Gesamtes Protokol
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Interfraktionell wurde vereinbart, die heutige Tages-ordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vor-liegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:ZP 1 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung desArzneimittelgesetzes– Drucksache 15/5656 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ernst DieterRossmann, Dieter Grasedieck, Gesine Multhaupt, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeord-neten Grietje Bettin, Monika Lazar, Volker Beck , wei-terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für ein integriertes EU-Bildungsrahmen-programm – Mobilität und Austausch für ein zusammen-wachsendes, innovatives und wettbewerbsfähiges Europa– Drucksache 15/5675 –ZP 3 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Hans-UlrichlaouAbdWnrjfRedetKrüger, Florian Pronold, Ingrid Arndt-Brauer, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge-ordneten Jutta Krüger-Jacob, Christine Scheel, KerstinAndreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: EuropäischeFinanzmärkte – Integration durch Wettbewerb undVielfalt voranbringen– Drucksache 15/5679 –b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. MichaelMeister, Heinz Seiffert, Leo Dautzenberg, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abge-ordneten Dr. Volker Wissing, Dr. Hermann Otto Solms,Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt und derFraktion der FDP: Europäische Finanzmärkte – Inte-gration durch Wettbewerb und Vielfalt voranbringen– Drucksache 15/5677 –ZP 4 Erste Beratung des von den Fraktionen der SBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachtennes Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen F
– Drucksache 15/5672 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOVon der Frist für die Beratung soll, soweit erforder-ich, abgewichen werden.Weiterhin wurde vereinbart, die heutige Fragestundeuf eine Stunde zu beschränken sowie die Tages-rdnungspunkte 4 – Verbraucherpolitischer Bericht –nd 6 – Zukunftschancen für Jugendliche – zu tauschen.ußerdem soll Tagesordnungspunkt 7 – EU-Waffenem-argo gegenüber China – abgesetzt werden. Sind Sie mitiesen Vereinbarungen einverstanden? – Ich höre keineniderspruch. Dann ist so beschlossen.Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-ung um die Beratung eines Gesetzentwurfs zur Ände-ung des Arzneimittelgesetzes zu erweitern und diesenetzt gleich als Zusatzpunkt 1 ohne Aussprache aufzuru-en. Sind Sie damit einverstanden? – Dann ist das so be-extschlossen.Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 1 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Vierzehnten Geset-zes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes– Drucksache 15/5656 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Bildung, Forschung undgenabschätzungell wird Überweisung des Gesetzent-ksache 15/5656 an die in der Tagesord-ten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esPD und des Entwurfs ei-inanzierungTechnikfolInterfraktionwurfs auf Drucnung aufgeführ
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16978 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnerdazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:Fragestunde– Drucksache 15/5660 –Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-riums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft auf.Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Gitta Connemannwerden schriftlich beantwortet.Deshalb rufe ich den Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Verteidigung auf. Die Fragen beant-wortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär HansGeorg Wagner.Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Dr. Gesine Lötzschauf:Warum hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. PeterStruck, anlässlich des 50. Jahrestages der Bundeswehr auchehemalige Angehörige der im spanischen Bürgerkrieg einge-setzten Legion Condor eingeladen – vergleiche die „Welt“vom 7. Juni 2005 – und wie viele eingeladene Gäste warenehemalige Angehörige der Wehrmacht?H
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin Lötzsch, am
7. Juni 2005 begann mit einer Auftaktveranstaltung der
offizielle Jubiläumszeitraum zum 50. Geburtstag der
Bundeswehr. Zu dieser Veranstaltung wurden durch den
Bundesminister der Verteidigung, Dr. Peter Struck,
1 123 Repräsentanten aus Staat und Gesellschaft einge-
laden, darunter selbstverständlich auch die ehemaligen
Generalinspekteure der Bundeswehr.
Der inzwischen 97-jährige General a. D. Heinz
Trettner gehört zu den Gründervätern der Bundeswehr.
Er wurde, wie alle Offiziere der Bundeswehr mit Vor-
dienstzeiten in der Wehrmacht vom Dienstgrad Oberst
an aufwärts, durch den so genannten Personalgutachter-
ausschuss auf seine persönliche Eignung geprüft. Damit
besteht für das Bundesministerium der Verteidigung
keine Veranlassung, an der Integrität dieser Personen-
gruppe zu zweifeln. Es ist eine Selbstverständlichkeit,
eine Persönlichkeit, die sich um den Aufbau unseres
freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates in besonderer
Weise verdient gemacht hat, zu einer solchen Feier ein-
zuladen.
Die Frage nach der Anzahl eingeladener Gäste, die
ehemals Angehörige der Wehrmacht waren, kann nicht
beantwortet werden, da die Vita der Eingeladenen nicht
eigens abgeprüft wurde. Es ist davon auszugehen, dass
ein Großteil der vor 1931 in Deutschland geborenen
männlichen Bevölkerung – in welcher Form auch im-
mer – Angehöriger der Wehrmacht war.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
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ofern sie zu dem eingeladenen Kreis gehören durften.
ier ist keine Unterscheidung getroffen worden.
Eine weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe aber nicht
ach den Offizieren der Nationalen Volksarmee gefragt.
Herr Staatssekretär, Sie wissen wahrscheinlich ge-
auso gut wie ich, dass der Bundeskanzler anlässlich des
0. Jahrestages der Landung der Alliierten in der Nor-
andie in seiner Begleitung auch ehemalige Wehr-
achtsangehörige hatte und dass Menschen, die auf-
eiten der französischen Résistance gekämpft haben, von
er französischen Regierung eingeladen werden muss-
en, weil sie im Tross des Bundeskanzlers nicht eingela-
en waren. Haben Sie keinen Anlass gesehen, aus diesen
rfahrungen des vergangenen Jahres zu lernen und Men-
chen, die gegen die faschistische Wehrmacht gekämpft
aben, offiziell einzuladen?
H
Wir haben dies nicht zum Kriterium gemacht. Wie der
err Bundeskanzler seine Delegation zusammenstellt,
st Sache des Bundeskanzlers. Wir haben das nicht zu
ritisieren. Wir selber haben nach bestem Wissen und
ewissen die Einladungen zusammengestellt. Das trifft
uch für diejenigen zu, die eingeladen worden sind. In-
ofern haben wir da souverän gehandelt. Wir waren nicht
er Auffassung, man sollte zusätzliche Einladungen aus-
prechen.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Staatssekretär, haben Sie die gleichen Kennt-isse wie ich, dass beim Aufbau der Nationalen Volksar-ee ebenfalls ehemalige Soldaten der deutschen Wehr-acht dabei waren?
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Ha
Das ist nicht auszuschließen, Herr Kollege Koppelin;
denn solche waren sowohl bei uns dabei als auch auf der
Seite der ehemaligen DDR.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Petra Pau auf:
Welchen Umfang hatten bundesweit Personalveränderun-
gen in der Bundeswehr an den Standorten seit 1994 und wie
viele Arbeitsplätze wurden aufgrund des jeweiligen nachfol-
genden Stationierungskonzeptes – bitte nach Ländern auf-
schlüsseln – neu geschaffen?
H
Frau Kollegin Pau, im April des Jahres 1994 beschäf-
tigte die Bundeswehr insgesamt rund 174 800 zivile Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Wehrverwaltung des
Bundes befand sich zu dieser Zeit in dem Anfang der
90er-Jahre begonnenen Prozess der personellen Umset-
zung der Strukturveränderungen im Rahmen der Anpas-
sung an die neuen Streitkräftestrukturen und des Auf-
baus einer Wehrverwaltung in den neuen Bundesländern.
Mitte 2000 wurden die Strukturveränderungen durch die
Maßnahmen im Rahmen der Neuausrichtung der Bun-
deswehr und Ende 2003 mit den neuen Entscheidungen
zur Transformation der Bundeswehr fortgesetzt.
In diesem Rahmen soll der zivile Bereich der Bundes-
wehr bis zum Ende des Jahres 2010 auf 75 000 Haus-
haltsstellen und Dienstposten bzw. Arbeitsplätze redu-
ziert werden. Da Auszubildende, Beamte auf Widerruf
und Teilzeitbeschäftigte keine oder keine ganze Haus-
haltsstelle in Anspruch nehmen, können mit der Ziel-
größe von 75 000 Haushaltsstellen voraussichtlich über
80 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt
werden. Derzeit sind rund 122 000 zivile Beschäftigte
bei der Bundeswehr tätig. Dies bedeutet eine weitere Re-
duzierung des gesamten Personalbestandes im zivilen
Bereich um bis zu 40 000 Menschen. Diese personelle
Entwicklung beruht auf organisatorischen Maßnahmen
mit entsprechenden Arbeitsplatz- und Dienstpostenan-
passungen. Die Reduzierung wird sozial verträglich und
ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen. Ein An-
stieg beim Zivilpersonal der Bundeswehr erfolgte nur in
Berlin und Sachsen-Anhalt, nämlich um 570 bzw.
306 Personen. Eine Darstellung der Entwicklung des
Personalbestandes in den Bundesländern im Zeitraum
von 1994 bis 2005 kann zur Verfügung gestellt werden.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Diese Übersicht
würde ich gern erhalten.
Ich hätte eine Nachfrage: Gibt es einen Überblick,
wie viele Arbeitsplätze – bei all den Abbaumaßnahmen,
die Sie beschrieben haben – neu entstanden sind, bei-
spielsweise durch die Stationierung des Eurofighters in
Rostock-Laage?
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Wir sind damit auch am Ende dieses Geschäftsbe-
eichs. Vielen Dank, Herr Staatsminister, für die Beant-
ortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministe-
iums für Wirtschaft und Arbeit auf. Die Fragen beant-
ortet Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gerd
ndres.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Volkmar Uwe
ogel auf:
Trifft es zu, dass zum Transport von diskontinuierlich an-
fallendem regenerativen Strom die Transportkapazitäten
durch den Neubau von 380-Kilovolt-Hochspannungsleitun-
gen erhöht werden und deswegen Schneisen von etwa 75 m
Breite bei einem Flächenverbrauch von circa 1 200 ha über
den Kamm des Thüringer Waldes geschlagen werden sollen,
und wenn ja, hält die Bundesregierung dies für ökologisch
sinnvoll?
G
Frau Präsidentin, ich würde die Fragen 9 und 10
erne gemeinsam beantworten, wenn Herr Vogel einver-
tanden ist.
Ja, das bin ich.
Dann rufe ich zusätzlich die Frage 10 auf:Welche Alternativen zu dieser Trassenführung prüfen dieBundesregierung bzw. die beteiligten Einrichtungen?
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Ge
In der dena-Studie „Energiewirtschaftliche Planung
für die Netzintegration von Windenergie in Deutschland
an Land und Offshore“ vom Februar 2005 wurde das
Konzept zur Netzintegration von Windkraftanlagen in
das elektrische Versorgungssystem vorgelegt. Die für
den Zeitraum 2007 bis 2010 erforderlichen Netzverstär-
kungen bzw. Netzausbaumaßnahmen sehen eine neue,
140 Kilometer lange 380-Kilovolt-Leitung von Viesel-
bach nach Redwitz vor.
Aussagen zur Trassenführung sowie zur Technologie
des Leitungsbaus und zum Flächenverbrauch können
von der Bundesregierung nicht getroffen werden.
Die Frage 10 beantworte ich wie folgt: Über die Tras-
senführung von Hochspannungsleitungen wird im Rah-
men der Planungs- und Genehmigungsverfahren ent-
schieden. Diese Verfahren liegen in der Zuständigkeit
der Bundesländer. Antragsteller für solche Leitungen
sind die jeweiligen Netzbetreiber.
Sie haben jetzt vier Zusatzfragen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär,
besonders in Bezug auf Frage 9 habe ich eine Zusatz-
frage: Gelten für den Transport von erneuerbaren Ener-
gien andere Umweltverträglichkeitskriterien bei den not-
wendigen Untersuchungen als zum Beispiel in dem Fall,
in dem es um die Errichtung von Schienentrassen durch
den Thüringer Wald ging? Das betrifft ja gerade auch die
Kammlagen des Thüringer Waldes.
G
Das ist mir nicht bekannt. Die Frage kann ich Ihnen
nicht beantworten. Ich glaube aber, nicht.
Bitte.
Danke. – Eine weitere Frage in diese Richtung. Hal-
ten Sie bzw. die Bundesregierung es für das ökologische
Gleichgewicht der Kammlagen des Thüringer Waldes
für sinnvoll, solche Schneisen oder Trassen zu schlagen,
oder ist unter Umständen die Errichtung von Tunnelbau-
werken, wie es auch bei anderen Bahn- und Verkehrs-
trägern gemacht wird, ökologisch sinnvoller?
G
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über
die ökologische Situation der Kammlagen des Thüringer
Waldes vor.
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Mir liegen keine vor. Einen Vergleich zwischen Strom-
eitungen, Autobahnen oder Schifffahrtskanälen will ich
ier nicht anstellen. Ich finde, ich habe Ihre Fragen or-
entlich beantwortet. Die letzte Frage kann ich nicht be-
ntworten.
Sie haben noch zwei Zusatzfragen.
Sie sprachen davon, dass die Trassenführung und
uch mögliche Alternativen einzig und allein in der Ver-
ntwortung der Länder bzw. der zuständigen Einrichtun-
en liegen. Trotz alledem haben Sie die Möglichkeit,
ier Einfluss zu nehmen. Haben Sie diese Möglichkeit
nter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit, sprich: der
utzung möglicher Synergieeffekte, geprüft und haben
ie Empfehlungen ausgesprochen?
G
Ich weiß von keiner Möglichkeit, Einfluss zu neh-
en. Ich habe Ihnen auf Ihre Frage 10 geantwortet, dass
ber mögliche Trassen in den Bundesländern entschie-
en wird. Die Netzbetreiber entscheiden. Sie müssen das
eantragen. Die Landesregierung ist für die Trassenfüh-
ung zuständig. Wo wir ansonsten was wie beeinflussen,
eiß ich nicht. Damit ist Ihre Frage ordentlich und kor-
ekt beantwortet.
Noch eine Zusatzfrage?
Nein, danke.
Dann hat der Kollege Grund eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Notwendigkeit für den Neu-au der 380 000-Volt-Leitung ergibt sich aus dem Ener-ieaufkommen von Windkraftanlagen in Norddeutsch-and und dem Verbrauch in Süddeutschland bzw. eineröglichen Speicherung, weil Energie aus Windkrafticht kontinuierlich entsteht und eine Speicherung inasserkraftanlagen nötig ist.Mich interessieren nun die Kosten. Geht die Bun-esregierung davon aus, dass die Kosten für eine80 000-Volt-Leitung, die sicherlich im zwei- oder drei-telligen Millionenbereich liegen werden – allein in Thü-ingen geht es um eine Trasse von 140 Kilometern –,uch die Kosten beinhalten, die nach dem ehemaligennergieeinspeisungsgesetz, heute EEG, für den Aufkaufiner Kilowattstunde aufgewendet werden müssen, odererden diese Kosten für die Ableitung der Energie nochusätzlich auf den Verbraucher umgelegt werden?
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Ge
Wie die Betreiber den Bau einer Trasse oder einer
Leitung finanzieren, weiß ich nicht. Das ist deren Ange-
legenheit.
– Ich gehe von nichts aus. Ich habe Ihnen doch gesagt:
Ob eine Trasse gebaut wird, ist zunächst Angelegenheit
der Betreiber; sie müssen das finanzieren. Ob sie eine
Trasse aus Atomkraft, aus Wasserkraft, Windkraft oder
dem, was sie sonst an Geschäften betreiben, finanzieren,
entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich finde, ich habe Ihre Frage beantwortet. Aber Sie kön-
nen gerne noch einmal fragen.
Ich rufe die Frage 11 der Kollegin Petra Pau auf:
Auf welcher Rechtsgrundlage versuchen Arbeitsgemein-
schaften im Zusammenhang mit der Hartz-IV-Gesetzgebung,
Arbeitslosengeld-II-Empfänger dazu zu verpflichten, Einglie-
derungsvereinbarungen zu unterschreiben, die es ihnen ver-
bieten, zeitlich und räumlich ihren Wohnort zu verlassen, und
wo ist dies genau geregelt?
G
Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass die Ar-
beitsgemeinschaften versuchen, Empfänger von Arbeits-
losengeld II dazu zu verpflichten, Eingliederungsver-
einbarungen zu unterschreiben, die es ihnen verbieten,
zeitlich und räumlich ihren Wohnort zu verlassen. Auch
die aus einer Vielzahl von Besuchen in den Arbeitsge-
meinschaften gewonnenen Informationen des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Arbeit über die Arbeits-
weise der Arbeitsgemeinschaften lassen ein derartiges
Verfahren nicht erkennen. Eine solche Vorgehensweise
würde auch nicht der Rechtslage entsprechen.
Im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
findet eine umfassende Unterstützung der erwerbsfähi-
gen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Integration in Ar-
beit statt. Insbesondere benennt die Arbeitsgemeinschaft
bzw. der zugelassene kommunale Träger jedem erwerbs-
fähigen Hilfebedürftigen einen persönlichen Ansprech-
partner, der ihn bei der Eingliederung in den Arbeits-
markt umfassend unterstützt. Zu diesem Zweck wird mit
dem persönlichen Ansprechpartner eine Eingliederungs-
vereinbarung abgeschlossen, die das Sozialrechtsver-
hältnis zwischen dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen
und den Trägern der Grundsicherung konkretisiert. Sie
enthält verbindliche Aussagen zum Fördern und Fordern
des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, legt also beidersei-
tige Rechte und Pflichten fest.
Die Umsetzung der Integrationsanstrengung erfor-
dert es, dass der erwerbstätige Hilfebedürftige in der Re-
gel jeden Werktag für den persönlichen Ansprechpartner
erreichbar ist. Aus diesem Grund enthält die Eingliede-
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ann wissen Sie, dass es uns nicht nur um ein Sanktions-
nstrument, sondern auch um ein Präventionsinstrument
eht. Insofern müssen auch folgenlose Trunkenheitsfahr-
en sanktioniert werden können. Das sieht der Beschluss
or und wir prüfen, inwiefern eine entsprechende Rege-
ung möglich ist.
Ich glaube aber, dass unsere Auffassungen nicht aus-
inander liegen. In der geltenden Fassung des SUG geht
s um Trunkenheitsfahrten, bei denen etwas passiert
zw. der Betrunkene erwischt wird. Uns allen liegt si-
herlich an einer präventiven Regelung, damit auch fol-
enlose Trunkenheitsfahrten geahndet werden können.
Sie haben noch eine Zusatzfrage.
Das ist richtig. Unsere Positionen weichen nur des-
alb voneinander ab, weil das SUG durch Sie geändert
nd damit diese Möglichkeit genommen worden ist.
ann gedenken Sie, den Rechtsrahmen so abzustecken,
ass auch bei der folgenlosen Trunkenheitsfahrt entwe-
er durch eine Änderung des SUG oder des Seeaufga-
engesetzes die Sanktionsmöglichkeit des Sofortvoll-
ugs gegenüber dem ausländischen Kapitän besteht?
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Wir sind schon dabei.
Richtig, Herr Kollege, Sie haben keine Zusatzfrage
ehr, tut mir Leid.
A
Aber wir gehen im Guten auseinander. Wir können
och telefonieren, Herr Goldmann.
Darin bin ich mir nicht so sicher.
Die Frage 27 des Kollegen Michael Kretschmer wirdbenfalls schriftlich beantwortet.Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs.ielen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwor-ung der Fragen.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerWir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Finanzen. Die Fragen 28 und 29 desKollegen Bernhard Kaster werden schriftlich beantwor-tet, ebenso wie die Fragen 30 und 31 des KollegenHartmut Koschyk.Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Ich unter-breche die Sitzung bis zum Beginn der Plenardebatte um14 Uhr.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b sowieZusatzpunkt 2 auf:2 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungSechzehnter Bericht nach § 35 des Bundesaus-bildungsförderungsgesetzes zur Überprüfungder Bedarfssätze, Freibeträge sowie Vomhun-dertsätze und Höchstbeträge nach § 21 Abs. 2– Drucksache 15/4995 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschussb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
zu dem Antrag der Abgeordneten KatherinaReiche, Dr. Maria Böhmer, Thomas Rachel, wei-terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSUKonsequenzen aus dem Studiengebührenurteilfür die Bildungs- und Hochschulfinanzierungdes Bundes– Drucksachen 15/4931, 15/5592 –Berichterstattung:Abgeordnete Ute BergKatherina ReicheMonika LazarUlrike FlachZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. ErnstDieter Rossmann, Dieter Grasedieck, GesineMulthaupt, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der SPD sowie der Abgeordneten GrietjeBettin, Monika Lazar, Volker Beck , weite-rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNENFür ein integriertes EU-Bildungsrahmenpro-gramm – Mobilität und Austausch für ein zu-sammenwachsendes, innovatives und wettbe-werbsfähiges Europa– Drucksache 15/5675 –AhmuHdgbEenmut–cldggHWnwB
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungnd Forschung:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenerren und Damen! Es ist ungefähr zwei Monate her,ass wir hier im Bundestag über den unsäglichen Schlin-erkurs der CDU/CSU in Sachen BAföG diskutiert ha-en.
s ist mir eine ausgesprochene Freude, Ihnen heute nochinmal schwarz auf weiß Zahl um Zahl belegen zu kön-en, welch erfreuliche Entwicklung das von uns refor-ierte BAföG genommen hat.
Bei unserer Regierungsübernahme, liebe Kolleginnennd Kollegen, fanden wir eine wirklich katastrophale Si-uation vor.
Wenn Sie darüber lachen, Herr Mayer, ist das erschre-kend. Wenn Sie, meine Herren und Damen, es lächer-ich finden, dass unter Ihrer Regierungsverantwortungie Zahl der Studienanfänger dramatisch zurückgegan-en war, und zwar insbesondere aus Familien mit niedri-em Einkommen, dann sitzen Sie hier am falschen Platz,err Mayer.
enn das typisch ist für die CDU/CSU, dann kann ichur sagen: Gnade Gott!
Wir haben eine katastrophale Situation vorgefunden,eil Sie das BAföG wirklich systematisch in Grund undoden gewirtschaftet haben.
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16986 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Bundesministerin Edelgard BulmahnDas haben wir alle hier erlebt. Sie haben das BAföGüber viele Jahre gekürzt und die Mittel für andere Dingeeingesetzt.
Das hatte Konsequenzen. Ich sage es noch einmalausdrücklich: Die Zahl der Studienanfänger – besondersaus einkommensschwächeren Familien – war dramatischzurückgegangen, und zwar gerade in den Bereichen In-genieurwissenschaften und Naturwissenschaften, wo wirdringend Nachwuchs brauchen.Wir haben deshalb, als wir 1998 gewählt wurden unddie Bundesregierung stellten, gesagt: Da müssen wirwirklich umkehren. Wir brauchen einen Kurswechsel.Wir müssen jungen Leuten wieder bessere Bildungs-und Studienmöglichkeiten schaffen.
Deshalb haben wir das BAföG grundlegend verbessert.Wir haben eine grundlegende Reform durchgeführt, dieErgebnisse zeigt, wie wir heute schwarz auf weiß nach-weisen können.Wir haben ein zweites, mir ebenfalls ganz wichtigesZiel erreicht: Wir haben das Vertrauen der Familien undder jungen Leute in diese Unterstützung der Studienfi-nanzierung, in diese Förderung wieder zurückgewonnen.Sie vertrauen wieder darauf, dass sie Hilfe bekommen,dass sie finanzielle Förderung erhalten. Das ist ein ganzwichtiger Punkt, auf den ich stolz bin. Daraus will ichgar keinen Hehl machen.Im Berichtsraum 2002/2003 – darüber reden wir –konnte der Kreis der Geförderten nochmals um23 Prozent ausgeweitet werden.
Er liegt nunmehr bei mehr als einer halben Million imJahresdurchschnitt. Das bedeutet einen Zuwachs vonfast 50 Prozent seit 1998. Es zeigt, dass es uns wirklichgelungen ist, Familien zu überzeugen und Jugendlichean ein Studium heranzuführen und für ein Studium zugewinnen,
die vorher schon aufgegeben hatten und gesagt haben:Ein Studium kann ich mir einfach nicht leisten.Das wieder gewonnene Vertrauen in die staatlicheAusbildungsförderung schlägt sich in einem deutlichenAnstieg der Studienanfängerzahlen nieder. 1998 began-nen knapp 260 000 junge Menschen ein Studium; imletzten Jahr waren es rund 340 000. Mit 37,5 Prozent lagdie Studienanfängerquote im Jahr 2004 damit so hochwie nie zuvor. Aus der 17. Sozialerhebung wissen wir,dass mehr als zwei Drittel aller BAföG-Gefördertennach eigenen Angaben ohne BAföG nicht hätten studie-ren können.ABddahaüZDdiGnSzhzSeambdSttwbfdoaWKn6
Ich freue mich ganz besonders, dass gerade Kinderus den so genannten – wie es soziologisch so schöneißt – bildungsfernen Schichten vermehrt ein Studiumufnehmen. Der Anteil der Studierenden, deren Väterber einen Hauptschulabschluss verfügen, hat sich imeitraum von 2000 bis 2003 um 5 Prozentpunkte erhöht.
ie Verbesserung der Chancengleichheit in der Bil-ung ist also kein frommer Wunsch geblieben, sondernst ein konkretes Ergebnis unserer Politik.
Insbesondere die mit der BAföG-Reform geschaffenearantie, dass auch bei einer Vollförderung, also bei ei-er Höchstförderung, keiner mehr als 10 000 Euro vomtaatsdarlehen zurückzahlen muss – das BAföG wird jaur Hälfte als Zuschuss gezahlt und zur Hälfte als Darle-en gewährt –, hat ganz offensichtlich erheblich zur Ak-eptanz des Förderungsinstruments BAföG beigetragen.Gleichzeitig allerdings – das sehe ich mit großerorge – hat der Anteil der Studierenden aus Familien mitinem mittleren Einkommen abgenommen. Das heißtlso, dass es auch Familien mit einem mittleren Einkom-en nicht leicht fällt, die Kosten für ein Studium aufzu-ringen. Das gilt besonders, wenn mehrere Kinder stu-ieren. Hier bleibt das BAföG in seiner gegenwärtigentruktur als Sozialleistung für diese Familien das wich-igste Instrument der Unterstützung.
Umso unverständlicher ist es mir da, wie die Opposi-ion – CDU/CSU und auch die FDP – es verantwortenill, die von ihr entfesselte Diskussion über Studienge-ühren nun auch noch mit der Forderung zu verknüp-en, das BAföG abzuschaffen;
enn nichts anderes ist es, wenn man darüber diskutiert,b man das BAföG auf Vollkredit umstellt. Das ist nichtsnderes als eine Abschaffung des BAföG.
enn man Jugendlichen zumutet, ihr Studium voll mitrediten zu finanzieren, dann stehen sie am Ende vor ei-em Schuldenberg von mindestens 50 000 bis0 000 Euro.
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Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Da kann ich Ihnen nur sagen: Wenn einige Ihrer Kolle-gen dann auch noch sagen, man würde die Erhebung vonStudiengebühren sozialverträglich abfedern,
dann finde ich, dass das wirklich unehrlich ist. DieseHaltung gegenüber den jungen Leuten kann ich eigent-lich gar nicht beschreiben.
Wenn sie am Ende ihres Studiums 50 000, 60 000 odersogar 90 000 Euro – so viel ist es bei einer Vollförde-rung – Schulden hätten,
dann würden alle Erfolge, die wir in den letzten Jahrenerreicht haben, wieder zunichte gemacht.
Deshalb sage ich hier an dieser Stelle noch einmalganz klar und unmissverständlich: Das BAföG mit sei-ner jetzigen Struktur – zur Hälfte als Zuschuss und nurzur Hälfte als Kredit sowie mit der Schuldenobergrenzevon 10 000 Euro – wird mit dieser Bundesregierung er-halten bleiben.
Die Sozialdemokratische Partei und Bündnis 90/DieGrünen – für die kann ich das auch sagen – werden da-ran nicht rütteln lassen.Im Übrigen haben wir zwar Erfolg: Wir sind jetzt mit37,5 Prozent endlich ein ganzes Stück näher an unseremZiel, dass 40 Prozent eines Jahrgangs ein Studium auf-nehmen. Wir liegen damit aber immer noch unter demOECD-Durchschnitt von 51 Prozent. Wir alle wissendoch, dass wir nicht weniger sehr gut qualifizierte jungeMenschen brauchen, sondern dass wir mehr qualifiziertejunge Menschen brauchen, wenn wir unsere Zukunfts-chancen wahren wollen und wenn vor allem die jungenMenschen ihre Zukunftschancen wahren wollen.
Ohne eine gute Qualifikation geht es nicht; das ist diewichtigste Voraussetzung dafür, dass man ein selbstbe-stimmtes Leben führen kann. Das galt für meine Genera-tion genauso, wie es für die jungen Menschen heute gilt.Deshalb sage ich noch einmal ausdrücklich: Meine sehrgeehrten Damen und Herren von der Opposition, Siesind auf dem falschen Weg. Mit der Einführung von Stu-diengebühren kann man Studienbedingungen nicht ver-bessern. Vielmehr laden Sie jungen Leuten da etwas auf,was sie nicht tragen können.SrnVhßkJVrbddgKShnoggdK–icm9–icb
ie sagen, Sie hätten mit nachlaufenden Studiengebüh-en ein sozialverträgliches Instrument. Das ist aberichts anderes als ein Riesenkredit. Das ist wirklich eineerhöhnung der jungen Leute.
Dass inzwischen auch Ihre Länderkollegen gemerktaben, dass man so etwas nicht mal einfach so beschlie-en kann und sich das alles irgendwie von alleine löst,ann man daran sehen, dass die KMK seit gut einemahr immer noch nicht zu einem Ergebnis gekommen ist.on Ihnen wird zwar immer wieder gesagt: „Ja, wir füh-en Studiengebühren ein“, aber niemand von Ihnen hatisher wirklich ein umfassendes Stipendiensystem aufen Tisch gelegt.
Kredite sind keine Stipendien. Wenn Sie immer wie-er anderes behaupten, dann ist das – das sage ich Ihnenanz ausdrücklich – eine Verhöhnung der Leute.
ein einziges CDU-regiertes Bundesland hat bisher eintipendienprogramm auf den Tisch gelegt. Sie sind bis-er alle Antworten schuldig geblieben – das muss ich Ih-en leider ausdrücklich sagen –,
bwohl das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich fest-estellt hat: Es ist die Aufgabe der Länder, die Studien-ebühren einführen wollen, dafür Sorge zu tragen, dassie Sozialverträglichkeit gewahrt bleibt.
redite gewährleisten Sozialverträglichkeit nicht.
Wenn Sie sagen, das sei dummes Zeug, dann möchteh von Ihnen einmal wissen, wie Sie einem Menschenit einem normalen Einkommen erklären wollen, dass0 000 Euro Schulden – über diese Summe reden wir – –
Zinseszinsrechnung beherrschen Sie nicht. Das weißh, Herr Rachel; das habe ich schon bei vielen Debattenemerkt.
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16988 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Sie sollten noch einmal einen Grundkurs Mathematikbelegen. Sie müssen das für ein zehnsemestriges Stu-dium wirklich einmal durchrechnen. Sagen Sie den jun-gen Menschen und den Familien, wie sie das finanzierensollen!Für diese Bundesregierung und die sie tragende Ko-alition kann ich nur sagen: Wir werden auch in Zukunftgewährleisten – dafür stehen wir –,
dass junge Menschen Bildungschancen unabhängig vonihrer familiären Herkunft haben und wahrnehmen kön-nen. Wir haben auch schon viel dafür getan – dass wis-sen Sie –, dass unser Bildungssystem besser wird.Ich bedauere, dass wir die Exzellenzinitiative nichtschon vor einem Jahr starten konnten;
das hätte ich mir sehr gewünscht. Seit einem Jahr disku-tieren wir darüber. Auch diese Initiative ist ein wichtigerSchritt, um die Studienbedingungen deutlich zu verbes-sern.Die BAföG-Reform war ein Erfolg und auch die Ex-zellenzinitiative wird ein Erfolg werden.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Thomas Rachel,
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Die Vorlage des Sechzehnten BAföG-Berichts
will die Bundesregierung zum Anlass nehmen, sich kurz
vor ihrer Niederlage bei der Bundestagswahl ihrer an-
geblichen Leistungen zu rühmen.
Die Realität sieht allerdings völlig anders aus.
Die Erhöhung der BAföG-Beträge im Jahr 2001 hat
dazu geführt – das will ich zunächst einräumen –, dass
das Ausgabenvolumen im Bereich der Ausbildungsför-
derung gestiegen ist. Dies darf allerdings nicht davon ab-
lenken, dass darüber hinaus nichts passiert ist. Es ist
nicht zu einer Anpassung der Fördersätze gekommen,
obwohl die Lebenshaltungskosten gestiegen sind.
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Der Beirat hatte bereits vor Jahren eine Anhebung der
edarfssätze und Freibeträge um 3,5 und 4,5 Prozent ge-
ordert. Das haben Sie hinten im BAföG-Bericht ver-
teckt, damit es niemand sieht. Insofern gibt es für Sie
einen Anlass, Lorbeeren zu ernten. Ich finde es pein-
ich, dass Sie zu dieser Forderung des Beirats nichts ge-
agt haben.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Tauss?
Das will ich uns allen ersparen.
Statt sich um Ihre Aufgaben zu kümmern, prügeln Sien Sachen Studiengebühren auf die Union ein. Frauulmahn, Sie haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt.ie haben die Schlappe vor dem Bundesverfassungsge-icht erlitten. Sie haben es bis heute nicht für nötig be-unden, ein zukunftsweisendes Konzept zur Studienfi-anzierung vorzulegen.Wir als Unionsfraktion haben einen Antrag einge-racht, der schlüssig und ausgewogen ist. Es ist realitäts-ern, die Unterfinanzierung der Hochschulen nicht zurenntnis zu nehmen. Zurzeit fehlen den deutschenochschulen nämlich 3 bis 4 Milliarden Euro. Ihre Ant-ort auf das Fehlen der Mittel ist gewesen, zusätzlichoch die Hochschulbaumittel zu kürzen. Ich halte diesür unverantwortlich.
In Deutschland sind die privaten Ausgaben für Bil-ung sehr niedrig. Die privaten Ausgaben im tertiärenildungsbereich haben in den USA einen Anteil von,8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, in Deutschlandiegt die Quote nur bei 0,1 Prozent. Wenn die Hochschu-en ihre hervorragende Position in Forschung und Lehrerhalten und ausbauen wollen, brauchen wir höhere pri-ate Bildungsausgaben. Dazu gehören auch – nicht nur,ber auch – Studiengebühren, jedenfalls dann – das ma-hen wir zur Voraussetzung –, wenn die Hochschulen sieelber wollen. Nicht die Politik soll ihre Einführung vor-eben, sondern die Hochschulen sollen die Möglichkeitekommen, sie einzuführen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 16989
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Thomas RachelAuch der Sachverständigenrat und die Experten, die denvon Ihnen in Auftrag gegebenen „Bericht zur technolo-gischen Leistungsfähigkeit Deutschlands“ erarbeiten,haben Ihnen übrigens deutlich ins Stammbuch geschrie-ben, dass es richtig ist, den Hochschulen die Möglichkeitzu geben, Studiengebühren einzuführen, wenn sie eswollen. Ihre Ideologie aber macht Sie blind. Hören Sieauf den Rat Ihrer eigenen Fachleute!
Gesamtgesellschaftlich gesehen wird das auch immermehr zu einer Frage der sozialen Gerechtigkeit. Wie sol-len wir es denn begründen, dass alle Familien, egal aufwelcher sozialen Stufe sie stehen, Gebühren für die Be-treuung der Kinder in Kindergärten und ihre vorschuli-sche Ausbildung zahlen müssen, gleichzeitig aber füreine Weiterqualifizierung in Form eines Studiums, vonder nachher nur ein kleiner Teil der jungen Leute profi-tiert, keine Eigenbeiträge verlangt werden? Dies ist ge-rade auch angesichts der Tatsache problematisch, dassheute das IAB noch einmal klar erklärt hat, dass Akade-miker, also Menschen mit Hochschulabschluss, wesent-lich bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Inso-fern ist es also verantwortbar, dass sich in einerSituation, wo wir Kindergartenbeiträge von allen Elternerheben, auch die Studierenden, die nachher bessere Be-rufschancen haben, mit einem verantwortbaren Betragan der Studienfinanzierung beteiligen.
Nach unserer Auffassung sind allerdings Bedingun-gen zu erfüllen. Damit Studiengebühren den Effekt, denwir wünschen, erzielen können, ist es erforderlich, dassdie Einnahmen aus den Studiengebühren zweckgebun-den den Hochschulen für die Verbesserung von Lehreund Studienbedingungen zur Verfügung gestellt werden;denn die Studierenden müssen auch merken können,dass sich an ihrer Alma Mater, an ihrer Fachhochschuleoder Hochschule, etwas verbessert, zum Beispiel im Be-reich der Betreuung in Form von zusätzlichen Tutorienund durch eine verbesserte Ausstattung der Hochschu-len. Das ist ein konkreter Ansatz, um die Studienbedin-gungen für die Studenten zu verbessern.Meine Damen und Herren, die OECD-Studie „Bil-dung auf einen Blick“ hat deutlich gemacht, dass trotzStudiengebühren beispielsweise in Australien und Ka-nada deutlich mehr Kinder aus Nicht-Akademiker-Fami-lien als in der Bundesrepublik studieren. Dies zeigt, dassvernünftig abgewogene Studiengebühren ein gutes In-strument sein können.Wir möchten, dass die Gebühren sozial verträglichausgestaltet werden.
Das kann dadurch geschehen, dass entweder nachlau-fende Studiengebühren eingeführt werden, oder dadurch,dass nach Abschluss des Studiums ein verzinsliches Dar-lehen in Abhängigkeit vom Einkommen zurückgezahltwird.
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Auch diese 5 000 Euro soll der Student erst dann zu-ückzahlen, wenn er tatsächlich einen richtigen Beruf,lso keinen Minijob, gefunden hat, aus dem er ein ent-prechendes Einkommen erzielt, sodass er in der Lagest, den Betrag von 5 000 Euro zurückzuzahlen. Dies istozial verträglich und angemessen. Wir akzeptieren auchicht, dass Sie auf die Angebote der Kreditanstalt füriederaufbau, die sich ja um vernünftige Möglichkeitener Finanzierung von Studium und Lebenshaltung inorm von Kreditangeboten bemüht – –
Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr!
hre Redezeit ist überschritten.
Gerne. – Wir wünschen uns, dass Sie auf diese Ange-
ote konstruktiv zugehen und sie nicht einfach von der
and weisen.
Herr Kollege, ich wäre sehr dankbar, wenn Sie auch
ie Konsequenzen daraus ziehen würden.
Mache ich gerne. – Die Union diskutiert, die Regie-
ung blockiert. Dies werden wir im September beenden.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Grietje Bettin, Bündnis 90/
ie Grünen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Die Union – so hört man von Frau Merkel – willie Bildungspolitik zum Wahlkampfthema machen. Da-an ist zunächst einmal nichts auszusetzen.
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Grietje BettinIn der heutigen Debatte können wir sehen, für welcheBildungspolitik die Union wirklich steht.
Es wird sich wieder einmal zeigen, dass Chancengleich-heit für sie ein Fremdwort ist.Ich beginne einmal mit dem Thema BAföG. Wir, dierot-grüne Koalition, haben die Ausbildungsförderungzwischen 2000 und 2005 um mehr als 50 Prozent gestei-gert. Wir haben die Förderbedingungen erleichtert undfür die Rückzahlung eine Obergrenze von 10 000 Eurogesetzt. Das bedeutet, heute bekommen mehr Studie-rende BAföG und der Schuldenberg am Ende des Stu-diums bleibt überschaubar.Derzeit erhält jeder vierte Studierende in der Regel-studienzeit eine Förderung. Mehr als zwei Drittel derBAföG-Geförderten sind auch darauf angewiesen undhätten nach eigenen Angaben – Ministerin Bulmahn hates schon gesagt – ohne BAföG gar nicht angefangen zustudieren.Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir einmalzurück: Was war vorher, als Union und FDP regiert ha-ben? Ganz klar: Unter Schwarz-Gelb wurde das BAföGtotal gegen die Wand gefahren. Die Förderquote gingmassiv zurück. Am Ende der Regierungszeit waren eskaum noch 16 Prozent der Studierenden, die überhauptBAföG bekommen haben.
– Das war Kohl, genau.
Ganz klar auch: Unter Schwarz-Gelb wird Studierenzu einem echten Armutsrisiko.
Ihr Ziel ist es, flächendeckend Studiengebühren einzu-führen, und zwar fast ohne soziale Absicherung. Siewollen das BAföG entweder abschaffen oder zulastender Studierenden ohne reiche Eltern umbauen. Das Endevom Lied: Ein begabter junger Mensch aus ärmeren Ver-hältnissen könnte in Deutschland nicht mehr studieren,ohne schon beim Berufseinstieg pleite zu sein; so vieleSchulden würden Sie ihm bis zum Ende seines Studiumsaufhalsen.Das Ergebnis Ihrer Hochschulpolitik heißt auf denPunkt gebracht: Studieren nur noch für Reiche. Dabeigeht es doch gerade darum, mehr Menschen den Zugangzu einem Studium zu ermöglichen. Die Nachfrage nachakademisch ausgebildeten Menschen in Deutschlandsteigt. Eine gute Ausbildung ist für alle jungen Men-schen der beste Schutz vor Arbeitslosigkeit und damitauch der beste Schutz zur Sicherung unserer Zukunftsfä-higkeit.
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Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, deno notwendigen Subventionsabbau haben Sie aus purerachtstrategie mit Ihrer Blockadepolitik bislang verhin-ert. Jetzt wollen Sie mit dem Geld scheinbar Steuersen-ungen finanzieren. Deshalb ist es besonders heuchle-isch und geradezu absurd,
ass Sie kürzlich von der Bundesregierung ein staatlichefördertes Bildungssparen und die Einführung eines Er-achsenen-BAföG gefordert haben. Wie wollen Sieenn das finanzieren – aus Ihren Steuersenkungen? Aushrer steuersubventionierten Kopfpauschale? Die Wahr-eit ist doch: Sie wollen keinen Cent zusätzlich für Bil-ung ausgeben.
Frau Merkels Bildungspolitik – das steht fest – ist ra-ikaler Bildungsabbau. Der letzte Beweis hierfür ist, wasrau Kollegin Professorin Dr. Böhmer für die Unionlargestellt hat: Das Bundesbildungsministerium soll ab-eschafft werden. Falls Schwarz-Gelb an die Machtäme, würde die Bildungspolitik des Bundes stillgelegt.ie wollen sich aus der Verantwortung stehlen und dieildung komplett den Ländern überlassen. Viele von de-en haben schon jetzt größte Mühe, den staatlichen Bil-ungsauftrag überhaupt zu erfüllen.
Ich sage Ihnen eines: Mit bildungspolitischen Lippen-ekenntnissen führen Sie die Wählerinnen und Wählericht hinters Licht. Kahlschlag lautet die bildungspoliti-che Devise von Schwarz-Gelb. Das werden wir im be-orstehenden Wahlkampf auch deutlich machen.
ir werden mit aller Macht dafür kämpfen, dass der Bil-ung und Ausbildung junger Menschen weiterhin die
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Grietje Bettinnötige Aufmerksamkeit geschenkt und dafür der nötigeTeil vom Haushaltskuchen abgegeben wird. Diese Aus-gaben werden sich bezahlt machen.Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Hellmut Königshaus,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie mer-ken es: Rot-Grün und die Ministerin sind mir auf dieStimme geschlagen. Ich hoffe, ich kann mich trotzdemverständlich machen.
Ich muss wirklich sagen: Die Chuzpe, die wir hier ge-rade wieder erlebt haben, ist schon bemerkenswert. Eineoffenbar sehr erfolgreiche Koalition hat sich hier ebenwieder vorgestellt – so, als wären Sie nicht kurz vor demZusammenbrechen.
Sie reden über die Zeit der berühmten Vorgängerre-gierung – angeblich hat sie versagt –, anstatt über IhreZeit zu sprechen.
Begreifen Sie es doch endlich: Die Vorgängerregierungwar die erste rot-grüne Regierung – nicht die RegierungKohl – und in deren Regierungszeit haben Sie versagt.
Das können wir gerade im Zusammenhang mit demBAföG wunderbar erkennen: Seit 2001 haben Sie dieBAföG-Sätze und die Freibetragsgrenzen nicht mehr an-gepasst; das ist doch das Problem.
In dieser Zeit sind die Lebenshaltungskosten gestiegen– ich will nicht wiederholen, was der Kollege Rachelhier gesagt hat – und deshalb können wir uns, wenn wirin diesem Bereich nicht mehr Geld auszugeben vermö-gen, nur damit behelfen, dass wir uns auf die wirklichBedürftigen konzentrieren
und die Mittel effektiver zu verwenden versuchen.
Das bedeutet in erster Linie angemessene, also höhereBedarfssätze und vor allem kürzere Studienzeiten.elDmbbbiHrth–klNaDhSbEswdmStfgAtsswbsknbtEK
eshalb muss es bei uns wieder zu Verhältnissen kom-en, die es möglich machen, kürzer zu studieren. Dasedeutet natürlich: weniger jobben und auch das Unter-inden von Parkstudien und Ähnlichem. Damit sind wirei der Frage der Hochschulfinanzierung.Aber bevor ich darauf zu sprechen komme, möchtech hier eine weitere Chuzpe von Ihnen ansprechen.eute Morgen wurde uns Ihr Antrag zum EU-Bildungs-ahmenprogramm vorgelegt. Die verantwortliche Minis-erin sagt zu diesem Bereich überhaupt nichts. Auch Sieaben dazu bisher nichts gesagt.
Ja. – Dieses Papier umfasst acht Seiten. Angesichts dernappen Zeit konnte man es nicht einmal richtig durch-esen.
un soll es hier behandelt und anschließend soll darüberbgestimmt werden. Das ist wirklich eine Frechheit.
as entspricht Ihrer Arbeitsweise. Dadurch sind Ihreandwerklichen Fehler zustande gekommen, weswegenie früher immer nachbessern mussten. Was Sie schrei-en, klingt alles ganz gut.
s kann aber auch sein, dass darin irgendwelche Fintentecken. Wir können dem heute nicht zustimmen, weilir gar nicht wissen, welche Probleme mit der Annahmeieses Antrages verbunden sind.Zurück zur Hochschulfinanzierung. Wir müssen fürehr Steuerung sorgen und auch das Eigeninteresse dertudierenden aktivieren, damit sie schneller und konzen-rierter studieren, und wir müssen die Bedingungen da-ür schaffen, dass sie es auch tun können. Wie ich schonesagt habe, darf es keine Scheinstudenten zulasten derllgemeinheit mehr geben; diese Studenten belasten na-ürlich auch diejenigen, die tatsächlich studieren. Werich nur deshalb an einer Universität einschreibt, weil ero preiswerter mit der S-Bahn fahren kann oder preis-erter krankenversichert ist, der darf das System nichtelasten.Studienentgelte sind ein wunderbares Mittel, um die-es Eigeninteresse zu aktivieren. Das bringt für die Zu-unft – nachlaufende – Belastungen mit sich. Geld sollur bei denjenigen eingetrieben werden, die tatsächlichessere wirtschaftliche Verhältnisse erreicht haben. Sieun ja so, als ob Sie es hier mit Barbaren zu tun hätten.s geht um einen Betrag von maximal 5 000 Euro. Derollege Rachel hat das eben schon dargestellt. Deshalb
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Hellmut Königshausist es geradezu lächerlich, solche Horrorgemälde zuzeichnen.
Was wir allerdings brauchen, ist in der Tat, dass dieseMittel bei den Hochschulen bleiben.
– Was heißt „Wie?“ Es ist klar, dass Sie es nicht wissen.Wir werden es Ihnen demnächst vormachen.
Wir müssen sicherstellen, dass das Geld tatsächlich anden Hochschulen eingesetzt wird.
– Genau, wie in Baden-Württemberg. Danke schön fürden Hinweis.
Es muss weniger Bürokratie geben und die Stellungder Studierenden als Nachfragemacht muss gestärkt wer-den. Nur so wird das Interesse der Universitäten ge-weckt, sich für die Belange der Studierenden wirklicheinzusetzen.Zu dem Ansatz der KfW für Studienkredite braucheich nichts zu sagen. Das begrüßen wir sehr. Wir lobenausdrücklich die Bundesregierung, dass sie das zulässt,was ja nicht selbstverständlich ist. Insgesamt ist es einguter Ansatz.Noch eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin. DerAntrag der Union enthält richtige Ansätze. Wir habenkeinen Zweifel daran, dass das Niveau der Hochschul-baufinanzierung wieder angehoben werden muss. Wirsind froh, dass Sie von Ihrer Radikalposition, nämlichder Abschaffung des HRG, abgerückt sind. Sie hätteneigentlich unseren Antrag, den wir zu diesem Punkt ein-gebracht hatten, übernehmen können.
Herr Kollege, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss
kommen.
Ich komme zum Schluss.
Wir vermissen aber ein klares Bekenntnis zum
BAföG. Deshalb können wir Ihrem Antrag in dieser
Form nicht zustimmen.
Herr Kollege.
Wir müssen uns daher in diesem Punkt enthalten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Ihnen,
Frau Präsidentin, für Ihre Geduld.
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Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine
ötzsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich bin Abgeordnete der PDS.Wir als PDS lehnen Studiengebühren ab.
afür gibt es soziale und wissenschaftspolitischeründe. Die sozialen Gründe liegen klar auf der Hand:tudiengebühren sind unsozial. Sie belasten finanz-chwache Eltern härter als finanzstarke. Nach den Vor-tellungen von CDU und CSU sollen alle Studierenden00 Euro pro Semester zahlen, egal ob sie Söhne oderöchter von Bankvorständen oder Briefträgern sind. Dast ungerecht.
Sie geben zwar vor, eine sozialverträgliche Lösungnzustreben. Doch es gibt nach dem Urteil des Bundes-erfassungsgerichtes vom Januar aus keinem CDU- oderSU-geführten Land einen wirklich sozialverträglichenorschlag.
Sie haben Recht, Herr Tauss. – Sie haben den Eindruckrweckt, Sie hätten Ihre Vorschläge schon in der Schub-de und würden sie nach dem Urteil sofort aus derasche ziehen. Ich finde es erschreckend und verantwor-ungslos, dass CDU und CSU Studiengebühren offen-ichtlich ohne eine einzige sozialverträgliche Sicherungurchpeitschen wollen.
Es gibt auch wissenschaftspolitische Gründe gegentudiengebühren. Die OECD hat eine schöne Übersichtber die Studienanfängerquote für ausgewählte Länderorgelegt: Neuseeland liegt mit 75,8 Prozent auf Platzins und Deutschland nur auf Platz 23. Polen liegt auflatz vier und Ungarn auf Platz acht. Wir dürfen also denugang zu Bildung nicht durch Studiengebühren ver-ngen, sondern wir müssen den Zugang zum Studiumeiter öffnen. Das ist das Gebot der Stunde.
In unserem Land studieren nicht zu viele junge Men-chen, sondern zu wenige. Hinzu kommt, dass sich dieenigen Studierenden noch weniger Studienplätze teilenüssen. Nun argumentiert die CDU/CSU, dass dietudiengebühren zur Verbesserung der Lehre verwendeterden könnten. Damit treffen Sie zunächst den Nerv
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 16993
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Dr. Gesine Lötzschvieler Studierenden, die mit den Studienbedingungennicht zufrieden sind. Doch es ist in Anbetracht der über-schuldeten Länderhaushalte völlig klar, dass die Univer-sitäten auch mit Studiengebühren nicht mehr Geld in dieKassen bekämen. Es wäre ein Nullsummenspiel. Denndie Studiengebühren würden mit den Landeszuschüssenverrechnet werden.Es ist kein Luxus, wenn wir ein studiengebühren-freies Studium fordern. Im Gegenteil: Die Länder mitden besten Bildungsvoraussetzungen für die nächste Ge-neration werden langfristig ihren Lebensstandard sichernkönnen.Ich finde es schon erstaunlich, wie sich alle Parteienum den Niedriglohnsektor streiten und chinesische Ver-hältnisse anstreben.
Wir als PDS sind die Ausnahme. Wir legen den Schwer-punkt auf den Hochlohnsektor. Wir müssen hier inDeutschland in den Hochlohnsektor investieren. Dortliegen die Produktivitäts- und Wertschöpfungsreservender Zukunft oder – für CDU/CSU-Ohren verständlicherformuliert –: Studiengebühren sind Gift für den StandortDeutschland.
Dass die Niedriglohnpolitik gescheitert ist, sehen wirtagtäglich im Osten unseres Landes. Gerade im Ostenbrauchen wir eine Kehrtwende um 180 Grad. Geradedort brauchen wir mehr Studierende, mehr hochqualifi-zierte Absolventen und mehr Wissenschaft und For-schung.
– Wenn Sie eine Frage haben, melden Sie sich doch zueiner Zwischenfrage!Abschließend möchte ich meiner Freude darüberAusdruck verleihen, dass allein die Ankündigung derGründung einer größeren Linkspartei in Deutschlanddazu geführt hat, dass in allen anderen Parteien über lin-kes Gedankengut in Wahlprogrammen nachgedachtwird.
Es wäre gut, wenn das auch über den Wahltag hinaus rei-chen würde.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ute Berg, SPD-
Fraktion.
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Das ist gut so. Aber das prägt sich Ihnen anscheinendicht ein. Behalten Sie es auch! – Das erreichen wir nur,enn wir den Studierwilligen den Weg nicht durch hoheosten verbauen.
Unsere Überzeugung lautet daher kurz und knapp:ir setzen weiterhin auf das BAföG und auf ein gebüh-enfreies Erststudium.
ine Neukomposition der Studienfinanzierung, wie dienion sie vorhat, ist aus unserer Sicht nichts anderes alsine Symphonie des Grauens.
Die CDU/CSU will das BAföG abschaffen und statt-essen ein Kreditsystem installieren. Das heißt, die Stu-ierenden, die von Hause aus zu wenig Geld zum Stu-ieren haben, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren,üssen einen Kredit aufnehmen.
ei einem monatlichen Kredit von 650 Euro über vierahre müsste ein Studierender – das sind noch einmal dieahlen der Ministerin – am Ende mehr als 47 000 Eurourückzahlen – und das nur im besten Fall, nämlich beiinem extrem niedrigen Zinssatz von – ich nenne Ihneniesen genau – 5,1 Prozent; Sie können das nachrech-en.
chon damit wäre die Belastung fünfmal höher als die,ie sich durch das heutige BAföG ergibt. Aber das istoch nicht alles: Oben drauf kämen dann noch diechulden durch Studiengebühren; denn diese sind in Ih-er Modellrechnung noch gar nicht enthalten.Führen wir uns doch lieber einmal vor Augen, wasurch das BAföG erreicht wurde.
Es stört wahnsinnig, wenn Sie permanent Gegenredenalten. Das haben wir bei Ihnen auch nicht gemacht. Sieollten ein bisschen leiser sein.
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Ute Berg
Jeder Vierte der knapp 2 Millionen Studierenden inDeutschland erhält in der Regelstudienzeit BAföG. Ohnediese Finanzspritze könnten die meisten der Gefördertennicht studieren. Das hat die letzte Untersuchung desDeutschen Studentenwerks gezeigt. Der BAföG-Berichtmacht zudem deutlich: Das Bildungspotenzial ausfinanzkräftigen, bildungsnahen Familien haben wir weit-gehend ausgeschöpft. Aber es finden immer noch zu we-nige Kinder aus einkommensschwachen, bildungsfer-nen Familien den Weg an die Hochschule. Es sind genau11 Prozent.
Das liegt zum einen daran, dass viele dieser Kindergar nicht erst bis zum Abitur kommen. Hier spielen Aus-wahlmechanismen im Schulsystem eine Rolle, auf diewir natürlich nicht mit hochschulpolitischen Maßnah-men einwirken können. Aber diejenigen, die es bis zurHochschulreife schaffen, können wir hochschulpolitischunterstützen.
Für diese Gruppe ist die finanzielle Unterstützung einganz ausschlaggebendes Kriterium dafür, ein Studiumaufzunehmen. Die HIS-Studie vom März dieses Jahreswurde eben schon mehrfach zitiert; da können Sie diesganz deutlich nachlesen.Wer das BAföG abschaffen und es durch Krediteoder Darlehen ersetzen will, der hält diese jungen Men-schen von einem Studium ab. Wir wollen genau dasGegenteil. Deshalb hat die rot-grüne Bundesregierungdas BAföG seit 1998 enorm aufgestockt; die entspre-chenden Zahlen haben Sie eben gehört.
Diese Bundesregierung hat die Bedarfssätze erhöht,
den Empfängerkreis erweitert und die Rückzahlung aufmaximal 10 000 Euro begrenzt.Es kamen gerade von der Opposition Zurufe, dass dieSätze nicht weiter angehoben wurden. Diese Kritik magteilweise berechtigt sein. Aber wenn Sie gleichzeitig for-dern, das BAföG abzuschaffen, dann ist das geradezu lä-cherlich.
– Sie nennen etwas BAföG, was gar kein BAföG ist,Herr Rachel.KwaddigBed–dHvJgvfssNstvbBkKw
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Berg, da Herr Rachel vermutlich
usste, wie unbequem meine Frage sein würde, und sie
bgelehnt hat, möchte ich Sie an dieser Stelle zu den Be-
arfssätzen fragen und nur darauf aufmerksam machen,
ass in Ihrer Auflistung möglicherweise untergegangen
st – danach frage ich Sie –, dass wir es waren, die dafür
esorgt haben, dass das Kindergeld nicht mehr auf das
AföG angerechnet wird, und dass das einer der ganz
ntscheidenden Reformschritte war. Könnten Sie uns zu
iesem Thema noch ein paar Erläuterungen geben?
Ich kann nur bestätigen, was Sie gesagt haben.
Ich bestätige, was Herr Tauss gesagt hat. Mehr will ichazu eigentlich gar nicht ausführen.
Unsere Reform hat einen regelrechten Run auf dieochschulen ausgelöst. Die Studienanfängerquote iston 28 Prozent im Jahr 1998 auf gut 37 Prozent einesahrgangs angestiegen. Sie wollen das jetzt durch eineroße Umstrukturierung zunichte machen. Nach Ihrerollmundigen Ankündigung im Januar, jetzt im Eilver-ahren Studiengebühren einzuführen, wurde allerdingschnell klar, dass die Union kein Konzept hat, wie dasozial abgefedert werden kann.
ach einem großen Tusch zum Auftakt machte sichchnell Ratlosigkeit breit, wie es denn nach der Ouver-üre weitergehen soll. Ihre Sinfonie ist bis heute eine un-ollendete. In der Musik tut das dem Werk keinen Ab-ruch, aber in der Politik kann man mit solchenruchstücken nichts anfangen.
Es ist wirklich absurd, dass Sie in Ihrer Einfallslosig-eit nun von der Bundesregierung fordern, Ihnen einonzept für die Einführung von Studiengebühren zu ent-erfen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 16995
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Ute BergDas steht in völligem Widerspruch zu dem Verhalten Ih-rer Parteifreunde in den Ländern, allen voran RolandKoch; denn die tun wirklich alles dafür, den Bund hoch-schulpolitisch komplett auszubremsen, und zwar solange, bis sich gar nichts mehr bewegt.Sehr geehrte Damen und Herren von der Union, es istunsere Pflicht, für alle jungen Menschen gleiche Chan-cen in der Berufsausbildung zu schaffen, und zwar mit-hilfe einer individuellen Ausbildungsförderung. DasBAföG abzuschaffen hieße, dass sich der Staat von die-ser zentralen sozialen und bildungspolitischen Verant-wortung verabschieden würde.
Frau Kollegin, auch Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Ende. – Die Einführung von Studien-
gebühren würde die Situation zusätzlich dramatisch ver-
schärfen. Das kann nicht in unserem Interesse sein.
Wir wollen gleiche Chancen sowie mehr Bildung und
Qualifikation für alle. Deshalb brauchen wir das BAföG.
Es ist aus sozial- und bildungspolitischer sowie aus öko-
nomischer Sicht notwendig.
Das Wort hat die Kollegin Vera Dominke, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir debattieren heute über einen Bericht zur Überprü-fung der Bedarfssätze, Freibeträge, Vomhundertsätzeund Höchstbeträge nach § 21 BAföG. Nicht ohne Grundist in § 35 BAföG die regelmäßige Erstellung dieses Be-richts vorgeschrieben. Intention des Gesetzgebers war esnämlich, durch diese Berichtspflicht sicherzustellen,dass die Ausbildungsförderung in ihrer Höhe nicht vonden allgemeinen Lebenshaltungskosten abgekoppeltwird.
Schließlich sollen diese Leistungen – das wissen alle –ausreichen, damit junge Menschen in der Ausbildungvon diesem Geld leben können, wenn sie es denn vonHaus aus nicht haben.Die Leistungen des BAföG dienen von ihrer Idee herder staatlichen Herstellung von Chancengerechtigkeit.Bildung und Ausbildung sollen allen jungen Menschenoffen stehen und Geldnot darf keine Barriere für Bil-dungschancen sein.
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as Fazit dieser Feststellungen hätte – wenn wir an dientention des Gesetzgebers denken – lauten müssen, dasAföG schon im Jahr 2003 und auch 2005 entsprechendnzupassen.
ber nichts ist passiert.Stattdessen ruht sich die Bundesbildungsministerinuf der BAföG-Reform des Jahres 2001 aus, die da-als bekanntlich auch von der CDU/CSU-Fraktion mit-etragen wurde.
as ist also nicht allein Ihre Reform; vielmehr haben wirlle sie mitgetragen.
inmal ist etwas Gutes gemacht worden, das dann fürlle Ewigkeit ausreichen muss. Gut, dass die Ewigkeitald zu Ende ist;
enn das, Frau Ministerin, ist dürftig.Die Leidtragenden sind die jungen Menschen, die aufiese staatliche Unterstützung angewiesen sind. Diesenterstützung reicht nun nicht mehr aus, da Sie daseistungsniveau vor Jahren eingefroren haben. Dieeisten Studierenden müssen jobben, um sich ihren Le-ensunterhalt zu sichern. Das ist nicht im Sinne des Er-inders.
rau Ministerin, am stärksten sind übrigens diejenigenetroffen, die aus sozial schwächeren Schichten kom-en. Wenn Sie sich also hier hinstellen und darüber ju-eln, dass Sie die Zahl der BAföG-Empfänger erhöht ha-en,
o ist das von peinlicher Vordergründigkeit.
enn Sie diese gestiegene Zahl von Leistungsempfän-ern dann auch noch am ausgestreckten Arm verhungernssen,
dem Sie ihnen die notwendigen Leistungsanpassungenerweigern,
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Vera Dominkedann ist das ein Trauerspiel und eine traurige Nichtleis-tungsbilanz.
Sie begründen die Stagnation des Leistungsniveausdamit, dass das nötige Geld fehlt. Damit haben SieRecht; denn diese Bundesregierung hat die Bundesfinan-zen heruntergewirtschaftet.
Aber gerade in dieser Situation – wo Sie merken, dassSie es nicht können – müssten Sie doch froh und dankbarsein, dass die Opposition jetzt Vorschläge auf den Tischlegt und Ihnen Gespräche darüber anbietet, wie die Aus-bildungsförderung auf eine Basis gestellt werden kann,um für die jungen Menschen wieder Bildungschancen-gerechtigkeit zu schaffen. Warum verweigern Sie jegli-ches Nachdenken darüber? Ihr lautstarkes Gezeter – dasdurften wir auch heute wieder erleben –, die CDU wolledas BAföG abschaffen, durchschaut inzwischen jeder alsbillige Wahlkampfpanikmache.
In unserem Antrag geht es uns darum, im Zusammen-hang mit den Überlegungen zu Studiengebühren, die wirübrigens gründlich und nicht, wie Sie, im Hopplahopp-verfahren anstellen,
auch die Ausbildungsförderung wieder auf gesundeFüße zu stellen und sie in ein Studienfinanzierungssys-tem einzubinden, das die Bedarfe der jungen Menschenwirklich abdeckt.
Frau Ministerin, dem englischen Philosophen HerbertSpencer wird der Ausspruch zugeschrieben: Das großeZiel der Bildung ist nicht Wissen, sondern Handeln. Indiesem Sinne haben Sie das Bildungsziel – nicht nurbeim BAföG – verfehlt.
Nächster Redner ist der Kollege Ernst Dieter
Rossmann, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Drei Redner der Opposition haben ihre Auffassung zumBAföG zum Ausdruck gebracht. Aber ich weiß nicht, obSie sich mit der großen BAföG-Reform schmücken wol-len, die diese Ministerin und diese Regierung eingeleitethaben, oder ob Sie sich von ihr distanzieren wollen.
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as BAföG muss zu einer Stärkung derjenigen führen,ie wenig Geld haben, und bis in die Mittelschicht hi-einreichen; denn in beiden Bereichen wollen wir Stu-ierende gewinnen und für beide Bereiche, auch für dieinderreichen, ist eine ausreichende materielle Grund-ge wichtig. Aber die klare Ansage der FDP werden wiren Studierenden gern erzählen. Wir werden ihnen über-ll sagen, dass die FDP die Förderung der Mittelschicht,eren Rückgang sie einmal kritisiert hat, jetzt vollkom-en abschaffen will. Diese klare Aussage möchte ichusdrücklich würdigen.Sie, Herr Königshaus, haben zweitens gesagt, dassie der CDU/CSU in Bezug auf das BAföG nicht trauennd ihrem Antrag deshalb nicht zustimmen.Eine klare und ehrliche Ansage! Das hat Herr Königs-aus gesagt.
as sagt das über die CDU/CSU aus? Es sagt, dass eineslar ist: Die CDU/CSU will das BAföG in der jetzigenorm nicht,
bwohl genau die jetzige Form Verbesserungen ge-racht hat: in Bezug auf die Zahl der Geförderten; in Be-ug auf die Zahl der Studierenden; in Bezug auf die Zahlerjenigen, die eine Vollförderung bekommen; in Bezuguf die Zahl derjenigen, die sich einen Auslandsaufent-alt während des Studiums leisten können. Die CDU/SU will das BAföG in dieser Form nicht erhalten.
Das hat Frau Schavan gesagt, das hat Ihr Staatssekretär Niedersachsen gesagt, das wird in Brandenburg voner CDU so gesagt und dazu gibt es auch in Hamburgehr konkrete Vorhaben.Es ist das Gleiche wie mit den Studiengebühren:998 hat Herr Stoiber noch verkündet, Sie wollten keinetudiengebühren – 2002 war das auf einmal anders.
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Dr. Ernst Dieter RossmannDas werden wir Ihnen in Bezug auf das BAföG nichtdurchgehen lassen.
Sie müssen jetzt schon bekennen, was Sie in Bezug aufdas BAföG wollen, und zwar – das ist klar –: Ihnen fließtzu viel Geld ins BAföG und es wird Ihrer Meinung nachan der falschen Stelle eingesetzt. Stattdessen wollen Siees einsetzen, um Studienkredite zu finanzieren – füralle. Es ist genau wie bei Ihrer Kopfpauschale, bei derSie auch denken, Sie könnten die Krankenschwester wieden Chefarzt heranziehen.
So ist es auch hier: Sie wollen die Niedrigverdienendenbelasten und das allen, also auch den Bestverdienenden,als Förderung zukommen lassen. Wir sind klar dagegen;das hat unsere Ministerin deutlich gemacht.Es gibt zwei Eckdaten in Bezug auf das BAföG, zudenen Sie sich jetzt äußern könnten. Sie könnten jetzt sa-gen: Selbstverständlich garantieren wir den Studieren-den, dass 50 Prozent der Zuwendungen in Form einesZuschusses bleiben; das ist das Entscheidende beimBAföG. Das könnten Sie jetzt hier sagen. Das wäre eineklare Aussage, eine klare Perspektive. Es wäre im Sinneder Reform, die auch Sie damals begrüßt und mitgetra-gen haben. Sie könnten zum Zweiten sagen: Wir gehennicht über eine Darlehensschuld von 10 000 Euro hi-naus. Das wären zwei klare Ansagen, mit denen Sie sa-gen würden: Wir stehen zum BAföG. – Sie sagen esnicht. Sie wollen es nicht.
Frau Seib, wenn Sie jetzt mehr sagen wollen als diezwei Vorredner aus Ihrer Fraktion, dann wären Sie mu-tig, dann wären Sie so mutig, wie es der CSU-Vorsit-zende von der hoffnungsvollen Regierungsmehrheit derZukunft erwartet: jetzt klar zu sagen, was man will.
Weil Sie es nicht sagen, sollen Sie eines sicher wissen:Wir werden es überall bekannt machen, wir werden esallen Studierenden, allen Familien sagen – in den Mittel-schichten, bei den Arbeitern, bei den Angestellten –:Wählt CDU, CSU und FDP, dann müsst ihr viel mehrGeld dafür bezahlen, dass eure Kinder studieren. An denHochschulen dürfen sie dann Studiengebühren zahlenund später werden sie durch das Zurückzahlen großerDarlehenssummen belastet –
im Übrigen auch dafür, um mitzufinanzieren, was dieje-nigen bekommen sollen, die es gar nicht nötig haben.Das werden wir bekannt machen. Das wissen im Übri-gen auch schon viele Studierende und das weiß man anden Hochschulen.SwnFDamauafndDdStaEdlemnsli
Das Wort hat die Kollegin Marion Seib, CDU/CSU-
raktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Es ist natürlich sehr schön, wenn ichuf solch eine emotionale Rede antworten darf. Ichöchte das zunächst einmal ganz sachlich tun.
Zuerst einmal: Ihr rot-grünes Projekt ist offensichtlichm Ende
nd jetzt lassen Sie den Motor noch einmal im Leerlaufufheulen. Ihren Antrag zur integrierten EU-Bildungs-örderung, der heute auch hier zu bereden wäre, nur ei-en Tag vor der Debatte einzubringen, das ist schon ver-ammt schlechter parlamentarischer Stil.
abei ist die Frage nach einem umfassenden EU-Bil-ungsrahmenprogramm ein zu wichtiger Punkt – undie hätten sieben Jahre Zeit gehabt –, als dass er jetztktischen Spielereien geopfert werden sollte.
in derartiges Hereinquetschen hat die Sache nicht ver-ient. Sie agieren heute wieder wie üblich: Sie fangen al-s Mögliche an, bringen aber nichts zu Ende, sondernachen gleich die nächste Baustelle auf; und das auchoch mit falschen Behauptungen.
So wichtig einzelne Punkte aus Ihrem Antrag auchein mögen – der Antrag kommt zur Unzeit. Offensicht-ch befinden Sie sich mental bereits in der Opposition.
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Marion SeibEs ist jetzt keine Zeit, neue Forderungen zu stellen. Wirbrauchen jetzt einen ordentlichen Haushaltsplan geradeauch für den Bereich Bildung und Forschung.
Wir brauchen diese Bilanz, damit wir wissen, wo über-haupt noch welche Spielräume existieren. Wir wissenaber schon jetzt: Diese Bilanz wird katastrophal sein.Sie ruhen sich auf den welken Lorbeeren der BAföG-Novellierung von 2001 aus.
Der vorliegende BAföG-Bericht bejubelt einerseits diesteigenden Zahlen der geförderten Studierenden, ande-rerseits stellt er kleinlaut fest, dass die Bundesregierungvon der notwendigen Erhöhung der Bedarfssätze seit2003 abgesehen hat. Ich zitiere jetzt:Aufgrund der starken Belastung der öffentlichenHaushalte durch die allgemeine wirtschaftlicheLage, die erheblichen Steuermindereinnahmen so-wie die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt hatdie Bundesregierung seinerzeit von Anpassungs-maßnahmen abgesehen.Diese angespannte Lage bemerken nicht nur dieBAföG-Empfänger, sondern jeder einzelne Bundesbür-ger spürt sie. Diese angespannte Lage gibt es auch in denLänderhaushalten. Leidtragende sind hier die Universi-täten und ganz besonders die Studenten, die unter großenArbeitsgruppen, lückenhaften Bibliotheksbeständen undveralteten Gerätschaften zu leiden haben.
Bei einer Gesamtverschuldung der öffentlichen Handvon 1,4 Billionen Euro ist der finanzielle Gestaltungs-spielraum für die Bildungs- und Forschungspolitik denk-bar gering.
Solche Zeiten mit beengten Gestaltungsspielräumen ver-langen natürlich nach neuen Lösungen. Selbst im Be-richt der Bundesregierung zur technologischen Leis-tungsfähigkeit fordern die Sachverständigen vehementdie Einführung von Studiengebühren.
Vor diesen Forderungen hat Rot-Grün in den vergange-nen Jahren konsequent die Augen verschlossen.
Mehr noch: Durch Ihre unverantwortliche Panikmacheverunsichern Sie die Studierenden, Abiturienten und El-tern.
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ie CDU/CSU tritt für verträgliche Studiengebührenin, die eine konkrete Verbesserung der Lehre und damitin schnelleres und effizienteres Studium ermöglichennd einen früheren Eintritt ins Erwerbsleben zur Folgeaben.
amit sind auch finanziell schwache Studierende einge-unden und werden auch Familien aus den mittlereninkommensschichten berücksichtigt, die viel zu häufigus dem Katalog der BAföG-Bezieher herausfallen.
leichzeitig müssen diejenigen, die finanziell leistungs-ähig sind, zur Finanzierung der Hochschule beitragen.
Ebenso wird einer Fehlentwicklung entgegengesteu-rt. Bisher tragen Nichtakademiker durch ihre Steuernis zu 90 Prozent der Ausbildungskosten für Akademi-er.
ie Kosten der Hochschulbildung übernehmen alsoillionen von Steuerzahlern, die nie eine Hochschuleesucht haben, während der Ertrag den Hochschulabsol-enten zugute kommt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Studienbei-räge können nur ein erster Schritt hin zu einem effizien-eren und besseren Studium in Deutschland sein. Auchm Bereich der Ausbildungsförderung müssen wir wei-er vorausdenken; denn trotz BAföG arbeiten neun vonehn Studenten während des Studiums.
uf dieses Arbeitseinkommen sind die meisten Studen-en angewiesen. Häufig führt dies zu langen Studienzei-en und sogar zum Studienabbruch. Aufgrund solcheraktoren liegt nach Berechnungen des Instituts der deut-chen Wirtschaft die Rendite eines Studiums in Deutsch-and im Durchschnitt nur bei 9 Prozent.
um Vergleich: In Frankreich und in den Vereinigtentaaten beträgt sie 15 Prozent und in Großbritannien7 Prozent.
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Marion SeibDeswegen tritt die CDU/CSU für eine Weiterent-wicklung des BAföG ein.
Zusätzlich zum BAföG brauchen wir ein Konzept. Wirbrauchen auch Bildungskredite und das Bildungssparen.Glauben Sie denn allen Ernstes, dass Akademiker mit ih-ren Gehältern einen Kredit von 5 000 Euro nicht stem-men können?
Diese können sie über viele Jahre – bis zu zwei Jahr-zehnte lang – zurückzahlen. Sie halten unsere akade-misch ausgebildete Bevölkerung wirklich für reichlichunfähig.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat bereits denersten Schritt getan und bietet ab Oktober einen Studien-kredit an. Die Deutsche Bank will mit einem ähnlichenAngebot nachziehen und die Genossenschaftsbankenkönnen bereits heute Sofortangebote machen. Diesergordische Knoten ist bereits durchgeschlagen. Jetztkommt es auf die Weiterentwicklung einer modernenStudienfinanzierung an. Legen Sie Ihre ideologischenScheuklappen ab und arbeiten Sie daran mit!Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Überweisung von Tagesord-
nungspunkt 2 a. Interfraktionell wird die Überweisung
der Vorlage auf der Drucksache 15/4995 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Es sieht so aus, als könnten wir das einvernehmlich
tun. – Dann ist das so beschlossen.
Zum Tagesordnungspunkt 2 b liegt die Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung
und Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 15/5592
zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit dem Titel vor:
„Konsequenzen aus dem Studiengebührenurteil für die
Bildungs- und Hochschulfinanzierung des Bundes“.
Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf der Druck-
sache 15/4931 abzulehnen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich der Stimme? – Dann ist die Beschlussemp-
fehlung mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum Zusatzpunkt 2: Abstimmung über
den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis-
ses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/5675 mit dem Ti-
tel „Für ein integriertes EU-Bildungsrahmenprogramm –
Mobilität und Austausch für ein zusammenwachsendes,
innovatives und wettbewerbsfähiges Europa“. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
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– Drucksache 15/4718 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses
– Drucksache 15/5664 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Barbara Wittig
Thomas Strobl
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höre
ch keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, möchte ich gerne
ine Delegation des griechischen Parlaments auf der Be-
uchertribüne begrüßen. Wir freuen uns, dass Sie hier
ind, und wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt in
erlin.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
er Kollege Dr. Dieter Wiefelspütz für die SPD-Frak-
ion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir reden heute über einen Gesetzentwurf dernionsfraktionen mit dem Ziel, die Zahl der Grundman-ate von drei auf fünf anzuheben. Ich will gleich vorabagen, dass wir diesem Begehren nicht zustimmen wer-en. Wir haben darüber an anderen Stellen ausreichendesprochen. Die Argumente sind relativ einfach zu ge-ichten.Wir haben die Grundmandatsklausel nach der Wieder-ereinigung Deutschlands nicht verändert. Diese Tat-ache ist in den 90er-Jahren Gegenstand eines Wahl-rüfungsverfahrens gewesen. 1996/97 hat es dazu einentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes gegeben,ie den Fachleuten unter den Parlamentariern bekanntst. Ich zitiere eine Entscheidung aus dem 95. Band, inem das Gericht ausgeführt hat, es sei von Verfassungsegen nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber nacher Vergrößerung des Wahlgebietes durch die Wieder-ereinigung Deutschlands die Anzahl der Grundmandateicht erhöht hat.
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Dr. Dieter WiefelspützDas ist eine überzeugende Ableitung, die das Verfas-sungsgericht vorgenommen hat. Dem ist heute von derSache her nichts hinzuzufügen. Verfassungsrechtlich istes keinesfalls geboten, die Grundmandatsregelung zuändern.Ich räume ein: Es wird verfassungsrechtlich zulässigsein, weil der Gesetzgeber an dieser Stelle einen weitenErmessensspielraum hat. Gleichwohl sage ich: Wirvonseiten der SPD-Bundestagsfraktion wollen bei derbisherigen Regelung bleiben, weil jede Veränderung derGrundmandatsklausel es Parteien, die in der Regionstark sind, erschweren würde, in das Parlament zu kom-men. Es ist nicht zu erkennen, welchen Sinn es machensollte, das regional starken Parteien durch eine Ände-rung der Grundmandatsklausel zu erschweren.Es gibt – dies zum Schluss – noch einen ganz wichti-gen Punkt, der gegen diesen Gesetzentwurf spricht: ImGesetzentwurf steht, dass das Gesetz – wenn man hiereine Mehrheit hätte – zum 1. Juli dieses Jahres in Krafttreten sollte. Nun wissen wir alle, dass möglicherweiseschon sehr bald vorgezogene Bundestagswahlen statt-finden. Vor diesem Hintergrund ist es nach meiner festenÜberzeugung nicht darstellbar, dass wir solch einen Ge-setzentwurf jetzt mit Mehrheit verabschieden. Das hättenicht nur ein Geschmäckle, sondern eher den Geruchvon Manipulation.Ich betone: Das ist sicher nicht die Absicht der An-tragsteller gewesen, weil man diese Entwicklung natür-lich nicht voraussehen konnte. Nach wie vor steht dasaber so im Entwurf; auch deshalb ist dieses Ansinnennicht zu akzeptieren.Man wird sicherlich in der nächsten Wahlperiode er-neut über dieses Thema zu reden haben. Ich glaube, dieüberwiegenden Gründe sprechen dafür, dass der Gesetz-geber von seinem Ermessen dahin gehend Gebrauchmacht, es bei der Grundmandatsklausel, die wir jetzt imBundeswahlgesetz haben, zu belassen.Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Präsidium bedankt sich für die mustergültige Un-
terschreitung der Redezeit, was so selten vorkommt,
dass das nicht unkommentiert geschehen sollte.
– Diese Nebenwirkung war weder beabsichtigt noch
würde sie zu einer erneuten Belobigung führen.
Jetzt hat das Wort der Kollege Thomas Strobl für die
CDU/CSU-Fraktion.
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öchte ich unseren Gesetzentwurf gerne begründen.Eine Partei kommt nur in den Deutschen Bundestag,enn sie entweder mehr als 5 Prozent der Stimmen er-ält oder drei Direktmandate erringt. Diese Sperrklau-eln – darüber haben wir, so glaube ich, einen ganz gro-en Konsens hier im Hause – haben sich grundsätzlichewährt, weil sie einer Zersplitterung der Parteien-andschaft entgegenwirken. Allerdings besteht seit dereutschen Einheit eine aus unserer Sicht bedenklicheiskrepanz zwischen der Fünfprozentklausel und der soenannten Grundmandatsklausel, die, wie gesagt, deninzug einer Partei dann ermöglicht, wenn sie drei Di-ektmandate in Deutschland erzielt.Ich will einige wenige Zahlen nennen: Bei der Wahl998 konnten die drei Direktmandate mit 180 000 Stim-en erzielt werden. Um über die Fünfprozenthürde zuommen, waren mehr als 2,3 Millionen Stimmen erfor-erlich. Dies ist eine gewaltige Diskrepanz. Anders ge-agt: Um drei Direktmandate zu erzielen, bedarf es,6 Prozent der Stimmen, um die Fünfprozenthürde zuberwinden, sind logischerweise 5 Prozent erforderlich.Die Proportionierung zwischen Grundmandatsklau-el und Fünfprozentklausel stammt aus der Zeit vor derinheit Deutschlands. Mit der Wiedervereinigung hatich die Anzahl der Wahlberechtigten um ein knappesrittel erhöht. Ebenso stieg die Anzahl der Wahlkreiseeutlich an. In der alten Bundesrepublik gab es48 Wahlkreise. Die Zahl stieg nach der Wiedervereini-ung auf 328 an und wurde dann durch die Verkleine-ung des Deutschen Bundestages zur letzten Bundestags-ahl auf 299 gesenkt, ist aber immer noch deutlichrößer – 51 Abgeordnete – als vor der deutschen Wie-ervereinigung. Die Zahl der Grundmandate blieb je-och unverändert; es sind immer noch drei. Damit klaf-en Grundmandatsklausel und Fünfprozenthürde unsereruffassung nach unverhältnismäßig auseinander bzw.anders ausgedrückt – die Fünfprozentklausel kannurch die Grundmandatsklausel leicht unterlaufen wer-en. Daher ist eine Anpassung der Zahl der Grundman-ate an die vor der Wiedervereinigung geltenden Ver-ältnisse nach unserer Auffassung richtig.Die Rechtsextremisten haben übrigens die Möglich-eit erkannt, verehrter Kollege Dr. Wiefelspütz, an derünfprozentklausel vorbei in den Bundestag einzuzie-en.
ie NPD hat mit Blick auf die Bundestagswahl einentrategiewechsel vorgenommen.
ch zitiere aus der Zeitung „Die Welt“ vom 30. Mai die-es Jahres:
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Thomas Strobl
Die NPD will bei der vorgezogenen Bundestags-wahl über Direktmandate ins Parlament einziehen.Die Rechtsextremisten peilen nicht mehr das Über-springen der Fünfprozenthürde an. „Wir konzen-trieren uns auf den Erfolg durch drei Direktman-date“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende …Wir möchten auch politisch nicht, dass drei Wahl-kreise gewonnen werden und dann plötzlich 40 bis50 extremistische Abgeordnete für eine Partei im Deut-schen Bundestag sitzen, deren Wahlergebnis bei etwa4 Prozent liegt. Das wollen wir nicht.
Wir wollen nicht, dass Parteien des rechten Randes– oder auch des linken, Herr Ströbele – Einzug in denDeutschen Bundestag halten. Sie müssen sich einmal be-wusst machen, verehrte Kolleginnen und Kollegen vonder SPD und den Grünen, um welche politischen Par-teien es sich dabei handelt. Das sind schließlich keineBürgerrechtsbewegungen; wir reden über extremisti-sche, verfassungsfeindliche und populistische Parteiendes rechten und linken Randes. Deswegen halten wir esfür geboten, die Anzahl der erforderlichen Grundman-date anzuheben, um die Diskrepanz in den Proportionen,bezogen auf die Fünfprozentsperrklausel, zu verringern.
Wohlgemerkt: Es geht uns nicht um eine grundsätzli-che Änderung oder gar um die Abschaffung der bewähr-ten Regelungen. Wir sind völlig davon überzeugt, dassdie Regelungen im Grundsatz richtig sind. Wir wollenlediglich eine Anpassung an die Verhältnisse im größergewordenen, wiedervereinigten Deutschland. Nichtmehr, aber auch nicht weniger ist der Inhalt unseres Ge-setzentwurfs.Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun der Kollege Josef – –
– Damit werden wir fertig. – Das Wort hat der KollegeStröbele, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Strobl, Sie wollen die Zahl der Grundman-date von drei auf fünf erhöhen. Eine Partei soll erst dannentsprechend ihrem Stimmenverhältnis in den Deut-schen Bundestag einziehen können, wenn sie mindestensfünf Mandate erringt. Sie haben in diesem Zusammen-hang eine Reihe von Zahlen genannt. Zum Beispiel ha-ben Sie angegeben, dass die Zahl der Wahlberechtigtenum 29 Prozent gestiegen sei, wodurch eine höhere Zahlvon Grundmandaten erforderlich werde.DFDsedweaerkDÄaatFGDBPwddesnh7rM–dnsea
as ist keine rein rechnerische Aufgabe; es ist keinerage der Mathematik, sondern der Demokratie.
ie Demokratie hängt nicht von solchen Zahlen ab.Die vielen Väter und wenigen Mütter des Grundge-etzes haben sich bei der bestehenden „Nicht-Regelung“twas gedacht. Sie sind gar nicht davon ausgegangen,ass sich die erforderlichen Stimmenzahlen zur Über-indung von Grundmandats- und Fünfprozentklauselntsprechen müssen, Sie haben schlicht einen eigenen,nderen Weg zur Berücksichtigung der Wählerstimmeniner Partei im Deutschen Bundestag zugelassen. Daraneden Sie vorbei. Die Zahl der Mandate spielt dabeieine Rolle.
eshalb zielt, wenn ich es richtig sehe, Ihr Antrag aufnderung des § 6 des Bundeswahlgesetzes
uf eine politische Auseinandersetzung. Sie haben dasuch angedeutet: Sie wollen nicht, dass kleinere Par-eien, die beispielsweise mit 4,9 Prozent knapp an derünfprozenthürde scheitern, durch das Erringen von dreirundmandaten in den Deutschen Bundestag kommen.er Stimmenanteil einer solchen Partei soll also keineerücksichtigung finden. Sie versprechen sich als großeartei davon eine komfortablere Mehrheit, möglicher-eise sogar die absolute Mehrheit im Deutschen Bun-estag. Dieses Ansinnen einer großen Partei kann manurchaus verstehen. Aber Sie sollten sagen, dass das derigentliche Hintergrund ist.Es geht also nicht um Forderungen nach demokrati-cher Repräsentation. Sonst müsste man auch darüberachdenken, ob die demokratische Legitimation über-aupt noch ausreichend ist, wenn beispielsweise „nur“0 Prozent, 50 Prozent oder sogar weniger der Bevölke-ung zur Wahl gehen und die im Bundestag vertreteneehrheit vielleicht nur durch ein Drittel der Wahlbürger manchmal ist es noch weniger – legitimiert ist. Ich biner Meinung, das ist auch dann der Fall; denn das isticht alleine eine Frage der Zahlen.Dieser Regelung liegt nämlich ein ganz anderer An-atz zugrunde, nämlich der – insofern hat das sehr wohltwas mit dem Grundgesetz zu tun –, dass eine Partei,uch wenn sie an der Fünfprozenthürde scheitert,
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Hans-Christian Ströbelegleichwohl eine Legitimation erringen kann, in den Bun-destag zu kommen. Sie wissen ja, dass die Fünfprozent-klausel bei uns umstritten ist. Die Grünen sind immerdafür gewesen, diese Hürde zu senken, weil sie stets ge-sagt haben: Das ist zu hoch, man sollte sich mit einerniederen Hürde begnügen. Aber das ist heute nicht Ge-genstand der Diskussion.Die Grundüberlegung für diese andere Legitimationist: Wenn eine Partei in einigen Wahlkreisen so stark ist,dass sie die Mehrheit der dortigen Bevölkerung reprä-sentiert, dann soll die Partei insgesamt Berücksichtigungfinden; denn dann vertritt diese Partei so wichtige politi-sche Inhalte, dass diese auch im Bundestag zur Sprachekommen sollten. Dieser Weg ist richtig, und zwar unab-hängig davon, wie groß die Bevölkerung ist und wiehoch die Zahl der Wählerstimmen für die Grundmandate– egal, ob drei, vier oder fünf – ist. Wenn eine Partei dreiGrundmandate erringt, zeigt dies, dass die entsprechendePartei in bestimmten Teilen der Bevölkerung hinrei-chend stark verankert ist. Nach dem, was der Wähler-wille ihr an Stimmen und dementsprechend an Sitzen zu-billigt, ist sie deshalb im Bundestag vertreten.Wir setzen uns deshalb für den Erhalt der drei Grund-mandate ein. Wir plädieren aber eher für eine Senkungder Fünfprozenthürde; denn ich glaube nicht, dass un-sere Demokratie gefährdet wäre, wenn noch eine weiterePartei – die zwar nicht von 5 Prozent der Wähler ge-wählt worden ist, die aber drei Grundmandate errungenhat – im Deutschen Bundestag vertreten wäre.Ihre Intention ist nicht unsere. Deshalb lehnen wir Ih-ren Gesetzentwurf ab. Wir meinen, dass wir damit derDemokratie und den unterschiedlichen Ansätzen der de-mokratischen Wahl nur Gutes antun.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Jörg van Essen,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
FDP-Bundestagsfraktion teilt die Auffassung, die von-
seiten der SPD-Fraktion und der Fraktion des Bündnis-
ses 90/Die Grünen vertreten wird.
– Das ist so. Manchmal gibt es offensichtlich Gründe,
die dazu führen, dass man selbst bei dieser Koalition zu
einer gleichen Auffassung kommt. Wenn Sie meine Ar-
gumente hören, wird es Ihnen vielleicht sogar einleuch-
ten, warum das so ist.
Herr Kollege Strobl, es hat mich sehr überrascht, dass
Sie hier auf das Stimmenvolumen hingewiesen haben,
das notwendig ist, um 5 Prozent der Stimmen auf der ei-
nen Seite und drei Grundmandate auf der anderen Seite
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Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DasBundeswahlgesetz sieht zwei Wege vor, über die einePartei in den Bundestag einziehen kann. Entweder sieüberwindet mit den Zweitstimmen die Fünfprozenthürdeoder mindestens drei Kandidaten dieser Partei gewinnendank der so genannten Erststimmen ihre Wahlkreise di-rekt. Das Letztere nennt man Grundmandatsklausel.CDU und CSU wollen sie ändern. Geht es nach ihremWillen, müssten künftig mindestens fünf Direktmandateerrungen werden, das heißt, in fünf Wahlkreisen müsstedie jeweilige Kandidatin oder der jeweilige Kandidat dieMehrheit der abgegebenen Wählerstimmen auf sich ver-eBPlgwgtgWnoSrrWBsSndrskssvpiBkkPkkdIkicVdbmwsboc
ch finde, das zeugt von wenig Souveränität, noch dazuurz vor einer Wahl, die Sie ja gewinnen wollen, wennch das alles richtig verstehe.Dass die PDS im Bundestag das nicht unwiderspro-hen lassen kann, versteht sich. Wir werden aber diesenersuch von CDU/CSU, Wählerstimmen konkurrieren-er Parteien kleinzurechnen, nicht hier in diesem Raumelassen. Vor allem aber wird die PDS nun erst recht umindestens fünf Bundestagswahlkreise kämpfen und ge-innen.Zum Schluss: Sie hätten es in der Hand gehabt, in die-er knappen Zeit, die uns als 15. Bundestag noch ver-leibt, über wichtigere Fragen wie Arbeitsmarktpolitikder die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu spre-hen – schade eigentlich.
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17004 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Frau Kollegin Pau, um Missverständnisse bei den Zu-
hörern auszuschließen, muss ich nun doch darauf hin-
weisen, dass es nach unserer Verfassung und nach der
Geschäftsordnung des Bundestages ganz sicher keine
unterschiedlichen Rechte für jeweils direkt gewählte Ab-
geordnete mit oder ohne Fraktionszugehörigkeit gibt.
Mit Blick auf Redezeiten gibt es ganz gewiss eine Privi-
legierung von nicht Fraktionen angehörenden direkt ge-
wählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Stephan Mayer für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenKolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Die Debatte, diewir am heutigen Tag führen, könnte angesichts der mitgroßer Wahrscheinlichkeit bevorstehenden Bundestags-wahl am 18. September nicht aktueller sein. Ich möchtean dieser Stelle gleich zu Beginn eines festhalten: DieserGesetzentwurf ist von uns zu einem Zeitpunkt einge-bracht worden, als noch überhaupt nicht absehbar war,dass es möglicherweise am 18. September Neuwahlengeben wird.
Es geht bei dieser Debatte zum einen darum, wie ge-recht und wie pragmatisch unser Bundeswahlgesetz ist.Es geht aber vor allem auch darum, inwiefern die Grund-sätze der Wahlrechtsgleichheit, die Chancengleichheitder politischen Parteien und der gleiche Erfolgswert vonStimmen zu wahren sind.Ich muss schon sagen, ich bringe der Haltung derFDP eine gewisse Verwunderung entgegen. Sie wissendoch, dass der PDS 1994 258 000 Erststimmen gereichthaben, um vier Direktwahlkreise zu gewinnen. Der Er-folgswert einer FDP-Stimme lag damit bei nur einemZehntel des Erfolgswerts einer PDS-Stimme.
Offenbar müssen wir als Unionsfraktion im Vorgriff aufdie spätere schwarz-gelbe Koalition ihre Interessenschon mit vertreten.
Es geht um die entscheidende Frage, ob die beidenSperrklauseln im Bundeswahlgesetz – daraus ergibt sich,welche Parteien in den Bundestag einziehen –, nämlichdie 5-Prozent-Klausel und die Drei-Grundmandate-Klausel, noch gleichberechtigt sind – vor dem Hinter-gbWnztbSosDmUlw4drbwwvWInwisDsslrNhiaaKGgtsiPbl
as ist die grundsätzliche Frage, die wir uns stellen müs-en.Ich bin mit dem Bundesverfassungsgericht selbstver-tändlich der Auffassung, dass die heute geltende Rege-ung verfassungsgemäß ist. Es geht auch gar nicht da-um, erst verfassungsgemäße Zustände zu schaffen.ach Auffassung der Union geht es darum, dem Gleich-eitsgrundsatz größere Bedeutung beizumessen undhm, gerade was den Erfolgswert der Wählerstimmen,ber auch die Gleichbehandlung der Parteien insgesamtnbelangt, stärker Geltung zu verschaffen.
Deshalb ist eine Anpassung der Drei-Grundmandate-lausel unbedingt erforderlich; statt drei sollten es fünfrundmandate sein. Das gilt vor allem vor dem Hinter-rund, dass es natürlich auch um die Wahrung der Funk-ionsfähigkeit des Parlaments geht. Uns allen sind diechrecklichen Vorkommnisse in der Weimarer Republikn bester Erinnerung – in Anführungszeichen –, als dasarlament häufig nicht mehr handlungsfähig war. Aucheim Parlament in seiner jetzigen Verfassung ist frag-ich, ob die Funktionsfähigkeit noch gegeben ist.
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Stephan Mayer
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kannSie nur auffordern, unseren Gesetzentwurf zu unterstüt-zen, und hoffe auf Ihre Zustimmung.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
wurf der Fraktion der CDU/CSU zur Änderung des Bun-
deswahlgesetzes zur Korrektur der Grundmandatsklau-
sel auf Drucksache 15/4718. Der Innenausschuss
empfiehlt auf Drucksache 15/5664, den Gesetzentwurf
abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen?
Der Gesetzentwurf ist ganz ohne Zweifel mit Mehrheit
angenommen.
Zur Geschäftsordnung hat sich der Kollege Küster zu
Wort gemeldet. Er erhält selbstverständlich das Wort.
Das ist schön, Herr Präsident. – Weil das unsicher ist,
beantrage ich, dass die Stimmen richtig schön ausgezählt
werden.
Das können wir gerne tun, zumal wir eine übersichtli-
che Besetzung haben.
– Es besteht doch gar kein Grund zur Aufregung.
– Nein, nein.
Wir haben doch hier im Unterschied zu Hammel-
sprüngen, bei denen die Feststellung der tatsächlichen
Mehrheitsverhältnisse etwas komplizierter ist, eine über-
schaubare Besetzung. Wir haben jetzt gerade noch ein-
mal nachgezählt. Unter Berücksichtigung auch mancher
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Da der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD mit
er Feststellung des amtierenden Präsidenten, dass sich
ach genauem Nachzählen eine Mehrheit für die Ableh-
ung ergeben hat, nicht einverstanden ist, beziehe ich
ich gerne auf die von ihm vermutete Unstimmigkeit im
räsidium und lasse das Stärkeverhältnis durch Ham-
elsprung feststellen.
Wir werden also die Sitzung für einige Minuten unter-
rechen und dann den gewünschten Hammelsprung
urchführen. Es gibt dazu ja in dieser Legislaturperiode
icht mehr ganz so viele Gelegenheiten. Der Hammel-
prung gehört offenkundig zu den Aktivitäten, die man
ich von Zeit zu Zeit gönnen muss. Um den Hammel-
prung durchführen zu können, müssen alle Mitglieder
es Hauses den Saal verlassen und sich in der bekannten
eise dieser eindrucksvollen Zeremonie im Foyer aus-
etzen.
Ich unterbreche die Sitzung.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Die Schriftführer geben mir das Zeichen, dass die Tü-en besetzt sind und dass wir mit der Durchführung desammelsprungs beginnen können. Ich eröffne hiermitie Abstimmung.Ich bitte die Schriftführer an den Türen, mir einmal zuignalisieren, ob sich noch Kollegen in der Lobby auf-alten. – Ich mache darauf aufmerksam, dass wir in zweiinuten die Abstimmung abschließen werden. Daraufollten sich bitte sowohl die Fraktionen als auch diechriftführer einstellen.Ich bitte nun die Schriftführer, die Türen zu schließennd das Abstimmungsergebnis festzustellen.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich gebe das vonen Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Er-ebnis der Abstimmung über den Gesetzentwurf inweiter Lesung bekannt. Mit Ja haben gestimmt57 Mitglieder des Hauses, mit Nein 268.
amit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abge-ehnt. Nach unserer Geschäftsordnung entfällt somit dieeitere Beratung.
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Vizepräsident Dr. Norbert LammertIch bitte alle Kolleginnen und Kollegen, die wieder inihre Ausschüsse wollen und müssen, den Plenarsaalmöglichst zügig zu verlassen, damit ich den nächsten Ta-gesordnungspunkt nicht nur aufrufen kann, sondern wirüber das Thema auch unter angemessenen Bedingungenverhandeln können.Inzwischen sind auch wieder hinreichend Sitzplätzefür alle vorhanden,
von denen ich Gebrauch zu machen bitte, weil dies dieÜbersicht in der Debatte enorm fördert.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 6 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
zu dem Antrag der Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENAufbruch und Perspektiven – Zukunftschan-cen für Jugendliche in Deutschland stärken– Drucksachen 15/5255, 15/5394 –Berichterstattung:Abgeordneter Wolfgang MeckelburgNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist fürdiese Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazuhöre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlos-sen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächstfür die Bundesregierung der Parlamentarische Staatsse-kretär Gerd Andres.G
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Junge gut ausgebildete Menschen sind die Zu-kunft unseres Landes. Nur so schaffen wir die Basis fürden Erhalt der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland.Vieles wurde erreicht, aber die Herausforderungen in ei-ner alternden Gesellschaft bleiben groß. Wir brauchenund haben einen umfassenden Ansatz. Dieser reicht vonverbesserten Betreuungsangeboten für Kleinkinder, demAuf- und Ausbau von Ganztagsschulen bis hin zum Aus-bildungspakt und den Arbeitsmarktreformen der letztenJahre.Der Umbau der Bundesagentur zu einem modernenDienstleister am Arbeitsmarkt stärkt insbesondere dieVermittlung. Für die jungen erwerbsfähigen, hilfebe-dürftigen Menschen unter 25 steht mittlerweile ein Per-sonalschlüssel von 1 : 75 zur Verfügung. Die Zeiten, indenen sich ein Vermittler um 300 bis 400 junge Men-schen kümmern musste, gehören der Vergangenheit an.
Wir haben das Ziel, die Dauer der Jugendarbeitslosigkeitbis zum Jahresende auf unter drei Monate zu reduzieren,vor Augen; das werden wir auch erreichen. Ich fügehinzu: Die beste Zeit ist natürlich die Zeit ohne Arbeits-lgkZg1VrpwlePdmdnkMsdAdduebbNutisdAfebtrfteinbcFOssJd
ur so erhalten die Betriebe die Fachkräfte von morgennd nur so kann Deutschland seinen Vorteil im interna-onalen Wettbewerb, den das duale System bietet, kon-equent nutzen.Dass wir auf dem richtigen Weg sind, hat zuletzt aucher Tag des Ausbildungsplatzes am 30. Mai gezeigt.n diesem Tag haben die Mitarbeiter der Bundesagenturür Arbeit bundesweit über 14 000 Ausbildungsplätzeingeworben. In Industrie, Handel und Handwerk sindereits jetzt fast 20 000 neue Ausbildungsverträge regis-iert.Um Betrieben, die allein nicht ausbilden können, Hil-estellung zu geben, wird mit dem Programm „Jobstar-r“, für das 100 Millionen Euro zur Verfügung stehen,sbesondere durch die Förderung von Ausbildungsver-ünden ein nachhaltiger Beitrag zur Schaffung zusätzli-her Ausbildungsplätze geleistet. Mit der unverändertenortführung des Bund/Länder-Ausbildungsprogrammsst mit 14 000 Plätzen begegnen wir der nach wie vorchwierigen Situation in den neuen Ländern. Gemein-am werden wir den Ausbildungspakt auch in diesemahr zum Erfolg führen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Rahmener Arbeitsförderung stehen in diesem Jahr für junge
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Parl. Staatssekretär Gerd AndresMenschen rund 4,8 Milliarden Euro zur Verfügung. ImDurchschnitt des Jahres 2004 haben davon 587 000 Ju-gendliche profitiert. Schwerpunktmäßig werden damitBerufsvorbereitungs- und Ausbildungsmaßnahmen fürbenachteiligte und behinderte junge Menschen finan-ziert. Die Bundesagentur für Arbeit leistet damit einenerheblichen Beitrag zur Umsetzung des Ausbildungs-paktes, aber auch zur Bewältigung der zweiten Schwelle,des Übergangs von der Schule in die Ausbildung. Siewird ihre ausbildungsfördernden Maßnahmen, wie zuge-sagt, auf dem Niveau des Jahres 2003 fortsetzen.Aber ich füge hinzu: Ohne eine bessere Förderung,die bereits in der Schule beginnen muss, werden wir dieProbleme nicht nachhaltig lösen können. Rund ein Vier-tel der arbeitslosen Jugendlichen, die Leistungen derGrundsicherung erhalten, haben keinen Schulabschluss.Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grund-sicherung leisten durch ihre aktive Arbeitsförderungmehr, als ihnen nach der grundgesetzlichen Aufgabenzu-ordnung zukommt.Sie finanzieren berufsvorbereitende Maßnahmen ein-schließlich des Nachholens des Hauptschulabschlusses,praxisnaher Qualifizierung, Eingliederungszuschüssenund, als letzte Möglichkeit, der Beschäftigung in Ar-beitsgelegenheiten oder Arbeitsbeschaffungsmaßnah-men. Diese Anstrengungen bedürfen der Unterstützungvieler vor Ort, um zu nachhaltiger Beschäftigung zu füh-ren. Hier kann jeder seinen Beitrag leisten. Der Pakt fürdie Jugend darf nicht an unterschiedlichen Vorstellungenüber die richtigen Verwaltungszuständigkeiten scheitern.
Gemeinsam sollten wir allen jungen Menschen eineChance auf Ausbildung oder Arbeit geben.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun Kollege Dr. Andreas Scheuer,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Wir debattieren heute über Aufbruch und Perspektivender jungen Generation in unserem Land. Wenn man sichals arbeitsloser Jugendlicher auf der Homepage derBundesregierung informieren möchte, um den Auf-bruch und die Perspektiven mit klaren politischen Plänenund Entscheidungen der Politik nachvollziehen zu kön-nen, klickt man auf das 20-Punkte-Programm der Bun-desregierung. Dann muss man sich über einzelne Punktewie beispielsweise das CO2-Gebäudesanierungspro-gramm vorarbeiten, um schließlich zu dem Unterunter-punkt „Bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ zu kom-men. Dann wieder ein kleiner Spiegelstrich:Zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit setzteine erhöhte Vermittlungsaktivität für unter 25-Jäh-AadmzttnBjhmhSssit–SddzeAgsaMilwwwgIlchbSO
Gut, Herr Ströbele, es heißt „Ausschuss für Familie,enioren, Frauen und Jugend“.
Die Wahl in NRW hat die politische Landschaft iniesem Lande verändert: Die Wählerinnen und Wähler,ie Jugendlichen, haben Rot-Grün die rote Karte ge-eigt; das rot-grüne Experiment wurde auf Landesebenendgültig abgewählt und steht auch im Bund vor demus. Wenn man Ihr Verhalten jetzt beim vorletzten Ta-esordnungspunkt sieht, dann wird deutlich, dass Siechon bei eigenen Anträgen Ihre Mehrheit anzweifeln –uch eine interessante Variante hier im Parlament.Schon die Ankündigung von Neuwahlen durchüntefering und Schröder hat eine Aufbruchstimmungn unserem Land und bei der jungen Generation ausge-öst. Auch wenn der Bundeskanzler nicht seine mit ge-issen Schwierigkeiten behaftete Politik durchbringenill, bitten wir ihn aus vollem Herzen, wenigstens Neu-ahlen in Deutschland umzusetzen, damit wir die Si-nale im September 2005 auf Zukunft stellen können.ch kann Bundeskanzler Schröder nur empfehlen: Wäh-en Sie für die Bundesregierung den Slogan „Wir ma-hen den Weg frei“.
Jugendliche Bürgerinnen und Bürger sehen das. Ichabe gerade eine Besuchergruppe, eine zehnte Klasse,etreut. Wenn man mit ihnen spricht, dann spürt man dieorgen dieser jungen Generation. Nun werden wir, diepposition, immer dafür kritisiert, dass wir über die
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Dr. Andreas Scheuernicht allzu rosige Grundstimmung in Deutschland reden.Aber das ist die Realität und wir sind nicht im DeutschenBundestag, um ein Wunschkonzert aufzuführen, sondernum Perspektiven und Aufbruch wirklich zu vermitteln.Dazu fehlt Ihnen die Kraft, meine Damen und Herrenvon Rot-Grün. Auf die Fragen „Wo liegt eure Zukunft?“,„Welche Ausbildung wollt ihr machen?“ hat diesezehnte Klasse Antworten gegeben, bei denen man spü-ren konnte, dass zu den prägenden Erfahrungen dieserJugendlichen auch diese nicht allzu rosige Grundstim-mung, die wir momentan haben, gehört.
Am Ende von sieben Jahren rot-grüner Regierungs-verantwortung versuchen Sie mit Ihrem Antrag „Auf-bruch und Perspektiven – Zukunftschancen für Jugend-liche in Deutschland stärken“, die Wogen zu glätten, umnoch einmal um letztes Vertrauen bei den Jugendlichenzu werben. Mit diesem Antrag erreichen Sie genau dasGegenteil. Hier tritt eine kraftlose, ideenlose und per-spektivlose Politik zutage: mit viel Schönreden, vielProsa, aber nichts Konkretem. Umso peinlicher ist es,dass Kollegen im zuständigen Jugendausschuss mit ei-nem Augenzwinkern hinter vorgehaltener Hand bestäti-gen, dass dieser Antrag nix G’scheites ist, wie man esauf gut Bayerisch ausdrückt.
Meine Damen und Herren von Rot-Grün, ich frageSie: Welche Chancen wollen Sie in den Tagen, in denenIhr Kanzler um Ihr Misstrauen ringt, vermitteln und umwelches Vertrauen wollen Sie werben? 600 000 arbeits-losen Jugendlichen wird dies nichts helfen. Heute, da dieEntwicklung wissenschaftlich und technisch weitergehtund immer schneller fortschreitet, müsste die junge Ge-neration mit diesen Chancen, Perspektiven und Heraus-forderungen, die durch viele Zukunftstechnologien aufdie Zukunft ausgerichtet sind, eigentlich arbeiten kön-nen. Das Plus des Standortes Deutschland war immer,dass wir das, was wir teurer waren, auch ein wenigschneller, flexibler und besser als die anderen waren.Das war immer unser Standortvorteil.Sie schließen die junge Generation von dieser Palettean Möglichkeiten aus, weil Ihre Politik zukunftsfeind-lich ist und weil Sie einen Antrag nur um des Antragswillen hier einbringen. Er ist ein Sammelsurium von be-kannten Behauptungen, Absichtserklärungen und jüngs-ten Abkommen. Er wird auf nur wenige Worte reduziert:Die Agenda 2010 wirkt, ihr werdet alle gerettet. Nein,die junge Generation braucht mehr: mehr an Perspekti-ven, mehr an Chancen, mehr an Aufschwung und somitauch ein Mehr an Beschäftigung.
In Ihrem Antrag steht:Der Deutsche Bundestag begrüßt und stellt fest,dass: … die Bundesregierung mit der Agenda 2010DJStwcnsusnFdnVmslDIAkadnIwJvugwgAmDbcssig
Rede von: Unbekanntinfo_outline
ertrauen werden Sie so nicht gewinnen. Der Arbeits-arkt sieht nicht nur für den Schulabgänger ohne abge-chlossene Schul- und Berufsausbildung, sondern mitt-erweile auch für den Jungakademiker, der sich alsauerpraktikant verdingt, nicht rosig aus.Dies sind die Realitäten der jungen Generation. Mithrer technologiefeindlichen Politik treiben Sie die gutusgebildeten aus dem Land. Die entscheidenden Zu-unftsmärkte werden mit jungen Deutschen erschlossen,ber leider nicht mehr in Deutschland, sondern dort, woieses Potenzial mit offenen Armen empfangen undicht durch eine übermäßige Bürokratie gegängelt wird.ch erinnere nur an die heutige Beratung im Ausschuss,o es um das Antidiskriminierungsgesetz ging.Ihr Kollege Schartau spricht von einem pauschalenugendwahn am Arbeitsmarkt. Das geht an der Realitätorbei. Die Arbeitslosigkeit betrifft alle Generationennd Bildungsschichten. Eines bestätigen diese Äußerun-en aber: Immer, wenn Sie mit Ihrer Allheilwaffe nichteiterkommen, gibt es einen, der dem anderen nichtsönnt: die Jungen den Alten nicht, die Unternehmer denrbeitern nicht usw. Sie betreiben immer eine Politikit Gegensätzen. Das ist der falsche Weg.Wir werden herausarbeiten müssen, dass wir ineutschland keine Ansammlung von Ich-AGs, die Sieefürworten, sondern eine Wir-AG Deutschland brau-hen, um Deutschland mit einem gesellschaftspoliti-chen Kraftakt wieder fit zu machen und damit die Ab-tiegsfahrt unseres Landes nach sieben Jahren Rot-Grünns Gegenteil zu verkehren.
Tatsache ist, dass immer weniger Jugendliche Gele-enheit erhalten, auf dem Arbeitsmarkt Tritt zu fassen.
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Dr. Andreas ScheuerHerr Staatssekretär, darüber dürfen auch keine Warte-schleifen bei der Berufsvorbereitung hinwegtäuschen.Es ist viel geschehen, aber es gibt immer noch Warte-schleifen. Das kann uns nicht zufrieden stellen. Der eineTeil scheitert an der von Ausbildungsbetrieben zuneh-mend beklagten mangelnden Ausbildungsfähigkeit, derandere Teil an den Fesseln des Arbeitsmarktes. Bünd-nisse wie der Pakt für Arbeit leisten einen wichtigen Bei-trag, einem Teil der Jugendlichen Perspektiven undChancen zu geben.Den ausbildenden Betrieben sei an dieser Stelle aus-drücklich Dank gesagt. Ich bestärke sie in ihren Bemü-hungen, Jugendliche auszubilden.
Ich denke, die Vertreter des Mittelstandes als Rückgratder Berufsausbildung würden unter besseren wirtschaft-lichen Verhältnissen gern mehr ausbilden.Sehr geehrte Damen und Herren von Rot-Grün, neh-men Sie bitte zur Kenntnis, dass in Insolvenz befindlicheUnternehmen auch unter Androhung von Zwang nichtausbilden werden und können.
Die wirtschaftliche Lage muss sich bessern. Damitwerden auch Perspektiven eröffnet. Ein künftiges För-dern und Fordern macht nur Sinn, wenn arbeitsmarktpo-litische Maßnahmen mit wirtschaftspolitischen Verände-rungen einhergehen und Synergien bilden. Erst dannwird es möglich sein, den Arbeitsuchenden aller Genera-tionen ein Angebot für Beschäftigung zu machen.Das jetzt festgelegte Verhältnis von 1 : 75 bei derArbeitsvermittlung ist zwar ein guter Anfang. Aber einguter Verwalter wird dadurch noch nicht sofort zu einemguten Vermittler. Protokolle von Arbeitslosen aus demInternet – ich kann Ihnen das gerne zur Verfügung stel-len –, die ein Beratungsgespräch wiedergeben, vermit-teln den Eindruck, man sei im falschen Film. Das, was inden Protokollen steht, ist teilweise dramatisch.
Ein junger Akademiker, der das Protokoll eines Bera-tungsgesprächs im Internet zur Verfügung gestellt hat,kommt zu dem Schluss: Ich kümmere mich besser selberum einen Job, weil ich von euch nicht vermitteltwerde. – Es darf nicht sein, dass sich unter den Arbeits-losen eine Stimmung der Perspektivlosigkeit breitmacht. Quantität ist also nicht gleich Qualität. Wir müs-sen Verschiedenes anpacken.Frau Bundesministerin Bulmahn hat bei der erstenLesung und auch vorhin gesagt: Wer über Jugend undZukunft spricht, muss vor allem auch zuhören können. –Man muss als Politiker aber auch dorthin gehen, wo mansich nicht öffentlichkeitswirksam präsentieren kann, zuden Brennpunkten. Die Mitglieder der CDU/CSU-Bun-destagsfraktion haben in der Debatte zur Großen An-frage „Jugend in Deutschland“ das Thema Zukunfts-chancen auf die Tagesordnung gebracht. Von Ihnen hatkCcGhgnfrdrdsbtAWfWHsBgZei5nDrdfkiJdglsd
azu hat gestern das Institut für Arbeitsmarkt- und Be-ufsforschung aus Nürnberg eine Studie vorgelegt. Ausieser Studie geht klar hervor: Je höher die Quali-ikation der Menschen ist, umso geringer ist ihr Risiko,einen Job zu bekommen. Besonders bei Jugendlichenst dies das Problem. Fast die Hälfte aller arbeitslosenugendlichen hat keine abgeschlossene Berufsausbil-ung. Das heißt, Bildung ist der Schlüssel für den Zu-ang zum Arbeitsmarkt.
Bildung fängt schon in der Schule an. Deutsche Schu-en qualifizieren vor allen Dingen Kinder aus sozialchwachen Familien momentan nicht ausreichend füren Arbeitsmarkt.
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Anna LührmannIn der Schulpolitik braucht es daher vernünftige pädago-gische Konzepte, mehr Zeit und auch mehr Mittel. DieBundesregierung hat das erkannt; denn mit dem Ganz-tagsschulprogramm stellen wir 4 Milliarden Euro fürmehr Zeit für die Bildung zur Verfügung.Die Union hingegen blockiert an allen Ecken und En-den. Dazu drei Beispiele:Erstens. Mein Heimatland Hessen hat bisher erst10 Prozent der ihm zur Verfügung stehenden Mittel fürGanztagsschulen abgerufen.
Zweites Beispiel: Eigenheimzulage. Wenn Sie derAbschaffung der Eigenheimzulage schon jetzt zuge-stimmt hätten, anstatt zu sagen, Sie wollten eventuell ir-gendwann einmal die Eigenheimzulage – am besten zurEntlastung der Spitzenverdiener – abschaffen, dann hät-ten die Länder jetzt 2 Milliarden Euro mehr zur Verfü-gung und könnten damit 160 000 dringend benötigteLehrerstellen schaffen. Das nenne ich Mauern auf Kos-ten der Zukunft von Jugendlichen.
Noch ein drittes Beispiel, auch wieder aus meinemHeimatland Hessen, weil man daran schön sehen kann,was eine absolute Mehrheit der CDU alles anrichtenkann: Die Hessische Landesregierung hat kürzlich be-schlossen, das Erbacher Schloss zu kaufen. Der Kauf-preis beträgt 13,3 Millionen Euro, was Sie vielleicht alsSchnäppchen bezeichnen.
Das Erbacher Schloss zeichnet sich vor allen Dingendurch seinen Prunksaal von europäischer Bedeutung mitkolossalen und abnormalen Hirschgeweihen aus, einganz wichtiger Punkt. Es ist ganz klar: Die Union stehtfür Hirschgeweihe und Beton statt für Zukunft, meineDamen und Herren.
Nach der Schule – wie wir eine bessere Schulpolitikmachen, habe ich eben erläutert – muss den Jugendli-chen ein Ausbildungsplatz angeboten werden. Deswe-gen hat die Bundesregierung mit der Wirtschaft einenPakt für Ausbildung abgeschlossen. Die Bundesregie-rung hat ihren Teil der Abmachung eingehalten. Statt dieAusbildungsplatzumlage einzuführen,
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Allerdings kommt der Mittelstand seiner Verpflich-ng nach. Vor Ort gibt es ganz viele engagierte kleinend mittlere Unternehmen, die alles tun, um ihren Ju-endlichen eine Perspektive zu geben, und die ihrer Ver-ntwortung gerecht werden.
er hingegen wie die Unternehmensverbände ständigach weniger Staat und weniger Steuern ruft, gleichzei-g aber keine Verantwortung für die Gesellschaft und fürie Jugendlichen übernehmen will, der lässt die Jugend-ichen im Regen stehen.
Alle Teile der Gesellschaft müssen ihre Verantwor-ung für Jugendliche übernehmen, die Politik, aber auchie Wirtschaft, wo sie kann. Eine Zukunftsperspektiveröffnen wir Jugendlichen vor allen Dingen durch einlares Konzept mit einer klaren Prioritätensetzung fürildung und Forschung und nicht für Hirschgeweihend Beton.
Deswegen hoffe ich, dass auch nach der Neuwahlundesmittel nicht für unsinnige Dinge wie das Erba-her Schloss, sondern, wie wir es vorhaben, für Ganz-agsschulen ausgegeben werden.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Haupt, FDP-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fürugendliche sind Ausbildung und Arbeit mehr als nurrundlage für ein wirtschaftlich unabhängiges Leben.ie haben auch zentrale Bedeutung für die Identitätsfin-ung, die Selbstverwirklichung und die Selbstbestim-ung.Die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit istine der wichtigsten Aufgaben der Politik. Eine Gesell-chaft kann es sich nicht leisten, dass jungen Menschen
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Klaus Hauptder Einstieg in das Arbeitsleben verwehrt bleibt und de-ren kreatives Potenzial und Arbeitskraft brachliegen.
Die FDP will Beschäftigung und Ausbildung im erstenArbeitsmarkt. Aber wir wissen: Der Arbeits- und Aus-bildungsmarkt sieht für Jugendliche finster aus. Rot-Grün hat mit Hartz IV nicht nur den Arbeitslosen, son-dern auch den Jugendlichen viel versprochen: Jugend-liche haben einen Anspruch auf Vermittlung einer Ar-beits- oder Ausbildungsstelle. Laut WirtschaftsministerClement sollten alle Jugendliche ein Angebot bekom-men, das die Chance bietet, in Ausbildung oder Arbeitintegriert zu werden. Dennoch waren Ende Mai 2005568 000 Jugendliche unter 25 Jahren ohne Stelle.
Die Bundesagentur für Arbeit will in diesem Jahr fast7 Milliarden Euro für die Bekämpfung der Jugendar-beitslosigkeit ausgeben. Insgesamt 1 Million Euro willdie Behörde 2005 für Fördermaßnahmen zugunsten vonFrauen und Männern aufbringen, die jünger als 25 Jahresind. Kein Jugendlicher soll bis Jahresende länger alsdrei Monate arbeitslos sein.Doch bei den Eingliederungsvereinbarungen hinkt dieBA gnadenlos dem Zeitplan hinterher. Junge Menschen– vor allem Benachteiligte – brauchen Zugang zu Arbeitund Beschäftigung. Mehr als zwei Drittel der Betroffe-nen bringen keine Ausbildung mit; etwa ein Drittel hatnicht einmal einen Schulabschluss. Die Bundesagenturfür Arbeit scheint jedoch mehr mit sich selbst und demUmbau ihrer Verwaltung als mit den jungen Arbeitslosenbeschäftigt zu sein.
Staatliche Beschäftigungsprogramme oder eine öf-fentliche Ausbildung über den Bedarf hinaus verschie-ben das Problem nur, statt es zu lösen. Denn nach demEnde der Ausbildung werden viele Jugendliche erneutarbeitslos, wenn der Staat sie nicht übernehmen kannund es auf dem privaten Arbeitsmarkt keine Nachfragenach ihrer Qualifikation gibt.Es ist nicht damit getan, immer nur mit heißer Nadelgestrickte rot-grüne Sofortprogramme für Jugendliche indie Welt zu setzen. Chancenlosigkeit und Perspektivlo-sigkeit bilden den Nährboden für rechts- und linksradi-kale Rattenfänger.Mich sorgt die Abwanderung gerade junger Hoff-nungsträger in den neuen Bundesländern, die zur Ver-greisung ganzer Regionen führt. Wir brauchen vielmehreinen grundlegenden Wandel hin zu Rahmenbedingun-gen, in denen die Jugendlichen Chancen haben, ihreQualifikation, ihr Engagement, ihre Energie einbringenzu können. Ein wichtiger Schritt ist dabei das von mei-ner Partei vorgeschlagene einfache, dreigliedrige Steu-ersystem mit einem Steuersatz von 15, 25 und35 Prozent.
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Wir lassen die Jugendlichen eben nicht im Stich; viel-ehr haben wir durch unsere Reformen im Bereich Aus-ildung und Bildung dazu beigetragen, dass sich die Ar-eitsmarktchancen der Jugendlichen verbessert haben.
ir haben 100 000 Jugendlichen mit dem von uns ein-eführten Rechtsanspruch auf Beschäftigung und Qua-ifizierung kurzfristig eine neue Chance gegeben. Dieahl der jugendlichen Arbeitslosen ist inzwischen nied-iger als noch zu Jahresbeginn. Es ist richtig, dass dieahl immer noch zu hoch ist. Am Jahresende wird sichber zeigen, ob die von uns eingeleiteten Maßnahmenon den Jugendlichen in Anspruch genommen werden.Wir haben in den letzten Wochen und Monaten zumeispiel auch eine Änderung des Berufsbildungsgeset-es durchgeführt. Diese Maßnahme war wichtig, um dasuale Ausbildungssystem zu modernisieren und den in-ernationalen Anforderungen und Standards anzupassen.as ist für die Jugendlichen, die in diesem Bereich eineusbildung beginnen, sehr wichtig, weil sie nun davonusgehen können, dass ihr Ausbildung den europäi-chen Anforderungen entspricht.
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Karin Roth
Wir haben mit der Einführung der zweijährigen Be-rufsausbildung vor allen Dingen auch die Belange be-nachteiligter Jugendlicher berücksichtigt und gleich-zeitig einen anerkannten Berufsabschluss für diesePersonengruppe eingeführt. Auch das ist wichtig, wennwir über das Thema „Modernisierung der Berufsausbil-dung“ reden. Natürlich ist es Besorgnis erregend, dass45 Prozent der Jugendlichen, die arbeitslos sind, keinenBerufsabschluss haben. Das bereitet große Sorgen, diewir gemeinsam teilen. Deshalb müssen wir alles dafürtun, dass Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekom-men und so qualifiziert ausgebildet werden, dass sie einBerufsabschlusszeugnis erhalten und nicht gering be-schäftigt sind. Das ist aus meiner Sicht ein wichtigerPunkt.
An der Schwelle zwischen Schule und Arbeitslebenbrauchen Jugendliche eine Perspektive. Diese geben wirihnen. Deshalb sage ich an die Adresse der Wirtschaft:Die Ausbildungsplätze, die versprochen worden sind,damit Jugendliche zu Beginn ihres Arbeitslebens nichtarbeitslos sind, müssen nun zur Verfügung gestellt wer-den. Mich bedrückt es, dass zum Beispiel nach der neu-esten IHK-Befragung 23 Prozent der Unternehmen we-niger ausbilden.
Die Unternehmen haben im Rahmen des Ausbildungs-paktes versprochen, genügend Ausbildungsplätze zurVerfügung zu stellen. Die Wirtschaft ist nun am Zug undmuss ihre Verantwortung wahrnehmen,
und zwar nicht nur für die Jugendlichen, sondern auchfür den Wirtschaftsstandort Deutschland. Das ist not-wendig.
Es geht also um die Zukunft der Jugendlichen insbe-sondere in den neuen Bundesländern. Dort muss etwasgetan werden; darin sind wir uns einig. Die Bundesregie-rung hat den neuen Bundesländern 86 Millionen Eurofür rund 14 000 Ausbildungsplätze im Bereich der be-triebsnahen Ausbildung, aber auch der Verbundausbil-dung zur Verfügung gestellt. Nun werden wir noch ein-mal 17 Millionen Euro zur Verfügung stellen, und zwarnicht nur für die neuen Bundesländer, sondern auch fürdie strukturschwachen westdeutschen Bundesländer,damit Jugendliche einen Ausbildungsplatz erhalten.
Wir, das heißt die Bundesregierung und die Koalitions-fraktionen, nehmen das Thema Ausbildung also ernst.DzgwiskdnsIBA6mzvzAgiwdgduabeav„gfWsBg–e
Ich möchte in diesem Zusammenhang nur darauf hin-eisen, dass die Berufsvorbereitungsmaßnahmen,nsbesondere die Deutschkurse, aber auch die Haupt-chulabschlusskurse, wichtige Elemente sind. Das allesönnte besser sein, wenn unser schulisches Ausbil-ungssystem besser wäre. Aber das bedeutet: Solange esicht so ist, dürfen wir die Jugendlichen nicht im Regentehen lassen und müssen solche Maßnahmen anbieten.ch halte nichts davon, wenn bestritten wird, dass dieundesagentur für Arbeit dafür zuständig ist, mit derbsicht, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von,5 Prozent auf 5 Prozent zu reduzieren und die Förder-aßnahmen zu streichen, wie es Herr Stoiber vor kur-em in einem „Zeit“-Interview gesagt hat. Ich halte sehriel mehr davon, den Jugendlichen solche Maßnahmenu geben, damit sie zumindest die Chance haben, einenusbildungsplatz zu erhalten. Auf dem Rücken der Ju-endlichen bei der Arbeitsmarktpolitik einzusparen haltech für eine falsche Politik. Das sollten all diejenigenissen, die meinen, die Vorschläge der Opposition seienie bessere Alternative. Ich meine, dass es für die Ju-endlichen und ihre Zukunft verheerend wäre, wenn wiras zuließen, was in den Programmen von CDU/CSUnd FDP vorgesehen ist.
Es ist doch klar: Sie sparen zulasten der Jugendlichen,uf Kosten ihrer Zukunftschancen. Deshalb sollten Sieei diesem Thema kleine Brötchen backen.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-mpfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeituf Drucksache 15/5394 zu dem Antrag der Fraktionenon SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit dem TitelAufbruch und Perspektiven – Zukunftschancen für Ju-endliche in Deutschland stärken“. Der Ausschuss emp-iehlt, den Antrag auf Drucksache 15/5255 anzunehmen.er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wertimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dieeschlussempfehlung ist mit der Mehrheit der Koalitionegen die Stimmen der Opposition angenommen.
Nun erfreuen sich beide Seiten noch einmal an deninstweilen obwaltenden Mehrheitsverhältnissen.
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Vizepräsident Dr. Norbert LammertIch rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Innenausschusses zudem Antrag der Abgeordneten WolfgangBosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSUProbleme mit der Türkei nicht ausblenden– Drucksachen 15/4496, 15/5665 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Lale AkgünReinhard GrindelSilke Stokar von NeufornDr. Max StadlerInterfraktionell ist eine Debattenzeit von 45 Minutenvorgesehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dannist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-nächst der Kollegin Dr. Akgün von der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Der Antrag der CDU/CSU-Fraktion mit demTitel „Probleme mit der Türkei nicht ausblenden“ ver-folgt uns schon eine ganze Weile. Der Antragstext hatsich zwischenzeitlich nicht geändert, wohl aber derSachstand zu den angesprochenen Themen.
Von daher kann ich sehr gut verstehen, dass sich die Kol-legen und Kolleginnen der FDP in den Ausschüssen derStimme enthalten haben mit der Begründung, Ihr Antragsei durch den Zeitablauf nicht mehr auf dem aktuellstenStand.Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung standen ei-nige Dinge in Ihrem Text, die schlicht falsch sind. Diesgilt insbesondere für das Thema Staatsangehörigkeit.Sie behaupten in Ihrem Antrag, türkischstämmige Deut-sche würden sich mithilfe der türkischen Regierungheimlich und illegal eine zweite Staatsangehörigkeit an-eignen. Dies ist und bleibt Unsinn.
Ich bin bei der ersten Lesung des Antrages bereits aus-führlich auf den juristischen Sachverhalt eingegangen,lieber Kollege Koschyk. Ich muss es heute leider nocheinmal tun, damit ganz klar wird, wovon wir hier eigent-lich reden.Richtig ist: Es gibt keine rechtsmissbräuchliche Wie-dereinbürgerung.
Jede und jeder Deutsche hat das Recht, jede Staatsange-hörigkeit jedes Staates anzunehmen. Wichtig für die, diedies tun, ist die Rechtsfolge, die sich für die deutscheStaatsangehörigkeit daraus ergibt.DhmFh2SrtkusRbmrSmuSvtdzkhrSSbgSuseReekvadldSbteSa
ie Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeitat nach § 25 des Staatsangehörigkeitsgesetzes den auto-atischen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zurolge. Diese Regelung oder die Ausnahme von der vor-er geltenden Inlandsklausel gilt seit dem 1. Januar000, also seit In-Kraft-Treten des von uns initiiertentaatsangehörigkeitsrechts.Viele der jetzt Betroffenen haben die Wiedereinbürge-ung schon lange vor dem 1. Januar 2000 beantragt, ta-en dies also in dem guten Glauben, dadurch würden sicheine rechtlichen Nachteile ergeben. Sie, liebe Kollegennd Kolleginnen von der CDU/CSU-Fraktion, verwech-eln leider die Rechtsfolge und den Tatbestand desechtsmissbrauchs, weil sich der Ausdruck Rechtsmiss-rauch dazu benutzen lässt, Menschen in die Nähe kri-ineller Handlungen zu bringen und die Türkei als Staatechtsstaatlich zu diskreditieren.
ie unterstellen uns aus reinem Wahlkampfopportunis-us, wir würden Probleme ignorieren. Nein, es wurdend wird gehandelt. Als erste Landesregierung hat diePD-geführte Landesregierung in Nordrhein-Westfalenor den Landtagswahlen reagiert und alle ehemaligenürkischen Staatsbürger, die seit dem 1. Januar 2000eutsche Staatsbürger geworden waren, befragt, ob siewischenzeitlich eine ausländische Staatsangehörig-eit angenommen hätten. 5 000 Befragte haben darauf-in geantwortet, sie hätten die türkische Staatsangehö-igkeit wieder erworben, wodurch sie die deutschetaatsangehörigkeit verloren haben. Das war die eineeite der Medaille, nämlich Klarheit in die Zahlen zuringen.Die andere Seite der Medaille betrifft jedoch diejeni-en, die jetzt nicht mehr Deutsche sind. Auch da ist diePD im Bund und in einigen Ländern vorangegangen,m die Betroffenen dabei zu unterstützen, wieder einenicheren Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsstatus zurhalten, und um ihnen aufzuzeigen, wie sie ihre eigeneechtsunsicherheit beenden können, wie sie eine Auf-nthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis und einerneute Einbürgerung in die deutsche Staatsangehörig-eit erreichen können.Im zweiten Punkt Ihres Antrages geht es um eine Zahlon circa 300 bis 400 Personen, die der türkische Staatusgebürgert hat, in der Regel wegen Nichtableistunges Wehrdienstes. Ich habe auch hierzu bereits beimetzten Mal betont, dass wir uns völlig einig darin sind,ass wir diese Art von Ausbürgerung nicht gutheißen.ie wissen so gut wie wir, dass zur Lösung des Problemsereits Konsultationen zwischen der deutschen und derürkischen Regierung stattfinden und man versucht, hierine Lösung zu finden. Unser Bundesinnenminister Ottochily hat das Thema gut im Griff. Sie dürfen ganz ruhiguf ihn vertrauen, so wie wir es auch tun.
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Dr. Lale AkgünDie eigentliche Absicht Ihres Antrages ist jedochganz klar: Sie haben zu dem Zeitpunkt, als Sie den An-trag stellten – drei Tage vor dem Europäischen Rat imDezember 2004 –, versucht, auch noch die ausgefallens-ten Argumentationen zu bedienen, um die Beitrittsfä-higkeit der Türkei zu verneinen. Das zeigt sich auchdaran, dass Sie in den Begründungen des Antrags ver-sucht haben, Ihr gesamtes Sammelsurium an Argumen-ten gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungennoch nachträglich unterzubringen. Sie haben nämlich inder Zwischenzeit gemerkt, dass die ursprünglich im An-trag angesprochenen Themen reine bilaterale und innen-politische Themen sind, die mit der Beitrittsfrage garnichts zu tun haben.Als Europapolitikerin muss ich mich jedoch mit IhrerHaltung zum EU-Beitritt der Türkei grundsätzlich aus-einander setzen. Der Europäische Rat im Dezember hateinstimmig und zu Recht die Aufnahme von ergebnisof-fenen Beitrittsverhandlungen beschlossen, mit dem Zielder Vollmitgliedschaft, wenn sich im Laufe dieser lang-wierigen Verhandlungen zeigt, dass alle Seiten ihreHausaufgaben gemacht haben.Ihr so genanntes Konzept, Verhandlungen zu begin-nen, als einzig mögliches Ziel aber eine „privilegiertePartnerschaft“ zu akzeptieren, ist unsinnig und wider-sprüchlich.
Es macht keinen Sinn, Beitrittsverhandlungen zu führen,von denen feststeht, dass sie nicht zum Beitritt führensollen. Ich sage aber auch ganz deutlich, dass ich dasModell der „privilegierten Partnerschaft“ ablehne. IhrKollege Wissmann hat in den letzten Tagen dankenswer-terweise konkretisiert, was Sie sich unter „privilegierterPartnerschaft“ vorstellen: den Ausbau von Wirtschafts-beziehungen, den Aufbau einer umfassenden Freihan-delszone und den Ausbau der Sicherheitspartnerschaft.Das heißt im Klartext: Es soll eine wirtschaftliche undmilitärische Verflechtung der Türkei mit der EU geben,aber keine Rechte und Pflichten für die Türkei, wenn esum die Verwirklichung der inneren Einheit Europas, derinstitutionellen Strukturen sowie der Menschenrechts-und Sozialcharta geht.Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, das istnicht das Europa, das wir uns vorstellen. Es wäre ein Eu-ropa ohne gemeinsame Werte, nur die Verwirklichungeiner reinen Freihandelszone, die wir ja gerade nichtwollen. Wir sollten diesen Aspekt nicht vernachlässigen,nachdem gerade in Frankreich und den Niederlanden dieReferenden zur europäischen Verfassung mit einem Neinendeten, das von vielen damit begründet wurde, dass Eu-ropa zu sehr den freien und gemeinsamen Markt betont,aber keine ausreichende gemeinsame Grundlage für densozialen Ausgleich schafft. Dies ändern wir nicht, in-dem wir die wirtschaftliche Freihandelszone ausbauen,die politischen Gemeinsamkeiten aber an den Randdrängen. Deshalb ist die Türkeipolitik dieser Bundesre-gierung nach wie vor richtig.m2vhslwWskPaiIsRgdVcabfejeserIGSnC
Die EU muss ihre Hausaufgaben machen,
uss die finanzielle Vorausschau bis 2014 und dann ab014 beschließen. Sie muss die Inhalte des Verfassungs-ertrages so weit implementieren, dass ihre Strukturenandlungsfähig bleiben. Spätestens im Jahr 2013 mussie die Strukturen ihrer künftigen Agrarpolitik neu fest-egen.Die Türkei wird den Weg der Reformen, innen- wieirtschaftspolitisch, konsequent weitergehen müssen.enn im Laufe dieser langen Periode die Beitrittsge-präche erfolgreich abgeschlossen werden, ist es voll-ommen richtig, dass die Türkei mit allen Rechten undflichten Vollmitglied wird.Eine Ablehnung dieser langfristig angelegten Politikus populistischen und wahltaktischen Gründen weisech zurück.
m Übrigen polemisieren Sie nicht nur gegen die Türkei,ondern auch gegen die bereits zugesagten Beitritte vonumänien und Bulgarien, denen alle Staats- und Re-ierungschefs der EU zugestimmt haben. Sie meinen,ie Gunst der Stunde nutzen zu können, um das Nein dererfassungsreferenden für Ihre Zwecke zu missbrau-hen.Ich versuche, mich ganz sachlich mit Ihrem Antraguseinander zu setzen und ihn Punkt für Punkt abzuar-eiten. Ich möchte hier aber auch in aller Deutlichkeitesthalten: Ihnen geht es nicht um die Inhalte, Ihnen gehts darum, mit dem Thema Türkei und Türken eine Pro-ktionsfläche für gesellschaftliche Ängste aller Art zuchaffen. Wie ein türkisches Sprichwort sagt: Ihnen gehts nicht darum, Weintrauben zu essen, Ihnen geht es da-um, den Winzer zu verprügeln.
ch finde es schäbig, dass Sie sich die Schwächsten deresellschaft als Sündenböcke ausgesucht haben. Habenie doch endlich den Mut, offen zu sagen, worum es Ih-en eigentlich geht!Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Hartmut Koschyk,DU/CSU-Fraktion.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieRede der Kollegin Akgün hat gezeigt, wie wichtig unserAntrag ist. Er hat zum einen deutlich gemacht, wie Rot-Grün mit dem Rechtsproblem und mit dem politischenProblem illegaler Doppelstaatler in unserem Land glaubtumgehen zu können. Er wirft zum anderen ein bezeich-nendes Licht auf die Politik der Bundesregierung zumEU-Beitritt der Türkei. Ich sage Ihnen ganz offen, FrauKollegin Akgün: Das Ja zur Aufnahme von Beitrittsver-handlungen mit der Türkei im Dezember 2004, forciertdurch die rot-grüne Bundesregierung, war eine große po-litische Fehlentscheidung für Europa.
Rot-Grün hat eine Schicksalsfrage für unser Land ent-schieden, ohne in aller Klarheit bestehende Probleme inder Türkei und mit der Türkei benannt, geschweige denngelöst zu haben. Warnungen der Politik – ich nenne nurHelmut Schmidt und Valéry Giscard d’Estaing –, derWissenschaft, aber auch der beiden großen Kirchen inunserem Land hat Rot-Grün ignoriert
und sich gegenüber Mahnungen und Fakten arrogant ab-weisend gezeigt.Wie sehr die Staatsmänner in Europa beim ThemaTürkeipolitik jetzt, nach den Referenden in Frankreichund den Niederlanden, kalte Füße bekommen, zeigt dieTatsache, dass im Entwurf des Ratskommuniqués zumanstehenden EU-Gipfel am Wochenende das Themaüberhaupt keine Erwähnung mehr findet.
Bei der Lösung der Problematik der illegalen Doppel-staatler hat sich die Bundesregierung in der Sache undauch gegenüber dem türkischen Staat alles andere alsselbstbewusst verhalten, was die Vertretung berechtigterdeutscher Interessen anbelangt.Auch die von Ihnen, Frau Kollegin Akgün, gerade pro-pagierten Lösungsvorschläge halte ich nach wie vor fürfalsch. Weder die Hinnahme der doppelten Staatsange-hörigkeit noch Sonderregelungen für türkischstämmigeDeutsche, die wegen der Wiedererlangung der türkischenStaatsangehörigkeit ihre deutsche Staatsangehörigkeitverloren haben, wären das richtige Zeichen.
Der türkische Staat hat den eingebürgerten türkischstäm-migen Deutschen in Kenntnis und unter Missachtung un-seres Staatsangehörigkeitsrechts die türkische Staatsan-gehörigkeit wieder zuerkannt. Darüber können unddürfen wir nicht einfach hinwegsehen.BhtltdiwvssdebsswbhhdSSrsDrfddbtmuwpwwvDdn
Zudem ist es beschämend und bezeichnend, dass dieundesregierung erst auf Druck der CDU/CSU über-aupt bereit war, von der Türkei die Herausgabe der Lis-en mit den Namen der illegalen Doppelstaatler zu ver-angen. Es ist auch nicht hinnehmbar, dass sich derürkische Staat weigert, der Bundesregierung, konkretem Bundesinnenminister, die Listen mit den Namen derllegalen Doppelstaatler herauszugeben.
Minister Schily war übrigens auch in einer anderenichtigen Angelegenheit gegenüber der türkischen Seiteöllig erfolglos. Es ging darum, die unakzeptable türki-che Rechtspraxis zu unterbinden, missliebigen türki-chen Staatsbürgern, die im Ausland straffällig gewor-en sind, die türkische Staatsbürgerschaft einfach zuntziehen, damit sie im Falle einer geplanten Abschie-ung nicht in die Türkei zurückgenommen werden müs-en. Es ist doch unannehmbar, dass Deutschland auf die-en türkischen Straftätern sitzen bleibt,
ährend sich die Türkei ihrer kurzerhand mittels Aus-ürgerung entledigt.
Wenn Sie den Berliner Innensenator einmal gefragtätten, welche schweren Straftaten diejenigen begangenaben, die die Türkei ausbürgert und die deshalb nicht inie Türkei abgeschoben werden können, dann wüsstenie, wie gravierend dieses Problem in Wirklichkeit ist.chily hat es angesprochen – das wollen wir honorie-en –, aber er hat in dieser Frage gegenüber seinem türki-chen Amtskollegen Aksu überhaupt nichts erreicht.
ies zeigt, welchen Einfluss die rot-grüne Bundesregie-ung auf die türkische Regierung hat, nämlich null Ein-luss.Auch sind wir der festen Überzeugung, dass die Bun-esregierung mit der Tabuisierung und Verschleppungieses Themas den türkischen Mitbürgerinnen und Mit-ürgern in Deutschland, die von dieser Problematik be-roffen sind, keinen Gefallen tut. Es mag im ersten Mo-ent zwar unbequem erschienen sein, dass wir mitnserem Parlamentsantrag auf diese Problematik hinge-iesen haben, aber eine Tabuisierung und Verschlep-ung dieses Themas hat zur Folge, dass es nicht gelöstird und dass in der Bevölkerung Vorbehalte aufgebauterden.In einem Punkt können Sie sich sicher sein: Die Be-ölkerung in Deutschland will nicht, dass Menschen ineutschland an Wahlen teilnehmen, die überhaupt nichtazu berechtigt sind, in Deutschland an Wahlen teilzu-ehmen.
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Hartmut KoschykDeshalb muss dieses Problem gelöst werden. Es machtkeinen Sinn, dass wir jetzt, wie von Ihnen teilweise pro-pagiert, ein einfaches Verwaltungsverfahren zur Wie-dererlangung der deutschen Staatsangehörigkeit an-bieten. In diesen Fällen kann es kein privilegiertesVerfahren geben.Dass Sie sich von Rot-Grün in dieser Frage auch des-halb schwer tun, weil viele von Ihnen nach wie vor alsRegelfall die doppelte Staatsangehörigkeit propagieren,ist natürlich klar. Auch der Aufruf der Grünen vor derLandtagswahl in NRW an die von dieser Frage betroffe-nen Menschen zeigt, dass Sie in dieser Frage dem nach-trauern, was wir durch unsere Unterschriftensammlun-gen verhindert haben, nämlich dass die doppelteStaatsangehörigkeit so, wie Sie das ursprünglich woll-ten, zur Regel wird.
Wir meinen, wir müssen alles dafür tun, dass sichneue deutsche Staatsbürger durch die Annahme der deut-schen Staatsangehörigkeit voll zu unserem Staat und zuseiner Verfassungs- und Rechtsordnung bekennen. DieEinbürgerung muss Ausdruck einer innerlichen Zuwen-dung zu Deutschland und nicht nur ein oberflächlichesRitual sein. Daher treten wir für eine Eidesleistung beider Einbürgerung ein. Wir fordern vom zukünftigendeutschen Staatsbürger ein eindeutiges Bekenntnis zurWerte- und Verfassungsordnung der BundesrepublikDeutschland. Mit der Erlangung der deutschen Staats-bürgerschaft erwirbt der einbürgerungswillige Ausländerkein bloßes Privilegienpaket für seinen Aufenthalt inDeutschland. Vielmehr muss es um eine dauerhafte Bin-dung an unser Land, seine Werteordnung, seine Kultur,aber auch seine Menschen gehen. Deshalb kann eine fei-erliche Eidesleistung bei der Einbürgerung eine erfolg-reich absolvierte Integration unterstreichen.
Ich will ein Beispiel nennen: Von mangelndem Inte-grationswillen zeugt zum Beispiel, wenn sich wie jetzttürkische Organisationen gegen den Bundestag undseine inzwischen überparteilich eingenommene Haltungzur Armenienfrage wenden. Für den nächsten Sonntagruft nämlich die von den 200 000 in Berlin lebendenTürken wohl am meisten gelesene türkische Zeitung„Hürriyet“ zu einer Großdemonstration gegen einen An-trag aller Fraktionen im Deutschen Bundestag auf, indem wir einvernehmlich gemeinsam den Genozid an denArmeniern verurteilen wollen. Zu dieser Demonstrationwerden 50 000 Personen erwartet. Wörtlich heißt es indem „Hürriyet“-Aufruf:Wir werden uns den machtpolitischen Interessenvon heute nicht beugen.Die Demonstration steht unter dem Motto: „Schnapp dirdeine Fahne und mach mit“.Schnapp dir eine Fahne und mach mit – es wäre eingutes Zeichen für den Integrationswillen der türkischenGemeinde in Berlin und in Deutschland, wenn „Hür-rVuUBNePfdEsbGvt–RdSmwednlEGrenrmtS
nd seiner Symbole, aber auch zu einem sachgemäßenmgang mit der Armenienfrage aufrufen würde.Herzlichen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Josef Winkler,ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächstinmal muss gesagt werden, dass es nicht nur um einroblem geht, von dem türkische Staatsbürger betrof-en sind. Das ist Ihnen, meine Damen und Herren voner Union, ja völlig entgangen.
s ist ja so, dass sich langsam, aber sicher viele türki-che Organisationen, aber auch Mitbürgerinnen und Mit-ürger von Ihnen kriminalisiert fühlen, und zwar inänze. Sie haben das ja auch eben wieder gezeigt. Sieermischen hier Sachverhalte, die nichts miteinander zuun haben.
Das Ausbürgern von Kriminellen durch die türkischeegierung und das Verlieren der Staatsbürgerschafturch eigenes Verschulden, indem man eine anderetaatsbürgerschaft annimmt, haben überhaupt nichtsiteinander zu tun. Sie aber vermischen es. Das lehnenir ab.
Betroffen sind zum Beispiel auch Aussiedler aus derhemaligen Sowjetunion oder auch jüdische Zuwan-erer aus der ehemaligen Sowjetunion, die aufgrund ei-er zwischenzeitlichen Niederlassung in Israel die israe-ische Staatsangehörigkeit erworben haben.Ich gebe gerne zu – das ist aber kein großer Akt vonnthüllungspolitik, Herr Kollege Koschyk –, dass dierünen schon immer der Meinung waren, dass die gene-elle Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeitin integrativer Akt ist. Damit will ich aber überhaupticht entschuldigen, dass – was Sie zu Recht thematisie-en – die türkische Regierung hier rechtswidrige Infor-ationen an deutsche Staatsbürger aus der Türkei ver-eilt und sie über Jahre hinweg zur doppeltentaatsbürgerschaft ermuntert hat. Das eine hat mit dem
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Josef Philip Winkleranderen nichts zu tun. Wenn Sie uns Grünen vorwerfen,wir wollten quasi durch die Hintertür illegal die doppelteStaatsbürgerschaft einführen, dann kann ich nur sagen:So nicht! Wir sind zwar weiterhin dafür, dass sie einge-führt wird, aber das muss auf legalem Wege geschehen.
Unabhängig davon sollte man einmal sachlich überle-gen, dass es eine Übergangsregelung für diejenigen Mi-granten geben sollte, die vor dem In-Kraft-Treten desneuen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 ihrenAntrag auf Wiedererwerb einer ausländischen Staatsan-gehörigkeit gestellt hatten und diese Staatsangehörigkeiterst nach dem In-Kraft-Treten erhalten haben; auch dieseFälle gibt es.Meine Damen und Herren, ich kann hier nur an dieBundesländer – die wie immer durch Abwesenheit glän-zen – appellieren, dem föderalen Durcheinander bei derUmsetzung des § 38 des Aufenthaltsgesetzes ein Endezu bereiten
und im Interesse der Betroffenen zu agieren. Hier mussschnell Rechtsklarheit geschaffen werden. Wir braucheneine Vereinbarung der Länder zur pragmatischen und un-bürokratischen Handhabung der Voraussetzungen des§ 38 des Aufenthaltsgesetzes und des Assoziationsrechtsin Bezug auf die Türkei. Hier ist nach dem Grundsatz zuverfahren, dass der aufenthaltsrechtliche Status vor derEinbürgerung – in den allermeisten Fällen also ein unbe-fristetes Aufenthaltsrecht – wieder erteilt wird, sodassdie Betroffenen schnellstmöglich wieder eingebürgertwerden können.
Das ist im Übrigen in einigen Bundesländern – wie Ber-lin und Schleswig-Holstein, und auch ein schon damalsunionsregiertes ist dabei, nämlich Hessen – bereits sovorgesehen. Zu kritisieren sind hingegen die Regelungenin Baden-Württemberg – die wohl dem entsprechen, wasSie anstreben, Herr Kollege Koschyk –, wo auch dieFDP mitregiert: Dort werden die Migranten, die eineWiedereinbürgerung anstreben, rechtlich so behandelt,als ob sie neu nach Deutschland eingereist seien. Es isteinfach nicht nachvollziehbar, dass Menschen, die schoneinmal, und zwar unter Umständen vor vielen Jahren, einEinbürgerungsverfahren erfolgreich absolviert haben,jetzt wieder bei Adam und Eva anfangen sollen, dassquasi überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wird,dass sie über Jahre gute deutsche Staatsbürger waren.Aber nach diesen Regelungen müssen sie, da sie diesenFehler begangen haben – obwohl es bei den allermeistengar kein Vorsatz war; schließlich werfen Sie ja der türki-schen Regierung vor, dass sie falsche Informationen er-teilt hat, und machen die Vorwürfe nicht diesenBürgern –, auf Null zurück. Das lehnen wir ab.
Es geht nicht um die Delikthaftigkeit dieser Sache,err Kollege Koschyk, sondern darum, dass Sie vieleinzelne Menschen über einen Kamm scheren. Das tunir nicht. Es ist integrationspolitischer Nonsens, wennenschen, die mit ihrer Einbürgerung schon vor Jahrenezeigt hatten, dass sie in unserer Gesellschaft, ineutschland, angekommen sind, jetzt rechtlich wiederls Ausländer behandelt werden und unter Umständenogar noch schlechter gestellt werden sollen, als sie esor ihrer Einbürgerung waren.Ich denke, es ist klar, dass es hier ein Problem gibt.ir bestreiten das nicht; da gibt es auch keine Tabuisie-ung, wie Sie eben hier behauptet haben. Der Innenmi-ister hat in dieser Hinsicht bereits verhandelt und wirussten um dieses Problem auch schon, bevor Sie unsarauf hingewiesen haben. Wir haben schon vorher da-egen protestiert; das wissen Sie ganz genau. Deshalberwahre ich mich gegen Ihre Vorhalte.Wir – das kann ich für meine Fraktion und für dieraktion der SPD sagen – wollen diese unsere Mitbür-er, die da einen Fehler gemacht haben, wieder zurück-aben. Herzlich willkommen zurück in Deutschland!ass die Union das ablehnt, ist für mich eine Schande.
Das Wort hat der Kollege Dr. Max Stadler von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Die FDP-Fraktion wird sich bei dem Antrag derDU/CSU, über den wir gerade debattieren, der Stimmenthalten.
ir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass in diesemntrag durchaus berechtigte Fragen thematisiert werden,twa die wirklich nicht akzeptable Praxis der Türkei,
igene Staatsbürger auszubürgern, wenn sie im Auslandtraffällig geworden sind. Das sehen wir genauso wie dieDU/CSU.
Wir können diesem Antrag aber nicht zur Gänze zu-timmen, weil er zum Teil überholt ist: Er bezieht sichuf die Aufnahmeentscheidung der Europäischen Unionom 17. Dezember 2004; insoweit ist er einfach durchen Zeitablauf überholt. Wir wollen diesem Antrag aberuch deswegen nicht zustimmen, weil wir glauben, dassinige innenpolitische Fragen, die von der CDU/CSUier zur Debatte gestellt werden, die gesamte Dimension
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17018 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Dr. Max Stadlerdes Problems des Beitritts der Türkei zur EuropäischenUnion nicht erfassen. Dieser Antrag ist nicht geeignet,eine neue Debatte über den EU-Beitritt der Türkei zuinitiieren.
Ich verweise auf die klare Haltung der FDP zu diesemThema: Wir sind für wirklich ergebnisoffene Verhand-lungen über den EU-Beitritt der Türkei. Diese werdensich voraussichtlich über einen längeren Zeitraum hin-ziehen, und wenn sie abgeschlossen sind, wird entschie-den. Das Ergebnis lässt sich heute nicht vorwegnehmen.
Natürlich ist es legitim – die CDU/CSU macht dies –,in der Zwischenzeit einzelne Probleme zu diskutieren.Durch die von SPD, Grünen und FDP gemeinsam getra-gene Reform des Staatsangehörigkeitsrechts imJahr 2000 ist eine wirklich schwierige Situation entstan-den. Damals ist vor allem auf Wunsch der CDU/CSU andem Grundsatz festgehalten worden, dass jeder nur eineeinzige Staatsangehörigkeit haben soll
und dass die doppelte Staatsangehörigkeit prinzipiellverboten ist.
Daraus erwachsen nun praktische Probleme; denn da-mals ist folgende Regelung geschaffen worden: DeutscheStaatsangehörige, die ihren Wohnsitz im Inland haben undzusätzlich eine ausländische Staatsangehörigkeit erwer-ben, verlieren mit diesem Erwerb automatisch die deut-sche Staatsangehörigkeit. Der Grund für diese Regelungwar natürlich folgender – daran muss man sich einmal er-innern –: Es sollte verhindert werden, dass es entgegen dermit diesem Gesetz verbundenen Intention zu doppeltenStaatsangehörigkeiten kommt.Die normale Sanktion bei diesem Regelverstoß – derEntzug der deutschen Staatsangehörigkeit – konnte nichtim Gesetz verankert werden, da ein solches Vorgehendurch Art. 16 des Grundgesetzes verboten ist. Diese Re-gelung im Grundgesetz soll deutsche Staatsangehörigevor Rechtsverlusten schützen. Aus genau diesem Grundhaben wir eine viel weiter gehende Regelung geschaffen,nämlich die „Fallbeilregelung“, die vorsieht, dass diedeutsche Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer an-deren Staatsangehörigkeit automatisch verloren geht. Esist etwas paradox, dass eine Schutzvorschrift – Art. 16des Grundgesetzes – zu einer eigentlich weiter gehendenRegelung geführt hat.Ich wage zu bezweifeln, dass dies der Weisheit letzterSchluss war;
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Damit wird in keiner Weise akzeptiert, dass mancheer Betroffenen die geltende Rechtslage bewusst umge-en wollten. Das verkennen wir nicht. Eine solche Hal-ung wird von uns nicht akzeptiert.Ich sage zum Schluss aus rein praktischen Erwägun-en: Die Menschen, über die wir hier reden, wohnenchon jahrelang in Deutschland. Wäre es anders, hättenie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht erwerben kön-en. Diese Menschen werden weiterhin – vielleicht ihreben lang – in Deutschland wohnen. Unsere Politikacht doch nur dann einen Sinn, wenn wir ihnen unab-ängig von der Schuldfrage die Möglichkeit geben, dieeutsche Staatsangehörigkeit wieder zu erwerben. Diesst aber – ich sage dies in aller Deutlichkeit – nur imahmen der geltenden Vorschriften möglich.Ich möchte deshalb in dieser Debatte die Gelegenheitutzen, an alle Betroffenen zu appellieren, ihre türkischetaatsangehörigkeit wieder aufzugeben; denn anderseht es nicht. Unsere Behörden sollten dann die neueinbürgerung wirklich schnell durchführen.
Dies ist die einzig sinnvolle und praxisgerechte Lösunges Problems.
Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretärritz Rudolf Körper.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 17019
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Fr
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will
zwei Vorbemerkungen machen. Erstens. Ich halte den
Antrag der CDU/CSU, in dem ein innenpolitisches
Thema behandelt wird, für ein absolut ungeeignetes Mit-
tel, die EU-Tauglichkeit der Türkei infrage zu stellen.
Zweitens. Ich fand es sehr wohltuend, wie Herr
Stadler mit der Frage der doppelten Staatsangehörig-
keit und der damit verbundenen Problematik umgegan-
gen ist. Ich will in Erinnerung rufen, dass im Jahre 1999
ein Ergebnis des damaligen Gesetzgebungsverfahrens
zur Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts die Einfüh-
rung der Inlandsklausel war, womit der Regelfall der
doppelten Staatsangehörigkeit weggefallen ist. Lieber
Herr Koschyk, ich sage es ganz unumwunden: Ich finde
es nicht gut, auf welch einseitige Weise Sie mit der
Frage der doppelten Staatsangehörigkeit umgehen. Ich
möchte mir an dieser Stelle den Hinweis erlauben, dass
der überwiegende Teil der Menschen, die als Aussiedler
zu uns kommen, die doppelte Staatsangehörigkeit haben.
Das ist bis heute so.
Ich sage ganz deutlich: Sie sollten sich nicht in dieser
polemischen Art und Weise mit diesem Thema befassen.
Denn das hilft den ausländischen Mitbürgern in unserem
Lande nicht.
Zur Frage der Bewältigung aktueller und künftiger Si-
cherheitsrisiken im Rahmen des islamistischen Extre-
mismus kann ich im Wesentlichen auf Debattenbeiträge
aus dem vergangenen Jahr verweisen. Dass sich durch
den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union diese Ri-
siken verstärken würden, ist eine infame Unterstellung.
Das Gegenteil ist richtig: Der Beitritt einer säkular ver-
fassten Türkei zur Wertegemeinschaft der Europäischen
Union wäre nach meinem Dafürhalten ein klares Signal
an die islamische Welt, das die geistig-politische Ausei-
nandersetzung mit dem Islamismus wesentlich unterstüt-
zen könnte. Allerdings müssen die Ängste der Menschen
in Deutschland und in anderen europäischen Staaten be-
rücksichtigt werden.
Herr Kollege Körper, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Koschyk?
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17020 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Das Wort hat der Kollege Ralf Göbel von der CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kolle-en! Vor ziemlich genau fünf Monaten haben wir unsier in erster Lesung mit dem vorliegenden Antrag unse-er Fraktion beschäftigt. Zwischenzeitlich ist eine Ent-cheidung auf EU-Ebene erfolgt; da gebe ich Herrntadler Recht. Der Inhalt des Antrags ist deswegen abericht unrichtig geworden; denn alle drei im Antrag ge-annten Punkte stellen nach wie vor Probleme dar, diens in Deutschland beschäftigen.
eswegen ist es richtig, dass wir heute noch einmal überieses Thema diskutieren.Wenn man sich den Verlauf der letzten Debatte vorugen führt, kann man erkennen, dass sich einige Red-er heute ähnlich verhalten haben. Es wird nämlich we-iger auf den Inhalt eingegangen. Vielmehr wird ver-ucht, den Antrag so zu deuten, als werde darin gegenie Türkei polemisiert, oder gar, wie es der Kollegeinkler gemacht hat, als werde die türkische Bevölke-ung damit kriminalisiert.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 17021
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Ralf GöbelIch kann dazu nur sagen: Es ist im politischen Wettstreitnicht fair,
wenn man die Argumente anderer, die im Übrigen auchvon der Bundesregierung als Problem anerkannt werden,benutzt, um in der Bevölkerung den Eindruck zu erwe-cken, hier werde ein Volk kriminalisiert. Die Bevölke-rung der Bundesrepublik Deutschland hat es satt, dassein Problem jedes Mal, wenn es offen angesprochenwird, auf irgendeine Art und Weise ins Hinterstübchenbefördert wird und nicht mehr debattiert werden soll.Das wollen die Leute in unserem Land nicht mehr.
Deswegen müssen wir uns mit diesen Punkten noch ein-mal sehr intensiv beschäftigen.Die Bundesregierung hat ja eingestanden, dass es sichhier tatsächlich um Probleme handelt. Die Frau Parla-mentarische Staatssekretärin Voigt hat – nicht zu IhrerFreude – auf die Frage des Kollegen Strobl
bestätigt, dass das, was wir in den ersten beiden Punktenunseres Antrags benannt haben, tatsächlich Problemesind und dass sie auch der Bundesregierung Sorge berei-ten; denn sie war damals noch weit von einer Lösungentfernt. Ich frage jetzt: Sind wir der Lösung inzwischennäher gekommen?In der Bundesrepublik Deutschland gibt es etwa50 000 Menschen, die deutsche Staatsbürger waren undvom Verlust ihrer Staatsbürgerschaft betroffen sind. InNordrhein-Westfalen wurde darauf in Flugblättern, dieman in deutscher, in russischer und in türkischer Spracheverteilt hat, hingewiesen. Diese Flugblätter waren nichtganz ideologiefrei. Auch hätte man sich gewünscht,dass, da es sich um deutsche Staatsangehörige handelt,die deutsche Sprache ausreichend gewesen wäre.Aber die Frage ist – hier setzt meine Kritik an –: Wieerfährt man überhaupt, wer die Betroffenen sind? DieEinzige, die in der Lage gewesen wäre, uns exakt darü-ber zu informieren, wer betroffen ist, wäre die türkischeRegierung gewesen.
Aber die türkische Regierung hat sich hinter daten-schutzrechtlichen Regelungen verschanzt und uns dieseInformation bislang verweigert. Das ist noch immerStand der Dinge.Meine jüngste Auskunft vom rheinland-pfälzischenInnenminister ist, dass man in einem sehr aufwendigenVerwaltungsverfahren die Register durchschauen, jedeneuDgKdotetrnwSurerliMinwerWsDdBlRgahusbvB
Deswegen ist es wichtig, dass wir die Bundesregie-ung nach wie vor fragen: Wie ist der Stand der Dinge?ie weit seid ihr gekommen? Was können wir den Men-chen, die hier sind, anbieten?
as ist der Inhalt unseres Antrages, den ich zu begrün-en hatte.Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Carl Eduard von
ismarck von der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte, liebe Kol-eginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über eineeihe von anhaltenden Problemen mit der Türkei, dieroße Zweifel an der Bereitschaft der Bundesregierungufwerfen, strittige Punkte in unserem bilateralen Ver-ältnis gegenüber unseren türkischen Freunden offennd ehrlich anzusprechen und sie auch zu klären. Diescheint mir aber vor dem Hintergrund der aktuellen De-atte über eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Türkeion herausragender Bedeutung zu sein. Denn in unsererevölkerung und in ganz Europa herrschen große
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Carl Eduard von BismarckSorgen und Ängste vor einer Überdehnung und damiteiner Überforderung der EU durch eine Erweiterungs-politik nach dem Prinzip „Augen zu und durch“.
Wir lösen keine Probleme, indem wir sie ignorieren.
Übrigens verbessern wir durch eine solche Vogel-Strauß-Politik auch nicht die Chancen einer wirklichenAnnäherung zwischen der Türkei und der EU. Die inFrankreich und in den Niederlanden gescheiterten Refe-renden über den europäischen Verfassungsvertrag ha-ben die Gefahren einer derartigen Europapolitik offengelegt. In beiden Ländern wurde doch in Wahrheit nichtder Verfassungsvertrag abgelehnt, den wir in diesemHaus aus gutem Grund mit überwältigender Mehrheit ra-tifiziert haben. Vielmehr haben die Franzosen und dieNiederländer gegen eine Europapolitik gestimmt, dieihre Befürchtungen ignoriert.
Wir werden die Bürgerinnen und Bürger nicht für Eu-ropa begeistern können, wenn wir, gerade auch mit Blickauf die Türkei, Probleme und berechtigte Zweifel igno-rieren.Erlauben Sie mir hierzu aus europapolitischer Sichteinige Anmerkungen. Morgen tritt in Brüssel der Euro-päische Rat zusammen. Man darf gespannt sein, was unsder Bundeskanzler zu diesem Thema vortragen wird.Wie jedenfalls in den letzten Tagen zu hören ist, werdendie Schlussfolgerungen des Gipfels das Thema Türkeimit dem Mantel des Schweigens bedecken, obwohl dieVerhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober dieses Jah-res eröffnet werden sollen.
Ich werte dies als eines von vielen Zeichen, dass in Eu-ropa ein Umdenkungsprozess stattfindet. Die Beitrittseu-phorie ist einer sachlicheren Debatte gewichen, und dasist auch so gut.
Niemand in diesem Haus bestreitet, dass die Türkeieine europäische Perspektive hat. Diskutiert wird nur,wie wir diese Perspektive konkretisieren. CDU und CSUhaben sich stets dafür ausgesprochen, einen realistischenWeg zu wählen, einen Weg, der den Interessen der Tür-kei, aber vor allem auch den Interessen der EU gerechtwird. Wir wollen der Türkei nicht die Tür vor der Nasezuschlagen; aber wir wollen eben auch die vielfältigenProbleme einer Vollmitgliedschaft der Türkei nicht leug-nen.
Für uns ist klar: Wir halten eine privilegierte Partner-schaft für den besten Weg zur Anbindung der Türkei andie EU. Wie diese Debatte zeigt, ist die Türkei auf zahl-reichen Politikfeldern beileibe noch nicht europareif.LhwsNssFTAfESdt
assen Sie uns deshalb auf die Stimme des Realismusören und Abstand nehmen von Beitrittsszenarien, dieeder der aktuellen Lage in der Türkei noch den Interes-en der EU entsprechen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege von Bismarck, ich gratuliere Ihnen imamen des ganzen Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deut-chen Bundestag.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Innenaus-chusses auf Drucksache 15/5665 zu dem Antrag derraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Probleme mit derürkei nicht ausblenden“. Der Ausschuss empfiehlt, denntrag auf Drucksache 15/4496 abzulehnen. Wer stimmtür diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? –nthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit dentimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmener CDU/CSU-Fraktion bei Enthaltung der FDP-Frak-ion angenommen.Ich rufe Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf:a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verbraucherschutz,Ernährung und Landwirtschaft
– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Manfred Helmut Zöllmer, Michael Müller
, Waltraud Wolff (Wolmirstedt),
weiterer Abgeordneter und der Fraktion derSPD sowie der Abgeordneten Ulrike Höfken,Dr. Reinhard Loske, Cornelia Behm, weitererAbgeordneter und der Fraktion des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungVerbraucherpolitischer Bericht 2004– zu der Unterrichtung durch die Bundesregie-rungVerbraucherpolitischer Bericht 2004– Drucksachen 15/4865, 15/4499, 15/5611 –Berichterstattung:Abgeordnete Manfred Helmut ZöllmerUrsula HeinenUlrike HöfkenGudrun Koppb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Verbraucherschutz,Ernährung und Landwirtschaft
– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Gabriele Hiller-Ohm, Sören Bartol,Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeord-
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsneter und der Fraktion der SPD sowie der Ab-geordneten Ulrike Höfken, Volker Beck ,Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und derFraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENzu der Abgabe einer Erklärung durch dieBundesregierungEine neue Ernährungsbewegung für Deutsch-land– zu dem Entschließungsantrag der Abgeordne-ten Hans-Michael Goldmann, Dr. ChristelHappach-Kasan, Rainer Brüderle, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der FDPzu der Abgabe einer Erklärung durch dieBundesregierungEine neue Ernährungsbewegung für Deutsch-land– zu dem Antrag der Abgeordneten UrsulaHeinen, Julia Klöckner, Peter H. Carstensen
, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSUÜber-, Fehl- und Mangelernährung wirksambekämpfen– Drucksachen 15/3323, 15/3324, 15/3310,15/3987 –Berichterstattung:Abgeordnete Gabriele Hiller-OhmUrsula HeinenUlrike HöfkenHans-Michael GoldmannZum Verbraucherpolitischen Bericht liegt ein Ent-schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Sie wis-sen ja, dass es sich hier um eine Berliner Stunde handelt,deren Berechnungsbasis in dieser Legislaturperiode eineStunde à 62 Minuten ist; die Berliner Stunde ist also et-was länger als die Zeitstunde. – Ich höre keinen Wider-spruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red-nerin der Bundesministerin Renate Künast das Wort.Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wir haben im Bereich Verbraucherschutz bzw. vor-sorgender Verbraucherschutz bei den Lebensmitteln inden letzten Jahren, zum Teil auch mit Zustimmung derOpposition, eine Neuaufstellung vorgenommen. Sie liefnach dem Motto „Wissen, was drin ist“. Das war für unsselbstverständlich: dass die Verbraucher wissen, was indem Produkt, das sie kaufen, drin ist.Heute stehe ich hier und kann in Richtung Oppositionund gerade CDU/CSU ein lautes Bravo rufen; dennheute hat die Opposition ihr Glanzstück, ihr Meister-stück in Sachen Verbraucherpolitik vollbracht. Sie hatgerade im Vermittlungsausschuss, als es um das Le-bwsndEfddrhmtEAsiElbCtWddd–rdLSdbChhbsDIs
ndlich wissen wir, was drin ist, wenn wir CDU „kau-en“.Ich verstehe eines nicht: Warum wollen Sie nicht,ass Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, wasrin ist? Warum wollen Sie nicht, dass die Verbrauche-innen und Verbraucher die notwendigen Informationenaben, um richtige Entscheidungen – auch preisange-essene Entscheidungen – für sich und ihre Familienreffen zu können? Das ist das schnelle Ende der „neuenhrlichkeit“. Ich habe jetzt nicht mehr im Kopf, wannngela Merkel diesen Satz sprach, sage aber: Eine er-chreckend und beeindruckend kurze Halbwertszeit! Dasst der Beweis, dass es Ihnen überhaupt nicht um neuehrlichkeit geht, sondern um Desinformation. Sie wol-en die Verbraucher allein stehen lassen. Das haben Sieei Gentechnik gezeigt, das haben Sie bei den Healthlaims gezeigt und das zeigen Sie bei Verbraucherpoli-ik allgemein.
as ich daran beeindruckend finde: dass die CDU/CSU,ie sich gerne als wirtschaftskompetente Partei zeigt, anieser Stelle wieder einmal zeigt, dass sie nicht verstan-en hat, wie Binnenkonjunktur eigentlich funktioniert.
Na ja, es gibt ja Unternehmen, die selbst Sie kritisie-en – trotz aller Abtauchversuche von Frau Merkel.Eine starke Binnenkonjunktur setzt immer voraus,ass die Verbraucher bei ihren Alltagsgeschäften in derage sind, eine verantwortbare Entscheidung zu treffen.ie müssen ein Gefühl von Sicherheit bei der Entschei-ung haben, Geld für ein bestimmtes Produkt oder eineestimmte Dienstleistung auszugeben.An dieser Stelle kann man die Verbraucherpolitik alshance begreifen, die Konsumfreude zu animieren. Wo-er kommt es denn, dass wir derartig hohe Spareinlagenaben und dass gleichzeitig ungeheure Zurückhaltungesteht, Geld auszugeben?
Sie können erkennen, dass es auch in diesen wirt-chaftlich schwachen Zeiten durchaus Unternehmen ineutschland gibt, die mit einer guten und transparentennformation schwarze Zahlen schreiben. Schauen Sieich allein den Bereich E-Commerce an.
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Bundesministerin Renate Künast
Ich muss Ihnen sagen: Meine These ist, dass sich dieCDU immer noch in der kleinen Welt des 19. Jahrhun-derts befindet.
– Ja. Sie haben sich nämlich immer noch nicht mit denkomplexen Strukturen der Alltagsverträge im 21. Jahr-hundert beschäftigt. Sie empfehlen die Marktwirtschaftaus der Erhard-Zeit.
Diese Zeit gibt es aber gar nicht mehr. Die Zeit, in dersich das Geld und die Unternehmen lediglich im nationa-len Rahmen bewegt haben, ist doch längst vorbei. Tatsa-che ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher, dieArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Wesentlichenin ihrem Land leben, während sich das Geld und die Pro-duktion bewegen können. Genau in diesem Zusammen-hang empfehlen Sie eine Wirtschaftspolitik aus den60er- und 70er-Jahren.
– Ja, doch. Sie alle sitzen hier und tragen Kleidung, dieirgendwo – ich weiß nicht, wo – hergestellt wurde. Inso-fern sollten eigentlich auch Sie einen Hauch von Bezugzu diesem Thema haben.Die Realität sieht so aus, dass wir eine immer größereVielzahl von Produkten und Angeboten sowie eine im-mer größere Anzahl unterschiedlicher Vertrags- und Ge-schäftsstrukturen haben. Gleichzeitig müssen die Men-schen ihr Leben immer mehr in Eigenverantwortungplanen und organisieren. Deshalb geht es an dieser Stelledefinitiv nicht nur um wirtschaftliche Freiheit, sondernauch um die Verantwortung der Wirtschaft. Verantwor-tung der Wirtschaft muss an dieser Stelle bedeuten, dasses Leitplanken gibt. Das ist das gute Recht der Verbrau-cherinnen und Verbraucher.
Es ist schon so: Das Leben im Jahre 2005 entsprichtnicht dem Leben im Jahre 1960 und wir wissen, dass wirheute, 2005, die Probleme von heute lösen und uns aberauch auf die Probleme von übermorgen vorbereiten müs-sen. Die jungen Leute, die hier oben auf der Tribüne sit-zen, fragen sich zum Beispiel, wie sie an das Standbeinprivate Altersvorsorge herankommen. Wofür geben siedenn ihr Geld aus?
Sie haben dazu überhaupt nichts geboten außer der Frei-heit der Versicherungsvermittler – mehr nicht. Es gingIhnen um die Freiheit derer, die eine Provision habenwollen, und nicht um die Freiheit derer, die hier oben sit-zwDzdWnrdss–wMhSsatFus–rwggd1bdlKsdV
as unterscheidet uns. Hier zeigen sich der tiefe Grabenwischen uns und unsere unterschiedlichen Richtungen.Angefangen bei den Lebensmitteln haben wir die Pro-uktsicherheit erhöht. Auch beim Schutz vor unlauteremettbewerb haben wir Verbesserungen erreicht. Ichenne nur die Stichworte Spam und Schlussverkaufs-echt. Im Bereich der Telekommunikation haben wir beien 0190er-Nummern – ebenfalls gegen Ihren Wider-tand – dafür gesorgt, dass die Verbraucher abgesichertind.
Mein Gott, jetzt, nach Jahren, sind auch Sie endlich soeit. Trotzdem darf ich darauf hinweisen, dass Sie eineauer sind, die verhindert hat, dass wir das bereits frü-er geregelt haben. An Ihre eigenen Aussagen solltenie sich schon noch erinnern.
Die 0190er-Nummern waren immer ein Vorteil für diechwarzen Schafe – vielleicht noch für Sexanbieter –,ber nicht für den Mittelstand und die Verbraucher. Wei-erhin nenne ich: vertragliche Informationspflichten beiinanzdienstleistungen, Patientenbeteiligung, Datenschutznd bessere Tarife bis hin zum Kinderhandy. Das allesind tatsächlich Verbesserungen.
Ja, die Konten der Leute. Jetzt kam wieder der be-ühmte Zwischenruf der Partei der Besserverdiener. Sieerden Ihr Image nie los. Wozu brauchen Sie das Bank-eheimnis denn? Sie brauchen es doch nicht für diejeni-en, die nur 100 Euro auf dem Konto haben. Sie wollenas Bankgeheimnis für diejenigen erhalten, die00 000 Euro oder 1 Million Euro auf ihrem Konto ha-en. Wir sind aber gegen Steuerhinterziehung.
Wir haben das Lebensmittel- und Futtermittelgesetz,as Sie 16 Jahre lang vor sich her geschoben haben, end-ich geschaffen. Jetzt gibt es endlich eine durchgehendeette vom Futtermittel bis hin zur Ladentheke. Wirchaffen damit für die Verbraucher mehr Sicherheit beien Lebensmitteln, während Sie schon wieder sagen:erbraucherinformationen können wegfallen.
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Bundesministerin Renate KünastIch weiß schon, dass Sie nachher sagen werden, Siewollten ja Verbraucherinformation, sogar mehr als wir.Dabei werden Sie aber hinter Ihrem Rücken die Fingerüberkreuzen; denn danach werden Sie erklären: Daswerden wir später machen, also in 100 Jahren, oder wirlassen es über Brüssel laufen. – Die Verbraucher wollenaber nicht 15 Jahre warten, bis diese Angelegenheit inBrüssel entschieden wird. Sie wollen schon heute Infor-mationen über die Lebensmittel haben, die sie für ihrGeld kaufen.
Auch das Thema digitaler Verbraucherschutz istwichtig. Nehmen wir zum Beispiel die RFID-Chips, mitdenen Großhandelsunternehmen ihr Warenmanagementgestalten. Auch bei diesem Thema sind der Handel unddie Wirtschaft längst weiter als die Opposition. Sie ha-ben entschieden: Die Chips sind nur bis zur Kasse les-bar; denn danach geht es um das Recht der Verbraucherauf Datenschutz, sodass sie nach dem Kauf keine Infor-mationen preisgeben. Das ist eine moderne Verbraucher-schutzpolitik. Das entspricht meines Erachtens demGrundgesetz, weil das Grundgesetz auch die Aufgabehat, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Nichtnur bei der eigenen Existenz muss Verbraucherschutz sofunktionieren, dass man sich eigenständig und informiertentscheiden kann.Ihre Verbraucherpolitik ist so ausgerichtet, dass Sieeigentlich das C aus Ihrem Namen streichen müssten.Ich sehe gerade, dass Frau Hasselfeldt leider nicht da ist.Sie hat hier neulich gesagt: Wer soll bewerten, was ethi-sche Aspekte sind? Meine Damen und Herren, wennselbst Sie mit dem C im Namen es nicht wissen, dannkann ich nur sagen: Gute Nacht!
Wir wissen, dass auch ethische Aspekte bei der verbrau-cherpolitischen Information eine Rolle spielen. Wir wis-sen, es geht um Freiheit, aber nicht nur um die Freiheitder Wirtschaft, sondern auch die Freiheit der Kunden,wählen und entscheiden zu können. Sie wollen wissen,was das richtige Produkt ist.
Es geht um Ehrlichkeit und Wahrheit. Es geht um eineWirtschaft, die mit Verbraucherpolitik schwarze Zahlenschreiben wird.
Das Wort hat die Kollegin Ursula Heinen von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Frau Ministerin Künast, ich habe in einerRwIasösgsdDs0tdgbbnteimnKinsti–BindWmsSeskin
ann hätten Sie erfahren, dass es die CDU/CSU gemein-am mit der FDP gewesen ist, die in der Frage der190er-Nummern Tempo gemacht hat.
Der zweite Punkt betrifft das Verbraucherinforma-ionsgesetz. Dazu möchte ich etwas über den Hergang iner parlamentarischen Beratung sagen. Wir haben be-onnen, über ein Lebensmittel- und Futtermittelgesetz-uch zu sprechen. Sie haben es in erster Lesung einge-racht. Das war aufgrund einer europäischen Vorlageotwendig. Dazu haben wir richtigerweise nach der ers-n Lesung eine Anhörung mit Vertretern von Verbänden Ausschuss durchgeführt. Diese haben uns ihre Mei-ung dazu gesagt und wir haben das aufgenommen.urz bevor dieses Lebens- und Futtermittelgesetzbuch die zweite und dritte Lesung kam – das war haar-charf –, wurde ein Abschnitt 11, Verbraucherinforma-on, in einer Nacht- und Nebelaktion aufgenommen.
Ihr Zwischenruf ist völliger Quatsch; denn es ging imundesrat nur darum, zu regeln, wann die Öffentlichkeit bestimmten Fällen informiert wird. Es ging nicht umie Verbraucherinformation.
ir haben gesagt: So, wie das Thema Verbraucherinfor-ation in das Gesetz eingebracht wurde, passt eschlicht und ergreifend nicht hinein.
ie hätten Ihre Koalitionsvereinbarung umsetzen und einigenständiges Verbraucherinformationsgesetz vorlegenollen, über das man dann in der Breite hätte diskutierenönnen. Sie aber fummeln es in irgendein Gesetz hinein, das es absolut nicht hineinpasst.
Ich freue mich,
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Ursula Heinendass wir heute in dieser Debatte die Möglichkeit haben– insofern muss man den Verbraucherpolitischen Berichtloben –, darüber zu diskutieren, wie das Verbraucherbildvon Rot-Grün auf der einen Seite und wie das Verbrau-cherbild der Union auf der anderen Seite aussieht.
Geht es um den selbstständigen Verbraucher, der durchpolitisches Handeln, durch Rahmenbedingungen oderauch Leitplanken, wie Sie es formuliert haben, in dieLage versetzt wird, eigenständig zu entscheiden, odergeht es darum – das ist die Politik, die Sie in den vergan-genen sieben Jahren gemacht haben –, den Verbraucherzu bevormunden und ständig mit dem moralisch erhobe-nen Zeigefinger vor ihm zu stehen und ihm zu sagen,was er zu tun oder zu lassen hat?Ich möchte gerne ein kleines Beispiel aus der ober-bergischen Stadt Hückeswagen zitieren, das, alsschaue man durch ein Brennglas, zeigt, was Sie unterVerbraucherpolitik verstehen. Im April dieses Jahres hatder Bürgermeister der Stadt Hückeswagen von seinerbelgischen Partnerstadt eine große Menge echter belgi-scher Schokolade geschenkt bekommen,
um diese an gemeinnützige Organisationen, an Kinder-gärten und Altenheime zu verschenken. Es war einfacheine schöne Idee, im Rahmen der Partnerschaftsbezie-hung zwischen den beiden Städten so etwas zu machen.400 Menschen haben so Schokolade bekommen,
vorwiegend Kinder und Senioren, die sozial etwasschwächer gestellt waren. Die Sache kam gut in Hückes-wagen an, leider aber nicht in Berlin; denn diese schöneAktion in Hückeswagen – ich bin sicher, Sie wissennoch nicht einmal, wo das ist – nahm das Bundesminis-terium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft zum Anlass, dem Bürgermeister einen Brief zuschreiben.
Ich möchte gerne aus diesem Brief zitieren:Sehr geehrter Herr Bürgermeister, durch Zusendungeines Zeitungsartikels wurde ich über Ihre Aktion,zwei Zentner Süßwaren an Schulen und Kindergär-ten zu verschenken, informiert.
Sicher ist die Aktion bei den Kindern gut angekom-men. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass einederartige Aktion allen Bemühungen, Übergewichtbei Kindern vorzubeugen und eine ausgewogeneErnährung sicherzustellen, entgegenwirkt.Zum Schluss wird dem Herrn Bürgermeister auchnoch gedroht:fnalDdwQrwgIg„dSzblsDeRtWuWa
Jetzt frage ich mich: Was geht eigentlich in den Köp-en der Beschäftigten in Ihrem Haus vor? Haben sieichts Besseres und nichts Wichtigeres zu tun,
ls einem Bürgermeister zu sagen, was er zu tun und zuassen hat?
ürfen Kinder keine Schokolade mehr essen? Alsooch: gute Lebensmittel, schlechte Lebensmittel. Das,as Sie von Ausgewogenheit erzählen, ist kompletteruatsch. Ihr Haus weist in diesem Schreiben noch da-auf hin, Hückeswagen solle sich gefälligst an den Be-egungsprogrammen des Bundesministeriums beteili-en.
ch kann Ihnen sagen: Die Grundschulen in Hückeswa-en haben ganz erfolgreich an dem LandesprogrammSchulen in Bewegung“ teilgenommen. Daher könnenie Kinder dort ab und zu auch einmal ein bisschenchokolade essen.
Ich habe dieses Beispiel deshalb so ausführlich er-ählt, weil es zeigt, wie Sie denken und was Sie vorha-en. Sie wollen nämlich die Leute nicht frei entscheidenassen, sondern Sie wollen sie bevormunden; Sie wollenie ständig in eine Ecke drängen.
as finde ich unverschämt. Dieses Verbraucherbild wirds mit uns nicht geben und ist mit uns nicht zu machen.
Ich glaube ohnehin, dass Sie in die Geschichte dieserepublik als größte Ankündigungsministerin aller Zei-en eingehen.
as haben Sie denn nicht alles angekündigt und nichtmgesetzt!
o waren Sie denn bei wichtigen Themen, zum Beispiells es um die Energiepreise gegangen ist? Wo waren
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Ursula HeinenSie, als es um Fahrgastrechte gegangen ist? Sie behaup-ten, Sie hätten sich
um die Handys und die Telekommunikation gekümmert.Es waren aber doch die anderen. Die Federführung lagdoch beim Wirtschaftsausschuss und selbst in IhrenFraktionen lag die Federführung bei den Wirtschaftspo-litikern und nicht bei den Verbraucherpolitikern.
Es war doch so, dass Sie das Thema erst dann aufgegrif-fen haben, als Sie gemerkt haben, dass es pressewirksamist.Ein weiteres Thema – darauf können Sie gleich ant-worten – sind die Schrottimmobilien.Sie haben im November groß angekündigt, was Siealles tun wollen. Dass die Federführung beim Justiz-ministerium liegt, hat Sie nicht interessiert. Sie haben IhrInterview gegeben und gesagt, Sie tun etwas. Das wurdeauch im Bericht angekündigt. Es ist aber nichts gesche-hen. Was machen Sie in diesem Bereich? Das interessiertmich wirklich.Ich komme zum Schluss. Die Wähler bekommen hof-fentlich bald die Chance, darüber zu entscheiden, werdie bessere Verbraucherpolitik macht, wer sie ernsternimmt, wer sich intensiver kümmert, wer sie nicht be-vormundet und ihnen die Freiheit lässt, selbst zu ent-scheiden, was sie tun und lassen wollen.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Manfred Zöllmer von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kollegin Heinen, Sie haben versucht, dieverbraucherpolitische Löwin zu geben.
Leider enden Sie dabei in politischer Hinsicht wieder alsBettvorleger.
Wenn wir hier über die richtigen Konzepte streiten,dann spielt die Verbraucherpolitik eine wichtige Rolle.Die Menschen im Lande sollen erfahren, wer der Anwaltihrer Interessen ist und wer sie im Stich lässt, indem erihre Rechte und Interessen ignoriert. Die Verbraucherpo-litik ist in Deutschland unter dieser rot-grünen Bundesre-gierung ein essenzieller Bestandteil unseres politischenHandelns geworden. Der Bericht belegt dies eindrucks-vrbpcWssdmttDhdawdAs„bBufUnwsr–1dvbthwd
Wir sind den Weg von einem rein reagierenden Ver-raucherschutz hin zu einer gestaltenden Verbraucher-olitik gegangen. Unser Ziel ist eine aktive Verbrau-herpolitik, die auch eine wichtige Funktion imirtschaftssystem übernimmt.Verbraucherinnen und Verbraucher können und sollenelbst entscheiden, liebe Kollegin Heinen, und ihre Ent-cheidungen auch selbst verantworten. Aber sie könnenies nur, wenn ihnen der Markt Transparenz und Infor-ationen bietet, damit sie ihre Entscheidungen bewusstreffen können. Sie können dies nur, wenn sie nicht be-rogen und über den Tisch gezogen werden.
ie Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen des-alb gesetzlich verankerte Rechte, die sie wirksamurchsetzen können, damit sie auf gleicher Augenhöhels Marktteilnehmer agieren können.
Unser Ziel ist es, das real existierende Ungleichge-icht zwischen organisierter Anbietermacht und in-ividualisierter Nachfragemacht zu beseitigen. Paul. Samuelson, ein bekannter amerikanischer Wirt-chafts-Nobelpreisträger, hat es einmal so ausgedrückt:Der liebe Gott hat uns zwei Augen gegeben, um Ange-ot und Nachfrage zu betrachten.“ Nur wer Beides imlick hat, kann einen wirksamen Wettbewerb fördernnd gestalten. Eine aktive Verbraucherpolitik ist deshalbür uns ein zentraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik.nternehmen, die den Verbraucherschutz nicht ernstehmen, verlieren Marktanteile und Arbeitsplätze.
Lassen Sie mich jüngste Beispiele nennen. Kürzlichurde in den USA von Marktforschern ermittelt, dassich 39 Millionen Amerikaner vom Onlineshopping zu-ückgezogen haben, weil sie Angst vor „identity theft“also vor Identitätsdiebstahl – hatten.
In Deutschland sind 250 000 Jugendliche zwischen5 und 20 Jahren überschuldet. Dabei spielt fast immeras Handy eine große Rolle. Deshalb bekommt es beiielen Eltern ein zunehmend schlechtes Image.Viele telefonische Mehrwertdienste und Internetange-ote wurden und werden zum Teil genutzt, um in dreis-er Weise Kunden zu betrügen und über den Tisch zu zie-en. Jeder kennt entsprechende Beispiele; die Medienaren voll davon. Dies bedroht seriöse Geschäftsmo-elle und damit Arbeitsplätze in einem Zukunftsmarkt.
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Manfred Helmut ZöllmerDerartige Erscheinungen können und wollen wirnicht hinnehmen.
Deshalb haben wir in dieser Legislaturperiode viele Ge-setzesvorhaben auf den Weg gebracht – das macht derBericht auch deutlich –, sei es das Gesetz gegen denMissbrauch von Mehrwertdiensterufnummern, das no-vellierte UWG oder das Telekommunikationsgesetz.Dies wird auf sehr gute Art und Weise dokumentiert unddargestellt.Wir wollen einen Ausgleich zwischen Anbieter- undNachfrageseite schaffen. Wir wollen die Verbraucherin-nen und Verbraucher in ihren Rechten stärken. Wir wol-len für Information und Transparenz sorgen, dabei aberdie Wirtschaft nicht als Gegner, sondern als Mitstreiter– wo immer möglich – einbeziehen.Wir werden auf der anderen Seite nicht zulassen, dassaufgrund eines unzulänglichen Verbraucherschutzes Ver-braucherinnen und Verbraucher abgezockt, gleichzeitigGeschäftsmodelle beschädigt und ökonomische Zu-kunftschancen vertan werden. Hier ist staatliches Han-deln notwendig. Hier haben wir gehandelt. Das werdenwir auch in Zukunft so machen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Siekommen ständig – das haben Ihre heutigen Reden wie-der deutlich gemacht – mit den gleichen Standardargu-menten. Das eine lautet – das verwendet insbesonderedie FDP –: Ein freier Markt regelt sich alleine und trenntgewissermaßen automatisch die Spreu vom Weizen. Dasandere lautet: Verbraucherschutz belastet die Wirtschaftund führt zu Überregulierung, mehr Bürokratie und Be-vormundung. – Auch wenn Sie diese Argumente dau-ernd wiederholen, bleiben sie falsch. Der Staat ist in sei-ner gestaltenden Funktion dort gefordert, wo der Marktversagt. Es gibt viele Beispiele für Marktversagen.In Wirklichkeit sind Ihre Argumente nur vorgescho-ben und inhaltslos. Sie wollen in Wahrheit keinen wirk-samen Verbraucherschutz. Dies haben Sie an vielenPunkten deutlich gemacht. Das Auseinanderdriften vonWort und Tat bei Ihnen lässt sich an vielen Beispielensehr gut belegen. Das Stichwort „Verbraucherinforma-tionsgesetz“ ist ja hier schon gefallen. In der letzten Le-gislaturperiode haben wir den Entwurf eines Verbrau-cherinformationsgesetzes vorgelegt – liebe Frau Heinen,hören Sie zu! –, das umfassend regeln sollte. Aber Siehaben diesen Gesetzentwurf im Bundesrat abgelehnt.
Danach haben Sie uns permanent aufgefordert, in die-sem Bereich endlich etwas zu tun. Wir haben dann etwasgetan. Wir haben mit dem Lebensmittel- und Futtermit-telgesetzbuch einen neuen Anlauf unternommen. DasErgebnis ist: Wieder wird es von der CDU/CSU abge-lehnt, und zwar mit gänzlich fadenscheinigen Argumen-ten. Ich muss Ihrer Parteivorsitzenden einfach RechtglwskgfnmdtgaVhZwVDfVsibF
Die FDP hat Bedenken gegen alles, was auch nur ir-endwie nach Verbraucherschutz aussieht.
Herr Kollege Zöllmer, erlauben Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Heinen?
Ich erlaube eine Zwischenfrage.
Bitte, Frau Heinen.
Kollege Zöllmer, könnten Sie dem Parlament bitte
och einmal erklären, von wem die ersten Initiativen ka-
en, beispielsweise im Bereich von Spam oder gegen
en Missbrauch bei den 0190er-Nummern etwas zu un-
ernehmen?
Ihr Problem ist: Sie sind zwar sehr groß im Ankündi-
en; aber im Ergebnis bleibt nichts übrig. Das gilt für
lle von Ihnen hier genannten Fälle.
Das Interesse der FDP am Verbraucherschutz und an
erbraucherinformation ist gleich null. Frau Kopp, Sie
aben das zum Beispiel im Zusammenhang mit den
igaretten deutlich gemacht. Ihnen geht es nur um die
irtschaftlichen Interessen. Die Verbraucherinnen und
erbraucher sind Ihnen vollkommen gleichgültig.
as ist ein verbraucherpolitischer Offenbarungseid.
Was Sie von der Bundesregierung auf diesem Politik-
eld präsentiert bekommen, ist eine moderne und aktive
erbraucherpolitik des 21. Jahrhunderts. Das dient den
eriösen Unternehmen, sichert Märkte und Arbeitsplätze
n Deutschland und nutzt den Verbraucherinnen und Ver-
rauchern.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gudrun Kopp von derDP-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Da-men! Lieber Herr Kollege Zöllmer, nicht der Markt ver-sagt,
sondern die rot-grüne Bundesregierung hat versagt undist am Ende.
Zu dieser letzten Runde mit Frau Künast als Verbrau-cherministerin
kann ich Ihnen nur sagen: Sie veranstalten hier eine ver-braucherpolitische Märchenstunde, die wirklich kaumnoch zu ertragen ist.
Herr Kollege Zöllmer, es ist richtig, wenn Sie sagen:Unternehmen, die Verbraucherschutz nicht ernst neh-men, verlieren Marktanteile. Sehr richtig! Und weil dasso ist, ist jedes seriöse Unternehmen – dazu zählt derüberwiegende Teil der Unternehmen – von sich aus da-ran interessiert, Verbraucher zu informieren und zufrie-den zu stellen,
damit es Marktanteile behalten und überhaupt existierenkann.
Das hat natürlich auch etwas mit der furchtbar desola-ten Wirtschaftslage hier in Deutschland zu tun. FrauMinisterin Künast hat eben von der hohen, inzwischenzweistelligen Sparquote gesprochen. Gründe dafür sinddie hohe Arbeitslosigkeit und die Unsicherheit der Men-schen hinsichtlich ihrer Zukunft, was Bildung, Arbeits-plätze und wirtschaftliche Prosperität betrifft. Die Men-schen glauben, sie haben null Chancen. Deshalb bin ichziemlich sicher, dass wir dieses Desaster recht bald be-enden werden.Sehr geehrte Frau Ministerin Künast, Sie haben sichin der zurückliegenden Legislaturperiode als wahreAktionskünstlerin dargestellt. Ein paar Beispiele sindhier schon genannt worden; ich füge noch eines hinzu:Sie haben vor kurzem in einer Riesenaktion den staunen-den Medien Listen mit über 1 000 Inhaltsstoffen präsen-tiert, die in Zigarettentabaken enthalten sind.
Das haben Sie als die Sensation verkauft. Auf die Fragenach der wissenschaftlichen Erprobung dieser Erkennt-nisse und den Wirkungen dieser Inhaltsstoffe konntenSpedawddeutSbgbVSKwDsbPammeDdmNkrShBcBdnrRI
ie haben immer mehr Bürokratielasten, die eben auchosten bedeuten, aufgebürdet und sich nicht auf dasirklich Notwendige beschränkt. Seien Sie versichert:ie meisten Verbraucher sind erwachsen und selbstbe-timmt und wissen selber, was für sie gut und richtig ist.
Beim Thema Forschung ist vieles nachzuholen.Wenn ich daran denke, dass sie sogar für Werbever-ote gestritten haben, kann ich Ihnen nur sagen: Legalerodukte müssen auch beworben werden dürfen oderber die Produkte haben vom Markt zu verschwinden.Den ersten Gesetzentwurf zum Verbraucherinfor-ationsgesetz mussten Sie zurückziehen, weil Sie da-it die Behörden der Städte, Gemeinden und Kreisenorm belastet hätten.
ie haben Ihnen den Garaus gemacht und haben sich be-ankt für immer mehr Belastungen im Zusammenhangit Informationen, die für die Verbraucher nur geringenährwert haben.Ich kann Ihnen nur sagen: Kümmern Sie sich in Zu-unft vermehrt um Bürgerrechte! Kümmern Sie sich da-um, dass die Bahn als Dienstleister ihre Kunden imchadensfall oder im Beschwerdefall rechtsgleich be-andelt! Kümmern Sie sich darum, dass Menschen mitehinderungen in unserer Gesellschaft auch als Verbrau-her gesehen werden! Kümmern Sie sich darum, dassürgerrechte wieder etwas gelten! Ich erwähne hier nuras Stichwort „gläsernes Bankkonto“ und denke dabeiicht an die Inhaber großer Konten. Es geht einfach da-um: Wer guckt in die Konten? Wer darf sich hinter demücken der Kontoinhaber Informationen verschaffen?ch bin gegen einen Schnüffelstaat. Ich finde, das ist eine
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Gudrun KoppVerbraucherpolitik, die Verbraucher in höchstem Maßemissachtet, anstatt ihre Interessen zu vertreten.
Mich beruhigt am heutigen Tag, dass viele Verbrau-cher Sie längst durchschaut haben und bei Ihrer nächstenAktion gelassen bleiben; denn wir wissen: Das ist baldvorüber. Der September wird den Wechselwind bringen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anders alsbei der Opposition ist Verbraucherschutz bei der rot-grü-nen Bundesregierung in guten Händen.
Wir haben ein schlagkräftiges Verbraucherschutzminis-terium geschaffen.
Sie waren dazu nicht in der Lage. Wir haben wichtigeRegelungen zur Stärkung der Verbraucherrechte auf denWeg gebracht. CDU und CSU hingegen lassen sich ein-seitig von Lobbyinteressen leiten und treten, wenn eszum Beschluss kommt, auf die Bremse. Entscheidungendes Bundestages werden mit Ihrer Mehrheit im Bundes-rat dann wieder zurückgedreht.
So sieht es aus.Ich nenne zwei Beispiele aus dem Ernährungsbe-reich. Erstes Beispiel: nährwert- und gesundheitsbezo-gene Angaben auf Lebensmitteln. Wir unterstützen aufEU-Ebene ein Verbot von irreführenden gesundheitsbe-zogenen Angaben auf Kinderlebensmitteln.
Aufdrucke wie „ohne Fett“ oder „mit wertvollen Vitami-nen“ haben auf einer Tüte zuckriger Gummibärchennichts zu suchen.
Diese Angaben suggerieren einen positiven Nährwertge-halt – irreführend, meine Damen und Herren; denn beiNaschzeug ist der hohe Zuckergehalt das Problem. Derverschwindet auch nicht durch den Zusatz von Vitami-nen oder die Reduzierung von Fett. Sie, meine Damenund Herren von der Opposition, sagen Nein zu unseremVorschlag. Warum? Die Lobbygruppen der Ernährungs-industrie intervenierten und zeigten die rote Stoppkarte.PKzEwgzPWsbunGvWkdeRmaltDstrtPsDwtumubaD
leichzeitig haben wir das Privileg der Steuerbefreiungon Kapitallebensversicherungen zusammengestrichen.arum war das nötig? Kapitallebensversicherungen sindein geeignetes Mittel zur Altersvorsorge. 70 Prozenter Verträge werden vorzeitig gekündigt. Durch die steu-rliche Vergünstigung werden aber die viel wirksamereniester-Produkte auf dem Markt benachteiligt. Dasusste geändert werden. Und wieder einmal stießen wiruf Widerstand bei der Opposition. Warum? Kapital-ebensversicherungen sind für Besserverdienende ein in-eressantes Instrument zur Vermeidung von Steuern.
Zweites Beispiel: Versicherungsvertragsrecht. Ineutschland sind viel zu viele Menschen falsch ver-ichert. Dies liegt auch daran, dass sie nicht richtig bera-en werden. Mit der Reform des Versicherungsvertrags-echtes wollen wir den Abschluss von Versicherungenransparenter machen. Unter anderem fordern wir einrotokoll der Beratungsgespräche. Dadurch werden fal-che Beratungen und unseriöse Angebote aufgedeckt.ie Position der Union ist hier sehr schwammig. Siearten auf grünes Licht aus der Versicherungswirtschaft.Bedienung von Lobbyinteressen und Blockade wich-iger verbraucherpolitischer Projekte – so, meine Damennd Herren von der Opposition, machen Sie Politik. Wirachen das anders. Wir nehmen die Menschen ernst
nd haben trotz des Widerstands der Union für die Ver-raucherinnen und Verbraucher in Deutschland sehr vieluf den Weg gebracht.
iese Politik setzen wir fort.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 17031
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Das Wort hat jetzt die Kollegin Marlene Mortler von
der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Jahrelang hat Ministerin Künast den Agrarpo-litischen Bericht für ihre verbraucherpolitischen Zwe-cke, für ihre Propaganda missbraucht. Heute liegt unsein eigenständiger Verbraucherpolitischer Bericht vor.
Ich sage Ihnen eines: Es hat sich nichts geändert; dennFrau Ministerin ist ihrem Ruf als Verbrauchertäu-schungsministerin gerecht geworden.
Mit diesem Bericht verbinde ich die große Hoffnung,dass es der letzte Bericht ist, den Sie abliefern. Deutsch-land braucht nicht nur einen Regierungswechsel;Deutschland braucht eine Änderung in der Verbraucher-politik,
eine Politik, die Verbraucher wirklich und ehrlich infor-miert und nicht verdummt und nicht gängelt.
Amtliche Verbraucherpolitik heißt für uns: für Wahr-heit und Klarheit sorgen
und jede amtliche Täuschung vermeiden. Was haben Siegetan? Sie haben in den Jahren Ihrer Amtszeit EU-Vor-gaben im Inland ständig verschärft, haben dem Verbrau-cher/der Verbraucherin aber bewusst verschwiegen, dassLebensmittel mit niedrigeren Standards aus dem EU-Binnenmarkt ungehindert auf unsere deutschen La-dentheken kommen.
Diese nationalen Alleingänge werden im Bericht alsnationale Ergänzungsregelungen umschrieben, ohnedass sie begründet werden. Warum verschleiern Sie,Frau Ministerin? Warum nennen Sie das Kind nicht beimNamen?Ich habe im Bericht nachgelesen. Auf Seite 13 steht:WidrwsaogtIReDgzgAgd2TFfa3Db
ber auf freiwilliger Basis und eigenverantwortlich,hne Gängelung.Ministerin Künast hat in all den Jahren auf Gängelungesetzt. Ich nenne das Beispiel: Verfütterungsverbot fürierische Fette. Das gilt nur in Deutschland.
ch nenne das Beispiel: Pflicht zum BSE-Test bereits beiindern ab 24 Monaten, in allen anderen EU-Ländernrst ab 30 Monaten.
as verursacht Kosten. Ich nenne das Beispiel „niedri-ere Mykotoxingrenzwerte für Getreide und Getreideer-eugnisse“ oder das Beispiel „niedrige Rückstands-renzwerte für Pflanzenschutzmittel“.
ll diese Werte sind in Deutschland wesentlich niedri-er.
Man muss sich das einmal vorstellen: In Deutschlandarf das Fleisch von heimischen Rindern, die älter als4 Monate sind, nur dann auf den Teller, wenn dieseiere entsprechend getestet worden sind.
rau Ministerin sagt aber nicht, dass das Fleisch vonranzösischen Rindern auf unseren Teller kommen darf,uch wenn dort, wie EU-weit, Tests erst für Tiere ab0 Monaten vorgeschrieben sind.
as ist Verbrauchertäuschung und hat nichts mit Ver-raucherschutz zu tun.
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17032 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Marlene MortlerMinisterin Künast propagiert einseitig Freilandhal-tung von Legehennen. Sie sagt aber nicht, dass geradediese Haltungsform eine stärkere Dioxinbelastung derEier mit sich bringt.
In Wahrheit ist der Ökolandbau für Ministerin Künastnur Mittel zum Zweck gewesen, denn seit der Einfüh-rung des deutschen Biosiegels kommen immer mehrausländische Ökoprodukte in unsere Ladenregale.
Frau Kollegin Mortler, erlauben Sie eine Zwischen-
frage der Abgeordneten Künast?
Ich müsste leider
– nein, ich kneife nicht – schon seit 18 Uhr zu einem
wichtigen Termin im Büro sein. Ich bitte um Verständ-
nis.
Frau Künast hätte in den letzten Monaten zum Thema
Ökolandbau längst Stellung nehmen können. Da war
das Thema immer auf der Tagesordnung. Die Bundesre-
gierung hat dazu bewusst geschwiegen, gerade zum
deutschen Biosiegel. Das ist Fakt.
Meine Damen und Herren, seitdem leiden die heimi-
schen Ökobauern an geringeren Erlösen und der Ver-
braucher tappt immer noch im Dunkeln darüber, wo die-
ses Ökoprodukt, das das deutsche Biosiegel trägt, denn
nun wirklich herkommt, weil die Kennzeichnung bezüg-
lich der Herkunft nicht eindeutig geregelt ist. Gerade ha-
ben wir noch von Ministerin Künast gehört, dass es ihr
darum geht, zu wissen, was drin ist. So viel zur Verbrau-
chertäuschung.
Frau Kollegin Mortler, kommen Sie bitte zum
Schluss.
Die Sicherheit heimischer Nahrungsmittel war noch
nie so hoch wie heute. Das bestätigen auch seriöse Wis-
senschaftler. Trotzdem sind die Verbraucher und die Er-
zeuger immer wieder gegeneinander ausgespielt worden.
Die Produkte sind schlecht geredet worden, man hat
Angst erzeugt und Panikmache betrieben und mit Stim-
mungsmache auch Wählerstimmen eingefangen. Ich bin
aber sicher, der Wähler wird Ihnen das nicht mehr durch-
gehen lassen.
Für die Union ist Verbraucherschutz
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ehr wichtig, wir setzen aber auf Eigenverantwortung.
erbraucherschutz hört für uns dann auf, wenn er nur
och Geld kostet, aber nichts mehr bringt.
Vielen Dank, Frau Kollegin Mortler.
Danke schön.
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin
enate Künast das Wort.
Herr Präsident! Ich muss an dieser Stelle ganz kurzuf zwei Punkte eingehen: auf die internationalen Grenz-erte bezüglich Pestizideinsatz und auf das Thema Rin-er.Erstens möchte ich klarstellen, dass wir uns in deruropäischen Union auf einem Weg der Harmonisierungefinden. In den nächsten Jahren soll es einheitlicherenzwerte bezüglich erlaubter Rückstände aufgrundon Pestizidnutzung in Lebensmitteln geben. Ich sageanz klar: Ich bin stolz darauf, dass bei all den Untersu-hungen, die von NGOs durchgeführt werden und beienen sie immer wieder – im Augenblick zum Beispielei Erdbeeren oder bei Paprika – Rückstände finden oderberschreitungen der Rückstandshöchstwerte feststel-en, landwirtschaftliche Produkte aus Deutschland nichtenannt werden.
eil es den Markt für diese guten Produkte schon gibt,eine ich, es wäre falsch, jetzt vor einer europäischenarmonisierung die Werte für die deutschen Produkteochzusetzen. Das würde am Ende nämlich deren Ab-atz gefährden. Außerdem glaube ich, dass wir längst einualitätsniveau erreicht haben, von dem andere nochräumen.
Zweitens habe ich den Eindruck, dass Sie aus BSEichts gelernt haben. Unsere BSE-Politik, das systemati-che Bemühen um die Herstellung von Sicherheit, be-uht, wenn ich sie einmal mit einer Hose vergleiche, da-auf, quasi diese Hose mit Gürtel und Hosenträgern zuichern. So haben wir zum einen klar definiert, was Risi-omaterialien sind, die nicht verzehrt werden dürfen,nd zum anderen klar geregelt, dass ab dem 24. Monatetestet wird. Im Ergebnis haben wir so relativ schnellerbrauchervertrauen hergestellt. Wenn Sie, liebe Frauortler, am Rednerpult etwas behaupten, dann solltenie versuchen, wenigstens in der Tendenz, Ihre Ausfüh-
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Renate Künastrungen auch mit einem Hauch Wahrheit zu versehen.Diese BSE-Politik ist eine Erfolgsgeschichte. Der Rind-fleischmarkt ist ungefähr da, wo er auch vorher war, unddie Rindfleischpreise sind seit Anfang des Jahres um70 Cent pro Kilo gestiegen. Das ist die Erfolgsge-schichte.
Ich kann gar nicht glauben, dass ich an der Stelle denVerbraucherinnen und Verbrauchern sagen soll, dass wirjetzt die Standards senken, in der Hoffnung, dass siedann immer noch einkaufen. Was Sie hier vorgeschlagenhaben, ist für die bäuerlichen Betriebe ein Vernichtungs-modell.
Frau Kollegin Mortler, zur Erwiderung? – Bitte
schön.
Danke schön.
– Man hat mir gesagt, dass ich auf alle Fälle auf diese In-
tervention zu antworten habe; deshalb antworte ich jetzt
pflichtgemäß.
Frau Ministerin, zum Thema Vernichtungsmaschine-
rie für die Landwirtschaft.
Ich finde es schon ungeheuerlich, wenn Sie das uns in
die Schuhe schieben. Was haben Sie denn in den letzten
sieben Jahren gemacht? Seit Ihrer Amtsübernahme hat
sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft noch be-
schleunigt.
Sie sind auch nicht dafür verantwortlich, dass der
Rindfleischpreis gestiegen ist. Dazu haben Sie mit Si-
cherheit nichts beigetragen.
Noch einmal zum Stichwort Verbrauchertäuschung.
Meine Intention war, zum Ausdruck zu bringen, dass Sie
immer wieder Ankündigungen gemacht haben, anderer-
seits aber die Verbraucher immer wieder bewusst ge-
täuscht haben.
Das versteht doch kein Mensch – ich wiederhole es –:
Wenn ein Rind in Deutschland bereits mit 24 Monaten
getestet werden muss, aber zum Beispiel in Frankreich
erst mit 30 Monaten, Fleisch dieses französischen Rin-
des jedoch trotzdem auf den deutschen Teller darf, dann
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Zu Ihrem Beispiel mit den Pestiziden, Frau Ministe-
in. Bereits vor Ihrer Zeit hat die Lebensmittelüberwa-
hung und -kontrolle in Deutschland funktioniert. Das
st Fakt. Sie sprechen von Harmonisierung. Die Bemü-
ungen um eine Harmonisierung im Bereich der Pesti-
ide und in anderen Bereichen ziehen sich hin. Solange
ie Harmonisierung nicht wirklich erreicht ist, hat un-
ere Land- und Ernährungswirtschaft eklatante Nach-
eile.
Das Wort hat die Kollegin Jella Teuchner von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!ehr geehrte Frau Kollegin Mortler, auch das, was Sieier gesagt haben, stimmt – das muss man einfach ein-al feststellen – zu 98 Prozent nicht.
Viel Glück bei Ihrem Termin im Büro! Einen richtigenalbsatz haben Sie gesagt, nämlich: Wir brauchen kei-en Regierungswechsel. Das war der einzig richtige Bei-rag in Ihrer Rede.
Mit unserem Verbraucherpolitischem Bericht bele-en wir den hohen Stellenwert und die zentrale Bedeu-ng, die die Verbraucherpolitik in unserer politischenrbeit hat. Er zeigt Problemfelder auf und beschreibtiele unserer verantwortlichen und zukunftsorientiertenolitik. Dabei ist für uns ganz klar: Verbraucherinnennd Verbraucher wollen Informationen, gerade wenn esm Lebensmittel geht. Pestizide kann man nicht sehen,crylamid nicht schmecken. Verbraucher brauchen Ver-rauen in die Lebensmittel. Dafür müssen wir die nötigeransparenz schaffen. Das ist unsere Aufgabe; die habenir angepackt und packen sie weiterhin an.Wenn ich mir den Antrag der Union anschaue, danntelle ich fest, dass dort zu diesem Thema überhauptichts steht. Im Gegenteil, Sie reden von Pseudoinfor-ation, Bevormundung durch Beratungspflichten undinem Informationschaos. Dabei merken Sie noch nichtinmal, dass Sie an der Realität total vorbeischreiben:ie schwadronieren von einer Vielzahl von Biolabeln.aben Sie eigentlich schon bemerkt, dass wir mittler-eile ein funktionierendes, den Verbrauchern bekanntes
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Jella Teuchnerund vom Handel akzeptiertes Biolabel haben? Das Bio-siegel ist ein Erfolg, ob Sie das akzeptieren oder nicht.
In Ihrem Antrag steht aber auch rein gar nichts zumVerbraucherinformationsgesetz. Dabei sind Transparenzund Vertrauen ohne Information nicht möglich. Behör-den sind eben keine Geheimgesellschaften. Die Men-schen wollen wissen, was die Behörden bei ihren Kon-trollen herausfinden.
Wenn es um Dinge geht, die die Menschen betreffen,dann sollten sie auch das Recht auf diese Information ha-ben. Dank Ihrer Taktik und Ihrer Blockade haben sie esaber nicht. Sie werden es auch in Zukunft nicht haben,weil Sie, Union und FDP, dies einfach nicht wollen. Siekönnen noch so viele Sonntagsreden halten und Schau-fensteranträge schreiben: Wenn es zum Schwur kommt,dann stimmen Sie mit Nein. Das war in der letzten Le-gislaturperiode so und das ist in dieser Legislaturperiodewieder so. Union und FDP sind dafür verantwortlich,dass die Verbraucherinnen und Verbraucher von den Be-hörden keine Antwort erwarten können. Sie sagen denVerbraucherinnen und Verbrauchern, die Informationenüber ihre Lebensmittel haben wollen, lapidar: Das gehtdich nichts an. – Es geht sie aber sehr wohl etwas an.Vertrauen schafft man nur durch Transparenz, undzwar durch diejenige Transparenz, die wir im Lebens-mittel- und Futtermittelgesetz verankern wollten. Unionund FDP haben das wieder herausgestrichen. Das ist dasErgebnis des Vermittlungsausschusses. Sie, Union undFDP, wollen keine Transparenz. Sie werden nicht an Ih-ren Worten gemessen, sondern an Ihren Taten. Das, wasFrau Mortler eben zum Besten gegeben hat, ist das besteBeispiel dafür.
Sonntagsreden sind etwas Nettes. Während der Wo-che lassen Sie die Verbraucherinnen und Verbraucheraber abblitzen. Sie haben die Verbraucherinformationwiederholt abgelehnt. Wenn man sich Ihr Schattenkabi-nett anschaut, dann sieht man, dass Sie vorhaben, sichvon der Verbraucherpolitik ganz zu verabschieden:
Sie wollen den gesundheitlichen Verbraucherschutz demGesundheitsministerium und den rechtlichen Verbrau-cherschutz der Justiz unterordnen. Das sind drei Schrittezurück. Wir werden dafür sorgen, dass die Verbrauche-rinnen und Verbraucher wissen, was sie von Ihnen zu er-warten haben: keine Informationsrechte, keine Unter-stützung, einfach gar nichts.
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Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnennd Kollegen! Frau Teuchner, Sie haben eben vomchattenkabinett der Union gesprochen: Da wissen Sieehr als wir. Die einzigen Schatten, die ich bisher sehe,ind auf der Regierungsbank.
Zum Zeitunglesen: Vielleicht sollte man sich auch in-ormieren.
Das haben Sie getan. Wir werden uns darüber nachherern unterhalten können. Vielleicht sind Sie einer Enteufgesessen; aber das ist mir relativ gleich. Sehen wirinmal, was nach der Wahl kommt. Ich glaube, Sie wer-en dann ganz andere Dinge zu bewältigen haben.Ich möchte auf das Thema BSE-Tests zu sprechenommen. Mit Blick auf unsere deutschen Produzentenöchte ich natürlich, dass vorwiegend deutsches Fleischekauft wird. Frau Künast wie auch Herr Ostendorff ha-en eben Zwischenrufe gemacht: Man soll gerade des-alb deutsches Fleisch kaufen, weil in DeutschlandSE-Tests für alle Rinder über 24 Monate bei derchlachtung vorgeschrieben sind.Sie müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass dasleisch der deutschen Bauern neben dem Fleisch aus Ar-entinien oder aus Frankreich liegt. In Frankreich sindSE-Tests erst für alle Rinder über 30 Monate bei derchlachtung vorgeschrieben. Dadurch kann es viel güns-iger als das Fleisch aus Deutschland sein. Wir könnenns das deutsche Fleisch sicherlich leisten;
ber es gibt außerhalb dieser „heiligen Hallen“ vieleürgerinnen und Bürger, die es sich nicht leisten könnennd sich überlegen müssen, was sie kaufen. Angesichtsessen ist es – gerade als Partei der Besserverdienen-en – sehr arrogant, zu sagen: Dann kaufen wir das deut-che Fleisch.
Frau Künast, Sie haben in der Debatte über den Ver-raucherpolitischen Bericht 2004 ein Resümee dessenezogen, was Sie in Ihrer Regierungszeit zum Verbrau-herschutz gemacht haben. Dabei ist mir eines aufgefal-en: Sie haben gar nichts zu den Energiepreisen gesagt.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 17035
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Julia KlöcknerWenn jemand von hohen Energiepreisen betroffen ist,dann sind es doch wohl alle privaten Haushalte, die klei-nen wie die großen Familien. Mich wundert es schon,dass die Verbraucherministerin nichts zu den steigendenEnergiepreisen gesagt hat. Stattdessen treten Sie, FrauKünast – das mag auch interessant sein –, für nachhalti-ges Waschen ein.
Es herrscht also Stille im Ministerium zu den steigen-den Energiepreisen. Ich kann mir schon vorstellen, wa-rum Sie dazu nichts gesagt haben. Zum einen hat Minis-ter Clement Ihnen verboten, sich dazu äußern. Zumanderen wissen Sie natürlich, dass der Bumerang zu-rückkommen kann. Innerhalb Ihrer Regierungszeit sindbeispielsweise die Stromkosten aufgrund der staatlichenBelastungen von 2,2 Milliarden Euro um mehr als dasFünffache auf 12 Milliarden Euro gestiegen. Weil diesgegen die Interessen der Verbraucher ist, halten Sie beidiesem Thema den Mund und reden beispielsweise lie-ber über Schrottimmobilien.Es gibt noch ein zweites Kabinettstück. Schauen wiruns einmal das Werbeverbot für Zigaretten an. Die EUbeschloss ein Werbeverbot für Zigaretten. Auf der einenSeite wetterte Minister Clement dagegen und zog sogarvor den Europäischen Gerichtshof. Auf der anderenSeite möchten Sie zeitgleich im nationalen Alleingangein Werbeverbot erwirken. Es ist schon interessant, dassSie sich alle Möglichkeiten offen lassen wollen. Es wäreaber schon gut, Sie würden Ihre Arbeit besser koordinie-ren.
Die Schwächen in der Koordinierung zeigen sich beimThema Ernährung noch gravierender. Dazu haben wirheute nur relativ wenig von Ihnen gehört. Verbraucher-schutzministerium und Gesundheitsministerium wissennicht, wer die Zügel in die Hand nehmen soll. Es gibtteure Doppelstrukturen. Das Gesundheitsministeriumlegt ein Programm im Zusammenhang mit Ernährung fürrund 2 Millionen Euro auf. Ihr Ministerium, Frau Künast,gibt wiederum 9 Millionen Euro für Aufklärungskampa-gnen und Wettbewerbe im Zusammenhang mit Überge-wicht aus. Das Familienministerium wiederum legt einProjekt „Qualitätssicherung in Beratung und ambulanterTherapie von Frauen und Mädchen mit Essstörungen“auf. Das eine Ministerium lässt Broschüren drucken unddas andere Ministerium hat ähnliche Broschüren schoneinmal über die Bundeszentrale für gesundheitliche Auf-klärung verteilen lassen. Trotzdem sagen Sie, Sie hättennicht genug Geld.Dass Übergewicht und Fettleibigkeit ein Problemsind, sind wir uns ja einig. Wir brauchen einheitlicheStrategien. Es muss auch ressortübergreifend zusam-mengearbeitet werden. Frau Ministerin Künast, es bringtnichts, wenn Sie mit PR-Kampagnen vorpreschen undalles an die große PR-Glocke hängen, wenn andere Mi-nisterien ähnlich verfahren. Wir müssen bei der Ernäh-rungsberatung und Ernährungsaufklärung in Deutsch-land unsere Aktivitäten endlich bündeln.nnahemlrsWIeTaljbsDhÜUtTsbswWdfssaDDpEmgldn
ie Erwachsenen müssen mit gutem Beispiel vorange-en.
Ich möchte Sie zum Schluss noch bitten, nicht nur dasbergewicht im Fokus zu haben. Es gibt auch dientergewichtigen sowie die Fehl- und Mangelernähr-en. In meine Sprechstunde kam eine Mutter, derenochter magersüchtig ist. Auch das Problem der Mager-ucht müssen wir neben dem Problem des Übergewichtsei Kindern im Auge behalten. Dieses ist ein psycho-oziales und pädagogisches Problem, das eindeutig zuenig beachtet wird. Ich weiß, dass man damit keineahlen gewinnen kann. Wir müssen uns aber dennocharum kümmern. Wir brauchen nicht nur eine Bauernbe-reiung, sondern auch eine Verbraucherbefreiung.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-es für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-chaft auf Drucksache 15/5611 zu dem Entschließungs-ntrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/ie Grünen zum Verbraucherpolitischen Bericht 2004.er Ausschuss empfiehlt in Kenntnis des Verbraucher-olitischen Berichts 2004 auf Drucksache 15/4499, denntschließungsantrag auf Drucksache 15/4865 anzuneh-en. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-enstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-ung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegenie Stimmen der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion ange-ommen.
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsAbstimmung über den Entschließungsantrag derFraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/5678. Werstimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmtdagegen? – Wer enthält sich? – Der Entschließungsan-trag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen beiZustimmung der CDU/CSU-Fraktion und Enthaltungder FDP-Fraktion abgelehnt.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-schusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-wirtschaft auf Drucksache 15/3987. Der Ausschuss emp-fiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung dieAnnahme des Entschließungsantrages der Fraktionen derSPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Druck-sache 15/3323 zu der Erklärung durch die Bundesregie-rung mit dem Titel „Eine neue Ernährungsbewegung fürDeutschland“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-fraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU- und derFDP-Fraktion angenommen.Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnungdes Entschließungsantrags der Fraktion der FDP aufDrucksache 15/3324 zu der genannten Erklärung durchdie Bundesregierung. Wer stimmt für diese Beschluss-empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – DieBeschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koali-tionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU- undder FDP-Fraktion angenommen.Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 sei-ner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3987 dieAblehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU aufDrucksache 15/3310 mit dem Titel „Über-, Fehl- undMangelernährung wirksam bekämpfen“. Wer stimmt fürdiese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist wiederummit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen von CDU/CSU-Fraktion und FDP-Fraktion an-genommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:Beratung des Berichts des Petitionsausschusses
Bitten und Beschwerden an den DeutschenBundestagDie Tätigkeit des Petitionsausschusses desDeutschen Bundestages im Jahr 2004– Drucksache 15/5570 –Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat derVorsitzende des Petitionsausschusses, Dr. KarlheinzGuttmacher von der FDP-Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Rund 230 000 Bürgerinnen und Bür-ger haben sich im Berichtsjahr 2004 an den Petitionsaus-sgVbaddItpsusgAsrtTtmEdsMDgsgWeknbewadkAmdkgsdn
Festzuhalten bleibt jedenfalls: Der Petitionsaus-chuss ist der politische Seismograph der Nation. Dieroßen Themen in der Politik spiegeln sich auch in derrbeit des Petitionsausschusses wider. Allein im Ge-undheitsbereich war bei den Neueingaben eine Steige-ung um fast 150 Prozent auf mehr als 4 000 Einzelpe-itionen zu verzeichnen. Aber auch zum Beispiel beihemen im Zusammenhang mit der gesetzlichen Ren-enversicherung oder dem Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums der Justiz gab es beachtliche Zuwächse.Aus der Bandbreite der Eingaben möchte ich eineninzelfall herausgreifen: Es hat mich besonders gefreut,ass im Berichtsjahr 2004 Bürger, die Hilfsgüter in Kri-engebiete transportieren, aufgrund einer Änderung desautgesetzes von der Autobahnmaut befreit wurden.ies war vorher nur für professionell arbeitende Hilfsor-anisationen vorgesehen. Die Arbeit des Petitionsaus-chusses, so meine ich, hat dazu beigetragen, dass bür-erschaftliches Engagement jetzt in angemessenereise durch den Staat unterstützt wird. Das zeigt, dassin Bürgerbrief eine Gesetzesänderung herbeiführenann. Der Petitionsausschuss nimmt jede Eingabe ernst,icht nur solche, die von einer Reihe von Unterschriftenegleitet werden.In 19 Sitzungen hat sich der Petitionsausschuss demnormen Arbeitsanfall gestellt und entsprechend den Zu-ächsen beim Posteingang erheblich mehr Petitionenbschließend behandelt als in den Jahren zuvor. Alleinie Zahl der Beschlussempfehlungen an das Plenumonnte um 40 Prozent gesteigert werden.Dies war nur durch eine gute fraktionsübergreifenderbeit der Kolleginnen und Kollegen im Ausschussöglich. Sie hat dazu geführt, dass in circa 90 Prozenter Fälle ein einheitliches Votum gefunden werdenonnte. Hierfür möchte ich allen Kolleginnen und Kolle-en aus den Fraktionen meinen allerherzlichsten Dankagen. Ich möchte mich aber auch bei dem Ausschuss-ienst sehr herzlich bedanken, ohne den diese Arbeiticht hätte bewältigt werden können.
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Dr. Karlheinz GuttmacherIch kann nur hoffen, dass die dort vorhandenen Ressour-cen zumindest erhalten bleiben. Wir haben uns im Peti-tionsausschuss gerade in letzter Zeit mehr Aufgabengestellt. Dazu ist es erforderlich, dass wir im Ausschuss-dienst personell gut besetzt sind.Wer den Sumpf trockenlegen will, darf damit nichtdie Frösche beauftragen; wir kennen diesen altenSpruch. Mit dem Petitionsausschuss haben wir ein effi-zientes Instrument, Bürgerbeschwerden nachzugehen.Beauftragte der Bundesregierung können diese Arbeitnicht in gleicher Weise erfüllen; denn sie sind Teil derExekutive, ihnen fehlt die Unabhängigkeit eines parla-mentarischen Gremiums.Es sei gestattet, noch einen kurzen Blick in die Zu-kunft zu werfen. Der Petitionsausschuss stellt sich denHerausforderungen moderner Medien. Ab dem 1. Sep-tember 2005 wird es für die Bürgerinnen und Bürgermöglich sein, sich mit einer E-Mail an den Petitionsaus-schuss zu wenden. Zugleich wagen wir den Einstieg indas Zeitalter des elektronischen Parlaments. Als zusätz-liches Angebot wird es möglich sein, Petitionen ins In-ternet zu stellen und öffentlich darüber zu diskutieren.Damit werden wir noch bürgerfreundlicher; denn derZugang zum Petitionsausschuss wird noch einfacher. Sostärken wir Elemente der direkten Demokratie.Zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Diesist der letzte Bericht, den ich als Vorsitzender des Peti-tionsausschusses zu verantworten habe. Ich danke allenKolleginnen und Kollegen, die mir die Arbeit im Peti-tionsausschuss sehr leicht gemacht haben.
Das Plenum bitte ich, den Ausschuss ernst zu neh-men, auch dann, wenn wir nicht gerade eine Debattezum Jahresbericht führen. Allen Bürgerinnen und Bür-gern rufe ich zu: Haben Sie weiter Vertrauen in die Ar-beit unseres Ausschusses, auch dann, wenn wir Ihnenmöglicherweise in Einzelfällen nicht helfen können!Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Uwe Göllner von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einaltes deutsches Sprichwort will uns weismachen, dassder Prophet im eigenen Land nichts gilt. Im letzten Be-richtsjahr war der Herr Vorsitzende in unserem Auftragin Québec, wo sich die Vorsitzenden der Ombudsräte,die Ombudsleute und die Vorsitzenden der Petitionsaus-schüsse trafen. Dort ist ihm wiederholt gesagt worden,dass unser System der parlamentarischen Petitionsarbeitals vorbildlich gilt. Also gilt der Prophet außerhalb deseigenen Landes wohl eine ganze Menge.Dass dieses Sprichwort nur sehr eingeschränkt Gel-tung hat, zeigt sich daran, dass die Bürgerinnen und Bür-gBdNdsbugtrundsadupg5maaejSacdmbzwwNeBmmPnsttetsugdaUu
Eine letzte interessante Zahl aus dieser Statistiköchte ich noch nennen: Knapp 10 Prozent aller Einga-en erfüllten nicht die verfassungsmäßigen Vorausset-ungen einer Petition. Dennoch sind sie angenommenorden. Sie sind eine Art Stimmungsbarometer für das,as die Menschen in unserem Lande bedrückt, für ihreöte, Anregungen und Hoffnungen. Diese sollten wirrnst nehmen; denn ich glaube, aus dem Dialog mit denürgerinnen und Bürgern über das Petitionswesen kannan eine ganze Menge lernen. Das hat zum Beispiel beiir dazu geführt, dass ich schon so lange Mitglied desetitionsausschusses bin; denn dadurch kommt es zu ei-er gewissen Verwurzelung, die man als Abgeordneterehr leicht zu verlieren geneigt ist.Wie vital der Petitionsausschuss seiner Arbeit im letz-en Jahr nachgekommen ist, zeigt sich an folgenden Fak-en: den Ortsterminen, der Teilnahme an Messen, derngen Zusammenarbeit mit den Beauftragten der Peti-ionsausschüsse der Landtage, den Delegationsreisen un-erer Mitglieder nach Bulgarien, Rumänien, Tschechiennd Kanada, unserer Teilnahme an internationalen Ta-ungen des Petitionswesens und den Empfängen auslän-ischer Delegationen hier in Berlin, die aus Usbekistan,us China, aus vielen afrikanischen Staaten, aus derkraine, den Niederlanden, Ägypten, Jordanien, Kuwaitnd vom Balkan kamen.
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17038 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Uwe GöllnerIch will Ihnen von einer Petition erzählen, die ausmeinem Wahlkreis kommt und an der man sieht, dassman auch als Wahlkreisabgeordneter durchaus etwas da-von haben kann: Von der Umgehung einer Autobahn, diemit einer Ortsumgehung verbunden wurde, war einKleingartenverein tangiert, der in seiner 60-jährigen Ge-schichte schon dreimal durch öffentliche Planungen ver-legt worden war. Daraufhin wandte man sich an mich.Ich habe dem Verein empfohlen, eine Petition an denDeutschen Bundestag zu richten, weil der Bundesver-kehrsminister an dieser Umgehungsstraße auf bestehen-der Rechtsgrundlage Lärmschutz und Spritzschutz ange-bracht hatte und nicht bereit gewesen war, zugunsten desVereins von diesen Vorschriften insoweit abzurücken,dass das Vereinsleben an diesem Ort hätte weitergeführtwerden können. Im Wege der Petition ist es dann gelun-gen, dies durchzusetzen, und das hat auch nur relativkurze Zeit, weniger als ein halbes Jahr, gedauert. DieBürgerinnen und Bürger haben den Petitionsausschussals etwas erlebt, was ihnen weiterhilft. Ich glaube, wiralle sind gut beraten, wenn wir, obwohl es in den nächs-ten Monaten ja etwas zugespitzt zugehen wird, miteinan-der so umgehen, dass diejenigen, die den Herbst „überle-ben“, auch im 16. Deutschen Bundestag so angenehmzusammenarbeiten, wie das im Petitionsausschuss in denletzten Jahren möglich war.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Günter Baumann von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Dem Grundrecht nach Art. 17 Grundgesetz, Petitio-nen an den Deutschen Bundestag zu richten, kommt,denke ich, in der heutigen Zeit eine besondere Bedeu-tung zu. Ich bedauere es deshalb sehr, dass wir in diesemJahr nur 30 Prozent der Zeit, die wir im letzten Jahr hat-ten, zur Verfügung haben, um darüber sprechen zu kön-nen. Dass heute Abend nicht gerade die attraktivste Sit-zungszeit ist, sehen wir ja auch an der Teilnehmerzahl.Meine Vorredner sagten bereits: fast 18 000 Petitio-nen im Jahr 2004, mit denen sich Bürger mit Bitten undBeschwerden an den Deutschen Bundestag, den Ort derGesetzgebung, gewandt haben. Das ist ein deutlicherAnstieg gegenüber dem Vorjahr. Auch diesmal ist derAnteil der Bürgerinnen und Bürger aus den neuen Bun-desländern prozentual wieder am höchsten. Gerade inden neuen Bundesländern gibt es, auch 15 Jahre nach derdeutschen Einheit, leider immer noch zahlreiche beson-dere Problemfelder, die aus Sicht der Petenten nochnicht befriedigend gelöst werden konnten.Die gewachsene Zahl der Petitionen hat dem Aus-schussdienst wieder besonders viel abverlangt. Deshalbmöchte ich an dieser Stelle wie meine Vorredner denMthIKghudKAumKzgwSwdgsEdnCumtiPdtsvfgcAtergWsfdMteBTe
atsächlich werden dadurch Millionen von Bürgern, dies organisatorisch niemals schaffen, eine solche Massen-
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Günter Baumannpetition einzureichen, vor den Kopf gestoßen und fak-tisch benachteiligt.
Meine Vermutung – in Anführungsstrichen – lautet:Diese Veränderung wird im nächsten Deutschen Bundes-tag bestimmt keinen Bestand haben.Der Petitionsausschuss sollte sich aus meiner Sichtintensiver mit dem Beauftragtenunwesen beschäfti-gen, welches in der letzten Zeit ziemliche Ausmaße an-genommen hat. Angesichts einer kaum überschaubarenZahl öffentlicher und privatwirtschaftlicher Schlich-tungsstellen, Ombudseinrichtungen und spezieller Be-auftragter in unserem Lande ist es für die Bürger immerschwieriger, zu entscheiden, an welche Adresse sie sichmit ihren Begehren wenden und wo sie am sinnvollstenHilfe erhalten können.Die CDU/CSU-Fraktion betrachtet die Entwicklungdes Beauftragtenwesens im Bereich der Bundesregie-rung und deren organisatorische und stellenmäßige Aus-stattung sehr kritisch. Während es in den letzten Jahrenim Bereich vieler Ausschüsse zu einem Stellenabbau ge-kommen ist – auch beim Petitionsausschuss musste mandas zur Kenntnis nehmen –, gibt es beim Beauftragten-wesen einen beträchtlichen Stellenaufwuchs. Ich denke,die Bedeutung des Art. 17 Grundgesetz – ich habe esmehrmals gesagt – und die parlamentarische Bearbei-tung von Bitten und Beschwerden sollten im Mittelpunktstehen. Mit all unseren Möglichkeiten sollten wir dafürsorgen, dass es in unserem Land zu keiner Untergrabungunserer parlamentarischen Arbeit im Petitionsausschussdurch das Beauftragtenwesen kommt.
Mein Resümee: Der Petitionsausschuss als Gremiumdes Deutschen Bundestages kann die Probleme der Bür-ger immer noch am besten parteiübergreifend lösen. Lei-der gibt es einige Fälle, bei denen wir in der letzten Zeitkeinen Konsens gefunden haben. Als Beispiel möchteich nennen, dass es nicht möglich war, die Ungleich-behandlung der Alleinerziehenden, die Leistungennach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalten, und derAlleinerziehenden, die einen Unterhaltsanspruch nachBGB haben, zu beseitigen. Das ist bedauerlich, weil dasfür die Alleinerziehenden, die Leistungen nach demUVG erhalten, eine Ungleichbehandlung bedeutet; siewerden benachteiligt. Dafür gibt es eigentlich keineRechtfertigung. Das ist eine widersprüchliche Familien-politik. Ich denke, das ist ein Schlag ins Gesicht von al-lein erziehenden Müttern. Hier besteht dringender Hand-lungsbedarf.
Zum Abschluss noch ein positives Beispiel: MehrereJahre lang haben wir gemeinsam gegen die Regierungund die Deutsche Post darum gekämpft, dass nach überzehn Jahren wieder ein Postleitzahlenbuch aufgelegtwird. Wir haben den Erfolg jetzt mit allen Mitteln er-reicht. Ich denke, in den nächsten Wochen werden wirdas neue Buch in den Händen halten. Wir können damitvielen Bürgern helfen, die keinen Internetanschluss undkeDfVsZnNHHbdDshDFMukgfBhdlcagwsgtBebRm
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Keine Skandale, relativ wenig Gezänk, keinollywood, sondern eine solide und erfolgreiche Ar-eit – das ist der Petitionsausschuss des Deutschen Bun-estages, und zwar parteiübergreifend.
amit das so ist, braucht man einen sehr guten Aus-chussvorsitzenden. Dafür möchte ich mich ganzerzlich bei Ihnen persönlich bedanken, Herrr. Guttmacher. Ich bedanke mich im Namen meinerraktion sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit.
Mein ganz besonderer Dank gilt natürlich auch denitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ausschussdienstnter der Leitung von Dr. Rakenius für ihre fleißige undompetente Zuarbeit. Auch bei den allermeisten Kolle-innen und Kollegen aus allen Fraktionen kann ich michür die gute und sachliche Zusammenarbeit im Sinne derürger bedanken.Einen Wermutstropfen – Herr Kollege Baumann, Sieaben eben schon damit angefangen, etwas Wasser inen Wein zu gießen – muss ich am Ende meiner Rede al-erdings doch noch aufgreifen. Die Hauptverantwortli-hen für diesen großen Erfolg des Petitionsrechts unduch des Petitionsausschusses sind natürlich unsere Bür-erinnen und Bürger. Die Zahl wurde bereits genannt: Esaren knapp 18 000 Petitionen. Unter vielen Petitionentehen natürlich mehrere Unterschriften, manchmal so-ar viele Tausend, Herr Baumann. Wir behandeln sie na-ürlich alle gleich gut und gleich ordentlich.
ei jeder zweiten Petition konnte etwas für den Petentenrreicht werden; das ist ausdrücklich zu begrüßen. Ichegrüße es auch, dass die Bürgerinnen und Bürger dasecht, das sie haben, so nutzen, wie sie es möchten:anchmal alleine, manchmal mit mehreren, manchmal
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Josef Philip Winklergetragen durch eine Organisation und manchmal durchPrivatpersonen. Es ist ausdrücklich nicht festgelegt, dasseine Beteiligung von Verbänden untersagt ist.Wir sind also ein Magnet für gute Ideen, für Reform-und Verbesserungsvorschläge der Bürgerinnen und Bür-ger. Damit die Anziehungskraft dieses Magneten Peti-tionsrecht noch größer wird, haben wir die Weiterent-wicklung des Petitionsrechts mit Unterstützung der FDPauf den Weg gebracht. Teilweise hat uns auch die Unionunterstützt, aber in den meisten Fällen haben wir gegenden Widerstand der Union gehandelt.
Es stimmt nicht, Herr Kollege Baumann, dass Sie denVorschlag, Petitionen per E-Mail zuzulassen, unter-stützt haben. Im Protokoll des Ausschusses können Sienachlesen – ich nehme an, hier ist Ihnen ein bedauerli-cher Irrtum unterlaufen –, dass die Unionsfraktionen ge-gen die Zulassung von E-Mail-Petitionen gestimmt ha-ben. Das ist auch Teil meiner Abschlussbemerkung.Darin gehe ich auf eine Pressemitteilung ein, die Sieheute übers Netz geschickt haben.Wir haben die Vorgaben unseres Koalitionsvertrageserfüllt, teilweise – das betone ich noch einmal – mit Un-terstützung der Opposition. Wir haben die Stärkung vonMassenpetitionen durchgesetzt. Wir haben die doch et-was antiquierte Auslegung des Petitionsrechts, wonacheine Petition unbedingt eigenhändig unterzeichnet seinmuss, im Zeitalter von E-Mail und Internet geändert.Man darf im Internet auch die Petition eines anderen un-terstützen. All das ist modern. Ich finde es etwas lach-haft, dass sich die Union dem verschlossen hat.
Ich komme nun zu einer Meldung, die 18.05 Uhr vonder Deutschen Presse-Agentur verbreitet wurde. Dieglatte Unwahrheit, durch die sich diese Meldung aus-zeichnet, verbuche ich jetzt einmal als Irrtum Ihrerseits.Darin steht, dass Sie die Einführung von E-Mail-Petitio-nen unterstützt haben. Allerdings ist es schon relativ hef-tig, was Sie uns vorwerfen. Darüber habe ich mich ge-ärgert. Deswegen muss ich das hier jetzt ausbreiten.
– Lassen Sie mich das erst ausführen. Sie können ja hin-terher eine Kurzintervention machen. Ich werde Sie da-für ausreichend beschimpfen, Herr Kollege Baumann.Der erste Punkt ist: Sie werfen Rot-Grün vor, dass wirdem Petitionsrecht einen Bärendienst erwiesen hätten.Der zweite Punkt: Mit diesem Beschluss würde das Peti-tionsgrundrecht für die einzelnen Bürger entwertet. Dazumuss ich in aller Kürze, weil sich meine Redezeit demEnde nähert, etwas sagen. Sie als Unionsfraktionen be-trachten die Arbeit im Petitionsausschuss offensichtlichals Strafe – das muss im Protokoll des Deutschen Bun-destages einmal vermerkt werden –; denn viele IhrerLandesgruppen ziehen im Halbjahres- oder Jahrestaktihre Mitglieder zurück, weil die Arbeit angeblich unzu-mutbar und zu hart sei.–DIzuDrPdsgsudüseDsgwvtmadDnMddDhf
Die Begründung können Sie ja gleich noch nennen.adurch kommt es zu erheblichen Zeitverzögerungen.n Wirklichkeit schränken Sie das Petitionsrecht des ein-elnen Bürgers täglich ein, weil Sie Ihre Kolleginnennd Kollegen aus dem Petitionsausschuss abziehen.
as führte in etlichen Fällen zu monatelangen Verzöge-ungen. Das muss hier einmal gesagt werden.Ich denke, Sie sollten diese Art des Umgangs mit demetitionsrecht einstellen. Hören Sie auf, uns, weil wiras Petitionsrecht erweitern und etwas intelligenter ge-talten wollen, indem wir auf die modernen Medien ein-ehen, vorzuwerfen, dass wir das Petitionsrecht ein-chränken. Wir haben neue Möglichkeiten geschaffennd keine einzige abgeschafft. Es tut mir Leid, dass ichas in dieser Form sagen muss. Aber Sie waren es, derber den Ticker eine solche Pressemitteilung herausge-chickt hat.Herzlichen Dank.
Nun hat sich der Kollege Baumann, wie ausdrücklich
rwünscht, für eine Kurzintervention zu Wort gemeldet.
abei mache ich den Kollegen Winkler darauf aufmerk-
am, dass die Ankündigung von Beschimpfungen ei-
entlich zu präventiven Ordnungsrufen führen müsste,
orauf ich nur aus ausgeprägter persönlicher Sympathie
erzichte.
Bitte schön, Herr Kollege Baumann.
Herr Präsident! Kollege Winkler, wir haben im Peti-ionsausschuss fast drei Jahre gut und sachlich zusam-engearbeitet. Vor etwa drei Wochen kam eine etwasndere Stimmung auf. Warum das bei Ihnen so ist, magahingestellt sein.
adurch kam es zu einer Reihe unsachlicher Diskussio-en.Es ist nachzulesen, dass ich im Obleutegespräch deröglichkeit, eine Petition per E-Mail einzureichen, ein-eutig zugestimmt habe. Im Ausschuss haben Sie vorer Abstimmung eine unsachliche Diskussion begonnen.araufhin haben wir uns der Stimme enthalten, aber wiraben nicht dagegen gestimmt. Sie haben in den daraufolgenden Tagen eine falsche Pressemitteilung
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Günter Baumanngestreut. – Es müsste im Protokoll nachlesbar sein. Ichbitte Sie, doch zur Sachlichkeit zurückzukehren.
Herr Kollege Winkler.
Danke, Herr Präsident, auch für die unterbliebene Er-
mahnung. – Herr Kollege Baumann, wir können uns da-
rüber streiten. Dann werden wir das Protokoll halt im
nächsten Jahresbericht nachreichen. Ich unterstreiche,
dass wir lange und gut zusammengearbeitet haben, aber
in diesem Fall – das muss ich sagen – hat die Union an-
ders abgestimmt. Zumindest haben Sie nicht zuge-
stimmt,
was Sie eben in Ihrer Rede gesagt haben. Ich habe das
Protokoll nicht nachgelesen, aber ich habe ja gesehen,
dass Sie dagegen gestimmt haben.
Wenn das als Enthaltung gewertet worden sein sollte,
dann ist es gut. Jedenfalls haben Sie nicht zugestimmt.
Eine Enthaltung ist doch wohl eine recht schwache Form
der Zustimmung, oder, Herr Baumann?
Wer hier eiert, das ist eine ganz andere Frage. Wir von
der Koalition haben klar im Koalitionsvertrag gesagt,
dass wir das Petitionsrecht erweitern wollen und die
Bürger mehr Möglichkeiten haben sollen. Das haben wir
beschlossen. Ich bleibe dabei: Die Union hat nicht zuge-
stimmt.
Nun hat das Wort der Kollege Dr. Karl Addicks für
die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Vor kurzem hat der Petitionsausschuss seinen
Jahresbericht an den Herrn Bundestagspräsidenten über-
geben. Mehr als 15 000 Einzelpetitionen wurden im
Jahr 2004 abschließend bearbeitet, eine gewaltige Zahl,
die im Vergleich zu den Vorjahren noch deutlich zuge-
nommen hat. Darin spiegeln sich auch die hausgemach-
ten Wirtschaftsprobleme wider, die auch und vor allem
auf die Sozialgesetzgebung durchschlagen und die diese
Bundesregierung zu verantworten hat.
Im Gegensatz zur Bundesregierung hat der Aus-
schussdienst eine hervorragende Arbeit geleistet; ich
sage es an dieser Stelle noch einmal. Dafür möchte ich
allen Ausschussdienstmitarbeitern ganz herzlich dan-
ken.
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as Ziel bleibt natürlich eine Änderung des Bundesberg-
esetzes, sprich: Der Bergbau unter bewohntem Gebiet
uss endlich aufhören. Ich beziehe mich da auf eine Pe-
ition aus meinem Wahlkreis, die leider keinen Erfolg
atte. Allerdings ruht unsere Hoffnung hier auf einer an-
eren Bundesregierung.
Vielen Dank noch an meine Kollegen vom Petitions-
usschuss für die im Großen und Ganzen doch gute und
invernehmliche Zusammenarbeit.
Vielen Dank für Ihrer aller Aufmerksamkeit.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Lösekrug-öller für die SPD-Fraktion.
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17042 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Ich stelle mir Folgendes vor:Wir behandeln den Jahresbericht 2005. Es ist Donners-tag, 10 Uhr, und wir haben hinreichend Zeit,
darüber zu reden, was unsere Arbeit so bedeutsammacht. Ich lege mein ganzes Vertrauen in jene Mehrheit– ich glaube zu wissen, wie die Mehrheit beschaffen seinwird; die jetzige wird nämlich bestehen bleiben –, dasswir das endlich einmal hinbekommen. Dieses Vorwortwollte ich meiner kurzen Rede vorausschicken.Als Nächstes schließe ich mich meinen Vorrednern anund danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern desPetitionsausschusses. Wir haben gut und zuverlässig zu-sammengearbeitet. Das ist sicherlich einen großen Dankwert.
Es wurde schon hinreichend dargestellt, dass imJahr 2004 mehr Petitionen eingegangen sind und vonuns bearbeitet wurden als in den Vorjahren. Ich denke, esist völlig klar: In einer Gesellschaft, die sich in einem sostarken Wandel befindet wie unsere und in der so vieleReformen erforderlich sind, müssen das Parlament unddie Bürgerinnen und Bürger in einen stärkeren Dialogeintreten. Das schlägt sich auch in der Zahl der Petitio-nen nieder.Für uns ist jede Petition gleich wichtig. Das galt inder Vergangenheit; das trifft heute zu und das wird auchkünftig der Fall sein, lieber Herr Kollege Baumann. Unserscheint kein Anliegen zu groß oder zu klein, keineBitte zu laut oder zu leise und keine Beschwerde zukompliziert, erst recht nicht zu einfach. Das haben wirunter Beweis gestellt.Dass wir uns dabei bei Ministerien und Behördennicht gerade Sympathien verschaffen oder unsere Be-liebtheit steigern, ist logisch. Wir knüpfen oftmals an ei-nen Leidensweg von Bürgern und Bürgerinnen an, diemit ihrem Wunsch nicht durchdringen konnten und mitihrem Anliegen keinen Erfolg hatten. Aber wir nehmendiesen Weg gerne auf uns. Wir freuen uns wie alle überjeden Erfolg und sind meines Erachtens auch in schein-bar hoffnungslosen Angelegenheiten sehr hartnäckig.Deshalb leisten wir gute Arbeit.Ich will nur ein Beispiel nennen. Wir haben es ge-schafft, einer gehörlosen jungen Frau eine angemesseneAusbildung zukommen zu lassen, indem wir uns dafüreingesetzt haben, dass ihr ein Gebärdendolmetscher zurSeite gestellt wurde. Soviel zum Thema „laute und leiseBitten“. Es ließen sich noch zahlreiche weitere Beispieleanführen.Aber wir stoßen auch in manchen Fällen an unsereGrenzen. Ich glaube, darin stimmen wir überein, HerrDr. Addicks. Zum Beispiel konnten wir es einer Chine-sin – eine praktizierende Falun-Gong-Anhängerin –nicht ermöglichen, in Deutschland zu bleiben. SolcheFvbkVAbtuMrliincfnrgatimuinWmggvflewgvwgHtedPdush
Orientierung haben wir auch in Bezug auf dieodernisierung des Petitionswesens gegeben, wie be-eits angeklungen ist. Wir von Rot-Grün haben, um end-ch auf die Höhe der Zeit zu kommen, drei Änderungen Gang gebracht. Wir haben – auch mit großer fachli-her Unterstützung des Ausschussdienstes – unsere Ver-ahrensgrundsätze geändert. Ich will das an dieser Stelleicht im Einzelnen erläutern. Ich halte alle drei Ände-ungen für richtungweisend und sinnvoll.Dass der Opposition dann aber in entscheidenden Fra-en der Mut fehlte, ist nicht neu; das kennen wir schonus anderen Zusammenhängen.Für uns heißt das, dass wir in der Ausweitung des Pe-tionsrechts das Internet ab 1. September in einer ange-essenen Weise nutzen können. Ich finde das Klassend bin sehr stolz darauf. Das gebe ich zu.
Ich will abschließend festhalten, dass wir zwar vieles Übereinstimmung geregelt haben, aber nicht alles.enn ich in die Vergangenheit zurückblicke, dannöchte ich – das meine ich ehrlich – unserem derzeiti-en Vorsitzenden großen Respekt zollen und Dank sa-en. Er hat das schwierige Handling immer zum Wohleon Petenten hinbekommen. Ich meine, sein heute ange-ührtes Beispiel, dass jemand, der einen Sumpf trockengen will, nicht die Frösche beauftragen dürfe, zeigt,ie liebenswert er auch Kritik formulieren kann.Ich sehe das mit den Fröschen aber etwas anders. Ichlaube nicht, dass alle grün sind; ich kenne auch sehriele rote Frösche. Ich bin überzeugt davon: Genausoie es in der Vergangenheit schwarze und gelbe Fröscheab, wird es in Zukunft bei den Beauftragten bunt sein.ier lernen wir alle den Unterschied zwischen den Äm-rn, die eine Regierung zu vergeben hat, und dem, wasas Parlament tut. Ich bin ganz optimistisch: Wir, deretitionsausschuss, bleiben sicherlich gut und nahe anen Bürgerinnen und Bürgern.Ich komme zum Schluss. Meine lieben Kolleginnennd Kollegen von der CDU/CSU, ich glaube, es bleibto: Ein Ja ist ein Ja, ein Nein ist ein Nein und eine Ent-altung bleibt eine Enthaltung, egal was man später sagt.
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Das Wort hat der Kollege Holger Haibach für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Es ist mir eigentlich zu viel, die ganze Diskussion
noch einmal aufzurollen. Aber was der Kollege Winkler
über den Wechsel meiner Kolleginnen und Kollegen ge-
sagt hat, ist erstens falsch und lässt zweitens eine andere
Interpretation zu. Im Petitionsausschuss sind zehn Kolle-
ginnen und Kollegen von der CDU/CSU. Sieben davon
sind seit Beginn der Legislaturperiode dabei. Aber Sie
haben den Eindruck erweckt, als hätten wir gewechselt
wie andere Leute täglich ihre Unterhosen. Bei uns sind
natürlich einige Landesgruppen, zum Beispiel die Bay-
ern, vertreten, die sehr viele Abgeordnete haben. Bei uns
soll jeder in den Genuss kommen, im Petitionsausschuss
zu arbeiten.
Denn das Petitionsrecht ist ein großes Recht und beileibe
keine Selbstverständlichkeit.
Welch hohes Gut das Petitionsrecht tatsächlich ist,
habe ich in Palästina gelernt. Ich bin dort letztes Jahr ge-
wesen und habe vor Vertretern der palästinensischen Re-
gierung und des Legislativrates über die Arbeit und die
Erfahrung mit dem deutschen Petitionsrecht gesprochen,
weil man dort so etwas wie die Einrichtung eines Peti-
tionsbüros plant. Dabei ist mir klar geworden – das ist
mir auch deutlich gesagt worden; das ist schon ange-
klungen –, dass das deutsche Petitionsrecht sowie die
Art und Weise, wie wir damit umgehen, Vorbildcharak-
ter für viele haben. Wenn wir das Petitionsrecht, dieses
hohe Gut, das keine Selbstverständlichkeit ist, weiterent-
wickeln wollen, dann müssen wir sehr vorsichtig sein
und genau darauf achten, was wir bewirken, wenn wir
Änderungen herbeiführen.
Jedenfalls scheint mir, dass in Deutschland vom Peti-
tionsrecht sehr rege Gebrauch gemacht wird, einmal
mehr, einmal weniger; das ist schon angeklungen. Ich
finde es spannend, zu sehen, dass sich sehr viele Men-
schen für Dinge einsetzen, die nichts mit ihrem persönli-
chen Umfeld zu tun haben. Das reicht von Fragen betref-
fend das Umweltrecht bis hin zu Informationsfragen.
Manche Petitionen beschäftigen sich beispielsweise mit
Genitalverstümmelungen bei Frauen und Mädchen in
Afrika oder mit der Aufarbeitung historischen Unrechts
im damaligen Osmanischen Reich. Diese Petition ist im-
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Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
ie Kollegin Sibylle Pfeiffer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!assen Sie bitte folgenden Fall einfach einmal auf sichirken. Sie bearbeiten eine Petition und stellen fest: Deretent hat Recht. Da ist etwas passiert, was nicht in Ord-ung ist. Ihr Votum lautet: Wir überweisen den Fall anie Bundesregierung zur Erwägung. Bei weiterem Nach-chauen stellen Sie fest: Der Ausschussdienst hat Ähnli-hes wie Sie festgestellt und votiert auch, zur Erwägungu überweisen. Auch die Berichterstatterin der Regie-ungskoalition – Frau Marks, Sie wissen, worum eseht –
ommt nach einigen klärenden zusätzlichen Informatio-en zu der Erkenntnis: Jawohl, dem Petenten ist Unrechteschehen, ihm muss geholfen werden. Das Votum: zurrwägung an die Bundesregierung. Die Abstimmung imetitionsausschuss – logischerweise einstimmig –: Dieetition soll der Bundesregierung zur Erwägung über-iesen werden.Fazit: Alle Prüfungen, sowohl die der Ausschussmit-rbeiter als auch die aller Berichterstatter sowie allerusschussmitglieder, haben ergeben: Diesem Petentenuss geholfen werden. Die Regierung muss aufgefordert
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17044 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Sibylle Pfeifferwerden, Entsprechendes in die Wege zu leiten. Und dannpassiert das Unfassbare: Die Regierung sieht keinenHandlungsbedarf.
– Herr Präsident, ich beantworte die Frage gern.
Bitte schön. Wir machen gerade einen Modellver-
such, ob Debatten notfalls auch ohne Beteiligung eines
amtierenden Präsidenten funktionieren.
Bitte schön, Frau Kollegin.
Vielen Dank. – Frau Pfeiffer, Sie haben eben behaup-
tet, mein Votum habe in diesem Fall gelautet, dass dem
Petenten Unrecht widerfahren sei. Dem möchte ich in al-
ler Deutlichkeit widersprechen. Ich habe in Übereinstim-
mung mit Ihnen dahin gehend votiert, dass der Fall dem
entsprechenden Ministerium zur Erwägung überwiesen
werden sollte. Das ist auch geschehen.
Meine Frage: Wie kommen Sie angesichts der Ant-
wort des Ministeriums zu der Feststellung, dass eine ein-
stimmige Überweisung an das Ministerium automatisch
dahin gehend zu interpretieren ist, dass dem Petenten
Unrecht widerfahren ist?
Weder noch; das ist nicht das Thema. Darin, liebe Kol-
legin Marks, besteht genau unsere Aufgabe: zu erkennen,
welchen Petenten in der Sache – obwohl unter Umstän-
den vom geltenden Recht gedeckt – Unrecht getan wor-
den ist, zum Beispiel weil Angaben nicht stimmten, weil
Behörden sich falsch verhalten haben, weil Ämter wider-
sprochen haben, obwohl die Fristen eingehalten wurden.
Unsere Aufgabe ist es, solches Unrecht – und zwar nicht
im juristischen Sinne – zu erkennen und zu korrigieren.
Ich denke, das ist eine schöne Aufgabe.
Ich komme zurück zu meinem Fall. Ich hatte ausge-
führt, dass die Bundesregierung trotz allem also keinen
Handlungsbedarf sieht. Das stimmt mich ziemlich trau-
rig, weil in einem Fall, wie ich ihn eben näher erläutert
habe, mir der Petent Leid tut. Obwohl alle feststellen,
dass gehandelt werden muss, handelt die Bundesregie-
rung nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn das Ergebnis
unserer Arbeit so aussieht, dass wir einstimmig der Mei-
nung sind, etwas müsse abgestellt werden, aber trotzdem
nichts getan wird, dann arbeiten wir so gut wie umsonst.
Wenn das Ergebnis unserer Arbeit nicht anerkannt wird,
dann können wir uns alle Diskussionen und die Bearbei-
tung der Akten sparen.
Vielen Dank.
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, Dietrich Austermann, Eduard
uss ich die Aussprache nicht eröffnen und kann gleichu den Beschlussempfehlungen kommen.Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-ung auf Drucksache 15/5650 unter Nr. 1 die AnnahmeAnlage 14
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005 17045
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammertdes Antrags der Fraktionen der SPD und des Bündnis-ses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/5340 mit demTitel „Investitionskräfte stärken – Neue Impulse fürWachstum und Beschäftigung“. Wer stimmt für dieseBeschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Werenthält sich der Stimme? – Das Erste war die Mehrheit,die Beschlussempfehlung ist angenommen.Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnungdes Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache15/5325 mit dem Titel „Notwendige Investitionen in diedeutsche Verkehrsinfrastruktur bereitstellen“. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmtdagegen? – Wer enthält sich? – Auch diese Beschluss-empfehlung ist mit Mehrheit angenommen.Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Nr. 3 sei-ner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antragsder Fraktion der FDP auf der Drucksache 15/5338 mitdem Titel „Infrastrukturinvestitionen erhöhen – NeueWege bei Finanzierung und Betrieb der Bundesfernstra-ßen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Mit leichtenVariationen im Abstimmungsverhalten ist diese Be-schlussempfehlung mit Mehrheit angenommen.Nun rufe ich die Zusatzpunkte 3 a und 3 b auf:a) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Hans-Ulrich Krüger, Florian Pronold, IngridArndt-Brauer, weiterer Abgeordneter und derFraktion der SPD sowie der Abgeordneten JuttaKrüger-Jacob, Christine Scheel, Kerstin Andreae,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENEuropäische Finanzmärkte – Integrationdurch Wettbewerb und Vielfalt voranbringen– Drucksache 15/5679 –b) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Michael Meister, Heinz Seiffert, LeoDautzenberg, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSU sowie der AbgeordnetenDr. Volker Wissing, Dr. Hermann Otto Solms,Carl-Ludwig Thiele, Dr. Wolfgang Gerhardt undder Fraktion der FDPEuropäische Finanzmärkte – Integration durchWettbewerb und Vielfalt voranbringen– Drucksache 15/5677 –Auch hier ist eine halbstündige Aussprache vorgese-hen. – Dazu gibt es keinen Widerspruch. Dann ist das sobeschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst demKollegen Hans-Ulrich Krüger für die SPD-Fraktion dasWort.
Ich danke für den Trost vorab, Herr Dautzenberg.KnFDlEwFtddsiedszmnwAtVmgnvmeetrinaBscUzgntrüHvbwaFE
on den Fraktionen der FDP und der CDU/CSU so nichtitgetragen. Ansonsten wären bestimmte Dinge nichtrklärbar.Im Einzelnen begrüßen wir im Basel-II-Prozess, dasss nach langwierigen Verhandlungen gelungen ist, einenagfähigen Rahmen für die Eigenkapitalanforderungenternational tätiger Banken zu schaffen. Auch die sehrusgewogene Lösung zur bankenaufsichtsrechtlichenehandlung von Krediten an die mittelständische Wirt-chaft ist hier zu nennen. Nun kommt es im Wesentli-hen darauf an, diese Verhandlungserfolge bei der EU-msetzung zu sichern.Der Zugang der Bevölkerung und der Unternehmenur Vielfalt der modernen Finanzdienstleistungen ist zuarantieren. Es bestehen hier auf EU-Ebene durchausoch Schwierigkeiten beim grenzüberschreitenden elek-onischen Vertrieb sowie bei der Zulassung der grenz-berschreitenden Kontoeröffnung durch das Internet.ier muss durch die EU-weite Umsetzung der bereitsorhandenen Richtlinien eine Vereinfachung für die Ver-raucher und letztlich auch für die Banken geschaffenerden. Beide Gruppen werden dieses Angebot dankendnnehmen und sich entsprechend verhalten.Ein weiterer wichtiger Bereich, in dem die deutscheinanzindustrie zu den Champions zählt, ist der derrst- und Rückversicherungsunternehmen. Damit die
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17046 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
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Dr. Hans-Ulrich KrügerMarktstellung dieser Unternehmen nicht gefährdet wird,gilt es, ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu er-halten, zu sichern und zu fördern.
Im Hinblick auf die vorzuhaltenden Eigenmittel und an-zuwendenden Berechnungsverfahren dürfen diese Un-ternehmen nicht überfordert werden. Gleiches gilt auchin Bezug auf unnötige bürokratische Hindernisse. Aus-drücklich begrüßen wir, dass die von der EU geplanteVerschärfung der Solvenzvorschriften für Rückversiche-rungen für das Lebensrückversicherungsgeschäft keinThema mehr ist.Zur Regulierung von Ratingagenturen hat der Deut-sche Bundestag bereits im Jahr 2004 beschlossen, inter-nationale Verhaltensregeln zu fördern. Erfreulich ist,dass die in dem Beschluss formulierten Forderungen beider Arbeitsgruppe der Vereinigung der Wertpapierauf-sichtsbehörden Gehör gefunden haben und im Entwurfeines Wohlverhaltenskodex für Ratingagenturen berück-sichtigt sind. Wir werden in den kommenden Jahren sehrgenau prüfen, wie die Entwicklung auf dem Ratingmarktvorangeht, und gegebenenfalls auch Vorschläge für eineeuropäische Lösung unterbreiten.In der jüngeren Vergangenheit ist das eher kurzfristigangelegte Engagement einiger Hedgefonds zu Recht in-frage gestellt worden. Wie die „Wirtschaftswoche“ ak-tuell titelt, drohen dem mit 1 000 Milliarden US-DollarEigenkapital ausgestatteten Markt der HedgefondsSchieflagen, die das weltweite Finanzsystem ins Wankenbringen können. Das muss ein deutliches Warnsignalauch an die deutsche Politik sein.
Es ist deshalb notwendig, alles dafür zu tun, dass in-ternationale Hedgefonds die gleiche Sicherheit bietenwie deutsche. Mit dem Investmentmodernisierungsge-setz ist es gelungen, moderne Bedingungen für Hedge-fonds zu schaffen,
die für die europäische Regulierung von Hedgefondswegweisend sein müssen.So gibt es bei uns strenge Zulassungsprüfungen undes wird eine ständige Aufsicht über das Managementverlangt. Es bleibt daher darauf zu achten, dass es zu ei-nem ausgewogenen Ausgleich zwischen Anlegerschutzund Entwicklungsmöglichkeiten für den Kapitalmarktkommt. Hierbei muss allerdings zusätzlich über Trans-parenzgebote und Offenlegungspflichten diskutiert wer-den. Auch dieses Anliegen sollte von Ihnen, meine Da-men und Herren von der Opposition – so meine Bitte –,in Gänze mitgetragen werden, sodass ich Sie auffordernmöchte: Ziehen Sie Ihren gleich lautenden Antrag zu-rück!
Sie haben gleich die Möglichkeit, etwas dazu zuagen. – Stimmen Sie unserem Antrag zu! Das ist konse-uenter.Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum ThemaClearing and Settlement“ verlieren. Für uns ist es sehrichtig, dass bestehende und funktionierende Markt-trukturen nicht durch Maßnahmen aufgrund vorgescho-ener Wettbewerbsargumente in Mitleidenschaft gezo-en werden und dass vor einem Tätigwerden derommission eine Kosten-Nutzen-Analyse erfolgt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie Sie wissen, istit Beschluss des Europäischen Parlaments vom1. Mai 2004 das Lamfalussy-Verfahren auf die ge-amte EU-Finanzmarktrechtsetzung ausgeweitet wor-en. Was wir mit unserem Antrag aufgreifen und angrei-en, ist die nach wie vor mangelnde demokratischeegitimation der so genannten Level-3-Committees imahmen des Lamfalussy-Verfahrens. In Deutschland ha-en wir ein gutes Forum geschaffen, auf dem gemein-ame Aufsichtsstandards entwickelt werden. So mussie Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen bezüglichhrer Mitarbeit in den Level-3-Ausschüssen dem Bun-esministerium der Finanzen berichten, welches wie-erum dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestagesericht erstattet. Langfristig muss aber ein demokratischegitimiertes System einer europäischen Finanzaufsichttabliert werden, das Aufsichtskonvergenz garantiert.Der vorliegende Antrag ist mit allen vorgetragenenrundsätzen und Überlegungen insgesamt ein würdigesrbeitsprogramm für die EU-Finanzmarktintegrationnd die Rolle Deutschlands in diesem Prozess. Es ist da-er schade, dass dieser Antrag von Rot-Grün nicht ein-timmig von allen Fraktionen dieses Hauses verabschie-et werden kann.
leichwohl ist der Tag der Einbringung unseres Antragsin guter Tag für Deutschland und, ich denke, auch einuter Tag für Europa.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Leo Dautzenberg, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Krüger, all das,as Sie vorgetragen haben, war in der Tat Inhalt unseresemeinsamen Antrages. Aber gerade die kritischenunkte, die dazu geführt haben, dass Ihre Partei und die
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Leo DautzenbergGrünen ausgestiegen sind, haben Sie im Grunde genom-men nicht erwähnt und erläutert.
Vielmehr haben Sie nur darauf abgestellt, was wir bis zueinem bestimmten Zeitpunkt gemeinsam erarbeitet hat-ten. Dass wir heute über zwei unterschiedliche Anträgediskutieren, zeigt, wie kaputt die rot-grüne Koalitionwirklich ist. Es herrschen Chaos, Konzeptionslosigkeitund Konfusion.
Das sieht man an der Entstehungsgeschichte der beidenvorliegenden Anträge.Lieber Herr Kollege Krüger, man kann das, was Siezu den einzelnen Schwerpunkten unserer beiden Anträgevorgetragen haben, voll unterstützen.
Bis vor zwei Wochen gab es nämlich einen gemeinsa-men Antrag der Fraktionen. Er beruhte insbesondereauch auf umfassenden Vorarbeiten der Union. Wir füh-len uns natürlich geehrt, wenn Sie in der Einleitung zuIhrem Antrag davon sprechen, er stelle geradezu eineMagna Charta für den europäischen Finanzmarkt dar.Vielen Dank.
Sie aber haben die Umsetzung erschwert und sind vonder eigenen Fraktion über den Tisch gezogen worden,
als es darum ging, die Bestimmungen zum Verbraucher-schutz neu zu formulieren.
Wie war jetzt die zeitliche Abfolge? Unser Antrag„Europäische Finanzmärkte – Integration durch Wettbe-werb und Vielfalt voranbringen“ stammt vom letztenJahr. Am 16. Dezember 2004 gab es darüber im Plenumdie erste Debatte. Trotz des inkompetenten Vortrages Ih-res Kollegen Pronold waren wir bereit, gemeinsame Be-richterstattergespräche zu führen, die man normaler-weise nach dem Vortrag des Kollegen Pronold so nichtgeführt hätte. Ziel der Berichterstattergespräche war es,gemeinsame Positionen des Deutschen Bundestages zumWohle des Finanzplatzes Deutschland in einem inte-grierten Finanzplatz Europa zu formulieren; denn Fi-nanzmarktgesetzgebung war für uns Volkswirtschaftlerimmer sehr bedeutend und ist nach unserer Auffassungnicht für den politischen Streit geeignet. Dieser Vorstel-lung haben wir in der Vergangenheit, wenn auch manch-mal nach langem Ringen, immer entsprochen. Im Zusammenhang mit der Finanzmarktgesetzge-bung will ich auch einmal die Mitarbeiter des Bundes-finanzministeriums und die Kollegen von SPD und Grü-nen loben, die dazu beigetragen haben, dass wir diesengdgnbWmSESeVutAsdsuuduuLihmdsugwctFVsdbdsdNIws
iebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, Sie sindm Grunde fast schon zu bedauern, dass dies so gesche-en ist.Zwei weitere Punkte möchte ich in diesem Zusam-enhang noch festhalten: Erstens. Wir werden uns fürie kommende Legislaturperiode merken, dass die Zu-ammenarbeit bei Finanzmarktthemen von Ihrer Seitennötigerweise aufgekündigt worden ist.
Zweitens ist es schon ein Bubenstück, wenn man denesamten Antrag, der überwiegend von uns konzipiertorden ist, übernimmt und nur bei den Themenberei-hen Verbraucherschutz, Hedgefonds und Bankenstruk-ur Verschärfungen vornimmt.
Es ging darum, dass wir ein – das ging mit auf Ihreormulierung zurück, Herr Krüger – angemesseneserbraucherschutzniveau haben wollen, weil wir wis-en, dass zwischen Anbieter und Nachfrager ein gesun-er Interessenausgleich bestehen muss. Je höher der Ver-raucherschutz angesiedelt wird, desto teurer wird er füren Verbraucher. Wenn Sie da so hohe Hürden aufbauen,chließen Sie von vornherein automatisch Produkte aus,ie es für die Verbraucher sonst auf dem Markt gäbe.icht akzeptabel ist „hohes Verbraucherschutzniveau“.hre Verbraucherschützer mögen damit zufrieden gestelltorden sein; aber das kann an sich nur eine hohle Phraseein.
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Leo DautzenbergZweitens zur Konsolidierung des Bankenmarktes.Wir haben klar postuliert, dass unsere Bankenstruktur– das berühmte Dreisäulenmodell – in der Vergangenheitsehr positiv, auch international, auf unsere Volkswirt-schaft gewirkt hat. Ebenso haben wir postuliert, dasssich die Politik, was die zukünftige Struktur anbelangt,hier sehr reserviert verhalten sollte. Nicht die Politiksollte hier maßgebend sein, sondern die Strukturen müs-sen sich bei den Banken selber und über die Eigentümerentwickeln. Als Bund haben wir in Bezug auf die Ban-kenstruktur vom rechtlichen Rahmen her auch nur dieMöglichkeit, über § 40 KWG, wo es um den Schutz derSparkassen von der Bezeichnung her geht, Einfluss zunehmen. Sonst ist diese eine Säule, der öffentliche Be-reich, zum größten Teil Länderrecht. Dieses Recht ist inden Bundesländern unterschiedlich ausgeprägt. DieEigentümer der Institutionen sollten von sich aus überStrukturveränderungen befinden. Da sollte sich die Poli-tik tunlichst nicht einmischen.Wenn Sie diese Position streichen, dann bekunden Siedamit, dass Sie doch politisch Einfluss auf die zukünf-tige Struktur nehmen wollen. Es ist für uns eine Grund-satzfrage, wenn solche Veränderungen in einem bishergemeinsamen Papier vorgenommen werden sollen. Des-halb kann das von unserer Seite nicht gutgeheißen undmitgetragen werden.Dann fordern Sie, dass manche Produkte und mancheVorhaben im Bankenbereich einer stärkeren Aufsichtunterzogen werden. Wir haben die BaFin als Allfinanz-aufsicht.
Sie ist geschaffen worden, um den gesamten Finanz-markt Deutschlands – den Bankenbereich, den Versiche-rungsbereich, den Wertpapierbereich – zu beaufsichti-gen. Was wollen Sie da – nach all den Diskussionen, diewir, gerade auch in Bezug auf die BaFin, geführt haben,bis hin zu Fachgesprächen mit Vertretern der Kreditwirt-schaft und der BaFin, nach allem, was in dem Bereichschon erreicht worden ist – an Aufsicht noch toppen?Teilweise muss man eher feststellen, dass für die Ent-wicklung der Märkte schon zu viel Regulierung existiert.Der dritte Punkt betrifft die Hedgefonds. Mit Rechthaben Sie darauf hingewiesen – deshalb kann ich dasrelativ kurz machen –, dass wir den Bereich derHedgefonds mit dem Investmentmodernisierungsgesetznational rechtlich gut geregelt haben. Es war immer dasBestreben sowohl der Kreditwirtschaft, der Finanz-marktseite, als auch – durch konstruktives Handeln – desBundesfinanzministeriums, hier eine gemeinsameGrundlage zu finden. Wenn jetzt wieder mehr Regulie-rung verlangt wird, dann wäre es sinnvoll, wenn der HerrBundeskanzler sich dafür einsetzen würde, den Maßstab,den wir jetzt national gefunden haben, zumindest aucheuropaweit und sogar international einzuführen. Dasmuss unser allgemeines Anliegen sein und nicht mehrRegulierung auf nationaler Ebene, was Sie mit Ihren Än-derungen erreichen wollen. Das wäre der falsche Weg.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-äß dem Titel des vorliegenden Antrags muss es unseremeinsames Ziel sein, Integration durch Wettbewerbnd Vielfalt der europäischen Finanzmärkte voranzu-ringen. Wie ich Ihren Ausführungen entnehme, bestehtierüber noch immer Einigkeit, auch wenn die intensi-en Bemühungen aller Mitwirkenden letztendlich nichtu einem interfraktionellen Antrag geführt haben, wasch persönlich bedauere.
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Jutta Krüger-Jacob
Nicht zuletzt wegen einer gemeinsamen Zielsetzungkonnten gemäß dem 1999 verabschiedeten EU-Aktions-plan für Finanzdienstleistungen bislang mehr als zweiDrittel der Maßnahmen zur Integration der europäischenFinanzmärkte abgearbeitet werden. Auch mit der Umset-zung in nationales Recht liegen wir sehr gut im Zeitplan:Wir haben die Hälfte der Vorhaben hierzu im deutschenRecht implementiert; der Rest ist in Bearbeitung.Die europäischen Finanzmärkte zählen zu den führen-den und leistungsfähigsten der Welt, auch wenn dierechtliche und tatsächliche Integration noch Divergen-zen zeigt. Noch immer kann sich kaum ein Bürgervorstellen, eine nicht deutsche Lebens-, Unfall- oderHaftpflichtversicherung abzuschließen oder für seineBaufinanzierung ein ausländisches Produkt auszuwäh-len. Es wird unsere Aufgabe sein, diese Lücke durchFörderung von Transparenz zu schließen.Wir müssen den Implementierungsprozess vorantrei-ben, weitere Hemmnisse beseitigen, gesetzliche Rege-lungen vereinfachen und dabei den Anlegerschutz stär-ken. Die deutsche Finanzwirtschaft hat aufgrund derGröße der nationalen Volkswirtschaft, der modernentechnischen Infrastruktur und der gut ausgebildeten Mit-arbeiter beste Voraussetzungen, um neue Standards inEuropa entscheidend mitzubestimmen.Der Finanzmarkt ist ein Schlüsselfaktor für Wachs-tum und Arbeitsplätze unserer Volkswirtschaft. Trotz-dem besitzt Deutschland vor allem im Bereich derFinanzdienstleistungen noch Wachstumspotenzial: Dasdurchschnittliche Finanzvermögen pro Haushalt beträgtbei uns 37 000 Euro, während es in den Niederlandenbei 67 000 Euro und in Großbritannien bei 93 000 Euroliegt.
Angesichts der Bevölkerungsentwicklung in Deutsch-land und der dadurch bedingten voraussichtlich zurück-gehenden Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungs-systeme wird auch hier eine höhere individuelleSparleistung nötig werden.Bedarf besteht ebenso für die Unternehmen, die denWandel vollziehen müssen, weg vom klassischen Bank-kredit hin zu einer stärker kapitalmarktorientierten Un-ternehmensfinanzierung. Die Marktkapitalisierung ist inDeutschland bei weitem nicht so fortgeschritten wie inanderen europäischen Ländern. Mit derzeit lediglich39 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegen wir zumBeispiel weit hinter Spanien mit 76 Prozent.Bei all unseren Bemühungen müssen wir stets auchdie Interessen des einzelnen Bürgers im Auge behalten.Quasi jeder von uns ist vom Finanzmarkt betroffen, seies als Arbeitnehmer, Aktionär, Bankkunde oder Versi-cherungsnehmer, sei es beim Aufbau von Vermögen fürInvestitionen oder die Altersvorsorge. Gemessen an derBedeutung der Märkte für den einzelnen Bürger müssenwAdgksswnusfAheamasmpfDFdZSligsAbseininSVV
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Volker Wissing
ür die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ass Rot-Grün heute den Antrag zu den europäischeninanzmärkten gegen die Stimmen der Opposition inen Deutschen Bundestag einbringt, sagt viel über denustand der Regierungskoalition aus.
eit Beginn der Kapitalismusdebatte wird der finanzpo-tische Sachverstand von Rot-Grün immer mehr zurück-edrängt. Ich darf daran erinnern: Wir hatten ein abge-timmtes Papier.
lle Fraktionen im Finanzausschuss waren sich einig,is Ihre Verbraucherschützer über das Papier hergefallenind.
Es ist doch geradezu bezeichnend, dass das Leitbildines mündigen Verbrauchers, der sich selbstständigformieren und eigenverantwortlich entscheiden kann, Ihrem Antrag nicht mehr vorkommt. Das Leitbild vonPD und Grünen ist doch offenbar nicht der mündigeerbraucher, sondern der von Rot-Grün bevormundeteerbraucher. Rot-grüner Verbraucherschutz gaukelt den
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Dr. Volker WissingMenschen eine Sicherheit vor, die es auf den Finanz-märkten nicht gibt. Ihr Verbraucherschutz ist kontrapro-duktiv.Sie haben den Hinweis gestrichen, dass sich die Bür-gerinnen und Bürger selbstständig informieren und ei-genverantwortlich entscheiden müssen. Ich frage mich:Was haben Sie eigentlich für ein Bild von den Menschenin unserem Land?
Kein staatliches Handeln kann Eigenverantwortung undmündige Entscheidungen der Bürgerinnen und Bürgerersetzen.
Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis sich dieseErkenntnis bei Ihnen endlich durchsetzt.Für die FDP steht Verbraucherschutz – wie beiIhnen – im Vordergrund. Aber er besteht für uns nichtdarin, gebetsmühlenartig das Wort Verbraucherschutz zuwiederholen und in Anträge zu schreiben. Wer für dieVerbraucher etwas tun möchte, muss sie offensiv infor-mieren und auf Gefahren hinweisen.Auch an anderer Stelle sind Ihre Änderungen bemer-kenswert. Es war unter den Finanzpolitikern aller Frak-tionen Konsens, dass Konsolidierungsprozesse auf denFinanzmärkten – Herr Kollege Dautzenberg hat dasThema schon angesprochen – eine Voraussetzung fürWachstum und neue Arbeitsplätze sind. Wir waren unsauch einig, dass diese Prozesse von der Politik nicht be-hindert werden sollten. Auch diesen Satz kann ich in Ih-rem Antrag nicht mehr finden.Was soll denn das für ein Signal sein? Planen Sie In-terventionen à la Holzmann auf den europäischen Fi-nanzmärkten? Wir sind gespannt, wie Sie Konsolidie-rungsprozesse in diesem Bereich aufhalten wollen. Miteinem neuen Staatsinterventionismus werden Sie keineArbeitsplätze schaffen. Wachstum erreicht man mit demMarkt und nicht gegen den Markt.
Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, mag zwar zu der Heuschreckenrhetorik passen,die Sie in die politische Debatte gebracht haben. Er istaber kein mutiger Schritt nach vorne. Er ist ein Schrittzurück. Er ist kein Schritt hin zu einem wettbewerbsfähi-gen Finanzplatz Europa. Deswegen haben nicht Sie,Herr Kollege Krüger, die Magna Charta eingebracht,sondern die CDU/CSU und die FDP.
Ihr Antrag ist Ausdruck rot-grünen Bedenkenträgertums.
– Wir haben die Menschen nicht vergessen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die An-räge der Opposition und der Koalition stimmen in wei-en Teilen überein; das ist richtig. An einigen Punktenehen die Forderungen an den europäischen Finanz-arkt jedoch deutlich auseinander.
Wir wollen im Gegensatz zur Opposition auf EU-bene ein hohes Verbraucherschutzniveau schaffen.
ir werden auf keinen Fall zulassen, dass gute Stan-ards in Deutschland dem Ziel eines gemeinsameninanzmarktes geopfert werden.
Warum ist eine gute Verbraucherpolitik in Europaichtig?Erstens. Verbraucherschutz fördert den Wettbewerb.r macht die Vorgänge auf dem Markt transparent underständlicher. Unseriöse Anbieter haben dann deutlicheringere Chancen.Zweitens. Von einem gemeinsamen Finanzmarkt fürie Menschen in Europa sind wir noch weit entfernt.renzüberschreitende Angebote werden nur zögerlichahrgenommen. Warum? Es fehlt das Vertrauen. Wennich die Menschen darauf verlassen können, dass überalln der EU das gleiche hohe Verbraucherschutzniveauilt, wird sich das Vertrauen in den gesamten Binnen-arkt zum Nutzen aller entwickeln.EU-weite Finanzdienstleistungen sind deshalb bei unserbraucherschutzpolitikerinnen und -politiker in denokus gerückt. Wir haben wichtige Pflöcke eingeschla-en, um Transparenz, Vergleichbarkeit und Informa-ionsmöglichkeiten für Verbraucherinnen und Verbrau-her zu verbessern. Ich nenne als Beispiele dieichtlinien zum Fernabsatz von Finanz- und Wertpapier-ienstleistungen.
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Gabriele Hiller-Ohm
Hier wurden klare Verfahrensregeln und Informations-pflichten europaweit eingeführt. Diesen Weg werden wirweiterverfolgen.Zum Thema Hedgefonds. Bundeskanzler GerhardSchröder und Franz Müntefering haben es deutlich ge-macht: Mächtige Spekulanten gefährden unsere sozialeMarktordnung.
Hedgefonds spielen in diesem Zusammenhang eine zen-trale Rolle. Über ihre Sonderrechte können sie mit wenigEigenkapital große Summen an Fremdkapital bewegen.Weltweit verwalten mehr als 8 000 Hedgefonds etwa1 Billion Dollar. Die Kapitalmenge von Hedgefondsnimmt schnell Größenordnungen an, mit denen dieFonds den gesamten Finanzmarkt beeinflussen und Un-ternehmen durch Aktienkäufe unterwandern können.Das passiert auch. Ich nenne ein Beispiel: Hedge-fonds und andere Spekulanten haben sich in das deut-sche Industrieunternehmen IWKA, ein gesundes Unter-nehmen mit rund 15 Prozent Kapitalrendite, eingekauftund den Vorstand zum Rücktritt gezwungen.
Geplant ist nun eine weitreichende Zerschlagung derUnternehmensstruktur, und dies, obwohl das Unterneh-men Gewinn gemacht hat. Was dies für die Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter bedeutet, kann man sich sehr leb-haft vorstellen.Die große Gefahr ist die Intransparenz, mit der sichdie Fonds auf dem Markt bewegen. Deshalb ist es rich-tig, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder die Offenle-gungspflichten für Hedgefonds europaweit und interna-tional verschärfen will.
Konkret heißt dies, dass Meldepflichten bei der Aktien-leihe und beim Erwerb wesentlicher Beteiligungen anAktienunternehmen eingeführt werden sollen. Wir unter-stützen dies mit unserem Antrag.In den USA, dem Land des „ungezügelten Kapitalis-mus“,
ist man da übrigens schon ein Stück weiter. Dort gibt esdiese Meldepflichten bereits. Bei Hedgefonds sind alsonicht die USA, sondern ist die EU der unregulierteMarkt. Das, meine Damen und Herren, muss sichschnellstens ändern – im Interesse europäischer Unter-nehmen, europäischer Arbeitsplätze und des europäi-schen Finanzmarktes. Deshalb haben wir unseren Antrageingebracht. Sie, meine Damen und Herren von der Op-pmnemAG„wASAFsmrhaDCNrKwnAasaw1)
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zu den Abstimmungen. Jetzt können wirinmal sehen, wer welchen Empfehlungen zum Abstim-ungsverhalten folgt.Zusatzpunkt 3 a: Wir stimmen zunächst ab über denntrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Dierünen auf Drucksache 15/5679 mit dem TitelEuropäische Finanzmärkte – Integration durch Wettbe-erb und Vielfalt voranbringen“. Wer stimmt für diesenntrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich dertimme? – Das Erste war die Mehrheit. Damit ist derntrag angenommen.Zusatzpunkt 3 b: Abstimmung über den Antrag derraktionen von CDU/CSU und FDP auf Druck-ache 15/5677 mit dem Titel „Europäische Finanz-ärkte – Integration durch Wettbewerb und Vielfalt vo-anbringen“. Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer ent-ält sich? – Wer stimmt dagegen? – Der Antrag istbgelehnt.Ich rufe nun den Zusatzpunkt 4 auf:Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherungder nachhaltigen Finanzierung der Versor-gung sowie zur Änderung dienstrechtlicher
– Drucksache 15/5672 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOHierzu war eine halbstündige Debatte vorgesehen.ie Kolleginnen und Kollegen Siegmund Ehrmann,lemens Binninger, Hannelore Roedel, Silke Stokar voneuforn und Dr. Max Stadler sowie für die Bundesregie-ung der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolförper geben ihre Reden zu Protokoll.1)Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 15/5672 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse und zusätzlich an denusschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-bschätzung vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vor-chläge? Dies ist eine der letzten Gelegenheiten, Streitnzufangen. – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Über-eisung so beschlossen. Anlage 15
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17052 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 180. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Juni 2005
(C)
(D)
Vizepräsident Dr. Norbert LammertWir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-ordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf morgen, Donnerstag, den 16. Juni, 9 Uhr,ein.Ich wünsche Ihnen allen und auch den Gästen auf derBesuchertribüne noch einen schönen Abend.Die Sitzung ist geschlossen.