vorgänge werden unter-ucht und abgestellt. Ich vermisse manchmal die gleichert der Empörung, wenn auf der Welt Bibeln geschändeterden,
enn Menschen inhaftiert werden, nur weil sie Christenind.
arüber regen wir uns nicht genug auf. Deswegen findeh schon, dass wir dann, wenn wir über Religionsfrei-eit und die Achtung der Würde einer anderen Religionprechen, ein bisschen über die Achtung unserer Wertend unserer Religion sprechen müssen. Das tun wir zuenig.
Es ist ganz wichtig, dass wir den Muslimen in unsereresellschaft deutlich machen, dass es uns allen, die wirier sitzen, bei all den Meinungsverschiedenheiten, dieir haben, nicht um eine Frontstellung Christentum ge-en Islam geht. Vielmehr muss es zu einer Frontstellungahin gehend kommen, dass die überwältigende Mehr-eit der Christen, der Menschen, die bei uns leben, zu-ammen mit der überwältigenden Mehrheit der Muslimeie Aufgabe haben, den extremen Islamismus zu be-ämpfen, und dass klar wird, dass die Islamisten, dieewalt, Hass und Intoleranz in unsere Gesellschaft hi-eintragen, am meisten den Muslimen selbst schaden,dem sie mit ihren Gewaltakten und ihrer Intoleranzazu beitragen, dass der Islam unter Generalverdacht ge-ät.Wir müssen klar machen, dass es die Islamisten sind,ie mit ihrem rückwärts gewandten Talibandenken inahrheit den Muslimen und dem Islam im Ganzen deneg in die Moderne verstellen.
Herr Kollege, bitte denken Sie an Ihre Redezeit.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Die Tali-anisierung, die wir in manchen Teilen der muslimi-chen Welt erleben, ist das, was die Muslime daran hin-ert, in die moderne Welt so einzutreten, wie sie dasigentlich tun müssten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17361
)
)
Dr. Friedbert PflügerEs ist sehr wichtig, dass wir bei allem, was uns unter-scheidet, die gemeinsame Botschaft auch in diesemWahlkampf beherzigen, dass wir nichts verharmlosenund nichts überdrehen, sondern dass wir die Dinge beimNamen nennen. Das haben wir mit unserem Antrag ge-tan.
Danke schön. – Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Innenaus-
schusses auf Drucksache 15/5238. Der Ausschuss emp-
fiehlt unter Nummer 1 seiner Beschlussempfehlung die
Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen, Drucksache 15/4394, mit
dem Titel „Zusammenleben auf der Basis gemeinsamer
Grundwerte“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen.
Unter Nummer 2 empfiehlt der Ausschuss die Ableh-
nung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 15/4260 mit dem Titel „Politischen Islamis-
mus bekämpfen – Verfassungstreue Muslime unterstüt-
zen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des
Ausschusses? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Auch diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die
Stimmen der CDU/CSU und bei Enthaltung der FDP an-
genommen worden.
Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nummer 3
seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags
der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/4401 mit dem
Titel „Kulturelle Vielfalt – Universelle Werte – Neue
Wege zu einer rationalen Integrationspolitik“. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
mit den Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der
CDU/CSU und der Abgeordneten Lötzsch und Pau, de-
ren Abstimmungsverhalten ich eben nicht gesehen habe,
angenommen.
Frau Pau, wie haben Sie vorher abgestimmt?
Wir haben für die Beschlussempfehlung zur Ableh-
nung des Antrages der Union gestimmt.
Okay, also mit Ja. Danke schön.
Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesra-
tes auf Drucksache 15/4413 zur Errichtung einer ge-
m
B
m
D
I
w
E
t
C
s
d
g
S
s
A
s
d
D
s
A
w
s
m
s
g
A
e
d
d
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Arbeit schaffen – Sozialen Zusammenhalt und
wirtschaftliche Dynamik im europäischen Bin-
nenmarkt für Dienstleistungen verbessern
– Drucksache 15/5832 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
zu der Unterrichtung durch die
Bundesregierung
Vermerk des Generalsekretariats des Rates
für die Gruppe „Wettbewerbsfähigkeit und
Wachstum“
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über Dienstleistun-
gen im Binnenmarkt
Ratsdok. 5161/05
– Drucksachen 15/5172 Nr. 1.10, 15/5865 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Wider-
pruch höre ich keinen. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
ie Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die EU-ienstleistungsrichtlinie, zu der wir heute eine Be-chlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft undrbeit diskutieren und beschließen, ist keine Richtlinieie jede andere in der Geschichte der europäischen Ge-etzgebung. Mit ihr hat der ausgeschiedene EU-Kom-issar Frits Bolkestein seinen Nachfolgern das wohl bri-anteste politische Projekt der EU-Kommission ins Rohreschoben. Wird dieser Entwurf Gesetz, dann heißt esbschied nehmen von der Idee eines gemeinsamenuropäischen Sozialstaatsmodells. Vor der Tür stehtann ein Europa, das nur etwas mehr ist als eine Freihan-elszone, nämlich eine große Wirtschaftszone.
Metadaten/Kopzeile:
17362 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Sigrid Skarpelis-SperkSelten ist ein Vorschlag der Kommission bei Rechts-experten, Gewerkschaften, kleinen und mittleren Unter-nehmen, den Sozialverbänden, den Krankenkassen, denfreien Berufen und den Kulturschaffenden auf so einhel-lige Ablehnung gestoßen. Nur die Großindustrie und derGroß- und Außenhandel sind dafür, aber selbst die ver-langen Änderungen.Es war diese Richtlinie und die damit verbundeneAngst breiter Schichten vor dem sozialen und ökonomi-schen Abstieg, die in Frankreich, aber auch in den Nie-derlanden zu einem Nein zu der europäischen Verfas-sung geführt haben. Nach unserer Meinung war das einschwerer politischer Fehler.
Aber die Dickfelligkeit und Arroganz der Brüsseler Bü-rokratiespitzen waren daran weiß Gott nicht unschuldig.Die EU-Kommission sagt, dass sie einen gemeinsa-men Binnenmarkt für Dienstleistungen anstrebt undalle bestehenden Hindernisse im grenzüberschreitendenDienstleistungsverkehr beseitigen will. Aber der Gel-tungsbereich der Richtlinie umfasst entgegen dem land-läufigen Sprachgebrauch nicht nur Dienstleistungsunter-nehmen, sondern auch Produktionsunternehmen, soweitsie Dienstleistungen erbringen oder über Leiharbeit undOutsourcing einkaufen. Das heißt, große Teile des pro-duzierenden Gewerbes, der Landwirtschaft und weitererBranchen können durch Outsourcing mit einem Feder-strich in Dienstleistungen verwandelt werden, wie manin der Fleischverarbeitung, der Bauwirtschaft und imMetallbereich schon heute sehen kann.Die Richtlinie erstreckt sich auch auf Tätigkeiten, dienicht der Gewinnerzielung dienen und in Deutschlandim Wesentlichen von den Kommunen, der freien Wohl-fahrtspflege oder sonstigen gemeinnützigen Trägern er-bracht werden. Auch Bereiche, in denen der Staat direktoder indirekt Zuschüsse gewährt – das heißt, alle Leis-tungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Gesund-heitsdienstleistungen, soziale und kommunale Dienste,aber auch Kultur- und Weiterbildung –, sind von derRichtlinie erfasst.Worauf gründet sich die von mir schon erwähntebreite Ablehnung in so vielen Teilen der Gesellschaft?Erstens. Die Bolkestein-Richtlinie ist die komple-xeste, komplizierteste und zu dem europäischen Rechtund erst recht zu der geplanten europäischen Verfassungam stärksten in Widerspruch stehende Vorlage in der Ge-schichte der Europäischen Union.
Keine Regierung, auch unsere nicht, konnte bisher ange-ben, welche nationalen Gesetze und Verordnungen vonder Richtlinie betroffen sind und welche geändert wer-den müssen; die Bundesregierung hat ein Gutachtendazu in Auftrag gegeben.Zweitens. Der Vorschlag wendet sich radikal von demBild Europas als einem gemeinsamen Wirtschafts- undSozialraum und damit von dem seit Gründung der EGgültigen Konsens ab, dies auf dem Weg einer schrittwei-sVuLmsLwrgcssmm–g–dGd–DRnBsrEvrUHt2sVnk–Aek
Zum Bundeskanzler kommen wir noch.Die Kommission greift tief und umfassend wie nie inie nationale Souveränität der Mitgliedstaaten ein.egen den Wortlaut der EG-Verträge setzt sie sich überie ausschließlichen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten zum Beispiel für Kultur und Gesundheit – hinweg.arüber hinaus verlangt sie in den Art. 14 und 15 derichtlinie, dass neue Gesetze und Vorschriften faktischur noch unter Prüfvorbehalt oder mit Zustimmung derrüsseler Bürokratie beschlossen werden dürfen. Ein-pruchsmöglichkeiten bzw. geregelte Einspruchsverfah-en werden dagegen in dieser Richtlinie nicht behandelt.klatant sichtbar wird der Eingriff in die nationale Sou-eränität durch den weitgehenden Wegfall der Kontroll-echte des heimischen Staates gegenüber ausländischennternehmen, die auf seinem Boden tätig werden.Die Kommission will dies durch die Einführung deserkunftslandprinzips erreichen. Das bedeutet prak-isch, dass zum Beispiel auf deutschem Boden parallel5 verschiedene Rechtssysteme in 20 Sprachen gültigein und in Konkurrenz treten werden.
on Betrieb zu Betrieb, von Person zu Person und jeach Dienstleistung ist dann das Recht je nach Her-unftsland des Unternehmens verschieden.
Doch, dies ist richtig, Herr Kollege. Wenn Sie bei dennhörungen dabei gewesen wären, hätten Sie es von denntsprechenden Rechtsprofessoren auch erläutert be-ommen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17363
)
)
Dr. Sigrid Skarpelis-SperkEine solche Situation hat es in der Geschichte nochnicht gegeben: Selbst beim Turmbau zu Babel hat es nureine babylonische Sprachverwirrung durch die Arbeiteraus vielen Völkern gegeben; aber auch dort galt dasRecht des Königreiches Babylon.Absehbare Folgen dieser 25 parallelen Rechtssys-teme auf dem Boden des jeweiligen Landes werden eineweitgehende Intransparenz für alle Teilnehmer am Wirt-schaftsprozess und vor allem für diejenigen, die dieDienstleistungen in Anspruch nehmen, eine allgemeineRechtsunsicherheit, welches Recht anzuwenden ist, undUnwägbarkeiten in der Rechtsprechung sein, weil zumBeispiel deutsche Richter von heute auf morgen nach25 Rechtssystemen Recht sprechen müssen. Es drohteine babylonische Rechtsverwirrung in Europa.
Dies wird nicht zu mehr Wachstum, Dynamik und Be-schäftigung, sondern zu mehr Chaos führen.Ich kann und will die Fülle der Rechtsprobleme hiernicht schildern; Sie können sie in den Protokollen derAnhörungen in den sechs Ausschüssen des Bundestages,geäußert von verschiedenen Rechtsprofessoren, nachle-sen.Schlimm ist aber auch, dass nach diesen Regeln deut-sche Unternehmen benachteiligt werden, weil sie gege-benenfalls strengere Vorschriften befolgen müssten,während ausländische Unternehmen nach den Regeln ih-res Heimatlandes vorgehen könnten. Dies würde zu demErgebnis führen, dass sich deutsche Unternehmen be-nachteiligt fühlen und offen mit Ausflaggung drohenwerden. Sie würden sagen: Wenn ich es woanders mitleichter einzuhaltenden Vorschriften zu tun habe, dannverlege ich halt meinen Firmensitz zum Beispiel nachRiga oder Gibraltar, um von den einschlägigen deut-schen Belastungen befreit zu sein.Die Verlagerung wesentlicher Teile der öffentlichenKontrolle der ausländischen Betriebe durch die Heimat-länder führt zu einer weiteren Benachteiligung der hei-mischen Betriebe. Wie soll auch eine Behörde in Kra-kau, Riga oder Palermo den Willen oder die Möglichkeithaben, ihren Firmen im fernen Ausland auf die Finger zuschauen? Da wird es nach dem Motto gehen: Der Zar istgroß und Moskau ist weit; schauen wir mal nicht so ge-nau hin.Dies bedeutet, dass die soziale Dimension Europasauf der Strecke bleibt. Es bedeutet auch, dass sich dieRichtlinie gegen das Gleichheitsgebot der europäischenVerfassung und der Mitgliedstaaten richtet; denn derGrundsatz der Gleichbehandlung wird unter Berufungauf die Dienstleistungsfreiheit offen missachtet. InArt. 50 Abs. 3 des EG-Vertrages wird verbindlich festge-legt, dass die Person, die ihre Dienstleistung in einemanderen Land erbringt, dies „unter denselben Bedingun-gen“ tun muss, die der betreffende Staat „seinen eigenenStaatsangehörigen auferlegt“.gRKdugdARFlmlvcglauFdmDjwKsBnlEDgneHsFnAld
ritiker wurden abgetan. Erst das Machtwort von Bun-eskanzler Schröder und Präsident Chirac gegen Lohn-nd Sozialdumping und deren Forderung nach einerrundlegenden Überarbeitung der Richtlinie hat dieeutsche Öffentlichkeit aufhorchen lassen.
ber eine umfassende Analyse und Diskussion derichtlinie hat es bisher in Deutschland im Gegensatz zurankreich und Belgien nicht gegeben.Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ver-angen mit unserem Koalitionspartner, dass die Kom-ission ihre Hausaufgaben macht: Sie muss die Richt-inie zurückziehen, grundlegend überarbeiten und dabeion Widersprüchen befreien und sodann einen ordentli-hen Entwurf vorlegen, der die Fülle der Bedenken auf-reift. Wir sind nämlich für und nicht gegen eine Dienst-eistungsrichtlinie, Herr Kollege, aber für eine völligndere,
nd zwar für eine Richtlinie, die sozial vom Kopf auf dieüße gestellt wird, damit sie für die Menschen und fürie Masse der Unternehmen akzeptabel wird.Die EU-Kommission muss einsehen, dass ein Binnen-arkt für Waren nicht dasselbe ist wie ein Markt fürienstleistungen; denn der Mensch ist keine Ware wieede andere, wenn die Würde des Menschen geachteterden soll.
artoffelchips, Autos und Cassislikör sind nicht das-elbe wie die Leistungen einer Krankenschwester, einesauarbeiters, eines Mechanikers, eines Softwareinge-ieurs oder einer Reinigungskraft und sie müssen recht-ich anders behandelt werden.
s darf auf keinen Fall zu Sozialdumping oder zu einemumping bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingun-en kommen und die fundamentalen Rechte der Arbeit-ehmer dürfen auf keinen Fall durch eine Richtlinie be-inträchtigt werden.Wir sind für einen zügigen Abbau bürokratischer EU-emmnisse und wir sind gegen zusätzliche bürokrati-che Strukturen. Aber, meine Damen und Herren, dieundamente für ein gemeinsames Haus Europa dürfenicht von der EU-Kommission mit der Begründung desbbaus von Hindernissen mit der vorgelegten Dienst-eistungsrichtlinie politisch in die Luft gesprengt wer-en.
Metadaten/Kopzeile:
17364 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Frau Kollegin, wissen Sie, dass die Zeit abgelaufen
ist?
Ich komme zu meinem letzten Satz. – Deshalb müs-
sen wir in Europa weiter den mühsamen Weg der syste-
matischen Harmonisierung des Binnenmarktes bei
gleichzeitiger ökonomischer Harmonisierung und sozia-
lem Fortschritt gehen. Solange viele Menschen glauben,
Europa sei weniger und nicht mehr – –
Frau Kollegin, das war aber ein Satz.
Das ist meine letzte Rede.
Dann schließen Sie Ihren letzten Satz ab.
Solange viele Menschen glauben, Europa sei weniger
und nicht mehr Wohlstand, weniger und nicht mehr so-
ziale Gerechtigkeit, werden sie sich diesem Europa zu-
nehmend verweigern. Es ist unser aller Verantwortung,
gemeinsam ein anderes, ein soziales Europa nicht nur als
Leitbild zu malen, sondern Stück für Stück umzusetzen.
Liebe Frau Kollegin Skarpelis-Sperk, wenn es – was
wir ja alle nicht so ganz genau wissen – Ihre letzte Rede
war, dann möchte ich Ihnen für Ihre Arbeit danken und
Ihnen für Ihre Zukunft alles Gute wünschen. Natürlich
wollte ich Sie in Ihrer letzten Rede nicht unterbrechen,
aber das hängt ja nun über uns allen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Göhner.
Frau Präsidentin! Es tut mir gerade angesichts diesermöglicherweise letzten Rede der Frau Kollegin etwasLeid, meine Damen und Herren, dass ich sagen muss:Sie haben zu der Richtlinie ein Horrorgemälde gezeich-net, das nun gar nichts mit der Realität zu tun hat.
DdwudsLRUePDAdFwffDmBAwvddKr
ogisch richtig und ein konsequenter Schritt sei dieseichtlinie, sagt der Bundeskanzler. Sie sagen: Es ist allesnfug. – Wenn der Bundeskanzler für morgen früh nochine Begründung dafür braucht, dass die Koalition seinerolitik nicht mehr folgt – Ihre Rede ist ein Beleg dafür.
er Entschließungsantrag, den die Koalition hier zurbstimmung stellt, ist ein Beleg dafür, dass sie der Bun-esregierung nicht mehr folgt.
rau Skarpelis-Sperk – das sage ich jetzt wirklich so,ie ich es meine –: parlamentarisches Kompliment da-ür, dass Sie die Position der Bundesregierung, jeden-alls die der Koalition, ins Gegenteil verkehren.
as ist eine beachtliche Leistung. Sie waren schon im-er gegen die Agenda 2010 sowie gegen die Politik desundeskanzlers und des Bundeswirtschaftsministers.
ber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, was Sieollen: Wollen Sie dem Antrag von Rot-Grün mit derernichtenden Bewertung des Richtlinienentwurfs oderer positiven Haltung der Bundesregierung gegenüberiesem Entwurf folgen?Wir sind uns ja darin einig, dass der von der EU-ommission vorgelegte Entwurf einer Dienstleistungs-ichtlinie viele problematische Seiten aufweist.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17365
)
)
Dr. Reinhard GöhnerKorrekturen sind sicherlich notwendig. Aber was Sie mitIhrem Antrag vorlegen und was Sie vorgetragen haben,ist – das muss ich deutlich sagen – von einer peinlichenEinseitigkeit, und zwar ohne jede Rücksicht auf die wirt-schaftlichen Fakten und den tatsächlichen Inhalt derDienstleistungsrichtlinie.
Uns geht es umdie zügige Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinieder Europäischen Union, die eine Liberalisierung,eine Öffnung des Dienstleistungsmarktes in derUnion beabsichtigt – mit dem Herkunftslandprinzipund allem, was dazugehört – einer deutlichen Be-grenzung der Regulierungen … Und es kommt da-rauf an, … diese Dienstleistungsrichtlinie zu unter-stützen, ihre Durchsetzung zu unterstützen.Das ist nicht meine Meinung, sondern ein wörtliches Zi-tat aus einem Vortrag von BundeswirtschaftsministerClement vor wenigen Wochen in München. Das ist dieAuffassung der Bundesregierung. Ich könnte Ihnen nocheine Reihe ähnlicher Zitate – ich habe alles dabei – vor-tragen. Frau Skarpelis-Sperk, was Sie hier vorgetragenhaben und was die Koalition heute zur Abstimmungstellt, ist aber das Gegenteil dessen, was die Bundesre-gierung noch vor wenigen Wochen in Brüssel in dieserSache öffentlich vertreten hat.
Die Öffnung der europäischen Dienstleistungs-märkte bietet auch nach unserer Überzeugung tatsäch-lich große Chancen für mehr Wachstum und Arbeits-plätze in Deutschland. Darin stimmen wir demBundeskanzler und dem Bundeswirtschaftsminister zuund deshalb nicht Ihrem Antrag. Die hochmoderne undleistungsfähige deutsche Dienstleistungsbranche kannund wird von der Marktöffnung profitieren. Wir sindWeltmeister beim Export von Waren. Wir können aucheinen Spitzenplatz im Handel mit Dienstleistungen ein-nehmen. Dazu muss die Richtlinie allerdings so gestaltetwerden, dass deutsche Unternehmen tatsächlich dieChance erhalten, deutlich leichter als bisher Aufträge inanderen europäischen Ländern wahrzunehmen.Das Herkunftslandprinzip wird dabei helfen, öffent-lich-rechtliche Genehmigungshindernisse in anderen eu-ropäischen Ländern abzubauen. Freilich kann das Her-kunftslandprinzip nicht unbegrenzt gelten; darin sind wiruns völlig einig. Entgegen Ihren Behauptungen sieht dasder Richtlinienentwurf auch nicht vor. Er nimmt zumBeispiel alle Angelegenheiten aus, die der Entsende-richtlinie unterliegen.Dies bedeutet, dass alle in der Entsenderichtliniegenannten materiellen Arbeitsbedingungen am Ar-beitsort weiterhin auf entsandte Arbeitnehmer an-zuwenden sind.
–CmdmKzaBkesHlelDgnmmdmrfglrdhAheSIliwrSsesEmGVn
Heute wollten Sie eigentlich – das war Ihre ursprüng-iche Absicht – einen Entwurf eines Gesetz zur Ände-ung des Entsendegesetzes verabschieden. Das sollteer erste Stein sein, mit dem Sie der Dienstleistungsfrei-eit entgegenwirken wollten. Davon haben Sie zu Rechtbstand genommen. Noch am Dienstag dieser Wocheieß es, am kommenden Donnerstag solle dieser Gesetz-ntwurf verabschiedet werden. Aber bereits nach derachverständigenanhörung am letzten Montag war klar:hr Gesetzentwurf war gesetzestechnisch und handwerk-ch schlecht gemacht; die vorgegebenen Zielsetzungenürden damit nicht erreicht. Er war verfassungsrechtlichiskant und umstritten.Die Sachverständigenanhörung hat eindeutig ergeben:ie wollten in einer rechtswidrigen Weise über das Ent-endegesetz tarifliche Mindestlöhne auch in Branchenrlassen, in denen gar keine Entsendearbeitnehmer tätigind. Sie wollten mit der beabsichtigten Ausdehnung desntsendegesetzes auf alle Branchen im Grunde genom-en einen verkappten tariflichen Mindestlohn für alle.enau das – das haben Sie erkannt – geht nicht.Sie haben vorgetragen, Sie stellten die entsprechendeorlage heute nicht zur Abstimmung, weil der Bundesraticht zustimme. Das ist natürlich ein Vorwand:
Metadaten/Kopzeile:
17366 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Reinhard GöhnerErstens. Sie hätten diese Vorlage leicht zustimmungs-frei ausgestalten können.Zweitens. Ich habe Ihnen hier namens der CDU/CSU-Fraktion bei der ersten Lesung zum Entsendegesetz aus-drücklich angeboten, gemeinsam über eine begrenzteund konkrete Ausdehnung dieses Gesetzes nachzuden-ken. Als Beispiel habe ich Ihnen die Gebäudereiniger-branche genannt, in Bezug auf die auch wir uns das vor-stellen können, aber eben nicht in der von Ihnengewollten Form: mit einem Blankoscheck für die Aus-dehnung auf alle Branchen.In der Sachverständigenanhörung am Montag ist dassehr deutlich geworden, als es um das Hotel- und Gast-stättengewerbe ging. Sie wollten die Anwendung desEntsendegesetzes auf diese Branche ausdehnen. Tatsäch-lich gibt es in dieser Branche – das blieb unwiderspro-chen – überhaupt keine Entsendearbeitnehmer. AlleSachverständigen in dieser Anhörung – es gab keine ein-zige Gegenstimme – haben gesagt: Nein, es geht nicht,die Anwendung des Entsendegesetzes auf eine Brancheauszudehnen, in der es gar keine Entsendearbeitnehmergibt, um auf diese Weise tarifliche Mindestlöhne für allezu schaffen.Fazit: Sie wollten mit dem Entsendegesetz tariflicheMindestlöhne in allen Branchen – also auch in Bran-chen, in denen es gar keine Entsendearbeitnehmer gibt –einführen und damit die Dienstleistungsfreiheit be-grenzen, Beispiel Hotel- und Gaststättengewerbe. Siemussten einsehen, dass Ihre eigentliche Absicht – ichwiederhole: die Ausdehnung auf alle Branchen – nichtgeht. Ihr Gesetzentwurf war ein Schnellschuss genausowie Ihr heutiger Antrag.Man muss über die Missstände, die es bei der Inan-spruchnahme der Dienstleistungsfreiheit derzeit gibt,sehr wohl reden. Ich will Ihnen einmal ganz klar sagen:Alle uns bisher bekannt gewordenen Missbrauchsfälleund – wie wir einer Antwort der Bundesregierung aufeine von uns gestellte Anfrage entnehmen – auch alle derBundesregierung bekannten Missbrauchsfälle beim Ein-satz von Entsendearbeitnehmern, zum Beispiel in derFleischindustrie oder bei Fliesenlegern, sind bereits nachgeltendem Recht zu unterbinden.Wir haben es in Deutschland mit einem Vollzugsdefi-zit zu tun. Frau Skarpelis-Sperk hat vorhin mit dem Hin-weis darauf, dass es solche Missbräuche heutzutagegebe, den Finger in die Wunde gelegt: Nach dem beste-henden Entsendegesetz gilt weitgehend das deutsche Ar-beitsrecht, zum Beispiel das Arbeitszeitgesetz, sämtlicheArbeitsschutzgesetze – das ist ganz selbstverständlich –und das Gesetz über die Zeitarbeit.Wenn polnische Unternehmen oder Unternehmen ausanderen europäischen Ländern in Deutschland Zeitar-beitsverhältnisse eingehen – also Arbeitnehmer verlei-hen –, ohne dafür im Besitz der notwendigen Genehmi-gung der Agentur für Arbeit zu sein, dann ist das nachdem bestehenden Entsendegesetz eindeutig und ohne je-den Zweifel rechtswidrig und kann und muss unterbun-den werden.ngunukkvDs–ndaKHddgefwSUpDGdswNGSZlbiE
Frau Skarpelis-Sperk, wir sind uns darin einig, dass es auch wenn in Zukunft eine neue Dienstleistungsrichtli-ie gilt – dabei bleiben muss, dass die deutschen Behör-en die Einhaltung des geltenden Rechts – Beispiel Zeit-rbeitsgesetz – hier überprüfen müssen. Bei derontrolle und beim Verwaltungsverfahren sollte daserkunftslandprinzip also nicht gelten. Eine solche For-erung gegenüber der Europäischen Union ist aber nurann glaubwürdig, wenn wir wenigstens in unserem ei-enen Land entsprechend handeln, und das haben wirine erhebliche Zeit lang nicht getan. Neue Gesetze zuordern, das geht allerdings in die falsche Richtung; wirenden nicht einmal das bestehende Recht an.Wir müssen auf etwas aufpassen – das will ich zumchluss sagen –: Wir sind ein exportabhängiges Land.nsere Wirtschaft lebt vom Export. Unsere Arbeits-lätze hängen davon ab. Wir müssen uns vor einer neueniskussion des Protektionismus hüten. Deshalb ist es imrundsatz sehr wohl richtig, den Binnenmarkt auch füren Bereich der Dienstleistungen zu öffnen. Da unter-tützen wir die Bundesregierung auch in Zukunft, selbstenn Sie sich davon abgewandt haben.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Werner Schulz.Werner Schulz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegeöhner, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind auchie der Meinung, dass der von der Kommission mit demiel der Harmonisierung vorgelegte Entwurf der Dienst-eistungsrichtlinie über das Ziel hinausschießt – das ha-en wir an sich im Ausschuss bzw. bei den Anhörungenm Deutschen Bundestag festgestellt –; denn mit diesemntwurf soll praktisch auf einen Schlag der Binnenmarkt
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17367
)
)
Werner Schulz
für Dienstleistungen hergestellt werden, sollen vor allemHindernisse für Niederlassung und grenzüberschreitendeTätigkeit von EU-Dienstleistern beseitigt werden.Das soll hauptsächlich durch den Abbau von Geneh-migungserfordernissen und durch die Einführung desumfassenden Herkunftslandprinzips erreicht werden.Danach soll ein Dienstleister nur den Gesetzen des Lan-des unterliegen, in dem er niedergelassen ist, auch wenner Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat er-bringt. Eine Verpflichtung, im Zielland geltende Anfor-derungen zu erfüllen, soll es nur für wenige Ausnahmengeben. Der Herkunftsstaat ist gemäß dem Entwurf sogarfür die Kontrolle des Dienstleisters im Zielland verant-wortlich.Damit vollzieht die Kommission einen Richtungs-wechsel; Sie entfernt sich von dem Ziel der schrittweisenAnnäherung durch Mindeststandards. Das zwingt dieMitgliedstaaten in einen Standortwettbewerb, bei demsich – das ist zu befürchten – das niedrigste Niveaudurchsetzt.
Wir sind durchaus für eine zügige Harmonisierungbei den Dienstleistungen – das haben wir auch immerwieder betont –, aber bitte schön mit dem notwendigenAugenmaß. Es sei daran erinnert, dass der Entwurf etwain Frankreich im Vorfeld der Volksabstimmung zu gro-ßer Empörung geführt hat. Das sollte sich die Kommis-sion zu Herzen nehmen. Die Einschätzung von Binnen-marktkommissar McCreevy, das Verfahren um dieDienstleistungsrichtlinie werde durch das französischePlebiszit nicht berührt, ist trügerisch. Gerade nach denAbstimmungen über den Verfassungsentwurf in Frank-reich und den Niederlanden muss die Kommission dieDienstleistungsrichtlinie zurücknehmen, um weiterenSchaden zu vermeiden.Vor allem die umfassende Anwendung des Herkunfts-landprinzips ist nicht akzeptabel. Hierdurch drohenRechtsverwirrung und ein Absinken des Qualitäts- undVerbraucherschutzniveaus.
Auch das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, dasmomentan im Binnenmarktausschuss des Europaparla-ments diskutiert wird, ist nicht geeignet. Es ist mehr oderweniger bedeutungsgleich mit dem Herkunftslandprin-zip.Diskussionswürdig erscheint eine Anwendung desHerkunftslandprinzips allein für die Aufnahme der Tä-tigkeit, also bei den beruflichen Qualifikationen vonDienstleistern. Hier könnten die zu Recht kritisierten bü-rokratischen Hürden abgebaut werden. Die Sicherstel-lung der Dienstleistungsqualität müsste dann in den Ziel-ländern mit den dort bestehenden Rechtsvorschriftenerfolgen. Auch für bereits harmonisierte Dienstleis-tungssektoren ist die Anwendung des Herkunftsland-prinzips in bestimmten Fällen möglich, dann nämlich,wiminmgniszincsturLdstuudsUdTmwklaDtucEGdt
Der unregulierte Wettbewerb darf auch nicht zur Be-rohung der sozialstaatlichen Systeme in den Mitglied-taaten führen. Die EU-Kommission soll die Dienstleis-ngsrichtlinie zurückziehen, grundlegend überarbeitennd eine geänderte Fassung vorlegen.Die Debatte um die Dienstleistungsrichtlinie mag inen Ohren mancher überzogen klingen; sie ist aberymptomatisch für die Situation der Europäischennion. Das Unbehagen über „die da in Brüssel“, überie Abgehobenheit der Eurokraten und über die geringeransparenz vieler Vorgänge der EU sollte ernst genom-en werden.
Die Menschen wollen ein gemeinsames Europa. Sieollen kein Europa der bürokratischen Auswüchse undein Europa des schrankenlosen Wettbewerbs. Sie wol-en ein Europa, das seine Zukunft friedlich, zum Nutzenller Europäer und mit sozialer Verantwortung gestaltet.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gudrun Kopp.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren undamen! Wir, die Mitglieder der FDP-Bundestagsfrak-ion, sind zutiefst davon überzeugt, dass Deutschlandnd Europa Wettbewerb im Dienstleistungssektor brau-hen.
s geht nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-rün, um zügellosen Wettbewerb, sondern um faire Be-ingungen für den Wettbewerb, und zwar einen geregel-en Wettbewerb.
Metadaten/Kopzeile:
17368 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Gudrun KoppDa bitte ich Sie, hier kein Horrorgemälde zu malen, liebeKollegin Skarpelis-Sperk.
Um einen Abschied vom europäischen Sozialstaat, wiehier gerade gesagt wurde, geht es natürlich nicht.Ich erinnere mich, dass auf einer Veranstaltung inHerford Herr Bundeswirtschaftsminister Clement vordem Deutschen Schaustellerbund nach Vorstellung die-ser Dienstleistungsrichtlinie in seiner Rede die Opposi-tion, CDU/CSU und FDP, aufforderte, sie möge doch fürdie Dienstleistungsrichtlinie votieren und die darin ent-haltenen Chancen sehen, nämlich die Chancen für denMarkt, für Arbeitsplätze, aber auch für die Menschen imgemeinsamen Europa.
Das fand ich sehr bemerkenswert. Wir müssen aber lei-der zur Kenntnis nehmen, dass Herr Clement auch indiesem Punkt von der SPD-Fraktion ziemlich allein ge-lassen wird.
Es kann nicht sein, dass der Dienstleistungssektor, derin vielen anderen Mitgliedstaaten etwa 70 Prozent desBruttoinlandsproduktes ausmacht, in Deutschland, das jaExportweltmeister ist, nur gerade 12 Prozent hierzu bei-trägt. Wir haben natürlich allen Grund, weitere Schrittezur Liberalisierung und zur Deregulierung zu unterneh-men.
Von daher ist die in der Dienstleistungsrichtlinie vorge-sehene Liberalisierung vom Grundsatz her wirklich zubegrüßen.Ich sage noch einmal an die Adresse der Kollegen, dieimmer auf dem Herkunftslandprinzip herumreiten undes abschaffen möchten: Es gibt heute schon rechtlicheRegelungen, um illegale Arbeitnehmerüberlassung,Scheinselbstständigkeit und andere Missbräuche, dieeben schon genannt wurden, zu unterbinden. In der Tatist hier der Vollzug defizitär. Das heißt, es müsste kon-trolliert und entsprechend sanktioniert werden. Das hataber mit dem Herkunftslandprinzip überhaupt nichts zutun. Das möchte ich noch einmal sehr deutlich sagen.
Auch wir wissen, dass die im Entwurf vorliegendeRichtlinie nachgebessert werden muss.
Auch uns gefällt sie nicht hundertprozentig. Wir sind na-türlich für Entbürokratisierung, Verfahrensvereinfa-chung, Anerkennung von Dokumenten in allen 25 Mit-gliedsländern. All das ist positiv. Zugleich sagen wirganz deutlich, dass die öffentliche Kontrolle und dieSanktionsmöglichkeiten nach wie vor dem jeweiligenNationalstaat obliegen sollten.
DaSAAüzntiWgeinbWimkdrSwEEMugDBaEp
Lassen Sie mich zum Ende sagen: Wer bestimmt ei-entlich, welche Standards die richtigen sind? Wer sagtigentlich, wo ein Sozialdumping EU-weit beginnt undwiefern die Standards, auch Qualitätsstandards, gege-en sind?
ir haben eigene; aber die Frage ist, ob es möglich ist, EU-Konzert der 25 zu Standards und Qualitäten zuommen, zu denen wir alle Ja sagen können, statt nachem Motto zu verfahren: Am deutschen Wesen soll Eu-opa genesen.
Liebe Kollegen, lassen Sie die Kollegin bitte zum
chluss kommen – und Sie tun das bitte auch.
Ja, ich tue es auch. – Ich halte es für sehr arrogant,
enn dieser Anspruch erhoben wird.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s gibt den Entwurf einer Dienstleistungsrichtlinie derU. Sie soll ermöglichen, dass Unternehmen, Firmen,ittelständler ihre Dienstleistungen EU-weit anbietennd realisieren können. Das ist gut für Europa, das istut für den Wettbewerb und das ist gut für die Bürger.as verspricht jedenfalls der Titel, das behaupten dieefürworter dieser Richtlinie und das suggerieren leideruch fast alle Medien.Die PDS hat immer dagegen gesprochen; denn dieU-Dienstleistungsrichtlinie ist eine gezielte Katastro-he. Sie führt zu Sozial-, Lohn- und Umweltdumping.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17369
)
)
Petra PauDas muss verhindert werden und dagegen kämpfen zahl-reiche Initiativen seit langem.
Nun gibt es einen gemeinsamen Antrag der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen. Punkt I dieses Antragesmündet in dem Satz:Die EU-Kommission wird aufgefordert, die EU-Dienstleistungsrichtlinie zurückzuziehen, grundle-gend zu überarbeiten und einen geänderten Entwurfvorzulegen.Das unterstützt die PDS im Bundestag ganz ausdrück-lich. Aber ich habe ein paar nahe liegende Fragen: Wa-rum kommt der Antrag der SPD und der Grünen jetzt –erst jetzt?
Warum konnte es auf EU-Ebene überhaupt zu einer sol-chen Richtlinie kommen?Und ich habe noch eine dritte Frage. Die EU-Dienst-leistungsrichtlinie befördert Niedrig-, ja sie befördertDumpinglöhne. Das lehnt die PDS aus sozialen und auswirtschaftlichen Gründen ab.
Deshalb hätten wir heute sogar dem rot-grünen Ent-sendegesetz zugestimmt. Auch das sollte der zunehmen-den Ausbeutung einen Riegel vorschieben – keinen aus-reichenden, aber immerhin. Aber Rot-Grün hat dasEntsendegesetz von der Tagesordnung genommen, sehrzur Freude der CDU/CSU.Genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen, entwer-tet Ihren Appell an die EU. Denn dort, wo Sie konkretentscheiden könnten, versagt Rot-Grün. Stattdessen er-finden Sie, auch mit dieser Entschließung, ein Verspre-chen nach dem anderen für die Zeit nach der Wahl. Nachder Wahl wird wohl die CDU/CSU Tabula rasa machen.Noch aber hätte Rot-Grün Mehrheiten, um dagegen Pfei-ler zu setzen. Genau das tun Sie jedoch nicht. Sie ver-sprechen, kneifen aber, wenn es ernst wird.
Dasselbe Spiel erleben wir übrigens derzeit im Streitum Hartz IV. Es ist ein grundsätzlich falsches und unge-rechtes Gesetz. Wir werden es ändern, sagt die SPD, al-lerdings erst nach der Wahl. Aber nach Lage der Dingewerden Sie nach der Wahl überhaupt nichts mehr ändernkönnen. Also ändern Sie doch jetzt! Noch haben SieMehrheiten; noch haben Sie drei Stimmen im Plus.Wenn es um gute Lösungen für die Betroffenen geht,dann haben Sie sogar noch zwei PDS-Stimmen dazu.
FaSibmvLFutfRsEsDuC
richts des Haushaltsausschusses
– zu dem Antrag des Bundesministeriums der Fi-nanzenEntlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2003 – Vorlage der Haus-halts- und Vermögensrechnung des Bundes
–
– zu der der Unterrichtung durch den Bundes-rechnungshofBemerkungen des Bundesrechnungshofes2004 zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh-
– Drucksachen 15/2884, 15/4200, 15/5781 –Berichterstattung:Abgeordneter Gerhard Rübenkönigb) Beratung des Antrags des Bundesministeriumsder FinanzenEntlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2004 – Vorlage der Haushalts-
– Drucksache 15/5206 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussc) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
– zu dem Antrag der Abgeordneten DietrichAustermann, Dr. Michael Meister, Steffen
Metadaten/Kopzeile:
17370 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerKampeter, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der CDU/CSUVerschuldungsspirale stoppen – Nachtrags-haushalt und Haushaltssicherungsgesetzumgehend vorlegen– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. AndreasPinkwart, Jürgen Koppelin, Otto Fricke, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der FDPPrekärer Haushaltslage entgegentreten –Nachtragshaushalt und Haushaltssiche-rungsgesetz vorlegen– Drucksachen 15/5331, 15/5477, 15/5746 –Berichterstattung:Abgeordnete Walter SchölerAnja HajdukSteffen KampeterOtto FrickeNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächstder Abgeordnete Gerhard Rübenkönig.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Entlastung der Bundesregierung ist auf den erstenBlick ein Routinevorgang, der in der Öffentlichkeit wenigzur Kenntnis genommen wird. Dies ist bedauerlich; dennes geht um die wirtschaftliche und ordnungsgemäße Ver-wendung der Einnahmen und Ausgaben des Bundes. Wirreden hier immerhin über 256,7 Milliarden Euro, die derBund im Jahr 2003 ausgegeben hat.Der RPA hat sich unter meinem Vorsitz in fünf Sit-zungen sehr ausführlich mit den Bemerkungen des Bun-desrechnungshofes über das Haushaltsjahr 2003 ausei-nander gesetzt. Dies gilt auch für die Feststellungen zurHaushalts- und Vermögensrechnung des Bundes, zurfinanzwirtschaftlichen Entwicklung und zu den struktu-rellen Problemen des Bundeshaushalts. Die Bemerkun-gen 2004 zeigen leider, dass betriebswirtschaftlichesDenken und Handeln immer noch nicht flächendeckendzu bestimmenden Faktoren und Grundlagen exekutivenHandelns geworden sind.Nach den Berechnungen des Bundesrechnungshofesbelaufen sich die einmaligen Ausgabenminderungen undEinnahmesteigerungen, die in den 57 Bemerkungen be-schrieben werden, auf knapp 2,4 Milliarden Euro, zu-züglich eines jährlich realisierbaren Potenzials von800 Millionen Euro. Dies ist eine Größenordnung, diesich im Rahmen dessen bewegt, was in den letzten Jah-ren, auch zu Zeiten anderer Regierungen, festgestelltwurde.Ein fachlicher Schwerpunkt des Bundesrechnungsho-fes in den Bemerkungen 2004 ist die Einhaltung deseuropäischen Vergaberechts. Hier hat es in der Vergan-genheit unter allen Regierungen erhebliche Fehler gege-ben. Ich werbe deshalb mit Nachdruck für die von derKptüRcdRgienfFHunwwrZghBdvndzdskdgfswgdmbskrFdg–dMus
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17371
)
)
Aber es ist selbstverständlich Ihr legitimes Recht, eineandere Bewertung vorzunehmen und der Regierung dieHaushaltsentlastung zu verweigern.Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen zu den An-trägen, die Sie heute erneut vorlegen, machen. Das sinddie Anträge auf den Drucksachen 15/5331 und 15/5477.Hierzu brauche ich keine großen Ausführungen zu ma-chen. Die Regierung hat am 2. Juni in diesem Hausedazu Stellung genommen. Wir werden diese beiden An-träge ablehnen, nicht deswegen, weil wir die Zustands-beschreibungen nicht teilen, sondern deswegen, weil Siekonkrete Maßnahmen dazu, wie die Haushaltssituationnachhaltig verbessert werden kann, schuldig bleiben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, da ich mich ent-schieden habe, bei der möglicherweise im Herbst statt-findenden Neuwahl nicht wieder für den Bundestag zukandidieren, erlaube ich mir, ein paar persönliche undgrundsätzliche Bemerkungen zu machen. Es ist, egalwelche Parteien die kommende Bundestagswahl gewin-nen werden, für unsere Zukunft unerlässlich
– wenn Sie zuhören würden, würden Sie etwas Positivesaus meinen Ausführungen ziehen –,
dass es gelingt, die strukturellen Belastungen des Haus-halts aufzufangen und auszugleichen. Dies kann nur mit-tel- und langfristig gelingen und ist zwingend notwen-dig, wenn wir die staatliche Handlungsfähigkeit und diegesellschaftliche Zustimmung zu unserer Demokratienicht verlieren wollen.Nach meiner festen Überzeugung werden wir dazuauf der Ausgabenseite an deutlichen Einschnitten beiden Subventionen und an Einschnitten bei den Steuer-vergünstigungen nicht vorbeikommen. Ebenso wenigwerden wir aber darauf verzichten können, die Einnah-meseite des Staates zu sichern. Denn nur dann, wenn esgelingt, unsere fachpolitischen Sichtweisen zugunsteneiner gesamtgesellschaftlichen Handlungsverantwortungzusammenzuführen, ist die Handlungsfähigkeit des Staa-tes gewährleistet. Ich bin mir sicher, dass die Menscheneine solche Politik unterstützen würden, wenn sie dennsozial gerecht und ausgewogen ist. Vor diesem Hinter-grund scheint mir auch der Vorschlag des Präsidentendes Bundesrechnungshofes richtig zu sein, über eine ver-fassungsrechtliche Regelung zur Kreditbegrenzung mitwirklichem Biss nachzudenken.hBEe–bBBgntkiFMathguIddRAWwrgsFdntdpBun
ie Haushaltspolitik vor. Insoweit bitte ich um Verständ-is, dass sie hier nicht anwesend sein können.Das erste Wort bei der Entlastungsdebatte gehört na-ürlich dem Bundesrechnungshof. Wir schließen unsem Dank, der durch den Vorsitzenden des Rechnungs-rüfungsausschusses ausgesprochen wurde, an. Derundesrechnungshof gehört sicher zu den Institutionen,m die wir im internationalen Rahmen nach wie vor be-eidet werden.
Metadaten/Kopzeile:
17372 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Hans-Joachim FuchtelDer Umgang unter Demokraten gebietet es, GerdRübenkönig mit Respekt und Anerkennung für die faire,menschlich immer sehr souveräne und gute Zusammen-arbeit zu danken. Ich wünsche dir, lieber Gerd, allesGute für die Zukunft.
Da wir Schwaben Lob gern etwas verpacken, sageich: Gerd, es hätte statt deiner auch etwas Schlimmereskommen können.Leider gilt dies nicht für den Bundeshaushalt. Um dieBundesfinanzen ist es objektiv schlimm bestellt. In die-sem Jahr fressen erstmals die Zuschüsse zu den sozialenSicherungssystemen, die Personalausgaben und die Zin-sen mit insgesamt 188,6 Milliarden Euro die gesamtenSteuereinnahmen in Höhe von 187,2 Milliarden Euroauf. Alles andere muss weitgehend auf Pump finanziertwerden. Das ist keine Haushaltsmisere, das ist eineHaushaltskatastrophe.
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob es die Öffentlich-keit wirklich vollständig wahrgenommen hat: Die Lageist noch schlechter als die Stimmung. Noch nie hat einPräsident des Bundesrechnungshofes öffentlich formu-lieren müssen – ich zitiere –:Wir machen Schulden in Rekordhöhe, ohne finanz-politische Spielräume zurückzugewinnen. Mit38 Milliarden Euro an Zinsausgaben ist der Bun-deshaushalt längst in die Schuldenfalle geraten.Demjenigen, dem das nicht genügt, möchte ich nochein Zitat aus dem „Spiegel“ vorhalten. Dort hat es un-längst von einem Parteifreund der SPD geheißen, dassihm sogar schwindelig werde, wenn er an den Haushaltdenke, der hier praktiziert werde. Es ist fast nicht auszu-denken, Herr Staatssekretär, wenn zum Beispiel dieZinslast durch eine Zinserhöhung noch einmal belastetwürde. Bereits im Jahr 2003 hätte eine Zinserhöhung um1 Prozent zur Folge gehabt, dass wir 8 Milliarden Euromehr hätten schultern müssen. In der Zwischenzeit istdie Lage noch schlechter geworden. Ein halbes Prozentwürde ausreichen, um den gesamten Titel für den Bun-desfernstraßenbau auf null zurückzuführen. So drama-tisch ist die Situation.Heute wurden sie zwar nicht erwähnt, aber oftmals istdas der Fall. Deshalb sage ich: Hören Sie auf mit denStorys über Vorbelastungen, wie sie der StaatssekretärDiller gern erzählt! Die Vorbelastungen kannten Sie vor-her. Trotzdem haben Sie dem deutschen Volk verspro-chen, die Nettoneuverschuldung bis zum Jahre 2006 aufnull zu senken. Von dieser Politik ist nichts übrig geblie-ben.Meine Damen und Herren, auch Subventionsabbauist ein Wort, von dem heute nichts zu hören war. Viel-leicht hat der Kollege versucht, mit sehr guter Stimmungdurch diese Veranstaltung zu kommen. Aber dazu mussich noch etwas sagen: Es heißt immer, Sie hätten auf-grund unserer Blockade im Bundesrat nicht handelnkzbndKhsdgnDdHswAsziwFdDsdsOdvpdmkÜzSbSggNM
ber damals war es ganz anders.Eines ist allerdings auch zutreffend: Wir waren ange-ichts der derzeitigen Lage nicht bereit, die Eigenheim-ulage zu opfern, und zwar aus zwei Gründen: Erstensst sie für Familien nach wie vor etwas Gutes. Zweitensäre es angesichts Ihrer Haushaltspolitik, die wie einass ohne Boden erscheint, der falsche Weg gewesen,em guten Geld noch weiteres hinterher zu werfen.
afür lassen wir uns vorläufig auch gerne von Ihnen be-chimpfen. Die junge Generation wird uns allerdingsanken, dass wir in diesem Punkt beharrlich gebliebenind.
b nun 10 oder 16 Milliarden Euro eingespart werden,arauf kommt es angesichts eines strukturellen Defizitson 60 Milliarden Euro jährlich nicht mehr an.Auf der einen Seite ist überall dort, wo es haushalts-olitisch wehtut – bei der Rente, dem Arbeitsmarkt unden Zinsausgaben –, Aufwuchs zu verzeichnen. Dasöchte ich gar nicht im Einzelnen vortragen; denn dasann man überall nachlesen. Dann wird man sehen:berall dort, wo es wehtut, bestehen strukturelle Defi-ite, die sich weiter vergrößern, ohne dass sich diesechere schließt. Das ist unser Problem.Auf der anderen Seite brechen auf der Einnahme-zw. der Investitionsseite, wo es uns auch wehtut, dieteuereinnahmen und die investiven Ausgaben weg. An-esichts solcher Zahlen müssten Sie von Rot-Grün ei-entlich blass werden. Von wegen Nachhaltigkeit!
ach uns die Sintflut, das ist Ihr haushaltspolitischesotto.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17373
)
)Hans-Joachim FuchtelHören Sie mit Ihren Ablenkungsstorys auf. WerTypen wie Richard Kimble von der Saar zum Bundes-finanzminister beruft,
wer mit einer Politik der ruhigen Hand auf besseresWetter wartet, statt zu handeln, und wer Versprechungenmacht statt Strukturreformen durchzuführen, derschleicht auch im Ernstfall nur um den Schuldenberg he-rum wie die Katze um den heißen Brei. So muss man dassehen. Das ist die Wahrheit.Jetzt ist strukturelles Handeln gefragt. Die Schulden-spirale muss gestoppt werden.
Die Nachtragshaushalte müssen frühzeitig vorgelegt undzur Korrektur eingesetzt werden. Das ist die Antwort derOpposition auf die Haushaltskatastrophe von Rot-Grün.Lieber Herr Diller, Sie wollen heute ernsthaft eineEntlastung für 2003 und legen den Abschluss 2004 zurBeratung vor. Die CDU/CSU konnte Sie schon 2002nicht entlasten. Mein Kollege Konrad Fromme hat da-mals überzeugende Gründe dafür vorgetragen, vor allemdie Verfassungswidrigkeit des Haushalts 2002. Sie ha-ben 2003 nichts, aber auch gar nichts dazu gelernt; denndieser Haushalt ist wieder verfassungswidrig. Wenn mansich anschaut, was Sie tun, um den Haushalt auszuglei-chen, dann stellt man fest, dass Ihr Vorgehen mit derVerschleuderung von Bundesvermögen einhergeht. Daskönnen wir nicht akzeptieren. Vor allem können wirnicht akzeptieren,
dass 2003, als man in einem frühen Stadium gesehen hat,dass der Haushalt aus dem Ruder läuft, nicht zu denklassischen Instrumenten der Haushaltspolitik gegriffenwurde, nämlich der Haushaltssperre und dem Nach-tragshaushalt.
Das haben Sie versäumt.
Hier haben Sie fachlich versagt.
Minister Eichel kommt einem deswegen nicht wie einSteuermann auf der Haushaltsbrücke vor, sondern wieein Buchhalter, der sich hinter dem Schreibtisch verkro-chen hat. Das ist Versagen in höchster Potenz; anderskann man das gar nicht nennen. Dafür tragen Sie dieVerantwortung. Nun haben Sie wiederum einen verfas-sungswidrigen Haushalt fabriziert; schlimmer geht esgar nicht.
–mgWbwgmdnWwbühSJrmngBsDwahzbSNalddGntszwE
ie hätten heute allen Grund, der Regierung durchichtzustimmung zu ihrer Entlastung das Misstrauenuszusprechen. Entweder tun Sie es auch heute oder Sieassen es morgen bleiben. Ansonsten verfahren Sie nachem Motto „Business as usual“ und vollführen morgenie Sondernummer. Das ist Glaubwürdigkeit à la Rot-rün; das ist nicht unsere Politik. Das tut dem Staaticht gut. Wer mehr darüber lesen will, kann das gerneun: im „Spiegel“, Ausgabe 26, Seite 22 f. Was dortteht, ist zutreffend; dem ist nichts hinzuzufügen.In diesem Sinne können wir Ihnen keine Entlastungusichern. Wir bitten dafür um Verständnis; denn wirollen eine bessere Haushaltspolitik machen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Franziskaichstädt-Bohlig.
Metadaten/Kopzeile:
17374 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Als Erstes möchte auch ich mich ganz herz-lich beim Rechnungshof für seine Bemerkungen bedan-ken. Ich fand es sehr korrekt, dass der KollegeRübenkönig diese Arbeit auch selbstkritisch bewertethat. Ich glaube, es ist sehr wichtig, die Dinge hier nichtschönzureden, sondern ehrlich darzustellen, welche Pro-bleme wir haben. Ich wünsche dem KollegenRübenkönig alles Gute für den weiteren Weg. Ich binganz sicher, dass es auch außerhalb des Parlaments eingutes Leben gibt, auch ein politisches.
Als Zweites möchte ich ein Stück weit auf den Kolle-gen Fuchtel eingehen. Zunächst habe ich gedacht, dasswir es endlich schaffen, hier eine Debatte so zu führen,wie ich es mir schon für die letzten Jahre gewünschthabe. Ich dachte, der ewige Schlagabtausch – ihr seid dieBösen, die alles falsch machen, und wir sind die Guten,die die Patentrezepte haben und wissen, wie alles bessergemacht wird – sei jetzt vorbei.
Ich glaube, dieser Schlagabtausch ist sowohl angesichtsder gegenwärtigen Haushaltslage als auch angesichts dergeschichtlichen Entwicklung der Verschuldung nicht an-gemessen.Ich werbe dafür, dass wir endlich alle so ehrlich sind– genau das war die Qualität des Beitrags des KollegenRübenkönig –, zu sagen, dass wir alle für die Entwick-lung der Haushaltslage mit verantwortlich sind und dasssich dieses Problem über Jahre entwickelt hat.
Seit den 70er-Jahren hatten wir keinen Haushalt ohneNeuverschuldung mehr. Der Schuldenberg ist immerweiter angewachsen, besonders dramatisch nach derdeutschen Wiedervereinigung. Das sage ich nicht mit ei-ner Schuldzuweisung, sondern das ist ein objektives Pro-blem. Insofern appelliere ich an uns alle, endlich mit die-sem Schlagabtausch und diesem Pingpongspielaufzuhören und unsere gemeinsame Verantwortung hier– wer auch immer wann wie regiert – und auf der Ebenedes Bundesrats ernst zu nehmen.Zurzeit wird viel an Rot-Grün kritisiert. Die Kritikgeht in die Richtung, dass dem Bürger zu viel wegge-nommen worden sei. Sie muss aber auch in die andereRichtung gehen, nämlich dass viele Reformen nicht weitgenug gegriffen haben. Insofern müssen wir uns aufsei-ten der Koalition dieser Debatte stellen. Auf der anderenSeite können Sie sich aber nicht der Tatsache entziehen,dass gerade die Opposition und der Bundesrat permanentden Lafontaine gemacht haben, indem sie ganz wichtigeEntscheidungen, die wir hier getroffen haben, blockierthaben.IgSGvcszesunESluWlMdwidubsMnRADg
ch nenne die Eigenheimzulage, das Steuervergünsti-ungsabbaugesetz usw. Ihr Problem ist, dass Sie bis zurtunde blockiert haben und jetzt zum ersten Mal insrübeln kommen, ob Sie weiter blockieren sollen, da Sieielleicht sogar selbst regieren wollen.Ich nenne noch ein aktuelles Beispiel für diese Blo-kade, nämlich das Versorgungsnachhaltigkeitsge-etz, bei dem es darum geht, die Beamtenpensionen an-upassen. Was macht der Bundesrat? Er blockiert wiederrst einmal, obwohl er ganz genau weiß, dass die Pen-ionslasten nicht so sehr den Bund, sondern die Ländernd Kommunen drücken und dass wir auch diese Maß-ahmen ergreifen müssen, um unsere Haushalte auf derbene von Bund, Ländern und Kommunen Schritt fürchritt wieder in Ordnung zu bringen.
Deswegen sage ich ganz klar: Erstens. Es muss end-ich zu einem konsequenten Abbau aller überflüssigennd zukunftsschädlichen Subventionen kommen.
as Sie eben zur Eigenheimzulage gesagt haben, Kol-ege Fuchtel, war wirklich scheinheilig.Zweitens. In Richtung der FDP sage ich – der Kollegeerz hat seinen „Bierdeckel“ mittlerweile hoffentlich inen Mülleimer geschmissen –: Versprechen Sie nichteitere Steuersenkungen! Steuervereinfachungen sindn Ordnung, sie müssen aber solide gegenfinanziert wer-en. Alles andere ist Betrug am Wähler und am Bürgernd trägt nicht zur Lösung des Verschuldungsproblemsei.
In Richtung der PDS und der neuen SED möchte ichagen:
achen Sie keine falschen Versprechungen, die Sieicht einhalten können, indem Sie sagen, man könne deneichen praktisch unendlich viel wegnehmen und es denrmen geben.
as sind falsche Versprechungen; solche Versprechun-en kann man nicht machen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17375
)
)
Franziska Eichstädt-BohligWir wissen es. In den 90er-Jahren hatten wir ja die Ver-mögensteuer. Das Geld, das dadurch hereinkommt, löstdie Probleme, die wir haben, nicht.
In diesem Zusammenhang nenne ich auch die Erhö-hung der Erbschaftsteuer. Meinetwegen sollen die Län-der das in die Hand nehmen, auch eine Erhöhung derGrundsteuer. Wer aber verspricht, dass man mit diesenSteuern, die insgesamt – wenn es hoch kommt; ichglaube aber nicht daran – vielleicht ein Volumen von5 Milliarden Euro umfassen, das strukturelle Defizit aufden Ebenen Bund, Länder und Kommunen allein aus2004 in Höhe von insgesamt 80 Milliarden ausgleichenkann, der lügt sich und dem Bürger etwas in die Tasche.Das dürfen wir alle gemeinsam nicht machen.
Von daher möchte ich noch eine letzte Bitte ausspre-chen. Ich unterstütze die Forderung, dass wir eine Kre-ditbegrenzung brauchen. Wir müssen aber auch andersan die Haushaltsaufstellung herangehen. Die Haushalteauf Basis von Wachstumsprognosen und Prognosen überdie Steuereinnahmen aufzustellen, halte ich für struktu-rell falsch. Es muss auf solide Zahlen zurückgegriffenwerden, das heißt Zahlen, die einen Durchschnitt aus denvergangenen Jahren bilden und nicht auf Kaffeesatzlese-rei beruhen, wie es offenbar seit Jahr und Tag Methodeist. Auch da gibt es viel zu tun.In diesem Sinne wünsche ich mir, dass nicht ständigStreit um die Haushalte geführt wird, sondern dass hier,wie auch immer die Konstellationen sind, alle Parlamen-tarier konstruktiv zusammenarbeiten. Ich hätte mir ge-wünscht, dies wäre noch in dieser Legislaturperiodemöglich gewesen. Das wird nun leider nicht der Fallsein. Ich wünsche mir, dass dies in der nächsten Legisla-turperiode konstruktiver angegangen wird, und zwarohne gegenseitige Barrieren und Blockaden.
Auch Ihnen, liebe Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig,
möchte ich für den Fall der Fälle im Namen des ganzen
Hauses einen Vorratsdank für Ihre Arbeit aussprechen
und alles Gute wünschen.
– Der Applaus war einstimmig.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jürgen Koppelin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will es kurz machen. Ich hoffe, in drei Minuten mei-
nen Beitrag beendet zu haben, damit wir danach sofort
zur Abstimmung kommen können.
r
h
E
k
k
s
k
d
d
b
I
A
a
S
k
m
g
S
m
D
B
P
te
D
z
g
D
B
D
b
f
it einem Einsparvolumen von 12,7 Milliarden Euro ab-
elehnt haben.
ie haben hier um Zusammenarbeit gebeten. Ich frage
ich: Wo war denn Ihr Angebot zur Zusammenarbeit?
a Sie wissen, dass die Stimmen von FDP und Union im
undesrat in der Mehrheit sind, müssen Sie auf diese
arteien zugehen, um beim Haushalt zusammenzuarbei-
n.
azu waren Sie nicht in der Lage.
Der Bundesminister der Finanzen hat einen Bericht
ur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen heraus-
egeben. Darin stehen unglaublich viele Wahrheiten.
as Traurige ist, dass Sie sich nicht danach richten. Ein
eispiel – Zitat –:
Konsolidierung bedeutet in der Regel, gegen den
Widerstand organisierter Gruppeninteressen und
Besitzstandswahrer angehen zu müssen.
azu waren Sie niemals in der Lage. Das ist das Pro-
lem.
Herr Kollege Koppelin, gestatten Sie eine Zwischen-rage?
Metadaten/Kopzeile:
17376 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Ja, natürlich.
Herr Kollege Koppelin, wir sind ja beide Mitglied des
Haushaltsausschusses. Sie haben erklärt, dass Sie bereit
gewesen wären, in großem Umfang Einsparungen mit-
zutragen. Wissen Sie, dass insbesondere in den vergan-
genen Jahren das bereinigte Ausgabenwachstum im
Schnitt bei nur 1 Prozent lag? Das heißt, wir haben wirk-
lich massiv gespart. Wir hatten eine Steigerung des Ge-
samtplafonds unterhalb der Inflationsgrenze. Unser Pro-
blem war, dass uns die Steuereinnahmen weggebrochen
sind.
Herr Kollege Koppelin, stimmen Sie mit mir überein,
dass gerade die Maßnahmen, die 2003 unter dem Begriff
Steuervergünstigungsabbaugesetz
zusammengefasst wurden, mit einem Volumen von
25,7 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte – ein
sehr großer Brocken dieser Einnahmen war für den Bun-
deshaushalt vorgesehen; ich nenne hier nur exemplarisch
die Einnahmen aus dem Wegfall der Eigenheimzulage –,
im Bundesrat von den Regierungen der Länder, an denen
Sie noch beteiligt sind, blockiert wurden?
Lieber Herr Carsten Schneider! Erstens. Ich merke
den großen Einfluss, den du in deiner Fraktion hast. Als
du deine Frage gestellt hast, sind auf einmal alle ruhig
geworden.
Dafür bin ich schon einmal sehr dankbar.
Zweitens. Normalerweise bin ich auch für Zwischen-
fragen dankbar, weil sie meine Redezeit verlängern.
Aber nun merke ich, dass sich eure Geschäftsführerin
bemüht, ihre Truppen zusammenzutrommeln.
Ich habe zum Schluss meiner Rede noch einen Tipp.
Kollege Tauss kann sich wieder beruhigen.
Kommen wir jetzt zu den Steuermindereinnahmen.
E
h
G
g
s
I
D
I
a
tu
A
–
K
z
i
n
D
u
7
m
w
H
A
j
S
m
L
G
ch glaube, eure Politik – darüber werden wir morgen
bstimmen – ist das Ergebnis dieser Haushalte gewesen.
Ich will nicht verkennen, dass auch wir Verantwor-
ng für den hohen Schuldenstand hatten.
ber Hans Eichel hat einmal ganz anders angefangen.
Frau Präsidentin, könnten Sie für etwas Ruhe bei den
rakeelern sorgen? Ich komme sonst mit meiner Rede-
eit nicht hin.
Es ist immer so lebhaft, wenn so viele Abgeordnete
m Hause sind.
Ich will ein Beispiel eurer soliden Haushaltspolitikennen.
as sage ich auch in Richtung der Grünen. Da werdennsere Forderungen gegenüber Russland in Höhe von,35 Milliarden Euro – das war der Bestand –
al eben für 4,9 Milliarden Euro verkauft. Wer zahltohl die Differenz? Der Steuerzahler. Das ist eure solideaushaltspolitik gewesen!
ußerdem schaltet die Bundesregierung teure Anzeigen,etzt, da jeder weiß, dass der Wahlkampf begonnen hat. –ie haben den Haushalt gegen die Wand gefahren undorgen wollen Sie Fahrerflucht begehen. Das ist dieage.
Nun komme ich – das sage ich auch in Richtung dereschäftsführerin der SPD – zu dem versprochenen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17377
)
)
Jürgen KoppelinTipp: Ich habe in den Medien gelesen, dass FranzMüntefering an die SPD appelliert hat, sich morgen beider Vertrauensfrage des Bundeskanzlers zu enthalten.Sie könnten sich jetzt schon beim Finanzminister enthal-ten. Der hat es genauso verdient.Herzlichen Dank.
Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haus-haltsausschusses auf der Drucksache 15/5781 zu demAntrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Ent-lastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2003und zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes2004, Drucksachen 15/2884 und 15/4200. Wer stimmtfür Nr. 1 der Beschlussempfehlung, „Erteilung der Ent-lastung für das Haushaltsjahr 2003“? – Gegenstimmen? –Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit denStimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegendie Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommenworden.Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, „Be-merkungen des Bundesrechnungshofs und die darin ent-haltenen Aufforderungen an die Bundesregierung“? –Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Nr. 2 der Beschluss-empfehlung ist einstimmig mit den Stimmen der vielenanwesenden Abgeordneten angenommen worden.
– Biblisch heißt das: Herr, halt ein mit deinem Segen! –Wir sind aber in der Abstimmung.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 15/5206 an den Haushaltsausschuss vorge-schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Haus-haltsauschusses auf Drucksache 15/5746. Der Ausschussempfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfeh-lung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/5331 mit dem Titel „Verschul-dungsspirale stoppen – Nachtragshaushalt und Haus-haltssicherungsgesetz umgehend vorlegen“. Wer stimmtfür diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? –Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist angenom-men mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU undFDP.Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ab-lehnung des Antrags der Fraktion der FDP aufDrucksache 15/5477 mit dem Titel „Prekärer Haushalts-lage entgegentreten – Nachtragshaushalt und Haushalts-ss–fBCAhdwdgdU„rLSKMc
Kortmann, Detlef Dzembritzki, GabrieleGroneberg, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der SPD sowie der Abgeordneten ThiloHoppe, Volker Beck , Alexander Bonde,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENMillenniumsentwicklungsziele der VereintenNationen bis 2015 beschleunigt verwirkli-chen – Den deutschen Beitrag zur Zielerrei-chung entschieden verstärken– Drucksache 15/5831 –b) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Christian Ruck, Dr. Ralf Brauksiepe, HartwigFischer , weiterer Abgeordneter undder Fraktion der CDU/CSUVor dem G-8-Gipfel in Gleneagles und derVN-Generalversammlung zu den Millenniums-zielen – Millenniumsentwicklungsziele realis-tisch umsetzen– Drucksache 15/5579 –c) Beratung der Großen Anfrage der AbgeordnetenDr. Conny Mayer , Dr. Christian Ruck,Dr. Friedbert Pflüger, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der CDU/CSUEffektivität und Effizienz der Entwicklungszu-sammenarbeit der Vereinten Nationen– Drucksache 15/4917 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ichöre keinen Widerspruch. Dann ist auch so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächstie Frau Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul.Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin fürirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Jahr 2005 istas Jahr der Entwicklungspolitik. Ich möchte die Gele-enheit nutzen, all denjenigen in der Zivilgesellschaft zuanken, die sich gemeinsam gegen globale Armut undngerechtigkeit engagieren. Das gilt für die InitiativeDeine Stimme gegen Armut“ wie auch für die Künstle-innen und Künstler, die am Samstag mit dem großenive-8-Konzert in Berlin, aber auch weltweit ihretimme erheben. Das gilt auch für das Engagement derirchen. Sie alle zeigen, dass es eine Globalisierung deritmenschlichkeit gibt. Das ist ein wunderbares Zei-hen.
Metadaten/Kopzeile:
17378 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
Bisher wird dieses Jahr 2005 seinen Herausforderun-gen gerecht. Die EU hat maßgeblich auch durch unserenEinfluss den Stufenplan zur Steigerung der Mittel für dieEntwicklungszusammenarbeit auf 0,7 Prozent bis 2015verabschiedet und die G-7-Finanzminister haben sichdarauf geeinigt, den ärmsten Entwicklungsländern ihremultilateralen Schulden zu 100 Prozent zu erlassen undbilateral dafür einzustehen. Damit haben wir bewiesen,dass wir unsere Versprechen halten. Mit diesen Entschei-dungen können wir dazu beitragen, dass Millionen vonMenschenleben gerettet werden und Millionen von Kin-dern eine Zukunft und Perspektiven haben. Das ist einwunderbares Ergebnis der Arbeit.
Diese strukturell und langfristig prägenden Entschei-dungen waren nur möglich, weil Deutschland in der Ent-wicklungszusammenarbeit Führungsstärke gezeigt hat.Das wiederum war nur möglich, weil wir konsequenteine eigenständige Entwicklungspolitik verfolgen.
Wir haben die Instrumente der deutschen Entwicklungs-zusammenarbeit reformiert und ihr Profil geschärft. Wirhaben gleichzeitig den Einfluss in multilateralen Institu-tionen genutzt, um weltweit moderne Entwicklungspoli-tik und globale Strukturpolitik durchzusetzen. Ichmöchte an dieser Stelle beispielhaft 15 Bereiche nennen,in denen durchgreifende Erfolge erzielt worden sind, diees weiterzuentwickeln gilt.Erstens ist der Stufenplan zur Steigerung der OfficialDevelopment Assistance auf 0,33 Prozent zum Jahr2006, auf 0,51 Prozent zum Jahr 2010 und auf 0,7 Pro-zent für das Jahr 2015 zu nennen. Dabei handelt es sichum eine der wichtigsten Strukturentscheidungen, die inden vergangenen Jahrzehnten in der Entwicklungszu-sammenarbeit gefällt worden sind. Denn als diese Stei-gerung in den 70er-Jahren beschlossen worden ist,wurde kein Zeitziel gesetzt. Jetzt haben wir ein Zeitziel,das wir auch gemeinsam erreichen werden.
Das ist eine der wichtigsten Entscheidungen.Zweitens haben wir die Entschuldung vorange-bracht. Wir haben zunächst den im Jahr 1999 beschlos-senen Schuldenerlass umgesetzt und ihn jetzt durch denmultilateralen Schuldenerlass ergänzt. Dies bedeutet,dass die betroffenen Länder in den Jahren zwischen1999 und 2004 ihre Ausgaben für Gesundheit und Bil-dung auf 8 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts steigernkonnten. Auch dies ist ein Erfolg.
dcWnFfdvGDeegSrsSmvkbSvnLDdeLmmnkvfVWu
Viertens. Wir haben wichtige Schritte – ich nenne nurie Initiative zur Beendigung der EU-Baumwollsub-ention – in Richtung auf gerechtere Gestaltung derlobalisierung vorangebracht. Dies werden wir bei deroha-Entwicklungsrunde auch in anderen Bereicheninlösen, zum Beispiel durch die Beendigung der Agrar-xportsubventionen, die einen unfairen Wettbewerb ge-enüber den Entwicklungsländer bedeuten.
Fünftens haben wir Afrika zu unserem besonderenchwerpunkt gemacht. Wir fördern Afrika zurzeit bilate-al und multilateral mit circa einem Drittel unserer ge-amten Mittel. Wir setzen auf Friedenssicherung, auftärkung der afrikanischen Eigenverantwortung im Rah-en von NEPAD, auf Armutsbekämpfung, auf Wasser-ersorgung und auf HIV/Aids-Bekämpfung.Wenn ich darf, liebe Kolleginnen und Kollegen,omme ich an dieser Stelle auf die Regierung in Sim-abwe und den Diktator Mugabe zu sprechen.
ie brechen seit vielen Jahren die Menschenrechte. Es istöllig unerträglich, wie die simbabwische Regierungun auch noch den Ärmsten der Armen im eigenenande die Lebensgrundlage raubt.
ie Afrikanische Union und die afrikanischen Nachbarnürfen dies nicht länger hinnehmen. Ihnen kommt dientscheidende Rolle bei der Einflussnahme auf diesesand und seine Regierung zu.In diesem Zusammenhang noch eine wichtige Infor-ation: Wir haben seit Jahren die Entwicklungszusam-enarbeit mit diesem Land eingestellt und fördern nuroch Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen undirchliche Einrichtungen.
Sechstens. Wir haben die Versöhnung mit Namibiaorangebracht. Diese Bundesregierung hatte den Mut,ür die Gräueltaten der deutschen Kolonialherren umergebung zu bitten. Nun können wir gemeinsam deneg der Aussöhnung beschreiten; diesen Weg wollennd werden wir fortsetzen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17379
)
)
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-ZeulSiebtens. Wir haben den Kampf gegen HIV/Aids zurPriorität gemacht und die Mittel von vorgefundenen20 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro aufgestockt.Wir haben achtens den Kampf gegen die weiblicheGenitalverstümmelung zu einer wichtigen Aufgabe un-serer Zusammenarbeit gemacht. Sie können sich vorstel-len, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie bewegend eswar, dass wir in einem Land wie Benin erreicht haben,dass nicht nur ein Gesetz gegen die Genitalverstümme-lung verabschiedet wurde, sondern mittlerweile auch alldie, die diese Praktiken dort betrieben hatten, ihnen ab-geschworen haben. Dies ist ein wunderbarer Erfolg fürHunderttausende von Frauen. Auch dies wollen wir fort-setzen und weiterentwickeln.
Neuntens. Wir haben die erneuerbaren Energien undeine Energiewende vorangebracht. Allein durch unsereEntwicklungszusammenarbeit haben 41 Millionen Men-schen in den Jahren 2003 und 2004 Zugang zu Strom er-halten. Dies ist konkrete Armutsbekämpfung.
Dagegen planen CDU und CSU, wie ich sagen muss, ei-nen Rückfall in die veraltete und gefährliche Technolo-gie der Atomkraft. Das sind Vorstellungen, die vielleichtden Wünschen der Atomlobby entsprechen; sie sind abernicht vom Bewusstsein getragen, eine sichere und nach-haltige Energieversorgung zu gewährleisten.
Wir haben zehntens gezeigt – hier danke ich allen, diesich daran beteiligt haben –, dass wir in schrecklichenSituationen wie der Tsunami-Katastrophe schnell hel-fen können. Dank der internationalen Anstrengungen istes jedenfalls gelungen, dass nach der Flut keine Seuchenweitere Menschenleben hinweggerafft haben. Es istwunderbar, wie sich die Bevölkerung beteiligt hat. Wirwerden diesen Wiederaufbau schon in diesem Jahr mit125 Millionen Euro voranbringen und haben für dienächsten Jahre insgesamt 500 Millionen Euro zur Verfü-gung gestellt.
Elftens. In Afghanistan haben wir im Rahmen derEntwicklungspolitik unseren Beitrag zur Friedenssiche-rung geleistet. Ich möchte darauf hinweisen, dass im ge-samten Afghanistan weit über 100 000 Frauen und Kin-der nachhaltig von Maßnahmen zur Gesundheit, zurAlphabetisierung, zur Ernährung und zur Schaffung vonEinkommensmöglichkeiten profitieren. Das ist ein wun-derbarer Erfolg für die Menschen in diesem Land. Wirsind froh, dass wir ihn mit voranbringen können.
Zwölftens. Wir haben langfristige Aufgaben – man-chen sind sie vielleicht schon gar nicht mehr präsent –zedsdadgWfgehsödgubrGmvidWptdgumEbdsedErazggA
Vierzehntens. Wir haben neue Partner gewonnen. Wiraben die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorgani-ationen als wichtige Partner verstärkt; das geht in derffentlichen Diskussion manchmal unter. Die Mittel fürie Unterstützung der wunderbaren Arbeit der Nichtre-ierungsorganisationen haben wir von 1998 bis heutem 20 Prozent erhöht. Das ist eine Anerkennung der Ar-eit dieser Nichtregierungsorganisationen, die aus unse-er Sicht ein Partner bei der gerechten Gestaltung derlobalisierung sind.
Fünfzehntens. Wir haben die Entwicklungszusam-enarbeit mit der Wirtschaft begonnen. Für Public-Pri-ate-Partnership-Projekte wurden von 1999 bis 2004nsgesamt 8,2 Milliarden Euro aufgebracht. Zwei Drittelieser Gelder sind private Gelder, ein Drittel öffentliche.ir haben also mit 1 Euro öffentlicher Gelder 2 Eurorivate Gelder mobilisiert. Ich bin dankbar für diese Ini-iativen, die wir ausweiten und fortsetzen werden.
Aus allem, was ich bisher gesagt habe, ergibt sich,ass die Aufgaben weiter bestehen und die Arbeiten fort-esetzt werden müssen. Wir haben uns für dieses Jahrnd bei den langfristigen Aufgaben auch für die kom-enden Jahre viel vorgenommen. Es geht darum,ntwicklungspolitik aus einem Guss durch Reformenei den deutschen Institutionen weiter voranzubringen,en Stufenplan für die Steigerung der Entwicklungszu-ammenarbeit praktisch umzusetzen, die Millenniums-ntwicklungsziele zu erreichen, die Runde der Welthan-elsorganisation zu einem konkreten Ergebnis für dientwicklungsländer zu führen, innovative Finanzie-ungsinstrumente voranzubringen, die Aidsbekämpfunguszubauen und die Aussöhnung mit Namibia fortzuset-en.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass esanz viel zu tun gibt und dass die Probleme in der Welt,erade was die globale Armut anlangt, belastend sind.ber wir haben Erfolge erreicht. Wir konnten allerdings
Metadaten/Kopzeile:
17380 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeulnur deshalb so erfolgreich sein, weil wir die Entwick-lungspolitik ernst nehmen. Das zeigt sich am glaubwür-digsten darin, dass das BMZ ein eigenständiges Ministe-rium ist. Darum werden wir weltweit beneidet.
Für uns ist klar: Entwicklungspolitik ist zu wichtig,als dass sie den Interessen anderer untergeordnet werdendürfte. Deshalb stehen wir für die Eigenständigkeit desMinisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung. Das haben wir in unserem SPD-Manifestauch deutlich verankert.Wir werden gemeinsam die Aufgaben der globalenArmutsbekämpfung, der gerechten Gestaltung der Glo-balisierung und der Friedenssicherung voranbringen. Ichbedanke mich bei allen, die dabei mitgeholfen haben undauch in Zukunft mithelfen wollen.Danke sehr.
Das Wort hat nun der Kollege Arnold Vaatz, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Mi-nisterin, das hörte sich ja bereits sehr stark nach einerAbschlussbilanz an.
Ich habe nicht die Absicht, Ihre lobenden Worte überIhre eigene Arbeit allzu sehr zu verwässern.
Ich möchte aber einen Punkt ansprechen, der meines Er-achtens für die Zukunft der deutschen Entwicklungszu-sammenarbeit von überragender Bedeutung ist. Wir wer-den in der nächsten Zeit vor enorme Herausforderungengestellt sein. Allein das Erreichen der Millenniumszielefordert unserem Haushalt enorme Aufwendungen ab. Esist fraglich, ob die von Ihnen genannten 15 Punkte tat-sächlich hinreichend sind, um gegenüber anderen politi-schen Disziplinen zu begründen, warum wir so viel Geldfür die Entwicklungszusammenarbeit und die Armutsbe-kämpfung brauchen. Das ist meines Erachtens einewichtige Frage.
tzwdzgAsdiAimZDddwdddwlWldAbSmPSg5hsdpdvsBEsmsrae
Wir müssen in Deutschland dafür sorgen, dass sicheispielsweise ALG-II-Empfänger oder arbeitsunfähigeozialhilfeempfänger mit unserer Entwicklungszusam-enarbeit identifizieren können, dass auch sie unsereolitik als eigenes Anliegen betrachten. Das ist diechwierigkeit in der nächsten Zeit; denn wir haben au-enblicklich ein strukturelles Staatsdefizit in Höhe von0 Milliarden Euro. Angesichts dessen ist das, was bis-er zur Begründung einer konsistenten Entwicklungszu-ammenarbeit angeführt worden ist, unzureichend.
Das beginnt im Übrigen bei einfachen Sachen; aucharauf muss man einmal hinweisen. Die entwicklungs-olitische Community hat sich eine Sprache angewöhnt,ie der Mann auf der Straße gelegentlich gar nicht mehrersteht. Wir müssen von dieser blutleeren Designer-prache unbedingt wegkommen und stattdessen mit denürgern über die Möglichkeiten und die Grenzen vonntwicklungszusammenarbeit wesentlich klarer und ver-tändlicher reden. Auch in dieser Hinsicht haben wireines Erachtens Nachholbedarf.Ich möchte noch einmal auf das Thema Afrika zuprechen kommen. Frau Wieczorek-Zeul, Sie sind da-auf besonders eingegangen; unter anderem haben Sieuf die Situation in Simbabwe hingewiesen. Ich möchtetwas hinzufügen. Für die Entwicklungspolitik ist, was
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17381
)
)
Arnold VaatzSimbabwe angeht, eigentlich Folgendes am relevantes-ten: In dieses Land ist aus Deutschland seit 1980 nahezu1 Milliarde Euro geflossen.
Wir müssen erleben, dass die dortige Regierung dieseEntwicklungshilfe
seit etwa fünf Jahren mutwillig und provokativ in denSand setzt. Nun stellt sich die Frage: Wie geht man da-mit um? Frau Wieczorek-Zeul, Sie haben gesagt: Unterdiesen Umständen beenden wir die Zusammenarbeit; wirfordern eine Veränderung der politischen Rahmenbedin-gungen. Sie haben also die richtigen Schlussfolgerungengezogen.Was ich allerdings nicht verstehe, FrauWieczorek-Zeul, ist, dass Sie gleichzeitig eine Studie inAuftrag gegeben haben. Diese Studie ist im Ministeriumim Mai ergänzt worden. Den Tenor dieser Studie enthältein 50-seitiger Bericht mit dem Titel: „Exploration vonMöglichkeiten der Entwicklungspolitik zum Umgangmit dem ‚difficult partner‘ Simbabwe“. Man kann imÜbrigen nicht mehr „schwieriger Partner“ sagen; esmuss „difficult“ heißen. Dieser Tenor besagt, dass eskeine ausformulierte entwicklungspolitische Strategiegegenüber Simbabwe gibt. Diese Studie rät zu pragmati-schen Ansätzen, zu einem graduellen Umsteuern des bis-her verfolgten Kurses und zur Strategie des Wandelsdurch Annäherung.
Dazu kann ich nur sagen: Das ist genau der falscheWeg. Ich halte es für wichtig, die Kernfragen dieses The-mas schnörkellos zur Sprache zu bringen. Das bedeuteteben nicht Wandel durch Annäherung oder Kapitulationvor Autokraten, sondern zum Beispiel, die Nachbarstaa-ten aufzufordern, nicht länger stillzuhalten und sichnicht dem Verdacht auszusetzen,
am Ende auch in anderen Ländern für dieselben gefährli-chen Verhältnisse wie die, die augenblicklich nur in Sim-babwe zu beobachten sind, verantwortlich zu sein. Auchin denjenigen Regionen, wo gleichermaßen instabileVerhältnisse vorherrschen, kann jederzeit das passieren,was in Simbabwe eingetreten ist – dort wurde 1 Mil-liarde Euro in den Sand gesetzt –, wenn die dortigen Re-gierungen erklären, dass sie das, was in Simbabwe pas-siert, für normal halten.
Herr Kollege!
g
r
S
e
g
F
d
t
3
s
M
z
B
H
r
i
r
g
m
d
a
K
d
s
t
L
m
w
V
w
D
t
e
d
d
b
w
w
E
z
iele Handgelenke bekommen ein weißes Band; dasird auch zumindest bei drei Fraktionen zu sehen sein.as Brandenburger Tor, die Gedächtniskirche und wei-ere berühmte Bauwerke überall in der Welt bekommenin großes weißes Band. Übermorgen gibt es rund umen Globus Konzerte: Das geht von Pink Floyd in Lon-on, Deep Purple in Philadelphia,
is zu Green Day und den Toten Hosen in Berlin. Miteißen Bändern, mit Postkarten, mit viel Musik: eineeltweite Demonstration für größere Anstrengungen zurrreichung der Millenniumsziele.Ich finde es sehr gut, dass es bei dem Live-Aid-Kon-ert diesmal nicht wie beim ersten Mal allein um das
Metadaten/Kopzeile:
17382 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Thilo HoppeSammeln von Spenden geht. Unter dem Motto „DeineStimme gegen Armut“ wird weltweit – in Deutschlandvon VENRO, dem Dachverband der NGOs in der Ent-wicklungsszene – zu einem entwicklungspolitischenDreiklang aufgerufen. Es geht erstens um mehr Mittelfür die Entwicklungszusammenarbeit, es geht zweitensum Entschuldung, und zwar Entschuldung, die nochüber das hinausgeht, was bei der G-8-Finanzminister-konferenz beschlossen wurde, und es geht drittens– ganz wichtig – um mehr Gerechtigkeit; damit sind Re-formen gemeint, Reformen im Welthandel und vor allemauch Reformen in den Entwicklungsländern selbst.Wir Grüne begrüßen die Live-Aid-Konzerte. Wir be-grüßen die Aktionen am White Band Day und schließenuns ausdrücklich diesen drei politischen Forderungen an.
Dieser entwicklungspolitische Dreiklang – mehr Ent-wicklungszusammenarbeit, mehr Entschuldung undmehr Gerechtigkeit durch umfassende Reformen –durchzieht den Antrag, den wir gemeinsam mit der SPDzur heutigen Sitzung vorgelegt haben und beschließenwerden.Wir befinden uns, wie Kofi Annan sagt, in einemSchicksalsjahr der Vereinten Nationen. Drei große wich-tige Konferenzen stehen an: in wenigen Tagen der G-8-Gipfel in Gleneagles, im September die Sondergeneral-versammlung der Vereinten Nationen und Ende des Jah-res die Welthandelskonferenz in Hongkong.Es ist eine wirklich historische Herausforderung. Ent-weder es gelingt, auf dem Weg zur Erreichung der Mil-lenniumsziele jetzt wirklich noch einmal alle Kräfte zumobilisieren, kräftig zuzulegen und beherzte Reformenanzupacken, oder es gelingt nicht; dann erweist sich dieinternationale Gemeinschaft als unfähig, die Zahl derHungernden und extrem Armen bis 2015 zu halbieren,die Ausbreitung von Aids zu stoppen und die globaleUmweltzerstörung einzudämmen. Dann drohen Frustund Enttäuschung in Wut umzuschlagen. Dann nehmendie Spannungen weltweit zu und der Raubbau an der Na-tur führt zu einem Kampf um die knapper werdendenRessourcen.Auch Kofi Annan hat in seinem Bericht den entwick-lungspolitischen Dreiklang benannt, auf dem unser Antragaufbaut. Der Generalsekretär folgt in seinen Empfehlungender Einschätzung nahezu aller Entwicklungsexperten, näm-lich dass die Mittel für die weltweite Entwicklungszu-sammenarbeit in relativ kurzer Zeit mindestens verdop-pelt werden müssen, wenn die Millenniumsziele bis2015 wirklich erreicht werden sollen, dass wir eine um-fassende Entschuldung brauchen und dass es nicht zu-letzt auf Reformen ankommt, und zwar auf Reformen,die auf mehr Gerechtigkeit und Effizienz zielen – in derEntwicklungszusammenarbeit, in den Entwicklungslän-dern selbst und im Welthandelssystem.All das wird in unserem Antrag entfaltet und konkre-tisiert: Erhöhung der ODA-Quote auf 0,51 Prozent bis2010 und auf 0,7 Prozent bis 2015. Dazu hat sich dieseRegierung verpflichtet. Mit der konkreten Erhöhung desEAgmWstsuSdnlnRaszfzGfzavdczd–WWdüUdwWe
Der Stufenplan zur Erreichung des 0,7-Prozent-Zielsuss nun strikt eingehalten werden.
ir sagen auch, woher das Geld kommen soll: Um-chichtungen im Haushalt, Ausweitung des Gewährleis-ungsrahmens für KfW-Kredite, Subventionsabbau, be-onders bei den Exportsubventionen im Agrarbereich,
nd schließlich innovative Finanzierungsinstrumente;tichworte: Kerosinsteuer und Tobin Tax.Wir bekennen uns zur Entschuldung des Südens, aner kein Weg vorbeigeht, und wir stehen für Reformpart-erschaften mit den Entwicklungsländern, für einen Dia-og auf gleicher Augenhöhe mit reformorientierten Part-ern zum Beispiel im Rahmen der NEPAD-Initiative. Imahmen unserer Entwicklungszusammenarbeit werdenfrikanische Staaten darin unterstützt, funktionierendetaatliche Institutionen aufzubauen, ein solidarisches, so-ial gestaffeltes Steuersystem einzuführen und Landre-ormen durchzuführen. All das sind wichtige Vorausset-ungen dafür, dass zusätzlich zur Verfügung gestellteelder für Entwicklungszusammenarbeit nicht verpuf-en, sondern nachhaltig der Erreichung der Millenniums-iele dienen. Natürlich geht es auch um mehr Fairnessuf dem Weltmarkt.Liebe Kollegen von der Opposition, ganz besonderson der FDP, bitte konstruieren Sie hier nicht einen Wi-erspruch zwischen Quantität und Qualität! Wir brau-hen wirklich beides: mehr Geld für die Entwicklungs-usammenarbeit und Reformen, die zu mehr Effizienz iner konkreten Entwicklungszusammenarbeit führen.
Das brauchen wir gleichzeitig.
ir dürfen nicht das eine gegen das andere ausspielen.er bestreitet, dass mehr Geld für die Ärmsten notwen-ig ist, und gleichzeitig die Entschuldung für falsch undberflüssig hält, der folgt einer „Geiz ist geil“-Logik.nd das ist angesichts der enormen globalen Herausfor-erungen brandgefährlich. Eine „Geiz ist geil“-Politikürde uns über kurz oder lang alle ärmer machen.
as wir brauchen, ist Großzügigkeit und vor allemrnsthaftes, konsequentes und beharrliches Streben nach
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17383
)
)
Thilo HoppeGerechtigkeit. Dafür lassen Sie uns heute stimmen undmorgen demonstrieren und übermorgen auf den Konzer-ten vielleicht auch gemeinsam singen.Danke schön.
Zu einer Kurzintervention erhält das Wort die Abge-
ordnete Wieczorek-Zeul.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will ausdrück-
lich noch einmal das betonen – Herr Vaatz sprach das ja
an –, was ich vorhin gesagt habe. Die Linie unseres Mi-
nisteriums ist, dazu beizutragen, dass keinerlei staatliche
Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Simbabwe ge-
leistet wird. Diese Haltung vertreten wir auch innerhalb
der Gebergemeinschaft.
Ich lege darauf Wert, dass es unsere Regierung gewe-
sen ist, die seit Jahren die offizielle Entwicklungszusam-
menarbeit gegenüber Mugabe und Simbabwe gestoppt
hat.
Die Zahlen, die Sie genannt haben – es ist wichtig, das
noch einmal zu betonen –, beziehen sich jedenfalls
mehrheitlich auf Jahre, in denen CDU/CSU und FDP re-
gierten.
Ich will auch darauf hinweisen, dass wir kirchliche
Initiativen, Nichtregierungsorganisationen und das Zur-
Verfügung-Stellen von Nahrungsmittelhilfen unterstüt-
zen. Diese Linie vertrete ich; diese Linie vertritt mein
Haus. Ich glaube, dass jeder – dabei ist es egal, welche
Positionen die CDU/CSU oder die FDP früher in diesen
Fragen vertraten – diese mit vertreten kann. In dieser
Frage sollten wir also gemeinsam diese Position vertre-
ten.
Zur Erwiderung Herr Kollege Vaatz.
Frau Ministerin, wir sind in dem Punkt überhaupt
nicht auseinander, dass demokratische Parteien gegen-
über solchen Regimes so viel wie möglich zusammen-
wirken sollten. Das ist überhaupt keine Frage. Meine
Anmerkung bezog sich auf etwas anderes. Ich wollte le-
diglich hervorheben, dass wir sprechfähig sein müssen,
wenn wir Kontinuität von Entwicklungszusammenarbeit
erreichen wollen.
Im Übrigen möchte ich noch zu Ihrer Eingangsbemer-
kung sagen, dass es jeder Regierung widerfahren kann,
dass sich die Verhältnisse in einem Land, in dem sie Ent-
wicklungshilfe leistet, später ändern.
Ich höre es ebenfalls mit Interesse, dass Sie, wie Sie
sagten, dort hauptsächlich Nichtregierungsorganisation,
K
a
d
g
l
f
h
D
R
I
g
R
g
e
V
s
S
n
D
a
L
K
b
m
a
d
t
t
A
m
M
A
t
M
k
z
ch bedauere, feststellen zu müssen, dass somit die darin
emachten Vorschläge kontraproduktiv sind.
Ich habe ferner erfahren, dass gerade in dieser Zeit ein
eferent Ihres Hauses – ich glaube, gestern ist er wieder-
ekommen – Simbabwe besucht hat. Im Allgemeinen ist
s ja so, dass sich offizielle Vertreter der Verwaltung mit
ertretern von Regierungsstellen treffen. Mich würde
chon interessieren, ob er dort die Empfehlungen dieser
tudie befolgt hat, ob er die Politik „Wandel durch An-
äherung“ betrieben hat oder ob er unsere Position als
emokraten zu solchen Dingen klar gemacht und daran
uch keinen Zweifel gelassen hat.
Vielen Dank.
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Markus
öning für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Ministerin, Sie ha-en eine Schlussbilanz Ihrer Amtszeit gezogen. Ichöchte zwei Dinge erwähnen, die ich an Ihrer Arbeitusdrücklich anerkenne. Das ist zum einen die Entschul-igung, die Sie in Namibia gegenüber den Herero vorge-ragen haben. Das fand ich einen persönlich und poli-isch mutigen und richtigen Schritt. Dafür gebührt Ihnennerkennung.
Der zweite Punkt betrifft den Sudan. In meinen Danköchte ich ausdrücklich auch die Staatsministerinüller einschließen. Sie haben Ihre Bekanntheit und Ihrmt genutzt, um das Augenmerk der Welt auf humani-äre Katastrophen zu richten. Das ist Ihre Aufgabe alsinisterin; aber ich möchte trotzdem ausdrücklich aner-ennen, dass Sie das getan haben.
Darüber hinaus gibt es aber leider nicht sehr viel an-uerkennen.
Metadaten/Kopzeile:
17384 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Markus LöningDas hat auch Ihre Rede hier wieder deutlich gemacht;das muss man leider sagen. Sie verwechseln Armutsbe-kämpfung durch Wohlstandsmehrung, durch die Ent-wicklung von Marktwirtschaft mit einer Weltsozialpoli-tik. Das ist es, was Sie die letzten Jahre getrieben habenund was Sie Weltstrukturpolitik nennen. Sie planennichts anderes als eine Umverteilung aus den reichenLändern des Nordens in die armen Länder des Südens.Das reicht nicht.Wenn wir Armut bekämpfen wollen, dann müssen wirden Weg gehen, der sich als erfolgreich erwiesen hat. Inden Ländern, die erfolgreich gewesen sind, gab es immerdasselbe Strickmuster: Die Entwicklung der Kräfte vorOrt, die Entwicklung der Marktwirtschaft, die schritt-weise Integration in die Weltmärkte – das ist es, was er-folgreich gewesen ist, und eben nicht die sinnlose Ent-schuldung oder das sinnlose Verteilen von Geld.
Ich sage das ausdrücklich vor dem Hintergrund derjetzt geplanten Entschuldung. Frau Ministerin, Sie ha-ben in einer ersten Runde verschiedene Länder entschul-det: Bolivien, Burkina Faso, Mosambik und andere. Allediese Länder sind jetzt höher verschuldet, als sie es vor-her gewesen sind. Ich verstehe nicht, warum Sie da nichtdie Notbremse ziehen, sondern einfach weitermachenauf diesem Weg, der ganz offensichtlich falsch ist.
Es ist anzuerkennen, wenn sich in Ruanda und Tansaniadie Situation in einzelnen Bereichen verbessert hat. Aberman kann doch nicht die Augen vor der Tatsache ver-schließen, dass diese Länder jetzt mehr Schulden aufge-nommen haben, als sie zum Zeitpunkt ihrer Entschul-dung durch uns hatten!Ich verstehe es nicht, wenn die Bundesregierung aufdem G-8-Gipfel dem britischen Vorschlag zur Entschul-dung folgen will. Ich verstehe es nicht, wenn man einLand wie Ruanda, das im Nachbarland Ostkongo einenKrieg anfacht, entschuldet, Frau Ministerin. Ich verstehees nicht, wenn Sie hier so tun, als hätten Sie immer nurmit gut regierten Ländern zusammengearbeitet. Das istmitnichten der Fall. Ihr hoher moralischer Anspruch andieser Stelle ist gescheitert.
Ähnliches gilt, wenn Sie hier mehr Geld für die Ent-wicklungshilfe einfordern. Ich wünschte mir, Sie würdenendlich einmal den Ländern die Entwicklungshilfe strei-chen, die ihre Schulden jetzt vorzeitig zurückzahlen wol-len. Warum bekommt Nigeria weiterhin Entwicklungs-hilfe, wenn Nigeria selbst sagt, es sei in der Lage,30 Milliarden US-Dollar vor Fälligkeit zurückzuzahlen?Warum bekommt solch ein Land weiterhin deutsche Ent-wicklungshilfe?
ZfmuEmIZSwdPuLipwdkhelEssAszPdSMesn
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Bemerkungachen. Ich hätte mir gewünscht, dass – das habe ich inhrer Amtszeit am stärksten vermisst, Frau Wieczorek-eul – Sie mehr dem Weg gefolgt wären, den Ihretaatssekretärin ab und zu, so auch in den letzten Tagenieder in der Zeitung, sehr gut aufgezeigt hat. Wo bleibtas Einfordern der Verantwortung der afrikanischenartner, die nicht verantwortungsvoll mit unserem Geldmgehen und die sich nicht verantwortungsvoll um ihreänder und um ihre Bürger kümmern? Frau Ministerin,ch habe sehr vermisst, dass Sie sich hier entsprechendositionieren und dies deutlicher einfordern. Stattdessenird die Entwicklungszusammenarbeit mit diesen Län-ern fortgesetzt, stattdessen werden sie entschuldet. Dasann nicht der richtige Weg sein.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Größe gehabtätten, das zu tun, was der Bundeskanzler getan hat, alsr Neuwahlen in Aussicht gestellt hat. Er hat damit deut-ich gemacht, dass er gescheitert ist. Das gilt auch für dientwicklungspolitik dieser Bundesregierung.Vielen Dank.
Ich muss darauf aufmerksam machen, dass ich Zwi-
chenfragen nach Ablauf der Redezeit schwerlich zulas-
en kann. Das gilt auch für den Fall, dass sie kurz vor
blauf der Redezeit angemeldet werden. Jeder kann für
ich die Frage schlüssig beantworten, auf welche Rede-
eiten wir im Hause kämen, wenn sich die amtierenden
räsidenten dazu hinreißen ließen, auch nach Abschluss
er Redezeit noch Zwischenfragen zuzulassen.
Nächster Redner ist der Kollege Detlef Dzembritzki,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Redezeit reicht im Grunde genommen nur fürine Kurzintervention.Lieber Markus Löning, was Sie gesagt haben, warchon hart. Es ist bedenklich, wenn der Versuch unter-ommen wird, auf billige und populistische Weise den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17385
)
)
Detlef DzembritzkiEindruck zu erwecken, als wenn die finanziellen Pro-bleme unseres Landes im direkten Zusammenhang mitder weltweiten Entwicklungszusammenarbeit stehenwürden.
So hoch die materiellen Herausforderungen sind, diewir mit den Millenniumszielen eingegangen sind, sohoch sind auch die ideellen Herausforderungen. Wirmüssen nämlich in unserer Bevölkerung ein Bewusstseinfür die notwendige Verantwortung, die wir in dieser Welttragen, heranbilden.
Ihre Rede und Ihre Argumentation – ich gebe zu, dassIhre Redezeit nur sehr kurz war – lassen jegliche Diffe-renzierung vermissen. Sie sind überhaupt nicht bereit,zur Kenntnis zu nehmen, dass die Strukturveränderun-gen gerade im Bereich der wirtschaftlichen Zusam-menarbeit maßgeblich dazu beigetragen haben, dass dieEffektivität dieser Zusammenarbeit größer geworden ist.Ich möchte auch noch kurz auf eine Bemerkung vonHerrn Vaatz eingehen. Herr Kollege, Sie müssen sicheinmal das Vergnügen machen, Ihre Rede nachzulesen.
Mich hat Folgendes amüsiert: Auf der einen Seite spre-chen Sie zum Beispiel von der Community und von derDesignersprache. Auf der anderen Seite beklagen Siesich, dass uns die Öffentlichkeit nicht mehr versteht.
– Ich wollte ihn provozieren, eine Antwort zu geben, in-dem ich diese Widersprüchlichkeit aufzeige.Sie zitieren ferner Studien über Simbabwe. Sie nen-nen aber die Quelle nicht. Damit erwecken Sie den Ein-druck, dass diese Studien von der Regierung oder vonder Koalition stammen. Diese Darstellung hilft uns inder Diskussion überhaupt nicht weiter.
Anscheinend wollen Sie den Eindruck erwecken, dasswir nicht entschieden genug das gemeinsame Projektvon uns Parlamentariern unterstützen, mit dem wir dieoppositionellen Kräfte in Simbabwe stärken wollen, diedie Demokratie retten, die Humanität durchsetzen wol-len und die unserer Unterstützung bedürfen.Wir waren doch gemeinsam der festen Überzeugung– das ist nur ein Beispiel –, dass wir unsere Stiftung un-terstützen müssen, die versucht, sich in einer schwieri-gen Situation vor Ort zu behaupten. Ich finde es schäbig,wenn der Eindruck erweckt wird, als fühle sich die Re-gierung dafür nicht verantwortlich. Wir müssen der Ver-antwortung, die wir haben, gerecht werden.Vielen Dank.
adRWHlmssufslrabVTmgsdOpsvdszwnwrZzngIdvsgS
Nun erteile ich dem Kollegen Christian Ruck das
ort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Zunächst in der vermutlich letzten entwick-ungspolitischen Debatte in dieser Legislaturperiodeeinen herzlichen Dank für die gute und kollegiale Zu-ammenarbeit im AWZ und die vielen kompetenten Rat-chläge, die wir von den Durchführungsorganisationennd sogar aus dem BMZ erhalten haben, und alles Guteür alle diejenigen, die freiwillig oder unfreiwillig aus-cheiden und vielleicht mit uns in Kontakt bleiben wol-en!Die entwicklungspolitische Bilanz der Bundesregie-ung – da teile ich das, was Herr Löning gesagt hat – fälltllerdings weniger freundlich aus. Rot-Grün hat vor sie-en Jahren die entwicklungspolitische Bilanz mit großenersprechen eröffnet und hohe Erwartungen geweckt.rotz der Selbstbeweihräucherung der Ministerin mussan nach sieben Jahren konstatieren, dass es sieben ma-ere Jahre für die Entwicklungspolitik waren, dass Ver-prechen gebrochen und Erwartungen enttäuscht wur-en.Finanziell ging es bergab und nicht bergauf. DieDA-Quote kann nur noch durch die Entschuldungs-olitik eingehalten werden. Aber auch die Entschuldungteht vor ihrem Scheitern; da gebe ich Herrn Löningollkommen Recht. Die Entschuldungspolitik gegenüberem Irak ist nichts anderes als ein entwicklungspoliti-cher Etikettenschwindel.
Da Sie von Ihrem Stufenplan, das 0,7-Prozent-Zielu erreichen, gesprochen haben, sage ich Ihnen: Auchir halten an dem Ziel fest, 0,7 Prozent des Bruttonatio-aleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Aberie Sie mit Ihrem Stufenplan umgehen, ist nichts ande-es als das Ausstellen eines ungedeckten Schecks auf dieukunft und Ihre Nachfolger. Der einzig seriöse Finan-ierungsvorschlag, zumindest 0,33 Prozent des Brutto-ationaleinkommens für die Entwicklungspolitik auszu-eben, kommt von uns. Diesen hätten Sie sich ruhig anhre Fahnen heften können.Die deutsche bilaterale EZ befindet sich am Randeer Handlungsunfähigkeit. Die Konzentration, die Sieornehmen wollten, ist misslungen, und zwar sowohlektoral als auch regional. Sie haben neue Themen ein-eführt; das ist im Prinzip richtig. Aber Sie habenchlüsselsektoren der Armutsbekämpfung, wie zum
Metadaten/Kopzeile:
17386 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Christian RuckBeispiel die ländliche Entwicklung, Bildung und Ausbil-dung sowie den Ressourcenschutz, in den Keller gefah-ren. Frau Ministerin, ich finde es sehr traurig, dass Siedie überfraktionellen, einstimmig angenommenen An-träge des AWZ, die an Sie herangetragen wurden, so ab-tropfen ließen, als ginge Sie das alles nichts an.
Auch konzeptionell sind Sie nicht weitergekommen.Es gibt nach wie vor kein Islamkonzept. Es gibt nachwie vor kein schlüssiges Konzept zu Lateinamerika undauch in Afrika – das haben wir heute gehört – treten wirauf der Stelle. Die Arbeitsteilung zwischen dem BMZ,den Durchführungsorganisationen, Stiftungen und Kir-chen ist verbesserungswürdig. Das gilt noch viel mehrfür die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts. AlleRessorts haben ihre internationale Abteilung hochgefah-ren; aber die Zusammenarbeit zwischen diesen Abteilun-gen war noch nie so schlecht wie unter Ihrer Regierung.
Das schadet vor allem dem BMZ.Im Hinblick auf den Welthandel haben Sie einedurchaus richtige Initiative gestartet: die Baumwollini-tiative. Die Wahrheit ist aber, dass die Karawane weiter-gezogen ist und Sie bis jetzt nichts Substanzielles für dieArmen erreicht haben. Es geht ja nicht nur um die Län-der, sondern um die Armen in den Ländern. Da ist bishernichts Substanzielles rübergekommen.Wir bedauern besonders, dass Sie bereit sind, dieFlaggschiffe der deutschen Entwicklungspolitik, näm-lich die finanzielle Zusammenarbeit und die techni-sche Zusammenarbeit, auf dem Altar des Internationa-lismus zu opfern. Das ist in weiten Teilen verlorenesGeld. Die internationale Szene ist zersplittert. Die EU-Entwicklungspolitik ist zum Teil peinlich und die UNsind kraftlos; das geht auch aus der Anfrage unserer Kol-legin Conny Mayer hervor. Auch hier sind Sie keinenSchritt weitergekommen.
Meine Damen und Herren von der Koalition, vor die-sem Hintergrund ist Ihr Antrag zu den Millennium-De-velopment-Zielen nicht zielführend. Es geht vieles in diefalsche Richtung, zum Beispiel die Budgetfinanzierung,die Sie plötzlich massiv fordern. Viele Schlüsselfragen,zum Beispiel die Eigenverantwortung der Empfänger,sind nicht angesprochen worden. Das gilt auch fürAfrika. Afrika ist ein reicher Kontinent: reich an Boden-schätzen, reich an menschlichen Talenten, aber leiderarm an Good Governance.
Die fehlende Eigenverantwortung ist der eigentlicheGrund, warum Afrika nicht vorankommt.zsmdzsazBs–DdzllZeishzlaaszdldlWsS
Sie fragen auch gar nicht mehr nach dem Umset-ungsplan für die MDGs, der uns seit drei Jahren ver-prochen wurde. Es ist klar: Auch Sie rechnen nichtehr mit diesem Umsetzungsplan; denn nur 1 Prozenter Ressourcen des BMZ werden für diesen Umset-ungsplan verwandt. Wir haben es hier mit potemkin-chen Dörfern zu tun.Wir wollen uns im Falle eines Regierungswechselsuf die Schlüsselsektoren konzentrieren. Wir wollenwischen Good Governance – mit einem Zuschlag – undad Governance – wo wir uns neue Dinge einfallen las-en müssen – unterscheiden.
Stellen Sie mir eine Zwischenfrage, Frau Kortmann!afür wäre ich Ihnen sehr dankbar. Dann kann ich Ihnenas erklären.
Wir wollen eine klare internationale Arbeitsteilung,um Beispiel auch mit der EU. Wir wollen eine lücken-ose Verzahnung von Außen-, Sicherheits- und Entwick-ungspolitik.Wir wollen in Krisen viel schneller reagieren können.um Beispiel hat es fünf Monate vom Tsunami bis zurrsten Haushaltsvorlage für Aufbauarbeit gedauert. Dasst doch einfach antiquiert. Da kann man nicht davonprechen, eine erfolgreiche Tsunamipolitik gemacht zuaben.Wir wollen auch eine strategische Zusammenarbeitwischen Außen- und Entwicklungspolitik. Entwick-ungspolitik ist jedenfalls für uns wichtiger als je zuvor:us christlicher Verantwortung, als Gefahrenabwehr,ber auch zur Stärkung unserer Position und unseres An-ehens in der Welt, auch zur Sicherung von Arbeitsplät-en. Der Erfolg wird sich nur dann einstellen, auch fürie MDGs, wenn wir Eigenverantwortung besser stimu-ieren, wenn wir negative politische Strukturen überwin-en, –
Herr Kollege!
– wenn wir das internationale Chaos in der Entwick-
ungspolitik endlich ordnen. Sie sind daran gescheitert.
ir wollen und werden für einen neuen Aufschwung
orgen.
Danke.
Das Wort erhält nun die Kollegin Karin Kortmann,PD-Fraktion.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17387
)
)
Sehr geehrter Herr Präsident! Lieber Herr Ruck, Siesind immer wieder für Überraschungen gut. Wir habenfünf Jahre gewartet, bis Sie sich in irgendeiner Form zuden von den Vereinten Nationen verabschiedeten Millen-niumszielen äußern. Fünf Jahre haben Sie für Ihren Planbenötigt. Heute legen Sie einen Antrag vor, in dem Siezum ersten Mal zu den MDGs Stellung beziehen.
Ein Fünfjahresplan – ich gratuliere Ihnen dazu, dass Siees geschafft haben.
Nächster Punkt: Ich mache mir Sorgen darüber, dassSie glauben, in diesem Schneckentempo regieren zukönnen.
Dann können wir nicht bis zum Jahre 2015 die Bilanzüber die MDGs erstellen, sondern dann werden wir unswahrscheinlich erst im nächsten Jahrhundert wieder tref-fen,
um zu gucken, ob Sie endlich zu Papieren gekommensind.
Den Antrag zu lesen, kann ich nur jedem empfehlen.Zunächst schreiben Sie über eine Seite den Sachs-Be-richt ab, um dann zu sagen, wir müssten stärker auf denBereich Good Governance Acht geben. Wunderbar! Ichunterstütze alles, was in Ihrem Antrag steht.
Erstaunlich ist nur, dass Sie dazu ganze Textbausteineaus dem „BMZ-Spezial“ abschreiben, das die Ministerinverabschiedet hat.
– Es macht mir echt Freude. Leider habe ich heute nichtso viel Zeit. Es war nicht umgekehrt. Sie sind seit 1998im BMZ nicht mehr federführend. Sie müssen nach-schauen, wann das Ganze veröffentlicht worden ist.
Dann kommen wir auf andere Zeiten. Geben Sie ruhigzu, dass Ihre Referenten nicht ganz so sauber arbeitenund sich gerne dieser Papiere bedienen!Ct–RzrBFdksjIseaSDvsr–kb1öAdmwpuddu
Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, Herruck, stehen Sie bitte auf! Das verlängert meine Rede-eit.
Es ist in Ordnung, wenn Sie sich dieser Geschäftsfüh-er bedienen, keine Frage.
edenklich wird es nur, wenn Sie nach Cadenabbia inserienhäuschen von Konrad Adenauer fahren und dannabei nicht mehr herauskommt als „man müsste“, „manönnte“, „man sollte“, wenn also kein konkreter Vor-chlag da ist, den Sie als Schattenminister – so sind Siea vorletzte Woche betitelt worden – umsetzen wollen.
ch habe Ihnen in der vorletzten Woche gesagt: Es istchlecht, Schattenminister zu sein; denn die Sonne gehtinmal unter und dann ist kein Schatten mehr da unduch kein Minister.
Gestern Abend haben Sie, Herr Ruck, etwas vielchöneres gesagt: Sie seien der Tarzan des Bundestages.
as fand ich viel angemessener. Denn wenn man sichon einer Liane zur anderen schwingt, verliert manchnell die Bodenhaftung. Das scheint mir im EZ-Be-eich der Fall zu sein.
Jetzt komme ich auf einen ernsten Punkt zu sprechen man kann sich zwar auf diese Weise unterhalten, manann es aber auch lassen –: Wir alle wissen, dass die De-atte über den multilateralen Schuldenerlass im Jahre999 in Köln von Bundeskanzler Gerhard Schröder er-ffnet worden ist. In der Tat können wir uns über vielespekte unterhalten, die nicht ordnungsgemäß bzw. an-ers als von uns geplant verlaufen sind. Aber nennen Sieir einmal allen Ernstes eine Alternative zu dem, wasir getan haben. Wir haben einen länderspezifischen,artizipativen und partnerschaftlichen Ansatz gewähltnd die zivilgesellschaftlichen Kräfte, diejenigen, die iner Regierungsverantwortung stehen, und diejenigen,ie parlamentarische Verantwortung haben, einbezogen,m mit ihnen gemeinsam voranzukommen.
Metadaten/Kopzeile:
17388 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Karin KortmannHerr Löning, Sie sagen, es gehe nicht, dass von denReichen zu den Armen umverteilt wird. Natürlich han-delt es sich um eine Verteilungspolitik, die – das ist dasachte Ziel der Millennium Development Goals – zumAufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft bei-tragen soll. Wie bitte rechtfertigen Sie, dass Sie, was dieTicketabgabe oder die Kerosinsteuer betrifft, nach wievor behaupten, es sei nicht zu verantworten, dass 3 oder5 Euro pro Ticket für die Entwicklungszusammenarbeitausgegeben werden?
– Nein.
– Nein, das war ein Rechenbeispiel. Wir gehen von3 oder 5 Euro aus. Sie haben gesagt, das sei nicht verant-wortbar. Damit negieren Sie die MDGs. Ich gebe Ihnengerne diese Karte mit, damit Sie das zu Hause nachlesenkönnen; denn unter EZ verkaufen Sie Ihren reinenMarktklientelismus, indem Sie sagen, dass große Länderwie Indien oder China, die tatsächlich Entwick-lungschancen haben, keine Entwicklungsgelder mehrbekommen dürfen.
Frau Kollegin.
Ich komme sofort zum Ende.
Wie schön.
Sie wissen, wie fragil diese Staaten sind und wie viel
Unterstützung sie brauchen. Deswegen würde ich mich
wirklich freuen, wenn Sie sich alle der Kampagne
„Deine Stimme zählt“ anschließen und wir ein großes
Netzwerk gegen Armut bilden würden. – Herr Präsident,
Ihnen überreiche ich ein weißes Band „Deine Stimme
gegen Armut“, Herrn Löning die MDGs. Ich freue mich,
dass wir auf kompetente Weise weiter regieren werden.
Was alles in diesem Hohen Hause innerhalb und au-
ßerhalb der Redezeiten möglich ist, ist immer wieder
Anlass zum Erstaunen. Ich will auch darauf hinweisen,
Frau Kollegin Kortmann, dass mir die Planstelle eines
Tarzans in einer Stellenbeschreibung des Deutschen
Bundestages bisher nicht geläufig war. Ich erwarte mit
Spannung entsprechende Initiativen zu Beginn der
nächsten Legislaturperiode.
K
u
L
F
T
r
J
s
B
v
s
I
ß
I
n
N
d
P
I
w
tu
i
W
n
v
D
d
S
L
n
e
Ä
Z
S
p
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
laus-Jürgen Hedrich für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Wenn ich das so persönlich sagen darf:iebe Karin, du hast mir eine ganz neue Facette meinesreundes Christian Ruck eröffnet. Der Frage mit demarzan sollte man noch einmal nachgehen.Die Ministerin hat zu Beginn ihrer heutigen Rede da-auf verwiesen, dass die Entwicklungspolitik in diesemahr und auch in den letzten Tagen erfreulicherweise be-ondere Aufmerksamkeit genossen hat. Wenn man zumeispiel die deutsche Presse verfolgt hat, so konnte manorgestern in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ le-en, dass Ihre Parlamentarische Staatssekretärin in einemnterview Bedenken gegen Blairs Afrikapolitik geäu-ert hat.
ch kann mich ihrer Aussage in diesem Zusammenhangur anschließen. Frau Eid hat – ich gehe davon aus: imamen der Bundesregierung – gesagt: Wenn wir alleinoppelt so viel Geld auf den Tisch legen, lösen wir dierobleme nicht.
ch glaube, das ist der entscheidende Punkt. Es gehtirklich darum, ob es uns gelingt, die politischen Struk-ren in unseren Partnerländern zu verändern.Heute empfehle ich Ihnen, einen interessanten Essayn der „Welt“ mit der Überschrift „Vom StammeaBenzi“ zu lesen, in dem auf die korrupten Strukturenicht zuletzt in Afrika – man kann sie allerdings aufiele andere Länder übertragen – hingewiesen wird.ort steht folgende nette Formulierung über die Zeit seiter Unabhängigkeit in Afrika:Im selben Moment, als der „Wind der Verände-rung“ über Afrika wehte, produzierte Mercedes denPullman 600, einen sechstürigen Riesen. Für Afri-kas Leittiere war es Liebe auf den ersten Blick.olche Dinge können Sie Tag für Tag verfolgen.Wir müssen einfach feststellen, dass es uns in vielenändern nicht gelungen ist, die politischen Strukturenachhaltig zu verändern. Wir waren zum Beispiel überine erste im Großen und Ganzen demokratische Wahl inthiopien erfreut. Aber wenn Sie die „Neue Zürchereitung“ in den letzten Tagen verfolgt haben, konntenie Überschriften lesen wie „Verhaftungswelle in Äthio-ien“ usw.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17389
)
)
Klaus-Jürgen HedrichVor diesem Hintergrund kann man in der Tat festhal-ten: Das, was Markus Löning angesprochen hat, kannich hier voll unterstreichen – ich sage das in allerDeutlichkeit –: Die Entschuldungsinitiativen waren imwahrsten Sinne des Wortes ein echter Flop.
Sie waren deshalb ein echter Flop, weil wir, internatio-nale Organisationen, besonders internationale Finanzin-stitutionen, aber auch EU und andere, nicht in der Lagewaren – das ist jetzt kein persönlicher Vorwurf an dieMinisterin oder an die Bundesregierung oder anDeutschland alleine –, dafür zu sorgen, dass die Ent-schuldung wirklich zum Nutzen der Menschen in diesenLändern erfolgte. Insbesondere waren wir nicht in derLage, zu verhindern, dass diese Länder sich wieder ver-schuldet haben,
was ausschließlich den Reichen und den Cliquen in die-sen Ländern zugute gekommen ist. Hier müssen wirdoch gemeinsam nüchtern festhalten, dass das ein Versa-gen der internationalen EZ gewesen ist.
Daraus müssen wir meines Erachtens Konsequenzenziehen. Die entscheidende Konsequenz, die ich persön-lich und die wir daraus ziehen, ist: Wir brauchen in dennächsten Jahren, ganz egal wer das Land regiert – eswäre allerdings besser, wenn wir regieren würden –,
eine Kurskorrektur in dem Sinne, dass wir uns wirk-lich darauf konzentrieren, die Strukturen in unseren Part-nerländern zu beeinflussen. In diesem Zusammenhangkommt zum Beispiel den politischen Stiftungen eineganz entscheidende Aufgabe zu. Das Deutsche Institutfür Entwicklungspolitik etwa verweist auf die ganz ent-scheidende Bedeutung der politischen Parteien. WennSie verfolgen, wie heute in Lateinamerika die institutio-nelle Demokratie zu einer so genannten partizipativenDemokratie ausgehöhlt wird – dass politische Parteienbewusst ausgeschaltet werden, dass die Rechtsstaatlich-keit ausgehöhlt wird, indem die Rechtsprechung nichtmehr gewährleistet wird –, dann können Sie feststellen,dass es im Interesse der Menschen liegen muss, dass wirdie politischen Strukturen wieder so aufbauen, dasswirklich alle Menschen an einer Entwicklung partizipie-ren können.Herr Präsident, wenn Sie das noch gestatten? – Nein?Dann darf ich aber noch eine Schlussbemerkung ma-chen?
Wenn es schnell geht.
Gut. Bei den anderen waren Sie aber großzügig.
E
l
s
n
v
g
l
g
S
t
M
D
R
z
k
s
d
O
d
m
R
s
w
e
S
m
m
d
D
V
b
g
u
K
m
as zeigen ja auch die Zahlen.Ich halte es nun wirklich für unakzeptabel, dass dieorgängerregierung, an der Sie beteiligt waren, einenilateralen Schuldenerlass ohne Konditionen durch-eführt hat
nd Sie sich hier hinstellen und uns vorwerfen, dass wironditionen für die Entschuldung und damit zur Ar-utsbekämpfung durchgesetzt haben.
Metadaten/Kopzeile:
17390 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
Ich sage Ihnen: Das ist wirklich unakzeptabel.Nehmen Sie doch einfach zur Kenntnis: Die Ent-schuldungsinitiative wirkt,
sie holt Menschen aus der Armut, sie hilft Kindern undsie trägt dazu bei, dass weniger Kinder und Frauen ster-ben. Das ist gut und das sollten wir alle gemeinsam ver-folgen.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
auf der Drucksache 15/5831 mit dem Titel „Millen-
niums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen bis
2015 beschleunigt verwirklichen – Den deutschen Bei-
trag zur Zielerreichung entschieden verstärken“. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich der Stimme? – Der Antrag ist mit der Mehr-
heit des Hauses angenommen.
Tagesordnungspunkt 8 b. Hier geht es um die Abstim-
mung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 15/5579 mit dem Titel „Vor dem G-8-Gipfel
in Gleneagles und der VN-Generalversammlung zu den
Millenniumszielen – Millenniumsentwicklungsziele rea-
listisch umsetzen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Der
Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer
Brüderle, Dirk Niebel, Gudrun Kopp, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Vorfahrt für Arbeit – Neue Chancen für Ar-
beitsplätze und Investitionen durch weniger
Funktionärsrechte
– Drucksache 15/5458 –
Hierfür ist nach einer interfraktionellen Vereinbarung
eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die FDP fünf Mi-
nuten erhalten soll. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Rainer Brüderle für die FDP-Frak-
tion.
b
R
R
s
r
D
w
i
d
K
t
Ö
u
w
t
g
D
M
t
v
Z
D
w
u
g
f
T
t
g
D
F
d
k
l
D
k
s
m
I
l
a
l
i
j
A
ie sieben grün-roten Jahre waren magere Jahre. Esird Zeit, durch eine bessere Politik wieder fettere Jahren Deutschland zu ermöglichen.
Wir wollen Vorfahrt für Arbeit und die Grundachsener Wirtschaftspolitik wieder richtig justieren. Einernthema wird das Aufbrechen der verkrusteten Struk-uren am Arbeitsmarkt sein. Wir wollen gesetzlicheffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse für Arbeitnd wir wollen den Flächentarifvertrag in den Wettbe-erb mit betrieblichen Lösungen stellen. Das Tarifkar-ell aus Arbeitgebern und Gewerkschaften muss endlicheöffnet werden.
as gibt Belegschaften und Unternehmensleitungen dieöglichkeit, maßgeschneiderte Lösungen für ihren Be-rieb zu finden. Was für Porsche und Daimler-Chryslerielleicht ertragbar ist, ist es für viele mittelständischeulieferbetriebe noch lange nicht.
ie Beteiligten vor Ort wissen in der Regel am besten,as gut für ihren Betrieb und für ihre Arbeitsplätze istnd wie sie zu sichern und zu vermehren sind. Wir sa-en: Wenn 75 Prozent der Mitarbeiter eines Betriebes inreier und geheimer Abstimmung Abweichungen vomarifvertrag wollen – die Juristen nennen dies das Güns-igkeitsprinzip –, müssen sie das Recht haben, ihren ei-enen Weg zu gehen.
Wir haben in den letzten Tagen erlebt, wie sich derGB-Chef, Herr Sommer, geradezu erdreistete, für denall, dass der Gesetzgeber diese Regelung mit einer an-eren Mehrheit beschließen sollte, mit einem Häuser-ampf zu drohen. Es ist schon ein tolles Stück, auf un-iebsame Entscheidungen des Parlaments mit derrohung eines Häuserkampfs zu antworten. Es musslar sein: Regiert wird dieses Land vom Parlament, dasich aus den gewählten Vertretern des Volkes zusam-ensetzt, und nicht von Herrn Sommer vom DGB.
ch kann an die modernen Verbandsvertreter nur appel-ieren, diesen Weg der Öffnung, der Flexibilisierung unduch der Stärkung der Mitarbeiterrechte im Betrieb zu-asten von Funktionärsrechten mitzugehen; sonst laufenhnen weiterhin die Mitglieder weg. Der DGB verliertedes Jahr 400 000 bis 500 000 Mitglieder. Das ist einebstimmung mit den Füßen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17391
)
)
Rainer BrüderleEs hat sich auch gezeigt, dass der Sonderweg derdeutschen paritätischen Mitbestimmung, den kein an-deres Land der Europäischen Union mitgegangen ist, einfalscher Weg war. Ich kann mich gut daran erinnern, wieseinerzeit – das war in meiner Studien- und Jugendzeit –ein „dritter Weg“ progagiert wurde; doch der Glaube, einMittelweg zwischen Kapitalismus und Sozialismus seimöglich, hat sich als Illusion erwiesen. Die Praxis zeigtnicht nur in konkreten Fällen wie bei Mannesmann, woeben nicht nur der damalige Vorstandsvorsitzende, son-dern auch der damalige Gewerkschaftschef auf der An-klagebank saß, dass dieser Weg dazu führt, dass Kom-promisse zu früh geschlossen werden und die klareAusrichtung der Betriebe auf neue Herausforderungennicht erfolgt.Deshalb wäre es konsequent und richtig, auf eineDrittelparität zu setzen, anstatt den Standort mit einerPolitik zu schwächen, in deren Zuge sich die Führungs-spitzen zunehmend umorientieren oder ausländischeRechtsformen wählen – inzwischen ist es möglich, eindeutsches Unternehmen nach einer englischen Limitedzu gründen, die keine Mitbestimmung vorsieht –, umhandlungsfähig zu bleiben.Wir sehen es exemplarisch bei Verdi-Chef Bsirske: Erist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Luft-hansa und hat nach dem Aktiengesetz das Wohl des Un-ternehmens und seiner Mitarbeiter zu mehren. Gleich-zeitig vereint er in seiner Person den Streikführer gegendas Unternehmen, dessen Interessen er wahrnehmensoll. Diese Kollisionen in der Unternehmensverfassungmüssen korrigiert werden.
Das gilt auch für die Bankenvertreter in der altenDeutschland AG, die sich vielfach genauso in Interes-senskollisionen befinden: Depotstimmrecht, Kreditge-ber, Anteilseigner. Deshalb habe ich immer gesagt:Wenn eine Bank an einem Unternehmen einen maßgeb-lichen Anteil hält, dann darf es bei wichtigen Kreditent-scheidungen nicht mitstimmen, so wie es in Frankreichdie Rechtslage ist. Wir müssen in der Tat Interessenkolli-sionen verhindern und die Aufsichtsräte – auch von Grö-ßenordnung und Ausstattung her – handlungsfähiger ma-chen, damit sie als Gegengewicht zu den Vorständen ihreAufgabe entsprechend wahrnehmen können.Wenn wir nicht die Kraft haben, dies zu korrigieren,werden Unternehmenszentralen ihren Sitz zunehmendwoandershin verlegen. Es zeigt sich: Wenn Arbeitsplätzeabgebaut werden, sind zuerst die verlängerten Werk-bänke und nicht die Standorte der Holdings, der Head-quarters und der Führungssitze an der Reihe.
Herr Kollege, auch Sie schauen gelegentlich auf die
Uhr?
Nur.
d
n
„
W
z
w
z
D
b
W
l
u
S
D
B
d
m
d
w
g
B
r
s
d
A
A
b
d
z
n
S
s
e
z
ei den Maßnahmen, die Sie vorschlagen, ist die Stoß-ichtung klar. Vorrangig sollen die Gewerkschaften ge-chwächt werden. Aber es geht um weit mehr. Ziel ist es,ie sozialen Schutzrechte der Arbeitnehmerinnen undrbeitnehmer einzukassieren:
rbeitnehmer als Freiwild, weniger Entgelt, länger ar-eiten, heuern und feuern nach Lust und Laune. Das istas Credo, welches lautet: Marktwirtschaft pur statt so-ialer Marktwirtschaft, für die die SPD und die Arbeit-ehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land stehen.
ie, meine Damen und Herren, betrachten die Interes-envertretungen als Wirtschaftsgüter. Sie schreiben sieinfach als Wirtschaftsgüter ab. Für uns sind sie unver-ichtbarer Bestandteil eines Sozialstaats.
Metadaten/Kopzeile:
17392 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Klaus BrandnerDamit nicht genug: Sie wollen nicht nur die seit Jahr-zehnten bewährte Mitbestimmung in Unternehmen ab-schaffen, Sie wollen auch unser Tarifvertragssystemzerstören. Ich muss klar und deutlich sagen, dass wir alsSozialdemokraten diesen Plänen mit aller Entschieden-heit entgegentreten werden. Für uns ist sozialer Friedeein hohes Gut. Nur wenn sich die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer nicht täglich mit existenziellen Sor-gen auseinander setzen müssen, ist ein friedvolles Mit-einander möglich.
– Wissen Sie, welchen Schuldenstand Sie hinterlassenhaben? Sie waren am längsten an der Regierung. Siewissen doch, was zu dieser Zeit war: die höchsten Steu-ern, die höchsten Abgaben und der höchste Schulden-stand. Da sollten Sie ein bisschen ruhiger sein und nichtso auf den Busch hauen, junger Mann. Sonst melden Siesich zu Wort! Dann dürfen Sie eine Frage stellen.
Für uns gilt jedenfalls, dass Tarifverträge die existen-zielle Grundlage für Millionen von Menschen und ihreFamilien sichern. Tarifverträge sind Eckpfeiler unsererRechts- und Wirtschaftsordnung und daran halten wirfest.
Die Arbeitswelt als eines der wichtigsten Felder mensch-lichen Zusammenlebens kann in einem demokratischenRechtsstaat kein ordnungsfreier Raum sein. Diese Ord-nungsaufgabe hat der Staat weitgehend den Tarifver-tragsparteien überlassen. Der Tarifvertrag ist Ausdruckdieser Ordnungsmacht. Er schützt nicht nur die Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern auch die Un-ternehmen;
denn die Friedenspflicht schafft Kalkulations- und Pro-duktionssicherheit für Unternehmen. Deutschland gehörtweltweit zu den Ländern mit den geringsten Arbeitsaus-fällen durch Arbeitskämpfe. Um es deutlich zu sagen:von nichts kommt nichts!
Unser dringendstes Problem bleibt die bedrückende Ar-beitslosigkeit. Wir alle wissen, dass es dagegen kein Pa-tentrezept gibt.
– Schreien Sie doch nicht so herum. Sie wissen doch,dass wir 1998 die höchste Arbeitslosigkeit hatten. Nuntun Sie so, als wäre die Arbeitslosigkeit jetzt auf demhöchsten Stand.
sueshmbTktmsDmnsbddnmessÖordksWbgZzabIeEfsl
Man muss sich die Forderungen der FDP wirklichinmal ansehen: Abschaffung der paritätischen Mitbe-timmung, Abschaffung von Flächentarifverträgen, Ein-chränkung des Günstigkeitsprinzips. Mit tariflichenffnungsklauseln soll die Tarifautonomie unterlaufender gar aufgehoben werden. Sie verdrängen, dass be-eits in 75 Prozent der Betriebe – schauen Sie sich dazuie heutigen Tickermeldungen an – tarifliche Öffnungs-lauseln angewendet werden. Noch einmal zum Mit-chreiben: bei 75 Prozent der Unternehmen!
ie viel mehr an Flexibilität wollen Sie eigentlich noch?
Herr Brüderle, warum haben Sie nicht den Mut aufge-racht, deutlich zu sagen, worum es der FDP wirklicheht? Ich muss das für Sie übernehmen und in diesemusammenhang Ihren Vorsitzenden Guido Westerwelleitieren, der die Gewerkschaften vor kurzem mehrfachls „wahre Plage in Deutschland“ und „Verräter der Ar-eitnehmerinteressen“ bezeichnet hat.
ch halte eine solche Aussage eines Parteivorsitzendeniner liberalen Partei für einen Skandal.
s geht Ihnen um die Abschaffung der Gewerkschafts-unktionäre – das ist klar geworden – und um die Ver-chiebung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse zu-asten der Beschäftigten. Das ist für Sozialdemokraten
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17393
)
)
Klaus Brandnernicht hinnehmbar. Deshalb werden Sie in diesem Punktunseren entschiedenen Widerstand erleben.
Was sagt die CDU/CSU zu den Forderungen ihresBündnispartners? Wir werden sicherlich gleich in derRede von Herrn Strebl hören, dass auch die CDU/CSUfür starke Gewerkschaften ist.
Ich gehe davon aus, dass Sie die positiven Erfahrungenloben werden. Aber ich denke in diesem Zusammenhangauch daran, was Herr Merz, der seit dem 22. Mai wiederhäufiger hier im Parlament zu sehen ist, gerade über dieGewerkschaften schon alles gesagt und was er ihnen zu-gemutet hat. Ich erinnere mich noch gut an seinenSpruch, als es darum ging, dass man die Gewerkschaftenentmachten will: Wenn man einen Sumpf trockenlegenwill, dann darf man nicht die Frösche fragen. – Das isteine ähnliche Diffamierung, wie sie die FDP durch ihrenVorsitzenden geäußert hat. Es wäre schön, Herr Strebl,wenn Sie dazu Position beziehen würden: Wenn Sie mitden Gewerkschaften zusammenarbeiten wollen, solltenSie das heute auch klarstellen.
Um herauszufinden, was die CDU/CSU wirklich will,lohnt sich im Übrigen ein Blick in ihr Zehn-Punkte-Pa-pier vom Februar dieses Jahres. Der Kündigungsschutzsoll erst in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern gel-ten, und zwar erst nach einer Probezeit von drei Jahren.Die Tarifautonomie wird nur noch als Floskel hochge-halten. Der Rechtsanspruch auf Teilzeit soll fallen. Diederzeitigen Steuerentlastungen für Sonn-, Feiertags- undNachtzuschläge sind wie die Pendlerpauschale zumSpielball für neue Steuerkonzepte geworden, wie Minis-terpräsident Stoiber vor kurzem verkündete.Ich bin sehr froh, dass wir heute noch einmal die Ge-legenheit haben, die Unterschiede zwischen der CDU/CSU und der FDP einerseits und der SPD andererseitsaufzuzeigen. „Vorfahrt für Arbeit“ heißt für Sie: Be-schneidung von Arbeitnehmerrechten. „Vorfahrt für Ar-beit“ heißt für uns: besseres Nutzen der Potenziale derMitarbeiter. Mitarbeiter sind nicht nur Kostenfaktoren.Sie sind vor allem Menschen und die wichtigste Res-source in den Unternehmen.
Haben Sie schon einmal etwas von einer Win-Win-Si-tuation gehört, meine Damen und Herren von der Oppo-sition? Für mich sind das Strategien mit den Beschäftig-ten und nicht gegen sie. Das Leitbild unsererWirtschaftspolitik ist ein modernes Menschenbild, dassich an der Teilhabe und der Mitwirkung ausrichtet. Ichwill das an zwei Beispielen zeigen: der Mitbestimmungund der Tarifautonomie.Meine Damen und Herren von der Opposition, für unsist die Mitbestimmung ein Standortvorteil, der uns be-sonders positiv von anderen Standorten abgrenzt. HerrBrüderle hat eben mit seinen großen Worten deutlichmUiSI&VsKSGDawvhnvltrMsPmtasmAwvcLsDgwzgALnndgdg
on Weltuntergangsstimmung kann darin keine Redeein. Ich bin deshalb darüber betrübt, dass man nicht zurenntnis nimmt, dass Deutschland der zweitbeliebtestetandort für Direktinvestitionen innerhalb der EU ist.emessen an der Höhe der Direktinvestitionen liegteutschland weltweit auf dem fünften Platz – und daslles trotz Gewerkschaften und Mitbestimmung! Ichürde sagen: gerade wegen der Mitbestimmung.
Mitbestimmung steht für Selbstverantwortung, Inno-ation und Kreativität des Menschen. Mitbestimmungat vor allem auch ökonomische Vorteile für die Unter-ehmen. Wir haben innerhalb der EU die geringste Zahlon Streiktagen. Das ist gut für den Standort Deutsch-and.Meine Damen und Herren, wir wollen nicht, dass Be-riebsräte zu Bittstellern werden. Für uns sind Betriebs-äte Partner. Wir stehen für den aufrechten Gang vonenschen, die sich engagieren. Deshalb wollen wir auchtarke Gewerkschaften, deshalb wollen wir mit unsererolitik Bedingungen schaffen, durch die die Arbeitneh-errechte erhalten bleiben, deshalb haben wir das Be-riebsverfassungsgesetz gestärkt und deshalb haben wiruf europäischer Ebene dafür gesorgt, dass die Europäi-che Aktiengesellschaft möglich ist und die Mitbestim-ung erhalten bleibt.
Des Weiteren haben wir dafür gesorgt, dass dasrbeitnehmer-Entsendegesetz eingebracht wird. Wirollen Mindeststandards in Deutschland sichern. Sieon der Opposition haben noch eine Chance, mitzuma-hen und Ihre vollmundigen Worte zur Bekämpfung vonohndumping endlich in die Tat umzusetzen.Lassen Sie mich zum Schluss aufzeigen, wie unter-chiedlich die Strategien für mehr Arbeitsplätze sind:ie Senkung der Arbeitskosten ist sicherlich eine derroßen politischen Herausforderungen, um im Wettbe-erb mit China, Indien, Bulgarien und anderen bestehenu können. Wir haben ja schließlich etwas zu verteidi-en, nämlich unsere Position als Exportweltmeister.ber die Kosten sind nur eine Seite der Medaille. Dasohnniveau von Tschechien oder Weißrussland kannicht unser Ziel sein. Mindestens genau so wichtig undach vorne schauend ist es, Strategien zu entwickeln, mitenen unsere technologische Leistungsfähigkeit weiterestärkt wird. Ich sage bewusst „weiter gestärkt wird“,enn in vielen Bereichen ist unser Technologievorsprunganz hervorragend.
Metadaten/Kopzeile:
17394 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Klaus BrandnerDeshalb, meine Damen und Herren, mein Appell anSie: Kommen Sie in der modernen Wirtschaftswelt an,unterliegen Sie nicht der Illusion, dass man nur durchKostensenkung seine Position verbessern könne. Es isteine Illusion, zu glauben, ein Pferd werde schneller lau-fen, wenn man ihm weniger Hafer gibt. Diese alte Bau-ernregel sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Werfen Sie Ihre alten Feindbilder über Bord und betrei-ben Sie eine Politik, bei der Teilhabe und Mitbestim-mung erhalten bleiben.
Nächster Redner ist der Kollege Strebl, CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Lieber Kollege Brandner, zu Ihrem Hinweis aufdie Gewerkschaften im Zusammenhang mit den Äuße-rungen des Kollegen Brüderle muss ich Folgendes sa-gen: Die Kanzlerkandidatin Frau Merkel und der bayeri-sche Ministerpräsident Stoiber haben sich immer zu denGewerkschaften bekannt. Deshalb suchen vor allen Din-gen auch die DGB-Gewerkschaften das Gespräch mitbeiden. Dies ist ein Beweis dafür, dass wir, die beidengroßen Volksparteien CDU und CSU, hier eine intensiveund sachliche Auseinandersetzung um die Zukunft unse-res Landes führen.Man braucht kein Arbeitsmarktexperte zu sein, werteDamen und Herren, um zu erkennen, dass sich derArbeitsmarkt in Deutschland in einer der schwierigstenSituationen seit Kriegsende befindet. Fünf MillionenMenschen sind offiziell ohne Job. Realistischerweisesind es mehr; aber durch gesetzestechnische Maßnah-men haben Sie es fertig gebracht, dass es nur fünf Mil-lionen sind. Besonders dramatisch ist die Lage bei derJugendarbeitslosigkeit. Im Vergleich zum Mai 2004 istdie Zahl jugendlicher Arbeitsloser um 111 000 gestie-gen. Das Statistische Bundesamt gibt die Jugendarbeits-losigkeit nach internationaler Zählweise für April sogarmit 17,3 Prozent an. Das heißt, im April waren faktischeine Million Jugendliche arbeitslos. Das ist Ihre Politikder letzten sieben Jahre gewesen.
Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer inDeutschland heißt dies konkret: Täglich müssen neueBelegschaften mit Stellenstreichungen zurechtkommen,täglich droht die Verlagerung von Betriebsteilen, täglichdrohen neue Unternehmensinsolvenzen. Tag für Tagmüssen die Arbeitslosen hilflos zusehen, dass die Bun-dvdubSksISsRmDvScrBWSRWsaddaJldnPdMDA
tattdessen hat diese Bundesregierung resigniert. Es gabeine durchgreifenden Reformen, sondern nur Flick-chusterei und rot-grüne Ideologie.
n diesem Sinne ist auch die morgen von Kanzlerchröder zu stellende Vertrauensfrage ein Spiegelbildeiner Amtszeit.
ot-Grün, Herr Kollege Brandner, hat vor den Proble-en kapituliert und die Flucht in Neuwahlen angetreten.amit hat sich Rot-Grün selber aufgegeben.
Die Folgen sind schwerwiegend. Allein in den letztenier Jahren gingen 1,4 Millionen Arbeitsplätze verloren.eit Schröders Amtsantritt ging die Zahl der sozialversi-herungspflichtig Beschäftigten um 2,6 Prozent zu-ück. Das heißt im Klartext: Fast 700 000 Steuer- undeitragszahler sind in dieser Zeit verloren gegangen.ie Sie wissen, hat das Auswirkungen auf den gesamtenozialversicherungsbereich: auf Kranken-, Pflege- undentenversicherung. Ich erinnere mich noch an dieorte von Bundeskanzler Gerhard Schröder, der 1998 ineiner ersten Regierungserklärung sagte, er wolle sichm Abbau der Arbeitslosigkeit messen lassen und wenner Abbau nicht gelinge, habe Rot-Grün es nicht ver-ient, wiedergewählt zu werden.Er sagte aber auch: Wir machen nicht alles anders,ber vieles besser. – Das Ergebnis sieht man nach siebenahren rot-grüner Bundesregierung. Keine einzige Rege-ung, die Rot-Grün initiiert hat, konnte etwas zum Abbauer Arbeitslosigkeit beitragen, waren die Namen auchoch so schön. Ich erinnere an die 1-Euro-Jobs, an dieersonal-Service-Agenturen oder an den Jobfloater. Werenkt heute noch daran?
eine sehr verehrten Damen und Herren, mit dieseningen wollten Sie die Arbeitslosigkeit bekämpfen undrbeitsplätze schaffen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17395
)
)
Matthäus StreblGenau das ist der sozialdemokratische Rumpelstilzchen-effekt: Man sucht einen anderen Namen für ein altesProblem.Man hat den Eindruck, die Aufgabe von Rot-Grün be-stand darin, Werbebroschüren zu erstellen, statt zu regie-ren. Es geht aber genau darum, eine effiziente Arbeits-markt- und Wirtschaftspolitik zu betreiben. Deshalbsagen wir: Stopp! Dazu ist am 18. September – solltesich dies morgen ergeben – ein neuer Bundestag zu wäh-len.Werte Kollegen von Rot-Grün, da Politik die Gestal-tung von Gegenwart und Zukunft bedeutet, reichenPragmatismus und Tagespolitik allein nicht aus. Die im-mer komplizierter werdenden Vorgänge in einer hoch-technisierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaftwerden für den Einzelnen immer weniger durchschau-bar. Dadurch wächst die Angst der Menschen vor derZukunft. Der Einzelne erwartet von der Politik schlüs-sige Antworten für die Bewältigung der Probleme. Daswird von Rot-Grün nicht gewährleistet.Wir müssen weg von oberflächlichen Kataloganprei-sungen arbeitsmarktpolitischer Ziele.
Schließlich müssen wir neue Arbeitsplätze schaffen unddie vorhandenen Arbeitsplätze sichern. Das kann nur ge-lingen, wenn soziale Verantwortung und soziale Sicher-heit Hand in Hand gehen. Angesichts der dramatischenSituation sind einseitige Rechts- und Leistungskürzun-gen meines Erachtens und nach Meinung von CDU/CSUnicht das Patentrezept.
Tatsache ist, dass die Unternehmen in Deutschland anzu viel Bürokratie, an zu hohen Steuerbelastungen undan einer schwindenden Kapitaldecke leiden. Gerade fürden Mittelstand sind die Auswirkungen der rot-grünenPolitik verheerend.
– Herr Kollege Brandner, lassen Sie sich sagen: LudwigErhard, der Vater der sozialen Marktwirtschaft, nanntefür eine funktionierende soziale Marktwirtschaft dreielementare Voraussetzungen: Freiheit, Wettbewerb,Wachstum. Leider müssen wir feststellen, dass nach sie-ben Jahren Schröder-Regierung keine dieser Vorausset-zungen mehr wirklich gegeben ist.
Beispiel Freiheit. Von Freiheit kann keine Rede mehrsein. Es hat sich ein Wust an Verordnungen und Geset-zen angesammelt. Bürokratieabbau sucht man bei IhrerPolitik vergebens. Allein für den Mittelstand könnte ichhier 14 Statistiken aufzählen, ich nenne nur drei Bei-spiele:dtUDGdrWustAgrBu1wSdfdbvusclgds1Tsss–m
ie vierteljährliche Produktionserhebung, die Dienstleis-ungsstatistik und die Erhebung der Investitionen für denmweltschutz.
iese Statistiken kosten wertvolle Arbeitszeit und teureseld. Unternehmen werden für ihre Produktivität nochrangsaliert und bestraft.Beispiel Wettbewerb. Gerade die EU-Osterweite-ung und die zunehmende Globalisierung haben dieettbewerbsbedingungen verzerrt. Dies macht sich innserem Land besonders bemerkbar, denn die Kluft zwi-chen den Arbeitskosten der Unternehmen und den Net-oeinkommen der Arbeitnehmer ist zu groß. Gerade dierbeitskosten sind in den letzten Jahren enorm gestie-en.Hinzu kommen überhöhte Energiekosten als Folgeot-grüner Ideologie,
elastungen durch Zuwanderung, Steuerbelastungennd erhöhte Transportkosten.Beispiel Wachstum. Die aktuelle Wachstumsrate von,4 Prozent ist geradezu lächerlich im Vergleich zumeltweiten Wachstum von 5 Prozent. Das ist einechande für Deutschland, die wir der rot-grünen Bun-esregierung zu verdanken haben.
Meine Damen und Herren, für uns hat die Bekämp-ung der Arbeitslosigkeit höchste Priorität.
Noch ein Wort an die Kolleginnen und Kollegen voner FDP. Einzelne Maßnahmen in den Bereichen Ar-eitsmarkt und Tarifrecht, wie Sie sie in Ihrem Antragorschlagen, reichen nicht aus. Wir brauchen vielmehrmfassende strukturelle Änderungen. Investitionen müs-en in Deutschland erleichtert werden. Das wirtschaftli-he Klima und das Vertrauen in den Standort Deutsch-and müssen verbessert werden. Das Wachstum mussestärkt werden. Der Dienstleistungssektor muss geför-ert werden; denn gerade für Geringqualifizierte ist die-er ein gutes Arbeitsfeld.CDU/CSU haben auf dem so genannten Jobgipfel am7. März dieses Jahres 32 Vorschläge eingebracht. Eineneil davon wollte der Kanzler aufgreifen, wie zum Bei-piel: keine Gefährdung von Betrieben durch Erbschaft-teuer auf Betriebsvermögen, eine verbesserte Gewerbe-teueranrechnung, ein geringerer Körperschaftsteuersatz 19 statt 25 Prozent sind möglich, wenn das aufkom-ensneutral gestaltet wird – oder Entbürokratisierung
Metadaten/Kopzeile:
17396 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Matthäus Streblund schnellere Planung bei Großprojekten. Dies alles ha-ben CDU/CSU vorgeschlagen und der Kanzler hat ver-sprochen, es aufzugreifen. Aber bis dato ist nichts pas-siert. Das ist wieder die Politik der ruhigen Hand. DieUmsetzung scheiterte wie so vieles bei dieser Bundesre-gierung.Deutschland hat vor allem ein großes Problem: dieUnsicherheit. Unsicherheit geht wegen Ihrer Politik imLand um. Ehemals starke Wirtschaftsbereiche strauchelnangesichts der schlechten Konjunktur. Herr KollegeBrandner, daher wollen wir, dass die Menschen wissen,wo es langgeht. Wir wollen eine ehrliche Bestandsauf-nahme bekommen. Mehr Wahrhaftigkeit in der Politik,das verlangen die Menschen in der BundesrepublikDeutschland. Wir wollen, dass das Arbeitsrecht entrüm-pelt und entbürokratisiert wird, dass das Steuerrecht ver-einfacht, gerechter und transparent wird und dass die So-zialsysteme an die Herausforderungen der Zukunftangepasst werden. Ich sage dazu: das neue soziale Den-ken. Dies sind die Voraussetzungen, damit wieder mehrArbeitsplätze entstehen.Eine leistungsstarke Gesellschaft ist eine soziale Ge-sellschaft. Ich sage auch: Mit Sozialabbau kannDeutschland nicht zukunftsfähig gemacht werden. Dazuwird die CDU/CSU nicht die Hand reichen; denn nur miteiner flexiblen sozialen Marktwirtschaft kann unserLand den Anschluss an die Weltwirtschaft zurücker-obern und vom Schlusslicht zum Leuchtturm, vomBremser zum Zugpferd in der EU werden.Herzlichen Dank.
Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes erhält der
Kollege Markus Kurth, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Herr Strebl, Sie haben zwarüber alles Mögliche geredet, aber keinen Satz über deneigentlichen Anlass dieser Debatte verloren, nämlichden FDP-Antrag, der auf die Abschaffung der Mitbe-stimmung und die Zerschlagung der Tarifautonomiedurch Öffnungsklauseln abzielt. Wahrscheinlich sagenSie aus gutem Grund nichts dazu. Ich mutmaße, dass Sieals Mitglied der Sozialausschüsse der CDU, wenn SieIhrer Überzeugung gefolgt wären, hätten sagen müssen,dass dieser Antrag blanker Unsinn ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einmalmit einer guten Nachricht beginnen. Nach einer vorges-tern veröffentlichten Studie der UnternehmensberatungErnst & Young ist Deutschland aus Sicht internationaltätiger Unternehmen der attraktivste Standort in West-europa. Das hat eine Umfrage unter knapp 700 interna-tional tätigen Unternehmen ergeben. Diese UnternehmenhShsbnksnttwbAgghwLcSbeübnIhGddnfwavjelsgfl
Für diese Unternehmen, die einem harten internatio-alen Wettbewerb ausgesetzt sind und daher ebenso hartalkulierte Investitionsentscheidungen treffen müssen,ind Standortbedingungen wie der soziale Frieden in ei-em Land, die geringe Zahl der Streiktage, Lebensquali-ät und Rechtssicherheit wichtige Standortfaktoren. Na-ürlich wären diese Unternehmer keine Unternehmer,enn sie nicht die hohen Arbeitskosten als hinderlichezeichnen und über das Arbeitsrecht jammern würden.ber diese Faktoren spielen bei Investitionsentscheidun-en – das sieht man an dieser Umfrage – nur eine unter-eordnete Rolle. Sichere, weil regulierte Arbeitsbezie-ungen sind hier weitaus entscheidender.
Ich frage die Kollegen von der FDP-Fraktion, ob Sieirklich immer wieder alle drei Monate mit Ihrem alteneierkasten und der Melodie von der vermeintlich ana-hronistischen Mitbestimmung kommen müssen und obie immer wieder die Platte von der mangelnden Flexi-ilität und der Überregulierung auflegen müssen. Wenns im Deutschen Bundestag einen Preis für das Anzettelnberflüssiger Debatten und für das Wiederholen von De-atten gäbe, dann würden Sie ihn gewinnen.
Auch hier weisen wir Ihren Angriff auf die Tarifauto-omie und auf die Mitbestimmung entschieden zurück.m möglicherweise – wir wissen es ja noch nicht – anste-enden Bundestagswahlkampf werden wir dann auchelegenheit haben, den Bürgerinnen und Bürgern unden Beschäftigten Ihre Konzepte vorzulegen und sie mitenen der Bündnisgrünen zu vergleichen. Wer die Unter-ehmensmitbestimmung und den Flächentarifvertragaktisch abschaffen will und wer Gewerkschaften als dieahre Plage in Deutschland bezeichnet, der führt nichtsnderes im Schilde, als die Menschen ihrer Interessen-ertretung zu berauben, um dann das Lohnniveau ohneeden Widerstand nach unten drücken zu können.
Wirklich grotesk ist auch, dass Sie ständig behaupten,in niedriges Lohnniveau führe zu besseren Entwick-ungschancen von Unternehmen. Ich rede zum Bei-piel mit Handwerkern. Sie sagen mir: Wer gute Leistun-en will, der muss auch vernünftig bezahlen. Sie wollenür drei Sterne schmausen, aber den Koch wie einen Bu-ettenbrater bezahlen. Das kann nicht funktionieren.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17397
)
)
Markus KurthAbschließend möchte ich noch zu bedenken geben,dass gerade in den Zeiten, in denen sich die Arbeitsweltdrastisch wandelt, in denen unternehmerische Umstruk-turierungen anstehen – es stimmt, dabei gehen Arbeits-plätze verloren –, die Mitbestimmung ein wichtiges In-strument ist, um die damit verbundenen Prozessesozialverträglich und mit der Akzeptanz der Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter zu gestalten. In Zeiten derGlobalisierung und des zunehmenden Verlusts vonstaatlichen, aber auch von betrieblichen Handlungsspiel-räumen muss es uns doch darum gehen, den Stellenwertvon Instrumenten kooperativer Steuerung zu erhaltenund auszubauen. Für die Menschen in unserem Land istdoch gerade die Globalisierung, die sie als ungezügeltund unkontrollierbar empfinden, die Bedrohung. DieMitbestimmung bietet unter anderem mit Instrumentenkooperativer Steuerung die Möglichkeit, negative Folge-wirkungen aufzufangen.Wer wie die FDP auf diese Entwicklung mit einemforcierten Abbau von Arbeitnehmerrechten reagierenwill und Steuerungsmöglichkeiten einfach abschaffenwill, der kann die Menschen in diesen Umstrukturie-rungsprozessen nicht mitnehmen. Wir sehen es vollstän-dig anders: Wir wollen die Menschen beteiligen. Dazusetzen wir auf die bewährten Instrumente. Wir könnendarüber reden, sie weiterzuentwickeln. Wir wollen siezur Substanz und zum Fundament unserer Volkswirt-schaft machen.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der
Fraktion der FDP auf Drucksache 15/5458 mit dem Titel
„Vorfahrt für Arbeit – Neue Chancen für Arbeitsplätze
und Investitionen durch weniger Funktionärsrechte“.
Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit großer Mehrheit
abgelehnt.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b
auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Sechs-
undzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des
Abgeordnetengesetzes
– Drucksache 15/5671 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäfts-
ordnung
– Drucksache 15/5846 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Wilhelm Schmidt
g
A
i
n
F
M
g
h
a
l
B
a
b
f
ö
n
e
s
I
m
d
L
v
s
d
n
d
richts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immu-
nität und Geschäftsordnung zu
dem Antrag der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Änderung der Geschäftsordnung des Deut-
schen Bundestages – Verhaltensregeln für Mit-
glieder des Deutschen Bundestages
– Drucksachen 15/5698, 15/5846 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Wilhelm Schmidt
Peter Altmaier
Volker Beck
Jörg van Essen
Zum Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordneten-
esetzes liegt ein Entschließungsantrag der FDP vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu stelle
ch Einvernehmen fest. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Ich erteile das Wort zu-
ächst dem Kollegen Wilhelm Schmidt für die SPD-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Ähnlich wie bei der Offenle-ung von Managergehältern, die wir in diesem Hauseeute Morgen beschlossen haben, haben wir in der Ko-lition in den hinter uns liegenden Monaten die Rege-ung der Belange der Abgeordneten, also unsere eigenenelange, nicht nur sehr ernsthaft bearbeitet, sondernuch zu einem Abschluss gebracht. Ich hätte nicht erle-en mögen, was passiert wäre, auch draußen in der Öf-entlichkeit, wenn wir nach sechsmonatigen Debatten,ffentlich und hinter den Kulissen, hierbei nicht zu ei-em Ergebnis gekommen wären. Wir sind es. Wir stellens Ihnen heute vor und bitten alle im Hause, dem zuzu-timmen.
ch richte diesen Appell gleich an dieser Stelle noch ein-al an die Oppositionsfraktionen, obwohl wir Signaleafür haben, dass sie dazu offensichtlich nicht in derage sind. Das bedauere ich.
Wir decken damit einen Regelungsbedarf, von demielleicht vor zwei, drei oder fünf Jahren noch niemando recht geglaubt hätte, dass er besteht. Da sind nicht nurie Fälle Laurenz Meyer, Hermann-Josef Arentz und ei-ige in der SPD-Fraktion in Niedersachsen oder an-erswo zu nennen.
Metadaten/Kopzeile:
17398 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Wilhelm Schmidt
Das Entscheidende ist: Wir alle spüren, dass wir unab-hängig von diesen Einzelfällen die gesellschaftspoliti-sche Entwicklung auf diesem Sektor und auch die damitverbundene Erwartungshaltung registrieren und aufneh-men sollten. Es ist doch nicht so, als wenn es zum Abge-ordnetenmandat nicht auch Veränderungen im Bewusst-sein der Öffentlichkeit oder bei uns selbst gäbe. Wirtragen dieser Entwicklung Rechnung.Ich finde, dass wir jetzt durchaus mit Recht Regelun-gen finden, mit denen Transparenz über die Tatsachehergestellt und vertieft wird, dass Abgeordnete auch Ne-bentätigkeiten wahrnehmen. Wir stellen in unserem Ge-setzentwurf allerdings fest, dass im Mittelpunkt der Tä-tigkeit eines Abgeordneten die Ausübung des Mandatszu stehen hat.
Dass Abgeordnete daneben andere Tätigkeiten wahrneh-men dürfen, ist ihnen vom Verfassungsgericht schon1975 zugebilligt worden.Wir sollten aber bekräftigen – das ist das Entschei-dende –, dass der Mittelpunkt die Tätigkeit im Parlamentund in den Wahlkreisen ist. Das sollten wir gemeinsamauch zu beherzigen versuchen. Die Bürgerinnen undBürger draußen haben ein Anrecht darauf, dass dieseReihenfolge gewahrt wird. Damit räumen wir ein, dassdies an der einen oder anderen Stelle bisher vielleichtnicht ganz so deutlich geregelt gewesen ist, wie wir unsdas inzwischen vorstellen.Ein weiterer Punkt ist, dass wir alle Tätigkeiten, dieein Abgeordneter wahrnimmt, für meldepflichtig halten.Der Bundestagspräsident soll über alles Bescheid wis-sen, und zwar nicht deswegen, weil wir so etwas wie öf-fentliche Transparenz haben wollen, damit sich die Men-schen draußen im Lande irgendwo vielleicht neiderfülltüber das Abgeordnetendasein auslassen können – viel-leicht auch einige Medien, die das in den vergangenenMonaten in genussvoller Weise immer wieder praktizierthaben –, sondern deswegen, weil klargestellt werdenmuss, ob Interessenkonflikte eintreten können.Der Ausgangspunkt für allen Regelungsbedarf istalso: Es muss erkennbar werden, ob ein Abgeordneterdurch die Nebentätigkeit Interessenkonflikten unterlie-gen kann. Es geht nicht um andere Dinge wie das Bedie-nen von Neidgefühlen oder ähnliche Geschichten. Auchdas ist schon heute Morgen bei der Debatte über die Of-fenlegung der Managergehälter mit Recht gesagt wor-den.Das Entscheidende ist: Das alles darf nicht sanktions-los bleiben. Dass Abgeordnete eine Nebentätigkeitwahrnehmen, die vielleicht noch nicht einmal durch Ar-beit unterlegt ist, und dafür Geld beziehen, ist für unsereBegriffe unmöglich. Wir stellen deswegen fest: Bezah-lung ohne Gegenleistung darf es schon gar nicht geben.
WkadwdkmzBjWrtnHKmnnbwngLdAkEPffsgtGgdtGw
ir haben deswegen auch ein Ordnungswidrigkeiten-echt bis hin zur Rückzahlungspflicht eingebaut.Damit haben wir, glaube ich, eine gute Regelung ge-roffen.Ich will aber auch – das will ich hinzufügen; es istämlich wahrscheinlich meine letzte Rede vor diesemohen Haus – betonen, meine Damen und Herren, liebeolleginnen und Kollegen, dass es mir schon Sorgeacht, wie insbesondere in der Medienöffentlichkeiticht selten mit dem Status und der Arbeit der Abgeord-eten umgegangen wird. Wir wollen dies nicht dadurchedienen, dass wir jetzt alles verschärfen, sondern wirollen dem eine Grenze setzen, indem wir unsere eige-en Pflichten betonen. Wir machen damit klar, dass Ab-eordnete nicht der Spielball der Medien in diesemande sein wollen und dürfen, und bitten gleichzeitigarum: Respektieren Sie uns auf der Grundlage unsererrbeit, die wir hier im Hause und draußen in den Wahl-reisen leisten!
s gibt, wie ich finde, nichts Schlimmeres, als wenn mitauschalverurteilungen auf der Grundlage von Einzel-ällen der gesamte Stand der Abgeordneten erst einmalröhlich niedergemacht wird. Das ist leider oft so ge-chehen. Das hat diesem Lande, wie ich finde, nicht gutetan.
Darum appelliere ich an uns alle:Erstens. Lassen Sie uns saubere und klare Regelungenreffen! Dafür bieten wir Ihnen mit dem vorliegendenesetz und den vorgeschlagenen Verhaltensregeln eineute Grundlage.Zweitens. Lassen Sie uns alle gemeinsam, indem wiras auf den Weg bringen, dafür sorgen, dass die Bedeu-ung des Status der Abgeordneten in diesem Lande zureltung kommt und auch entsprechend wahrgenommenird; das halten wir ja alle für wichtig!Vielen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17399
)
)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Norbert Röttgen
für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! In dieser Debatte wie auch in den nachfolgendenAbstimmungen geht es um die Rechtstellung von Parla-mentariern, von Mitgliedern des Deutschen Bundesta-ges. Es sollen Anzeige- und Veröffentlichungspflichten,Sanktionsmöglichkeiten und ein Ordnungsrecht gegenAbgeordnete begründet werden. Allein wenn man sichvor Augen führt, worum es geht, wird einem klar, dass indieser Debatte und den nachfolgenden Abstimmungengrundsätzliche und wichtige Fragen des Parlamentaris-mus und des Parlamentsverständnisses berührt werden.Ich möchte erneut an dieser Stelle festhalten: UnsereFraktion, die CDU/CSU-Fraktion, hält die geltenden Re-gelungen nicht für ausreichend. Das haben wir immerbetont. Wir waren es auch, die gesagt haben, dass einevernünftige Regelung gefunden werden muss, die vomHause getragen wird. Es geht aber eben um angemes-sene Regelungen, die sich durchaus in dem Spannungs-feld bewegen, das Sie, Herr Kollege Schmidt, beschrie-ben haben. Wenn man da so herangeht, sieht man auch,dass sich diese Diskussion in ihrem Verlauf geändert hat:von einer hysterischen, von Parteitaktik geprägten De-batte ganz zu Beginn des Jahres hin zu einer sehr sach-orientierten, auch die komplizierten Diskussionen, die inder Rechtstellungskommission geführt wurden, aufneh-menden Debatte.Im Zentrum stand immer die Abwägung, wie wir Be-rufstätigkeit neben dem parlamentarischen Mandat be-werten. Hier tut sich ein Spannungsfeld auf, das deut-lich macht, wie kompliziert die Fragen werden, wennman nicht versucht, sie parteitaktisch zu beantwortenoder aus ihnen einen kleinen parteitaktischen Vorteil zuziehen, sondern sich der Verantwortung, die wir alle tra-gen, gegenüber dem Parlament und dem Parlamentaris-mus stellt.In dem Gesetzentwurf und in den Verhaltensrege-lungsvorschlägen der Koalition wird Berufstätigkeit ne-ben der parlamentarischen Tätigkeit insbesondere alsGefahr für die Unabhängigkeit von Abgeordneten ange-sehen. Sie wird als Gefährdungstatbestand wahrgenom-men, den man kontrollieren muss.
Unsere Fraktion ist der Auffassung, dass mindestens sosehr oder sogar noch mehr die Berufsfähigkeit eines Ab-geordneten neben und außerhalb des Parlamentes, alsodie Frage, ob er auch ohne politisches Mandat in derLage ist, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, eine Rolledabei spielt, wie unabhängig man in der Politik ist undals wie unabhängig Politik wahrgenommen wird.
Es gibt nicht nur die Abhängigkeit – ––WIgPlDewdüodumrVtgddHzüGsPNEstsddVgwnu
Ich will das doch nur betonen. Ich suche gar nicht deniderspruch.
ch will nur verdeutlichen, wo die Schwierigkeiten lie-en.Es gibt sowohl die Gefahr der Abhängigkeit in derolitik als auch die Gefahr der Abhängigkeit von der Po-itik.
arum wäre, glaube ich, das Wissen um die Ausbildungines Abgeordneten mindestens genauso interessantie das um seine Einkünfte. Sind die Abgeordneten iner Lage, außerhalb des Mandates einen Beruf auszu-ben,
der sind sie abhängig davon, in der Politik Geld zu ver-ienen? Ich glaube, dass das die Bürger sehr interessiertnd dass es angesichts der nebulösen Berufsangaben beianchen Kollegen interessant wäre, Näheres zu erfah-en.Der Grund, dass wir heute nicht gemeinsam über dieerhaltensregeln abstimmen können, ist, dass die Koali-ion – das ist mein Vorwurf an sie – mit einer Traditionebrochen hat. Die Tradition dieses Hauses war nämlich,ass wir über diese Fragen des Parlamentarismus nichtanach entscheiden, wer gerade zufällig die Mehrheit imause hat und sich gegenüber der Minderheit durchset-en kann. In der Vergangenheit war es gute Tradition,ber diese Fragen betreffend das Parlament auf derrundlage eines breiten Konsenses im Hause zu ent-cheiden.
Wir haben lange daran gearbeitet, aber wir haben dierobleme noch nicht zur Entscheidungsreife gebracht.un haben Sie in der aktuellen politischen Situation dientscheidung getroffen: Wir wollen jetzt unsere Vor-chläge einbringen. Wir glauben, wir können daraus par-eipolitisch etwas machen. Wir sind in Bedrängnis; alsouchen wir den parteipolitischen Vorteil und kalkuliereniesen Traditionsbruch. Wir sind bereit, den Konsens,en Kompromiss im Hause aufzugeben.Das ist Ihre politische Entscheidung.
or diesem Hintergrund haben Sie die Konsenssuche ab-ebrochen. Sie sind auf keinen einzigen Vorschlag, denir gemacht haben, mehr eingegangen, sondern machenun in der Hektik der politischen Situation Vorschlägend schlagen eine Neuregelung vor.
Metadaten/Kopzeile:
17400 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Norbert RöttgenDass das sachwidrig ist, beweist Ihr Vorschlag selber;denn in Kraft treten soll diese Regelung nicht ab sofort– was möglich wäre –, sondern erst in der nächsten Le-gislaturperiode.
Sie selber wissen aber, dass Sie mit einer Geschäftsord-nung für diesen Bundestag den nächsten Bundestagüberhaupt nicht binden können, sondern in der neuenLegislaturperiode eine neue Entscheidung getroffen wer-den muss. Daran zeigt sich, dass Ihr Vorgehen parteipoli-tisch motiviert ist. Ich glaube, der Preis, den Sie zu zah-len bereit sind, ist zu hoch.
Ich will in der Kürze der Zeit zwei Argumente brin-gen, die verdeutlichen, dass die Sache nicht reif ist. Wirsind dafür, dass geregelt wird: Wenn ein Abgeordnetereine Leistung erhält, dann muss er dafür eine Gegenleis-tung erbringen. Das ist das normale Verständnis allerMenschen: Eine Gegenleistung muss auch verdient wer-den.
Das ist aber nicht der Vorschlag der Koalition. Sie sagen:Leistung darf nur bei angemessener Gegenleistung ent-gegengenommen werden. Nun frage ich Sie: Wer be-stimmt diesen Angemessenheitsmaßstab dort, wo es ihnnicht gibt? Das ist ein offenes Problem aus der Diskus-sion der Rechtstellungskommission. Sie können dieseFrage auch nicht beantworten. Sie berührt die Frage desVerständnisses der Funktion des Parlamentspräsidenten.Sind wir der Auffassung, der Parlamentspräsident ist imWesentlichen ein Kollege, ein hervorgehobener, ein Pri-mus inter Pares, oder ist er für uns ein Vorgesetzter, derdem Einzelnen sagt, was angemessen, gerade noch ange-messen oder nicht mehr angemessen ist?
Das sind ganz grundsätzliche Fragen, die Sie in der Sa-che nicht geklärt haben, bei denen Sie aber jetzt nach au-ßen so tun, als sei das geklärt.Eine letzte Bemerkung. Die Stufenregelung, die Siebei den Einkünften vorschlagen – Sie sind davon wegge-kommen, dass die Einkünfte präzise angegeben werdensollen –, erreicht ihr Ziel nicht. Sie erreichen mit diesemVorschlag keinen Gewinn an Transparenz für die Bürger;denn die Bürger können aus der Eingruppierung in dieStufen nichts erkennen. Hinzu kommt, dass diese Stu-fenregelung verfassungsrechtlich problematisch ist. Daswissen auch Sie. Aber Sie ignorieren die verfassungs-rechtlichen Bedenken.
Darum kündige ich für unsere Fraktion an: Wir wer-den in der nächsten Legislaturperiode versuchen, erneuteinen Konsens zu erreichen. Wir werden den Faden wie-der aufnehmen und versuchen, einen Kompromiss zu er-zTtstdturWnSrDSbsBsrebHluFmtARShSSAvdd
ir wollen die Verantwortung für das Parlament wahr-ehmen.Eine allerletzte Bemerkung. Mit Ihnen, Herr Kollegechmidt, hätte unsere Fraktion eine solche Regelung er-eichen können.
ass diese nicht erreicht worden ist, bedauern wir in derache. Wir wollen in der für Sie vielleicht letzten De-atte damit gleichzeitig unsere Wertschätzung Ihrer Per-on gegenüber gerne zum Ausdruck bringen.Besten Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Volker Beck,
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Kollege Röttgen, ich muss Ihre Vorwürfe, wasowohl das Verfahren als auch den Inhalt angeht, zu-ückweisen. Wir hatten die Diskussion über die Neben-inkünfte von Abgeordneten zur Jahreswende. Wir ha-en sechs Monate in unterschiedlichen Gremien diesesauses – in der Geschäftsführerrunde, in der Rechtstel-ungskommission, im Geschäftsordnungsausschuss –nter Heranziehung von Verfassungsrechtlern über dieserage intensiv diskutiert. Wir haben wirklich versucht,it Ihnen zusammen zu einer Reform zu kommen.Es ist ganz offensichtlich, dass es in diesem Haus un-erschiedliche Haltungen zu dieser Thematik gibt. Imntrag der FDP wird davon gesprochen, die heutigeechtslage sei ausreichend. Ich gestehe zwar zu, dassie zu dieser Frage eine andere Haltung haben. Aber ichabe bis heute noch nicht verstanden, welche Haltungie eigentlich einnehmen.
ie halten ein bisschen mehr Transparenz für notwendig.ber Sie haben kein Konzept für die Verhaltensregelnorgelegt, in denen nach unserer gesetzlichen Regelungie wesentlichen Pflichten und die Veröffentlichungsmo-alitäten, die jetzt neu geschaffen werden, niedergelegt
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17401
)
)
Volker Beck
sind. Mit dem Abgeordnetengesetz ermächtigen wir unsim Wesentlichen selber, diese Pflichten im Detail imRahmen der Verhaltensregeln zu konkretisieren.Ich kann nicht erkennen, wie Sie mehr Transparenzüber das heute bestehende Recht hinaus herstellen wol-len. Ich habe nur verstanden, dass Sie damit einverstan-den sind, dass zu Unrecht erlangte Vermögensvorteile anden Bundestagspräsidenten abgeführt werden müssen.Aber dann hört es mit der Gemeinsamkeit schon auf.Nach der Diskussion, die wir um die Jahreswendehatten und die dem Ansehen des Hohen Hauses bei denMenschen draußen enorm geschadet hat, sind wir in derPflicht, die Unabhängigkeit des Mandates durch Trans-parenz zu sichern.
Es ist nicht anrüchig, wenn jemand neben dem MandatGeld verdient. Er soll es aber sagen und der Bürger solles erfahren. Ende der Durchsage. Wer sein Geld wert ist,der braucht das Licht der Öffentlichkeit nicht zu fürch-ten. Denn wir schützen die Abgeordneten sowie ihr Le-bens- und Arbeitsumfeld mit der stufenweisen Veröf-fentlichung.
Nicht die absoluten Zahlen, wie sich das viele von unsgewünscht hätten, sondern nur drei Stufen werden veröf-fentlicht.
Daran können die Bürgerinnen und Bürger ablesen, wel-che ökonomische Bedeutung die Wahrnehmung desMandates für den Abgeordneten hat und welche ökono-mische Bedeutung die Tätigkeit neben dem Mandat fürihn hat. Daraus können sich die Bürgerinnen und Bürgerje nach Einzelfall – es wird ja auch veröffentlicht, woherdie Einnahmen des Abgeordneten kommen – ein Bilddarüber machen, ob in bestimmten Debatten die Mei-nung dieses Abgeordneten womöglich durch seine wirt-schaftliche Tätigkeit beeinflusst ist oder ob sein Handelnim Wesentlichen dem Auftrag seiner Wählerinnen undWähler entspricht. Es können Nachfragen gestellt wer-den, die der Abgeordnete beantworten darf.Ich stelle für unsere Fraktion klar: Niemand will dieNebentätigkeit von Abgeordneten als Freiberufler, alsUnternehmer oder im Rahmen eines Autorenvertragesins schiefe Licht rücken. Das ist völlig okay. Deshalbmüssen diese Tätigkeiten nicht verheimlicht werden.Man muss auch nicht so tun, als ob diese Tätigkeiten et-was Anrüchiges seien, was niemand erfahren dürfe.Ich denke, wir sollten darüber eine ehrliche Debatteführen. Wir sollten den Bürgern sagen, was wir nebenhertun. Wir müssen womöglich manchmal auch die Fragebeantworten, wofür wir noch Zeit haben. Ich finde, dieBürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf,dies zu erfahren. Sie schicken uns in dieses Parlamentudads–stiDsdgAHvanHdwAQdt–Wgk
Das müssen Sie schon aushalten. – Ich bin der Auffas-ung, dass das Mandat in der Tat im Mittelpunkt der Tä-gkeit des Abgeordneten stehen sollte.
a bin ich in bester Gesellschaft mit dem Bundesverfas-ungsgericht.
Herr Kollege Beck, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Fricke?
Mit Vergnügen.
Herr Kollege Beck, Sie haben gerade die Äußerung
emacht, dass der Bürger wissen muss, wie viel Zeit der
bgeordnete für sein Mandat verwendet.
eißt das, dass eine Familienmutter oder ein Familien-
ater, die bzw. der schlicht mehr Zeit für seine Kinder
ufbringt als jemand, der keine Kinder hat, Ihrer Mei-
ung nach ein schlechterer Abgeordneter ist?
err Beck, sind Sie der Meinung, dass die Frage der Zeit
ie Frage der Qualität ersetzt?
Herr Kollege Fricke, das will ich Ihnen gerne beant-orten.
n diesem Punkt geht es nicht um Quantität, sondern umualität,
arum, ob im Mittelpunkt der Tätigkeit des Abgeordne-en tatsächlich sein Mandat steht.
Gestehen Sie mir zu, dass jetzt überwiegend ich dasort zur Beantwortung der Zwischenfrage Ihres Kolle-en habe, Frau Laurischk.Ich bin der Meinung, dass im Mittelpunkt die Tätig-eit des Abgeordneten stehen muss, es daneben weitere
Metadaten/Kopzeile:
17402 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
Volker Beck
Tätigkeiten geben kann und dass seine privaten Ver-pflichtungen außer Frage stehen. Ein guter Familienva-ter bzw. eine gute Familienmutter ist sicher ein Ausweisvon Verantwortlichkeit und Vorbildlichkeit, was dasMandat eher ziert, als dass es zum Nachteil gereicht.
– Bleiben Sie bitte bis zum Ende der Beantwortung ste-hen!Ich finde schon, dass sich die Bürgerinnen und Bürgerein Bild darüber machen sollen, wie viel Zeit Abgeord-nete für ihr Mandat verwenden. Mir ist im Ausschussschon passiert, dass mir Abgeordnete sagten: AmMontag einer Sitzungswoche ist mit mir keine Aus-schussanhörung zu vereinbaren, weil ich irgendwann jaauch Geld verdienen muss. – Diese Nebentätigkeitsab-geordneten sind mir ein Dorn im Auge,
weil sie die parlamentarische Beratung und die Qualitätder Arbeit dieses Hauses beeinträchtigen. Wenn sich dieBürgerinnen und Bürger von dem Handeln der Abgeord-neten ein Bild machen können, dann ist dies kein Scha-den für dieses Haus und diese Demokratie, sondern einGewinn.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Jörg van Essen, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Beck, dass Ihnen Kollegen, die einen Berufhaben, ein Dorn im Auge sind, dafür habe ich bei Ihremberuflichen Vorleben, das, wenn ich richtig gelesenhabe, im Wesentlichen aus einem nicht abgeschlossenenStudium besteht, Verständnis.
Genau damit ist nämlich der Finger in die Wunde ge-legt. Kollege Röttgen hat zu Recht darauf hingewiesen,dass die größte Bedrohung für die Unabhängigkeit einesAbgeordneten die Frage seiner Berufsfähigkeit ist. Wernämlich nichts anderes als Politik gelernt hat, wer direktnach dem abgebrochenen Studium in die Politik gegan-gen ist, wird sich an das Mandat klammern. Er wird allesmitmachen, was ihm insbesondere von der Fraktionsfüh-rung zugemutet wird.
Genau das ist der Abgeordnete, den wir nicht brauchen.aKBldtWtmmkdwuwwwattbwWSsnddRtlembIgaSndWaw
ir lassen auch diejenigen, die den Mittelstand vertre-en, in den parlamentarischen Beratungen zu Worte kom-en und bringen damit deren Erfahrungen in die Debatteit ein.
Fast alle derjenigen Kollegen, die aus diesem Bereichommen, haben gesagt: Offenlegungspflichten führenazu, dass wir unserer wirtschaftlichen Tätigkeit – dennir haben auch eine soziale Verantwortung gegenübernseren Mitarbeitern – nicht gerecht werden können,eil unsere Konkurrenten ablesen können, wie unsereirtschaftliche Situation ist. Damit haben wir erheblicheirtschaftliche Nachteile. – Ich erinnere daran, dass dasuch die soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbei-ern, die von diesen Kolleginnen und Kollegen beschäf-igt werden, berührt.
Wir sind offen in die Beratungen gegangen. Wir ha-en das auch deutlich gemacht. Wir haben gesagt, dassir die Regeln, die wir haben, grundsätzlich gut finden.ir haben mit eigenen Beiträgen, zum Beispiel beimanktionenrecht, deutlich gemacht, dass wir durchausehen, wo nachgebessert werden kann.Was Sie ursprünglich vorgeschlagen haben, wirdicht einmal den Mindeststandards eines rechtlichurchgreifenden Verfahrens gerecht. Beispielsweise hater Aspekt der Verjährung bei Ihnen überhaupt keineolle gespielt. Auch das hat deutlich gemacht, dass zu-rifft, was der Kollege Röttgen gesagt hat: dass Sie popu-istisch etwas erreichen wollen, aber keine Lösung, dieiner rechtlichen Nachprüfung standhält.Den wesentlichen Grund, weshalb wir nicht zustim-en können, hat Professor Waldhoff in einem wirklicheeindruckenden Gutachten deutlich gemacht.
hr Sachverständiger, Professor Meyer, hat gesagt, Ab-eordnete könnten sich in ihrem Amtsverhältnis nichtuf Grundrechte berufen.
ie haben deutlich gemacht, dass Sie dessen Meinungicht teilen, aber bis heute nicht klar gemacht, wie Sieie verfassungsrechtlichen Bedenken von Professoraldhoff widerlegen wollen. Er hat uns gesagt – das istuch die Auffassung meiner Fraktion –, dass unüber-indbare verfassungsrechtliche Hindernisse insbeson-)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17403
)
)
Jörg van Essendere aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht,aber auch aus Art. 12, sowohl hinsichtlich der Abgeord-neten wie auch dritter Personen, etwa steuerlich gemein-sam veranlagter Ehegatten und Geschäftspartner, dage-gen sprechen, diese Offenlegungsregeln so umzusetzen,wie Sie es tun.Es gibt bei uns eine Bereitschaft zur Transparenz. Sieist in der Politik wichtig. Aber es gibt bei uns keine Be-reitschaft, Grundrechte von Abgeordneten nicht zu wah-ren.
Diese Grenze haben wir gesehen. Deshalb können undwerden wir nicht zustimmen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Erika Simm, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich habe meinen vorbereiteten Redetext beiseite gelegtund will mich, um nicht endlos immer dieselben Dingezu wiederholen – was schon in der ersten Lesung gesagtworden ist, was der Inhalt des Gesetzes ist –, darauf be-schränken, auf ein paar Dinge einzugehen, die hier ge-sagt worden sind.Herr Röttgen hat sich zwar dagegen verwahrt, aberletztlich hat er doch einen Widerspruch zu uns aufge-baut, indem er die Notwendigkeit der Berufsfähigkeitdes Abgeordneten betont hat. Herr Röttgen, da sind wiruns völlig einig. Gerade wenn man so lange hier ist, wieich das bin, lernt man im Laufe der Zeit, welchen Unter-schied es macht, ob jemand mit einer gestandenen Be-rufserfahrung oder sozusagen als Lernender in jeder Be-ziehung hier anfängt. Wer beruflichen Erfolg und einegewisse Vororientierung mitbringt, hat auch ein gewis-ses Selbstbewusstsein, was die Sachentscheidungen an-geht. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Da sindwir uns einig. Das kann eigentlich niemand vernünfti-gerweise anders sehen. Natürlich sollen auch junge Ab-geordnete in den Bundestag. Bei der Diskussion sollteaber bedacht werden, unter welchen Voraussetzungen siehier schwerste Entscheidungen zu treffen haben.Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten die Konsens-suche abgebrochen.
Ich sehe das nicht so.
WsdndsvLIlbzdwmstsnOuzdssesRSkstnLuuodDwsbhgmdmb
etztlich müssen wir entscheiden, wie weit wir uns innsere Karten schauen lassen wollen, ob wir bereit sind,nsere Verhältnisse teilweise bis ins Persönliche gehendffen zu legen, und wo wir, von den persönlichen Be-ürfnissen ausgehend, die Grenze ziehen und sagen:iese Sphäre ist grundgesetzlich geschützt.Ich denke, das ist uns mit diesen beiden Gesetzent-ürfen gelungen. Wir haben vernünftig und richtig ent-chieden. Mit unserer Entscheidung kann jede Seite le-en: sowohl die Bürger, die ein Informationsinteresseaben, als auch die Abgeordneten, denen einige Offenle-ungspflichten zugemutet werden.
Bevor meine Redezeit abgelaufen ist, möchte ichich gerne bei Ihnen bedanken. Es könnte sein, dassies meine letzte Rede in diesem Hause war. Daheröchte ich, insbesondere aus Anlass dieses Gesetzge-ungsverfahrens, die Gelegenheit wahrnehmen, mich
Metadaten/Kopzeile:
17404 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Erika Simmganz herzlich – sowohl grundsätzlich als auch in diesemZusammenhang – zu bedanken für die durchaus kontro-verse Diskussion und die dennoch kollegiale Zusam-menarbeit, die es uns ermöglicht hat, heute die abschlie-ßende Beratung durchzuführen. Ich wünsche Ihnen fürIhr weiteres politisches Leben, aber auch für die Ent-scheidungen, die Sie treffen werden, weiterhin allesGute.
Das Wort hat Dr. Gesine Lötzsch.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine Damen und
Herren! Ich bin Abgeordnete der PDS.
Der vorliegende Gesetzentwurf schafft mitnichten
den gläsernen Abgeordneten. Er ist eher so etwas wie ein
Milchglasgesetzentwurf. Die Abgeordneten sollen ihre
monatlichen Einkünfte in drei Einkommensstufen ver-
öffentlichen: Die erste Stufe betrifft Einkommen von
1 000 Euro bis 3 500 Euro monatlich, die zweite Stufe
Einkommen bis 7 000 Euro monatlich und die dritte
Stufe Einkommen über 7 000 Euro monatlich.
Ein Beispiel: Wenn diese Regelung für Vorstände von
börsennotierten Unternehmen gelten würde, dann käme
Herr Ackermann mit einem Gehalt von über
10 Millionen Euro in die dritte Stufe: Einkünfte über
7 000 Euro. Wir sind uns doch hoffentlich alle einig: In
diesem Haus lässt sich niemand für 7 000 Euro be-
stechen. Herr Pfahls von der CDU hat diese Latte bei
seinen Gefälligkeiten im Rahmen der Panzerexportge-
schäfte schon vor Jahren, als er noch Rüstungsstaats-
sekretär war, viel höher gelegt.
Aber warum in die Vergangenheit sehen?
Ich habe gelesen, dass der Abgeordnete Riesenhuber von
der CDU in acht Aufsichtsräten sitzt: Beim Pharmakon-
zern Altana bekommt er 75 000 Euro, bei Vodafone
60 000 Euro und bei Henkel rund 50 000 Euro im Jahr.
Auch er kommt diesem Gesetzentwurf zufolge in die
dritte Stufe: Einkünfte über 7 000 Euro.
Warum kann man diese Angaben nicht eins zu eins im
Handbuch des Deutschen Bundestages und im Internet
veröffentlichen?
Wenn es zum Beispiel um den Anteil der Pharmaindus-
trie an der Finanzierung der Gesundheitsreform geht,
wäre es doch gut, wenn die Öffentlichkeit wüsste, wie
s
b
w
o
H
i
2
J
r
u
M
k
d
k
N
e
l
R
l
d
l
u
C
I
d
h
d
N
h
D
u
t
s
g
h
w
i
N
n
r
h
n
v
S
eine Kollegin Petra Pau und ich haben alle unsere Ein-
ünfte veröffentlicht. Wir haben abgeschlossene Stu-
ien, wir haben Berufserfahrung. Wir haben trotzdem
eine Nebenjobs und wir werden auch in Zukunft keine
ebenjobs annehmen. Denn wir sind der Meinung, dass
in Bundestagsabgeordneter – im Landtag mag das viel-
eicht anders sein – seine ganze Kraft braucht, um die
egierung zu kontrollieren und den Auftrag seiner Wäh-
er zu erfüllen. Wer meint, dass er auch als Minijobber
en Wählerauftrag erfüllen kann, sollte das seinen Wäh-
erinnen und Wählern vor der Wahl recht deutlich sagen
nd mit den Reaktionen leben.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch glaube, man sollte in dieser Debatte noch einmal anen Ausgangspunkt erinnern, warum wir uns seit einemalben Jahr mit dieser Materie befassen: Auslöser waras Verhalten von mehreren Landtagsabgeordneten iniedersachsen und in Nordrhein-Westfalen – deren Ver-alten wäre schon nach den Regeln, die wir bisher beimeutschen Bundestag haben, nicht möglich gewesen –nd das Fehlverhalten eines SPD-Bundestagsabgeordne-en, der hinreichend abgestraft worden ist: Er mussteein Mandat niederlegen.Es stimmt nicht, was der Kollege Wilhelm Schmidtesagt hat: dass wir bisher kein Sanktionssystem gehabtätten. Deswegen muss man an dieser Stelle sagen, dassir schon bisher ein sehr weitgehendes Regelinstrumentn den Fragen der Nebentätigkeiten und der Anzeige vonebeneinkünften hatten. Im Übrigen – daran sei auchoch einmal erinnert – haben wir erst vor knapp drei Jah-en die Regeln dramatisch verschärft, im Zusammen-ang mit der Hunzinger-Affäre, die nicht von irgendei-em Oppositionspolitiker ausgelöst worden war, sondernon einem grünen Bundestagsabgeordneten und einemPD-Bundesminister.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17405
)
)
Dr. Peter RamsauerDas waren doch nicht wir, es waren Rot und Grün, diedie Hunzinger-Affäre ausgelöst haben, die auch zuRücktritten geführt hat.
Aber wo man etwas verbessern kann, wollen wir nichtim Wege stehen. Deswegen haben wir uns in den letztenMonaten konstruktiv daran beteiligt, zu noch besserenRegeln zu kommen. Ich möchte für meine Fraktion nocheinmal sagen: Ich bin froh um jeden, der neben demMandat auch noch den Kontakt zum Beruf hält. Ich sagedas deshalb, weil gerade wir in der CDU/CSU-Fraktioneine Reihe von ganz jungen Abgeordneten haben. Wennwir denen die Möglichkeit verbauen würden, noch nebendem Mandat im Deutschen Bundestag beruflich tätig zusein, würden wir diesen jungen Abgeordneten ein riesi-ges Stück Lebensperspektive wegnehmen, was wir nichtwollen und was wir nicht können.
Für mich waren bei irgendwelchen Neuregelungenimmer drei Kriterien wichtig: erstens die rechtlichenSchranken einer Neuregelung, zweitens die Frage, ob dieNeuregelung ehrlich ist und mehr Transparenz bringt,und drittens die Frage, ob sie auch praktizierbar ist.Zum ersten Kriterium, zu den rechtlichen Schranken,möchte ich ein Wort aufgreifen, das der rechtsberatendeProfessor Meyer, der für Rot-Grün tätig war, uns immergesagt hat
und was jetzt die Grundlage dieser Neuregelung gewor-den ist: dass Abgeordnete grundrechtslose Staatsfunk-tionäre sein sollen. Ich sehe mich nicht als grundrechts-losen Staatsfunktionär und keiner in meiner Fraktionwill sich so sehen. Aber Sie sehen sich offensichtlich sound das ist die Grundlage dieser Neuregelung.
Ich wehre mich auch dagegen, dass in dieser Weise indie Rechte Dritter eingegriffen wird. Denn das, wasdurch die Veröffentlichungsregeln an minimaler, schein-barer zusätzlicher Transparenz gewonnen wird, rechtfer-tigt noch lange nicht derart massive Eingriffe in dasRecht Dritter auf informationelle Selbstbestimmung.
Ich fand es auch entlarvend und beschämend, dass aufentsprechende Fragen in der Rechtstellungskommissionvon Ihnen – von SPD und Grünen und Ihren Beratern –die Antwort kam: Wenn jemand in einer Personengesell-schaft nicht will, dass sein Name in der Nähe dessen ei-nes Abgeordneten steht und in sein Recht auf informa-tionelle Selbstbestimmung eingegriffen wird, dannkFojdBt–suudcgsAnrddobfWvwdebrwdLniFnwMR
ei einem solchen Verständnis ist man weit in Absurdis-an und der Spaß hört auf.
Kollege Schmidt, Sie wissen, dass es genau so war. Siechütteln wahrheitswidrig den Kopf. Es war genau sond ist in den Protokollen entsprechend nachzulesen.Zum zweiten Kriterium. Diese Neuregelungen sindnehrlich, weil sie nur Scheinaktivitäten gegenüberer Öffentlichkeit darstellen und kein bisschen zusätzli-he Transparenz induzieren. Diese Klassen- bzw. Kate-orieeinteilung ist völlig irreführend und ohne jede Aus-agekraft. Was soll das über irgendwelchebhängigkeiten aussagen? Prägungen und Interessenge-eigtheiten kommen überwiegend aus ganz anderen Be-eichen: dem Beruf, der Erziehung, der Familie, den Tra-itionen und vor allen Dingen auch den Ehrenämtern,ie mit einer Bezahlung von irgendwelchen Honorarender Gehältern nun wirklich überhaupt nichts zu tun ha-en. Das hat in vielen Fällen bis jetzt schon dazu ge-ührt, dass manche ihre Ehrenämter niedergelegt haben.ir singen hier das Hohelied der Ehrenämter und dannergällen Sie sie unseren Kolleginnen und Kollegen,eil jeder damit in den Verdacht gerückt wird, dass erurch das Ehrenamt derartig interessengeneigt ist, dassr im Parlament nicht mehr unabhängig abstimmt.
Wer Abgeordnete will, die keine Prägungen mehr ha-en, der muss sich einen geklonten Retortenparlamenta-ier schaffen, der vom Hörsaal direkt in den Plenarsaalechselt und dort wieder unter Quarantäne gestellt wird,amit er ja keinen praktischen Bezug mehr zum realeneben hat. Diesen wollen wir doch alle miteinandericht.
Zum dritten Kriterium, der Frage, ob es praktikabelst. Wir haben in der Rechtsstellungskommission eineülle von Fragen im Hinblick auf die Praktikabilitäticht zu Ende diskutiert. Es ist nicht zu Ende diskutiertorden, welches Einkommen angegeben werden soll.eine einfache Frage an SPD und Grüne sowie an denechtsberater lautet: Welches Einkommen soll
Metadaten/Kopzeile:
17406 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Peter Ramsauerbeispielsweise ein Landwirt angeben? Ein Landwirt hatnicht einmal nach dem Erntedankfest des laufenden Jah-res Sicherheit darüber, welches Einkommen er hat. Erweiß es selbst dann noch nicht.Dann hat es geheißen, die Einkommensteuererklärungsolle man hilfsweise heranziehen.
– Frau Präsidentin, könnten Sie diese heulende Meutebitte mal zur Ruhe bringen, damit sie aufmerksam ist?
Herr Kollege Ramsauer, ich wollte Sie eigentlich auf
die Zeit aufmerksam machen. Sie haben überzogen.
Ich bin auch gleich am Schluss meiner Argumenta-
tion.
Nein, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen,
Herr Ramsauer.
Eine Einkommensteuererklärung hilfsweise heranzu-
ziehen, ist deshalb unsinnig, weil die letzte rechtskräf-
tige, nicht angefochtene und nicht mehr vorläufige Er-
klärung womöglich zehn bis 15 Jahre alt sein kann.
Welchen Informationswert soll das dann noch haben?
– Doch, da sieht man mal wieder die mangelnde Sach-
kenntnis bei Ihnen. – Was ist etwa mit einem Unterneh-
mer, der seinem Unternehmen nichts entnimmt? Ich
könnte noch vieles mehr anführen.
Herr Kollege Ramsauer.
Meine Damen und Herren, Sie spannen unzählige
neue Fallstricke für unsere Kolleginnen und Kollegen
auf, wenn dieses Regelwerk in Kraft tritt. Es ist kein gu-
ter, sondern ein miserabler Gesetzentwurf. Es ist keine,
wie der Kollege Schmidt gesagt hat, klare und saubere
Neuregelung. Deshalb können wir diesen beiden Pake-
ten auf gar keinen Fall zustimmen.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.FeoeGzusssbscGSgvuGWwSnFfgdCmsntdsDttaleg1)
nd Marco Wanderwitz.1)Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Ge-chäftsordnung empfiehlt unter Buchstabe a seiner Be-chlussempfehlung auf Drucksache 15/5846, den Ge-etzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ichitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-chussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-hen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Deresetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit dentimmen der Koalition bei Gegenstimmen der FDP, eini-en Gegenstimmen aus der CDU/CSU und Enthaltungenon Kollegen der CDU/CSU angenommen.Dritte Beratungnd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-urf ist damit in der dritten Beratung mit demselbentimmenverhältnis wie in der zweiten Beratung ange-ommen.Abstimmung über den Entschließungsantrag derraktion der FDP auf Drucksache 15/5869. Wer stimmtür diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dage-en? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist miten Stimmen der Koalition bei Enthaltung der CDU/SU, Gegenstimmen der FDP und einigen Gegenstim-en aus der Union abgelehnt.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-chusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsord-ung auf Drucksache 15/5846 zu dem Antrag der Frak-ionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen mitem Titel „Änderung der Geschäftsordnung des Deut-chen Bundestages – Verhaltensregeln für Mitglieder deseutschen Bundestages“. Der Ausschuss empfiehlt un-er Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den An-rag auf Drucksache 15/5698 in der Ausschussfassungnzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-ung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-mpfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Ge-enstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:Erste Beratung des von den AbgeordnetenWolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, ThomasStrobl , weiteren Abgeordneten undder Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent- Anlage 4
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17407
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnerwurfs eines Gesetzes über die Warndatei
– Drucksache 15/5333 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussRechtsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeClemens Binninger, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Meine Damen und Herren!
Bei dem Thema Warndatei, über das wir heute sprechen,geht es um eine wirkungsvolle Maßnahme zurBekämpfung schwerwiegender Verbrechen. Es gehtum die Bekämpfung des Menschenhandels, der Zwangs-prostitution und der illegalen Schleusung in großemAusmaß. Bei all diesen Deliktsformen machen sich or-ganisierte Tätergruppen das Nichthandeln einer Regie-rung, schlechte Gesetze und schlechte Erlasse in hohemMaße zunutze, indem sie die Delikte unmittelbar bege-hen und so in diesem Land in einem hohen Maße krimi-nelle Energie verbreiten.Angesichts dessen, was diese Bundesregierung zurBekämpfung dieser Delikte bisher getan hat, muss mansagen: Das ist erschreckend wenig. Ganz im Gegenteil:Sie hat mit einer schlechten Erlasslage, der Verweige-rung von sinnvollen Maßnahmen und anderen Dingensogar eher dazu beigetragen, dass die Zahl dieser Deliktezunimmt. Das ist keine verantwortliche Sicherheitspoli-tik. Das ist zum Nachteil der Sicherheit unseres Landesund verantwortungslos.
Um ins Detail zu gehen, muss man mit der Erlasslagevon Außenminister Fischer beginnen. Er hat dazu bei-getragen, dass Touristenvisa quasi nicht mehr geprüftwurden oder die Prüfung so lasch war, dass jeder, derhierher kommen wollte, ins Land gelangen konnte. Da-mit verbunden sind eine hohe Kriminalitätsrate, eineenorme Anzahl von illegal Eingeschleusten und – dassind die Opfer – eine beträchtliche Zahl von jungenFrauen, die zur Prostitution gezwungen wurden. Diesegrüne Erlasslage war ein Weckruf für die organisierteKriminalität.
– Herr Kollege Montag, da Sie dazwischenrufen, mussich Ihnen sagen: Alle Sicherheitsbehörden dieses Landesbeschreiben dieses Phänomen genau so und bestätigenedEBcPsanDefsdceVwhwnaawwtluemawrmn–mbdgm
Hinzu kommt, dass alle sinnvollen Anregungen zurinrichtung einer Warndatei abgebügelt wurden.Ich will einige Beispiele nennen: Da meldet sich dieotschaft aus Minsk, Weißrussland, und sagt: Wir brau-hen dringend eine Datei, um erkennen zu können, woersonen immer wieder als Einlader auftreten, die offen-ichtlich keine Touristen im Blick haben, sondern ganzndere Dinge erreichen wollen. Wir können diese Perso-en aber nicht erfassen, weil es uns verboten wird, eineatei zu führen. – Dann sagt die Botschaft in Minsk ininem wirklichen Hilfeschrei: Wenn wir das nicht dür-en, dann fragen wir uns, warum wir uns überhaupt Vi-astellen leisten. – Was haben Sie nach diesem Hilferufer Botschaft aus Minsk getan? Nichts.Der Botschafter aus Bangkok schreibt, er könne Si-herheitsbehörden bei Anfragen nach so genannten Viel-inladern, die immer wieder junge Frauen unter demorwand einladen, Tänzerinnen, Künstlerinnen oderen auch immer beschäftigen zu wollen, diese dann aberier zur Prostitution zwingen, keine Hinweise geben,eil er keinen Überblick habe, da er diese Personenicht speichern dürfe und gar nicht erkennen könne, werls Schleuser und Vieleinlader agiere. Der Botschafterus Bangkok schreibt an das Außenministerium: Wennir keine Datei bekommen, dann wäre es besser, wirürden die Visapflicht aufheben. – Was haben Sie ge-an? Nichts.Die gleichen Hilferufe gibt es aus dem Generalkonsu-at in Sankt Petersburg und aus den Botschaften in Kiewnd in Moskau. Das Ergebnis sind fünf Jahre Nichtstun,ine Mischung aus Ideologie, Arroganz und Ignoranz,it der Sie die Sicherheitsinteressen unseres Landes,ber auch der jungen Menschen, die hier herkommenollen, mit Füßen getreten haben. Das ist die Bilanz Ih-er Einreisepolitik und Ihrer Verhinderungspolitik.
Jetzt haben wir im Aufenthaltsgesetz eine Bestim-ung, die Sie Visadatei nennen. Die ist an und für sichicht schlecht.
Das bestreite ich nicht. Kollege Montag, Sie kennenich. Wenn ich etwas zugeben kann, dann tue ich das.
Aber ernsthaft zu sagen, dass diese Visadatei das Pro-lem lösen würde, ist wirklich grüne Selbsthypnose. Mitieser Visadatei darf eine Botschaft lediglich in ihrem ei-enen Bereich die Einlader speichern. Sie ist aber nichtit anderen Botschaften vernetzt, geschweige denn, dass
Metadaten/Kopzeile:
17408 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Clemens BinningerSicherheitsbehörden eine Abfrage machen dürften. Eshandelt sich quasi um einen isolierten elektronischenZettelkasten einer Botschaft, ohne Möglichkeit für diePolizei in Deutschland, ohne Möglichkeit für die Aus-länderbehörden, ohne Möglichkeit für andere Botschaf-ten, abzugleichen, wo immer wieder dieselben Personenals Einlader auftreten. Die Datei ist ein Placebo. Sie istwirkungslos. Deshalb bringen wir unseren eigenen An-trag zur Errichtung einer Warndatei ein.Was wir damit bezwecken wollen, ist im Prinzip ganzeinfach. Wir sagen: Wir werden diese Kriminalitätsfor-men nur dann wirkungsvoll bekämpfen und den Kampfgegen dieses Verbrechen nur dann gewinnen können,wenn wir in der Lage sind, die Erkenntnisse und die In-formationen, die vor Ort in einer Botschaft gewonnenwerden, weil immer dieselben Firmen und Personen alsEinlader auftreten – nahezu im Vierwochentakt –,schnell allen beteiligten Stellen zur Verfügung zu stellen,und zwar den Sicherheitsbehörden in Deutschland ge-nauso wie allen anderen Botschaften im Ausland. Denneines ist doch klar: Wenn eine Person, ein Straftäter odereine Organisation das Gefühl hat oder merkt, dass sie er-kannt wird, dann weicht sie als Einlader natürlich aufeine andere Botschaft aus. Dort aber weiß man nichtsvon ihr, weil die Datenbank nicht vorhanden ist, und siekann ungestört ihrem Treiben weiter frönen.Deshalb ist diese Einladerdatei, die in Ihrem Aufent-haltsgesetz enthalten ist, überhaupt nicht wirksam. Des-halb brauchen wir eine Warndatei. Wir wissen – Staats-sekretär Körper wird sicher gleich stark daraufabheben –, dass auf europäischer Ebene die Dinge vo-rangetrieben werden. Wir sagen aber: Wir können nichtlänger zuwarten. Es macht Sinn, hinterher die beiden In-strumente zusammenzuführen, aber man sollte nicht län-ger warten. Sicherheitspolitik macht man entweder ganzoder gar nicht. Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, haben sich offensichtlich für „gar nicht“ entschie-den.Danke schön.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
beim Bundesminister des Innern, Fritz Rudolf Körper.
F
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich be-danke mich für den Vorabapplaus
und will gleich einmal einen Hinweis machen. Das, wasvon der CDU/CSU-Fraktion vorgelegt worden ist, isteine alte Geschichte.
EBnetMDDitMFWz–AnkwDlmddtleuDAdwmdvggsDSf
as zeigt, dass Ihr Ansatz ein völlig falscher ist.
as sage ich noch einmal ganz deutlich und das erklärech Ihnen auch. Das haben Sie in der vorletzten Legisla-urperiode vorgelegt und es ist seinerzeit mit der breitenehrheit des Hauses – übrigens mit den Stimmen derDP – abgelehnt worden.
er sich mit diesem Vorschlag näher befasst, muss auchum dritten Mal zu einer Ablehnung kommen.
Das denke ich, weil der von Ihnen gewählte nationalensatz im Grunde genommen falsch ist.Ich habe erhebliche Zweifel, ob eine isolierte natio-ale Lösung, wie Sie sie propagieren, ihr Ziel erreichenann. Ich meine nämlich, dass dieses Ziel nicht erreichterden kann.
as heißt nicht, dass die Bundesregierung in diesen Fäl-en nicht gehandelt hat. Sie hat bereits mit dem Terroris-usbekämpfungsgesetz Maßnahmen eingeführt, dieer verbesserten Bekämpfung der illegalen Einreise undes Visummissbrauchs dienen. Von besonderer Bedeu-ung ist dabei die Umgestaltung der Visadatei des Aus-änderzentralregisters zu einer personenbezogenen Visa-rteilungsdatei, in der alle Visumanträge einer Personnd alle hierzu ergangenen Entscheidungen in einematensatz gespeichert werden.
ußerdem werden neben der Tatsache des Vorhan-enseins einer Verpflichtungserklärung und der Angabe,o sich diese befindet, bei Vorlage gefälschter Doku-ente auch Angaben zu diesen gespeichert.Ergänzend zu dem Maßnahmenkatalog ist im Zuwan-erungsgesetz die Rechtsgrundlage für die Schaffungon lokalen Einladerdateien in den Auslandsvertretun-en geschaffen worden, in die unter anderem das Vorlie-en einer Verpflichtungserklärung sowie Name und An-chrift der Referenzpersonen aufgenommen werden.abei können wir insbesondere vor dem Hintergrund derchengener Zusammenarbeit nicht bei den bereits er-olgten Maßnahmen stehen bleiben. Wie Sie wissen,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17409
)
)
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körperkönnen die Auslandsvertretungen der Schengen-StaatenVisa für kurzfristige Aufenthalte erteilen. Diese Schen-gen-Visa sind im Bereich aller Schengen-Staaten gültigund berechtigen zur Einreise in alle Schengen-Staaten.Ein Drittausländer kann also etwa mit einem italieni-schen Schengen-Visum nach Deutschland einreisen undumgekehrt. Das zeigt deutlich, dass eine isolierte natio-nale Warndatei diese Probleme nicht lösen kann.Die Bundesregierung hat sich daher unmittelbar nachden Anschlägen des 11. September 2001 für eine euro-päische Lösung eingesetzt, die auch hier angesprochenworden ist. Der nicht zuletzt aufgrund dieser Forderun-gen Ende letzten Jahres vorgelegte Entwurf der Europäi-schen Kommission für das europäische Visainforma-tionssystem sieht daher neben der Speicherung derDaten der Visumantragsteller unter anderem ausdrück-lich die Speicherung von Einladerdateien vor. Ich gebezu, dass dieser Entwurf noch hinter den Schlussfolgerun-gen des Rates der Justiz- und Innenminister der Europäi-schen Union vom Februar 2004 zurückbleibt und nochweiter bearbeitet werden muss. Es sind noch einige Er-gänzungen notwendig, um das Visainformationssystemauch zu einer Warndatei auszubauen. Daher setzt sichdie Bundesregierung in den gegenwärtigen Verhandlun-gen zum Visainformationssystem aktiv dafür ein, denUmfang der zu speichernden Daten auszuweiten, umVieleinlader- und Missbrauchsfälle auch schengenweiterkennbar zu machen und eine eigenständige Recherchenach diesen Daten zu ermöglichen. Dieser Ansatz istrichtig. Wir werden ihn auch weiterhin verfolgen undwir lassen uns von Ihnen erst recht keine Handlungsun-fähigkeit nachweisen.
Wir haben in der richtigen Art und Weise gehandelt unddas werden wir auch weiterhin tun – vielleicht viel län-ger, als es Ihnen recht ist.Schönen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Illegale Einreise, Menschenhandel und Schleuserkrimi-nalität im derzeitigen Umfang sind aus unserer Sicht– mittlerweile ist es allgemein bekannt – vor allen Din-gen auf den so genannten Fischer-Erlass und seine Fol-gen in den Jahren 1999 bis 2004 zurückzuführen.
Ich möchte jetzt gar nicht dem Untersuchungsausschussvorgreifen,dazAqudrpwaHdswdsIBgeswwWdQbd–gAsSgsDI
er Gott sei Dank noch weiter tagen darf. Vielen Dankn das Bundesverfassungsgericht und herzliches Beileidu Ihrer völlig verkehrten Einschätzung!
ber das Parlament muss aus meiner Sicht hier Konse-uenzen ziehen. Unabhängig von Neuwahlen sollten wirns heute damit beschäftigen. Ganz klar ist für die FDP,ass wir hier notwendige Maßnahmen einleiten müssen.Die rot-grüne Visavergabepraxis zog Menschen-echtsverletzungen nach sich, die uns als Bürgerrechts-artei
irklich über die Hutschnur gehen. Wir verurteilen diesufs Schärfste. An dieser Stelle erinnere ich an Frauöhn, die den berühmten Satz sagte: Frauen, insbeson-ere Prostituierte, befinden sich häufig in einer vielchlimmeren Situation, wenn sie illegal hier sind, alsenn sie ein gültiges Visum besitzen. An die Adresseer Grünen kann ich dazu nur sagen, dass es gut ist, dassie nicht mehr Ministerin ist.
ch weiß nur nicht, ob es mit meinem Verständnis vonürgerrechten vereinbar ist, wenn sie demnächst Kolle-in werden sollte. Mal sehen, was passiert.Eine wichtige Konsequenz für uns ist die Überlegung,ine internationale Warndatei, eine europäische Lö-ung in Angriff zu nehmen. Nach dem, was wir wissen,ird dies allgemein erst zum 1. Januar 2008 umgesetzterden.
eil es bis dahin noch eine lange Zeit ist, glauben wir,ass man schon heute handeln sollte. Angesichts deruantität und Qualität der hier in Rede stehenden Pro-lematik könnte die Einrichtung einer nationalen Dateiurchaus helfen.
Ich weiß, dass Sie sich freuen. Das ist mein Abschieds-eschenk an die Union zur Sommerpause.
llerdings sehen wir dies nicht kritiklos – machen Sieich keine Sorgen –; anderenfalls stünde ich nicht hier.
Wir sehen Einzelheiten Ihres Gesetzentwurfs kritisch.o wollen Sie den Personenkreis, über den dort Angabenespeichert werden sollen, sehr weit fassen. Wenn Per-onen im Rahmen des Visaverfahrens mit gefälschtematum oder gefälschten Unterlagen einreisen, gehörennformationen über sie sicherlich in eine solche Datei.
Metadaten/Kopzeile:
17410 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Gisela PiltzWir sind aber dagegen, dass Angaben über einen Einla-der, der hier für die Bonität eines Eingeladenen garan-tiert, schon dann in eine solche Datei gehören, wenn derAntrag falsch ausgefüllt worden ist,
oder dass Angaben über jemanden, der eingeladen hat, ineine solche Datei gehören, wenn der Eingeladene seinVertrauen missbraucht. Darüber werden wir jedenfallsreden müssen.
Im Übrigen sind wir erst recht dagegen, dass Angabenüber solche Leute fünf Jahre lang in einer solchen Dateigespeichert sind. Von daher werden wir Ihren Gesetzent-wurf kritisch begleiten. Aber wir halten ihn für einemögliche richtige Richtung.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar,Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! BeimRedebeitrag von Herrn Binninger ist deutlich geworden,worum es heute Abend gehen soll: Sie versuchen hierganz nebenbei, mit falschen Unterstellungen eine Visa-Auschuss-Debatte zu führen.Ich gehe in der Geschichte der Warndatei noch einStück weiter zurück, als es bisher gemacht wurde. Be-reits in der 13. Wahlperiode scheiterte Ihr damaligerBundesinnenminister Kanther – sein weiteres Schicksalist hier allgemein bekannt – mit dem ersten Entwurf ei-ner Warndatei an seinem eigenen Justizressort. Ich gehein diese Zeit zurück,
weil nach einer Aussage des Vizepräsidenten des BKAzur Wahrheit gehört, dass es in jener Zeit, als HerrKanther Bundesinnenminister war, nach der Kriminal-statistik des Bundeskriminalamtes die höchsten Zahlenim Bereich der Schleuserkriminalität und auch im Be-reich der Prostitution aus der Ukraine gab.
MsssDfwddnasvgFgDibzadbHW–AVilrswstVzIe
Sie sprechen hier dennoch ein Thema an, mit demich Rot-Grün seit 1980 durchgängig befasst hat.
iejenigen, die diese Geschichte ein bisschen mit ver-olgt haben, wissen, dass wir nicht nur damals im Zu-anderungsgesetz die Zusage gemacht haben, eine Visa-atei einzurichten, sondern dass darüber hinaus genauiese Einrichtung im Terrorismusbekämpfungsgesetz,ämlich in den Sicherheitsgesetzen von Rot-Grün, ver-nkert worden ist. All das verschweigen Sie hier. Sie tuno, als wäre in diesem Bereich nicht gehandelt worden.Es gibt einen Unterschied zwischen den Vorschlägenon Rot-Grün und dem, worauf sich Schwarz-Gelb jetztanz offensichtlich verständigen kann. Ich möchte dieDP-Fraktion einfach bitten, die Einwände des damali-en Bundesbeauftragten für den Datenschutz,r. Joachim Jacob, gegen eine zentrale Einladerdatei,n der Millionen von Datensätzen gespeichert werden, zuerücksichtigen. Er hat damals Kritik an einer solchenentralen Einladerdatei geübt, in die Angaben über jedenufgenommen werden, der irgendjemanden einlädt, deren Wunsch hat, Deutschland zu besuchen. Das würdeedeuten: Jeder, der einen Nichtdeutschen in seinemause zu Gast hat, ist verdächtig.
enn Sie diesen Weg mitgehen wollen
danke schön, FDP –, dann haben Sie schon jetzt Ihrennspruch als Bürgerrechtspartei aufgegeben.
Es steht völlig außer Frage, dass illegale Einreise undisaerschleichung bekämpft werden müssen. Deswegenst die Einrichtung einer Ortsdatei, mit der an den jewei-igen Auslandsvertretungen vernünftig gearbeitet wird,ichtig. Es ist aber nicht richtig, dass wir auf europäi-cher Ebene in einem luftleeren Raum auf irgendetwasarten. Wir haben neben dem Schengen-Informations-ystem längst ein funktionierendes Visainformationssys-em.
isa 1 arbeitet seit vielen Jahren; Visa 2 ist der Ausbauu einer weiteren Vernetzung. Insofern stimmen auchhre Zahlen nicht. Sie sollten zumindest auch dieuropäischen Berichte lesen; ich habe das getan. Die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17411
)
)
Silke Stokar von NeufornEU-Kommission hat inzwischen einen Entwurf für eineVerordnung vorgelegt, die 2006, also nicht irgendwann,in Kraft treten soll.
Meine Damen und Herren, Rot-Grün war in diesemBereich nicht untätig.
Wir haben das gemacht, was geeignet, erforderlich undnach datenschutzrechtlichen Gegebenheiten verhältnis-mäßig ist. So wollen wir auch weitermachen.
Über ein europäisches Visainformationssystem wird dieSicherheit im gesamten Schengen-Raum gewährleistet;das hat Rot-Grün zugesagt. An Ihren innenpolitischenBeiträgen merkt man immer, dass Europa an Ihnen gänz-lich vorbeigeht.
Wir werden auf europäischer Ebene in dieser Richtungverhandeln. Ihr Antrag geht in eine völlig falsche Rich-tung. Ihre Vorschläge bedeuten Datensammelwut ohneSicherheitsgewinn. Das ist reiner Populismus und so et-was machen wir nicht mit.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Zeitlmann, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Die Vorredner haben die Situation im Zusam-menhang mit der Warndatei schon deutlich beschrieben.Es gibt alte Anträge der Union, die bisher immer abge-lehnt wurden. Ich erinnere mich an eine Debatte in die-sem Hause, in der der Bundesinnenminister gemahnt hat– wohl mehr in die Richtung seiner Fraktion –, der An-satz, man könne den Visamissbrauch über eine Datei be-kämpfen, müsse zumindest geprüft werden. Da gab esziemliche Unruhe in seinen eigenen Reihen.Es kann doch überhaupt keinen Zweifel daran geben,Herr Staatssekretär Körper, dass man sich nach demMissbrauch, der jetzt durch den Untersuchungsaus-schuss so deutlich geworden ist, nicht darauf hinausre-den kann. Wir haben nach dem 11. September 2001 eineeuropäische Initiative auf den Weg gebracht, die irgend-wann zu Ergebnissen führen soll. – Sie selber haben er-klärt, im Februar 2004 habe es den letzten Austausch ge-geben. Nun schreiben wir schon 2005. Einem vor OrtaPwimsagsM§tsgswawdw–aeasssceepaddsslbmtgswwRneSnwt
Wenn es Sie beruhigt, dann bin ich konziliant.Gehen wir einmal von einem konkreten Einzelfallus. Wenn ich einen Ukrainer oder einen Weißrusseninlade, der anschließend in Deutschland einen Asyl-ntrag stellt, dann ist es für mich nicht sonderlich be-chwerlich, wenn meine Daten als Einladender – dasieht § 3 vor – gespeichert werden. Man muss doch ver-tehen, dass es durchaus berechtigt ist, Daten zu spei-hern, wenn hundertmal eingeladen und anschließendin Asylantrag gestellt wird. Beim ersten Mal mag nochine kurze Löschungsfrist gelten. Wenn aber jemandausenlos einlädt und gefälschte Unterlagen vorlegt undnschließend jedes Mal ein Asylantrag gestellt wird,ann wird deutlich – spätestens ab dem zehnten Mal –,ass es sich um etwas Organisiertes handeln muss. Wirollten der deutschen Öffentlichkeit klar machen: In die-em Haus gibt es politisch Handelnde, die unseren staat-ichen Organen die benötigten Informationen nicht ge-en wollen. Das ist der Kernpunkt. Dabei komme ichir so vor, als ob ich einen Polizisten, der einen Gangs-er verfolgen soll, auf das Fahrrad verweisen und ihm sa-en müsste: Strampel schön, dann wirst du es schonchaffen.Wenn man die Errichtung einer solchen Warndatei so-ieso irgendwann einmal auf europäischer Ebene regelnill, dann kann man schon jetzt vernünftige nationaleegelungen verabschieden. Diese können später ver-etzt werden. Aber ich bleibe dabei: In diesem Haus gibts Menschen, für die Datenerfassung das oberstechreckgespenst ist. Es ist wirklich absurd: Die Dateiach dem Aufenthaltsgesetz, die vor Ort in Kiew – odero auch immer – geführt wird, hilft natürlich nicht wei-er, wenn jemand in der Ausländerbehörde in Buxtehude
Metadaten/Kopzeile:
17412 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Wolfgang Zeitlmannbei der fünfzehnten Anfrage der gleichen Person wissenmuss, ob die vorherigen vierzehn Anträge missbräuch-lich gestellt worden sind oder nicht.Man kann unseren Gesetzentwurf sicherlich in Nuan-cen ändern. Aber man kann nicht leugnen, dass es Miss-brauch gibt, den wir auf nationaler Ebene bekämpfenmüssen. Ich stehe dazu, dass wir eine europäische Rege-lung anstreben sollten. Aber bis dahin nichts zu tun undauf einen großen Wurf auf europäischer Ebene zu wartenist nach meinem Dafürhalten der falsche Weg. Deswe-gen plädiere ich mit Nachdruck dafür, unseren Gesetz-entwurf zu prüfen und nicht von vornherein zu verdam-men.
– Beim Einbringen dieses Gesetzentwurfs war nicht ab-sehbar, dass der Innenausschuss dank Ihrer Entschei-dung, die Sie morgen zu treffen haben, vorläufig nichtmehr tagen wird. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.Wenn ich mir Ihre Aktivitäten in den letzten Tagenanschaue, die angeblich auf Basis einer nicht mehr vor-handenen Handlungsfähigkeit der Regierung beruhten,und daran denke, welche Gesetze Sie gerade heutedurchgepaukt haben, wie zum Beispiel das geänderteAbgeordnetengesetz, dann muss ich sagen, dass Sie viel-leicht auch eine Idee für eine schnelle Regelung betref-fend Sicherheit und Missbrauchsbekämpfung bei derVisaerteilung hätten haben können.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Michael Hartmann, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Schleuserkriminalität, Menschenhandel undZwangsprostitution sind widerliche und verwerflicheStraftaten, keine Frage. Sie gehen oft einher – wir wissendas – mit Visamissbrauch, mit Visaerschleichungen undmit Visafälschungen. Auch deshalb muss der Staat siemit all seinen Mitteln hart und konsequent bekämpfen.Der Aufbau einer Warndatei kann dabei eines von meh-reren probaten Mitteln sein, wenn das Ganze richtig ge-macht wird und wenn Datenschutz und rechtsstaatlicheLiberalität dabei gewährleistet bleiben. Genau deshalbist der Vorschlag der Union aus unserer Sicht untauglich.Ich möchte das hier gern im Lichte der heutigen Debattebegründen:Erstens. Nach unserem gemeinsamen Willen – HerrZeitlmann, da hat auch Ihr Lavieren eben nichts mehrgenützt – werden wir diese Legislaturperiode infolge desmorgigen Beschlusses beenden. Jetzt sind wir in der ers-ten Lesung dieses Entwurfs. Was soll eigentlich darauswgwkg–mmtdhTas–lntswoacdIwwAsnlIswemudwBd
Man kann Vorlagen auf die Tagesordnung setzen undan kann sie auch von der Tagesordnung herunterneh-en. Herr Binninger, Sie werden staunen. – Wollen Sieatsächlich etwas bewirken oder wollen Sie mit Blick aufen kommenden Wahlkampf einfach nur Fensterredenalten? Ich bin jedenfalls der Meinung, dass dieseshema zu wichtig und zu ernst ist, als dass man es hierls Spielmaterial behandeln darf.
Zweitens. Der Versuch, den 2. Untersuchungsaus-chuss schon jetzt, während er noch tagt, zu bewertenin den Worten von Herrn Binninger ist das sehr deut-ich geworden; darüber freuen Sie sich wie die Kinder;ach Ihrem Wunsch soll dieser Ausschuss noch weiteragen –, ist ungut. Herr Binninger, wenn Sie schon wis-en, was erst noch festgestellt werden muss, dann hättenir den Ausschuss beenden können. Also: entweder soder so, meine Damen und Herren.Drittens. Dadurch, dass Sie dieses Gesetz hier erneutuf die Tagesordnung bringen, verhalten Sie sich abspra-hewidrig. Wir haben uns bei den Verhandlungen überas Zuwanderungsgesetz nämlich geeinigt, dass Sie Ihrenitiativen zurückstellen,
eil wir gemeinsam auf eine europäische Initiativearten wollen.
uch nach unserem Willen soll es eine Warndatei geben;innvoll ist ein Einsatz dieser Datei unserer Meinungach aber nur im Schengen-Raum. Alles andere ist näm-ich kriminaltechnisch sinnlos. Wie Sie wissen, gibt esnitiativen des Bundesinnenministers, auf die der Staats-ekretär zum Teil bereits hingewiesen hat. Beispiels-eise gibt es Bestrebungen, ein Visainformationssysteminzurichten – ich erinnere an all die Ziele, die wir ge-einsam zu erreichen versuchen –,
nd dieses System soll bis Ende 2006 angewandt wer-en.Ihr nationales Modell könnte nicht früher angewendeterden und würde uns wegen der damit verbundenenegrenzung – Herr Kollege Binninger, wir wissen esoch beide durch den Untersuchungsausschuss – rein gar
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17413
)
)
Michael Hartmann
nichts nützen. Deshalb ist nur ein Datenabgleich imSchengen-Raum sinnvoll und deshalb muss es – hörenSie zu; vielleicht ist das für Sie ganz interessant – eineAntragsteller- und Einladerdatei geben. Eine Warndateiist sinnvoll. Das Visashopping muss bekämpft werden.
Bundesinnenminister Schily hat übrigens bereits einenBrief in diesem Sinne an Frattini gerichtet, der Ihnenebenfalls bekannt sein dürfte.
Neu und originell ist Ihr Vorschlag ohnehin nicht. Es istder dritte Aufguss. Der schmeckt wirklich nicht mehr.
Wir sollten deshalb versuchen, das zu bewerten vor demwahren Hintergrund, vor dem Sie das betreiben, und vorallem vor dem Hintergrund dessen, was Sie anstreben.Frau Piltz hat freundlicherweise schon eine kleineMorgengabe der FDP avisiert, eine halbe, ein Vierteloder ein Achtel Zustimmung – so klar ist mir das nichtgeworden – zu dem, was Sie jetzt wieder eingebracht ha-ben, was Sie 1997 eingebracht haben und was innerhalbder Regierung abgelehnt wurde, was Sie 1999 vorgelegthaben und wieder abgelehnt wurde. Sie haben keinewahren Partner für das, was Sie wollen.Aus der Debatte, die 2000 geführt wurde, will ich je-manden zitieren, der unverdächtig ist, sozialdemokrati-sches Gedankengut besonders zu forcieren, nämlichGuido Westerwelle. Frau Piltz, Herr Westerwelle hat am11. Mai 2000 gesagt:Sie haben einen außergewöhnlich schlechten Vor-schlag gemacht. Er war in der alten Legislatur-periode schlecht und seine Umsetzung ist deswegendamals vom Bundesjustizministerium und vomBundesdatenschutzbeauftragten verhindert wor-den. Sie wird auch hier, soweit ich das sehe, von al-len Fraktionen, mit Ausnahme der CDU/CSU-Frak-tion, verhindert werden und das ist gut so. Sie sindmit diesem Entwurf ziemlich alleine.Herr Westerwelle hat weiter gesagt:Sie müssen endlich in der modernisierten, globali-sierten Welt ankommen. Sie können mit solchenwirtschaftsfeindlichen Gesetzesinitiativen keinenHund mehr hinterm Ofen hervorlocken.Wo er Recht hat, hat er Recht.
– Warten wir doch einmal ab, wie das Spiel weitergeht!ROeIlcDwEeüwndD
hr Problem ist: Sie haben keine Themen in der Innenpo-itik, weil wir das Richtige und Notwendige schon ma-hen.
as haben wir bisher getan und das werden wir aucheiter tun.
s gibt keinen Änderungsbedarf in der Innenpolitik unds gibt keinen Änderungsbedarf in der Bundespolitikberhaupt.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 15/5333 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.ann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a und 12 b auf:a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-neten Joachim Stünker, Christine Lambrecht,Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten undder Fraktion der SPD sowie den AbgeordnetenJerzy Montag, Volker Beck , IrmingardSchewe-Gerigk, weiteren Abgeordneten und derFraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur No-vellierung der forensischen DNA-Analyse– Drucksache 15/5674 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 15/5857 –Berichterstattung:Abgeordnete Joachim StünkerDr. Jürgen GehbJerzy MontagJörg van Essenb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Rechtsausschusses zudem Antrag der Abgeordneten Jörg van Essen,
Metadaten/Kopzeile:
17414 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerGisela Piltz, Rainer Funke, weiterer Abgeordne-ter und der Fraktion der FDPDNA-Reihentests auf sichere Rechtsgrund-lage stellen– Drucksachen 15/4695, 15/5857 –Berichterstattung:Abgeordnete Joachim StünkerDr. Jürgen GehbJerzy MontagJörg van EssenNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Parla-mentarische Staatssekretär der Justiz, AlfredHartenbach.A
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Die DNA-Analyse ist ein bewährtes und äußerst er-folgreiches Ermittlungsinstrument. Wir haben inDeutschland schon heute eine hohe Aufklärungsquote,die wir zu einem nicht geringen Teil der DNA-Analyseverdanken. Das gilt gerade für Kapitalverbrechen wieMord und Totschlag mit einer Aufklärungsquote von96 Prozent und für Sexualdelikte mit einer Aufklärungs-quote von 83 Prozent. Gerade in diesen Fällen könnendie Täter häufig aufgrund der genetischen Spuren über-führt werden.Mit unserem Gesetzentwurf werden wir das Instru-mentarium der DNA-Analyse weiter verbessern. Wirwerden Rechtsunsicherheiten, die in der Praxis aufgetre-ten sind, beseitigen und den Ermittlungsbehörden klareund übersichtliche Regelungen an die Hand geben. Dazugehören ein sachlich abgestuftes System der Richtervor-behalte, aber auch die Erweiterung des Einsatzspektrumsder DNA-Analyse.Wir werden heute die parlamentarischen Beratungenmit großer Mehrheit für unseren Entwurf abschließenkönnen. Ich begrüße es sehr, auch deshalb, weil sich dieOpposition hier einmal ihrer Verantwortung stellt
– einmal! – und sich pragmatisch verhält. An Ihrem Ab-stimmungsverhalten will ich Sie heute messen, lieberNorbert Geis, besser nicht an Ihren Reden.
Was bringen die neuen Regelungen? Erstens. Wirwerden den Richtervorbehalt für die molekulargeneti-sche Untersuchung von Spuren streichen und damit derPraxis die Arbeit erleichtern.Zweitens. Auch bei der Einwilligung der betroffenenPersonen wird keine gerichtliche Entscheidung mehr er-forderlich sein. Außerdem wurde das bisher von den Ge-richten sehr unterschiedlich gehandhabt. Auch hier wer-den wir für Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sorgen.RkriWddrslg–mDaBirdzhmb–gStssSbaaliwwwvdideRuEdm
Gut gemacht, sehr schön. Man muss ja ab und zu ein-al die eigenen Leute aufwecken.Viertens. Schon heute kann bei jeder Straftat eineNA-Analyse vorgenommen werden. Es dürfen Spurenm Tatort analysiert werden und es darf die DNA deseschuldigten untersucht werden. Nicht ganz so einfachst es, wenn es darum geht, ob das DNA-Identifizie-ungsmuster eines Beschuldigten abgespeichert werdenarf, damit es Polizei und Staatsanwaltschaft auch fürukünftige Verfahren zur Verfügung steht. Wir werdenier die Möglichkeiten für die Ermittlungsbehördenaßvoll erweitern. Die Speicherung ist zukünftig auchei Beschuldigten zulässig, die wiederholt Straftatenauch von jeweils nicht erheblicher Bedeutung – began-en haben oder diese voraussichtlich begehen werden. Damit bleiben der einfache Ladendieb und derchwarzfahrer bei der Speicherung außen vor. Aber wirragen kriminologischen Erkenntnissen Rechnung. Dieagen uns, dass in massiver Weise vorgehende Sexual-traftäter ihre kriminelle Karriere oftmals mit einemtreifzug quer durch das Strafgesetzbuch begonnen ha-en. Insoweit gleichen wir das Recht der DNA-Analysen die Praxis der erkennungsdienstlichen Behandlungn. Denn beim Ladendieb oder Schwarzfahrer wird in al-er Regel auch kein Fingerabdruck genommen. Nur innsgesamt circa 12 Prozent aller Ermittlungsverfahrenird diese daktyloskopische Ermittlungsmethode ange-andt.Ich weiß, dieser Gesetzentwurf geht der Union nichteit genug. Sie fordern immer noch die Gleichstellungon DNA-Analyse und daktyloskopischem Fingerab-ruck. Damit hatte die Union nicht einmal in dem vonhr dominierten Bundesrat Erfolg. Sie wissen genau,ass eine schwarz-gelbe Regierung hier genauso wenigtwas zustande bringen würde wie anderswo in derechtspolitik, weil Sie meilenweit auseinander liegennd nicht handlungsfähig wären.
s ist schön, meine lieben Kollegen von der CDU/CSU,ass Sie aus Ihrer eigenen Not nunmehr eine Tugendachen und diesem Gesetz zustimmen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17415
)
)
Parl. Staatssekretär Alfred HartenbachJetzt liegt es am Bundesrat, den erfolgreichen Ab-schluss des Gesetzgebungsverfahrens nicht zu torpedie-ren. Angesichts der heutigen Beschlüsse der Justizminis-terkonferenz sage ich jedoch sehr eindringlich: Sie– Komma –, die Länder, brauchen dieses Gesetz.
– Nein, das Komma habe ich deinetwegen diktiert, damitdu einmal etwas zu lachen hast. – Sie brauchen dieses Ge-setz, denn die Polizei und die Justiz müssen damit arbei-ten. Deshalb rufe ich den Justizministerinnen und -minis-tern zu
– der Länder, natürlich –: Reizen Sie nicht zu hoch!Noch einmal solch ein Entgegenkommen wie beimLauschangriff erscheint mir eher unwahrscheinlich. Wasdann im nächsten Jahr sein wird, das wissen nicht einmaldie Götter.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Gehb, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachden fulminanten Lesebeiträgen vom KollegenHartenbach steht so ein bescheidener Mensch wie ichimmer mit zittrigen Knien an diesem Pult. Am Anfangmusste der Kollege Hartenbach ja fast um Beifall bet-teln, am Ende hat er in seinem Redemanuskript sogar dieKommata mit vorgelesen.Wer hätte am Anfang des Jahres gedacht, dass wirheute, am 30. Juni, die vermutlich letzte rechtspolitischeDebatte in dieser Legislaturperiode führen würden?
Nun will ich heute nicht Bilanz ziehen. Auch sie wirdkommen und sie wird auch auf dem Gebiet der Rechts-politik jämmerlich ausfallen. Aber heute wollen wir unsmit der forensischen DNA-Analyse beschäftigen. DerenVerlauf und Debatte steht beispielhaft – um es lateinischzu sagen: pars pro toto –
für Ihre übrigen rechtspolitischen Maßnahmen. Es isteinmal wieder eine Last-Minute-Aktion.
hnlich wie bei den Themen Graffiti und der nachträgli-hen Sicherungsverwahrung wird jahrelang – nichtahr, Herr Montag – unsere Auffassung verteufelt, umann ganz zum Schluss schnell auf den Zug aufzusprin-en,
obei trotzdem hinter den guten Lösungen zurückge-lieben wird.Der DNA-Analyse, Herr Staatssekretär, werden wireute in der Tat zustimmen, aber nicht, weil wir dasental vollkommen schätzen würden. Mich rief gesternin Journalist an und war ganz verwundert, dass wir zu-timmen wollen.
em habe ich erklärt: Warum sollen wir einer halbgutenösung die Zustimmung verweigern, wenn sie immeroch besser ist als das, was wir im Moment haben?
ennoch werden wir die optimale Lösung nicht aus demuge verlieren. Kein Polizist, kein Staatsanwalt, keinpfer, kein Angehöriger eines Opfers könnte es verste-en, wenn wir ihm jetzt diesen Spatz in der Hand ver-eigern wollten, weil wir auf die Taube auf dem Dachchauen.
Meine Damen und Herren, ein paar Einzelheiten. Denichtervorbehalt für die Überprüfung anonymen Mate-ials, den Sie erst vor wenigen Jahren gegen jede Ver-unft eingebracht haben – wir haben uns hier wie soäufig, Herr Montag, gestritten –, heben Sie endlich auf,eil kein Richter dieser Welt wüsste, unter welchen Vor-ehalt er eine Untersuchung von anonym gefundenematerial stellen sollte. Das ist ja der Grundrechtsschutzro anonymis. Das wäre vollkommen abwegig. Zu Rechtird das nach langen Jahren geändert; es ist ein Luxus,en wir uns nicht mehr leisten können.Dafür führen Sie jetzt den Richtervorbehalt bei Mas-entests wieder ein, obwohl das freiwillig geschieht.uch dazu wieder etwas Lateinisches: Volenti non fit in-ria. Dem Freiwilligen geschieht doch gar kein Unrecht.as soll, wenn sich jemand freiwillig speichern lässt,in Richter anordnen? Welcher Vorbehalt soll da Sinnachen?Schließlich zur DNA-Informationsspeicherung.iese wiederum machen Sie jetzt von Tatbestandsmerk-alen abhängig, die mir erst einmal jemand erklärenuss.
as Bundesverfassungsgericht hat gesagt: bei einer er-eblichen Vortat.
Metadaten/Kopzeile:
17416 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Jürgen GehbHerr Montag hat das hier immer vollmundig betont. Nunsagt er: Wiederholte nicht erhebliche Vortaten könntenbei der Gesamtschau einer erheblichen Vortat gleichge-stellt werden.
Das wird jetzt noch mit einer Prognoseentscheidung desRichters gepaart, ob diese Person in Zukunft vielleichtnoch 24-mal schwarzfahren wird.
So ein Unfug.Da ist unsere Regel doch ganz einfach: Der geneti-sche Fingerabdruck soll dem klassischen gleichgestelltwerden. Sie selber, Herr Staatssekretär, lieber Alfred, ha-ben eben gesagt, dass wir nur in 12 Prozent aller Fälleerkennungsdienstliche Maßnahmen haben. Wir wollendoch nicht von jedem Ladendieb den Fingerabdrucknehmen.
Das geschieht auch jetzt nicht. Da gibt es doch gar kei-nen Unterschied.Wie eine Monstranz trägt man immer die schrecklicheVision vom gläsernen Menschen vor sich her. Aber dieseDNA-Analyse gibt doch keine Aufschlüsse über irgend-welche Erbkrankheiten oder schlechte Veranlagungen,sondern dient lediglich der Identifikation. Jede Blut-probe bei einer Trunkenheitsfahrt könnte bei böswilligerAusnutzung der forensischen Mediziner zu viel schlim-meren Dingen missbraucht werden. Also malen Sie dochnicht immer eine solche Horrorvision an die Wand!
– Da bin ich sprachlos. Das ist selten bei mir. Sich einenso intelligenten Zwischenruf von einem so intelligentenAbgeordneten – ausgerechnet von Ihnen den Begriff Ge-netik – anhören zu müssen, das ist schon wirklichschmerzensgeldbewehrt.
Lieber Herr Staatssekretär, zum Schluss noch eineversöhnliche Note. Wir wollen eine suboptimale Lösungnicht verhindern; denn sie ist immer noch besser als das,was vorher war. Wir werden aber dennoch nicht müdewerden, dafür zu kämpfen, dass sich die besseren Rege-lungen durchsetzen werden. Sie wissen ja: Das Bessereist der Feind des Guten.
– Herr Stünker, Sie haben nachher Gelegenheit, daraufzu antworten. Es wird für Sie aber schwierig werden;denn Sie können Ihr vorgeschriebenes RedemanuskriptnvöcreOdduDnsnLIgbSBzmlDSBwediwkhDg
aher will ich auch sagen: Diese Methode dient nichtur dazu, Täter zu überführen, sondern auch dazu, un-chuldig Verdächtige zu entlasten.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächster Redner ist der Kollege Jerzy Montag, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ieber Herr Kollege Gehb, wieder einmal haben Sie mithrem Beitrag ein Wechselbad der Gefühle bei mir aus-elöst. Ich freue mich immer, wenn Sie frei reden. Daselustigt, das erfrischt und erfreut uns alle. Bei einematz dachte ich: Jetzt hat er es verstanden.
eim nächsten Satz dachte ich: Jetzt fällt alles wiederusammen. Ich werde also versuchen, es Ihnen noch ein-al zu erklären.Wir haben vor zwei Jahren mit der Reform hinsicht-ich der DNA-Analyse im Strafprozess begonnen.
enn wir haben vor zwei Jahren die DNA-Analyse imtrafverfahren ausgeweitet, indem wir sie einerseits zurestimmung des Geschlechts erlaubt haben und indemir sie andererseits bei allen Straftaten gegen die sexu-lle Selbstbestimmung ermöglicht haben.Wir haben aber gleichzeitig den Richtervorbehalt,ie richterliche Überprüfung dieses wichtigen Eingriffsn das informationelle Selbstbestimmungsrecht ausge-eitet, indem wir im Gesetz festgehalten haben, welcheonkreten Prüfungsschritte der Richter zu unternehmenat, wenn er eine solche Analyse und Speicherung deraten anordnet.Nach zwei Jahren setzen wir die Reform in der richti-en Weise fort. Herr Gehb, Sie haben völlig Recht
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17417
)
)
Jerzy Montag– auch der Herr Staatssekretär Hartenbach hat dies be-tont; ich schließe mich im Namen der Grünen dieserPosition ausdrücklich an –: Die DNA-Analyse und dieSpeicherung der digitalisierten Merkmale, die zur Auf-klärung zukünftiger Straftaten genutzt werden können,sind ein modernes, effektives und zielsicheres Werkzeugin den Händen der Ermittlungsbehörden. Dieses Mittelist geeignet, sowohl Schuldige zu überführen als auchUnschuldige in Verdachtssituationen zu entlasten.Aber auch wenn man erkennt, dass es sich um einsehr effektives und modernes Instrument in den Händender Polizei handelt, darf man nicht vergessen, dass esnach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts und nach unserer festen Überzeugung immer nochein tief greifender Eingriff in das informationelleSelbstbestimmungsrecht ist.
Deswegen muss es bei allem Fortschritt und bei allerModernität rechtsstaatlich begrenzt und in rechtsstaatli-chen Grenzen eingeführt werden. Eine dieser Grenzenist, dass es grundsätzlich beim Richtervorbehalt bleibenmuss. Deswegen verbietet sich jede populistische Forde-rung nach einer Gleichstellung des genetischen Finger-abdrucks mit dem herkömmlichen Fingerabdruck.
Eine Gleichstellung würde nichts anderes bedeuten, alsdass man auf den Richtervorbehalt verzichten würde.Das wollen wir nicht und das werden wir auch nicht tun,weil es nicht verfassungsgemäß wäre.Wir wollen allerdings in den Fällen, in denen die Be-schuldigten in eine solche Speicherung einwilligen – dahaben Sie Recht –, keine richterliche Überprüfung. Manbraucht sie auch nicht bei einer Hausdurchsuchung undeiner Beschlagnahme, wenn eine Einwilligung des Be-schuldigten erfolgt.Herr Kollege Gehb, es ist aber ein Unterschied, ob Sieso etwas bei einem Beschuldigten machen oder ob Sieein Massenscreening, eine Reihenuntersuchung, durch-führen, in die alle Betroffenen, und zwar Hunderte undmanchmal sogar Tausende, einbezogen werden. Wirmeinen allerdings – und ich bin froh, dass Sie dem Ge-setzentwurf trotz Ihres verbalen Widerspruchs zustim-men –, dass wir da einen Richtervorbehalt brauchen.
Deswegen haben wir ihn hier auch eingeführt. Wir habenganz klar geregelt, nach welchen Kriterien eine Reihen-untersuchung zu geschehen hat. Ich glaube, die Praxiswird uns dankbar sein, dass wir das geregelt haben, weildamit die Rechte und die Pflichten aller Betroffenen ge-klärt sind.Wir haben – da gebe ich Ihnen unumwunden Recht –eine Sache rückgängig gemacht, die im Jahre 2001 ausmir nicht ganz nachvollziehbaren Gründen eingeführtworden ist. Der Richtervorbehalt bei der Untersuchunganonymer Spuren geht deswegen ins Leere, weil sich dieGkskliisHdSsdgdvFnaMTHkibmklr–AhzefrrDdts
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael
erwiesche, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Staatssekretär Hartenbach, lassen Sie michurz auf einen Satz von Ihnen eingehen. Sie haben ebenn Ihrer Rede die Handlungsfähigkeit einer zukünftigenürgerlichen Koalition im Bereich der Strafverfolgungit den Worten bezweifelt, dass es hier wahrscheinlicheine Handlungsfähigkeit geben werde. Dass das mög-ich sein wird, werden wir Ihnen ab Oktober demonstrie-en.
Herr Montag, immer schön mit der Ruhe.Ich stelle für die FDP-Fraktion fest, dass die DNA-nalyse im Strafverfahren ein Erfolgsmodell ist undeute zur Bekämpfung der Kriminalität leider unver-ichtbar ist. Denn jeder Täter muss damit rechnen, dassr früher oder später aufgrund einer DNA-Analyse über-ührt wird. Aus Sicht der FDP ist es daher legitim, da-über nachzudenken, ob es angezeigt ist, eine Erweite-ung der DNA-Analyse vorzunehmen. Denn in alleniskussionen zu diesem Thema hat die FDP deutlicharauf hingewiesen, dass sich die Vorschläge zur Erwei-erung der DNA-Analyse im Rahmen dessen halten müs-en, was verfassungsrechtlich zulässig ist,
Metadaten/Kopzeile:
17418 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Michael Terwiescheund zwar aus folgendem Grund – Herr Montag, Sie ha-ben es eben schon betont –: Das Bundesverfassungsge-richt hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dassdie Feststellung, die Speicherung und die künftige Ver-wendung des DNA-Identifizierungsmusters in das vomGrundgesetz verbürgte Grundrecht auf informationelleSelbstbestimmung eingreifen.
Zu Recht sieht daher die Strafprozessordnung hohe Hür-den für die Speicherung genetischer Daten vor. Des-wegen sagt das Bundesverfassungsgericht, dass bislangnur Daten von denjenigen Personen erfasst werden dür-fen, die eine Straftat von erheblicher Bedeutung began-gen haben.Die Koalition schlägt nun in ihrem Gesetzentwurfvor, dass auch die Speicherung von Wiederholungs-taten zuzulassen ist, wenn sich aus der Gesamtschau derTaten eine erhebliche Bedeutung für die Strafbarkeit er-gibt. Diese Aufnahme von Wiederholungsstraftaten gehtuns zu weit.
Wenn man sich den Wortlaut genau anschaut – sehen Siesich das bitte einmal an –, dann kommt man zu dem Er-gebnis, dass damit auch Bagatellstraftaten umfasst wer-den, wenn sie wiederholt begangen werden. Herr Staats-sekretär Hartenbach, darunter fallen, wenn man denWortlaut ernst nimmt, auch die von Ihnen erwähnten ein-fachen Ladendiebstähle. Das wollen wir als FDP nicht.Ich sage das ganz deutlich.
Meine Damen und Herren, der Wortlaut sieht einederartige Begrenzung ausdrücklich nicht vor.
– Unrechtsgehalt kann auch durch die Wiederholung derStraftaten begründet werden; erstes Semester Strafrecht.
– Erstes Semester. Bitte aufpassen im Studium!
Es ist damit mehr als fraglich, ob eine solch weit-gehende Regelung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatzentspricht. Denn dieser Grundsatz – ich habe es ebenausgeführt – muss aufgrund der Rechtsprechung desBundesverfassungsgerichtes gewahrt werden.l„rBIwggjdsesvldnwdwsWvvnPWgaZgsDwTMeE
s ist meine erste Rede.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17419
)
)
Herr Kollege, wenn jeder Kollege im Deutschen Bun-
destag seine Redezeit verdoppeln würde, würde es ein
bisschen viel.
Frau Präsidentin, ich komme gleich zum Schluss.
Der frühere, gesetzlich nicht geregelte Zustand war
aus unserer Sicht unerträglich. Daher haben wir bereits
zu Beginn des Jahres einen entsprechenden Antrag vor-
gelegt, in dem wir konkrete Forderungen aufgestellt ha-
ben: die Forderung nach einer richterlichen Anordnung;
die Forderung, dass zu löschen ist, wenn die Daten für
das Anlassstrafverfahren nicht mehr notwendig sind.
Dies ist auch im Gesetzentwurf enthalten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zusam-
menfassen: Für die FDP-Fraktion enthält dieser Gesetz-
entwurf sowohl positive als auch negative Elemente. Wir
werden uns daher der Stimme enthalten.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Terwiesche, Sie haben selber schon da-
rauf hingewiesen: Sie sind für den Kollegen Pinkwart
nachgerückt. Es war Ihre erste Rede im Deutschen Bun-
destag. Ich gratuliere Ihnen recht herzlich und wünsche
Ihnen noch viele Reden in diesem Hohen Hause, aber
mit der herzlichen Bitte verbunden, sich dann an die Re-
dezeit zu halten. Herzlichen Glückwunsch!
Das Wort hat der Kollege Joachim Stünker, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Dem jungen Kollegen von der FDP-Fraktion kann ichnur sagen: Gut gebrüllt, Löwe. Es würde Spaß machen,mit Ihnen Rechtspolitik zu betreiben. Bleiben Sie alsohier. Sollte ich Ihnen heute allerdings etwas Böses wün-schen, wäre dies, dass Sie in der nächsten Legislatur-periode zusammen mit Ihrem Kollegen Gehb in einerKoalition Rechtspolitik machen müssen.
Wie Sie das auf die Reihe kriegen wollen, kann ich mirnämlich nicht vorstellen.
– Ja, Sie helfen dann und die FDP fällt wieder um; daskennen wir ja schon.
ddgadsWWLDul–bLdvmknbBSGGddmwsrwösdGaddwWFwhalalsw
Nun noch etwas anderes: Beim vorletzten Tagesord-ungspunkt, über den wir diskutiert haben – unserer De-atte über die Offenlegung der Nebentätigkeiten vonundestagsabgeordneten –, hat das informationelleelbstbestimmungsrecht des Einzelnen aus Art. 2 desrundgesetzes eine große Rolle gespielt. Herr Kollegeehb, ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Sensibilität,ie die Redner aus Ihren Reihen bei diesem Thema ein-rucksvoll bewiesen haben, auch hinsichtlich des infor-ationellen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen,enn es um die einzelnen Mitglieder der Zivilgesell-chaft geht, an den Tag gelegt hätten und dass Sie aufhö-en, die Ordnung der Freiheit – das ist für Sie ja mittler-eile schon ein Begriff geworden – immer nurkonomisch, letztlich aber nicht im Sinne der Zivilge-ellschaft zu definieren.
Lassen Sie mich, da zum vorliegenden Gesetzentwurfas meiste schon gesagt worden ist, noch etwas zurleichstellung mit dem so genannten normalen Finger-bdruck, den jeder kennt, sagen. Ich habe ein bisschenen Eindruck, dass all diejenigen den Gesetzentwurf,en sie bekämpfen und den wir heute verabschiedenollen, nicht richtig oder nicht zu Ende gelesen haben.ie ist das denn mit dem ganz normalen biologischeningerabdruck, den wir kennen? Zu dieser Frage habenir uns eine Auskunft des Bundeskriminalamts einge-olt. Nun wissen wir, dass die Polizei bei 12,7 Prozentller Tatverdächtigen in der Bundesrepublik Deutsch-and anordnet, diesen Abdruck zu nehmen. Wenn es sichlso um 12,7 Prozent handelt, bedeutet das, dass bei al-en straftatverdächtigen Personen eine Prognoseent-cheidung getroffen wird, ob dieser Fingerabdruck not-endig ist oder nicht.
Metadaten/Kopzeile:
17420 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Joachim StünkerDiese Prognoseentscheidung – das kann man in ein-zelnen Handbüchern nachlesen – lernt ein Polizist in derAusbildung. Die Maßnahme muss zulässig, notwendigund verhältnismäßig sein. Hier spielen Überlegungeneine Rolle, ob es sich um gewerbs- oder gewohnheitsmä-ßige Täter handelt, ob Rückfallgefahr besteht, wie oft einTäter bereits polizeilich in Erscheinung getreten ist undwie schwer die zugrunde liegende Straftat war.
Somit ist ersichtlich, dass diese Anordnung nicht in je-dem Fall und nicht bei jedem Ersttäter erfolgt.
Wenn wir die Prognoseentscheidung angesichts derGewichtigkeit des Eingriffes in die DNA-Struktur perGesetz regeln – mehr haben wir nicht getan – und diewiederholte Begehung einfacher Straftaten mit einer er-heblichen Straftat gleichstellen, dann haben wir im Er-gebnis nichts anderes getan – denken Sie einmal darübernach –, als diese Regelung umzusetzen. Das Einzige,was uns dabei noch unterscheidet – darum verstehe ichdie Justizminister der Länder nicht mehr –, ist: Wir sa-gen, dass es im Regelfall bei der richterlichen Anord-nung bleiben muss. Dazu kann ich nur sagen: So vielRechtsstaat muss sein und so viel Rechtsstaat muss blei-ben.
Das können Sie ja wohl nicht ernsthaft anders wollen.Von daher kann ich nur hoffen, dass die Länder die Re-gelung, die wir hier gemeinsam verabschieden werden,nicht wieder im Bundesrat blockieren; denn das wäreschlecht für Deutschland.Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Norbert Geis, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! In der Tat, Herr Montag, wir werden HerrnStünker zustimmen. Das ist, wenn ich die Reihen über-blicke, auch Ihr Glück; denn sonst hätten Sie heute eineNiederlage zu erwarten.
Aber das wäre ja vielleicht mit Blick auf morgen garnicht so schlecht.lffFkesbsd–nzdPnBdaszvTllStamhWvgzgavügwmevlza
Gut, das ist ja noch besser; dann stimmt meine An-ahme ganz und gar.
Das Beispiel Moshammer zeigt, dass wir ganz schnellu einer Feststellung des Täters kommen können, undas ist wichtig für eine effektive Strafverfolgung: Derrozess kann schneller beginnen und das Urteil kannach einem Zeitraum gesprochen werden, in dem dieevölkerung noch Kenntnis von der Tat hat. Das ist wie-erum wichtig für das Ansehen der Strafjustiz. Es istber auch wichtig für die allgemeine präventive Ab-chreckungswirkung des Strafrechtes.Zugleich ist es von großer Bedeutung für den poten-iellen Täter selbst; das ist heute überhaupt noch nichtorgetragen worden. Denn in dem Augenblick, wo deräter annehmen muss, dass er irgendeine Spur hinter-ässt – und das muss er immer annehmen; wahrschein-ich ist es völlig ausgeschlossen, den Tatort ohne einepur zu verlassen –, und wenn er weiß, dass sein Identi-ätsmuster gespeichert ist, dann muss er eigentlich davonusgehen, dass er entdeckt werden wird. Der Täter küm-ert sich nicht um Normen, die im Strafgesetzbuch ste-en. Für ihn ist allein von entscheidender Bedeutung:erde ich entdeckt? Das Entdeckungsrisiko hält ihnielleicht davon ab, ein Verbrechen zu begehen. Deswe-en sind die DNA-Analyse und eine größtmögliche An-ahl von Speicherungen in der Zentraldatei ein hervorra-endes Verbrechensbekämpfungsmittel. Es hält davonb, ein Verbrechen zu begehen. Es hat eine große prä-entive Bedeutung, die man meines Erachtens nichtbersehen darf: Wenn der Täter Gefahr läuft, seine Tatewissermaßen im Scheinwerferlicht zu begehen, dannird er sie vielleicht unterlassen, wenn er noch einiger-aßen bei Verstand ist.Nun stellt sich die Frage, warum es in diesem Gesetz-ntwurf immer noch so hohe Hürden gibt. Es ist schonorgetragen worden: aus Furcht vor der völligen Durch-euchtung des Probanden, aus Angst davor, es könneum gläsernen Menschen kommen. Diese Furcht istber nicht begründet;
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17421
)
)
Norbert Geisdenn wir haben inzwischen ganz klare technische Mög-lichkeiten, um lediglich die Identifizierungsmerkmaleherauszufiltern und in Form einer simplen Zahlenreihezu speichern. Aus dieser Zahlenreihe einen Rückschlusszu ziehen auf die Erbanlagen des Betroffenen oder po-tenzielle Krankheiten ist völlig unmöglich. Deswegen istder genetische Fingerabdruck nichts anderes als der tra-ditionelle Fingerabdruck, der daktyloskopische Finger-abdruck, wie es fachmännisch heißt.
Aus diesem Grund haben wir kein Verständnis dafür– das können wir auch nicht haben –, dass Sie angesichtsder Tatsache, dass dies eines unserer besten Verbre-chensbekämpfungsmittel überhaupt ist, so zögerlich da-mit umgehen. Das muss ich auch der FDP vorwerfen.Das Verfassungsgericht hat sein Urteil zu einem Zeit-punkt gefällt, als die Sicherheit, dass nur eine simpleZahlenreihe gespeichert wird, noch nicht gegeben war.
– Nein, diese Sicherheit war noch nicht in dem Umfanggegeben. – Wenn diese Sicherheit nicht gegeben wäre,dann müsste ich Ihnen Recht geben, dann wäre dieswirklich ein tiefer Eingriff in das Recht auf informatio-nelle Selbstbestimmung. Da aber der genetische Fin-gerabdruck nach meiner festen Überzeugung kein größe-rer Eingriff ist als der traditionelle Fingerabdruck,
kann ich Ihr Verhalten und Ihre Argumentation nichtverstehen. Das Lichtbild, das bei erkennungsdienstlichenMaßnahmen traditioneller Art gemacht wird, sagt vielmehr über den Charakter aus als der genetische Finger-abdruck.
Deswegen meine ich, dass es von entscheidender Be-deutung ist, die Möglichkeiten, die die DNA-Analysezur Verbrechensbekämpfung bietet, eines Tages besserauszuschöpfen, als dies derzeit und auch nach dieser Ge-setzesvorlage der Fall ist.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende. – Wir haben drei Schritte ge-
macht: 1997 haben wir die DNA-Analyse eingeführt.
2002 haben wir sie erweitert. Jetzt werden wir sie noch-
mals erweitern; deswegen stimmen wir auch zu. Ich
denke, in einem letzten, vierten Schritt werden wir die
Gleichstellung erreichen, die die JUMIKO heute gefor-
dert hat. Das ist unser Ziel.
Danke schön.
F
e
r
d
n
d
L
B
M
n
G
d
c
s
m
b
d
u
G
W
w
n
R
A
h
s
e
a
l
e
D
a
A
k
1)
Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a sei-er Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5857, denesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, dieem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-hen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-etzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-en von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSUei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen auser FDP angenommen.Dritte Beratungnd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –er stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-urf ist damit in dritter Beratung mit demselben Ergeb-is wie in zweiter Beratung angenommen.Tagesordnungspunkt 12 b: Beschlussempfehlung desechtsausschusses auf Drucksache 15/5857 zu demntrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „DNA-Rei-entests auf sichere Rechtsgrundlage stellen“. Der Aus-chuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschluss-mpfehlung, den Antrag auf Drucksache 15/4695bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-ung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-mpfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/ie Grünen und CDU/CSU bei Gegenstimmen der FDPngenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Finanzausschusses zudem Antrag der Abgeordneten MichaelKretschmer, Ernst Hinsken, Dr. Peter Ramsauer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUMineralölsteuerentwicklung und Tanktouris-mus– Drucksachen 15/4387, 15/5612 –Berichterstattung:Abgeordnete Ingrid Arndt-BrauerOtto BernhardtNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höreeinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Anlagen 5 und 6
Metadaten/Kopzeile:
17422 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerIch eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeDr. Peter Ramsauer, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Der Tanktourismus ist einmustergültiges Beispiel dafür, wohin es führt und zuwelchen ökonomischen Deformationen es kommt, wenngrüne ideologische Verbohrtheit zur Grundlage von Poli-tik gemacht wird.
Man muss sich schon der Folgen bewusst sein, dieman mit seiner Politik herbeiführt. Mir liegt ein handge-schriebener Hilferuf eines Tankstellenbetreibers vor, derfür sich spricht und den ich Ihnen nicht vorenthaltenmöchte. Die Vertreterin der Bundesregierung – geradekommt die Frau Staatssekretärin beim Bundesfinanzmi-nisterium herein – sollte sich das ganz genau anhören.Hier heißt es:Der Tanktourismus wird immer dramatischer. Sokann es nicht weitergehen. Die heimischen Tank-stellen gehen kaputt und niemand kümmert sich da-rum. 20 bis 25 Cent pro Liter ist der Sprit in Öster-reich billiger. Wir haben seit dem 1. Januar 200380 Prozent und mehr an Kunden verloren. So darfund kann es einfach nicht weitergehen. Deshalbmeine Bitte an die CDU/CSU: Lasst uns nicht imStich!Angesichts dieses Briefes – er steht stellvertretend füreine Vielzahl von mittelständischen Existenzen – ist esmehr als zynisch, dass eine SPD-Bundestagsabgeordneteaus Bayern gesagt hat, sie könne das Gejammere nichtmehr hören. Sie hat hinzugefügt: Diese Diskussion istkleinkariert. – Wer diese Entwicklung so charakterisiert,geht mit dem Schicksal der Menschen in verantwor-tungsloser Weise um.
Es ist auch nicht gerade glaubwürdig, dass nachge-wiesenermaßen eine Reihe von SPD- und Grünen-Kom-munalpolitikern, beispielsweise in meinem Wahlkreis,dadurch Steuerflucht betreiben, dass sie nach Salzburg,nach Österreich zum Tanken herüberfahren. Liebe FrauStaatssekretärin Hendricks, Sie sollten sich einmal mitdieser Art von Steuerflucht Ihrer Koalitionsfreunde aus-einander setzen.
Die Preisdifferenz liegt bei Superbenzin bei 20 bis25 Cent pro Liter. Wir als CDU/CSU warnen seit vielenJahren vor dieser Entwicklung. In der ersten Zeit hat unsdie Bundesregierung nicht folgen wollen. Dann ist daseingetreten, was ich in 15 Jahren Parlamentsmitglied-schaft noch nicht erlebt habe: Die Bundesregierung hatStmeJrirzwsnmlgnwAzssäittDfegzgIdA–gll
awohl, es ist richtig, dass nicht nur Tankumsatz verlo-en geht, sondern damit einhergehend auch der Umsatzn den Tankshops.Es kommt noch schlimmer: Je größer die Preisdiffe-enz geworden ist, desto mehr ist die Kaufkraft im Ein-elhandelsbereich abgeflossen. Ganze Kaufkraftströmeerden seit Jahren umgelenkt,
odass sich nicht nur der traditionelle deutsche grenz-ahe Einzelhandel, sondern auch die Großhandelsfor-en des Einzelhandels bis in den Nonfoodbereich hineinaut darüber beklagen. Jawohl – so hat diese Bundesre-ierung gesagt –, wir wissen, dass wir Existenzen ver-ichtet haben und vernichten. Jawohl – so hat sie erklärt –,ir wissen, dass damit der Verlust Zehntausender vonrbeitsplätzen einhergeht. Jawohl, wir wissen, dass in-wischen Milliarden an Steuergeldern – Körperschaft-teuer, Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatz-teuer – verloren gehen. Auf unsere Frage „Warumndert ihr nichts?“ kam immer die Antwort: weil wir ausdeologischer Überzeugung an der Ökosteuer festhal-en.
Wir als Opposition haben alle parlamentarischen Mit-el, die eine Opposition hat, restlos ausgeschöpft.
as antworte ich auch immer den Petenten, die sich hil-erufend an uns wenden. Wenn man alles ausschöpft undine Regierung sich so verbohrt jeder Änderung verwei-ert, dann liegt die Schuld an diesem Vernichtungsfeld-ug eindeutig bei der Bundesregierung und bei der rot-rünen Koalition.
ch mache Ihnen den Vorwurf und klage Sie an: Ihnen istas wirtschaftliche und soziale Schicksal der betroffenenrbeitnehmer und Unternehmer vollkommen egal.
Frau Präsidentin, schon wieder diese heulende rot-rüne Meute! Ein solches Durcheinander! Es wäre wirk-ich lohnend, sie zur Ruhe zu bringen, um mir die Mög-ichkeit des Weiterredens zu eröffnen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17423
)
)
Dr. Peter Ramsauer
Das wirtschaftliche Schicksal ist Ihnen egal. WennSie jetzt mit irgendwelchen Änderungsvorschlägen kom-men, dann ist das nichts anderes als ein ganz billigesWahlkampfmanöver. Was den Vorschlag von Wirt-schaftsminister Clement betrifft, jetzt Gegenmaßnah-men zu ergreifen, den er vor acht Tagen in Furth imWald gemacht hat, so musste er kurze Zeit später einräu-men, dass dieser mit Brüssel nicht abgestimmt war.
Herr Kollege Ramsauer, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Frau Hendricks, Sie haben selbst bestätigt, dass eine
solche Initiative im Bundesfinanzministerium nicht ge-
plant ist.
Im Übrigen findet sich selbst auf der Homepage des
Wirtschaftsministeriums kein einziger Hinweis.
Herr Kollege Ramsauer, ich sage es Ihnen noch ein-
mal: Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Diese Ersatzmaßnahmen dürfen den Blick auf das
Grundübel nicht verstellen. Das Grundübel heißt Öko-
steuer. Diese Ökosteuer gehört weg. Dann ist das Grund-
übel beseitigt und viele Existenzen sind gerettet.
Vielen herzlichen Dank.
Ich bitte die Staatssekretärin auf der Regierungsbank,
sich mit ihren Äußerungen zurückzuhalten.
Das Wort hat die Kollegin Ingrid Arndt-Brauer, SPD-
Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wir
sollten versuchen, die ganze Diskussion ein wenig sach-
licher zu führen.
D
g
–
g
E
s
1
t
E
Ö
–
R
E
e
w
b
g
s
s
a
b
I
T
ta
r
E
M
z
K
h
as fällt sehr schwer bei diesem Antrag; denn er ist ei-
entlich relativ nichtssagend.
Herr Ramsauer, ich sage es Ihnen gleich. Ich möchte
erne zu dem Antrag reden.
In diesem Antrag werden Apokalypsen aufgebaut.
s wird davon geredet, die Mineralölsteuerentwicklung
ei durch die Ökosteuer so gravierend gewesen, dass
000 Tankstellen und 5 000 Beschäftigte in ihrer Exis-
enz bedroht seien. Das steht hier als Behauptung drin.
inen Beleg dafür gibt es nicht. Sie sagen ganz klar, die
kosteuer müsse weg. Ich habe bei Ihnen vermisst
vielleicht habe ich es auch nur überhört –, was Sie den
entnern im Gegenzug als Gegenfinanzierung anbieten.
s gibt doch da ein kleines Problem. Es sind schließlich
inige Milliarden, die über diesen Umweg – das wissen
ir alle – in die Rentenkasse überführt werden. Dazu ha-
en Sie nichts gesagt, aber vielleicht kommt das noch.
Stattdessen haben Sie von einem Vernichtungsfeldzug
esprochen; ich halte diesen Ausdruck eigentlich für
ehr unparlamentarisch, aber ich kenne die Regeln nicht
o genau. Ich denke, ein Vernichtungsfeldzug ist etwas
nderes, als wenn man Leuten ermöglicht, im benach-
arten Ausland einzukaufen.
ch möchte Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass die
ankstellen nicht gerade Billigläden sind. Wer dort billig
nkt, kann nicht gleichzeitig billig einkaufen; da ist es
elativ teuer.
s wird keiner zum Einkaufen an die Tankstelle fahren.
an nimmt vielleicht etwas mit – das gebe ich gerne
u –, aber ansonsten ist das Blödsinn.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Scheuer?
Ja.
Erstens. Frau Kollegin, wissen Sie, was sich über-aupt hinter dem Modell, das Bundeswirtschaftsminister
Metadaten/Kopzeile:
17424 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Andreas ScheuerClement in Furth im Wald vor acht Tagen vorgestellt hat,verbirgt?Zweitens. Wissen Sie, dass bei einer zweistufigenÖkosteuerreduzierung – es gibt dazu ein Gutachten derUni Leipzig – der Steuerrückfluss so hoch ist, dass durchSteuerflucht verursachte Verluste im Bundeshaushaltausgeglichen werden?
Was Ihren Zwischenruf angeht, Herr Kollege, dass dieÖsterreicher auch bei uns einkaufen: Wenn Sie so übleTheorien über irgendwelche Läden aufstellen, die etwasteurer verkaufen als andere, dann sollten Sie zur Kennt-nis nehmen, dass sich die Zeiten schon lange geänderthaben und die Österreicher für die Einkäufe deutscherTouristen einen sehr guten Markt bieten.Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir auf diese bei-den Fragen – hinsichtlich des Gutachtens der Uni Leip-zig und des Modells zum Tanktourismus – eine Antwortgeben könnten. Das Finanzministerium weiß nichts vondieser Ankündigung. Was das Wirtschaftsministeriumangeht, so hat gestern der Staatssekretär Andres eine la-pidare Auskunft gegeben.
Herr Kollege, ich glaube, Sie haben Ihre Zwischen-
frage gestellt.
Danke, Frau Präsidentin. – Ich wäre Ihnen sehr dank-
bar, wenn Sie das Modell noch einmal kurz beleuchten
würden.
Das Modell haben Sie nicht näher angesprochen.
Wahrscheinlich kam es für Sie auch recht überraschend.
Es ist Ihnen auch nicht eingefallen.
Unser Wirtschaftsminister hatte vor – das ist richtig -,
für die Grenzregionen Lösungsmöglichkeiten anzubie-
ten, die EU-tauglich sind. Das ist sein gutes Recht und
vielleicht sogar seine Pflicht in diesem Job. Das Modell
funktioniert jedoch bisher nirgendwo auf der Welt. Es ist
noch eine Idee und es wird ausgiebig geprüft.
– Moment! Es gibt aber nirgendwo auf der Welt ein sol-
ches Stiftungsmodell, bei dem sich die Mineralöl-
konzerne verpflichten, einen Fonds aufzulegen und
diejenigen, die in den Grenzregionen tanken, quasi zu
bezuschussen. Das gibt es noch nicht. Das muss geprüft
werden und es wird auch geprüft. Ich denke, darüber
müssen wir heute nicht reden; denn das ist nicht die
Grundlage Ihres Antrags.
Zum nächsten Punkt: Hier wurde ausgeführt, dass die
ganze Kaufkraft abfließt, weil die Leute dort einkaufen,
wo sie tanken. Ich behaupte hingegen, dass normaler-
w
m
m
–
h
I
k
S
s
S
s
H
b
d
w
f
s
P
e
v
e
n
u
r
s
b
M
E
r
d
A
v
W
G
lä
g
Wir waren dabei, über die Abschaffung oder die Sen-
ung der Ökosteuer zu diskutieren. Ich weiß nicht, ob
ie die Standpunkte der Vorsitzenden der Ihnen freund-
chaftlich verbundenen Partei kennen.
ie hat sich eindeutig gegen die Abschaffung der Öko-
teuer ausgesprochen. Herr Seiffert ist zurückgerudert.
err Hinsken hält die Senkung immer noch für die sau-
erste Lösung; er sagt aber mit keinem Wort, wie er das
adurch entstehende Loch in der Rentenkasse stopfen
ill.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
rage des Kollegen Dr. Addicks?
Nein, ich möchte jetzt fortfahren,
onst werde ich heute nicht mehr fertig.Ich denke, wir haben eben Populismus erlebt. Diesenopulismus hätte man noch toppen können, indem manrwähnt hätte, was Sie wirklich vorhaben, statt dies zuerschweigen. Sie haben vor, die Mehrwertsteuer zurhöhen. Bedenken Sie bitte, was das für die Bürgerin-en und Bürger bedeutet, die bei uns einkaufen, tankennd ihr Leben bestreiten! Ich denke, das ist viel gravie-ender als das, was zurzeit in den Grenzregionen pas-iert.
Wir haben europäische Erfahrungen mit dem Pro-lem abgestufter Preise beim Tanken. Das italienischeodell läuft bekanntlich 2006 aus. Weil es von Nicht-U-Ländern umzingelt war, galt für Italien eine Sonder-egelung. Des Weiteren gibt es ein französisches Modell,as unterschiedliche Bezuschussungspreise vorsieht.ber auch diese sind nicht grenzlandbezogen, sondernerfolgen ganz andere Intentionen, die eher in Richtungirtschaftsförderung gehen.Ich komme aus der Region Münsterland an derrenze zu den Niederlanden. Dort kommen die Nieder-nder zu uns, um Superbenzin zu tanken, das am ver-angenen Dienstag bei uns 1,239 Euro und in den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17425
)
)
Ingrid Arndt-BrauerNiederlanden 1,385 Euro kostete. Die Niederländer sindalso zu uns gekommen.
Vielleicht haben sie auch bei uns eingekauft. Ich weiß esnicht.
Die Deutschen sind wiederum in die Niederlande gefah-ren, um Diesel zu tanken. Der Dieselkraftstoff kostetebei uns 1,089 Euro und in den Niederlanden 1,009 Euro.Es gibt also einen regen Grenzverkehr in beide Richtun-gen.Ich habe mir sagen lassen, dass im Vergleich zuÖsterreich der Preisunterschied beim Sprit ungefähr bei7 bis 8 Cent liegt. Für 7 bis 8 Cent kann man sicherlichmal eben über die Grenze fahren. Aber dass auch weitervon der Grenze entfernt liegende Regionen zum Tankenaufgesucht werden, wie Sie Ihrem Antrag schreiben,lohnt sich ab einer bestimmten Entfernung nicht mehr.
Ich denke, das ist wirklich Blödsinn. Wir fahren aus vie-len Gründen – –
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Hinsken?
Ja, okay, er steht ja schon.
Verehrte Frau Kollegin Arndt-Brauer, wann waren Sie
denn zum letzten Mal an der Grenze zu einem der osteu-
ropäischen Staaten, die neu in die EU gekommen sind,
bzw. an der österreichischen Grenze? Das interessiert
mich besonders.
Außerdem bitte ich Sie, auf die Frage meines Kolle-
gen Scheuer einzugehen, der Sie nach dem Chipkarten-
modell gefragt hat. Wer hat denn nun Recht, Clement
oder Eichel? Ist Ihnen bekannt, ob sich die beiden auf ei-
nen Nenner zubewegt haben oder ob sie als Vertreter der
Bundesregierung unterschiedlicher Meinung sind?
Das Clement-Modell ist nicht Grundlage Ihres An-
trags; aber natürlich können Sie mich dazu fragen. Ich
sage Ihnen jetzt noch einmal, dass es sich hier um eine
Idee des Wirtschaftsministers handelt, die im Finanzmi-
nisterium geprüft wird.
–
A
l
r
w
w
w
a
b
h
m
b
n
w
k
s
d
s
d
g
d
m
u
g
m
w
W
f
G
b
d
–
w
a
d
D
h
Er hat sie in der letzten Woche geäußert. Nach meiner
uffassung sollte man dies schon prüfen. Es gibt näm-
ich eine ganze Menge Prüfenswertes: Machen die Mine-
alölkonzerne mit? Haben sie ein Interesse daran? So-
eit ich weiß, ist es den Mineralölkonzernen völlig egal,
ie die Spritpreise in den Grenzregionen variieren; da
ird immer eine Mischkalkulation gemacht. Es muss
lso geprüft werden, ob diese Idee überhaupt durchsetz-
ar ist.
Dann muss auch folgender Fall geprüft werden: Ich
abe mein Büro in der Grenzstadt, wohne aber 30 Kilo-
eter entfernt. Bekomme ich dann als Büromieterin ver-
illigten Treibstoff oder bekomme ich ihn aufgrund mei-
es Wohnsitzes nicht? All diese Fragen müssen geklärt
erden. Dafür muss man sich Zeit lassen. Es können
eine Schnellschüsse sein.
Ich bitte Sie, noch eines zu bedenken: Wenn wir die-
es Modell umsetzen, müssen wir ebenso dafür sorgen,
ass auch andere Produkte nicht so stark im Preis
chwanken. Würden Sie jetzt nach Dänemark fahren und
ort eine Schachtel Zigaretten kaufen, müssten Sie um-
erechnet acht Euro bezahlen. Wie begründen Sie das
enn? Sagen Sie dann auch, die Dänen dürften nicht
ehr nach Deutschland kommen und billigen Alkohol
nd billige Zigaretten kaufen? Auch dies müssten wir re-
eln.
Wir haben in der EU Gott sei Dank keine Grenzen
ehr; wir können hin und her fahren und einkaufen, wo
ir wollen. Dies sollte beibehalten werden, weil es ein
ert an sich ist.
Herr Kollege Hinsken, Sie haben keine Zwischen-
rage mehr. – Bitte, Frau Kollegin.
Ich habe mich nach den aktuellen Preisen an derrenze zu Österreich erkundigt. Es hieß, dort gebe eseim Spritpreis eine Differenz von 7 bis 8 Cent. Das istas Aktuellste, was ich bekommen konnte.
Das müssen Sie jetzt so akzeptieren.Ihr Antrag gibt aber wesentlich weniger her als das,as Sie von mir als Information einfordern. Sie hättenlso einen Antrag stellen müssen, in dem Sie fordern,as Stiftungsmodell nach Clement sofort einzuführen.arüber hätten wir dann ausgiebig reden können. Dasaben Sie aber nicht gefordert.
Metadaten/Kopzeile:
17426 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Ingrid Arndt-BrauerSie haben gefordert, „Maßnahmen gegen die im euro-päischen Vergleich viel zu hohe Energiebesteuerung inDeutschland zu ergreifen“. Das ist „alles oder nichts“.
Sie haben es ein bisschen deutlicher gesagt: Öko-steuer abschaffen! Ich frage mich, warum Sie das nichtin Ihr Parteiprogramm oder Ihr Wahlprogramm schrei-ben. Dann käme ganz Europa zu uns zum Tanken. Aberden Rentnern müssten Sie natürlich erklären, wovon sieleben sollen. Dazu sagen Sie gar nichts. Als Oppositionmachen Sie sich das hier sehr einfach, muss ich schonsagen.In Ihrer zweiten Forderung verlangen Sie, „den enor-men Steuerabfluss durch den von ihr verursachten Tank-tourismus in die Nachbarstaaten durch entschiedenesund rasches Handeln auf EU-Ebene einzudämmen“. Siewerfen uns vor, dass wir uns für eine EU-weite einheit-liche Regelung einsetzten, fordern eine solche aber vonuns ein. Sie wissen selbst, dass wir dies auf EU-Ebenenicht rasch umsetzen können, wenn die anderen Mit-gliedstaaten daran kein Interesse haben.Ich habe Ihnen eben erklärt, dass es ein Hin und Herbeim Wareneinkauf gibt und dass rege hin und her ge-fahren wird. Dies ist zwar schlecht für die Umwelt; aberdas haben Sie nicht bemängelt, das halten Sie wohl fürokay. Nach Ihrer Behauptung fahren die alle unheimlichweit. Ich behaupte, dass das nicht so ist. Wohnte ich inBerlin, führe ich zum Tanken nicht nach Polen. Ichglaube, Sie werden auch kaum einen finden, der dies tut.
Wir müssen uns hier schon ein bisschen an dem orientie-ren, was wirklich feststeht.Dann fordern Sie von uns – das ist die einzige Forde-rung, die ich unterstütze –, „die Harmonisierung der Mi-neralölsteuer in Europa voranzutreiben“. Da sind wir aufdem Weg. Das versucht unser Minister Eichel immerwieder. Sie wissen, dass eines unserer Ziele ist, Preiseund Löhne zu harmonisieren. Auch da sind wir auf ei-nem guten Weg.Ansonsten möchte ich Sie einfach bitten, solchepopulistischen Anträge zu unterlassen.
– Ich habe die Rede von Herrn Ramsauer verstanden.Wenn man von Vernichtungsfeldzug redet, HerrHinsken, ist das der reine Populismus. Niemand hat vor,irgendwelche Existenzen gezielt zu vernichten.
Aber das unterstellen Sie hier. Wir haben es hier mit ei-ner Wettbewerbssituation zu tun, wie es sie auch inner-hgDTntswdIlDgdeWFbswvpAlUew
ort gibt es teilweise Preissprünge von 4 Cent an einemag von morgens bis abends. Da sagen Sie doch auchicht, der Preis müsse festgelegt werden, sondern akzep-ieren das als Wettbewerbssituation. Diese Wettbewerbs-ituation gibt es auch grenzübergreifend. Damit lebenir auch bei anderen Gütern, damit leben wir gut undamit werden wir auch in Zukunft gut leben können.
ch bin mir ganz sicher, dass es in Wirklichkeit Ihreetzte Maßnahme wäre, die Ökosteuer abzuschaffen.eswegen sollten Sie das hier auch nicht von uns verlan-en.Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Unruhe in
en Reihen der Kollegen ohne Kritik an der Präsidentin
rtragen haben.
arme, kleine Ramsauer konnte sich gar nicht
mehr helfen! – Florian Pronold [SPD]:
Weichei!)
Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Volker
issing, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Kollegin Arndt-Brauer, natürlich haben wir Wett-ewerb. Dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Nurorgt Rot-Grün dafür, dass die Deutschen den Wettbe-erb im Vergleich zu den europäischen Nachbarn immererlieren. Das ist das Problem.
Sie haben Deutschland mobil gemacht: Die Arbeits-lätze gehen ins Ausland, die Investitionen gehen insusland und zum Tanken fährt man jetzt auch ins Aus-and.
nd was fällt Ihnen ein? – Nichts fällt Ihnen als Lösungin. Herr Clement schlägt mehr Bürokratie vor. Immerenn bei Rot-Grün ein Problem auftaucht, steht am
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17427
)
)
Dr. Volker WissingEnde entweder eine neue Behörde oder ein schönes bü-rokratisches Konzept.
Bei Ihnen steht am Ende immer eine falsche Lösung.Clements Lösungsvorschlag für den Tanktourismus istwirklich kein Konzept. Da will die Bundesregierung al-len Ernstes den Autobesitzern in den Grenzregionen mit-hilfe von Chipkarten den verbilligten Bezug von Benzinermöglichen.
Dann führen Sie doch auch für das verbilligte Einkaufenvon Zigaretten die Chipkarte ein.Ich sage Ihnen: Das ist allenfalls eine drittklassigeLösung.
Diese Vorschläge sind Ausdruck der Reformunfähigkeitvon Rot-Grün. Was wir brauchen, sind niedrige, konkur-renzfähige Steuersätze, damit wir im internationalenWettbewerb wieder bestehen können. Dazu hört mannichts von Ihnen.
Man hört nichts von Ihnen, Frau Kollegin Andreae, au-ßer der Forderung, die Steuersätze innerhalb der EU zuharmonisieren.
Sie hätten es am liebsten, wenn auch alle anderen dieSteuern erhöhten.Die Antwort der Bundesregierung auf eine KleineAnfrage der Opposition stimmt einen schon nachdenk-lich: Anzahl der grenznahen Tankstellen – die Bundesre-gierung hat keine Ahnung; Arbeitsplätze bei den Tank-stellen – das weiß doch diese Bundesregierung nicht;Schließung von Tankstellen in Grenzregionen – auchdarüber liegen der Bundesregierung keine statistischenAngaben vor. Der Kopf der Bundesregierung steckt festim Sand. Nichts sehen, nichts wissen, nichts machen –das ist Ihr Motto, meine Damen und Herren. Wenn derLiter Benzin in Polen 33 Cent, in Tschechien 28 Centund in Österreich 24 Cent billiger ist,
dann ist das nicht Ausdruck eines ruinösen Steuerwett-bewerbs, nein,
das ist die Folge Ihrer ideologiegeprägten Energiepoli-tik.
DbbuSSgDujsRSaHwshtgFwEtl1Wtt
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Kerstin Andreae.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Es ist unglaublich, wie wenig Sie anerkennenollen – das halte ich für Ideologie –, dass die Öko-teuer, so wie wir sie konzipiert haben und so wie sieeute ist, ein Erfolg ist. Ich will Ihnen das an zwei Punk-en deutlich machen. Die Ökosteuer hat einen eindeuti-en klimapolitischen Erfolg gezeitigt. Das mag zwar derDP nicht wichtig sein. Aber uns Grünen ist das sehrichtig.
s gibt eine klare Trendwende bei den verkehrsbeding-en CO2-Emissionen. Das ist ein Erfolg in der Klimapo-itik.
Nun komme ich auf die von Ihnen erwähnten000 Tankstellen und 5 000 Arbeitsplätze zu sprechen.
issen Sie, wie hoch heute der Rentenversicherungsbei-rag wäre, wenn wir die Ökosteuereinnahmen nicht hät-en?
Metadaten/Kopzeile:
17428 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Kerstin Andreae
Er läge bei 21,2 Prozent. Tatsächlich liegt er bei19,5 Prozent. Ich möchte gern einmal sehen, was loswäre, wenn die von Ihnen erwähnten Tankstellenbesitzereinen Rentenversicherungsbeitrag von 21,2 Prozent zah-len müssten.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kalb?
Ja.
Bitte, Herr Kalb.
Frau Kollegin, wären Sie zumindest bereit, die Dinge
einigermaßen sachlich zu betrachten und zur Kenntnis
nehmen,
dass im BMF-Bericht vom April dieses Jahres festge-
stellt wird, dass genau in den Bereichen, in denen die
Steuersätze drastisch gestiegen sind, nämlich bei der
Mineralöl- bzw. der Ökosteuer und der Tabaksteuer, die
Einnahmen drastisch zurückgegangen sind und weit hin-
ter den Erwartungen zurückbleiben, weil sich die Deut-
schen, die ja jetzt nicht um so viel weniger rauchen und
tanken, im Ausland bedienen?
Meines Wissens reden wir heute nicht über den Ziga-rettentourismus.
Ich erkläre es Ihnen noch einmal: Die Einnahmen ausder Ökosteuer dienen der Senkung der Lohnnebenkos-ten; das ist klar miteinander verknüpft. Arbeit billigerund Energie teurer zu machen, das ist ein grünes Kon-zept, das hier gewirkt hat. Es hat sowohl einen klimapo-litischen als auch einen arbeitsmarktpolitischen Effekt;dazu stehe ich. Dieses Projekt ist richtig.Im Übrigen habe ich nicht mitbekommen, dass dieUnion auch nur angedeutet hätte, dass sie die Ökosteuerzurückfahren will. Ich bin mir sehr sicher, dass Sie,wenn Sie an die Regierung kommen, das auch nicht tunwerden. Auch wenn Sie mir heute etwas anderes weis-migUgtsgvWDSgdzddcidmn3oddtwdBwnaUInpm
Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen.nter ordnungspolitischen Aspekten ist die Überle-ung, grenznahe Gebiete in irgendeiner Form zu subven-ionieren, irre; denn man hätte dann den Effekt, dass manich quasi ständig im grenznahen Bereich befände. Derrenznahe Bereich würde sich in die Mitte Deutschlandserschieben.
elchen bürokratischen Aufwand das zur Folge hätte!as hieße, dass Sie administrieren müssten. Ob Chip,tiftung oder ein anderes Modell – das müssten Sie ir-endwann einmal darlegen –,
ie Folge wäre auf jeden Fall immer, dass sich die Gren-en verschieben würden. Das ist doch logisch. Jedes Mo-ell zur Einrichtung einer Sonderzone bedeutet nämlich,ass in den an diese Zone grenzenden Gebieten die glei-he Diskussion von vorne beginnt. Ein solches Modellst in ordnungspolitischer Hinsicht absoluter Unfug;enn es bedeutet zum Beispiel – das muss man sich ein-al vorstellen –, dass ein Tankstellenbesitzer darüberachdenken muss, ob er sein Geschäft 200 oder00 Meter verlagern soll, um in den Genuss der Chipsder der ausgestellten Gutscheine der Nutzer, die sich iner Sonderzone konzentrieren, zu kommen. Es wäreann überlegenswert, ob die Kosten für eine solche Be-riebsverlagerung steuerlich absetzbar sein sollten – dasäre hochinteressant – oder ob der Abzug der Kosten füren Umzug vom Abzug für den Bezug von verbilligtemenzin nicht steuerlich absetzbar sein sollte. Auch dafürerden Sie sich sicherlich noch ein Modell ausdenken.Das Skurrile ist, dass Sie in Ihrem Antrag letztlichichts vorschlagen, außer dass man die Harmonisierunguf europäischer Ebene vorantreiben müsste.
nsere Maßnahmen jedenfalls greifen und haben Erfolg.ch gebe Ihnen übrigens völlig Recht, dass eine Harmo-isierung im Bereich der Kerosinbesteuerung auf euro-äischer Ebene dringend notwendig ist. Wenn Sie hieritmachten, wäre das wunderbar.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17429
)
)
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Bernhardt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Der Grund, weshalb wir uns heute mit dem
Tanktourismus beschäftigen, liegt in dem Umstand, dass
wir in Deutschland deutlich höhere Benzin- und Diesel-
preise als in allen vergleichbaren Ländern der EU haben.
Als Sie die Ökosteuer eingeführt haben – ich habe da-
mals dazu gesprochen –, habe ich sehr deutlich gesagt:
Wir haben im Grundsatz nichts gegen eine Ökosteuer;
aber sie muss europaeinheitlich eingeführt werden und
sie darf nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung – dazu ist
es mittlerweile gekommen – führen.
Ich sage Ihnen sehr deutlich: Diese Steuer mag in ei-
nigen Bereichen des Umweltschutzes – die Kollegin hat
es eben gesagt – etwas gebracht haben.
Aber sie hat Zehntausende von Arbeitsplätzen vernich-
tet.
Das ist für uns der gewichtigere Punkt.
Sie haben Recht: Wir brauchen die Ökosteuereinnah-
men heute für die Rentenversicherung. Wenn die Ar-
beitsplätze in Deutschland allerdings nicht vernichtet
worden wären, dann hätten wir mehr Beitragszahler,
mehr Beiträge und dann würden wir heute nicht über
dieses Thema diskutieren.
Als Ordnungspolitiker sage ich – das habe ich schon
beim letzten Mal gesagt –: Benzinscheine an der Grenze
usw. sind keine Lösung. Ich warne davor; schließlich
wollen wir Bürokratie abbauen. Unser Antrag enthält
nichts, was in diese Richtung geht. Wir fordern viel-
mehr: Macht etwas, damit die Benzinpreise in Deutsch-
land nicht so hoch sind! Macht etwas, damit die Verein-
heitlichung auf EU-Ebene schneller vorankommt! Das
sind die Ansatzpunkte in unserem Antrag.
Wir müssen nun einmal zur Kenntnis nehmen – die
Zahlen, die wir nennen, stammen von den Verbänden –,
dass mehrere hundert Tankstellen in den Grenzregionen
schon geschlossen haben, dass viele hundert vor dem
Aus stehen und dass es um ein paar tausend Arbeits-
plätze geht.
Wir haben uns mit diesem Thema am 1. Juni im
Finanzausschuss beschäftigt. Da ist uns klar gesagt wor-
den: Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf –
T
T
e
–
m
n
H
t
Z
m
u
k
w
g
W
s
A
D
n
t
h
l
s
w
w
z
B
m
s
B
z
s
s
e
s
C
T
umindest aus der Sicht eines Teils der Bundesregierung
uss also doch Handlungsbedarf bestehen. Das stimmt
ns natürlich nachdenklich: War das vielleicht nur Wahl-
ampf,
eil der Minister begriffen hat, dass es da ein Problem
ibt, zu dem er sich äußern sollte?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
ie beurteilt eigentlich das Finanzministerium den Vor-
chlag des Wirtschaftsministeriums? Die diplomatische
ntwort lautete: Wir prüfen diesen Vorschlag. – Okay!
as heißt, der Finanzminister hält von diesem Vorschlag
ichts. Prüfen muss er natürlich.
Auf der einen Seite müssen wir die Probleme der Be-
roffenen in diesem Hause wirklich ernst nehmen. Wir
aben hier von einem Brief gehört; wir wissen, was dort
os ist. Ich wiederhole: Wir müssen die Dinge hier in die-
em Hause ernst nehmen. Auf der anderen Seite dürfen
ir nichts versprechen, was wir nicht halten können. Wir
ollen nicht mehr Bürokratie. Sie fragen natürlich völlig
u Recht, wo die Grenze für die Sonderzone sein soll:
ei 30 Kilometern, 40 Kilometern oder 50 Kilometern?
Ich kann nur darum bitten, unserem Antrag zuzustim-
en, denn er zeigt den einzig richtigen Weg auf: die Be-
chleunigung der Harmonisierung in Europa. Die neue
undesregierung wird sich dafür mit Sicherheit einset-
en; denn wir nehmen das Schicksal der Betroffenen
ehr ernst.
Danke schön. – Ich schließe die Aussprache zu die-em Punkt.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-mpfehlung des Finanzausschusses auf Druck-ache 15/5612 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/SU mit dem Titel „Mineralölsteuerentwicklung undanktourismus“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag
Metadaten/Kopzeile:
17430 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmerauf Drucksache 15/4387 abzulehnen. Wer stimmt fürdiese Beschlussempfehlung des Ausschusses? – Gegen-stimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlungist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünengegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenom-men.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten UlrichKelber, Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, UlrikeMehl, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder SPD sowie der Abgeordneten Dr. ReinhardLoske, Michaele Hustedt, Winfried Hermann,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENIndustrielle Arbeitsplätze sichern, Energieeffi-zienz steigern – Eine deutsche Initiative für eineuropäisches Top-Runner-Programm– Drucksache 15/5469 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Wider-spruch höre ich keinen. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächstder Abgeordnete Ulrich Kelber.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Die vorherige Debatte ist wirklich spannend ab-gelaufen. Herr Ramsauer und Herr Hinsken haben sichhier hingestellt und mit einer Lautstärke, die eigentlichnur mir mit meinem Resonanzkörper zustehen würde,gebrüllt, welche Steuern alle gesenkt werden müssen.Am Ende kam dann der Abgesandte von Frau Merkelund sagte: Es geht eigentlich nur um die Harmonisie-rung. Wir senken gar nicht. Das geht alles nicht. – Daswar superinteressant. Daran sieht man, wie man sich aufIhre Anträge verlassen kann.Wir versuchen, das bei den Anträgen, die wir heutestellen, ein bisschen anders zu machen. Ich finde es gut,dass wir es noch vor der anzustrebenden Neuwahl schaf-fen, eine Debatte über unseren Top-Runner-Antrag zuführen. Vielleicht eine gute Nachricht vornweg: DasThema ist hochaktuell. Das EU-Parlament hat die Be-richterstattung angenommen, nach der innerhalb derÖko-Design-Richtlinie der Top-Runner-Ansatz gewähltwerden soll. Der Bericht stammt übrigens von einerdeutschen Sozialdemokratin. In anderen EU-Mitglied-staaten warten die sozialdemokratischen Fraktionen da-rauf, dass wir heute die deutsche Initiative für einen eu-ropäischen Top-Runner-Ansatz beschließen, und werdenjeweils ähnliche Anträge einbringen.
stedDcEwsrDcdsRdGblnNslhUufPwAgFmwtKz–fbJe–udkuzg
Die Experten schätzen, dass wir etwa 25 Prozent un-erer Klimaschutzverpflichtungen allein mit dem Top-unner-Ansatz erfüllen könnten, wenn wir im Bereicher Konsumgeräte – Wärmepumpen, Klimaanlagen, alsoeräte, die einen hohen Energiebedarf haben, deren Ver-reitung zunimmt, die einem schnellen Austausch unter-iegen – in Zukunft mit einem Best-Ansatz statt mit ei-em Durchschnittsansatz arbeiten.Der Klimaschutz kann sich wegen einer anstehendeneuwahl keine Pause leisten. Für Energieeffizienz zuorgen ist ein ganz wichtiger Bestandteil von Energiepo-itik. Wir haben heute sehr viele Wahlkampfreden ge-ört. Da müssen Sie mir erlauben, auch einmal über dienterschiede in der Energiepolitik zu sprechen. CDUnd CSU haben sich bisher nicht in vielen Bereichenestgelegt, aber in der Energiepolitik – ich sehe Herrnfeiffer an – haben wir ganz klare Unterschiede.Auf der einen Seite steht eine Opposition, die zurückill zu der hochgefährlichen Dinosauriertechnologietomenergie, die die Förderung der erneuerbaren Ener-ien reduzieren will und die – das war eine Aussage vonrau Merkel vor etwa eineinhalb Wochen – die Schritt-acherrolle Deutschlands im Klimaschutz aufgebenill. Diese drei Punkte kennzeichnen Ihre Energiepoli-ik.Auf der anderen Seite steht die Energiepolitik deroalition mit einem klaren energiewirtschaftlichen Kon-ept, mit einer Förderung der erneuerbaren Energienweltweit anerkannt –, die uns quasi von null in nurünf Jahren zur Weltmarktführerschaft gebracht hat undereits dafür sorgt, dass 70 Millionen Tonnen CO2 proahr in Deutschland nicht mehr emittiert werden, mitiner Erhöhung der Effizienz in der EnergieerzeugungKraft-Wärme-Kopplung; die neuen Kraftwerke Hürthnd Hagen, aber auch die neuen Braunkohlekraftwerke;as ist eine Technologie, die wir weltweit verkaufenönnen –
nd mit einer Erhöhung der Effizienz der Energienut-ung mit der Energieeinsparverordnung, mit dem Ener-iepass und jetzt mit Top Runner.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17431
)
)
Ulrich KelberWir wollen von einer Erhöhung der Energieeffizienzpro Jahr von knapp über 1 Prozent wieder auf eine Ratevon etwa 3 Prozent kommen, um unsere klimapoli-tischen Ziele zu erreichen, aber auch um wirtschaftspoli-tisch etwas zu erreichen. Die Situation heute ist, dass dieUmweltverbände, die Gewerkschaften und die mittel-ständische Wirtschaft unseren Ansatz Top Runner unter-stützen, weil er unbürokratisch ist und weil man in demLand, das diese Systematik eingeführt hat, nämlich Ja-pan 1998, sieht, welche wettbewerblichen Vorteile damitverbunden sind. Schon heute sind die japanischen Kon-sumgeräte im Schnitt um 10 Prozent energieeffizienterals die europäischen. Um einmal ein Beispiel zu nennen:Jetzt hat eine große japanische Firma einen Kühlschrankangekündigt, der um den Faktor sieben energieeffizien-ter ist als die Geräte, die die Europäer anbieten. Wer,glauben Sie, wird sich auf dem Weltmarkt durchsetzen?Das ist doch ganz eindeutig.Auch woanders gibt es riesige Potenziale: Bei PC mitgleicher Leistung gibt es heute Unterschiede von83 Prozent bezüglich der Energieeffizienz, bei Wärme-pumpen von 63 Prozent, bei DVD-Rekordern von58 Prozent. Schauen Sie einmal in einem Testberichtnach, wie viel Watt Drucker, die ausgeschaltet sind, al-lein dann noch ziehen, wenn nur der Stecker steckt; ichrede jetzt gar nicht vom Stand-by-Modus. Um den Fak-tor 40 bis 50 unterscheiden sich hier die Geräte. Hiereinzugreifen ist ganz wichtig.
Nämlich nur der, der die energieeffizientesten Geräte an-bietet, setzt sich am Weltmarkt durch. Der Grund hierfürsind die steigenden Energiepreise, die durch die zusätzli-che Nachfrage von Schwellenländern wie Indien undChina sowie durch die Anforderungen an den Klima-schutz hervorgerufen werden.Etwas anderes ist auch klar: Billige Geräte mit Null-achtfünfzehn-Technologie, die Energie verschwenden,können überall auf der Welt hergestellt werden. Mit denwoanders gezahlten Stundenlöhnen können wir nichtmithalten. Wenn wir aber durchsetzen können, dassweltweit nur die energieeffizientesten Geräte verwendetwerden, dann werden Geräte mit moderner Technologienachgefragt. Die Produktion solcher Geräte können wirin Deutschland halten, wenn wir wie bisher weiterhinmit Innovationen auf dem Weltmarkt auftreten. Dasheißt, Energieeffizienz sichert und schafft Arbeitsplätzein Deutschland.
Das gilt insbesondere für unsere Premiummarken indiesen Bereichen, sei es im Bereich der weißen Ware,der Haushaltsware, oder bei Autos. Unsere Premium-marken sind besser verarbeitet und effizienter als Null-achtfünfzehn-Produkte. Das heißt, gerade wir Deutschenhaben ein Interesse daran, dass es einen europäischenTop-Runner-Ansatz gibt. Das schafft nämlich Arbeits-plätze bei Herstellern von Premiumprodukten hier inDeutschland. Deswegen bitte ich auch um die Zustim-mdzHHeddegFbmgaSdbrtÜKaKnCCJtTmslodlZ3enwwn7PaD
Jetzt hat der Kollege Joachim Pfeiffer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Zunächst möchte ich sagen, dass Ihr Vorschlag,err Kelber, sich mit dem Thema Energieeffizienz aus-inander zu setzen, in der Tat absolut richtig ist und inie richtige Richtung weist. Dieses Thema haben wir lei-er in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Man hats zwar häufig im Mund geführt, aber nicht richtig um-esetzt. In der Tat lassen sich das CO2-Problem und dierage der Energieversorgung nicht nur über die Ange-otsseite lösen, sondern wir müssen auch nach Lösungs-öglichkeiten auf der Nachfrageseite suchen. Insoferneht Ihr Vorschlag, sich der Energieeffizienz zu widmen,bsolut in die richtige Richtung.Jetzt möchte ich aber doch das eine oder andere, wasie angesprochen haben, aufgreifen, weil Sie es zumin-est aus meiner Sicht etwas durcheinander gebracht ha-en. So sagten Sie, wir würden uns gegen die Fortfüh-ung von Klimaschutzmaßnahmen aussprechen. Dasrifft mit Sicherheit auf Frau Merkel nicht zu. Sie hat imbrigen, um auch das einmal deutlich zu machen, dasioto-Protokoll entscheidend mitverhandelt. Ich glaubeber, wir alle in diesem Hause wissen, dass wir mit demioto-Protokoll allein nicht reüssieren werden. Ichenne einfach einmal die Zahlen für das TreibhausgasO2. Durch Energieerzeugung bedingt haben wir heuteO2-Emissionen in Höhe von 25 Milliarden Tonnen proahr; dazu kommen noch einmal 10 Milliarden, die an-hropogen verursacht sind. Wir haben also 35 Milliardenonnen CO2-Emissionen pro Jahr.Wenn wir jetzt den Klimaschutz wirklich ernst neh-en, dürfen wir Maßnahmen nicht auf die Zukunft ver-chieben, sondern wir müssen heute Klimaschutz mög-ichst effizient betreiben. In diesem Punkt sind wirffensichtlich gleicher Meinung; das freut mich. Aller-ings betreiben wir bisher den Klimaschutz nicht mög-ichst effizient. Laut Kioto-Protokoll – Sie kennen dieahlen genauso gut wie ich, Herr Kelber – soll die EU50 Millionen Tonnen im Zeitraum von 1990 bis 2012insparen. Das heißt, in 22 Jahren sparen wir 350 Millio-en Tonnen ein. Ich will nicht behaupten, dass das nichtsäre, aber durch diese Maßnahme werden wir das welt-eite Klimaproblem nicht lösen. Demgegenüber hatteämlich China allein im Jahr 2002 CO2-Emissionen von00 Millionen Tonnen. Das, was wir durch das Kioto-rotokoll in Europa in 22 Jahren einsparen, entsprichtlso quasi dem Ausstoß von China in einem halben Jahr.as sind die Realitäten; das ist Fakt.
Metadaten/Kopzeile:
17432 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Joachim Pfeiffer
Jetzt geht es aber darum: Wie gehen wir die Dingean? Auf der einen Seite müssen wir uns um die Ange-botsseite kümmern. Sie haben, wenn wir das einmalganz nüchtern, rational und nicht ideologisch betrachten,Klimaschutzmaßnahmen getroffen, auch durch den Aus-bau der erneuerbaren Energien, die aber nicht die effi-zientesten sind. Natürlich ist dadurch eine Wirkungerzielt worden. Sie haben sich 1998 in Ihrem Koalitions-vertrag vorgenommen, den CO2-Ausstoß bis 2005 ge-genüber 1990 um 25 Prozent zu reduzieren. Erreicht sindheute 19 Prozent. 1998 waren es bereits 13 Prozent; dasheißt, 6 Prozent sind dazugekommen.Aber wie sind sie dazugekommen? Mengenmäßig istdas Ziel natürlich nicht erreicht; hinzu kommt, dassdiese Art der CO2-Vermeidung nicht besonders effektivist. Die Vermeidungskosten beispielsweise durch dieWindenergie betragen für die Angebotsseite zwischen50 Euro je Tonne im untersten Bereich und 110 Euro jeTonne. Die Vermeidungskosten durch die Photovoltaikbetragen heute – ich rede vom Jahr 2005; in ein paar Jah-ren ist das hoffentlich anders – 500 Euro je Tonne.Wir treten im Gegensatz dazu für einen nachhaltigendiversifizierten Energiemix ein.
Das haben Sie vorhin angesprochen und das ist unserAnsatz. Wir lassen uns hier nicht in die Ecke stellen. Wirsind nicht von gestern oder gar von vorgestern. Ichdenke, das sollten wir deutlich machen, heute hier undauch im bevorstehenden Wahlkampf. Bei diesem Ener-giemix nutzen wir nicht nur die erneuerbaren Energien,sondern durch eine Verlängerung der Laufzeit der Kraft-werke auch die Kernkraft als Brücke in die Zukunft, umden CO2-Ausstoß wie vorgesehen zu reduzieren.Wie wollen Sie das machen? Sie haben bisher nie dar-gelegt – weder heute Morgen, als wir über dasEnergieprogramm diskutiert haben, noch in den letztensieben Jahren –, wie Sie das CO2-Problem auf der Ange-bots- oder auf der Nachfrageseite mit Ihrem Ansatz an-gehen wollen.
Ihre Politik ist an dieser Stelle leider nur Stückwerk undkein Gesamtkonzept.
– Ich will mich jetzt gar nicht mit Ihnen streiten. LassenSie mich – ich habe Sie vorhin auch ausreden lassen –meinen Gedankengang darzulegen versuchen.Wir wollen das CO2-Problem auf der Angebotsseite– ich gehe nachher noch im Einzelnen auf die Nachfra-geseite und den Top-Runner-Ansatz ein – durch einennachhaltigen diversifizierten Energiemix lösen, bei demaWdtKfewbdzzSSdCTDsDegsdATkDAdgDdgzwFpdzEzteüwaFaagsz
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17433
)
)
– Ich bin ja deshalb hier, um von Ihnen Nachhilfe zu be-kommen. Es ist schön, wenn ich intelligenter von dannengehe, als ich gekommen bin. Sie sehen, ich bin nochlernfähig.Auch die sicherheitsrelevanten und umweltpoliti-schen Aspekte müssen wir mit einbeziehen. In demGrünbuch wird die Frage aufgeworfen, ob hier diegrundlegenden marktwirtschaftlichen und wettbewerbli-chen Prämissen entsprechend berücksichtigt werden. Ichbeziehe mich, wie gesagt, auf das aktuelle Grünbuch derEU, in dem diese Fragen aufgeworfen werden.Ich sehe, dass meine Redezeit langsam zu Ende geht.Ich habe einige Fragen gestellt. Wir sind uns in dergrundlegenden Richtung einig, nämlich dass wir dieNachfrageseite engagiert angehen müssen. Ich sehe da-rin ein mögliches Instrument. Aufgrund zahlreicher nochoffener Fragen können wir dem heute mit Sicherheitnoch nicht zustimmen. Wir können aber klar signalisie-ren, dass wir bereit sind, diesen Weg entsprechend ge-meinsam weiter zu beschreiten und ein mögliches Instru-ment daraus zu entwickeln.Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen, dasses nicht nur mit einem Instrument getan ist. Ich habeschon versucht, diese Position auch auf Ihre Bemerkunghin, Herr Kelber, deutlich zu machen. Man muss viel-mehr eine Energiepolitik aus einem Guss entwickeln.Diese gab es in den letzten sieben Jahren nicht. Es gabnur Stückwerk; es gab Instrumente, die zum Teil gut ge-meint waren, deren Wirkungen aber verheerend waren.Denn diese Instrumente haben weder die umweltpoliti-schen Anforderungen erfüllt noch waren sie energie- undkosteneffizient. Das Ergebnis ist – dieses konnten wirschon heute Morgen in der Debatte feststellen; wie esausschaut, ist es in dieser Legislaturperiode die letzteDebatte zu diesem Thema –, dass Rot-Grün auch in derEnergiepolitik versagt hat.–dInedSlbFNZsk2wensEKsedvPNmkPmMi
Das ist so. Ich habe versucht, die Probleme sachlicharzulegen. Sie können meine Einwände ja widerlegen.ch habe die Zahlen genannt. Sollten die von mir ge-annten Zahlen nicht stimmen, dann lasse ich mich gernines Besseren belehren. Aber da sie stimmen, muss ichiese Schlussfolgerung leider ziehen.Wir werden uns dann – vielleicht nicht Sie, Herrchmidt, aber die meisten von uns – in der neuen Legis-aturperiode wiedersehen. Dann können wir über dieesseren Instrumente streiten, vielleicht in umgekehrterunktion. Schauen wir einmal.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Loske.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
u dem sachlichen Vortrag von Herrn Pfeiffer und auf
eine Fragen vielleicht einige Antworten, sofern ich das
ann. Zum Ersten haben Sie darüber geklagt, dass das
5-Prozent-Ziel im Jahr 2005 verfehlt worden sei und
ir eine Minderung der Emissionen um nur 19 Prozent
rreicht hätten. Es wirkt etwas paradox, dass Sie das mo-
ieren – so würde ich einmal sagen –, weil Sie alle Ge-
etze, die wir beschlossen haben, angefangen beim
missionshandel über die Ökosteuer, das Kraft-Wärme-
opplungsgesetz bis hin zum Erneuerbare-Energien-Ge-
etz, abgelehnt haben, weil sie Ihnen zu weit gingen. Für
ines sollten Sie sich schon entscheiden. Das passt ein-
eutig nicht zusammen.
Zum Zweiten zur Atomkraftdebatte. Auch ich will
ersuchen, sachlich und nüchtern darauf einzugehen.
Wollen Sie gleich eine Zwischenfrage von Herrnfeiffer zulassen?
Ich habe doch gerade erst angefangen. Lassen Sieich noch ein bisschen reden! Vielleicht später.Über die Atomkraft, den zusätzlichen Atommüll usw.ann man auf verschiedenerlei Weise diskutieren. Herrfeiffer, ich will jetzt ausschließlich wirtschaftlich argu-entieren: Es ist so, dass in Deutschland das Fenster deröglichkeiten für neue Investitionen im Strombereichn den nächsten 15, 20 Jahren sperrangelweit offen steht.
Metadaten/Kopzeile:
17434 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Reinhard LoskeViele Leute sitzen jetzt in den Startlöchern und wollenmit neuen Technologien, mit modernen Gas- und Dampf-turbinenkraftwerken, mit Kraft-Wärme-Kopplungsanla-gen, mit Blockheizkraftwerken, mit Brennstoffzellen,mit erneuerbaren Energien und mit moderner Kraft-werkstechnologie insgesamt, in diesen Bereich. WennSie die Laufzeit der Atomkraftwerke bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verlängern und diese Leute gegen ab-geschriebene Atomkraftwerke konkurrieren müssen, dieam goldenen Ende laufen, dann ist das das größte Inves-titionsverhinderungsprogramm, das Deutschland je er-lebt hat. Das werden wir im Wahlkampf so sagen.
Das war das Zweite, was ich sagen wollte.Zum Dritten. Herr Clement hat heute Morgen gesagt,dass unsere Energiepolitik aus den drei „E“ besteht– das fand ich ganz interessant –: den erneuerbarenEnergien, der Energieeffizienz und der Energieeinspa-rung. Wir müssen – darüber besteht auf der abstraktenEbene Einvernehmen – eine Art Zangenpolitik hinbe-kommen. Wir müssen sehen, dass wir durch eine effi-ziente Nutzung weniger Energie verbrauchen. Dann kön-nen wir den Anteil der erneuerbaren Energien vieleinfacher erhöhen. Es ist viel leichter, 20 oder 50 Pro-zent von weniger zu erreichen. Wenn uns der Energie-verbrauch hingegen davonläuft, dann haben wir dasProblem, die erneuerbaren Energien in einer relevantenGrößenordnung einzusetzen.Deswegen haben wir den vorliegenden Antrag einge-bracht. Ich glaube in der Tat, dass man sagen kann:Diese Koalition hat auf der Angebotsseite eine ganzeMenge getan. Wir haben das Erneuerbare-Energien-Ge-setz beschlossen. Als wir an die Regierung kamen, lagder Anteil der erneuerbaren Energien bei 5 bzw.6 Prozent. Jetzt liegt er bei 10 Prozent. Er soll bis 2020auf 20 Prozent erhöht werden. Das ist ein klarer Korri-dor, eine klare Wachstumsorientierung.Wir haben beim Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz ge-sagt – dies stellt sich ein bisschen schwieriger dar –: Wirwollen den Anteil des KWK-Stroms verdoppeln. Wirhaben dafür ein Gesetz und einen Monitoringmechanis-mus eingeführt. Dies müsste jetzt überprüft werden. ImMoment ist das angesichts der komplexen Lage – sosage ich einmal – schwierig. Daran muss aber weiter ge-arbeitet werden. Auch bei der Kraft-Wärme-Kopplungmuss es einen Aufwuchs geben.Wir haben den Emissionshandel geregelt, indem wirdie Menge der CO2-Emissionen für die Industrie definie-ren. Wir haben das Energiewirtschaftsgesetz beschlos-sen, indem wir gesagt haben: Wir brauchen einen fairenWettbewerb und einen Schiedsrichter, der darauf schaut,dass ein diskriminierungsfreier Netzzugang für allemöglich ist. Das heißt, auf der Angebotsseite haben wireine ganze Menge guter Sachen gemacht. Schade, dassSie nicht zugestimmt haben! Das will ich hier nur einmalfesthalten.gegdsgseStmdvüsgsnsdnfhmmisemfawedbKwiomÖsRDdudsWagb
Auf der Nutzungsseite – so würde ich sagen – ist ins-esamt zu wenig getan worden. Im Wärmebereich istiniges geschehen. Wir haben das Altbausanierungspro-ramm eingeführt. Es wird hoffentlich bald der Gebäu-epass eingeführt. Wir haben als Grundlage das Energie-pargesetz verabschiedet; aber da kann noch mehreschehen.Wenig geschehen ist insgesamt – das muss managen – im Strombereich. Wir haben die Stromsteueringeführt und damit durchaus einen Anreiz zurtromeinsparung gegeben; das ist keine Frage. Der An-rag, den wir heute vorlegen, zielt genau darauf, dassan, wie Uli Kelber gesagt hat, den Ingenieursverstandarauf lenkt, auf der Nutzungsseite weniger Strom zuerbrauchen. Da bestehen riesige Potenziale. Die sindbrigens auch kostengünstig erschließbar. Die EUchätzt, dass 30 Prozent des Stromverbrauchs kosten-ünstig erschlossen werden können, weil die Durch-chnittskosten pro Kilowattstunde Strom, die bei einemeuen Kraftwerk anfallen, höher liegen als die Durch-chnittskosten für die Kilowattstunde, die gespart wer-en muss. Diese Potenziale wollen und müssen wir aus-utzen. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt.Die Grundidee ist im Grunde genommen ganz ein-ach: Wir schreiben nicht im Detail bürokratisch vor, wieoch der Verbrauch sein soll, sondern sagen: Das jeweilsarktbeste Gerät setzt den Standard. Jeder Produzentuss innerhalb eines bestimmten Zeitraums – das heißtn drei bis fünf Jahren – diesen Standard erreichen; an-onsten verschwindet er vom Markt. Das wäre natürlichine sehr weitgehende Position. Ich wäre dafür. Aber zu-indest soll er ein Label bekommen, dass er ein strom-ressendes Gerät verkauft. Die Kunden können dannutonom entscheiden, ob sie so ein Gerät noch kaufenollen. Ich gehe fest davon aus, dass, wenn man das mitiner klaren Kennzeichnung kombiniert, die Kundenarauf sehr stark achten werden, wie sie das schon heuteei Elektrogeräten, zum Beispiel bei Fernsehgeräten,ühlschränken usw., machen.Wir stehen bei diesem Thema nicht allein. Das ant-orte ich auf Ihre Frage – die kann ich jetzt nicht mehrm Detail beantworten, weil meine Zeit zu Ende geht –,b unser Vorschlag EU-kompatibel ist. Es gibt im Mo-ent – Kollege Kelber hat darüber gesprochen – diekodesign-Richtlinie. Sie ist im Wesentlichen beschlos-en. Es gibt darüber hinaus die Endenergieeffizienz-ichtlinie. Darüber wird im Moment noch gestritten.as Parlament will, dass bis 2015 der Stromverbrauch iner EU um 11,5 Prozent reduziert wird. Die Kommissionnd der Rat sind da zurückhaltender. Aber beides geht inie gleiche Richtung, sodass wir ganz klar sagen müs-en: Stromeinsparung auf eine intelligente Art undeise, nämlich mit dem Top-Runner-Ansatz – es sollenlso nicht bürokratisch im Einzelnen Vorschriften vorge-eben werden, sondern es soll einen Wettbewerb um dieesten Standards geben –, verbirgt sich hinter der Idee,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17435
)
)
Dr. Reinhard Loskemehr Ökologie mit weniger Bürokratie zu verbinden. Eswäre gut, wenn Sie dem zustimmen würden.Danke schön.
Jetzt hat die Kollegin Gudrun Kopp das Wort. – Sie
müssen heute auch mehrmals auftreten.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! Energieeffizienz muss sich im Wettbewerb
entwickeln. Ich glaube, dass diese Lektion in dem vorlie-
genden Antrag nicht zum Vorschein kommt. Wo kom-
men wir hin, wenn wir marktwirtschaftliche Mechanis-
men außer Kraft setzen, bestimmte Vorgaben machen
und Unternehmen dann vorschreiben, auf welche Weise
sie ihre Produkte zu entwickeln haben!
Warum vertrauen Sie in diesem Fall nicht auf den Markt,
auf den Sachverstand der Ingenieure? Der beste Anreiz
für den Kauf durchdachter Technologien sind natürlich
Preise.
Wollen Sie dem Kollegen Kelber eine Zwischenfrage
erlauben?
Nein, ich möchte jetzt weiter vortragen.
Sie sagen, Sie würden einen bestimmten Standard
vorgeben. Nehmen wir einmal an, jemand stellt einen
Videorekorder her, zu dem eine besonders bedienungs-
freundliche Fernbedienung gehört, die aber etwas mehr
Strom frisst. Wie wollen Sie, wenn Sie einen bestimmten
Standard vorgeben wollen, auf dieser Ebene differenzie-
ren? Das ist sehr schwierig. Sie müssen sagen, welche
Funktionen und welchen Energieverbrauch bestimmte
Geräte haben und dies dann gegeneinander abwägen.
Wie gehen Sie zum Beispiel bei den Patenten vor?
Eine Firma entwickelt ein Superpatent, eine hervorra-
gende Erfindung, wie Energieeinsparung in besonderer
Weise erfolgen kann. Wenn Sie sagen: „Das ist der Stan-
dard; das ist top“, dann heißt das natürlich, dass Sie an-
deren Firmen, die diesen Standard in kürzester Zeit über-
nehmen müssen, enorme Kosten aufbürden, indem sie
quasi Patentgebühren bezahlen müssen.
Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn Sie diesen Top-
Runner-Ansatz marktwirtschaftlich formulieren, finde
ich das hervorragend; denn wir brauchen mehr Energie-
effizienz. Aber dies darf auf gar keinen Fall zu mehr Bü-
rokratie führen.
Herr Kelber, ich lese einmal aus Ihrem Antrag vor:
D
c
s
I
i
t
t
d
g
t
s
t
d
U
g
l
g
g
e
e
D
d
w
t
Energie wirklich ideologiefrei und effizient herzustel-
en und zu vertreiben, das ist der Ansatz, aber nicht Vor-
aben zu machen und staatlicherseits regulierend einzu-
reifen. Das hat mit Effizienz sehr wenig zu tun.
Insofern bitte ich Sie –
Frau Kollegin.
– ich komme zum Schluss –, ein Modell, das wirklich
nergieeffizient und kostengünstig ist, zu entwickeln und
s in einen Antrag zu gießen. Das wäre sinnvoll.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Axel Berg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Ich freue mich, dass wir am Endeieser Legislaturperiode noch einen wichtigen, zukunfts-eisenden Antrag beraten, in dem es um eines der wich-igsten Themen geht, mit denen wir uns in den nächsten
Metadaten/Kopzeile:
17436 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Dr. Axel BergJahrzehnten beschäftigen müssen. Es geht um Effizienz,diesmal aber nicht um Effizienz bei Arbeitsplätzen.Ganz im Gegenteil: Es ist unerlässlich, dass wir mitden Ressourcen unserer Erde sparsamer umgehen, obmit Wasser, mit Kohle, Öl oder Gas, mit Land, Naturoder sauberer Luft. Die technologischen Entwicklungender letzten 200 Jahre und die damit verbundene unglaub-liche Steigerung der Arbeitsproduktivität hat uns in Mit-teleuropa auf der einen Seite zu Wachstum und Wohl-stand verholfen. Auf der anderen Seite ist damit aucheine eigentlich beschämende Verschwendung einherge-gangen, beschämend deshalb, weil wir eine große Partyder Verschwendung auf Kosten der Armen und der Um-welt feiern.Wir müssen uns endlich verstärkt mit der Effizienzbeschäftigen.
Denn allerorts wird augenscheinlich, dass man sich mitder Verschwendungswirtschaft auch wirtschaftlich insAbseits begibt. Von den Umweltfolgen will ich gar nichtsprechen, weil ich ganz gezielt auf die ökonomischeNotwendigkeit von Effizienz hinweisen möchte.Das Zauberwort heißt Ressourcenproduktivität. ImGrunde hätte man schon während der ersten Ölkrise inden 70er-Jahren begreifen müssen, dass Öl viel zu wert-voll ist, um es ineffizient zu nutzen. Jetzt müssen wir re-agieren; denn wir stehen bereits mit dem Rücken zurWand. Durch die rasante wirtschaftliche Entwicklung inAsien und dem damit einhergehenden riesigen Energie-hunger wurden dort inzwischen Rahmenbedingungengeschaffen, die eine verbesserte Ressourceneffizienz er-zwingen, seien es gesetzliche Grenzwerte für den Sprit-verbrauch von Autos oder genau dieser Top-Runner-An-satz.Durch das Top-Runner-Programm wird eine 100-pro-zentige Marktdurchdringung mit der jeweils energieeffi-zientesten Technologie erreicht. Wir schaffen damittechnischen Fortschritt und einen dynamischen Wettbe-werb. Darüber hinaus können wir auf diese Weise mitden Entwicklungen auf anderen Märkten mithalten. DerTop-Runner passt übrigens geradezu prototypisch in dieLissabon-Strategie, die anstrebt – ich zitiere –,die Union zum wettbewerbsfähigsten und dyna-mischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum in derWelt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähigist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehrund besseren Arbeitsplätzen und einem größerensozialen Zusammenhalt zu erzielen.Um dies zu erreichen, müssen wir jetzt Entschlossen-heit zeigen. Wir dürfen nicht aus Angst oder aufgrundvon Protektionismus mutige Schritte verweigern. Die„Pfeiffer-CDU“ – so nenne ich sie einmal – flüchtet aufdie Nachfrageseite. Okay, das kann man so sehen. Aberder Hebel ist der Preis. Warum wollen Sie dann ständigbillige Energie? Das passt, wie ich finde, überhaupt nichtzusammen. Wir haben in Deutschland gerade vorgeführtbekommen, wie sich der vermeintliche Schutz der deut-schen Unternehmen ruck, zuck in sein Gegenteil verkeh-rwdseeMpcEpbnsisZJn„DSFFabdgdESv
it dem Top-Runner gewinnen wir qualifizierte Arbeits-lätze. Wir bringen unsere Unternehmen in eine chan-enreiche Wettbewerbsposition. Wir bringen uns für denxport in Stellung. Wir schöpfen riesige Energieeinspar-otenziale aus. Wir werden einen Innovationsschub erle-en und – last, not least – machen wir natürlich auchoch einen Riesensprung beim Umweltschutz. Wirchaffen jetzt den politischen Rahmen – die Umsetzungt dann Aufgabe der Industrie.Lassen Sie mich zum Schluss aus der „Süddeutscheneitung“ von heute zitieren. Es gab ein Interview miteffrey Immelt, dem Chef des Industriegiganten GE, deroch viel größer als Siemens ist. Die Frage von derSüddeutschen Zeitung“ war:Herr Immelt, Sie verordnen Ihrem Unternehmenneue, höhere Umweltstandards … Veruntreuen Siedas Geld Ihrer Aktionäre?ie Antwort von Immelt:Nein. Investitionen in grüne Technologien sind jakein teueres Hobby entrückter Manager. Wir habenmit der Initiative vor allem ein Ziel: Geld verdie-nen.o macht man auch Politik, liebe CDU/CSU und liebeDP!
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag derraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünenuf Drucksache 15/5469 mit dem Titel „Industrielle Ar-eitsplätze sichern, Energieeffizienz steigern – Eineeutsche Initiative für ein europäisches Top-Runner-Pro-ramm“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmtagegen? –
nthaltungen? – Der Antrag ist mit den Stimmen vonPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmenon CDU/CSU und FDP angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-zes zur Einführung der projektbezogenen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17437
)
)
Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerMechanismen nach dem Protokoll von Kiotozum Rahmenübereinkommen der VereintenNationen über Klimaänderung vom 11. De-zember 1997 und zur Umsetzung der Richt-linie 2004/101/EG– Drucksache 15/5447 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit
– Drucksachen 15/5844, 15/5881 –Berichterstattung:Abgeordnete Ulrich KelberMarie-Luise DöttDr. Reinhard LoskeBirgit HomburgerHierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionder FDP vor.Die Kollegen Kelber, Groneberg, Lippold,Obermeier, Loske und Homburger haben gebeten, ihreReden zu Protokoll geben zu dürfen.1) – Sie sind, glaubeich, einverstanden. Dann verfahren wir auch so undkommen gleich zur Abstimmung über den eben genann-ten Gesetzentwurf. Der Ausschuss für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit empfiehlt in seinerBeschlussempfehlung, den Gesetzentwurf in der Aus-schussfassung anzunehmen; das sind die Druck-sachen 15/5844 und 15/5881. Ich bitte diejenigen, diedem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmenwollen, um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Enthal-tungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-tung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/DieGrünen bei Enthaltung von CDU/CSU und FDP und kei-ner Gegenstimme angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf istin dritter Beratung mit dem eben festgestellten Stimm-verhältnis angenommen worden.Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ent-schließungsantrag der Fraktion der FDP aufDrucksache 15/5870. Wer stimmt für diesen Entschlie-ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthal-tungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmenvon SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stim-men von CDU/CSU und FDP abgelehnt.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Übereinkommen derVereinten Nationen vom 15. November 2000gegen die grenzüberschreitende organisierteKriminalität sowie zu den ZusatzprotokollensWddKisszsuuWlsEMhbgsehalDwgzn8wed1) Anlage 7
Metadaten/Kopzeile:
17438 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Mit dem Übereinkommen von Palermo und den da-zugehörigen Protokollen gegen den Menschenhandelund gegen die Schleusung von Migranten
– bei Palermo wird der Herr Heiderich wach –
hat die internationale Staatengemeinschaft erstmals inihrer Geschichte ein umfassendes Vertragswerk zur Be-kämpfung der organisierten Kriminalität geschaffen. Un-ser nationales Recht erfüllt schon alle Bedingungen die-ses Übereinkommens und seiner Zusatzprotokolle. Wirstehen bei der Bekämpfung der organisierten Kriminali-tät international gut da.
Das ist nicht zuletzt ein Erfolg dieser Bundesregierungund der Koalitionsfraktionen.
Durch das Prostitutionsgesetz haben wir die Positionder Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitutiongestärkt,
indem wir ihnen Wege aus der Kriminalität in die Lega-lität aufgezeigt haben.
– Herr Kauder, außerdem haben wir mit dem 37. Straf-rechtsänderungsgesetz die Definition des Menschenhan-dels im Strafgesetzbuch erweitert und die hierfür gelten-den Strafvorschriften neu gefasst. Wir ermöglichen soeine konsequente Strafverfolgung der Täter und einenwirksamen Schutz für die Opfer.Der entscheidende Mehrwert des Übereinkommensund seiner Zusatzprotokolle, über die wir heute debattie-ren, besteht darin, dass zukünftig alle 147 Zeichnerstaa-ten der Vereinten Nationen die dort vorgesehenen Maß-nahmen anwenden. Ich sage: anwenden müssen. Auf dasglobalisierte Verbrechen müssen wir mit einer grenz-überschreitenden Kriminalitätsbekämpfung antwor-ten.Das Palermo-Übereinkommen enthält gemeinsameDefinitionen und schafft somit begriffliche Standards. Esverpflichtet die Zeichnerstaaten, bestimmte Formen vonKHÜvAdZdZdsmsvenVfdwTmS–CgNdrwVtMaUwfdv
Ich sage es ja immer: ein fleißiges Parlament.
Die Regierung auch.Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Siegfried Kauder.
Siegfried Kauder (CDU/SU):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-en! Seit dem Jahr 1975 bemühen sich die Vereintenationen um internationale Standards zur Bekämpfunges organisierten Verbrechens. Die 8. Strafrechtskonfe-enz auf UN-Ebene fand im Jahr 1990 statt. Sie standieder unter dem Thema: Bekämpfung des organisiertenerbrechens. Es wurde heftig diskutiert, ob sich eine in-ernationale Organisation in die innere Sicherheit deritgliedstaaten einmischen solle.Die Diskussion hielt bis zum Jahr 1998 an. Dann waruf einmal dringender Handlungsbedarf angesagt. DieN setzte eine Ad-hoc-Kommission ein, die beauftragtar, ein Übereinkommen zur internationalen Bekämp-ung des organisierten Verbrechens aufzuarbeiten. Esauerte exakt zwei Jahre, bis dieses Übereinkommenorlag. Aber es blieb nicht bei diesem einen Überein-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17439
)
)
Siegfried Kauder
kommen zur Bekämpfung des organisierten Verbre-chens; es gab Zusatzprotokolle. So gab es ein Zusatz-protokoll zur Schleuserkriminalität. Wenn nun dieMeinung vorherrschen sollte, dieses Zusatzprotokoll seivon irgendeinem fernen Staat in Südamerika oder sonstwo entwickelt worden, dann irrt man sich. Dieses Zu-satzprotokoll zur Schleuserkriminalität wurde von einemNachbarstaat initiiert, nämlich von Österreich. Öster-reich hatte schon 1998 erkannt, dass die Schleuserkrimi-nalität zugenommen hat und dass man dieser Kriminali-tät mit allem, was einem zur Verfügung steht,entgegentreten muss.In diesem internationalen Klima verabschiedete manin Deutschland am 3. März 2000 den so genanntenVolmer-Erlass, der inzwischen Fischer-Erlass heißt,nachdem sich der Außenminister dazu bekannt hat, dasser schuld ist.
Das läuft jeder internationalen Richtung entgegen.
Auf internationaler Ebene ist man sich einig gewesen,dass Schleuserkriminalität und Menschenhandel be-kämpft werden müssen. Wir in Deutschland hingegenmachen die Grenzen für Kriminalität auf.
– Den Einwand „Wer sagt das denn?“ und dass sich dasstatistisch nicht belegen lasse, habe ich erwartet. Ichempfehle denen, die es interessiert und die davon offen-sichtlich zu wenig Ahnung haben, das Vernehmungspro-tokoll des Vizepräsidenten des Bundeskriminalamts,Bernhard Falk, das dem Untersuchungsausschuss vor-liegt, nachzulesen.
Schleuserkriminalität ist ein Kontrolldelikt. Kontrol-lieren Sie auf den Autobahnen eine Geschwindigkeits-überschreitung nicht mehr, taucht dieses Delikt in derStatistik mit null auf. Das heißt also, wenn die statisti-schen Fallzahlen für Schleuserkriminalität zurückgehen,dann ist das kein deutliches Indiz dafür, dass es dieseKriminalität nicht mehr gibt, sondern es zeigt, dass mandie Schleusen geöffnet hat und zu wenig kontrolliert.
Schauen wir uns einmal die Zusatzprotokolle zu demÜbereinkommen, das heute zur Verabschiedung steht,an. Art. 11 des Zusatzprotokolls zur Schleusungskrimi-nalität wäre ein guter Fahrplan für den AußenministerJoschka Fischer. Er brauchte ihn nur abzuschreiben undkönnte seine unsäglichen Erlasse in den Müll werfen. Daheißt es unter Art. 11 Abs. 1, dass die Vertragsstaatenaufgefordert sind, so weit wie möglich die Grenzkontrol-lvlwzhlaEgddgdEClVRSgeBMhdarGwdAGdtts
Es geht nicht nur darum, auf der Angebotsseite etwasegen Menschenhandel zu tun; es geht auch darum, aufer Nachfrageseite Zwangsprostitution zu verhindern.s war nicht Rot-Grün, die hier Vorreiter waren. Wir, dieDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben einen ausformu-ierten Gesetzentwurf zur Freierstrafbarkeit vorgelegt.on Ihnen kam nur heiße Luft: Im Prinzip hätten wirecht, aber das sei alles viel zu kompliziert. Auf diesemtand sind Sie stehen geblieben; damit stellen Sie sichegen den Inhalt dieses Übereinkommens, das wir heuteinvernehmlich verabschieden.
Aber ich möchte Ihnen auch die Begründung derundesregierung zu dieser Aufforderung, die Freier, dieenschenhandel ausnützen, zu bestrafen, nicht vorent-alten. In der Begründung der Bundesregierung heißt esazu, das in Abs. 5 benannte Ziel, Menschenhandel auchuf der Nachfrageseite zu bekämpfen, habe die Bundes-egierung bereits im Aktionsplan „Bekämpfung vonewalt gegen Frauen“ als Ziel festgesetzt und dieserde auch in der Fortschreibung Berücksichtigung fin-en.
ktionspläne – das ist es, was Sie auflegen können. Einesetz ist gefragt und nicht ein Aktionsplan.Art. 7 dieses Zusatzabkommens über Menschenhan-el gibt uns etwas Weiteres vor, nämlich dass die Ver-ragsstaaten erwägen sollen, geeignete Maßnahmen zureffen, die es den Opfern des Menschenhandels ge-tatten, in geeigneten Fällen vorübergehend oder auf
Metadaten/Kopzeile:
17440 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Siegfried Kauder
Dauer im Hoheitsgebiet des ersuchten Staates zu blei-ben.
– Herr Winkler, ich gebe Ihnen mit Ihrem „Aha!“ Recht:Da sind wir in der Tat alle aufgerufen. Ich habe eigent-lich Ihre Äußerung zu unserem Gesetzentwurf zur Frei-erstrafbarkeit so verstanden, dass da ein bisschen von Ih-nen kommt.Aber auch da möchte ich Ihnen die Begründung derBundesregierung nicht vorenthalten. Denn dazu heißt es,die bestehenden deutschen ausländerrechtlichenRegelungen ließen bereits jetzt einen Aufenthalt fürdie Dauer des Strafverfahrens gegen Menschen-händler oder zur Stabilisierung des Opfers zu.Das meint diese Vertragsvorschrift nicht: Es gehtnicht darum, die Opfer bis zum Abschluss des Strafver-fahrens gegen die Menschenhändler hier zu lassen, son-dern sich dafür einzusetzen, dass dies dauerhaft der Fallist. Genau das ist im deutschen Recht nicht umgesetzt.
Da sind alle aufgerufen mitzuarbeiten.Dieses Übereinkommen erwähnt – das ist gut so –nicht nur die Täterseite und die Seite der Gesetzgebung;dieses Übereinkommen erwähnt auch das strafbare Ver-halten aus der Sicht eines Opfers. Art. 6 des Zusatzpro-tokolls über Menschenhandel gibt jedem Vertragsstaatauf, dafür Sorge zu tragen, dass Gerichtsverfahren imZusammenhang mit Menschenhandel nicht öffentlichsind.
– „Mein Gott“ kann man dazu sagen, wenn man zu we-nig Ahnung von den Befindlichkeiten von Opfern vonStraftaten hat. Ich will Ihnen auch hier nicht vorenthal-ten, was die Bundesregierung zur Umsetzung in deut-sches Recht vorträgt: Das hätten wir ja alles schon. Dienicht öffentliche Hauptverhandlung bei Opfern gebe esschon. – Das ist schlicht und ergreifend falsch. Wer§ 171 b GVG liest, der merkt sehr schnell, dass die Ver-nehmung des Opfers nicht öffentlich ist. Die Verlesungder Anklageschrift, der nachfolgende Teil der Hauptver-handlung und die Urteilsbegründung sind öffentlich.Auch das meint der Gesetzestext nicht. Deswegen sindalle aufgerufen, an diesem Ziel des Übereinkommensmitzuarbeiten, damit in der Tat im entsprechenden Straf-verfahren das Opfer hinreichend geschützt wird, wasnun einmal heißt, nicht nur Verfahrensteile nicht öffent-lich auszugestalten, sondern das gesamte Verfahren mitAusnahme der Verkündigung des Urteilstenors. Auch dabitte ich Sie um Ihre Mithilfe.Warum sage ich das alles? Herr StaatssekretärHartenbach stellt sich hier hin und sagt: Wir werden die-ses Vertragsgesetz unterzeichnen und bitten, dass allezustimmen. Das heißt nichts anderes als: Im deutschenRVWdirgnfdstWgvWiwnzvzbSGHhekdmIk2mhm
issen Sie, Herr Staatssekretär, welche Botschaft vonieser Äußerung ausgeht? Wir können uns gemächlichm Lehnstuhl zurücklehnen. Es ist doch alles schon ge-ichtet. Nein, dieses Übereinkommen gibt uns Hausauf-aben auf. Wir sollen mitarbeiten, damit die internatio-ale Kriminalität bekämpft werden kann.Deswegen haben wir von der CDU/CSU-Bundestags-raktion dafür gesorgt, dass eine Unterrichtungspflichter Bundesregierung über die Konferenz der Vertrags-taaten, die in diesem Jahr stattfindet, in die Sitzungspro-okolle des Rechtsausschusses aufgenommen wird.
ir möchten wissen, mit welcher Position die Bundesre-ierung das nationale Recht auf internationaler Ebeneertritt.
ir wollen auch wissen, welche Position andere Staatenn dieser Frage vertreten, ob sie uns voraus sind oder obir – wie von Österreich – von ihnen etwas lernen kön-en. Ich wiederhole: Von diesem Land kam der Anstoßu dem Zusatzabkommen zur Schleuserkriminalität. Da-on könnten wir etwas lernen.
Dessen unbeschadet werden wir dem Gesetzentwurfustimmen; wir werden aber an diesem Thema dranblei-en.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Irmingardchewe-Gerigk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Kauder, ich habe mir die Frage gestellt, warum wireute – kurz vor der morgen früh stattfindenden Vertrau-nsfrage – über ein Thema diskutieren, das eigentlichlar ist und zu dem alles umgesetzt worden ist. Sie habenie Antwort darauf gegeben: Es ging Ihnen wieder ein-al um die Diffamierung des Außenministers. Dies isthnen aber nicht gelungen.
Über den vorliegenden Gesetzentwurf zum Überein-ommen der Vereinten Nationen vom 15. November000 gegen die grenzüberschreitende organisierte Kri-inalität mit seinen Zusatzprotokollen gegen Menschen-andel und Schleusung von Migranten zu sprechen, istir heute in der vermeintlich vorletzten Rede in dieser
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17441
)
)
Irmingard Schewe-GerigkLegislaturperiode vor der Vertrauensfrage ein besonde-res Vergnügen. Wir haben nämlich die Regelungen desÜbereinkommens in den vergangenen Jahren umfassendim deutschen Recht verwirklicht und damit den Schutzder Opfer entscheidend verbessert und die Verfolgungder Täter erleichtert. Heute geht es deshalb nur noch umdie formale Ratifizierung.Das Übereinkommen hat einige Neuerungen für dieBekämpfung des Menschenhandels gebracht, über diei
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es ging zunächst einmal um eine neue De-finition des Menschenhandels, die seinen heutigen Aus-prägungen weitaus besser entspricht. Der Begriff ist nunnicht mehr auf die Ausbeutung in der Prostitution be-schränkt. Menschenhandel ist heute der Handel vonMenschen zur Ausbeutung in all ihren Facetten: zur Ar-beit, oft in Verhältnissen von Sklaverei und Leibeigen-schaft – das hört sich zwar im 21. Jahrhundert etwasmerkwürdig an, aber es gibt sie immer noch –, zur Pros-titution, zur Pornografie und sogar zur Entnahme vonKörperorganen. So haben wir die Definition Menschen-handel im Rahmen der Strafrechtsreform in das Strafge-setzbuch übernommen.Das Übereinkommen nimmt noch eine andere wich-tige Klarstellung vor. Es verdeutlicht, dass Schleusungund Menschenhandel zwei unterschiedliche – wenn auchoft ineinander greifende – Handlungen sind. Denn nichtalle illegal außerhalb ihres Herkunftslandes arbeitendenMenschen werden von Menschenhändlern dazu gezwun-gen, Herr Kauder. Wir befinden uns in einer Welt, in derGeld, Waren und Dienstleistungen frei fließen können,in der aber nicht alle Länder davon profitieren. Extre-mem Reichtum steht eine krasse Armut gegenüber, dieoft so unerträglich ist, dass sich Menschen freiwillig be-reit erklären, ihre Arbeitskraft auf der wohlhabendenSeite der Welt zu meist ausbeuterischen Bedingungen zuverkaufen. Dabei geraten sie häufig in die Hände organi-sierter Schleuserkriminalität.Diese Unterscheidung möchte ich Ihnen mitgeben,Herr Kauder. Denn in den vergangenen Monaten schienmir, Sie hätten das nicht richtig verstanden, wenn Sieuns – wie auch heute wieder – im Zusammenhang mitdem Visa-Untersuchungsausschuss gleich massenhafte,nirgends nachweisbare Verbringung in die Prostitutionvorgeworfen haben.
Aber kommen wir zu dem, was wir getan haben. Ge-rade im Zusatzprotokoll geht es vor allem um den Schutzder Opfer. Diesen Punkt halten wir Grünen neben derVerbrechensbekämpfung für besonders wichtig. Auchmit der Strafrechtsreform haben wir unter anderem dieStrafen für den Handel mit Kindern und den Anreiz fürdie Opfer erhöht, gegen ihre Täter auszusagen.OwnwAhn–fmdnfbaggphBggdzsedcsmvl–OSwtndpgO
Wir haben auch erweiterte Mitwirkungsrechte derpfer am Prozess vorgesehen. Im Zuwanderungsgesetzurde zudem die Möglichkeit geschaffen, den Betroffe-en ein befristetes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Dennir halten die Duldung mit ihren Leistungen nach demsylbewerberleistungsgesetz für eine Form des Aufent-alts, die der Situation der Opfer von Menschenhandelicht gerecht wird.
Genau, die Union war dagegen. – Denn die Opfer hel-en dem Staat mit ihrer Aussage, die Täter zu ermitteln.Mithilfe eines Runderlasses aus dem Wirtschafts-inisterium haben wir außerdem dafür Sorge getragen,ass die Frauen während ihres Aufenthalts einer Arbeitachgehen können. Wir haben den Opfern eine Bedenk-rist eingeräumt, in der sie sich ohne drohende Abschie-ung von den oft traumatischen Bedingungen zumindestnsatzweise erholen können, bevor sie sich für oder ge-en eine Aussage entscheiden. Herr Kauder, Sie habenerade wieder darauf hingewiesen, dass in dem Zusatz-rotokoll von einem Daueraufenthalt die Rede sei. Des-alb mache ich darauf aufmerksam, dass das Bundeslandayern noch nicht einmal diese vierwöchige Bedenkfristewährt; dort werden die Opfer direkt in ein Flugzeugesetzt und abgeschoben. Sie aber verlangen hier einauerhaftes Bleiberecht. Sie werfen einfach Nebelker-en: Hier tun Sie das eine und dort sagen Sie das andere.
Wir haben uns im Bereich der Verhütung des Men-chenhandels durch die Bekämpfung der Armut starkngagiert und für Programme eingesetzt, die Frauen überie Realität der Emigration aufklären und sie bei der Su-he nach alternativen Einkommensmöglichkeiten unter-tützen.Das Übereinkommen enthält aber nicht nur Bestim-ungen für den Bund, sondern auch für die Länder. Inielen Ländern sind Sie ja gefragt. Manche Länder erfül-en diese Bestimmungen sehr gut, andere wie Bayerndarauf habe ich gerade hingewiesen – behandeln diepfer nach wie vor wie Straftäterinnen und haben nur iminn, wie sie die Frauen schnellstmöglich wieder los-erden können. Das sind oft die Länder, die sich am lau-esten für Strafverschärfungen einsetzen. Dies ist zy-isch und hilft den Opfern überhaupt nicht. Ich richte aniese Länder die dringende Aufforderung, das Zusatz-rotokoll zu lesen. Verstehen Sie, dass es zum Kampfegen den Menschenhandel vor allem einer Stärkung derpfer bedarf!Ich danke Ihnen.
Metadaten/Kopzeile:
17442 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Irmingard Schewe-Gerigk
Ich danke auch. – Dies war die letzte Rednerin in der
Debatte, denn die Abgeordneten Laurischk und Simm
haben gebeten, ihre Reden zu Protokoll geben zu dürfen.
– Sie sind damit einverstanden.1)
Dann kommen wir zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem
Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 15. No-
vember 2000 gegen die grenzüberschreitende organi-
sierte Kriminalität sowie zu den Zusatzprotokollen
gegen den Menschenhandel und gegen die Schleusung
von Migranten. Der Rechtsausschuss empfiehlt auf
Drucksache 15/5855, den Gesetzentwurf anzunehmen.
Ich bitte Sie, sich jetzt zu erheben, wenn Sie dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist damit einstimmig angenommen.
Dies war kein beschleunigtes Abstimmungsverfahren.
Wir verfahren hier immer ganz korrekt nach unserer Ge-
schäftsordnung. Da es sich um ein Vertragsgesetz han-
delt, gibt es nur eine zweite Lesung.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 19 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Errichtung einer Bundesanstalt
für den Digitalfunk der Behörden und Organi-
– Drucksache 15/5575 –
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses
– Drucksache 15/5847 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gerold Reichenbach
Ralf Göbel
Silke Stokar von Neuforn
Ernst Burgbacher
b) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 15/5853 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Susanne Jaffke
t
S
S
z
f
e
s
s
e
d
g
m
m
u
w
s
i
n
n
A
s
S
K
s
v
H
1) Anlage 8 2)
ahren wir so.
Ich komme zur Abstimmung. Der Innenausschuss
mpfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
ache 15/5847, den Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
ung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz-
ntwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
as Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
en? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
it den Stimmen von SPD und Grünen gegen die Stim-
en von CDU/CSU und FDP angenommen.
Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung: Ich bitte Sie, sich zu erheben,
enn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. – Wer
timmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
st mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grü-
en gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP ange-
ommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Kultur und Medien
zu dem Antrag der Abgeordneten
Carl-Ludwig Thiele, Stephan Hilsberg, Franziska
Eichstädt-Bohlig, Werner Kuhn , Ulrich
Adam und weiterer Abgeordneter
Gelände um das Brandenburger Tor als Ort
des Erinnerns an die Berliner Mauer, des Ge-
denkens an ihre Opfer und der Freude über
die Überwindung der deutschen Teilung
– Drucksachen 15/4795, 15/5854 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Eckhardt Barthel
Günter Nooke
Ursula Sowa
Hans-Joachim Otto
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Wider-
pruch höre ich nicht; dann ist es so beschlossen.
Das Wort hat als erster Redner der Abgeordnete
tephan Hilsberg.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Die letzte Debatte des heutigen Tages, ange-ichts der Erwartung der verkürzten Legislaturperiodeermutlich eine der letzten Sachdebatten hier im Hohenause, führt uns heraus aus diesem Plenarsaal und vor Anlage 9
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17443
)
)
Stephan Hilsbergdie Stufen des Reichstages. Wenn man über den Platzzur Parlamentarischen Gesellschaft geht, dann quert maneinen etwa einen halben Meter breiten Streifen etwasweißeren Gesteins. Die wenigsten wissen, was das ist.Wenn man diesen Streifen weiter verfolgt in RichtungBrandenburger Tor, dann wird er abgelöst durch einenStreifen von zwei Katzenkopfsteinen, der quer durchBerlin verläuft. Erst dann wird einem langsam deutlich:Auf dieser Linie stand einmal die alte Berliner Mauer,die die Stadt Berlin auf eine fürchterliche Art und Weisegeteilt hat. Dass diese Mauer 16 Jahre nachdem sie vonden Ostdeutschen in einer friedlichen Revolution frei-heitlich geöffnet wurde, fast nicht mehr sichtbar wäre,dass sie fast völlig aus dem Stadtbild von Berlin ver-schwunden wäre, hätte ich mir früher nicht vorstellenkönnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Es geht dabei auch um einen anderen Punkt. Es isteine Herausforderung, wie eine Stadt, wie ein Land miteinem solchen Schandmal, wie es die Berliner Mauer jawar – sie war ein Wundmal und ein Schandmal –, um-geht. Dass es schwierig ist, auf diese Frage eine Antwortzu finden, ist völlig klar. Die Antwort kann aber nichtihre Verdrängung aus dem öffentlichen Bewusstsein undihre Zurückstufung auf ganz kleine Reste, die noch einegewisse Rolle spielen, sein, so als ob das schlechte Ge-wissen eine Rolle gespielt hätte.Diese Überlegungen waren für die Initiatoren, zu de-nen auch ich mich zähle, Grund und Anlass für diesenGruppenantrag, der jetzt in zweiter und dritter Lesunghier beraten wird. Sie haben gesagt: Dieses Defizit mussman aufnehmen. Es war für mich eine große Freude, alssich nach relativ kurzer Zeit herausstellte, dass sich die-sem Antrag über 200 Mitglieder dieses Hauses – einigevon ihnen, wenn auch nicht sehr viele, darf ich herzlichbegrüßen – spontan anschlossen. Das zeigt, dass dasnicht nur mein Problem oder das Problem einiger weni-ger ist, sondern dass viele andere dieses Defizit ganz ge-nauso sehen und deshalb sagen: Das kann so nicht beste-hen bleiben.Im November letzten Jahres haben wir den Antrageingebracht. In der Beschlussempfehlung, über die wirjetzt abzustimmen haben, wird Ihnen vorgeschlagen,dem Gruppenantrag insgesamt zuzustimmen. Es gabeinen Änderungsantrag der Union, der abgelehnt wurde.Herr Nooke wird die näheren Beweggründe dazu be-stimmt noch darstellen; das ist meine Sache nicht. Esgab allerdings ein unterschiedliches Abstimmungsver-halten. Jede Partei hat ihre eigene Meinung dazu.Entscheidend ist, dass dieser Gruppenantrag ein ge-meinsames demokratisches Anliegen auf den Punkt ge-bracht hat. Dass der Bundestag dem Antrag heute zu-stimmen wird, finde ich sehr schön. Der Antrag machtnicht viel her; er steht auf nur einer Seite, aber er hat esin sich. Wir fordern in dem Antrag dazu auf, im Geländeum das Brandenburger Tor herum einen zentralen Ort– es geht nicht um eine zentrale Gedenkstätte – zu schaf-fen: zum Gedenken an die Mauer selbst, zum Gedenkenderer, die dort zu Tode gekommen sind, und natürlichzum Gedenken an die Freude über die Überwindung die-sDebdkiMkwteGdepKBümmhmsdmdenrswdfSohMvhevhbwmSAddedSSe
Metadaten/Kopzeile:
17444 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
– Ich finde, das ist diesen Beifall wert.Wir machen es den Menschen heutzutage nicht ganzeinfach, sich mit Demokratie zu identifizieren. Sicher-lich ist es so, dass viele Menschen von uns endgültigeLösungen erwarten, die wir gar nicht liefern können.PewwEükhEGrtKssdeFzueeAmhgzpjütdfn„sbWbhi
Man soll sich nichts vormachen: Die Gefahr, dassräfte wieder zur Geltung kommen, die ihr Heil in Lö-ungen von vorgestern, in mittelalterlichen Strukturenuchen – sei es die NPD oder seien es Linksextremisten;as alles gibt es –, ist nicht gebannt. Umso wichtiger ists, dass wir auch durch Zeichen deutlich machen, dassreiheit und Demokratie, Leistungsfähigkeit und Eman-ipation zusammengehören, dass das mehrere Seiten einnd derselben Medaille sind. Unter anderem darum gehts bei diesem Mauerdenkmal. Gar keine Frage: Es istine schwierige Aufgabe.Ich darf mich für die große Unterstützung, die dieseufgabe hier gefunden hat, bedanken. Ganz besondersöchte ich mich bei Frau Christina Weiss bedanken, dieeute leider nicht hier sein kann. Sie war für Anregun-en sehr offen. Ich glaube, sie hat sie in ihr eigenes Kon-ept aufgenommen. Ich darf mich bei unseren Kultur-olitikern ganz herzlich bedanken, die die Problemeederzeit sehr konstruktiv und offen diskutiert haben.Ich finde, es ist eine runde Sache geworden. Dassber diesen Antrag heute Einigkeit besteht, ist eine Leis-ung. Einer der Vorzüge des Deutschen Bundestages ist,ass man gerade in schwierigen Zeiten parteiübergrei-end gestalten und artikulieren kann. Er braucht sich sei-er Leistungen nicht zu schämen.Ich darf mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günter Nooke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Kultur zuletzt“, das ist ein Schlagwort, das den Um-tand, die Kulturpolitik sei das fünfte Rad am Wagen,eschreiben sollte. Mir geht es wie Stephan Hilsberg:ir haben durch die zahlreichen Debatten im Bundestagewiesen, dass dies nicht zutrifft. So will ich es aucheute positiv sehen: Der Deutsche Bundestag kann nichtn diese besondere Sommerpause gehen, ohne dass in
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17445
)
)
Günter Nookeder vorletzten parlamentarischen Debatte ein Thema ausdem Ausschuss für Kultur und Medien behandelt wird.
Ich finde das angemessen. Noch wichtiger als die Kul-turpolitik ist dem Deutschen Bundestag vor dieser Som-merpause nur noch seine Existenz, aber dazu morgenmehr.Unsere letzte Debatte über den Umgang mit unsererGeschichte fand an einem historischen Datum statt,nämlich am 18. März. Die friedliche Revolution vomHerbst 1989 fand am 18. März 1990, also vor 15 Jahren,in den Wahlen zur Volkskammer der DDR – das war dieeinzige freie Wahl in der DDR überhaupt; daran sollte indiesem Haus auch heute erinnert werden – ihren erfolg-reichen Abschluss.Der heutige Antrag betrifft die Teilung Deutschlandsnach dem Zweiten Weltkrieg, die sich in dieser Stadtdurch Mauer, Stacheldraht und Todesstreifen in beson-ders perfider Weise manifestierte. Es geht um das Erin-nern an die Zeit der deutschen Teilung und an die Opferder Berliner Mauer. Wir sollten das nationale Erinnernund Gedenken in diesem Hause in Zukunft aber nichtvon Gelegenheit zu Gelegenheit und von Ort zu Ort se-parat verhandeln. Aus diesem Grund bestand bei einigenKolleginnen und Kollegen ein Vorbehalt gegenüber demGruppenantrag.Inzwischen haben wir eine öffentliche Anhörung zudiesem Antrag im Ausschuss für Kultur und Mediendurchgeführt. Der zuständige Senator in Berlin hat unsbei dieser Gelegenheit ein Konzept vorgestellt, in dasdas Anliegen dieses Antrages einfließen kann. Ich unter-stütze das ausdrücklich. Die Einbindung in ein gemein-sam zu beratendes Gedenkstättenkonzept des LandesBerlin und des Bundes ist richtig und notwendig. Anzu-merken ist, dass es sich hierbei nur um einen Teil, näm-lich um das so genannte Mauerkonzept, handelt.In der Anhörung haben wir im Konsens festgestellt:Uns ist an einer umfassenden Darstellung der Teilungs-geschichte Berlins und einer angemessenen Art undWeise des Gedenkens an die Opfer gelegen. Dabei soll-ten wir nicht jeweils separate Entscheidungen auf ver-schiedenen politischen Ebenen herbeiführen, sondern fürein tragfähiges Konzept streiten, in das die Bedürfnisseund Anforderungen aller eingebunden werden können.Nach der Anhörung sehe ich uns da auf dem richtigenWeg. Deshalb sollten wir uns im Wissen um die Ergeb-nisse unserer Anhörung dem Anliegen des Gruppenan-trags über die Fraktionen hinweg anschließen.Mit dem Antrag verbinden sich möglicherweise un-terschiedliche Auffassungen über die Gestaltung und dieForm eines Gedenkortes am Brandenburger Tor.
Die kulturpolitischen und im engeren Sinne gedenkstät-tenbezogenen Aspekte müssen mit den Erfordernisseneines Ortes, der zu den zentralsten der Republik gehört,isbzmwgdwtdrlcvdnddidEghFgzDrDsdAElnrktinghs
Was hier wirklich gewollt ist, muss also noch geklärterden – das schaffen wir heute Abend nicht mehr –, na-ürlich auch gemeinsam mit dem Land Berlin. Die Frageer Gestaltung ist in dem Antrag aus gutem Grund zu-ückhaltend – man könnte auch sagen: unklar – formu-iert. Die Bilder, die Stephan Hilsberg gerade angespro-hen hat, sind nicht vom Brandenburger Tor, sondernon der Bernauer Straße. Deshalb ist die Aufwertunger Bernauer Straße auch ein Punkt in dem Antrag. Es istämlich gar nicht so einfach, das Brandenburger Tor miter Teilungsgeschichte zu verbinden.Eine weitere Frage bedarf der Klärung, nämlich dieer Finanzierung. Darüber muss mit dem Land Berlinm Rahmen des genannten Mauerkonzepts geredet wer-en. Wir sollten mit der heutigen Abstimmung nicht denindruck erwecken, der Bund mache hier einen Allein-ang. Wir sollten nicht hinter die in der öffentlichen An-örung gewonnenen Erkenntnisse zurückgehen.Aus diesem Grund haben wir uns als CDU/CSU-raktion im Ausschuss für Kultur und Medien dafür aus-esprochen, den Antrag mit einer entsprechenden Ergän-ung zur Annahme zu empfehlen – leider erfolglos.och ich will noch einmal zitieren, wie es in dem Ände-ungsantrag hieß:Der Ausschuss betont, dass das Anliegen in Ab-stimmung mit dem Land Berlin in ein vom LandBerlin vorzulegendes Konzept zur Darstellung derTeilungsgeschichte in Berlin Eingang finden undpräzisiert werden soll. Fragen der Ausgestaltungdes Konzeptes wie der Finanzierung sind dabeizwischen dem Bund und dem Land Berlin abschlie-ßend zu klären.er Mehrheit im Ausschuss für Kultur und Medien er-chien dies selbstverständlich, also verzichtbar. Ich halteiese Feststellung ebenfalls für selbstverständlich.Erlauben Sie mir noch einen Einschub. Auch derntrag meiner Fraktion zum Gedenkort im Marie-lisabeth-Lüders-Haus sollte in das Konzept von Ber-in und Bund einbezogen werden. Es handelt sich um ei-en bestehenden authentischen Mauergedenkort in unse-em eigenen Hause. Auch hier sollten wir als Parlamenteinen Alleingang unternehmen. Wir Abgeordnete soll-en ein Interesse daran haben, dass dieser Gedenkraumm Zuge der Übergabe der nördlichen Spreeuferprome-ade an die Öffentlichkeit auch tatsächlich öffentlich zu-änglich wird. Das war schon einmal für Mai vorgese-en. Aber hier baut eben der rot-rote Berliner Senat miteiner Verwaltung. Es dauert also noch etwas.
Metadaten/Kopzeile:
17446 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Günter NookeIn diesem Raum sollte mit einem Totenbuch an dieOpfer der Mauer erinnert werden. Damit verbunden isteine würdige Gestaltung als Gedenkraum. – Dies war einZusatz in der Sache. Dieser Antrag – ich weiß das – istheute nicht Gegenstand der Beschlussfassung.
Noch eine grundsätzliche Anmerkung. Der Staat ist inder Verantwortung für das Gedenken, ist nicht Eigentü-mer des Gedenkens. Geschichte wird unter Historikernund in der Gesellschaft immer umstritten bleiben. Mir istdiese Feststellung wichtig. Wir sollten uns auch weiter-hin darauf verständigen können.Ich möchte abschließend betonen, dass der Konsensim Ausschuss für Kultur und Medien, den wir in vielenFragen in der Sache erreicht haben – abgesehen von ei-ner unrühmlichen und auch verletzenden Ausnahmebeim Erinnern –, immer ein wichtiges Signal für uns ge-wesen ist. Eine große Errungenschaft parlamentarischerDiskussion ist nicht nur der Streit, sondern auch das kon-struktive Gespräch und das Sich-Zusammenraufen. Wirhaben in den vergangenen Jahren im Ausschuss für Kul-tur und Medien über viele Themen gestritten und wir ha-ben sogar um einzelne Formulierungen gerungen. Dabeihatten wir immer vor Augen, für wen wir hier Politikmachen, für wen wir Gestaltungsräume eröffnen wollen.Vielleicht gibt es keinen anderen Ausschuss im Parla-ment, dem die gemeinsame Nähe zum Gegenstand im-mer wichtiger war als die Formulierung möglichst gro-ßer Unterschiede.
– Der Satz kommt noch, Herr Kubatschka. – Für partei-politische Profilierung mag dieser Ausschuss also nichtgeschaffen sein. Das ist keine Schwäche, sondern das istin einer funktionierenden Demokratie eine Stärke. Schonaus diesem Grunde sollten wir uns auch nach der Som-merpause im Ausschuss für Kultur und Medien wiedertreffen.Zum Schluss ein Zitat, nicht von Schiller oder Ein-stein, deren Jubeljahre wir ja schon begehen, sondern,vorausschauend, ein Wort von Heinrich Heine, dessen150. Todestag wir im Februar 2006 begehen und geden-ken werden. In der „Harzreise“ heißt es:Das ist schön bei uns Deutschen: Keiner ist so ver-rückt, dass er nicht einen noch Verrückteren fände,der ihn versteht.Vielleicht haben wir uns im Ausschuss für Kultur undMedien deshalb immer so gut verstanden.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete FranziskaEichstädt-Bohlig.GEssSlsecPSdsdlwuuiBsmwdsdsddWrdFdudVdwwrwmtni
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s hat schon etwas Eigenartiges, dass sich die voraus-ichtlich letzte Debatte in dieser Legislaturperiode die-em Thema und damit tatsächlich auch noch einmal eintück weit Kultur- und Identitätsfragen letztlich nationa-er Art widmet. Wahrscheinlich ist das gar nicht sochlecht.Zur Sache. Meiner Meinung nach ist das Anliegenigentlich ein ganz bescheidenes und ein ganz natürli-hes. Das Brandenburger Tor ist wieder restauriert, derariser Platz ist jetzt wieder ein Stück weit zur gutentube geworden, zurzeit wird gerade westlich des Bran-enburger Tores der Platz des 18. März neu gestaltet. In-ofern stellt sich schon die Frage: Wo und wie klar sindie Erinnerungszeichen gerade an diesem Ort, deretztlich doch weltweit das Symbol des Kalten Kriegesar, für nicht nur die Mauer, sondern auch die deutschend europäische Teilung, den weltweiten Kalten Kriegnd die Unrechtsdiktatur der DDR? Das muss man, wiech glaube, schon eng zusammen sehen. Insofern ist deregriff „Mauer“ ein Symbol nicht nur für die Opfer,ondern gerade auch für Diktatur und Kalten Krieg.
Weil ja eben Günter Nooke danach gefragt hat,öchte ich deutlich betonen, dass es mir schon sehrichtig ist – Stephan Hilsberg hat ja eben geschildert,ass es zwar kleine Zeichen der Erinnerung gibt, sie abero alle diskret angeordnet sind, dass sie fast nicht zu fin-en sind –, dass nicht ein abgegrenzter Gedenkort ge-chaffen wird – das ist zumindest meine Position –, son-ern so etwas wie Denkzeichen, die die Menschenarauf aufmerksam machen, was hier geschehen ist.
ir wissen auch, dass es schwer ist, der Erwartung ge-echt zu werden, dass dort zum einen der Teilung durchie Mauer gedacht wird und zum anderen auch diereude der Überwindung dargestellt wird. Ich gestehe,ass sowohl wir Initiatoren als auch alle anderen, die mitns darüber diskutiert haben, nicht genau wissen, wieas gehen kann.
ielleicht sollte man auch zwei Denkzeichen schaffen,ie dann irgendwie zueinander in Beziehung gebrachterden. Wir wissen noch nicht, was wir konkret machenollen. Ich finde es auch gut, wenn das in einem Verfah-en von Künstlern herausgearbeitet wird.Ich glaube aber, das Anliegen als solches ist sehrichtig. Inzwischen erfahren wir da auch mehr Zustim-ung. Damals gab es zwei Hauptbedenken:Der eine Kritikpunkt lautete, das sei ja nur für Touris-en. Darauf habe ich schon bei der ersten Lesung entgeg-et, Touristen sind auch Menschen, die an diesem Orthre Erinnerung suchen. Wenn sie aus Japan kommen,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005 17447
)
)
Franziska Eichstädt-Bohligsind für sie die Teilung der Welt und der Kalte Kriegauch ein Stück ihrer Geschichte. Insofern sollen alleMenschen, die an diesem Ort die Erinnerung suchen, woauch immer sie herkommen, das Recht dazu haben. Ichfinde es sehr wichtig, dass diesem Anspruch Genüge ge-tan wird.
Der zweite Kritikpunkt beinhaltete die Sorge, der Ortstehe zu sehr in Konkurrenz zum Holocaust-Mahnmalauf der einen Seite und zur Gedenkstätte BernauerStraße auf der anderen Seite. Ich betone noch einmal:Eine solche Konkurrenz ist nicht das Ziel. Es geht da-rum, am Pariser Platz und am Platz des 18. März für diealltägliche Nutzung Denkzeichen zu setzen, die unsererErinnerung dienen.
Das wird auch gelingen, wenn man dieses Ziel in denVordergrund rückt. Es geht nicht um eine Konkurrenz.Im Gegenteil, wir wollten deutlich machen, dass es unssehr wichtig ist, die Bernauer Straße als zentrale Ge-denkstätte und Dokumentationszentrum weiter zu stär-ken und das von unserer Seite aus zu unterstützen.Der Bund muss – im nächsten Kulturausschuss –überlegen, was von seiner Seite getan werden kann, umdas Dokumentationszentrum an der Bernauer Straße zuunterstützen. Auf der anderen Seite halte ich es für rechtund billig, wenn auch bei einem solchen Denkzeichenwie am Brandenburger Tor der Bund den Hut aufhat undBerlin sich um die berlinspezifischen Orte kümmert. DasBrandenburger Tor ist nun einmal ein weltweit bekann-tes Symbol.Zum Schluss will ich auf das eingehen, was bei derAnhörung als Wichtigstes herausgekommen ist. Das einewar, die Freude über die Überwindung der deutschenTeilung deutlich herauszuarbeiten, weil sie an keinemanderen Ort so mitgedacht wird.
Das war eine sehr gute Anregung. Das andere war das,was uns Marianne Birthler als Bundesbeauftragte mit aufden Weg gegeben hat. Sie hat gesagt: Stellt an diesemOrt nicht das Gedenken an die Opfer in den Mittelpunkt,sondern den Zusammenhang von Diktatur, Teilung, Un-freiheit und Freiheit. Denn es geht nicht nur – auch wenndas sehr wichtig ist; das hat Stephan Hilsberg herausge-arbeitet – um die an der Mauer Gestorbenen, sondern esgeht auch um eine lange und harte Phase einer kommu-nistischen Diktatur. Insofern muss auch dieser Gesichts-punkt herausgestellt werden.
Ich glaube, es ist sehr gut, das am Brandenburger Tor zumachen.Nunmehr ist es so, dass auch Berlin eine Gesamtkon-zeption ausgearbeitet hat, die inzwischen viel Anerken-nbuiwwgspiSZsidsdgmtMa–gmwTJgkifLcllAt
Jetzt hat als letzter Redner in dieser Debatte der Ab-
eordnete Carl-Ludwig Thiele das Wort.
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! Sie haben eschon angesprochen: Es ist der letzte Tagesordnungs-unkt vor der morgigen Vertrauensfrage. Ich glaube, esst ein gutes Zeichen, dass hier trotz allen politischentreites, der notwendigerweise auch über die Fragen derukunft unseres Landes geführt werden muss, ein Kon-ens der Demokraten besteht, dass dieses Anliegen einesst, welches uns alle in diesem Hause eint, und dass wirieses Thema alle als eine Aufgabe sehen, der wir unstellen müssen. Ich glaube, es ist auch ein Anliegen, dasem Volk zeigt, dass wir uns in solchen national wichti-en Punkten nicht nur streiten, sondern durchaus Ge-einsamkeiten erkennen und uns entsprechend verhal-en.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich in den dreiinuten, die mir zur Verfügung stehen, das Thema nichtbschließend behandeln kann.
Herr Tauss, wenn Sie so nett wären, hätte ich nichts da-egen; aber warten Sie erst einmal.
Ich hätte aber drei Punkte, die ich herausstellenöchte, weil sie mir besonders wichtig sind.Der erste Punkt: Die Mauer, die Deutschland teilte,ar nicht nur eine Mauer, sondern sie war ein kompletterodesstreifen. Dieser Todesstreifen war unüberwindbar.unge Leute, die heute Mauerreste in Berlin sehen, fra-en sich oft: Und da konnten die Menschen nicht drüber-ommen? Diese Mauer konnte die Welt teilen? Insofernst es wichtig, dass außer der Mauer auch der Todesstrei-en als Bestandteil der Unfreiheit eines Teiles unseresandes behandelt wird.Der zweite Punkt – Sie hatten ihn schon angespro-hen, Frau Eichstädt-Bohlig –: die Unfreiheit von Mil-ionen Menschen. Hier möchte ich mich auf eine Stel-ungnahme von Frau Birthler in der Anhörung desusschusses für Kultur und Medien beziehen. Ich zi-iere:Aber mir kommt in der Debatte häufig zu kurz, dasses Millionen von Opfern der Mauer gab, nämlichein ganzes gefangen genommenes Volk, einschließ-lich der zivilgesellschaftlichen Schäden, die durch40 Jahre Isolation entstanden sind, die menschli-
Metadaten/Kopzeile:
17448 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. Juni 2005
)
)
Carl-Ludwig Thielechen Tragödien, auch in den Familien, die zerrissenwaren, auch wenn sie keine Opfer zu beklagen ha-ben, also die Abschottung eines Volkes …
Der dritte Punkt. Freiheit ist notwendig. Wir gewöh-nen uns an die Freiheit, weil wir sie als selbstverständ-lich erleben. Ich habe sie früher als Bürger der altenBundesrepublik immer erlebt. Aber die 28 Jahre Teilungvon 1961 bis 1989 zeigten, dass Freiheit nicht selbstver-ständlich ist. Die Bedeutung der Freiheit erschließt sichhäufig erst, wenn man die Unfreiheit erlebt hat und sieerkennen kann. Erst daraus wird der Wert der Freiheit alssolcher deutlich.Es ist daher wichtig, dass hier an die Unfreiheit erin-nert wird. Es ist aus heutiger Sicht ein unvorstellbarerVorgang – auch Frau Birthler hat dies angesprochen –,dass eine Partei, die SED, ein ganzes Volk im Grundegenommen eingesperrt hat. Diese unwirkliche Vorstel-lung war 28 Jahre lang Wirklichkeit in unserem Land.Auch darauf muss hingewiesen werden.Ich bin froh, dass durch die Debatte über diesenAntrag eine öffentliche Diskussion in Gang gekom-men ist und dass schon einiges angestoßen wurde. Ichfreue mich, wenn es gelingt, dass die Passerelle vorder U-Bahnstation Adlon möglicherweise als Ausstel-lungsraum zur Verfügung gestellt wird. Dort könnte manauch die 180-Grad-Ausstellung zeigen. Es ist unsereAufgabe, Geschichte zu vermitteln.Anlass für meine Überlegungen waren auch meineKinder. Ich habe mich gefragt, wie ich ihnen diese Zeitder Teilung Deutschlands und der Welt erklären soll. Ichhabe sie erlebt. Aber wie sollen unsere Kinder das erfas-sen, was uns alle politisch prägte? Wie sollen wir ent-sprechende Zeichen setzen? Es ist daher richtig, dass in-zwischen erkannt wurde, dass Zeichen gesetzt werdenmüssen. Die Details können noch besprochen werden.Aber wesentliche Punkte sind schon auf den Weg ge-bracht worden.Abschließend möchte ich mich noch bei den Mitini-tiatoren bedanken. Dass auch in dieser Wahlperiode überalle Fraktionsgrenzen hinweg solche Gemeinsamkeitenin einen Antrag eingebracht werden können, freut michund macht mich auch als Oppositionsabgeordneten ein-fach glücklich. Vielleicht macht es auch einige glück-lich, die zurzeit in der Regierung sind.Ich möchte noch den Mitgliedern des Kulturausschus-ses und seiner Vorsitzenden meinen Dank aussprechen,die sich engagiert mit diesem Thema auseinander gesetzthaben. Danken möchte ich auch der Frau Staatsministe-rin Weiss, die heute entschuldigt ist und mit der es vieleGespräche gegeben hat.Ich glaube, wir haben hier einen Diskussionsprozessangestoßen, der nicht nur durch die Kreuze von FrauHildebrandt in Gang gesetzt wurde. Es handelt sich hiernicht um eine Einzelaktion, sondern um eine Aktion ausder Mitte des Hauses, getragen von der Mehrheit desDeutschen Bundestages. Das sollte Anlass für alle sein,auch in der nächsten Legislaturperiode den Bundestag indieses Thema weiter einzubeziehen. Denn hier muss na-tisRrszSKTiOsadossCKIlskDIdodesAB1)
Der Abgeordnete Werner Kuhn hat gebeten, seine
ede zu Protokoll zu nehmen.1) Das machen wir mit Ih-
er Zustimmung.
Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-
chusses für Kultur und Medien auf Drucksache 15/5854
u dem Antrag der Abgeordneten Carl-Ludwig Thiele,
tephan Hilsberg, Franziska Eichstädt-Bohlig, Werner
uhn, Ulrich Adam und weiterer Abgeordneter mit dem
itel „Gelände um das Brandenburger Tor als Ort des Er-
nnerns an die Berliner Mauer, des Gedenkens an ihre
pfer und der Freude über die Überwindung der deut-
chen Teilung“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag
uf Drucksache 15/4795 anzunehmen. Wer stimmt für
iese Beschlussempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen
der Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Die Be-
chlussempfehlung ist einstimmig angenommen.
Bei so viel Einstimmigkeit kann ich als Präsidentin
agen, dass es ein Stück Zauberregie ist, dass ich die
hance hatte, bei dieser letzten Debatte zum Thema
ulturpolitik und so viel Einigkeit die Sitzung zu leiten.
ch möchte mich aus tiefster Überzeugung der Feststel-
ung anschließen, dass es wichtig ist, dass der Kulturaus-
chuss im nächsten Bundestag, wenn er denn zustande
ommt, bestehen bleibt.
Außerdem möchte ich Ihnen für eine wirklich gute
ebatte zu diesem Thema danken.
ch glaube, bei solchen Debatten sieht man die Qualität
ieses Bundestages.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 1. Juli 2005, 10 Uhr,
in.
Die Sitzung ist geschlossen.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen an die-
em doch etwas besonderen Vorabend einen schönen
bend, soweit er schön sein kann, und dasselbe auch den
esucherinnen und Besuchern auf den Tribünen.