Protokoll:
15172

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 172

  • date_rangeDatum: 21. April 2005

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:28 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/172 Tagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Klaus Brandner, Dr. Michael Bürsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Albert Schmidt (Ingol- stadt), Anja Hajduk, Volker Beck (Köln), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Investi- tionskräfte stärken – Neue Impulse für Wachstum und Beschäftigung (Drucksache 15/5340) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Fraktion der CDU/CSU: Für eine (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Infrastrukturinvestitio- nen erhöhen – Neue Wege bei Finanzierung und Betrieb der Bundesfernstraßen (Drucksache 15/5338) . . . . . . . . . . . . . . . . . . in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Rainer Brüderle, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Vor- fahrt für Arbeit – Der Weg nach vorne für Deutschland und Europa (Drucksache 15/5339). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16047 B 16047 C 16047 D Deutscher B Stenografisch 172. Sitz Berlin, Donnerstag de I n h a l Glückwünsche an Papst Benedikt XVI. zu seiner Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begrüßung der Präsidentin des griechischen Parlaments, Frau Professor Anna Benaki . . . Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordne- ten Erika Simm und Ekin Deligöz . . . . . . . . . Wahl der Abgeordneten Horst Schmidbauer (Nürnberg) und Dorothee Mantel in den Stif- tungsrat der Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen“ Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absetzung des Tagesordnungspunktes 21 . . . Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . in Z A b w C d le ( in Z A 16045 A 16045 B 16045 B, 16116 D 16045 C 16045 C 16046 D 16046 D nationale Kraftanstrengung – Pakt für Deutschland umsetzen (Drucksache 15/5322) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16047 C undestag er Bericht ung n 21. April 2005 t : Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 3: ntrag der Abgeordneten Dirk Fischer (Ham- urg), Dietrich Austermann, Eduard Oswald, eiterer Abgeordneter und der Fraktion der DU/CSU: Notwendige Investitionen in die eutsche Verkehrsinfrastruktur bereitstel- n Drucksache 15/5325) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 4: ntrag der Abgeordneten Horst Friedrich 16047 C Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16048 A II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Andreas Pinkwart (FDP) . . . . . . . . . . . . . Klaus Brandner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dietrich Austermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eduard Oswald (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Hartmut Schauerte (CDU/CSU) . . . . . . . . Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Uwe Beckmeyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Schäuble, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die NATO auf die neuen Gefahren ausrichten (Drucksachen 15/44, 15/324) . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Schäuble, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: 50 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft würdi- gen, sich zur NATO bekennen und sie stärken (Drucksache 15/5323) . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Friedbert Pflüger (CDU/CSU) . . . . . . . . . Markus Meckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günther Friedrich Nolting (FDP) . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . Hans Martin Bury, Staatsminister für Europa Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . T a b c d e f g Z a b 16049 D 16052 A 16054 A 16055 D 16057 C 16059 C 16061 A 16062 C 16063 B 16064 D 16065 C 16067 A 16069 A 16070 D 16071 A 16071 A 16074 A 16076 C 16078 C 16080 D 16081 A 16081 C 16083 D 16085 D 16087 B agesordnungspunkt 24: ) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Vier- zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksache 15/5316) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Kontrolle hochradioaktiver Strahlenquellen (Drucksache 15/5284) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Eberhard Otto (Godern), Joachim Günther (Plauen), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Wei- tere Monopolisierung im Schienengü- terverkehr stoppen (Drucksache 15/4947) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Birgit Homburger, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ausbau der Schienen- magistrale Paris–Karlsruhe–Stuttgart– München–Budapest (Drucksache 15/5041) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Eberhard Otto (Godern), Joachim Günther (Plauen), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion der FDP: Logis- tikstandort Deutschland stärken (Drucksache 15/5044) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Bundesregierung: Einwilligung gemäß § 12 Abs. 3 des Hochschulbauför- derungsgesetzes in die Verwendung von Bundesmitteln für die Gemeinschafts- aufgabe Hochschulbau für die gemein- same Forschungsförderung nach Art. 91 b des Grundgesetzes (Drucksache 15/5170) . . . . . . . . . . . . . . . ) Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/ CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN und der FDP: Kapitalprivatisie- rung der Deutschen Flugsicherung abschließen (Drucksache 15/5342) . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 6: ) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenver- kehrsgesetzes und anderer straßenver- kehrsrechtlicher Vorschriften (Drucksache 15/5315) . . . . . . . . . . . . . . . ) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- 16089 C 16089 C 16089 C 16089 D 16089 D 16089 D 16090 A 16090 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 III NEN eingebrachten Entwurfs eines Ers- ten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüber- führungsgesetzes (Drucksache 15/5314) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Arnold Vaatz, Ulrich Adam, Günter Baumann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungs- gesetzes (Drucksache 15/5319) . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 25: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem OCCAR-Geheimschutzübereinkommen vom 24. September 2004 (Drucksachen 15/4979, 15/5311) . . . . . . . b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei (Drucksachen 15/5217, 15/5365) . . . . . . . c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Finanz- und Personalstatistikgesetzes sowie des Hochschulstatistikgesetzes (Drucksachen 15/5215, 15/5366) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Ent- schließungsantrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Jochen Borchert, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU) zu der Ab- gabe einer Erklärung der Bundesregie- rung: Zukunft sichern – Globale Armut bekämpfen (Drucksachen 15/923, 15/1190) . . . . . . . . e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Peter Weiß (Em- mendingen), Dr. Christian Ruck, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Menschen mit Behinderung in Entwicklungszu- sammenarbeit einbeziehen (Drucksachen 15/2968, 15/4994) . . . . . . . f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bun- g Z a b c Z A d a u n D F D W H G D C D M G N 16090 A 16090 B 16090 C 16090 C 16090 D 16091 A 16091 B destages – hier: § 96 a (Verfahren nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz) (Drucksache 15/5245) . . . . . . . . . . . . . . . ) – j) Beschlussempfehlungen des Petitionsaus- schusses: Sammelübersichten 197, 198, 199 und 200 zu Petitionen (Drucksachen 15/5260, 15/5261, 15/5262, 15/5263) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 13: ) Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt- lungsausschuss) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 15/4638, 15/4744, 15/4923, 15/5344) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt- lungsausschuss) zu dem Gesetz zur Än- derung des Apothekengesetzes (Drucksachen 15/4293, 15/4643, 15/4749, 15/4916, 15/4920, 15/5345) . . . . . . . . . . . ) Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermitt- lungsausschuss) zu dem Gesetz zur Rege- lung bestimmter Altforderungen (Alt- forderungsregelungsgesetz – AFRG) (Drucksachen 15/4640, 15/4963, 15/5177, 15/5346) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 7: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er FDP: Haltung der Bundesregierung zu ktuellen Äußerungen der SPD-Fraktions- nd -Parteispitze zu Wirtschaftsinvestitio- en in Deutschland r. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . ranz Müntefering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . agmar Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . erner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . artmut Schauerte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . erd Andres, Parl. Staatssekretär BMWA . . . r. Andreas Pinkwart (FDP) . . . . . . . . . . . . . hristine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . ichael Müller (Düsseldorf) (SPD) . . . . . . . erald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . ina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16091 C 16091 D 16092 A 16092 B 16092 C 16092 D 16094 A 16095 C 16096 D 16098 B 16099 C 16101 C 16102 D 16104 A 16105 A 16106 D 16107 D IV Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Dr. Hermann Kues (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dr. Rainer Wend (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 5: a) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Nationaler Aktionsplan für ein kinder- gerechtes Deutschland 2005 bis 2010 (Drucksache 15/4970) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Kerstin Griese, Rita Streb-Hesse, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abge- ordneten Ekin Deligöz, Jutta Dümpe- Krüger, Irmingard Schewe-Gerigk, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Zukunft unseres Landes sichern – Ein kindergerechtes Deutschland schaffen (Drucksache 15/5341) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antrag der Abgeordneten Marlene Rupprecht (Tuchenbach), Angelika Graf (Rosenheim), Kerstin Griese, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Ekin Deligöz, Jutta Dümpe-Krüger, Volker Beck (Köln), wei- terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Kin- derrechte in Deutschland stärken – Er- klärung zur UN-Kinderrechtskonven- tion zurücknehmen (Drucksache 15/4724) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Rainer Funke, Klaus Haupt, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Rücknahme der Vorbehaltserklärung Deutschlands zur Kinderrechtskonven- tion der Vereinten Nationen (Drucksache 15/2419) . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Schmidt, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Klaus Haupt (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . Ingrid Fischbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . Dorothee Mantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Angela Schmid (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . T A B G t d b a V e ( D M D F D D T B w d d s d u ( 1 D D K H D C D T A ( M t d m I v ( G H D 16109 A 16110 B 16111 C 16111 B 16111 D 16112 A 16112 B 16114 B 16116 D 16117 B 16119 A 16120 B 16120 D 16122 A 16123 A 16123 D 16124 A 16125 C agesordnungspunkt 6: ntrag der Abgeordneten Dr. Christoph ergner, Dr. Friedbert Pflüger, Hermann röhe, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der CDU/CSU: Gedenken anlässlich es 90. Jahrestages des Auftakts zu Vertrei- ungen und Massakern an den Armeniern m 24. April 1915 – Deutschland muss zur ersöhnung zwischen Türken und Armeni- rn beitragen Drucksache 15/4933) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . arkus Meckel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . ritz Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Friedbert Pflüger (CDU/CSU) . . . . . . . . . ietmar Nietan (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 7: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- ärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung urch die Bundesregierung: Bericht der Bun- esregierung zur Zusammenarbeit zwi- chen der Bundesrepublik Deutschland und en Vereinten Nationen in den Jahren 2002 nd 2003 Drucksachen 15/4481, 15/4903 Nr. 1, 5/5144) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Christoph Zöpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . r. Klaus Rose (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . erstin Müller, Staatsministerin AA . . . . . . . arald Leibrecht (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . etlef Dzembritzki (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . laudia Nolte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . r. Conny Mayer (Freiburg) (CDU/CSU) . . . agesordnungspunkt 15: ntrag der Abgeordneten Gerald Weiß Groß-Gerau), Uwe Schummer, Dr. Michael eister, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der CDU/CSU: Mehr Gerechtigkeit urch soziale Kapitalpartnerschaft – Rah- enbedingungen für Vermögensbildung, nvestivlöhne und Mitarbeiterbeteiligung erbessern Drucksache 15/5104) . . . . . . . . . . . . . . . . . . erald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU) . . . . orst Schild (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . irk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16127 B 16127 C 16128 D 16130 C 16131 B 16132 D 16134 B 16136 A 16136 B 16138 A 16139 C 16141 B 16142 A 16143 B 16144 C 16145 C 16145 D 16146 C 16148 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 V Christine Scheel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) . . . . . . Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Johannes Pflug, Detlef Dzembritzki, Monika Heubaum, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Fritz Kuhn, Marianne Tritz, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Kambodscha (Drucksache 15/5256) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Markus Löning, Dr. Werner Hoyer, Dr. Karl Addicks, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Die Demokratie in Kambodscha wiederherstellen (Drucksache 15/5071) . . . . . . . . . . . . . . . . Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-Jürgen Hedrich (CDU/CSU) . . . . . . . . Jürgen Koppelin (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Eppelmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von den Abge- ordneten Ernst Burgbacher, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23) zur Einführung ei- nes Volksentscheids über eine europäische Verfassung (Drucksachen 15/2998, 15/4796) . . . . . . . . . . Dr. Michael Bürsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Kristina Köhler (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Peter Gauweiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Burgbacher (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Altmaier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . T Z d G 2 u t l d l 2 z ( T B s r S M t w s ( i Z E C s s ( W G D P D T Z d N W ( T a 16149 C 16150 D 16152 A 16152 B 16152 B 16153 C 16154 C 16155 A 16156 A 16156 C 16157 D 16158 A 16158 C 16160 C 16162 A 16163 B 16163 D 16164 B 16165 C agesordnungspunkt 11: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines esetzes zur Umsetzung der Richtlinie 003/71/EG des Europäischen Parlaments nd des Rates vom 4. November 2003 be- reffend den Prospekt, der beim öffent- ichen Angebot von Wertpapieren oder bei eren Zulassung zum Handel zu veröffent- ichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umset- ungsgesetz) Drucksachen 15/4999, 15/5219, 15/5373) . . agesordnungspunkt 12: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für Gesundheit und Soziale Siche- ung zu dem Antrag der Abgeordneten Horst eehofer, Andreas Storm, Annette Widmann- auz, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der CDU/CSU: Wirkungen und Neben- irkungen des GKV-Modernisierungsge- etzes – Kritische Bestandsaufnahme Drucksachen 15/4135, 15/5364) . . . . . . . . . . n Verbindung mit usatztagesordnungspunkt 8: rste Beratung des von der Fraktion der DU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Ge- etzes zur Sicherung der Arzneimittelver- orgung bei Kindern und Jugendlichen Drucksache 15/5318) . . . . . . . . . . . . . . . . . . olfgang Zöller (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . udrun Schaich-Walch (SPD) . . . . . . . . . . . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . r. Dieter Thomae (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . etra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . r. Erika Ober (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 13: weite und dritte Beratung des von der Bun- esregierung eingebrachten Entwurfs eines eunten Gesetzes zur Änderung des ohngeldgesetzes Drucksachen 15/4977, 15/5309, 15/5310) . . agesordnungspunkt 14: ) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dietrich Austermann, 16167 A 16167 B 16167 C 16167 C 16169 B 16170 B 16171 B 16171 A 16171 D 16173 C 16174 D VI Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Steffen Kampeter, Ilse Aigner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU: Konversionsregionen stärken – Verbilligte Abgabe von zu Verteidi- gungszwecken nicht mehr benötigten Liegenschaften ermöglichen (Drucksachen 15/4531, 15/4767) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Anita Schäfer (Saalstadt), Karl- Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Konver- sionsregionen stärken – Sechs-Punkte- Plan zur Strukturpolitik (Drucksachen 15/4029, 15/4789) . . . . . . . c) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Bernhard Brinkmann (Hil- desheim), Ernst Bahr (Neuruppin), Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Abgeord- neter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Anja Hajduk, Volker Beck (Köln), Alexander Bonde, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN: Bewältigung der Konversionslasten durch gemeinsame Anstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen (Drucksachen 15/4520, 15/4766) . . . . . . . d) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Helga Daub, Angelika Brunkhorst, Günther Friedrich Nolting, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Hilfe durch den Bund für die von Reduzierung und Schließung be- troffenen Bundeswehrstandorte ist un- verzichtbar (Drucksachen 15/1022, 15/4768) . . . . . . . Tagesordnungspunkt 8: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz und Reak- torsicherheit zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr. Rolf Bietmann, Kurt-Dieter Grill, Dr. Peter Paziorek, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Keine weitere Verzögerung in der Frage der Entsorgung nuklearer Abfälle (Drucksachen 15/3492, 15/4889) . . . . . . . . . . Martina Eickhoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Bietmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Horst Kubatschka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt-Dieter Grill (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . T B a – – ( R G W D E Z B s u o K g g C A s ( ( t B m w ( Z A ( P t k 16175 A 16175 B 16175 C 16175 C 16176 A 16176 B 16177 D 16179 D 16181 A 16182 B agesordnungspunkt 16: eschlussempfehlung und Bericht des Sport- usschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Reinhold Hemker, Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion der SPD so- wie der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck (Köln), Michaele Hustedt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Sportförderung in den auswärtigen Kulturbeziehungen ausbauen zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus Riegert, Peter Letzgus, Günter Nooke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Sportförderung des Bun- des im Ausland stärken und als Teil der auswärtigen Kulturpolitik begreifen Drucksachen 15/1879, 15/2575, 15/4691) . . einhold Hemker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . erlinde Kaupa (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . infried Hermann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etlef Parr (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . berhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 9: eschlussempfehlung und Bericht des Aus- chusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit nd Entwicklung zu dem Antrag der Abge- rdneten Dagmar Schmidt (Meschede), Karin ortmann, Detlef Dzembritzki, weiterer Ab- eordneter und der Fraktion der SPD, der Ab- eordneten Christa Reichard (Dresden), Dr. hristian Ruck, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer bgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU owie der Abgeordneten Undine Kurth Quedlinburg), Thilo Hoppe, Volker Beck Köln), weiterer Abgeordneter und der Frak- ion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: iologische Vielfalt schützen und zur Ar- utsbekämpfung und nachhaltigen Ent- icklung nutzen Drucksachen 15/4661, 15/5337) . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 10: ntrag der Abgeordneten Dr. Conny Mayer Freiburg), Dr. Christian Ruck, Dr. Friedbert flüger, weiterer Abgeordneter und der Frak- ion der CDU/CSU: Togos Weg in die Demo- ratie unterstützen – Afrikanische Union 16184 A 16184 B 16186 A 16187 B 16188 B 16189 A 16190 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 VII (AU) und ECOWAS beim Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechts- staatlichkeit unterstützen (Drucksache 15/5324) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Petra Pau und Dr. Gesine Lötzsch (beide frak- tionslos) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Umbenennung des Bun- desgrenzschutzes in Bundespolizei (Tagesord- nungspunkt 25 b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des See- mannsgesetzes und anderer Gesetze (Zusatz- tagesordnungspunkt 13 a) . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23) zur Einführung eines Volksentscheids über eine europäische Verfas- sung (Tagesordnungspunkt 10) Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öf- fentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffent- lichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umsetzungs- gesetz) (Tagesordnungspunkt 11) Nina Hauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Patricia Lips (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D D A Z d d n W G R F J I A Z d – – ( B A A W G A Z d d ( W M A Z d 16191 A 16191 C 16191 C 16193 A 16193 B 16194 A 16194 A 16194 C 16195 A 16196 D r. Volker Wissing (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . r. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 6 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Än- erung des Wohngeldgesetzes (Tagesord- ungspunkt 13) olfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . ero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . enate Blank (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . ranziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . oachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . ris Gleicke, Parl. Staatssekretärin BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 7 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung er Anträge: Konversionsregionen stärken – Verbil- ligte Abgabe von zu Verteidigungszwe- cken nicht mehr benötigten Liegenschaf- ten ermöglichen Konversionsregionen stärken – Sechs- Punkte-Plan zur Strukturpolitik Tagesordnungspunkt 14 a und b) ernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD) . . . nita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . lexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . infried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . udrun Kopp (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 8 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Keine weitere Verzögerung in er Frage der Entsorgung nuklearer Abfälle Tagesordnungspunkt 8) ilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD) . . . . . . . . arianne Tritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 9 u Protokoll gegebene Reden zur Beratung es Antrags: Biologische Vielfalt schützen 16197 C 16198 A 16198 D 16199 C 16200 B 16201 B 16201 D 16202 C 16203 C 16205 B 16206 B 16207 B 16208 A 16208 C 16209 B VIII Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 und zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung nutzen (Tagesordnungspunkt 9) Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD) . . . . . . . Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU) . . . . Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . Ulrich Heinrich (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Togos Weg in die Demokratie unterstützen – Afrikanische Union (AU) und ECOWAS beim Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit un- terstützen (Tagesordnungspunkt 10) Gabriele Groneberg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . Dr. Conny Mayer (Freiburg) (CDU/CSU) . . . Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU) . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Heinrich (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16210 B 16212 A 16213 D 16214 C 16215 A 16216 A 16216 D 16217 C 16218 C Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16045 (A) ) (B) ) 172. Sitz Berlin, Donnerstag de Beginn: 9.0
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    1) Anlage 10 Berichtigung 171. Sitzung, Seiten IV, V und 16037, Anlagen 2 bis 4: „Staatsminister für Europa Hans Martin Bury“ ist durch „Staatssekretär Dr. Klaus Scharioth“ zu ersetzen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16193 (A) ) (B) ) Vorlage, die zur Abstimmung steht, durchaus ehrlich be- destag. Deshalb werden wir mit Nein stimmen. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Petra Pau und Dr. Gesine Lötzsch (beide fraktionslos) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Umbenen- nung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei (Tagesordnungspunkt 25 b) Wir stimmen gegen das Gesetz zur Umbenennung des BGS in Bundespolizei. Die Wandlung des BGS zur „Polizei des Bundes“, die hier ohne Aussprache vollzo- gen wird, ist keine schlichte Namensänderung. Sie ist aus unserer Sicht der Vollzug eines schleichenden, aber planmäßigen Verfassungsbruchs. Insofern wurde in der s B k h s Z s s w w a b t t s T f w c V i f N s g r K d F i B L w ü h R a r e m r m d i b B Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Dominke, Vera CDU/CSU 21.04.2005 Griefahn, Monika SPD 21.04.2005 Heller, Uda Carmen Freia CDU/CSU 21.04.2005 Letzgus, Peter CDU/CSU 21.04.2005* Marschewski (Recklinghausen), Erwin CDU/CSU 21.04.2005 Pieper, Cornelia FDP 21.04.2005 Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 21.04.2005 Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 21.04.2005 Scharping, Rudolf SPD 21.04.2005 Teuchner, Jella SPD 21.04.2005 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 21.04.2005 Vogel, Volkmar Uwe CDU/CSU 21.04.2005 Wicklein, Andrea SPD 21.04.2005 (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht chrieben: „Der Bundesgrenzschutz ist eine Polizei des undes, deren Aufgaben sich längst nicht mehr auf den lassischen Schutz der Grenzen beschränkt. Die beste- ende Bezeichnung Bundesgrenzschutz wird der tat- ächlichen Aufgabenvielfalt nicht mehr gerecht.“ Das itat belegt: Es geht nicht nur um einen neuen Namen, ondern vor allem darum, den Umbau des Bundesgrenz- chutzes zu legitimieren. Das lehnen wir ab. Die Forderung nach einer einheitlichen Bundespolizei ird seit den 70er-Jahren immer wieder erhoben. Sie urde ebenso oft abgelehnt, nicht zuletzt mit Verweis uf das Grundgesetz und die darin beschriebene Aufga- enteilung. Das Grundgesetz ist für Bundesinnenminis- er Schily aber offenbar irrelevant. In einem „Stern“-In- erview meinte er 2004: „Die Verfassungsväter konnten ich eine Bedrohung wie die durch den islamistischen errorismus nicht vorstellen. Damit muss ich mich be- assen, nicht mit der Situation vor 50 Jahren.“ Wir stellen fest: Das Grundgesetz gilt. Wer es ändern ill, soll das offen fordern, begründen und um entspre- hende Mehrheiten werben. Das aber tut der für den erfassungsschutz zuständige Bundesminister nicht. Er gnoriert das Grundgesetz und versucht, es zu unterlau- en. Dagegen ist die PDS im Bundestag. Mit unserem ein zum aktuellen Antrag schützen wir das Grundge- etz erneut. Wir lehnen den Umbau des Bundesgrenzschutzes rundsätzlich ab und wir verweisen zugleich auf die weit eichenden Folgen, die damit verbunden sind: Mit der neuen Regelung werden auch verschiedene üstenstädte reguläres Einsatzgebiet der neuen „Polizei es Bundes“. Sky Marshals werden an Bord deutscher lugzeuge im internationalen Einsatz sein. Kurzum: Die m Grundgesetz aus guten Gründen nicht vorgesehene undespolizei erhält nach innen Befugnisse, die den ändern vorbehalten sind, und sie darf nach außen welt- eit agieren. Außerdem verfügt die neue Bundespolizei ber enthemmte Vollmachten. Sie darf „verdachtsunab- ängig“ agieren und eingreifen. Das widerspricht dem echtsstaatsgebot. Auch deshalb lehnen wir das Gesetz b. Schließlich: Die föderalen Strukturen der Bundes- epublik Deutschland, das Trennungsgebot, das Verbot iner Bundespolizei und andere libertäre Grundsätze ka- en als Lehre aus der NS-Zeit ins Grundgesetz. Ausge- echnet zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschis- us müssen wir festhalten: Demokratischen Strukturen, ie nach 1945 eingeführt und gefördert wurden, werden mmer mehr „präventiv“ geopfert. Bürgerrechte, ein ver- rieftes und zugleich gern hofiertes Markenzeichen der undesrepublik Deutschland, verwaisen. Dagegen ist die PDS. Dagegen ist die PDS im Bun- 16194 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes und anderer Gesetze (Zusatztagesordnungs- punkt 13 a) Ludwig Stiegler (SPD): In den abschließenden Ver- handlungen des Vermittlungsausschusses am 21. April 2005 ist eine Protokollerklärung der Bundesregierung vereinbart worden. Diese Protokollerklärung gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: „Die Bundesregierung erklärt sich bereit, die Ausbil- dungszeit bei Weiterbildungsmaßnahmen in der Alten- pflege mit dem Ziel einer Verkürzung auf zwei Jahre ernsthaft zu überprüfen.“ Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 23) zur Ein- führung eines Volksentscheids über eine euro- päische Verfassung (Tagesordnungspunkt 10) Petra Pau (fraktionslos): Wir beraten heute zum wie- derholten Male über das Thema Volksabstimmung und die Änderung des Grundgesetzes. Konkret geht es da- rum, den Weg für eine Abstimmung über den Vertrag zur Europäischen Verfassung frei zu machen FDP und PDS wollen eine Volksabstimmung. SPD, die Grünen sowie die CDU/CSU sind dagegen. Dabei hätte alles so schön sein können; denn SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen haben zu Protokoll gegeben, man „habe große Sympathien für das Anliegen“, Aber leider habe die CDU/CSU kein Angebot unterbreitet, das Ple- biszite grundsätzlich ermöglicht. Die CDU/CSU gab zu Protokoll, man hege große „Sympathie für die Idee eines Volksentscheides über die EU-Verfassung“. Aber das europapolitische Gewicht Deutschlands erfordere Bere- chenbarkeit und klare Verantwortlichkeit. Ergo: Unbändige Sympathie für mehr Demokratie, aber von Zuneigung keine Spur. SPD und Grüne haben damit ein weiteres Wahlversprechen beerdigt. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Euro- päischen Parlaments und des Rates vom 4. No- vember 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder z V p e h t w D s w n d d b P l B t f f s e s W B p v P S I d d te w d a s N W r s g te n g (C (D bei deren Zulassung zum Handel zu veröffent- lichen ist, und zur Änderung der Richt- linie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umset- zungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 11) Nina Hauer (SPD): Das Prospektrichtlinie-Umset- ungsgesetz wird oft als Meilenstein auf dem Weg zur ollendung des europäischen Binnenmarktes im Wert- apierbereich bezeichnet. Ich meine: zu Recht. Was sind die Gründe hierfür? Erstens. Wir werden rstmalig in Europa einen echten Pass für Wertpapiere aben. Der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleis- ungsaufsicht, der BaFin, gebilligte Prospekt wird EU- eit gelten. Deutsche Emittenten werden nicht nur in eutschland, sondern auch in allen anderen 24 Mitglied- taaten der Europäischen Union sowie in Island, Nor- egen und Liechtenstein ihre Wertpapiere anbieten kön- en. Zweitens. Die Emittenten in Deutschland genießen en Vorteil, dass sie nicht mehr verschiedene Stellen für ie Prüfung eines Prospekts anlaufen müssen. Mit der isherigen Zersplitterung der Zuständigkeiten für die rüfung von Prospekten – BaFin einerseits für öffent- iche Angebote, die sieben Börsenzulassungsstellen für örsenprospekte – wird Schluss gemacht. Die Kleinstaa- erei ist vorbei! Die BaFin wird zentrale Prüfungsstelle ür sämtliche Prospekte. Drittens. Bei der Sprache, in der die Prospekte abge- asst werden, haben wir im Finanzausschuss eine ent- cheidende Verbesserung vorgeschlagen. Mit einer invernehmlich beschlossenen Änderung wird sicherge- tellt, dass deutsche Emittenten den Prospekt nach ihrer ahl in Deutsch oder Englisch abfassen können: Die aFin muss einen englischsprachigen Prospekt ebenso rüfen wie einen deutschsprachigen Prospekt. Aus Gründen des Anlegerschutzes haben wir jedoch orgesehen, dass im Falle eines englischsprachigen rospekts immer eine Zusammenfassung in deutscher prache vorliegen muss. Der Ausgleich zwischen den nteressen der Emittenten einerseits und der Anleger an- ererseits ist gelungen. Viertens. Im Finanzausschuss haben wir uns zudem afür eingesetzt, dass das Bookbuilding-Verfahren wei- rhin möglich bleibt. Auch damit wird ein Gleichge- icht zwischen Anlegerschutz und dem Interesse des eutschen Finanzmarktes gewahrt. Beide Seiten wollen n der Beibehaltung eines international üblichen und als innvoll anerkannten Verfahrens zur Preisermittlung bei euemissionen festhalten. Fünftens. Schließlich haben wir Änderungen beim iderrufsrecht vorgenommen. Natürlich ist das Wider- ufsrecht ein Schutz für den Anleger. Das Widerrufsrecht oll aber ausdrücklich nicht auf bereits erfüllte Rechts- eschäfte anwendbar sein. Das gibt nicht nur den Emit- nten Rechtssicherheit, sondern verhindert auch die Be- achteiligung von Derivaten. Im Finanzausschuss haben wir über die Fraktions- renzen hinweg den Gesetzentwurf konstruktiv und Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16195 (A) ) (B) ) sachlich beraten und beschlossen. Dafür bedanke ich mich herzlich bei meinen Kollegen und Kolleginnen. Wenn wir heute den Gesetzentwurf der Bundesregie- rung gemeinsam verabschieden, setzen wir auch ein Stück Tradition in der Geschichte der einvernehmlichen Kapitalmarktpolitik fort. Dies ist aus meiner Sicht be- sonders wichtig: Wir stehen mit anderen europäischen Finanzplätzen im Wettbewerb. Die Richtlinie muss bis zum 1. Juli 2005 in nationales Recht umgesetzt sein. Wir wollen zu den ersten zählen, die diese Umsetzung vollendet haben. Deutsche Emit- tenten und alle ausländischen Emittenten, die Deutsch- land als Aufnahmestaat wählen wollen, sollen frühzeitig Rechtssicherheit haben. Deshalb haben wir den Gesetz- entwurf auch zügig beraten. Mehr Zeit wünschen wir uns alle. Ich bin jedoch der festen Auffassung, dass wir den Gesetzentwurf zwar zü- gig, aber gründlich in den Ausschüssen und zwischen den Berichterstattern diskutiert haben. Im Interesse des Finanzplatzes Deutschland bitte ich Sie daher um eine breite Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzentwurf. Patricia Lips (CDU/CSU): Mit der Prospektricht- linie sollen EU-weit gleich mehrere Ziele erreicht wer- den: eine einheitliche Regelung der Zulassungsprospekte für Wertpapiere bzw. der Emissionsprospekte, eine ein- heitliche Prüfung – in Deutschland durch die BaFin –, eine Rechtsvereinfachung durch diese Harmonisierung, aber auch ein EU-weit gültiger Pass für einmal geneh- migte Prospekte. Vor allem der zuletzt genannte Punkt stellt uns vor die Herausforderung, die Richtlinie bei der Umsetzung im nationalen Gesetzgebungsverfahren nicht zusätzlich – wo unnötig – zu überfrachten und an den Stellen – wo es im Interesse unseres Finanzstandortes ist und im Einklang mit der Richtlinie steht – Spielräume zu eröffnen. Das ist der Spannungsbogen, in welchem wir uns befinden. Die Richtlinie wird grundsätzlich von allen Marktteil- nehmern begrüßt und auch wir schließen uns dem Ruf nach Harmonisierung und einer Stärkung des Finanz- platzes Deutschland an. Insofern ist es erfreulich, dass es uns gelungen ist, im Sinne des Marktes und unseres Lan- des den Gesetzentwurf an den entsprechenden Stellen ändern zu können. Lassen Sie mich dennoch einige An- merkungen machen: In den vergangenen Tagen und Wochen waren wir in zahllosen Gesprächen immer wieder mit Feststellungen konfrontiert: „Das haben wir schon immer so gemacht“, oder: „Das ist eine Übernahme bereits gültiger Grundla- gen aus anderen Gesetzen und Verordnungen.“ Wenn diese Regeln gut waren und dem Finanzstandort dienten, ist dem auch nichts entgegenzusetzen. Wo uns aber durch eine aktuelle Diskussion, durch ein neues Gesetz, Spielräume eröffnet werden, die uns zusätzliche Chan- cen geben, dann sollten wir diese nutzen. Wir müssen davon ausgehen, dass in einem Markt, der im Bereich der Finanzdienstleistung schon lange nicht mehr an Grenzen Halt macht, andere Länder diese Chancen nut- zen werden. a d e S r m d d l g g d E d z b c z R l F h „ w k a e e s v d d O e m s n t A B e b b A g l w A w s – v d j (C (D Bei der Bedeutung und dem Namen, den Deutschland n dieser Stelle genießt, und in einer Zeit, wo wir an an- erer Stelle sehr stark an Wirtschaftskraft und Prestige inbüßen, sollten unser Selbstbewusstsein und unsere tärken in das Gesetz einfließen können und auch bishe- ige Regelungen, sofern sie Vorgänge erschwerten, zu- indest einer Prüfung auf die Zukunft unterzogen wer- en können. Und lassen Sie mich anmerken: Nicht nur der Stärke es Finanzplatzes, auch dem Anlegerschutz in Deutsch- and ist nicht gedient, wenn künftig auf Basis der für alle ültigen Richtlinie Prospekte unter bestimmten Bedin- ungen im Ausland genehmigt werden können, da es ort durch die nationale Umsetzung im Detail für den mittenten unkomplizierter vonstatten geht, und diese ann auf diesem Wege auf den deutschen Markt quasi urückkommen. Trotz dieser genannten Selbstverständlichkeiten ha- en wir sehr viel Zeit darauf verwendet, den ursprüngli- hen Gesetzentwurf der Deutschen Bundesregierung von usätzlichen Beschwernissen zu befreien, bisher gute egeln wieder reinzuschreiben und in Teilen auf Richt- inien-Niveau zurückzuführen. Staatssekretärin Hendricks hat am gestrigen Tag im inanzausschuss ihre Freude über das Ergebnis der Ver- andlungen mit den Worten zum Ausdruck gebracht: Das Gesetz (des Bundesministeriums der Finanzen) urde deutlich verbessert.“ Wenn man dies im Um- ehrschluss versteht, dann bedeutet dies nichts anderes, ls dass die Bundesregierung sich nicht in der Lage sah, inen Gesetzentwurf in die parlamentarische Debatte inzubringen, von dem sie selbst überzeugt war, dass er chon von vornherein gut ist und es eigentlich nichts zu erbessern gibt. Es bedeutet darüber hinaus, dass es urchaus von Vorteil ist, zusätzlich zu den Sachverstän- igen der Branche auch noch einen Bundesrat und eine pposition im Deutschen Bundestag zu haben, die letzt- ndlich zu diesen „Verbesserungen“ beigetragen haben üssen – folgt man den Worten der Staatssekretärin. Ein ganzer Katalog von Einzelpunkten konnte im Ge- etzentwurf geändert werden: inhaltlich oder redaktio- ell. Sehr viele dienten der Rechtssicherheit der Markt- eilnehmer, wohlgemerkt: für Emittenten wie auch für nleger. Diese Änderungen wurden von der gesamten ranche in großer Geschlossenheit – zuletzt im Rahmen iner öffentlichen Anhörung vergangene Woche – vorge- racht. Im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen ha- en dabei vor allem zwei Punkte die Öffentlichkeit in ufregung versetzt: die geplante Aufhebung des bisher ültigen Book-Building-Verfahrens und die Sprachrege- ung, beides Punkte, die am Ende sehr schnell korrigiert erden konnten oder bei welchen beschwichtigt wurde. ber: Die Diskussion auch bei den anderen Themen urde dadurch nicht einfacher. Die Tatsache, dass am Beispiel Book-Building offen- ichtlich noch nicht einmal im vollen Bewusstsein dann wäre es politisch noch verständlich –, sondern iel eher redaktionell eine unüberlegte Formulierung in en Gesetzentwurf kam, führte dazu, dass in Folge nun edes Wort tatsächlich auf den Prüfstand kam. Bei der 16196 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) Sprachregelung schloss man sich dem Formulierungs- vorschlag des Bundesrates an, die Bestätigung in Wort und Schrift erhielten wir jedoch erst Ende vergangener Woche. Einige hätten sich eine noch weiter gehende Fle- xibilisierung zur Sprache gewünscht. Aber einem Kom- promiss – und am Ende ist es dies immer – kann diese Formulierung gerecht werden. An dieser Stelle möchte ich, wie schon im Ausschuss, darauf hinweisen, dass der Druck, inhaltlich wie zeitlich, auch uns als Parlamentarier in den Beratungen beträcht- lich beschwerte. Ein schmaler Beratungskorridor ließ Zeit für die wesentlichen Punkte, obgleich im Detail vielleicht weiteres wünschenswert gewesen wäre. Inso- fern werden wir die anschließenden Beratungen im Bun- desrat wohlwollend begleiten. Einen Gesetzentwurf in dieser Tragweite nur gut zwei Monate vor In-Kraft-Tre- ten derart durch die Gremien zu schleusen, obgleich die allermeisten Punkte bereits seit Wochen und Monaten im Ministerium bekannt waren, trägt nicht unbedingt zu größtmöglicher Sorgfalt bei. Es war am Ende der Abwägungsprozess zwischen ne- gativen Signalen an den Markt durch eine unerwartete Verzögerung und der Tatsache, dass wesentliche Punkte dann doch abgehandelt werden konnten, die uns dazu bewogen haben, dem Gesetzentwurf mit den Änderun- gen zuzustimmen. Nach Rücksprache mit den Marktteil- nehmern ist für die allermeisten nun auch ein Umgang mit dem Gesetz möglich. Ich komme jedoch noch ein- mal an einer Stelle darauf zu sprechen. In einer Pressemitteilung im Januar dieses Jahres ließ Jochen Sanio für die Bafin verkünden: Die Prospekt- richtlinie sei der härteste europäische Regulierungsham- mer, der in diesem Jahr auf seine Behörde niedersausen werde. Die Wortwahl allein lässt natürlich aufmerken. Deutschland hatte aufgrund seiner bisherigen Genehmi- gungsstruktur und der doch sehr großen Änderung eine Ausnahmeregelung erhalten, die einen Übergangszeit- raum zuließ. Auch hier ist die Zeit und sind die Vorberei- tungen auf den l. Juli hin zu weit fortgeschritten, als dass eine Inanspruchnahme nochmals thematisiert worden wäre, unabhängig von den Forderungen der Bund/Län- der-Arbeitsgruppe. Dennoch war es uns wichtig, dass seitens des Finanzministeriums in der Ausschusssitzung die Bestätigung eines reibungslosen Überganges an die BaFin nochmals protokolliert werden konnte. Es darf am Ende an dieser Stelle nicht zu unerwarteten Schwierig- keiten kommen. Ich möchte nicht jeden einzelnen Punkt nochmals im Detail erläutern. Neben Book-Building und Sprachenre- gelung konnten Änderungen im Zusammenhang mit Doppelprüfungen, Handelsregistereintragungen, Rah- menzulassungen, darüber hinaus bei der Klarstellung von öffentlichen Angeboten, der Nachtragspflicht und in Folge des Widerrufsrechtes erreicht werden. Wenigstens an einer Stelle konnte beim zuletzt genannten Punkt da- mit sichergestellt werden, dass abgeschlossene Vorgänge wie bereits in der Vergangenheit nicht rück-abgewickelt werden können. Dies ist in bestimmten Bereichen wie dem Derivateverkehr schon allein technisch ein fast un- überwindliches Problem. Der Handel mit Wertpapieren u n a s s V l d s D M s m b e b t s V g t a v d v g D r n d k d w h d A t m S m B m s t k z d z k d s (C (D nd die Rechtsfolgen aus einem „Haustürgeschäft“ sind un einmal nicht miteinander vergleichbar. Die Richtlinie, die eine Maximalharmonisierung bei llen Ländern anstrebt, nimmt wenig Rücksicht auf be- ondere, individuelle Marktbesonderheiten der Mitglied- taaten. Kann sie auch nicht. Dennoch wären deutlichere erweise darauf, dass die im nationalen Gesetz letztend- ich verankerten Regelungen für alle Wertpapiere und amit ausdrücklich auch für den eher nur für uns typi- chen Derivatemarkt Gültigkeit haben, erstrebenswert. ies würde zu einer größeren Rechtssicherheit für dieses arktsegment führen, welches eine unbestreitbar wach- ende Bedeutung hat. Wir beschließen heute vor dem Hintergrund von ündlichen Beteuerungen und Hinweisen in Gesetzes- egründungen. Deshalb sage ich auch heute noch inmal, dass wir die Entwicklung in diesem Bereich eobachten werden und uns bei Bedarf eine Nachbe- rachtung vorbehalten. Es darf am Ende zu keiner Unter- cheidung kommen, was den organisierten Handel im erhältnis zum Freiverkehr angeht. Es bleibt für die betroffenen Kolleginnen und Kolle- en anzumerken, dass die Gespräche nicht von Konfron- ation begleitet waren und am Ende in vielerlei Hinsicht n einem Strang gezogen wurde. Es musste für uns alle on elementarem Interesse sein, handwerkliche Fehler urch Zeitdruck zu vermeiden wie auch ein Gesetz zu erabschieden, dass den Finanzstandort mit einem Si- nal auch über die eigenen Grenzen hinaus unterstützt. Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): as Gesetz zur Umsetzung der europäischen Prospekt- ichtlinie, welches wir heute debattieren, räumt aus mei- er Sicht mit einigen Vorurteilen auf. So zum einen mit er Annahme, dass unter den Bundestagsfraktionen eine onstruktive Zusammenarbeit unmöglich ist und schon eshalb keine vernünftigen Gesetze mehr verabschiedet erden. Die einheitliche Beschlussempfehlung beweist ingegen, dass man bei gemeinsamen Anstrengungen urchaus zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann. n dieser Stelle möchte ich mich deshalb bei allen Be- eiligten für die konstruktive und zielorientierte Zusam- enarbeit bedanken. Das vorliegende Gesetz bestätigt vor allem, dass die chaffung eines wettbewerbsfähigen gesetzlichen Rah- ens für den Finanzstandort Deutschland auch bei erücksichtigung der Interessen des Anlegerschutzes öglich ist, sich die beiden Aspekte keineswegs aus- chließen. Diese Feststellung ist für uns Grüne besonders wich- ig und motiviert uns, im Bereich der Finanzpolitik auch ünftig auf die Durchsetzung des Verbraucherschutzes u drängen. Durch das neue Gesetz wird unter anderem geregelt, ass Wertpapierprospekte eine Zusammenfassung und udem in deutscher Sprache enthalten müssen. Damit önnen sich in Zukunft alle Anleger, also auch solche, ie nicht so sehr mit dem Jargon der Finanzwelt vertraut ind, in kurzer, allgemein verständlicher Form über die Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16197 (A) ) (B) ) Chancen und Risiken eines Wertpapiers informieren. Von wesentlicher Bedeutung ist auch, dass falsche, irre- führende oder widersprüchliche Informationen, die in der Zusammenfassung veröffentlicht werden, zu einer Haftung führen. Somit wird gewährleistet, dass sich der Kleinanleger auch ohne Berater die wesentlichen Infor- mationen über eine Anlagemöglichkeit beschaffen und darauf vertrauen kann. Dadurch wird die derzeitige Si- tuation entscheidend verbessert, denn heute muss die überwiegende Anzahl der Bürger den Angaben Dritter vertrauen, ohne eine reelle Chance zu haben, diese An- gaben verifizieren zu können. Wesentliche Grundlage für die Vereinbarkeit von effi- zienten gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anleger- schutz ist die hiesige Finanzdienstleistungsaufsicht. Mit dem Prospektrichtlinien-Umsetzungsgesetz wird die al- leinige Kompetenz der Prospektprüfung auf die BaFin übertragen. Dies ist eine deutliche Verbesserung, denn bislang existiert noch die Differenzierung der Prospekte danach, ob ein öffentliches Angebot oder eine Börsenzu- lassung der Wertpapiere erfolgen soll. Davon ist dann die Zuständigkeit der BaFin bzw. der Zulassungsstellen der einzelnen Börsen abhängig. Indem die Zulassungs- befugnis nun bei der BaFin gebündelt wird, trägt dieses Gesetz durch Regelungsvereinfachung sowohl dem An- legerschutz als auch der weiteren Stabilisierung der Fi- nanzwirtschaft Rechnung. Die hohe Qualität der Finanzdienstleistungsaufsicht durch die BaFin ist im internationalen Wettbewerb zu ei- nem zentralen Standortfaktor für den Finanzplatz Deutschland geworden. Eine effiziente Aufsicht gewähr- leistet Vertrauen in den Standort und die dort angebote- nen Produkte. Ohne dieses Vertrauen würden Kapital, Investitionen und Arbeitsplätze aus Deutschland abgezo- gen werden. Wir Grünen begrüßen ausdrücklich, dass mit dem konkreten Gesetz ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zur Implementierung des Anleger- und Verbraucher- schutzgedankens im Finanzmarkt erreicht wird. Wir ha- ben immer dafür geworben, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Kleinanleger und der Hauptakteure auf dem Finanzmarkt zu schaffen. Dass sich diese Ein- sicht zunehmend durchsetzt, freut uns natürlich beson- ders. Gleichzeitig haben wir uns aber auch dafür einge- setzt, Spielräume, die uns bei der Umsetzung der EU- Richtlinie noch geblieben sind, zu nutzen, um die Posi- tion des Finanzplatzes Deutschland im europäischen Wettbewerb zu erhalten und weiter auszubauen. So be- fürworten auch wir die marktnahe Preisfindung im Rah- men des Bookbuilding-Verfahrens. Ebenso begrüßen wir die flexible Auslegung der Sprachenregelung, wie sie in der nun vorliegenden Gesetzesfassung verankert ist. Schließlich haben wir in der heftig diskutierten Frage des Widerrufsrechts bei Nachträgen eine Lösung gefun- den, die den Interessen aller Beteiligten gerecht wird. Mit diesem Gesetz wird nicht nur einfach eine EU- Richtlinie umgesetzt, sondern, das möchte ich abschlie- ßend noch einmal betonen, es wird eine Regelung ge- schaffen, die den Finanzplatz Deutschland stärkt und d i k h U d G u d l r s m v D S i g A w s d k s d D A A P r d u d g b d K S F u l s p A i r r d D s u (C (D azu beitragen wird, Arbeitsplätze und Wertschöpfung n Deutschland zu sichern. Dr. Volker Wissing (FDP): Manchmal ist es bei omplexen Sachverhalten einfacher eine Entscheidung erbeizuführen als bei einfachen. Das Prospektrichtlinie- msetzungsgesetz ist ein Beispiel dafür. Allein schon er Begriff ist ein Aufmerksamkeitskiller – und damit arant für eine sachliche Auseinandersetzung. Wir haben zusammen beraten, zusammen beschlossen nd zusammen abgestimmt. Ich möchte mich deshalb an ieser Stelle ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kol- egen der anderen Fraktionen sowie dem Bundesministe- ium der Finanzen für die sachliche und konstruktive Zu- ammenarbeit bedanken. Es kommt nicht oft vor, dass an dazu Gelegenheit hat. Gemeinsam haben wir versucht, den Anliegen aller on dem Gesetzentwurf Betroffenen gerecht zu werden. er Finanzstandort Deutschland sollte gestärkt, der chutz der Anleger gewährleistet und die Arbeitsplätze m Bankengewerbe sollten gesichert werden. Der vorlie- ende Gesetzentwurf wird meines Erachtens all diesen nforderungen gerecht. Der Finanzstandort Deutschland wird gestärkt, indem ir die Rückabwicklung von Derivatengeschäften ein- chränken. Diese Möglichkeit bestand ohnehin nur auf em Papier und wäre in der Praxis für die Unternehmen aum zu bewerkstelligen. Die Konsequenz wäre gewe- en: Die Unternehmen hätten ihre Produkte in den Län- ern angeboten, in denen es diese Pflicht nicht gibt. urch diese Entscheidung wird nicht die Position der nleger geschwächt, sondern Rechtsklarheit geschaffen. uch in Zukunft sind Anleger gegen falsche Angaben in rospekten geschützt. Nur die Möglichkeit des Wider- ufs nach Lieferung der Wertpapiere gibt es jetzt ein- eutig nicht. Dafür gibt es jetzt aber Rechtssicherheit nd -klarheit bei allen Beteiligten. Die FDP begrüßt, dass es künftig nur noch eine für ie Prüfung von Wertpapierprospekten zuständige Stelle ibt. Damit wurde der bestehende Kompetenzwirrwarr ei der Prüfung von Verkaufsprospekten einerseits und er Börsenzulassungsprospekte andererseits abgeschafft. ünftig gibt es nicht mehr sieben oder mehr zuständige tellen, sondern nur noch eine: die Bundesanstalt für inanzdienstleistungsaufsicht. Das schafft Transparenz nd damit Vertrauen bei Anlegern und Emittenten. Wir eisten damit auch einen Beitrag zum Bürokratieabbau. Ein weiterer Beitrag zu einem verbesserten Anleger- chutz ist die Beschränkung der Gültigkeit von Wertpa- ierprospekten auf ein Jahr. Damit ist die Aktualität der ngaben gewährleistet. Die Anleger können damit bei hrer Investitionsentscheidung auf aktuelle Angaben zu- ückgreifen. Sie haben durch die Einführung der Einjah- esfrist die Gewährleistung, dass die Informationen in em Prospekt aktuell sind und der Realität entsprechen. Gemeinsam haben wir heute den Finanzstandort eutschland gestärkt, ohne die Position der Anleger zu chwächen. Wir haben damit nicht nur Rechtsklarheit nd -sicherheit geschaffen, sondern auch Arbeitsplätze 16198 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) im Finanzgewerbe gesichert. Gemeinsam haben wir heute dazu beigetragen, den Finanzstandort Deutschland fit zu machen, fit für die Zukunft, fit für Europa, fit für den internationalen Wettbewerb. Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen: Beginnen möchte ich mit einem Dank an die Berichterstatter für die von ihnen ge- leistete gute Arbeit. Fraktionsübergreifend ist ein solider und fundierter Regierungsentwurf im Detail ausgeformt worden. Mei- nen Dank möchte ich auch den Mitgliedern der Aus- schüsse für ihre konstruktive Mitarbeit aussprechen. Die einvernehmlichen und fraktionsübergreifenden Be- schlussempfehlungen zeigen, dass wir ein gemeinsames Ziel verfolgen: die Stärkung des Finanzplatzes Deutsch- land. Zu den Kernpunkten des Prospektrichtlinie-Umset- zungsgesetzes: Erstens. EU-Pass für Prospekte. Das Prospektrichtli- nie-Umsetzungsgesetz wird mit Fug und Recht als Mei- lenstein auf dem Weg zur Vollendung des europäischen Binnenmarktes im Wertpapierbereich bezeichnet. Der Grund hierfür liegt in Folgendem: Ab 1. Juli 2005 werden wir erstmalig einen echten EU-Pass für Wertpapierprospekte haben. Deutsche Emit- tenten werden nach der Genehmigung ihrer Prospekte durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf- sicht, BaFin, ihre Prospekte für den europaweiten Ver- trieb ihrer Wertpapiere nutzen. Der mühselige Gang zu einer Vielzahl von Prospektprüfungsstellen gehört damit der Vergangenheit an. Deutsche Anleger werden aus ei- ner Vielzahl in- und ausländischer Produkte das für sie geeignete Wertpapier auswählen können. Zweitens. BaFin als zentrale Prospektprüfungsstelle. Ab 1. Juli 2005 wird es nur einen einheitlichen Wertpa- pierprospekt geben. Für die Prüfung dieses Wertpapier- prospekts wird allein die BaFin zuständig sein. Die bis- herige Zersplitterung der Zuständigkeiten für die Prüfung der Verkaufsprospekte, bisher BaFin, und der Börsenzulassungsprospekte, bisher Börsenzulassungs- stelle, entfällt. Die Vorbereitungen in der BaFin auf diese neue Auf- gabe sind auf einem guten Weg. Eine neue Gruppe „Prospekt“ ist seit dem 1. Januar dieses Jahres eingerich- tet worden. Die BaFin wird kurzfristig noch erfahrene Fachkräfte zur Verstärkung gewinnen. Die Kontakte mit den Emittenten – aber auch mit den Börsenzulassungs- stellen – werden gepflegt, um einen reibungslosen Über- gang zu gewährleisten. Drittens. Beschlussempfehlung des federführenden Finanzausschusses: Entscheidende Verbesserung beim Sprachenregime. Im Zuge der Berichterstattergespräche ist das neue Wertpapierprospektgesetz weiter verbessert worden. Bei der Sprache des Prospekts hat der Finanz- ausschuss ein klares Zeichen gesetzt: Bei grenzüber- schreitenden Emissionen können die Emittenten frei wählen, ob sie den Prospekt in Deutsch oder in einer in in – m s in n D e v tr n p z d lu ta ti D d g P tr E n u M g e h in G A ü s k h B H W B U v g f r r (C (D ternationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache also Englisch – erstellen wollen. Sie können sich nun- ehr sicher sein, dass die BaFin auch einen englisch- prachigen Prospekt prüft. Diese Entscheidung ist nicht das Ermessen der BaFin gestellt. Dies erhöht die Pla- ungssicherheit für die Emittenten. Eine kostspielige oppelerstellung des Prospekts in Deutsch und Englisch rübrigt sich. Diese im Finanzausschuss einvernehmlich orgenommene Änderung erhöht die internationale At- aktivität des Finanzplatzes Deutschland. Die Erleichterung für Emittenten geht einher mit ei- er Sicherstellung des Anlegerschutzes. Denn ein Pros- ekt in englischer Sprache muss immer eine Überset- ung der Zusammenfassung in Deutsch enthalten. Ziel ist die fraktionsübergreifende Verabschiedung es Gesetzentwurfs entsprechend der Beschlussempfeh- ng der Ausschüsse. Ich hoffe daher, dass der Bundes- g diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung frak- onsübergreifend verabschieden wird. Damit dürfte eutschland zu den ersten Ländern in der EU zählen, eren Parlamente diese entscheidende EU-Richtlinie ebilligt haben. Ein zeitgerechtes In-Kraft-Treten des rospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes erhöht die At- aktivität des Finanzplatzes Deutschland und gibt den mittenten – wie bereits ausgeführt – die benötigte Pla- ungssicherheit. Emittenten von Schuldverschreibungen ab 1 000 Euro nd Derivaten haben künftig ein Wahlrecht, in welchem itgliedstaat der Europäischen Union sie ihren Prospekt enehmigen lassen wollen. Unsere Mitbewerber stehen benfalls in den Startlöchern. Deshalb möchte ich bereits eute die Bitte an die Adresse des Bundesrates richten, seiner Sitzung am 27. Mai seine Zustimmung zum esetz zu geben. nlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Neunten Ge- setzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes (Ta- gesordnungspunkt 13) Wolfgang Spanier (SPD): Wir entscheiden heute ber das Neunte Gesetz zur Änderung des Wohngeldge- etzes. Wir regeln damit die wohngeldrechtliche Ein- ommensermittlung von Heimbewohnern, die Sozial- ilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem undessozialhilfegesetz erhalten haben. Der Wille des Gesetzgebers war es 1999, dass die ilfe in besonderen Lebenslagen bei der Berechnung des ohngeldes als Einkommen angerechnet wird. Das undesverwaltungsgericht hat im Jahre 2004 in einem rteil festgestellt, das diese Regelung in der Wohngeld- erordnung nicht durch eine Ermächtigung im Wohn- eldgesetz gedeckt gewesen ist. Diese Klarstellung er- olgt nun mit dieser Gesetzesänderung. Das Gesetz egelt dies rückwirkend für die Jahre 2001 bis 2004. Die echtliche Möglichkeit der Rückwirkung wird in der Be- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16199 (A) ) (B) ) gründung des Gesetzes ausführlich erläutert. Wir gehen davon aus, dass diese Begründung stichhaltig ist. Ich habe bereits in der ersten Lesung des Gesetzes ausführlich erläutert, dass durch die bisher angewandte Berechnungspraxis die Betroffenen nicht schlechter ge- stellt und damit nicht benachteiligt werden. Zunächst wird der Bedarf festgestellt. Die Leistungen von Hilfe in besonderen Lebenslagen und von Wohngeld verhalten sich zueinander wie zwei kommunizierende Röhren. Grundsätzlich steigt oder fällt nämlich die Hilfe in be- sonderen Lebenslagen im gleichem Maße, wie das Wohngeld fällt oder steigt. Für die betroffenen Men- schen, die Hilfe in besonderen Lebenslagen bekommen, ist also durch die bisherige Praxis der Einkommenser- mittlung, die übrigens von Bund und Ländern gleicher- maßen akzeptiert worden ist, kein finanzieller Nachteil entstanden. Sollte dies in Ausnahmefällen dennoch der Fall sein, sieht der jetzige Gesetzentwurf einen Nach- teilsausgleich vor. Ein finanzieller Nachteil entsteht aber nur in ganz speziellen Fällen, deren Zahl sehr gering sein dürfte, deshalb werden die Mehrausgaben auch nur auf bis zu 75 Millionen Euro geschätzt, die dann von Bund und Ländern je zur Hälfte zu tragen sind. Ein solcher Fall kann vorliegen, wenn zum Beispiel ein unterhaltspflich- tiges Kind die Sozialhilfezahlungen für die Mutter, die im Heim lebt, in voller Höhe selbst übernommen hat. Dann hat dieser Unterhaltspflichtige zu viel gezahlt, weil das Wohngeld zu gering berechnet wurde. Diese Diffe- renz müsste dem Unterhaltspflichtigen erstattet werden. Wäre die Gesetzesänderung nicht rückwirkend, würden auf Bund und Länder etwa 800 Millionen Euro an Mehr- kosten zukommen, die sich Bund und Länder je zur Hälfte teilen müssten. Für die betroffenen Heimbewoh- ner ergäbe sich rückwirkend keine Änderung. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Februar beschlossen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwände zu erheben. Dem Ausschuss für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen liegt eine Stellungnahme der Bundesverei- nigung der kommunalen Spitzenverbände vor. Darin wird der Gesetzentwurf abgelehnt. Die kommunalen Spitzenverbände sehen im Gesetz eine ungerechtfertigte Verschiebung der Finanzierungslast auf die Kommunen als Sozialhilfeträger. Es geht aber nicht um eine Mehrbe- lastung der Kommunen, sondern darum, dass die Betrof- fenen wie auch die Sozialhilfeträger nicht mit Erstat- tungsansprüchen rechnen konnten. In einheitlicher Auslegung und Praxis wurde eben die Hilfe zum Le- bensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz in be- stimmtem Umfang als wohngeldrechtliches Einkommen angerechnet. Die kommunalen Spitzenverbände argu- mentieren, dass der Wille des Gesetzgebers fraglich sei. Der Wille des Gesetzgebers war und ist klar, der ur- sprüngliche Wille wird im Gesetz eindeutig klargestellt. Es wird auch die Rückwirkung des Gesetzes infrage ge- stellt. Ich habe bereits darauf verwiesen, dass dieses im Gesetz sehr eingehend begründet wird. Ich fasse zusammen: Aus den genannten Gründen konnten wir den Einwänden der kommunalen Spitzen- verbände nicht folgen. Der Fachausschuss hat mit den S d d d l z d G d w v w B w z b n k 1 g m W F U G K w K n W v K ü z G v t w d t j d e l C G G g r e W h U z (C (D timmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP em Gesetzentwurf zugestimmt. Ich bitte Sie, auch in er abschließenden Lesung im Deutschen Bundestag, ieses Gesetz zu verabschieden. Gero Storjohann (CDU/CSU): Entgegen dem fach- ichen Rat vieler Experten soll heute das Neunte Gesetz ur Änderung des Wohngeldgesetzes verabschiedet wer- en. Damit soll ein Fehler in der Gesetzgebung von Rot- rün beseitigt werden. Die Bundesregierung will durch en vorliegenden Gesetzentwurf für 2001 bis 2004 rück- irkend für das Wohngeld die Einkommensermittlung on Heimbewohnern regeln. Dabei geht es um Heimbe- ohner, die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem undessozialhilfegesetz erhalten haben. Das Bundesver- altungsgericht hat nämlich in einem Urteil vom 11. De- ember 2003 festgestellt, dass diese in den Jahren 2001 is 2004 gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen ach dem Bundessozialhilfegesetz wohngeldrechtlich ein Einkommen ist. Genau dies aber wurde durch die 999 beschlossene Änderung des Wohngeldgesetzes so eregelt. Ähnlich wie aktuell bei der Besteuerung von Reise- obilen hat Rot-Grün damals nicht zu Ende gedacht. ir haben es also wieder einmal mit handwerklichen ehlern und Gesetzespfusch von Rot-Grün zu tun. Diese nzulänglichkeiten sollen nun durch den vorliegenden esetzentwurf wieder behoben werden, Das Schlimme daran ist, dass dies auf dem Rücken der ommunen geschehen soll; denn durch den Gesetzent- urf kämen erhebliche finanzielle Belastungen auf die ommunen zu. Diese sind die Träger der Sozialhilfe. Ih- en standen nach dem Gesetzentwurf von 1999 erwartete ohngeldmehrausgaben für Bund und Länder in Höhe on 800 Millionen Euro zu. Dieses Geld sollten die ommunen größtenteils über Erstattungsansprüche und bergeleitete Ansprüche erhalten. Diese den Kommunen ustehende Rechtsposition soll durch den vorliegenden esetzentwurf ausgeschlossen werden. Die vom Bundes- erwaltungsgericht festgestellte eindeutige Rechtssitua- ion würde damit zulasten der Sozialhilfeträger geändert erden. Bund und Länder, die für das Wohngeld zustän- ig sind, würden sich von ihrer Verpflichtung zur Leis- ung entlasten. Genau diese Leistungsverpflichtung ist edoch vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt wor- en. Im Ergebnis bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf ine ungerechtfertigte Verschiebung der Finanzierungs- ast von Bund und Ländern auf die Kommunen. Die DU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag lehnt den esetzentwurf daher entschieden ab! Ein weiterer Grund für unsere Ablehnung ist die im esetzentwurf vorgesehene echte Rückwirkung. Als Ar- ument für diese Rückwirkung führt die Bundesregie- ung in der Begründung des Gesetzentwurfes aus, dass in Vertrauensschutz nicht gegeben sei. Die betroffenen ohngeldempfänger hätten nicht damit rechnen können, öhere Wohngeldansprüche zu haben. Das sei vor dem rteil des Bundesverwaltungsgerichts einhellige Geset- esauslegung und Praxis gewesen. Die Rückwirkung sei 16200 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) daher zulässig. Tatsächlich hat es jedoch bereits 2002 zahlreiche Widersprüche gegen die Anrechnung der Hilfe in besonderen Lebenslagen gegeben. Diese Wider- sprüche bezogen sich auf die damalige Verwaltungspra- xis. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte jedoch erst im Dezember 2003. Schon lange zeitlich da- vor haben also die betroffenen Empfänger aufgrund des Gesetzeswortlauts mit höheren Wohngeldansprüchen ge- rechnet. Das notwendige Vertrauen in den Fortbestand der jetzt existierenden gesetzlichen Regelung liegt nach Auffassung unserer Fraktion daher hier vor. Das Rechts- staatsprinzip sieht ein Verbot rückwirkender Gesetze vor. Dieses Verbot ist nach Auffassung der CDU/CSU- Bundestagsfraktion aufgrund des Vertrauensschutzes hier gegeben. Auch deswegen lehnen wir Ihren Gesetz- entwurf ab! Ihr Gesetzentwurf sieht einen Nachteilsausgleich für die betroffenen Empfänger der Hilfe in besonderen Le- benslagen und private Dritte vor. Dieser mit Rücksicht auf das Rückwirkungsverbot vorgesehene Nachteilsaus- gleich ist jedoch überhaupt nicht ausreichend. Warum ist dies so? Die Empfänger von Hilfe in besonderen Le- benslagen wurden durch die fehlerhafte Einkommensbe- rechnung vielfach nicht benachteiligt. Die an sie ausge- zahlten niedrigeren Wohngeldzahlungen wurden durch entsprechend höhere Leistungen der Hilfe in besonderen Lebenslagen ausgeglichen. Insofern sind von der rück- wirkenden Gesetzesänderung im Wesentlichen die Sozial- hilfeträger betroffen. Im Gesetzentwurf ist in diesem Zu- sammenhang von den „Trägern öffentlicher Aufgaben“ die Rede. Das klingt schön und gut. Jedoch wird hier- durch die unterschiedliche Verantwortung für die Finan- zierung von Wohngeld und Sozialhilfeleistungen nicht beachtet. Durch den Gesetzentwurf werden die Kommu- nen belastet, die Haushalte von Bund und Ländern je- doch entlastet. Fazit: Der vorliegende Gesetzentwurf belastet durch, seine Rückwirkung die Kommunen als Träger der So- zialhilfe. Er belastet die Empfänger der Hilfe in beson- deren Lebenslagen. Und er belastet private Dritte. Für alle Genannten werden bereits erlangte Rechtspositionen infrage gestellt. Alle sind von der Rückwirkung des Ge- setzes daher nachteilig betroffen. Die CDU/CSU-Frak- tion im Deutschen Bundestag wird den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Wohngeldgeset- zes daher ablehnen. Renate Blank (CDU/CSU): Wohngeld dient der wirtschaftlichen Sicherung von angemessenem und fa- miliengerechtem Wohnen und ist ein vom Bund und den Ländern getragener Zuschuss zu den Aufwendungen für Wohnraum und soll all jenen Bürgerinnen und Bürgern helfen, deren Einkommen nicht ausreicht, um die Kosten einer angemessenen Wohnung zu tragen. Die verfehlte Steuer- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung hat dazu geführt, dass leider immer mehr Menschen in Deutschland auf Wohngeld angewie- sen sind! Zur Erinnerung: Der vorliegende Gesetzent- wurf ist durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts veranlasst und stellt einen herben Schlag gegen die s g w w g M M e w e l R t e t S s G d B g d z t n w t h B n S l l d b w n f n t f R u d W d s b L f (C (D chlampige, handwerklich fehlerhafte und inhaltlich un- erechte Sozialgesetzgebung der Bundesregierung dar. Diesen Hintergrund muss man im Auge haben, wenn ir heute in zweiter und dritter Lesung den Gesetzent- urf der Bundesregierung zur Änderung des Wohngeld- esetzes abschließend beraten. Für mich ist der Entwurf der Bundesregierung ein usterbeispiel für sture rot-grüne Politik nach dem otto „Augen zu und durch“! Das Gesetz sei lediglich ine „Klarstellung aufgrund des Urteils des Bundesver- altungsgerichts“, so der SPD-Kollege Spanier bei der rsten Lesung im März. Ich sehe darin keine Klarstel- ung, sondern nur das Verschleiern der Absicht, dass ot-Grün ganz unverhohlen auf Kosten der Sozialhilfe- räger sparen will! Die rückwirkende Gesetzesänderung ntlastet den Haushalt von Bund und Ländern auf Kos- en der Sozialhilfeträger, also zulasten der Kommunen. Die gemeinsame Stellungnahme der kommunalen pitzenverbände, also des Deutschen Städtetages, Deut- chen Landkreistages und des Deutschen Städte- und emeindebundes, spricht eine deutliche Sprache. Auch ie zuständigen Bundesratsausschüsse hatten schwerste edenken, auch wenn die Regierungskoalition dies erne verschweigen würde. Die in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bun- esregierung vertretene Auffassung, wonach sich die So- ialhilfeträger als Träger öffentlicher Aufgaben auf Ver- rauensschutz und insoweit auf das Rückwirkungsverbot icht berufen können, ist ebenfalls höchst problematisch, eil sie die unterschiedliche Finanzierungsverantwor- ung für das Wohngeld und die Leistungen der Sozial- ilfe nicht berücksichtigt. Im Vermittlungsausschuss zu Hartz IV hatten sich und und Länder darauf verständigt, dass die Kommu- en durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und ozialhilfe insgesamt um rund 2,5 Milliarden Euro ent- astet werden sollten. Im Wesentlichen sollte diese Ent- astung aus den Einsparungen resultieren, die die Länder urch die Einführung von Hartz IV beim Wohngeld ha- en würden, rund 2 Milliarden Euro. Es war vereinbart orden, dass Entlastungen vollständig an die Kommu- en weitergegeben werden sollten. Dieser Gesetzentwurf sieht jedoch keinen Ausgleich ür die Sozialhilfeträger, also insbesondere die Kommu- en, vor, wenn ihnen durch das Urteil finanzielle Nach- eile entstehen. Die Frage, ob dies nicht gegen das ver- assungsrechtliche Rückwirkungsverbot, also gegen das echtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, verstößt, bleibt ngeklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat – eng am Wortlaut es Wohngeldgesetzes orientiert – festgestellt, dass § 10 ohngeldgesetz nur zulässt, die Leistungen der laufen- en Hilfe zum Lebensunterhalt auf den Wohngeldan- pruch anzurechnen, nicht aber auch den Anteil zum Le- ensunterhalt, der in der sozialrechtlichen Hilfe zum ebensunterhalt in besonderen Lagen enthalten ist. Solche Fehler dürfen dem Gesetzgeber nicht unterlau- en! Zu oft – auch bei anderen Gesetzen – vertraut die Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16201 (A) ) (B) ) Bundesregierung darauf, dass die Praxis schon mit den Gesetzen umzugehen wisse, frei nach dem Motto, es sei ja bekannt, was mit den Gesetzen gemeint ist. Diese ty- pisch rot-grüne Vorgehensweise hält oft rechtsstaatli- chen Nachprüfungen nicht stand. Es ist auch merkwürdig, in der Gesetzesbegründung davon zu sprechen, das Urteil des Bundesverwaltungs- gerichts stelle sich für die Betroffenen als überraschende Entscheidung dar, weswegen sie eigentlich gar keinen Vertrauensschutz genießen würden. Ein merkwürdiges Verständnis! Die Bundesregierung trägt mit ihrem Vorschlag je- denfalls die Verantwortung für mögliche weitere juristi- sche Auseinandersetzungen. Das Ende finanzieller Risi- ken für die Haushalte von Bund und Ländern aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezem- ber 2003 wird damit nicht erreicht. Aufgrund des Urteils hätten die Sozialhilfeträger quasi einen erheblichen Er- stattungsanspruch für zu viel gezahlte Leistungen, die ei- gentlich durch das Wohngeld getragen werden müssten. Der Gesetzentwurf geht von circa 800 Millionen Euro aus, die durch das Gesetz nun auf circa 75 Millionen Euro reduziert werden sollen. Fazit: Dieses Gesetz ist und bleibt unausgegoren! Vor der Bundestagswahl 1998 hieß es bei Schröder: „Wir werden nicht alles anders machen, aber vieles bes- ser“. Heute müssen wir erneut feststellen: Es wurde vie- les anders, aber nichts besser. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich möchte gleich zu Anfang der Diskussion deutlich machen, dass es sich bei der vorgeschlagenen Änderung des Wohngeldgesetzes um nichts anderes als eine gesetzliche Klarstellung handelt. Wir beabsichtigen weder, neue gesetzliche Tatbestände einzuführen, wie gelegentlich bei der Debatte behauptet wird, noch betrei- ben wir eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Be- troffenen. Lassen Sie mich kurz erläutern, warum. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 11. Dezember 2003 entschieden, dass die den Heimbewohnern ge- währte Hilfe in besonderen Lebenslagen, HbL, nach der Wohngeldreform 2001 wohngeldrechtlich nicht dem Einkommen zuzurechnen ist. Ebendies war aber die ur- sprüngliche Absicht des Gesetzgebers gewesen. Es ent- spricht übrigens auch der bis Ende 2000 geltenden Rechtslage und der Vollzugspraxis in Bund und Län- dern. Mit dem Gesetzentwurf soll nun für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2004 die Einkom- mensermittlung für Heimbewohner, die Hilfe in besonde- ren Lebenslagen empfangen, rückwirkend neu geregelt werden; neu in dem Sinne, dass damit der Rechtszustand, wie er vor der Wohngeldänderung des Jahres 2001 be- stand, wiederhergestellt wird. Es handelt sich also um eine Klarstellung im Sinne der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers. Ich glaube, es ist absolut gerechtfertigt, neben der Rente auch den für den Lebensunterhalt bestimmten An- t k d n a H w t a e d h f s d g z w n s t 8 s K d d d z S n h s w v b h g s n h d h u d w g U g d K te d w (C (D eil der Hilfe in besonderen Lebenslagen zum Jahresein- ommen zuzurechnen und auf dieser Grundlage über en Wohngeldanspruch zu entscheiden. Täten wir dies icht, käme es zu einer Gerechtigkeitslücke gegenüber nderen potenziellen Wohngeldempfängern, die keine ilfe in besonderen Lebenslagen empfangen. Ich denke, ir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die Be- roffenen wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden ls vorher. Bereits in der Vergangenheit führte der Bezug ines höheren Wohngeldes zu einer anteiligen Kürzung er Hilfe in besonderen Lebenslagen. Die Betroffenen atten also in der Regel keine finanziellen Vorteile. Und ür die wenigen Ausnahmen von der Regel sieht der Ge- etzentwurf einen Nachteilsausgleich vor. Die Fraktion der CDU/CSU hat nun angekündigt, em Gesetzentwurf nicht zustimmen zu wollen. Als Be- ründung soll die beabsichtigte Rückwirkung des Geset- es herhalten. Nun will ich Ihnen sagen, was passiert, enn wir auf die Rückwirkung verzichten. Dann sind ämlich für die Gruppe der Heimbewohner, die zwi- chen 2001 und 2004 Wohngeld bezogen haben, nach- räglich Wohngeldmehrausgaben in Höhe von bis zu 00 Millionen Euro zu erwarten. Diese Mehrausgaben ind von Bund und Ländern zu tragen. Sehr verehrte ollegen von der CDU/CSU-Fraktion, ich glaube nicht, ass die Länder von Ihrer Position allzu erfreut sein ürften. Kritik kommt von den kommunalen Spitzenverbän- en. Diese beklagen, dass Bund und Länder ihren Finan- ierungsanteil für das Wohngeld auf die Kommunen als ozialhilfeträger abwälzen wollen. Dem ist natürlich icht so. Es entsteht eben keine neue Belastung der Sozial- ilfeträger. Es geht lediglich darum, dass Erstattungsan- prüche aus der Vergangenheit nicht mehr durchgesetzt erden können. Das ist schon ein großer Unterschied. Ich komme zum Schluss. Der Gesetzentwurf in der orliegenden Form ist notwendig und sachgerecht. Ich itte um Ihre Zustimmung. Joachim Günther (Plauen) (FDP): Zum wieder- olten Mal behandeln wir die Änderung des Wohngeld- esetzes. Nachdem bereits im Ausschuss eine gemein- ame Beschlussfassung herbeigeführt wurde, möchte ich ur noch einmal auf die Schwerpunkte des Wertegangs inweisen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist durch ein Urteil es Bundesverwaltungsgerichts veranlasst, das einen erben Schlag gegen die schlampige und inhaltlich ngerechte Sozialgesetzgebung der Bundesregierung arstellt. Der vorliegende Gesetzentwurf greift die An- eisungen und Klarstellungen des Bundesverwaltungs- erichts auf und setzt sie um. Die FDP kann sich diesen msetzungen und Klarstellungen anschließen. Die Re- ierung trägt dabei die Verantwortung für die entstan- ene Rechtsunsicherheit und die durch die notwendigen orrekturen im Wohngeldgesetz anfallenden Mehrkos- n in den öffentlichen Haushalten. Handwerkliche Fehler der Bundesregierung führten azu, dass nun aufgrund eines Urteils des Bundesver- altungsgerichts wohngeldrechtliche Vorschriften, die 16202 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) das Verhältnis zu Ansprüchen aus der Sozialhilfe regeln, geändert werden sollen, und das sogar rückwirkend für die Jahre 2001 bis 2004. Das Bundesverwaltungsgericht hat – eng am Wortlaut des Wohngeldgesetzes orientiert – festgestellt, dass § 10 Wohngeldgesetz nur zulässt, die Leistungen der laufen- den Hilfe zum Lebensunterhalt auf den Wohngeldan- spruch anzurechnen, nicht aber auch den Anteil zum Le- bensunterhalt, der in der sozialrechtlichen Hilfe zum Lebensunterhalt in besonderen Lagen enthalten ist. Sol- che Fehler dürfen dem Gesetzgeber nicht unterlaufen. Zu oft – auch bei anderen Gesetzen – vertraut die Bun- desregierung darauf, dass die Praxis schon mit den Ge- setzen umzugehen wisse, es sei ja bekannt, was mit den Gesetzen gemeint sei. Diese Vorgehensweise hält rechts- staatlichen Nachprüfungen nicht stand. Die FDP stimmt mit der Auslegung des Bundesver- waltungsgerichts überein. Die FDP trägt das ursprüngli- che Ziel des Wohngeldgesetzes und des nun vorliegen- den Gesetzentwurfes mit, das Wohngeldgesetz so zu fassen, dass Einnahmen, die zum Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, auch als Grundlage bei der Ermittlung des Anspruches auf Wohngeld zu berücksichtigen sind. Auch der Anteil der Hilfe in besonderen Lebenslagen, der für den Lebensunterhalt bestimmt ist, muss dann konsequenterweise auf zusätzliche wohngeldrechtliche Ansprüche angerechnet werden. Es ist nicht richtig, dass Menschen, die bereits in wirt- schaftlicher Bedrängnis sind, für ihr geringes selbst er- wirtschaftetes Einkommen nach der bestehenden Geset- zeslage auch noch bestraft werden sollen. Die FDP stimmt deshalb dem Urteil des Bundesverwaltungsge- richts und dessen Umsetzung im vorliegenden Gesetz- entwurf auch dahin gehend zu, dass Einnahmen des An- spruchsberechtigten, die bereits bei der Berechnung der Hilfe in besonderen Lebenslagen berücksichtigt wurden, nicht noch einmal bei der Bemessung des Wohngeldes – für Fälle der Pauschalierung nach § 8 Wohngeld- gesetz – angesetzt werden dürfen. Problematisch ist schließlich die so genannte echte Rückwirkung der angestrebten Regelungen, weil sie in die Wohngeldansprüche nach § 44 SGB X eingreift, die mit Wirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003 bestehen. Die Nachteilsaus- gleichsklausel in § 40 Abs. 5 des Gesetzentwurfs zielt darauf ab, Schaden von Betroffenen abzuwenden. Dies beseitigt hoffentlich wirklich alle finanziellen Einbußen der Betroffenen. Nicht beseitigen kann diese Klausel die entstandene Rechtsunsicherheit und den entstehenden Verwaltungsaufwand. Es ist zynisch, in der Gesetzesbegründung davon zu sprechen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stelle sich für die Betroffenen als überraschende Ent- scheidung dar, weswegen sie eigentlich gar keinen Ver- trauensschutz genießen würden. Wer den Rechtsweg bis zu den obersten Bundesgerichten beschreitet in dem Glauben, dort Recht zu erhalten, ist wohl kaum über- rascht, wenn seiner Klage schließlich stattgegeben wird. Rechtsstaatlichkeit kann nicht mit dem Hinweis darauf abgetan werden, dass die Wohngeldstellen nach Rück- s W t f d h f b n r z B a b w d S h 2 n w g k w z 1 J m d b L g b o d V w E r h J U d g A b G f H (C (D prache mit dem Ministerium für Verkehr, Bau- und ohnungswesen und den Ländern den vom Urteil be- roffenen Personen, die nun einen Antrag auf Korrektur rüherer Bescheide stellten, mitgeteilt haben, sie würden ie Berichtigung der früheren Bescheide nun erst einmal inten anstellen. Insgesamt bleibt offen, welche Mehrkosten den öf- entlichen Haushalten durch die fehlerhafte Gesetzge- ung entstehen werden. Die im Gesetzentwurf enthalte- en Korrekturen sind jedenfalls notwendig, um echtliche Klarheit und soziale Gerechtigkeit wiederher- ustellen. Dass dies erst wieder durch ein Urteil eines undesgerichts veranlasst wird, wirft ein schlechtes Bild uf diese Bundesregierung. Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin eim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs- esen: Der Regierungsentwurf regelt für das Wohngeld ie Einkommensermittlung von Heimbewohnern, die ozialhilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen erhalten aben. Die Regelungen sollen rückwirkend für die Jahre 001 bis 2004 gelten. Ab 2005 stellt sich das Problem icht mehr. Nach den Hartz-IV-Reformen sind Heimbe- ohner, die Sozialhilfe erhalten, regelmäßig vom Wohn- eld ausgeschlossen, weil ihre angemessenen Unter- unftskosten durch die Sozialhilfe berücksichtigt erden. Anlass für den Gesetzentwurf ist ein im April 2004 ugestelltes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 2003, das sich auf die Gesetzgebung des ahres 1999 bezieht. Der Gesetzgeber hat im Jahr 1999 das Wohngeldrecht it Wirkung zum 1. Januar 2001 geändert. Er wollte, ass bei Heimbewohnern nach wie vor der für den Le- ensunterhalt bestimmte Anteil der Hilfe in besonderen ebenslagen dem wohngeldrechtlichen Einkommen zu- erechnet wird. Der für den Lebensunterhalt anzusetzende Anteil war is 2004 durch einen Pauschalsatz in der Wohngeldver- rdnung bestimmt. Es war zwischen Bund, Ländern und en ausführenden Gemeinden unstreitig und einhellige ollzugspraxis, dass dementsprechend die den Heimbe- ohnern gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen als inkommen bei der Berechnung des Wohngeldes zu be- ücksichtigen war. Völlig überraschend und im Gegensatz zur Vorinstanz at das Bundesverwaltungsgericht dieser Praxis für die ahre 2001 bis 2004 den Boden entzogen. Nach dessen rteil ist die Anrechnung der Hilfe nach der Änderung es Wohngeldrechts 1999 nicht mehr durch Wohngeld- esetz und Wohngeldverordnung gedeckt. Der Gesetzgeber hatte aber – wie gesagt – nicht die bsicht, der Anrechnung der Hilfe in besonderen Le- enslagen als wohngeldrechtliches Einkommen die rundlage zu entziehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil ür den Fall des gesetzgeberischen Handelns ergänzende inweise gegeben, die eine Doppelanrechnung einzelner Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16203 (A) ) (B) ) Einkommenspositionen sowohl bei der Hilfe in besonde- ren Lebenslagen als auch beim Wohngeld verhindern sollen. Der dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung schließt nun die vom Bundesverwal- tungsgericht für die Einkommensanrechnung bei Heim- bewohnern festgestellte Regelungslücke und greift dabei die ergänzend gegebenen Hinweise auf. Es stellt damit den gemeinsamen Willen von Bundestag und Bundesrat aus dem Jahr 1999 in dem vom Bundesverwaltungsge- richt gezogenen rechtlichen Rahmen klar. Vor diesem Hintergrund erklärt sich von selbst, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf keine Ein- wände erhoben hat. Denn er regelt, was nach dem ge- meinsamen Willen von Bundestag und Bundesrat ohne- hin gelten sollte. Wichtig ist, dass die betroffenen Heimbewohner durch den Gesetzentwurf finanziell nicht schlechter ge- stellt werden. Hilfe in besonderen Lebenslagen und Wohngeld verhalten sich zueinander wie zwei kommuni- zierende Röhren. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen steigt oder fällt in dem gleichen Maße, wie das Wohn- geld fällt oder steigt. Für den Ausnahmefall, dass den Heimbewohnern oder deren Angehörigen durch diesen Gesetzentwurf ein finanzieller Nachteil entsteht, sieht der Gesetzentwurf vorsorglich einen Nachteilsausgleich vor. Der Gesetzentwurf vermeidet somit für Bund und Länder Mehrausgaben im Wohngeld in Höhe von je- weils mindestens 400 Millionen Euro, ohne die Heimbe- wohner finanziell zu belasten. Der Entwurf bewirkt auch für die Träger der Hilfe in besonderen Lebenslagen keine zusätzliche Belastung finanzieller Art. Er schließt lediglich die für die Träger ebenfalls unvorhergesehenen Rückerstattungsmöglichkeiten für die Jahre 2001 bis 2004 aus. Ohne Gesetzesänderung käme hingegen ein hoher Verwaltungsaufwand auf die Länder zu. Für bis zu 100 000 Heimbewohner, die in den Jahren 2001 bis 2004 Wohngeld erhalten haben, müssten die Wohngeldbe- scheide neu bearbeitet werden. Ich denke, wir sollten im Interesse der sozialpolitischen Leistungsfähigkeit des Wohngeldes verhindern, dass es durch derartige zusätzli- che Lasten geschwächt wird. Zu dem Gesetzentwurf darf ich somit feststellen: Erstens. Er stellt den gemeinsamen Willen von Bun- destag und Bundesrat klar, wie er sich vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts auch in der allgemeinen Vollzugspraxis niedergeschlagen hat. Zweitens. Die betroffenen Heimbewohner werden durch den Gesetzentwurf finanziell nicht schlechter ge- stellt Eine ohne den Entwurf erforderliche Neuberech- nung eines dann höheren Wohngeldes würde vielmehr zur nachträglichen Kürzung der Hilfe in besonderen Le- benslagen führen. Drittens. Der Gesetzentwurf vermeidet Mehrausga- ben für Wohngeld bei Bund und Ländern in Höhe von je- weils mindestens 400 Millionen Euro. d z T t a g A C B b 1 a f n h r w g p c v b o l B k d a W s ti d g H S g s F 9 (C (D Viertens. Er bewirkt für die Träger der Hilfe in beson- eren Lebenslagen keine zusätzliche Belastung finan- ieller Art, sondern schließt lediglich die auch für die räger unvorhergesehenen Rückerstattungsmöglichkei- en für 2001 bis 2004 aus. Fünftens. Er verhindert umfangreiche, verwaltungs- ufwendige und damit kostenträchtige Neuberechnun- en von Wohngeld. nlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Anträge: – Konversionsregionen stärken – Verbilligte Abgabe von zu Verteidigungszwecken nicht mehr benötigten Liegenschaften ermögli- chen – Konversionsregionen stärken – Sechs- Punkte-Plan zur Strukturpolitik (Tagesordnungspunkt 14 a und b) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Von der DU/CSU wurde der Antrag gestellt, erneut über die eseitigung der Konversionslasten zu debattieren. Lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen, dass wir ereits im Plenum des Deutschen Bundestages am 7. Dezember 2004 und darüber hinaus im Haushalts- usschuss am 26. Januar 2005 über dieses Thema aus- ührlich beraten haben. Ich kann daher nur Folgendes och einmal für die SPD-Fraktion deutlich machen: Die veränderte Sicherheitslage und die neuen sicher- eitspolitischen Herausforderungen sowie die schwie- ige Finanzlage, in der sich unser Land befindet, sind ichtige Faktoren bei der Strukturierung der zukünfti- en Bundeswehr. Aufgrund der verbesserten sicherheits- olitischen Lage brauchen wir für Deutschland glückli- herweise weniger Soldatinnen und Soldaten als noch or zehn oder 15 Jahren. Diese Umfangsreduzierungen edeuten leider auch Standortreduzierungen: 105 Stand- rte, davon über 50 Kleinst- und Kleinstandorte, müssen eider geschlossen werden. Für die von der Schließung etroffenen ist diese Neustrukturierung unserer Streit- räfte mit Härten und Einschnitten verbunden. Auch für ie betroffenen Städte und Gemeinden – das hat leider uch für den Bundeswehrstandort Hildesheim in meinem ahlkreis Bedeutung – sind das schmerzliche Ein- chnitte. In diesem Zusammenhang ist es mir besonders wich- g, darauf hinzuweisen, dass es für die Zivilbeschäftigten er Bundeswehr keine betriebsbedingten Kündigungen eben wird. Dafür bin ich dem Verteidigungsminister, errn Dr. Peter Struck, sehr dankbar. So bedauerlich die tandortschließungen und Verlagerungen auch sind: Es ibt hierzu keine sinnvolle Alternative. Das war auch chon unter den Verteidigungsministern der Union der all. Das politische Herumwurschteln aus Mitte der 0er-Jahre hat ein Ende. 16204 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) Die Kriterien, jeden Standort nur bezüglich militäri- scher und betriebswirtschaftlicher Erfordernisse zu prü- fen, machen die Standortentscheidungen nachvollzieh- bar und somit auch transparent. Zu den eigenen Standortschließungen kommt erschwerend hinzu, dass auch Änderungen bei der Stationierung der US-Streit- kräfte zu erwarten sind. Dieser Veränderungsprozess, der spätestens 2010 abgeschlossen sein soll, stellt die betrof- fenen Kommunen vor Herausforderungen, die nur ge- meinsam mit Bund und Ländern bewältigt werden kön- nen. Dabei muss es zu einem fairen Interessenausgleich kommen. In den zurückliegenden Jahren hat sich aber vielfach auch gezeigt, dass Konversion nicht nur Risi- ken, sondern auch Chancen zur Weiterentwicklung von Kommunen beinhaltet. Nach der föderalen Aufgabenverteilung liegt die strukturpolitische Verantwortung für die Bewältigung der Konversionslasten vorrangig in der Verantwortung der betroffenen Länder und Kommunen. Der Bund hat und wird auch künftig daran mitwirken. Im Jahr 1993 wurde der Umsatzsteueranteil der Länder um 2 Prozent- punkte erhöht, unter anderem zur finanziellen Flankie- rung der Folgen des Truppenabbaus. Ich darf noch ein- mal deutlich darauf hinweisen, dass diese Mittel den Ländern dauerhaft zur Verfügung stehen, auch nachdem sich die Belastungen durch den Truppenabbau im Zeit- ablauf bis jetzt verringert haben. Es liegt nach wie vor im Interesse des Bundes, dass die aufgegebenen Militärflächen so schnell wie möglich einer Anschlussnutzung zugeführt werden. Dabei hat sich eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwi- schen Bund, Ländern und Kommunen bewährt. Es gab an der einen oder anderen Stelle aber auch nicht hinzunehmende Verzögerungen und Reibungsver- luste. Daher ist es besonders wichtig, dass alle beteilig- ten Stellen noch erfolgsorientierter, zielführender und pragmatischer zusammenarbeiten. Der BlmA fällt hier gerade in der Startphase eine bedeutende und entschei- dende Rolle zu. Der Deutsche Bundestag hat in seiner 149. Sitzung am 17. Dezember 2004 den Antrag auf Druck- sache 15/4520 zur Federführung an den Haushaltsaus- schuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Verteidigungs- ausschuss und den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen überwiesen. Die mitberatenden Aus- schüsse haben jeweils mit den Stimmen der Koalitions- fraktionen und gegen die Stimmen der Opposition emp- fohlen, die Vorlage anzunehmen. Im federführenden Haushaltsausschuss wurde der Antrag der Koalition in der Sitzung vom 26. Januar 2005 abschließend beraten und mehrheitlich empfohlen, den Antrag anzunehmen. Am Montag dieser Woche hatte der Verteidigungs- minister zu einem Informationsgespräch nach Bonn ein- geladen. Bei dieser Informationsveranstaltung waren alle kommunalen Vertreter anwesend, die von Standort- schließungen betroffen sind. Es wurde erneut deutlich gemacht, dass dem Bundeshaushalt außerhalb der be- kannten Instrumente keine weiteren Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden können. Das war übrigens a B Z s t f g D E d t ß a c s f g n G m K o l W d s E E m m s d a z r - h d i M t Ü g s G e - h F g e d d li p (C (D uch bei allen bisher stattgefundenen Schließungen von undeswehrstandorten der Fall und ist nichts Neues. Im uge der bei der Konversion in den letzten Jahren ge- ammelten Erfahrungen haben sich diverse Verwer- ungsmodelle in der Praxis bewährt und genau zu dem airen Interessensausgleich geführt, den ich schon zu Be- inn meiner Ausführungen eingefordert habe. Ich möchte hier nur zwei dieser Modelle erwähnen: er Bund bleibt Eigentümer, die Kommunen führen die rschließung und Entwicklung durch. Hierzu schließt er Bund mit den Kommunen einen städtebaulichen Ver- rag, wonach sich der Bund maßgeblich an den Erschlie- ungs- und Entwicklungskosten auf der Grundlage eines bgestimmten Planungs- und Baurechts sowie entspre- hender Kosten- und Erlösprognosen beteiligt. Hierbei ind die bei der bisherigen Verwertung gesammelten Er- ahrungen zu berücksichtigen und gegebenenfalls zu er- änzen. Bundeseigene Grundstücke, für die eine Bauleitpla- ung aufgestellt werden muss bei denen zum Beispiel ebäude rückgebaut oder Flächen entwickelt werden üssen, können – wie bisher auch schon praktiziert – ommunen oder von ihnen getragene Gesellschaften der Treuhändern zunächst gegen eine moderate Anzah- ung überlassen werden. Der Kaufpreis wird erst nach eiterveräußerung ausgekehrt und ermittelt sich aus em Weiterveräußerungserlös abzüglich einer angemes- enen Beteiligung des Bundes an den Erschließungs-, ntwicklung- und Folgekosten. Länder und Kommunen können vom Bund und der uropäischen Union mitfinanzierte Förderungsinstru- ente einsetzen. Hierzu gehören insbesondere die Ge- einschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt- chaftsstruktur“, die Städtebauförderung und Mittel aus en Europäischen Strukturfonds. Diese Hilfen standen uch bei den bisherigen Standortschließungen und -redu- ierungen zur Verfügung. Im weiteren Verfahrensablauf ist ferner von besonde- er Bedeutung, dass die von Standortreduzierungen bzw. schließungen betroffenen Landes- und Kommunalbe- örden so früh wie möglich über den konkreten Zeitplan, as so genannte Feinkonzept, unterrichtet werden. Dabei st auch auf eine schnelle Erklärung zwecks Freigabe der ilitärflächen hinzuwirken. Dazu gehört auch, an be- roffene Kommunen schon vor der Freigabe alle für eine berplanung notwendigen Informationen und Unterla- en zur Verfügung zu stellen. Ich denke dabei zum Bei- piel an Baubestandspläne, Lagepläne und vorliegende utachten. Bei der Informationsveranstaltung in Bonn wurde benfalls deutlich: die von Standortreduzierungen bzw. schließungen betroffenen Landes- und Kommunalbe- örden frühestmöglich über den konkreten Zeitplan, einkonzept, zu unterrichten und auf eine schnelle Frei- abe der Militärflächen hinzuwirken, sofern der Verkauf iner Liegenschaft vor Planungsreife erfolgt, planungsbe- ingte Wertsteigerungen oder -minderungen gegenüber en bei Vertragsschluß angenommenen Nutzungsmög- chkeiten durch Nachzahlungs- oder Erstattungsver- flichtungen Rechnung zu tragen, auch künftig in geeig- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16205 (A) ) (B) ) neten Fällen die Baureifmachung unter anderem durch die finanzielle Beteilung an Machbarkeitsstudien oder Nutzungskonzepten bis hin zur Bauleitplanung zu för- dern und sich an einzelnen Standortentwicklungsmaß- nahmen zu beteiligen. Zu diesen vielfältigen Maßnahmen, die sich ebenfalls in der Vergangenheit bewährt haben, gehören auch Zah- lungserleichterungen wie ein Hinausschieben der Kauf- preisfälligkeit oder die zinspflichtige Stundung des Kaufpreises auch über mehrere Jahre zu ermöglichen. Zum Schluss meiner Ausführungen noch einige An- merkungen zum Verhalten der Opposition in den Aus- schüssen und hier im Hohen Haus sowie in der Öffent- lichkeit: Die Veräußerung bundeseigener Liegenschaften ist nur zum vollen Wert zulässig, § 63 Abs. 3 BHO. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, hiervon Ausnahmen zuzulassen. Ein Verkauf unter Wert wäre auch unter EU- beihilferechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Der Bund hat bei der Verwertung der Konversionsliegen- schaften verschiedene Verwertungsmodelle entwickelt, die eine angemessene Chancen- und Risikoverteilung zwischen den Beteiligten vorsehen. In Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen den Haushalt einlegen und auf der anderen Seite auf Einnah- men verzichten – das passt nicht zusammen und bleibt Ihr Geheimnis. Daher bitte ich um Zustimmung zu unse- rem Antrag, der vom federführenden Haushaltsaus- schuss und von den mitberatenden Ausschüssen jeweils mit der erforderlichen Mehrheit angenommen worden ist. Anita Schäfer (Saalstadt) CDU/CSU): Im Herbst 2004 gab der Verteidigungsminister die Schließung von 105 Standorten bis zum Jahr 2010 bekannt. 30 weitere werden erheblich verkleinert. Die Zahl der Dienstposten schrumpft von 339 000 auf 290 000. Dies ist Teil der „Transformation“ der Bundeswehr – so heißt die militä- rische Dauerreform unter Rot-Grün neuerdings. Allein in meiner Heimat Rheinland-Pfalz gehen rund 4 400 mi- litärische und zivile Dienststellen verloren. Neun Stand- orte sollen komplett geschlossen, sieben weitere redu- ziert werden. Andere Bundesländer sind noch weitaus härter betroffen. Die drastischen Maßnahmen der Regierung werfen drei Probleme auf: Erstens. Sicherheitspolitisch erschweren sie einen ef- fektiven Heimatschutz unter Einbindung der Bundes- wehr. Zweitens. Gesellschaftspolitisch droht die Veranke- rung der Bundeswehr in der Fläche und damit in der Be- völkerung verloren zu gehen. Drittens. Strukturpolitisch sind erhebliche Nachteile für Länder und Kommunen zu befürchten. Eine vorausschauende und nachhaltige Politik steht vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss die mili- tärische Sicherheitsvorsorge mit den strukturpolitischen Bedürfnissen der Länder und Kommunen in Einklang bringen. Beides leistet die jetzige Regierung nicht. Kon- v d n B D A s O g h e s d F i t K V S w d b S z r d g M t s r L A l P s M t k d k u f i n s w u d u z p d B W (C (D ersionspolitik ist eine Angelegenheit von nationaler Be- eutung. Der Bund darf sich hier seiner Verantwortung icht entziehen. Die Schließung bzw. Verkleinerung von undeswehrstandorten ist vom Bund zu verantworten. amit steht der Bund auch in der Pflicht, angemessene usgleichsmaßnahmen für die betroffenen Regionen zu chaffen. Als die Damen und Herren von der SPD noch in der pposition standen, war das auch ihre Sicht. Kein gerin- erer als der jetzige Verteidigungsminister Peter Struck at 1991 einen Antrag seiner Fraktion unterzeichnet, der in umfassendes, nationales Konversionsprogramm vor- ah, Drucksache 12/882. Damals ging es um die Folgen er deutschen Einheit und nicht darum, aus chronischer inanznot die Bundeswehr zu reduzieren. Sie forderten n dem Antrag nach dem „Verursacherprinzip“ die un- eilbare Verantwortung des Bundes für die Folgen von asernenschließungen ein. Natürlich ist richtig: Der erteidigungsminister ist kein Infrastrukturminister. eine Politik hat aber wesentlichen Einfluss auf die Ent- icklung der Infrastruktur. Derselbe Peter Struck, der seinerzeit eine Entlastung er Kommunen durch den Bund forderte, zeigt sich jetzt lind gegenüber den Konsequenzen seiner radikalen tandortmaßnahmen. Anders ist das kategorische Nein u einer fairen Lastenteilung auf der Konversionskonfe- enz am letzten Montag nicht zu erklären. Die Aussage es Ministers, der Bund habe kein Konversionspro- ramm, ist nicht nur Konzeptlosigkeit dieser Regierung. ehr noch: Rot-Grün wälzt konsequent die strukturpoli- ische Verantwortung für die Bewältigung der Konver- ionsfolgen auf Länder und Kommunen ab. Die Erklä- ung des Ministers, der Bund habe beim Verkauf der iegenschaften keine unrealistischen Verkaufspreise vor ugen, ist ein billiges Trostpflaster. Nur die Bereitstel- ung der Grundstücke an die Kommunen zu verbilligten reisen fördert die schnelle, ergebnisorientierte Konver- ion. Das ist die grundsätzlich entscheidende Frage. Wenn dann noch Strucks Parteikollege Kurt Beck, inisterpräsident von Rheinland-Pfalz, über seine posi- iven Erfahrungen nach dem Wegzug zahlreicher ameri- anischer Truppenteile aus „seinem“ Land berichtet, ist ie Schmerzgrenze überschritten. Ohne Zweifel: Beck ann „Positives“ vermitteln – aber aus einer Zeit, in der nser Land noch ein Wirtschaftswachstum und keine ünf Millionen Arbeitslose hatte! Die Konferenz am letzten Montag war eine geschickt nszenierte Informationskampagne des Verteidigungsmi- isters – mit mageren Ergebnissen. Das Thema Heimat- chutz und der Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche ar nicht einmal eine Randnotiz wert. Die Konferenz ntermauerte faktisch das Desinteresse von Rot-Grün an en Problemen der Kommunen, die Sie maßgeblich ver- rsacht haben. Der Antrag der Grünen- und SPD-Fraktion, der heute ur Abstimmung steht, ändert daran nichts. Die Eck- unkte bieten keine konkrete strukturpolitische Hilfe für ie betroffenen Kommunen. Sie gehen über eine bloße eratungs- und Koordinierungsfunktion nicht hinaus. enn es denn kein Geld des Bundes gibt, dann geben 16206 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) Sie den Gemeinden wenigstens die Grundstücke. Die Forderung, „die in der Praxis bewährten Verwertungs- modelle auch künftig anzuwenden“, ist ein Blendmanö- ver. Ein Modell der fairen Lastenverteilung Bund-Län- der-Kommunen ist gefragt. Dem gehen Sie aber mit wolkigen Formulierungen aus dem Weg. Es ist lebens- wichtig für die Gemeinden, dass militärische Liegen- schaften übergeben werden, ohne sie in die Schulden- falle zu treiben. Und hier steht im Antrag der Regierungsfraktionen eine abenteuerliche Sache. Ihre Idee der zinspflichtigen Stundung der Überlas- sungskosten läuft auf Kredite des Bundes an die Kom- munen hinaus. Und da Sie in der Altlastenbeseitigung immer noch erhebliche Risiken bei den Kommunen be- lassen, könnte nach Ihren Plänen so manche Kommune über ein Konversionsprojekt in eine Schuldenfalle gera- ten. Viele Standorte liegen in kleinen ländlichen Kom- munen. Ich frage Sie: Wie sollen diese sowieso oft fi- nanzschwachen Gemeinden dieses Risiko tragen? Die Konversionswelle trifft unser Land in sehr schwierigen Zeiten. Die vorliegenden Anträge der Union bieten ein schlüssiges Konzept. Unser Sechspunkteplan schafft einen überzeugenden Rahmen für ein nationales Konversionsprogramm. Wir müssen erstens die bestehende Strukturförderung der Gemeinschaftsaufgabe optimieren, zweitens ein So- fortprogramm für die Härtefälle in schwächeren Regio- nen auflegen, drittens uns verstärkt um neue Mittel aus den EU-Fonds kümmern, viertens die Konversion in den Maßnahmen des Bundes und der Länder als feste Auf- gabe verankern, fünftens Liegenschaften verbilligt und ohne Altlastrisiko abgeben und sechstens die Verfahren bei GEBB und Vermögensamt beschleunigen. Lassen sie mich vor allem den zentralen Punkt „Ver- wertung der Liegenschaften“ aufgreifen. Es sollte die Möglichkeit bestehen, freigegebene Liegenschaften mit einem erheblichen Abschlag vom vollen Wert, gegebe- nenfalls zu einem symbolischen Preis, mit Wertsteige- rungsklauseln an die betroffenen Länder, Kreise und Gemeinden oder ansiedlungswillige Investoren zu ver- äußern. Außerdem steht der Bund für die Beseitigung militärischer Altlasten in der Pflicht. Die Verwendung frei werdender Liegenschaften muss schnell, unbürokra- tisch, flexibel und zu möglichst niedrigen Preisen erfol- gen. Das steigert die Wachstumschancen und erleichtert den anstehenden Strukturwandel in den Konversions- kommunen. Ich fordere Sie auf, zum Wohle der von Standort- schließungen betroffenen Kommunen unseren Anträgen zuzustimmen. Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Sechs Monate sind inzwischen vergangen, seit Minister Struck am 2. November letzten Jahres das neue Stationierungskon- zept der Bundeswehr verkündet hat: mit dramatischen Einschnitten in die wirtschaftliche und soziale Ordnung vieler Regionen und Kommunen, mit 105 Standort- schließungen, vor allem verbunden mit großen Unsi- c u K S d b M v z V H m s g h z E a m f W m d V l d 1 l v L s w t f b n V m d w B B u D d d M w d w m G (C (D herheiten bei den betroffenen Bundeswehrangehörigen nd den Zivilbeschäftigten. Ein halbes Jahr ist verstrichen und bei der Frage der onversion der betroffenen Standorte sind wir keinen chritt weiter. Leider hat dies auch die Konferenz bzw. as Erörterungsgespräch von Minister Struck mit den etroffenen Kommunalpolitikern am vergangenen ontag gezeigt. Die Bundesregierung ist bei der Kon- ersion der zu schließenden Bundeswehrstandorte kon- eptionslos. Die Kommentare in der Presse über diese eranstaltung in Bonn sind eindeutig: Struck enttäuscht offnungen, Struck lehnt Zuschüsse ab. Zornige Bürger- eister suchen Ideen. Wenn sie Geld haben wollen, sind ie hier an der falschen Stelle. Genau diese Aussprüche sind mit einer der Haupt- ründe, warum die betroffenen Bürgermeister fast ein- ellig von einer „herben Enttäuschung“ sprechen. „Ich ahle nichts“, „Geld habe ich auch nicht“ und „Der ichel hat auch kein Geld“ – dies waren wohl die Kern- ussagen dieser Konferenz am Montag. Das kann nie- anden zufrieden stellen und darf auch niemanden zu- rieden stellen. Ich habe heute noch mit einem Bürgermeister meines ahlkreises telefoniert, dem Bürgermeister der Ge- einde Penzing. Dort ist ein Fliegerhorst angesiedelt: as Lufttransportgeschwader 61, der älteste fliegende erband der Bundeswehr, einziges LTG in Süddeutsch- and und Drehscheibe für alle internationalen Einsätze er Bundeswehr. An diesem Standort werden 640 Dienstposten gestrichen. In der Gemeinde Penzing eben im Vergleich dazu 3 500 Einwohner. Dieses Verhältnis zeigt doch klar, welche Problematik or Ort entsteht. Die Bundeswehr hat hier tagtäglich das eben eines jeden Bürgers in dieser Gemeinde be- timmt. Dies ist kein Einzelfall! Hier kommen vollkommen unverhältnismäßige Aus- irkungen auf diese Gemeinden zu, denen jegliche Un- erstützung zur Bewältigung dieser Probleme bisher ehlt. Ich denke dabei an die direkten und indirekten Ar- eitsplatzverluste, die Schwächung der kommunalen Fi- anzen, die Kaufkraftverluste, die Unterauslastung der er- und Entsorgungseinrichtungen, die Altlastenproble- atik und an den Wohnungsmarkt, der mit entsprechen- en Wertverlusten für die Eigentümer zusammenbrechen ird. Hier stehen gewaltige Aufgaben an, bei denen die undesregierung in der Mitverantwortung steht. In der eschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion der SPD nd des Bündnisses 90/Die Grünen steht geschrieben: as durch den Bundesminister für Verteidigung verkün- ete Ressortkonzept Stationierung führt infolge der Re- uzierung der Bundeswehr in vielen der von diesen aßnahmen betroffenen Kommunen zu gravierenden irtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. – Zumin- est diese Erkenntnis ist richtig. Gleichzeitig verkündet die Bundesregierung immer ieder, dass die Stationierungsentscheidungen stets nach ilitärisch funktionalen und betriebswirtschaftlichen ründen erfolgen. Dass wir das in vielen Fällen bezwei- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16207 (A) ) (B) ) feln und ich eher hinter einer Reihe von Entscheidungen über Standortauflösungen reine politische Gründe ver- mute und keine betriebswirtschaftlichen, das sei hier der Vollständigkeit wegen erwähnt. So lange die Bundesre- gierung keine echten Zahlen vorlegt, wird diese Vermu- tung weiterhin im Raum stehen bleiben. Die Bundesre- gierung führt immer wieder an, dass strukturpolitische Gesichtspunkte nicht berücksichtigt werden. Dr. Peter Struck ist kein Wirtschaftsminister; das ist uns bekannt. Aber das entbindet ihn doch nicht von der Verantwortung für die Folgen seines Handelns. Die Si- tuation vor Ort hier ist vergleichbar mit einem 2 000 Mitarbeiter starken Unternehmen, das seine Pfor- ten schließt – und das nicht einmal, sondern zig Mal im Bundesgebiet. Da würde mich der Aufschrei der Politik interessieren. Da würde über die soziale Verantwortung der Unternehmen diskutiert werden, die dieser nicht nachkommen. Da würden dann Aussprüche von Heu- schreckenschwärmen kommen, die Unternehmen befal- len, abgrasen und weiterziehen und die Betroffenen ohne jegliches Verantwortungsgefühl zurücklassen. Wir erleben ja die Argumentationen der Koalition. Nehmen Sie hier doch Ihre Verantwortung wahr! Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist doch derzeit bei weitem nicht in der Lage, das aufzufangen, was hier durch diese Standortreform an Belastungen auf die Bür- ger zukommt. Zur Situation der Kommunen: Tun Sie doch nicht so, als ob hier große Chancen bestehen würden, nach der Schließung der Standorte zu Marktbedingungen Unter- nehmen anzusiedeln, Arbeitsplätze zu schaffen oder Wohnraum zu bauen! All dies entspricht doch zurzeit nicht der Realität bei Wachstumsschwäche, Überschul- dung der Haushalte und riesigen Arbeitslosenzahlen. Was die betroffenen Kommunen brauchen und zu Recht von der Bundesregierung verlangen, ist ein So- fortprogramm „Konversion“. Geben Sie beispielsweise den Kommunen die Chance, die nicht mehr benötigten Liegenschaften günstig zu vermarkten! Nehmen Sie den Vorschlag des SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck auf, so genannte „Nachbesserungsscheine“ auszugeben! Wenn eine Kommune eine besonders lukrative Nachnut- zung findet, kann der Bund ja anschließend beteiligt werden. Nehmen Sie also Ihre Verantwortung wahr und entwi- ckeln Sie Lösungsansätze, anstatt die Betroffenen mit dem Problem allein zu lassen! Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 2. November 2004 gab Verteidigungsminister Struck die Entscheidung zur Schließung weiterer 105 Standorte in Deutschland bekannt. Diese Anpassung der Stationierungsplanung war vor dem Hintergrund der Neuausrichtung und Reduzierung der Bundeswehr un- ausweichlich. Unsere Fraktion begrüßt und unterstützt die mutige Entscheidung des Ministers vorbehaltslos. „Die Bundeswehr ist nicht dazu da, stationiert zu sein.“ Diese markante Maxime des ehemaligen Verteidi- gungsministers Rühe gilt auch noch heute. Mit der neuen S n c n m b n r s S w u r z w z w p A D d d k t d ß t u n r s A u D h g w O u f s h B c b d k w u b d te H r s (C (D tationierungsplanung wird die Zahl der militärisch ge- utzten Standorte in Deutschland bis zum Jahr 2010 auf irca 400 reduziert. Ausschlaggebende Kriterien der euen Stationierungsplanung waren richtigerweise „die ilitärische und funktionale Notwendigkeit sowie die etriebswirtschaftliche Verantwortbarkeit“. Die Änderung des Stationierungskonzepts wird bei ei- igen Standorten zum strukturellen Aufwuchs, bei ande- en zu Reduzierungen und bei wieder anderen zu per- pektivischen Standortschließungen führen. Für viele oldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbeschäftigten ird dies mit beruflichen und sozialen Veränderungen nd Belastungen verbunden sein. In den von Reduzie- ungen betroffenen Kommunen wird es zum Verlust von ivilen Arbeitsplätzen, dem Wegfall von Kaufkraft so- ie frei werdenden Kasernen, Depots und Übungsplät- en kommen. Dass sich viele Betroffene in der Anfangsphase nur iderwillig oder unter Protest auf diesen Veränderungs- rozess einlassen, ist verständlich. Im Hinblick auf die usgestaltung dieses Konversionsprozesses gibt es in eutschland reichhaltige praktische Erfahrungen aus en 90er-Jahren. Diese Erfahrungen haben uns gezeigt, ass der Abzug oder die Reduzierung der Bundeswehr eine Katastrophe sein muss. Auch wenn es keine Pa- entrezepte gibt, so gibt es durchaus zahlreiche Beispiele afür, dass der Truppenabzug und die Kasernenschlie- ungen kreativ und erfolgreich bewältigt werden konn- en. Ganz entscheidend ist, wie mit der Herausforderung mgegangen wird. Der Antrag der Koalitionsfraktionen ennt hier zentrale Anforderungen. Eine wichtige Vo- aussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung ist, dass ich Bund, Länder und Gemeinden unverzüglich an die rbeit machen. Notwendig ist als Erstes die schnelle und mfassende Information über die Standortplanungen. as ist mit der Feinausplanung vom 11. April gesche- en. Hier sind die Maßnahmen aufs Quartal genau ein- eplant. Darüber hinaus kommt es auf das enge Zusammen- irken der Beteiligten an. Im Rahmen der föderalen rdnung liegt die Hauptverantwortung bei den Ländern nd Kommunen. Der Bund – das ist die einhellige Auf- assung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages – teht in der Mitverantwortung. Angesichts der Haus- altssituation in Bund, Ländern und Gemeinden ist allen etroffenen klar, dass es keine nennenswerten zusätzli- hen Förderprogramme zur Bewältigung des Truppenab- aus geben kann und geben wird. Wir begrüßen es, dass er Bund der Forderung der Koalitionsfraktionen nach- ommt und die Kommunen unter anderem bei der Ent- icklung von Nutzungskonzepten, Machbarkeitsstudien nd der Altlastenbewältigung großzügig zu unterstützen ereit ist. Darüber hinaus gibt es eine Reihe Förderprogramme es Bundes und der EU, die von den Betroffenen und In- ressenten in Anspruch genommen werden können. ierzu zählen die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesse- ung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, der Europäi- che Strukturfonds und die Städtebauförderung. Im 16208 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) Bereich der zivilen Anschlussnutzung von militärischen Liegenschaften haben sich in den vergangenen Jahren eine Reihe von Verwertungsmodellen bewährt, auf die nun zurückgegriffen werden kann. Wir erwarten, dass eine zügige Verwertung vonseiten des Bundes nicht durch überhöhte Veräußerungsansätze behindert wird. Viele Programme und Verwertungsmodelle sind häu- fig nicht oder unzureichend bekannt. Deshalb haben die Bündnisgrünen von Anfang an dafür plädiert, dass auf der Ebene des Bundes und der Länder Konversionsbe- auftragte mit Lotsenfunktion als Ansprechstellen zur Verfügung stehen. Wir begrüßen, dass vonseiten des Fi- nanz- und Verteidigungsministeriums im November ver- gangenen Jahres eine solche gemeinsame „Koordinie- rungsstelle für Konversionsfragen“ eingerichtet wurde. Auch in den Ländern stehen entsprechende Konver- sionsbeauftragte den Betroffenen Rede und Antwort. Die „Konversionskonferenz“, zu der der Verteidigungsmi- nister am Montag circa 300 Bürgermeister und Landräte eingeladen hatte, war in diesem Sinne ein weiterer wich- tiger und hilfreicher Beitrag für einen fruchtbaren Infor- mations- und Erfahrungsaustausch. Vor diesem Hintergrund bin ich optimistisch, dass die Folgen der Stationierungsänderung erfolgreich gemeis- tert werden können. Gudrun Kopp (FDP): Die Neustrukturierung der Bundeswehr im Zuge der veränderten sicherheitspoliti- schen Rahmenbedingungen fordert nicht nur von den Soldaten und ihren Familien, sondern auch von den Standortkommunen große Anstrengungen. In nur einem Jahrzehnt sind die Standorte der Bundeswehr um gut ein Drittel von 603 auf jetzt projektierte 392 reduziert wor- den. Insbesondere in den Städten und Gemeinden, die in herausragender Weise von Bundeswehrgarnisonen ab- hängig sind, kann durch den Abzug der Truppen und den damit verbundenen Kaufkraftverlust eine zum Teil dra- matische Situation eintreten. Hier ist deshalb vor allem auch das Verteidigungs- ministerium gefordert, wenn es darum geht, zusammen mit den Kommunen nach möglichst reibungsfreien Übergängen zu streben. Dies bedeutet vor allem, dass die jetzt eingerichtete Koordinierungsstelle für Konver- sionsfragen (KStK) entscheidend dazu beitragen muss, dass die Veräußerung bzw. Transformation von Liegen- schaften der Streitkräfte nicht in endlosen bürokrati- schen Verfahren dahinschlummert, sondern möglichst zügig und zielgerichtet umgesetzt werden kann. Insbesondere die Bundesanstalt für Immobilienaufga- ben (BImA) muss hier ihrer Verantwortung gerecht wer- den und die einzelnen Prüfschritte wie Entbehrlichkeits- prüfung, Prüfung von Rückübertragungsansprüchen, Freigabeankündigung etc. möglichst zügig umsetzen, damit interessierte Kommunen schnell von ihrem Pla- nungsrecht Gebrauch machen können. Der Bund dage- gen muss natürlich für bestehende Altlasten geradeste- hen und diese bei Investoreninteresse möglichst schnell beseitigen. Bei der Frage der Veräußerung unter Wert sollte in der Tat geprüft werden, ob nicht im Interesse von Planungssicherheit und schneller Abwicklung fle- x S m w u f I d s s m e s b p a A m A l i r A s d r r h v d E E g w D n d d b z s z m o li (C (D ible Lösungen gefunden werden können. Das chlimmste, was hier passieren kann, sind für die Kom- unen Endlosverfahren mit großem bürokratischen Auf- and, die nur Industriebrachen zurücklassen. Alles in allem unterstützt die FDP alle Bemühungen nd Maßnahmen, die dem Ziel dienen, wirklich „Vor- ahrt für Arbeit“ und insbesondere auch für kommunale nvestitionen zu realisieren. Zu bedauern ist in diesem Zusammenhang jedoch, ass mit den im November verkündeten Standortent- cheidungen noch immer nicht das Ende der nunmehr eit über einer Dekade andauernden Bundeswehrrefor- en erreicht ist. Solange Rot-Grün nicht die Kraft hat, ndlich die Frage der Wehrform abschließend zu ent- cheiden – und dies kann nur das Ende der Wehrpflicht edeuten – so lange werden uns auch die Konversions- rozesse nicht erspart bleiben. Rot-Grün muss deshalb uch hier endlich handeln, um Planungssicherheit für die rmee, ihre Angehörigen sowie die betroffenen Kom- unen herzustellen. nlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Keine weitere Verzö- gerung in der Frage der Entsorgung nuklearer Abfälle (Tagesordnungspunkt 8) Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Für eine fried- iche Auseinandersetzung mit der Nutzung der Kernkraft st der Energiekonsens, den die rot-grüne Bundesregie- ung und die sie tragenden Fraktionen in ihrer ersten mtsperiode im Jahre 2000 durchgesetzt haben, von be- onderer Bedeutung. Der Ausstieg aus der Atomenergie ient auch den Sicherheitsinteressen kommender Gene- ationen. Leider haben die Oppositionsfraktionen mit ih- er ideologischen Haltung zur Atomenergie dies bis eute nicht kapiert. Sonst hätten sie mit ihrem Antrag om 29. Juni 2004 nicht erneut untragbare Vorschläge in ie Debatte eingebracht. Das Ein-Endlager-Konzept als wichtiger Baustein des nergiekonsenses lässt keine voreiligen Schlüsse auf ndlagerstandorte und Endlagermedien zu. Die bisheri- en Forschungs- und Entwicklungserkenntnisse sind ichtig, aber längst nicht als abschließend einzustufen. arum spreche ich mich vorab und grundsätzlich sehr achdrücklich für eine Beibehaltung und einen Ausbau er Endlagerforschung aus. Der Bundestag selbst und ie beteiligten Ministerien – Umwelt, Wirtschaft und Ar- eit sowie Bildung und Forschung – müssen weiter kon- entriert an diesen Aufgaben arbeiten und in einem Wis- ensverbund dafür sorgen, dass die Zwischenergebnisse ielgerichtet und effizient weiterverarbeitet werden. Es ist auch für die Koalition klar, dass ernsthafte Be- ühungen um eine Lösung der Endlagerproblematik hne jede Verzögerungen stattfinden müssen. Zugleich stehen diesem nur mittel- oder langfristig rea- sierbaren Ziel die ausreichenden und beherrschbaren Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16209 (A) ) (B) ) Möglichkeiten einer Zwischenlagerung nicht entgegen. Die von der Opposition verbreitete Drucksituation und die damit verbundene Angstmache sind völlig unsinnig. Als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Salzgitter-Wolfenbüttel sage ich auch unter dem Ein- druck direkter und praktischer Erkenntnisse, dass der Antrag der CDU/CSU nicht akzeptabel ist. Mit dem ehe- maligen Salzbergwerk Asse II haben frühere Bundesre- gierungen – auch SPD-geführte – vollendete Tatsachen geschaffen, die eine Einschätzung von Gefahren unter dem Gesichtspunkt der Langzeitsicherheit außerordent- lich schwer machen. Ich fordere ausdrücklich, dass die Gefahrenanalyse – auch unter dem Eindruck eines mas- siven und dauerhaften Laugeneinbruchs in Asse II – im Rahmen der Arbeiten zum Abschlussbetriebsplan sehr ernst genommen werden. Dabei sollte auch geprüft wer- den, ob die rund 1 300 Fässer mit mittelradioaktivem Atommüll in dem Bergwerksendlager verbleiben dürfen. Schacht Konrad sofort für die Verfüllung mit schwach- und mittelradioaktiven Abfällen mit vernach- lässigbarer Wärmeentwicklung zugänglich zu machen spricht für die nicht vorhandene Sensibilität in Fragen der Gefahren von Atommaterialien bei der CDU/CSU. Dass auch der Unionsabgeordnete aus dem Wahlkreis Salzgitter-Wolfenbüttel diese Forderung mit unterschrie- ben hat, sagt über seine Haltung zu diesen Gefahrenquel- len und zu den Interessen der Menschen in der Region alles – ist aber für diese Debatte nebensächlich. Für Schacht Konrad sind im Rahmen des Energiekon- senses die einzig möglichen und richtigen Grundlagen geschaffen worden: Die gerichtlichen Entscheidungen werden abgewartet und durch die Aussetzung des sofor- tigen Vollzugs werden – anders als bei Asse II – keine vollendeten Tatsachen zugelassen. Das Ein-Endlager- Konzept, für das Schacht Konrad wegen der anderen Grundlagen seiner Untersuchungskriterien nicht infrage kommt, ist schon wegen der Volumen- und der Sicher- heitsfragen richtig. Es kommen aber auch die Standortinteressen der Braunschweiger Region mit ihren mehr als l Million Einwohnern hinzu. Wer will eigentlich mit dem vorhan- denen Atommüllendlager Asse II und dem nahe gelege- nen Schacht Morsleben in Sachsen-Anhalt dieser Region noch mehr an Belastungen dieser Art zumuten? Leider setzt sich – unabhängig von den regionalen Bundes- und Landtagsabgeordneten der CDU – nicht einmal die CDU/FDP-Landesregierung für diesen Aspekt ein. Die Braunschweiger Region ist einer der wichtigsten Wirt- schaftsstandorte in Norddeutschland; auch das interes- siert die Vertreter dieser Parteien leider nicht. Es bleibt also beim Widerstand gegen Schacht Konrad und bei der nachdrücklichen Forderung nach Klärung aller Sicherheitsfragen auch beim Atommüll- endlager Asse II. Und es bleibt bei den Grundlagen des Energiekonsenses. Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der CDU/CSU soll offenbar von Ihren zahlrei- chen Fehlleistungen in der Entsorgung radioaktiver Ab- f 1 l V b w w J f M w b d E u G S R t g n F F B E m t B Z g r g d A w s t R G t A f n n t e d V p P t g e E e m (C (D älle in den Jahren vor dem Regierungswechsel im Jahr 998 ablenken. Zu Ihren, so wie Sie es im Antrag formu- ieren, „bis 1998 entwickelten und im internationalen ergleich vorbildlichen Entsorgungsstrukturen“ gehört eispielsweise das Atomendlager Morsleben. Zuerst urde durch Gerichtsbeschluss im September 1998 die eitere Einlagerung in Morsleben untersagt und wenige ahre danach mussten wegen drohenden Einsturzes um- angreiche Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen werden. it Ihrer Sorglos-Atompolitik – hätte man Sie weiter ge- ähren lassen – wäre die Bevölkerung mit faktisch un- egrenzten Mengen radioaktiven Mülls „beglückt“ wor- en. Noch unerträglicher ist es, dass Sie eine ntsorgungspolitik betrieben haben, die stets die Sorgen nd Bedenken der Bevölkerung ignoriert hat. Aus diesen ründen steht seit über zwanzig Jahren Gorleben als ymbol für Ihre gescheiterte Entsorgungspolitik. Die ealität hat gezeigt, dass man gegen den Willen der be- roffenen Bevölkerung zu keiner Lösung in der Endla- erfrage kommen kann. Das sind die Fakten, um nur ei- ige davon zu nennen. Ihr Antrag ignoriert zudem ganz bewusst die erzielten ortschritte der rot-grünen Bundesregierung in zentralen ragen der Entsorgung. Wir haben Ihre Politik gegen die evölkerung nicht nur beendet, sondern auch eine neue ndlagerkonzeption entwickelt. Die Auswahl des best- öglichen Standortes für ein Endlager soll in einem ransparenten und nachvollziehbaren Verfahren auf der asis des Vergleichs von Alternativen erfolgen. Diese ielsetzung ist angesichts der unvermeidbaren langfristi- en Risiken bei der Endlagerung Wärme entwickelnder adioaktiver Abfälle ein Gebot der Sicherheit. Grundle- endes Element ist die Beteiligung der Öffentlichkeit an er Entwicklung, Festlegung und Durchführung des uswahlverfahrens. Dieses Verfahren soll ohne Vorfestlegungen bundes- eit ausgerichtet werden. Dabei soll jede Region und chließlich jeder Ort nach den gleichen vorher festgeleg- en Kriterien beurteilt werden. Das betrifft dann auch die egion Gorleben. Eine Fortführung der Erkundung von orleben zum jetzigen Zeitpunkt, wie ihn die Opposi- ion fordert, würde die Ergebnisoffenheit eines solchen uswahlverfahrens mit Alternativenvergleich unterlau- en und mögliche Fehlinvestitionen auslösen. Auch Ih- en dürfte bekannt sein, dass die Betriebsbereitschaft ei- es Endlagers für Wärme entwickelnde Abfälle aus echnisch-wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht rst circa im Jahr 2030 erforderlich ist. Das BMU hatte die Oppositionsfraktionen und auch ie EVU schon im Jahr 2003 eingeladen, sich in einer erhandlungsgruppe mit breiter gesellschaftlicher Re- räsentanz unter der Leitung von Frau Staatssekretärin robst am Auswahlverfahren zu beteiligen. Die Opposi- ion und auch die EVU haben sich diesem Gesprächsan- ebot verweigert. So sind auch die in der Koalitionsver- inbarung von 2002 festgelegten Gespräche mit den VU bisher ohne Erfolg geblieben. Es lohnt sich für die CDU, einen weiteren Blick in die igenen Reihen zu werfen. Das Land Niedersachen acht viel Lärm um das genehmigte Endlager Konrad, 16210 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) nur sind den Worten bisher keine Taten gefolgt. Obwohl die Klageschriften gegen den Planfeststellungsbeschluss Konrad bereits seit eineinhalb Jahren vorliegen, lassen die Klageerwiderungen des niedersächsischen Umwelt- ministeriums weiter auf sich warten. Wer sich so der Lö- sung des Endlagerproblems verweigert, sollte vorsichtig sein, anderen Verzögerungen vorzuwerfen. Es hat den Anschein, dass der Zug der Zeit an der Op- position und auch den EVU vorbeizieht. Die Lehre, was es heißt, alles auf eine Karte zu setzen, kann aus dem Yucca-Mountain-Endlagerprojekt der USA gezogen werden. Nach dem Urteil des Appellationsgerichts zum Nachweis der Langzeitsicherheit ist die Zukunft dieses Standortes ungewiss. Die USA haben keinen Alternativ- standort, auf den Sie im Falle des endgültigen Scheiterns ausweichen könnten. International drohen wir zudem den Anschluss zu verlieren. Die Vorgehensweise bei der Endlagerstandort- suche ist bereits in einer Reihe von Ländern, zum Bei- spiel in Schweden und Finnland, an der Einbindung der betroffenen Bevölkerung orientiert und deshalb sehr er- folgreich. Der schwedische Wirtschaftsstaatssekretär, Claes Anstrand, hat im Dezember 2003 auf einer inter- nationalen Endlagerkonferenz in Stockholm sinngemäß festgestellt, dass die Errichtung eines Endlagers für ab- gebrannte Brennelemente eine offensichtliche örtliche Dimension habe. Um Vertrauen der Öffentlichkeit in den Entscheidungsprozess herzustellen, habe sich Schweden entschieden, die Öffentlichkeit an diesem Prozess zu be- teiligen, und sichergestellt, dass diese Beteiligung die Einflussnahme auf das Endergebnis ermöglicht. Ich wünschte, Sie hätten den Mut, eine solche Entwicklung für Deutschland zu unterstützen. Die Grünen sind der Auffassung, dass es für alle de- mokratischen Parteien im Deutschen Bundestag gute Gründe gibt, einen Konsens in der Frage zu suchen, auf welche Weise ein Endlager für nukleare Abfälle in Deutschland ausgewählt wird. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Biologische Vielfalt schützen und zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung nutzen (Tagesord- nungspunkt 9) Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Zu Beginn möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen bedanken. Es ist uns in den Beratungen im Ausschuss gelungen, die Unterstützung aller hier im Hause vertrete- nen Fraktionen für den Antrag zur biologischen Vielfalt zu gewinnen. Jenseits aller parteipolitischen Differenzen zwischen den Parteien gibt es also wohl einen breiten Konsens über die Ziele zum Schutz und für eine nach- haltige Nutzung der biologischen Vielfalt. Und das ist gut so. Denn trotz aller Anstrengungen beschleunigt sich die Zerstörung von Ökosystemen immer noch in alar- mierender Weise. Jährlich werden 15 Millionen Hektar W d b d n g J s s k s B G t r d g U K s g n B B l w w s a p h l 2 g w U E c f t l u l d t u w t z K g l (C (D ald vernichtet und auch der Verlust an Arten und damit es genetischen Reichtums der Erde schreitet unge- remst voran. Täglich sterben 150 Arten aus und gehen amit unwiederbringlich verloren. Alarm ist wirklich ötig! Deshalb hat sich die Weltgemeinschaft auf dem Welt- ipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im ahre 2002 das Ziel gesetzt, die Verlustrate an biologi- cher Vielfalt bis 2010 signifikant zu reduzieren. Ange- ichts der riesigen Herausforderungen, die uns in den ommenden Jahren und Jahrzehnten bevorstehen, ent- prechen die gemeinsamen Forderungen des Deutschen undestages im vorliegenden Antrag durchaus der röße der Aufgabe. Dennoch, meine Damen und Herren von der Opposi- ion, kann ich Ihnen nicht ersparen, einige Ihrer Äuße- ungen aus der ersten Debatte des Antrags am 10. März ieses Jahres zu kommentieren. Frau Kollegin Reichard von der Union hat sich vor ut einem Monat hier hingestellt und das Hohelied der mweltökonomie und der monetären Bewertung von osten der Umweltzerstörung gesungen. Man konnte chon staunen, haben doch gerade ihre Fraktionskolle- innen und -kollegen in den vergangenen sechs Jahren och jede umweltpolitische Maßnahme zur monetären ewertung externer ökologischer Kosten in Bausch und ogen als Untergang des Wirtschaftsstandortes Deutsch- and verdammt. Diesen geradezu grotesken Widerspruch haben Sie ohl selbst erkannt und Ihre Begeisterung für die Um- eltökonomie schnell wieder gedeckelt. Volkswirt- chaftlich betrachtet – so führen Sie weiter aus – sei es lso für Deutschland wesentlich günstiger, sich im Tro- enwaldschutz in Südostasien zu engagieren als Treib- ausemissionen in Deutschland einzusparen. Hier offenbart sich ein umwelt- und entwicklungspo- itisches Gedankengut, welches – wenn überhaupt – vor 0 oder 30 Jahren einmal modern war. Kurz zusammen- efasst könnte man Ihre Position so darstellen: Solange ir den Entwicklungsländern nur genügend Geld für den rwaldschutz zur Verfügung stellen, können wir in uropa und Nordamerika ganz beruhigt so weiterma- hen wie bisher. Sehr geehrte Frau Reichard, Ihre Rede lässt mich be- ürchten, dass die Union trotz unseres gemeinsamen An- rages immer noch auf der falschen Welle reitet. Globa- er Natur- und Ressourcenschutz ist nicht nur eine mweltpolitische, sondern immer auch eine entwick- ungspolitische Herausforderung. Die Industrieländer sind, obwohl sie nur 20 Prozent er Weltbevölkerung stellen, für 80 Prozent des weltwei- en Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Es ist daher nverantwortlich, ja verantwortungslos, auf eine ent- icklungspolitisch abgefederte Abwälzung umweltpoli- ischer Lasten auf die Entwicklungsländer zu setzen und u vermitteln, so könne die Welt vor dem ökologischen ollaps bewahrt werden. Außerdem übersieht Ihre Ar- umentation, dass die Menschen in den Entwicklungs- ändern ihre ökologischen Lebensgrundlagen nicht ohne Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16211 (A) ) (B) ) Grund zerstören, sie tun dies vielmehr aus Armut und aus tagtäglicher Not. Es kommt also nicht nur darauf an, unsere Anstren- gungen im globalen Umweltschutz zu verstärken. Viel- mehr müssen wir diese Anstrengungen in den weltwei- ten Kampf gegen die Armut einbetten. Nur wenn wir den Menschen in den Partnerländern eine nachhaltige ökono- mische Perspektive verschaffen, eröffnen wir ihnen die realistische Chance, aus dem Teufelskreis von Armut und fortschreitender Umweltzerstörung auszubrechen – wir handeln damit ohnehin in unserem ureigensten Inte- resse. Gerade die UN-Konvention über die biologische Vielfalt spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zu vielen anderen multilateralen Umweltabkommen verbindet sie den Schutz der biologi- schen Vielfalt mit deren nachhaltiger Nutzung und dem gerechten Ausgleich der sich aus der Nutzung ergeben- den Vorteile. Die biologische Vielfalt ist das Kapital der Armen. Das nachwachsende Gold unseres Planeten konzentriert sich in erster Linie in den Entwicklungsländern. Das ökonomische und kaufmännische Wissen für die indus- trielle Nutzung und Vermarktung biologischer Vielfalt ist dagegen vor allem in den Industrieländern angesie- delt. Deshalb pochen die Entwicklungsländer zu Recht auf die Umsetzung des dritten Ziels der UN-Konvention über die biologische Vielfalt. Sie fordern ein internatio- nales Regime für den gerechten Vorteilsausgleich sowie einen wirksamen Schutz gegen Biopiraterie. Die UN-Konvention über die biologische Vielfalt bie- tet somit eine ideale Plattform für ein faires Bündnis von Nord und Süd im weltweiten Umwelt- und Ressourcen- schutz. Wenn es uns gelingt, beim Schutz und bei der nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu einem funktionsfähigen Regime des gerechten Vorteilsaus- gleichs zu kommen, könnte dies als Prototyp für andere Bereiche des globalen Umweltschutzes dienen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union, wir haben gelernt, Armutsbekämpfung, nachhal- tige Entwicklung und Umweltschutz als Einheit zu be- trachten und unsere Entwicklungszusammenarbeit ent- sprechend auszurichten. Bei Ihnen kann ich mich eines Eindrucks nicht erwehren: Sie benutzen den globalen Umweltschutz immer noch als Feigenblatt! Wollen Sie so über die Defizite Ihrer Umweltpolitik im eigenen Land hinwegtäuschen? Lassen Sie mich dennoch betonen, dass ich über die Gemeinsamkeit bei diesem Antrag zufrieden bin. Im Laufe der Verhandlungen über den vorliegenden Antrag haben Sie sich immerhin auf unseren breiteren und mo- derneren Ansatz eingelassen. Ganz im Sinne dieses Bewusstseinswandels wünsche ich mir ein hohes Maß an Nachhaltigkeit in Ihrer Frak- tion. Diese Hoffnung möchte ich ausdrücklich auch auf die Kolleginnen und Kollegen von der FDP ausdehnen. Obwohl wir nicht alle Ihre Forderungen erfüllen konn- ten, haben Sie dem Antrag letztendlich zugestimmt. Das verdient Anerkennung. l a m d Z b d r l f i d m I K U H e t h e s n v K w z V s n b t w J e h U d s a w e b v l i n g a 2 L h (C (D Dennoch komme ich nicht umhin, verehrter Herr Kol- ege Heinrich, auf eine Ihrer kritischen Anmerkungen us der letzen Debatte näher einzugehen. Sie haben da- als behauptet, in Punkt drei unseres Antrages werde ie einseitige Bevorzugung der ökologischen Seite bei ielkonflikten zwischen internationalen Handelsverein- arungen und den Umweltkonventionen gefordert. Zunächst einmal möchte ich hierzu anmerken, dass ies so nicht im Antrag steht, vielmehr wird die Bundes- egierung aufgefordert, sich in internationalen Verhand- ungen dafür einzusetzen, dass die bestehenden Zielkon- likte zwischen den Umweltkonventionen und den nternationalen Handelsvereinbarungen aufgelöst und ie Umweltkonventionen gestärkt werden. Sie werden ir zustimmen, dass dies etwas völlig anderes ist, als hre verkürzte Darstellung suggeriert. Unabhängig vom Streit um Formulierungen ist Ihre ritik aber auch einfach falsch. Es geht nicht darum, die mweltkonventionen gegenüber den internationalen andelsvereinbarungen zu bevorzugen. Vielmehr geht s darum, zu verhindern, dass bereits bestehende interna- ionale Umweltvereinbarungen im Zuge der WTO-Ver- andlungen unterlaufen werden. Es geht also nicht um ine Ausweitung internationaler ökologischer Standards, ondern um die Verhinderung ihrer Aufweichung, inter- ationaler ökologischer Standards übrigens, die noch on der konservativ-liberalen Regierung unter Helmut ohl ausgehandelt worden sind. Im Übrigen ist es auch falsch, uns zu unterstellen, wir ollten mit unserem Antrag eine neue Konditionierung ugunsten des Umwelt- und Ressourcenschutzes bei der erwendung von frei werdenden Mitteln aus der Ent- chuldung einführen. Vielmehr wollen wir mit den Part- erländern – wenn möglich – Projekte zum Schutz der iologischen Vielfalt vereinbaren. Dies ist keine Kondi- ionierung, sondern ein Angebot – ein gutes Angebot, ie ich hier ausdrücklich betonen möchte. Die Bundesrepublik Deutschland genießt seit vielen ahren im Umwelt- und Ressourcenschutz international in hohes Ansehen. Sie leistet einen überproportional ohen Anteil im Bereich des globalen Umweltschutzes. nter der rot-grünen Bundesregierung sind die Zusagen er finanziellen und technischen Zusammenarbeit in die- em Bereich von rund 560 Millionen Euro im Jahr 2000 uf circa 710 Millionen Euro im Jahr 2003 angehoben orden. Gleichzeitig hat Deutschland seine Mittel, die s multilateralen Gebern zur Verfügung stellt, von 2001 is 2003 von 58,9 Millionen auf 100 Millionen Euro fast erdoppelt. Mit 128 Millionen Euro jährlich ist Deutsch- and einer der weltweit größten Geber für Maßnahmen m Bereich des Urwaldschutzes. Mit dem vorliegenden Antrag zum Schutz und zur achhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt ermuti- en wir die Bundesregierung, den eingeschlagenen Weg uch in Zukunft konsequent fortzusetzen. Der diesjährige UN-Tag der biologischen Vielfalt am 2. Mai steht unter dem Motto: „Biologische Vielfalt – ebensversicherung für unsere Welt im Wandel“. Wir aben die enorme Bedeutung der Biodiversität für die 16212 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) weltweite Bekämpfung der Armut und für die Zukunft unserer Kinder erkannt. Wir sind bereit, die notwendigen Beiträge für diese Lebensversicherung zu leisten. Und das ist Zukunftsverantwortung in Zeiten rasanten Wan- dels in einer globalisierten Welt. Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU): Wie ich bereits in meiner Rede am 10. März zum Thema deutlich gemacht habe, ist der Erhalt der biologischen Vielfalt die Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung auf un- serer Erde. Doch was verstehen wir unter dem recht abs- trakten Begriff „Biologische Vielfalt“? Es ist der Sam- melbegriff für die Variabilität des Lebens in all seinen Formen, angefangen bei der genetischen Vielfalt über die Artenvielfalt bis hin zur Vielfalt einzelner Ökosys- teme. Dass die biologische Vielfalt in vielerlei Hinsicht als die Grundlage des menschlichen Lebens bezeichnet werden kann, ist leider vielen in unserer Gesellschaft nicht bewusst. Sie garantiert die Bereitstellung von Pro- dukten und Leistungen, die das Wohlergehen von Mensch und Natur ermöglichen und erhalten helfen. Und genau diese Grundlagen zerstören wir in zunehmen- dem Maße. Ich möchte nur wenige Beispiele nennen: Wild- lebende Tier- und Pflanzenarten werden durch eine un- angepasste oder zu intensive Landnutzung verdrängt und ausgerottet. Wertvolle Böden werden zunehmend degra- diert und deren Produktivität wird für immer zerstört. Durch das Abholzen der Wälder schwindet die Fähigkeit von Ökosystemen, Wasser zu speichern und kontinuier- lich abzugeben. Allein in Südostasien werden jährlich rund 5,8 Millionen Hektar Urwald vernichtet – ein Ge- biet so groß wie die Schweiz. Die Konsequenzen für das Weltklima sind verheerend. Alarmierend ist auch die Überfischung der Weltmeere und Binnenseen. Zudem führt die zunehmende Meeresverschmutzung zu einer großflächigen Gefährdung und Zerstörung von wertvol- len Küstenökosystemen. Natürlich ist es unsere gesellschaftliche Verantwor- tung, die Vielfalt der Schöpfung und die ökologische In- tegrität wichtiger Ökosysteme für zukünftige Generatio- nen zu bewahren. Doch Anspruch und Wirklichkeit in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit klaffen lei- der weit auseinander. Ich möchte dies am folgenden Bei- spiel verdeutlichen: Gerade in diesem Jahr sprechen wir intensiv über die Millenniumsentwicklungsziele – MDG – zur Halbierung von Hunger und Armut in der Welt. Der Schutz der natürlichen Umwelt, sprich unserer natürli- chen Lebensgrundlagen, ist eine elementare Grundvo- raussetzung für die Erreichung dieser Ziele. Eine erfolg- reiche Bekämpfung der Armut, die flächendeckende Versorgung der Menschen mit Trinkwasser und der Schutz der Produktivität der Böden sind allesamt unmit- telbar auf die Erhaltung und Nutzung der biologischen Vielfalt angewiesen. Vollmundig propagiert die Ent- wicklungsministerin die Notwendigkeit zur Unterstüt- zung der Millenniumsziele, vernachlässigt jedoch in der praktischen Durchführung zwei der wichtigsten Politik- bereiche: die ländliche Entwicklung auf der einen Seite und den Natur- und Ressourcenschutz auf der anderen Seite. Ich empfinde die eklatante Diskrepanz zwischen d s r s R e d i d l m s s s v c P c g a t z s a E s f A d i d W e h W s d a g S z d g p u K w D f h d m h E z p (C (D er Rhetorik und der praktischen entwicklungspoliti- chen Umsetzung erschreckend. Noch vor wenigen Jah- en galt Deutschland auf internationaler Ebene als ein ehr engagierter Partner im internationalen Natur- und essourcenschutz. Der nun schon einige Jahre andau- rnde schleichende Bedeutungsverlust dieses Sektors in er bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit st nicht hinnehmbar und muss umgehend gestoppt wer- en. Wenn Sie heute zum Beispiel durchs östliche und süd- iche Afrika reisen, müssen Sie feststellen, dass die eisten der renommierten Natur- und Ressourcen- chutzprojekte, die von der deutschen Entwicklungszu- ammenarbeit initiiert und aufgebaut wurden, inzwi- chen beendet oder in die letzte Implementierungsphase erwiesen wurden. Von einer Fortsetzung der erfolgrei- hen und auf internationaler Ebene sehr angesehenen rojektarbeit auf gleichem Niveau kann nicht gespro- hen werden. Deutschland verabschiedet sich, von weni- en lobenswerten Ausnahmen abgesehen, zunehmend us diesem so wichtigen Sektor. Selbst namhafte Exper- en bezeichnen den Beitrag der deutschen Entwicklungs- usammenarbeit zum Schutz der Biodiversität inzwi- chen als viel zu gering und ineffizient. Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, wurde uf Initiative der CDU/CSU-Fraktion letztes Jahr eine xpertenanhörung im Bundestagsausschuss für wirt- chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchge- ührt. Der heute zur Debatte stehende interfraktionelle ntrag ist ein Ergebnis dieser Anhörung. Ich möchte in iesem Zusammenhang meinen Kollegen von Rot-Grün m Entwicklungsausschuss sehr herzlich danken, die uns er Sache wegen bei diesem Antrag unterstützt haben. ie schon in meiner Rede vom 10. März möchte ich auf in paar Forderungen des gemeinsamen Antrags einge- en, die meiner Meinung nach besonders wichtig sind. ir fordern zum Beispiel die Bundesregierung auf, un- eren biodiversitäts- und tropenwaldreichen Partnerlän- ern folgendes Angebot zu machen: Wir sollten ihnen nbieten, sie zusätzlich zu den in Regierungsverhandlun- en vereinbarten Kooperationssektoren im Bereich chutz und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen u unterstützen. Des Weiteren erwarten wir von der Bundesregierung, ass sie endlich die entsprechenden Maßnahmen er- reift, um den Import von illegal eingeschlagenem Tro- enholz nach Deutschland zu unterbinden. Hier können ns vor allem anerkannte Zertifizierungssysteme zur ennzeichnung von legalen und aus nachhaltiger Be- irtschaftung stammenden Tropenhölzern weiterhelfen. ie Unterstützung der verschiedenen anerkannten Zerti- izierungssysteme auch in den Entwicklungsländern alte ich für ungemein wichtig. Hier kann und muss die eutsche Entwicklungspolitik einen Beitrag leisten. Ich möchte nun zu einem anderen Punkt kommen, der ir sehr wichtig erscheint. Nicht ohne Grund werden eute viele Naturschutzgebiete und Nationalparks in ntwicklungsländern als so genannte Papier-Parks be- eichnet. Gemeint ist damit, dass sie zwar auf dem Pa- ier als Park eingetragen sind, aber in Wirklichkeit kei- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16213 (A) ) (B) ) nen effektiven Schutz genießen – sei es aus mangelndem Willen oder aufgrund fehlender Finanzmittel. Ohne ver- nünftiges Management, ohne eine Einbeziehung der Be- völkerung und ohne engagierte Wildhüter sind viele Parks dem Raubbau preisgegeben. Auch hier sollte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit einen verstärk- ten Beitrag leisten und unseren Partnerländern unter die Arme greifen. Gefragt sind Beratungsleistungen zum Aufbau von effektiven Managementsystemen, Systeme zur bestmöglichen Einbeziehung der lokalen Bevölke- rung sowie neue innovative Instrumente zur langfristi- gen Finanzierung von Naturschutzgebieten. Die Einrich- tung und Unterstützung von Stiftungen oder so genannten trust funds zur Finanzierung von Schutzge- bieten halte ich für sinnvoll, betone aber zugleich, dass diese nicht dazu führen dürfen, reformbedürftige und ge- gebenenfalls korrupte Verwaltungen künstlich am Leben zu erhalten. In vielen Fällen müssen wir uns die Frage stellen, ob der Staat wirklich der beste Akteur für das Management und die Absicherung von Schutzgebieten ist. Ich behaupte, dass dies in vielen Ländern nicht der Fall ist. Wir müssen uns daher verstärkt mit der Frage beschäftigen, ob zumindest in manchen Fällen private Akteure, kommunale Gemeinschaften oder NGOs einen besseren Schutz der Natur gewährleisten können als zen- tralistisch organisierte und bürokratische staatliche Insti- tutionen. Gerade im südlichen Afrika haben sich private Schutzgebietsansätze sehr bewährt. Es gibt eine Reihe von sehr erfolgreichen privaten Naturreservaten und so- gar professionellen privaten Unternehmen, die dem Staat die Dienstleistung „Schutz und Management der staatli- chen Parks“ anbieten. Auch sehr bewährt haben sich Partnerschaftsmodelle zwischen der lokalen Bevölke- rung, privaten Landbesitzern und dem Staat. Für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte dies ein Ansporn sein, sich intensiver mit innovativen Gover- nance-Strukturen für Schutzgebiete zu beschäftigen. Wir erwarten auch, dass die Bundesregierung die Er- gebnisse der 7. Vertragsstaatenkonferenz der Konven- tion über die Biologische Vielfalt – CBD – zu Schutzge- bieten aktiv unterstützt und umsetzt. Eines der Ergebnisse der 7. Vertragsstaatenkonferenz ist die Ein- richtung eines repräsentativen globalen Netzwerks von Schutzgebieten zu Land und zu Wasser. Im Juni dieses Jahres wird in Italien eine Geberkonferenz zur Finanzie- rung dieses Schutzgebietsnetzes stattfinden. Wir erwar- ten, dass sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in diese Konferenz aktiv einbringt und den Aufbau des globalen Schutzgebietsnetzwerks finan- ziell unterstützt. Ich habe bisher ausschließlich von Schutzgebieten ge- sprochen. Uns allen sollte jedoch klar sein, dass der größte Anteil der Biodiversität außerhalb von Schutzge- bieten existiert. Gerade in diesen Gebieten ist die Natur besonders gefährdet. Wir müssen uns deshalb auch ver- stärkt auf Konzepte konzentrieren, die geeignet sind, biologische Vielfalt auch außerhalb von Schutzgebieten zu erhalten. Schutz durch nachhaltige Nutzung – ganz im Sinne der Konvention über biologische Vielfalt – ist hier oft der erfolgreichste Ansatz. Es geht um Anreizme- chanismen für die lokale Bevölkerung, schonend mit den n k w s t l d s N n g m l r B l n g t m A d d w d r U s L u N r m i t k s t n S d m E c t b E g s i 1 b m m (C (D atürlichen Ressourcen umzugehen. In vielen Fällen önnen wir nur dann die biologische Vielfalt erhalten, enn es uns gelingt, umweltverträgliche Landnutzungs- ysteme zu entwickeln, die eine ökonomische Alterna- ive zu naturzerstörenden Landnutzungsformen, wie andwirtschaftlichen Monokulturen und Kahlschlägen, arstellen. Gerade in Afrika gibt es eine Reihe von Bei- pielen, in denen durch eine nachhaltige Nutzung von aturressourcen, beispielsweise Wildtiere – im Einver- ehmen mit der lokalen Bevölkerung –, wertvolle Natur- ebiete erhalten werden konnten. Bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Es ist nicht im- er notwendig, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Vie- es kann schon allein durch verstärktes Engagement er- eicht werden. Wir erwarten zum Beispiel von der undesregierung, dass sie die Weltbank und die regiona- en Entwicklungsbanken ermutigt, in ihrer Projektpla- ung den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biolo- ischen Vielfalt stärker zu berücksichtigen. Auch wünschen wir uns, dass der Schutz global wich- iger Naturressourcen von allen beteiligten Bundes- inisterien, wie zum Beispiel BMZ, BMU, BMBF und A, gleichermaßen unterstützt wird. Dies ist bisher lei- er nicht immer der Fall. Abschließend möchte ich sagen, dass die CDU/CSU en gemeinsamen Antrag als große Chance sieht, den et- as in Vergessenheit geratenen Sektor „Schutz der Bio- iversität“ wieder aufzuwerten. Wir reichen der Regie- ung die Hand und bieten unsere konstruktive nterstützung an. Lassen Sie uns in diesem Bereich zu- ammenarbeiten. Es geht schließlich nicht nur um die ebensgrundlagen künftiger Generationen, sondern auch m Vermeidung von zukünftigen Krisen und Konflikten. atur- und Umweltschutz sind zudem eine zentrale Vo- aussetzung zur Erreichung der Millennium-Develop- ent-Ziele. Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch n den Beratungen in den Ausschüssen wurde die Bedeu- ung des Themas „Biologische Vielfalt und Armutsbe- ämpfung“ unterstrichen. Nur die FDP hat sich wirklich chwer getan mit der Befassung. Ein einheitliches Vo- um in den diversen Ausschüssen lässt sich nicht erken- en. Dies mag nicht verwundern, war doch an keiner telle der Debatte wirklich erkennbar, dass die Liberalen em Thema die angemessene Aufmerksamkeit zukom- en lassen. Gleichwohl bin ich froh, dass wir mit den rgänzungen der Kollegen des Ausschusses für Verbrau- herschutz, Ernährung und Landwirtschaft, die den An- rag um den Aspekt der Ernährungssicherheit ergänzt ha- en, diesen heute hier beschließen. Lassen Sie mich also kurz beschreiben, warum der rhalt der biologischen Vielfalt so existenziell, ja von lobaler Bedeutung ist und warum ein unmittelbarer Zu- ammenhang zur Bekämpfung der Armut besteht. Wie st denn die Ausgangssituation? Pro Jahr werden rund 5 Millionen Hektar Wald vernichtet und pro Tag ster- en rund 150 Arten aus. Die Zerstörung von Ökosyste- en und der Verlust an Arten beschleunigt sich in alar- ierender Weise. Die Staatengemeinschaft hat dies 16214 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) durchaus erkannt. Sie hat auf dem Weltgipfel von Johan- nesburg das Ziel formuliert, die Verlustrate an biologi- scher Vielfalt bis zum Jahre 2010 signifikant zu reduzie- ren. Allein die Umkehr des negativen Trends zu erreichen ist uns noch nicht gelungen. Und genau des- halb müssen Industrie- und Entwicklungsländer mehr tun, um die biologische Vielfalt zu erhalten. Denn eines wird doch in den letzten Jahren immer deutlicher: Globaler Klimawandel, Wüstenbildung, die Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit oder die Verringe- rung der Vielfalt von Nutzpflanzen wie Getreide- und Reissorten, die Überfischung der Weltmeere, von denen die Welternährung abhängt – alles Entwicklungen, die den Erhalt der biologischen Vielfalt beeinflussen –, ha- ben globale Auswirkungen. Sei es bezogen auf die glo- bale Sicherheit, auf die Bekämpfung der Armut oder, all- gemeiner formuliert, auf die Entwicklungsperspektive von Gesellschaften. So wird man auch daran erinnern müssen, dass schon heute die Zahl der Umweltflücht- linge höher liegt als die Zahl der Menschen, die infolge von Bürgerkrieg und Krieg ihre Heimat verlassen müs- sen. Wir haben in der ersten Debatte zum Thema darüber gesprochen, was man tun kann zum Erhalt der biologi- schen Vielfalt und was die Bundesregierung getan hat. Ich habe dabei die Bedeutung des Erhalts des Regenwal- des erwähnt und Projekte des Umwelt- und Ressourcen- schutzes beschrieben, habe Beispiele der Sicherung der Agrobiodiversität erwähnt und das Nationalparkmanage- ment. Die Bundesregierung, aber auch die Durchfüh- rungsorganisationen haben hier wirklich Vorbildliches geleistet, was in der Höhe der Finanzmittel und der Qua- lität der Programme zum Ausdruck kommt. Sie wissen, dass die Zusagen in der bilateralen Zusammenarbeit von circa 558 Millionen Euro im Jahr 2000 auf circa 710 Millionen Euro im Jahr 2003 gesteigert wurden. Deutschland ist zudem einer der größten bilateralen Ge- ber im Bereich des Tropenwaldschutzes. Meine Fraktion wird sich auch in den kommenden Jahren dafür stark machen, hier nachzulegen. Aber ich möchte an dieser Stelle noch einen weiteren Aspekt ansprechen. Was können wir tun, um internatio- nal weiterzukommen? Wir müssen Gebiete, die ökolo- gisch von besonderer Bedeutung sind, erhalten. Dies gilt vor allem dort; wo eine einzigartige Vielfalt existiert. Ich spreche von den Ländern, die sich in der so genannten Megadiversen-Allianz zusammengeschlossen haben. Länder, in denen rund 80 Prozent der biologischen Viel- falt der Erde beheimatet sind wie Brasilien, Indonesien, Indien und China. Dies wird sich nur dann erreichen lassen, wenn den Ländern langfristig mehr Einnahmen entstehen durch den Schutz ihrer einzigartigen ökologi- schen Vielfalt, durch Mittel aus der Entwicklungskoope- ration, durch Ausgleichsmaßnahmen im Kontext der Klimakonvention und der Konvention über die biologi- sche Vielfalt sowie durch eine nachhaltige Nutzung der Ressourcen. Wir müssen die Biopiraterie zum Nachteil der Ent- wicklungsländer bekämpfen und Regeln entwickeln im Zuge der Nutzung biologischer Ressourcen und im Zu- s s l m a V s a K w u h h M w s B d l V d g A V h F s m t n k c d d z w w g w g w s d l s P b n d s d d (C (D ammenhang mit Patentanmeldungen. Wenn die Men- chen aus den Ländern – dies schließt ausdrücklich die okale Bevölkerung und die indigenen Gemeinschaften it ein – nicht direkt profitieren, entfällt ein Interesse m Erhalt. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der orteile und mittelfristig ein internationales Regime ein- chließlich eines Mechanismus zur Umsetzung, das eine ngemessene Verteilung gewährleistet. Mit der UN- onvention über die biologische Vielfalt, CBD, haben ir ein zwischenstaatliches Instrument, bei dem Schutz- nd Nutzungsaspekte gleichermaßen im Blickfeld ste- en. Das ist richtig; denn nur so kann der Schutz und Er- alt der biologischen Vielfalt funktionieren. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Wangari aathai war auch eine Ermutigung derjenigen, die sich eltweit für den Erhalt der Umwelt einsetzen. Die Bot- chaft war klar: Umweltpolitik, Friedenspolitik und die ekämpfung von Armut gehören zusammen. Der Erhalt er biologischen Vielfalt ist wirklich ein Menschheitsan- iegen. Wir können uns nicht damit abfinden, dass der erlust der Artenvielfalt nicht aufzuhalten ist. Ulrich Heinrich (FDP): Es freut mich, dass wir bei iesem Antrag im Ausschuss zu einer so schnellen Eini- ung gekommen sind. In dem uns heute vorliegenden ntrag wurden in der letzten Ausschusssitzung einige eränderungen vorgenommen, die ich hier noch einmal erausstellen möchte. Zum einen wurde die einseitige Hervorhebung der SC-Zertifizierung für Holznutzung aufgegeben und er- etzt durch die Forderung, die Unterstützung und Ver- arktung bestehender unabhängiger Zertifizierungssys- eme für eine ökologische, sozial und ökonomisch achhaltige Waldbewirtschaftung zu stärken. Dadurch önnen alle acht von der FAO anerkannten Systeme glei- hermaßen gefördert werden und die Entwicklungslän- er, die sich nicht für das FSC entschieden haben, wer- en nicht mehr benachteiligt. Zum anderen wurden die Widersprüche des Antrages wischen dem partizipatorischen Ansatz unserer Ent- icklungszusammenarbeit und den Interessen der Ent- icklungsländer auf der einen Seite und die Forderun- en, dass internationale Handelsvereinbarungen und frei erdende Mittel aus Entschuldungen nach HIPC II zu- unsten des Schutzes der biologischen Vielfalt verwandt erden sollen, zwar nicht gelöst, aber zumindest ent- chärft. Des Weiteren finde ich es wichtig und richtig, dass in er neuen Fassung des Antrages die Bedeutung der bio- ogischen Vielfalt bei der Ernährungssicherung berück- ichtig wird. Anschaulich wird im Antrag geschildert, dass das otenzial der Biodiversität in den Entwicklungsländern esonders hoch ist. Dieses Potenzial kann den Menschen ur zugute kommen, wenn sie den ökonomischen Wert er biologischen Vielfalt kennen und anwenden. In die- em Zusammenhang wird auch erkannt, dass der Schutz er biologischen Vielfalt nur dann gelingen kann, wenn ie Menschen in den Entwicklungsländern am Nutzen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16215 (A) ) (B) ) der vielfältigen Flora und Fauna beteiligt werden. Hier besteht in den Entwicklungsländern noch enormer Nach- holbedarf. Unsere schnelle Einigung über diesen Antrag zeigt, wie sehr uns allen der Schutz der Biodiversität am Her- zen liegt. Ich möchte Ihnen für die Zusammenarbeit in diesem Punkt danken. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Togos Weg in die De- mokratie unterstützen – Afrikanische Union (AU) und ECOWAS beim Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat- lichkeit unterstützen (Zusatztagesordnungs- punkt 10) Gabriele Groneberg (SPD): Es ist richtig, wir in Deutschland können uns aufgrund unserer gemeinsamen Vergangenheit mit Togo verbunden und deswegen auch verpflichtet fühlen. Vor dem Jahr 1993 hat sich dieses in einer intensiven bilateralen Zusammenarbeit mit Togo dargestellt. Wir haben dann diese intensive Zusammen- arbeit einstellen müssen. Der Grund lag für uns in den zuvor stattgefundenen Wahlen, die weder frei und demo- kratisch abgelaufen waren und auch in höchstem Maße unfair waren. Eine Zusammenarbeit mit dem diktatori- schen Regime konnte unter diesen Umständen nicht mehr aufrechterhalten werden. Dies haben wir alle sehr bedauert. Wie haben allerdings weiterhin in Togo tätige NGO’s unterstützt und tun dies immer noch. Die huma- nitäre Hilfe für die Bevölkerung ist notwendiger denn je. Das Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem dik- tatorischen Regime in Togo ist generell bei der interna- tionalen Gemeinschaft wie auch bei anderen EU-Län- dern nicht sehr groß. Ablesen kann man dies durchaus daran, dass nur zwei EU-Länder, Frankreich und Deutschland, Botschaften in Togo unterhalten. Der plötzliche Tod des Präsidenten Eyadéma im Fe- bruar 2005 hätte den Aufbruch in ein demokratisches Zeitalter für Togo bedeuten können. Weit gefehlt! In ei- nem Staatsstreich brachte das Militär den Sohn des Dik- tators, Faure Gnassingbé, an die Macht. Diverse Verfas- sungsänderungen sollten dafür sorgen, dass dieser bis 2008 ohne Wahlen im Amt bleiben sollte. Erst der massive Druck der internationalen Gemein- schaft, der USA, der EU, der AU – Afrikanische Union – und ECOWAS – Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikani- scher Staaten – haben dafür gesorgt, dass die alte Verfas- sung wieder Gültigkeit erlangte und ein Übergangspräsi- dent eingesetzt wurde. Ebenso wurden Neuwahlen innerhalb 60 Tagen angeordnet. Die Bundesregierung hat seit Anfang Februar mehr- fach auf verschiedene Weise deutlich gemacht, dass sie Vorgänge um die Machtübernahme durch Faure Gnassingbé verurteilt. w f h u u w e V w d s c b t d Z s S m a b d G S a B g n e k e r a s D F D z D f V w r u w s I a e D b S (C (D Am 23. Februar 2005 haben wir uns im Ausschuss für irtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus- ührlich mit der Situation in Togo beschäftigt. Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir das Ver- alten von Faure Gnassingbé und seinen Anhängern ver- rteilen, und haben gefordert, dass die Wahlen frei, fair nd demokratisch ablaufen. Wir haben damals – ebenso ie die Bundesregierung – deutlich gemacht, dass es ine Übergangsregierung geben muss und die nach der erfassung gültigen Fristen für Neuwahlen eingehalten erden müssen. Wir haben unseren Ausschussvorsitzen- en beauftragt, unsere deutliche Stellungnahme und un- ere Forderungen zu den Vorgängen in Togo in entspre- hender Weise öffentlich zu machen. Die Meldungen, die uns zwischenzeitlich erreicht ha- en, lassen allerdings die Hoffnung, dass unsere berech- igten Forderungen Gehör finden, nicht zu. Ich denke, je- er von uns hier im Plenum hat seine berechtigten weifel, dass diese Wahlen tatsächlich demokratisch ein werden. Wir verurteilen deshalb auch auf das chärfste das brutale Vorgehen des Militärs gegen De- onstranten, die sich im Vorfeld gegen Manipulationen ussprechen und dies durch Proteste deutlich machen. Die Bundesregierung hat im Vorfeld durch die Aus- ildung von Wahlbeobachtern in Zusammenarbeit mit em Kofi-Annan-International-Peacekeeping-Centre in hana bereits 2004 50 Wahlbeobachter aus ECOWAS- taaten ausbilden lassen und gegenüber ECOWAS auch uf deren Einsatz bei den Wahlen in Togo gedrängt. Die undesregierung wird aus den Botschaften der umlie- enden Länder Mitarbeiter zur Beobachtung der Wahlen ach Togo entsenden. Trotzdem befürchten wir, dass es ben nicht zu freien, fairen und demokratischen Wahlen ommen wird. Wir haben also im Großen und Ganzen ine Übereinstimmung mit den Aussagen und Zielen Ih- es Antrages. Ihre in Ihrem Antrag geäußerte Kritik an der AU und n ECOWAS finde ich nicht angemessen. Beide Organi- ationen müssen sich in ihrer neuen Rolle zurechtfinden. as geht nicht von heute auf morgen. Im vorliegenden all ist sehr gut reagiert worden. Umgehend ist massiver ruck auf das Regime in Togo ausgeübt worden bis hin u beschlossenen Sanktionen. In Kombination mit dem ruck der internationalen Gemeinschaft hat das dazu ge- ührt, dass Faure Gnassingbé zurückgetreten ist und die erfassung wieder in Kraft gesetzt wurde. Ich gehe davon aus, dass das gewachsene Selbstbe- usstsein in beiden Organisationen in Zukunft dazu füh- en wird, dass sich AU und ECOWAS früher als bisher nd erfolgreich in afrikanische Konflikte einmischen erden, und dafür brauchen sie unsere ungeteilte Unter- tützung. Wundern muss ich mich allerdings darüber, warum hr Antrag erst mit Datum vom 19. April 2005 – das war m Dienstag – eingereicht wurde. Jetzt bedenken Sie inmal die Zeitschiene: Wir beraten heute am späten onnerstagabend über diesen Antrag. Morgen, Freitag, eginnt bei uns und in der EU das Wochenende und am onntag sind die Wahlen. Insofern muss ich feststellen, 16216 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) dass Ihre an die Bundesregierung gerichteten Forderun- gen absolut ins Leere laufen müssen, alleine aus zeitli- chen Gründen. Glauben Sie ernsthaft, dass jetzt quasi in letzter Mi- nute die Bundesregierung und die EU-Partner eine Chance haben, die togolesische Regierung und das Par- lament zu überzeugen, dass die Präsidentschaftswahlen auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden? Glau- ben Sie das wirklich? Noch nicht einmal die sofortige Abstimmung dieses Antrages haben Sie verlangt. So wird der Antrag heute überwiesen, und was die Wahlen betrifft, hat er sich am Montagmorgen erledigt. Die Bundesregierung hat sich im Übrigen durch Frau Staatsministerin Kerstin Müller heute noch einmal be- sorgt zu den Wahlen geäußert und an die Verantwortli- chen in Togo appelliert, ihre eingegangenen Verpflich- tungen zu erfüllen. Dr. Conny Mayer (CDU/CSU): Am vergangenen Sonntag kam es in Togos Hauptstadt Lome zu blutigen Auseinandersetzungen. Bei gewaltsamen Zusammenstö- ßen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposi- tion sind mehrere Dutzend Menschen verletzt worden und es gab mindestens einen Toten. Die Republik Togo steht wenige Tage vor der Präsi- dentschaftswahl. 38 Jahre lang hat Eyadéma sein Land mit eiserner Hand regiert. Mit dem Tod des langjährigen Diktators hat das Land eine große Chance: die Chance auf einen friedlichen Übergang zu Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Über viele Jahrzehnte hinweg enga- gierte sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Togo. Seit 1993 ist diese eingefroren. Die deutsche EZ konzentriert sich seitdem auf humanitär ausgerichtete Einzelmaßnahmen sowie die Arbeit von NROs. Mit einem Übergang zur Rechtsstaatlichkeit, mit kon- sequenter Einhaltung der Menschenrechte, mit einem friedlichen Wandel zur Demokratie hat Togo die Chance, an diese Zeit vor 1993 anzuknüpfen. Die Intensivierung der Beziehung mit Deutschland und die Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenar- beit setzen freie und transparente Präsidentschaftswah- len am kommenden Sonntag voraus. Dabei geht es nicht nur um die Vorgehensweise am Tag der Wahl. Freie und transparente Wahlen heißt auch, dass die Revision der Wahllisten und die Ausgabe der Wahlkarten vor der Wahl transparent und gemäß den Wahlgesetzen vor sich gehen. Transparent und frei heißt auch, dass alle politi- schen Kräfte bei der Vorbereitung, Durchführung und Auszählung der Wahlen beteiligt sind. Und natürlich heißt frei auch, dass die Wählerinnen und Wähler ohne Angst und Einschüchterung zu den Wahlurnen gehen können, um ihre Stimme abzugeben. Ich will einen zweiten Punkt ansprechen: Ein weiterer wichtiger Prüfstein sind die anstehenden Parlaments- wahlen; diese waren schon vor dem Tode des Präsiden- ten zentrales Thema der EU-Togo-Konsultationen. Uns und der EU ist wichtig, dass es schnellstmöglich zu ei- nem nationalen Dialog, auch mit der Zivilgesellschaft, kommt, und dass gemeinsam der Rahmen für die Parla- m e s d s E r ih d T b E d s w a s u c s r a d d m la v d s z u s d i e d d s z g s c s e d w i b n a d t m s H (C (D entswahl besprochen und vereinbart wird. Auch hier rwarten die internationalen Geber einen demokrati- chen Verlauf. Ich will zu meinem dritten Punkt kommen: Besonders urch den Druck der Afrikanischen Union und der Wirt- chaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten COWAS wurde erreicht, dass Faure Gnassingbé zu- ücktrat. Afrikanische Union und ECOWAS haben damit re Verantwortung für den Kontinent und die Region eutlich gemacht und eine Rückkehr zur Verfassung in ogo mit erreicht. Sie haben damit Durchsetzungsstärke ewiesen. Auch die Vorbereitung der Wahl wird von COWAS begleitet. Das macht Hoffnung. Wir alle – ich enke, ich spreche hier für das ganze Hohe Haus – wün- chen uns und appellieren an die zuständigen Verant- ortlichen, dass dieses Beispiel Schule macht. Auch in nderen afrikanischen Ländern sollte sich die AU nicht cheuen, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern nd Demokratie einzufordern. Lassen Sie mich eine Bemerkung zum Schluss ma- hen: Ich hatte über Ostern die Gelegenheit, Togo zu be- uchen. Ich konnte Gespräche mit Vertretern der Regie- ung und der Opposition führen und Menschen ußerhalb der Politik treffen. Mir ging es wie vielen an- eren vor mir auch: Die Freundlichkeit und Offenheit, ie die Togolesen uns Deutschen entgegenbringen, hat ich tief berührt. Togo und Deutschland verbindet eine nge gemeinsame Geschichte. Unsere beiden Länder erbindet eine tiefe Freundschaft. Ich wünsche mir sehr, ass Togo die gebotene Chance ergreift. Und ich wün- che mir sehr, dass Togo schnellstmöglich seinen Weg ur Einhaltung von Menschenrechten, zum Rechtsstaat nd zur Demokratie findet. Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): In Togo zeigt ich, wie eine der wenigen in Afrika noch herrschenden iktatorischen Dynastien mit verzweifelten Mitteln um hren Machterhalt ringt. In dieser sensiblen Phase ist es in nicht zu unterschätzendes und wirksames Zeichen, ass jene Länder Afrikas, die für ihre Völker den Weg er Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfolgreich be- chritten haben, sich in erster Linie mitverantwortlich eigen. Es gilt, die letzten Exklaven diktatorischer Staatsre- ime anzuprangern und mit Sanktionen zu belegen, um o den Prozess der Demokratisierung, einer freiheitli- hen Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung der Men- chenrechte einzufordern. Dass dieser Prozess vorrangig in afrikanischer ist, aber zugleich alle Unterstützung er freien Welt, im Falle Togos besonders jener Länder ie Deutschland, Frankreich und England, die durch hre geschichtlich-koloniale Verbindung bis heute eine esondere Verantwortung und einen besonderen Einfluss ehmen können, ist uns allen bekannt. Dabei dürfen wir ber nicht übersehen, dass besonders in dem Bemühen er EU, die seit vielen Jahren den Prozess der Demokra- isierung in Togo aktiv begleitet, dringend notwendig it einer Stimme gesprochen werden muss. Umso chwerer ist dies, wenn auf der Seite der europäischen auptakteure massive Eigeninteressen einer zu großen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16217 (A) ) (B) ) Unentschiedenheit gegenüberstehen. Um der deutschen Position eine klare Form zu geben, liegt der Antrag mei- ner Fraktion heute vor. In ihm nehmen wir zur Kenntnis und würdigen wir die Leistung als auch die führende Position der Länder der AU und ECOWAS. Durch eine schnelle und klare Ablehnung der Machtergreifung durch den Sohn des verstorbenen Staatspräsidenten ha- ben sie wesentlich mit zum Rücktritt Faures beigetragen. Seitens der EU und seitens der Bundesrepublik gilt es dies weiterhin zu unterstützen und zu einem nicht nach- lassenden Druck auf die Verantwortlichen in Togo zu er- muntern; denn mit dem Rücktritt Faure Gnassingbes vom Amte eines Interimspräsidenten und den angesetz- ten Neuwahlen, so wissen wir alle, ist es in Togo bei weitem nicht getan. In einem Land, in dem es keine wie bei uns übliche Struktur der Meldepflicht gibt, ist besonders die Vorbe- reitung der Wahlen, der Wahlliste, und ein fairer Wahl- kampf, der eine ausreichende Vorbereitungsspanne be- sonders der Opposition braucht, einer der sensibelsten Punkte, um zu freien, gleichen und fairen Wahlen zu kommen. Wie sehr die gesamte Situation der Wahlen durch eine seit langem vorbereitete Kampagne zur Machterhaltung und Machtübertragung vom verstorbenen Staatspräsi- denten auf seinen Sohn Faure belastet ist, wird erst klar, wenn wir uns des so genannten Verfassungsputsches vom Dezember 2002 und dessen Auswirkungen auf die jetzt bevorstehenden Wahlen vergewissern. In einem un- erhörtem Akt wurde dort das Wahlgesetz geändert: So wurde nicht nur eine dritte Amtszeit des Präsidenten er- möglicht und die Machtübergabe an seinen Sohn vorbe- reitet, indem das gesetzliche Mindestalter für den Präsi- denten für den zu jungen Faure gesenkt wurde; zudem wurde durch die Einführung einer Residenzpflicht einer der führenden Oppositionellen, Gilchrist Olympio – aus Sicherheitsgründen im Ausland lebend –, von der Wahl per Gesetz ausgeschlossen. Eine schnelle und ernsthafte Rückkehr zu einem Pro- zess der Demokratisierung und der Rechtsstaatlichkeit ist weiterhin auch als Bedingung für eine normalisierte entwicklungspolitische Arbeit grundlegend. Die Einfor- derung der Umsetzung jener 22 Punkte der Selbstver- pflichtungen Togos aus dem Jahre 2004 auf diesem Weg ist unverzichtbare conditio sine qua non. Vor dieser Folie sind die anstehenden Wahlen zu be- werten und ist auch die Gemeinschaft der afrikanischen Länder zu unterstützen, die die Tatsache der Wahlen nicht als hinreichenden Grund nehmen sollte, um den Prozess in Togo nur kritisch zu beobachten und in ihrem Druck auf die Verantwortlichen nachzulassen. Ich wünsche mir, dass der Fall Togo ein positives Bei- spiel werden kann, indem sich zeigt, wie durch die An- strengungen sowohl im Lande als auch der afrikanischen und der europäischen Länder ein Prozess der Befreiung hin zur Demokratisierung erfolgreich beschritten werden kann. Einen wichtigen Schritt dazu stellt der vorliegende Antrag dar, der eine gute Basis für eine gemeinsame Po- s s N D v s S a h d T t d T s B s d j r b E d B e g d t e m l t a d a D l t l v i S W I u t d u 2 D h (C (D ition Deutschlands gegenüber der Entwicklung in Togo ein kann. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- EN): Die Entwicklungen in Togo seit dem Tod von iktator Eyadéma verfolgen wir alle mit einer Mischung on Besorgnis und Hoffnung. Die Befassung des Deut- chen Bundestages mit dieser Entwicklung begrüße ich. ie sollte allerdings so ablaufen, dass nicht der Verdacht ufkommt, es ginge hier zuallererst um Taktik zwischen iesiger Opposition und Regierung oder um Profilierung er einen Oppositionspartei. Deshalb möchte ich, bevor ich auf die Situation in ogo zu sprechen komme, gleich zum vorliegenden An- rag klarstellen: Die zentrale Forderung, dass die Bun- esregierung jetzt noch innerhalb von verbleibenden drei agen dafür sorgen soll, dass die Wahlen in Togo ver- choben werden, kann ich nicht als wirklich ernsthaftes egehren im Sinne einer tatsächlichen Realisierung an- ehen. Dies schadet leider dem Antrag. Schon darum ist er Antrag der CDU/CSU mit diesem Aufforderungsteil edenfalls heute nicht zustimmungsfähig. Wie Sie wissen, bemüht sich die Bundesregierung da- um, dass von Deutschland ausgebildete Wahlbeobachter ei den Wahlen am Wochenende zum Einsatz kommen. s ist wünschenswert, dass über die Aktivitäten der Bun- esregierung hinaus ein Zeichen durch den Deutschen undestag gesetzt wird. Wenn Sie dies und ein Votum iner möglichst breiten Mehrheit wollen, wäre es besser ewesen, den Antrag nicht erst am Dienstagnachmittag ieser Woche zuzuleiten. Eine Beratung war in den Frak- ionen nicht mehr möglich. Ich bedaure dies. Ich würde s begrüßen, wenn wir im Ausschuss noch zu einem ge- einsamen Ergebnis kommen. Meine Hauptsorge ist die Gefahr einer erneuten Eska- ation von Gewalt vor und auch nach der Wahl. Wir soll- en daher heute in unseren Reden an die Vernunft aller m Konflikt Beteiligten appellieren, besonnen zu han- eln, die Wahlen ohne Blutvergießen durchzuführen und lles zu tun, um eine Gewalteskalation zu vermeiden. enn wir wissen ja aus einer ganzen Reihe von Beispie- en, dass der Übergang aus einer jahrzehntelangen Dikta- ur in eine Demokratie alles andere als einfach ist, mög- icherweise von Rückschlägen begleitet. Die Wahlen om Sonntag sind nur der erste Schritt. Allzu leicht kann m weiteren Verlauf der Versuch einer demokratischen elbstbestimmung in Blut ersticken. Auch die jetzigen ahlen kamen ja nur auf Druck von ECOWAS zustande. n Togo selbst waren nach dem Tode Eyadémas Putsch nd Verfassungsbruch bereits Realität geworden. Darum ist es wichtig, dass sich der Deutsche Bundes- ag jetzt zu Wort meldet, aber auch den weiteren Prozess er Demokratisierung begleitet. Aber wir Deutschen haben auch besondere Gründe, ns mit der Entwicklung im Kongo zu beschäftigen: 5 Jahre Entwicklungszusammenarbeit auch mit dem iktaturregime und eine eigene unrühmliche Vergangen- eit als Kolonialmacht in diesem Land Afrikas. 16218 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 (A) ) (B) ) Erstens. Fast vier Jahrzehnte Diktatur von Eyadéma sind nicht die einzige historische Last, die ein demokra- tisches Togo zu tragen hat. Wer dazu beitragen will, ei- nen demokratischen Weg für Togo zu eröffnen, der muss – dies gilt für Togo genauso wie für andere aus ehemali- gen Kolonien entstandene Staaten – erst einmal selbst wahrhaftig sein und das, was in Togo geschehen ist, auf- arbeiten. Diese Wahrhaftigkeit, die Aufarbeitung der Ge- schichte, hat in Afrika einen hohen Stellenwert, wie die zahlreichen Wahrheitskommissionen belegen und wie afrikanische Vertreter immer wieder betonen. Darüber geht der Antrag hinweg. Unvermittelt stehen nebenei- nander eine 38 Jahre währende Diktatur Eyadémas und die jahrzehntelange Entwicklungszusammenarbeit mit Deutschland, die erst 1993 beendet wurde. Wo bleibt eine Bewertung von 25 Jahren Entwicklungszusammen- arbeit mit dieser Diktatur? Zweitens. Sie übernehmen Forderungen der Opposi- tion in Togo als Forderungen an die Bundesregierung. Aber diese Opposition buchstabiert den Vornamen Faure des Eyadéma-Sohnes und RPT-Kandidaten auch als „Fe- deration Assansins Unis Relayer Eyadéma“, also als „Verband der Vereinigten Mörder zur Werbung für Eya- déma“. Wenn die RPT ein „Verband der Vereinigten Mörder“ ist, wie erklären Sie die uneingeschränkte Ab- schiebepraxis der unionsgeführten Länder in Deutsch- land? Kann das etwas mit der bekannten Duzfreund- schaft von F. J. Strauß mit eben jenem Diktator zu tun gehabt haben? Drittens. Die gemeinsame Geschichte, die Deutsch- land und Togo verbindet, ist auch die Geschichte Deutschlands als Kolonialmacht in Togo. Es sind gerade auch die ererbten postkolonialen Strukturen, die die Grundlage für Diktatur, Gewalt und Rassismus nach der Entkolonisierung bilden, also dazu beitragen, dass das Unrecht fortdauert. Zum Beispiel hat der Diktator Eyadéma Menschen, die nicht nachweisen konnten, dass beide Eltern togoische Staatsbürger waren, mit Ausgren- zung und Repression überzogen. Sie konnten nicht Staatsbürger Togos bleiben. Von vielen Familien lebten und leben Angehörige sowohl in Togo als auch in den Nachbarstaaten. So wurden viele Menschen aus der Ge- sellschaft in Togo ausgegrenzt und wurden Opfer dieser deutschen Art von nach dem Blut definierter Staatsbür- gerschaft. Sie führte zu willkürlichen, häufig schmerzli- chen Ergebnissen wegen der willkürlich gezogenen Ko- lonialgrenzen. Deshalb spielt die Aufarbeitung der kolonialen Ver- gangenheit wie auch die Aufarbeitung der Zusammenar- beit während der Diktatur für den Weg Togos in die De- mokratie eine wichtige Rolle. Diese Hinweise auf die Vergangenheit sind notwen- dig. Sie müssen uns auch beschäftigen, wenn wir einen Antrag formulieren. Um Missverständnissen vorzubeugen, betone ich noch einmal: Ich halte es für richtig, wenn der Deutsche Bundestag den Weg Togos in die Demokratie möglichst geschlossen unterstützt und dies in einem gemeinsamen Antrag zum Ausdruck bringt. D n d E s s s d ü w n R s v e d s m d R i L z p u k s G w w a n s A m h K f d C e W w s v n k s d s E M v z l (C (D Ulrich Heinrich (FDP): Afrika lässt uns nicht los. er kalte Staatsstreich von Faure Gnassingbé, des Soh- es des im Februar 2005 verstorbenen togolesischen, iktatorisch regierenden Staatschefs Gnassingbé yadéma, hat mithilfe des Militärs den von der Verfas- ung vorgesehenen Interimspräsidenten, Parlamentsprä- ident Natchaba, daran gehindert, sein von der Verfas- ung vorgesehenes Amt des Interimspräsidenten bis zur emokratischen Neuwahl eines Staatspräsidenten zu bernehmen. Dies kann und darf nicht hingenommen erden; nicht von den Europäern, aber vor allem auch icht von den Afrikanern selbst. Die FDP begrüßt deshalb vorbehaltlos die energische eaktion des Kommissionspräsidenten der Afrikani- chen Union, AU, Alpha Oumar Konaré, der den Coup on Gnassingbé junior als eben das bezeichnet hat, was r ist, nämlich als einen Staatsstreich. Wir begrüßen es, ass die AU und übrigens auch die Wirtschaftsgemein- chaft der Westafrikanischen Staaten, ECOWAS, Togo it Sanktionen und mit militärischer Intervention ge- roht haben. Genau diese schnelle und unzweideutige eaktion der afrikanischen supranationalen Institutionen st es, was wir uns noch viel öfter wünschen würden. eider spricht Afrika bei anderen Konflikten nicht so un- weideutig mit einer Stimme. Simbabwe steht dafür als rominentestes, beileibe aber nicht als einziges Beispiel. Gerade weil wir Afrika ernst nehmen, wünschen wir ns, dass bei der Lösung von regionalen oder von Staats- risen in Afrika in allererster Linie die afrikanischen In- titutionen selbst eigene Krisenlösungsmechanismen in ang setzen, bevor nach der Weltgemeinschaft gerufen ird. Subsidiarität, die wir Europäer und gerade auch ir Deutsche gerne für uns in Anspruch nehmen, muss uch im Umgang mit Afrika gelten. Damit meine ich icht, dass wir wegschauen sollen. Im Gegenteil, sonst äßen wir ja auch heute nicht hier bei der Debatte dieses ntrags. Nein, das heißt vielmehr, dass wir alles tun üssen, um die Autorität der AU zu stärken und sie andlungsfähiger zu machen. Kommissionspräsident onarés Reaktion ist deshalb ein ermutigendes Signal ür die Demokratie in Afrika und natürlich ganz beson- ers für die togolesische Opposition. Die FDP unterstützt den vorliegenden Antrag der DU/CSU, der Gnassingbé junior dazu auffordert, die xtrem kurzfristig für den 24. April 2005 angesetzten ahlen zu verschieben. Denn unter den in Togo gegen- ärtig herrschenden Umständen kann von demokrati- chen Wahlen nicht gesprochen werden. Wenn der Sohn on Präsident Eyadéma sein Land nicht in die internatio- ale Isolation führen will, dann muss er diese undemo- ratisch vorbereiteten Wahlen verschieben und neu aus- chreiben. Wir Entwicklungspolitiker unterstützen eshalb auch die Initiative des Menschenrechtausschus- es des Deutschen Bundestages, der den gegenwärtigen COWAS-Präsidenten und Präsidenten des Niger, amadou Tandja, um eine nochmalige deutliche Inter- ention gegenüber der togolesischen Interimsregierung ugunsten einer Verschiebung der Wahlen gebeten hat. Vieles verbindet uns Deutsche mit Togo: Viele Togo- esen haben in Deutschland studiert, viele deutsche Bis- Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16219 (A) (C) (B) (D) tümer und evangelische Landeskirchen arbeiten mit Ge- meinden in Togo zusammen, aber natürlich gibt es auch die 30 Jahre dauernde Kolonialgeschichte von 1884 bis 1914. Sogar noch länger, nämlich nicht weniger als 38 Jahre, von 1967 bis 2005, dauerte die diktatorische Regierungszeit von Präsident Eyadéma und der ihn un- terstützenden Clans aus dem Norden Togos. Der „Eco- nomist“ vom 10. Februar 2005 nannte ihn in seinem Nachruf gar „Africa’s most experienced despot“. Es darf nicht sein, dass nach so langen Jahren der Familienherr- schaft nun die Präsidentenwürde in Scheinwahlen auf Eyadémas Sohn vererbt werden soll. Es ist das unantast- bare Recht des togolesischen Volkes, sein Staatsober- haupt endlich in freier Wahl zu bestimmen. Die FDP un- terstützt deshalb nachdrücklich den vorliegenden Antrag. 172. Sitzung Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517200000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Vorgestern, am 19. April 2005, hat das Kardinalskol-

legium mit Joseph Kardinal Ratzinger zum ersten Mal
seit fast 482 Jahren einen Deutschen zum Papst gewählt.
Ich habe Papst Benedikt XIV.


(Zurufe)

– Entschuldigung, dem XVI. – im Namen des Deutschen
Bundestages bereits schriftlich die herzlichen Glück-
wünsche zu seiner Wahl zum Oberhaupt der katholi-
schen Kirche übermittelt.


(Beifall)

Für seine große Aufgabe dürfen wir unserem Lands-
mann Benedikt XVI. von dieser Stelle aus alles, alles
Gute wünschen.

Bevor wir zur Tagesordnung übergehen möchte ich
auf der Tribüne die Präsidentin des griechischen Parla-
ments, Frau Professor Anna Benaki, herzlich begrüßen.


(Beifall)

Wir hoffen, dass Sie einen aufschlussreichen – wenn
auch kurzen – Eindruck unserer parlamentarischen Ar-

F
S
C
e
s
S

T
n

Redet
beit gewinnen können. Für Ihren Aufenthalt in unserem
Haus und in Deutschland und für Ihr weiteres parlamen-
tarisches Wirken begleiten Sie unsere besten Wünsche.


(Beifall)

Die Kollegin Erika Simm feierte am 16. April ihren

65. Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliere ich ihr
sehr herzlich und verbinde mit den besten Wünschen
auch unseren Dank für ihre Arbeit als Vorsitzende des
Geschäftsordnungsausschusses.


(Beifall)

Sodann müssen die Mitglieder im Stiftungsrat der

Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-
infizierte Personen“ neu gewählt werden, da
zeit am 30. Juli dieses Jahres endet. Gemäß
des HIV-Hilfegesetzes werden zwei Mitglied
Stiftungsrat vom Deutschen Bundestag be

(C (D ung n 21. April 2005 0 Uhr raktion der SPD schlägt den Kollegen Horst chmidbauer SU die Kollegin Dorothee Mantel vor. Sind Sie damit inverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ind die Kollegin und der Kollege als Mitglieder für den tiftungsrat „Humanitäre Hilfe“ benannt. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene agesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt: ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO BT zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen auf Drucksache 15/5312 ZP 2 Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU: Für eine nationale Kraftanstrengung – Pakt für Deutschland umsetzen – Drucksache 15/5322 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Finanzausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg)


(siehe 171. Sitzung)


ext
ordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Notwendige Inves-
titionen in die deutsche Verkehrsinfrastruktur
bereitstellen
– Drucksache 15/5325 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Haushaltsausschuss

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich

(Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Dr. Karl Addicks,

weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Infrastruk-
turinvestitionen erhöhen – Neue Wege bei Finanzierung
und Betrieb der Bundesfernstraßen
– Drucksache 15/5338 –
Überweisungsvorschlag:

für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

schuss
für Wirtschaft und Arbeit
für Tourismus
usschuss
ihre Amts-
§ 8 Abs. 1
er für den
nannt. Die

Ausschuss
Finanzaus
Ausschuss
Ausschuss
Haushaltsa

16046 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Koppelin,

Rainer Brüderle, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP: Vorfahrt für Arbeit – Der Weg
nach vorne für Deutschland und Europa
– Drucksache 15/5339 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 6 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 24)

a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des

BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Straßenver-
kehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtli-
cher Vorschriften
– Drucksache 15/5315 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des An-
spruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes
– Drucksache 15/5314 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Arnold Vaatz,
Ulrich Adam, Günter Baumann, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung des Strafrechtlichen
Rehabilitierungsgesetzes
– Drucksache 15/5319 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss
Haushaltsausschuss

ZP 7 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Hal-
tung der Bundesregierung zu aktuellen Äußerungen der
SPD-Fraktions- und Parteispitze zu Wirtschaftsinvesti-
tionen in Deutschland

ZP 8 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Arz-
neimittelversorgung bei Kindern und Jugendlichen
– Drucksache 15/5318 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Aus-
schusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten
Dagmar Schmidt (Meschede), Karin Kortmann, Detlef
Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD, der Abgeordneten Christa Reichard (Dresden),
Dr. Christian Ruck, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten
Undine Kurth (Quedlinburg), Thilo Hoppe, Volker Beck

(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-

NISSES 90/DIE GRÜNEN: Biologische Vielfalt schützen

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(C (D und zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung nutzen – Drucksachen 15/4661, 15/5337 – Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar Schmidt Christa Reichard Thilo Hoppe Ulrich Heinrich ZP 10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Conny Mayer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Togos Weg in die Demokratie unterstützen – Afrikanische Union und ECOWAS beim Engagement für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit unterstützen – Drucksache 15/5324 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Auswärtiger Ausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ZP 11 Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Dr. Jürgen Gehb, Daniela Raab, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – Graffiti-Bekämpfungsgesetz – – Drucksache 15/5317 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen ZP 12 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: EU-Nitratrichtlinie in nationales Recht umsetzen – Wettbewerbsnachteile für heimische Landwirte durch Düngeverordnung verhindern – Drucksache 15/4432 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Von der Frist für den Beginn der Beratung soll – soeit erforderlich – abgewichen werden. Ferner sollen die Vorlagen unter Punkt 22 – NATOitgliedschaft – bereits heute als zweites Kernzeitthema ehandelt und somit die Punkte 4 a bis 4 f abgesetzt weren. Die Punkte 8 und 15 werden getauscht. Außerdem oll der Punkt 21 – Akustische Wohnraumüberwachung – bgesetzt werden. Schließlich mache ich noch auf nachträgliche Übereisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerkam: Der in der 169. Sitzung des Deutschen Bundestages berwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich em Haushaltsausschuss zur Mitberatung überwiesen erden. Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes – Drucksache 15/5244 – Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16047 Präsident Wolfgang Thierse Innenausschuss Finanzausschuss Haushaltsausschuss Der in der 157. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und dem Verteidigungsausschuss zur Mitberatung überwiesen werden. Antrag der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth)


(Freiburg), Dr. Christian Ruck, Dr. Friedbert Pflüger, weiterer


(A) )


(B) )

Goldmann weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP: Leitlinien für die Privatisierung
der Deutschen Flugsicherung – Gesamtkon-
zept zur Neuordnung der Flugsicherung
– Drucksache 15/4670 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Der in der 157. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem
Verteidigungsausschuss und dem Haushaltsausschuss
zur Mitberatung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Norbert Königshofen,
Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU: Maßnahmen zur Kapitalprivatisierung
der Deutschen Flugsicherung GmbH
– Drucksache 15/4829 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 sowie die Zusatz-
punkte 2 bis 5 auf:

3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Uwe
Beckmeyer, Klaus Brandner, Dr. Michael Bürsch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

(Ingolstadt)

rer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN
Investitionskräfte stärken – Neue Impulse für
Wachstum und Beschäftigung
– Drucksache 15/5340 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss

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(C (D P 2 Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Für eine nationale Kraftanstrengung – Pakt für Deutschland umsetzen – Drucksache 15/5322 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Finanzausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss P 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Notwendige Investitionen in die deutsche Verkehrsinfrastruktur bereitstellen – Drucksache 15/5325 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Haushaltsausschuss P 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Infrastrukturinvestitionen erhöhen – Neue Wege bei Finanzierung und Betrieb der Bundesfernstraßen – Drucksache 15/5338 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Tourismus Haushaltsausschuss P 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Koppelin, Rainer Brüderle, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Vorfahrt für Arbeit – Der Weg nach vorne für Deutschland und Europa – Drucksache 15/5339 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesinister Manfred Stolpe das Wort. 16048 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver kehr, Bauund Wohnungswesen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland braucht Investitionen, eine schon oft geäußerte Binsenweisheit. (Eduard Oswald [CDU/CSU]: Warum macht ihr es dann nicht?)


(A) )


(B) )


Jetzt kommt es darauf an, dass etwas getan wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ja, eben! – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Bravo!)


– Wenn Sie ein bisschen zuhören würden, dann hätten
Sie vermutlich – wenn Sie ehrlich sind – Freude daran,
zu erfahren, dass wir etwas bewegen können.

In diesem Land stecken nämlich doch beachtliche
Potenziale. Mehr Investitionen, mehr Wachstum und
mehr Beschäftigung sind möglich. Die Bundesregierung
ist entschlossen, die Kräfte, die in Deutschland da sind,
in Bewegung zu setzen. Am 17. März dieses Jahres hat
der Bundeskanzler vor diesem Hause eine wichtige Re-
gierungserklärung abgegeben. In dieser Regierungser-
klärung gab es ein paar zentrale Punkte, die ich heute an-
sprechen möchte.

Ich möchte erstens darüber informieren, dass wir in
der nächsten Woche im Bundeskabinett ein wichtiges In-
vestitionsthema angehen wollen: die Weiterführung des
Gebäudesanierungsprogramms der KfW-Förderbank.
2006 und 2007 werden für die Fortführung dieses Pro-
gramms 720 Millionen Euro zur Zinsverbilligung und
auch für Teilschuldenerlasse zur Verfügung stehen. Das
heißt im Klartext, man wird damit Darlehen in der Grö-
ßenordnung von 3 Milliarden Euro auslösen und Bau-
leistungen in der Größenordnung von 5 Milliarden Euro
bewegen können. Das ist schon allerhand.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In enger Abstimmung mit der KfW-Förderbank soll
diese Förderung dann in Zukunft auf solche Maßnahmen
konzentriert werden, die einen hohen Energie- und CO2-Einspareffekt haben werden. Jede in diesen Bereich in-
vestierte Milliarde schafft 25 000 Arbeitsplätze. Das
macht in den Jahren 2006 und 2007 rund
125 000 Arbeitsplätze aus, die gesichert oder neu ge-
schaffen werden können. Das ist Tatsache; das ist keine
Ankündigung. Das geht sofort in Gang.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sichere und neue Erwerbschancen erreichen wir auch
mit dem zweiten Investitionsprogramm. Gestern haben
wir im Kabinett Verkehrsinvestitionen in Höhe von
2 Milliarden Euro vorgesehen; ich habe hier im Hause
schon kurz darüber berichten können. Das heißt im Ein-
zelnen: Von 2005 bis 2008 mobilisieren wir jährlich eine
halbe Milliarde zusätzlich für Investitionen in den Ver-
kehr. Das schafft ganz direkt bis zu 60 000 Arbeitsplätze

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(C (D it Schwerpunkt gerade in der mittelständischen Wirtchaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Entscheidende ist: Dieses Programm wird jetzt
hne Zeitverzug seine Wirkung entfalten können. Wir
önnen handeln. Wir können dafür sorgen, dass Aufträge
n die Bauwirtschaft ausgelöst werden. Die wartet schon
arauf.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Die wartet schon sehr lange darauf!)


lückwunschschreiben habe ich schon bekommen. Ich
offe, auch bei Ihnen wird das angekommen sein. Wir
erden zunächst im Jahr 2005, um schnell handeln zu
önnen, eine Reihe von Einzelmaßnahmen starten, so-
ass ohne Verzug gearbeitet werden kann.
Wir haben Handlungsbedarf in drei Bereichen: in den
ereichen der Schiene, der Wasserstraße und der Straße.
ür die Schiene und die Wasserstraße soll mehr als die
älfte der Mittel eingesetzt werden. Wir brauchen diese
mweltfreundlichen Verkehrsträger als starke Wettbe-
erber, um das Verkehrswachstum – es ist unaufhaltsam
nd für die Mobilität in der Wirtschaft unverzichtbar –
or allem in den Bereichen des Güterverkehrs bewälti-
en zu können. Die Straße ist und bleibt ein Hauptleis-
ungsträger. Deshalb werden wir etwa 900 Millionen
uro zusätzlich für das Bundesfernstraßennetz einset-
en.
Mit dem 2-Milliarden-Programm im Ganzen wird der

erkehrsstandort Deutschland gesichert und verbessert.
nsere Stärken im Wachstumsfeld Mobilität und Logis-
ik bauen wir aus. Das wird Innovationen ermöglichen.
ir verbessern unsere Vernetzung in Europa. Damit be-
chleunigen wir auch den Aufbau Ost.
Wichtig sind dabei Erhaltungsinvestitionen für

traße und Binnenwasserstraße. Dazu gehören die Sa-
ierung von Brücken und Schleusen und die Nachrüs-
ng von Tunnels. Über die Erhaltungsmaßnahmen hi-
aus können wir schon dieses Jahr bei den
undesfernstraßen neue Maßnahmen des vordringlichen
edarfs beginnen und begonnene spürbar beschleuni-
en.
Wir sichern die Leistungskraft des Wirtschaftsstand-

rtes Deutschland und wir sichern dabei ganz besonders
ie Leistungskraft der starken Potenziale, in denen sich
egenwärtig die Hauptentwicklung unseres Landes be-
egt. Das heißt, die Wachstumskräfte, die in Baden-
ürttemberg, in Nordrhein-Westfalen und in Bayern
orhanden sind, werden durch diese Maßnahmen unter-
tützt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie maritimen Standorte an Nord- und Ostsee werden
urch bessere Anbindungen auf das künftige Verkehrs-
achstum vorbereitet.
Wir schaffen auch Voraussetzungen für Wachstum

nd Arbeit im Osten Deutschlands.

(Beifall des Abg. Siegfried Scheffler [SPD])


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16049


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Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe

Von unseren sofortigen Investitionsmaßnahmen bei der
Straße profitieren zum Beispiel Mecklenburg-Vorpom-
mern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen.

Meine Damen und Herren, für die Zukunft der
Schiene verstärken wir unsere wichtigen, herausragen-
den Projekte mit zusätzlichen Investitionsmitteln und
werden im Jahr 2005 – als eine Ausnahmeregelung von
der bisherigen Praxis – ein Bahnhofssanierungspro-
gramm in enger Abstimmung mit der Bahn auf den Weg
bringen. Auch das ist eine Maßnahme, die wichtig ist für
Aufträge, wichtig ist für Arbeit und die darüber hinaus
die Attraktivität des Schienenverkehrs erheblich erhöhen
wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden dann für den weiteren Fortgang des Vor-
habens, also für die Jahre 2006 und folgende, in den al-
lernächsten Wochen ein Maßnahmenpaket erarbeiten,
um die nötigen Prioritäten zu entscheiden. Wir werden
das in Abstimmung mit den Verkehrspolitikern dieses
Hauses, aber auch mit den Ländern vornehmen. Dabei
wollen wir von einem modernisierten Planungsrecht
profitieren. Das wird eine Beschleunigung von Baumaß-
nahmen bringen.

Damit komme ich zu meinem dritten Punkt: Be-
schlossene Infrastrukturprojekte müssen zügiger reali-
siert werden können. Daher werden wir noch vor der
Sommerpause den Entwurf eines Infrastruktur- und Pla-
nungsbeschleunigungsgesetzes vorlegen. Es wird eine
deutliche Beschleunigung für ganz Deutschland bringen
und wird die guten Erfahrungen, die wir mit dem
Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz im Osten
gemacht haben, für ganz Deutschland umsetzen.


(Beifall bei der SPD)

Wir gehen davon aus, dass wir mit einem solchen Gesetz
die Planungsphase für wichtige Infrastrukturvorhaben
um mindestens 30 Prozent verkürzen können.

In der Ressortabstimmung müssen wir noch einige
Fragen klären, so zum Beispiel die Zahl der Klageinstan-
zen. In der Anhörung habe ich jetzt meinen Entwurf vor-
gestellt und dabei auch auf die Erfahrungen des Ostens
zurückgegriffen; das heißt: eine Klageinstanz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das wird von allen Bundesländern unterstützt. Darüber
wird es aber sicherlich noch Diskussionen geben.

Wir haben ein Ziel bei dem Ganzen: Es muss schnell
gehen, es muss effektiv durchgeführt werden. Wir müs-
sen dann zuverlässige Bedingungen für Investitionen in
Deutschland haben. Dann kann besser kalkuliert werden,
wann wichtige Verkehrswege, wann städtische Bauvor-
haben und Versorgungsleitungen fertig sein werden. Die
Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort kann
damit noch deutlich erhöht werden. Ich appelliere an das
ganze Haus, dass wir diese Dinge ernsthaft und sachlich
angehen und dann auch zügig zu Lösungen kommen.

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(C (D olche Lösungen brauchen wir, damit am 1. Januar 2006 iese rechtliche Regelung in Kraft treten kann. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, wir wollen aber auch zu-
ätzliche private Investitionen für die Verkehrswege
obilisieren. Die A-Modelle – wir haben häufig darüber
esprochen; wir haben die ersten Pilotprojekte in Gang
esetzt – sind dazu ein Weg. Wir brauchen aber weitere
nterstützung und Flankierung. Wir brauchen die An-
erbung zusätzlicher Investitionsmittel.
Deshalb möchte ich hier einen vierten Punkt nennen:

ie Überlegung, ein ÖPP-Beschleunigungsgesetz zu
tarten. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass öf-
entlich-private Partnerschaften ein wichtiges Instrument
ein können. Dabei kommt es darauf an, das Know-how
on beiden Seiten – von den privaten, aber auch von den
ffentlichen Händen – zu verbinden und damit die Leis-
ngsfähigkeit zu potenzieren. Wir sind dabei in den
tzten Monaten bereits intensiv unterwegs. Es hat gute
bsprachen gegeben, auch mit anderen Ministerien, zum
eispiel mit dem Finanzministerium. Ich gehe davon
us, dass das ganze Haus dieses Projekt unterstützen
ird.
Ziel ist es, bis zur Sommerpause den Entwurf eines

ntsprechenden Gesetzes zu erarbeiten, um die rechtli-
hen Rahmenbedingungen von öffentlich-privater Part-
erschaft in Deutschland zu verbessern und noch beste-
ende Benachteiligungen gegenüber anderen Formen
er Beschaffung abzubauen. Die laufenden Arbeiten be-
iehen sich auf Regelungen im Vergaberecht, im Haus-
alts- und Förderrecht, im Steuerrecht, im Gebühren-
echt sowie auf Fragen im Bereich der Finanzierung.
Meine Damen und Herren, die Maßstäbe unserer Re-

orm- und Investitionspolitik sind eindeutig. Wir wollen
nd wir müssen alle miteinander Deutschland nach
orne bringen. Ich bitte um Ihre Unterstützung. Wir han-
eln jetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517200100

Ich erteile das Wort Kollegen Volker Kauder, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1517200200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Herr Minister Stolpe, die Dynamik Ihres Vor-
rags hat eindrucksvoll die Dynamik dieser Bundesregie-
ung dargestellt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Rainer Fornahl [SPD]: Das ist doch peinlich!)

ch habe den Eindruck, dass wir nicht nur ein Beschleu-
igungsgesetz zur Umsetzung der Aufgaben brauchen,
ondern vor allem auch ein Regierungsbeschleunigungs-
esetz. Das wäre zwingend notwendig.

16050 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Volker Kauder

Sie haben so schön formuliert: Wir sind auf dem

Weg. – Ja, diese Regierung ist ständig auf dem Weg.
Aber sie kommt nie an. Das ist das Problem in unserem
Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Als ich den Antrag der SPD-Bundestagsfraktion gele-

sen habe, hatte ich zunächst die Hoffnung, Sie würden
darin auch erklären, wie es mit der Umsetzung dessen
vorangeht, was der Bundeskanzler in seiner Regierungs-
erklärung zur Fortführung der Agenda 2010 angekün-
digt hat. Aus dem Antrag geht aber dazu nichts konkret
hervor.

Einen bemerkenswerten Satz habe ich in Ihrem An-
trag allerdings gefunden: „Die Erfolgsgeschichte der
Agenda 2010 wird fortgesetzt.“


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Lassen Sie uns gemeinsam einen kurzen Blick auf diese
Erfolgsgeschichte werfen: 5,2 Millionen Arbeitslose in
Deutschland. Auch ohne die erwerbsfähigen Empfänger
des Arbeitslosengeldes II bedeutet das die höchste
Arbeitslosigkeit in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland.


(Franz Müntefering [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Sie erzählen hier wieder Geschichten! Das ist doch Kauderwelsch!)


Auch saisonbereinigt stieg die Arbeitslosigkeit im März
weiter an, und zwar um weitere 92 000 Arbeitslose. Eine
schöne Erfolgsgeschichte, die Sie uns präsentieren!

Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäf-
tigten ging um 156 000 zurück. Tag für Tag gehen rund
1 000 Arbeitsplätze verloren. Eine bemerkenswerte Er-
folgsbilanz, die Sie vorzuweisen haben!

Es bleibt dabei, Herr Müntefering – auch wenn Sie
noch so viel reden –: Rot-Grün ist die Koalition der
Massenarbeitslosigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Leider ist dies das Ergebnis Ihrer Politik.

Rot-Grün ist aber auch die Schlusslichtkoalition:
Schlusslicht beim Wirtschaftswachstum, bei der Ent-
wicklung unseres Wohlstandes und in allen anderen we-
sentlichen Punkten. Rot-Grün macht ärmer. Arbeitneh-
mer in Deutschland haben 2005 im Schnitt fast 1 Prozent
weniger in der Tasche als 2004. Eine tolle Erfolgsbilanz,
die Sie hier vorlegen! Es ist Zynismus gegenüber den
Menschen, wenn Sie Ihre Politik und deren Auswirkun-
gen als Erfolgsbilanz bezeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Rot-Grün ist aber auch die Koalition der Zukunftskil-
ler. Das vierte Mal in Folge wird Deutschland in diesem
Jahr den Stabilitätspakt der Europäischen Union verlet-
zen und mehr Schulden aufnehmen als erlaubt.

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(C (D Wir dürfen heute nicht aufessen, wovon unsere Kiner und Kindeskinder morgen und übermorgen auch och leben wollen. – Das ist ein Originalzitat von Buneskanzler Schröder vom Mai 2003. (Ute Kumpf [SPD]: Baden-Württemberg ist auch schon an der Spitze!)


s wäre schön, wenn Sie sich auch daran halten würden,
icht das aufzuessen, wovon die Kinder in Zukunft leben
ollen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Menschen in unserem Land sehen die rot-grüne

rfolglosigkeit und reagieren darauf. Bei den Landtags-
ahlen, in den Meinungsumfragen und auch in Nord-
hein-Westfalen sieht es für die SPD nicht sehr gut aus.
eswegen wird der SPD-Vorsitzende auf einmal er-
taunlich nervös und greift in die Mottenkiste des Klas-
enkampfes. Dass das reines Wahlkampfmanöver ist,
einen auch die Journalisten, die Ihnen gar nicht so fern
tehen.
Wie schlimm muss es um die SPD stehen, wenn ein

orsitzender ideologische Seelenmassage betreiben
uss.


(Zuruf von der SPD: Unsinn! – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden überhaupt nicht zur Sache! Eine Wald-und-Wiesen-Rede!)


it dem Verständnis ist aber dann Schluss, wenn die
taatssekretärin Ute Vogt die Bevölkerung aufruft, die
eutsche Wirtschaft zu boykottieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ass die Bundesregierung – vertreten durch eine Staats-
ekretärin – dazu auffordert, die deutsche Wirtschaft zu
oykottieren, hat es in den letzten Jahren nicht gegeben.
o werden Arbeitsplätze vernichtet und die Menschen in
iesem Land müssen darunter leiden. Das gilt für dieje-
igen, die noch Arbeit haben, aber vor allen Dingen für
ie Arbeitslosen. Das ist eine miserable Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Siegfried Scheffler [SPD]: Fragen Sie doch mal Herrn Blüm danach!)


Auch Betriebe, die der SPD gehören, haben Arbeits-
lätze abgebaut, Herr Müntefering. Zum Beispiel die
Frankfurter Rundschau“ wird die Arbeitsplätze um ein
rittel reduzieren.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal zur Sache! – Uwe Beckmeyer [SPD]: Sagen Sie etwas zur Verkehrspolitik!)


estellen Sie nun das Abo Ihrer Lieblingszeitung ab?
efolgen Sie also den Auftrag von Frau Vogt oder nicht?
ie absurde Forderung von Frau Vogt zeigt, dass Sie die
eister, die Sie gerufen haben, nicht mehr in den Griff
ekommen.
Es drängt sich ohnehin der Verdacht auf, dass man es

n der SPD von Anfang an mit den Menschen nicht ernst

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16051


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Volker Kauder

gemeint hat. Noch zum Jahreswechsel 2002/03 sagte
Franz Müntefering:

Dennoch, was wir machen, ist richtig: weniger für
den privaten Konsum und dem Staat mehr Geld ge-
ben … Beton ist ein moderner Baustoff, mit dem
man viel Schönes machen kann.

Dann kam die Agendarede von Schröder und
Müntefering sagte:

Ich bekenne mich dazu, dass wir nach der Bundes-
tagswahl noch manches anders gesehen haben als
heute.

Daraufhin stellte ein großes Magazin die Frage:
Herr Müntefering, wann dämmerte Ihnen, dass es
so nicht weitergeht?

Herr Müntefering antwortete:
Mein Damaskus ereignete sich im letzten Quartal
2002. Da wurde mir klar: Das haut alles überhaupt
nicht hin.

Heute, zwei Jahre später, werden wieder genau die
gleichen alten Klassenkampfparolen hervorgeholt. Ich
sage Ihnen, Herr Müntefering: Es gibt Leute, die auf
dem Weg nach Damaskus vom Saulus zum Paulus ge-
worden sind. Es gibt auch Leute, die auf dem Weg von
Damaskus vom Paulus zum Saulus geworden sind. Aber
dass jemand beim Hin- und Rückweg an der gleichen
Stelle


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Aber niemand ist zum Kauder geworden!)


zweimal Erweckungserlebnisse hat, ist ausgesprochen
selten.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Das nährt doch den Verdacht, Herr Müntefering, dass je-
mand in Wirklichkeit gar nicht in Damaskus gewesen ist
und den Menschen von Anfang an nur Geschichten er-
zählt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


So ruiniert man auch den Rest an Vertrauen und Glaub-
würdigkeit in der Politik. Das zeigt wieder einmal, dass
das, was man über Ihre Politik sagt, richtig ist: verspro-
chen und gebrochen. Das ist leider das Motto, nach dem
Sie arbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir von der Union meinen allerdings, dass die Men-
schen ein Recht auf ernsthafte Vorschläge haben. Wir
haben mit dem Pakt für Deutschland einen ernsthaften
Vorschlag gemacht. Was Rot-Grün bisher vorgelegt hat,
ist aber mehr als unzureichend. Strukturreformen betref-
fend den Arbeitsmarkt, das Steuersystem und die Sozial-
versicherungen fehlen. Der rot-grüne Vorschlag, Pro-
gramme der Bundesagentur für Arbeit auszuweiten, geht
eigentlich am Kern der Schwierigkeiten vorbei; denn wir

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(C (D aben – das sehen wir auch bei der Umsetzung von artz IV – ein Arbeitsplatzproblem in Deutschland, Herr üntefering. Für die Lösung dieses Problems muss eine ichtige Politik gemacht werden. Wir brauchen wieder ehr Arbeitsplätze in unserem Land. Mit Ihrer Politik nd Ihren Methoden wird dies aber nicht gelingen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Schauen wir uns einmal ganz konkret an, was auf dem
o genannten Jobgipfel vereinbart worden ist! Viele
unkte, die wirklich wichtig sind und die Angela Merkel
nd Edmund Stoiber vorgetragen haben, sind von Ihnen
isher noch gar nicht akzeptiert worden. Aber selbst das,
as Sie nach eigenem Bekunden machen wollen, wozu
ie bereit sind, haben Sie bis zum heutigen Tage noch
icht umgesetzt. 35 Tage sind seit dem Jobgipfel vergan-
en und Sie haben noch nichts Konkretes auf den Tisch
es Hauses gelegt.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Das machen wir doch, Herr Kauder! Haben Sie unseren Antrag nicht gelesen?)


Wenn Sie den von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
orgelegten Antrag als etwas Konkretes bezeichnen,
ann ist das eine jämmerliche Aussage; denn er ist über-
aupt nichts Konkretes. Wenn das, was Herr Minister
tolpe vorgetragen hat, ein Zukunftsprogramm sein soll,
ann kann ich nur sagen: Sie haben wirklich allen
rund, darüber nachzudenken, ob Sie noch auf der Höhe
er Probleme sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist ein 2-Milliarden-Verkehrsprogramm, Herr Kauder! Lesen Sie das durch, dann können Sie nur noch zustimmen! CDU-Gerede!)


Meistens ist es so, dass diejenigen, die wirklich nichts
u bieten haben, am lautesten schreien. Das trifft auch
uf Sie zu.


(Lachen bei der SPD)

Wir haben jedenfalls ganz konkrete Vorschläge ge-
acht. Der Bundeskanzler hat von diesem Rednerpult
us gesagt: Eine Senkung der Unternehmensteuern
äre und ist ein richtiges Signal. Aber das muss seriös
inanziert werden. Der Bundeskanzler hat von „einkom-
ensneutraler Finanzierung“ gesprochen.

Steuersenkungen auf der Basis von Neuverschul-
dung ist das Unsolideste, was es je gegeben hat.

err Müntefering, damit haben Sie einmal einen richti-
en Satz gesagt. Da es unsolide ist, Steuersenkungen
urch mehr Schulden zu finanzieren, können wir das,
as Herr Eichel zur Finanzierung einer Steuersenkung
isher vorgelegt hat, nicht akzeptieren. Sämtliche
inanzminister sind der Meinung: Da muss nachgelegt
erden, weil das sonst nicht funktionieren kann. Sie
önnen mit unserer sofortigen Zustimmung rechnen
das kann alles in wenigen Tagen über die Bühne ge-
en; Ihre ständigen Aufforderungen in der Öffentlichkeit
ind deswegen völlig unangebracht –, wenn der von

16052 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Volker Kauder

Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf eine solide Finanzie-
rung der Steuersenkung enthält. Sie müssen aber zu-
nächst einmal Ihre Hausaufgaben machen und nicht
ständig andere ermahnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir von der Christlich Demokratischen Union und
von der CSU sind bereit, den Weg zu gehen, der es er-
möglicht, dass wir mehr Arbeit in diesem Land bekom-
men. Unsere Vorschläge liegen im Pakt für Deutschland
auf dem Tisch. Sie haben 35 Tage verstreichen lassen,
ohne dass konkret etwas passiert ist. Das, was Sie in Ih-
rem Antrag heute vorlegen, führt nicht einmal in die
richtige Richtung; vielmehr zeigt es: Sie haben kein
Konzept. Also: Haben Sie einmal Mut und legen Sie ein-
mal etwas vor! Das, was Herr Stolpe heute vorgetragen
hat, ist zu wenig. Von Herrn Eichel haben wir noch kei-
nen einzigen Vorschlag gehört, der es möglich macht,
die Agenda 2010 fortzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517200300

Ich erteile das Wort Kollegen Albert Schmidt, Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.

Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Kauder, was Sie hier abgeliefert haben, ist der Nie-
dergang nicht nur des sozialen Gewissens, sondern auch
des christlichen Gewissens in der Union. Wenn es noch
eines Beweises dieser Entwicklung bedurft hätte,


(Zurufe von der SPD: Hat es nicht!)

dann haben Sie ihn heute erbracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Seit dem Abschied von Norbert Blüm, seit der Kalt-
stellung von Horst Seehofer haben das Soziale und das
Christliche in dieser Fraktion offenbar keinen Platz
mehr. Wenn Sie meinen, die Kapitalismuskritik hier
schelten zu müssen, dann kann ich Ihnen, wenn Sie
schon nicht auf uns oder auf den Fraktionsvorsitzenden
der SPD hören wollen, nur empfehlen: Schauen Sie sich
wenigstens die Umfragen an!


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lesen Sie nach: Einer Blitzumfrage zufolge halten
75 Prozent der Anhänger der CDU und der CSU die hier
geäußerte Kapitalismuskritik ausdrücklich für richtig.
Das gilt sogar für eine Mehrheit der FDP-Anhänger. Sie
wissen überhaupt nicht, wovon Sie reden.

Herr Kollege Kauder, dass Sie die Bibel zitiert haben,
macht die Sache nicht besser. Auch ich könnte jetzt aus
der Bibel zitieren.

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(C (D (Zuruf von der CDU/CSU: Machen Sie es mal!)


ch könnte zum Beispiel sagen: Eher geht ein Kamel
urchs Nadelöhr als ein Reicher ins Himmelreich. Ich
ill mir das ersparen. Ich will nur sagen: Sie haben mit
em Thema der heutigen Debatte offenbar überhaupt
ichts anfangen können. Ich verstehe das auch. Denn
as, was wir Ihnen heute vorstellen, sind konkrete
chritte


(Lachen des Abg. Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU])


uf dem Weg zu mehr Beschäftigung; das sind konkrete
chritte auf dem Weg in die Zukunft. Es geht um mehr
nvestitionen in die Infrastruktur, um Verwaltungsver-
infachungen und um neue Partnerschaften zwischen öf-
entlicher und privater Hand, um das Land nach vorne zu
ringen. Dazu haben Sie keine einzige Silbe gesagt. Das
eigt, dass Sie damit nichts anfangen können. Sie kön-
en nur polemisieren und Sie können sich überhaupt
icht auf die Sache beziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Kauder, ich will gar nicht mit Kritik in eine an-
ere Richtung sparen. Ich habe auch nichts gegen Selbst-
ritik. Ich will hier sogar deutlich sagen: Nach unserer
uffassung war es von Anfang an grundfalsch, sich zum
eispiel an den Investitionen in Verkehrswege zu ver-
reifen. Die Etikettierung, das seien Subventionen, war
rreführend. Das haben nicht wir erfunden.
Ich hätte übrigens nie gedacht, dass ich als Grüner

inmal in die Lage komme, die Investitionen in Schiene
nd Straßennetz gegen leibhaftige Ministerpräsidenten
er SPD und der CDU verteidigen zu müssen. Ich habe
on diesem Pult aus immer wieder eindringlich davor
ewarnt, die Kürzungsvorschläge der Ministerpräsiden-
en Koch und Steinbrück umzusetzen. Diese Kürzungs-
orschläge hatten die Überschrift: Subventionsabbau mit
em Rasenmäher. In Wahrheit ist die Umsetzung dieser
orschläge in Bezug auf Verkehrsinvestitionen wie die
xt im Walde. Dieses Vorgehen war falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Am 15. Dezember 2003 wurde dieser Kardinalfehler
er deutschen Verkehrspolitik dank der Bundesrats-
ehrheit gegen jeden Sachverstand, gegen unseren Wil-
en im Vermittlungsverfahren durchgesetzt. Das war ein
chwarzer Tag. Wir haben den Koch/Steinbrück-Be-
chluss


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Steinbrück, ja!)


nd die Folgen in zwei Haushaltsjahren zähneknirschend
ollzogen. Wir haben dabei zugesehen, wie das Rekord-
iveau an Verkehrsinvestitionen, das wir seit der Regie-
ungsübernahme im Jahr 1998 aufgebaut haben, Schritt
ür Schritt, von Jahr zu Jahr dahinschmolz wie Schnee in
er Sonne.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16053


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Albert Schmidt (Ingolstadt)


Gerade deshalb ist es gut, heute sagen zu können: Seit

der Regierungserklärung des Bundeskanzlers vom
17. März dieses Jahres


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ist alles anders geworden!)


ist klar: Dieser Irrweg wird nicht länger beschritten;

(Lachen bei der CDU/CSU)


im Gegenteil: Die Fehler aus dem unsäglichen Koch/
Steinbrück-Papier werden korrigiert, die Verkehrsinves-
titionen werden wieder annähernd auf das Rekordniveau
der Jahre 2002 und 2003 aufgestockt. Und das ist gut so.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Steinbrück muss weg!)


Mit den zusätzlichen 2 Milliarden Euro, die die Bun-
desregierung über vier Jahre verteilt für die Verstärkung
der Verkehrsinvestitionen zur Verfügung stellt, werden
nicht nur die Kürzungen nach dem Koch/Steinbrück-Pa-
pier und den Folgebeschlüssen des Vermittlungsaus-
schusses faktisch korrigiert und rückgängig gemacht.
Mittelfristig werden darüber hinaus berechenbare und
solide Grundlagen für die weitere Modernisierung un-
seres Verkehrswegenetzes geschaffen. Das ist wichtig,
nicht nur für ein integriertes Verkehrssystem, sondern
auch für die Bau- und Verkehrswirtschaft, die sich auf
eine mittelfristig bessere Investitionslinie einstellen
kann.

Dies wird nicht nur 60 000 Arbeitsplätze in der Bau-
wirtschaft bringen; in der gesamten Verkehrswirtschaft,
ob im Fahrzeugbau für die Schiene oder im Fahrzeugbau
für die Straße, wird es einen Push geben. Wenn Sie auf-
merksam verfolgt hätten, was die Industrie gestern dazu
gesagt hat, dann hätten Sie heute diese Rede gar nicht
halten können, Herr Kauder. Dann hätten Sie mit Res-
pekt sagen müssen: Jawohl, das ist der Schritt, auf den
wir alle gewartet haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dass wir dabei nicht einseitig und einäugig vorgehen,
zeigt übrigens die Verteilung der Zusatzmittel, wie sie

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1517200400

Der größere Teil geht in die umweltfreundlichen Sys-
teme Schiene und Wasserwege – plus 750 Millionen
Euro für die Schiene und plus 350 Millionen Euro für
die Wasserwege – und der kleinere Teil – plus 900 Mil-
lionen Euro – geht in den Bereich Straße.

Dabei werden die richtigen Schwerpunkte gesetzt.
Natürlich werden vorrangig Ersatzinvestitionen zur Er-
neuerung bestehender Verkehrswege, also im Bestands-
netz, finanziert. Das ist deshalb notwendig, weil dort
– das ist klar – die kürzesten Planungsvorläufe sind, weil
man dort das zusätzliche Geld sehr schnell arbeitsplatz-
wirksam umsetzen kann und weil dort auch dringender
Handlungsbedarf besteht. Ich nenne nur die Erneuerung
von Fahrbahndecken und entsprechende Erneuerungen
in den Bereichen Wasserstraße und Schiene.

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(C (D Darüber hinaus werden einige ausgewählte Neund Ausbauprojekte auf der Schiene wie auf der Straße erstärkt, neu anfinanziert und damit in der Realisierung eschleunigt. Aus grüner Sicht ist hier von ganz besonerer Bedeutung die Beschleunigung im Bau der vierleisigen Rheintalschiene als Zulauf auf die neuen Alentunnel Gotthard und Lötschberg in der Schweiz, die eide bis 2015 fertig werden und für den alpenquerenden erkehr ein neues Zeitalter eröffnen werden. Das ist unere Pflicht entsprechend dem Staatsvertrag mit der chweiz. Das ist ein Zukunftsprojekt für ganz Europa. Der viergleisige Ausbau auf der Strecke Nürn erg–Fürth im Rahmen des VDE 8 für einen zukunftsfäigen S-Bahn-Verkehr im Großraum Nürnberg ist ein eiteres Projekt, das damit angeschoben werden kann. ch nenne die längst überfällige Elektrifizierung der trecke Hamburg–Lübeck. Der Start der ersten Maßnahen für einen modernen, hochleistungsfähigen und chnellen Nahverkehr im größten Ballungsraum der Reublik, nämlich im Rhein-Ruhr-Gebiet, unter der Überchrift „Rhein-Ruhr-Express“ ist ein weiteres Projekt, as wir damit beschleunigt auf den Weg bringen. Dies alles sind richtige Akzente und notwendige Pro ekte. Wir sind stolz darauf, dass wir Ihnen heute sagen önnen: Wir haben auch das zusätzliche Geld dafür bechafft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Woher? – Zurufe von der CDU/CSU: Woher?)


Lassen Sie mich allerdings auch ein kritisches Wort
um Mittelabfluss bei der Deutschen Bahn AG sagen,
ielleicht deutlicher, als manch anderer das sagen kann.
ass im ersten Jahr, in dem diese Zusatzmittel zur Verfü-
ung stehen, der Löwenanteil in Straßenmaßnahmen
eht, ist nicht politischer Willkür geschuldet und auch
eine Strafaktion gegen die Schiene oder dergleichen,
ondern hängt mit der momentanen Investitionsunfähig-
eit oder -unwilligkeit des DB-Vorstandes zusammen.
s ist der Wunsch der DB, den Hauptanteil der zusätzli-
hen Schienenbaumittel nicht jetzt, sondern erst in den
ahren 2006 und folgende zu bekommen. Das wird mit
eiterem Planungsvorlauf begründet. Dabei ist längst
lar, dass es zusätzliches Geld für die Schiene geben
ird: 1 Milliarde Euro zusätzlich aus dem Kabinettsbe-
chluss vom Juli letzten Jahres, 266 Millionen Euro zu-
ätzlich erneut aus den Mitteln, die von der DB im letz-
en Jahr nicht abgerufen wurden, 750 Millionen Euro aus
em Programm, das wir heute vorstellen. Dies alles
ommt nicht überraschend. Von daher verstehe ich nicht,
eshalb die DB sagt, sie sei planerisch darauf nicht vor-
ereitet.
Es gibt eine Reihe anderer Projekte, die längst laufen,

ie man finanziell verstärken könnte.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517200500

Kollege Schmidt, Sie müssen bitte zum Ende kom-
en.

16054 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN):
Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident.
Damit drängt sich uns der Eindruck auf, dass für die

Investitionszurückhaltung ad hoc ein ganz anderes Mo-
tiv ausschlaggebend sein könnte, nämlich der Wunsch
der DB, die Kofinanzierungsmittel aus der Unterneh-
menskasse einzusparen, um die Bilanz möglichst rasch
börsenfähig zu trimmen. Wenn dies das Ergebnis der
Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG sein sollte,
wäre das pervers. Dann käme nämlich am Ende nicht
mehr, sondern weniger Geld ins Schienennetz.

Von daher kann ich nur sagen: Jetzt ist das Geld da,
jetzt muss gebaut werden. Das gilt für alle, auch für die
Deutsche Bahn AG.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Woher kommt das Geld? Wo ist die Goldgrube? – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517200600

Ich erteile das Wort dem Kollegen Andreas Pinkwart,

FDP-Fraktion.


Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1517200700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wenn Herr Schmidt hier von Sozialpolitik
spricht und dies in Deutschland anmahnt,


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie wissen doch gar nicht, was das ist!)


muss ich ihm deutlich machen: 5,2 Millionen Arbeits-
lose ist das Unsozialste, was es in diesem Land gibt. Da-
für sind Sie verantwortlich.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sozial ist – im Gegensatz zu Ihrer Politik –, was Ar-

beit schafft. Was aber schafft Arbeit? Arbeit schafft das,
was für ein günstiges Investitionsklima und für günstige
Standortfaktoren sorgt.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie haben keine Ahnung, was Sozialpolitik überhaupt ist!)


Beim Investitionsklima geht es darum, das Vertrauen der
Menschen in einen klaren Kurs einer modernen Wirt-
schaftspolitik zu gewinnen.

Was haben Sie gemacht? Sie sind mit Lafontaine ge-
startet und haben dann das Schröder/Blair-Papier vor-
gelegt. Statt dieses Konzept wie Herr Blair umzusetzen,
haben Sie sich für die ruhige Hand entschieden. Als das
Kind längst in den Brunnen gefallen war, kamen Sie mit
der Agenda 2010. Sie reichte nicht. Jetzt sind Sie mit
dem Notfallkoffer unterwegs. Um davon abzulenken,
kommt Herr Müntefering nun mit seiner Kapitalismus-
kampagne und läuft erneut Lafontaine hinterher.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as ist genau das Gegenteil dessen, was Sie im so ge-
annten Schröder/Blair-Papier formuliert haben.


(Franz Müntefering [SPD]: Das nützt Ihnen alles nichts, Herr Pinkwart! Das gewinne ich!)


Ich zitiere, was in dem Papier steht, Herr
üntefering:


(Franz Müntefering [SPD]: Machen Sie ruhig! Das gehört mit dazu!)


Modernisierung der Politik bedeutet nicht, auf Mei-
nungsumfragen zu reagieren, sondern es bedeutet,
sich an objektiv veränderte Bedingungen anzupas-
sen.

hre Politik hat sich in den letzten Jahren aber immer an
urzfristigen Elementen, an Meinungsumfragen orien-
iert. Ihre Politik „Einen Schritt vor und einen Schritt zu-
ück“ und das Land waren immer in Bewegung, haben
ich aber nicht von der Stelle bewegt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as ist das Problem, das wir hier vorfinden.
Hinsichtlich der Standortfaktoren sind die Probleme

anz klar, auch die Stellhebel sind hinlänglich bekannt.
ie liegen bei den Lohnnebenkosten, bei den Bürokratie-
asten, bei den Steuern und bei der Verbesserung der öf-
entlichen Infrastruktur. Das Steuer können Sie nur
erumreißen, wenn Sie sich an zwei ganz klaren Grund-
egeln orientieren. Die erste Grundregel muss lauten:
orfahrt für Arbeit.


(Beifall bei der FDP)

as heißt, Sie müssen in dieser Situation alles tun, was
rbeit schafft,


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Auch in Bremen!)


nd Sie müssen endlich alles unterlassen, was Arbeit in
iesem Land vernichtet. Das ist die entscheidende Regel,
ie jetzt gelten müsste.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was aber tun Sie?

(Zuruf von der SPD: Keine Landes parteitagsrede!)

ie verabschieden ein Gesetz zur Grünen Gentechnik,
as vom Betriebsratsvorsitzenden der Bayer AG in
ordrhein-Westfalen, der von Ihrer Partei gestellt wird,
ie folgt bewertet wird:

Was Verbraucherministerin Renate Künast mit der
Gentechnik macht …, ist

mit Verlaub, Herr Präsident, ich zitiere nur –
eine Sauerei … Alte Arbeitsplätze werden vernich-
tet und neue andernorts geschaffen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16055


(A) )



(B) )


Dr. Andreas Pinkwart

Das sagt Ihr Betriebsratsvorsitzender zu Ihrer Politik,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Und Recht hat er, hundertprozentig Recht!)


Ein zweites Beispiel, das zeigt, dass Sie gegen die
Regel „Vorfahrt für Arbeit“ verstoßen, ist das Anti-
diskriminierungsgesetz. Sie wissen ganz genau, dass
die Umsetzung Ihres Gesetzentwurfes mehr Bürokratie
bringt und unserem Investitionsstandort schadet. Statt
ihn zurückzuziehen und ihn auf dem Niveau, das die EU
vorgibt, wieder vorzulegen, verweisen sie ihn in die
Ausschüsse. Sie wollen Ihren Entwurf über die Wahl ret-
ten, um dann wieder draufzusatteln. Das ist in Wahrheit
Ihre Politik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die zweite Grundregel, um das Steuer herumreißen
zu können, lautet, dass kein zentrales Reformfeld aus
ideologischen Gründen von der Modernisierung ausge-
nommen werden darf. Auch hier heißt es im Schröder/
Blair-Papier sehr treffend:

Die Produkt-, Kapital- und Arbeitsmärkte müssen
allesamt flexibel sein: Wir dürfen nicht Rigidität in
einem Teil des Wirtschaftssystems mit Offenheit
und Dynamik in einem anderen verbinden.

Genau hieran scheitert Ihre Politik. Sowohl bei der
Agenda 2010 als auch bei dem so genannten Jobgipfel
haben Sie die zentralen Stellhebel zur Verbesserung un-
serer Wirtschaftspolitik in den Bereichen Arbeitsmarkt-
und Tarifpolitik, Kündigungsschutzregelungen und Mit-
bestimmung mit der Begründung ausgeblendet, das sei
sozialdemokratisches Inventar. Indem Sie aber hier die
Stellhebel nicht richtig bedienen, kommt der Auf-
schwung in diesem Land insgesamt nicht zustande.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie verletzen die Grundregeln für eine erfolgreiche
Erneuerung des Landes. Auch deshalb sind Sie für das
Scheitern Ihrer Reformen verantwortlich. Diese Verant-
wortung können Sie nicht auf andere abschieben, auch
nicht mit noch so abwegigen Verschwörungstheorien,
wie sie jetzt von Ihnen propagiert werden. Dies zeigt ein
ganz einfacher Vergleich: Tony Blair hat die Punkte des
Schröder/Blair-Papiers von 1999 Schritt für Schritt um-
gesetzt. Sie haben sich vom Schröder/Blair-Papier seit
1999 Schritt für Schritt abgesetzt.


(Beifall bei der FDP)

Konsequenz dieser Politik ist: In Großbritannien ist die
Arbeitslosigkeit deutlich gesunken, bei uns ist die Ar-
beitslosigkeit deutlich angestiegen. Fazit nach sechs Jah-
ren verfehlter Politik: Bei uns liegt die Arbeitslosigkeit
mittlerweile doppelt so hoch wie in Großbritannien. Das
zeigt, wie sich Ihre verfehlte Politik auf die Menschen
auswirkt.

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(C (D (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Wir von der FDP-Fraktion haben deshalb das
chröder/Blair-Papier heute als Antrag erneut in den
undestag eingebracht, nicht, weil wir mit jeder Formu-
erung einverstanden sind,


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Weil Ihnen selber nichts einfällt!)


ber weil wir glauben, dass dies der richtige Kompass
ür Deutschland ist. Sie haben hier Gelegenheit, Farbe zu
ekennen:


(Franz Müntefering [SPD]: Ihr macht alles, wie wir uns das vorgestellt haben! – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Ihr könnt auch noch das Lambsdorff-Papier von 1982 vorlegen!)


urchsetzung des Prinzips „Vorfahrt für Arbeit“, Herr
üntefering, so wie es dieses Schröder/Blair-Papier sei-
erzeit vorgegeben hat, wie es durch unzählige Antrags-
itiativen der FDP-Fraktion Ihnen in den letzten Jahren
ur Abstimmung vorgelegt worden ist


(Beifall bei der FDP)

nd wie es auch vom Bundespräsidenten in seiner gro-
en Rede erneut angemahnt worden ist, oder Fortsetzung
es Schlingerkurses, wie Sie ihn seit Jahren fahren. Oder
üssen wir uns nach den Verlautbarungen von Ihnen,
err Müntefering, noch auf ganz andere Initiativen ein-
tellen? Wollen Sie etwa Hartz IV zurückziehen, wie es
afontaine will? Wollen Sie, wie Regierungsmitglieder
orschlagen, die Bürger dazu aufrufen, gewisse Unter-
ehmen in Deutschland zu boykottieren?
Sorgen Sie endlich für Klarheit in diesem Land, um

icht noch mehr Investoren abzuschrecken und um nicht
och mehr Arbeitsplätze zu vernichten! Sie betreiben
ine unsoziale Politik. Kehren Sie endlich im Interesse
er Menschen in unserem Land um!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517200800

Ich erteile das Wort Kollegen Klaus Brandner, SPD-

raktion.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1517200900

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-

en und Kollegen! Um es ganz deutlich und klar zu sa-
en: Wir, die Sozialdemokraten in diesem Lande, setzen
en Reformprozess konsequent fort. Der Kanzler hat am
7. März die Richtung mit einem 20-Punkte-Programm
orgegeben: Aufbruch und Perspektive insbesondere für
ie Jugend war der Debattenschwerpunkt der letzten
oche; wir wollen der Jugend eine Chance geben. Heute

eden wir über Wachstums-, Innovations- und Investi-
ionsimpulse insbesondere im Bereich der öffentlichen
ände. In der nächsten Sitzungswoche werden wir die
teuerdebatte führen.

16056 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Klaus Brandner

Klar ist, dass wir diesen Reformkurs konsequent fort-

setzen werden, weil er zu Wachstum und Beschäftigung
in diesem Lande führt. Dazu gibt es keine Alternative.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Was macht die CDU/CSU? Sie beklagt, dass die SPD
auf die Verantwortung der Unternehmen hinweist. Für
die CDU/CSU scheint die Frage nach der gesellschaftli-
chen Verantwortung von Unternehmern und Managern
noch nicht einmal eine Frage zu sein.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Unsere Berufschristen!)


Der SPD jedenfalls erscheint ein verantwortliches Mit-
einander aller Beteiligten notwendig


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Ja, allerdings!)


und nicht nur der ständige Ruf nach Kostensenkungen
durch den Abbau sozialer Rechte und Sicherungen; denn
wer nur abbaut, kann nichts aufbauen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist bereits zu Recht darauf hingewiesen worden,
dass die CDU/CSU früher zumindest einen Norbert
Blüm hatte, der gelegentlich auf die ethische Verantwor-
tung der Unternehmen hingewiesen hat.


(Zuruf von der SPD: Wo ist eigentlich Seehofer?)


Seine Position scheint in Ihrer Fraktion aber schon seit
längerem vakant zu sein.

Nun zu Ihrem Antrag. Was bringt er eigentlich
Neues? Er beinhaltet viele Forderungen, über die wir
hier schon mehrfach diskutiert haben. Ihnen ging es
dabei immer nur um den Abbau von Arbeitnehmer-
rechten.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Nein! Es geht um Arbeit!)


Sie wollen die Schwächung der Tarifautonomie und der
Arbeitnehmermitbestimmung sowie den Abbau des
Kündigungsschutzes – die gleiche Leier tagein, tagaus.
Aber Ihre Vorschläge, die Herr Kauder heute wiederholt
hat, werden auch durch Wiederholung nicht richtiger
und nicht besser. Im Kern bin ich Ihnen allerdings dafür
dankbar, dass Sie die Unterschiede zwischen Ihnen und
uns vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen noch einmal
deutlich gemacht haben.


(Franz Müntefering [SPD]: Das war sehr nützlich!)


Sie fordern zum Beispiel eine Senkung des Beitrags-
satzes zur Arbeitslosenversicherung um 1,5 Prozent. Das
würde zu Einnahmeausfällen in Höhe von 11 Millionen
Euro führen.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Milliarden! – Zuruf von der – 1 w u 7 2 v d o C I c I d g M D B s s K n s F s K H g z B s w t s m w R D t A t h l r (C (D CDU/CSU: Es sind Milliarden! Aber diesen Unterschied habt ihr noch nie kapiert!)


Ja, Milliarden. – Zugleich sagen Sie, dass dadurch
50 000 neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen
ürden. Sie wissen doch, dass unser Land insbesondere
nter der hohen Jugendarbeitslosigkeit leidet.
0 Prozent der langzeitarbeitslosen Jugendlichen unter
5 Jahren besitzen keinen Berufsabschluss; ein Drittel
on ihnen hat keinen Schulabschluss. In die Förderung
ieser Jugendlichen zu investieren, um einen Prozess zu
rganisieren, der dazu beiträgt, dass sie überhaupt eine
hance haben, genau das wollen Sie nicht. Man muss es
hnen ganz klar vorwerfen: Sie nehmen ihnen ihre Chan-
en und wollen sie im Dunkeln lassen; das zeigt sich an
hrem Auftreten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die SPD will den Erhalt der Arbeitnehmerrechte und
er Mitbestimmung. Dies gehört nach unserer Überzeu-
ung zu den unverzichtbaren Bausteinen der sozialen
arktwirtschaft und der Beteiligung der Arbeitnehmer.
arauf wollen Sie völlig verzichten. Sie wollen zum
eispiel den Kündigungsschutz abbauen. Ihren Vor-
chlägen zufolge sollen 90 Prozent der in Betrieben be-
chäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vom
ündigungsschutz überhaupt nicht mehr profitieren kön-
en. Dadurch schaffen Sie Verunsicherung. Die Men-
chen in diesem Land müssen allerdings wissen: Dieser
orderung werden wir nicht das Wort reden.
Zum Thema Weiterbildungschancen will ich Ihnen

agen: Ich finde es heuchlerisch, dass Sie, wenn Sie die
olping-Bildungswerke und die Bildungswerke des
andwerks – insbesondere in NRW – besuchen, dort sa-
en, welch tolle Arbeit sie leisten, ihnen aber die Finan-
ierungsgrundlage entziehen wollen, indem Sie hier im
undestag sagen, diese Mittel seien überflüssig. Das ist
cheinheilig. Das muss Ihnen so deutlich vorgeworfen
erden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Menschen in diesem Land wollen – das ist meine
iefe Überzeugung – keinen Kapitalismus pur mit zwei-
telligen Profitraten. Sie wollen Teilhabe; denn sie sind
ehr als nur ein Kostenfaktor. Wir werden auch hier
eiterhin die Weichen in diesem Land in die richtige
ichtung stellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Aber Sie bewegen gar nichts!)


ie Menschen wollen aber auch Sicherheit und Motiva-
ion. Kluge Unternehmer, die gemeinsam mit den
rbeitnehmern für die Zukunft ihres Unternehmens ein-
reten und sie gemeinsam gestalten wollen, begrüßen da-
er ausdrücklich die Mitbestimmungsrechte in Deutsch-
and.
In Ihrem Antrag haben Sie Ihre altbekannten Forde-

ungen noch einmal verdeutlicht. Ich habe nur auf

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16057


(A) )



(B) )


Klaus Brandner

wenige Aspekte hingewiesen, könnte aber einen langen
Vortrag darüber halten, was Sie und was wir wollen, um
deutlich zu machen, wohin die Reise in diesem Land
ginge, wenn Sie die Mehrheit stellen würden, zu der Sie
allerdings Gott sei Dank nicht so schnell kommen wer-
den.


(Zuruf von der CDU/CSU: Warte es einmal ab!)


Meine Damen und Herren, ich würde mich freuen,
wenn Sie das 20-Punkte-Programm, das der Bundes-
kanzler vorgeschlagen hat und dessen Inhalt Sie inzwi-
schen in wesentlichen Teilen als Ihre Forderungen dar-
stellen, nicht wie Erstklässler abschreiben und sagen
würden, Ihre Forderungen seien besser, sondern wenn
Sie in diesen Prozess offensiv einstiegen. Dabei denke
ich an das GmbH-Gesetz, die Absenkung des Mindest-
stammkapitals für GmbHs, die Einführung eines elektro-
nischen Handelsregisters, die Beschränkung des Vorbe-
schäftigungsverbots bei befristeten Arbeitsverhältnissen
und insbesondere daran, wie die Investitionskraft in un-
serem Land durch öffentlich-private Partnerschaften ge-
stärkt werden kann.

Wir sind angetreten, insbesondere die Investitions-
kraft der öffentlichen Hände zu stärken; das Thema
greifen wir seit Jahren auf. Wir haben von dieser Stelle
sehr häufig deutlich gemacht, welche Bedeutung die öf-
fentlichen Investitionen für die Beschäftigung in diesem
Land haben. Bei den Gewerbesteuereinnahmen haben
wir in den vergangenen Jahren eine deutliche Verbesse-
rung erfahren: Gegenüber den Rekordjahren 1999/2000
haben wir jetzt bei der Gewerbesteuer eine Größenord-
nung von über 20 Milliarden Euro erzielt; das sind
4 Milliarden Euro mehr als im letzten Jahr. Das ist der
erste Punkt, der deutlich macht, wohin die Reise gehen
muss. Mit den Arbeitsmarktgesetzen haben wir eine Ent-
lastung von 2,5 Milliarden Euro für die Kommunen er-
reicht und mit dem Ganztagsschulprogramm sind vom
Bund weitere 4 Milliarden Euro für Investitionen zur
Verfügung gestellt worden.

Jetzt geht es darum, deutlich zu machen, dass mit öf-
fentlich-privaten Partnerschaften, auf die mein Kollege
Bürsch noch näher eingehen wird, eine gute Möglichkeit
besteht, die Stärkung der öffentlichen Investitionstätig-
keit zu forcieren.

Sie selbst schreiben in Ihrem Antrag, von Public
Private Partnership dürfe nicht länger nur geredet wer-
den, sondern es müssten konkrete Lösungen für die be-
stehenden Hemmnisse gefunden und umgesetzt werden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Na also! Tun Sie es!)


Minister Stolpe hat schon deutlich gemacht, dass wir ein
ÖPP-Beschleunigungsgesetz erarbeiten. Sie sind herz-
lich eingeladen, diesen Prozess aktiv zu unterstützen und
nicht, wie bisher, solche Prozesse im Bundesrat zu blo-
ckieren. Sie sind eingeladen, die Länder aufzurufen, mit-
zuhelfen, die Stärkung der öffentlichen Investitionskraft
noch schneller, als das bisher möglich ist, Wirklichkeit
werden zu lassen. Dann haben Sie viel und Gutes für un-
ser Land getan.

Herzlichen Dank.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517201000

Ich erteile das Wort Kollegen Dietrich Austermann,
DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Und tschüss, Herr Austermann!)



Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1517201100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die
ebatte der letzten Minuten verfolgt hat, wird erinnert
n das, was Jahr für Jahr von den gleichen Rednern an-
ekündigt, aber nicht vollzogen worden ist.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Ja, von Ihnen!)

Herr Kollege Brandner, Sie haben von sozialer Ge-

echtigkeit geredet. Ich war in letzter Zeit gezwungen,
00 Stunden lang über eine Koalitionsvereinbarung zu
erhandeln, um möglichst viel von dem herauszuwerfen,
as die Grünen an Schaden anzurichten versucht haben.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dafür haben Sie 700 Stunden gebraucht?)


ch habe mir dabei einmal die Überschrift der Koali-
ionsvereinbarung dieser Bundesregierung angeschaut.
ie lautete: „Erneuerung, Gerechtigkeit, Nachhaltig-
eit“. Schauen wir uns die Situation im Land an: Was
urde so erneuert, dass wir es als Fortschritt betrachten
önnen? Wo ist die soziale Gerechtigkeit geblieben und
o ist die Nachhaltigkeit?
Herr Brandner, Sie haben das Thema Jugend ange-

prochen. Wir erinnern uns, dass mit großem Pomp ein
rogramm zur Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit
ngekündigt wurde: das JUMP-Programm; es gab immer
ieder unterschiedliche Vokabeln für das gleiche
hema. Inzwischen ist dieses Programm zum Spartopf
er Bundesagentur für Arbeit geworden; man hat es
ang- und klanglos eingestellt. Es gab andere Pro-
ramme, mit denen man angekündigt hat, jetzt gehe es
ber los: Das Programm „Kapital für Arbeit“ ist eben-
alls sang- und klanglos eingestellt worden. Sie sind gut
m Setzen von Überschriften, aber Sie sind nicht gut in
er Realität; denn das, was Sie als Überschrift ansetzen,
st meistens untauglich, eine vernünftige Entwicklung in
ang zu bringen. Das ist aber der entscheidende Punkt
ür unser Land.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gewissermaßen symbolisch für die Situation in unse-

em Land ist, was der Bundesverkehrsminister sagt. Er
st der vierte Minister seit 1998, der für Verkehr und In-
ovation zuständig ist. Das heißt, im Schnitt war jeder
nderthalb Jahre an der Regierung – einer war übrigens
uch Herr Müntefering; die anderen Namen haben wir
nzwischen vergessen –, anderthalb Jahre für langfris-
ige, zukunftsweisende Projekte in Deutschland. Herr
tolpe sagt: Jetzt können wir endlich Brücken sanieren.
as passiert denn, wenn wir es nicht tun? Fallen sie uns
ann auf den Kopf? Ist es ein Fortschritt, dass wir das,

16058 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Dietrich Austermann

was wir haben, die Substanz, erhalten können? Oder
liegt der Fortschritt nicht eher darin, eine Entwicklung
zu betreiben, um Deutschland mit Innovationen voran-
zubringen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Schauen wir uns einmal die finanzielle Situation

Deutschlands an. Nehmen Sie die Ausgaben für Investi-
tionen im Bundeshaushalt: Im letzten Jahr haben wir die
niedrigsten Volumina gehabt. Beim Verkehrsetat das
Gleiche: Es war einmal angekündigt, durch die Maut
3 Milliarden Euro für das Anti-Stau-Programm und für
Verkehrsinvestitionen zusätzlich zur Verfügung zu ha-
ben. Aber auch mit den 500 Millionen Euro, die jetzt
hinzukommen sollen – und die bisher nicht finanziert
sind –, werden wir in diesem Jahr weniger Mittel für die
Verkehrsinfrastruktur haben als im letzten Jahr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist die Wahrheit!)


– Das ist die Wahrheit; genau das ist die Situation.

(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt ja überhaupt nicht!)


Sie hingegen erzählen den Menschen, es gebe einen ge-
waltigen Aufschwung und eine gewaltige Bewegung
nach vorne.

Das ist aber der entscheidende Punkt. Die Menschen
merken, dass sie von Ihnen immer wieder hinter die
Fichte geführt und mit schönen Vokabeln, die sich in der
Realität nachher als ein Irrweg entpuppen, irritiert wer-
den.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie führen doch hinter die Fichte!)


Sie werden das nicht glauben. Deswegen werden sie
nicht investieren und nicht konsumieren. Die eigentliche
Ursache für den Vertrauensverlust gegenüber der der-
zeitigen Regierung ist, dass sie zwar Programme verkün-
det, auch teilweise richtige Programme, sie aber nicht
umsetzt, sondern immer wieder nur neue Vokabeln
bringt.

Herr Schmidt, Sie haben eine Mehdorn-Phobie und
glauben, Sie müssten den Bundesbahnvorstand in jeder
Debatte anmachen. Ich frage mich, warum der Bundes-
kanzler dann den Vertrag von Herrn Mehdorn vorzeitig
verlängert hat. Das war mindestens ein Jahr, bevor die
Entscheidung anstand. Ich frage mich auch, was Sie ei-
gentlich dafür tun, dass die Bahn die Mittel für ihre
Investitionen rechzeitig zur Verfügung hat. Verkehrsver-
einbarungen werden durch den Finanzminister verzö-
gert; so wurde im Dezember die Vereinbarung für die In-
vestitionen des abgelaufenen Jahres unterschrieben.
Dann wundert man sich noch, dass es zu keiner Versteti-
gung der Mittel kommt und dass das Geld nicht rechtzei-
tig ausgegeben wird!


(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: – c s e – d w d A 1 i S c e d r A g K I m n S S a w r S g E H w T ß w u (C (D Das ist Unsinn! Das glauben Sie doch selbst nicht!)


Doch, genau so ist das.
Seit 1988 heißt es ständig, mit Otto Reutter gespro-

hen: Jetzt fangen wir gleich an. – Man hat aber festge-
tellt, dass es eigentlich immer weiter zurückging. Die
ntscheidenden Reformen wurden nicht umgesetzt.


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Was wird denn da draußen gebaut, Herr Austermann?)


Natürlich wird in Deutschland gebaut. Natürlich wer-
en 8 Milliarden Euro umgesetzt. Aber im letzten Jahr
urden 9 Milliarden Euro umgesetzt. Sehen Sie sich
och die Summen an!


(Uwe Beckmeyer [SPD]: Und dann kamen Herr Koch und Herr Steinbrück!)


ls wir noch an der Regierung waren, wurden
2 Milliarden für Verkehrsinvestitionen umgesetzt. Das
st der entscheidende Unterschied.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das, was die Bahn bekommt, reicht dafür aus, die

ubstanz zu erhalten. Es reicht aber nicht dafür, zusätzli-
he Projekte durchzuführen, auch wenn Sie heute das
ine oder andere Projekt, das seit langer, langer Zeit auf
em Programm steht, als neu verkaufen.
Ich bin gestern mit einem Taxi gefahren, dessen Fah-

er nicht so aussah, als ob er die Union wählen würde.
ls ich ihm gesagt habe, wohin ich wollte, sagte er nur
anz kurz: Beim Dicken ging es uns besser als beim
leinen.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ch glaube, jeder kann sich vorstellen, was damit ge-
eint war.
Wenn Sie sich die Situation anschauen, dann erken-

en Sie, dass es in Deutschland bis 1998 besser lief.
chauen Sie sich nur das wirtschaftliche Wachstum an!


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Schulden verdreifacht!)


ie haben doch den Fehler gemacht, die Reformen und
ll das, was Mitte der 90er-Jahre auf den Weg gebracht
urde, zum 1. Januar 1999 mit einem Federstrich auszu-
adieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ie haben dann eine Steuerreform gemacht, die dazu
eführt hat, dass in den letzten Jahren 60 Milliarden
uro weniger an Körperschaftsteuer in die öffentlichen
aushalte geflossen sind. Durch Ihre Steuerreform
urde den Menschen das, was ihnen dadurch in die eine
asche getröpfelt wurde, auf der anderen Seite mit gro-
en Griffen, mit einem richtigen sozialistischen Zugriff,
ieder aus der Tasche gezogen. Das bedeutet doch, dass
nter dem Strich nicht mehr Geld da war.
Als wir 1982 eine vergleichbare Situation hatten,


(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Was?)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16059


(A) )


)

Dietrich Austermann

haben wir mit einer angebotsorientierten Wirtschafts-,
Wachstums- und Steuerpolitik die richtigen Entschei-
dungen getroffen. Das Ergebnis war, dass die Beiträge
gesunken sind, dass die Steuereinnahmen gesprudelt ha-
ben und dass wir auch bei der Beschäftigung einen deut-
lichen Zuwachs hatten. Wir müssen zurück zu einer an-
gebotsorientierten Wirtschafts- und Wachstumspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt sage ich Ihnen etwas zur Schelte der Unterneh-

men. Man muss sich schon einigermaßen wundern: Ihre
Regierung ist seit sechseinhalb Jahren dran. Der Kanzler
umgibt sich gerne mit den Leuten, die heute in den Vor-
ständen an der Stelle sitzen, die er kritisiert.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Der Genosse der Bosse!)


Die Rogowskis – und wie sie sonst alle heißen – waren
immer gern gesehene Gesprächspartner, Schrempp war
natürlich ganz besonders gern gesehen. Sie alle werden
heute kritisiert. Hat man nicht jahrelang eine Politik ge-
rade zugunsten bestimmter Unternehmen gemacht?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt wird geschimpft, es werden Schützengräben ausge-
hoben und ein kalter Krieg bricht aus, und das nur, um
für die Wahl in Nordrhein-Westfalen ein paar Leute hin-
ter den roten und grünen Fahnen zu versammeln. Das ist
nicht in Ordnung. Sie werfen damit praktisch der gesam-
ten Wirtschaft – 80 Prozent davon sind Mittelständler –
ein unsoziales Verhalten vor. Das haben die vielen Mil-
lionen Mittelständler und auch die Arbeitnehmer nicht
verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Bei manch einem muss man sich fragen: Wie sieht
das denn mit dem Recht auf Mitbestimmung aus, das
Sie in den großen Unternehmen ausgeweitet haben? Ha-
ben die Arbeitnehmer, die an den Entscheidungen in den
Unternehmen, die Sie jetzt so massiv kritisieren, betei-
ligt waren immer alle geschlafen? Sie sollten sich wirk-
lich überlegen, an welcher Stelle Sie Ihre Kritik anset-
zen. Es geht hier nicht darum, Überschriften zu setzen.
Es geht darum, dass wir eine wirklich wirtschafts- und
wachstumsfreundliche Politik brauchen, wie wir das ab
1982 gemacht haben. Erfolgsrezepte sollte man wieder-
holen.

Die Bundesbank hat Ihnen das ins Stammbuch ge-
schrieben. Die Sachkapitalbildung hierzulande hat im
Vergleich zu Auslandsinvestitionen offensichtlich erheb-
lich an Attraktivität verloren. In den letzten Jahren ist es
in Deutschland zu einem Einbruch der Investitionstätig-
keit auf breiter Front gekommen. Das, was Sie in Ihrem
Programm ankündigen, ist ungeeignet, weil es wieder
den gesamten Bereich von Arbeitsmarkt und Sozialsys-
temen ausblendet. Rot-Grün fehlt offensichtlich ein ord-
nungspolitisch sauberes Konzept.

Liebe Kollegen, nach 23 Jahren im Bundestag und der
Erfahrung mit fünf von mir geschätzten Fraktionsvorsit-
zenden – Kohl, Dregger, Schäuble, Merz und Merkel –

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(C (D abe ich Anlass, für erlebte Kollegialität und gute Entcheidungen für unser Land insbesondere beim Thema iedervereinigung zu danken, an denen ich mitwirken urfte. Ich hoffe, dass die Verletzungen, die ich dem eien oder anderen zugefügt habe, nicht größer waren als ie, die mir zuvor zugefügt wurden. Ich wünsche dem 15. Bundestag die Kraft – wir kön en nicht bis zur nächsten Bundestagswahl warten – umusteuern. Unser Land und unsere Bürger haben es nicht erdient, dass wir Schlusslicht in Europa sind. Unser akt für Deutschland zeigt, dass man mehr tun kann. Es st richtig, dass wir alle miteinander – jeder an seinem latz, ich demnächst an einem anderen – unsere ganze raft dafür aufwenden, besser zu werden. Unser Land at es verdient. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517201200

Herr Kollege Austermann, ich wünsche Ihnen für Ihre

eue Aufgabe alles Gute.
Nun erteile ich das Wort Kollegen Reinhard Loske,

raktion Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ieber Kollege Austermann, viel Spaß in Kiel und
chöne Grüße an Peter Harry Carstensen.
Bevor ich zu meinem eigenen Vortrag komme,
öchte ich im Zusammenhang mit der Kapitalismuskri-
ik auf zwei Vorredner eingehen, zunächst auf Herrn
auder, von dem ich nicht weiß, ob er noch anwesend
st. Ich glaube, Sie sollten wirklich nicht unterschätzen,
ie weit das Gefühl in den Mittelstand hineinreicht, dass
m Grunde genommen die soziale Verantwortung und
ie Verantwortung für die Unternehmen sehr stark ver-
achlässigt wird.
An Ihre eigene Adresse möchte ich sagen: Das Kon-

ept der sozialen Marktwirtschaft von Eucken, Röpke
nd Müller-Armack, den Vätern dieser Idee, auf der spä-
er Ludwig Erhard sein Konzept der sozialen Marktwirt-
chaft aufgebaut hat, war doch auch einmal Ihr Konzept.
enn Sie heute von „neuer sozialer Marktwirtschaft“ re-
en, dann hat man immer das Gefühl, Sie wollten einen
achtwächterstaat ohne jede Einflussmöglichkeit schaf-
en. Damit ist nicht die ursprüngliche soziale Marktwirt-
chaft gemeint. Daran sollte man Sie einmal erinnern.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Man sollte Sie vielleicht auch daran erinnern, dass es
inmal Zeiten gab, in denen beispielsweise Klaus
öpfer, Herr Schäuble, der leider nicht mehr anwesend
st, oder auch der Kollege Repnik über die sozial-
kologische Marktwirtschaft geredet haben. Diese

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16060 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. Reinhard Loske

konstitutionellen Ansätze sind bei Ihnen völlig unterge-
gangen. Sie propagieren den schwachen Staat, der sich
aus der Verantwortung zurückziehen soll. Aber das geht
nicht und das wollen wir auch nicht. Das ist der große
Unterschied zwischen uns. Das wird auch im Wahl-
kampf klar werden.

Zum Kollegen Pinkwart möchte ich Folgendes sagen:
Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie ein Papier
aus dem letzten Jahrhundert zur Abstimmung stellen.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Besser wäre es, Sie machten sich ein paar eigene Gedan-
ken, zu denen wir uns dann äußern könnten. Ich muss sa-
gen: Hier sehe ich bei Ihnen gewisse konzeptionelle De-
fizite.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Jetzt zum Thema. Wir debattieren heute über das
Thema öffentliche und private Investitionen. In unseren
Infrastrukturen besteht in der Tat ein enormer Investi-
tionsbedarf:


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: So hoch wie noch nie!)


im Bereich der Energie, vor allem bei der Elektrizitäts-
wirtschaft; im Bereich der Wasserwirtschaft, wo vor al-
len Dingen die Renovierung der Netze und die Siche-
rung der Qualität im Vordergrund stehen; im Bereich der
Verkehrsinfrastrukturen, wo es vor allem um die Be-
standserhaltung und die Qualitätssicherung und nicht so
sehr um Neubau geht; im Bereich der Abfallwirtschaft,
wo wir vor großen Umbrüchen stehen, weil sich dieser
Bereich weg von der reinen Entsorgungswirtschaft hin
zu einer Kreislaufwirtschaft entwickeln muss.

Wir stehen bei diesen großen öffentlichen Aufgaben
der Daseinsvorsorge vor Umbrüchen. Das Fenster der
Möglichkeiten ist in den nächsten zehn bis 15 Jahren
sehr weit geöffnet, weil die alten Infrastrukturen in den
Bereichen Energie, Wasser und Abfall an ihr Nutzungs-
ende kommen. Im Verkehr sieht es etwas anders aus.
Hier geht es vor allem um Qualitätssicherung des vor-
handenen Netzes. Aber auch hier bieten sich unheimlich
große Potenziale für Systeminnovationen. Wir sollten
uns bei den Infrastrukturinnovationen, vor denen wir ste-
hen, vom Gedanken der Nachhaltigkeit leiten lassen.
Wir müssen wissen, dass die Kapitalbindungszeiten in
diesem Bereich enorm lang sind. Sie betragen 30 Jahre,
50 Jahre und teilweise noch mehr. Das heißt also, wir
schreiben Strukturen für eine sehr lange Zeit fest. Wir
müssen dieses Fenster der Möglichkeiten nutzen und uns
an bestimmten Prinzipien orientieren, ob das nun Dezen-
tralität ist, intelligente Vernetzung, Ressourcenschonung
oder auch Kosteneffektivität.

Es sollte auch der Hinweis erlaubt sein, dass viele
Entwicklungsländer gerade erst am Anfang der Ent-
wicklung ihrer Infrastrukturen stehen. Wenn wir in unse-
rem Land und in Europa Konzepte entwickeln, die ver-
allgemeinerungsfähig sind, dann erwachsen uns daraus
riesige Exportmöglichkeiten. Auf den Weltmärkten der

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(C (D ukunft werden wir dann gut bestehen können. Das wolen wir. Deswegen müssen wir hier zeigen, dass sich achhaltigkeit und Infrastrukturentwicklung sehr gut iteinander vertragen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Uwe Beckmeyer [SPD])


Wir haben im Energiebereich durch das Erneuer-
are-Energien-Gesetz, durch den Emissionshandel und
urch das Energiewirtschaftsgesetz, das demnächst in
raft treten wird, die Rahmenbedingungen gesetzt. Da-
it werden riesige Investitionen ausgelöst, vor allem
eil wir sicherstellen, dass Wettbewerbsfairness gilt.
Im Verkehrsbereich haben wir in den letzten Jahren

ehr wichtige Akzente gesetzt. Wir haben die Gleichbe-
andlung von Straße und Schiene erreicht, wir haben die
onzentration auf das Bestandsnetz hinbekommen und
ir haben vor allen Dingen für mehr Kostenwahrheit im
erkehr gesorgt – Stichwort: Maut. Wir wollen jetzt
uch prüfen, welche Möglichkeiten der Public Private
artnership es gibt. Da gibt es Möglichkeiten, die wir ge-
issenhaft prüfen sollten. Wir sind aber gegen einen
instieg in die generelle Privatisierung der öffentlichen
nfrastruktur. Auch das muss vollkommen klar sein.
Abschließend zum Thema Bürgerbeteiligung: Es

lingt immer wieder durch, als ob die Verfahren in
eutschland viel zu lange dauern würden


(Jörg van Essen [FDP]: Ist doch so!)

nd als ob der Bürger mit seinen Anliegen und Bedürf-
issen nur ein Hemmnis wäre. Wir sind ganz klar der
einung: Bürgerbeteiligung und die Wahrung hoher
mweltstandards vertragen sich sehr gut mit zügigen
lanungsverfahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg van Essen [FDP]: Das haben wir bei der Bahn gesehen!)


as können wir sehr gut belegen. Das Gegenteil von
ürgerbeteiligung ist nämlich falsch. Wer glaubt, man
üsste Bürgerrechte ausschalten, wie das bei Ihnen of-
enkundig anklingt, irrt; denn das wird im Ergebnis zu
ichts anderem führen als zu verlängerten Planungsver-
ahren, zu geringerer Akzeptanz und zu geringerer In-
estitionssicherheit. Das sollten wir gemeinsam nicht
ollen.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie haben doch bisher Bürokratie vorgeschoben, weil Sie Projekte nicht wollten!)


Mein letzter Punkt betrifft die Altbausanierung. Das
t ein riesiges Feld. Wir können beim Gebäudebestand
norme Mengen an Energie einsparen und den Ausstoß
n Kohlendioxid verringern. Das Altbausanierungspro-
ramm gibt es jetzt seit einigen Jahren. Jedes Jahr wer-
en 360 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, wovon
ngefähr die Hälfte aus der Ökosteuer stammt. Das
eld, das dort hineinfließt, ist gut angelegtes Geld. Denn
der Euro, den der Staat ausgibt, löst Investitionen der
ürger in Höhe von fünf bis sechs Euro aus. Dieses

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16061


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Dr. Reinhard Loske

Programm wollen wir fortführen und ausbauen, weil
man daran sehr gut zeigen kann, dass sich Klimaschutz,
Energieeinsparung und die Schaffung von Arbeitsplät-
zen sehr gut vereinbaren lassen. Das ist ein zukunftswei-
sendes Konzept.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517201300

Ich erteile das Wort Kollegen Eduard Oswald, CDU/

CSU-Fraktion.


Eduard Oswald (CSU):
Rede ID: ID1517201400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Loske, Sie haben hier versucht, ein eigenes grünes
Profil, eine eigene Position darzulegen. Ich sage Ihnen:
Das wird wie bei allen Punkten sein. Sie machen überall
mit. Früher haben Sie die Kröten gesammelt und heute
schlucken Sie alle, Hauptsache, Sie sind immer mit an
der Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Haben Sie von der Koalition denn geglaubt, dass wir

in Jubelschreie ausbrechen, wenn Sie endlich bei den
Verkehrsinvestitionen nachbessern? Das, was Sie hier
machen, ist doch alles nur geschehen, weil wir perma-
nent Druck auf Sie ausgeübt haben,


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


weil Ihre Wahlkämpfer draußen unentwegt gesagt haben,
es müsse etwas passieren, und weil die Wirtschaft gesagt
hat: Ihr seid völlig rückschrittlich. – Wenn wir nicht kurz
vor den Wahlen wären, würden Sie immer noch nicht
handeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihre Sonntagsreden sind bekannt. „Alles klar,

Deutschland braucht Mobilität“, das sagen Sie bei jeder
Gelegenheit.
Sie sagen: „Die Infrastruktur ist das Rückgrat der Mobi-
lität.“ Alles richtig. Aber Sie haben doch bisher mit Ih-
ren Parolen wie „Bildung statt Beton“ Stimmung gegen
die Bau- und die Investitionspolitik gemacht!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

So geht es doch nicht. Sie mussten sich sagen lassen,
dass Deutschland inzwischen die zweitniedrigste Inves-
titionsquote der OECD-Länder hat. Das ist doch die
Realität. Der Herr Bundesminister Stolpe kann sich in
diesem Kabinett nicht durchsetzen. Er sagt vieles Not-
wendige, aber entscheidend ist, was hinten rauskommt.

Was jetzt auf den ersten Blick als gewaltige Finanz-
spritze erscheint, entlarvt sich bei genauerem Hinsehen
als eine Mogelpackung.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



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(C (D Wenn Sie es selber noch nicht gemerkt haben, dann chauen Sie sich das einmal an: Mit der Aufteilung der Milliarden Euro auf vier Jahre entsprechen die jährlihen 500 Millionen Euro noch nicht einmal dem Betrag, m den die Verkehrsinvestitionen in diesem Jahr gegenber dem Vorjahr gekürzt worden sind. (Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


ir brauchen eine Infrastruktur, die auch der zu erwar-
enden Verkehrsentwicklung gerecht wird. Wir haben in
eutschland gegenwärtig für rund 4 Milliarden Euro
aureife Projekte bei Autobahnen und Bundes-
traßen, ohne dass die notwendigen Finanzmittel
orhanden wären. Jederzeit könnte nach einer Aus-
chreibung der Bagger, der Schieber anfahren und ent-
prechend arbeiten. Da würden Arbeitsplätze geschaf-
en, nicht durch Ihre Ankündigungen auf dem Papier!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deutschlands größter Automobilverband hat errech-

et, dass jährlich rund 7 Milliarden Euro benötigt wer-
en, um einen bedarfsgerechten Ausbau und Erhalt der
undesfernstraßen zu gewährleisten. Die Realität kann
er Autofahrer täglich beobachten. – Wenn Sie auf der
egierungsbank bei diesem Thema lachen, dann wissen
ir Bescheid.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da lacht doch überhaupt keiner! Es gibt überhaupt nichts zu lachen, wenn Sie reden! Das ist ja das Tragische!)


Wenn Ihnen das Lachen vergangen ist, ist es auch
echt.
Staus sind auf der Tagesordnung. Auf über
100 Kilometern des Bundesfernstraßennetzes gibt es
nzwischen täglich Engpässe. Die Staus kosten Zeit und
raft, vergeuden Ressourcen und treiben den Kraftstoff-
erbrauch in die Höhe. Was im Stau auf Deutschlands
traßen heute ungenutzt in die Luft geblasen wird, ent-
pricht rund 18 Prozent des Gesamtverbrauchs an Kraft-
toff. Warum regt sich hier eigentlich niemand mehr auf?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Sie regen sich doch auf! – Gegenruf vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Einer für alle!)


Außer meiner Fraktion und der FDP natürlich. – Den
urch Stau entstehenden volkswirtschaftlichen Schaden
ann man mit rund 100 Milliarden Euro beziffern. Auch
ie Sicherheit leidet unter dem Mangel an Instand-
altungsmaßnahmen. 23 Prozent der Autobahnen und
0 Prozent der Bundesstraßen sind nicht mehr voll ge-
rauchsfähig. Bei Brücken und Tunneln steigt die Sanie-
ungsbedürftigkeit. Es gibt Arbeit über Arbeit in
eutschland für die ganze Baubranche.
Züge fahren unpünktlich, denn Langsamfahrstellen

ehindern den Verkehrsfluss und mindern die Leistungs-
ähigkeit der Bahn im Bereich des Personen- und

16062 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Eduard Oswald

Güterverkehrs. Große Teile des Schienennetzes sind sa-
nierungsbedürftig.

Das, was Sie heute mit Ihrem Antrag hier vorlegen,
ist viel zu wenig. Das ist eine Beruhigungspille, von der
Sie glauben, sie wirkt. Aber sie wirkt nicht. Der Bürger
durchschaut dieses Spiel. Sie müssen Ihre Politik wieder
von Ihren Fachabteilungen machen lassen und nicht von
Ihren Pressestellen und von den für Öffentlichkeitsarbeit
zuständigen Mitarbeitern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Drei Punkte:
Erstens. Der Staat muss seiner Verantwortung für die

Infrastruktur durch eine auf hohem Niveau bestätigte
Finanzierung nachkommen.

Zweitens. Wenn die Haushaltsmittel nicht ausreichen,
müssen verstärkt private Partner eingebunden werden.
Hier haben Sie den Weg richtig begonnen, sind aber bis-
her viel zu kurz gesprungen und alles geht viel zu lang-
sam.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Drittens. Wir müssen die innerdeutsche Entwicklung

mit der europäischen so verzahnen, dass die Verkehre in
Deutschland als Transitland Nummer eins in Europa
besser bewältigt werden können. Nach 100 Tagen Maut
haben Sie Erfolgslieder gesungen. Die Medien haben es
Ihnen abgenommen. Sie haben aber vergessen, auf
welch dramatische Weise sich die Verkehre in vielen Re-
gionen von der Autobahn auf die nachgelagerten Straßen
verlagert haben.


(Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das haben wir überhaupt nicht vergessen! Das ist eine infame Unterstellung!)


Dieses Problem gilt es zu lösen. Wir können nicht zulas-
sen, dass die Mautpreller in Deutschland nicht erwischt
werden. Der Ehrliche darf in Deutschland nicht der
Dumme sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig! Ausländer dürfen nicht ungeschoren davonkommen!)


Unser politisches Ziel muss es sein, die LKW-Verkehre
auf der Autobahn zu halten, denn dieses sind die sichers-
ten Verkehrswege.

Es ist gut, dass wir heute über Mobilität reden. Fast je-
der sechste Arbeitsplatz in Deutschland hängt von der
Verkehrswirtschaft und der Fahrzeugindustrie ab. Bürger
wie Wirtschaft, die für die Nutzung des Verkehrssystems
viel Geld zahlen, wollen eine leistungsfähige Infrastruk-
tur. Nehmen Sie von der Regierungskoalition sich doch
selbst ernst! Schauen Sie sich an, was Sie im Bundesver-
kehrswegeplan 2003 selbst festgeschrieben haben! Dort
haben Sie nämlich ein jährliches Investitionsvolumen
von 10 Milliarden Euro für erforderlich gehalten. Bei Ih-
rer jährlichen Finanzplanung kommen Sie jedoch nur zu
einem durchschnittlichen Mittelansatz von 7,7 Milliar-

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(C (D en Euro. Wenn Sie sich einmal das anschauen, was die egierungskommission unter Ihrem Mitglied, Herrn ällmann, gesagt hat, dann erkennen Sie, dass Sie bei all em, was Sie tun, viel zu kurz springen. Auch Ihre Länerverkehrsminister haben Ihnen einen viel größeren ittelbedarf ins Stammbuch geschrieben. Sie springen zu kurz und handeln nur, weil der Druck hrer Wahlkämpfer immer stärker wird. Hätten Sie die auteinnahmen zusätzlich in die Verkehrsinfrastruktur vestiert, wie es Ihnen das Autobahnmautgesetz vorgechrieben hat und was für uns Voraussetzung dafür war, ass wir Ihnen in der Partnerschaft für dieses Mautgesetz ie Hand gereicht haben, dann hätten Sie viele Probleme icht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Verstärken Sie die Investitionen in die Verkehrsinfra-
truktur! Ihr heutiger Plan – verteilt auf vier Jahre, nur
bsichtserklärungen, nichts machen zu müssen, nur den
ahltermin im Auge – reicht nicht, um in Deutschland
olide Investitionspolitik und Politik insgesamt zu ma-
hen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517201500

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Spanier,

PD-Fraktion.

Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1517201600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

isherigen Reden der Opposition zeichnen sich erstens
urch eine beträchtliche, durch eine anerkennenswerte
autstärke


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Richtig! Wir wissen nie, wann das Mikrofon wieder mal versagt!)


nd zweitens dadurch aus, dass – mit der Ausnahme von
errn Oswald – zu dem Thema, um das es heute geht,
ast nichts gesagt wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Ist doch Ihr Antrag!)


Es geht um einen wichtigen Teil des 20-Punkte-Pro-
ramms, das der Bundeskanzler vor knapp fünf Wochen
n diesem Hause vorgestellt hat.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie haben das ganze Programm als Antrag vorgelegt! Alle Punkte! Sie müssen Ihren Antrag mal lesen!)


s geht um eine Verstärkung von Investitionen, um kurz-
ristig zusätzliche Wachstumsimpulse zu geben und um
rbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Es geht
m 2 Milliarden Euro zusätzlich für die Verkehrsinfra-
truktur. Es geht um 27 Millionen Euro zur Fortsetzung
es Gebäudesanierungsprogramms. Es geht um die Mo-
ilisierung von privatem Kapital; Stichwort ÖPP. Und es
eht um die Beschleunigung von Planungsverfahren.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16063


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Wolfgang Spanier

Das ist, Herr Kauder, ein ganz konkretes Maßnahmenpa-
ket, das jetzt und sofort umgesetzt wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Traumtänzer!)


Es sind die richtigen Instrumente. Sie müssten nur le-
sen, was die Industriegewerkschaft BAU, was die Bau-
wirtschaft, was die Wohnungswirtschaft zu diesem Maß-
nahmenpaket veröffentlicht haben: volle Zustimmung.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Die sind ja mittlerweile für alles dankbar, was Sie tun! Die sind ja froh, dass überhaupt etwas passiert!)


Dass mehr Geld gefordert wird, ist, denke ich, üblich.
Herr Oswald, meine Damen und Herren von der Opposi-
tion, Sie müssen sich eines einmal überlegen: Heute
werden zusätzliche Milliarden gefordert, und morgen
werden, was den Maastricht-Pakt und die 3-Prozent-
Grenze betrifft, die Brandreden gehalten. Sie müssen
sich langsam einmal überlegen, was Sie wollen. Immer
wenn es Ihnen passt, fordern Sie hier im Hause und in
den Fachbereichen mehr Milliarden ein, werfen uns am
nächsten Tag aber vor, dass wir die Maastricht-Kriterien
nicht einhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517201700

Kollege Spanier, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Schauerte?


Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1517201800

Weil Sie aus Nordrhein-Westfalen sind, besonders

gern.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1517201900

Herr Kollege Spanier, dass wir dringend weitere um-

fangreiche Investitionsmittel für unsere Infrastruktur
brauchen, steht ja völlig außer Frage. Meine Frage ist:
Wie, glauben Sie, ist es um Ihre Glaubwürdigkeit be-
stellt, wenn wir feststellen müssen, dass der Investitions-
haushalt im Bund – prozentual gesehen – so niedrig wie
noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist,


(Widerspruch und Unruhe bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht! So ein Quatsch!)


wenn wir feststellen müssen, dass überall dort, wo die
SPD und die Grünen regieren, die Investitionsquoten in
den Ländern am schlechtesten sind, und wenn wir fest-
stellen müssen, dass in den Ländern, in denen Public Pri-
vate Partnership schon geübt wird, die Quote dort, wo
Ihre Freunde die Verantwortung tragen, deutlich
schlechter ist als dort, wo CDU und FDP regieren?


Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1517202000

Lieber Herr Schauerte, ich möchte Ihnen Folgendes

antworten:

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(C (D Erstens. Die Investitionshöhe im Bundeshaushalt st, was den Verkehrsbereich betrifft, auf einem hohen iveau verstetigt worden und liegt deutlich über dem, as die damalige Bundesregierung unter Kohl zuwege ebracht hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Die Investitionsquote war noch nie so niedrig!)


Zweitens. Ich bin Ihnen als Nordrhein-Westfale sehr
ankbar, dass Sie auf die öffentlich-private Partner-
chaft eingehen. Die Bauwirtschaft bestätigt uns, dass
er Durchbruch im Bereich des öffentlichen Hochbaus
elungen ist. Ich kann Ihnen sagen: Gerade unser Land
ordrhein-Westfalen hat hier eine Vorbildfunktion.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Die schlechteste Quote!)


ies ist ebenfalls in allen Verlautbarungen der Bauwirt-
chaft zu lesen.
Ich will Ihnen einmal die Zahlen nennen, die in die-

em Zusammenhang von der deutschen Bauindustrie
eröffentlicht worden sind: Im Jahre 2003 betrug das
esamtvolumen immerhin 1,3 Milliarden Euro.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Sehr wenig! – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie haben doch den Investitionshaushalt permanent zurückgefahren!)


a geht es um den Bau von Turnhallen und Schulen. Das
ind wichtige Maßnahmen im Bereich der öffentlichen
nfrastruktur.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


s befinden sich zudem Maßnahmen in Vorbereitung,
ie ein Volumen von 1,5 und 2 Milliarden Euro haben.
ch kann an Sie nur appellieren, dass Sie mithelfen, dafür
u sorgen, dass auch in den unionsgeführten Ländern
ieser Weg endlich verstärkt beschritten und beschleu-
igt wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Wir sind doch schon lange da!)


as wäre wichtig. Es reicht nicht aus, die Maßnahmen
ur zu begrüßen.
Die Rede von Frau Merkel am 17. März hier im Deut-

chen Bundestag hat Ihre Haltung zu dieser Frage deut-
ich gemacht. Was hat sie denn zu Wachstumsimpulsen
nd zur Infrastruktur gesagt? Man konnte nur ein paar
agere Sätze von ihr dazu hören. Sie hat das Gebäude-
anierungsprogramm, die Verbesserung der Verkehrs-
nfrastruktur und auch die Beschleunigung von Pla-
ungsverfahren nur nebenbei erwähnt. Sinngemäß hat
ie gesagt, sie habe irgendwo gehört, dass wir jetzt Büro-
ratie abbauen und die Planungsverfahren beschleunigen
ollen. Das ist ja interessant, dass sie das irgendwo ge-
ört hat. Dann hat sie uns aufgefordert: Machen Sie sich
n die Arbeit!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ja, genau!)


16064 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Wolfgang Spanier

Ich gebe diese Aufforderung gerne an Sie zurück: Ma-
chen Sie sich an die Arbeit!

Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die beiden Be-
standteile unseres Pakets eingehen, die für mich als Bau-
und Wohnungspolitiker natürlich besonders interessant
sind.

Zum Gebäudesanierungsprogramm. Von 2001 bis
2004 sind 167 000 Wohnungen energetisch saniert wor-
den. Dazu kamen 2 727 Energiesparhäuser. Das Pro-
gramm läuft Ende 2005 aus. Der Erfolg für den Klima-
schutz ist, dass 1,3 Millionen Tonnen CO2 vermiedenwurden. Ich denke, das ist ein ganz entscheidender
Schritt. Das ist eine Erfolgsgeschichte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen ist die Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte
so wichtig. Sie sagen zwar ebenfalls Ja. Aber mehr als
dieses dürftige Ja war von Frau Merkel nicht zu hören.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Diese Erfolgsgeschichte hat zur höchsten Arbeitslosigkeit geführt!)


Dass diese 27 Millionen Euro Investitionen in Höhe von
5 Milliarden Euro auslösen und dass die Arbeitsplätze in
kleinen und mittleren Betrieben des Bauhandwerks, um
die es auch Ihnen geht, gesichert werden, ist sehr wich-
tig.

Ich möchte noch auf die drei neuen Förderpro-
gramme der KfW ab 1. Januar 2005 hinweisen: „Woh-
nungen Modernisieren“, „Solarstrom Erzeugen“ und
„Ökologisch Bauen“. Diese Programme laufen ebenfalls
erfolgreich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Gebäudesanierungsprogramm ist Teil einer Ge-
samtstrategie, die für uns Sozialdemokraten wichtig ist.
Dazu gehören die Förderung der energetischen Moderni-
sierung insgesamt, der Einsatz erneuerbarer Energien
und die Energieeinsparverordnung; denn auf die Wärme-
dämmung im Gebäudebereich müssen wir sicherlich ein
besonderes Augenmerk richten. Wir sind also mit die-
sem Bündel von Maßnahmen auf dem richtigen Weg.

Dazu gehört auch unsere Initiative: kostengünstig,
qualitätsbewusst bauen. Dies ist ebenfalls ein wichtiger
Baustein in der Gesamtstrategie.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In der Beratung befinden sich das Energieeinsparungs-
gesetz und die Verordnung zum Energieausweis.

Ich habe die Reden von Ihrer Seite hier im Bundestag
verfolgt. Ich sehe, dass wir in der Zielsetzung überein-
stimmen. Ich hoffe, dass Sie wirklich mit uns zusammen
diese Gesetze entwickeln und es nicht wie bei Frau
Merkel bei einem schlichten, einfachen Ja bleibt. Es ist
ja nett, dass sie die Vorschläge des Bundeskanzlers ak-
zeptiert. Aber da muss in den kommenden Wochen von
Ihnen schon ein bisschen mehr aktive Mitarbeit und Mit-

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(C (D irkung kommen, damit wir das auf einen vernünftigen eg bringen. Das Gebäudesanierungsprogramm als wichtiger estandteil dieser Gesamtstrategie hat Bedeutung, weil ir hiermit mehrere Ziele – Herr Loske hat es vorhin anedeutet – gleichzeitig erreichen. Wir tun etwas für den limaschutz; unser Land hat sich im Allokationsplan azu verpflichtet. Wir tun etwas für mehr Energieeffiienz. Das ist ein ganz entscheidender Punkt, um ein tück weit weg vom Öl zu kommen. Wir tun etwas, um ie Energiekosten zu senken bzw. die Erhöhung der nergiekosten zu vermeiden. (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist doch ein Witz! Die Energiekosten sind doch von Ihnen dramatisch erhöht worden! Als würden Sie, mit Verlaub, die Energiekosten senken!)


Herr Pinkwart, auch Sie wissen, dass das von ande-
en Faktoren abhängt. Bleiben Sie vorsichtig mit dem
orwurf „Witz“! Wir sollten alles tun, um mit Energie-
parmaßnahmen und Energieeffizienzmaßnahmen die
nergiekosten im Rahmen zu halten. Das ist im Gebäu-
ebereich von entscheidender Bedeutung. Wie sehr Ih-
en die Mieterinnen und Mieter am Herzen liegen, wis-
en wir von den Diskussionen über das Mietrecht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Gebäudesanierungsprogramm ist für Wohnungs-

igentümer bzw. für die Wohnungswirtschaft wichtig,
eil es um die Substanzerhaltung bestehender Ge-
äude geht. Nicht zuletzt nehmen wir hier besonders
rbeitsplatzintensive Investitionen vor. Das, denke
ch, ist von ganz entscheidender Bedeutung.
Wir wissen, dass sich die Bauwirtschaft seit 1995 in

iner Talfahrt befindet.

(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Und Sie wollen die Eigenheimzulage abschaffen!)

ie war einmal die Konjunkturlokomotive. Heute geht es
eilweise in die entgegengesetzte Richtung. Wir haben
ier wichtige Aufgaben und wir tun mit unserem Maß-
ahmenpaket, über das wir heute diskutieren, eine ganze
enge, um voranzukommen. Diesen Weg werden wir
ozialdemokraten konsequent weitergehen.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517202100

Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1517202200

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Ich bin Abgeordnete der PDS. Dass die SPD und die
rünen heute über Investitionen reden wollen, finde ich
ut. Allerdings möchte ich nicht mit Ihnen gemeinsam
ber die fehlende Investitionsbereitschaft deutscher
nternehmen jammern; denn diese Suppe haben Sie
ich von Rot-Grün selbst eingebrockt. Die Bundesregie-
ung ist mit Steuersenkungen für die Unternehmen in

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Dr. Gesine Lötzsch

Vorleistung gegangen und hofft nun auf eine Gegenleis-
tung durch die Unternehmen. Doch da haben Sie die
Rechnung ohne den Wirt gemacht. Viele Manager haben
die Steuersenkungen als Geschenk und nicht als Ver-
pflichtung zur Schaffung von Arbeitsplätzen betrachtet.

Lassen Sie uns über öffentliche Investitionen reden.
Die öffentliche Hand ist immer noch der größte Investor
in unserem Land, auch wenn die öffentlichen Investitio-
nen von Jahr zu Jahr sinken. In der Europäischen Union
ist die Bundesrepublik Deutschland das Schlusslicht,
wenn es um öffentliche Investitionen geht. Die öffent-
liche Investitionsquote beträgt im Durchschnitt der Eu-
ropäischen Union 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduk-
tes. In Deutschland liegt sie nur bei 1,4 Prozent. Das ist
deutlich zu niedrig.

Wer sich in der Politik, insbesondere in Krisenzeiten,
nur auf private Investitionen verlässt, ist verlassen. Die
geringen öffentlichen Investitionen sind ein Grund für
die hohe Arbeitslosigkeit in unserem Land. Bundes-
minister Stolpe hat gestern erklärt und heute wiederholt,
dass er bis zum Jahre 2008 2 Milliarden Euro in den
Ausbau der Schienenwege, Fernstraßen und Wasserwege
investieren und damit 60 000 Arbeitsplätze sichern will.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Zusätzlich!)

– Ja, zusätzlich. Wunderbar, ich lobe ihn doch gerade.
Das haben Sie noch gar nicht bemerkt. Das kann ich
gerne noch einmal unterstreichen. – Mit Investitionen
von rund 33 000 Euro sichern Sie einen Arbeitsplatz.
Das ist ein sehr gutes Verhältnis, Herr Stolpe, auf das ich
gleich zurückkommen werde.

Der Genosse Müntefering schimpfte in den letzten
Tagen viel über skrupellose Manager, die den Staat und
die Demokratie gefährden. Den Worten könnte man
zwar zustimmen; doch wenn ich mir die konkrete Politik
nur in dieser Woche anschaue, kommen Zweifel an der
Redlichkeit dieser Worte auf. Gestern hat zum Beispiel
der Haushaltsausschuss mit der Mehrheit von SPD und
Grünen sowie mit tätiger Unterstützung der CDU/CSU
ein neues Luftabwehrsystem für die Bundeswehr be-
schlossen, Kostenpunkt circa 2,85 Milliarden Euro. Der
Rechnungshof geht davon aus, dass die Kosten auf mehr
als 6 Milliarden Euro steigen werden. Noch schlimmer
ist, dass dieses Luftabwehrsystem völlig überflüssig ist.
Die Bundeswehr hat den Fall der Mauer offenbar noch
nicht verinnerlicht. Die Generäle wollen in ein System
investieren, das nach dem Zusammenbruch des War-
schauer Paktes nicht mehr gebraucht wird.

Es ist auch klar, dass diese beachtlichen öffentlichen
Investitionen kaum Arbeitsplätze schaffen werden. Mit
diesem Luftabwehrsystem sollen 450 Arbeitsplätze gesi-
chert werden. Die Bundesregierung ist also bereit, knapp
3 Milliarden Euro in ein zweifelhaftes militärisches Pro-
jekt zu stecken, um 450 Arbeitsplätze zu sichern. Das
heißt, Sie geben pro gesicherten Arbeitsplatz rund
7 Millionen Euro aus. Das ist absurd, wenn man die nur
33 000 Euro sieht, die benötigt werden, um einen Ar-
beitsplatz in der Verkehrsinfrastruktur zu sichern. An der
Stelle kann ich nur sagen: mehr Stolpe, weniger Struck!


(Heiterkeit)




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(C (D An der Stelle! (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das werden wir uns merken!)

Es ist auch belegt, dass diese öffentlichen Investitio-

en in die Rüstung keinen Beitrag zur Entwicklung von
pitzentechnologien leisten werden. Bekanntlich wollen
ich die amerikanischen Partner nicht in die technologi-
chen Karten schauen lassen; der Vertrag wird nach ame-
ikanischem Recht abgeschlossen. Trotzdem wird die
undesregierung viel Geld in ein unsinniges Rüstungs-
rojekt stecken, weil sie sich vom EADS-Konzern hat
nter Druck setzen lassen.
Wir als PDS sind dafür, dass der Anteil der öffent-

chen Investitionen am Bruttoinlandsprodukt steigt, und
war erstens zur Schaffung von Arbeitsplätzen, insbe-
ondere in strukturschwachen Regionen, und zweitens
ur Entwicklung moderner ziviler Technologien.
Das Beispiel des Luftabwehrsystems MEADS macht

eutlich, dass SPD und Grüne nicht die Kraft aufbrin-
en, sich unsinnigen Projekten zu widersetzen. Sie be-
lagen lieber mit lauten Worten die Macht des Kapitals.
as ist aber zu wenig. Sie können etwas dagegen tun –
ie sollten es auch!

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517202300

Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Bürsch,

PD-Fraktion.

Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1517202400

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
nser Thema heute ist, neue Impulse für Wachstum und
eschäftigung zu finden. Offenkundig kann man die De-
atte auf zweierlei Weise führen, entweder mit Schlag-
orten oder mit sachlicher Information. Als Norddeut-
cher neige ich zu der zweiten Methode. Ich möchte die
elegenheit nutzen, über einen Baustein aus dem Ge-
amtpaket, der heute schon mehrfach angesprochen wor-
en ist, etwas genauer zu informieren, nämlich über die
ffentlich-privaten Partnerschaften.
Ich sage an dieser Stelle schon einmal ganz deutlich:

ch werbe sehr für den deutschen Begriff und nicht für
en englischen/amerikanischen Begriff PPP;


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Dafür bekommen Sie ausdrücklich meinen Beifall! Ich hoffe, Sie setzen sich durch!)


enn dieser ist für viele Bürgermeister, Mandatsträger
nd andere, die mit diesem Verfahren adressiert werden,
her abschreckend; manche halten das für Beraterge-
lüngel. Es ist aber ein sehr konkretes und Erfolg ver-
prechendes Verfahren. Deshalb können Sie vielleicht
azu beitragen, dass wir das „öffentlich-private Partner-
chaften“ nennen.
Ich möchte dreierlei vermitteln: erstens die Ausgangs-

age insbesondere bei den kommunalen Investitionen,
weitens, welche Potenziale in diesen öffentlich-privaten
artnerschaften stecken, und drittens – vor allem dies
uss einmal deutlich gemacht werden –, was zu diesem
hema bereits im letzten halben Jahr geschehen ist. Das

16066 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. Michael Bürsch

ist auch die Antwort an Herrn Kauder. Die Wahrheit ist
konkret, Herr Kauder: Wir haben ein halbes Jahr lang
verdammt hart gearbeitet, und zwar nach dem Grundsatz
„Gründlichkeit plus Schnelligkeit“. Das ist durchaus vor-
zeigenswert.

Die Ausgangslage bei den kommunalen Investitionen
sieht folgendermaßen aus: Allein der kommunale In-
vestitionsbedarf – wohlgemerkt, das betrifft nicht den
Bundeshaushalt – wird für dieses Jahrzehnt von Exper-
ten wie dem deutschen Institut für Urbanistik auf rund
700 Milliarden Euro geschätzt. Allein im Schulbaube-
reich sprechen wir von rund 70 Milliarden Euro. Trotz
dieses Befundes sind die kommunalen Investitionen im
letzten Jahrzehnt von Jahr zu Jahr zurückgegangen. Die
so genannte Sachinvestitionsquote sank von rund
18 Prozent bzw. 29 Milliarden Euro im Jahr 1995 auf
rund 14 Prozent bzw. 21 Milliarden Euro im Jahr 2004.
Die Folge dieser Entwicklung: Sanierungsbedarf und In-
frastrukturlücke sind in dieser Zeit immer größer gewor-
den, und zwar zum Nachteil von Wirtschaft und Gesell-
schaft.

Andere Länder haben daraus schon Konsequenzen
gezogen, unter anderem England: Als Folge der falschen
Thatcher-Politik, alles zu privatisieren, haben Wirtschaft
und Politik dort gemeinsam einen Weg gefunden, indem
sie die Bedeutung von öffentlich-privaten Partnerschaf-
ten für die öffentliche Investitionstätigkeit und Konjunk-
turpolitik entdeckt haben.

Während in Deutschland, wie bereits dargestellt, die
Sachinvestitionen enorm zurückgingen, nahmen sie in
Großbritannien im selben Zeitraum um 36 Prozent zu.
Erfahrungen aus anderen EU-Ländern, die auch den Weg
öffentlich-privater Partnerschaften eingeschlagen ha-
ben, sind ähnlich eindrucksvoll. In Spanien war ein An-
stieg der Sachinvestitionen um 35 Prozent zu verzeich-
nen, in den Niederlanden um 30 Prozent, in Irland um
41 Prozent, in Italien um 24 Prozent und in Griechen-
land um 19 Prozent.

Auch in Deutschland wurde in Bezug auf öffentlich-
private Partnerschaften im vergangenen Jahr ein erster
Durchbruch erzielt. Projekte mit einem Bauvolumen in
einer Größenordnung von 0,5 Milliarden Euro und ei-
nem Projektvolumen von insgesamt 1,5 Milliarden Euro
wurden schon vertraglich vereinbart.

Worin liegen die Chancen für öffentlich-private Part-
nerschaften? Ich appelliere dringend an Sie, nicht nur an
den Hoch- und Tiefbau, nicht nur an Beton zu denken.
Es ist ein weites Feld: Sanierung von Schulen und Uni-
versitäten, Justizvollzugsanstalten, Krankenhäusern und
Pflegeeinrichtungen, Ausbau von Telekommunikation,
Energie- und Wasserversorgung, Abwasseraufberei-
tung – es gibt viele Möglichkeiten!

Insbesondere in Deutschland ist es notwendig, den
Lebenszyklus-Gedanken zu entdecken: Zurzeit denken
wir in diesem Zusammenhang fast ausschließlich daran,
eine Investition mit privatem Kapital zu ermöglichen.
Wie die Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, geht
es aber um viel mehr, nämlich darum, zum Beispiel ein
Gefängnis nicht nur mit privatem Kapital bauen zu las-

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(C (D en, sondern auch, es privat zu betreiben. In Deutschland ibt es bereits zwei erste Beispiele, die in diese Richtung eisen. Es bleibt zu hoffen, dass weitere folgen. Wir önnen dafür die vorhandenen Möglichkeiten nutzen. Was haben wir in der SPD-Fraktion gemacht, um die es Thema voranzubringen? as Verfahren ist sicherlich eindrucksvoll. Viele werden och nichts davon gehört haben. Wir haben seit einem alben Jahr über 60 Berater an unserer Seite, die sich reiwillig und unentgeltlich einbringen. Ich behaupte, as ist der geballte Sachverstand, den es in Deutschland nd darüber hinaus zu diesem Thema gibt. Das bringt iel mehr, als eine Anhörung leisten kann. Die Berater aus der Bauindustrie bis zum Juristen – sitzen jede oche bei uns und bringen ihren Sachverstand ein. Auf er anderen Seite sitzen die Vertreter der Ministerien. ir diskutieren das Thema in einer Ausführlichkeit und ründlichkeit, die in dem üblichen Gesetzgebungsverahren sicherlich nicht möglich sind, und kommen dann u konkreten Ergebnissen. Ich will nur einige der 30 Ergebnisse – 30 konkrete esetzliche Verbesserungsvorschläge! – nennen, die wir m Mai vorlegen können, um zu zeigen, welche Richung wir verfolgen. Zum Gebührenrecht: Bisher gibt es, wenn zum Bei piel ein Tunnel mit privatem Kapital gebaut wird, nur ie Möglichkeit, dass sich der private Betreiber die Nutung mit einer öffentlichen Gebühr, einer Maut, vergüen lässt. Wir öffnen den Weg dafür, dass er auch ein priates Entgelt erheben kann, (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist schön! Gut! Wir hoffen nur, dass Herr Müntefering das begrüßt!)


(Zuruf von der CDU/CSU: Wenig!)


it der damit einhergehenden Flexibilität. Diese Öff-
ung wird von der FDP und der CDU/CSU begrüßt. Ich
chließe mich dem an, was Herr Brandner bereits getan
at: Ich lade Sie herzlich ein, in unser Boot zu kommen.
uch für Sie ist da noch Platz. Wir können das gerne zu-
ammen machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir wollen nur bald Ergebnisse sehen!)


Sie können die Ergebnisse bei uns abrufen. Ich nenne
hnen nur wenige Beispiele, um die Richtung zu zeigen.
Zum Vergaberecht: Wir werden das Verhandlungs-

erfahren ausgestalten und den so genannten wettbe-
erblichen Dialog, den uns die EU angedient hat, in
eutscher Weise umsetzen.
Wir werden im Haushaltsrecht dafür werben, dass es
der Bundeshaushaltsordnung zu einer Änderung des
eräußerungsverbots kommt. In der Bundeshaushalts-
rdnung herrscht immer noch der Gedanke vor, dass der
taat Infrastruktureinrichtungen dann am wirtschaft-
chsten nutzt, wenn er selbst Eigentümer ist. Wir halten
as aber nicht mehr für zeitgemäß und wollen es ändern.
ffentlich-private Partnerschaften stellen nämlich einen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16067


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Dr. Michael Bürsch

Weg dar, um zum Beispiel eine Liegenschaft oder Infra-
strukturmaßnahme für den gesamten Lebenszyklus in
private Hand zu geben.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Wir freuen uns schon auf die Vorschläge!)


Ich könnte noch viele weitere Beispiele anführen. Ich
lade Sie ein, diese bei mir abzurufen.

Abschließend stelle ich mit Konfuzius fest: Es ist bes-
ser, hier und da ein Licht anzuzünden, als auf die Dun-
kelheit zu schimpfen.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie haben doch bisher zu viele Lichter ausgepustet!)


Ich lade Sie ein: Zünden Sie die Lichter mit an!

(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517202500

Ich erteile das Wort Kollegen Dr. Klaus Lippold,

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1517202600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Welches ist der
Ausgangspunkt unserer heutigen Debatte? Was muss
man berücksichtigen? Kernpunkt ist, dass wir eine ekla-
tant schlechte wirtschaftliche Situation haben. Aus-
gangspunkt ist, dass wir selten eine so schlechte Arbeits-
marktsituation hatten, um nicht zu sagen: So miserabel
war es noch nie. Wir werden an diesen Punkten prüfen,
ob das vorgelegte Progrämmchen den Ansprüchen, die
wir an einen wirklichen Impuls für mehr Wachstum und
Beschäftigung stellen müssen, auch nur annähernd ge-
recht wird.

Der Sachverhalt ist – das gehört zur Analyse –: Wir
haben im Moment ein ausgesprochen negatives Investi-
tionsklima. Auch das Ausland investiert bei uns deut-
lich weniger, als das noch im vergangenen Jahr der Fall
war. Alleine die Investitionen aus den USA sind in ei-
nem Jahr um 4 Milliarden Euro gesunken. Die Konsum-
bereitschaft ist völlig am Boden. Was das Schlimmste
ist: Sie tun eigentlich alles, um die Position, die erforder-
lich wäre, noch zu verschlechtern. Die ausländische
Wirtschaft achtet auf Flexibilität. Aber Sie antworten mit
einem Antidiskriminierungsgesetz. Was das für die Un-
ternehmen bedeutet, überschaut heute noch niemand. Es
trägt auf jeden Fall nicht dazu bei, die Investitionsbereit-
schaft zu heben. Nehmen Sie Abstand von solchen un-
möglichen Positionen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nachdem Sie noch kürzlich, am 14. April dieses Jah-

res, im Ausschuss unsere Vorschläge zur Beschleuni-
gung des Planungsrechts abgelehnt haben, habe ich nun
mit großer Freude vernommen, dass Sie sich nun doch
auf den Weg begeben wollen. Aber ich muss angesichts
der heutigen Diskussion feststellen: Der Wein, den Herr
Stolpe hinhält, wird von Herrn Loske gleich kräftig mit
Wasser verdünnt. Denn Herr Loske sagt: So wie Herr
Stolpe das will, geht es nicht. Das heißt, hier wird wie

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(C (D blich ein Wischiwaschi herauskommen, das uns in keier Weise weiterhilft. Es wird nicht Stolpe und auch icht Loske sein. Es wird auch der Wirtschaft nicht helen; das ist das Entscheidende. Ob es Herrn Stolpe oder errn Loske hilft, ist mir völlig egal. Aber der Wirtchaft sollte es helfen. Das tut es im Endeffekt nicht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


err Minister, ich will das mit den Worten Ihres ehema-

Stephan Hilsberg (SPD):
Rede ID: ID1517202700


Der Vorteil aus dem ostdeutschen Recht für die Re-
alisierung von Straßenbauvorhaben geht zu großen
Teilen verloren.

as heißt also, schon Ihre Umsetzung ist nicht optimal.
as, was ich gerade gesagt habe, setzt noch einen drauf.
ie Situation ist also miserabel.
Vor diesem Hintergrund ist der Antrag von SPD und
ündnis 90/Die Grünen „Investitionskräfte stärken –
eue Impulse für Wachstum und Beschäftigung“ zu be-
erten. Wie sehen die Impulse für Wachstum und Be-
chäftigung aus? Man muss es noch einmal sehr deutlich
agen: Sie haben das Investitionsniveau drastisch ge-
enkt. Wenn Sie hinterher wieder etwas draufsatteln, er-
eichen Sie noch nicht einmal das vorherige Investitions-
iveau. Welche Impulse sollen davon ausgehen, Herr
inister Stolpe?


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Aber feiern lässt er sich!)


ie haben sich von Herrn Eichel ohne erkennbaren Wi-
erstand rasieren lassen. Die deutsche Infrastruktur muss
afür büßen; denn zurzeit haben wir noch nicht einmal
estandserhaltung. Von Aus- und Neubau wollen wir
ar nicht reden. Vor dem Hintergrund der EU-Osterwei-
erung kann man nur sagen: Das ist ein glattes Versagen
er Bundesregierung. Das kann man nicht anders bewer-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie verfahren nun nach bewährter Manier und legen
in 2-Milliarden-Euro-Programm für Verkehrsinvesti-
ionen auf. Das klingt nach Schröder und das ist auch
chröder; denn tatsächlich werden nur 500 Millionen
uro pro Jahr zur Verfügung gestellt. Die Bundesdeut-
chen sind aber der Meinung – ich habe etliche gefragt;
inige kannten den Namen des Programms bereits –,
ass nun 2 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung ge-
tellt werden. Das ist der entscheidende Punkt: Zuerst
enken Sie ab und dann heben Sie an.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Oberflächlichkeit!)


ußerdem haben Sie das bislang noch nicht einmal im
aushalt verankert, Herr Stolpe. Ich garantiere Ihnen:
err Eichel wird, wenn die geringen Steuereinnahmen
ommen, die wegen des total in den Keller gefahrenen
achstums zu erwarten sind, dafür sorgen, dass noch
inmal zulasten Ihres Haushalts saniert wird. Also: run-
er, hoch, runter!

16068 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


Vor diesem Hintergrund wird sich natürlich keine In-

vestitionssicherheit in der Bundesrepublik Deutschland
einstellen. Herr Schmidt, hier muss man ausnahmsweise
sogar einmal Herrn Mehdorn Recht geben; denn ange-
sichts der Tatsache, dass hier laufend andere Zahlen ge-
nannt werden, kann es keinen Planungshorizont geben.
Über alle anderen Positionen können wir ruhig streiten.
Aber in diesem Fall ist das sicherlich so.

Wir haben also eine Situation, in der Investitionen
nicht die geringsten Impulse für zusätzliches Wachstum
und zusätzliche Beschäftigung geben. Vor dem Hinter-
grund dessen, was sich in der Bauindustrie abspielt, ist
das ein enormes Manko.

Nebenbei bemerkt, Herr Stolpe: Sie behaupten,
500 Millionen Euro sicherten 60 000 Arbeitsplätze. Das
ist überzogen. Experten sagen, 500 Millionen Euro si-
cherten maximal 10 000 Arbeitsplätze. Das heißt, auch
hier rechnen Sie schön. Angesichts dessen, dass Sie alles
beschönigen und den Ernst der Situation nicht begreifen,
muss das Ganze negativ bewertet werden. Auf diese Art
und Weise kommen wir nicht nach vorne. Das wird nicht
dem gerecht, was wir brauchen.

Was die Gebäudesanierung angeht, werden wir prü-
fen müssen, ob wir über den KfW-Weg hinaus weitere
Förderwege beschreiten müssen. Meine Fraktion berät
darüber gerade abschließend. Ich bin der Meinung, dass
wir weitere Förderwege brauchen, weil die KfW-Finan-
zierung nicht ausreicht, um hier die nötigen Impulse zu
setzen. Wir werden das Nötige auf den Weg bringen. Wir
fordern die Grünen auf, uns dabei zu begleiten. Das Pro-
gramm der Grünen enthält nämlich die entsprechenden
Punkte; in der Regierungsarbeit haben sie sie aber noch
nicht umgesetzt. Auch hier gibt es bislang keine Schub-
kraft.


(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/ CSU])


In Bezug auf die öffentlich-private Partnerschaft
werden wir Sie daran messen, ob Ihre dann vorgelegten
Entwürfe unseren dann vorgelegten Papieren, die wir als
Messlatte nehmen, entsprechen. Ich sichere Ihnen dabei
eine konstruktive Zusammenarbeit zu, und zwar ganz
einfach deswegen, weil wir nicht alles, was von Ihrer
Seite kommt, blindlings ablehnen. Ich wiederhole, was
meine Parteichefin gesagt hat: Wir sind zu konstruktiver
Mitarbeit jederzeit gern bereit;


(Karsten Schönfeld [SPD]: Nur Lippenbekenntnisse!)


aber es muss dann auch in eine wirklich konstruktive Ar-
beit einmünden.

Deshalb frage ich mich, ob die Bedenken von Herrn
Loske, das dürfe aber nicht in eine völlige Privatisierung
entarten – sie werden schon jetzt ganz leicht thematisiert –,
ein schlechtes Omen für die Arbeit sind, an die wir he-
rangehen wollen.


(Jörg van Essen [FDP]: Natürlich ist es das! – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Die Fortsetzung der bisherigen Verhinderungspolitik!)


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(C (D ir müssen das vorurteilsfrei sehen. Wir müssen die orund die Nachteile gegeneinander abwägen. Aber im orhinein den Teufel an die Wand zu malen ist an und ür sich kein gutes Signal. Lassen Sie mich noch eines freimütig hinzufügen. enn ich die Maut und den Transrapid als erste Beipiele für Projekte öffentlich-privater Partnerschaft ehme, (Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das sind keine öffentlich-privaten Partnerschaften, das sind Aufträge gewesen, Herr Kollege!)


ann muss man sagen: Sie haben das in einer Art und
eise in den Keller gefahren, wie es schlimmer gar nicht
eht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Schlimmste ist, dass Sie den Leuten vorgegaukelt

aben, Sie investierten die Mehreinnahmen aus der Maut
utzerorientiert, also in Straße und Schiene. Sie haben
ich nicht vor einem Gesetzesbruch gescheut und Sie ha-
en sich nicht gescheut, die Bund/Länder-Vereinbarung
u brechen. Die Mauteinnahmen sind im eichelschen
aushaltsloch verschwunden.
Beim Nachdenken über Nutzerfinanzierung werden

ie Leute sehr wohl fragen, Herr Minister: Wohin ver-
chwinden diese Gelder diesmal? Das heißt, Sie haben
laubwürdigkeit verspielt. Das ist in dieser Frage viel
ntscheidender als manches andere. Die Leute werden
hnen nicht mehr glauben, wenn Sie ihnen Ihre neuen
orstellungen präsentieren. An diesem Punkt sollten Sie
etzt wirklich einmal etwas tun, um Glaubwürdigkeit zu-
ückzugewinnen; sonst kommen wir nicht weiter.
Im Übrigen gebe ich meinem Vorredner Recht: Wir

önnen das eine oder andere auch auf der kommunalen
bene bewegen. Ich sage das, weil Sie wie wir kommu-
al engagiert sind. Ich glaube nicht, dass es einen Land-
reis gibt, in dem im Rahmen von öffentlich-privater
artnerschaft mehr als im Landkreis Offenbach mit dem
andrat Walter gemacht wird.


(Karsten Schönfeld [SPD]: Haben Sie oben eine Besuchergruppe sitzen?)


ch lade Sie dorthin gern ein. Sie können sich vor Ort die
raxis anschauen. Außerdem können Sie sich beim
ompetenzzentrum Hessen gern Ratschläge holen, was
ffentlich-private Partnerschaft angeht. Ich bin zu kon-
truktiver Arbeit jederzeit bereit.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir machen jetzt in Partnerschaft!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517202800

Ich erteile das Wort Kollegen Uwe Beckmeyer, SPD-

raktion.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16069


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Uwe Beckmeyer (SPD):
Rede ID: ID1517202900

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Wir haben mittlerweile viele Reden der Opposition
gehört. Man fragt sich: Was ist das für eine Opposi-
tion? – Sie ist rückwärts gewandt, krämerisch und sie ar-
beitet mit Methoden, die in ihrer Plumpheit eigentlich
kaum noch zu überbieten sind.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir haben wenigstens eine Methode!)


– Wie ich schon sagte, sind diese Methoden in ihrer
Plumpheit eigentlich kaum noch zu überbieten.

Frau Merkel und ihre Gefolgsleute gehen stets nach
folgenden Regeln vor: Erste Regel: Es ist immer zu we-
nig. Zweite Regel: Es geht nicht weit genug.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das stimmt doch!)


Dritte Regel: Es geht nicht schnell genug. Vierte Regel:
Es ist zu kurz gesprungen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Richtig!)

Fünfte Regel: Es wird zu wenig Geld ausgegeben – oder
zu viel; je nachdem, wer gerade spricht.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Alles richtig!)

Sechste Regel: Es ist die falsche Richtung; denn es ist
grundsätzlich falsch, was von Rot-Grün kommt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sie haben schon eingeübt, wie Sie als Opposition arbeiten!)


Wer nach dieser Methode Regierungshandeln kritisieren
will, der taugt für das Regieren überhaupt nicht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Wenn man so regieren will wie Sie, nicht; das stimmt!)


Wir haben ein Programm aufgestellt, das mit über
2 Milliarden Euro nur für die Verkehrsinfrastruktur in
Deutschland bewusst gegensteuert, aktuell gegensteuert.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: 2 Milliarden auf vier Jahre!)


Ein Programmteil ist das CO2-Gebäudesanierungspro-gramm, das Wolfgang Spanier hier sehr klar erklärt hat.
Das ist als zweiter wichtiger Punkt heute auf der Tages-
ordnung. Wir arbeiten die 20 Vorschläge der Regierung
Punkt für Punkt ab. Und was kommt von Ihnen? Mäke-
lei. Es heißt: Wir machen nicht mit. Das ist uns – wie ge-
sagt – zu wenig. – Das kann doch eigentlich nicht Ihre
Antwort sein. Das kann uns in Deutschland nicht voran-
bringen.

Die Bevölkerung draußen schaut sehr genau hin.

(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist auch gut so!)

Sie schaut, was da tatsächlich passiert.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Gott sei Dank!)


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(C (D ier passiert etwas. Aktuell werden Projekte mit einem olumen von 2 Milliarden Euro angeschoben. (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Tun Sie doch nicht! Sagen Sie doch mal die Wahrheit! Verteilt auf vier Jahre ist das! Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein!)


Der Kollege Schmidt hat an diesem Pult vorhin deut-
ich gemacht – ich tue das für die Sozialdemokraten –:
ir haben mit Koch/Steinbrück einen Weg beschritten,
er für die Verkehrspolitik nicht gut war. Wir korrigieren
iesen Weg; Sie nicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ie bleiben da sitzen und sagen einfach: Es war so und
s geht so weiter. Sie beklagen, dass für die Verkehrspo-
itik zu wenig ausgegeben wird. Gehen Sie doch mit uns
iesen Weg! Unterstützen Sie uns dabei, wenn wir in den
or uns liegenden Jahren in Deutschland 2 Milliarden
uro zusätzlich ausgeben!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist doch auf vier Jahre verteilt, Herr Kollege!)


Wie sieht es draußen aus? Die Bauindustrie sagt: Das
st das Richtige. Was sagen Sie? – Die Systemindustrie,
ereich Schiene, sagt: Das ist der richtige Weg. Was sa-
en Sie? – Die Länder und Gemeinden sagen: Jawohl,
as ist die richtige Richtung. Was kommt von Ihnen?


(Zuruf von der SPD: Nichts! – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist doch blanker Populismus, was Sie hier betreiben!)


ar nichts.
Was die Verkehrspolitik der Christlich Demokrati-

chen Union angeht – von der FDP, die Programme aus
em letzten Jahrhundert abschreibt, will ich gar nicht re-
en –,


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist Ihr Bundeskanzler! Ist Ihr Bundeskanzler aus dem vergangenen Jahrhundert? Offensichtlich haben Sie sich von Schröder schon verabschiedet! Das mag sein!)


in ich wirklich der Überzeugung: Sie sind nicht in der
age, hier etwas Ordentliches zu artikulieren. Sie agie-
en taktisch und sind im Grunde nicht in der Lage,
eutschland positiv zu orientieren in der Frage, was wir
ür Wachstum und Beschäftigung tatsächlich brauchen.
Wir können Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik am

ffektivsten betreiben, indem wir jetzt wirklich etwas für
nsere Verkehrsinfrastruktur tun. Wir sind, glaube ich,
uf dem richtigen Weg.


(Lachen des Abg. Dr. Andreas Pinkwart eshalb sind wir auf dem richtigen Weg? Weil wir im erzen Europas, in einem der größten und wichtigsten taaten dieses Kontinents, für die Verkehrsinfrastruktur etzt Impulse geben müssen. Das tun wir. Mobilität ist 16070 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Uwe Beckmeyer wichtig, nicht nur für die Wirtschaft. Sie ist wichtig für die Menschen. Sie ist wichtig für die Ökonomie. Sie ist wichtig für den Export. Sie ist wichtig für unser Land. Deshalb muss man jetzt konkret deutlich machen, wo überall etwas passiert. (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Noch ist gar nichts passiert!)


(A) )


(B) )


Ich konnte mir eigentlich nicht vorstellen, dass Sie in Ih-
ren Reden in der heutigen Auseinandersetzung nicht ein-
mal sagen würden: Jawohl, Minister Stolpe, was Sie vor-
schlagen, ist vernünftig. – Kein einziges Wort von Ihnen
dazu! Zu keinem der Projekte, weder zum CO2-Gebäu-desanierungsprogramm noch zu den anderen vorgeschla-
genen Maßnahmen, ein positives Wort! Sie sitzen dort
und sagen: zu wenig, zu viel; hin und her. Es ist reine
Mäkelei. Daran erkennt man im Grunde auch Ihre gene-
relle Taktik. Sie haben gar kein Interesse daran, dass es
mit Deutschland vorangeht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist Unsinn! Sie sind nicht bereit, das zu tun, was notwendig wäre! Das ist das Problem!)


Sie möchten Deutschland eigentlich da lassen, wo es ist.
Die Leute draußen sagen Ihnen ins Gesicht: Ihr von der
CDU/CSU macht eine falsche Politik.

Ich schaue mir das in der Region an. Nachdem ich
gestern bei mir zu Hause gesagt habe: „Liebe Freunde,
der Stolpe macht das Projekt B 74 jetzt mit“,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: „Herr Stolpe“! So viel Zeit muss sein!)


sagt die CDU vor Ort: Das haben wir schon immer ge-
wollt. – Richtig. Was passiert im Bundestag? Kein einzi-
ges Wort dazu! Sie sagen einfach: zu wenig.

Warum ist das eigentlich so? Gibt es bei Ihnen gar
keinen Menschen mehr, der in der Verkehrspolitik ein-
mal konstruktiv mitwirkt,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt gehen Sie aber zu weit, Kollege Beckmeyer!)


der sich einbringt, der sich in dieser Frage an unsere
Seite stellt und sagt: „Jawohl, wir sind bereit, in der Ver-
antwortung für dieses Land mit den Sozialdemokraten
ein solches Infrastrukturprojekt mitzumachen“? Warum
machen Sie das nicht?


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Steigern Sie sich nicht so hinein!)


Ich habe von Ihnen heute kein Wort hierzu gehört.

(Ludwig Stiegler [SPD]: So ist es, Edi!)


Nun habe ich allerdings festgestellt: Herr Kollege
Fischer, Ihr verkehrspolitischer Sprecher, ist gar nicht
hier. Woran liegt das eigentlich? Haben Sie ihn heute zu
Hause gelassen oder durfte er nicht sprechen? Das ist ei-
gentlich schade; ich hätte von ihm gern etwas zu diesem
Thema gehört.


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(C (D (Albert Schmidt [Ingolstadt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Er ist beleidigt, weil er den Kauder reden lassen musste!)


Was wir von Herrn Kauder gehört haben, war ja auch
icht gerade das Allerbeste.


(Karsten Schönfeld [SPD]: Das war Kauderwelsch!)


Es wird immer gesagt, die Investitionen hätten
wangsläufig zurückgehen müssen, weil Koch/
teinbrück uns einiges genommen hat. Ich glaube, die
ahlen während Ihrer Regierungszeit haben Sie aber
öllig ausgeblendet.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sie haben die Festplatte gelöscht!)


enn man sich diese noch einmal angeschaut hätte,
ürde man es gar nicht wagen, solche Reden zu halten;
enn was damals nicht passiert ist, haben wir in der ers-
en Legislaturperiode von Rot-Grün erst einmal nachho-
en müssen, um Deutschland überhaupt in die Lage zu
ersetzen, ausreichend Mobilität zur Verfügung zu stel-
en.


(Beifall bei der SPD – Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Jetzt werden Sie gleich noch Zahlen aus den 50er-Jahren aus der Adenauer-Zeit bringen! Regieren Sie! Handeln Sie!)


eine sehr geehrten Damen und Herren, ich will zum
chluss kommen. Wenn gestern in der Zeitung stand:
Wir sind Papst“, müsste morgen zumindest in der
eitung stehen: „Stolpe schafft Arbeit“, nämlich
20 000 Arbeitsplätze.
Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1517203000

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die
berweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/5340,
5/5322, 15/5325, 15/5338 und 15/5339 an die in der Ta-
esordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann
ind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b

uf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

richts des Auswärtigen Ausschusses

(3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Schäuble,
Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
Die NATO auf die neuen Gefahren ausrichten
– Drucksachen 15/44, 15/324 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Markus Meckel
Dr. Andreas Schockenhoff

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16071


(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

Dr. Ludger Volmer
Dr. Werner Hoyer

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Wolfgang Schäuble,
Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der CDU/CSU
50 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft wür-
digen, sich zur NATO bekennen und sie stär-
ken
– Drucksache 15/5323 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Friedbert Pflüger, CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1517203100

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Europa verdankt der NATO sehr viel. Aber niemand
verdankt der NATO mehr als wir Deutschen. Mit dem
NATO-Beitritt am 6. Mai 1955 erhielt die Bundesrepu-
blik Deutschland zugleich ihre Freiheit und ihre Souve-
ränität zurück. Nach Weltkrieg und Holocaust waren wir
wieder ein geachtetes Mitglied der Völkerfamilie.

Bündnissolidarität, militärische Abschreckung und
der amerikanische Nuklearschirm, das alles bewahrte
Deutschland und das freie Berlin über Jahrzehnte vor der
Expansion des sowjetischen Kommunismus. Die NATO
verband militärische Stärke mit Dialogbereitschaft und
Entspannungspolitik. Diese politisch-militärische Dop-
pelstrategie trug wesentlich dazu bei, die Teilung Berlins
und Deutschlands zu überwinden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])


Und schließlich: Sechs Jahrzehnte haben wir Deutschen
jetzt Frieden mit unseren Nachbarn – für viele selbstver-
ständlich, aber doch einmalig in der deutschen Ge-
schichte. Wir verdanken den Frieden über 60 Jahre in
Europa zu einem großen Teil der atlantischen Allianz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Eigentlich wäre die 50-jährige Mitgliedschaft ein

Anlass zur Feier und zur Würdigung. Stattdessen gibt es
weder im Auswärtigen Amt noch im Kanzleramt noch in
der Brüsseler NATO-Vertretung irgendeine Art von Ver-
anstaltung, die dieses wichtige Ereignis in unserer Ge-
schichte würdigt. Ich muss sagen, das ist wirklich ver-
wunderlich. Es ist auch verwunderlich, Herr
Bundesminister, dass es niemand aus der Reihe der Bun-
desminister für nötig hält, in dieser Debatte, die CDU
und CSU beantragt und durchgesetzt haben, das Wort zu
ergreifen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Sie halten im Auswärtigen Amt Veranstaltungen ab nlässlich des 100. Jahrestages der diplomatischen Beiehungen zwischen Deutschland und Äthiopien. Sie feirn im Auswärtigen Amt alle möglichen Anlässe, die eisten auch völlig zu Recht. Sie führen Podiumsdisussionen durch, zum Beispiel vor kurzem zum Thema Frauen und Gesundheit im heutigen Jordanien“. Aber um Thema „50 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft“ ibt es nicht einmal eine Ausstellung im Auswärtigen mt. Das zeigt, wie Sie die Bedeutung des atlantischen ündnisses für die Bundesrepublik Deutschland einchätzen. m 3. Juli dieses Jahres wird im Lichthof des Auswärtien Amtes eine Ausstellung „50 Jahre Übereinkommen ur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten“ urchgeführt. Das ist Ihnen eine öffentlichkeitswirksame ktion wert, 50 Jahre NATO nicht. Das, meine Damen nd Herren, ist ein Skandal. Das lassen wir Ihnen nicht urchgehen. Deshalb haben wir heute diesen Antrag getellt, um wenigstens im Deutschen Bundestag die ATO zu würdigen. Vielleicht liegt ja diese Missachtung des historischen atums daran, dass Sie oder jedenfalls ein großer Teil on Ihnen trotz aller anders lautenden Bekenntnisse mit er NATO doch nicht ganz warm geworden sind. (Rainer Arnold [SPD]: Wie Sie gerade reden, ist aber auch nicht gerade feierlich!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


estbindung und Wiederbewaffnung hat Konrad
denauer gegen die Sozialdemokraten durchgesetzt.
err Adenauer ist dafür von der SPD als Kanzler der
lliierten beschimpft worden. Wir müssen festhalten,
ass die NATO in der Tat gegen große Widerstände
urchgesetzt werden musste. Es hat bis 1960 gedauert,
is Herbert Wehner hier im Deutschen Bundestag ein
ekenntnis zur Wiederbewaffnung und zur NATO abge-
egt hat.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Der NATO-Doppelbeschluss war neben der Ostpoli-
ik von Willy Brandt ganz entscheidend dafür, die Tei-
ung Europas und Deutschlands zu überwinden. Der
ATO-Doppelbeschluss ist ebenfalls gegen den Wider-
tand aus den Reihen von SPD und Grünen sowie großer
eile der Bevölkerung durchgesetzt worden. Ich bin froh
nd dankbar, dass Helmut Kohl das damals mit der
DU/CSU gemacht hat, denn dieser Doppelbeschluss ist
n der Tat das Signal dafür gewesen, dass der War-
chauer Pakt und der Sowjetkommunismus keine
hance mehr hatten, im Kalten Krieg ihre Positionen
urchzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch die Öffnung des Bündnisses – das ist heute fast

ergessen – nach Osten ist auf erheblichen Widerstand
estoßen. Ich habe vor dieser Debatte eine Bundestags-
ebatte aus dem Februar 1998 nachgelesen, wo der

16072 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Dr. Friedbert Pflüger

Kollege Ludger Volmer, der in diesen Stunden heute an
anderer Stelle tätig ist,


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Ganz erfolgreich! Sehr erfolgreich! Passen Sie mal auf! Gucken Sie mal zu! Aber Sie wollen ja nicht hören!)


gesagt hat, die NATO-Osterweiterung sei die Ostver-
schiebung der Militärmaschinerie der NATO und stelle
eine antirussische Allianz dar. Meine Damen und Her-
ren, auch die Osterweiterung, die Öffnung für die Länder
Mittel- und Osteuropas, ist gegen Ihren Widerstand
durchgesetzt worden. Auch das gehört zur historischen
Wahrheit dazu.


(Beifall bei der CDU/CSU – Markus Meckel [SPD]: Das ist doch wirklich großer Quatsch, was Sie da erzählen! – Gegenruf des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das weiß er doch!)


– Es ist in der Tat unrichtig, was Sie angeht, Herr Kol-
lege Meckel. Das ist richtig. Sie waren immer dafür.
Aber Sie wissen auch, was viele Kollegen aus Ihrer
Fraktion und vor allen Dingen große Teile der Grünen
gesagt haben. Deshalb ist mein Vorwurf insgesamt kein
Quatsch, sondern die Wahrheit.

Meine Damen und Herren, vielleicht ist es auch kein
Zufall, dass die Rede des Bundeskanzlers auf der
Münchner Sicherheitskonferenz, die Herr Struck vorle-
sen musste, weil der Bundeskanzler erkrankt war, ei-
gentlich überall im Ausland den Eindruck vermittelt hat,
die Deutschen nehmen es mit der NATO nicht mehr ganz
so ernst. Die zentrale Bedeutung der Allianz ist jeden-
falls in den letzten Jahren nicht gepflegt worden. Wir ha-
ben erlebt, dass anlässlich des Außenministertreffens in
Vilnius, das derzeit stattfindet, der Generalsekretär der
NATO – ich kann mich an einen vergleichbaren Vorfall
nicht erinnern – in Zeitungsinterviews rundweg erklärt,
die Vorschläge des Bundeskanzlers und des Bundesau-
ßenministers spielten für ihn keine Rolle mehr.


(Michael Glos [CDU/CSU]: So weit habt ihr es gebracht!)


Die „FAZ“ schreibt heute, die Vorschläge des Kanzlers
vom Februar sind fast vergessen. Es ist einfach so, dass
sich die Bundesrepublik Deutschland unter dieser Bun-
desregierung mit der atlantischen Allianz schwer tut. Ich
glaube, wenn sie jetzt immer wieder erzählt, wir müssten
die Krise überwinden, dann gehört zu dieser Wahrheit
auch, dass sie selbst zu dieser Krise ganz wesentlich bei-
getragen hat, in die das atlantische Bündnis in den letz-
ten Jahren gekommen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Jetzt brauchen wir keine Selbstfindungsgruppen.
Vielmehr muss eine ganz konkrete weltpolitische
Agenda abgearbeitet werden. Unsere Aufgabe ist, nach
vorne zu schauen und uns mit der Frage zu beschäftigen:
Was wird aus diesem Bündnis? Immerhin gibt es hoff-
nungsvolle Ansätze. Ich glaube, dass Frau Merkel in ih-
ren Gesprächen mit dem amerikanischen Präsidenten,

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(C (D err Schäuble in seinem Gespräch mit dem amerikanichen Vizepräsidenten und wir alle im Rahmen unserer ontakte mit der amerikanischen Seite immer wieder estgestellt haben, dass es jedenfalls die Amerikaner mit inem Neubeginn unserer Beziehungen ernst meinen nd das atlantische Verhältnis auf eine neue Stufe stellen ollen. In den Gesprächen, die ich geführt habe – dem Kolle en Christian Schmidt ist es vor zwei Wochen in Wasington genauso ergangen –, habe ich den Ausdruck Koalition der Willigen“ nicht mehr gehört. Die Art und eise, wie die Amerikaner in den ersten Jahren der ush-Regierung vorgegangen sind – sich wie aus einem erkzeugkasten die jeweils geeigneten Bündnispartner nerhalb der EU herauszupicken –, das alles gehört in ashington, jedenfalls im Moment, der Vergangenheit n. Im Gegenteil: Der amerikanische Präsident besucht ogar demonstrativ die EU. Amerika will die alte, tradionelle Beziehung zu EU und NATO wieder beleben. ch glaube, wir tun sehr gut daran, darauf zu reagieren nd endgültig mit den Versuchen, gemeinsam mit Frankeich und Russland irgendwelche Achsen gegen die SA zu bilden und Europa als Gegengewicht zu den SA zu profilieren, Schluss zu machen. Wir wollen elbstbewusste Partner sein. Wir wollen, wie immer, inerhalb des Bündnisses unsere Meinung sagen. Wenn es otwendig ist, werden wir den Amerikanern selbstvertändlich auch widersprechen; (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie doch nicht!)


enn die NATO ist ein Bündnis freier Partner. Wenn es
otwendig ist zu widersprechen, dann wird es, wie es
uch in der Vergangenheit der Fall war, getan.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Lächerlich!)


iderspruch wurde bisher allerdings immer in einem
lima der Solidarität und der Freundschaft innerhalb des
ündnisses geäußert. Wir wollen dafür sorgen, dass das
o bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Genau deswegen passt es nicht in die Landschaft,

ass sich am 18. März dieses Jahres erneut Putin,
chröder und Chirac, diesmal zusammen mit Zapatero,
Paris getroffen haben. Wenn Sie sich anschauen, wie
ieses Treffen kommentiert worden ist, stellen Sie fest,
ass es zum Beispiel in der „Frankfurter Allgemeinen
eitung“ hieß: Mit dem Treffen dieser Vier hat zumin-
est der französische Gastgeber eine europäische Ach-
enpolitik auszubauen versucht, mit der er einen Macht-
ol schaffen will gegen die Vereinigten Staaten von
merika.
Vielleicht haben Sie auch vernommen, wie die Reak-

onen in Polen ausgefallen sind. Herr Rokita, der große
hancen hat, demnächst Ministerpräsident zu werden,
agt dazu: Es genügt, sich die Europakarte anzusehen,
m zu merken, dass zumindest ein Land am Tisch fehlt.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16073


(A) )



(B) )


Dr. Friedbert Pflüger

Das Problem eines solchen Gipfels sei nicht, wer einge-
laden wird, sondern, ob derartige Treffen durch einen
europäischen Konsens gedeckt würden.

Es ist unklug, überhaupt eine solche Achse zu bilden
und obendrein dabei zum Beispiel Polen außen vor zu
lassen, weil dadurch in Mittel- und Osteuropa immer
wieder die Angst geschürt wird, Deutschland würde, wie
so oft in der Geschichte, gemeinsam mit Russland eine
Politik über die Köpfe der Mittel- und Osteuropäer hin-
weg und auf ihre Kosten betreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie leben wirklich noch im vorigen Jahrhundert!)


– Herr Kollege Schmidt, es geht doch besser. Im Falle
der Ukraine zum Beispiel hat es relativ gut funktioniert.
Die Ukraine, Polen und Deutschland haben, gemeinsam
mit Herrn Solana und den Amerikanern, an einem Strang
gezogen. Auch auf dem Balkan klappt die Zusammen-
arbeit zwischen Europäern und Amerikanern relativ gut.
Darüber hinaus haben wir uns auf eine Roadmap für den
Nahen Osten geeinigt. Nun besteht erstmals seit langem
eine kleine Chance, den Friedensprozess voranzubrin-
gen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer ist denn „wir“? Sie doch nicht!)


– Wir alle im Westen, zusammen mit Russland und den
Vereinten Nationen.

Dass das möglich ist, zeigt das Beispiel Iran. Wenn
sich die Europäer einig sind und gemeinsam auftreten
– nicht nur Deutsche und Franzosen, sondern vielmehr
Deutsche, Franzosen, Briten und Herr Solana, der Hohe
Repräsentant der Europäischen Union –, dann haben sie
die Chance, europäische Politik auch in Washington
durchzusetzen. Die Amerikaner haben in den letzten
zwei Monaten eingelenkt, weil wir alle in Europa sie ge-
drängt haben, dem Iran nicht nur zu drohen, sondern
auch diplomatische und politische Anreize auf den Tisch
zu legen und sich an diesem Verhandlungsprozess kon-
struktiv zu beteiligen. Das ist das beste Beispiel dafür,
dass wir Europa bzw. Teile Europas nicht gegen Ame-
rika in Stellung bringen sollten, sondern dass wir den
Versuch unternehmen müssen, das gesamte Gewicht
Europas in Washington in die Waagschale zu werfen, um
eine bessere Politik und eine konstruktivere Zusammen-
arbeit zu erreichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, die Frage ist, wie es jetzt

mit China weitergeht. Denn China war bei allem, was
wir in den letzten Wochen erlebt haben, gegenüber unse-
ren Bündnispartnern und auch gegenüber den Ländern
im Fernen Osten das große Problem. Die Aufhebung des
Waffenembargos, die der Bundeskanzler angesprochen
hat, droht diesen neuen Konsens, dieses zarte Pflänzchen
neuer Zusammenarbeit zu zerstören. Deswegen ist es
ganz wichtig, dass die Europäische Union sagt: Ja, wir
wollen gute Beziehungen zu China – natürlich, wer
wollte das nicht: Wir brauchen China als Partner in der
Weltgemeinschaft –, aber die Aufhebung des Waffenem-

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(C (D argos ohne Abstimmung in den Gremien der NATO, hne Abstimmung mit unseren amerikanischen Bündnisartnern, obwohl die mit ihrer Pazifikflotte dort sind und iel direkter als wir betroffen sind, ist ein großer Fehler. enn wir das nicht lassen, dann bestehen wir den ersten estfall dieser neuen Zusammenarbeit nicht. Deswegen werden wir nach der Debatte, die wir in er letzten Woche geführt haben, sehr genau beobachten, ohin sich die Koalitionspolitik entwickelt. Sie haben estern im Auswärtigen Ausschuss unseren Antrag zur ortführung des Waffenembargos abgelehnt. Sie haben ür die nächsten Wochen eigene Anträge angekündigt. ir werden genau beobachten, wer sich durchsetzt: der anzler mit seiner Position „Aufhebung des Embargos“ der die Grünen, die klar sagen, sie lehnen die Aufheung des Embargos ab, oder Außenminister Fischer mit einer Politik des Irgendwo-so-in-der-Mitte-Herum edens. Diese Doppelstrategie – dass der Kanzler die kon rete Politik macht, die Geschäftsinteressen voranbringt, nd die Grünen dann vor Wahlen eine Beruhigungspille n ihre eigene Klientel geben – werden wir Ihnen nicht urchgehen lassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Eierns!)


Die NATO bleibt auch deshalb von zentraler Bedeu-
ung, weil wir eine zentrale neue Herausforderung auf
er Welt haben, nämlich die des global agierenden
slamistischen Terrorismus. Ich glaube, dass viele der
riktionen zwischen Amerika und Europa damit zu tun
aben, dass es völlig unterschiedliche Analysen der Be-
rohungen gibt. Bei uns werden Warnungen wie die, die
ofi Annan vor kurzem ausgesprochen hat, nicht ernst
enommen. Kofi Annan sprach in einem Beitrag im Ber-
iner „Tagesspiegel“ davon, dass der Atomterrorismus
eine Science-Fiction mehr sei, und er warnte vor biolo-
ischem Terrorismus und seinen schrecklichen Folgen.
l-Baradei, der Generaldirektor der Internationalen
tomenergiebehörde, hat im Januar gesagt, die Gefahr
es nuklearen Terrorismus sei real und gegenwärtig; es
ei eine aktuelle Gefahr, dass al-Qaida eine schmutzige
tomwaffe einsetze. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dass
ir diese enorme Herausforderung aus der Verbindung
on Terrorismus und Massenvernichtungswaffen zum
ern unserer sicherheitspolitischen Überlegungen ma-
hen – auf beiden Seiten des Atlantiks. Dabei kann
ussland ein wichtiger Partner sein – und muss es sein –,
ber die europäische Einigung und die Freundschaft mit
merika sind für unsere Sicherheit langfristig wichtiger
nd zentraler; sie können jedenfalls durch ein Bündnis
it Russland nicht ersetzt werden.
In diesem Sinne hoffen wir, dass angesichts der enor-
en neuen Herausforderungen für die Stabilität und die
icherheit unserer Bürger dieses entscheidende Gut
icht aus der Hand gegeben wird. Wir sollten uns an das
rinnern, was Willy Brandt an der Harvard-Universität
m Juli 1972 gesagt hat. Willy Brandt sagte wörtlich:

16074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Dr. Friedbert Pflüger

Sie, die Jüngeren, dürfen nicht vergessen, dass die
Interdependenz, die John F. Kennedy für die Staa-
ten diesseits und jenseits des Atlantiks proklamiert
hat, eine moralische, eine kulturelle, eine wirt-
schaftliche und politische Realität bleiben muss.

In den letzten Jahren haben wir erlebt, dass sich das
Koordinatensystem unserer Außenpolitik etwas verscho-
ben hat: etwas zu viel Russland und zu wenig Amerika.
Das muss korrigiert werden und dafür ist diese Debatte
hoffentlich ein guter Anfang.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Gernot Erler [SPD]: Das ist sehr schlicht, was Sie da sagen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517203200

Das Wort hat der Kollege Markus Meckel von der

SPD-Fraktion.


Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1517203300

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es ist gut, dass wir diese Debatte zum
50. Jahrestag der deutschen Mitgliedschaft in der NATO
führen, weil – das ist ganz klar – die NATO ein zentraler
Eckpfeiler deutscher Außenpolitik in diesen 50 Jahren
war. Das galt damals und das gilt auch heute.

Genauso richtig ist – ich glaube, das ist unbestreit-
bar –: Damals ist die NATO-Mitgliedschaft gegen die
SPD und gegen große Teile der deutschen Gesellschaft
von Bundeskanzler Adenauer durchgesetzt worden. Es
war damals ein schwerer Kampf, eine schwere Aus-
einandersetzung. Der Grund dafür ist hier aber nicht ge-
nannt worden. Das war nämlich die Sorge in der deut-
schen Gesellschaft und bei der Sozialdemokratie, dass
diese militärische Dimension der Westbindung die deut-
sche Einheit verhindern würde bzw. dass man dadurch
diese Perspektive verlieren würde.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Eine krasse Fehleinschätzung!)


Aber genau das war damals die große Sorge sehr vieler
Deutscher. Das war der Hintergrund. Wie sich zeigte,
war das eine Fehleinschätzung. Das weiß man aber oft
erst im Nachhinein.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Meistens haben Sie falsch gelegen! Jetzt wieder!)


Daneben gab es eine andere zentrale Entscheidung
der deutschen Außenpolitik, nämlich die Willy Brandts
– und damit sind wir bei Ihrer zentralen Fehlentschei-
dung –: Als es um die Ostpolitik ging, dem anderen we-
sentlichen Pfeiler der deutschen Politik, gab es genauso
scharfe und kämpferische Auseinandersetzungen. Dort
lagen Sie total falsch, wie man heute weiß und wie es
große Teile Ihrer Partei heute auch akzeptieren. Klar ist:
Beides waren strittige Entscheidungen und beides waren
und sind zentrale Grundlagen der deutschen Politik. Dies
sollten wir nicht vergessen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Friedbert Pflüger hat deutlich gemacht: Die NATO ar ein zentraler Schutzschild der alten Bundesrepublik den Zeiten des Kalten Krieges. Als jemand, der im sten Deutschlands aufgewachsen ist, gestehe ich, dass ieses Bild bei uns nicht ganz so positiv war; denn wir aren uns immer sehr wohl bewusst, dass, wenn es zu iner militärischen Konfrontation zwischen den beiden löcken gekommen wäre, diese sich konkret auf deutchem Boden abgespielt hätte. Wir waren uns dieser unittelbaren Bedrohung bewusst. Der Teil der deutschen evölkerung in der DDR, dem ich angehörte, liebte die owjetunion nicht, aber wir waren durchaus auch sehr keptisch gegenüber der NATO-Politik, weil wir wussn, dass das bei uns ausgetragen würde und dass von ns, egal wie es ausgeht, nichts übrig bleiben würde. Das ar damals unsere Wahrnehmung. Es hat jetzt aber keinen Sinn, über die Historie zu re en. Klar ist – ich denke, das ist eine ganz zentrale Diension –, dass die NATO nach dem Ende des Kalten rieges eine ganz zentrale Rolle dafür spielte, dass Siherheit eben nicht nur national, sondern durch Integraion organisiert wird. Ich glaube, dass dies die wichtigere imension der NATO in ihrer Geschichte geworden ist. adurch bin ich zu einem wirklich überzeugten Atlantier geworden. Nach 1990 ging es um Integration und Koopera ion. Übrigens ging die NATO hier sehr viel schleppener vor und war langsamer bei der Umsetzung des Konepts, als es etwa die Europäische Union war, die sehr rüh begriffen hatte, dass es um eine Erweiterung ging. ie Partnerschaft für den Frieden von 1993 wurde ja anangs als eine Alternative zur Erweiterung konzipiert. rst nach und nach hat man begriffen, dass es der erste chritt zu einer größeren Allianz sein könnte. Insofern licken wir hier auf eine schwierige Diskussion und aufrund der Erweiterungsund Partnerschaftspolitik in den etzten 15 Jahren auch auf eine ganz zentrale Sichereitspolitik zurück, die uns alle in Europa gerade auch ngesichts der neuen Bedrohungen sicherer gemacht hat. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Heute ist die NATO weithin anerkannt und nicht um-
tritten. Gleichzeitig muss man aber klar sagen, dass die
rage nach ihrer Bedeutung durchaus umstritten ist.
uch innerhalb der NATO wird ihre Zukunft durchaus
ffen diskutiert. Ich glaube, wir sollten das Gespräch
ber die neuen Herausforderungen für diese Institution,
arüber, wofür wir sie brauchen, stärker als bisher mit-
inander führen. Ich bin der festen Überzeugung, dass
ir die NATO als Instrument weiter brauchen: zum ei-
en als eine zentrale Dimension, als Konsultationsgre-
ium und als politisches Forum im transatlantischen
erhältnis und zum anderen natürlich als eine wirklich
andlungsfähige militärische Organisation.
an muss auch sagen: Neben den USA als Nationalstaat
t die NATO die einzige Institution dieser Welt, die auch
ilitärisch global agieren kann. Wir alle wissen, dass es
hne sie nicht geht, dass wir diese Dimension der Au-
enpolitik brauchen, wie gerade der Kampf gegen den

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16075


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Markus Meckel

internationalen Terrorismus und Bemühungen der Frie-
densmissionen und Konfliktbeilegung zeigen.

Wir stehen in der NATO vor vielen offenen Fragen.
Ich begrüße sehr die Initiative des Kanzlers. Lieber Kol-
lege Pflüger, ich muss Ihnen deutlich widersprechen.
Das, was heute in Vilnius passiert, ist die Folge dessen,
was der Kanzler ausgesprochen hat und was im NATO-
Rat deutlich begrüßt worden ist. Ich finde es völlig ver-
ständlich, dass der Generalsekretär sagt: Wir wollen in
dieser Frage keine Expertengruppe bilden, sondern wir
wollen das erst einmal selbst in die Hand nehmen. – Wir
werden sehen, was dabei herauskommt und ob es aus-
reicht! Wenn es ausreicht, dann werden wir alle froh da-
rüber sein, dass wir kein anderes Gremium brauchen. Es
geht hier nicht um Gremien, sondern um klare Ergeb-
nisse und eine handlungsfähige NATO. Das ist unser
Ziel!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube aber, dass wir uns mit unseren Polemiken
nur an der Oberfläche befinden. Letztlich stehen wir in
der NATO vor einer sehr grundlegenden Entscheidung
für die Zukunft. Ich bin der festen Überzeugung, dass
wir uns als Europäer Sicherheit ohne die USA nicht vor-
stellen sollten und auch nicht können, weil unsere Kapa-
zitäten nicht ausreichen. Von daher ist es ganz zentral, zu
sagen: Wir wollen die NATO als eine verbindliche Orga-
nisation, in der wir gemeinsam die Situation analysieren,
in der wir in einem offenen Diskurs versuchen wollen,
uns über unsere Handlungsperspektiven klar zu werden,
und in der wir gemeinsam handeln. Diese drei Punkte
beschreiben die NATO, die wir wollen. Wir versuchen,
die NATO so zu verändern, damit sie wieder so wird.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das stimmt, aber leider macht das der Kanzler nicht so!)


Ich bin leider nicht sicher, dass alle NATO-Mitglieder
– ich nenne hier auch ganz konkret die USA – ein
ebenso starkes Interesse an einer solchen NATO, wie ich
sie eben beschrieben habe, haben. Das ist kein Vorwurf;
vielmehr ist die globale Situation so. Die Weltmacht
USA hat nach dem Kalten Krieg global ganz andere
Schwerpunkte gesetzt, bei denen der euro-atlantische
Raum und die NATO nur eine Teildimension darstellen.
Die USA sagen – das wird manchmal offen ausgespro-
chen –: Für unser globales Handeln suchen wir Verbün-
dete, ohne uns in einen Prozess der Entscheidungsfin-
dung und in gemeinsames Handeln einbinden zu lassen,
wobei eine gemeinsame Analyse und Diskussion viel-
leicht noch denkbar wären.

Diese Frage ist für die Zukunft der NATO zentral.
Hier sollten wir sehr deutlich machen: Wir wollen eine
NATO mit Verbindlichkeiten auf allen drei Ebenen. Wir
sehen die NATO nicht als einen Werkzeugkasten, aus
dem man bestimmte Elemente herausnimmt, wenn man
für einen Einsatz eine „coalition of the willing“, einen
Pool von Partnern, sucht, die man sich, entsprechend
dem jeweiligen Bedarf, zusammenstellt. Diese NATO
wäre eine in unserem europäischen Sinne schlechte

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(C (D ATO. Wir sollten alles dafür tun, damit wir miteinaner diese Verbindlichkeit erreichen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Klar ist, dass die NATO für uns Europäer eine ganz
esondere Herausforderung darstellt. Dies ist nicht nur
ine Frage der Kapazitäten; es geht weit darüber hinaus.
s ist auch eine Frage der Fähigkeit, gemeinsam poli-
isch zu handeln, das heißt mit einer Stimme zu spre-
hen. Hier bin ich bei einem Problem, von dem ich
laube, dass es für die Zukunft der NATO von zentraler
edeutung ist. Ich meine die Gespaltenheit, die die Eu-
opäer in gewisser Weise zeigen, wenn es um die NATO
nd die Europäische Union geht. Manche hohe Reprä-
entanten unserer Länder in Brüssel berichten immer
ieder von der schwierigen Erfahrung, dass auf der
bene der Europäischen Union in den letzten fünf Jahren
ine ganze Menge getan wurde, um eine gemeinsame si-
herheitspolitische Identität zu entwickeln. Sobald man
ber die Pforte zur NATO betritt, spielt das bzw. darf das
eine Rolle mehr spielen. Es wird so getan, als hätte man
orher über diese Fragen nie miteinander geredet.
Diese Bewusstseinsspaltung stellt zuallererst für uns

elbst ein großes Problem dar. Wir müssen lernen, nicht
ur außerhalb der NATO mit einer Stimme zu sprechen,
ondern wir müssen in der Lage sein, auch im NATO-
at unsere gemeinsame Position, soweit vorhanden, zur
prache zu bringen. Es ist manchmal schon so, dass die
eisungen aus demselben Ministerium kommen und in
er jeweiligen Organisation nicht unbedingt in jeder
rage miteinander kompatibel sind. Das gilt für ver-
chiedene Länder. Das ist immer wieder eine Erfahrung
er Akteure vor Ort.
Ich glaube, dass das auch eine Erfahrung der Parla-
ente ist. Ich habe hier in diesem Raum vor vier Jahren
ine Debatte in der Parlamentarischen Versammlung der
ATO erlebt. Damals wurde eine Resolution verabschie-
et, in der wir als Parlamentarische Versammlung der
ATO die EU kritisiert haben. Ich habe heftig gegen
iese Resolution gekämpft. Sie kam mit den Stimmen
ieler europäischer Parlamentarier zustande – wie
önnte es anders sein; ohne Europa kommt keine Reso-
ution zustande –, die sich selbst kritisiert haben, und das
och in einem Punkt, der falsch war. Das heißt, wir ha-
en diese Bewusstseinsspaltung tief in uns. Wir müssen
n dieser Stelle gerade als Europäer stärker miteinander
nseren Standpunkt bestimmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


an nennt das den europäischen „caucus“ in der
ATO – ein Schreckgespenst, insbesondere für die
merikaner. Zuallererst ist das eine europäische Heraus-
orderung. Erst dann ist es eine Herausforderung für die
merikaner, zu akzeptieren, dass die Europäer mit ge-
einsamer Stimme sprechen. Ich bin sicher, wenn wir
ähig dazu sind, dann werden sie es auch akzeptieren;
enn wir es nur theoretisch behaupten, dann wohl nicht.
Ich komme zur Frage der Erweiterung. Die große Er-
eiterung haben wir geschafft. Es sind jetzt zehn neue

16076 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Markus Meckel

Staaten Mitglied. Ich sagte schon, dass das ein Riesener-
folg für Europa ist. Es gibt eine Reihe anderer Staaten,
die hinein wollen. Ich glaube, dass wir sehr genau über-
legen sollten, wie wir damit umgehen. Man muss – inso-
fern habe ich selbst ein gespaltenes Herz in meiner
Brust – klar sagen: Je verbindlicher die NATO in Bezug
auf unser europäisches Interesse ist, das ich eben be-
schrieben habe, umso schwerer ist es, neue Mitglieder
aufzunehmen, die noch nicht so weit sind, weil die Krite-
rien dann schärfer sein müssen. Wenn aber die NATO
– ich befürchte, dass der Trend dahin geht; deshalb ist
das eine so große Sorge – nur noch zu einem lockeren
Forum und im Endeffekt zu einem Werkzeugkasten für
militärische Instrumente und Partner wird, dann besteht
die Gefahr, dass sich das Interesse bestimmter Kräfte in
den USA durchsetzt, die sagen, es müssten möglichst
viele in die NATO. Das hat übrigens den guten Neben-
effekt, dass sich das positiv auf die Demokratisierung
und Stabilisierung der betreffenden Länder auswirkt.
Aber wir sollten uns über den Zusammenhang zwischen
der Verbindlichkeit der NATO und neuen Erweiterungen
Gedanken machen und versuchen, abzuwägen, welche
Schritte wir gehen sollten. Auf jeden Fall brauchen wir
klare und starke Partnerschaftsbeziehungen und einen
Ausbau dieser Partnerschaften.

Ich komme zu zwei Punkten, die ich am Schluss noch
ansprechen möchte. Das eine ist der, dass die Zusam-
menarbeit zwischen EU und NATO essenziell ist. Die
ist inzwischen nach manchen Anfangsschwierigkeiten
von allen anerkannt, aber die Praxis – ich sage es ganz
offen – ist eine Katastrophe, weil wir im Augenblick
nicht fähig sind, alles das, was wir uns in beiden Institu-
tionen vorgenommen haben, wirklich umzusetzen. Sie
haben – ich fand das gut – in Ihrem Antrag ausgespro-
chen, dass im Augenblick das wichtigste Hindernis dafür
die Blockade der Türken ist, die nicht bereit sind, zu ak-
zeptieren, dass alle EU-Mitgliedsländer am Tisch sitzen
sollten. Dieses Hindernis muss weg. Dies sollten alle
Partner in deutlichen Gesprächen mit der Türkei auf al-
len Ebenen klarstellen. Anders kommen wir nicht weiter.
Wir dürfen uns nicht blockieren lassen.

Der zweite zentrale Punkt ist, dass wir deutlich ma-
chen müssen, dass die europäische Integration und die
Entwicklung der ESVP nicht gegen die NATO gerichtet
sind, wenn man offen sagt, dass das transatlantische Ver-
hältnis breiter und vielfältiger als das ist, was nur die
NATO abdecken kann. Es gibt die Handelsbeziehungen,
die Finanzströme und eine gemeinsame politische Rolle
in dieser Welt. Deshalb bin ich fest davon überzeugt,
dass wir unabhängig davon, dass wir die NATO als si-
cherheitspolitisches Forum und als militärische Organi-
sation stärken müssen, neben der NATO den Ausbau der
transatlantischen Beziehungen zwischen der EU und den
USA brauchen. Wir sollten gemeinsam dafür arbeiten.
Dies ist kein Widerspruch, sondern das ist komplementär
und in unser aller Interesse.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


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(C (D Das Wort hat der Kollege Dr. Werner Hoyer von der DP-Fraktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich alte es für angemessen, dass wir uns heute hier mit dem edenktag anlässlich der 50-jährigen deutschen Mitliedschaft in der NATO befassen. Ich finde es schon beremdlich, dass die Bundesregierung diesen Jahrestag ffensichtlich ignoriert. (Gernot Erler [SPD]: Was? – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Unerhört!)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517203400
Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1517203500

Wir Deutschen verdanken dem nordatlantischen
ündnis die Sicherheit und die Freiheit unseres Landes
ährend des Kalten Krieges, aber auch das Ende des
alten Krieges und die Wiedervereinigung unseres Va-
erlandes. Die NATO ist und bleibt für uns aber auch
eute, anderthalb Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten
rieges, der wichtigste sicherheitspolitische Hand-
ungs- und Identifikationsrahmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ehr als das: Die NATO ist und bleibt eine Werte-
emeinschaft, die die Staaten Nordamerikas und Euro-
as verbindet und der immer mehr Staaten Ost- und Süd-
steuropas beitreten wollen. Wir sollten uns da nicht
rritieren lassen durch Verwerfungen, die es natürlich
ibt, durch Missverständnisse und Fehlentwicklungen,
ie der eine oder andere hier oder da sehen mag. Wenn
as so ist, müssen wir innerhalb dieser Wertegemein-
chaft darüber diskutieren; aber wir dürfen sie selber
icht aufs Spiel setzen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Anziehungskraft dieser nordatlantischen Allianz
st ungebrochen. Der Freiheitswille der Menschen in
steuropa, der sich zunächst in den ehemaligen War-
chauer-Pakt-Staaten vor 15 Jahren und jetzt erneut in
en Revolutionen in Georgien und in der Ukraine mani-
estiert hat, geht doch mit der Sehnsucht der Menschen
ieser Länder einher, zum westlichen Bündnis dazuzu-
ehören. Das erklärt sich natürlich aus ganz deutlich er-
ennbaren Sicherheitsüberlegungen dieser Länder; es
rklärt sich aber eben auch aus dem Wunsch, der westli-
hen Wertegemeinschaft anzugehören. Beides ist ein
ertrauensbeweis in Bezug auf die NATO, dem diese
iederum gerecht werden muss.
Beides ist aber auch eine Chance. Die Aufgaben der
ATO sind nicht erledigt. Sie haben sich verändert. Die
ATO hat eine zentral wichtige Stabilisierungsfunk-
ion auf dem europäischen Kontinent. Sie kann und
uss die ehemaligen Gegner nicht mehr eindämmen
der abschrecken, sondern sie ein- oder zumindest mög-
ichst eng anbinden, um so Stabilität und Sicherheit in
uropa zu gewährleisten. Der NATO-Russland-Rat war
in ganz wichtiges Beispiel dafür, wie aus Gegnern über

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16077


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Dr. Werner Hoyer

eine immer enger werdende Kooperation und Verknüp-
fung Partner werden können.

Die NATO hat auch längst ihren eurozentrischen Cha-
rakter verloren. So wie die Bedrohungen für unsere Si-
cherheit out of area gegangen sind, so ist auch die
NATO schon seit langem out of area zu einem wichtigen
und vor allem erfolgreichen sicherheitspolitischen In-
strument geworden. Die ISAF in Afghanistan ist ein
wichtiges Beispiel dafür. Aber der internationale Terro-
rismus, die Proliferation von Massenvernichtungswaffen
oder die destabilisierenden Wirkungen von Failing States
lassen sich eben nicht im Vertragsgebiet bekämpfen.

Die NATO hat gezeigt, dass sie sich diesen Heraus-
forderungen schnell und wirkungsvoll anpassen kann;
das ist gesagt worden. Sie ist auch mehr und mehr in der
Lage, mit anderen internationalen Organisationen zu-
sammenzuwirken. Als ich 1995 oder 1996 bei einem in-
formellen Treffen des Allgemeinen Rates der Europäi-
schen Union erstmals die Anregung gegeben habe, ob
der damals gerade zur NATO gewechselte frühere Rats-
präsident der Europäischen Union, Javier Solana, uns im
Allgemeinen Rat der Europäischen Union nicht einmal
über seine neuen Erfahrungen bei der NATO berichten
könne, da war das ein absoluter Skandal; sowohl in Paris
als auch in Washington haben die Alarmglocken gebim-
melt, weil man sich überhaupt nicht vorstellen konnte,
dass man diese beiden Organisationen und ihre wichtigs-
ten Gremien einmal zusammenführen könnte. Heute ist
das selbstverständlich geworden. Das zeigt, welchen
großen Fortschritt wir auf beiden Seiten gemacht haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Klar ist auch, dass die Anforderungen an die NATO in

den nächsten Jahren nicht geringer werden. Da werden
wir sicherlich auch noch in Konflikte geraten. Markus
Meckel hat es eben deutlich gemacht: Die Verbindlich-
keit ist ganz wichtig. Auf der anderen Seite müssen wir
natürlich gerade angesichts der Debatten, die wir führen,
wie morgen die Debatte über den Einsatz im Sudan,
deutlich machen, dass wir unseren Parlamentsvor-
behalt ernst nehmen.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)

Da ist natürlich ein Konflikt vorprogrammiert; das muss
man sehen.

Wir dürfen nicht in die Situation geraten – ich sage
das einmal ganz persönlich, weil ich persönlich da Sor-
gen habe –, dass Bundeswehreinsätze durch unsere Be-
handlung dieses Themas zunehmend zur Routine wer-
den. Das darf es nicht geben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)


Jeder einzelne Einsatz bedarf einer ganz präzisen Durch-
leuchtung. Ein humanitäres Argument mag noch so stark
sein, wir haben trotzdem eine ganz genaue Abwägung
hier vorzunehmen. Dann ist es auch legitim, zu fragen,
welche Interessen wir in einer konkreten Situation ha-
ben, wie die Interessen der anderen aussehen und wie
man diese Interessen zusammenführen kann. Wir dürfen
uns hier nicht auf eine schiefe Ebene begeben. Ich be-

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(C (D aupte nicht, dass das jemand tut; aber ich mahne das mmer wieder an. Wir müssen, nachdem wir inzwischen – das hätte man ich vor 15 Jahren nicht vorstellen können – erstaunlich iele Erfahrungen mit Einsätzen unserer Bundeswehr ußerhalb des Bündnisgebietes gemacht haben, auch die rage stellen: Wann ist was erfolgreich zu Ende gebracht orden? Wir müssen auch darauf drängen, einmal den rfolg einer Mission erkennen und sie beenden zu könen, anstatt ewig im Schwebezustand zu bleiben und imer neue Aufgaben draufzupacken. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as muss angefordert werden können. Das ist kein Defä-
ismus, sondern eine konsequente Anwendung der Ideen
on von Clausewitz. Es ist doch die Frage zu stellen: Wo
st das politische Ziel, das wir mit einer Mission errei-
hen wollen? Welches militärische Ziel müssen wir er-
eichen, um dem politischen Ziel näher zu kommen?
ann holen wir unsere Leute wieder heraus?


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ch denke, das wird bisweilen übersehen.
Meine Damen und Herren, man sollte nichts schönre-

en. Wir haben große Probleme. Das haben wir in den
etzten Wochen und Monaten gemerkt. Bei dem Sicher-
eitstreffen in München wurde das ganz evident. Wir
üssen wieder von der Fehlentwicklung wegkommen,
ie dazu führte, dass wir in Konzepten von Gegenge-
ichten zwischen EU und NATO, also zwischen den
eiden Seiten des Atlantiks, gedacht haben. Das ist eine
ehlentwicklung gewesen. Europa fehlt es nicht an Ge-
engewicht zu den USA. Europa fehlt es an Gewicht.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


aran müssen wir arbeiten, konzeptionell, aber dann
uch materiell. Deswegen ist die Frage der materiellen
usstattung unserer Bundeswehr nicht ausdiskutiert.
ir werden nicht darum herumkommen nachzulegen.
Wir müssen nicht alles können, was die Amerikaner

önnen, aber wir müssen mit ihnen kooperieren können
nd wir müssen fähig sein, mit ihnen in einer Verteidi-
ungsinstitution zusammenzuwirken, die tiefer integriert
st, als das vorher in irgendeiner Organisation der Fall
ar. Neben der politischen Bedeutung der NATO ist das
a der große Vorzug: Es gab auf der Welt noch nie ein
ilitärbündnis, das militärisch so tief integriert ist wie
ie nordatlantische Allianz. Markus Meckel, die Kolle-
innen und Kollegen aus der früheren DDR konnten sich
nfang der 90er-Jahre ja gar nicht vorstellen, welche
orm, welchen Charakter die Zusammenarbeit innerhalb
er NATO angenommen hatte. Das hat es im Warschauer
akt nicht einmal im Ansatz gegeben. Das gilt es zu be-
ahren.
Es ist natürlich richtig, dass die Bundesregierung,

ass Deutschland Wert drauf legt, dass die NATO politi-
cher wird. Es gab neulich – einige Kollegen waren

16078 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. Werner Hoyer

dabei – eine bedenkliche Zusammenkunft in Brüssel.
Eine Gruppe von Kollegen aus dem Bundestag und ame-
rikanische Kollegen haben NATO-Gespräche geführt.
Ich habe mir erlaubt, die Frage zu stellen, in welcher
Weise man sich im NATO-Rat mit der Frage des
Waffenembargos gegen China befasst hat. Da wurde
man direkt ganz nervös und sagte: Gar nicht. Das sei ers-
tens sehr politisch, und zweitens mache das die Europäi-
sche Union im Rat; man mache keine Doppelarbeit.
Aber, meine Damen und Herren, das sind doch entschei-
dende Fragen der Zusammenarbeit im Bündnis, bei de-
nen die Wertegemeinschaft, in der diese sicherheitspoli-
tischen Interessen zusammenfließen, politischer werden
muss.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich habe mir allerdings dann noch die Frage gestellt,
welche Weisung denn die Bundesregierung dem NATO-
Botschafter in der Frage des Waffenembargos gegeben
hätte. Ich frage mich – nachdem der Bundesaußenminis-
ter gesagt hat, das werde auf die lange Bank geschoben
und das werde sich schon im Rahmen der Europäischen
Union im Rat regeln – übrigens noch immer: Welche
Weisung hat eigentlich der deutsche Botschafter bei der
Europäischen Union, wie er sich in der Frage verhält?
Soll er nun dafür sorgen, dass das in absehbarer Zeit
vom Tisch kommt? Oder hat er die Weisung, den Willen
des Bundeskanzlers durchzusetzen, möglichst bald zu ei-
nem Ergebnis zu kommen? Was ist denn die Position der
Bundesregierung, die sie den dort für uns verantwortlich
Handelnden, nämlich in erster Linie dem Botschafter,
mit auf den Weg gibt?

Wir werden die NATO auch in Zukunft dringend
brauchen. Sie muss politischer werden. Es ist in Mün-
chen einiges falsch kommuniziert worden. Aber die
Grundfrage ist schon richtig: Ist die NATO noch der zen-
trale Ort der sicherheitspolitischen Debatte? Wenn man
diese Frage aufwirft und vorab schon durch Zeitungen
kommuniziert, darf man aber nicht die Unsicherheit be-
züglich der eigenen Position, ob man denn selber will,
dass sie der zentrale Ort der sicherheitspolitischen De-
batte ist, aufkommen lassen. Ich bin der Meinung, die
NATO sollte stärker dieser Ort der strategischen Debatte
werden.

Wir brauchen die NATO auch in den nächsten Jahren.
Wir sollten sie nicht kaputtmachen und nicht kaputtre-
den, sondern weiter gestalten und an die neuen Heraus-
forderungen anpassen. Wir brauchen die Fähigkeit
Deutschlands, in dieser einzigartig tief integrierten Orga-
nisation mitzuwirken. Das ist einer der wesentlichen Im-
perative deutscher Außenpolitik nach 1945. Bündnisfä-
higkeit ist und bleibt für Deutschland Staatsraison.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])


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(C (D Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Nachtwei on Bündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In iesen Tagen werden viele Erinnerungen an die Zeit vor enau 60 Jahren immer wacher: an das Gemetzel der etzten Kriegswochen auf den Seelower Höhen und im uhrkessel. Vor fast genau 60 Jahren verbluteten und erreckten in den Straßen um den Reichstag und auch in iesem Gebäude selbst sehr viele junge Soldaten aus der kraine, aus Russland, Weißrussland und aus Deutschand. Niemand hätte damals zu hoffen gewagt, dass chon zehn Jahre später, am 6. Mai 1955, das westliche eutschland der NATO beitreten würde. Damals gab es vor dem Hintergrund dieser fürchterli hen Kriegserfahrungen legitime Einwände gegen den eitritt; denn er war mit der Wiederbewaffnung und eier Verfestigung der deutschen Spaltung verbunden. ückblickend gesehen war diese Entscheidung zum ATO-Beitritt und damit zur Westintegration aber eine eitsichtige und weise Entscheidung. Wir können feststellen: Ganz im Unterschied zu 918, als der Versailler Vertrag geschlossen wurde, setzen nach dem Zweiten Weltkrieg die Siegermächte geenüber einem ganz anderen Verlierer auf eine ganz anere Politik, nämlich auf die Politik der Integration, der nterstützung und auch der konstruktiven Einbindung. as werden wir nie vergessen. Dafür gibt es keinen chlussstrich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517203600
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517203700

Es entstand ein historisch neuartiges Militärbündnis.
asierend auf gemeinsamen Interessen, aber auch auf
emeinsamen demokratischen Werten war der Auftrag
n die Armeen tatsächlich neu: Kämpfen können, um
icht kämpfen zu müssen. Diese Art der Kriegsverhü-
ung war bis dahin im militärischen Bereich kaum be-
annt.
Diese insgesamt positive Entwicklung ist aber kein
rund, die alte NATO rundum heilig zu sprechen. Sie
ar trotz alledem über die Jahrzehnte ein aktiver Teil ei-
es gigantischen Wettrüstens. Die Nuklearstrategie
olgte der Logik, dass gegebenenfalls das vernichtet
orden wäre – vor allem mit taktischen Atomwaffen –,
as verteidigt, also doch eigentlich erhalten werden
ollte. Dagegen richtete sich der völlig legitime und wei-
erhin richtige Protest des blockunabhängigen Teils der
riedensbewegung in den 80er-Jahren, dem sich die
rünen verpflichtet fühlten und zu dem gerade auch die
riedensbewegung der DDR unter der Losung „Schwer-
er zu Pflugscharen“ gehörte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn im Unionsantrag behauptet wird, der NATO-
oppelbeschluss habe das Ende des Warschauer Paktes
nd der Sowjetunion eingeleitet, dann muss ich sagen,

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16079


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Winfried Nachtwei

dass das typisch Siegergeschichte ist. Diese Haltung
ignoriert die historischen Verdienste gerade der Frie-
dens- und der Bürgerbewegung in der DDR.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Da eiert wieder einer rum!)


Mit Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer
Paktes verlor die NATO ihren Gegner und damit ihren
großen Auftrag und ihre Klammer. In der Umbruch-
phase war sie angesichts der damals auftretenden zentri-
fugalen Kräfte aber keineswegs sinnlos. Im Kernbereich
der Nationalstaaten, der militärischen Sicherheitspolitik
wirkte sie tatsächlich enorm integrierend und stabilisie-
rend. Sie wirkte faktisch einer drohenden Renationalisie-
rung der Sicherheitspolitik entgegen. Dialog und Koope-
rationsprozesse ab 1994, Programme wie Partnership for
Peace, Öffnung und Erweiterung waren nach meiner
Meinung die stille Hauptleistung der NATO.

Inzwischen bewährte sich die NATO bei Krisen- und
Stabilisierungseinsätzen auf dem Balkan und in Afgha-
nistan. Zusammengefasst bin ich tatsächlich froh, dass
sich viele unserer Warnungen nicht erfüllt haben. Aller-
dings besteht auch hier kein Grund zur Selbstzufrieden-
heit. Noch im März letzten Jahres zeigte sich im Kosovo,
dass auch die starke NATO-KFOR größte Mühen hatte,
ihren Auftrag zu erfüllen, und dass ihr viel zu lange ko-
sovo-albanische Gewalttäter auf der Nase herumtanzten.
Die gute Leistung der NATO im Rahmen von ISAF in
Afghanistan wird von der mangelhaften Bereitschaft vie-
ler Mitgliedstaaten überschattet, ihren großen Worten
zur PRT-Ausweitung entsprechende Taten folgen zu las-
sen. – So weit dieser Rückblick.

Nun zur NATO-Krise. Während und nach dem Irak-
krieg wurde offenkundig: Die Mitgliedstaaten der NATO
waren in der Kernfrage von Krieg und Frieden tief ge-
spalten und die NATO war damit tatsächlich in einer
massiven Krise. Im Unionsantrag vom April dieses Jah-
res wird dafür maßgeblich die Bundesregierung verant-
wortlich gemacht. Wie absurd dieser Vorwurf ist, zeigt
der Blick in den Unionsantrag vom 12. November 2002,
der im Vorfeld des Irakkrieges an die Bundesregierung
adressiert wurde und der heute auch abschließend zur
Abstimmung steht. Dort steht nämlich:

Der Vorwurf einer kriegerischen Abenteuerpolitik
… entbehrt … jeder Grundlage.

Aha, kann ich dazu nur sagen.

(Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Aha!)


War der Irakkrieg etwa – so muss ich daraus schließen –
ein Musterbeispiel für Friedenspolitik und Abrüstungs-
politik?


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517203800

Herr Kollege Nachtwei, erlauben Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Nolting?


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517203900

Nein, vom Kollegen Nolting nicht.

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(C (D (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das ist ja der Gipfel der Souveränität heute!)


Sie von der Union wissen selbst, dass der Irakkrieg
as Musterbeispiel eines illegitimen Krieges war. Da Sie
ies wissen, sollten Sie dies auch einmal sagen, damit
an dann in der Tat zu den jetzigen und künftigen He-
ausforderungen übergehen kann.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Die tatsächlichen Gründe der NATO-Krise liegen tie-
er. Ein erster Grund: Die NATO ist seit Jahren zugleich
nter- und überfordert. Sie ist unterfordert, weil es jetzt
icht mehr die große existenzielle und sichtbare Bedro-
ung gibt. Sie ist zugleich überfordert, weil der Großteil
er Risiken und Bedrohungen aus dem nichtmilitäri-
chen Bereich kommt.
Ein zweiter Grund: Seit dem Kosovokrieg stand im

ordergrund der NATO-Diskussionen und -Überlegun-
en die Diskussion über Fähigkeiten. Deutlich vernach-
ässigt wurde der strategische Dialog, die strategische
lärung – und das besonders auffällig nach dem 11. Sep-
ember, als zwar der Bündnisfall ausgerufen wurde, aber
ie NATO bei der Umsetzung von ISAF dann de facto
usgesperrt war, obwohl sie dazu sicherlich besonders
eeignet gewesen wäre.
Ein dritter Aspekt: Der amerikanische Verteidigungs-
inister vertrat ganz deutlich und knallhart die Devise:
ie Mission bestimmt die Koalition. Beim Irakkrieg
am es schließlich – man muss dies so nüchtern sagen –
u einem Bruch der transatlantischen Wertegemein-
chaft, nämlich zu einem Bruch im Hinblick auf die
chriftlich niedergelegte Achtung vor der UN-Charta. Es
am gerade bei der Bekämpfung des internationalen Ter-
orismus zu einem Bruch der Interessengemeinschaft
nd der Partnerschaft, weil in diesem Zusammenhang
chlichtweg mit Lüge und unerträglichem Druck gear-
eitet wurde.
Was sind die Perspektiven für die NATO in der
rise? Im Mittelpunkt der Diskussion der letzten Jahre
tand immer wieder der Aufbau der NATO-Response-
orce. Diese neue Fähigkeit ist unzweifelhaft wichtig.
ber Vorsicht vor einer Überbewertung! Denn eine
ATO-Response-Force kann einerseits schlichtes Pla-
ebo sein, indem dadurch die Illusion von eigener Kraft
nd Stärke gefördert wird. Andererseits aber könnten
onkrete Einsätze der NATO-Response-Force Knack-
unkt einer nächsten NATO-Krise werden. Deshalb sind
hier schließe ich an das an, was die meisten Vorredner
chon sagten; man kann es nicht deutlich genug beto-
en – der strategische Dialog und die strategische Ver-
tändigung im Bündnis wie auch transatlantisch drin-
end geboten und vordringlich.
Wenn der NATO-Generalsekretär in diesen Tagen

eststellt: „Wir müssen einfach anfangen, miteinander zu
eden“, dann ist das ein kollektives Armutszeugnis, dann
st das zu wenig. Im Hinblick auf die Normen des Bünd-
isses müssen Dialog und neuer Konsens notwendiger-
eise hergestellt werden. Unzweifelhaft muss sein, dass

16080 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Winfried Nachtwei

das Bündnis nur im Rahmen des Völkerrechts, der UN-
Charta, agiert. Die hochrangige Gruppe zur UN-Reform
hat in ihrem Bericht sehr gute Präzisierungsvorschläge
gemacht, die zum Verständnis der UN-Charta beitragen
sollen. Sie hat auch Vorschläge zu Kriterien für den Ein-
satz militärischer Gewalt gemacht.

Dieser Bericht ist auch auf einer zweiten Ebene sehr
hilfreich, nämlich auf der Ebene – sie wurde auch immer
wieder angesprochen – einer deutlichen, klaren Bedro-
hungsanalyse. Diese Bedrohungsanalyse des Bündnisses
darf nicht bei den Bedrohungen für die reichen Länder
des Nordens stehen bleiben; vielmehr muss sie die Be-
drohungen für internationale Sicherheit und Weltfrieden
insgesamt in den Blick nehmen.

Eine weitere Ebene sind der Auftrag und die Aufga-
ben der NATO. Es ist unverkennbar, dass der NATO-
Zuständigkeitsbereich inzwischen weit über den euro-
atlantischen Raum hinausreicht. Kann das jetzt im Um-
kehrschluss heißen: Wenn die NATO über diesen Raum
hinaus zuständig ist, dann ist sie auch weltweit zustän-
dig? Ich glaube, da ist Vorsicht geboten; denn eine
schlichtweg weltweite Rollenzuschreibung würde mei-
ner Meinung nach sehr schnell zu Überforderungen, zu
Überdehnungen führen.

Zu den Fähigkeiten der NATO. Die NATO-
Response-Force ist schon angesprochen worden. Es
reicht nicht, nur ihre Fähigkeiten und ihre Aufgaben zu
beschreiben. Hier ist vielmehr etwas notwendig, was im
Unionsantrag richtigerweise benannt ist, nämlich die ge-
nauere Beschreibung von Einsatzszenarien. Klar sein
muss aber auch: Die Masse der künftigen NATO-Ein-
sätze wird höchstwahrscheinlich im Bereich der Stabili-
sierung und Friedensunterstützung stattfinden. Hier
müssen wir feststellen, dass die Vorstellungen und die
Einsatzkonzepte vieler Mitgliedstaaten zurzeit noch sehr
weit auseinander gehen. Ich nenne als Beispiel die Pro-
vincial Reconstruction Teams in Afghanistan. Hier ist
angesichts der Hauptaufgabe der Stabilisierung zweierlei
notwendig: erstens die Förderung der inneren Kohärenz
in der NATO bei diesen Aufgaben und zweitens die zu-
nehmende Öffnung und das Einüben des Zusammenwir-
kens mit politischen, polizeilichen und wirtschaftlichen
Instrumenten von staatlichen und nichtstaatlichen Ak-
teuren.

Schließlich nenne ich noch die Ebene des Zusam-
menwirkens der NATO mit anderen internationalen
Zusammenschlüssen. Im Zusammenwirken mit der
Europäischen Union ist der Weg insgesamt richtig. Er
bewährt sich unter anderem schon in Bosnien-Herzego-
wina. Sie werden aber verstehen, dass ich hier nicht dem
Außenminister vorgreifen kann, der dazu gestern Abend
an anderer Stelle gesprochen hat.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wo ist der eigentlich?)


– Er ist in Vilnius.

(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Nein, ist er eben nicht!)


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(C (D Zum Schluss noch ein anderer Aspekt, und zwar die usammenarbeit mit den Vereinten Nationen. Hier beteht ein ganz besonderer Bedarf und hier bestehen beondere Möglichkeiten für die NATO. Zurzeit führen die ereinten Nationen weltweit 18 Missionen mit über 0 000 Soldaten durch. Diese Missionen sind aber ausehmend schwach. Zu dieser Schwäche trägt auch bei, ass die reicheren Industrienationen mit ihren viel effekveren Militärs unterproportional und sogar abnehmend aran beteiligt sind. Im Jahre 1997 wurden noch 58 Proent der UN-geführten Missionen von NATO-Mitglieern gestellt, im letzten Jahr nur noch 12 Prozent. Ein gutes Zeichen ist, dass in Kürze der NATO-Gene alsekretär zum ersten Mal vor der Generalversammlung er Vereinten Nationen auftritt. In diesem Zusammenang wäre zu überlegen, ob nicht vonseiten der NATO in ichtung Vereinte Nationen eine Regelung im Sinne von Berlin Plus“ anzustreben ist, mit der die Unterstützung er NATO für die Vereinten Nationen gefestigt werden ann. Der von uns allen geforderte strategische Dialog ist dabei dürfen wir uns nichts vormachen – äußerst chwierig, weil die verschiedenen Mitgliedstaaten völlig nterschiedliche historische Erfahrungen und Vorstelungen von Militär und den Vereinten Nationen und auch in unterschiedliches Verhältnis zum Völkerrecht haben. amit der strategische Dialog Erfolg haben kann, ist es rstens von entscheidender Bedeutung, dass die Bindung n das Völkerrecht bzw. an die UN-Charta zweifelsfrei st, und zweitens, dass eine Orientierung vor allem an en konkreten Erfahrungen der Friedenssicherung und riedensunterstützung erfolgt. Ich habe als grüner Politier und Abgeordneter in dieser Hinsicht selber sehr gute rfahrungen mit amerikanischen Politikern und Offizieen in Sachen Afghanistan gemacht. Ich meine, dies alles bedeutet eine enorme Herausfor erung für die internationale Sicherheit und den Weltrieden, die nur gemeinsam zu bewältigen ist oder gar icht. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517204000

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
olting das Wort.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1517204100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-

ege Nachtwei, ich habe den Zuruf gemacht: Wo ist der
ußenminister? Er ist in Berlin und hat angeblich in-
erne Termine, welche auch immer.


(Zuruf von der CDU/CSU: Er muss Akten lesen!)


ir sprechen heute aber über 50 Jahre deutscher NATO-
itgliedschaft. Ich denke, dass dieses Thema auch dem
errn Außenminister wichtig sein sollte. Denn die
ATO hat immerhin dazu beigetragen, dass wir 50 Jahre

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16081


(A) )



(B) )


Günther Friedrich Nolting

des Friedens und – westlich der Elbe – auch der Freiheit
erleben durften. Ich denke, das ist Anlass genug, dass
der Außenminister an dieser Debatte teilnimmt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die NATO hat ehemalige Staaten des Warschauer

Paktes und der Sowjetunion aufgenommen. Es ist eine
Friedensregion der Zukunft entstanden, wie wir sie
ebenfalls noch nie erlebt haben. Ich denke, auch das ist
Anlass genug für die Anwesenheit des Außenministers.

Herr Kollege Nachtwei, Sie haben lang und breit vor-
getragen,


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: 16,5 Minuten!)

wie Sie sich einige Punkte, auch die Zukunft betreffend,
vorstellen. Ich würde mir wünschen, dass Sie dies auch
auf einem grünen Parteitag vortragen, damit Ihre Partei
auch in diesen Fragen zu einer Änderung ihrer Position
kommt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517204200

Zur Erwiderung Kollege Nachtwei.


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517204300

Kollege Nolting, erstens bin ich, wie Sie wissen, kein

Sprecher der Regierung. Ich bin ein loyales Mitglied der
Koalition. Da ich kein Regierungssprecher bin, kann ich
auch nicht zur derzeitigen Abwesenheit des Ministers
Stellung nehmen.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Sie haben vorhin aber gesagt, er sei in Vilnius! Schön, wenn er da wäre! Dann müssten wir das akzeptieren! Aber wenn er nicht in Vilnius ist?)


Zweitens. Was Ihre Unterstellung angeht, ich würde
hier – in diesem offensichtlich sehr privaten Raum –
positiv über NATO-Leistungen reden, aber im Zusam-
menhang mit den Grünen nicht, täuschen Sie sich. Ge-
nau das, was ich hier ausführe, stelle ich selbstverständ-
lich auch gegenüber den Grünen fest. Ich glaube, es
macht unsere Stärke aus, dass wir auch mit unserer eige-
nen Geschichte so umgehen, dass wir sie nicht um-
schminken, dass wir zu dem, was wir für richtig halten,
auch weiterhin stehen und dass wir auch das benennen,
mit dem wir – ich habe das selbst gesagt – glücklicher-
weise mit unseren Warnungen nicht Recht behalten ha-
ben. Gibt es etwas Besseres?

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517204400

Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Schmidt von

der CDU/CSU-Fraktion.

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(C (D Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her en! Wenn der Tower von Vilnius meldet, „Fischer ist bgehoben“, dann wäre es ganz gut, wenn er sich nicht or den Fernsehschirm setzte, um seinen früheren taatsminister, Herrn Volmer, bei dessen Verrenkungen or dem Untersuchungsausschuss zu sehen. Vielmehr ollte er hier seiner Pflicht als deutscher Außenminister achkommen und anlässlich der heutigen Debatte über 0 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft die Position der undesregierung darlegen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1517204500

Was die Rede des Kollegen Nachtwei, die, wie ich an
en Gesichtern der Abgeordneten der Koalition gesehen
abe, bestenfalls für eine neue Nachdenklichkeit – hof-
entlich für keine neue Schläfrigkeit – gesorgt hat, be-
rifft, muss ich sagen: In der Tat kann man mit Winfried
achtwei über manches trefflich streiten. Seine Rede


(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Das war eine gute Rede!)


nthielt manche Punkte, über die man diskutieren kann.
ber sie entsprach nicht dem, was grüne Politik aus-
acht.
Wer macht denn eigentlich Außenpolitik bei den Grü-

en in Abwesenheit von Joschka? Das scheint die nord-
hein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn über-
ommen zu haben.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: So weit unter Form!)

enn sie äußert sich nun – das ist überliefert – zu Rüs-
ungsfragen und zu der Notwendigkeit der Entwicklung
es Luftabwehrsystems MEADS. Sie versucht, die Ent-
icklung dieses Systems zu verhindern, obwohl nach-
eislich keine Feldhamster davon betroffen sind. Dieses
ngagement soll wohl die Niederlage der Grünen vertu-
chen, die sie bei dem Versuch erlitten haben, mit der
erhinderung eines notwendigen militärischen Systems
ine Niederlage bei der kommenden Landtagswahl in
ordrhein-Westfalen zu verhindern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind ein geistiger Tiefflieger!)


enn der von Frau Höhn ausgehende geistige Tiefflug
eitergeht, dann werden wir nie zu einer Debatte mit
en verantwortlichen Persönlichkeiten der Bundesregie-
ung über die Außen- und Sicherheitspolitik sowie
0 Jahre deutsche NATO-Mitgliedschaft kommen.
Schwerer als die Feldhamsterei von Frau Höhn wiegt

llerdings die lange Liste sicherheitspolitischer Ver-
äumnisse. Eine Linie der Verständnislosigkeit für die
ATO und die Bundeswehr zieht sich von der SPD der
0er-Jahre über die NATO-Austrittsfantasien eines
skar Lafontaine bis hin zu den „Seitensprüngen und
asardeurspielen“ der Bundesregierung Gerhard
chröder – wie am vergangenen Samstag die „Neue Zür-
her Zeitung“ dessen Außen- und Sicherheitspolitik be-
chrieben hat –, die sie gleichwohl vor dem Hintergrund

16082 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Christian Schmidt (Fürth)


innen- und wirtschaftspolitischen Versagens – so die
„Neue Zürcher Zeitung“ – als „strategische Neuausrüs-
tung“ und „deutschen Weg“ zu vermarkten versucht.

Tatsächlich hat die Bundesregierung bis heute die
NATO in keinen politischen Bezugsrahmen gestellt. Es
bleibt im Dunkeln, welche Rolle Gerhard Schröder und
Joschka Fischer der NATO als politisches und militäri-
sches Bündnis in der Wahrnehmung der Interessen der
Sicherheit unseres Landes eigentlich geben wollen. Seit
dem furiosen Einstieg des frühen Fischer 1998, als er zur
Verblüffung seiner damaligen Kollegen im NATO-Rat
gegen die Doktrin der flexiblen Antwort im Bedrohungs-
falle kämpfte und in einer Zweitauflage des Nachrüs-
tungsstreits der 80er-Jahre die Nuklearoption, die zu die-
sem Zeitpunkt schon deutlich an Bedeutung verloren
hatte, angriff, ist das Interesse an der NATO abhanden
gekommen.


(Gernot Erler [SPD]: Bei uns nicht!)

Irgendwie hat man den Eindruck, dass im politischen
Kanon der Bundesregierung die NATO noch heute als
ideologische Kopfgeburt des Kalten Krieges angesehen
wird und dass die Chancen, die dieses Bündnis auch und
gerade unter den veränderten Bedingungen der Welt
nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes bietet, völlig
ignoriert werden.

Hinzu kommen müsste die Erkenntnis, dass Verläss-
lichkeit nicht Untertanentum bedeutet, sondern das Ge-
genteil von Sprunghaftigkeit ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen kann man nicht so einfach nebenbei ein eige-
nes europäisches militärisches Hauptquartier von vier
besonders befreundeten Ländern planen, wie dies
Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg vor
zwei Jahren auf dem zu trauriger Berühmtheit gelangten
„Pralinengipfel“ von Tervuren taten. Dieser Gipfel ist in-
zwischen in das Lehrbuch der Fehlschläge deutscher Di-
plomatie aufgenommen worden. Dieses Buch muss stän-
dig fortgeschrieben und neu aufgelegt werden, weil es
dauernd neue Kapitel gibt.

Bestehende europäische Strukturen wie das Eurokorps
spielten übrigens in der damaligen Diskussion überhaupt
keine Rolle. Man kann auch nicht im gleichen Jahr die so
genannten Berlin-Plus-Vereinbarungen, die das Zusam-
menspiel von NATO und EU im militärischen Bereich
gut regeln, aus europäischer Abgrenzungssucht faktisch
aushebeln wollen. Man kann nicht der NATO auf der Si-
cherheitskonferenz in München vorwerfen, sie sei nicht
mehr das primäre Feld politischer Entscheidungsfin-
dung, es aber gleichzeitig den Militärs überlassen, in ih-
rer Verantwortung eine letztendlich gemeinsame
NATO-Strategie für die Zeit nach dem 11. Septem-
ber 2001 zu suchen. Sie haben politisch nichts dazu bei-
getragen, diese beiden Strategien, also die der USA und
die der Europäer – Stichwort Solana-Papier –, zu ver-
knüpfen. Diese Verknüpfung ist die Arbeit, die geleistet
werden muss. Herr Schröder kann sie an keine Experten-
kommission delegieren.

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(C (D s bestehen natürlich Zweifel, ob er selbst zu einer solhen Expertenkommission dazugehören könnte. Die militärische Struktur der NATO der Zukunft uss und wird anders aussehen als die von 1990. Selbsterständlich folgt die Struktur dem Auftrag, der aber eier politischen Präzision bedarf. Was ist dieser Auftrag? uftrag kann man nicht durch Transformation ersetzen. ransformation ist der Weg, aber nicht das Ziel. Ich beürchte, dass das Wort Transformation unterschiedlich uchstabiert wird und dass zu wenig politische Führung eleistet wird. Die NATO muss sich nämlich gleichzeitig ilitärisch auf die neuen Bedrohungslagen einstellen nd – erfreulicherweise – eine große Zahl neuer Mitglieer integrieren. Das heißt auch, dass man sich über die rundsätzlichen Aufgaben im Klaren sein muss. Auf dem Gebiet der Afrikapolitik erleben wir gegenärtig – ich teile die Befürchtung des Kollegen Hoyer –, ass schleichend ein bestimmter Weg beschritten wird: an diskutiert nie wirklich über das, was unsere Interesen und Ziele auch auf europäischer und auf ATO-Ebene sein könnten und sein sollten. Es kann icht richtig sein, dass wir uns hier und da in Afrika enagieren, ohne vorher eigentlich so recht zu wissen, woin es gehen soll. Deswegen muss mit dem Bekenntnis ur grundsätzlichen Bereitschaft, sich zu engagieren, ine klare Trennung zwischen dem, was gegenwärtig öglich und machbar ist, und dem, was gegenwärtig icht möglich und machbar ist, einhergehen. Auch die NATO verlangt nach Investitionen. Das erträgt sich nicht mit der Herabstufung der Sicherheitsolitik im Haushalt der Bundesrepublik Deutschland. Im ternationalen Vergleich ist diese Herabstufung besoners drastisch. Neue Ausrüstungen für neue Einsatzforen gibt es nicht zum Nulltarif. Die Rüstungsplanung in nserem Land, aber auch anderswo leidet darunter, dass as Zusammenspiel zwischen NATO und Europäischer icherheitsund Verteidigungspolitik politisch nicht gelärt ist. Man kann den Amerikanern nicht vorhalten, sie issbrauchten die NATO nur noch als Werkzeugkasten nd nähmen sich denjenigen Schraubenschlüssel in orm einer militärischen Spezialfähigkeit eines Mitliedstaates heraus, den sie gerade für ihre Zwecke rauchten, aber in der Konstruktionsabteilung des Beiebs nicht mitarbeiten. Wir müssen einerseits die in den so genannten Prager ähigkeitszusagen enthaltenen Verpflichtungen erfüllen nd andererseits unsere Vorstellungen von der Rolle der ATO als erstem Podium zur Abstimmung und Durchetzung unserer deutschen und europäischen Interessen arlegen. Dazu bedarf es der verlässlichen Zusage aller ATO-Staaten, die Schnelle Eingreiftruppe, NRF, einatzfähig zu machen, europäische Projekte wie das so enannte Battle-Group-Konzept und Helsinki-Verpflichngen – EU-Militärstab; 60 000 EU-Kräfte schnell verügbar – so zu realisieren, dass sie eine Ergänzung und eine Schwächung der NATO-Fähigkeiten sind, und den olitischen Prozess der Abstimmung in der NATO früh u suchen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16083 Christian Schmidt Die außenund sicherheitspolitischen Bemühungen Europas müssen auf ein ergänzendes Vorgehen von NATO und EU ausgerichtet werden. Der wachsenden Bedeutung globaler Risiken, die den Frieden der Völkergemeinschaft gefährden, muss die EU zusammen mit der NATO mit der gemeinsam konzipierten Fähigkeit begegnen, Krisen zu entschärfen, Konflikte zu verhindern oder zu ihrer Beilegung beizutragen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(A) )


(B) )


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Das bekommt man nicht allein an Verhandlungstischen;
das muss auch durch militärische Fähigkeiten umgesetzt
werden können.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Allerdings! – Dr. Werner Hoyer [FDP]: So ist es!)


Wir wollen dazu keine europäische Gegenmacht, son-
dern eine gemeinsame strategische Ausrichtung Europas
und Amerikas im Rahmen der NATO. Nur dann kann
man ohne Schaden für das Bündnis für die eigenen Inte-
ressen politischen Spielraum gewinnen und dort, wo sich
amerikanische und europäische Interessen nicht treffen,
Entscheidungsfreiheit behalten.

Bei dieser Gelegenheit ein Wort zu den US-Truppen
in Europa. Ich bedauere, dass die Amerikaner zwei Di-
visionen aus Deutschland abziehen.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Ja!)

Ich kann nachvollziehen, dass die Kollegen im amerika-
nischen Kongress um den Erhalt ihrer Armeestandorte in
den USA kämpfen – das tun wir entsprechend bei uns –,
aber wir müssen schon eines sagen: NATO heißt, US-
Streitkräfte auch in Europa zu wollen und ihre Präsenz
für politisch und strategisch richtig zu halten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ein notwendiges Element gemeinsamer Verteidigungs-
und Aktionsfähigkeit ist gerade die Präsenz amerikani-
scher Kräfte in Europa. Deswegen appellieren wir an die
amerikanischen Entscheidungsträger, auch dies zu be-
rücksichtigen. Die Bundesregierung ist in der Pflicht,
diese Position nachhaltig darzustellen.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Immer wieder die Haltung Bayerns zu den US-Streitkräften!)


Wie viele Telefonverbindungen da zur Verfügung ste-
hen, weiß ich nicht. Angeblich hat der Bundeskanzler
nun wieder Kontakt mit Washington. Er sollte ihn nut-
zen.


(Beifall des Abg. Michael Glos [CDU/CSU] sowie des Abg. Dr. Friedbert Pflüger [CDU/ CSU] – Michael Glos [CDU/CSU]: Der Außenminister ist nur noch mit dem Untersuchungsausschuss beschäftigt!)


Europa muss erhebliche Anstrengungen unterneh-
men, um seine militärischen Fähigkeiten, von denen ich
geredet habe, signifikant zu steigern und vor allem die

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(C (D mer größer werdende Technologielücke zu den USA u verkleinern. Insofern will ich auch ausdrücklich ein ekenntnis zum MEADS-Projekt abgeben. Für das Prokt haben wir gestern im Haushaltsausschuss mit großer ehrheit und im Verteidigungsausschuss ebenfalls grües Licht gegeben. Das Pentagon gibt für Forschung und Entwicklung und viermal so viel Geld aus wie alle europäischen taaten zusammen. as ist ein Problem. Wen das nicht interessiert, der hat icht erkannt, dass uns dies angesichts der technologichen Fortschritte und der Technologiesprünge im gloalen Wettbewerb belasten wird. Deswegen müssen wir uch daran arbeiten. Das ist nicht einfach. Das ist teuer. ber es sind Investitionen in die Zukunft. Ich hoffe, dass er Bundeskanzler, wenn er die zweite Auflage seines nvestitionsgipfels macht, auch einmal an diese Frage enkt und sie mit Herrn Chirac und den anderen Europärn bespricht. Für uns gehört auch die Zusage dazu, strategische ufttransportmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, en permanenten Mangel an Hubschraubern, vor allem ür Transportaufgaben, abzustellen und die Ausbildung er Soldaten auf neue Aufgaben auszurichten. US-Senator Lugar hat 1993 in seiner berühmten Bu apester Rede gesagt: „NATO will go out of area or go ut of business.“ Die NATO muss sich also um ihrer poitischen Bedeutung willen als Ordnungsund Stabiliätsbündnis jenseits der Grenzlinien des Kalten Krieges erstehen. Heute müssen wir begreifen, dass Europa mit er NATO ein zukunftsfähiges Bündnis in Händen hält, as daran zerbrechen kann, dass insbesondere Deutschand aus Langeweile oder wegen politischer Nabelschau olitisch nicht mehr investiert. Dass da investiert wird, äre aber für das Ziel unseres Landes, in Sicherheit zu eben, wichtiger als manche der eigenartigen Verrenkunen, die der Vorturner Schröder gegenwärtig vollführt, m den begehrten Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten ationen zu bekommen. Das Wort hat der Staatsminister Hans Martin Bury. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am . Mai dieses Jahres feiern wir den 60. Jahrestag der Bereiung Deutschlands, den 60. Jahrestag des Zusammenruchs der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. wei Tage zuvor, am 6. Mai 2005, begehen wir den 0. Jahrestag des Beitritts der Bundesrepublik Deutschand zur NATO. Was in den 50er-Jahren politisch noch heftig um ämpft war – Wiederbewaffnung und Westbindung –, eries sich als außenund sicherheitspolitische Basis für ine beispiellose Entwicklung. 16084 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Staatsminister Hans Martin Bury (Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist denn der Außenminister?)


(Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Ist das Ihr Ziel?)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517204600
Hans Martin Bury (SPD):
Rede ID: ID1517204700

(A) )


(B) )

Den Bundesregierungen von Konrad Adenauer bis
Helmut Schmidt gebührt in der Tat Dank und Anerken-
nung für strategische Weitsicht.

Dass 1989 die Mauer fiel, war auch ein Verdienst der
transatlantischen Partnerschaft, aber zugleich der Tatsa-
che geschuldet, dass mutige Politik die Spielräume zu
nutzen wagte, die dank militärischer Sicherheit durch die
NATO außenpolitisch erwuchsen. Die Ostpolitik Willy
Brandts hat zur Annäherung der gegnerischen Blöcke
und der beiden deutschen Staaten entscheidend beigetra-
gen und damit das Fundament für die spätere Wiederver-
einigung gelegt, die wir den Menschen in Polen, Ungarn
und Tschechien und vor allem in der damaligen DDR
verdanken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Rolle der NATO hat sich mit dem Ende des Ost-
West-Konfliktes fundamental gewandelt. Ihre Bedeu-
tung ist jedoch nicht geringer geworden. Denn die
NATO ist mehr als ein Militärbündnis und mehr als eine
Verteidigungsallianz. Sie ist eine Gemeinschaft, die für
Freiheit und Demokratie einsteht, getragen von gemein-
samen Werten und weitgehend übereinstimmenden Inte-
ressen.

Deutschland und Europa haben von der nordatlanti-
schen Partnerschaft in besonderer Weise profitiert und
wir engagieren uns in besonderem Maße für die und in
der NATO und der Europäischen Union.

Die Entscheidung im Herbst 1998 war eine Zäsur in
der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zum
ersten Mal zogen wir aus unserer leidvollen Geschichte
nicht die Konsequenz besonderer militärischer Zurück-
haltung, sondern die Konsequenz besonderer Verantwor-
tung für die Sicherung von Menschen- und Minderhei-
tenrechten auch mit militärischen Mitteln, wo andere
Mittel nicht ausreichen oder nicht zur Verfügung stehen.

Was Europa nicht schaffte, gelang mithilfe der
NATO: das Morden auf dem Balkan zu stoppen und die
Bedingungen für die Entwicklung von Freiheit und De-
mokratie zu schaffen.

Heute ist es die Annäherung an NATO und EU, die
der Entwicklung der Länder des westlichen Balkans Ziel
und Perspektive und damit den Menschen Hoffnung
gibt. In den mittel- und osteuropäischen Staaten war
die Kombination aus der Softpower der Europäischen
Union und dem Schutzversprechen der NATO so stark
und so attraktiv, dass sich Zivilgesellschaften und Staa-
ten auf den Weg der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
begeben haben. Das Maß an Vertrauen und der Grad der
Zusammenarbeit, die heute zwischen Staaten erreicht
wurden, die sich noch vor wenigen Jahren bis an die
Zähne bewaffnet feindlich und ängstlich gegenüberstan-
den, ist unglaublich. Die Europäische Union ist das
größte und erfolgreichste Friedensprojekt aller Zeiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Doch machen wir uns nichts vor: Erst in Verbindung it der NATO entstand die magnetische Anziehungsraft für die ehemaligen Mitglieder des Warschauer Pakes und frühere Teile der Sowjetunion. Gestern haben die NATO-Außenminister in Wilna ber die Weiterentwicklung des Bündnisses beraten. undeskanzler Gerhard Schröder hat diese notwendige ebatte über die strategische Ausrichtung des Bündnises und seine Funktionsfähigkeit entscheidend angestoen. Entgegen einigen aufgeregten Reaktionen gespieler Empörung ist schnell deutlich geworden: Nur wer ereit ist, die NATO weiterzuentwickeln, wird ihre zenrale Rolle für den Frieden in der Welt und den transatantischen Dialog bewahren, meine Damen und Herren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So bedrohlich die Blockkonfrontation des Kalten
rieges war, das „Gleichgewicht des Schreckens“ war in
ewissem Maße berechenbar. Heute sind wir mit ganz
euen, oft asymmetrischen Bedrohungen konfrontiert.
n der Peripherie Europas und in weiter entfernten Re-
ionen führen der zunehmende Verfall von staatlichen
trukturen, Bürgerkriege und das Auseinanderbrechen
on Staaten dazu, dass bewaffnete Gruppen und nicht-
taatliche Akteure immer weiter an Einfluss gewinnen.
ie Folgen sind Terrorismus, organisierte Kriminalität,
orruption sowie Menschen- und Drogenhandel.
In unserer globalisierten Welt sind dies nicht mehr re-

ional begrenzte Phänomene; sie gefährden in vielfälti-
er Weise auch die Sicherheit der internationalen Ge-
einschaft. Die Antwort darauf kann wie in Afghanistan
um Teil in militärischen Mitteln bestehen. Sie kann sich
edoch darauf in keinem Fall beschränken und sie muss
icht nur weit umfassender, sondern auch viel früher an-
etzen. Wir haben eine moralische Verpflichtung, Men-
chen in Not zu helfen. Gleichzeitig tragen wir damit zur
icherheit unserer Bürgerinnen und Bürger bei.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sicherheitspolitik muss nachhaltig sein und sie muss
mfassend sein. Nur so können wir gewaltsame Kon-
likte verhindern oder eindämmen und gesellschaftliche
trukturen nach einer Krise nachhaltig stabilisieren.
eutschland engagiert sich in diesem Sinne in vielfälti-
er Weise und weit über das Bündnisgebiet hinaus. Wir
nterstützen weltweit Demokratie und Rechtsstaatlich-
eit, die Achtung von Menschenrechten, sozialen Aus-
leich und den Schutz der natürlichen Lebensgrundla-
en.
Eine Energiepolitik, die erneuerbare Energien fördert

nd die Energieeffizienz steigert und damit die Abhän-
igkeit von Öl und Kernbrennstoffen verringert, ist zu-
leich ein Beitrag zum Frieden in der Welt. Der Kampf
egen Hunger und Armut, gegen Rechtlosigkeit und
usgrenzung ist auch ein Beitrag, der Entstehung von
ass und Gewalt den Boden zu entziehen. Ich möchte in
iesem Zusammenhang ausdrücklich die große Anteil-
ahme und Solidarität der Menschen in Deutschland her-
orheben. Sie haben etwa der verheerenden Flutkatastro-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16085


(A) )



(B) )


Staatsminister Hans Martin Bury

phe eine Woge der Solidarität entgegengesetzt. Wir
können stolz sein auf eine Gesellschaft, die in vielfälti-
gen Beiträgen, Projekten und Aktionen Tag für Tag be-
weist, dass Verantwortung keine nationalen Grenzen
kennt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deutsche Soldaten leisten auf dem Balkan oder in Af-
ghanistan in vorbildlicher Weise ihren Beitrag zum Auf-
bau und zur Entstehung aktiver Zivilgesellschaften. Kein
Land ist bei NATO-, aber auch bei EU-Operationen in
diesem Maße international mit Truppen präsent wie
Deutschland.

All diese Facetten, die heute Bestandteil einer sicher-
heitspolitischen Debatte sind und sein müssen, unter-
streichen die Notwendigkeit einer Intensivierung und
Verbreiterung des transatlantischen Dialogs. Es ist
bedauerlich, aber wahr, dass die NATO heute nicht im-
mer in ausreichendem Maße der Ort für die notwendigen
politischen Verständigungen ist. Es ist erfreulich, aber
nicht ohne Konsequenz, dass die EU ihrerseits den Weg
der Zusammenarbeit auch und gerade im Bereich der
Außen- und Sicherheitspolitik nach den Schwierigkeiten
der vergangenen Jahre mit umso größerer Entschlossen-
heit begeht.

Die gleichen Kritiker, die eine Debatte über eine Re-
form der NATO für falsch oder gar gefährlich hielten,
spotteten 2003 über die von Frankreich, Belgien, Lu-
xemburg und Deutschland entwickelte Idee einer ver-
stärkten Zusammenarbeit in der Europäischen Sicher-
heits- und Verteidigungspolitik. Der Kollege Schmidt
hat wieder das Wort vom „Pralinengipfel“ gebraucht.
Ausgerechnet diejenigen, die sonst stets eine Abstim-
mung mit großen und kleineren Partnern in der EU for-
dern, machen diese nun zum Ansatzpunkt für billige Kri-
tik – eine Kritik allerdings, um die es insgesamt recht
still geworden ist, denn die EU hat unsere Idee aufge-
griffen


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


und die Grundlagen für eine Europäische Sicherheits-
und Verteidigungspolitik geschaffen, die es uns ermögli-
chen soll, auch selbstständig militärische Verantwortung
wahrzunehmen, wenn andere Partner sich nicht beteili-
gen wollen oder können. Diese Option ist auch und ge-
rade dann von Bedeutung, wenn man bereit und in der
Lage ist, eine Beteiligung abzulehnen, weil man im Ein-
zelfall von der Richtigkeit militärischen Vorgehens nicht
überzeugt ist.

Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspoli-
tik ist jedoch keine Alternative zur NATO, erst recht
kein Ersatz. Wir stärken damit den europäischen Pfeiler
der Brücke über den Atlantik, militärisch und politisch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


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(C (D Die strategische Partnerschaft mit Russland, unser emühen um eine Einbindung Chinas oder das Wahrehmen europäischer Verantwortung in Afrika und im ahen Osten sind wichtige Beiträge zu einer Weltinnenolitik. Ich begrüße, dass der amerikanische Präsident nach einer Wiederwahl EU und NATO in Brüssel besucht nd sein Interesse und seine Bereitschaft zur Intensivieung der Zusammenarbeit unterstrichen hat. Unser Zuammenwirken etwa bei den Bemühungen, iranische uklearkapazitäten zu verhindern, belegt, dass unterchiedliche Ansätze, wenn sie einander ergänzen, durchus geeignet sind, ein gemeinsames Ziel zu befördern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mancher Beitrag in er heutigen Debatte schien mir ein wenig geprägt von er neokonservativen Vorstellung, die Amerikaner leben auf dem Mars und die Europäer auf der Venus. Fast st man geneigt, zu ergänzen: und die Union hinter dem ond. enn der Antrag der CDU/CSU beschränkt sich im allemeinen Teil auf Pathos und Polemik und im Detail eitgehend auf Maßnahmen, die unter maßgeblicher itwirkung der Bundesregierung bereits beschlossen urden oder umgesetzt werden. Ich muss auch sagen, err Kollege Pflüger: Ihr Einstieg in diese Debatte war eine Festrede zum 50. Jahrestag des NATO-Beitritts, ondern hat eher verraten, dass Sie und die Union noch m Weltbild der 50er-Jahre gefangen sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


(Zuruf von der SPD: Müde!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, 50 Jahre NATO
ind für uns Anlass zu Dankbarkeit und Selbstbewusst-
ein und Auftrag, die Zukunft in einer handlungsfähigen
uropäischen Union und einer vertrauensvollen transat-
antischen Partnerschaft aktiv zu gestalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517204800

Das Wort hat der Kollege Ruprecht Polenz von der
DU/CSU-Fraktion.


Ruprecht Polenz (CDU):
Rede ID: ID1517204900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach die-

er engagierten Festrede vonseiten der Bundesregierung,
err Staatsminister,


(Gernot Erler [SPD]: Ja, jetzt leg mal nach!)

öchte ich an einen Ausspruch erinnern, der nach dem
nde des Kalten Krieges oft zu hören war: Wir seien
etzt nur noch von Freunden umzingelt,


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das kommt aber von Ihnen!)


16086 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Ruprecht Polenz

wozu dann noch die NATO? Diese Kurzschlussformel
war nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in
Mittel- und Osteuropa und dem Ende des Kalten Krieges
oft zu hören.


(Gernot Erler [SPD]: Was machen wir mit der Umzingelung?)


Als damals der Warschauer Pakt aufgelöst wurde,
wurde auch von Ihrer Seite die Frage gestellt, warum
man nicht auch die NATO auflöst.


(Gernot Erler [SPD]: Darüber haben Sie doch selbst diskutiert!)


Das hat zu Beginn der 90er-Jahre nicht nur die PDS ge-
fordert, sondern auch mancher aus den Reihen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So ist es!)


– So ist es; Herr Ströbele erinnert sich. – Aber die Polen,
Ungarn, Tschechen und Slowaken wollten partout Mit-
glied in dem von vielen von Ihnen für überflüssig gehal-
tenen Verteidigungsbündnis werden. Damit hatten Sie
nicht gerechnet.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Angstgesteuert!)

Im Grunde hat Sie erst der dringende Wunsch der Po-

len, Ungarn, Tschechen und Slowaken nach einer Mit-
gliedschaft in der NATO dazu gebracht, deutsche und
europäische Sicherheit künftig nicht, wie Sie es zunächst
vorhatten, der OSZE zu überantworten. Heute wissen
auch Sie, wie gut es ist, dass wir die NATO haben und
dass wir sie auch im 21. Jahrhundert als Garanten unse-
rer äußeren Sicherheit brauchen.

Wenn man von den Verrenkungen, die Winfried
Nachtwei im Hinblick auf die Zeit der Demonstrationen
gegen den NATO-Doppelbeschluss pflichtgemäß ma-
chen musste


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Herr Kollege! Erstens freiwillig und zweitens aus Überzeugung! – Gernot Erler [SPD]: Besser beweglich als bewegungsunfähig!)


– denn er möchte sich auf dem nächsten Parteitag von
Bündnis 90/Die Grünen Gehör verschaffen –, absieht,
hat seine Rede gezeigt: Im Grunde weiß heute jeder in
diesem Hause, dass wir die NATO als Garanten unserer
äußeren Sicherheit brauchen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Günther Friedrich Nolting [FDP] – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Wo ist da die Euphorie?)


Deshalb muss sich die NATO den neuen Bedrohungen
unserer Sicherheit und den sich daraus ergebenden Her-
ausforderungen stellen.

Die Region des Persischen Golfs, Herr Kollege
Weisskirchen, wird für die euroatlantische Sicherheit im-
mer wichtiger. Die wahrscheinlichsten Bedrohungen
durch Terrorismus und die Weiterverbreitung von Mas-

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(C (D envernichtungswaffen haben ihren Ursprung in dieser one der Instabilität. Deshalb ist die NATO in Afghanisan und im Irak engagiert. Deshalb dehnt sie ihre Präsenz ber ihre traditionellen Einsatzgebiete aus. Und deshalb rauchen wir dringend eine aktivere Politik der NATO in er Golfregion. Lassen Sie mich gleich an dieser Stelle agen: Es geht vor allem um eine aktive politische Rolle er NATO, nicht so sehr um ein zusätzliches militäriches Engagement. Auf dem Gipfel in Istanbul hat die NATO im ahr 2004 die so genannte Istanbul Cooperation Initiaive beschlossen. Das vorrangige Ziel dieser Initiative ist s, interessierten Staaten der Region in Sicherheitsfragen ie Zusammenarbeit mit der NATO anzubieten, um auf iese Weise Sicherheit und regionale Stabilität zu stären. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich, dass die ktivitäten der NATO von den Staaten der Region geünscht und akzeptiert werden. Bisher beteiligen sich uwait, Bahrain und Quatar an dieser Initiative. Die ATO sollte in dem Bemühen, auch die anderen Staaten er Golfregion einzubeziehen, nicht nachlassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD])


Die Istanbuler Kooperationsinitiative bietet ein breit
efächertes Instrumentarium an, um interessierten Län-
ern dabei zu helfen, ihren Sicherheitsbedürfnissen auf
ine Weise zu entsprechen, die weiteres Wettrüsten in
er Region verhindert. Deshalb ist zu überlegen, die
stanbuler Initiative durch eine Klausel ähnlich der in
em Programm „Partnerschaft für den Frieden“ zu er-
änzen, nach der Konsultationen mit der NATO für den
all vorgesehen werden, dass sich ein ICI-Partner in sei-
er Sicherheit bedroht fühlt. Das würde zusätzliche Si-
herheit gewährleisten.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Ein sehr guter Vorschlag!)


Mittel- und längerfristig sollte die NATO den Staaten
er Golfregion dabei helfen, neue Mechanismen kollek-
iver Sicherheit zu etablieren. Solche vertrauensbilden-
en Maßnahmen können zu neuen Sicherheitsstrukturen
n der Region des Persischen Golfs führen, in die dann
uch andere Staaten der Region einbezogen werden
önnten. Diese politischen Anstrengungen der NATO
ollten eine Politik der EU flankieren, mit der wir innere
eformprozesse und wirtschaftlichen und demokrati-
chen Wandel in den Ländern der Region behutsam und
eharrlich unterstützen. Auch wenn Übereinkommen
ollektiver Sicherheit nur schrittweise und nur über ei-
en längeren Zeitraum hin erreicht werden können, ist es
rotzdem notwendig, alles daranzusetzen, in dieser span-
ungsgeladenen Region, die für Europa, für die USA
nd für die ganze Welt so wichtig ist, dorthin zu kom-
en. Übrigens haben Staaten der Region auch umge-
ehrt bereits zur euroatlantischen Sicherheit beigetragen,
twa im gemeinsamen Kampf gegen den internationalen
errorismus.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

Meine Damen und Herren, es muss die NATO auch

ümmern, was im Iran geschieht; ich kann dieser Fest-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16087


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Ruprecht Polenz

stellung des NATO-Generalsekretärs, zu lesen in einem
Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“, nur zustim-
men.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Der NATO-Rat sollte Iran auf seine Tagesordnung set-
zen. Die NATO könnte die Plattform abgeben, auf der
eine in erster Linie diplomatische Strategie abgestimmt
wird: Erstens. Wie kann man Iran überzeugen, Kern-
energie nur zu friedlichen Zwecken zu nutzen? Wie kann
dies objektiv, dauerhaft und kontrolliert garantiert wer-
den? Zweitens. Wie kann man die politische Isolation
Irans beenden? Drittens. Wie kann man das Land in ei-
nen regionalen Sicherheitsdialog einbeziehen? Diese
Punkte gehören auf die Tagesordnung des NATO-Rates.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass es gelingen
wird, Iran dauerhaft zur Befolgung der Verpflichtungen
aus dem Atomwaffensperrvertrag anzuhalten, wenn die
Europäer und die USA dieses Ziel im Rahmen einer ge-
meinsamen Strategie verfolgen. Und wo sollten Euro-
päer und Amerikaner über solche für unsere transatlanti-
sche Sicherheit so entscheidenden Fragen sprechen,
wenn nicht in der NATO?

Die NATO ist und bleibt das Verteidigungsbündnis,
dem wir aus guten Gründen auch im 21. Jahrhundert un-
sere Sicherheit, den Frieden und die Freiheit anvertrauen
können. Weil die NATO ein Bündnis auf Gegenseitigkeit
ist, muss Deutschland auch zum Bündnis beitragen –
nach seiner Größe und Leistungsfähigkeit und nach der
Bedeutung, die wir wahrnehmen wollen. Dafür braucht
die Politik nicht zuletzt angesichts knapper Kassen auch
die Unterstützung der Öffentlichkeit. Dafür arbeitet, mit
tatkräftiger Unterstützung aus allen Fraktionen sowie der
Bundesregierung, auch die Deutsche Atlantische
Gesellschaft. Ich möchte diese Debatte zu 50 Jahren
deutscher NATO-Mitgliedschaft deshalb auch zum An-
lass nehmen, mich dafür bei der Bundesregierung, bei
meinen Kolleginnen und Kollegen und vor allem bei den
über 3500 Mitgliedern der Deutschen Atlantischen Ge-
sellschaft zu bedanken, die in 29 Arbeitskreisen überall
in Deutschland vertreten sind, die sich beständig und im-
mer wieder an der sicherheitspolitischen Debatte in
Deutschland beteiligen und für die Aufgaben und Ziele
der NATO im 21. Jahrhundert einsetzen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517205000

Das Wort hat jetzt der Kollege Rainer Arnold von der

SPD-Fraktion.

(Zuruf von der SPD: Guter Mann!)



Rainer Arnold (SPD):
Rede ID: ID1517205100

Herr Präsident! Werte Kolleginnen! Werte Kollegen!

Die Bundeswehr war und ist fest integriert in die militä-

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(C (D ischen Strukturen der NATO. Sie wurde nach dem Beiritt Deutschlands zur NATO fest in ein Bündnis demoratischer Staaten eingebettet. Diese feste Einbettung ist uch ein Teil unserer geschichtlichen Erfahrungen und onsequenzen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


0 Jahre NATO-Mitgliedschaft haben die deutsche Au-
en- und Sicherheitspolitik geprägt, ebenso das innere
efüge der Bundeswehr: Sie war und ist von vornherein
ur darauf ausgerichtet, zusammen mit anderen Bünd-
ispartnern – und nicht alleine – die äußere Sicherheit
nseres Landes zu wahren. Natürlich sind die 50 Jahre
uch Anlass zum Feiern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Antrag der Union ist eine Gelegenheit zur De-

atte. Wenn Sie dann allerdings statt Festreden Reden
alten, die eher rückwärts gerichtet sind,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

abe ich meine Bedenken. Das Zweite – die Kollegen des
erteidigungsausschusses wissen das –: Es wird auch ei-
en offiziellen Anlass zum Feiern geben: Das 50-jährige
ubiläum der Bundeswehr wird im Herbst mit vielen
eranstaltungen – unter anderem einer großen hier – be-
angen. Auch durch die Personen, die dort auftreten,
ird sehr deutlich sichtbar werden, dass das Jubiläum
er Bundeswehr und das Jubiläum der NATO nicht ge-
rennt voneinander gefeiert werden, sondern unmittelbar
iteinander verknüpft sind. Hier besteht also kein An-
ass zu Kritik.


(Beifall bei der SPD)

In all diesen 50 Jahren hat sich die NATO als fähig er-
iesen, den sicherheitspolitischen Herausforderungen
ährend des Kalten Krieges wirkungsvoll zu begegnen.
ie hat sich nach 1989 dieser veränderten Welt ange-
asst. Die NATO befindet sich mitten in ihrer eigenen
ransformation. Sie ist dabei, sich auch politisch neu
u justieren. Das zeigt, dass sich manche, die Zweifel
aran hatten, dass die NATO diesen Wandel schafft, ir-
en. Die NATO bleibt ein sehr lebendiges Bündnis. Eines
and ich immer ganz spannend: Bei allem Dissens mit
en Vereinigten Staaten in der Frage des Irakkrieges
Sie haben das heute wieder angesprochen; es war nicht
nders zu erwarten – hatte der politische Streit nie Aus-
irkungen auf das innere, funktionale Gefüge der
ATO. Operativ hat alles nach wie vor ohne Probleme
ehr gut zusammengearbeitet und gepasst.
Wer sich Ihren Antrag anschaut, dem wird sehr

chnell klar, dass es Ihnen letztlich nicht um die Würdi-
ung der NATO, sondern sicherlich ein Stück weit vor-
ergründig darum geht, mit dem Finger auf diese Koali-
ion zu zeigen. Ihre Argumente sind allerdings sehr
ünn.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gernot Erler [SPD]: Leider!)

assen Sie mich das deshalb noch einmal in Erinnerung
ufen.

16088 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Rainer Arnold

Deutschland gehört bei NATO-Missionen zu den

größten Truppenstellern innerhalb des Bündnisses. Das
betrifft den Balkan, Afghanistan und auch manche an-
dere kleine Aufgaben, die die NATO in ihrer Geschichte
erfüllt hat. Sie vergessen dabei auch: Der Wandel der
NATO, den wir mit der Bundeswehr in einem parallelen
Prozess mitmachen, wird von einem sozialdemokrati-
schen Minister mitgestaltet. Dieser Wandel bedeutet
gleichzeitig ein Stück weit die Auflösung eines Re-
formstaus, den wir 1998 vorgefunden haben. Wir haben
damit begonnen, die Bundeswehr diesen neuen Aufga-
ben anzupassen. Wann werden Sie endlich verstehen,
dass sich die Bundeswehr und die Bundesregierung bei
ihren NATO-Engagements nicht verstecken müssen?


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Gestern war eine ganze Reihe Kolleginnen und Kolle-
gen Verteidigungspolitiker bei den großen Manövern,
die an verschiedenen Stellen in Deutschland stattgefun-
den haben. 25 Partner waren daran beteiligt. Jeder
konnte dort sehen, dass die Bundeswehr von der Ausbil-
dung der Soldaten über die Motivation der Soldaten bis
hin zum Gerät, das dort in aller Breite vorgeführt wurde,
hervorragend auf diese zukünftigen Aufgaben vorberei-
tet ist. Jeder von Ihnen, der in den Einsatzgebieten mit
Soldaten und Politikern der NATO-Partner redet, merkt
doch auch, dass die deutschen Soldaten dort einen außer-
ordentlich großen Respekt für ihren Einsatz erhalten. Ich
sage ausdrücklich: Unsere ganze Gesellschaft und auch
wir Parlamentarier können stolz auf die Arbeit der deut-
schen Soldaten in den Einsatzgebieten sein.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nein, in Ihrem Antrag fehlt wirklich eine kontinuierli-
che, konsistente Linie. Sie schreiben zum Beispiel:

Die Mitgliedschaft beruht auf der Freiwilligkeit und
der Unabhängigkeit ihrer Mitglieder.

Ein paar Zeilen später, wo Sie über den Irakkrieg reden,
hört sich das bei Ihnen bereits ganz anders an. Mit Ihrer
Eingangsformulierung haben Sie aber in der Tat Recht.
Vielleicht haben Ihre Arbeitsgruppen, die den Antrag
formuliert haben, nicht ausreichend kooperiert. Diesen
Eindruck gewinnt man an verschiedenen Stellen in Ih-
rem Papier.

Es ist in der Tat so: In der NATO herrschen nicht Be-
fehl und Gehorsam. Gerade als politisches Bündnis hat
die NATO ihre Entscheidungen im Konsens zu treffen.
Die Mitgliedstaaten bringen ihre Interessen und ihre Po-
sitionen selbstständig ein. Vielleicht musste der eine
oder andere NATO-Partner hier auch ein wenig dazuler-
nen, dass Deutschland, das in vielen Jahren NATO-Part-
nerschaft aufgrund seiner besonderen historischen Ver-
antwortung und seiner Position als Nahtstelle während
des Kalten Krieges – die Grenze ging quer durch
Deutschland – eine ein Stück weit besondere Rolle hatte,
jetzt plötzlich begonnen hat, seine Pflichten in der
NATO wie alle anderen NATO-Partner auch entspre-
chend seinem ökonomischen Gewicht und seiner Größe
zu erfüllen. Der eine oder andere NATO-Partner musste

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(C (D llerdings auch lernen, dass mit der Erfüllung dieser flichten durch Deutschland natürlich auch das Einforern der selbstverständlich partnerschaftlichen Rechte uf Augenhöhe verbunden ist. Dies hat die Bundesregieung in den letzten Jahren notwendigerweise sichtbar geacht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In Ihrem Antrag gehen Sie in einem anderen Zusam-
enhang auf die Rede des Bundeskanzlers in Mün-
hen ein. Es ist interessant, sich das genauer anzusehen.
n der einen Stelle heißt es, dass man sich mit dem Be-
icht des Rates Hoher Experten zur Reform der Verein-
en Nationen vom Dezember 2004 eingehend auseinan-
er setzen sollte und daraus Konsequenzen für das
andeln der NATO gezogen werden sollten. Gleichzei-
ig kritisieren Sie den Bundeskanzler, der genau das tut,
as Sie in Ihrem Antrag formulieren. Ich denke, er hat
it seiner Rede in München, in der er ausführte, dass
ieser politische Prozess und dieser Diskurs in der
ATO geführt werden muss und dass es hier Defizite
ibt, ins Schwarze getroffen.
Wir sollten selbstkritisch sagen: Wenn in der NATO

ur über Fähigkeiten, Fähigkeiten und noch einmal Fä-
igkeiten – wie der alte Sekretär sagte – geredet wird,
icht aber die politischen Veränderungen und die Neu-
ustierung der NATO berücksichtigt werden, und wenn
ir Europäer nicht in der Lage sind, dieses inhaltliche
efizit mit einer gemeinsamen europäischen Position
usreichend zu füllen, dann gehöre ich nicht zu denen,
ie sich darüber beklagen, dass die Vereinigten Staaten
ieses Defizit ausfüllen. Deshalb hatte der Bundeskanz-
er in vielerlei Hinsicht Recht: Wir müssen diese politi-
che, inhaltliche und strukturelle Debatte über die Zu-
unft, die Aufgaben und Fähigkeiten der NATO
iteinander führen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch etwas zu den von Herrn
chmidt angesprochenen Fähigkeiten sagen. Herr
chmidt, alle europäischen Partner in der NATO haben
rkannt – es gibt dazu auch eine Reihe von Beschlüs-
en –, dass wir mehr tun müssen, um unsere Lücken auf-
ufüllen. Aber alle Staaten leiden unter knappen Haus-
alten. Deshalb kann es nur eine Antwort geben – eine
rhöhung der Etats ist nicht realistisch –: Den Europäern
uss es gelingen, die knappen Mittel einfach besser zu
ündeln. Das knappe Geld muss intelligenter ausgege-
en werden. Es darf nicht sein, dass jedes Land selbst
ntwicklungsarbeit leistet, obwohl es nicht ausreichend
orschungsgelder bereitstellen kann, und später nur
leine Stückzahlen beschafft. Auch hier ist der Transfor-
ationsprozess der NATO und, daraus resultierend, der
uropäischen Union mit der Einrichtung der Agentur
ür Fähigkeiten – die Deutschen waren an der Aus-
rbeitung dieser Idee maßgeblich beteiligt – auf einem
ichtigen Weg. Das ist notwendig; denn es wird die ein-
ige Chance sein, technologisch so zu arbeiten, dass die
uropäer den Beitrag, den sie leisten wollen und müs-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16089


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Rainer Arnold

sen, auch tatsächlich leisten. Das wird nur gemeinsam
gehen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte am Schluss noch einen Gedanken von
Herrn Polenz aufnehmen, weil ich finde, dass er im Ge-
gensatz zu den Vorrednern aus der Union ein Stück weit
nach vorne gedacht hat. Die Überlegung, welche Verant-
wortung die NATO am Golf, also im Nahen und Mittle-
ren Osten, hat, ist sehr spannend. Eines müssen wir aber
ehrlicherweise hinzufügen: Die NATO kann hier nur
wirksam werden, wenn sie gegenüber neuen Partnern of-
fen ist. Letztlich wird ihr Erfolg davon abhängen, ob sie
in dieser Region bei den schwierigen Konflikten als fai-
rer Mittler wahrgenommen wird.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieser faire Mittler zu sein wird möglicherweise durch
die Position des NATO-Partners Vereinigte Staaten nicht
unbedingt ganz einfach sein. Diesen Konflikt müssen
wir miteinander auflösen und diesen Diskurs mit den
Vereinigten Staaten führen. Nur dann wird dies ein er-
folgreiches Projekt werden können.

Alles in allem war die NATO für unsere Gesellschaft
und unser Land wirklich der Garant dafür, dass meine
Generation – das war für meinen Vater und meinen
Großvater eben nicht selbstverständlich – in Frieden auf-
wachsen konnte. Deutschland wird auch in Zukunft mit
der gewachsenen Verantwortung seinen Beitrag für Si-
cherheit, Stabilität und Frieden in vielen Teilen der Welt,
in denen Menschen nicht das Glück haben, so groß zu
werden, wie dies heute hier möglich ist, leisten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1517205200

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-

empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-
sache 15/324 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU
mit dem Titel „Die NATO auf die neuen Gefahren aus-
richten“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
Drucksache 15/44 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
CDU/CSU-Fraktion bei Stimmenthaltung der FDP-Frak-
tion angenommen.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/5323 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 g sowie
die Zusatzpunkte 6 a bis 6 c auf:

(C (D 24 a)

und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes
zur Änderung des Arzneimittelgesetzes
– Drucksache 15/5316 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Kon-
trolle hochradioaktiver Strahlenquellen
– Drucksache 15/5284 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Eberhard Otto (Godern),
Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP
Weitere Monopolisierung im Schienengüter-
verkehr stoppen
– Drucksache 15/4947 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Birgit Homburger, Dr. Karl
Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Ausbau der Schienenmagistrale Paris–Karls-
ruhe–Stuttgart–München–Budapest
– Drucksache 15/5041 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich (Bayreuth), Eberhard Otto (Godern),
Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der FDP
Logistikstandort Deutschland stärken
– Drucksache 15/5044 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss

f) Beratung des Antrags der Bundesregierung
Einwilligung gemäß § 12 Abs. 3 des Hochschul-
bauförderungsgesetzes in die Verwendung von
Bundesmitteln für die Gemeinschaftsaufgabe
Hochschulbau für die gemeinsame

16090 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Forschungsförderung nach Art. 91 b des
Grundgesetzes
– Drucksache 15/5170 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)

Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung

g) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN und der FDP
Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsi-
cherung abschließen
– Drucksache 15/5342 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

ZP 6 a)Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Straßenverkehrsgesetzes und anderer stra-
ßenverkehrsrechtlicher Vorschriften
– Drucksache 15/5315 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Anspruchs- und Anwartschafts-
überführungsgesetzes
– Drucksache 15/5314 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss

c) Erste Beratung des von den Abgeordneten Arnold
Vaatz, Ulrich Adam, Günter Baumann, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung des Strafrechtlichen Rehabilitierungs-
gesetzes
– Drucksache 15/5319 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Finanzausschuss

Es handelt sich um Überweisungen im vereinfach-
ten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a bis 25 j auf.
Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen,
zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

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1)

(C (D Tagesordnungspunkt 25 a: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem OCCAR-Geheimschutzübereinkommen vom 24. September 2004 – Drucksache 15/4979 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit – Drucksache 15/5311 – Berichterstattung: Abgeordneter Erich G. Fritz Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt in einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5311, en Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die em Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf st einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 25 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umbenennung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei – Drucksache 15/5217 – Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – Drucksache 15/5365 – Berichterstattung: Abgeordnete Frank Hofmann Ralf Göbel Silke Stokar von Neuforn Dr. Max Stadler Hierzu liegt eine gemeinsame Erklärung der beiden bgeordneten Pau und Dr. Lötzsch vor, die wir zu Protooll nehmen.1)


(Erste Beratung 166. Sitzung)

Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-

mpfehlung auf Drucksache 15/5365, den Gesetzent-
urf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
iejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,
m das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-
en? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit
en Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/
SU-Fraktion gegen die Stimmen der FDP-Fraktion und
er Kollegin Pau angenommen.

Dritte Beratung
nd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
esetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
st mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Tagesordnungspunkt 25 c:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes

Anlage 2

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16091


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

zur Änderung des Finanz- und Personalstatis-
tikgesetzes sowie des Hochschulstatistikgeset-
zes
– Drucksache 15/5215 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)

– Drucksache 15/5366 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Jörg-Otto Spiller
Elke Wülfing

Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 15/5366, den Gesetzent-
wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist da-
mit in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der CDU/CSU, der
FDP und der Kollegin Pau angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.

Tagesordnungspunkt 25 d:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (18. Ausschuss)

zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten
Dr. Christian Ruck, Jochen Borchert, Dr. Ralf
Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesre-
gierung
Zukunft sichern – Globale Armut bekämpfen
– Drucksachen 15/923, 15/1190 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Karin Kortmann
Dr. Christian Ruck
Thilo Hoppe
Markus Löning

Der Ausschuss empfiehlt, den Entschließungsantrag
auf Drucksache 15/923 abzulehnen. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen
der CDU/CSU-Fraktion und Enthaltung der FDP-Frak-
tion angenommen.

Tagesordnungspunkt 25 e:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (18. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Weiß

(Emmendingen), Dr. Christian Ruck, Dr. Ralf


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(C (D Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Menschen mit Behinderung in Entwicklungszusammenarbeit einbeziehen – Drucksachen 15/2968, 15/4994 – Berichterstattung: Abgeordnete Karin Kortmann Peter Weiß Thilo Hoppe Markus Löning Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksahe 15/2968 abzulehnen. Wer stimmt für diese Bechlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltunen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen er Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/ SU und FDP bei Enthaltung der Kollegin Pau angeommen. Tagesordnungspunkt 25 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: § 96 a (Verfahren nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz)

– Drucksache 15/5245 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz
Peter Altmaier
Volker Beck (Köln)

Jörg van Essen

Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
enstimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
ng ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegen-
timme der Kollegin Pau angenommen.
Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Pe-

tionsausschusses.
Tagesordnungspunkt 25 g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 197 zu Petitionen
– Drucksache 15/5260 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
ält sich? – Sammelübersicht 197 ist einstimmig ange-
ommen.
Tagesordnungspunkt 25 h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 198 zu Petitionen
– Drucksache 15/5261 –

Wer stimmt dafür? – Dagegen? – Enthaltungen? –
ammelübersicht 198 ist einstimmig angenommen.

16092 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

Tagesordnungspunkt 25 i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 199 zu Petitionen
– Drucksache 15/5262 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 199 ist einstimmig ange-
nommen.

Tagesordnungspunkt 25 j:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 200 zu Petitionen
– Drucksache 15/5263 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 200 ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/
CSU- und FDP-Fraktion angenommen.

Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Ver-
mittlungsausschusses. Nach einer interfraktionellen
Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die Be-
ratung von drei Beschlussempfehlungen des Vermitt-
lungsausschusses erweitert werden. Diese Punkte sollen
jetzt gleich als Zusatzpunkte 13 a bis 13 c aufgerufen
werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist so beschlossen.

Zusatzpunkt 13 a:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Vermittlungsausschuss)

Änderung des Seemannsgesetzes und anderer
Gesetze
– Drucksachen 15/4638, 15/4744, 15/4923, 15/5344 –
Berichterstatter im Bundestag:
Abgeordneter Ludwig Stiegler
Berichterstatter im Bundesrat:
Minister Jochen Dieckmann

Mir ist mitgeteilt worden, dass das Wort zur Bericht-
erstattung und zur Erklärung nicht gewünscht wird. Der
Herr Kollege Stiegler hat allerdings eine Erklärung zu
Protokoll gegeben.1)

Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsaus-
schuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäfts-
ordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag
über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Dies
gilt auch für die nachfolgende Beschlussempfehlung.
Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermitt-
lungsausschusses auf Drucksache 15/5344? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschluss-
empfehlung ist einstimmig angenommen.

Zusatzpunkt 13 b:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-

(Ver d a t g s a g i C a R D r n d D1)

(C


(D mittlungsausschuss)

rung des Apothekengesetzes
– Drucksachen 15/4293, 15/4643, 15/4749,
15/4916, 15/4920, 15/5345 –
Berichterstatter im Bundestag:
Abgeordneter Wolfgang Meckelburg
Berichterstatter im Bundesrat:
Minister Rudolf Köberle

Wir kommen gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für
ie Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses
uf Drucksache 15/5345? – Gegenstimmen? – Enthal-
ungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig an-
enommen.
Zusatzpunkt 13 c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschus-

(Vermittlungsausschuss)

bestimmter Altforderungen (Altforderungsre-
gelungsgesetz – AFRG)
– Drucksachen 15/4640, 15/4963, 15/5177,
15/5346 –
Berichterstatter im Bundestag:
Abgeordneter Werner Kuhn (Zingst)

Berichterstatter im Bundesrat:
Staatsminister Geert Mackenroth

Wir kommen wiederum gleich zur Abstimmung. Wer
timmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungs-
usschusses auf Drucksache 15/5346? – Wer stimmt da-
egen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung
st mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
DU/CSU-Fraktion bei Enthaltung der FDP-Fraktion
ngenommen.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 7auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Haltung der Bundesregierung zu aktuellen
Äußerungen der SPD-Fraktions- und -Partei-
spitze zu Wirtschaftsinvestitionen in Deutsch-
land

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem
edner für die antragstellende Fraktion dem Kollegen
r. Guido Westerwelle von der FDP-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1517205300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Diese Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag ist

(Jörg Tauss [SPD]: Zeitverschwendung!)


otwendig, damit von uns, vom Deutschen Bundestag,
as Signal an die Investoren im In- und Ausland ausgeht:
er Deutsche Bundestag begrüßt Investitionen in

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16093


(A) )



(B)


Dr. Guido Westerwelle

Deutschland, er will Investoren in Deutschland und er
beschimpft sie nicht so, wie Sie, Herr Kollege
Müntefering, das getan haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Freien Demokraten haben diese Aktuelle Stunde

beantragt, weil sie aus unserer Sicht vor allen Dingen
auch einen Strategiewechsel in der Politik – nicht nur der
Sozialdemokraten, sondern auch der Bundesregierung –
betrifft. Das Bemerkenswerte ist, dass Ihr Heuschre-
ckenvergleich, Herr Müntefering, mittlerweile auch den
Beifall des Bundeskanzlers und des nordrhein-westfäli-
schen Ministerpräsidenten gefunden hat. Auch der Wirt-
schaftsminister stößt inzwischen in das gleiche Horn.
Ein Wirtschaftsminister, der Investoren vor einer solchen
pauschalen Kritik nicht in Schutz nimmt, sondern zu-
lässt, dass sie beschimpft werden, und sie dadurch ab-
schreckt, erfüllt nicht sein Amt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Wir
wollen Arbeitsplätze schaffen. Wer Arbeitsplätze schaf-
fen will, weiß, dass das nur über Investitionen geht. In-
vestitionen werden aber nicht in Deutschland getätigt,
wenn man die Investoren mit Heuschreckenvergleichen
überzieht und sie als biblische Plage bezeichnet. Investo-
ren kommen nur nach Deutschland, wenn es ein ver-
nünftiges, wirtschaftsfreundliches Klima gibt.


(Beifall bei der FDP)

Unsere Politik schafft Arbeitsplätze, Ihre Politik soll
Stimmungen schaffen, und zwar auf Kosten von Arbeits-
plätzen. Das ist der feine Unterschied.


(Beifall bei der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Herr Müntefering, der Vergleich mit den Heuschre-
cken ist übrigens bemerkenswert. Zunächst einmal: Heu-
schrecken sind grün, Herr Müntefering.


(Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Es gibt auch gelbe!)


Das wollen wir einmal festhalten; das ist eine wichtige
Erkenntnis. Auch ideologisch passt ja Ihr Bild überhaupt
nicht.


(Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt der ernste Teil der Rede!)


Die einzige Heuschreckenplage, die über Deutschland
herzieht, sind die Grünen, die mit ihrer investitionsfeind-
lichen Politik Arbeitsplätze vernichten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben im letzten Jahr 40 000 Insolvenzen erlebt;
wir haben eine Staatsquote von rund 50 Prozent. Das ist
die Lage in Deutschland. Wenn man in einem Land, das
eine Staatsquote von 50 Prozent hat, allen Ernstes

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(C (D laubt, man müsse die Furcht vor der freien Marktwirtchaft säen, dann ist man nicht von dieser Welt. eder zweite Euro, der in Deutschland ausgegeben wird, eht durch die Hände des Staates. Es droht nicht die freie arktwirtschaft, es droht die bürokratische Staatswirtchaft. Nicht die Marktwirtschaft kostet in Deutschland rbeitsplätze, die bürokratische Staatswirtschaft kostet rbeitsplätze in Deutschland. Deswegen ist es ein Feher, zurück in diese Klassenkampfparolen zu gehen, Herr ollege Müntefering. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


ir haben 5,2 Millionen Arbeitslose. Das ist das Ergeb-
is Ihrer Politik. Das ist das Ergebnis von schlechten
ahmenbedingungen für Investoren und Investitionen in
iesem Land. Deutschland hat nur dann eine Chance,
enn wir dafür sorgen, dass in Deutschland investiert
ird.
Das reiht sich in eine Serie ein: Sie sagen, die Investo-

en seien eine Art Heuschreckenplage. Es ist übrigens
nteressant, dass der Bundeskanzler bei jeder Auslands-
eise gar nicht genug von diesen Heuschrecken in der
egierungsmaschine mitnehmen kann.


(Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Warum fliegen die denn nicht selbst?)


ber Frau Kollegin Vogt setzt noch eins drauf: Sie ruft
ls Mitglied der Bundesregierung und stellvertretende
hefin der SPD zu einem Boykott gegen entsprechende
nternehmen auf. In einer Zeit, in der wir ohnehin einen
roßen Nachfragestau haben und in der wir ohnehin zu
enig Konsum in Deutschland haben, zu einem Boykott
on Unternehmen aufzurufen vergrößert die Arbeitslo-
igkeit.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Keiner Ihrer Sätze schafft auch nur einen Arbeits-
latz. Arbeitsplätze werden nicht von Ihnen geschaffen,
ondern von Investoren und Menschen, die bereit sind,
in persönliches Risiko zu übernehmen. Diese Risikobe-
eitschaft gehört in Deutschland belohnt und nicht be-
chimpft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie sind der Überzeugung, Sie hätten alles getan. Sie
ind der Meinung, jetzt sei es Aufgabe der Wirtschaft, zu
andeln, weil Sie Ihre Hausaufgaben gemacht hätten.


(Zuruf von der SPD: Richtig!)

atsache ist aber, dass Sie Ihre Hausaufgaben nicht ge-
acht haben. Die Steuern sind eben nicht gesenkt,


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ondern durch die Einführung der Ökosteuer noch erhöht
orden. Die Steuer- und Abgabenlast ist in diesem
)

16094 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle

Lande gestiegen. Die Staatsquote bekommen Sie nicht in
den Griff und die Bürokratie wird weiter ausgebaut.

Wenn Sie weiterhin so schlechte Rahmenbedingun-
gen für Investitionen in Deutschland schaffen und zulas-
sen, dann tragen Sie die Verantwortung dafür, dass in
Deutschland die Arbeitslosigkeit nicht richtig bekämpft
werden kann. Herr Müntefering, Sie mögen mit dieser
Rede Stimmungen schaffen wollen; Sie mögen mit die-
ser Rede den Arbeitsplatz von Herrn Steinbrück retten
wollen.


(Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Das ist aber nach hinten losgegangen!)


Aber Sie riskieren mit einer solchen Geisteshaltung den
Arbeitsplatz von vielen Tausend Menschen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517205400

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der SPD,

Franz Müntefering.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1517205500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich lasse alle absichtlichen Missverständnisse und klein-
karierten Unterstellungen beiseite und spreche zur Sa-
che.

Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland ha-
ben erhebliche Probleme, von ihren Banken und Spar-
kassen Kredite für ihre Investitionen zu bekommen.
Deshalb expandieren sie nicht, deshalb schrumpfen sie.
Arbeitnehmer werden entlassen und durch ausländische
Scheinselbstständige ersetzt, die für den halben Lohn ar-
beiten müssen. Unternehmen siedeln wegen weniger
Prozente mehr Gewinn ins Ausland um und lassen ihre
Arbeitnehmer mit ihren Familien im Stich. Rund 15 Pro-
zent unseres Bruttoinlandsprodukts werden illegal und in
Schwarzarbeit erwirtschaftet. Das sind 250 bis 350 Mil-
liarden Euro pro Jahr.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie sind doch verantwortlich!)


Die ehrlichen Unternehmen sind die Dummen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer regiert denn?)


Kleinen Unternehmen werden ihre Innovationen abge-
rungen und zur Produktion ins Ausland verkauft.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Durch Ihre Politik!)


Eine große deutsche Bank hat eine Eigenkapitalren-
dite von 16,7 Prozent vor Steuern. Sie verkündet exorbi-
tante Gewinne, fordert 25 Prozent Kapitalrendite und
kündigt an, dass 6 000 Menschen entlassen werden. Ma-
nagergehälter steigen ins Unermessliche und werden ge-
heim gehalten. Großes Geld mit kurzfristigem Profitinte-
resse kauft sich hier ein und beutet Unternehmen in
knappen Zyklen aus. Siemens-Nixdorf, Klöckner und
Duales System darf man wohl nennen. Das alles hat mit

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(C (D ozialer Marktwirtschaft und Unternehmensethik nichts u tun. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


a geht es um den Vorteil weniger und um Lasten für
iele. Das ist marktradikal und asozial.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das lässt uns Sozialdemokraten nicht kalt. Darüber
abe ich gesprochen und festgestellt: Die meisten Unter-
ehmen in Deutschland wissen, sie sind ihrem Unterneh-
en, ihren Arbeitnehmern und dem Standort verpflich-
et.


(Beifall bei der SPD)

ie haben unsere Unterstützung. Kein Unternehmer, der
o denkt und handelt, stößt mit seinen Sorgen bei uns auf
aube Ohren.
Aber die oben beschriebenen Wahrheiten gibt es

uch. Diese Missstände nehmen zu, bei uns und interna-
ional. Das darf man nicht verschweigen und das darf
an nicht billigend in Kauf nehmen – im Interesse der
rbeitnehmer, des sozialen Friedens und der Demokra-
ie. Wir wollen soziale Marktwirtschaft in Deutschland.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Soziale Marktwirtschaft – das ist wichtig – ist voll
ettbewerbsfähig in der Konkurrenz zum Marktradika-
ismus. Der Wohlstand in Deutschland in den vergange-
en Jahrzehnten hat sich auf der Grundlage von sozialer
arktwirtschaft entwickelt und nicht durch Marktradi-
alismus und nicht durch Kapitalismus pur.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


m Gegenteil: Wo totale Ökonomisierung das Handeln
estimmt, hat der soziale Auftrag der Politik keine
hancen mehr. Wirtschaft ist aber für die Menschen da
nd nicht umgekehrt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das leitet sich im Übrigen nicht nur aus unserem Pro-
ramm, sondern auch aus unserem Grundgesetz ab.
rt. 20, ein Artikel, der nicht – auch nicht mit Zweidrit-
lmehrheit – verändert werden kann, lautet:

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokrati-
scher und sozialer Bundesstaat.

rt. 14 bestimmt:
Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich
dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

o wie Deutschland wollen wir auch Europa: demokra-
sch und sozial.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16095


(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Wenn die Menschen das Vertrauen in die Politik, in den
Staat und darin verlieren, dass diese Maximen des
Grundgesetzes Messlatte für das Handeln bleiben, sieht
es für die Reputation der Demokratie schlecht aus.

Die Staatsquote ist auf 47,5 Prozent gesunken. – Sie
sollten sich das noch einmal ansehen; denn so gehen Sie
mit Zahlen um –: Nicht 50 Prozent, sondern 47,5 Pro-
zent ist richtig. Das ist ein kleiner, aber feiner Unter-
schied. – Wir haben die Körperschaftsteuer von 40 auf
25 Prozent gesenkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Jetzt wollen Sie auf Pump weiter senken!)


Wir senken diesen Satz weiter auf 19 Prozent. Wir haben
die Einkommensteuer in der Spitze von 53 auf 42 Pro-
zent gesenkt.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Und die Arbeitslosigkeit erhöht!)


Wir haben die Dynamik der Lohnnebenkosten gebrochen
und die Lohnnebenkosten leicht gesenkt.

Das alles war richtig. Dazu stehen wir; denn wir wol-
len, dass deutsche Unternehmen wettbewerbsfähig sind.
Aber es muss nun auch gut sein mit dem Lamento be-
stimmter Wirtschaftsfunktionäre,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


die die Politik für alles verantwortlich machen und selbst
mit der Macht des Geldes winken, wenn sie die Qualität
des Wirtschaftsstandortes herunterreden. Es reicht.

Ich sage den anständigen Unternehmen in Deutsch-
land – das sind die meisten –: Wir sind unverändert zu
zielführender Zusammenarbeit


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Was ist denn Ihre Politik?)


zum Nutzen der Unternehmen und zum Nutzen der Men-
schen in unserem Land bereit. Den anderen sage ich: Wir
lassen den Sozialstaat nicht schleifen und die soziale
Marktwirtschaft nicht amputieren. Wir lassen das Ver-
trauen in die Handlungsfähigkeit unserer Demokratie
nicht ramponieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Debatte ist fällig. Bei dieser Debatte darf es
nicht bleiben. Wer dieses Land erneuern und zusammen-
halten will, wer Wohlstand und soziale Gerechtigkeit
dauerhaft will – wir wollen das –, wird diese Baustelle
nicht liegen lassen dürfen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Das Wort hat die Kollegin Dagmar Wöhrl, CDU/ SU-Fraktion. Liebe Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Lieber Herr Müntefering, wenn man Sie so reen hört, hat man fast das Gefühl, dass wir regieren und ie in der Opposition sind. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Darauf bereit er sich vor! Genauso ist es!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517205600
Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1517205700

ie sind doch für die Politik in diesem Land verantwort-
ich. Sie haben doch alle Möglichkeiten, die soziale
arktwirtschaft so zu gestalten, wie Sie sie hier vorge-
tellt haben. Anstelle dessen bringen Sie Jahrhunderte
ach Marx


(Jörg Tauss [SPD]: Jahrhunderte? Gnädige Frau, in welchem Alter sind Sie?)


lassenkampfparolen. Das ist ein plumpes, durchschau-
ares Wahlkampfmanöver, um in Nordrhein-Westfalen
ieder an die Regierung zu kommen.
Sie versuchen, mit pauschalen, ideologischen An-

chlägen auf die Wirtschaft von der Realität in diesem
and abzulenken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ir haben in diesem Land über 5 Millionen Menschen
hne Arbeit, davon mehr als 1 Million allein in Nord-
hein-Westfalen.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Das ist das Ergebnis sozialdemokratischer Politik!)


ch glaube, diese Realität spricht für sich und zeigt ganz
enau, auf welcher Seite in diesem Hause das Versagen
iegt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Menschen haben Sorgen. Die Menschen haben
ngst um ihren Arbeitsplatz. Die Menschen haben
ngst, keinen Arbeitsplatz mehr zu bekommen. Sie er-
arten zu Recht unseren Beistand und nicht irgendeine
llusion oder Propaganda, hinter der außer leeren Wort-
ülsen nichts steckt, hinter der keine politische Alterna-
ive steht, die aufzeigt, wie ihnen geholfen werden soll.


(Jörg Tauss [SPD]: Dann mal konkret!)

Wir alle wissen: Deutschland ist nun einmal Teil eines

rößer gewordenen Wirtschaftsraums geworden. Wir
issen: Der Wettbewerb ist stärker geworden. Wir wis-
en aber auch, dass Deutschland beim Wachstum unter
en 25 Mitgliedstaaten der EU an 25. Stelle steht, dass
ir Letzter sind. Die Ursache dafür ist nicht irgendein
arktversagen, wie Sie es den Menschen glauben ma-
hen wollen. Die Ursache ist ein Staatsversagen. Wer re-
iert denn in diesem Land? Das sind Rot und Grün und
icht wir von der Union.

16096 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Dagmar Wöhrl


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Norbert Röttgen [CDU/ CSU]: Das ist das Problem!)


Ich wundere mich schon, warum andere Staaten, die un-
sere Mitbewerber sind, im internationalen Vergleich vor
uns sind, obwohl sie die gleichen weltwirtschaftlichen
Rahmenbedingungen haben wie wir. Das ist doch keine
Laune des Schicksals. Das ist doch reine hausgemachte
Politik, die Sie in diesem Hause vertreten und praktizie-
ren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kapital ist
mobiler geworden, das wissen wir. Mit solchen Propa-
gandaallüren, wie Sie sie hier anbringen, wird das Kapi-
tal Deutschland meiden. Es werden keine Investitionen
hier getätigt werden. Vertrauen ist ein ganz, ganz wichti-
ger Wachstumsfaktor. Das heißt, wenn die Menschen
kein Vertrauen mehr haben, werden sie nicht mehr kon-
sumieren. Wenn die Unternehmer kein Vertrauen mehr
haben, werden sie nicht mehr investieren. Bei 5 Millio-
nen Menschen ohne Arbeit brauchen wir drei Dinge: ers-
tens Jobs, zweitens Jobs und drittens Jobs. Wir brauchen
nicht irgendwelche Klassenkampfparolen, die ökonomi-
scher Unfug hoch drei sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir brauchen Unternehmen, die Arbeitsplätze schaffen.
Es sind immer noch die Unternehmer, die hier die Ar-
beitsplätze schaffen. Sie wissen ganz genau, dass nur
rentable Unternehmen, die Gewinn oder eine Hoffnung
auf Gewinn haben, Arbeitsplätze schaffen. Deswegen ist
eine pauschale Gewinnverteufelung der vollkommen fal-
sche Weg.


(Joachim Poß [SPD]: Das haben wir nicht gemacht! Sie können ja nicht mal zuhören!)


Ich gebe ja zu, es darf auch bei Unternehmern keine
Immunität gegen Kritik geben. Ich gebe auch zu, dass
nicht alle Unternehmensentscheidungen richtig sind.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Punkt!)


Ich gebe auch zu, dass viele Managerentscheidungen,
gerade in der letzten Zeit, auch Arbeitsplätze gekostet
haben.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss man nicht sagen, oder wie? Darf man das sagen?)


Man muss aber auch ganz ehrlich sagen, dass viele Tau-
sende kleine und mittlere Betriebe eine ganz große so-
ziale Verantwortung ihren Mitarbeitern gegenüber ha-
ben. Gott sei Dank wissen das deren Mitarbeiter auch
und lassen sich nicht von solchen Parolen, wie Sie sie
hier von sich geben, ins Bockshorn jagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie zeigen hier eine unwahrscheinliche Orientie-

rungslosigkeit, Sie zeigen hier eine unwahrscheinliche
Unglaubwürdigkeit. Man weiß überhaupt nicht mehr, wo
Ihre Wirtschaftspolitik überhaupt hingeht. Welchen Weg
haben Sie überhaupt eingeschlagen? Auf der einen Seite

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(C (D ässt sich der Kanzler, wie in Davos, vom internationalen apital ganz groß als der große Reformer feiern, als Geosse der Bosse. (Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Waffenembargo!)


ie, lieber Herr Müntefering, haben den anderen Part der
rbeitsteilung. Sie sind der Genosse der Genossen, Sie
eschimpfen auf der anderen Seite das internationale
apital, das den Kanzler wiederum lobt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


Da frage ich mich schon, was sich Ihre Kollegin Ute
ogt dabei gedacht hat, hier zum Boykott aufzurufen.
as könnte für viele kleine Betriebe, die wirklich ums
ackte Überleben kämpfen, in der Zukunft den Todes-
toß bedeuten, sodass sie dann in Insolvenz gehen und
uch die letzten Arbeitsplätze hier vernichtet werden.
Ich wundere mich auch, wie Sie mit der „Frankfurter
undschau“, an der Sie beteiligt sind, hier umgehen.
underte von Arbeitsplätzen sollen bei dieser Zeitung
bgebaut werden. Sie machen momentan einen Aufruf
n Ihre Mitglieder, die „Frankfurter Rundschau“ zu abo-
ieren. Da frage ich mich schon: Abonieren oder boy-
ottieren? Sie müssen sich in Zukunft schon entschei-
en, was Sie wollen.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517205800

Frau Kollegin, in der Aktuellen Stunde haben Sie fünf
inuten Redezeit; diese haben Sie überschritten.

Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1517205900

Wenn der Minister sagt, man dürfe die Welt nicht dem
eld überlassen, dann, glaube ich, kann man nur eines
agen: Man darf Nordrhein-Westfalen nicht der SPD
berlassen. Das wäre wirklich der Königsweg in das ver-
angene Jahrhundert.
Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517206000

Das Wort hat der Kollege Werner Schulz, Bündnis 90/
ie Grünen.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
öhrl, Herr Westerwelle, Sie machen es sich zu leicht,
enn Sie die Kapitalismuskritik von Franz Müntefering
ier als Propaganda, als Wahlkampf, als Klassenkampf
btun. Ich finde, diese Kritik ist berechtigt und sie ist
berfällig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


öglicherweise – das sieht man daran – bedarf es herz-
after und drastischer Worte, um einen nötigen Diskurs
om Zaum zu brechen. Übrigens ist Franz Müntefering
icht gerade der erste und einzige Kapitalismuskritiker

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16097


(A) )



(B) )


Werner Schulz (Berlin)


im 21. Jahrhundert. Ich erinnere Sie nur an Ihre Lobprei-
sungen für den verstorbenen, hoch verehrten Papst
Johannes Paul II.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das sind aber zwei Welten, der Kapitalismus und der Papst!)


Er hat sich sehr wohl für den Ordnungsrahmen der Frei-
heit eingesetzt. Er hat, wie wir wissen, auch einiges da-
für getan. Er hat die Chancen der Globalisierung ge-
schätzt, er hat die freie Marktwirtschaft und den freien
Welthandel geschätzt, aber er hat in seiner Enzyklika
Centesimus Annus beispielsweise auch darauf verwie-
sen, dass der Profit nicht das einzige Kriterium für den
wirtschaftlichen Erfolg sein kann, sondern dass es im-
merhin um die Menschen in den Unternehmen geht,
ohne die nichts läuft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn man die nicht anständig behandelt, dann werden
die Leistungsfähigkeit und der wirtschaftliche Erfolg in-
frage gestellt.

Oder lesen Sie die Philippika von Heiner Geisler im
November vergangenen Jahres in der „Zeit“,


(Jörg Tauss [SPD]: Sozialismus!)

in der er sich darüber beklagt, dass die Globalisierung
nicht human gestaltet wird,


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Das geht nun wirklich zu weit!)


und darauf hinweist, dass anonyme Finanzmärkte in ih-
rer endlosen Gier nach Geld ihre eigenen Hirne zerfres-
sen.


(Jörg Tauss [SPD]: Er wird ausgeschlossen!)

Sinngemäß hat er geschrieben, dass nur Dummköpfe
und Besserwisser den Leuten einreden könnten, dass
man Solidarität und Partnerschaft aufgeben könne, ohne
dafür in der Demokratie einen politischen Preis zahlen
zu müssen. Nichts anderes hat Franz Müntefering ge-
sagt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Daniela Dahn zum Beispiel – Mitbegründerin des De-

mokratischen Aufbruchs, dem auch Frau Merkel ent-
stammt und in dem sie ihre ersten politischen Schritte
gemacht hat – schreibt, sie wollte immer in der Demo-
kratie leben, aber nie im Kapitalismus. Es ist doch inte-
ressant, dass viele in Ostdeutschland den Begriff Man-
chester-Kapitalismus aus den verstaubten Annalen eines
Trierer Bürgersohns erst in den 90er-Jahren wiederent-
deckt haben. Bis dahin haben sie diesen Lektionen in
Marxismus gar nicht geglaubt. Sie haben erst in den
90er-Jahren wieder Akzeptanz gefunden.

Wenn Sie schon danach fragen: Es ist vielleicht nicht
mit biblischen Landplagen zu vergleichen, aber Sie fin-
den im Osten ganze Landstriche, die deindustrialisiert
worden sind, und Sie können dort erleben, wie die Kara-
wane der Schnäppchenjäger jetzt gen Osten weiterzieht,

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(C (D eil die Subventionen ausgelaufen sind oder auslaufen erden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


Das hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu
n, Herr Gerhardt. Ich weiß, dass Ihr Neoliberalismus
hnehin nur darauf hinausläuft, sich von der Sozialbin-
ung zu lösen, die die soziale Marktwirtschaft eigentlich
at.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Da gab es vorher einen Staat, der sie ruiniert hat!)


as ist der Neoliberalismus, den Sie predigen.
Die großartigen Debattenredner zum Thema Patriotis-
us hätten in den 90er-Jahren die Chance gehabt, ihren
atriotismus zu beweisen. Was aber haben Sie gemacht?
ie haben die deutsche Einheit über Schulden und Lohn-
ebenkosten finanziert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


uch das sind doch belastende Faktoren, wegen denen
ir nicht weiterkommen.
Damals hätten Sie dem nationalen Kapital an den pa-

iotischen Kragen gehen können. Der Erfinder der so-
ialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhardt, hat das mit ei-
er Investitionsanleihe gemacht. Das ist insofern nichts
eues. Sie aber haben das versäumt. Sie haben uns
chulden und unendliche Lohnnebenkosten hinterlassen.
In diesem Zusammenhang sind einige Fragen erlaubt.
as ist das für eine Wirtschaft, die schon seit Jahren
icht in der Lage ist, genügend Ausbildungsplätze für ih-
en eigenen Nachwuchs zur Verfügung zu stellen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


as ist das für eine Wirtschaft, die uns seit Jahren Mil-
onen Arbeitslose überlässt und die Kosten auf die Ge-
ellschaft abwälzt?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

as ist das für eine Wirtschaft, die sich gegen Mindest-

öhne sträubt, aber grenzenlose Einkommen im Manage-
ent zulässt?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

as ist das für eine Wirtschaft, die sämtliche Insolven-
en, Schwächen, Fehler und selbst das schwache Wachs-
um der Politik anlastet, ohne die Fehler auch bei sich
elbst zu suchen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dagmar Wöhrl [CDU/ CSU]: Der Wahlkampf lässt grüßen!)


Ich will es mir aber nicht zu einfach machen. Denn
hre Kritik, Kollege Müntefering, richtet auch einige
ragen an uns, die wir in der Regierungsverantwortung
nd – wie ich hoffe – auch an der Macht sind.

16098 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Werner Schulz (Berlin)



(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Jetzt hat er den Faden gefunden!)


– Sie sehen, dass meine Rede sehr ausgewogen ist; das
sollte Sie freuen.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich meine, wir müssen die Frage stellen, warum wir

das Prinzip „Fördern und Fordern“ bisher nur auf die Ar-
beitnehmerseite bezogen haben, statt auch die Arbeitge-
berseite mit einzubeziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir müssen auch fragen, warum die Arbeitgeber nicht
am Jobgipfel beteiligt waren, obwohl sie eigentlich die
wichtigsten Partner sind, die das erreichen könnten, was
notwendig ist.

Wir müssen des Weiteren fragen, ob die Senkung der
Unternehmensteuer wirklich etwas bringt, wenn die bis-
herigen Steuersenkungen nichts gebracht haben –


(Beifall des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517206100

Herr Kollege, auch Sie muss ich mahnen, zum Ende

zu kommen.

Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

– und viele die doppelte Buchführung beherrschen,
indem sie die Gewinne gegenüber den Aktionären und
die Verluste gegenüber dem Finanzamt und damit dem
Staat ausweisen. Auch diese Fragen müssen wir klären.

Ich halte insofern die Diskussion für überfällig. Wir
sollten es uns nicht so leicht machen, wie Sie das Thema
abtun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517206200

Das Wort hat der Kollege Hartmut Schauerte, CDU/

CSU-Fraktion.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1517206300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Bei jeder Fragestellung ist wichtig, zu berück-
sichtigen, zu welchem Zeitpunkt oder aufgrund welcher
Motivation sie ins Licht gerückt wird.


(Jörg Tauss [SPD]: Gut beobachtet!)

Das ist hier der entscheidende Punkt. Wir haben seit
sechseinhalb Jahren eine rot-grüne Regierung. Es gibt
5,2 Millionen Arbeitslose und 40 000 Pleiten. Ihr Politik-
ansatz greift offenkundig nicht, wenn es um neue Per-
spektiven, mehr Wachstum und die Befriedung unserer
Verhältnisse geht. Außerdem gibt es bald Wahlen in Ih-
rer Hochburg, Herr Müntefering, besser: in Ihrer gewe-
senen Hochburg.

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(C (D In dieser Situation fällt Ihnen nichts anderes als Vehiel ein, als noch kurz vor bzw. nach zwölf mit einfachen ntworten eine Stimmungswende in Nordrhein-Westfaen herbeizuführen. Das macht Ihren ganzen Ansatz sehr nglaubwürdig. r hat zwar einen Kern, über den man reden kann. Aber n diesen Zusammenhang gestellt, ist er nichts anderes ls Wahlkampfgetöse. Sie versprechen den Leuten kurz or der Wahl eine einfache Lösung, obwohl Sie keine eit mehr haben, Ihren Ansatz anzuwenden. Sie werden hn auch nachher nicht mehr aufgreifen; denn Sie haben ie bisher keine wirksamen Lösungsansätze für das, was ie kritisieren, aufgezeigt. Bisher war es das Privileg von NPD und PDS, in chwierigen Verhältnissen die Leute mit einfachen Antorten in die Irre zu führen. n Ihrer Not machen Sie nun etwas Ähnliches, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist schauerlich!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Widerspruch bei der SPD)

nd das zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Bundes-
anzler noch immer als Genosse der Bosse feiern lässt.
as ist Ihre Zweipoligkeit: Müntefering für das sozialis-
ische Herz und das Träumen, Gerhard Schröder für die
roßen Unternehmen in diesem Land. Entschuldigung,
ber war die Telekom unter Herrn Sommer elegant ge-
ührt? Damals hatte der Staat allen Einfluss. War Herr
ichel der Heuschreckenvertreter oder wer sonst ist für
ie dortige Fehlentwicklung verantwortlich? Wer hat
0 000 Leute in die Arbeitslosigkeit geschickt: eine
euschrecke oder der Finanzminister dieses Landes? Sie
ollten sich einmal vergewissern, was Sie selber ange-
ichtet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Müntefering, der Bund selber entlässt

edes Jahr – wir halten das für richtig – 4 500 Bediens-
ete in die Arbeitslosigkeit oder baut sie ab. Ist dafür eine
euschrecke verantwortlich oder ist das notwendig?


(Zuruf von der SPD: Schwachsinn!)

it Ihren einfachen Thesen können Sie die Menschen
war zunächst verwirren und einen Vorteil daraus zie-
en.


(Franz Müntefering [SPD]: Sie kann man nicht mehr verwirren!)


ber Sie verschärfen damit das Problem. Die Antwort
uf die Fragen, die Sie stellen, ist eine Modernisierung,
ine Reform unserer sozialen Marktwirtschaft. Es gibt
einen anderen intelligenten Weg. Aber Sie erwecken
en Eindruck, dass es eine Alternative gibt. Natürlich
reifen wir – zumindest genauso ernsthaft wie Sie – an,
enn Unternehmer verantwortungslos handeln. Hier las-
en wir uns von Ihnen schon lange nicht mehr überbie-
en.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16099


(A) )



(B) )


Hartmut Schauerte


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Werner Schulz [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur zu! Dieser Teil fehlt noch!)


Aber wir müssen schauen, was wir in der Politik tun
können, welches unsere Aufgabe ist.

Da Sie Ihren eigenen Politikladen nicht in Ordnung
bringen können, lenken Sie nun die Scheinwerfer auf
Felder, auf denen einiges verändert und kritisiert werden
kann und muss, was sich nicht gehört.


(Peter Dreßen [SPD]: Zum Beispiel? Was denn?)


Aber hier sind Sie genauso dabei wie der Rest der Repu-
blik. Sie haben es bisher zugelassen. Mit wem verreist
der Bundeskanzler eigentlich permanent nach Indien,
China und Abu Dhabi? Sie haben einen ersten Ballon
steigen lassen, als Sie von „vaterlandslosen Gesellen“
sprachen. Das hat nun eine zweite Stufe erfahren. Sind
das eigentlich Reisegruppen von vaterlandslosen Gesel-
len, an deren Spitze der Bundeskanzler als Reiseleiter
steht? Nein, es ist komplizierter. Man muss schon genau
hinschauen.

Man muss das eine tun und darf das andere nicht las-
sen. Man muss die Wirtschaft und die Globalisierung
fördern sowie die daraus resultierenden Chancen nutzen
und die Risiken minimieren. Das ist aber mit Ihren plat-
ten Antworten, die Sie in der Hoffnung geben, dass sie
im Wahlkampf wirken, nicht möglich. Sie richten Scha-
den am Standort Deutschland an, indem Sie erstens die
Reformprozesse in der sozialen Marktwirtschaft nicht
erfolgreich auf den Punkt bringen und zweitens solche
Nebenkriegsschauplätze wie die geschilderten aufma-
chen und damit einige Gutwillige zusätzlich verunsi-
chern, die bisher ihre Pflichten am Standort Deutschland
getan haben. Das gilt insbesondere für den Mittelstand,
für den ich hier politisch einstehe. Den Mittelstand ha-
ben Sie doch im Prinzip allein gelassen.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Was?)

Die Großen sind doch deutlich mehr als die Kleinen ent-
lastet worden. Das eigentliche Herz der Wirtschaft in
Deutschland, den Mittelstand, lassen Sie allein. Jetzt hel-
fen Sie dieser Abteilung unserer Volkswirtschaft wieder
nicht, sondern beschimpfen sie. Das ist keine Zielfüh-
rung, sondern die panische Reaktion einer großen Partei,
die dabei ist, ihre letzte Bastion zu verlieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist eine Notmaßnahme. Diese Maßnahme schafft
aber kein Vertrauen in die Zukunft. Es ist schade, dass
sich die große SPD zu diesen einfachen Antworten hin-
reißen lässt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517206400

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1517206500

Dieser Weg wird wohl in die Irre führen.
Herr Müntefering, Sie haben sich heute –

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(C (D Herr Kollege, Sie müssen wirklich zum Ende komen. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Er ist doch fertig! Schauerte hat fertig!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517206600


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1517206700

– sehr provinziell verhalten. Ich hätte das nicht für
öglich gehalten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517206800

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
erd Andres.

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Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1517206900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren!

Deutschland braucht Wachstum. Das ist der erste
Leitsatz, wenn wir über Wohlstand für alle sprechen
wollen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
Deutschlands muss erstklassig sein, im Lande
selbst und im internationalen Vergleich. Das erfor-
dert Wettbewerbsfähigkeit, hohe Produkt- und
Dienstleistungsqualität, exzellentes Wissen zu kon-
kurrenzfähigen Kosten. Wir stehen dabei in einem
harten und mit der Globalisierung weltweiten Wett-
bewerb, das gilt für die innerbetrieblichen und für
die gesellschaftlichen und staatlichen Rahmenbe-
dingungen der Unternehmen. Die Bedingungen von
Wirtschaftspolitik haben sich seit der deutschen
Einheit radikal verändert. Der globale Druck hat
zugenommen. Gleichzeitig haben sich weitere Fak-
toren wie die demographische Entwicklung unserer
Gesellschaft verändert.

Ich nehme an, das alles sind Sätze, die Sie unter-
chreiben können und die Sie für richtig halten. Das sind
ätze von Franz Müntefering aus einer Grundsatzrede
om 21. Februar dieses Jahres in der Programmdebatte.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [SPD])

In der gleichen Rede kommt folgende Formulierung

or:
Die SPD will, dass Unternehmen erfolgreich sind
und Gewinne machen, denn das ist die Vorausset-
zung für Arbeit und Wohlstand. Und dass sie wach-
sen. Deutschland braucht Wachstum, wenn Wohl-
stand bleiben soll. Wachstumsskeptizismus ist
schädlich, Wachstumsgestaltung ist möglich und
sinnvoll.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Gilt das noch? – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Was gilt hier eigentlich?)


In seiner Rede in der vergangenen Woche sagte er:
Wir wollen soziale Marktwirtschaft und nicht
Marktwirtschaft pur.

16100 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Parl. Staatssekretär Gerd Andres


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Worüber reden wir hier eigentlich? Worüber regen Sie

sich so auf? Franz Müntefering hat einen wichtigen An-
stoß gegeben, um sich mit grundlegenden Fragestellun-
gen, die das Zusammenspiel von Staat und Markt sowie
von Demokratie und Wettbewerb betreffen, auseinander
zu setzen.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Andres liest Müntefering!)


Dieser Anstoß ist wichtig, um unsere Aufmerksamkeit
auf mögliche Fehlentwicklungen, auf Ansätze zu not-
wendigem politischem Handeln zu richten.

Um die Dinge auf den Punkt zu bringen – damit sie
jeder versteht –: In einer Demokratie ist es wichtig, auf
Gefahren und Probleme für unser Miteinander deutlich
und nachhaltig hinzuweisen, damit darüber diskutiert
werden kann. Damit klar ist, worüber wir reden, sage ich
Ihnen, auch im Namen der Bundesregierung, ganz deut-
lich: Alle von Franz Müntefering aufgezählten Punkte
kann ich nur unterstützen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das wundert mich nicht! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie sind an der Regierung! Sie müssen Lösungen bringen!)


Sie können das doch wahrscheinlich auch tun.
Ich weiß nicht, ob Sie Folgendes verstehen können

– ich verstehe es nicht und viele Menschen in der Bevöl-
kerung verstehen es auch nicht –: Manche Unternehmen
und manche Banken – ich weise ausdrücklich darauf hin,
dass Franz Müntefering von „manchen“ gesprochen hat –
machen hohe Gewinne. Arbeitnehmer dieser Unterneh-
men machen auf breiter Front Lohnzugeständnisse.
Gleichzeitig werden Arbeitsplätze dort abgebaut. Trotz-
dem verlagern diese Unternehmen ihren Sitz ins Ausland
und die Standorte werden platt gemacht. Es wäre interes-
sant, wenn Herr Westerwelle dazu etwas sagte.

Ich nenne als Beispiel die Firma Otis in Stadthagen in
Niedersachsen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Otis ist ein Fahrstuhlproduzent, ein hochmodernes und
wettbewerbsfähiges Unternehmen, das Gewinne erzielt.
Die Firma wurde von einem amerikanischen Konzern
übernommen, der gesagt hat: Die Gewinnmarge reicht
uns nicht. Wir machen zu.

Dann passierte Folgendes: Der niedersächsische Mi-
nisterpräsident pilgerte dahin und redete mit denen. Der
konnte so viel reden, wie er wollte; das hat die gar nicht
beeindruckt. Der Oppositionsführer ist dahin gefahren.
Auch das hat die überhaupt nicht beeindruckt. Die haben
den Standort zugemacht. 360 Arbeitsplätze wurden ver-
nichtet. Man hat den Standort in Tschechien errichtet. In
der Zwischenzeit hört man aus dem Unternehmen, dass
es offensichtlich eine Fehlentscheidung war, dahin zu

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(C (D ehen, weil man nicht das notwendige qualifizierte Peronal findet. Solche Tatbestände müssen öffentlich diskutiert wer en. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Ja, klar!)


a hilft nicht das, was Sie erzählen. Wir müssen darüber
eden, welche ethische Verantwortung es eigentlich für
nternehmerisches Handeln und für Wirtschaften insge-
amt gibt. Herr Westerwelle, es tut mir sehr Leid, sagen
u müssen: Sie haben Ihre ethische Verantwortung für
as Wirtschaften seit den Zeiten von Karl-Hermann
lach abgegeben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist ein unglaublicher Vorwurf!)


ie treten für einen nackten Kapitalismus, für einen Ka-
italismus pur und nichts anderes ein.
Heute Morgen ist hier über die Koalitionsvereinba-

ung diskutiert worden. Ein großes Problem ist Nachhal-
gkeit. Wir sind damit konfrontiert, dass der Return on
nvestment in immer schnelleren Zyklen mit immer hö-
eren Margen bedingungslos durchgesetzt wird, dass
achhaltigkeit überhaupt keine Rolle mehr spielt und
ass auch soziales Handeln gegenüber den Menschen
eine Rolle mehr spielt. Solche Tatbestände müssen an-
eprangert werden. Verantwortliches politisches Han-
eln muss dafür sorgen, dass denen, die so agieren, das
andwerk gelegt wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist die Auffassung der Bundesregierung – das ist
chon gesagt worden –, dass Franz Müntefering eine
ichtige Diskussion angestoßen hat. Es lohnt sich sehr,
iese Diskussion weiterzuführen. Ich stimme ihm in Fol-
endem zu: Wir brauchen Arbeitsplätze, die auch unter
ettbewerbsbedingungen bestehen können.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das hat aber lange gedauert, bis die Erkenntnis bei Ihnen gewachsen ist!)


er würde das leugnen? Das leugnet auch er nicht; er ist
ehr dafür. Die Frage ist aber – dazu würde ich gern et-
as von Ihnen hören, insbesondere von Herrn
esterwelle –: Wo ist da eigentlich die Grenze? Wohin
üssen wir? Müssen wir hin zu Löhnen, die bei 1, 2,
,5 oder 3 Euro liegen? Was sind die Bedingungen, die
ür ethische Verantwortung beim Wirtschaften gesetzt
erden?
Völlig klar ist: Unternehmen müssen Gewinne ma-

hen.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch bei Ihnen schon bedenklich!)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16101


(A) )



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Parl. Staatssekretär Gerd Andres

Das bestreitet niemand; das ist auch Position der Bun-
desregierung. Aber wo sind die Grenzen? Womit hat
man sich gesellschaftlich auseinander zu setzen?


(Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Machen Sie mal einen Vorschlag!)


Ich bin in dem Zusammenhang inhaltlich sehr bei
Franz Müntefering


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Staatsinterventionismus pur!)


und dem Diskussionsanstoß, den er geliefert hat. Ich will
auf Folgendes hinweisen: In internationalen Zusammen-
hängen – ich nenne einmal die ILO – gibt es längst eine
Diskussion darüber, ob man Decent Work durchsetzen
muss. Es geht darum, dass es für Arbeit auch einen men-
schenwürdigen Lohn geben muss. Ich kenne einige, auch
in Ihren Reihen, die für eine solche Position stehen. Alle
diese Fragen sind in einem solchen Zusammenhang zu
thematisieren. Man muss von einer anständigen Arbeit
auch anständig leben können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es muss eine gesellschaftliche Verantwortung geben.
Die Politik der hemmungslosen Individualisierung und
des Marktradikalismus


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Aber wer macht das denn?)


führt dazu – das noch an Herrn Westerwelle –, dass der
Angriffspunkt sozusagen der Staat insgesamt ist.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Über welches Land reden Sie?)


Da diskutiert man letztlich über die Beseitigung des
Staates. Da geht es um eine grenzenlose Entstaatlichung.
Das werden wir nicht mitmachen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Über welches Land reden Sie?)


Eine Diskussion über all das ist in diesem Land längst
überfällig. Wir fürchten sie nicht.


(Lachen des Abg. Dr. Andreas Pinkwart [FDP])


Wir fürchten auch nicht manch dumme Schlagzeile und
manch dumme Position, die da vertreten wird. Wir ver-
suchen, diesen Staat, diese Gesellschaft mit der
Agenda 2010, mit dem 20-Punkte-Programm zu moder-
nisieren. Sie können tatkräftig mithelfen. Geben Sie Ihre
Verweigerungsposition und -politik auf! Helfen Sie mit,
dieses Land zu modernisieren! Helfen Sie mit, hier Ar-
beitsplätze zu schaffen!


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Seit wann haben Sie Arbeitsplätze geschaffen?)


Das ist vernünftiger, als eine solche Scheindebatte zu
führen, wie sie von der FDP beantragt wurde.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Nächster Redner ist der Kollege Dr. Andreas inkwart, FDP-Fraktion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Deutschland ist in der längsten Stagnationshase seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland, at die höchste Staatsverschuldung und die höchste Areitslosigkeit. Deutschland ist Schlusslicht in Europa. a treten Sie, Herr Müntefering, auf den Plan und mahen anonyme Mächte in der Wirtschaft für diese tiefe rise verantwortlich. (Dr. Uwe Küster [SPD]: Name und Hausnummer!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517207000
Prof. Dr. Andreas Pinkwart (FDP):
Rede ID: ID1517207100

Wer ist denn eigentlich gemeint?
Der Bundeskanzler hat erst vor wenigen Tagen einen

nnovationsgipfel veranstaltet. Daran haben die größten
eutschen Unternehmen teilgenommen: IBM, Thyssen,
ertelsmann und Lufthansa, auch ein Unternehmen, das
ie eben genannt haben, Herr Müntefering, nämlich die
irma Siemens. Auf Nachfragen von Journalisten, ob
iese Firmen von Herrn Müntefering gemeint sein könn-
en, hat der Bundeskanzler geantwortet, diese seien auf
einen Fall gemeint.


(Hubertus Heil [SPD]: So hat er das sicher nicht gesagt!)


ennoch legte Herr Steinbrück gestern nach und sagte,
n der Wirtschaft gebe es viele, die kurzfristig handelten
nd mit Patriotismus nichts am Hut hätten. Ich frage Sie:
ind etwa die Mittelständler in Deutschland die, die Sie
einen, die diese Mächte entfalten?


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! – Peter Dreßen [SPD]: Bleiben Sie bei der Wahrheit! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sie haben gar nichts verstanden!)


enn sie waren zum Innovationsgipfel des Bundeskanz-
ers erst gar nicht eingeladen worden, obwohl sie die
eisten Arbeits- und Ausbildungsplätze in diesem Land
tellen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn es die Mächte gäbe, gegen die sich eine funk-
ionierende soziale Marktwirtschaft nicht wehren kann,
ie Herr Müntefering es vorgibt, müssten auch in den
nderen europäischen Ländern wirtschaftlicher Nieder-
ang und Massenarbeitslosigkeit vorherrschen. Das Ge-
enteil ist der Fall: Die Weltwirtschaft – das weiß auch
taatssekretär Andres – ist im vergangenen Jahr so stark
ewachsen wie seit 30 Jahren nicht mehr.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Weiß er das?)


eutschland aber ist bei Wachstum und Beschäftigung
as Schlusslicht in Europa.
Wie sieht es nun innerhalb Deutschlands aus? Wie

ieht es mit der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland

16102 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Dr. Andreas Pinkwart

aus? Schauen Sie sich einmal die Bundesländer an! Da
haben wir auf der einen Seite das seit Jahren von der
FDP gemeinsam mit der CDU regierte Baden-Württem-
berg


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Döring! Döring!)


und auf der anderen Seite das seit 39 Jahren von der SPD
– zehn Jahre davon gemeinsam mit den Grünen – re-
gierte Nordrhein-Westfalen. Wenn wir einmal diese bei-
den Bundesländer,


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Döring!)

die die gleichen bundes- und europapolitischen Rahmen-
bedingungen haben und die es mit ähnlichen Unterneh-
men zu tun haben, gegenüberstellen, stellen wir fest: In
Nordrhein-Westfalen ist die Arbeitslosigkeit um
70 Prozent höher als in Baden-Württemberg und die In-
solvenzquote ist in Nordrhein-Westfalen doppelt so
hoch.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Nicht weinen!)

Damit wird deutlich: Die für die Krise in unserem Land
Verantwortlichen bleiben nicht anonym.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Jawohl, Herr Döring!)


Sie haben ein Gesicht. Sie haben auch eine Farbe: Die
für die Krise und für die Arbeitslosigkeit Verantwortli-
chen haben sowohl im Bund wie auch in Nordrhein-
Westfalen die Farbe Rot-Grün.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Bei Ihrer Kapitalismuskampagne geht es um nichts

weiter

(Florian Pronold [SPD]: Wir machen keine Kampagne!)

als um eine Verschwörungstheorie, die den einzigen
Zweck hat, über die wahre Verantwortung, die bei Ihnen
liegt, hinwegzutäuschen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

Das ist zynisch, das ist populistisch und das ist verant-
wortungslos.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Statt den Menschen durch eine moderne Wirtschafts-

politik, durch beste Bildung und Innovation den Rücken
zu stärken, ihnen Mut zu machen und ihre Chancen auf
den globalisierten Märkten zu erhöhen, fördern Sie mit
Ihrer Kampagne Ängste, die erst durch Ihre verfehlte Po-
litik ausgelöst worden sind. Das ist die Wahrheit über Ihr
Vorgehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Da der Herr Staatssekretär eben über niedrig bezahlte
Berufe gesprochen hat, möchte ich auf einen bemerkens-
werten Zusammenhang hinweisen. Auf entsprechende
Nachfrage der FDP-Landtagsfraktion in Düsseldorf gab
die Landesregierung zur Antwort: Es gibt kein Bundes-

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(C (D and in der Bundesrepublik Deutschland, in dem der Zuammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungsbschluss so stark ist wie in Nordrhein-Westfalen. Es war Ihre Landesregierung, die diese Antwort gegeen hat. (Zuruf von der SPD: Das ist eine Lüge! Lächerlich! – Peter Dreßen [SPD]: Sie sagen bewusst die Unwahrheit!)


(Zurufe von der SPD: Bayern!)


eswegen sagen wir ganz klar: Dort, wo Sie Verantwor-
ung hatten, hätten Sie durch eine bessere Bildungspoli-
ik die Voraussetzung dafür schaffen können, dass die
enschen nicht in die Arbeitslosigkeit entlassen wer-
en, sondern auf dem Arbeitsmarkt bessere Chancen be-
ommen. Diese Verantwortung haben Sie nicht wahrge-
ommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

eswegen sagen wir den Menschen im Lande: Wir brau-
hen eine bessere Bildungspolitik,


(Florian Pronold [SPD]: Sie brauchen eine bessere!)


ir brauchen eine bessere Wirtschaftspolitik. Denn nur
ine gute Wirtschaftspolitik und eine gute Bildungspoli-
ik bilden die Grundlage für eine Sozialpolitik, die den
enschen in unserem Land eine Perspektive bietet. Das

st unsere Alternative zu Ihrer Krisenpolitik.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Möllemann!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517207200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine Scheel,
ündnis 90/Die Grünen.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517207300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

s ist schon eigenartig: Da wirft die FDP Herrn
üntefering vor, Wahlkampfrhetorik zu betreiben, Sie
ber, Herr Pinkwart – bei Herrn Westerwelle war es ge-
auso –, stellen sich hin


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Und benenne die Fakten!)


nd machen nichts anderes, als NRW-Wahlkampfreden
u halten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Dass Ihnen die Fakten nicht gefallen, kann ich verstehen! Sie hätten ja eine bessere Politik machen können!)


Es ist richtig: Franz Müntefering hat mit seiner Wort-
ahl sicherlich provoziert. Aber die Debatte ist wichtig
nd auch richtig. Äußerungen, die heute vonseiten der
DU/CSU gemacht worden sind, haben ja gezeigt, dass
s viele Schwierigkeiten gibt, über die wir miteinander
eden müssen. Es muss deutlich werden, welche Verant-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16103


(A) )



(B) )


Christine Scheel

wortlichkeiten es aufseiten der Wirtschaft und welche
aufseiten der Bürger und Bürgerinnen in einer komple-
xen Welt gibt. Natürlich sollen Unternehmer und Unter-
nehmerinnen Geld verdienen. Natürlich dient das den
Arbeitsplätzen. Es ist doch klar, dass wir uns freuen,
wenn ausländische Investoren ihr Geld nach Deutsch-
land bringen. Selbstverständlich brauchen wir in einer
global ausgerichteten Wirtschaft auch vernünftige Rah-
menbedingungen, die sowohl für kleine und mittlere Un-
ternehmen als auch für große Konzerne gelten, damit
Arbeitsplätze erhalten und auch geschaffen werden kön-
nen. Man muss ganz klar sagen, dass die allermeisten
Betriebe, die wir in Deutschland haben, ihrer Verantwor-
tung gerecht werden. Sie können ruhig Gewinnabsichten
haben und gute Renditen erzielen. Wenn sie aber Ge-
winne erzielen, müssen sie auch ihrer sozialen Verant-
wortung gerecht werden. Die allermeisten tun das; darü-
ber sind wir sehr froh.

Es ist auch richtig, dass wir ein wirtschaftsfreundli-
ches Klima brauchen, aber es muss erlaubt sein, auf
Missstände und auf Fehlentwicklungen hinzuweisen; das
ist ja der Punkt, über den wir reden.


(Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Das ist gar nicht das Thema! – Hartmut Schauerte [CDU/ CSU]: Nennen Sie einen, der anderer Ansicht ist!)


Wir alle wissen, Herr Schauerte, dass falsche Manage-
mententscheidungen in der Vergangenheit zu Entlassun-
gen geführt haben. Auch das ist leider Realität in der
Bundesrepublik Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das beklagen wir!)


Die Forderung, dass die Wirtschaft im Dienste des Men-
schen zu stehen hat, stammt nicht von Franz
Müntefering, sondern – ich bemühe ihn leider auch ein-
mal an dieser Stelle –


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Wieso „leider“?)


von Papst Johannes Paul II. Er hat immer vor der Vergöt-
zung des Marktes gewarnt. Auch Sie haben diese Äuße-
rungen mit Beifall aufgenommen. Es ist richtig, dass
man Warnungen ausstößt, wenn es manchen Menschen
nur um Gewinnmaximierung geht, ohne an die Mitmen-
schen zu denken. Darüber muss man sprechen; das muss
man auch anprangern können.

Es gibt in Deutschland viele Menschen, die Angst ha-
ben bzw. befürchten, dass die soziale Marktwirtschaft
zerstört wird. Diese Sorgen werden noch verstärkt, wenn
Manager, wie geschehen, die Profitmaximierung mit
noch höheren Renditeansprüchen in den Vordergrund
stellen und gleichzeitig Massenentlassungen verkünden;
Herr Müntefering hat darauf hingewiesen. Es muss mög-
lich sein, berechtigte Kritik am reinen Shareholder-
Value-Prinzip zu üben. Diese Kritik wird übrigens von
vielen Mittelständlern und Mittelständlerinnen geteilt,
insbesondere von vielen Familienunternehmen. Auch

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(C (D er Eindruck, den viele Menschen haben, dass manche nternehmen und auch manche Wirtschaftsverbände in nserer Republik die derzeit äußerst schwierige wirtchaftliche Situation weit über das rationale Maß hinaus usnutzen, ist richtig. Insbesondere die Union, aber auch die FDP tun sich mmer wieder hervor, indem sie unser Land schlechter eden, als es ist. (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist doch unglaublich! Ich habe eben Baden-Württemberg gelobt! Tolles Bundesland!)


s gibt unbestritten Schwierigkeiten; das haben wir hier
chon oft gesagt und darauf haben wir immer wieder
ingewiesen. Aber dieses permanente Schlechtreden,
as übertriebene Schüren von Krisenstimmungen – das
aben Sie heute wieder getan – ist unverantwortlich und
chadet unserem Standort, der Wirtschaft und auch den
enschen.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie müssen sich mit den Fakten auseinander setzen, Frau Scheel! Sie kennen sie doch!)


eswegen kann ich von dieser Stelle nur an Sie appellie-
en: Hören Sie endlich mit der übertriebenen Schlechtre-
erei des Standortes Deutschland auf!


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das müssen Sie an Herrn Müntefering adressieren!)


ir haben wirtschaftliche Schwierigkeiten, aber wir sind
nsgesamt gut aufgestellt. Es gibt viel zu tun; das wissen
ir.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber hören Sie auf, Deutschland aus rein parteitakti-

chem Kalkül klein zu machen!
Für uns Grüne möchte ich sagen: Wir halten die De-

atte über Wirtschaftsethik und Verantwortung für die
enschen für enorm wichtig; denn insbesondere in Zei-

en eines Paradigmenwechsels kann man den Menschen
icht nur etwas abverlangen. Es müssen auch Anforde-
ungen an die Global Player gestellt werden. In einer zi-
ilisierten, demokratischen Gesellschaft kann es nicht
ur um Aktienkurse und Rendite gehen. Der Mensch
uss im Mittelpunkt stehen. Das sollten wir immer wie-
er sagen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517207400

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.


Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517207500

Mein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Pures Verlangen

ach schnellem Geld hat nichts mit ökonomischer Ver-
unft zu tun.
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


16104 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517207600

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Fuchs,

CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1517207700

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr
Müntefering hat es völlig richtig gemacht, als er seine
Rede mit der Nennung von Fakten begonnen hat. Das
möchte ich ebenfalls tun.

Die Fakten Ihrer Politik, Herr Müntefering, sind
5,2 Millionen Arbeitslose. In Ihrem Kernland sind
1 Million Menschen arbeitslos. All das hat es noch nie
gegeben. Wir haben die höchste Pleitewelle zu verzeich-
nen, die es in Deutschland jemals gegeben hat.


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist nicht wahr!)

Pro Jahr gehen 40 000 Unternehmen kaputt. Wir haben
den niedrigsten Stand sozialversicherungspflichtiger
Beschäftigungsverhältnisse zu verzeichnen, den es in
Deutschland jemals gegeben hat;


(Peter Dreßen [SPD]: Auch das ist nicht wahr!)


es gibt nur noch 26,3 Millionen sozialversicherungs-
pflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wir haben, wie
uns gerade bestätigt wurde, das niedrigste Wachstum al-
ler Länder in Europa. Wir sind also das Schlusslicht. Da-
für tragen Sie die Verantwortung. Niemand anderes als
Sie hat das zu verantworten. Darüber sollten wir uns im
Klaren sein.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt glauben Sie, auch das letzte noch vorhandene

Kapital aus Deutschland vertreiben zu müssen.

(Zuruf von der SPD: Ach Gott!)


Mit Ihrem Gesetz zur Steueramnestie haben Sie nichts
erreicht: Von den geplanten 5 Milliarden Euro an zusätz-
lichen Steuereinnahmen haben Sie gerade einmal
1,4 Milliarden Euro erzielt. Ihre gesamte Haushaltspla-
nung ist ein einziges Chaos.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Jetzt lassen Sie mal die Gans im Stall!)


Im „Handelsblatt“ kann man heute folgende Über-
schrift lesen: „US-Volkswirte schütteln Kopf über SPD“.
Amerikanische Experten befürchten negative Folgen für
den Standort Deutschland. Meine Damen und Herren,
was macht denn das Kapital aus Übersee? Während die
Investitionen in Deutschland im Jahr 2003 noch 4,8 Mil-
liarden Euro betrugen, erreichten sie im Jahre 2004 – hö-
ren Sie genau zu, Herr Müntefering – einen Stand von
0,3 Milliarden Euro. Das sind die Folgen Ihrer Politik.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: War das vor oder nach Ihrer Rede?)


Wenn kein Kapital nach Deutschland fließt, gibt es keine
Investitionen. Das Kapital hat die Wahl. Es sucht sich
den Standort aus, an dem Investitionen am günstigsten
sind.

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(C (D Sie verfahren wie folgt: Am einen Tag lesen Sie den ndustrielobbyisten fast jeden Wunsch von ihren Lippen b – wir haben bereits vom Reiseleiter Schröder gehört, er mit Unternehmern ins Ausland fliegt, damit sie dort nvestieren –, m anderen Tag motzen Sie gegen die Macht des Kapials und spielen den sozialistischen Seelentröster. Herr lement würde, wenn er dürfte, gerne anders handeln. er Kanzler will mit bester kapitalistischer Begründung affen nach China liefern. An diese Debatte, die wir in er letzten Woche geführt haben, kann ich mich noch ehr gut erinnern. Es war Ihr Bundeskanzler, der vor uns estanden und begründet hat, warum Waffen nach China eliefert werden sollten. (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das war ganz bemerkenswert!)


(Hubertus Heil [SPD]: Aufträge abholen!)


as in der gegenwärtigen Phase zu tun, ist Kapitalismus
ur. Erklären Sie mir bitte, wie das mit Ihren Worten zu
ereinbaren ist! Ihr Verhalten ist überaus widersprüch-
ich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang

as Sündenregister der SPD. Herr Müntefering, Ende
es Jahres 2002 haben Sie gefordert, weniger Geld für
en privaten Konsum auszugeben und mehr Geld für den
taat bereitzustellen, damit Bund, Länder und Gemein-
en ihre Aufgaben erfüllen können.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Das ist doch auch richtig!)


as ist Ihre Einstellung. Frau Vogt, die junge Dame aus
aden-Württemberg, wurde von ihrem Kollegen Rezzo
chlauch heute als „Standortrisiko“ bezeichnet;


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


enn dieses „Standortrisiko“ Ute Vogt – das können Sie
n der „Stuttgarter Zeitung“ nachlesen – hat gesagt:

Ein schlanker Staat, der dünn ist und keine Kraft
hat, ist nicht das, was wir uns wünschen.

(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Da hat sie Recht!)

Frau Vogt ist ja noch nie so wirklich durch größere
enntnis von Ökonomie aufgefallen. Aber gestern hat
ie dann den allergrößten Klops gebracht, indem sie zum
oykott deutscher Unternehmen aufgerufen hat. Das
uss man sich vorstellen: Ein Mitglied der Bundesregie-
ung ruft zum Boykott deutscher Unternehmen auf


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: 5,2 Millionen Arbeitslose! Unglaublich!)


nd will damit Arbeitsplätze in Deutschland vernichten.
ahrscheinlich sollen dann Produkte von ausländischen
nternehmen gekauft werden, damit in Deutschland
eine Arbeitsplätze entstehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16105


(A) )



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Dr. Michael Fuchs

Herr Westerwelle hat völlig Recht: Die Staatsquote

liegt in der Nähe von 50 Prozent. Herr Müntefering, das
können Sie nicht wegdiskutieren.


(Peter Dreßen [SPD]: Bei Ihnen hatten wir über 50 Prozent!)


Wir haben immer noch 42 Prozent Lohnzusatzkosten;
auch die können Sie nicht wegdiskutieren. Das sind die
Gründe, weswegen bei uns keine neuen Arbeitsplätze
entstehen. Sie haben nicht den Mut, dies den Markt ma-
chen zu lassen.


(Peter Dreßen [SPD]: Wer hat sie denn auf über 50 Prozent getrieben? Das waren doch Sie!)


Wenn Sie so weitermachen, wenn Sie sich nicht endlich
auf diesem Sektor bewegen, werden in Deutschland
keine neuen Arbeitsplätze entstehen. Dafür tragen Sie al-
leine die Verantwortung, Herr Müntefering, Sie allen
voran!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517207800

Nächster Redner ist der Kollege Michael Müller,

SPD-Fraktion.

Michael Müller (SPD):
Rede ID: ID1517207900

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die

Zwischenrufe von Herrn Gerhardt belegen in aller Deut-
lichkeit, dass Sie nicht in der Lage sind, in einer wirklich
schwierigen, komplexen Frage eine rationale Diskussion
zu führen.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist schon ein starkes Stück!)


Wir haben es hier nämlich mit einer Herausforderung zu
tun, die in fast allen Ländern sehr viel differenzierter dis-
kutiert wird als von Ihnen. Im Gegenteil, Ihre Art der
Reaktion auf die Diskussion zeigt, dass Sie eigentlich
gar nicht wissen, wie Sie mit einer notwendigen Kapita-
lismuskritik umgehen sollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie wissen nicht, wie Sie mit einem Sachthema umgehen
sollen. Sie reagieren darauf taktisch und machtpolitisch,
aber nicht inhaltlich. Das ist das Fazit der bisherigen
Diskussion.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Als wenn Herr Müntefering vom Inhalt her argumentiert hätte!)


Lassen Sie uns deshalb sagen, worum es uns geht. Es
geht uns um einen sehr wichtigen Klärungsprozess auf
der Basis von zwei wesentlichen Erkenntnissen: Erstens.
In den letzten 30 Jahren, also seit dem Zusammenbruch
des Weltwährungssystems, seit den Beschlüssen von
Rambouillet, hat sich weltwirtschaftlich eine Struktur er-
geben, die die soziale Marktwirtschaft immer mehr an

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(C (D en Rand gedrängt hat. Es passt einfach nicht zusamen, immer von der sozialen Marktwirtschaft zu reden, ir aber tatsächlich immer weniger erleben, dass es berhaupt eine soziale Marktwirtschaft gibt. Darüber uss man reden. (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Dr. Andreas Pinkwart [FDP])


Nein, nein. Seien Sie doch nicht immer so platt, wenn
s um ein wichtiges Thema geht!
Zweitens. Die Entwicklung der Weltwirtschaft, die
lobalisierung muss im Wesentlichen gleichgesetzt wer-
en mit der Durchsetzung des amerikanischen Wirt-
chaftsmodells.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Schauen Sie einmal nach Österreich, nach Dänemark und nach Schweden!)


as hat viel mit der Entwicklung der Weltwirtschaft zu
un. Da muss man sich die Frage stellen, ob unter diesen
edingungen sozialökologische Politik überhaupt mög-
ich ist oder nicht.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Ihre Politik funktioniert jedenfalls nicht!)


ie meinen, die Politik muss sich anpassen.

(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Richtig!)


ir sagen dagegen: Die Politik ist zur Gestaltung gefor-
ert. Wir reden darüber, was „Gestaltung“ unter diesen
edingungen heißt. Das ist ein zentraler Unterschied.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie können noch viel lernen!)


Im Gegensatz zu der liberalistischen Wirtschaftsord-
ung muss die soziale Marktwirtschaft immer die breite
erteilung des Gewinns und des Fortschritts in der Ge-
ellschaft bewirken; das ist der entscheidende Punkt. Die
erwirklichung von Verteilungsgerechtigkeit ist die Vo-
aussetzung für eine soziale und demokratische Ord-
ung. Das ist nicht von mir, sondern von Ludwig Erhard;
en sollten Sie wieder einmal lesen. Im Kern ist es genau
as, was Franz Müntefering gesagt hat:


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Deswegen haben wir auch das Schröder/Blair-Papier!)


s geht um die Verantwortung der Politik für die Gestal-
ung einer wirtschaftlichen Ordnung.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Und Sie reden von Verteilungsgerechtigkeit!)


as ist die Erfahrung der letzten 50 Jahre, übrigens eine
rdnung, die wirtschaftlich viel produktiver war als das,
as wir in den letzten Jahren in Europa erlebt haben. Die
oziale Marktwirtschaft war gerade auch wegen ihrer
estaltung viel besser für Beschäftigung, für Vertei-
ungspolitik, für soziale Gerechtigkeit.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Warum haben wir dann doppelt so viele Arbeitslose wie 16106 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Michael Müller Österreich, Großbritannien, Dänemark und andere Länder? Erklären Sie das doch einmal!)


(A) )


(B) )


Deshalb wollen wir an diesen Gedanken anknüpfen.
Sie müssen sich auch einmal die Frage stellen, dass

unsere Produktivitätsentwicklung mit der technologisch
bedingten Arbeitslosigkeit zu tun hat, gerade als Export-
land.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Nicht zu fassen! Das ist eine theoretische Debatte, die Sie hier führen!)


Haben Sie sich eine solche Frage überhaupt einmal ge-
stellt?


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Ja, natürlich! Wir haben sogar Antworten!)


Nein, Sie stellen sich solche inhaltlichen Fragen gar
nicht, weil es Ihnen nur um Polemik und Machtausei-
nandersetzung geht, aber nicht um die Klärung inhalt-
licher Fragen. Das ist der Kern der ganzen Debatte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das Schröder/ Blair-Papier! Das ist die Antwort auf Ihre Fragen!)


Die Sozialenzyklika der katholischen Kirche ist hier
schon mehrfach zitiert worden. Wir können übrigens
auch einen anderen Punkt gegen Ihre liberalistische
Position nennen. Herr Ratzinger hat sehr klar gesagt,
dass diesem liberalistischen Modell ein heilsames Ge-
gengewicht fehlt.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Lassen Sie doch den Papst da raus!)


Sie haben kein Gegengewicht. Sie kennen nur die An-
passung und laufen dem liberalistischen Modell nach.
Wir wollen ein Gegengewicht herstellen, weil das
Gleichgewicht der Kern jeder guten Ökonomie ist.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Dem Papst dürfen Sie nicht widersprechen!)


Das muss man gerade Herrn Westerwelle sagen, weil er
kein Ökonom ist.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Aber evangelisch!)


Er sollte aber wenigstens einmal mehr lesen; das bildet.
Meine Damen und Herren, ich kann für die FDP auch

einmal Herrn Dahrendorf zitieren, immerhin ein langjäh-
riges FDP-Mitglied.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Er hat geschrieben, dass das sozialdemokratische Jahrhundert vorbei ist!)


– Das hat er übrigens korrigiert, was Sie aber wieder
nicht zur Kenntnis genommen haben. – Im Gegensatz zu
Ihnen hat er gesagt: Wenn es der Politik nicht gelingt,
die Prozesse, die mit der Globalisierung verbunden sind,
im weitesten Sinne politisch und sozial zu regeln, droht
ein Jahrhundert der Gewalt.

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(C (D (Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das ist völlig richtig!)


as sagt Dahrendorf. Sie wollen die Regelung nicht, wir
ollen die Regelung. Hier ist der entscheidende Unter-
chied.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie lösen die Probleme doch nicht, Sie beschreiben sie nur!)


Wir bleiben dabei: Erstens. Uns geht es bei der De-
atte nicht um eine plumpe Beschimpfung der Unterneh-
en. Ganz im Gegenteil: Wir fordern jeden Unterneh-
er, der ein Interesse an Innovationen, Investitionen und
roduktivität hat, auf, diese Debatte mit uns zu führen.
ir brauchen sie; denn wir wollen ja gerade eine pro-
uktive und keine spekulative Wirtschaft.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Ich möchte Sie gern an den Erkenntnissen Ihrer Politik messen!)


Zweitens. Wir führen keine „Debatte nach hinten“.
anz im Gegenteil: Die Klärung der ordnungsrechtli-
hen Fragen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür,
ie auf uns zukommenden Probleme – Stichwörter: Wis-
ensgesellschaft und Rohstoffknappheit – zu lösen,


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Die Probleme haben wir schon viel länger! Sie haben nur die falschen Antworten gegeben!)


as ohne einen handlungs- und gestaltungsfähigen Staat
icht möglich ist. Auch das ist eine Wahrheit, die wir aus
er Geschichte kennen.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517208000

Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.

Michael Müller (SPD):
Rede ID: ID1517208100

Ich schließe ab. – Lassen Sie mich einen dritten Punkt

ennen.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517208200

Nein, Sie können keinen dritten Punkt mehr nennen.

Michael Müller (SPD):
Rede ID: ID1517208300

Es geht uns nicht um die Abkehr von der
genda 2010, sondern um ihre Weiterentwicklung.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517208400

Das Wort hat der Kollege Gerald Weiß, CDU/CSU-

raktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Der Kollege von der SPD, Müller, hat eben ge-

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16107


(A) )



(B) )


Gerald Weiß (Groß-Gerau)


sagt: Die Politik ist zur Gestaltung gefordert. Wie wahr!
Die soziale Markwirtschaft ist an den Rand gedrängt.
Das stellt er im siebten Jahr Schröder und seiner rot-grü-
nen Regierung fest. An den Ergebnissen dieser Regie-
rungsarbeit müssen Sie gemessen werden.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: So ist es!)

Sie können die sozialökonomische Wirklichkeit, für die
Sie verantwortlich sind, doch nicht anprangern.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sehr richtig!)

Sie müssen in diesem Haus dafür einstehen und können
sich nicht in verbalistischer Kritik üben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Ablenkungsmanöver!)


Im Jahr sieben Schröder haben die Menschen Sorgen
und Ängste wie nie zuvor. Sie sind verunsichert wie nie
zuvor. Angesichts einer anhaltend hohen Arbeitslosig-
keit, die unter Ihrer Regierung ungebremst gestiegen ist,
und ständig neuer Massenentlassungen bei gleichzeiti-
gen Meldungen über teilweise hohe Gewinne und noch
höhere Renditeziele sind sie berechtigterweise wütend
und verbittert. Wir führen die ewige Diskussion mit Ih-
nen gern.

Wo Gier grenzenlos und die kurzfristige Rendite zum
goldenen Kalb wird, muss dies angeprangert werden;
das ist doch selbstverständlich. Diese Auswüchse – von
uns wie von Ihnen beklagt – sind aber doch tatsächlich
unrühmliche Ausnahmen. Die 40 000 Selbstständigen,
die im vorletzten Jahr, die 40 000 Firmeninhaber, die im
vergangenen Jahr, und die 10 000 Selbstständigen, die
bereits in den ersten vier Monaten dieses Jahres Insol-
venz anmelden mussten, sind doch nicht durch Gewinn-
sucht in diese Bredouille geraten, sondern durch Ge-
winnschwund und anhaltend hohe Verluste, weil die
Rahmenbedingungen in Deutschland miserabel sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Chef der Arbeitnehmergruppe der Union sagt:

Man sollte mittelständische Eigentümerunternehmer
nicht mit irgendwelchen kalten Ellenbogenmanagern in
diesem Land gleichsetzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie sollten keine einfachen Lösungen vorgaukeln.
Herr Müntefering, Sie sollten die teilweise durchaus be-
rechtigte Kritik an den Vorgängen in der Wirtschaft nicht
instrumentalisieren, um vom eigenen Versagen abzulen-
ken. 5 Millionen Arbeitslose in Deutschland, 1 Million
Arbeitslose in Nordrhein-Westfalen sind nicht das Er-
gebnis der Profitgier von Kapitalisten und auch nicht das
Ergebnis mangelnden guten Willens von Arbeitgebern,
Menschen einzustellen. Sie sind das Ergebnis einer fal-
schen Politik. Das klagen wir anlässlich dieser Debatte
ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


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(C (D Andere Länder – vom Ideal der sozialen Marktwirtchaft weiter entfernt als wir, beispielsweise die USA – aben bessere Beschäftigungsergebnisse. Die Arbeitsloenquote ist geradezu ein Ausweis für das Wohl einer olkswirtschaft. Die Politik kann Rahmenbedingungen, m positiven Sinne für Beschäftigung und im negativen inne für Arbeitslosigkeit, sehr wohl beeinflussen. Dass ur die Hälfte unserer volkswirtschaftlichen Ersparnisse nvestiert wird, was in diesem Land zu einer elend niedigen Investitionsquote führt, sodass Unternehmer dieses and verlassen und woanders Arbeitsplatz schaffend inestieren, hängt mit den von Ihnen zu verantwortenden iserablen Arbeitsbedingungen zusammen. Herr Müntefering, Sie dürfen nicht nur Fragen stellen. ls Noch-Regierungspartei müssen Sie auch Antworten eben. Mehr noch: Als Regierung müssen Sie auf die robleme und die Missstände, die es in unserem Lande ibt, mit Taten antworten. Alles andere – das ist schon esagt worden – ist extrem unglaubwürdig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn Sie den Primat der Ökonomie beklagen, Herr
üntefering, dann muss ich Sie allerdings fragen: Wie
teht es beispielsweise um die Chinapolitik des Bundes-
anzlers?


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Der Waffenlieferant!)


ie Menschenrechtssituation ist kein bisschen besser ge-
orden. Um der ökonomischen Vorteile willen setzt sich
er Bundeskanzler dennoch darüber hinweg.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Purer Kapitalismus!)


ie schrödersche Chinapolitik kann nachgerade nur aus
em Primat des Ökonomischen erklärt werden. Was Sie
nd der Bundeskanzler uns vorführen, ist doch organi-
ierte Zwiespältigkeit und Doppelzüngigkeit. Das lehnen
ir ab.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Geben Sie konkrete Antworten. Übrigens will es der
ufall, dass Sie heute dazu die Chance haben. Nachher
teht der Antrag zur sozialen Kapitalpartnerschaft auf
er Tagesordnung. Wenn Sie bei der Realisierung dieses
orhabens mitmachen, können wir viel zur Bekämpfung
er Probleme, die Sie und wir beklagen, tun.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Gute Rede!)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517208500

Das Wort hat die Kollegin Nina Hauer, SPD-Fraktion.

Nina Hauer (SPD):
Rede ID: ID1517208600

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Sie
ollen keine kritischen Anmerkungen zu unserem
irtschaftssystem. Sie wollen auch keine kritischen
nmerkungen zu dem, was in unserem Land eigentlich
os ist.

16108 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Nina Hauer


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Sind Sie gerade erst gekommen?)

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Mich wundert, dass es in
den Parteien von Angela Merkel und Guido Westerwelle
keinen mehr gibt, der ein Gespür dafür hat, was in die-
sem Land jeden Tag passiert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit Hedgefonds wird versucht, die Kontrolle über die
Deutsche Börse zu übernehmen, übrigens ein erfolgrei-
ches Unternehmen nicht nur mit vielen Arbeitsplätzen,
sondern auch mit einem öffentlichen Auftrag. Die Unter-
nehmen scheuen sich nicht davor, öffentlich zuzugeben,
dass sie das angesparte Geld der Deutschen Börse im
Blick haben, um damit in London zu investieren. Vertre-
ten werden diese Unternehmen übrigens von Ihrem
CDU-Kollegen, dem Anwalt Friedrich Merz.


(Hubertus Heil [SPD]: Hört! Hört!)

Herr Westerwelle, welches Tier fällt Ihnen ein, wenn Sie
von einem solchen Wirtschaftsgebaren hören?


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Bei Menschen fallen mir gar keine Tiere ein!)


Das hat nichts mehr damit zu tun, dass man investie-
ren will, um so zu Wachstum und Beschäftigung beizu-
tragen. Hier herrscht nur das Interesse vor, ein Unterneh-
men auszubluten und ins Leere laufen zu lassen, um das
Geld woanders zu investieren. Als Folge haben wir dann
wieder eines der größten Unternehmen in unserem Land
verloren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich wissen wir, dass ein bestimmtes Maß an
wirtschaftlicher Freiheit Voraussetzung für Wohlstand
ist; das brauchen Sie uns Sozialdemokraten nicht extra
zu sagen. Aber in dieser Debatte geht es doch nicht nur
darum, wie Wohlstand entsteht und wie viel Freiheit die
Wirtschaft benötigt.

In dieser Debatte geht es auch darum, wie frei eigent-
lich der Mensch sein darf und wo die Grenze dessen ist,
was die Ökonomie darf und was sie nicht darf. Ihr Ge-
sellschaftsbild ist von der Ökonomisierung aller Lebens-
bereiche geprägt. Es gibt keine Grenze mehr, an der Sie
sich schützend vor die Menschen stellen. Das sieht man
an allem, was Sie beschlossen haben, ob das Beschlüsse
zum Kündigungsschutz sind, Ihre alberne „Bierdeckel-
steuerreform“ oder die Kopfpauschale. Bei Letzterer ist
allein schon der Begriff interessant. Das ist die Politik,
die Sie vertreten. Da gibt es keine Barriere mehr. Es gibt
keinen Schutz mehr.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Sie wissen nicht, wovon Sie reden! Das ist das Problem!)


Das ist der Kern der Debatte. Es geht nicht um die
Wirtschaftsfreiheit in Deutschland, sondern es geht im
Kern um die eigentliche Bedeutung des Menschen in un-
serer Gesellschaft und darum, nach welcher Melodie

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(C (D iese Gesellschaft ticken soll. Das ist der Grund, warum ie sich darüber so aufregen. Sie haben Angst davor, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ass eine große Volkspartei mit ihrem Vorsitzenden an
er Spitze eine Debatte über ihr Grundsatzprogramm
ührt, dass die Menschen aufhorchen und sagen: Die
issen noch, wohin sie wollen,


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

ie stellen Fragen und haben auch Antworten. Die wis-
en noch, dass wir auch noch da sind, jenseits aller Öko-
omie. – Davor haben Sie Angst. Denn dann stehen Sie
lank da. Sie haben keine Ideen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

as hört man an den Reden, die Sie heute hier gehalten
aben. Das sieht man an den Beschlüssen, die Sie fassen,
nd das sieht man auch an der realen Politik, die Sie ma-
hen. In unserer Programmdebatte geht es darum. Sie
ühlen sich dabei ertappt. Sie können sich nicht vorstel-
en, dass es in Deutschland auch noch darauf ankommt,
u fragen, welche Rolle die Menschen in unserem sozia-
n System haben und was eigentlich passiert, wenn man
schwierige Situationen gerät. Das können Sie sich
icht vorstellen.
Vorhin hat einer gesagt, wir müssten uns mehr um die
ildung kümmern. Wer hat denn das Konzept für bes-
ere Spitzenforschung an den Universitäten kaputtge-
acht, wenn nicht die Union?


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


ie blockieren doch überall da, wo es um diese Themen
eht. Sie werden von Ihren Freunden, den Funktionären
er Wirtschaft, unterstützt. Es waren doch nicht die Un-
rnehmer, die sich in den letzten Tagen zu Wort gemel-
et haben. Das waren Funktionäre, die ihre Textbau-
teine zusammengestellt und von einer Gefährdung
urch eine ideologische Debatte gesprochen haben. Sie
eteiligen sich daran, weil Sie in Deutschland nicht mehr
ber Werte reden wollen.
Ich möchte gerne zum Schluss, wenn Sie, Frau Präsi-

entin, erlauben, ein Zitat vorlesen, das gut in diese De-
atte passt:

Eine rein wirtschaftliche Entwicklung vermag den
Menschen nicht zu befreien; im Gegenteil, sie ver-
sklavt ihn schließlich nur noch mehr.

as stammt nicht von Franz Müntefering, sondern von
inem anderen prominenten Katholiken, von Papst
ohannes Paul II.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Der ist heilig im Gegensatz zu Ihnen! Sie sind scheinheilig!)


ch habe dem in dieser Debatte nichts hinzuzufügen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16109


(A) )



(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517208700

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hermann Kues,

CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1517208800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich

werde ausnahmsweise nichts zum Papst sagen. Ich habe
die Debatte heute Morgen sehr aufmerksam verfolgt.
Vieles von dem, was hier von Herrn Müntefering, aber
auch von anderen Kollegen der SPD gesagt worden ist,
unterstütze ich ausdrücklich.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [SPD])

Ich unterstütze ausdrücklich die Aussage, dass es auch
eine ethische Verantwortung der Unternehmen gibt, ich
unterstütze ausdrücklich die Aussage, dass wir keine
freie, sondern eine soziale Marktwirtschaft haben, und
ich unterstütze ausdrücklich die Aussage, dass die Wirt-
schaft den Menschen zu dienen hat. Das oberste Ziel ist
letztlich der Mensch und die Wirtschaft ist Mittel zum
Zweck.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Das kann man unterschreiben!)


Ich sage ausdrücklich, dass wir allen Grund haben,
uns damit zu beschäftigen. Denn ich erlebe auch in mei-
ner eigenen Region, dass viele Menschen nicht mehr
verstehen, was in der Wirtschaft abgeht. Sie haben Angst
um ihren Arbeitsplatz und sie sind misstrauisch. Sie hö-
ren von steigenden Gewinnen, von höheren Renditezie-
len und zugleich von Massenentlassungen. Ich denke an
den Schlachter, der 20 oder 30 Jahre in seinem Betrieb
tätig war,


(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

der durch seine Tätigkeit Tag für Tag, Woche für Woche
und Monat für Monat seine Familie ernährt hat und jetzt
feststellt, dass sein Arbeitsplatz weg ist und ein anderer
diesen zu Bedingungen übernommen hat, unter denen er
hier überhaupt nicht leben kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Deswegen ist es auch ausdrücklich richtig, in dieser Si-
tuation an die Wirtschaft zu appellieren, ihre soziale Ver-
antwortung wahrzunehmen.

Aber ich sage auch ganz deutlich: Man muss die Kir-
che im Dorf lassen und man muss redlich und fair sein.
Wenn die Politik den Eindruck erweckt, die Schaffung
von Arbeitsplätzen in Unternehmen sei lediglich eine
Frage des guten Willens der Unternehmer und nicht auch
eine Frage der Rahmenbedingungen, dann handelt sie
unverantwortlich gegenüber Arbeitslosen und Arbeit-
nehmern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer einen solchen Eindruck erweckt, der gaukelt den
Menschen etwas vor, denn dafür fehlt jede reale Grund-
lage.

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(C (D Das wissen im Übrigen Müntefering und Schröder ehr genau. Sie wollen in Wahrheit ja auch keine Enteigung. Das ist völlig klar; da stimme ich ausdrücklich zu. benso wollen sie in Wahrheit keinen realen Klassenampf. Das Einzige, was sie wollen, ist ein rhetorischer lassenkampf; sie wollen Stimmung machen nd deswegen machen sie Symbolpolitik. Denn eines önnen Sie nicht leugnen: Für die Probleme und die issstände, die wir haben, sind die verantwortlich, die egieren, und Sie regieren seit knapp sieben Jahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Die sieben schlechten Jahre!)


(Hubertus Heil [SPD]: Das macht ja keiner!)


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Richtig!)


Viele haben darüber spekuliert, welche Strategie da-
intersteckt. Es wird darüber spekuliert, ob sie erfolg-
eich sei oder nicht. Wenn ich das richtig gelesen habe
nd richtig einschätze, wird sie nicht erfolgreich sein;
enn Sie widersprechen sich im Grunde genommen. Im
rinzip brauchen Sie einen Sündenbock


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: So ist es!)

ür Ihr Versagen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik.
as ist der Kern des Ganzen. Ich nenne ausdrücklich
uch die Sozialpolitik; denn Sie haben es nicht geschafft,
nsere sozialen Sicherungssysteme auch nur einen Milli-
eter weit von den Arbeitskosten abzurücken. Dabei
issen wir ganz genau: Das ist der Dreh- und Angel-
unkt, wenn wir es schaffen wollen, hier in Deutschland
afür zu sorgen, dass die Unternehmen mit ihren Ar-
eitsplätzen hier bleiben und nicht abwandern, sodass
ie Menschen im Lande Beschäftigungsmöglichkeiten
aben.
Ich erinnere an die Gesundheitsreform. Was kommt

ür die Menschen dabei heraus? Sie müssen kräftig zu-
ahlen, die Beiträge sind aber nicht verringert worden.
ch erinnere an die Arbeitsmarktreform. Der Herr Staats-
ekretär hat etwas dazu gesagt. Die Arbeitslosenzahl ist
icht vermindert worden, die Zahl der sozialversiche-
ungspflichtig Beschäftigten hat sich reduziert. Das, was
ich dort abspielt, hat die gleiche Funktion wie ein Laza-
ettwagen. In Wirklichkeit müssen die Strukturen verän-
ert werden, damit Menschen in die normalen Wirt-
chafts- und Arbeitsabläufe hineinkommen und dort den
ebensunterhalt für sich und ihre Familien verdienen
önnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich kann auch an die Rentenreform erinnern. Das Ni-

eau der Renten wird abgesenkt; die Renten werden
icht mehr erhöht, die Beiträge aber werden nicht ver-
indert. Milliardensummen aus allgemeinen Steuermit-
ln fließen in den Rententopf.
Ich zitiere aus „sueddeutsche.de“ vom 18. April. Dort

teht:
So kritikwürdig …

hier werden einige Punkte aufgelistet –

16110 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Dr. Hermann Kues

auch sind – die Hauptursache der deutschen Wirt-
schaftskrise stellen diese Vorgänge nicht dar.

Ich zitiere weiter:
Ein viel gravierenderes Problem manifestiert sich
hingegen in der übergroßen Belastung des Faktors
Arbeit, dem in Deutschland so gut wie alle Kosten
des Sozialstaates aufgebürdet werden.


(Zuruf des Abg. Hubertus Heil [SPD])

– Jetzt geht es weiter; hören Sie doch einmal zu!

Statt hilflos über unwesentliche Probleme zu
schwadronieren,

– so „sueddeutsche.de“ –
täte der SPD-Chef gut daran, wirklich etwas für
seine Zielgruppe der Arbeitnehmer zu tun.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Hervorragender Kommentar!)


Wir haben auch in dem Antrag, den wir heute Morgen
hier diskutiert haben, gesagt, wo es nach unserer Auffas-
sung hingehen soll, wobei ich ausdrücklich feststelle: In
erster Linie ist die Regierung gefordert. Sie haben dafür
den Apparat, Sie können beobachten, was sich auf euro-
päischer Ebene tut. Wir haben Hinweise gegeben, wie
man die Rahmenbedingungen für Arbeit verbessern
kann. Sie sollten zumindest das eine oder andere umset-
zen, damit wir in Deutschland vorankommen; denn wir
können es uns nicht leisten, dass weiter Stillstand
herrscht. Deshalb bitten wir Sie, etwas für Deutschland
zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517208900

Das Wort hat der Kollege Dr. Rainer Wend, SPD-

Fraktion.

Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1517209000

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Deutschland kann stolz sein auf seine Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch auf die aller-
meisten Unternehmen und Unternehmer, auf den Mittel-
stand, erst recht da, wo er eigentümergeführt ist, sowie
auf viele große Unternehmen.

Diese Unternehmen verbindet, dass sie alle mindes-
tens drei Ziele haben.

Ziel Nummer eins ist, Gewinne zu machen. Das muss
so sein. Jede Gesellschaft, die etwas anderes meinte, ist
gescheitert.

Ein zweites Ziel haben sie: Sie kümmern sich um und
fühlen sich verantwortlich für ihre Beschäftigten und de-
ren Familien und überlegen es sich zehnmal, bevor sie
eine Kündigung aussprechen.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sehr guter Hinweis!)


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(C (D Und ein drittes Ziel: Vor allem die Mittelständler fühen sich für die Region, in der sie produzieren, verantortlich. Die großen Unternehmen fühlen sich für den tandort Deutschland, in dem sie produzieren, verantortlich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Dr. Andreas Pinkwart [FDP])


Unternehmen in diesem Sinne sind die Unternehmen,
ie Art. 14 des Grundgesetzes ernst nehmen: Eigentum
erpflichtet.


(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Plakatieren Sie das doch einmal!)


iesen Unternehmen gegenüber sind wir verantwortlich
afür, dass sich die Standortbedingungen im globalen
ettbewerb verbessern. Das ist das, was sich hinter der
genda 2010 verbirgt.
Frau Wöhrl, Sie werfen uns Staatsversagen vor. Da
uss ich Ihnen doch einfach einmal vorhalten: Wir ha-
en das Land mit einem Spitzensteuersatz von
3 Prozent übernommen und diesen auf 42 Prozent ge-
enkt.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Sie haben doch vorher verhindert, dass er auf 35 Prozent gesenkt wurde! Wer hat denn blockiert wie nur was?)


ir haben das Land mit einem Körperschaftsteuersatz
on 45 Prozent übernommen und diesen auf 25 Prozent
esenkt. Wir haben das Land mit einer Gewerbesteuer
bernommen und haben diese für die Personengesell-
chaften faktisch abgeschafft.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Alle Senkungen haben Sie vorher verhindert!)


ir haben das Land von Ihnen mit einem verkrusteten
rbeitsmarkt übernommen und uns unter großen
chmerzen mit den Hartz-Reformen auf einen anderen
eg gemacht. Dass da gerade Sie von Staatsversagen
prechen, Frau Wöhrl, ist geradezu absurd. Das können
ir überhaupt nicht akzeptieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)


Es gibt in unserem Land aber auch andere Unterneh-
en. Das muss man genauso deutlich machen. Die wer-
en inzwischen im Wesentlichen von Fondsgesellschaf-
en als anonymen Eigentümern beherrscht. Bei denen
ibt es eben nicht mehr die drei Ziele, von denen ich ge-
prochen habe.


(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Herr Wend, das habe ich Ihnen nicht zugetraut!)


ie haben ein einziges Ziel: kurzfristig bis zur nächsten
ktionärsversammlung den maximalen Profit herauszu-
olen. Das tun sie, indem sie erstens die Personalkosten
urch Entlassungen reduzieren und indem sie zweitens
was fast noch schlimmer ist – auf Investitionen ver-
ichten, die sich nicht schon innerhalb weniger Monate,
ondern vielleicht erst in einigen Jahren rechnen. Das ist

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16111


(A) )



(B) )


Dr. Rainer Wend

schädlich für den Standort Deutschland und das muss
genauso deutlich benannt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Problem, vor dem wir stehen – das ist doch et-
was, das auch Sie, mindestens die Union, beschäftigen
muss –, ist, zu erkennen, wie eine demokratische Gesell-
schaft in Zeiten der Globalisierung überhaupt noch
handlungsfähig ist.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Aber andere Länder sind es doch!)


Uns allen muss doch klar sein, dass die Ökonomie von
erheblicher Bedeutung ist, dass aber für die Werte in ei-
ner Gesellschaft jenseits der Fragen der Ökonomie auch
soziale, kulturelle und Umweltbelange eine entschei-
dende Rolle spielen, die wir in politische Entscheidun-
gen einbeziehen müssen.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Findet in BadenWürttemberg alles statt! In Bayern auch!)


Wenn wir uns diese Frage stellen, kommen wir nicht
darum herum zu sagen, dass sich die Welt seit Karl
Schiller und Strauß erheblich verändert hat. Als die in
den 60er-Jahren Minister waren, hatten sie die Chance,
eine nationalstaatliche Wirtschaftspolitik zu gestalten.
Die Spielräume dafür sind inzwischen mehr als eng. Wir
müssen uns eingestehen: Wenn wir in unseren Gesell-
schaften demokratisch steuern wollen, müssen wir über
den Nationalstaat hinaus europäisch denken. Die euro-
päische Dimension ist wichtig, wenn wir uns vorneh-
men, unsere Gesellschaft steuern zu wollen.


(Dr. Andreas Pinkwart [FDP]: Sie können auch national eine Menge erreichen! Wie in England!)


Glauben Sie mir eines: Wenn wir es in den nächsten
Monaten und Jahren nicht schaffen, den Menschen in
unserer Gesellschaft deutlich zu machen, dass es nicht
nur das Diktat der Ökonomie gibt, sondern dass die Ge-
sellschaft zusammenstehen muss, dass einer für den an-
deren einstehen muss und dass niemand ausgegrenzt
werden darf, dann werden wir den sozialen Frieden in
unserer Gesellschaft, auf den wir angewiesen sind,
meine Damen und Herren, nicht erhalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Abschluss. Ich danke der FDP ausdrücklich für
diese Aktuelle Stunde.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP] zur SPD gewandt: Und ihr meckert!)


Sie war gut, weil sie Gelegenheit gegeben hat, diese Po-
sitionen auszutauschen. Die FDP hat sich entschieden.
Die Sozialdemokratie ist am Anfang eines schwierigen
Weges, hat aber einiges bewältigt. Die Union – das ha-
ben die Reden deutlich gemacht – weiß nicht, wohin sie
will. Herr Kues hat mit vielem, was er gesagt hat, Recht
gehabt. Frau Wöhrl hat die Position von Herrn

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(C (D esterwelle vertreten. Die CDU muss sich überlegen, b sie auf Dauer den westerwellschen Kurs fahren will der ob sie noch eine soziale Verantwortung für unser and hat. Deswegen sage ich Ihnen: Eine Wertediskusion hat begonnen. Sie wird noch Monate, vielleicht ahre andauern und hoffentlich zu einem guten Ende ommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517209100

Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a bis 5 d auf:
a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-

gierung
Nationaler Aktionsplan für ein kindergerech-
tes Deutschland 2005 bis 2010
– Drucksache 15/4970 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlene
Rupprecht (Tuchenbach), Kerstin Griese, Rita
Streb-Hesse, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD sowie der Abgeordneten Ekin
Deligöz, Jutta Dümpe-Krüger, Irmingard Schewe-
Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Die Zukunft unseres Landes sichern – Ein kin-
dergerechtes Deutschland schaffen
– Drucksache 15/5341 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marlene
Rupprecht (Tuchenbach), Angelika Graf (Rosen-
heim), Kerstin Griese, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten
Ekin Deligöz, Jutta Dümpe-Krüger, Volker Beck

16112 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner


(Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Kinderrechte in Deutschland stärken – Erklä-
rung zur UN-Kinderrechtskonvention zurück-
nehmen
– Drucksache 15/4724 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Rainer
Funke, Klaus Haupt, Dr. Werner Hoyer, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Rücknahme der Vorbehaltserklärung
Deutschlands zur Kinderrechtskonvention der
Vereinten Nationen
– Drucksache 15/2419 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung

Zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU
vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der
Bundesministerin Renate Schmidt.

Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeord-
nete! Unser aller Ziel muss es sein, Deutschland fami-
lien- und kinderfreundlicher zu machen. Wir wollen,
dass Deutschland bis zum Ende des Jahrzehnts eines der
kinderfreundlichsten Länder Europas wird. Denn Kinder
– das wissen wir alle – sind nicht nur eine Quelle priva-
ten Lebensglücks, sondern sie sichern auch unseren ge-
sellschaftlichen Wohlstand. Zukunft, das bedeutet nicht
an erster Stelle neue Technologien, sondern Menschen,
die Erfindungen machen können. Das sind unsere Kin-
der und Enkelkinder.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir brauchen eine starke, eine talentierte und gut ausge-
bildete junge Generation. Das bedeutet: Kinder müssen
wieder Vorrang in unserem Land haben.

Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft
müssen dafür sorgen, dass Mädchen und Jungen unter

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(C (D en bestmöglichen Bedingungen aufwachsen können. ltern brauchen eine gute Betreuungsinfrastruktur nd familienfreundliche Arbeitsbedingungen. Denn inder brauchen Zeit mit ihren Eltern und Eltern wollen eit für ihre Kinder haben. Dieses Sich-Zeit-Nehmen arf keinen Verzicht auf jedweden beruflichen Erfolg beeuten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit dem nationalen Aktionsplan „Für ein kinderge-
echtes Deutschland“ haben wir die Ampeln für Kinder
achhaltig auf Grün gestellt. Mit dem Tagesbetreuungs-
usbaugesetz haben wir die rechtliche und finanzielle
rundlage für den Ausbau der öffentlichen Tagesbetreu-
ng und Tagespflege insbesondere für Kinder unter drei
ahren geschaffen. Bis 2010 werden mit Unterstützung
es Bundes 230 000 zusätzliche Betreuungsplätze ent-
tehen. Daneben engagiert sich der Bund auch für bes-
ere Bildung und Betreuung der Schulkinder. Insgesamt
is zu 7 Milliarden Euro stehen in dieser Legislatur für
eide Projekte zur Verfügung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

uf Bundesebene werden wir außerdem mit der von mir
ns Leben gerufenen „Allianz für die Familie“ konkrete
orschläge für eine familienfreundliche Unternehmens-
ultur und Personalpolitik entwickeln.
Hier, meine sehr geehrten Kollegen und Kolleginnen

on der Union, nur eine kurze Anmerkung, weil dies
eute wohl nicht das Thema sein kann, zur Kritik im
nionsantrag an meiner Idee eines Elterngeldes. Ich
reue mich ausdrücklich über die jüngste mehrmalige
nterstützung der bayerischen Sozialministerin
tewens. Es ist im Übrigen ein Konzept für die nächste
egislatur, wenn der Ausbau der Betreuung vorange-
ommen sein wird. Wir werden noch ausreichend Zeit
aben, gemeinsam darüber zu diskutieren.
Auch meine Initiative „Lokale Bündnisse für Familie“
ird weiter ausgebaut. In ihr haben sich Kommunen,
irtschaft und Gewerkschaften, freie Träger, Verbände,
irchen und Initiativen für mehr Familienfreundlichkeit
n unserem Land zusammengeschlossen. Bisher gibt es
38 solcher Bündnisse in Kommunen, in denen rund
9 Millionen Menschen leben. Weitere 140 Bündnisse
ind in Planung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sobald sich solche interessierten Gruppen in Kommu-
en gemeinsam für Kinder engagieren, erhalten der Aus-
au der Kinderbetreuung und die pädagogische Qualität
den Einrichtungen einen Schub. Diese guten Beispiele
ilt es nunmehr flächendeckend zu verbreiten. Auch dies
erden wir mit unserer Kampagne zum Ausbau der
agesbetreuung unterstützen. Darüber hinaus werden
amilienzentren und Häuser des Kindes als niedrig-
chwellige Anbieter sozialer und familiennaher Dienste
ortentwickelt und weiter gefördert.
Ich verstehe alle diese Bemühungen als Beiträge zur
hancengerechtigkeit für Kinder. Denn die größte

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16113


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Bundesministerin Renate Schmidt

Ungerechtigkeit ist die Tatsache, dass nirgendwo so sehr
wie bei uns die Herkunft eines Kindes über seine Bil-
dungschancen entscheidet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Haupt [FDP])


Hier müssen wir an erster Stelle ansetzen, wenn wir
Kinder- und Familienarmut wirksam bekämpfen wol-
len. Denn die Hauptursache von Armut ist der Mangel
an Bildung.

Sie, meine Herren und Damen von der Union, bekla-
gen in Ihrem Antrag zu Recht die viel zu hohe Zahl der
Jugendlichen ohne Schulabschluss. Verantwortlich hier-
für sind ausschließlich die Länder. Dazu ein paar wenige
Zahlen: Nach den Aussagen des Statistischen Bundes-
amtes waren im Jahr 2003 6,8 Prozent der Schüler und
Schülerinnen in Nordrhein-Westfalen ohne Schulab-
schluss, in Bayern 8,7 Prozent und in Hessen 9,2 Pro-
zent.


(Ute Kumpf [SPD]: Aha!)

Natürlich muss uns Kinder- und Familienarmut alar-

mieren. Sie hat ihre Hauptursache in der hohen Arbeits-
losigkeit – das wissen wir –, aber natürlich nicht nur. Sie
hat ihre Ursache auch in mangelnder Unterstützung der
Familien. Auch hier sind die Länder besonders gefor-
dert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dass die Schuldnerberatung eingestellt, die Familien-
und Erziehungsberatung reduziert und die Kinderbetreu-
ung eine teure Mangelware wird, trägt alles zur Verfesti-
gung von Kinder- und Familienarmut bei.

Chancengerechtigkeit bedeutet daher vor allem mehr
Qualität in der öffentlichen Kindertagesbetreuung.
Um die Qualität der Einrichtungen allgemein zu verbes-
sern, setzen wir mit einer Reihe von Initiativen wichtige
Zeichen, wie zum Beispiel mit der nationalen Qualitäts-
initiative, mit dem Modellprojekt „Bildungs- und Lern-
geschichten“ und dem Zwölften Kinder- und Jugendbe-
richt mit dem Thema „Bildung und Erziehung außerhalb
der Schule“.

Der Nationale Aktionsplan für ein kindergerechtes
Deutschland 2005 bis 2010 schreibt die erfolgreiche Po-
litik für Kinder und Familien fort. Um Deutschland kin-
derfreundlicher zu machen, bedarf es jedoch der An-
strengung aller gesellschaftlichen Akteure. Daher war es
uns schon bei der Entwicklung des Aktionsplans wich-
tig, alle Beteiligten, einschließlich der Kinderkommis-
sion des Deutschen Bundestages, und natürlich vor allen
Dingen die Kinder selbst mit einzubeziehen. Der Plan
trägt die Handschrift dieser produktiven Zusammenar-
beit und zeigt sechs Handlungsfelder auf:

Zum Ersten werden im Bereich der frühen Förderung
und Bildung unter anderem Maßnahmen angekündigt,
die darauf zielen, jedem jungen Menschen unabhängig
von seiner sozialen oder ethnischen Herkunft eine faire

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(C (D hance auf eine erfolgreiche Bildungslaufbahn zu geen. Zum Zweiten wird deutlich gemacht, wie wir unsere inder noch konsequenter vor personaler und medialer ewalt schützen können. Zum Dritten wollen wir uns darum kümmern, dass inder und Jugendliche gesund aufwachsen können. Zum Vierten werden Maßnahmen vorgeschlagen, die azu dienen, junge Menschen stärker in all diesen Angegenheiten mit entscheiden zu lassen, die sie selbst beeffen. Zum Fünften werden Maßnahmen aufgezeigt, wie inderarmut bekämpft und ein angemessener Lebenstandard für alle Kinder erreicht werden kann. Zum Sechsten werden die Maßnahmen genannt, die rgriffen werden müssen, um auch international die Arut von Kindern zu reduzieren und Kinderrechten welteit Geltung zu verschaffen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Mittwoch letz-
r Woche in einer Grundsatzrede zur Familienpolitik
uf die ökonomische Notwendigkeit kinder- und fami-
enfreundlicher Rahmenbedingungen hingewiesen. Eine
inderfreundliche Politik ist ein wesentlicher Standort-
orteil im globalen wirtschaftlichen Wettbewerb. Ich bin
uversichtlich, dass diese Botschaft angekommen ist und
eshalb der Prozess der Umsetzung des Nationalen Ak-
onsplans genauso produktiv verlaufen wird wie seine
rstellung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu diesem Zweck werden wir ein Monitoringverfah-

en installieren, das alle politischen und gesellschaftli-
hen Partner einbezieht. Eine kinderfreundliche Gesell-
chaft kann Wirklichkeit werden, wenn die Länder,
ommunen, Verbände, die Wirtschaft und die jungen
enschen selbst zusammen mit dem Bund den Nationa-
n Aktionsplan als gemeinsame Leitlinie begreifen und
msetzen.
Gleiches gilt im Übrigen für die Rücknahme des Vor-

ehalts der UN-Kinderrechtskonvention. Auch hier
üssen alle Akteure zusammenwirken; ansonsten kann
ies nicht gelingen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Klaus Haupt [FDP])


s hat sich gezeigt, dass es aus heutiger Sicht nicht not-
endig gewesen wäre, dazu überhaupt eine Erklärung
bzugeben. Unsere gemeinsame Auslegung der Kinder-
echtskonvention würde auch ohne diese Erklärung in
leichem Maße gelten. Dies spricht aus der Sicht der
undesregierung, die sich seit Jahren dafür einsetzt und
ihrer Haltung durch den Ausschuss der Vereinten Na-
onen für die Rechte des Kindes bestärkt wird, für eine
ollständige, ersatzlose Rücknahme dieser Erklärung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


16114 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Bundesministerin Renate Schmidt

Dies bedarf jedoch der Zustimmung der Länder. Sie ist
bisher an dem Standpunkt der unionsregierten Länder
gescheitert.

„Der Schutz von Kindern geht uns alle etwas an“,
sagte Ihre Partei- und Fraktionsvorsitzende, meine sehr
geehrten Herren und Damen von der Union, auf einem
UNICEF-Kongress im Januar dieses Jahres. Da ging es
ausdrücklich auch um diese Frage. Diesem Satz können
wir alle zustimmen. Ich möchte ihn ergänzen: Der
Schutz von Kindern nimmt uns alle gleichermaßen in die
Pflicht.

Deshalb appelliere ich an Sie: Setzen Sie sich bei den
unionsregierten Ländern für eine Rücknahme dieser Er-
klärung ein und helfen Sie mit, diesem international un-
erträglichen Zustand nach Jahren der Diskussion endlich
ein Ende zu bereiten!


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Da-
men, liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, zum Schluss
möchte ich dafür werben, dass wir, wenn es um Kinder
geht, auch unsere Sprache und damit schrittweise auch
die Mentalität in unserem Land ändern. Natürlich sind
Kinder manchmal Last, natürlich sind sie manchmal
mühsam, natürlich sind sie manchmal Plage und natür-
lich können sie die materielle Leistungsfähigkeit ihrer
Eltern überfordern und auch zum Armutsrisiko werden.
Das alles weiß ich. Ich möchte um Himmels willen
nichts beschönigen oder verharmlosen. Aber an erster
Stelle – darüber sollten vor allen Dingen wir, die wir
Kinder haben, reden – stehen Kinderglück, Freude, Le-
benserfüllung und die Zukunftshoffnung, dass von uns
etwas bleibt. Meine Bitte ist deshalb: Reden wir über
Kinder als das, was sie sind! Meine zweite Bitte ist: Ma-
chen Sie mit beim Nationalen Aktionsplan und helfen
Sie mit bei der Erreichung unseres Ziels, Deutschland zu
einem der kinderfreundlichsten Länder Europas zu ma-
chen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517209200

Das Wort hat die Kollegin Ingrid Fischbach, CDU/

CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1517209300

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr geehr-

ten Kolleginnen und Kollegen! Das war, wie schon so
oft in letzter Zeit, Frau Ministerin, eine wortgewaltige
Rede. Sie haben viele Dinge, die Sie zu tun gedenken,
angekündigt und zu Papier gebracht. Ich muss Ihnen ein
Kompliment machen: In dieser Rubrik sind Sie kaum zu
schlagen, das machen Sie sehr gut.

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(C (D ur, Sie müssen damit rechnen, dass die Opposition uch nachfragt und nachhört: Was wird eigentlich alles erkündet und was passiert? Wofür steht nun dieser Nationale Aktionsplan, kurz AP genannt? Sie sagen, der Nationale Aktionsplan für in kindergerechtes Deutschland solle „für die Bundesegierung ein Fahrplan für eine kinderfreundliche Politik n Deutschland sein, ein Fahrplan für einen Weg, auf em viele Etappen schon erfolgreich zurückgelegt sind“. ch sage heute: NAP, Frau Ministerin, steht für „Neuer nkündigungsplan“; (Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


(Kerstin Griese [SPD]: Sie tut auch was!)


enn – jetzt müssen wir ehrlich sein – welche Etappen
aben Sie denn erfolgreich zurückgelegt?
Bleiben wir einmal bei dem wichtigsten Themenbe-

eich des Plans, der eigentlich alle anderen unterordnet:
as ist die Entwicklung eines angemessenen Lebens-
tandards für alle Kinder. Sie sagen: „Die materiellen
edingungen, unter denen Kinder aufwachsen, haben
influss auf deren weitere Lebenswege. Sie entscheiden
uch über die Chancen auf ein gutes Leben und die ge-
ellschaftliche Integration als Erwachsene.“ Und was tun
ie, Frau Ministerin? Sie loben Ihre Arbeit und stellen
est – jetzt zitiere ich –:

Trotz der schwierigen haushaltspolitischen … Si-
tuation hat die Bundesregierung in der vergangenen
und laufenden Legislaturperiode durch steuer- und
familienpolitische Maßnahmen die Einkommens-
situation von Familien insgesamt verbessert und fi-
nanzielle Leistungen … ausgebaut …

(Ute Kumpf [SPD]: Das stimmt auch, Frau Fischbach!)

ann frage ich mich: Warum jubeln die Familien in die-
em Land eigentlich gar nicht? Sie müssten doch zufrie-
en sein!
Die aktuellen Zahlen des 2. Armuts- und Reichtums-

ericht, Frau Ministerin, der erst vor wenigen Wochen
eröffentlicht wurde, belegen aber sehr deutlich, dass die
ituation keineswegs besser, sondern sehr viel schlechter
eworden ist. Verschließen Sie doch nicht die Augen vor
er Realität, sondern schauen Sie hin! In über sechs Jah-
en Ihrer Amtszeit ist keine Trendwende eingetreten. Sie
aben es nicht geschafft, die Entwicklung zu bremsen
nd in eine andere Richtung zu führen. Sie wollten – mit
iesem Anspruch sind Sie angetreten – durch eine
rundlegend andere Sozial-, Wirtschafts- und Bildungs-
olitik in Deutschland für mehr Beschäftigung, weniger
oziale Ausgrenzung und weniger Armut sorgen. Und
as ist geschehen? Nichts. Viele Versprechungen, fal-
che politische Entscheidungen – Sie haben den Teufels-
reis nicht durchbrochen.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Leider wahr!)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16115


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Ingrid Fischbach

Im Nationalen Aktionsplan ist zu lesen:
Als wichtigste internationale Verpflichtung betrach-
tet die Bundesregierung die signifikante Reduzie-
rung von Armut.

Sie haben sie gesteigert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ihr Handeln orientiert sie ganz wesentlich an der
Millenniumserklärung, die … im September 2000
beschlossen wurde.

Ihre bisherige Bilanz, Frau Ministerin, ist erschreckend.
Kinder und Jugendliche haben das höchste Armuts-
risiko.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb sage ich auch an dieser Stelle wieder: NAP
heißt hier „Nichts außer Perspektivlosigkeit“.

Arbeitslosigkeit ist die Hauptursache von Armut und
sozialer Ausgrenzung. Sie betrachten zwar die Arbeits-
vermittlung als besten Weg, um die Arbeitslosigkeit zu
bekämpfen – darin stimmen wir Ihnen zu; das gilt beson-
ders für Alleinerziehende –, aber Sie haben trotzdem die
Arbeitslosigkeit nicht reduzieren können. Die Zahl der
Arbeitslosen ist mit 5,2 Millionen dramatisch hoch.

Besonders besorgniserregend ist die Situation junger
Leute. Die Zahl der Jugendlichen ohne Arbeit liegt zur-
zeit bei 665 000. Das entspricht einer Steigerung um
200 000 junge Menschen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Frau Fischbach, wo waren sie vorher? Sie waren vorher in der Sozialhilfe! Das ist abstrus!)


Wenn man Statistiken heranzieht, Frau Ministerin,
dann muss man alle berücksichtigen. Sie haben ausge-
führt – darin sind wir einer Meinung –, dass auch die
Bildung etwas damit zu tun hat, ob man arbeitslos wird.
Sie haben in diesem Zusammenhang zwei Vergleichs-
zahlen aus Bayern und Nordrhein-Westfalen genannt.
Sie haben festgestellt, dass der Bildungsstand in Bayern
niedriger ist als in Nordrhein-Westfalen.


(Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Es gibt mehr Schulabbrecher!)


– Ja, es gibt mehr Schulabbrecher als in Nordrhein-West-
falen. Aber nichtsdestotrotz sind in Bayern weniger
Jugendliche arbeitslos als in Nordrhein-Westfalen. In
Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der arbeitslosen Ju-
gendlichen um fast 30 Prozent gestiegen. Diese Zahl
sollte man sich zu Gemüte führen, wenn man die Bun-
desländer miteinander vergleicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Haupt [FDP])


Wir meinen, dass es nicht nur darum geht, Kinder frü-
her und besser zu fördern; vielmehr spielen auch die
Schulsysteme eine große Rolle. Gerade in den von der
CDU oder der CSU regierten Ländern werden bedeutend
bessere Ergebnisse erzielt als in den von Ihnen regierten
Ländern.

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(C (D (Nicolette Kressl [SPD]: Aber für wie viele? Für viel weniger!)


eshalb sollten Sie sich die Zahl noch einmal zu Gemüte
ühren: In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der arbeits-
osen Jugendlichen um 29,8 Prozent gestiegen. Diese
uote müssen Sie erst einmal reduzieren; dann können
ir weiter diskutieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin, Sie haben im Zusammenhang mit

em NAP das Elterngeld und den Kinderzuschlag ange-
prochen. Dazu möchte ich einige Anmerkungen ma-
hen.
Das von Ihnen angekündigte Elterngeld – auch hier-

ei handelt es sich wieder um eine Ankündigung; Kon-
retes findet sich dazu nicht – widerspricht unserem
rinzip einer bedarfsgerechten Förderung und verletzt
nserer Meinung nach auch den Grundsatz der Wahlfrei-
eit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ie wollen die Zahlung von Elterngeld an die Verpflich-
ung beider Elternteile knüpfen, zumindest teilweise El-
ernzeit in Anspruch zu nehmen. Dies greift eindeutig in
ie Entscheidungsfreiheit der Eltern ein und das wollen
ir nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

as bisherige Erziehungsgeld ist eine Anerkennung der
rziehungsleistung der Eltern. Als solche wird es allen
ltern in gleicher Höhe gewährt, sofern sie die gesetz-
ich festgelegten Einkommensgrenzen nicht überschrei-
en. Das Elterngeld hingegen begünstigt Eltern mit höhe-
en Einkommen.
Was Sie nun vorhaben, ist wieder einmal typisch: Sie
ollen ein Elterngeld für die Besserverdienenden ein-
ühren; aber damit diejenigen, die weniger haben, nicht
leich laut protestieren, kündigen Sie den Kinder-
uschlag an. Nun könnten wir meinen – der Begriff
Kinderzuschlag“ hört sich zunächst positiv an –, dass
amit die Familien gefördert werden sollen, die gerin-
ere Einkünfte haben. Ich denke, dass Sie das mit dem
inderzuschlag tatsächlich erreichen wollten. Im Natio-
alen Aktionsplan schreiben Sie, die Politik ziele

… darauf ab, die finanzielle Förderung für Familien
zielgerichteter zu gestalten. Ein Beispiel dafür ist
die Einführung eines einkommensabhängigen Kin-
derzuschlags … Der Kinderzuschlag richtet sich an
gering verdienende Eltern … Mit dem Kinderzu-
schlag wird Kinderarmut konkret verringert.

as hört sich zwar gut an, aber wir glauben es nicht.

(Nicolette Kressl [SPD]: Sie müssen es auch nicht glauben! Sie müssen es nachlesen!)


Hören Sie zu, dann bekommen Sie die Belege! Ich
ebe sie Ihnen gleich schriftlich, Frau Kressl. Dann kön-
en Sie das zu Hause nachlesen.


(Lachen der Abg. Nicolette Kressl [SPD])

Ich würde nicht darüber lachen, Frau Kressl!

16116 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Ingrid Fischbach

Denn wie sieht die Realität aus, Frau Ministerin? Sie

haben wieder einmal große Ankündigungen in große
Worte gefasst, aber nicht erwähnt – das aber ist für die
Menschen wichtig, vor allem für Alleinerziehende –,
dass die Auszahlung des Kinderzuschlags an vielfältige
Kriterien gebunden ist. In Nordrhein-Westfalen zum
Beispiel – hierbei beziehe ich mich auf eine Sendung des
WDR vom 24. März – werden 90 Prozent der Anträge
auf Gewährung eines Kinderzuschlages abgelehnt. Man
könnte vielleicht denken, dass die Antragsteller in Nord-
rhein-Westfalen zu viel verdienen. Aber das ist nicht der
Fall. Aufgrund der Einführung der Mindesteinkommens-
grenzen werden viele Anträge deshalb abgelehnt, weil
die Eltern zu wenig verdienen.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch!)

Das muss man sich einmal vorstellen: Sie wollen zwar
mit dem Kinderzuschlag den einkommensschwachen
Familien helfen, wenn aber die Eltern zu wenig verdie-
nen, dann erhalten die Familien den Zuschlag nicht!

Ich will ein Beispiel nennen. Eine allein erziehende
Mutter, die zwei Kinder zu versorgen hat und halbtags
arbeiten geht, verdient 113 Euro zu wenig – ich bitte Sie,
jetzt zuzuhören, Frau Kressl, weil Sie an dieser Stelle et-
was ändern können – und erhält deshalb keinen Kinder-
zuschlag. Sie müsste nun ihre Arbeit aufgeben. Dann
hätte sie die Möglichkeit, andere Hilfen und das
Arbeitslosengeld II in Anspruch zu nehmen. Sie stünde
sich also besser, wenn sie nicht arbeiten ginge. Wo bleibt
denn hier das Prinzip der Stärkung der Eigenverantwor-
tung? Frau Ministerin, das geht doch an den Menschen
absolut vorbei.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Dinge, die Sie ansprechen, klingen zwar gut.

Aber sie greifen in der Realität leider gar nicht. Das
zeichnet leider alles aus, was Sie als erfolgreichen Weg
beschrieben haben, Frau Ministerin. Dabei sind viele
Ideen gar nicht schlecht, zum Beispiel das Tagesbetreu-
ungsausbaugesetz, die Stärkung der privaten Tages-
pflege. Das ist richtig und wichtig. Aber dann müsste
zum Beispiel der Schritt kommen, die Betreuungskosten,
also die Kosten, die Eltern entstehen, steuerlich absetz-
bar zu machen. Das haben wir vorgeschlagen. Das hätten
Sie doch machen können. Aber das haben Sie noch nicht
einmal aufgenommen.


(Kerstin Griese [SPD]: Das haben wir doch erst eingeführt!)


– Frau Griese, wenn Sie einen entsprechenden Antrag
vorlegen, dann haben Sie uns sofort auf Ihrer Seite. Das
haben Sie aber nicht getan.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Ich habe im KICK gelesen – das hat mich wieder

erstaunt –, da Sie die Förderung und Unterstützung pri-
vater Tagespflege, das heißt privater Tagesmütterver-
bände propagieren, dass alle privaten Betreuungsverhält-
nisse der Genehmigung des Jugendamtes bedürfen. Sie
bauen schon wieder ein Bürokratiemonstrum auf. So
werden die betroffenen Frauen ihre Entscheidung für
eine Tagespflege wieder zurücknehmen. Das, was Sie

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(C (D achen, ist also kontraproduktiv. Sie nehmen gar nicht ie Wirklichkeit wahr. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ie können hier doch nicht Dinge verkünden und so tun,
ls ob Sie für Verbesserungen für Familien sorgten, und
n Wirklichkeit nichts tun. Ich bitte Sie, hierüber noch
inmal nachzudenken und etwas zu verändern.
Ich könnte noch fortfahren und auf die Beteiligung

on Kindern und Jugendlichen zu sprechen kommen.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517209400

Das können Sie leider nicht, weil die Zeit das nicht

ulässt.

Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1517209500

Herr Präsident, ich habe gesehen, dass die Uhr tickt.
eswegen komme ich nun zum Schluss.
Frau Ministerin, ich bitte Sie um Folgendes: Unsere

ugend ist unsere Zukunft. Deshalb ist es notwendig und
ichtig, ihr Zukunftsperspektiven aufzuzeigen, Perspek-
iven, die ihr Mut machen, die sie motivieren. Keine
euen Ankündigungspläne mehr! Es reicht. Hören Sie
uf, anzukündigen! Handeln Sie! Dann haben Sie uns an
hrer Seite.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517209600

Das Wort erhält nun die Kollegin Ekin Deligöz. Be-

or Sie das Wort erhalten, möchte ich Ihnen zu Ihrem
eutigen Geburtstag gratulieren,


(Beifall)

erbunden mit allen guten Wünschen nicht nur für diese
ebatte, sondern auch für das kommende Jahr.
Bitte schön.

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517209700

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen

nd Kollegen! Der Nationale Aktionsplan, den wir heute
ehandeln, enthält zweierlei: Einerseits ist er für uns die
estätigung unserer Politik. Andererseits ist er eine He-
ausforderung für die Zukunft. In dem Nationalen Ak-
onsplan wird bestätigt, dass das, was wir bisher gemacht
aben, um dieses Land kinder- und familienfreundlicher
u machen, der richtige Weg ist.
Wir haben eine ganze Menge in Sachen Kinderrechte,

amilienförderung und Zusammenleben von Alt und
ung in diesem Land erreicht. Es ist wichtig gewesen,
ass wir die Weichen in diesem Land neu gestellt haben.
enn ich über Weichenstellungen rede, dann rede ich
uch über Kinderrechte, darüber, dass es in diesem Land
in Recht auf gewaltfreie Erziehung gibt – Kinder sind
icht mehr Rechtsobjekte, sondern Rechtssubjekte mit
igenständigen Ansprüchen –, über Ganztagsschulpro-
ramme, die dem Ausbau von Bildung dienen, und über
as Tagesbetreuungsausbaugesetz, das den Ausbau von

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16117


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Ekin Deligöz

Betreuung bezweckt. Damit haben wir mehr getan, als es
eigentlich unsere Aufgabe auf Bundesebene ist. Wir sind
darüber hinausgegangen. Wir haben gesagt: Wir nehmen
unsere Verantwortung ernst und tun alles, was wir tun
können, um auch in diesem Bereich voranzukommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mit dem, was wir gemacht haben, haben wir die
Signale in der Gesellschaft gesetzt. Wenn wir heute über
die Qualität von Einrichtungen reden, wenn die Bundes-
länder über eine Neuqualifizierung von Mitarbeiterinnen
in Kindergärten und Kitas reden, um die Betreuung zu
verbessern, wenn wir über Erziehungs- und Bildungs-
pläne sowie über mehr Qualität bei den Tagesmüttern re-
den, dann darf man nicht vergessen, dass das unsere De-
batte ist. Wir haben diese Debatte gestartet, wir haben
sie geführt und gewonnen. Nun reden wir darüber. Das
ist viel mehr als das, was wir in diesem Land übernom-
men haben, als wir als Regierung angetreten sind.

Wenn Sie nun kritisieren, dass wir zwar einerseits
mehr wollen, dass wir andererseits für mehr Bürokratie
sorgen, dann frage ich Sie – hier sind ja viele Mütter
anwesend –: Wer haftet denn, wenn einem Kind in der
Obhut einer Tagesmutter etwas zustößt? Wer muss die
Verantwortung übernehmen? Wer qualifiziert die Tages-
mütter? Natürlich müssen wir diese Verantwortung über-
nehmen. Natürlich müssen wir die Ängste und Sorgen
der Eltern ernst nehmen und die richtigen Antworten fin-
den.

Sie signalisieren die Sorge, das sei zu bürokratisch.

(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: In höchstem Maße!)

Meine Botschaft lautet: Es geht um die Kinder; es geht
um die Rechte der Kinder; es geht darum, den Kindern
das Beste zu geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517209800

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin

Fischbach?


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517209900

Ja.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517210000

Bitte schön.


Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1517210100

Frau Kollegin Deligöz, ich glaube, Sie haben mir

nicht richtig zugehört. Ich habe nicht gesagt, durch die
Tagespflege werde ein bürokratisches Monster geschaf-
fen; es ging mir lediglich um die neue Regelung im
KICK, nach der jedes private Betreuungsverhältnis vom
Jugendamt genehmigt und überprüft werden muss. Dies
schafft neue Bürokratie.

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(C (D Ist Ihnen die Situation vor Ort bekannt? Ist Ihnen beannt, dass Jugendämter die Tagespflege im Sinne von ubsidiarität bewusst an private Träger übergeben und ass bis zu fünf Kinder – je nach Bundesland bis zu drei inder – ohne Jugendamtsgenehmigung betreut werden ürfen, weil private Träger die Aufgabe des Jugendames im Sinne von Subsidiarität übernommen haben? In elchem Verhältnis steht das zu der in § 44 KICK voresehenen Änderung? Frau Kollegin Fischbach, mir ist das bekannt. Ich eiß, wie das läuft. Ich weiß aber auch, dass das, worauf ie hinweisen, für lediglich 30 Prozent der Tagesmütter ilt, und kann Ihnen sagen, wie die anderen zu einer Taesmutter kommen: Man fragt eine Nachbarin, eine reundin, findet jemanden über die örtliche Presse oder onst wie. Dieser Bereich ist eine Grauzone. Viele Taesmütter arbeiten in Verhältnissen, die in keiner Weise esichert sind, ohne Sozialversicherung und zudem unerbezahlt. (Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Sie wollen das also gar nicht!)

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517210200

iese Arbeit wird bisher von vielen Menschen ohne eine
ntsprechende Qualifikation geleistet.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht zutreffend!)


Hören Sie mir doch einfach einmal zu, Herr
ossmanith! – Ich weiß, dass so der typische Tagesmut-
erarbeitsplatz in diesem Land aussieht. Gerade deshalb
üssen wir etwas tun: weil es nicht mehr reicht, dass die
inder in der frühesten Kindheit satt, sauber und aufge-
oben sind. Wir sagen: Es geht darum, die Kinder so
rüh wie möglich zu fördern. Das, was bei den Kindern
alsch gemacht wird, kann im Erwachsenenalter nicht
ehr rückgängig gemacht werden.
Mit Bildung und Erziehung muss in der frühesten
indheit und nicht erst in der Schulzeit angefangen wer-
en. Unser Ziel ist, die Qualität der frühkindlichen Er-
iehung zu steigern. Wir wollen für unsere Kinder den
esten Rahmen organisieren. – Das ist unsere Antwort
uf die Frage, warum das so wichtig ist, und der Grund
afür, dass wir das alles machen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517210300

Nein.

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517210400

Nein? – Na gut. Ich hätte sie zugelassen.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517210500

Das glaube ich sofort. Die Fantasie zur Erweiterung

er zugemessenen Redezeit ist in diesem Haus uner-
chöpflich. Aber wenn wir in der Nähe der vereinbarten

16118 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Gesamtdebattenstruktur bleiben wollen, dann muss es
möglich sein, zu unterbinden, dass sich Redner durch die
Beantwortung mehrerer Zwischenfragen zusätzliche Re-
dezeit ergaunern.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517210600

Aber das ziehen Sie jetzt von meiner Redezeit ab.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517210700

Das ziehe ich sofort ab, Frau Kollegin. Sie haben we-

gen Ihres Geburtstags heute ohnehin einen Zuschlag.
Bitte schön.


(Heiterkeit)


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517210800

Den Begriff „Zuschlag“ greife ich gerne auf: Das Ziel

des vorhin in der Debatte erwähnten Kinderzuschlags
ist es, Menschen, die zwar arbeiten und ein Erwerbsein-
kommen haben, damit aber nicht den Unterhalt ihrer
Kinder finanzieren können, dazu zu verhelfen, aus der
Armutsfalle herauszukommen. Durch diesen Zuschlag
brauchen sie nicht zum Sozialamt oder zum Jobcenter zu
gehen und Bittsteller zu werden. Dafür wollen wir sor-
gen.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Aber wenn sie weniger kriegen, kriegen sie nichts!)


Natürlich muss dieser Zuschlag begrenzt sein. Wir
kennen in unserem Sozialsystem das Günstigkeitsprin-
zip: Jeder hat einen Anspruch auf die für ihn beste Leis-
tung. Mit anderen Worten: Das Sozialrecht sieht solche
Grenzen vor.

Ich gebe zu: Ich sähe es gern, wenn viel mehr Kinder
und viel mehr Familien leistungsberechtigt wären. Wir
Grünen haben dazu Vorschläge gemacht, wie man das
Ganze weiterentwickelt kann. Wir arbeiten darauf hin,
diese Vorschläge umzusetzen. Falsch ist aber, das ge-
samte Instrument zu verurteilen, wie Sie es tun. Der An-
satz, Menschen im Hinblick auf den Arbeitsmarkt zu ak-
tivieren, Armut ernst zu nehmen und auf die damit
verbundenen Fragen Antworten zu geben, ist richtig.
Das ist das richtige Instrument. An diesem Instrument
arbeiten wir. Insofern setzen wir auch die richtigen Si-
gnale.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Angela Schmid [CDU/CSU]: Dann ist es besser, sie nimmt Sozialhilfe!)


Wir setzen ein weiteres Signal: Politik, Gesetzgeber,
wir im Parlament, Regierung und auch die verschiede-
nen staatlichen Ebenen sind für Familienpolitik verant-
wortlich, aber nicht allein. Wir brauchen Bündnispartner,
um kinder- und familienfreundliche Verhältnisse zu
schaffen. Wir brauchen verschiedene Akteure als Bünd-
nispartner: Arbeitgeber, Gewerkschaften, Kirchen, Ver-
bände, Organisationen, Verwaltungen. Genau das ist die
Grundlage einer familienfreundlichen Politik. Ich kann
nur jeden und jede dazu aufrufen, seinen bzw. ihren Teil
dazu beizutragen, dieses Land kinderfreundlicher zu ma-

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(C (D hen; denn das ist unsere gemeinsame gesellschaftliche ufgabe. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


An diesem Nationalen Aktionsplan waren Kinder und
ugendliche beteiligt. Bei dieser Regierungsvorlage, die
ir hier gemeinsam diskutieren, ist es uns zum ersten
al gelungen, Kinder und Jugendliche tatsächlich zu be-

eiligen. Sie ernst zu nehmen und partizipieren zu lassen,
st gelebte Demokratie.
Da auch die Kinderkommission daran mitgearbeitet

at und ich als Vorsitzende der Kinderkommission daran
eteiligt war, möchte ich mich ausdrücklich bedanken
nd auch die Bereitschaft dazu erklären, bei den Aufga-
en, die Kinder und Jugendliche an uns herangetragen
aben, weiterhin konstruktiv mitzuarbeiten.
In der Unterrichtung sind auch die Herausforderun-

en für die kommenden Jahre beschrieben. Diese He-
ausforderungen werden mit den folgenden Begriffen
eutlich gemacht: Chancengerechtigkeit, Bildung, Ge-
undheit und Ernährung, soziale Sicherung, Lebensstan-
ards – für alle gleichwertig in diesem Land –, aber auch
echte von Kindern. Das heißt für uns Politikerinnen
nd Politiker: Ärmel hochkrempeln und gute Arbeit tat-
räftig fortsetzen.
Wenn ich schon von Signalwirkung spreche, dann ge-

ört natürlich dazu, die Rücknahme der Vorbehalte ge-
en die UN-Kinderrechtskonvention zu erwähnen. Da-
ei geht es um Signale, die wir in diesem Land nach
ußen senden müssen, die wir im Sinne der Kinderrechte
ber auch in dieses Land hinein senden müssen. Dafür
üssen wir uns gemeinsam einsetzen. Für uns sind alle
inder gleich, egal woher sie kommen, egal warum sie
erkamen. Sie sind minderjährig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Angela Schmid [CDU/ CSU]: Und deswegen das Elterngeld?)


Da reicht es nicht, dass sich Bund und Länder gegen-
eitig Bälle zuwerfen. Es ist an der Zeit, finde ich, dass
an sich endlich einmal gemeinsam hinsetzt, über diese
benen hinweg, und sagt: Wir tun etwas für unsere Kin-
er und nehmen die Vorbehalte zurück. Den Vorwurf,
it der Rücknahme der Vorbehalte würde sich auslän-
errechtlich etwas ändern, teile ich übrigens nicht. Ganz
Gegenteil glaube ich, dass das ein wichtiger Schritt
Sinn einer kinderfreundlichen Gesellschaft sein wird.
n diesem Punkt werden wir auch vom Ausland beo-
achtet. Deshalb sind wir geradezu gezwungen, diesen
chritt zu gehen. Ich fordere Sie von der CDU/CSU auf,
as zu unterstützen, damit uns gemeinsam eine kinder-
reundliche Welt, ein kinderfreundliches Land gelingt.
as ist unser Ziel. Das ist unsere Verantwortung. Lassen
ie uns diese Verantwortung gemeinsam übernehmen!
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16119


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Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517210900

Das Wort hat nun der Kollege Klaus Haupt für die

FDP-Fraktion.


Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1517211000

Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr verehr-

ten Kolleginnen und Kollegen! Mit der Vorlage des Na-
tionalen Aktionsplans für ein kindergerechtes Deutsch-
land kommt die Bundesregierung einer Verpflichtung
aus den Vereinbarungen des Weltkindergipfels von 2002
in New York nach.

Wir sind uns alle einig, über Parteigrenzen hinweg,
glaube ich, dass ein kindergerechtes Deutschland ein
Ziel ist, für das man sich gemeinsam einsetzen sollte.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sollten der Kinder- und Jugendpolitik in unserer Ar-
beit einen noch viel höheren Stellenwert geben; denn
dieses Politikfeld nimmt die größte gesellschaftliche He-
rausforderung für unser Land ins Visier: die Fehlwahr-
nehmung von Kindern als Last, als Mühsal, als Stolper-
stein bei der Karriere, als Kostentreiber.

Ich freue mich ganz besonders darüber, dass der NAP
auch unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
erarbeitet wurde; meine Vorrednerin hat schon darauf
aufmerksam gemacht. Junge Menschen wollen Verant-
wortung tragen und ihre Welt mitgestalten. Sie erheben
zu Recht Anspruch auf Beteiligung.

Ich freue mich darüber, dass das „Projekt P“ auf die
Gestaltung durch Kinder und Jugendliche selbst setzt.
Deshalb, Frau Ministerin, hat die FDP erst letzte Woche
ihre Unterstützung für die geplanten Aktionen, zum Bei-
spiel das Festival Berlin 2005 im Sommer, betont.

Eine aktive Beteiligung von Kindern und Jugendli-
chen darf sich aber nicht in einzelnen Aktionen erschöp-
fen. Sie muss kontinuierlich erfolgen und ernsthafte Ge-
staltungs- und Mitentscheidungschancen für die jungen
Generationen bieten. Wenn wir Beteiligung ernst neh-
men, müssen wir die Rechte von Kindern und Jugendli-
chen stärken. Ich begrüße es, meine seit Jahren wieder-
holte Forderung im NAP wiederzufinden: Wir müssen
Kinder und Jugendliche besser über ihre Rechte infor-
mieren und Kinderrechte auch im Bewusstsein der Er-
wachsenenbevölkerung verankern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist noch viel zu tun, damit in Kindergärten, Schu-
len, Freizeiteinrichtungen, in der Jugendhilfe, in der Jus-
tiz und in den Familien, nicht zuletzt aber auch bei den
Politikern klar ist, welche Rechte Kindern beispiels-
weise nach der UN-Kinderrechtskonvention zustehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als leider schier un-
endliche Geschichte zieht sich die Debatte über die
Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinder-
rechtskonvention durch die letzten Jahre; Frau Bundes-
ministerin, Sie haben darauf verwiesen. Dazu sagt die

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(C (D DP ganz klar – wir haben auch einen Antrag eingeracht –: Die deutsche Vorbehaltserklärung gegen die inderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist sachich obsolet und muss endlich aufgehoben werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Sie wirkt wie ein Vorbehalt gegen Fortschritte in der
inderrechtsdiskussion. Das belastet den Dialog mit den
inderrechtsorganisationen erheblich. Eine Rücknahme
er Vorbehalte ist sachlich möglich und politisch gebo-
en. Der Vorbehalt schadet dem deutschen Ansehen im
usland. Deutschland darf anderen Staaten keinen Vor-
and liefern, selbst Vorbehalte gegen Kinderrechte auf-
ubauen.
Frau Ministerin, die Rücksichtnahme auf die Bundes-

änder darf nicht zu einer weiteren Verschleppung der
ntscheidung führen. Die Aufhebung der Vorbehaltser-
lärung ist ein dringend notwendiges und längst überfäl-
iges Signal für ein kinderfreundliches Deutschland.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts des
AP, dem die FDP grundsätzlich positiv gegenübersteht,
uss ich aber auch deutlich erhebliche Probleme anspre-
hen. Es ist, Frau Ministerin, Augenwischerei, wenn Sie
ehaupten, Sie hätten den Ausbau der Betreuungsange-
ote für Kleinkinder sichergestellt. Sie wissen, dass die
inanzierung für die Maßnahmen des TAG auf töner-
en Füßen steht. Städte und Gemeinden bezweifeln
ehr denn je, dass ihnen 1,5 Milliarden Euro jährlich für
en Ausbau der Betreuungsangebote zur Verfügung ste-
en. So sehr sich die FDP diesen Ausbau auch wünscht,
o ungewiss ist er derzeit leider.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn sich die Bundesregierung einen angemessenen
ebensstandard der Kinder zum Ziel setzt, sollte sie
uch zugeben, wie weit wir davon entfernt sind – Frau
ollegin Fischbach hat darauf verwiesen –, nicht zuletzt
eil die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von Rot-
rün versagt hat. Dies ist ja zuletzt durch den Armutsbe-
icht dokumentiert worden.
Kinder leiden erheblich unter der Arbeits- und Per-

pektivlosigkeit ihrer Eltern. Für Jugendliche sind Aus-
ildung und Arbeit mehr als nur die Grundlage für ein
irtschaftlich unabhängiges Leben. Sie haben auch zen-
rale Bedeutung für die Identitätsfindung, die Selbstver-
irklichung und die Selbstbestimmung. Armutsbekämp-
ung darf aus unserer Sicht nicht mehr allein über
inkommenstransfers und Umverteilung angestrebt wer-
en. Vielmehr ist die Wiederherstellung von wirtschaftli-
her und sozialer Handlungsfähigkeit der Betroffenen
ötig. Diese Sichtweise rückt die Hilfe zur Selbsthilfe in
en Mittelpunkt.
Die Kindertagesbetreuung ist dabei ein wichtiges

nstrument zur besseren Vereinbarkeit von Kindern und
eruf. Die Verklärung der Kindertagesbetreuung zum

16120 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Klaus Haupt

Allheilmittel unserer kinderarmen Gesellschaft ist je-
doch schlicht lebensfremd.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Nicolette Kressl [SPD]: Das macht auch niemand!)


Der Kampf gegen Kinderlosigkeit erfordert vor allem
ein gesellschaftliches Umdenken. Kinderfreundlichkeit
beginnt in den Köpfen und beginnt im Alltag. Mit Geld
allein lässt sich das nicht regeln. Kinderfreundlichkeit ist
auch nicht von Staats wegen zu verordnen. Entscheidend
sind die individuellen Einstellungen der Menschen: der
Arbeitgeber und der Personalchefs, die Schwangerschaf-
ten und Elternzeiten als etwas Selbstverständliches be-
greifen; der Nachbarn, die sich bei Kinderlärm nicht
nach Friedhofsruhe sehnen;


(Ute Kumpf [SPD]: Das sind meistens die Männer!)


der Eltern, die die Erfahrung machen, dass Kindererzie-
hung die anspruchsvollste, aber auch spannendste He-
rausforderung darstellt, die das menschliche Leben zu
bieten hat.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Einen gesellschaftlichen Wandel zu solchen Einstel-
lungen herbeizuführen ist eine schwierige Aufgabe, die
die Politik wirklich nicht allein leisten kann, an der sie
aber mitwirken muss. Denn schon Martin Luther stellte
fest: Bei den Kindern muss angefangen werden, wenn es
im Staate besser werden soll.

Danke.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517211100

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marlene Rupprecht,

SPD-Fraktion.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1517211200

Frau Präsidentin! Kolleginnen! Kollegen! Ich gehörte

dem Kreis an, der diesen Nationalen Aktionsplan erar-
beitet hat. Es war eine Gruppe von Menschen aus Minis-
terien und Regierungsorganisationen, aber vor allem aus
Nichtregierungsorganisationen und von Kindern. Was
Sie im Nationalen Aktionsplan finden, sind also Vor-
schläge und Feststellungen genau dieser Menschen. So
sollte man ihn auch lesen. Das Schöne daran ist, dass
Vorschläge gemacht wurden, ohne dass dabei darauf ge-
achtet wurde, ob der Bund, die Gemeinden, die Länder
oder eine andere Institution zuständig sind. Vielmehr ha-
ben die Kinder Vorschläge gemacht, wie sie sich das
Land vorstellen und was sie am liebsten hätten. Dabei
war es ihnen ziemlich egal, ob Schulpolitik in der Hand
des Bundes oder der Länder liegt. Die Schulpolitik näm-
lich, die sie brauchen, ist eine kindgerechte. So viel
dazu, wie der Nationale Aktionsplan entstanden ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D Was soll der Nationale Aktionsplan? Ziel ist es, dass lle gesellschaftlichen Kräfte querbeet gemeinsam daran auen, dass unser Land kindgerechter wird. Kindgerecher heißt: Hinschauen, was Kinder brauchen und wollen, nd sie ernst nehmen. Sie werden in jeder Rede von mir ie Aufforderung hören: Nehmt Kinder ernst! Begebt uch auf Augenhöhe, damit ihr feststellt, was ein Kind ill! Mit diesem Paradigmenwechsel haben wir bereits n der Kinderpolitik begonnen und wir wollen ihn fortetzen. Der Nationale Aktionsplan ist dabei ein wichtier Bestandteil. Wir wollen seine Inhalte in alle Ebenen er Gesellschaft hinaustragen, in die Zivilgesellschaft nd in die Arbeitswelt und ihn dort verankern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sehen nämlich Kinder als eigenständige Persön-
ichkeiten, als Subjekte, und nicht, wie in Ihrem Antrag
u lesen ist, nur als „Objekte von“. Ich kann mich noch
n die Debatte in der letzten Wahlperiode erinnern, wo
s hauptsächlich um folgenden Satz ging, der ins BGB
ingefügt werden sollte: Kinder haben ein Recht auf ge-
altfreie Erziehung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ls es darum ging, ist hier fast das Schwert gezogen
orden. Sie wollten, dass es heißt: Kinder sind gewalt-
rei zu erziehen. Damit wären sie zum Objekt von Erzie-
ung geworden. Wir haben gesagt, Kinder haben ein
echt, das ihnen zu Eigen ist und das ihnen kein Mensch
ehmen kann. Diesen Paradigmenwechsel im Denken
ollen wir hinaustragen und verankern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

azu müssen wir erkennen, dass Kinder eigene Rechte
aben, egal woher sie kommen.
Deshalb richte ich auch einen Appell an alle unionsre-

ierten Länder, dass sie ihren Widerstand gegenüber der
N-Kinderrechtskonvention aufgeben; denn sie sind
s, die dafür verantwortlich sind, dass wir die Konven-
ion nur mit Vorbehalten anerkennen. Damit würden wir
ermeiden, das Ansehen der Bundesrepublik in der Welt
u beschädigen, und kämen endlich dazu, dass Kinder
rnst genommen werden und ihnen kein Schaden zuge-
ügt werden darf.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517211300

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Fischbach?

Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1517211400

Aber gerne, Frau Fischbach. Da wir zusammen in der
inderkommission sitzen, denke ich, ist das mehr als
echt und billig. Bitte schön.

Ingrid Fischbach (CDU):
Rede ID: ID1517211500

Das hält mich jetzt trotzdem nicht von meiner Frage

b. – Ich kann mich sehr gut an die Diskussion in der
etzten Legislaturperiode über das Recht auf gewalt-
reie Erziehung erinnern. Ich hatte in diesem Zusam-
enhang insbesondere den von Ihnen genannten Punkt

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16121


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Ingrid Fischbach

kritisiert, aber vielleicht haben Sie da ja neuere Erfah-
rungen. Sie haben gerade gesagt, Kinder hätten ein
Recht auf gewaltfreie Erziehung. Ich möchte Sie nun
fragen: Welche Möglichkeiten hat das Kind, dieses
Recht auf gewaltfreie Erziehung einzufordern bzw. ein-
zuklagen?


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1517211600

Frau Fischbach, Sie wissen, dass bei der Diskussion

darüber damals schon ganz deutlich wurde, dass dieser
Satz ähnlich wie in Schweden einen Appell an die Ge-
sellschaft darstellen soll. Denn Gewalt in der Erziehung
steht jetzt schon unter Strafe. Diese muss man nicht
strafbewehren. Etwas anderes ist es – das fällt nicht un-
ter die Bestimmungen des Strafgesetzbuches –, wenn
wir sagen: Wir bieten euch Hilfe an. Deshalb haben wir
im Kinder- und Jugendhilfegesetz die Beratung ausge-
baut. Nur dann macht das Sinn. Deshalb war es sehr
wichtig, diesen Satz zu ergänzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden das Anliegen, die Kinderrechte im
Grundgesetz zu verankern, sehr ernsthaft überprüfen.
Als Kinderbeauftragte hoffe ich, dass dem auch alle üb-
rigen Kinderbeauftragten, die in der Kinderkommission
vertreten sind, zustimmen werden; denn für uns gilt das
Einstimmigkeitsprinzip. Wenn es nach mir geht, dann
werden wir die Kinderrechte im Grundgesetz verankern,
damit dieser Bereich mit den Familienrechten gleichran-
gig ist. Es wäre wunderschön, wenn wir dieses Signal
nach außen geben könnten.

Ausdruck des Paradigmenwechsels ist auch, dass wir
die Rahmenbedingungen für das Aufwachsen von Kin-
dern verändert haben, nicht nur, was die Gewaltfreiheit
betrifft, sondern auch, was die gesundheitlichen Bedin-
gungen angeht. Wir haben verschiedene Kampagnen ge-
startet – zum Beispiel zur Förderung von Bewegung und
gesunder Ernährung sowie zur Schaffung einer freundli-
chen Umwelt –, um zur Gesundheit der Kinder beizutra-
gen.

Auch im Bereich behinderter Kinder haben wir Ver-
änderungen durchgeführt. Als Beispiel nenne ich die
Verankerung des Rechts auf die Komplexleistung „Früh-
förderung“ im Sozialgesetzbuch IX. Dass seine Umset-
zung vor Ort nicht funktioniert, liegt nicht am Bundesge-
setzgeber, sondern daran, dass die Verantwortlichen in
den Gemeinden, Krankenkassen und Ländern sagen: Wir
nicht. Meiner Ansicht nach müssen wir hier dringend
Druck machen und mehr als bisher an die Öffentlichkeit
bringen, wie wichtig es ist, dass, wenn es um Kinder
geht, behinderte Kinder, deren Eltern dringend Unter-
stützung brauchen, eingeschlossen sind.

Wir haben die finanziellen Rahmenbedingungen für
Familien verbessert. Es ist natürlich kontraproduktiv,
wenn wir zwar auf der einen Seite Geld zur Verfügung
stellen, die Länder aber auf der anderen Seite ihre Betei-
ligung an der Tagesbetreuung von Kindern bzw. ihre Zu-
schüsse zu den Kindergartenbeiträgen fast auf null sen-
ken und damit Geld aus der Tasche der Eltern ziehen.

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(C (D as kann so nicht funktionieren. Es ist nicht die Absicht es Bundes, dazu beizutragen, dass sich die Länder auf osten der Eltern entschulden. Wir haben etwas unterommen und die Länder um 20 Milliarden Euro entlaset. Auch das muss man sehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Klaus Haupt [FDP]: Das war jetzt aber sehr präzise! Toll!)


Herr Haupt, Sie haben schon geredet.

(Klaus Haupt [FDP]: Eine Milchmädchenrech nung ist das!)

In dieser Beziehung gibt es in den Ländern noch sehr

iel Nachholbedarf. Die Idee, dass Kinder keine Objekte
ind, die man verschiebt, verschachert oder irgendwo ab-
tellt, sondern dass sie Rechte haben, muss man in den
ändern noch vernünftig implementieren. Ich darf nur
n das bayerische Tagesbetreuungsausbaugesetz erin-
ern. Derselbe Geldbetrag, der vorher für die Kinder von
rei bis sechs Jahren vorgesehen war, steht jetzt für Kin-
er von null bis 14 Jahren zur Verfügung. Mich würde
irklich interessieren, welch eine Mathematik dahinter
teckt, dass auf einmal das Geld für alle Kinder reichen
oll, ohne dass der Gesamtbetrag einfach nur gestreckt
urde.
Die Anzahl der heilpädagogischen Tagesstätten für

ehinderte Kinder wurde reduziert. Dadurch spart man
ittel für die Betreuung und außerdem Fahrtkosten ein.
aran kann man ermessen, welche Art von Kinder-
reundlichkeit Sie propagieren. Ihrem kommunalen Ent-
astungsgesetz zufolge erfolgen Leistungen nur noch
ann, wenn die Finanzlage es erlaubt. Ansonsten wird
ichts für die Kinder getan.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Das ist ein Gesetz des Bundesrates! Es ist nicht von uns!)


Deshalb brauchen wir in Deutschland ein Zusammen-
piel aller Kräfte, von Bund, Ländern, Gemeinden und
er Zivilgesellschaft. Bei der Umsetzung dieses nationa-
en Aktionsplans müssen wir die Kinder auf Augenhöhe
eteiligen, damit das zutrifft, was sie in New York gefor-
ert haben: Nicht die Zukunft sind wir, sondern die Ge-
enwart. Wir wollen für die Gegenwart arbeiten. Deshalb
aben wir diesen Nationalen Aktionsplan vorgestellt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517211700

Frau Kollegin.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1517211800

Damit er nicht ins Leere läuft, haben wir ein Monito-

ing-Verfahren, also eine Überwachung, eingebaut. Das
st richtige Politik und das sind nicht nur, wie es bei Ih-
en der Fall ist, Ankündigungen.
Danke.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


16122 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517211900

Das Wort hat die Kollegin Dorothee Mantel, CDU/

CSU-Fraktion.


Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1517212000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland
hat ein sehr ausdifferenziertes Familienrecht. Das Wohl
des Kindes steht dabei im Vordergrund; ich glaube, das
ist unstrittig. Aber zunächst möchte ich auf die UN-Kin-
derrechtskonvention eingehen, da Sie, Frau Ministerin,
und auch der Kollege Haupt von der FDP sowie die Kol-
legin Rupprecht die Problematik falsch dargestellt ha-
ben.

Aus guten Gründen und nach heftigen Debatten ha-
ben das Familienrecht und das Ausländerrecht in
Deutschland die differenzierte Ausgestaltung, die sie
heute haben. Vielfach wird jedoch die falsche Auffas-
sung vertreten, dass ausländische Kinder unabhängig
von allen rechtlichen Voraussetzungen Anspruch auf
Einreise und Aufenthalt haben. Die Vorbehaltserklärung
– man sollte besser sagen: die Interpretationserklärung –
stellt klar: Nichts in der Konvention kann so ausgelegt
werden, dass die widerrechtliche Einreise nach Deutsch-
land erlaubt würde. Nichts in der Konvention kann so
ausgelegt werden, dass bestehendes Recht der Bundesre-
publik beschränkt würde. Und nichts kann so ausgelegt
werden, dass Unterschiede zwischen Inländern und Aus-
ländern gemacht würden. Dieser Auffassung ist auch die
Bundesregierung.

Die heutige Debatte hat mit dem Familienrecht oder
mit dem Schutz von Kindern nichts zu tun. Im Kern geht
es heute um etwas ganz anderes als die Kinderrechtskon-
vention: Es geht für die Bundesregierung leider wieder
einmal darum, eine Scheindebatte zu entfachen, um sich
selbst als handelnd und die CDU/CSU als blockierend
darzustellen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie sind es ja leider!)


Leider muss das Thema Kinderrechte hierfür herhalten.
Liebe Kollegen, ich werde das gerne darlegen, und

zwar so, dass es auch für die verständlich ist, die hier lie-
ber herumschreien als aufpassen. Festzuhalten ist zum
einen, dass die Bundesregierung früher wohl noch eine
andere Sicht der Dinge hatte: 1998 wurde die Position
der Regierung Kohl nahtlos übernommen. Auch bei spä-
teren Gesetzgebungsvorhaben war nicht zu erkennen,
dass die Bundesregierung angebliche Schutzdefizite be-
seitigen wollte. Es hat bei Rot-Grün also keinen wirkli-
chen Willen zur Änderung der Rechtslage gegeben, ge-
rade und vor allem nicht bei den Verhandlungen über das
Zuwanderungsgesetz, bei denen Sie, meine Damen und
Herren von der Koalition, jederzeit die Gelegenheit dazu
gehabt hätten.

Hier drängt sich doch ziemlich klar der Eindruck auf:
Für eine Scheindebatte ist das Thema offensichtlich alle-
mal gut. Denn tatsächlich ist der Fall doch so gelagert:
Rot-Grün hatte die Rücknahme der Vorbehalte in die ei-
gene Koalitionsvereinbarung aufgenommen. Zu einer

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(C (D msetzung kam es dann aber trotz nachweislicher Geleenheit nicht. Anstatt dies aber zuzugeben, wird in einer nszenierten Debatte die Opposition dafür verantwortlich emacht. Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der ollegin Deligöz? Ich gratuliere der Kollegin zu Ihrem Geburtstag, aber s ist besser, wenn sie mich ausreden lässt. (Heiterkeit bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517212100
Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1517212200
Zum Zweiten – und da wird es erst richtig interes-

ant – ist die Bundesregierung angeblich der Auffas-
ung, dass sich durch eine Rücknahme gar nichts an der
echtslage ändern würde. Der Unterschied wäre freilich
ine größere Rechtsunsicherheit – aber die hält mit die-
er Bundesregierung ja sowieso in allen Bereichen Ein-
ug. Die Bundesregierung sagt, dass man bei einer Aus-
egung der Konvention sowieso zur jetzt bestehenden
echtslage kommt; das ist ihre Begründung für die
ücknahme der Vorbehaltserklärung. Man könnte also
agen, die Bundesregierung will die Rücknahme nur,
eil sich – wie sie behauptet – daraus überhaupt keine
irkungen ergeben. Sie wissen aber ganz genau, dass
ies nicht stimmt und nur eine Beruhigungspille sein
oll, meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
ion. Denn natürlich würde es nach einer Rücknahme
ruck zu Änderungen des Aufenthaltsrechts geben. Sie
issen doch selbst, dass es die Kernforderung ist, aus-
ändische Kinder unter 18 Jahren von den ausländer-
echtlichen Vorschriften der Einreise und des Aufent-
alts auszunehmen. Also darf man nicht ernsthaft
lauben, dass sich durch eine Rücknahme der Vorbe-
altserklärung nichts ändern würde.
Wenn die Bundesregierung wirklich der Meinung
äre, dass man sich um die Kinder kümmern müsse,
ann sollte sie damit anfangen. Eine Debatte über die
inderrechtskonvention reicht hier nicht aus. Sie haben
n der gesamten Regierungszeit der Familienpolitik nicht
en Stellenwert eingeräumt, den sie bis 1998 unter unse-
er Regierung hatte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


unktuelle und auf Öffentlichkeitswirkung ausgerichtete
aßnahmen waren Ihnen wichtiger als die umfassende
erbesserung der Situation der Familien und der Kinder.


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Den Armutsbericht haben Sie zurückgehalten!)


Das größte Armutsrisiko für Familien in Deutschland
st nach wie vor die Arbeitslosigkeit. An der Lösung die-
es Problems wollten Sie sich messen lassen. Heute wol-
en Sie nichts mehr davon wissen. Es hat schon den Cha-
akter eines Rituals, dass Sie Monat für Monat eine

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16123


(A) )



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Dorothee Mantel

Trendwende voraussagen, die freilich nicht kommen
wird, solange diese Bundesregierung im Amt ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich würde mich freuen, wenn auch Sie die Familien-

politik in Deutschland als ganzheitliche Aufgabe mit Be-
teiligung aller Ressorts – eben auch des Innenressorts –
sehen würden und wenn dieses wichtige Thema nicht
nur in Scheindiskussionen behandelt werden würde. Das
hilft den Kindern, die unsere Hilfe am dringendsten
brauchen, nämlich nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Ein eigenartiges Kinderbild!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517212300

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1517212400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In mehreren Anträgen geht es heute um die Rechte von
Kindern. Diese sollen verbessert werden. Dafür ist die
PDS seit langem – im Bundestag wie auch im Bundesrat.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Deshalb unterstützen wir auch die heute vorgeschlage-
nen Maßnahmen. Der Vorbehalt der Bundesrepublik zur
UNO-Kinderrechtskonvention soll aufgehoben, ein Na-
tionaler Aktionsplan soll angenommen und die Rechte
von Kindern in Deutschland sollen gestärkt werden.
Dem stimmt die PDS im Bundestag zu.

1992 hatte die Kohl-Regierung die UN-Kinder-
rechtskonvention nur unter Vorbehalt ratifiziert. Die da-
mals beabsichtigte Folge war: Kindern von nichtdeut-
schen Eltern, vor allem Flüchtlingskindern, wurden
wesentliche Rechte, die ihnen eigentlich zustehen, vor-
enthalten. – Frau Kollegin Mantel hat eben in bemer-
kenswerter Deutlichkeit ausgeführt, dass die Union wei-
ter will, dass diesen Kindern, die eigentlich einen
besonderen Schutz benötigen, diese Rechte immer noch
vorenthalten werden sollen. Die PDS hat das immer ab-
gelehnt und deshalb schon seit langem gefordert, diesen
ungerechten Vorbehalt endlich zu tilgen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Es sei daran erinnert: Rot-Grün hat das seit 1998 ver-
sprochen.

Wir erwarten allerdings, dass auch alle einschlägigen
Gesetze geändert werden, sodass dann allen Kindern tat-
sächlich dieselben Rechte zustehen und – mehr noch –
Flüchtlingskinder einen besonderen Schutz genießen.

Nun zum Aktionsplan: Die PDS wird ihm zustimmen.
Er reicht uns aber nicht – schon gar nicht angesichts ak-
tueller Entwicklungen. Verschiedene Studien belegen
– das ist im Alltag erlebbar –: Die Kinderarmut in
Deutschland ist hoch und sie nimmt immer noch zu.

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(C (D NICEF hat belegt, dass die Kinderarmut in Deutschnd seit 1990 stärker gestiegen ist als in allen vergleicharen Industrieländern. Ich finde, das ist ein erschrekender Befund über deutsche Verhältnisse. Das ist ein achsendes Übel für die von Armut Betroffenen, zumal selben Zeitraum der Reichtum im Lande unanständig ugenommen hat. Diese negative Entwicklung wird urch aktuelle Gesetze der rot-grünen Bundesregierung assistiert von der konservativen Opposition – sogar och befördert. Ich erinnere nur an die so genannte Geundheitsreform und an die Hartz-Pakete. Deshalb chlage ich für die PDS drei Sofortmaßnahmen vor: Erstens. Bei allen Bezieherinnen bzw. Beziehern von rbeitslosengeld II darf das Kindergeld nicht gegengeechnet werden. Kindergeld muss alle Kinder erreichen. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Zweitens. Bezieherinnen und Bezieher von
rbeitslosengeld II sind von Kita-Gebühren zu befreien.
uch das wäre sozial, gerecht und klug im Sinne der
inder.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie in Berlin doch gerne machen!)


Drittens. Empfänger von Arbeitslosengeld II sind von
uzahlungen für Medikamente zu befreien, die ihre 13- bis
7-jährigen Kinder brauchen.
Alle drei Vorschläge lösen das komplexe Problem der
inderarmut nicht, aber sie sind hilfreich und wichtig.
ußerdem könnte die SPD mit ihrer Zustimmung zei-
en, wie ernst ihre aktuelle Kapitalismuskritik ist.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517212500

Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Griese,

PD-Fraktion.

Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1517212600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ir begrüßen den „Nationalen Aktionsplan für ein kin-
ergerechtes Deutschland 2005 – 2010“ ganz deutlich;
enn er zeigt, dass wir die Verantwortung für die nach-
olgende Generation übernehmen. Gleichzeitig machen
ir klar: Kinder brauchen für ihr Aufwachsen die best-
öglichen Bedingungen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir begrüßen auch die Erklärung der Bundesregie-
ung, dass sie ihre Anstrengungen zur Erreichung dieses
iels in den nächsten Jahren verstärken wird. Sie, Frau
inisterin, haben das hehre Ziel ausgegeben, dass
eutschland eines der kinderfreundlichsten Länder Eu-
opas werden soll. Wir als SPD-Fraktion teilen dieses
iel und werden aktiv daran mitarbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


16124 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517212700

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Deligöz?

Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1517212800

Ja, besonders weil sie heute Geburtstag hat.


(Klaus Haupt [FDP]: Wie meinen Sie das mit dem Glückwunsch? – Heiterkeit)


– Das meine ich persönlich.

Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517212900

Liebe Frau Kollegin, nachdem ich während der Rede

der Kollegin Mantel keine Frage stellen durfte, möchte
ich jetzt gerne die Gelegenheit dazu ergreifen. Frau
Mantel hat in ihrer Rede behauptet, die Bundesregierung
habe die Position der Regierung Kohl aus dem Jahre
1998 übernommen und nichts in Bezug auf die Vorbe-
halte geändert. Wie ist Ihre Position dazu?

Stimmen Sie mir zu, dass der Bund nach dem so ge-
nannten Lindauer Abkommen zwischen dem Bund und
den Ländern die Vorbehaltserklärung – es ist eine Vorbe-
haltserklärung und keine Interpretation – nicht im Al-
leingang zurücknehmen kann und dass dieses Verfahren
in dieser Form noch nicht stattgefunden hat? Unser
Wunsch und Wille ist – darauf werden wir auch im Sinne
der weiteren Kooperation beharren –, dass die Länder
hier mit uns an einem Strang ziehen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr gut!)



Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1517213000

Vielen Dank. – Wir haben in den letzten Jahren im

Deutschen Bundestag drei- oder viermal gemeinsam be-
schlossen, dass wir die Vorbehalte gegen die UN-Kin-
derrechtskonvention zurücknehmen wollen. Das ist
also der Wille des Parlaments. Ich bin Bundesministerin
Renate Schmidt sehr dankbar, dass sie noch einmal die
Initiative ergriffen und alle Bundesländer angeschrieben
hat, weil in dem Lindauer Abkommen, das Sie schon er-
wähnt haben, festgelegt ist, dass für solche Entscheidun-
gen die Zustimmung der Länder nötig ist.

Interessant waren die Reaktionen auf dieses Schrei-
ben. Beispielsweise haben sich die Länder Berlin, Nord-
rhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern und Schles-
wig-Holstein sehr positiv dahin gehend geäußert, die
Vorbehalte zurückzunehmen, die unionsregierten Länder
aber nicht. Es geht hier um fünf Punkte. Vier von diesen
fünf Punkten haben wir durch bundesgesetzliche Rege-
lungen bereits zurückgenommen – diejenigen, die sich
damit beschäftigen, werden das wissen –: Das bezieht
sich auf Änderungen im Kindschaftsrecht, eine kinder-
und jugendgerechte Auslegung des Jugendstrafrechts,
das Fakultativprotokoll, in dem es um die Beteiligung
von Kindern an bewaffneten Konflikten geht. Sie sehen,
das, was wir von Bundesseite aus tun können, haben wir
getan, um diese Vorbehalte zurückzunehmen. Meine
Aufforderung richtet sich an die Länder, unserem Vor-
schlag zuzustimmen, diese Vorbehalte insgesamt zurück-
zunehmen. Das wäre auch kinderfreundlich.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Klaus Haupt [FDP])


Im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan
öchte ich mich auch bei den Nichtregierungsorganisa-
ionen sehr herzlich bedanken, besonders bei der Natio-
al Coalition, bei den Kindern und Jugendlichen, die
itgearbeitet haben, und auch bei der Kinderkommis-
ion des Deutschen Bundestages. Ich bedanke mich auch
eim Deutschen Bundesjugendring, der heute diesen Na-
ionalen Aktionsplan ausdrücklich begrüßt hat und wei-
er intensiv an der Umsetzung mitarbeiten will.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unser gemeinsames Ziel ist es, dass Deutschland kin-
erfreundlicher wird. Wir haben eine neue Qualität der
ebatte: Immer mehr Kommunen, Wirtschaftsunterneh-
en und auch die Kirchen lassen sich in die Verantwor-
ung nehmen. Ich will ein positives Beispiel aus dem
chönen Bundesland Nordrhein-Westfalen, aus dem ich
omme, anführen. Das Land Nordrhein-Westfalen hat
nter dem Motto „Kinder fördern – Zukunft sichern“
ehr viel getan, um die Zukunftschancen für Kinder und
ugendliche zu verbessern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


99,6 Prozent der Kinder haben einen Kindergarten-
latz. 100 000 Kinder mit Migrationshintergrund besu-
hen derzeit einen Kindergarten. Das sind doppelt so
iele wie noch vor zehn Jahren. Laufende Sprachförder-
aßnahmen setzen schon vor der Einschulung ein, um
inder mit sprachlichen Defiziten zu fördern. Es geht
arum, Chancengerechtigkeit zu verwirklichen. Dieser
ationale Aktionsplan zielt darauf ab, dass Länder und
ommunen mitarbeiten. NRW hat bereits eine Bildungs-
ereinbarung abgeschlossen, in der die wichtigsten Bil-
ungsziele für die Kindertageseinrichtungen beschrieben
ind.
NRW geht auch mit einem anderen Beispiel positiv

oran, nämlich bei den Ganztagsgrundschulen. 785 of-
ene Ganztagsgrundschulen gibt es bereits in NRW, 600
eue sind für 2005 und 2006 geplant. Damit liegt NRW
n der Spitze. Der internationale Vergleich zeigt uns,
ass Kinder, die ganztags miteinander lernen und geför-
ert werden, ganz vorne mit dabei sind.
Interessant ist, wie dieses Programm entstanden ist. In
RW hat sich die CDU geradezu fanatisch gegen das
anztagsschulprogramm gestellt, bis sie von ihren eige-
en kommunalen Vertreterinnen und Vertretern, Bürger-
eistern und Stadträten überholt wurde, die wie auch die
ürgerinnen und Bürger diese offenen Ganztagsgrund-
chulen natürlich wollen. Sie sind die zeitgemäße Ant-
ort auf die Frage, was wir tun können, um Kindern
ehr Chancen zu bieten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch im Bereich der Betreuung der unter Dreijähri-
en geht Nordrhein-Westfalen voran. Bis zum Jahr 2010

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16125


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Kerstin Griese

sollen mindestens 90 000 Plätze für unter Dreijährige
geschaffen werden. Schon in diesem Jahr beteiligt sich
das Land an der Finanzierung von 12 000 Plätzen.


(Klaus Haupt [FDP]: Was gibt es noch Neues in Nordrhein-Westfalen?)


Mit dem Programm „Zweijährige in den Kindergarten“
werden die jetzt frei werdenden Plätze umgewandelt, da-
mit auch Kinder unter drei Jahren in Kindergärten kom-
men können.

Nordrhein-Westfalen hat ein sehr interessantes Pro-
gramm gestartet, das wir uns anschauen sollten. Es wird
ja manchmal vergessen, dass wir Hartz IV gemeinsam
beschlossen haben. Im Rahmen der Umsetzung von
Hartz IV und im Sinne einer kinderfreundlichen Politik
hat Nordrhein-Westfalen beschlossen, erstmals aus Mit-
teln der Arbeitsmarktpolitik Betreuungsplätze für die
Kinder von Langzeitarbeitslosen zu fördern. Das trifft
genau das, was Sie, liebe Frau Kollegin Fischbach, ange-
sprochen haben, nämlich dass wir alle gemeinsam etwas
dafür tun müssen, um Kinderarmut zu bekämpfen und
Kindern mehr Chancen zu geben. Das können wir nur,
wenn die Eltern – häufig sind es auch Alleinerziehende –
aus der Arbeitslosigkeit und der Armut herausgebracht
werden. Deshalb halte ich das, was Nordrhein-Westfalen
vorgeschlagen hat, für so wichtig.

Es geht – das zeigt auch der Armuts- und Reichtums-
bericht – bei Armut nicht nur um materielle Not, sondern
besonders um Bildung, Chancen und Infrastruktur. Da-
ran fehlt es gerade für die Kleinsten in unserer Gesell-
schaft.


(Ruprecht Polenz [CDU/CSU]: In NordrheinWestfalen!)


Da wollen wir ansetzen, um das Armutsrisiko von Fami-
lien zu senken. Das tun wir mit vielen Transferleistun-
gen, die diese Bundesregierung verbessert hat; wir tun es
aber auch mit Maßnahmen für Alleinerziehende sowie
für Eltern, damit diese endlich wieder in Arbeit kom-
men; denn das ist die beste Armutsprävention.

Ich will noch auf das wichtige Themenfeld der Betei-
ligung von Kindern und Jugendlichen eingehen. Kin-
der haben Rechte. Diese Rechte zu stärken und Kinder
und Jugendliche stärker an politischen und gesellschaft-
lichen Prozessen zu beteiligen ist unser Ziel. Das hat der
NAP, der Nationale Aktionsplan, schon in der Phase sei-
ner Erarbeitung gezeigt. Das wird jetzt auch das Monito-
ring über die Umsetzung zeigen.

Im Rahmen der Initiative „Projekt P – misch dich ein“
hat die Bundesebene zusammen mit dem Deutschen
Bundesjugendring viele Projekte gestartet. Dazu gibt es
ein gutes Beispiel aus Nordrhein-Westfalen. Dort wurde
schon im letzten Jahr der Pakt für Kinder geschlossen,
ein Pakt, der die Rechte der Kinder und Jugendlichen
stärkt und ihre Beteiligung unterstützt. Er ist gemeinsam
mit Kirchen, den kommunalen Spitzenverbänden, dem
Landesjugendring, dem Deutschen Kinderschutzbund
und vielen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ge-
schlossen worden. Ich wünsche mir von vielen Bundes-
ländern, dass dort ebenfalls ein solcher Pakt für Kinder

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(C (D eschlossen wird, dass wir den Nationalen Aktionsplan, en wir auf Bundesebene haben, in den Bundesländern nd den Kommunen umsetzen und dass wir alle daran itarbeiten, dass Deutschland eines der kinderfreundichsten Länder Europas wird. Zu dieser Mitarbeit rufe ch Sie alle auf. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517213100

Das Wort hat die Kollegin Angela Schmid, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Angela Schmid (CDU):
Rede ID: ID1517213200

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

egen! Der Nationale Aktionsplan „Für ein kinderge-
echtes Deutschland“ soll ein Fahrplan für eine kinder-
reundliche Politik in Deutschland sein, ein Fahrplan für
inen Weg, auf dem – Zitat – „viele Etappen schon er-
olgreich zurückgelegt wurden“.
Doch fast zeitgleich belegen die aktuellen Zahlen des

weiten Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesre-
ierung sehr deutlich, dass die Bundesregierung von der
rfüllung dieser Verpflichtung noch sehr weit entfernt
st. In fast sieben Jahren Regierungszeit ist es nicht ge-
ungen, zu verhindern, dass die Schere zwischen Arm
nd Reich immer weiter aufgeht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Haupt [FDP])


edes achte Kind lebt heute von der Sozialhilfe. Viele
on ihnen leben bei Alleinerziehenden. Seit dem Regie-
ungsantritt von Rot-Grün liegt die Armutsquote bei Al-
einerziehenden unverändert hoch bei 35 Prozent. Statt
ie Eltern finanziell zu unterstützen, hat Rot-Grün den
on der Union eingeführten Haushaltsfreibetrag abge-
chafft. Auch der Kinderzuschlag ist eine familienpoliti-
che Seifenblase. Dazu möchte ich den DGB zitieren:

Insgesamt ist festzustellen, dass eine Sozialleistung,
die – so die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregie-
rung – die Situation von Familien mit niedrigem
Einkommen verbessern soll, de facto in vielen Fäl-
len das Gegenteil bewirkt.

(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Der Kinderzuschlag ist bürokratisch …, seine Ef-
fekte … sind nicht zielgerichtet und verwirrend. Es
ist kaum nachzuvollziehen, wie eine derart schlam-
pig konstruierte Sozialleistung zum Gesetz werden
konnte.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ingrid Fischbach [CDU/CSU] [zur SPD gewandt]: Und das vom DGB! Nicht von der CDU! Das müssen Sie sich doch einmal durchlesen!)


Gerade für die Personengruppe der Alleinerziehenden
st die verfehlte Wirtschafts- und Sozialpolitik der

16126 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Angela Schmid

Bundesregierung mit immer weniger Arbeitsplätzen be-
sonders belastend. Wir alle wissen, dass Arbeitslosigkeit
die Hauptursache von Armut und sozialer Ausgrenzung
ist. Rot-Grün wollte mit einer grundlegend anderen So-
zial-, Wirtschafts- und Bildungspolitik vieles verändern.
Hier hat die Bundesregierung versagt. Die Zahl der
Arbeitslosen hat sich dramatisch erhöht. Allein bei den
unter 25-Jährigen sind jetzt 200 000 junge Menschen
mehr arbeitslos.

Ihr eigener Sozialexperte, Rürup, sagte vor zwei Ta-
gen in einem Interview, dass die Arbeitslosigkeit bei
Jugendlichen weiter dramatisch steigen werde, und
zwar nicht, Frau Rupprecht, wegen der Jugendlichen, die
durch Hartz IV statt Sozialhilfe nun Arbeitslosengeld II
bekommen, sondern andere, die noch von keinem Sys-
tem erfasst sind, werden von Arbeitslosigkeit betroffen
sein. Das ist meiner Meinung nach ein Riesenproblem,
dem sich alle stellen müssen,


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Das denke ich auch!)


Sie in ganz besonderer Weise.

(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Vor allem die Wirtschaft, wenn sie qualifizierte Arbeitskräfte will!)


– Ich sage Ihnen gleich etwas dazu.
Die Bundesagentur für Arbeit gibt pro Jahr

1 Milliarde Euro aus, um diese Jugendlichen zu qualifi-
zieren. Gerade deswegen besteht die Notwendigkeit
einer umfassenden Reform im deutschen Bildungs-
system. Auch die zahlreichen Vergleichsuntersuchungen
haben gezeigt, dass unsere Schülerinnen und Schüler be-
züglich der Leistung hinterherhinken. Unsere Kinder
müssen deshalb früher und intensiver gefördert und ge-
fordert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das gilt sowohl für die Erziehung und Bildung vor dem
Eintritt in die Schule als auch für die Schulzeit selbst.
Entsprechende Vorschläge hierfür haben wir bereits mit
unserem Antrag „Elternhaus, Bildung und Betreuung
verzahnen“ eingebracht. Es gilt, im gegliederten Schul-
system zu fördern und zu fordern. Die Einheitsschule,
wie von Rot-Grün vorgeschlagen, ist für uns keine Lö-
sung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies belegt auch die neueste Untersuchung der

9. Klasse verschiedener Schularten in NRW, Frau
Griese. Danach hat die Gesamtschule nur äußerst schwa-
che Ergebnisse erreicht. Bei der Lernerhebung lagen die
Gesamtschüler deutlich unter dem Durchschnitt. Der
Landeselternrat spricht hier von „Großversuchen mit
Schutzbefohlenen“. CDU und CSU werden diesen Irr-
weg keinesfalls mitgehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Kernpunkt unserer Familienpolitik ist die Wahl-

freiheit für Eltern. Aufgabe des Staates ist es, den El-
tern möglichst viele Handlungsoptionen zu geben, um

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(C (D ie Lebensgestaltung und Erziehung ihrer Kinder entprechend zu beeinflussen. (Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Ganz genau! Die müssen sie aber auch kriegen!)


ie soziale Herkunft darf nicht über die Lebens- und
ntwicklungschancen der Jugendlichen entscheiden.


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Schauen Sie sich die weiterführenden Schulen in Bayern an!)


Schauen Sie sich die PISA-Studie an; da wird deutlich,
ass die Lebenschancen für die sozial Benachteiligten in
RW die schlechtesten in der ganzen Bundesrepublik
ind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ie Migrantenkinder zum Beispiel in Baden-Württem-
erg und Bayern haben wesentlich bessere Chancen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Schauen Sie sich die Quote an den weiterführenden Schulen an!)


esen Sie das in der PISA-Studie nach! Wir brauchen
ns über das, was schwarz auf weiß geschrieben steht,
och nicht zu streiten.
Dies gilt nicht nur im Bereich der Bildung, sondern

uch im Bereich der Gesundheitspolitik. Wir wissen,
ass immer mehr Kinder chronische, psychosomatische
nd umweltbedingte Krankheiten haben. Hinzu kommen
n zunehmendem Maße Sprach- und Verhaltensstörun-
en. Auch krankhaftes Essverhalten, welches zu Überge-
icht, aber auch zu Untergewicht führen kann, findet
eine Ursache in vielen Faktoren. Bei Kindern und Ju-
endlichen spielt auch das Verhalten der Eltern eine
ichtige Rolle. Allerdings sollte ergänzende Ernäh-
ungserziehung bereits im Kindergarten beginnen und
ich in der Schule fortsetzen.
Kinder- und Jugendärzte haben in einer öffentlichen
nhörung zum GKV-Modernisierungsgesetz im März
argelegt, dass bei Allergien und Neurodermitis die Be-
andlung mit nicht verschreibungspflichtigen Arznei-
itteln Standard ist. Da diese Arzneimittel bei Jugendli-
hen ab dem 12. Lebensjahr nicht mehr von der
esetzlichen Krankenkasse gezahlt werden, sehen aber
iele Eltern von einer Behandlung ihrer Kinder ab. Ins-
esondere bei Jugendlichen aus einkommensschwachen
amilien, die ohnehin zu einer erhöhten Gefährdung nei-
en, werden diese zu hohen Kosten oftmals nicht
ezahlt. Wir haben im Bundestag einen Antrag zur He-
aufsetzung der Altersgrenze von 12 auf 18 Jahre einge-
racht. Sie sollten sich dem anschließen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517213300

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende Ihrer Rede kom-
en.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16127


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(B) )



Angela Schmid (CDU):
Rede ID: ID1517213400

Ja.
Das Ergebnis nach fast sieben Jahren rot-grüner Poli-

tik ist erschreckend. Damit junge Menschen wieder Ver-
trauen in die Zukunft haben, brauchen wir eine andere
Politik. Soll die Umsetzung des nationalen Aktionsplans
erfolgreich sein, beginnen wir es gemeinsam! Aber Sie,
meine Damen und Herren der Opposition, tragen dabei
eine ganz besondere Verantwortung.


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: „Opposition“? Da war der Wunsch Vater der Rede!)


Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517213500

Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen

auf den Drucksachen 15/4970, 15/5341, 15/4724 und
15/2419 an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-
schüsse vorgeschlagen. Bei der Vorlage auf Druck-
sache 15/4724 zu Tagesordnungspunkt 5 c soll die
Federführung beim Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend und bei der Vorlage auf Druck-
sache 15/2419 zu Tagesordnungspunkt 5 d beim Rechts-
ausschuss liegen. Der Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 15/5348 soll an dieselben
Ausschüsse wie die Vorlage auf Drucksache 15/4970,
hiervon abweichend jedoch nicht an den Innenaus-
schuss, überwiesen werden. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Christoph Bergner, Dr. Friedbert Pflüger,
Hermann Gröhe, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Gedenken anlässlich des 90. Jahrestages des
Auftakts zu Vertreibungen und Massakern an
den Armeniern am 24. April 1915 – Deutsch-
land muss zur Versöhnung zwischen Türken
und Armeniern beitragen
– Drucksache 15/4933 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine dreiviertel Stunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Christoph Bergner, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine Damen und Herren! Wir gedenken in diesen Taen in besonderer Weise der Hunderttausenden Armeier, eingeschlossen zahlreiche aramäische und chaldäiche Christen, die vor 90 Jahren im Osmanischen Reich rutal vertrieben, vielfach furchtbar misshandelt und mit lanvoller Konsequenz und oft zügelloser Grausamkeit etötet wurden. Wir gedenken der weitgehenden Verichtung einer jahrhundertealten Kultur auf dem Boden natoliens, die dort lange Zeit in Gemeinschaft mit aneren Kulturen bestehen konnte. Seit dem ökumenischen Gottesdienst in der nahen edwigs-Kathedrale am 24. April 1919 haben Kirchen, iteratur und Wissenschaft in Deutschland dieser Tragöie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Aufmerksamkeit ewidmet. Nicht so die Politik! Der Antrag, den wir Ihen heute vorlegen, ist somit der erste Versuch deutscher olitik, aus eigenem Antrieb zum Schicksal des armenichen Volkes Stellung zu nehmen. Keine deutsche Reierung, kein deutsches Parlament hat dies während der urückliegenden 90 Jahre getan. Andererseits ist der 0. Jahrestag, der Anlass für unseren Antrag war, verutlich der letzte runde Gedenktag, an dem noch ugenzeugen leben. Wenn wir uns als Deutscher Bundestag jetzt diesem uf politischer Bühne lange verdrängten Thema stellen, o sollten wir es mit möglichst großer Einmütigkeit tun. eshalb werden wir um Überweisung des Antrags in die usschüsse bitten und auf eine fraktionsübergreifende eschlussfassung hoffen. Eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte die ebatte um das Schicksal der osmanischen Armenier beeits 1916 hier im Reichstag stattfinden können. Unweit on hier informierte Johannes Lepsius am 7. Oktober 915 die Presse. Die deutsche Militärzensur verhinderte edoch die Verbreitung seiner Berichte zur Lage des arenischen Volkes in der Türkei. Die Zensur unterband uch die Information der Reichstagsabgeordneten. So and die Debatte nicht statt. Jetzt, 90 Jahre später, ist sie n den Reichstag zurückgekehrt. Das Dilemma und die Motive der deutschen Reichs egierung damals verdeutlicht schlaglichtartig eine otiz des Reichskanzlers Bethmann Hollweg. Er regierte auf die dringende Forderung des deutschen Botchafters Wolff-Metternich, der türkischen Regierung egen der Armenierverfolgung in den Arm zu fallen. ch zitiere zunächst aus der Depesche von Wolffetternich: Um in der Armenierfrage Erfolg zu haben, müssen wir der türkischen Regierung Furcht vor den Folgen einflößen. Wagen wir aus militärischen Gründen kein festeres Auftreten, so bleibt nichts übrig, als zuzusehen, wie unser Bundesgenosse weiter massakriert. 16128 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Dr. Christoph Bergner Der Reichskanzler Bethmann Hollweg dazu: Die vorgeschlagene öffentliche Koramierung eines Bundesgenossen während eines laufenden Krieges wäre eine Maßregel, wie sie in der Geschichte noch nie dagewesen ist. Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zugrunde gehen oder nicht. Das war die Haltung des Deutschen Reiches 1915/16. Beherrscht von der Logik eines die europäischen Völ ker zermalmenden Krieges machte sich Deutschland einer Haltung schuldig, die wohl als unterlassene Hilfeleistung gegenüber dem von Vernichtung bedrohten armenischen Volk bezeichnet werden muss. (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Dr. Christoph Bergner (CDU):
Rede ID: ID1517213600

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)


(A) )


(B) )


Mit dem Eingeständnis dieser unserer Schuld wird
auch unsere heutige Verantwortung deutlich. Wir Deut-
sche stehen in einer besonderen Zeugenschaft für die
Vorgänge der Jahre 1915/16. Die Dokumente im politi-
schen Archiv des Auswärtigen Amts über die Ereig-
nisse im Osmanischen Reich können von niemandem
– auch nicht von der türkischen Regierung – in Zweifel
gezogen werden. Als Zeugen und ehemalige Kriegsver-
bündete des Osmanischen Reiches haben wir Deutsche
eine besondere Verantwortung, auf der Basis der histori-
schen Wahrheit zur Verständigung und Versöhnung zwi-
schen Türken und Armeniern beizutragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Dieser Zeugenpflicht dürfen wir uns nicht entziehen,
wenn wir uns nicht erneut schuldig machen wollen.

Ich verweise auf einen intensiven Briefwechsel und
viele Diskussionen mit türkischen Freunden und Part-
nern, die nach Vorlage unseres Antrages stattgefunden
haben. Die Stellungnahmen offizieller türkischer Vertre-
ter und nicht zuletzt die Erklärung der Großen National-
versammlung vom 13. April dieses Jahres haben ver-
deutlicht, wie schwierig es ist, den Inhalt unseres
Antrages und die Redlichkeit unseres Anliegens der tür-
kischen Seite zu vermitteln. Auch heute habe ich einen
Brief vom Verband Türkischer Unternehmer und Indus-
trieller in Europa bekommen, in dem uns vorgeworfen
wird, hinter unserem Antrag stehe eine gezielte Diskri-
minierungskampagne gegen die Türkei. Er sei ein klarer
Beweis unserer türkeifeindlichen Grundhaltung und eine
vorsätzliche Diskriminierung der Türkei und der Türken.
Dies ist falsch. Das Gegenteil ist vielmehr richtig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Wir wollen diese Diskussion fortsetzen, weil wir glau-
ben, dass eine Öffnung des türkischen Staates im Hin-
blick auf den Umgang mit der türkisch-armenischen Ver-
gangenheit im wohlverstandenen Interesse der Türkei
selbst sein kann.

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(C (D Wir haben bei der Formulierung unseres Antrages auf ie juristische Kategorisierung durch die Begriffe „Völermord“ bzw. „Genozid“ bewusst verzichtet. Dieser erzicht geschah nicht, weil wir die Ereignisse, deren ir gedenken, verharmlosen oder beschönigen wollten; afür besteht kein Anlass. Wir möchten etwas anderes verdeutlichen. Es geht ns ausdrücklich nicht darum, die türkische Republik der gar ihre Bevölkerung auf die Anklagebank zu seten. Unser Antrag ist vielmehr der Versuch, die Rechtsachfolger des Osmanischen Reiches in das einzubezieen, was man mit Blick auf die Konflikte, Verwüstungen nd Verbrechen des 20. Jahrhunderts in Europa „euroäische Erinnerungskultur“ nennen könnte, eine Erinerungskultur, die wir in diesen Wochen um den 0. Jahrestag des Ende^s des Zweiten Weltkriegs in beonderer Weise erleben. Diese Erinnerungskultur wurde rundlage einer Aussöhnung, die die Gemeinschaft euopäischer Staaten erst möglich gemacht hat. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ur so konnten frühere Kriegsgegner, ja Erbfeinde in der
U vereint werden. Auf dieser Grundlage konnten Staa-
n zusammengeführt werden, die sich in den Zeiten des
alten Krieges und der Blockkonfrontation jahrzehnte-
ng angriffsbereit gegenüberstanden. So ist die Europäi-
che Union in ihrem Kern ein Aussöhnungsprojekt, das
uf gemeinsamer Geschichtsbewältigung beruht.
Unser Antrag soll eine Einladung an unsere türki-

chen Partner und Freunde sein, sich diesem Prozess zu
tellen. Dies ist im Interesse der Türkei selber. Wir
öchten herzlich dazu einladen.
Vielen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517213700

Nächster Redner ist der Kollege Markus Meckel,

PD-Fraktion.

Markus Meckel (SPD):
Rede ID: ID1517213800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Wir erinnern und gedenken heute der Opfer
es Völkermords an den Armeniern vor 90 Jahren. Wir
ollen das allzu lange Schweigen, von dem eben schon
ie Rede war, brechen und einen Beitrag dazu leisten,
en Toten ihre Ehre und ihre Würde wiederzugeben.
leichzeitig denken wir aber an alle Opfer dieser Jahre:
n die Christen der verschiedenen ethnischen Gruppen
m Osmanischen Reich, an Tataren, Türken und Kurden,
ie ebenfalls zu Hunderttausenden umgekommen sind.
s kann und es darf kein Aufrechnen der verschiedenen
pfer geben.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich bin dem Kollegen Bergner für seine Initiative zu

er heutigen wichtigen Debatte dankbar. Meine Fraktion
st überzeugt, dass wir in den Gesprächen und Beratun-
en, die wir im Ausschuss miteinander führen werden,
u einem gemeinsamen Antrag kommen werden.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16129


(A) )



(B) )


Markus Meckel

Wir alle wissen: In der Türkei sind die damaligen Er-

eignisse noch heute heftig umstritten. Offiziell und mit
Leidenschaft wird geleugnet, dass es sich bei den Depor-
tationen und Massakern um eine gezielte staatliche Poli-
tik zur Vernichtung der armenischen Bevölkerung han-
delte. Wir halten es als deutsche Parlamentarier für
wichtig, uns mit dieser Frage auseinander zu setzen,
nicht zuletzt deshalb, weil sie Teil unserer eigenen Ge-
schichte ist. Deutsche Regierungen haben nach dem Ers-
ten Weltkrieg nie – das wurde schon angesprochen – aus
eigenem Antrieb der armenischen Opfer gedacht und
sich zu ihrer Mitverantwortung bekannt.

Dieses Schweigen in Deutschland und international
in vielen Bereichen hat ein Mann wie Adolf Hitler genau
beobachtet. Am 22. August 1939, wenige Tage vor dem
Kriegsbeginn, hat er auf dem Obersalzberg der deut-
schen Militärführung die gnadenlose Vernichtung der
polnischen Bevölkerung angekündigt und aufgetragen.
Die noch vorhandenen Skrupel der Militärs versuchte er
mit dem Satz zu beseitigen: „Wer redet heute noch von
der Vernichtung der Armenier?“

Glücklicherweise gab es auch andere Stimmen in
Deutschland, die sich ehrlich und intensiv bemühten.
Der evangelische Theologe Johannes Lepsius wurde
schon erwähnt mit seinen vielfältigen Bemühungen und
seiner Rede im Presseklub, aber eben auch mit seiner
Dokumentation nach den furchtbaren Ereignissen. Es
wurde schon berichtet von der Zensur der öffentlichen
Stellen damals – die deutschen Reichstagsabgeordneten
bekamen seine Dokumentation erst Jahre später zuge-
stellt – und auch von der Aussage des Reichskanzlers,
die auch ich in meinem Manuskript stehen habe, weil es
so eklatant ist, dass wir, dass die kaiserliche deutsche
Politik im Ersten Weltkrieg dies einfach hingenommen
hat. Darauf beruht auch unsere besondere deutsche Ver-
antwortung, uns dieser Geschichte zu stellen.

Die Archive des Auswärtigen Amts sind seit langem
offen, auch für die internationale Forschung, die die Er-
eignisse anhand der Akten bereits deutlich rekonstruiert
hat. Kopien sämtlicher relevanter Akten des Auswärti-
gen Amts wurden der Türkei und Armenien vor einigen
Jahren übergeben. Es wäre gut, wenn sie auch in der
Türkei für alle öffentlich zugänglich wären, vielleicht in
wichtigen Teilen übersetzt.


(Beifall im ganzen Hause)

Allein aus den deutschen Akten geht klar hervor, dass

das damals die Macht habende Komitee für Einheit und
Fortschritt die Vernichtung der Armenier systematisch
betrieb, mithilfe staatlicher Behörden und paramilitäri-
scher Organisationen. Dass dies eine gezielte Politik
war, gehört zur Definition des Begriffs „Völkermord“,
wie sie später in der UN-Konvention von 1948 verankert
wurde. Dabei ist bemerkenswert, dass Raphael Lemkin,
der diesen Begriff neu schuf und wesentlich zur Durch-
setzung dieses neuartigen völkerrechtlichen Instruments
beigetragen hat, von sich bekannte, dass er dabei sowohl
das Schicksal der Armenier als auch das der europäi-
schen Juden im Blick hatte.

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(C (D Es wäre gut, wenn sich auch die Türkei der Erkenntis öffnen würde, dass das Sichstellen der eigenen Gechichte, auch der eigenen historischen Verantwortung nd Schuld, keinen Verzicht auf Patriotismus und natioalen Stolz bedeutet. Wir als Deutsche haben diese Erahrung gemacht, uns einer wahrhaftig noch furchtbareen Geschichte und Schuld zu stellen. Wir haben dabei ie Erfahrung gemacht, dass gerade daraus internatioale Anerkennung gewachsen ist, ohne die übrigens uch die deutsche Wiedervereinigung nicht möglich geesen wäre. Versöhnung setzt Offenheit voraus. Offenheit heißt, as ganze Bild der historischen Fakten offen zu legen. erade daraus kann Versöhnung und neu gewonnene Fäigkeit zu guter Nachbarschaft wachsen. In dieser Hinicht ist es etwa wichtig, dass die türkisch-armenische renze geöffnet wird, was sowohl für den Osten der ürkei wesentlich ist als auch für das isolierte Armenien, as aus seiner Ecke herauskommen muss, in der es in ielen Bereichen steckt. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wichtig, ass wir diesen Teil der Geschichte bei uns und anerswo in Europa, aber eben auch in der Türkei und in rmenien, verarbeiten, damit Geschichte endlich ruhen ann und unsere Zukunft nicht mehr belastet. Dies ist as Ziel der Beschäftigung mit der Geschichte, an der ir alle – das gilt auch für die Türkei – nicht vorbeikomen. Der 90. Jahrestag wäre meines Erachtens ein guter nlass, dies zu tun. Der Blick auf die heutige Türkei zeigt jedoch leider in gespaltenes Bild. Es gibt durchaus hoffnungsvolle nzeichen. Es gibt viele in der Gesellschaft, die das hema aufgreifen. Ministerpräsident Erdogan selber hat vergangenen Dezember das erste Museum über arme isches Leben in Istanbul eröffnet. Das ist ein wichtiger chritt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall im ganzen Hause)


Aus der Zivilgesellschaft heraus gab es übrigens deut-
ichen Widerstand gegenüber einem in meinen Augen
elativ absurden Aufsatzwettbewerb, der sich vom
hema her gezielt gegen den Vorwurf des Genozids rich-
ete. Viele haben es abgelehnt, sich daran zu beteiligen.
ch glaube, das ist ein gutes Zeichen.
Ich halte es auch für gut, dass sich das türkische Par-

ament in der vergangenen Woche erstmals in einer
lenardebatte mit diesem Thema befasst hat. Betrachtet
an allerdings den Verlauf dieser Debatte, so stimmt ei-
en dies eher betrübt,


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Ja, sie war leider nicht sehr ermutigend!)


eil darin alte Geschichtsbilder zementiert und erneut
ropagiert wurden.
Wenn einerseits die Ansicht vertreten wird, dass Ge-

chichte nicht Thema der Politik sein darf, sondern den

16130 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Markus Meckel

Historikern überlassen werden sollte, und andererseits
beschlossen wird, das britische Parlament aufzufordern,
das „Blaue Buch“, eine Dokumentensammlung, zu Pro-
paganda zu erklären, dann ist das ein Widerspruch und
entspricht in keiner Weise dem, was heute notwendig ist.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Problematisch sind die diplomatischen Bemühungen
auf europäischer, aber auch auf internationaler Ebene,
die Behandlung mit dem Thema beiseite zu drängen oder
mithilfe konkreter Kontakte zu verhindern. Dies wird
dem Ansehen der Türkei nicht gerecht.

Für konstruktiv halte ich dagegen die bereits ange-
sprochene Historikerkommission. Meiner Ansicht nach
sollte sie aber nicht bilateral, sondern international zu-
sammengesetzt sein. Dabei muss klar sein, dass Ge-
schichte nicht verhandelbar ist. Es geht vielmehr darum,
Geschichte öffentlich zu machen und einen öffentlichen
Diskurs über die verschiedenen Akten und Perspektiven
zu eröffnen, der für die Gesellschaften aller Länder not-
wendig ist. Es wäre sicherlich gut, wenn Armenien be-
reit wäre, sich an einem solchen Diskurs und einer sol-
chen Kommission zu beteiligen.

Schlimm ist – damit möchte ich schließen –, dass in
der Türkei die Behandlung dieses Themas leider bis
heute unter Strafandrohung steht. Ich denke, dass das in
keiner Weise akzeptabel ist, und das müssen wir sehr
deutlich machen. Dass der türkische Schriftsteller Orhan
Pamuk unter Strafandrohung steht, weil er dieses Thema
aufgeworfen hat, und zurzeit aus Angst vor Todesdro-
hungen im Untergrund lebt, ist ein Skandal für die Tür-
kei. Ich denke, wir müssen die Türkei bzw. die türkische
Regierung aufrufen, sich vor ihn zu stellen und deutlich
zu machen: Wir wollen ihn schützen; wir wollen diesen
Diskurs.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Gerade angesichts der Vorgänge in meinem Heimat-
land Brandenburg vor einigen Wochen muss ich geste-
hen, dass das ein Problem war. Man hat aber übersehen,
dass das Problem nicht nur Brandenburg betrifft. Es war
das erste Bundesland, in dem diese Themen im Unter-
richt behandelt wurden. Wir sollten uns insofern in allen
Bundesländern dafür einsetzen, dass das Thema Be-
standteil des öffentlichen Diskurses in Deutschland wird
und dass in allen Schulen und Schulklassen offen mit
dieser Geschichte umgegangen wird.

Ich hoffe, dass uns dies gelingt und dass wir gemein-
sam dafür eintreten, uns zunächst einmal mit unserer ei-
genen Geschichte, zu der auch die türkische Geschichte
gehört – denn wir alle leben in Europa und haben eine
gemeinsame Geschichte –, so zu befassen, dass daraus
eine gute gemeinsame Zukunft erwächst.

Ich danke Ihnen.

(Beifall im ganzen Hause)


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(C (D Ich erteile dem Kollegen Dr. Rainer Stinner für die DP-Fraktion das Wort. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! eine sehr verehrten Damen und Herren! Warum bechäftigen wir uns im Deutschen Bundestag 90 Jahre ach den hier zur Diskussion stehenden dramatischen reignissen mit Mord und Vertreibung mit diesem Phäomen? Es mag viele Gründe geben. Für mich ist der alerwichtigste Grund, dass wir als Deutsche und Europäer in ganz vitales Eigeninteresse an einer friedlichen Enticklung in dieser Nachbarschaftsregion haben. Das ist nser Interesse im Jahre 2005. Deshalb müssen wir uns uch mit der Geschichte beschäftigen. Wir können und wollen aber keine Historikerkommis ion sein. Das ist nicht unsere Aufgabe. Es geht auch icht – darin sind wir uns alle sicherlich einig – um chuldzuweisungen an die heute lebenden Türken. Es eht vielmehr um einen Prozess der systematischen Aufrbeitung der eigenen Geschichte. Damit haben wir elber jahrzehntelange, schmerzhafte Erfahrungen. Wir aben daraus zwei Lehren gezogen. Erstens. In einem olchen Prozess darf es immer nur darum gehen, das eiene Tun kritisch zu hinterfragen. Ganz schlimm ist, enn man bei dem kritischen Hinterfragen versucht, eiene gegen fremde Tote aufzurechnen. Das ist falsch. as haben wir gelernt. Wir rufen daher unseren Nacharn zu: Liebe türkische Freunde, das ist nicht die richige Art, mit der eigenen Geschichte umzugehen. Zweitens. Wir haben gelernt, dass bei einem solchen rozess externer Druck durchaus hilfreich ist. Deshalb ufen wir den Türken und den Armeniern zu: Jawohl, ir als Deutsche und Europäer schauen auf euch und bebachten, wie ihr den Prozess, für den ihr verantwortlich eid, bewältigt! Wir tun das, weil wir euch ermutigen ollen, diesen Prozess in aller Offenheit zu gestalten. Die historischen Fakten können und wollen wir in iesem Hause nicht im Detail analysieren. Dazu sind anere berufen. Es hat ja die Turkish Armenian Reconciliaion Commission gegeben, die einen sehr ausführlichen nd detaillierten Report verfasst hat. Dort kommt man etztendlich zu dem Schluss, dass es sich um einen enozid handelt. Ich möchte das hier im Einzelnen icht bewerten. Interessant ist aber, dass sowohl die Türei als auch Armenien die Veröffentlichung dieses eports abgelehnt haben. In der Türkei haben bis zum heutigen Tage – das wis en wir alle; die Kollegen haben bereits darauf hingewieen – eine Auseinandersetzung und eine systematische ufarbeitung leider nicht stattgefunden. Wir glauben ber, dass es wichtig ist, das zu tun. Wir rufen den Türen zu: Jawohl, wir alle wissen, dass das ein schmerzafter Prozess ist! Auch für uns war das über Jahrzehnte inweg ein sehr schmerzhafter Prozess. Es gibt erste erutigende Zeichen, wie zum Beispiel Erdogans Ankünigung, eine Historikerkommission einzusetzen. Auch Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16131 Dr. Rainer Stinner hier hat Druck von außen geholfen, Bewegung in die Sache zu bringen. Deshalb müssen wir daran weiter mitwirken. Der Antrag der Union ist eine Grundlage für die weitere Behandlung in den Ausschüssen. Wir sind dazu gerne bereit. Herr Bergner, für meinen persönlichen Geschmack ist der historische Teil des Antrags Ihrer Fraktion allerdings noch zu groß und der politische zu klein. Wir werden daran sicherlich gemeinsam arbeiten. Wie eingangs gesagt, beschäftigen wir uns damit aus deutschem und europäischem Interesse. Wir haben Interesse an einer friedlichen Zusammenarbeit mit der Region und daran, dass unsere Nachbarschaftspolitik, die unser Geld, unsere Energie und unser Brain kostet, in dieser Region erfolgreich ist. Die Öffnung der Grenzen zwischen Armenien und der Türkei wäre sicherlich ein erster wichtiger Schritt. In diese Stoßrichtung muss unsere Arbeit in den nächsten Wochen und Monaten gehen. Auf dieser Basis können wir gerne einen gemeinsamen Antrag erarbeiten. Wir werden dazu unseren Beitrag leisten. Vielen Dank. Das Wort hat der Kollege Fritz Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion begrüßt die Debatte, die heute im Bundestag über die Vertreibung und weitgehende Vernichtung des armenischen Volkes im Jahre 1915 stattfindet. Wir führen diese Debatte, weil wir es für entscheidend halten, dass das Gedenken an die Opfer bewahrt und erneuert wird, und weil wir die Türkei eines Tages in der Europäischen Union haben wollen. Wir führen sie nicht, weil wir zeigen wollen, dass ein Beitritt der Türkei zur EU nicht möglich wäre. Ich will in Bezug auf die schrillen Töne, die wir, alle Fraktionen, in den letzten Wochen gehört haben, sagen: Diese Debatte ist keine Einmischung in eine innertürkische Angelegenheit. Der Deutsche Bundestag entscheidet allein – nur er entscheidet –, worüber er diskutiert und womit er sich befasst. Was in unseren Schulbüchern steht, wird in der Bundesrepublik Deutschland in den Bundesländern entschieden. Jetzt kommt ein wichtiger Punkt: Wenn bei uns jemand der Überzeugung ist, dass in einem Schulbuch etwas Falsches steht, dann kann er das frei und öffentlich sagen und dann findet unter Umständen eine gesellschaftliche und politische Debatte darüber statt, ob er Recht hat oder nicht. d s s m g d e Z le D a d v d a g g d F 9 m D n e m Z g m s B w a s g e s – E m D g s a d V z g w d (C (D Für uns ist diese Debatte europäisch und auch eutsch; deswegen müssen und können wir sie im Deutchen Bundestag führen. Beginnen wir also bei uns elbst. In verschiedenen Beiträgen ist schon deutlich geacht worden, dass es eine in Kauf genommene Billiung der Vertreibung und der Vernichtung von Teilen es armenischen Volkes durch Deutschland gegeben hat; s gab eine spezifisch deutsche Verstrickung. Die itate von Bethmann Hollweg will ich nicht wiederhon. Konsuln in der anatolischen Provinz haben in vielen rahtberichten an die Botschaft in Konstantinopel, aber uch nach Berlin nicht nur die Ereignisse, sondern auch as Planvolle der Ereignisse immer wieder im Detail ermittelt. Deswegen wusste man in Deutschland eineutig Bescheid. Aber man hat sich darum – das drückt uch das vorher wiedergegebene Zitat aus – aufgrund irendwelcher Interessen nicht kümmern wollen. Man hat eschwiegen. Wir haben deswegen nicht nur ein Mitwissen, son ern auch eine Mitschuld. Ich möchte mich für meine raktion und, ich glaube, für alle in diesem Haus heute, 0 Jahre nach diesen schrecklichen Ereignissen, beim arenischen Volk für diese Mitschuld entschuldigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517213900
Dr. Rainer Stinner (FDP):
Rede ID: ID1517214000

(Beifall im ganzen Hause)


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(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517214100
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517214200

(Beifall im ganzen Hause)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn man sich die Debatte in den letzten Wochen in
eutschland, natürlich auch in der Türkei und in Arme-
ien genau anschaut, dann hat man das Gefühl: Letzt-
ndlich scheint es nur noch um die Frage zu gehen, ob
an von Völkermord spricht oder nicht. Ich halte diese
uspitzung für falsch und unklug. Ich will diese Gele-
enheit gern nutzen, um zu erklären, warum. Wenn ich
ir die Berichte etwa der deutschen Konsuln und Bot-
chafter nach Berlin anschaue, wenn ich mir auch die
erichte über die Sonderkriegsgerichte ab 1919 – es
urden von türkischen Richtern Urteile gesprochen –
nschaue, dann komme ich persönlich zu der Auffas-
ung, dass es keine irgendwie unglückliche Vertreibung
ab, die zu negativen Ereignissen geführt hat, sondern
ine kalkulierte Vertreibung mit dem Ziel, das armeni-
che Volk zu vernichten. Deswegen erkläre ich für mich
viele Kollegen in meiner Fraktion stimmen dem zu –:
s handelte sich um einen Genozid, also um Völker-
ord.


(Beifall des Abg. Günter Nooke [CDU/CSU])

as ist die eine Seite.
Wir müssen aber auch eine andere Seite berücksichti-

en. Dabei geht es um die Frage: Welche Diskussion lö-
en wir mit Beschlüssen des Bundestages in der Türkei
us? Wenn wir hier einen Antrag verabschiedeten, in
em steht, der Deutsche Bundestag stellt fest: es war
ölkermord; wir fordern die Türken auf, dies endlich
uzugeben – ich finde es richtig, dass die Union den Be-
riff Völkermord nicht verwendet hat –, dann würden
ir nach meiner festen Überzeugung das Gegenteil von
em erreichen, was wir tatsächlich wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


16132 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Fritz Kuhn

Bei unserer Verantwortung für die Opfer geht es nicht

nur um das Gedenken – darum geht es auch –, sondern
auch darum, dass wir – unabhängig davon, dass wir im
Sinne historischer Wahrheit Recht haben – Recht be-
kommen in Bezug auf das, was in der Türkei und in Ar-
menien und zwischen diesen beiden Ländern heute tat-
sächlich stattfinden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir sollten deswegen nicht mit der Geste von Rich-
tern auftreten; vielmehr sollten wir uns subjektiv um Er-
kenntnisse und um die historische Wahrheit bemühen.
Aber wir sollten den Diskussionsprozess in der Türkei
– er hat positiv begonnen; ich verweise auf die zarten
Pflanzen einer Erinnerungskultur – wirklich aktiv und
offensiv unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Deshalb gilt an diesem Tag unser Respekt denen, die
in der Türkei jetzt darüber offen diskutieren, Menschen,
die mit einer offenen Diskussion viel riskieren, aber
auch denen, die in der türkischen Regierung und im tür-
kischen Parlament erkennen, dass man sich in diesem
Land der historischen Verantwortung annähern muss,
wenn auch nur schrittweise. Wir haben also nicht auf die
Türkei zu zeigen mit der Absicht, irgendjemanden zu
entlarven oder vorzuführen, sondern wir haben eine Dis-
kussion zu führen, in der wir den europäischen Standard
vertreten, dass man nämlich in Europa reflexiv über die
eigene Geschichte, auch über die Schattenseiten der ei-
genen Geschichte, diskutiert. Wir müssen alle in der
Türkei einladen, diese auch schmerzhafte Diskussion eu-
ropäisch miteinander zu führen.

Ein Kernelement der europäischen Wertekultur ist,
dass es freie Diskussionen über strittige Fragen geben
kann. Zur Aufklärung gehört, nicht immer nur die Ver-
nunft zu betonen, sondern auch die Schattenseiten und
ihren Missbrauch zu sehen.

Ich will für meine Fraktion noch einmal Folgendes
sagen: Wir hoffen und wünschen, dass der Weg des tür-
kischen Volkes und der Türkei zur europäischen Werte-
gemeinschaft und zur Europäischen Union eines Tages
erfolgreich abgeschlossen werden kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dass die Diskussion zwischen den Türken und den
Armeniern schmerzhaft und schwierig ist, ist angesichts
dieser Geschichte klar. Es ist schwer, historische Tabus
aufzubrechen. Das ist mit Schmerzen verbunden. Ich bin
der Überzeugung, dass man die Bewältigung geschicht-
licher Probleme manchmal erleichtern kann, indem man
in der Gegenwart anfängt. Deswegen möchte ich beto-
nen, dass es der Versöhnung zwischen dem armenischen
Volk und der Türkei sehr viel helfen würde, wenn jetzt
endlich die Grenzen geöffnet und normale diplomatische
Beziehungen aufgenommen würden, und zwar jeweils
ohne Vorbedingungen. Dies kann kein Prozess sein, in

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(C (D em es heißt, gehe du den ersten Schritt, sondern das uss zusammen gemacht werden. Ich bin der Überzeuung, dass manche Diskussion in der Türkei einfacher äre, wenn es heute zu mehr Austausch und zu mehr ontakt zwischen Bürgern und Bürgerinnen aus Armeien und der Türkei kommen könnte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte zum Schluss kommen und der CDU/CSU
afür danken, dass sie den Antrag eingebracht hat. Der
ntrag hat eine rege Diskussion ausgelöst, auch wenn
ir im Einzelnen noch Veränderungen erreichen wollen.
ir werden im Ausschuss und in Vorgesprächen zwi-
chen allen Fraktionen diskutieren. Die Diskussion ist,
laube ich, durch die öffentliche Berichterstattung in den
etzten Wochen und Monaten sensibler geworden. Wir
ollen auch einen offenen Diskurs mit den Abgeordne-
en und mit der Bevölkerung in der Türkei. Wenn dies
it der Debatte heute angestoßen wird, dann haben wir
in gutes Stück Arbeit geleistet für eine positive europäi-
che Erinnerungskultur, die keine Opfer tabuisieren
ann.
Vielen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517214300

Das Wort hat nun der Kollege Friedbert Pflüger,
DU/CSU-Fraktion.

Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1517214400

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Ich möchte mich bei Ihnen, Kollege Kuhn, und
uch bei allen anderen Kollegen, die geredet haben, be-
anken, und zwar für die große Übereinstimmung, für
ie große Sachlichkeit und Ernsthaftigkeit, die in einem
roßen Gegensatz zu den aufgeregten und diffamieren-
en Anklagen mancher in der Türkei in diesen Tagen
teht.
Ich möchte der Debatte einige Anmerkungen hinzufü-

en:
Erstens. Wir als Deutsche haben keinen Grund, auf

ndere herabzublicken; niemand hat das hier im Parla-
ent getan. Wir sind uns unserer deutschen Verantwor-
ung für den einzigartigen industriellen Massenmord in
nserer Geschichte, den Holocaust, und auch der Mitver-
ntwortung des Deutschen Reiches für die Massaker an
en Armeniern bewusst.
Zweitens. Viele bei uns sagen, dass wir Deutsche uns

nserer Vergangenheit gestellt hätten und der Vergan-
enheit ins Auge schauen würden, während die Türken
erdrängen und beschönigen würden. Das ist wohl wahr.
ber das liegt nicht daran, dass wir Deutschen bessere
enschen als die Türken sind.
Es ist nämlich, wenn man nach dem Grund spürt, für

ie Türken auch schwerer, sich ihrer Vergangenheit zu
tellen. Denn Deutschland hatte mit dem 8. Mai die to-
le Niederlage und Kapitulation, den totalen Zusam-
enbruch, und die Bundesrepublik Deutschland wurde

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16133


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Dr. Friedbert Pflüger

in Diskontinuität, ja als Gegenbild zum nationalsozialis-
tischen Deutschland gegründet. Es war von Anfang an
Teil dieses Gegenbildes, sich mit Auschwitz offen aus-
einander zu setzen, so schwer die Einsicht in die Wahr-
heit uns Deutschen auch gefallen ist und vielen bis heute
fällt.

Anders in der Türkei. Ein Schuldbekenntnis greift in
den Augen der meisten Türken auch die moderne Türkei
an, zumindest den Gründungsmythos der Türkei. Denn
dieser Gründungsmythos porträtiert diese Phase der tür-
kischen Geschichte als den nationalen Kampf gegen den
europäischen Imperialismus. Die Zwangsdeportationen
der Armenier erscheinen seit den Jungtürken in der Tür-
kei als Verteidigungsmaßnahme zur Rettung des Vater-
landes gegen den inneren armenischen Feind.

So haben es Generationen von Türken in der Schule
gelernt. Sie haben ebenso gelernt, dass die erdrückende
Dokumentenlage in europäischen und amerikanischen
Archiven nichts ist als Kriegspropaganda mit dem Ziel,
die Türkei klein zu halten.

Drittens. Es führt deshalb nicht weiter, mit Druck auf
die Türkei endlich die Anerkennung des Völkermordbe-
griffes durchzusetzen. Es wird die Türken wenig beein-
drucken, wenn wir hier, wie das andere Parlamente getan
haben, die Entscheidung treffen, dass auch wir der Mei-
nung sind: Das ist Völkermord.

Wir wollen eben nicht anklagen. Wir wollen nicht be-
schönigen, aber wir wollen die Türkei auch nicht in die
Ecke stellen. Wir wollen nicht mit dem Knüppel kom-
men. Es geht uns um Klärung und nicht um Angriff. Es
geht uns um Warnung und nicht um Bloßstellen. Wir
wollen diejenigen in der Türkei ermutigen, die sich den
Schrecken von 1915 und 1916 stellen.


(Beifall im ganzen Hause)

Viertens. Es ist mir wichtig festzustellen, dass keiner

bei uns Gebietsansprüche der Armenier an die Türkei
unterstützt, allerdings auch nicht die Grenzblockade und
Isolierung Armeniens.


(Beifall im ganzen Hause)

Fünftens. Es geht auch nicht um eine Kollektiv-

schuld der Türken. Schuld ist wie Unschuld immer
persönlich und nie kollektiv. Heutige Generationen sind
sowieso nicht schuldig. Aber auch die damaligen Türken
waren keinesfalls alle der Meinung, dass das, was dort
geschah, richtig und menschlich ist.

Übrigens beschreibt das Franz Werfel in seinem wun-
derbaren Roman „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ sehr
eindrucksvoll. Er beschreibt nämlich Situationen, wo
Türken und Armenier zusammen weinten, als armeni-
sche Familien aufgefordert wurden, auf die Todesmär-
sche zu gehen, und wie sie vor dem Mudir auf die Knie
gingen und flehten: „Lasst sie bei uns! Sie haben nicht
den richtigen Glauben, aber sie sind gut. Sie sind unsere
Brüder. Lasst sie hier bei uns!“ Es geht also nicht um die
Verdammung der Türken oder der Türkei, genauso we-
nig wie es richtig wäre, alle Deutschen für die Untaten
der Hitler-Zeit in die Schuld zu nehmen.

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(C (D Sechstens. Trotzdem sagen wir: Die Türkei sollte sich er Wahrheit öffnen. Es macht – Herr Kollege Meckel at das sehr schön gesagt – eine Nation nicht größer, enn sie die Augen vor den dunklen Zeiten ihrer Gechichte verschließt. Ich glaube in der Tat, dass das Geenteil der Fall ist. Wenn man im persönlichen Leben, ber auch sonst die Kraft hat, sich der eigenen Fehler, rrtümer und Irrwege zu stellen, wird man hinterher eher tärker und nicht schwächer. Das Geheimnis der Erlöung ist Erinnerung, sagte Richard von Weizsäcker in einer Rede am 8. Mai 1985. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Eine jüdische Weisheit!)


Siebtens. Wer redet heute noch von der Vernichtung
er Armenier? Kollege Meckel hat diesen Satz von
dolf Hitler, der in den Akten des Auswärtigen Amtes
okumentiert ist, zitiert. Wenn wir uns nicht erinnern,
ann wird die Gefahr der Wiederholung größer. Wenn
ir uns nicht erinnern, wenn sich die Türken nicht erin-
ern, wenn es möglich ist, solches Grauen in Europa und
en angrenzenden Gebieten zu begehen, ohne dass daran
eute erinnert wird, dann besteht die Gefahr von Nach-
olgeaktionen.
Achtens. Mit der Debatte zu unserem Antrag wollen
ir die Annäherung der Türkei an Europa – das be-
one ich ausdrücklich – nicht mit einem neuen Hindernis
elegen.


(Beifall im ganzen Hause)

ir haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie
ieser Annäherungsprozess vollzogen werden sollte;
ber wir alle haben das Interesse, mit der Türkei enger
nd freundschaftlich zusammenzuarbeiten. Es ist eher
mgekehrt: Wir wollen die Annäherung der Türkei an
uropa durch eine gemeinsame Erinnerungskultur ver-
tärken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Jorge Semprún hat in Weimar am 10. April eine große
ede gehalten. Mit Blick auf die Länder Mittel- und Ost-
uropas sagte er:

Eine der wirksamsten Möglichkeiten, die Zukunft
eines vereinten Europas … zu bahnen, besteht da-
rin, unsere Vergangenheit miteinander zu teilen, un-
ser Gedächtnis, unsere bislang getrennten Erinne-
rungen zu einen. Der kürzlich erfolgte Beitritt von
zehn neuen Ländern aus Mittel- und Osteuropa …
kann kulturell und existenziell erst dann wirksam
erfolgen, wenn wir unsere Erinnerungen miteinan-
der geteilt und vereinigt haben werden.

as gilt auch – in einem anderen Zusammenhang – für
ie Türkei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Neuntens. Die bisherigen offiziellen Reaktionen sei-
ens der Türkei, vom Botschafter und vom Parlament,
uf unsere Debattenbeiträge sind nicht ermutigend. Man

16134 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. Friedbert Pflüger

hat die Bemühungen um Differenzierung in der Türkei
bisher nicht gewürdigt. Das ist bedauerlich.

Zehntens und letztens. Es gibt aber auch großartige,
ermutigende Signale aus der Türkei. Orhan Pamuk ist zi-
tiert worden. Er hat ganz offen den Mut gehabt, von Ge-
nozid zu sprechen. Professor Berktay spricht von „ethni-
schen Säuberungen“ und von 1 Million Toten und
fordert, dass man darum trauern muss. In der Tageszei-
tung „Radikal“ schreibt Ismet Berkan:

Jedoch wissen wir alle, dass in jenen Jahren Dinge
geschehen sind, und selbst nach 90 Jahren seit die-
sen Vorkommnissen können wir heute noch immer
nicht offen darüber reden, was damals genau ge-
schah.

Es gibt inzwischen in der Türkei eine Initiative „Ge-
schichte für Frieden“: Juristen, Historiker, Pädagogen
und Elternvereinigungen verwahren sich gegen die ge-
zielte Geschichtsverfälschung in Schulbüchern und wol-
len ihre Kinder zu Achtung und Toleranz erziehen.

Vorgestern habe ich einen Brief von dem „Menschen-
rechtsverein Türkei – Deutschland“ erhalten. In diesem
Brief heißt es:

Es muss deutlich gemacht werden, dass der türki-
sche Staat als Nachfolger des Osmanischen Reiches
sich der historischen und moralischen Verantwor-
tung zu stellen hat. Wir tragen dafür die Verantwor-
tung. Wir Türken verneigen uns voller Achtung und
Trauer vor den Opfern des Völkermordes an den
Armeniern.

Ich glaube, dass das ein eindrucksvolles Dokument ist.
Vielleicht gelingt es uns mit den differenzierten Tö-

nen, die wir im Rahmen unserer heutigen Debatte aus al-
len Parteien gehört haben, ja doch, dazu beizutragen,
dass man sich in der Türkei diesen Fragen etwas mehr
öffnet. Dann kämen wir gemeinsam, auch auf dem Weg
zum vereinten Europa, ein Stückchen voran.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517214500

Das Wort hat der Kollege Dietmar Nietan, SPD-Frak-

tion.


Dietmar Nietan (SPD):
Rede ID: ID1517214600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lassen Sie mich zu Beginn sagen, dass nur diejenigen,
die nicht am Dialog interessiert sind, und nur diejenigen,
die etwas zu vertuschen haben, die heutige Debatte als
Hetze gegen oder Beleidigung der Türkei bezeichnen
können.


(Beifall im ganzen Hause)

Dafür, dass alle Kolleginnen und Kollegen, die vor

mir gesprochen haben, dazu beigetragen haben, dass wir
in dieser verantwortungsvollen Weise mit diesem sehr
schwierigen Thema umgehen, möchte ich mich ganz
herzlich bei Ihnen allen bedanken.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


„Wer sich dazu herbeilässt, die Erinnerung an die Op-
er zu verdunkeln, der tötet sie ein zweites Mal.“ Diese
indringliche Mahnung richtete Elie Wiesel am
7. Januar des Jahres 2000 von diesem Rednerpult aus
n alle Menschen. Das ist eine Mahnung, die auch für
ns Abgeordnete des Deutschen Bundestages wichtig ist
nd die uns daran erinnern sollte, unseren Beitrag zur
ersöhnung zu leisten, indem wir dem Vergessen das Er-
nnern als Grundlage von Versöhnung und verantwortli-
hem Handeln entgegenhalten.
Ich finde, dass es für uns – auch für mich als Vertreter

er jungen Generation – eine große Verpflichtung ist,
ort, wo es möglich und sinnvoll ist, zur Versöhnung
eizutragen. Dies resultiert aus der Verantwortung, die
ir alle für die unvorstellbaren, präzedenzlosen Verbre-
hen haben, die in deutschem Namen gegen die Mensch-
ichkeit begangen wurden.
In diesem Sinne gibt es gute Gründe für den vorlie-

enden Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU/
SU-Fraktion. Aber ich sage auch: Das gilt ausdrücklich
ur dann, wenn die Verstärkung der deutschen Bemü-
ungen für eine Versöhnung zwischen Türken und Ar-
eniern bei der weiteren Beratung dieses Antrags wirk-
ich unser Hauptanliegen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

eshalb sollten wir auf der Grundlage des vorliegenden
ntrags mit der notwendigen Geradlinigkeit und mit
em Mut zur Ehrlichkeit einen gemeinsamen Antrag al-
er Fraktionen dieses Hauses erarbeiten. Ich will noch
inmal unterstreichen, was bereits manche Kolleginnen
nd Kollegen gesagt haben: Uns allen wird es dabei um
ersöhnung, nicht um Anklage gehen.


(Beifall im ganzen Hause)

Die Gründung der Europäischen Union und der Er-

olg der großartigen Idee der Europäischen Union beru-
en auf dem Willen zur Versöhnung. Wer könnte das
esser behaupten als wir Deutsche? Denn unsere
chnelle Wiederaufnahme in die europäische Gemein-
chaft demokratischer Staaten ist für uns wegweisend.
ie zeigte den Mut unserer Nachbarstaaten, uns zu ver-
eben, obwohl wir ihnen großes Leid angetan hatten.
erade deshalb muss es für uns alle ein entscheidender
unkt, eigentlich der Ausgangspunkt all unserer Bemü-
ungen sein, dass das Gedenken an das Schicksal von
ehr als 1 Million Armeniern, die Opfer von staatlicher
ertreibung und Vernichtung wurden, immer im Vorder-
rund unserer Beratungen steht.
Wir können die Opfer zwar nicht mehr lebendig ma-

hen, aber wir sollten immer wieder und unverzagt dafür
orge tragen, dass sie niemals, wirklich niemals verges-
en werden.


(Beifall im ganzen Hause)

Das Buch über die europäische Geschichte wäre nicht

omplett, wenn es darin nicht auch Seiten gäbe, auf

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16135


(A) )



(B) )


Dietmar Nietan

denen diesen Opfern, den Armeniern, ein ehrendes Ge-
denken bereitgestellt würde.

Ich will noch einmal unterstützen, was manche Kol-
leginnen und Kollegen bereits gesagt haben: Der Bun-
destag ist nicht der Ort, an dem historische Urteile ge-
fällt werden sollten. Das hat bereits die überwiegende
Zahl seriöser Historiker getan, die die Verbrechen an den
Armeniern eindeutig als Völkermord bezeichnet haben.

Unsere Aufgabe ist in der Tat, einen Beitrag zu einem
aufrichtigen Umgang mit unserer europäischen Ge-
schichte zu leisten. Deshalb sollten bei der weiteren Ar-
beit an diesem Antrag aus Sicht der SPD-Bundestags-
fraktion drei Punkte im Vordergrund stehen. Erstens. Der
Deutsche Bundestag erkennt an, dass es im Ersten Welt-
krieg – teilweise durch Vertuschung, teilweise durch
Verwicklung, klammheimliche Billigung und Unterlas-
sung von wirksamen Gegenmaßnahmen – eine deutsche
Mitverantwortung für den Völkermord an den Ar-
meniern gab.


(Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deshalb will ich unterstreichen, was der Kollege Kuhn
gesagt hat. Ich finde, in den überarbeiteten Antrag gehört
auch eine Entschuldigung beim armenischen Volk.

Zweitens. Wir sollten alles tun, damit deutlich wird,
dass wir nicht anklagen wollen, sondern dass wir mithel-
fen wollen, dass unsere Freunde in der Türkei, die das
Ganze bisher überwiegend noch verdrängen, diese Ver-
drängung beenden, sich der historischen Verantwortung
für das, was das jungtürkische Regime getan hat, stellen
und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten.

Drittens – auch das ist hier schon gesagt worden –:
Wir sollten alles dafür tun, dass die Zusammenarbeit und
die Freundschaft zwischen Armenien und der Türkei
weiter gefördert werden, dass die Beziehungen normali-
siert werden. Denn die Isolierung, die von Armenien be-
trieben wird, ist eine gefährliche, die nicht im europäi-
schen Sinne sein kann und die nicht dem europäischen
Gedanken entspricht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will abschließend noch einmal unterstreichen
– und ich glaube, das hat die heutige Debatte gezeigt –:
Es geht nicht darum, der Türkei auf dem Weg in ein ver-
einigtes Europa Stolpersteine in den Weg zu legen. Ich
gehöre zu denjenigen, die immer mit Überzeugung dafür
eingetreten sind und das auch heute tun, Beitrittsver-
handlungen mit der Türkei aufzunehmen. Ich habe
große Hochachtung vor den Leistungen des türkischen
Volkes, vor den Menschen in der Türkei, aber auch den
türkischstämmigen Menschen, die hier leben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der FDP)


Aber diese Hochachtung und Freundschaft gebietet es,
ehrlich miteinander umzugehen. Ich glaube, dass es am
Ende für keine Seite länger tragbar gewesen wäre, wenn

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(C (D ir aus falsch verstandener Freundschaft die Kultur des chweigens mitgetragen hätten, nur weil wir meinten, amit den einen oder anderen türkischen Freund schonen u können. Das ist keine wirkliche Freundschaft. Wirklihe Freundschaft ist, dass man um Ideen ringt, dass man ich die Wahrheit sagt. Wolfgang Thierse hat es so bechrieben: Wenn wir gemeinsam an der europäischen rinnerung arbeiten, bedeutet das, dass die nationalen ollektiven Erinnerungen Schritt für Schritt von einer uropäischen kollektiven Erinnerung abgelöst werden üssen. Das wird für alle ein schmerzhafter Prozess sein nd dieser Prozess wird auch Zumutungen beinhalten. ber ich sehe zu diesem Prozess, wenn wir dauerhaft ein irklich vereintes Europa mit der Türkei werden wollen, eine Alternative. Ich hoffe, dass dadurch auch deutlich ird, dass es hier darum geht, den Weg nach Europa geeinsam mit der Türkei zu gehen und nicht gegen sie. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie mir das noch erlauben, will ich hier einen
etzten Punkt anfügen: Unser langjähriger, ehemaliger
ollege Dietrich Sperling hat sich, wie viele von Ihnen
ielleicht noch wissen, immer für die Versöhnung im
aukasus eingesetzt. Es gibt ein Schreiben von ihm, aus
em ich zitieren will: Er schlägt vor, darüber nachzuden-
en, was wir als Deutsche tun können, um die Konflikte
ort zu mindern und zur Versöhnung beizutragen. Er
agt, wir sollten um eine unverfälschte Darstellung des
amaligen Geschehens und der Motivierung seiner Ak-
eure bemüht sein. Das würde eine internationale Zu-
ammenarbeit, nicht ein Gegeneinander erfordern. Zu
er sollten wir als Deutsche einladen und uns daran be-
eiligen, und zwar nicht unter dem Aspekt der Anklage
nderer, sondern um uns mit unserem Anteil am damali-
en Geschehen vertrauter zu machen. Wir sollten uns die
ewissheit verschaffen, dass wir uns über uns selbst
icht mehr belügen sollten. – Ich glaube, Dietrich
perling hat Recht und seine abschließende Forderung,
ass wir als Bundestag bzw. als Bundesregierung uns da-
ür einsetzen sollten, ein Forschungsvorhaben zu starten,
as Deutschlands Rolle in der armenischen Frage klärt,
st wegweisend und unterstreicht noch einmal: Hier geht
s auch um uns selbst und nicht um den Fingerzeig auf
ndere.
Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517214700

Ich schließe die Aussprache.
Wir sind damit am Ende einer Debatte, bei der schon

ie Tonlage aller Beiträge deutlich gemacht hat, dass
ies für dieses Haus nicht einer von vielen Dutzend Ta-
esordnungspunkten gewesen ist, mit denen wir uns in
eder Sitzungswoche auseinander zu setzen haben.
Angesichts manch verständlicher Besorgnisse, aber

uch manch unverständlicher Verdächtigungen, denen
ieser Antrag und diese Beratungen im Deutschen

16136 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Bundestag in den letzten Wochen ausgesetzt gewesen
sind, verdient es sicher festgehalten zu werden, dass der
Deutsche Bundestag mit dieser Debatte und den sich an-
schließenden weiteren Beratungen in den zuständigen
Ausschüssen seiner Aufgabe als Vertretung des deut-
schen Volkes und als politisches Forum der Nation in be-
sonderer Weise gerecht geworden ist.


(Beifall im ganzen Hause)

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 15/4933 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Dann ist die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

gierung
Bericht der Bundesregierung zur Zusammen-
arbeit zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und den Vereinten Nationen in den Jah-
ren 2002 und 2003
– Drucksachen 15/4481, 15/4903 Nr. 1, 15/5144 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Dr. Klaus Rose
Fritz Kuhn
Harald Leibrecht

Nach der Vereinbarung unter den Fraktionen soll die
Aussprache 45 Minuten dauern. – Dazu höre ich keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Kollegen Dr. Christoph Zöpel für die SPD-Fraktion das
Wort.


Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1517214800

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Der Bundestag befasst sich heute mit dem
zweiten Bericht der Bundesregierung über das Verhältnis
Deutschlands zu den Vereinten Nationen. Diese Berichte
gehen auf einen Beschluss des Bundestages aus der letz-
ten Legislaturperiode zurück. Sie sind ein wesentlicher
Beitrag zur Beteiligung des Parlaments an der UNO-Po-
litik auf unserer staatlichen Ebene.

Jede Debatte ist kritisch. Auch über die UNO, wie
sollte es anders sein, wird kritisch und mit dem Blick auf
eine Krise diskutiert. Manches ist sehr banal, weshalb
man es klarstellen sollte. Es wird über die Effizienz der
UNO diskutiert. Dass in dieser internationalen Institu-
tion Civil Servants aus über 190 Ländern arbeiten, die
nicht alle in der Verwaltungstradition des Freiherrn vom
Stein oder des Grafen Montgelas ausgebildet wurden, ist
fast selbstredend und sollte nachgesehen werden.

Es ist unstreitig: Die Vereinten Nationen kosten Geld.
Der ordentliche Haushalt beträgt 1,5 Milliarden Dollar.
Jeder Vergleich hinkt. Der Vergleich mit den 800 Mil-

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(C (D iarden Dollar für Rüstungsausgaben macht trotzdem achdenklich und relativiert auch diese Kritik. Nun die Erfolge: Es ist unstreitig, dass der ewige Frie en auf dieser Welt trotz der UNO nicht eingekehrt ist. tellen wir aber auch hier wieder die Maßstabsfrage. er über die UNO und ihre Aufgaben sowie über eine lobale Ordnung mit integrierten Regeln spricht, der ird sich mit dem Gegenmodell, nämlich dem Chaos der ächte, weiter auseinander setzen müssen, das auch ach Auffassung intelligenter und durchaus friedfertig rientierter Beschreiber dieser Welt weiter Gültigkeit haen soll. Wenn wir die Frage stellen, ob das Chaos der ächte die Welt friedlich gemacht hat, dann müssen wir och eindeutiger Nein sagen. So meine ich: Es macht geade aus deutscher Sicht sehr viel Sinn, daran festzuhalen, dass die ideale Vorstellung von einer integrierten eltordnung besser ist als der Traum vom Frieden durch as Chaos der Mächte. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der SPD)


Dass all diese Gedanken mit deutscher und internatio-
aler Theorie sowie mit Ereignissen in Deutschland ver-
unden sind, könnte eine Verpflichtung sein. Ich finde es
mmer schön, wenn man durch Gutes verpflichtet ist.
ie Westfälische Ordnung heißt schon so. Westfalen ist
ls ein dröge geltender Teil deutscher Lande bekannt,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

rotzdem ist es in die Weltgeschichte eingegangen. Die
estfälische Ordnung sollte den Krieg domestizieren.
eute müssen wir feststellen: In Ruanda ist sie nicht
irklichkeit geworden. Das Urteil ist aber sehr überheb-

ich, wenn man die Entzivilisierung des Krieges vergisst.
ann immer mag sie begonnen haben? Hat sie mit Na-
oleons Wüten in Spanien, mit den Kolonialkriegen, an
enen viele, auch Deutsche, beteiligt waren, mit der Ver-
ichtung von Armeniern, mit den Gräueltaten des Zwei-
en Weltkrieges oder mit dem Flächenbombardements
on Coventry bis Dresden begonnen? All das war vor
uanda. Deshalb sollten wir in unserem Urteil über das
cheitern maßvoll sein. Ich glaube, es ist ganz unstreitig,
ass dadurch, dass wir nicht nur sehr große Mächte, son-
ern auch die UNO haben, mancher Krieg vermieden
nd mancher eher beendet wird als ohne die UNO. Das
st sehr viel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Peacekeeping- und Peaceenforcing-Operationen gibt
s viel mehr, als wir in Deutschland wahrhaben wollen.
assen Sie mich ein bisschen im Vorgriff auf unsere
orgige Entscheidung zum Sudan eine Bemerkung ma-
hen. Wer nicht informiert ist, dem sei es verziehen, aber
ie Frage „Was sollen deutsche Soldaten in Afrika?“ ist
chon ziemlich provinziell-unanständig,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16137


(A) )



(B) )


Dr. Christoph Zöpel

wenn man weiß, dass der Frieden in Afrika derzeit von
Bangladeschern, Pakistanern, Indern und vielen Afrika-
nern selbst herbeigeführt werden soll. Was sollen Bang-
ladescher in Afrika? Es ist also einiges an Aufklärung
angesagt.

Unstreitig ist: Die Vereinten Nationen sind aufgrund
ihrer Charta weiterhin zu sehr auf die traditionellen und,
wie manche sagen, harten Sicherheitsaufgaben konzen-
triert. Das Befassen mit den Entwicklungsfragen in all
ihren Dimensionen erledigen zum Teil Nebenorganisa-
tionen und manchmal von ihr formal unabhängige Orga-
nisationen, in denen die Dominanz der Reichen viel-
leicht zu groß ist, weil auch die Reichen in dieser Welt
zu dominant sind. In dieser Diskussion haben es auch
schon die Bundesregierung und der UNO-Generalsekre-
tär angesprochen: Hin und wieder können wir kleine
Beiträge leisten. So freue ich mich, dass wir in dieser
Legislaturperiode beschlossen haben, dass wir nicht nur
über die harten Aufgaben der UNO in einem Bericht in-
formiert werden, sondern bald auch über alle anderen in-
ternationalen Institutionen, in denen die Bundesregie-
rung mitwirkt. Wir warten darauf, das noch in dieser
Legislaturperiode erfüllt zu sehen.

Ganz unstreitig ist: Die Machtstrukturen innerhalb
der Vereinten Nationen entsprechen nicht der Wirk-
lichkeit. Sie sind 1945 gesetzt worden. Fangen wir mit
den eklatantesten Dingen an. Wenn wir sie nicht richtig
sehen, wird es wieder als ein Zeichen provinzieller euro-
päischer Überheblichkeit gesehen, mit ihnen falsch um-
zugehen. Die Vereinten Nationen ohne Indien im Sicher-
heitsrat sind nun wirklich eine Groteske.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Indien mit 1 Milliarde Menschen ist – auch das soll-

ten Europäer einsehen – in seiner Leistung, ein integrati-
ves, föderatives Staatswesen zu schaffen, der Europäi-
schen Union um Lichtjahre voraus.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das ist wohl wahr!)


Man kann also von Indien lernen. Eine Demokratie ist es
auch. Wenn die eine Richtung zu sehr dominiert, verliert
sie überraschend. Das erlebte die indische Demokratie
neulich. Darüber brauchen wir nicht lange zu sprechen.
Dass Lateinamerika und Afrika im Sicherheitsrat nicht
vertreten sind, ist ähnlich fragwürdig. Deshalb gibt es
jetzt diese Diskussion über die Erweiterung des Sicher-
heitsrates.

Verständlich und sicherlich auch gar nicht zu verurtei-
len ist die Konzentration auf die Frage: Soll nun
Deutschland im Sicherheitsrat vertreten sein? Ich male
einmal folgendes Bild. Wenn das bei der Beurteilung im
Vordergrund stehen würde, würden alle sagen: Mein
Gott, was ist das für ein Idealismus! Jawohl, ich bin der
Auffassung, der Sicherheitsrat sollte nur noch durch die
staatlich integrierten Weltregionen repräsentiert werden.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Ja!)

Dem Sicherheitsrat sollten die Afrikanische Union, die
Lateinamerikanische Union, die Indische Union – sie ist
schon vertreten –, China – es ist zwar nicht so ganz de-

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(C (D okratisch, aber wir werden es nicht ausschließen könen –, die Europäische Union und dann die Vereinigen taaten von Amerika – Kanada und Mexiko schließen ich vorher freiwillig an – angehören. Genau dafür bin ch. Solange das nicht für realistisch gehalten wird, macht s Sinn, nach den 15 Staaten zu suchen, die in einem ix aus den Indikatoren Bevölkerung, Beteiligung an er Finanzierung und Ähnlichem im Sicherheitsrat verreten sein können. Hierin hat in bescheidenem Selbstbeusstsein die Aufnahme des drittgrößten Beitragszahlers inen Sinn. Daher ist es richtig, dass für den Sitz eutschlands im Sicherheitsrat vielleicht als Vorstufe ieser idealen Welt staatlich integrierter Weltregionen estritten wird. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Damit komme ich zu dem letzen Punkt. Wenn nicht
ur einzelne Staaten, sondern auch die Welt demokra-
isch sein soll, dann müssen wir weiter danach streben,
ine demokratische globale Ordnung zu erreichen. Nun
eiß ich, dass die Konzeption eines Weltparlaments
chon allein wegen der Frage, ob China als nicht demo-
ratischer Staat in einem demokratischen Weltparlament
ertreten sein darf, völlig irreal ist. Trotzdem kann man
ich der Sache nähern. Die Gewaltenteilung auf Welt-
bene ist ausgeprägter, als man glaubt. Das Ausmaß der
echtsetzung ist erheblich. Das Binnensystem völker-
echtlicher Verträge ist ebenfalls erheblich. Wieso soll-
en diese Verträge nicht auch von Delegierten aus Parla-
enten mitberaten werden? Das kann nicht schaden und
as ist praktisch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Harald Leibrecht [FDP])


Dass der Sicherheitsrat derzeit im Bereich der Terror-
ekämpfung mit bindender Gewalt gültiges Völkerrecht
etzen kann, ist gut. Würde es schaden, wenn er das hin
nd wieder mit Vertretern von Parlamenten beraten
ürde? Ich glaube, der Punkt ist erreicht, an dem es Sinn
acht, in realistischer Einschätzung der Realität des
ölkerrechts danach zu fragen, ob das Prinzip der Ge-
altenteilung nicht auch auf dieser Ebene, nämlich der
lobalen, abgebildet werden kann. Der Deutsche Bun-
estag befasst sich damit. Wir werden es demnächst dis-
utieren können. Vielleicht können wir dann feststellen,
ass zwei Ideen, an denen Europäer hängen, der Welt
utes geben. Ich meine die Idee Kants, dass eine Föde-
ation von Republiken das Chaos der Mächte überwin-
en könnte. Deshalb bin ich aus außenpolitischen Grün-
en dafür, in Deutschland mit dem Föderalismus
fleglich umzugehen und ihn nicht taktisch zu gebrau-
hen.


(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


ie zweite Idee ist die Idee der Franzosen, die Gewal-
enteilung einzuführen. Wenn es auf Weltebene gelänge,

16138 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Dr. Christoph Zöpel

die Föderation der Republiken in Verbindung mit dem
Gewaltenteilungsprinzip von Montesquieu zu organisie-
ren, dann könnten wir Europäer stolz sein.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517214900

Das Wort hat nun der Kollege Dr. Klaus Rose, CDU/

CSU-Fraktion.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1517215000

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Ich möchte zuerst auf das eingehen, was der Kol-
lege Zöpel geäußert hat, und feststellen, dass wir doch
eine sehr große Gemeinsamkeit in all diesen Fragen ha-
ben. Ich bin vor allem deshalb dankbar, weil das Parla-
ment einen kleinen Sieg errungen hat, weil es diese Be-
richte gibt, weil wir uns intensiv um die Politik der
Vereinten Nationen kümmern und wir die zunehmende
Bedeutung der Vereinten Nationen für die gesamte Welt,
aber auch für uns Deutsche diskutieren. Damit kommen
wir einen großen Schritt nach vorne. Wir werden in die-
ser Angelegenheit von der Bundesregierung verhältnis-
mäßig gut unterstützt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das ist ein Lob!)


Wir haben – auch das freut mich – einen eigenen Un-
terausschuss, dessen Vorsitzender der Kollege Dr. Zöpel
ist. Der Unterausschuss Vereinte Nationen kümmert
sich intensiv um diese Angelegenheiten und kann durch
Hearings und andere Veranstaltungen sehr viel bewegen,
um in diesen Fragen voranzukommen. Ich stehe auch
nicht an, der Bundesregierung ein kleines Kompliment
dafür zu machen,


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Zu viel!)

dass sie die Zeit, über die der Bericht geht, nämlich von
2002 bis 2003, genutzt hat und versucht hat, sich interna-
tional einzubringen. Sie hat in diesen schwierigen Jahren
2002 und 2003 – das war die Zeit nach dem
11. September und die Zeit des Irakkriegs – die Politik
mit beeinflusst und im Hinblick auf die Reform der Ver-
einten Nationen einen Schritt nach vorne gemacht. Wir
haben – mit „wir“ meine ich Deutschland; ich erinnere in
diesem Zusammenhang an die Schlagzeile der „Bild“-
Zeitung anlässlich der Papstwahl – den Anspruch auf ei-
nen Sitz Deutschlands im Sicherheitsrat angemeldet.
Aus dieser Sicht kann ich nur sagen: Das war passabel
gemacht. Aber es gibt noch viel mehr zu tun. Wir konn-
ten bei der Abstimmung über den Bericht unsere Zustim-
mung nicht geben, weil wir in Nuancen eine andere
Sicht haben.

Ich selber möchte mich jetzt auf einige besondere
Aussagen konzentrieren. Ich weiß, dass meine beiden
Kolleginnen, Frau Nolte und Conny Mayer, Schwer-
punkte setzen werden, wobei die eine unter anderem das
Thema des Gewaltmonopols der Vereinten Nationen und

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(C (D ie andere die entwicklungspolitische Zusammenarbeit ehandeln wird. Ich möchte deshalb einige andere Bereiche mit be euchten und komme in diesem Zusammenhang zu den riedensmissionen der Vereinten Nationen, um festzutellen: Das kann selbstverständlich nur Aufgabe der ereinten Nationen sein. Da sollte es keinen Dissens geen. Auch wenn wir die eine oder andere Mission kriisch sehen, zum Beispiel den Bundeswehreinsatz im Suan, der morgen auf der Tagesordnung steht, haben aber och die Vereinten Nationen das Gewaltmonopol und ind für die Einsätze zuständig. Da sollten wir uns geeinsam anschließen. Aber beim Thema der Friedensmissionen kommt bei ir der erfahrene Haushälter durch. Man kommt nicht irklich weiter, wenn man immer neue Missionen beründet. Dabei spreche ich nicht nur von der Belastung er Bundeswehr, sondern es geht im Zusammenhang mit en Vereinten Nationen ja auch um das Anstreben der ,7-Prozent-Grenze. Ich glaube, keiner von uns ist als nständiger Parlamentarier dagegen, dass man anstrebt, as 0,7-Prozent-Ziel zu erreichen. Aber wir müssen auch ber die Zahlen reden. Wenn man sich die Zinsund inseszinsrechnung bis zum Jahr 2014 anschaut – der undesaußenminister hat diesen Zeitpunkt ins Gespräch ebracht, der Bundesfinanzminister nicht; er ist da andeer Meinung, weil auch er rechnen muss –, zeigt sich, ass eine Zusatzausgabe im Haushalt von zwischen 0 und 50 Milliarden Euro auf uns zukommen wird. Exerten meiner Fraktion haben das nachgerechnet; die usgabe steigt ja jedes Jahr. Jetzt liegen wir bei ,28 Prozent; das ist bekanntermaßen weniger als früher. ,7 Prozent würden mehr als eine Verdoppelung bedeuen. Durch den Zinseszinseffekt kommt man zu den geannten Größenordnungen. Deshalb erwarte ich, dass wir von der Bundesregie ung rechtzeitig genauere Zahlen bekommen, dass seriöse erechnungen vorgelegt werden, dass man, wenn man as nicht aus der Portokasse bezahlen kann – und das ird man nicht können, weil die politische und die wirtchaftliche Entwicklung dieses Landes in absehbarer eit nicht unbedingt besser wird –, rechtzeitig erklärt, o die Prioritäten gesetzt werden sollen, das heißt, wie egenfinanziert werden soll. Ich lege schon Wert darauf, ass wir im Unterausschuss – ganz wertneutral, um auf em Laufenden zu sein – Informationen über solche inge bekommen und darüber diskutieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als kleinen Schwer unkt wollte ich noch das Thema der Reform der Verinten Nationen ansprechen, wobei es mir widerstrebt, ass wir immer nur über den Sicherheitsrat reden. In em vorgelegten Papier mit etwa 100 Seiten von Kofi nnan sind sehr viele wichtige Punkte enthalten und bei edem einzelnen würde es sich lohnen, lange darüber zu ebattieren, um weitere Erfolge zu erzielen. Aber natürich steht der Sicherheitsrat im Mittelpunkt. Vielleicht uss ich das wiederholen, was schon andere erwähnt haen. Der Herr Kollege Zöpel hat es vorhin gut ausgerückt. Eigentlich müssten die großen Weltregionen Mitlieder des Sicherheitsrates werden, statt dass – fast Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16139 Dr. Klaus Rose hätte ich gesagt: krampfhaft – ein deutscher Sitz angestrebt wird. Auch die Reise des Bundeskanzlers zuerst nach Peking und dann nach Tokio, als er zum Schluss auch noch das Vetorecht gefordert hat, war nicht besonders gut. Eigentlich müsste das Vetorecht abgeschafft werden. Stattdessen müsste die Situation herbeigeführt werden, dass in der UNO keine Blockierer sind. Allerdings wird das Vetorecht von den meisten sowieso nicht mehr in Anspruch genommen. Aber das Streben nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat wird für uns – so ist meine Einschätzung, die durch verschiedene Gespräche in New York durchaus untermauert worden ist – am Schluss keinen Erfolg bringen. Man könnte jetzt im Einzelnen erläutern, was man sich überhaupt vorstellt, ob man eine totale Präsenz mit Vetorecht erreichen will oder ob man eines der 24 Mitglieder des erweiterten Sicherheitsrats bleibt. Aber auf jeden Fall wird das nicht zum großen Erfolg führen. (Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heißt das, dass Sie dagegen sind, oder ist das nur eine Prognose?)


(A) )


(B) )


– In diesem Zusammenhang bemühe ich noch einmal
den Satz: „Wir sind Papst!“ Keiner ist dagegen, wenn
man ihn haben könnte. Aber ihn so krampfhaft anzustre-
ben und am Schluss eine Bauchlandung zu machen, wo-
für aber viele Vorleistungen erbracht werden müssten,
und möglicherweise – deshalb habe ich die Reise von
Schröder erwähnt – das Verhältnis zu den USA zu zer-
stören, weil man in Peking um Zustimmung wirbt, das
halte ich für falsch.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wegen der parlamentarischen Zusammenhänge noch

ein Letztes.
Wir haben in den Hearings auch die Parlamentari-

sierung der Vereinten Nationen stark beraten. Wir wer-
den morgen zu einem Vorschlag kommen. Wir sollten in
diesem Feld all unsere Kräfte aufbieten, um möglichst
viele Parlamentsberatungen zu erreichen. Wir in
Deutschland sind ja schon einen Schritt weiter, weil wir
den Unterausschuss haben. Viele Länder der Welt haben
das aber nicht. Ob wir unser Ziel mit der IPU erreichen
oder ob wir sogar den sehr visionären Schritt eines Welt-
parlaments – wir haben ja einmal etwas von
600 Mitgliedern gehört – gehen, ist eine zweite Frage.
Ich selbst bin in diesem Punkt mehr Realist. Aber ich
möchte gewisse Dinge anstreben, und dazu gehört die
starke parlamentarische Begleitung all dieser UNO-Fra-
gen. Wenn wir das gemeinsam anstreben und zu einem
guten Ziel kommen, haben wir viel Gutes für Deutsch-
land und natürlich auch für den Parlamentarismus getan.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1517215100

Für die Bundesregierung erhält nun die Staatsministe-

rin Kerstin Müller das Wort.

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(C (D (Beifall des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


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Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517215200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ehr geehrter Herr Rose, auch ich bedanke mich erst ein-
al für die Blumen.


(Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Das war schon eine Rose! – Detlef Dzembritzki [SPD]: Blümchen!)


Blümchen waren es aber immerhin. – Ich möchte mich
ür die Bundesregierung zunächst bei den Abgeordneten
ller Fraktionen für die wirklich gute Zusammenarbeit
nd für die guten Diskussionen zum Thema Vereinte Na-
ionen bedanken.
Sie haben es angesprochen: Die Vereinten Nationen

tehen – darauf hat Kofi Annan in seiner wirklich rich-
ungsweisenden Rede zu Beginn der vorigen General-
ersammlung der Vereinten Nationen eindringlich hin-
ewiesen – an einem Scheideweg. Sie stehen es gerade
n diesem Jahr; denn die neuen Herausforderungen, mit
enen wir international konfrontiert sind, die Folgen des
1. Septembers, der internationale Terrorismus, die Be-
rohung durch Massenvernichtungswaffen und die Ge-
ahren, die von zerfallenden Staaten ausgehen –, haben
ns, glaube ich, vor Augen geführt: Die Vereinten Natio-
en müssen sich auf diese veränderte Situation einstel-
en, um weiter handlungsfähig zu bleiben.
Dazu gehört nicht nur eine institutionelle Reform

er Vereinten Nationen, also eine Reform des Sicher-
eitsrates, des ECOSOC, der Menschenrechtskommis-
ion und anderer Institutionen. Diese Reformen sind
ein Selbstzweck, sondern dienen dazu, die Vereinten
ationen in die Lage zu versetzen, effektiv auf die neuen
erausforderungen und Gefahren zu antworten. Das
eißt, wir brauchen Vereinte Nationen im Sinne eines ef-
ektiven Multilateralismus und wir brauchen Vereinte
ationen, die die notwendige Legitimität für internatio-
ales Handeln vermitteln. Das war die Lehre, die wir aus
en Diskussionen während der Irakkrise gezogen haben.
amit wir in Zukunft Krisen wie zum Beispiel in Afgha-
istan und Afrika besser handhaben können, brauchen
ir – ich greife wieder auf Kofi Annan auf der Sicher-
eitskonferenz im Februar dieses Jahres zurück – ein in-
egriertes Konzept für Krisenmanagement und lang-
ristige Friedenskonsolidierung. Wenn wir die dazu
otwendigen Reformen nicht durchsetzen können, dann
ird – ich möchte noch einmal Kofi Annan zitieren –
as Ausmaß unserer derzeitigen kollektiven Handlungs-
chwäche in Menschenleben gemessen werden. Ich kann
ofi Annan in diesem Punkt nur voll unterstützen. Das
acht noch einmal deutlich, vor welchen wichtigen Ent-
cheidungen wir in diesem Jahr stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutschland ist schon heute eine der Hauptstützen der
ereinten Nationen. Dies wurde zum Beispiel während

16140 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Staatsministerin Kerstin Müller

unserer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat 2003/2004
deutlich. Unsere konstruktive Mitarbeit hat uns internati-
onal Ansehen eingetragen. Zum Beispiel haben wir den
nicht ständigen Mitgliedern stärker als bisher Gehör ver-
schafft. Wir haben während unserer Mitgliedschaft eine
der schwersten humanitären Krisen und Menschen-
rechtskatastrophen weltweit – ich spreche von Darfur –
erst auf die Tagesordnung des Sicherheitsrates gebracht.
Das Thema Darfur ist heute dort fest verankert; das zei-
gen gerade die letzten Resolutionen. Ich glaube, es hat
sich gelohnt, in dieser Frage eine der treibenden Kräfte
auf internationaler Ebene zu sein und nicht nachzulas-
sen, in den Vereinten Nationen, im Sicherheitsrat auf
klare Beschlüsse hinzuarbeiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben ganz konkret gezeigt, dass wir bereit sind,
unsere Verantwortung wahrzunehmen, zum Beispiel
durch Teilnahme an internationalen Friedensmissionen.
An diesen Missionen beteiligen wir uns nicht nur mit
Soldaten der Bundeswehr, sondern auch mit Zivilpolizis-
ten und zivilem Personal. Wenn der Bundestag morgen
einer deutschen Beteiligung an der neuen Friedensmis-
sion UNMIS im Südsudan zustimmt – wie es ausschaut,
wird das der Fall sein –, dann wird dies die
17. Friedensmission der Vereinten Nationen sein, an der
wir teilnehmen.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Ein wesentliches Element ist auch unser Einsatz für

rechtstaatliche Strukturen und Menschenrechte weltweit.
In jüngster Zeit wurde dies durch unsere Beiträge zur Er-
richtung und Finanzierung des Internationalen Strafge-
richtshofs in Den Haag deutlich. Oder denken Sie an un-
ser Engagement für eine wirksame Zusammenarbeit der
Europäischen Union in den Vereinten Nationen. Wir ha-
ben entscheidend dazu beigetragen, dass die EU heute in
den Vereinten Nationen weitestgehend einheitlich auf-
tritt und auf dieser Grundlage einer der wichtigsten
Akteure im Rahmen der Vereinten Nationen geworden
ist.


(Beifall des Abg. Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] und des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Dieses erfolgreiche Engagement war innerhalb des
bestehenden Systems der VN möglich. Aber wir müssen
in diesem Jahr wichtige Schritte weitergehen. Deshalb
ist es gut, dass die Reformdebatte allein im letzten Jahr
durch einige zentrale Dokumente neue Impulse erhalten
hat. Nach Lage der Dinge werden wir es entweder in die-
sem Jahr schaffen, uns auf substanzielle Reformen zu
verständigen, oder wir werden erst einmal für viele Jahre
zurückgeworfen werden. Ich sage deshalb sehr deutlich:
Wir unterstützen den größten Teil der Vorschläge in dem
Bericht, den Kofi Annan vorgelegt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Harald Leibrecht [FDP])


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(C (D Ich nenne als Beispiel den Bereich Terrorismusbeämpfung. Die wichtigste bislang unerledigte Aufgabe st hierbei die Verabschiedung einer umfassenden Antierrorismuskonvention. In diesem Zusammenhang üssen auch die Forderungen nach einer Reform der enschenrechtskommission genannt werden. Diese ird nicht einfach werden. Darüber wird im Menschenechtsausschuss schon diskutiert. Diesen Ansatz des Geeralsekretärs der Vereinten Nationen begrüßen wir benso nachdrücklich wie eine weitere Stärkung der ochkommissarin der VN für Menschenrechte. Schließlich zur Reform des Sicherheitsrates. Herr ose, ich möchte ganz bewusst erst jetzt eine Bemerung zum Sicherheitsrat machen. Sie haben Recht: Es eht nicht nur um eine Reform des Sicherheitsrates, sonern es geht auch um viele andere Reformen der Instituionen der Vereinten Nationen. Es kommt darauf an, wie ir insgesamt auf die neuen Herausforderungen, vor deen wir stehen, reagieren. Das Thema Reform des Sicherheitsrates kann man icht aussparen. Im Gegenteil: Kofi Annan hat wiederolt darauf hingewiesen, dass jede Reform der Vereinten ationen unvollständig wäre, die nicht auch den Sichereitsrat einbeziehen würde. Nach 12 Jahren der Debatte st diese Reform entscheidungsreif. Der Sicherheitsrat ird die in der Zukunft nötige Legitimität nur dann haen, wenn er repräsentativer wird – Afrika zum Beispiel st bis jetzt nicht durch einen ständigen Sitz vertreten; err Zöpel, Sie haben andere genannt – und wenn er die erantwortungsgewichte, wie sie in der Welt heute ahrgenommen werden, zumindest besser abbildet. Wir ind daher dankbar für die Unterstützung, die die Reorm von einer ganz großen Mehrheit der Mitgliedstaaen erfährt. Dieses Jahr geht es aber nicht nur um die Reformen er VN. Im September dieses Jahres steht noch ein weieres Ereignis von großer Bedeutung bevor: die Sondereneralversammlung zur Erreichung der Milleniums-Entwicklungsziele. Das darf mit Blick auf die eformen des Sicherheitsrates und anderer Institutionen icht untergehen. Zu diesen Zielen haben sich die Staatsnd Regierungschefs im Jahr 2000 verbindlich verflichtet. Im September wird Bilanz gezogen. Was haben ir erreicht? Wo stehen wir? Bei der Umsetzung dieser Ziele haben wir viel geleis et. Als einer der ersten hat die Bundesregierung bereits m Frühjahr 2001 eine Strategie zur Unterstützung der illenniumsziele beschlossen. Dieses „Aktionsproramm 2015“ ist ein ressortübergreifendes, entwickungspolitisches Rahmenprogramm zur Armutsbekämpung. Ich sage aber auch: Wir müssen hier noch achlegen. Ich denke an die entsprechenden Berichte wie den achs-Bericht, der im Januar erschienen ist. In diesem ericht wird ausgeführt, dass die Millenniumsziele nur ann erreicht werden können, wenn die Geberländer ihre nstrengungen entscheidend verstärken. Es hat zwar erbesserungen gegeben – in China und in Indien etwa st die Zahl der Armen zurückgegangen –, aber in vielen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16141 Staatsministerin Kerstin Müller Teilen der Welt sieht es nicht gut aus, zum Beispiel in Afrika südlich der Sahara. Ich sage hier sehr deutlich: Deutschland steht zu dem Ziel der Vereinten Nationen, bis 2015 den Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt auf 0,7 Prozent zu steigern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(A) )


(B) )


Dies hat der Bundeskanzler Anfang dieses Jahres auf
dem Weltwirtschaftsforum in Davos noch einmal bekräf-
tigt, indem er versicherte, dass dieses Ziel in einem Stu-
fenplan erreicht werden müsse. Dabei werden sicher
auch innovative Finanzierungsinstrumente eine Rolle
spielen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517215300

Denken Sie bitte an die Zeit!
Ke
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517215400

Zunächst wird es jedenfalls gelingen, die in Barcelona

vereinbarten 0,33 Prozent bis 2006 zu erreichen. Das ist
ein erster wichtiger Schritt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sehen: Alle Mit-
glieder der Vereinten Nationen stehen in diesem Jahr vor
zentralen Entscheidungen. Es geht um die Zukunft der
Vereinten Nationen. Ich kann Ihnen versichern: Die
Bundesregierung wird alles tun, dass dieses Jahr ein Er-
folgsjahr für die Vereinten Nationen wird.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517215500

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Harald Leibrecht.

Harald Leibrecht (FDP):
Rede ID: ID1517215600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Die Vereinten Nationen stehen vor großen Verände-
rungen. Im Herbst soll eines der wichtigsten Reformpa-
kete in der Geschichte der UNO beschlossen und auf den
Weg gebracht werden. Anderthalb Jahrzehnte nach dem
Ende des Kalten Krieges muss die UNO auch angesichts
neuer Herausforderungen in die Lage versetzt werden,
ihre Kernaufgaben, also die Förderung von Entwicklung,
den Schutz der Menschenrechte und die Sicherung des
Weltfriedens, zu erfüllen. Darum muss die UNO hand-
lungsfähiger werden. Kofi Annan hat mit seinem von
ihm vorgeschlagenen Reformpaket einen wichtigen
Schritt in die richtige Richtung getan.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutschland ist einer der großen Verfechter der Ver-
einten Nationen. Die UNO braucht auch die deutsche
Unterstützung – und dies nicht nur deswegen, weil wir
ein wichtiges Geberland sind. Ich finde es allerdings be-
dauerlich, dass sich die Diskussion über die UN-Reform

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(C (D mmer wieder nur auf die Frage eines deutschen Sitzes m Weltsicherheitsrat reduziert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


war unterstützen auch wir diese Forderung; doch wir
ind der Meinung, ein europäischer Sitz sei die bessere
ösung. Die EU ist heute aber leider noch nicht in der
age, einen solchen Sitz einzunehmen. Deshalb sollte
eutschland, falls wir einen solchen Sitz bekommen,
iesen in einer Art Treuhänderschaft europäisch wahr-
ehmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wichtig bleibt jedoch, dass die Bundesregierung die
N-Reformen unterstützt, und zwar nicht nur unter der
edingung, einen Sitz im Sicherheitsrat zu bekommen.
ieses Gieren nach solch einem ständigen Sitz treibt im-
er seltsamere Blüten und ist in der Tat kontraproduktiv.
ch denke hierbei zum Beispiel an die – wie man fast sa-
en könnte – Komplizenschaft mit Brasilien und Indien.
as muss doch andere konkurrierende Länder gegen uns
ufbringen. Ich denke auch an die unsägliche Forderung
es Bundeskanzlers, das EU-Waffenembargo gegenüber
hina aufzuheben. Auch die unabgestimmte Zusage des
eutschen UN-Botschafters, die ODA-Quote unbedingt
rfüllen zu wollen, ist ziemlich durchsichtig. Man
önnte fast schon meinen, Deutschland möchte sich den
itz im Sicherheitsrat erkaufen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Werner Hoyer [FDP]: Peinlich!)


Die Bundesregierung misst ihren Erfolg bzw. Miss-
rfolg am deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Wir
iberale tun das nicht.
Wir meinen, Generalsekretär Annan braucht unsere
nterstützung dabei, die Menschenrechtskommission in
inen ständigen, verkleinerten und damit auch effektive-
en, dem Sicherheitsrat gleichberechtigten Menschen-
echtsrat umzuwandeln. Wir begrüßen diese Umwand-
ung; denn Menschenrechte sind nun einmal die Basis
ür Frieden und Freiheit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


ir unterstützen Kofi Annan auch darin, den ECOSOC
ufzuwerten und wieder zu einem handlungsfähigen In-
trument in der Entwicklungspolitik zu machen. Ein
tärkeres Engagement der reichen Staaten bei der Ent-
icklung der ärmeren Länder ist ein Muss. Kofi Annan
at ein mutiges und wichtiges Reformpaket angestoßen.
r braucht und verdient dabei unsere Unterstützung, und
war für das gesamte Paket und nicht nur für Teile.
Der UN-Generalsekretär ist ja leider – wir haben das

orhin schon gehört – ausgerechnet jetzt, in dieser wich-
igen Reformphase, mit schwerwiegenden Vorwürfen
onfrontiert. Das wird von seinen Kritikern leider als
illkommener Anlass gesehen, ihn zu schwächen und zu
eschädigen. Natürlich stehen diese Vorwürfe des

16142 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Harald Leibrecht

Missmanagements innerhalb der UNO im Raum und
müssen lückenlos aufgeklärt werden.

Jetzt ist es umso wichtiger, dass gerade auch die star-
ken UN-Mitgliedstaaten diese Reformen unterstützen
und so die UNO voranbringen. Es geht in den kommen-
den Monaten um die Zukunft der Vereinten Nationen,
um Entwicklung, Frieden und Menschenrechte auf der
ganzen Welt, und eben nicht nur um Sicherheitsratsam-
bitionen dieser Bundesregierung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517215700

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Detlef

Dzembritzki.

Detlef Dzembritzki (SPD):
Rede ID: ID1517215800

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Es ist ein wohltuender Nachmittag, wenn
man ihn einmal unter dem Gesichtspunkt „wenig Kon-
flikte und viel Harmonie“ betrachtet. Ich denke, dass
auch die kritischsten Beiträge der Opposition letztend-
lich den breiten Konsens erkennen lassen. Damit wird
unterstrichen, dass wir alle, die wir hier im Parlament
zusammensitzen, in den Vereinten Nationen doch den
Garanten sehen, der für die Zusammenarbeit weltweit
der wichtigste Partner, die wichtigste Institution ist.


(Beifall bei der SPD)

Deswegen ist es auch selbstverständlich, dass wir ein
großes Interesse daran haben, dass der Reformbericht
und die Reformideen von Kofi Annan eingebracht und
nach Möglichkeit auch umgesetzt werden.

Man muss dabei allerdings auch immer Realist blei-
ben. Wir haben 191 Partner, die letztendlich diesen
Reformprozess in der Generalversammlung mit uns zu
bestreiten haben. Wir müssen auch erkennen, dass zwar
mit dem Einbringen ein Hauptteil der Arbeit gemacht ist,
wir aber dennoch mehr am Anfang als am Ende des Pro-
zesses stehen. Ich stimme den Kollegen Dr. Rose und
Leibrecht zu, dass es dabei nicht nur um den Sicherheits-
rat gehen kann. Ich denke – wir haben das ja auch im
Unterausschuss behandelt –, dass Fragen, die zur Wirt-
schaftspolitik anstehen – Stichwort ECOSOC –, Fragen,
die im Arbeitsbereich anstehen und Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer betreffen, sowie Fragen, die mit der
Vielfalt der Kulturen weltweit zusammenhängen,
Schwerpunktaufgaben sind, die mit zur UN gehören.
Wenn wir die Globalisierung ein Stückchen humaner ge-
stalten wollen, dann setzen wir auch dabei die Hoffnun-
gen auf die Vereinten Nationen.


(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde es dabei

nicht hilfreich und im Grunde auch nicht fair – aber es
gehört vielleicht zur Debatte, dass sie dann doch nicht so
ganz harmonisch ist –, wenn etwa unterstellt wird, die
Bundesrepublik würde sich krampfhaft um einen Sitz im
Sicherheitsrat bewerben. Ich denke – das ist hier in der
Diskussion auch schon deutlich geworden –, bei der

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(C (D eistung, bei dem Engagement, bei der Verantwortung, ie vonseiten der Bundesrepublik wahrgenommen wird nd auch weiterhin wahrgenommen werden wird, ist es in vernünftiger Ansatz, eine Mitarbeit im Sicherheitsrat nzubieten. Ich denke, lieber Herr Kollege Leibrecht, dass Sie och einmal überlegen sollten, ob ein solcher Vorhalt ie Komplizenschaft mit Brasilien oder Indien richtig t. Seien wir doch zufrieden, dass es zunehmend gengt, eine gleiche Augenhöhe herzustellen. Es ist doch in vernünftiger Vorgang, wenn dabei die Partnerschaft it Ländern wie zum Beispiel Brasilien und Indien geucht wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch würde das nicht nur auf die Frage des Sicherheitsra-
s beschränken, sondern grundsätzlich so sehen. Es ist
– ich sage das einmal so salopp – das große Pfund der
ereinten Nationen, dass sie eine Institution sind, in der
ndustrieländer und Entwicklungsländer, in der Nord
nd Süd auf gleicher Augenhöhe sprechen können
wenn es denn alle wollen – und in der die Wertschät-
ung aller miteinander in einer Gleichberechtigung statt-
indet. Wir wollen doch auf jeden Fall, dass dies mit der
eform der UN noch einmal unterstrichen wird. Deswe-
en finde ich solche Vorhalte nicht hilfreich.
Di
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1517215900
Wir haben uns der ver-
nderten Situation nach dem 11. September zu stellen.
abei drängt sich uns, wenn wir die Intensität der zuneh-
enden Brutalität zur Kenntnis nehmen, die entschei-
ende Frage auf, wer unter welchen Bedingungen die
egitimation hat, von außen in die inneren Belange eines
taates einzugreifen. Kann die Souveränität eines Staa-
s heute immer noch höher bewertet werden als massive
enschenrechtsverletzungen? Darüber haben wir be-

eits diskutiert. Solche Fragen erfordern neue Normen,
ie Orientierung bieten und zur internationalen Sicher-
eit beitragen, um in Situationen, in denen ein Eingrei-
en im Sinne der Menschenrechte dringend notwendig
t, willkürliches Handeln zu verhindern.


(Beifall bei der SPD)

ch glaube, dass nur die Vereinten Nationen hierfür einen
aßstab, ein Gerüst und Orientierung bieten können.
Sie haben die Friedensmissionen angesprochen. Ich

enke, wir werden es uns immer wieder schwer machen
üssen, über Friedensmissionen zu entscheiden. Der
ollege Zöpel hat bereits deutlich gemacht, wer sich
urzeit um Friedensmissionen kümmert. Die Ansprüche
nd Verpflichtungen sind hoch. Wenn Sie, lieber Kollege
r. Rose, die Beteiligung an Friedensmissionen mit dem
iel in Zusammenhang bringen, 0,7 Prozent des Brutto-
landsprodukts gemäß der ODA-Quote aufzuwenden,
ann kann ich das nicht nachvollziehen. Denn der mate-
ielle Anteil, der von der Bundesrepublik zu leisten ist,
ann nicht unmittelbar mit den moralischen Verpflich-
ngen korrespondieren, die wir zu erfüllen haben. Bei
ller Notwendigkeit, uns um die Steigerung unseres An-
ils an Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit zu

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16143


(A) )



(B) )


Detlef Dzembritzki

bemühen, warne ich immer wieder davor, die materielle
Ausstattung zum alleinigen Grundsatz der Entwick-
lungszusammenarbeit zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich denke besonders an das Beispiel der Friedensmissio-
nen. Wenn es einmal gelänge, durch Friedensmissionen
und internationale Zusammenarbeit zum Beispiel im
Kongo eine Befriedung herbeizuführen, dann würden
wir es schaffen, dass eines der – an seinen Bodenschät-
zen und verfügbaren natürlichen Ressourcen gemessen –
reichsten Länder der Welt zur Prosperität des afrikani-
schen Kontinents beitragen könnte. Das wäre ein Traum,
den Sie auch auf Angola und viele andere Staaten über-
tragen können.

Insofern kommt mir der Bericht von Jeffrey Sachs
in der Regel ein bisschen zu kurz, liebe Frau Staatsmi-
nisterin. In dem Bericht werden zu Recht erweiterte An-
strengungen der Industrienationen gefordert. Er greift
aber zu kurz, wenn es darum geht, die Länder des Sü-
dens daran zu erinnern, dass auch sie Verpflichtungen
haben und dass die nationalen Ressourcen nicht bei so
genannten politischen Eliten landen dürfen, sondern der
Bevölkerung zur Verfügung stehen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Je mehr wir erreichen, dass diese Ressourcen dem Wohl-
stand der Menschen zugute kommen, desto weniger Be-
deutung wird eines Tages die Frage haben, wie hoch der
jeweilige Anteil an Mitteln für die Entwicklungszusam-
menarbeit sein muss.

Ich denke, dass beide gefordert sind: der Süden wie
der Norden. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingt, über eine
reformierte UN noch stärker dazu beizutragen, als es bis-
her möglich war.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517216000

Jetzt hat die Abgeordnete Claudia Nolte das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Nolte (CDU):
Rede ID: ID1517216100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Erlauben Sie mir, noch einmal kurz auf den
Beratungsgegenstand, nämlich den Bericht der Bundes-
regierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesre-
publik Deutschland und den Vereinten Nationen in den
Jahren 2002 und 2003, einzugehen. Ich meine nämlich,
dass auch der Bericht selber einer Würdigung bedarf. Er
ist eine ausgesprochene Fleißarbeit, für die den zuständi-
gen Mitarbeitern Dank gebührt.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Der Bericht bietet sehr viele Informationen und macht
einige erfreuliche Entwicklungen deutlich.

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(C (D So hat sich die Beteiligung deutscher Mitarbeiter im ittelbau der UN deutlich verbessert und auch die Beühungen zur Unterstützung der Bewerbungen Deutcher bei Gremien der VN haben deutliche Wirkung geeigt. Das ist zu begrüßen; wir haben dies schließlich mmer wieder eingefordert. Bei den Spitzenpositionen tellt sich die Situation allerdings nicht ganz so gut dar. Ich denke, in dem Bericht wird auch sehr deutlich, ie stark sich Deutschland in den verschiedenen Greien der VN einbringt. Sie gestatten sicherlich, dass ich inzufüge, dass das, was wir dort leisten, auch ein Ausruck der langjährigen außenpolitischen Kontinuität aler Bundesregierungen und der sie tragenden Fraktionen m Deutschen Bundestag ist. Der Bericht hat aber eine Schwäche: Er ist zu wenig olitisch unterlegt. Wir dagegen machen hier genau das, as eigentlich gefordert wäre, nämlich eine politische ebatte zu führen. Schon im letzten Jahr wurde deutlich, ass die VN unter dem Eindruck der Reformdebatte tehen. Daher haben wir eigentlich erwartet, dass in eiem solchen Bericht irgendwo deutlich wird, wo die undesregierung Schwerpunkte setzt und wie ihre Reormvorstellungen aussehen. Das vermissen wir leider. err Dzembritzki, das, was Sie hierzu gesagt haben, unerstütze ich voll. Es ist wichtig, solche politischen Klartellungen vorzunehmen. In dem gesamten umfangreichen Bericht lässt sich ur eine politische Erklärung finden, und zwar in Form ines Zitates des Bundeskanzlers. Es ist ziemlich leicht u erraten, zu welchem Punkt. Ich möchte nur einen Satz araus zitieren: Deutschland ist bereit, als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates Verantwortung zu übernehmen. as ist das Credo. Aber das ist, auch wenn von der Reierungskoalition etwas anderes bekundet wird, so ziemich das Einzige, was man in den letzten Jahren zur Reormdebatte vernommen hat. Das ist zu wenig. err Zöpel, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie deutlich geacht haben, dass auf der Koalitionsseite der Idealismus icht ganz ausgestorben ist. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass derzeit ein uropäischer Sitz im VN-Sicherheitsrat nicht machbar st. Sicherlich wird ein deutscher Sitz im VN-Sichereitsrat nicht an uns scheitern. Aber auch hier noch einal: Die Art und Weise, wie die Bundesregierung verucht, dies durchzusetzen, ist eigentlich abträglich. Es ist ine Art Kampagne geführt worden, die uns nicht gerade nterstützer und Freunde gebracht hat. an muss erst recht Zweifel anmelden, wenn man beenkt, wie wenig der Bundeskanzler in die transatlantichen Beziehungen investiert. Man hat manchmal fast en Eindruck, dass er glaubt, ein Sitz im VN-Sichereitsrat sei leichter gegen die Amerikaner als mit ihnen u erreichen. Wir brauchen doch nur die aktuelle Debatte 16144 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Claudia Nolte über die Aufhebung des Waffenembargos gegenüber China als Beispiel zu nehmen. Ohne Abstimmung mit den Amerikanern wieder einen neuen Konflikt vom Zaun zu brechen ist geradezu kontraproduktiv. Unabhängig von der Frage eines deutschen Sitzes im VN-Sicherheitsrat ist diese Politik schädlich für Deutschland. Ich finde, die Fülle des vorliegenden Berichts macht zum einen deutlich, wie stark die Sichtweise der Bundesregierung auf die Frage eines Sitzes im VN-Sicherheitsrat verengt ist, und zum anderen, wie notwendig Reformen sind. Der Bericht, den der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, vorgelegt hat, ist sehr bemerkenswert und zielführend; denn der Generalsekretär belegt seine Reformüberlegungen anhand der Ergebnisse der vorhergehenden großen Weltkonferenzen und macht den Handlungsbedarf und die Notwendigkeit von Reformen deutlich. Seine Vorschläge für den ECOSOC und für die Menschenrechtskommission sind sehr konkret. Ich sage für meine Fraktion, dass wir den Vorschlag, einen Menschenrechtsrat einzurichten, ausdrücklich begrüßen und unterstützen. Der Generalsekretär hält sich mit Vorschlägen zur Reform der VN-Generalversammlung auffallend zurück und weist zu Recht darauf hin, dass es in erster Linie die Verantwortung der Mitgliedstaaten ist, hierzu Vorschläge zu machen und sich ein Stück weit zu disziplinieren. Er macht klugerweise auch keinen Vorschlag zur Reform des VN-Sicherheitsrates und verweist lediglich auf das Ergebnis des hochrangigen Panels. Ich möchte zum Schluss noch einen Gedanken hervorheben, dem sich Kofi Annan in seinem Bericht ausführlich widmet. Das ist die Frage der Anwendung von Gewalt im Lichte des Völkerrechts. Natürlich legt er ein klares Bekenntnis zum Multilateralismus ab. Ich finde es trotzdem bemerkenswert, dass er anhand der Frage, an welchen Kriterien Gewaltanwendung geprüft werden soll, deutlich macht, dass die Mitgliedstaaten sowohl in der VN-Generalversammlung als auch im VN-Sicherheitsrat eine große Verantwortung für die Sache haben und nicht aus nationalem Interesse eigene Überlegungen in Entscheidungsprozesse einführen dürfen. Es geht ihm vielmehr darum, deutlich zu machen: Wenn Länder ihrer Pflicht, ihre eigene Bevölkerung zu schützen, nicht nachkommen – ich denke an Länder, in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, in denen Genozide stattfinden –, dann darf die Weltgemeinschaft die Augen davor nicht verschließen, sondern dann muss die Schutzpflicht auf sie übergehen. Wir sind also gefordert, gegen solche Unrechtsregime vorzugehen. Ich glaube, der Grund für den großen Verlust an Vertrauen in die Vereinten Nationen in den letzten Jahren ist, dass die Völkergemeinschaft über diesen Punkt keine Einigung erzielt hat. Deswegen finde ich es wichtig, dass wir uns mit dieser Frage hier auseinander setzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Ich teile die Auffassung meiner Kollegen über die arlamentarische Begleitung der Arbeit der VN. Ich reue mich daher sehr auf die weitere Zusammenarbeit in nserem Unterausschuss. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517216200

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Conny Mayer.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Conny Mayer (CDU):
Rede ID: ID1517216300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

en! Wir haben in der bisherigen Debatte viel von den
omentanen Herausforderungen für die Vereinten Na-
ionen gehört. Wer jetzt glaubt, es sei alles gesagt und
ir könnten nach Hause gehen,


(Detlef Dzembritzki [SPD]: Wir hören Ihnen noch zu!)


en bitte ich trotzdem, mir zuzuhören. Ich möchte näm-
ich noch ein wichtiges Thema ansprechen, das bisher
ur angerissen wurde. So hat es Herr Dzembritzki leider
ur zum Schluss seiner Rede behandelt, ebenso Frau
taatsministerin Müller.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Klaus Rose [CDU/CSU]: Wir hören gerne zu!)


Unsere zentrale Herausforderung im Rahmen der Ar-
utsbekämpfung ist es, die Millenium Development
oals, die MDGs, bis zum Jahre 2015 noch zu errei-
hen. Ich warne vor der verkürzten Sicht, nur das UNDP
nd nicht auch andere Bereiche der VN seien zuständig.
s gibt im großen System der VN nämlich eine ganze
eihe von Sonderorganisationen, Fonds und Program-
en, durch die dieses Ziel erreicht werden soll.
Für uns und die Bundesregierung muss es in dieser
ebatte um die zentrale Frage gehen: Wie kann es gelin-
en, die Entwicklungszusammenarbeit der VN als
ystem leistungsfähiger zu machen? Bisher können wir
icht – Frau Staatsministerin Müller, Sie haben darauf
ingewiesen – optimistisch sein. Der Anteil der Men-
chen, die in extremer Armut leben, ist nicht zurückge-
angen. In manchen Teilen der Erde nimmt der Anteil
ieser Menschen sogar zu. Wir sind von dem Ziel, die
rankheit Aids weltweit wirklich in den Griff zu bekom-
en, noch weit entfernt.
Wenn sich unsere Entwicklungsarbeit und die Ent-
icklungsarbeit der VN nicht ändern, dann hungern
uch 2015, also in zehn Jahren, viele Millionen, ja Mil-
iarden Menschen auf der Erde. Wenn sich nichts ändert,
ann wird der Anteil derer, die sich täglich mit HIV infi-
ieren, nicht geringer werden. Wenn sich nichts ändert,
ann werden wir es nicht schaffen, die MDGs zu errei-
hen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16145


(A) )


)

Dr. Conny Mayer (Freiburg)


Liebe Frau Müller, Sie haben zu diesem Thema vor-

hin gesagt: Da müssen wir noch nachlegen. Ich habe das
so verstanden, als wollten Sie sehr selbstkritisch sagen:
Da muss auch die Bundesregierung noch nachlegen.
Dazu kann ich nur sagen: Recht haben Sie; beim Thema
Entwicklungszusammenarbeit kann und muss die Bun-
desregierung noch nachlegen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Trotz aller Schwierigkeiten leisten die VN einen ganz

wichtigen Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit, zur
Erreichung der MDGs. Kofi Annan hat in den vergange-
nen Jahren eine Reihe von wichtigen Reformen angesto-
ßen. Ich möchte noch ein paar Reformen im Rahmen der
Entwicklungszusammenarbeit ansprechen, die noch
nicht abgeschlossen sind:

Die Koordinationsfunktion des UNDP ist noch
nicht optimal. Wir brauchen klarere Profile und Be-
schreibungen der einzelnen Aufgaben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Koordination in den Partnerländern, in den Ländern
des Südens, muss deutlich besser werden.


(Beifall der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])

Auch die Koordination der Arbeit der einzelnen
VN-Töchter, also der Unterorganisationen, Fonds und
Programme, und die Koordination mit den anderen Ge-
berländern müssen besser werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Gleiche gilt für die Qualität der Arbeit und die

Kontrolle. Auch hier gibt es Verbesserungspotenzial.
Deshalb ist es schade, dass in dem Bericht der Bun-

desregierung – hier will ich Claudia Nolte unterstützen –
die MDGs so gut wie gar nicht besprochen werden. Das
ist nur eine reine Aufzählung dessen, was es an Unteror-
ganisationen im Bereich der Entwicklungszusammenar-
beit gibt.

Ich will einen weiteren Punkt ergänzen. Wir müssen
uns darüber im Klaren sein, dass die VN immer nur so
gut arbeiten, wie die Mitgliedstaaten dies zulassen. Das
gilt natürlich auch in der Frage der Erreichung der
MDGs. Wenn wir alle miteinander der Meinung sind,
dass die Vereinten Nationen effizienter werden sollten,
dann sollten wir hier alles tun, um unseren deutschen
Beitrag dazu gemeinsam zu leisten. Die CDU/CSU-
Fraktion jedenfalls ist der Meinung, dass es bei der ent-
wicklungspolitischen Arbeit der Vereinten Nationen
noch Verbesserungspotenzial gibt. Wir haben uns auch
mit einer Großen Anfrage an die Bundesregierung ge-
wandt, um zu erfahren, was die Bundesregierung tut, um
Einfluss darauf auszuüben, dass die Entwicklungszu-
sammenarbeit der Vereinten Nationen besser wird.

Ich will einen allerletzten Punkt ansprechen. Wir kön-
nen nicht davon ausgehen, dass die Vereinten Nationen
alle Entwicklungsprobleme weltweit lösen können. Es
wird immer eine zentrale Frage sein, eine entwicklungs-
politische, aber ein Stück weit natürlich auch eine au-
ßenpolitische, wie viel unserer Entwicklungsgelder wir

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(C (D uch künftig bilateral ausgeben, inwieweit wir die Geler bilateral ausgeben, und wie viele Gelder wir an höere Ebenen, an die EU, aber natürlich auch an die Verinten Nationen, abgeben. Für die CDU/CSU-Fraktion erbe ich in diesem Hohen Hause dafür, nicht zu glauen, es könne die Lösung sein, alle Gelder an die VNrganisationen zu geben. ch werbe dafür, auch künftig eine bilaterale Entwickungsarbeit zu betreiben. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der SPD)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517216400

Danke schön. – Damit schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärti-

en Ausschusses auf Drucksache 15/5144 zu dem Be-
icht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwi-
chen der Bundesrepublik Deutschland und den
ereinten Nationen in den Jahren 2002 und 2003. Der
usschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung auf
rucksache 15/4481 eine Entschließung anzunehmen.
er stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
timmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
st damit einstimmig angenommen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerald
Weiß (Groß-Gerau), Uwe Schummer,
Dr. Michael Meister, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Mehr Gerechtigkeit durch soziale Kapital-
partnerschaft – Rahmenbedingungen für Ver-
mögensbildung, Investivlöhne und Mitarbei-
terbeteiligung verbessern
– Drucksache 15/5104 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Wider-
pruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst

er Abgeordnete Gerald Weiß.
Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Es zahlt sich aus, wenn aus Mitarbeitern Mitun-
ernehmer werden. Das Institut für Arbeitsmarkt- und
erufsforschung in Nürnberg hat uns die Zahlen gelie-
ert: Betriebe mit Mitarbeiterbeteiligung sind produkti-
er als Betriebe ohne Mitarbeiterbeteiligung.

(B)


16146 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Gerald Weiß (Groß-Gerau)


Neben ihren unbestrittenen wirtschaftlichen Vorteilen

hat die Mitarbeiterbeteiligung aber auch noch eine ge-
sellschaftspolitische, ja eine sozialethische Dimension.
Der Berliner Moraltheologe Professor Andreas Lob-
Hüdepohl hat bei einem Gespräch mit der Arbeitnehmer-
gruppe unserer Fraktion kürzlich gesagt, was aus seiner
Sicht die entscheidenden Ressourcen sind, die die Frei-
heit und die Autonomie des Einzelnen sichern


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist unser Begriff! Von der Freiheit lassen wir uns nichts wegnehmen!)


– ein bisschen müssen Sie den mit uns teilen –: Familie,
Erwerbsarbeit und Eigentum.

Der vor einigen Wochen vorgelegte 2. Armuts- und
Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt, dass Sie,
meine verehrten Damen und Herren der Koalition, auf
diesen drei zentralen Feldern – Familie, Arbeit, Eigen-
tum – versagt haben: Kinder sind ein Armutsrisiko. Die
Armutsquote bei Familien ist zwischen 1998 und 2003
von 12,6 auf 13,9 Prozent gestiegen. Die Arbeitslosig-
keit ist auf Rekordniveau; sie liegt bei über 5 Millionen.
Arbeitslosigkeit ist ein Armutsrisiko. Die Verteilung der
Vermögen ist nicht gleichmäßiger, sondern ungleichmä-
ßiger geworden. 10 Prozent der Haushalte verfügten
2003 über 47 Prozent des Vermögens; fünf Jahre zuvor
waren es 45 Prozent. Es fällt nicht schwer, daraus einen
Schluss zu ziehen: Rot-Grün hat vermögenspolitisch und
eigentumspolitisch völlig versagt. Das ist das Resümee.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Anstatt klassenkämpferische Sprechblasen abzuson-

dern, um von Ihrem Versagen abzulenken, sollten Sie
den vorliegenden Antrag der Union unterstützen. Er hat
den Vorzug, auf einem entscheidenden Feld ganz kon-
kret zu sein. Aber wir sind skeptisch, ob Sie sich an
Maßnahmen der Eigentumsförderung beteiligen, ob Sie
mitmachen, wenn es darum geht, Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer stärker am Produktivkapital zu betei-
ligen. Denn wir wissen ja, dass Sie die Eigenheimzu-
lage, die ja auch ein Eigentumsförderungsinstrument ist
– dies vor allem, kein Wohnbauprogramm –, abschaffen
wollen.

Wenn wir dafür eintreten, breiteren Schichten die Bil-
dung von Eigentum zu ermöglichen, sind das keine Um-
verteilungsträume, sondern es geht um die Förderung ei-
genverantwortlicher Eigentumsbildung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch wenn der Begriff „Vermögensbildung in Arbeit-
nehmerhand“ mittlerweile etwas angestaubt klingen
mag, ist die Idee, die dahinter steckt, hochaktuell. Sie ist
allemal aktuell vor dem Hintergrund der Globalisierung.
Wir erleben, dass das Kapital mobil ist, die Arbeitneh-
mer im Wesentlichen aber auf ihren Standort angewiesen
sind. Wir erleben einen steigenden Kostendruck und
zum Teil einen ganz dramatischen Druck auf die Löhne,
eine Dumpinglohn-Problematik. Zugleich erleben wir
aber auch bei einigen Unternehmen – beileibe nicht bei
allen – steigende Gewinne. Wir erleben ein Sinken der
Lohnquote und steigende Kapitaleinkommen. Darauf
gibt es eine einzige folgerichtige Antwort: Wir müssen

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(C (D ns um eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Erfolg, m Kapital und an den Kapitaleinkommen bemühen – edenfalls mehr als bisher. Das ist auch beschäftigungspolitisch geboten; denn ir gewinnen ja Räume für mehr Flexibilität. So können ir die Chance eröffnen, die Arbeitskosten zu berenzen, und gleichzeitig eine faire Teilhabe der Arbeitehmer am wirtschaftlichen Erfolg sichern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der CDU/CSU)


Für diese Politik gibt es prominente Fürsprecher. Bei-
pielsweise hat Professor Sinn vor kurzem gesagt: Die
rbeitnehmer brauchen ein zweites Standbein; zu dem
ohneinkommen muss ein Kapitaleinkommen als Ein-
ommensquelle hinzutreten. Dies spricht für eine Politik
er Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand und für
ine Mitbeteiligung an den Unternehmen; dafür ist es
och nicht zu spät. Das macht Sinn, und weil es Sinn
acht, bitten wir Sie mitzutun.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517216500

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Schild.

Horst Schild (SPD):
Rede ID: ID1517216600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

nd Kollegen! Der Antrag, den die CDU/CSU-Fraktion
orgelegt hat,


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Ist gut!)

teht unter dem Motto „Persönliche Freiheit wird durch
igentum erst schön“. Nun haben wir nichts gegen Ei-
entum. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang aber an
ie Debatte, die wir heute Morgen geführt haben, erin-
ern: Zu dem persönlichen Eigentum gehört auch die so-
iale Verpflichtung.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Genau! Das ist richtig!)


Zweitens. Herr Kollege Weiß, Sie und Ihre Fraktion
aben vor fast vier Jahren den Antrag „Kapitalteilhabe
tärken – Vermögensbildungsförderung altersvorsorge-
erecht ausbauen“ vorgelegt.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das ist die Besteuerung der Renten! Das meinen Sie!)


n dem heute vorgelegten Antrag sagen Sie, es sei nichts
assiert. Darf ich Sie darauf aufmerksam machen – eini-
en in Ihrer Fraktion mag es möglicherweise entgangen
ein –: Mit dem Altersvermögensgesetz, das wir 2001 im
eutschen Bundestag verabschiedet haben, und dem Al-
erseinkünftegesetz, das wir vor einem Jahr beschlossen
aben, haben Bundesregierung und Koalitionsfraktionen
ine umfassende Förderung der Vermögensbildung für
rbeitnehmer auf den Weg gebracht.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das macht nur niemand!)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16147


(A) )



(B) )


Horst Schild

– Das macht niemand? Dazu werde ich noch etwas sa-
gen, Kollege Müller.

Diese Förderung ist konsequent mit der Altersvor-
sorge verbunden. Das Fördervolumen wächst in den
nächsten Jahren auf zweistellige Milliardenbeträge. Die-
ses Vermögensbildungsprogramm greift. Wir haben ei-
nen nie da gewesenen Zuwachs im Bereich der kapital-
gedeckten betrieblichen und privaten Altersvorsorge.
Das ist Vermögensbildung.

Kollege Müller, Sie sagten gerade, das greife nicht.
Alle Mitglieder des Finanzausschusses des Deutschen
Bundestages haben vor wenigen Tagen ein Schreiben
und eine Broschüre des Gesamtverbands der Deutschen
Versicherungswirtschaft erhalten. Darin können Sie, so-
weit Sie es noch nicht getan haben, nachlesen, dass in
den letzten drei Jahren insgesamt über 15 Millionen
Altersvorsorgeverträge abgeschlossen wurden. Diese
Gesetze haben – meine Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU-Fraktion, Sie wissen, dass Sie beiden Ge-
setzen nicht zugestimmt haben – Wirkung entfaltet. Das
sollten Sie wenigstens zur Kenntnis nehmen.

Nun möchten Sie auch einmal wieder etwas für die
Vermögensbildung tun. Viel fällt Ihnen dazu nicht ein.
Der vorgelegte Antrag ist sozusagen ein zweiter Aufguss
dessen, was Sie 2001, in der letzten Wahlperiode, vorge-
legt haben.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Wir stehen für Kontinuität!)


Bereits im Jahre 2001 wollten Sie den Freibetrag nach
§ 19 a des Einkommensteuergesetzes und die Einkom-
mensgrenzen nach dem Fünften Vermögensbildungsge-
setz erhöhen. Wir haben das einmal durchgerechnet:
Würde man diesen Vorschlag folgen, kostete das alleine
600 Millionen Euro. Hinsichtlich der Frage, wie Sie das
finanzieren wollen, bleibt Ihr Antrag völlig im Nebulö-
sen. Ich darf daran erinnern, dass gegenwärtig allein
mindestens vier der unionsgeführten Länder keinen ver-
fassungsgemäßen Haushalt vorlegen. Im Zusammen-
hang mit der Absenkung der Körperschaftsteuer fordern
Sie eine hundertprozentige Refinanzierung. In diesem
Zusammenhang sehe ich keine Deckungsvorschläge. Sie
sind wieder sehr spendabel. Vielleicht hören wir im
Laufe des weiteren Beratungsverfahrens etwas darüber,
wie Sie sich die Gegenfinanzierung vorstellen.

Neu ist in Ihrem Antrag, dass Sie – ich zitiere – „die
Rahmenbedingungen für Betriebsübernahmen durch
Belegschaften“ verbessern wollen. Es bleibt im Dun-
keln, wie das geschehen soll, wahrscheinlich nicht durch
feindliche Übernahme. Vielleicht können Sie im weite-
ren Verfahren auch dazu etwas sagen. Das wäre revoluti-
onär, Herr Kollege. Leider bleibt völlig offen, wer das
machen soll. Sollen das die Tarifparteien vereinbaren,
deren Gestaltungsfreiheit Sie bei jeder sich bietenden
Gelegenheit stärker einschränken wollen? Soll es der
Gesetzgeber tun?

Ich kann Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von
der CDU/CSU, nicht ersparen, auf viele Widersprüch-
lichkeiten Ihres Antrages zu verweisen. Sie fordern, dass
der Staat in einer sozialen Marktwirtschaft nur die wirk-

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(C (D ich Betroffenen finanziell unterstützt. Das ist in Ordung. Eine Förderung mit der Gießkanne – das haben ie bei irgendeiner Gelegenheit gesagt – entmündigt die ürger und ist nicht finanzierbar. Richtig so. Warum ber beachten Sie diesen Grundsatz in Ihrem Antrag icht? Warum wollen Sie mit einer Anhebung der Einommensgrenzen im Vermögensbildungsgesetz erreihen, dass 90 Prozent aller Arbeitnehmer gefördert weren? Bedürfen 90 Prozent aller Arbeitnehmer einer rbeitnehmersparzulage, und das vor dem Hintergrund er Situation der öffentlichen Haushalte? Das können ie nicht ernsthaft wollen. Ich vermute, dass der Antrag her ein Erinnerungsposten ist: Die Opposition muss ich, da sie unserem Gesetzentwurf nicht zustimmen ann, wenigstens einmal im Laufe einer Wahlperiode zur rage der Vermögensbildung äußern. Bei jeder Gelegeneit fordern Sie eine radikale Vereinfachung des Einommensteuerrechts. Ist die Ausdehnung der Förderung ach § 19 a Einkommensteuergesetz, eine der kompliiertesten Regelungen des Einkommensteuerrechts, dait vereinbar? Wie verträgt sich Ihr Antrag mit dem, as Sie in der Vergangenheit gefordert haben? Wo bleibt ie Kontinuität? Ich kann mich an die Zeit erinnern, als Herr Uldall och Mitglied des Deutschen Bundestages war. (Dirk Niebel [FDP]: Ein guter Mann! Die fal sche Partei, aber ein guter Mann!)

Ja, das ist unbestritten. Aber hier geht es um die Konti-
uität der Vorschläge der Union. – Herr Uldall hat da-
als gesagt: Wir wollen durch die Streichung der Ver-
ögensbeteiligung erreichen, dass wir 2 Milliarden DM
ehr für die Finanzierung der Steuervereinfachung zur
erfügung stellen können. In Ihren Petersberger Be-
chlüssen war vorgesehen, § 19 a Einkommensteuerge-
etz zu streichen.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Niedrigere Steuersätze, Herr Kollege Schild! – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das ist doch von gestern!)


ollen Sie diese Regelung nun ausweiten, um sie bei
ächster Gelegenheit wieder streichen zu können? Ich
ehe in der Politik der Union zur Vermögensbildung der
rbeitnehmer keine Kontinuität.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zum Thema
ltersvorsorge sagen – auch hier haben Sie nichts dazu-
elernt –:


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie wollen es nicht sehen!)


n Ihrem Antrag fordern Sie, Mitarbeiterbeteiligung und
ltersvorsorge gleichzusetzen und beides in gleichem
mfang zu fördern. Das ist unverantwortbar. Schauen
ie sich einmal an, was Wissenschaftler dazu sagen und
as selbst der Bundesverband der Arbeitgeberverbände
azu sagt. Sie weisen immer wieder darauf hin, dass die
irekte Beteiligung an einem Unternehmen nicht zum
wecke der Altersvorsorge geeignet ist. Wenn es um
ltersvorsorge geht, braucht man Risikostreuung.

16148 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Horst Schild

Andernfalls – das haben wir aufgrund diverser Beispiele
aus dem angelsächsischen Raum zur Kenntnis nehmen
müssen – kann es dazu kommen, dass Pensionäre, wenn
das Unternehmen, in dem sie gearbeitet haben, Pleite ge-
gangen ist, keinerlei Ansprüche mehr haben.

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung zu unserem
Altersvermögensgesetz machen; denn es ist erneut be-
stritten worden, dass es greift. Ich sage Ihnen voraus:
Die so genannte Riester-Rente wird ein Erfolg werden.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wann denn? – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Darauf warten wir schon ewig, Herr Kollege!)


– Sie können sich gerne zu Wort melden, Kollege
Seiffert. – Lassen Sie mich aus der „Süddeutschen Zei-
tung“ vom 15. April dieses Jahres zitieren:

Die lange Zeit geschmähte Riester-Rente entwi-
ckelt sich allmählich zu einem Erfolgsprodukt.

(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Na, na! Das ist aber sehr wohlwollend betrachtet!)

Der Frankfurter Finanzvertrieb Deutsche Vermö-
gensberatung ... hat allein im ersten Quartal dieses
Jahres fast drei Mal so viele Riester-Policen ... ver-
mittelt wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Sagen Sie mal die Basis! – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


– Also, bitte. Ich lese nur vor, was uns der Gesamtver-
band der Versicherungswirtschaft mitgeteilt hat.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Dann kostet das ja richtig Geld!)


– Das sind abgeschlossene Verträge, nicht irgendwelche
Optionen.

Lassen Sie mich nun zu Ende ausführen: Herr Pohl
hat gesagt, er gehe davon aus, dass das Jahr 2005 ein
Riester-Jahr wird.

In Ihrem Antrag fordern Sie die steuerliche Entlas-
tung von Arbeitnehmern. Meine sehr verehrten Kolle-
ginnen und Kollegen, ist Ihnen völlig entgangen, dass
wir mit unserer Steuerreform 2005 in fünf Stufen den
Eingangssteuersatz auf 15 Prozent und den Höchststeu-
ersatz auf 42 Prozent gesenkt haben und dass wir durch
unsere Steuersenkungen insbesondere Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer sowie ihre Familien, aber auch
mittelständische Unternehmen entlasten? Alle Steuer-
zahler werden durch die seit dem Regierungswechsel in
Kraft gesetzten steuerlichen Maßnahmen bis zum Jahr
2009 jährlich in einem Volumen von über 59 Milliarden
Euro entlastet. Wollen Sie noch mehr? Dann müssen Sie
aber auch erklären, wie Sie das finanzieren wollen. Sie
sagen zwar immer, die Steuersätze müssten noch weiter
gesenkt werden, aber dann, wenn ein konkreter Vor-
schlag gemacht wird, haben Sie nichts in der Hand, ge-
ben nur fromme Sprüche von sich und fordern, dass
Steuersenkungen 100-prozentig kompensiert werden
müssen.

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(C (D Familien, Arbeitnehmer und die mittelständische irtschaft sind die Hauptgewinner unserer Steuerre orm; das ist unstrittig. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wis sen sie das auch?)

Ja, das wissen sie auch. – Dadurch, dass allein die Ar-
eitnehmer in einer Größenordnung von 47 Milliarden
uro entlastet werden, ergeben sich für sie größere
pielräume zur Vermögensbildung. Das ist unser Beitrag
ur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Werden Sie doch endlich einmal konstruktiv!)


ach unserer Einschätzung geht Ihr Antrag weitgehend
n der Realität vorbei.
Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517216700

Das Wort hat jetzt der Kollege Dirk Niebel.

Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1517216800

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Die Ausführungen des Kollegen Schild zeigen,
ass die Federführung bei diesem Antrag eigentlich
alsch gewählt ist; herausgekommen ist eine technokrati-
che Beurteilung von echten Chancen. Eigentlich müsste
ie Federführung hierfür beim Wirtschaftsausschuss lie-
en; denn Investivlöhne – die Möglichkeit von Mitarbei-
erbeteiligungen, die Möglichkeit von Vermögensbil-
ung im eigenen Betrieb – sind durchaus auch
irtschaftspolitisch zu betrachten. Dies hat nicht nur
ine kleinkrämerisch-finanzpolitische Dimension.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ch glaube sogar, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund,
er einen massiven Mitgliederschwund zu beklagen hat,
enn er die Möglichkeiten erkennen würde, die sich in
ieser Diskussion zeigen, die wir heute führen, eventuell
och Zukunftschancen in Deutschland hätte.
Ich glaube, dass wir, wenn wir die Menschen in den
etrieben mit Investivlöhnen ausstatten, mehrere posi-
ive Effekte bewirken können. Zum Ersten gibt es die
öglichkeit, Gehaltsgewinne für die Arbeitnehmerinnen
nd Arbeitnehmer zu realisieren, nicht als Barzahlung
uf das Gehaltskonto, sondern als Beteiligung am eige-
en Unternehmen.


(Horst Schild [SPD]: Das haben wir doch!)

Zum Zweiten wird dadurch den Betrieben die Chance

röffnet, gerade in schwierigen Situationen – 40 000 In-
olvenzen im letzten Jahr –


(Horst Schild [SPD]: Dann ist die Mitarbeiterbeteiligung auch futsch!)


ie Liquidität des Betriebes zu erhalten und damit die
ahrscheinlichkeit, weiter am Markt existieren zu kön-
en, zu erhöhen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16149


(A) )



(B) )


Dirk Niebel

Zum Dritten wird eine weit größere Identifikation der

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit dem Betrieb
ermöglicht;


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

denn wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Miteigentümer des Unternehmens, in dem sie arbeiten,
sind, werden sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingun-
gen – die Notwendigkeiten ihres Unternehmens, wirt-
schaftlich zu handeln – ganz anders bewerten,


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: So ist es!)

als wenn sie „schlichte Gehaltsempfänger“ bleiben.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Das ist ganz richtig! Aber dann sind sie nicht mehr gewerkschaftsfähig!)


Es geht darum, ein Volk von Eigentümern zu entwi-
ckeln – nicht Volkseigentum im Sinne der ehemaligen
DDR; ich bitte, mich bloß nicht misszuverstehen –, mit
möglichst viel Eigentum an Produktivität, an Produk-
tionsstätten, an Betrieben, an Dienstleistungsunterneh-
men, ein Volk von Eigentümern, deren ureigenes Inte-
resse es ist, erfolgreich zu sein, weil der eigene
Arbeitsplatz daran hängt. Hier wäre es möglich, ein bes-
seres Verständnis zwischen Betriebsleitung und Unter-
nehmen, zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mern und Betriebsrat auf der einen Seite und
Eigentümern – meinetwegen auch Managern – auf der
anderen Seite zu erreichen. Ich glaube, dass manch eine
Diskussion, die in Deutschland durchaus nicht zu Un-
recht geführt wird – über prosperierende Unternehmen
und die Art und Weise, wie das Erwirtschaftete verant-
wortungsvoll eingesetzt wird –, anders verliefe, wenn
wir diese Chancen nutzen würden.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: So ist es!)

Geben Sie sich deswegen einen Ruck und schaffen Sie
die Rahmenbedingungen dafür. Die Ausgestaltung
sollte den Tarifvertragsparteien vorbehalten bleiben.
Aber Rot und Grün müssen endlich die Rahmenbedin-
gungen dafür gewährleisten,


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch! Sind doch da!)


dass es sich lohnt, Investivlöhne zu zahlen und Mitarbei-
terbeteiligung zu erleichtern.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch Mitarbeiterbeteiligungen!)


Ich sage Ihnen: Die hier vorgeschlagene Form ist die
zukunftsfähige Form von Mitbestimmung; denn so kön-
nen Miteigentümer in ihren Betrieben mitbestimmen und
sind nicht auf Gewerkschaftsvertreter angewiesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: So ist es! – Claudia Nolte [CDU/CSU]: Aber die sind dann nicht mehr gewerkschaftsfähig! – Gegenruf des Abg. Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Und deswegen sind Sie dagegen!)


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(C (D Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christine Scheel. Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr eiß, es freut mich schon, zu lesen, dass die Union die eue, geförderte private Altersvorsorge, die Rot-Grün egen Ihre Stimmen eingeführt hat, offenbar doch für ichtig hält. (Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Halten Sie die Rede von heute Morgen noch einmal?)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517216900
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517217000

enn Sie fordern in Ihrem Antrag nun selbst die Integra-
on von Mitarbeiterbeteiligungen.
Ich halte grundsätzlich eine weitere Öffnung der pri-

aten, geförderten Altersvorsorge für neue Anlagefor-
en für richtig.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Na also! Dann stimmt unserem Antrag zu!)


er Bürger und die Bürgerin sollen möglichst große
ahlfreiheit haben, mit welchen Produkten sie vorsor-
en. Es ist kein Geheimnis, dass wir Grünen mit durch-
esetzt haben, dass mit den geförderten Altersvorsorge-
rodukten auch der Bau eines Eigenheims
wischenfinanziert werden kann.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Warum haben Sie das dann im Alterseinkünftegesetz so beengt, Frau Scheel?)


In Deutschland ist die betriebliche Mitarbeiterbe-
eiligung nicht weit verbreitet; das ist richtig


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Darum geht es ja!)


nd das wird auch vom Institut für Arbeitsmarkt- und
erufsforschung so gesehen. Es schreibt: Von den rund
Millionen Firmen beteiligen nur 8,7 Prozent ihre Mit-
rbeiter am Gewinn und nur 2,5 Prozent am Kapital.
ehr Mitarbeiterbeteiligung bedeutet für die Arbeitneh-
er und Arbeitnehmerinnen letztendlich mehr Mitbe-
timmung und mehr Teilhabe. Herr Niebel, Sie haben
echt: Auch für die Unternehmen bedeutet das neue Ei-
enkapitalquellen.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Na also!)


s hat selbstverständlich auch eine wirtschaftspolitische
imension. Gerade vor dem Hintergrund von Basel II
issen wir, dass die Eigenkapitalausstattung stark an Be-
eutung gewinnt und dass Mitarbeiterbeteiligungen auch
ie Bonität der Unternehmen verbessern können.


(Dirk Niebel [FDP]: Sie machen mir aber Angst! Bei so viel Lob muss ich was falsch gemacht haben!)


as alles ist richtig.

(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Aber? – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Der Antrag kommt von uns, deshalb muss er abgelehnt werden!)


16150 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Christine Scheel

Das sind positive Überlegungen. Aus diesem Grund
werden wir sehr ernsthaft weiter mit Ihnen über diesen
Vorschlag diskutieren.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Es gibt aber auch sehr viele offene Fragen, die noch be-
antwortet werden müssen.

Wichtig ist, dass Mitarbeiterbeteiligungen eine not-
wendige Sicherheit bieten, die für eine Altersvorsorge
angemessen ist. Sie müssen außerdem so flexibel und
transparent sein, wie es der Verbraucherschutz für einen
20 bis 30 Jahre laufenden Vertrag erfordert.

Im Rahmen der Debatte über die Riester-Rente haben
wir uns schon des Öfteren über die Frage der Mitarbei-
terbeteiligung unterhalten.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Es kann doch nicht heißen: Gut, dass wir darüber gesprochen haben!)


Wir haben das damals nicht in die Riester-Förderung
aufgenommen, weil uns das aufgrund der fehlenden Ri-
sikostreuung und des fehlenden Verbraucherschutzes
zum damaligen Zeitpunkt als nicht sehr geeignet für die
Altersvorsorge erschien.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Gut, dass wir darüber gesprochen haben!)


Wir wollten nicht, dass der Arbeitsplatz und die Alters-
vorsorge der Arbeitnehmer vom Erfolg nur eines Unter-
nehmens abhängen. Das war der ursächliche Grund,
weshalb wir diese Überlegung damals nicht integriert
haben.


(Beifall des Abg. Horst Schild [SPD] – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Das klang damals aber anders!)


In der heutigen Situation wird mehr Flexibilität auf
dem Arbeitsmarkt gefordert. Die Mitnahme der priva-
ten Altersvorsorge muss dabei natürlich gewährleistet
sein. Ich glaube, es ist unbestritten, dass wir uns darin ei-
nig sind. Deswegen müssen wir an diesem Punkt genau
überlegen, ob das Problem der Mitnahme durch eine ver-
nünftige Gesetzgebung überhaupt gelöst werden kann.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Sie können unserem Antrag ja zustimmen!)


Sie machen es sich relativ leicht; denn Sie sagen: Na ja,
macht doch die Rahmenbedingungen, die Tarifparteien
werden das dann irgendwie lösen.


(Dirk Niebel [FDP]: Ihr regiert doch! Wir würden es ja machen, aber dazu müssten wir regieren!)


Wenn es Probleme gibt – wir kennen diese Probleme;
denn wir haben uns schon sehr intensiv damit auseinan-
der gesetzt –, dann müssen wir gemeinsam dafür sorgen,
Sie haben den Antrag ja eingebracht, dass es Antworten
darauf gibt.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Stimmen Sie dem Antrag zu!)


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(C (D enn Sie ein solches Modell wollen, dann müssen Sie uch dafür sorgen, dass die fiskalischen Gründe, die daals ebenfalls eine Rolle gespielt haben, ausgeräumt erden. Es ist wie immer: Die Union stellt Anträge, in enen kein Wort darüber verloren wird, in welcher Gröenordnung fiskalische Auswirkungen zu erwarten ind und wie wir die damit verbundenen Probleme lösen önnen. (Beifall des Abg. Horst Schild [SPD] – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Ihr macht es bei der Körperschaftsteuer doch genauso!)


Ich vermisse auch Vorschläge, wie eine bessere steu-
rliche Förderung finanziert werden kann. Auf der einen
eite stellen Sie immer wieder Forderungen auf und
ringen Anträge ein, die Geld kosten, ohne zu sagen, wie
ir das gegenfinanzieren können, auf der anderen Seite
erfen Sie Rot-Grün vor, wir bekämen den Haushalt
icht in den Griff.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ihr macht es bei der Körperschaftsteuer doch genauso!)


n der Sache können wir miteinander diskutieren; wir
ind hier sehr aufgeschlossen. Ich bitte Sie aber, die
aushaltslage von Bund und Ländern zu berücksichti-
en. Ich erwarte daher von der Union ernsthafte Vor-
chläge dafür, wie wir das finanzieren können.
Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517217100

Jetzt hat der Abgeordnete Stefan Müller das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1517217200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kollegen!

rau Scheel, ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre kon-
truktive Rede. Das Problem ist nur: Sie reden hier im-
er anders, als Sie dann tatsächlich abstimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das hat sogar schon der junge Kollege erkannt!)


eswegen sind wir sehr gespannt, wie konstruktiv die
usschussberatungen, die wir noch durchführen werden,
atsächlich sein werden.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann nur für Dinge stimmen, bei denen ich mit gutem Gewissen sagen kann: Man kann sie bezahlen!)


Gut, wir werden sehen, wie Sie sich verhalten werden.
Um etwas Konstruktives zu sagen: Die Förderung der
ermögensbildung – so habe ich auch den Kollegen
child verstanden – liegt im Interesse aller politisch Ver-
ntwortlichen. Das gilt nicht erst seit dieser Legislatur-
eriode, sondern schon sehr viel länger. Ich glaube, es

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16151


(A) )



(B) )


Stefan Müller (Erlangen)


herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass dies auch
zukünftig das Anliegen aller Fraktionen sein wird.

In den letzten Jahren und Jahrzehnten haben sich eine
Reihe von Wegen und Möglichkeiten entwickelt, wie
Arbeitnehmer Vermögen bilden können und wie wie-
derum der Staat diese Vermögensbildung unterstützen
kann. Ich nenne das Vermögensbildungsgesetz, mit dem
vermögenswirksame Leistungen durch die Arbeitneh-
mersparzulage gefördert werden, das Wohnungsbau-Prä-
miengesetz – Sie wollten es zwar zwischenzeitlich ab-
schaffen, gleichwohl existiert es noch und dient
natürlich auch ein Stück weit der Vermögensbildung –,
die Riester-Rente und auch die so genannte Rürup-
Rente.

Herr Schild, ich möchte doch etwas zur Riester-
Rente sagen. Ich weiß nicht, wie Sie auf die Zahl von
15 Millionen kommen. Ich habe große Zweifel, dass es
sich um 15 Millionen Verträge zur Riester-Rente han-
delt.


(Horst Schild [SPD]: Das habe ich nicht behauptet!)


Ich glaube vielmehr, dass es sich dabei um Kapitalle-
bensversicherungen handelt, die in diesem Zusammen-
hang abgeschlossen worden sind. Aber ich will diese
Zahl nicht infrage stellen. Im Übrigen will ich auch nicht
infrage stellen, dass die Grundidee der Riester-Rente
richtig ist. Ganz im Gegenteil: Ich sage ganz klar, dass
die Riester-Rente ein vernünftiges Instrument ist, um die
private Altersvorsorge zu fördern; das ist keine Frage.
Was wir auch im Zusammenhang mit dem Altersein-
künftegesetz kritisiert haben, war, dass die Riester-Rente
nach wie vor – daran ist auch durch das Alterseinkünfte-
gesetz nicht sehr viel geändert worden – in ihrer Durch-
führung viel zu bürokratisch ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Genau das ist der Grund, warum die Riester-Rente nicht
wirklich in Anspruch genommen wird und nicht die Zahl
von Verträgen abgeschlossen worden sind, die seinerzeit
angekündigt worden sind.

Es geht vielmehr um die Frage, inwieweit alle bisheri-
gen Anstrengungen ausreichen, um den Veränderungen
in der Wirtschafts- und Arbeitswelt auch in Zukunft zu
genügen. Diese Frage müssen wir uns stellen, wenn wir
ein Konzept für die Zukunft erarbeiten wollen. Wir müs-
sen doch einfach zur Kenntnis nehmen, dass wir in den
nächsten Jahren sowohl in der Wirtschaft als auch im
Arbeitsleben vor drei wesentlichen Herausforderungen
stehen werden: erstens dem wachsenden globalen Wett-
bewerb mit all seinen Chancen und Risiken – wir können
das kritisieren, aber wir werden das nicht ändern
können –, zweitens dem Wandel zur wissensbasierten
Gesellschaft und drittens dem demographischen Wandel
in der Gesellschaft mit all seinen Auswirkungen auf die
sozialen Sicherungssysteme. Der letzte Punkt scheint
mir wirklich entscheidend zu sein, weil die Notwendig-
keit, private Vorsorge zu treffen, eher zu- als abnehmen
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Wir jedenfalls sind der Auffassung, dass alle bisherien Instrumente nicht ausreichen werden, um diesen Heausforderungen entsprechend begegnen zu können. Geau deswegen haben wir diesen Antrag eingebracht. Ich enke, es liegt in unser aller Interesse, dass die Bildung on Vermögen von Arbeitnehmern auch in Zukunft in usreichendem Maße gefördert werden kann. (Horst Schild [SPD]: Sagen Sie mal, wie Sie das finanzieren wollen!)


ir müssen eben ein bisschen mehr machen als das, was
ir in der Vergangenheit gemacht haben. Genau darum
eht es uns.
Ein gutes und wirkungsvolles Instrument kann in die-

em Zusammenhang die Mitarbeiterbeteiligung sein.
err Schild, zu diesem Thema haben Sie gar nichts ge-
agt. Dieser Punkt ist auch insofern von Interesse, als
ich Arbeitgeber, Gewerkschaften und auch die Politik
Frau Scheel, auch Sie haben es gerade angesprochen –
n der Vergangenheit immer wieder für eine stärkere Be-
eiligung der Beschäftigten am Unternehmenserfolg
tark gemacht haben. Wir müssen einfach zur Kenntnis
ehmen, dass diese Mitarbeiterbeteiligung noch immer
in Stiefkind ist, weil sie zu wenig in Anspruch genom-
en wird. Wir müssen uns überlegen, wie wir da zu an-
eren Ländern aufschließen können. In Frankreich ist
as Instrument der Mitarbeiterbeteiligung sehr viel stär-
er ausgeprägt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine andere Tradition!)


Gut, das ist eine andere Tradition. Aber das hindert uns
icht daran, darüber nachzudenken, was wir in unserem
and für die Mitarbeiterbeteiligung tun können.
Ich stelle fest, dass wir bei der Mitarbeiterbeteiligung

och sehr viel Nachholbedarf haben und dass sie in
eutschland ein wenig genutzter Weg ist. Sie ist es auch
eswegen, Frau Scheel, weil die Durchführungswege,
ie heute schon existieren, einfach zu bürokratisch sind.
uch darüber können und müssen wir sicherlich reden.
Es ist sowohl für Arbeitnehmer als auch für Arbeitge-

er durchaus von großem Interesse, eine innovative
inkommenspolitik zu machen. Für den Arbeitgeber
esteht der Vorteil darin, dass er seine Eigenkapitalbasis
erbessern kann, dass er qualifizierte Mitarbeiter gewin-
en und die Mitarbeiter an seinen Betrieb binden kann.
s gibt Studien, die belegen, dass die Produktivität in
en Unternehmen größer ist, in denen es Mitarbeiterbe-
eiligungsprogramme gibt. Das wird niemand bestreiten
ollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Horst Schild [SPD]: Da müsst ihr Ursache und Wirkung auseinander halten!)


Die Vorteile für die Arbeitnehmer liegen gleicherma-
en auf der Hand: die Erschließung von zusätzlichen
inkommensquellen, die Erhöhung der Arbeitszufrie-
enheit, der Arbeitsplatzsicherheit und nicht zuletzt
das ist für mich das Entscheidende – bessere Chancen
ür den Aufbau der privaten Altersvorsorge.

16152 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Stefan Müller (Erlangen)


Deshalb müssen wir darüber diskutieren, wie wir die

Mitarbeiterbeteiligung stärker in die Altersvorsorge inte-
grieren können. Dass das nicht einfach ist, wissen wir,
aber das hindert uns nicht daran, darüber noch einmal zu
diskutieren. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir
alle bestehenden Förderungsinstrumente sinnvoll mitei-
nander verzahnen können, also wie wir die Förderung
der Vermögensbildung noch mehr in die private Alters-
vorsorge integrieren können.

Wir freuen uns auf einen konstruktiven Dialog zu die-
sem bedeutsamen Thema. Es bleibt festzustellen, dass
die Beteiligung von möglichst vielen Menschen an Ei-
gentum mehr Verantwortung und mehr Erfolg bringt und
letztendlich eines der besten Mittel ist, die Vorteile unse-
rer Gesellschaftsordnung auch in Zukunft noch zu erhal-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517217300

Ich schließe damit die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf

Drucksache 15/5104 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten

Johannes Pflug, Detlef Dzembritzki, Monika
Heubaum, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD sowie der Abgeordneten Fritz
Kuhn, Marianne Tritz, Volker Beck (Köln), wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion des BÜND-
NISSES 90/DIE GRÜNEN
Für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in
Kambodscha
– Drucksache 15/5256 –

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Markus
Löning, Dr. Werner Hoyer, Dr. Karl Addicks,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Die Demokratie in Kambodscha wiederher-
stellen
– Drucksache 15/5071 –

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
FDP fünf Minuten erhalten soll. – Widerspruch gibt es
nicht. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
der Abgeordnete Johannes Pflug.


(Beifall bei der SPD)


Johannes Pflug (SPD):
Rede ID: ID1517217400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Am 3. Februar dieses Jahres hob die National-
versammlung Kambodschas, also das kambodschani-

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(C (D che Parlament, die Immunität der Abgeordneten Sam ainsy, Cheam Channy und Chea Poch unter Ausschluss er Öffentlichkeit sowie unter Ausschluss diplomaticher Beobachter durch einfache Akklamation hinter erschlossenen Türen auf. Die drei Abgeordneten gehöen der einzigen parlamentarischen Oppositionspartei n, der nach ihrem Vorsitzenden benannten Sam-Rainsyartei. Sie werden sowohl krimineller Verbrechen als uch des Versuchs der Bildung einer illegalen Rebellenrmee bezichtigt. Diese Immunitätsaufhebung lässt ich als Nachtund Nebelaktion bezeichnen und die Bechuldigungen sind recht fragwürdig. Darüber hinaus tellt die Menschenrechtsorganisation Human Rights atch fest, dass die Inhaftierung des Abgeordneten heam Channy im Militärgefängnis von Phnom Penh nd die Anklage gegen ihn durch das Militärgericht geen kambodschanisches Recht verstoßen. Sam Rainsy st ins Ausland geflüchtet und Chea Poch hält sich verteckt. Nun könnte man wie normalerweise nach entspre henden Protesten von deutscher, europäischer, amerikaischer und sonstiger Seite zur Tagesordnung übergehen, eil Menschenrechtsverletzungen in vielen asiatischen nd afrikanischen Staaten die Regel sind. Doch es gibt us meiner Sicht einige Besonderheiten, die unser vertärktes Augenmerk auf Kambodscha lenken sollten: Erstens jährte sich in dieser Woche, genauer gesagt m 17. April, zum 30. Mal der Jahrestag, an dem die oten Khmer unter Bruder Nummer eins Pol Pot in hnom Penh einmarschierten und damit die Macht in ambodscha übernahmen. Die Folge war die Einfühung eines Steinzeitkommunismus, der über die Ermorung von mindestens 1,7 Millionen Kambodschanern, orwiegend Intellektuellen, einen neuen Menschen chaffen sollte. Zweitens steht das rigorose, gegen bestehendes Recht erstoßende und demokratische Regeln missachtende orgehen der kambodschanischen Behörden gegen die rei von mir genannten Abgeordneten in krassem Widerpruch zu der Nachsicht, die mit Verbrechen des ehemaigen Pol-Pot-Regimes und zahlreichen anderen von öchsten Stellen gedeckten Kriminellen geübt wird. Drittens. Es stellt sich die Frage, ob die circa 50 bis 5 Millionen US-Dollar für das Khmer-Rouge-Tribual, dessen Einsetzung gerade im Oktober 2004 in eiem Abkommen zwischen Kambodscha und den Vereinen Nationen beschlossen wurde, gerechtfertigt sind, enn nämlich dieses Tribunal drei Jahre tagt und außer eng Sary, dem Schwager und Außenminister Pol Pots, em so genannten Bruder Nummer zwei, und Nuon hea, der einstigen Nummer drei im Pol-Pot-Regime auch Bruder Nummer drei genannt – und zugleich Präident des damaligen Zentralkomitees, der die Hinrichungsbefehle gab, vielleicht noch gerade fünf bis zehn eitere Verbrecher anklagen wird. Von Prinz Sirivudh, dem kambodschanischen Vize remierminister, wurde mir gegenüber anlässlich seines erlin-Besuches in der vergangenen Woche, am Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16153 Johannes Pflug 14. April, der Wunsch auf deutsche Rechtsbeteiligung am Tribunal geäußert. Wir sollten uns diesem Wunsch grundsätzlich nicht verschließen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. KlausJürgen Hedrich [CDU/CSU])


(Beifall bei der SPD)


(A) )


(B) )


Jedoch muss vorher klar sein, wie dieses Tribunal be-
setzt wird,


(Klaus-Jürgen Hedrich [CDU/CSU]: So ist es!)


welche Kompetenzen es hat, welche Qualifikation die
Richter haben, dass sie weisungsunabhängig sind und
welche Konsequenzen ihre Urteile haben werden. Prinz
Sirivudh hat mir gegenüber in diesem Gespräch eben-
falls zu erkennen gegeben, dass er sich auch für die Frei-
lassung Cheam Channys einsetzen wolle, ähnlich wie
dies bereits Exkönig Sihanouk getan habe.

Viertens. Es ist zu beachten, dass Deutschland seit
1992 mit der erstmaligen Auslandsbeteiligung von deut-
schen Soldaten an einem UNO-Peacekeeping-Einsatz
und der Bestimmung Kambodschas zum Schwerpunkt-
land für die Entwicklungshilfe dort natürlich in beson-
derem Maße engagiert ist.

Fünftens darf man nicht übersehen, dass trotz wirt-
schaftlicher Erfolge Kambodschas seit 1997 und ver-
stärkt seit der Regierungsneubildung im Juli letzten Jah-
res im Rahmen einer Koalition der CPP, des
Ministerpräsidenten Hun Sen und der dem Königshaus
nahe stehenden FUNCINPEC die Regierung Hun Sen
zunehmend autoritärer und undemokratischer agiert und
versucht, die Opposition zu behindern und teilweise
mundtot zu machen.

Sechstens bleibt festzustellen, dass Indochina eine
wichtige, stabilisierende Rolle in Südostasien spielt und
spielen muss, insbesondere vor dem Hintergrund gefähr-
licher Entwicklungen in Nepal, Bangladesch und Burma.
In den beiden letzten Jahren gibt es auch in Thailand zu-
nehmend autoritäre Formen. Aus Bangladesch gibt es
mehr und mehr Berichte, dass dort terroristische Grup-
pen um al-Qaida tätig sind, und Kambodscha wird zu-
nehmend als Rückzugsraum solcher Gruppierungen ge-
nannt. Gerade das Klima der Rechtsfreiheit bis
Rechtlosigkeit und die extreme Korruption in Kambod-
scha begünstigen solche terroristischen Gruppen und
die immer stärkere Bandenkriminalität insbesondere im
Bereich des Menschenhandels und der Sexsklaverei.

Am 17. April gedachten buddhistische Mönche und
Mitglieder der Sam-Rainsy-Party der ermordeten Opfer
auf den Killing Fields.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und
Herren, dies alles sollte uns genügend Anlass sein, uns
über diese Plenardebatte hinaus mit Kambodscha und
Südostasien zu beschäftigen. Die Tatsache, dass wir
heute im Deutschen Bundestag um 18 Uhr über dieses
Thema debattieren und nicht um 23 Uhr, ist vielleicht
ein positives Signal an die Fachpolitiker. Die Tatsache,
dass zwei gleich lautende Anträge vorliegen, wirft natür-
lich die Frage auf, wo eigentlich die essenziellen Unter-
schiede liegen. Ich sehe diese nicht. Aber Parlamentaris-

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(C (D us hat in gut funktionierenden Demokratien manchmal ffensichtlich ganz andere Probleme als in Staaten, die olche Probleme gerne hätten. Auch wenn wir unterschiedlich abstimmen werden, eiß ich doch, dass wir inhaltlich einer Meinung sind. as ist gut für künftige Diskussionen über Kambodscha. Schönen Dank. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus-Jürgen edrich. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen nd Kollegen! Johannes Pflug, vielleicht darf ich den etzten Punkt direkt aufgreifen: Ich glaube, die Anträge sowohl der von der FDP als auch der von der Koalition – ind so gestrickt, dass eigentlich das ganze Haus in der age sein müsste, beiden Anträgen zuzustimmen. as wäre mein Rat. (Johannes Pflug [SPD]: Das sollten wir machen!)


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Ja!)


(Beifall im ganzen Hause)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517217500
Klaus-Jürgen Hedrich (CDU):
Rede ID: ID1517217600

(Beifall bei der FDP)


Prima, die SPD signalisiert Zustimmung, die Grünen
owieso. Also sind wir uns insofern schon einig.
Die Anträge beschreiben den Tatbestand sehr sachge-

echt. Der Antrag der Koalition greift das Problem des
ribunals zur Aufarbeitung der Pol-Pot-Verbrechen noch
inmal auf; auch das halte ich für in Ordnung. Dass wir
ls Union hier heute keinen eigenen Antrag eingebracht
aben, liegt schlicht und ergreifend daran, dass wir ge-
enwärtig einen Menschenrechtsantrag für den gesamten
SEAN-Raum vorbereiten, den wir voraussichtlich im
ai im Plenum einbringen wollen.
Ich glaube, man sollte zuerst noch einmal feststellen
vielleicht sind wir sogar in der Lage, liebe Kolleginnen
nd Kollegen, das durch einen besonderen Beschluss
um Ausdruck zu bringen –, dass es für ein frei gewähl-
es, demokratisches Parlament wie den Bundestag völlig
nakzeptabel ist, wenn in anderen Ländern Parlamenta-
ier wider Gesetz und Recht inhaftiert und verfolgt wer-
en.


(Beifall im ganzen Hause)

uch wenn man weiß, dass die Wahlen, die in Kambod-
cha stattgefunden haben, nicht den höchsten Maßstäben
iner freien und demokratischen Wahl entsprochen ha-
en, so verdienen die Parlamentarier – wenn es sie denn
chon gibt und wenn es denn schon Regierung und Op-
osition gibt – unsere Sympathie und unsere Unterstüt-
ung.


(Beifall im ganzen Hause)

Es wurde schon zu Recht darauf hingewiesen, dass

er Vizepremierminister von Kambodscha letzte Woche

16154 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Klaus-Jürgen Hedrich

in Berlin war. Die ASEAN-Parlamentariergruppe, der
vorzustehen ich das Vergnügen habe, hat sich mit ihm
unterhalten. In diesem Zusammenhang hat übrigens ge-
rade die Aufarbeitung der Pol-Pot-Problematik eine
Rolle gespielt. Wenn wir uns jetzt die Debatte, die vor
zwei Stunden gelaufen ist, nämlich die zum Genozid ge-
gen die Armenier, ins Gedächtnis rufen, so werden wir
erkennen, dass auch dies mit Sicherheit eine Frage ist,
bei der wir den Kambodschanern keine großen Lehren
erteilen, ihnen aber sagen wollen: Liebe Freunde in die-
sem südostasiatischen Land, ihr werdet nicht zur Ruhe
kommen, wenn ihr euch nicht der eigenen Vergangenheit
stellt, insbesondere dann nicht, wenn ihr nicht bereit
seid, diejenigen, die hauptverantwortlich an dem Geno-
zid an der eigenen Bevölkerung beteiligt waren, heute
aber zum Teil noch frei im Lande herumlaufen, zur Re-
chenschaft zu ziehen.


(Beifall im ganzen Hause)

Wir haben, glaube ich, auch deshalb eine besondere

Verantwortung, weil die internationale Gemeinschaft
von Anfang an den Befriedungsprozess in Kambodscha
mit verfolgt hat. Übrigens sei an dieser Stelle – auch das
ist ja in den Anträgen aufgeführt – daran erinnert, dass
der erste größere internationale Friedenseinsatz der Bun-
deswehr in Kambodscha stattgefunden hat. Auch das
macht unsere besondere Verantwortung, aber auch un-
sere besondere Neigung zu diesem Land und zu seinen
Menschen erkennbar.

Im Rückblick sollten wir uns aber noch einmal ins
Gedächtnis rufen, dass wir in unserer Politik – auch in
Bezug auf Kambodscha – nicht immer konsistent und
nicht immer glaubwürdig waren. Das gilt übrigens für
mehrere Bundesregierungen unterschiedlicher parteipo-
litischer Führung. Wir haben nämlich jahrelang das Pol-
Pot-Regime in der Vertretung Kambodschas bei den Ver-
einten Nationen anerkannt, obwohl es bereits im Busch
saß und obwohl wir wussten, dass dieses Regime für den
Genozid verantwortlich war. Ich habe aus meiner Auf-
fassung nie einen Hehl gemacht und will sie auch an die-
ser Stelle wiederholen: Natürlich kann man sich – ich
will keine anderen Diskussionen aufwerfen – immer da-
rüber unterhalten, dass die Invasion der Vietnamesen
im Jahre 1978, die den Terror und den unmittelbaren
Völkermord in Kambodscha beendet hat, nicht unbe-
dingt durch internationale Beschlüsse der Vereinten Na-
tionen gedeckt war. Aber ich mache keinen Hehl aus
meiner Meinung, dass dieser Einsatz der Vietnamesen
wahrscheinlich Millionen, zumindest aber Hunderttau-
senden von Menschen das Leben gerettet hat.


(Beifall im ganzen Hause)

Das sollte man an dieser Stelle erwähnen, auch wenn
man keine Sympathien für das kommunistische Regime
in Hanoi hegt. Zur historischen Wahrheit gehört auch,
dass 1978 der Vietnamkrieg erst drei Jahre beendet war
und es deshalb schwer ist, diesen Vorgang im Jahre 2005
korrekt zu bewerten.

Wir sollten diesen Vorgang aber zum Anlass nehmen,
in Zukunft bei anderen sich abzeichnenden oder schon
stattfindenden Verbrechen rechtzeitig zu intervenieren.

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(C (D uch das ist heute mehrmals gesagt worden. Morgen rüh wird es in diesem Haus eine Debatte und eine Abtimmung über einen Bundeswehreinsatz im Sudan geen. Man kann sich heute durchaus fragen, ob die interationale Gemeinschaft dort nicht schon viel früher hätte ntervenieren müssen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte mich sowohl bei den Kolleginnen und
ollegen der FDP wie auch bei den Kolleginnen und
ollegen der Koalition für die beiden Anträge bedanken.
amit wird deutlich, dass sich das deutsche Parlament
icht einfach zurücklehnt, wenn irgendwo in der Ferne
ie Völker aufeinander einschlagen. Wir wissen durch-
us, dass wahrscheinlich – ich werde jetzt einmal pathe-
isch – für die Menschheit die Zeiten, in denen man sich
elassen zurücklehnen konnte, wenn Verbrechen began-
en wurden, ein für allemal vorbei sind.
Herzlichen Dank.


(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517217700

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege
oppelin das Wort.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1517217800

Frau Präsidentin! Ich möchte nach diesem Redebei-

rag sagen, dass ich die große Übereinstimmung in die-
er Frage, die zwischen allen Fraktionen besteht, be-
rüße. Ich selber bin seit längerer Zeit in Kambodscha
ehr engagiert.
Was mir bei beiden Anträgen zu kurz kommt – das

age ich ganz offen, auch wenn ich beiden Anträgen zu-
timmen werde –, ist, dass wir die Notwendigkeit, un-
ere politischen Stiftungen, die in Kambodscha arbei-
en, mehr zu unterstützen, nicht deutlich machen. Sie
aben einfach zu wenig Geld, um dort die Demokratie-
ewegung zu unterstützen.


(Claudia Nolte [CDU/CSU]: Das ist überall ein Problem!)


ein Wunsch an alle Fraktionen ist es, dass wir uns da-
um bemühen.


(Beifall im ganzen Hause)

Ein anderer Punkt ist – diesen haben wir schon im
aushaltsausschuss angesprochen; ich will dies aber mit
lick auf die Rede des Kollegen Hedrich, von dem ich
eiß, dass er mich darin unterstützen wird, noch einmal
agen –, dass die Asiatische Entwicklungsbank Geld in
rheblichem Umfang aus Deutschland bekommt. 50 Pro-
ent des Etats von Kambodscha stammen von der Asiati-
chen Entwicklungsbank. Deshalb sollten wir uns als
eutsche viel stärker darum bemühen, dass, wenn dieses
and schon von uns Geld bekommt, die Demokratie dort
ine stärkere Stellung hat. Es kann nicht sein, dass die
inzige Oppositionspartei, die Sam-Rainsy-Partei, so
tark unterdrückt wird, wie es zurzeit der Fall ist. Das

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16155


(A) )



(B) )


Jürgen Koppelin

sage ich auch mit Blick auf Sam Rainsy, mit dem ich seit
zwölf Jahren eng befreundet bin.


(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517217900

Vielen Dank. Diese Kurzintervention erfordert keine

unmittelbare Antwort, weil sie sich auf die Debatte ins-
gesamt bezieht.

Dann hat jetzt die Abgeordnete Marianne Tritz das
Wort.


Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517218000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Starke Reden und große Übereinstimmung: Das ist sehr
zu begrüßen und macht uns sehr froh. Ich möchte in An-
betracht der Armeniendebatte, die wir vor einigen Stun-
den geführt haben, kurz erläutern, was damals in Kam-
bodscha passiert ist. Ich sehe viele junge Menschen auf
der Zuschauertribüne, die diesen Konflikt, den man im-
mer in Erinnerung haben muss, wahrscheinlich nicht
kennen.

Als Pol Pots Steinzeitkommunisten vor circa 30 Jah-
ren die Macht in Kambodscha übernahmen, errichteten
sie eine Schreckensherrschaft. In knapp vier Jahren vie-
len ihnen circa 2 Millionen Menschen zum Opfer. Das
entspricht jedem vierten Bürger.

Noch am Tag der Machtübernahme hatten die Roten
Khmer mit der Umsetzung ihrer menschenverachtenden
Ideologie begonnen. Die Menschen der Hauptstadt
Phnom Penh wurden vertrieben. Die gesamte Stadtbe-
völkerung wurde zur Landarbeit gezwungen. Die Men-
schen wurden ermordet, gefoltert, arbeiteten sich zu
Tode oder verhungerten auf den Killing Fields. Ärzte
und Krankenhäuser zur Behandlung von Kranken gab es
nicht mehr. Die Schulen wurden geschlossen, Bücher
verbrannt, Geld und Handel abgeschafft, die Religions-
ausübung verboten. Wer schreiben konnte oder nur eine
Brille trug, wurde hingerichtet.

Der Albtraum fand erst sein Ende, als die kommunis-
tischen Vietnamesen in Kambodscha einmarschierten
und das Regime der Roten Khmer beendeten. Aber der
Bürgerkrieg der unterschiedlichen Parteien wie der
Roten Khmer, der Royalisten und der bürgerlichen
Gruppen gegen die vietnamesischen Besatzer dauerte
noch lange an. Erst in den späten 90er-Jahren und mit-
hilfe der internationalen Gemeinschaft – der deutsche
Beitrag wurde erwähnt – kam Kambodscha langsam zur
Ruhe.

Kambodscha ist ein Land, in dem die Geschichte der
Roten Khmer zu den traurigsten Kapiteln des 20. Jahr-
hunderts gehört. Phnom Penh ist eine Stadt mit ausra-
diertem Gedächtnis. Kambodscha fehlt ein großer Teil
seiner Geschichte. Dieser Teil der Geschichte, der bis in
die heutige Gegenwart hineinreicht, hat noch immer
Auswirkungen auf die politische Entwicklung im Land.

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(C (D Die intellektuelle Schicht fehlt auf jedem Gebiet. em einst so reichen Land fehlt die Grundlage für den ufbau einer Zivilgesellschaft. Es ist ein Land, in dem s einen großen Bedarf an Informationen, Bildung und olitischer Aufklärung gibt. Es gibt in der Bevölkerung inen großen Bedarf an Informationen zu Fragen der enschenrechte und der demokratischen und rechtstaatlichen Prinzipien. Von daher kann ich das Ansinnen er Kollegen der FDP durchaus unterstützen. Die internationale Staatengemeinschaft darf nicht egschauen, wenn es auch nur den Schatten eines Verachtes gibt, dass die Demokratie, die Menschenrechte nd die Rechtsstaatlichkeit in Kambodscha wieder geährdet sein könnten. Anlass unserer Diskussion heute ist, dass der Premierinister höchstselbst die Opposition im kambodschaischen Parlament unter anderem durch Verhaftung infach ausgeschaltet hat. Eine Demokratie funktioniert ber nur mit einer arbeitsfähigen parlamentarischen Oposition. Sie funktioniert nur, wenn die Rechtsstaatlicheit gesichert ist, wenn Menschenrechte, Meinungs-, resseund Versammlungsfreiheit gewährleistet sind. er Premierminister hat dem demokratischen Prozess in ambodscha einen sehr schweren Schaden zugefügt, nd das in einer Zeit, in der die berechtigte Hoffnung betand, dass sich Kambodscha der Vergangenheit stellt nd die schweren Verbrechen der Roten Khmer aufkläen und bestrafen will. Im Juni 2003 – das ist bereits mehrmals erwähnt wor en – hat sich die kambodschanische Regierung nach ngjährigen Verhandlungen mit den Vereinten Nationen uf die Einsetzung eines Sonderstrafgerichtshofes geinigt. Erst im Oktober 2004 wurde diese Vereinbarung om kambodschanischen Parlament ratifiziert. Es wird in gemischtes Tribunal. Das heißt, zwei von fünf Richrn werden aus dem Ausland kommen. Dadurch sollen in faires öffentliches Verfahren nach internationalem tandard und eine große nationale Beteiligung garantiert erden. Jetzt gibt es – auch vonseiten des Premierministers – assive Störmanöver gegen das Tribunal. Das kann nd darf nicht sein. influssreiche Politiker verhindern die für das Tribunal ringend erforderlichen Schulungen von Juristen. Die berste Justizverwaltung schlägt als Kandidaten für die weite Kammer des Tribunals quasi sich selbst vor. Der berste Richter hat Ende der 70er-Jahre Pol Pot im Proess als Verteidiger vertreten. Es gibt kaum Berichtrstattungen durch die Presse zum bevorstehenden Geichtsverfahren. In Anlehnung an Armenien: Die Zukunft kann nur ge taltet werden, wenn die Vergangenheit bewältigt wurde. arum kann man in Fragen der Demokratie und Rechtstaatlichkeit keinerlei Zugeständnisse machen. Kambodscha 16156 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 Marianne Tritz steht noch vor großen Herausforderungen. Wir sind bereit, das Land dabei zu unterstützen, erwarten aber deshalb – und gerade deshalb – die volle Herstellung der Rechtsstaatlichkeit. Ich bin froh, dass es hier im Parlament eine übereinstimmende Meinung dazu gibt und unser Anliegen nicht in einem Parteienhickhack untergeht. Danke. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Markus Löning. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist hier schon von allen der lange Leidensweg Kambodschas geschildert worden, den wir in den letzten 50 Jahren erleben mussten und den das Land in den letzten 50 Jahren erleiden musste. Deswegen will ich das hier nicht wiederholen. Das, was in Kambodscha passiert ist – und aktuell passiert –, bildet aber natürlich den Hintergrund für unsere Betroffenheit. Ich will an dem Punkt einsetzen, an dem sich Kambodscha auf den Weg in die Demokratie gemacht hat; das war vor ungefähr 15 Jahren. Wir als Deutsche haben Kambodscha auf diesem Weg immer unterstützt. Ich finde, es ist wichtig, dass wir mit der heutigen Debatte deutlich machen, dass wir den Weg Kambodschas in die Demokratie weiterhin unterstützen. Es ist ein sehr steiniger Weg. (Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU/ CSU)


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Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517218100
Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1517218200

Lieber Kollege Hedrich, ich kann mir leider an dieser
Stelle die Bemerkung nicht verkneifen, dass es zwar sehr
schön ist, wenn die CDU/CSU nun beiden Anträgen zu-
stimmt, ich es aber noch viel schöner gefunden hätte,
wenn sich die CDU/CSU der überfraktionellen Initiative
angeschlossen hätte und wir jetzt einen gemeinsamen
Antrag zu dem Thema auf den Weg bringen könnten.
Ich glaube, das hätte noch etwas mehr Eindruck ge-
macht. Ich sage das gerade vor dem Hintergrund der Ar-
meniendebatte. Wir haben hier viele Redner mit einer
Menge Pathos gehört, gerade auch den außenpolitischen
Sprecher der Unionsfraktion; da ging es in bewegenden
Worten um Wichtiges. Ich frage mich: Warum sind wir
dann nicht in der Lage, in solch einer vergleichsweise
einfachen Frage, in der wir uns wirklich einig sind, einen
gemeinsamen Antrag auf den Weg zu bringen, sondern
verfallen in parteipolitischen Hickhack? Das finde ich
schade und enttäuschend.


(Beifall bei der FDP)

Ich freue mich, dass die Unionsfraktion den Anträgen

zustimmt. Ich hätte mir aber gewünscht, dass es eine ge-
meinsame Initiative gibt; denn es ist wichtig, dass wir
uns für unsere Kollegen, die Parlamentarier, einsetzen.
Wir reden viel über Entwicklungszusammenarbeit und
über Außenpolitik. Es kommt aber oft zu kurz, dass wir
uns für Kollegen einsetzen, dass wir uns für die Durch-
setzung von Demokratie, von Rechtsstaatlichkeit ein-

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(C (D etzen. In den technischen Diskussionen, die wir führen, ommt auch oft die Frage zu kurz: Wie baue ich ein and auf? Wir müssen darauf bestehen: Es kann den verünftigen Aufbau eines Landes nicht geben ohne Demoratie, ohne Rechtsstaatlichkeit und auch ohne Immuniät von Abgeordneten. arum, meine Damen und Herren, geht es hier heute. eswegen diskutieren wir. Ich finde es richtig, hier das ignal auszusenden, dass wir an unsere Kollegen in ambodscha denken, dass wir sie nicht vergessen weren und dass wir uns hier für sie einsetzen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517218300

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer

ppelmann.

Rainer Eppelmann (CDU):
Rede ID: ID1517218400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

rotz der kritischen Töne des letzten Redners, die ich
erstehen kann, habe ich den Eindruck, dass die Debatte,
n der ich als Letzter rede, inhaltlich – zumindest auf
ambodscha bezogen – nicht von Differenzen geprägt
ewesen ist. Darum – da reizt es mich, an das anzu-
chließen, was Sie gesagt haben – würde ich gerne ein
isschen mehr über uns reden.
Auch ich stelle wie alle anderen fest, dass die beiden
nträge, die wir heute beraten, große Ähnlichkeiten auf-
eisen. Lassen Sie mich darum kurz ausführen, wie es
us meiner Kenntnis zu diesen fast gleich lautenden An-
rägen gekommen ist.
Ursprünglich wurde im Auswärtigen Ausschuss auf

orschlag der FDP ein gemeinsamer Antrag aller Frak-
ionen vorgesehen und beraten. Den Außenpolitikern
einer Fraktion war die Thematik des Antrages aber
etztlich zu speziell, sodass mit unserer weiteren Unter-
tützung nicht mehr zu rechnen war. Die SPD und Bünd-
is 90/Die Grünen zogen es daraufhin vor, einen eigenen
ntrag einzubringen, der allerdings, wie wir feststellen
önnen, zum Teil wortwörtlich den FDP-Antrag über-
immt.
Inhaltlich kann und werde ich – wie offensichtlich er-

reulicherweise alle anderen auch – beiden Anträgen zu-
timmen. Eben tauchte hier noch die Frage auf, ob das
remiere ist. Das müsste man vielleicht einmal feststel-
en; aber auch wenn es denn so wäre, wäre es gut. Da-
um bin ich gespannt, ob wir alle diesen beiden Anträgen
olgen werden.
In beiden Anträgen vermisse ich aber drei wichtige
spekte, die meines Erachtens unbedingt hineingehören.
rstens wird die kambodschanische Regierung nicht auf-
efordert, gegen die allgegenwärtige Korruption im
ande – speziell in der Justiz – vorzugehen und schlüs-
ige Konzepte zu ihrer Bekämpfung vorzulegen.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16157


(A) )



(B) )


Rainer Eppelmann

Zweitens findet der problematische Umgang der kam-

bodschanischen Regierung mit Flüchtlingen keine ange-
messene Berücksichtigung. Menschen vietnamesischer
Abstammung sind in Kambodscha weiterhin gefährdet
und vietnamesische Flüchtlinge sind von Verhaftung und
Abschiebung bedroht. Kambodschaner, die ihnen helfen
wollen, werden ebenfalls bedroht. Kambodscha hat zwar
die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ratifiziert,
verstößt aber seit Jahren gegen die daraus hervorgehen-
den Verpflichtungen.

Drittens vermisse ich die Erwähnung der sich aus
Art. 1 des Kooperationsabkommens der EU mit Kam-
bodscha ergebenden Verpflichtungen für die kambod-
schanische Regierung. Darin verpflichtet sich diese zur
Wahrung der Grundsätze der Demokratie und zur Ach-
tung der Menschenrechte. Man muss die kambodschani-
sche Regierung häufiger, intensiver und deutlicher auf-
fordern, ihren Verpflichtungen aus diesem Abkommen
nachzukommen, auch was die Rechte der Parlamentarier
– besonders der Opposition – im eigenen Land angeht.
Ich bin froh, dass wir in unserem Bemühen an dieser
Stelle versucht haben, auch im Hinblick auf Kambod-
scha ein Zeichen dafür zu setzen, dass sich Parlamenta-
rier der Bundesrepublik Deutschland für Parlamentarier
in anderen Ländern einsetzen, die – auch wegen ihres
Engagements – in ihren Menschenrechten beeinträchtigt
oder verfolgt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Ich habe durch die Art und Weise, wie die beiden An-
träge entstanden sind und inhaltlich ausgestattet wurden,
den Eindruck gewonnen, dass die Achtung der Men-
schenrechte in Kambodscha nicht zu den Themen ge-
hört, die von uns als besonders dringend betrachtet wer-
den. Ich habe die Vermutung, dass wir zum Jahrestag des
Einmarschs der Roten Khmer in Phnom Penh, der sich
am 17. April zum 30. Mal jährte, das Gefühl hatten, et-
was tun zu müssen. Das Ergebnis dieser Überlegungen
– zwei unvollständige Anträge statt eines vollständigen
Antrags – stellt meines Erachtens keine besondere Leis-
tung des Deutschen Bundestages im Allgemeinen und
der deutschen Menschenrechtspolitik im Besonderen
dar.

Wir alle müssen uns fragen, ob es nicht besser wäre,
uns in Zukunft noch ernsthafter darum zu bemühen, zu-
mindest in Menschenrechtsfragen mit einer Stimme
zu sprechen. Es ist nicht überzeugend, sich aus den ge-
meinsamen Beratungen mit dem Argument zurückzuzie-
hen, die Einbringung eines Antrags zu einem einzigen
Land sei zu speziell.


(Markus Löning [FDP]: Das geht ja wohl an Ihre eigene Fraktion!)


– Ja, warum nicht? – Meine Hoffnung ist, dass es uns
von der Union rasch gelingt, den von Klaus-Jürgen
Hedrich bereits angedeuteten gemeinsamen Antrag für
den ganzen ASEAN-Raum gut und deutlich zu formulie-
ren.

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(C (D Ebenso wenig überzeugend ist die Weigerung andeer, dem Antrag der jeweils anderen Fraktion nicht zuzutimmen. Das ist aber erfreulicherweise nicht mehr der all; insofern kann ich in dieser Debatte einen positiven ernprozess bei uns allen beobachten, was mich richtig roh stimmt. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Siehst du, Rainer! Wir sind lernfähig!)


Das ist doch schön.
Müssen wir uns nicht fragen, ob dieses Verhalten des

arlaments eines Landes, das Ambitionen auf einen
tändigen Sitz im UN-Sicherheitsrat hat, angemessen
t? Zu einem allgemeinen schlüssigen deutschen Kon-
ept, sich für Demokratie und Menschenrechte aus-
ahmslos in der ganzen Welt stark zu machen, fehlt uns
och einiges an Glaubwürdigkeit und kraftvollem Han-
eln. Vielleicht bringen uns aber die heutige Debatte und
ie Zustimmung zu zwei von unterschiedlichen Parteien
ormulierten Anträgen einen guten Schritt voran.
Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517218500

Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag

er Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
en auf Drucksache 15/5256 mit dem Titel „Für Demo-
ratie und Rechtsstaatlichkeit in Kambodscha“. Wer
timmt für diesen Antrag? – Gegenstimmen? – Enthal-
ungen? – Der Antrag ist damit einstimmig angenommen
orden.
Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP

uf Drucksache 15/5071 mit dem Titel „Die Demokratie
n Kambodscha wieder herstellen“. Wer stimmt für die-
en Antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch
ieser Antrag ist einstimmig angenommen worden.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Ernst Burgbacher, Rainer Brüderle,
Angelika Brunkhorst, weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der FDP eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grund-
gesetzes (Art. 23) zur Einführung eines Volks-
entscheids über eine europäische Verfassung
– Drucksache 15/2998 –

(Erste Beratung 108. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses (4. Ausschuss)

– Drucksache 15/4796 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Rüdiger Veit

16158 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

Kristina Köhler (Wiesbaden)

Josef Philip Winkler
Ernst Burgbacher

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Die Kollegin Petra Pau bittet, ihre Rede zu Protokoll
geben zu dürfen. Sind Sie einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann verfahren wir so.1)

Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem
Abgeordneten Dr. Michael Bürsch das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1517218600

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Manchmal fragt man sich, warum die FDP be-
stimmte Anträge stellt und welche Ziele sie damit ver-
folgt. Wenn man sich mit dem vorliegenden FDP-Antrag
auf Einführung eines Volksentscheides über eine
europäische Verfassung beschäftigt, dann hat man den
Verdacht, dass das etwas mit dem Kalender zu tun hat.
Als der Deutsche Bundestag den vorliegenden Antrag
der FDP-Fraktion das erste Mal beraten hat, standen wir
kurz vor der Europawahl. Der Verdacht lag nahe – das
gilt nicht nur für meine Fraktion –, dass die FDP ein Re-
ferendum über die europäische Verfassung nur fordert,
um bei der Europawahl Punkte zu machen, und dass sie
insofern kein wirkliches Interesse an mehr direkter De-
mokratie hat.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Das ist doch lächerlich!)


Nun lag es nahe, den Lackmustest zu machen und zu
schauen, wie sich die FDP bei dem eigentlichen Thema
– mehr direkte Demokratie, Einführung von plebiszitä-
ren Elementen wie Volksinitiative, Volksbegehren und
Volksentscheid – im Deutschen Bundestag verhalten hat.
Dabei ist ein interessantes Ergebnis herausgekommen,
das vielleicht ein bisschen erhellen kann, wie die Ge-
müts- und Verfassungslage der FDP aussieht. Am 7. Juni
2002 ist die entsprechende Entscheidung gefallen. Es
gab 348 Jastimmen. Mit Nein haben 199 gestimmt. Da-
mals hat es zu einer Zweidrittelmehrheit nicht ganz ge-
reicht.

Ein Blick auf das Abstimmungsverhalten einzelner
Abgeordneter ist noch erhellender. 14 Abgeordnete der
FDP-Fraktion haben mit Ja gestimmt, darunter führende
FDP-Vertreter wie Ulrike Flach, Dr. Wolfgang Gerhardt,
Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Dr. Irmgard Schwaetzer, Dr. Hermann
Otto Solms und Dr. Guido Westerwelle. Schauen wir
einmal auf die Neinstimmen! Oha! Es kommen 18 Nein-
stimmen zusammen. Mit Nein haben zum Beispiel Herr
Ernst Burgbacher, Dirk Niebel und Hans-Joachim Otto
gestimmt. Diese Liste könnte ich fortsetzen.


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o1) Anlage 4

(C (D Ich kann nur feststellen: Die FDP ist zu dem Thema direkte Demokratie“ – genauso wie damals Willy randt – mit einem deutlich Sowohl-als-auch aufgetellt. Das zeigt, welche Meinung Sie, meine Damen und erren von der FDP, tatsächlich haben. Ich kann jedenalls nicht erkennen, dass die FDP eine direkte Demoratie unterstützen will. Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des ollegen Löning? Das gestatte ich natürlich gerne. Bitte sehr, Herr Löning. Herr Kollege, gestehen Sie mir zu, dass es einen Un erschied macht, ob es ein Plebiszit über eine Verfassung ibt, also über das grundlegende Gesetz, das letztlich uch uns Parlamentarier legitimiert, oder ob man eine olksabstimmung über alle möglichen anderen Fragen urchführt, also sozusagen ersatzweise für das Parlaent? Ich stimme Ihnen gerne zu, dass es einen Unterschied ibt. Aber ich habe meine ganze Rede darauf angelegt, eutlich zu machen, dass man es, wenn man die Meiung des Volkes ernst nimmt und die Ansicht vertritt, ass die Bürgerinnen und Bürger mündig sind, dem Volk berlassen sollte, über was und wie entschieden wird. it meinem Verständnis von direkter Demokratie ist icht vereinbar, wenn man eine Frage auswählt und dann agt: Bitte schön, das geben wir euch vor; darüber sollt hr entscheiden. Das ist mit meinem Verständnis von rnst gemeinter direkter Demokratie nicht vereinbar. Ich omme darauf in meiner Rede zurück. Ihre Frage habe ch damit aber schon einmal beantwortet. Mit Ihrem Antrag ist ein großes Problem verbunden. arum dies so ist, kann die FDP weder dem Parlament och der Öffentlichkeit erklären. Auch Freunde der libealen Partei haben sich gefragt, warum Sie einerseits als artei und Fraktion so uneinig sind, ie Sie es bei der Abstimmung am 7. Juni 2002 waren, nd warum Sie andererseits in großer Einigkeit diesen esetzentwurf einbringen, mit dem Sie erreichen wolen, dass ein einzelnes, wenn auch herausgehobenes hema dem Volk zur Zustimmung vorgelegt wird. Mein Kollege Rüdiger Veit und ich sind der Meinung, ass es verfehlt ist, eine Volksabstimmung über einen inzelnen, wenn auch sicherlich bedeutsamen Punkt der uropäischen Politik durchzuführen. Es gab und gibt anere wirklich bedeutsame Punkte der europäischen Poliik: die Römischen Verträge, die Einführung des Euro der die Osterweiterung. All das war von gewaltiger Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16159 Dr. Michael Bürsch Bedeutung. Warum soll aus dem ganzen Spektrum europäischer Fragen nun die europäische Verfassung herausgegriffen werden? Warum sollen nicht auch andere bedeutsame Fragen zur Abstimmung gestellt werden? Es gab also genügend andere Schritte zur europäischen Einigung, die von ähnlicher politischer Bedeutung wie die europäische Verfassung waren. Das können wir heutzutage beim Euro spüren, zum Beispiel wenn es um die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank speziell in Bezug auf Deutschland geht. Das merken wir bei allen Fragen, die mit der Osterweiterung zusammenhängen. Das merken wir auch, wenn es zum Beispiel um den heimischen Arbeitsmarkt oder um die europäische Dienstleistungsrichtlinie geht. Wenn die FDP an der EU-Politik so interessiert ist, dann wäre es konsequent, dafür einzutreten, dass auch andere Fragen aus dem ganzen Spektrum wichtiger europapolitischer Fragen zur Abstimmung gestellt werden. Ein Wort noch zum Referendum: Anders als Volksentscheide führen Referenden, bei denen die Politik selber das Thema vorgibt und das Volk nur mit Ja oder Nein abstimmen kann, immer wieder zu unerwünschten Entwicklungen. Ich habe vor zwei Tagen eine sehr interessante Diskussion mit dem früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker miterlebt. Er hat auf die derzeitige Entwicklung in Frankreich hingewiesen: In Frankreich obliegt es nach Art. 11 der französischen Verfassung dem Präsidenten, ein Referendum über eine von der Regierung bestimmte Frage anzusetzen. Nach der Beschreibung von Richard von Weizsäcker hat das in Frankreich offensichtlich entscheidend zur Entstehung eines innenpolitischen Konflikts beigetragen, weswegen die Franzosen in breiter Aufstellung über alles andere als über Europa und über europapolitische Fragen diskutieren. Auch so etwas kann die Konsequenz aus der Forderung nach einem Referendum sein, dessen Gegenstand der Präsident oder das Parlament bestimmen. Dieser schwierige Aspekt ist mit der Forderung nach einem Referendum verbunden. Wenn eine politische Partei meint, es sei an der Zeit, ein Referendum durchzuführen, dann glaubt oft eine andere politische Partei, dies für sich ausnutzen zu können. Meine feste Überzeugung ist, was das Thema „Referendum/direkte Demokratie“ angeht: Kommt die Initiative, über bestimmte politische Fragen abzustimmen, hingegen aus dem Volk selbst für das Volk, dann wird es sich keine Partei erlauben können, in einem solchen Volksentscheidsverfahren ein ganz anderes Thema auf die Agenda zu setzen oder aus einem außen-, beispielsweise europapolitischen Thema plötzlich ein innenpolitisches zu machen. Anders gesagt: Nach meinem Verständnis wird die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger erst dann in angemessener Weise ernst genommen, wenn sie selbst darüber entscheiden können, worüber abgestimmt wird und wie die Fragestellung lautet. (Beifall des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517218700
Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1517218800
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517218900
Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1517219000
Dr. Michael Bürsch (SPD):
Rede ID: ID1517219100

(Ernst Burgbacher [FDP]: Sind wir gar nicht!)


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– Herzlichen Dank, Herr Kollege.


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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich werte diese Aufmerksamkeit als Ermunterung fort-
ufahren.
Wir müssen diesen Antrag noch aus einem anderen
rund ablehnen.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Weil Fischer das so will, das ist der Grund!)


err Burgbacher, es gibt auch eine Verantwortung für
eutschland und für diesen europäischen Prozess. Die-
en Prozess und diese Verantwortung nehmen wir ernst.


(Markus Löning [FDP]: Vorhin haben Sie doch argumentiert, man müsse das Volk fragen, und jetzt argumentieren Sie genau andersherum! Das ist doch philisterhaft, was Sie hier machen!)


s ist nämlich auch ein Zeitplan vereinbart. Dieser Zeit-
lan sieht vor, dass darüber jetzt entschieden wird. Des-
alb halte ich es für richtig, dass wir im Mai bei der
ächsten Sitzung über die europäische Verfassung ent-
cheiden.
Wenn der FDP-Entwurf Gesetz werden sollte, wäre

icht abzusehen, wann ein solches Referendum über-
aupt durchgeführt werden könnte.


(Markus Löning [FDP]: Die Chance, dem zuzustimmen, haben Sie oft genug gehabt!)


as können wir anderen Mitgliedstaaten nicht zumuten.
elbst wenn wir es ihnen zumuten sollten: Wir wollen
och in dem Punkt das Ansehen Deutschlands sicherlich
icht gefährden. Deswegen finde ich es gut, dass sich
undestag und Bundesrat im Mai mit der europäischen
erfassung abschließend beschäftigen werden.
Ich weise noch auf etwas hin, was der FDP peinlich

ein müsste, wenn es um Verfassungsänderungen geht.

(Markus Löning [FDP]: Was peinlich ist, ist Ihre Rede!)

ieser Entwurf, werte Kolleginnen und Kollegen von
er FDP, hat deutliche handwerkliche Fehler. Satz 1 der
on Ihnen vorgeschlagenen Fassung des neuen Abs. 1 a
es Art. 23 Grundgesetz lautet:

Die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland
zu einem Vertrag, mit dem eine europäische Verfas-
sung eingeführt wird, bedarf der Zustimmung durch
einen Volksentscheid.

edeutet das verfassungsrechtlich, dass die Politik das
olk so lange abstimmen lassen darf, bis die notwendige
ehrheit steht? Was passiert, wenn Bundestag und Bun-
esrat zustimmen, aber das Volk nicht? Wo sind die ver-
assungsrechtlichen Bestimmungen, die eine solche Kol-
sion regeln?
Auf ein weiteres juristisches Eigentor hat der Kollege
öttgen schon in der ersten Lesung hingewiesen: Das
emeinschaftliche Primärrecht stellt bereits die Ver-
assung Europas dar. Die europäischen Verträge besitzen

16160 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Dr. Michael Bürsch

Verfassungsqualität. Wenn Sie also in Ihrem Änderungs-
vorschlag von „einem Vertrag, mit dem eine europäische
Verfassung eingeführt wird“, sprechen, dann frage ich
mich, welchen Vertrag oder welche Verfassung Sie ei-
gentlich meinen.

Die Verfassung ändert man jedenfalls nicht im
Schnellverfahren. Die Verfassung ändert man nicht ein-
fach so, vielleicht weil Europawahlen anstehen und Um-
frageergebnisse, die nicht ganz so gut sind, verbessert
werden sollen.


(Markus Löning [FDP]: Was Sie hier verbreiten, ist unter Ihrem Niveau!)


Erst recht reicht man einen solchen Entwurf nicht ein,
wenn man nicht bis ins letzte Komma geprüft hat, ob al-
les das, was man hingeschrieben hat, auch verfassungs-
mäßig ist. Also: handwerklich fehlerhaft. Einen solchen
Entwurf vorzulegen entspricht wirklich nicht dem Ernst,
mit dem man an eine Verfassungsänderung herangehen
sollte.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist der Justitiar in der FDP?)


Ich sage noch ein paar Worte zu einem Thema, das
uns als Sozialdemokraten besonders bewegt, nämlich die
allgemeine Einführung von mehr direkter Demokratie
und entsprechende Änderung des Grundgesetzes, Mitbe-
stimmung von Bürgerinnen und Bürgern in wichtigen
politischen Fragen, in denen sie dies wünschen. Wir
meinen, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Tat
mündig sind. Nach 50 Jahren Republik können wir es
uns erlauben,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Dann macht doch mit! Folgt uns doch!)


solche für uns manchmal vielleicht auch unbequemen
Änderungen vorzunehmen. Wir fordern Sie auf – den
Ball spiele ich gern an die FDP zurück – mitzumachen.
Lassen Sie uns eine neue Initiative starten


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Wir haben doch mit Müntefering gesprochen!)


mit dem Ziel, Möglichkeiten dafür zu eröffnen, dass die
Menschen in der Bundesrepublik selbst entscheiden dür-
fen, was zu einer solchen Abstimmung gestellt wird!


(Markus Löning [FDP]: Sie reden mit gespaltener Zunge! Das ist eine Ausrede, die Sie versuchen, weil Sie die Leute nicht über die Verfassung abstimmen lassen wollen! – Gegenruf des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Vorgespielte Aufregung ist das, Kollege Löning!)


Wir werden unsere Initiative, Volksinitiative, Volks-
begehren und Volksentscheid in die Verfassung einzu-
führen, wieder aufnehmen, weil das für uns weiterhin ein
Herzensanliegen ist.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Wann eigentlich? – Markus Löning [FDP]: Sie trauen sich nicht! Schröder traut sich nicht!)


– Warten Sie auf unsere Initiative!

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(C (D (Markus Löning [FDP]: Fischer hat kein Visum hier!)


enn der Pulverrauch verdampft ist und wir über diesen
ntwurf heute entschieden haben, werden Sie die
ächste Initiative von uns sehr schnell auf dem Tisch ha-
en. Ich bin darauf gespannt, ob die Abstimmung wieder
ieses wunderbare Bild von Kraut und Rüben ergeben
ird, wenn wir unsere Initiative erneuern. 14 dafür und
8 dagegen, das ist kein Abstimmungsbild, mit dem man
lar machen kann, dass man wirklich eine direkte Demo-
ratie will.
Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517219200

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Kristina Köhler.


Dr. Kristina Köhler (CDU):
Rede ID: ID1517219300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
as Grundargument der FDP, über das wir heute disku-
ieren, ist an sich bestechend. Ganz im Geist John
ockes will die FDP, dass der Souverän, das Volk, seine
acht in einem ersten Akt an ein Institutionengefüge ab-
ibt.


(Markus Löning [FDP]: Sie haben es wenigstens verstanden – im Gegensatz zum Kollegen in der SPD!)


Danke schön für das Kompliment. Das Gefühl hatte
ch auch. – Die FDP möchte also, dass bei einer Verfas-
ung eine Primärdelegation der Macht durch das Volk
tattfindet. Allein: Dieses Argument trägt im konkreten
all leider nicht. Denn worüber reden wir heute? Wir re-
en über ein Regelwerk, das vor allem die Existenz und
en Aufgabenbereich einzelner EU-Organe festlegt. Die-
es Regelwerk nennen wir Verfassung – aus gutem
rund; damit tragen wir seiner Bedeutung Rechnung.
ber handelt es sich hier wirklich um eine Verfassung
m Rechtssinne? Ich zitiere:

In einer Verfassung verständigen sich die Bürger
über Inhalt, Grenzen, Organisation, Ausgestaltung
und Verteilung politischer Macht.

Das stellt die FDP in ihrem Gesetzentwurf richtig
est. Aber wird all dies wirklich erst in dem Verfassungs-
ertrag, über den wir heute abstimmen sollen, geregelt?
ein.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber stimmen wir heute nicht ab!)


iese Inhalte sind doch längst in den einzelnen Verträ-
en der Europäischen Union geregelt. Die Macht ist
och längst delegiert, und zwar in einem Prozess, der
eit der Gründung der Montanunion über den EWG-Ver-
rag schließlich in der EU geendet hat. Selbst der Euro-
äische Gerichtshof und das Verfassungsgericht sagen,
ass der EWG-Vertrag die Verfassung der EU ist, wenn
an denn einen solchen Terminus gebrauchen möchte.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16161


(A) )



(B) )


Kristina Köhler (Wiesbaden)


Die Europäische Union ist doch schon längst bei den

Bürgern zu Hause angekommen. Unzählige Gesetze wie
das Haustürwiderrufsgesetz oder das Verbraucherkredit-
gesetz sind doch alle schon Ausfluss europäischen
Rechts. Europäisches Recht wirkt schon längst. Die
Macht ist schon delegiert. Deswegen handelt es sich bei
diesem Regelwerk nicht um eine Verfassung im Rechts-
sinne. Deswegen sollten wir dem Bürger auch nicht vor-
gaukeln, er könne hier über eine Verfassung abstimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben heute in diesem Hause eine wirklich inte-

ressante Konstellation. Da ist die FDP. Die FDP ist gene-
rell gegen Volksabstimmungen,


(Ernst Burgbacher [FDP]: Stimmt doch gar nicht!)


in diesem Fall aber dafür. Dann haben wir Rot-Grün.
Rot-Grün ist generell für Volksabstimmungen, in diesem
Fall aber dagegen.

Bei dieser Gelegenheit, Herr Kollege Bürsch: Sie ha-
ben eben mit so freundlichen Worten angekündigt, dass
man ja eine neue Initiative zum Thema Volksabstim-
mung starten wolle.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Im Mai!)

Bereits 2002, in seiner Regierungserklärung zum An-
fang der Legislaturperiode, hat der Bundeskanzler dies
weihevoll angekündigt. Die Koalition gibt sich ja gern
plebiszitär. Allein: Sie haben in dieser Wahlperiode noch
keinen einzigen dementsprechenden Antrag eingebracht.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sie sind doch nicht bereit, das mitzutragen! Sie blockieren doch! Frau Merkel blockiert doch!)


Ich habe noch kein einziges Wort von Ihnen hier in die-
sem Plenum dazu hören können und das finde ich nicht
ganz konsequent.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gudrun SchaichWalch [SPD]: Warum sollen wir den schreiben? Damit Sie den ablehnen können?)


Die einzig konsequente Fraktion in diesem Hause ist
die Union.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Fragen Sie einmal Herrn Gauweiler! – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Manchmal gibt es Sachverstand in der eigenen Fraktion! – Zuruf von der FDP: Es gibt viele Leute, die würden gern mit uns stimmen, aber dürfen nicht!)


– Wollen Sie meinen Argumenten nicht einmal zuhören? –
Denn die CDU/CSU ist der Auffassung, dass es von den
Vätern des Grundgesetzes klug war, Deutschland als re-
präsentative Demokratie auszugestalten. Daher ist es un-
klug, ständig nach Punkten zu suchen, bei denen man
von dieser grundlegenden Weichenstellung unseres
Grundgesetzes abweicht.


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Hört! Hört!)


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(C (D Wir sind nämlich nicht der Auffassung, dass wahre egitimation immer nur direkte Legitimation durch das olk ist, so wie es im Antrag der FDP durchschimmert. (Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Das ist schon eine sehr verblüffende Demokratieeinschätzung!)


enn dann kann man schon die Frage stellen, ob denn
echtsakte ohne direkte Legitimation durch das Volk
eniger legitimiert sind. Ich weiß nicht, ob Sie dieser
uffassung sind. Darunter fallen immerhin solche Klei-
igkeiten wie das Grundgesetz, die deutsche Einheit
der die europäischen Verträge, Frau Kollegin. Ich
laube daher nicht, dass es ernsthaft in Ihrem Sinne ist,
iese Rechtsinstitute oder diese konstituierenden Akte
nfrage zu stellen.
Und: Wenn Sie meinen, das Volk solle über die Ver-

assung abstimmen, warum denn dann nicht auch zum
eispiel über die Mitgliedschaft weiterer Länder in der
U?


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Richtig!)

arum wollen Sie denn über ein wichtiges Regelwerk
bstimmen lassen, aber zum Beispiel nicht über den Tür-
eibeitritt?


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Ja, lassen Sie uns abstimmen!)


enn schließlich würde die EU-Verfassung doch am tat-
ächlichen Charakter der Europäischen Union wesent-
ich weniger ändern als ein Beitritt der Türkei, der den
harakter der EU entscheidend prägen würde.
Deswegen hielten wir es für konsequent, dann auch

ier einen Volksentscheid zuzulassen. Aber das ist der
unkt: Bei eher formellen Fragen wollen Sie das Volk
bstimmen lassen, bei folgenreichen, die EU verändern-
en Fragen aber nicht. Auch das erscheint uns nicht ganz
onsequent.


(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Über alles!)

Damit komme ich zum Schluss, zum vielleicht sogar
ichtigsten Punkt, und zwar zur Frage der Verantwort-
ichkeit. In einer repräsentativen Demokratie sind Parla-
ent und Regierung verantwortlich vor den Bürgern. Sie
üssen für Entscheidungen geradestehen. Wenn sie aus
icht des Volkes Fehler gemacht haben, können sie auch
bgewählt werden.
Wer wäre denn bei einer Volksabstimmung verant-
ortlich? Wer würde da zur Rechenschaft gezogen wer-
en? Soll sich das Volk selbst zur Rechenschaft ziehen?


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Sie haben ein eigenartiges Demokratieverständnis!)


Sie sagen Ja und ich hätte ein eigenartiges Demokratie-
erständnis. Sie finden vermutlich, dass das total basis-
emokratisch klingt. Sagen Sie mir aber einmal, was das
onkret heißt. Wer handelt? Wer steht für die Folgen ge-
ade?

16162 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



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Kristina Köhler (Wiesbaden)



(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Das Volk steht immer für die Folgen gerade, auch Ihrer Politik!)


Wer nimmt denn dann eine eventuelle Rücknahme der
Entscheidungen vor?

Ich glaube, dass diese Punkte zeigen, dass die Idee ei-
ner einmaligen Volksabstimmung unausgereift ist, weil
sie unserer repräsentativen Demokratie wesensfremd ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ernst Burgbacher [FDP]: Das sehen viele in Ihrer Fraktion anders!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517219400

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Josef Winkler.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Zunächst eine kurze Richtigstellung: Frau Kol-
legin Köhler, Sie haben die Väter des Grundgesetzes zi-
tiert. Es gab auch drei Mütter. Sie haben sinngemäß ge-
sagt, die Beschlussfassung im Parlamentarischen Rat
habe dazu geführt, dass direkt demokratische Elemente
ausgeschlossen wären. Das solle man befolgen. Ich will
aus Art. 20 Abs. 2 des Grundgesetzes zitieren:


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Blick ins Grundgesetz!)


Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird
vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und
durch besondere Organe der Gesetzgebung, der
vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung aus-
geübt.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Blick ins Grundgesetz ist immer gut!)


Also: Sie wird vom Volk in Wahlen und Abstimmun-
gen ausgeübt.

Wenn Sie das, was die Väter und Mütter damals be-
schlossen haben, durchlesen,


(Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU]: Des Parlamentarischen Rates?)


dann können Sie nachvollziehen, dass es bei der Debatte
damals sehr hoch herging. Am Ende hat man sich darauf
geeinigt, in das Grundgesetz hineinzuschreiben, dass in
Zukunft auch Abstimmungen zu den Rechten des Volkes
gehören. Man konnte sich aber nicht auf ein Verfahren
einigen. Das ist eine noch immer nicht eingelöste Ver-
pflichtung des Deutschen Bundestages. Dieser müssen
wir noch nachkommen. Das werden wir, wie der Kollege
Bürsch richtig ausgeführt hat, so schnell wir es ermögli-
chen können, tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig ist natürlich auch, dass wir im letzten Herbst

an die Fraktionsvorsitzenden der Oppositionsfraktionen

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(C (D n dieser Sache geschrieben haben. Frau Dr. Merkel und err Stoiber, der als Parteivorsitzender angeschrieben urde, haben es deutlich abgelehnt, über direktdemokraische Elemente ins Gespräch einzutreten. Insofern haen wir uns gesagt: Warum sollen wir noch vor den uropawahlen einen Schauantrag ins Parlament einbrinen? – Das machen wir nicht. (Markus Löning [FDP]: Aber die Grünen können diesem Antrag doch einfach zustimmen!)

ir überlegen. Zusammen mit der FDP werden wir
erne den Druck auf die Union vergrößern. Diese Ver-
flichtung, die dem Deutschen Bundestag aufgegeben
st, werden wir umsetzen.


(Markus Löning [FDP]: Der macht ganz den Fischer! Lange reden, nichts sagen!)


Herr Löning, warum regen Sie sich eigentlich so auf?
aben Sie schlecht geschlafen? Die ganze Zeit plustern
ie sich schon auf. Ich kann ja verstehen, dass sich die
DP ein bisschen aufregt; denn die Beschlussfassung zur
irekten Demokratie ist wirklich etwas verwirrend.


(Ernst Burgbacher [FDP]: Das müssen Sie gerade sagen!)


as wird der Kollege Burgbacher sicherlich gleich auf-
lären.


(Markus Löning [FDP]: Am meisten verwirrt mich, warum die Grünen unserem Antrag nicht zustimmen!)


Kommen wir zu dem, was sich in der Union abspielt.
iner Ihrer Kollegen, der Kollege Kolbe, der heute durch
bwesenheit glänzt, hat jetzt, obwohl wir zwei Jahre
ber nichts anderes reden als darüber, wie wir mit dem
uropäischen Verfassungsgebungsprozess umgehen, ge-
agt, ein Volksentscheid müsse her. Das ist genauso billi-
er Populismus wie der Antrag der FDP. Er ist noch
icht einmal anwesend.


(Markus Löning [FDP]: Das ist Beschlusslage der grünen Bundespartei! Das ist doch kein Populismus! Das können Sie nicht sagen!)


as kennen wir seit Jahren. Wir sagen seit Jahren, dass
ir das Volk zu jedem denkbaren Thema entscheiden
assen wollen. Wir wollen keine Rosinenpickerei betrei-
en. Das ist eine klare Ansage. Das, was Sie machen, ist
ischiwaschi. Das machen wir nicht mit.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Im Übrigen sind mir standhafte Kollegen wie der
ollege Dr. Gauweiler lieber, die kontinuierlich, über
iele Jahre hinweg, in aller Deutlichkeit sagen, was sie
avon halten, nämlich dass sie für Volksentscheide sind.


(Markus Löning [FDP]: Und die Grünen waren schon immer gegen Volksentscheide!)


it einer etwas irrigen Rechtsauffassung hat er heute da-
ür gesorgt, dass sich die Tickermeldungen überschlagen
aben. Ich finde es natürlich auch nicht korrekt, wenn
er Kollege Gauweiler sagt, das Verfassungsgericht solle

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16163


(A) )



(B) )


Josef Philip Winkler

dem Bundestag vorschreiben, womit er sich zu befassen
habe. Mich würde wirklich interessieren, ob Sie das gut
durchdacht haben. Ich halte das nämlich für etwas abwe-
gig.


(Markus Löning [FDP]: Ich finde es sehr erstaunlich, wie geradlinig die Grünen ihre Parteitagsbeschlüsse umsetzen!)


– Herr Kollege Löning, ich kann Sie nur sehr schlecht
verstehen. Wollen Sie eine Zwischenfrage stellen oder
mich in Ruhe reden lassen? Für eines müssen Sie sich
entscheiden.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Deshalb ist es aus meiner Sicht nicht nur sinnvoll,
sondern auch erforderlich, die Mitspracherechte der na-
tionalen Parlamente auszubauen – darüber wurde in den
letzten Tagen diskutiert –, und zwar nicht nur, was die
Mitwirkung bei der Gesetzgebung auf europäischer
Ebene angeht, sondern auch, wenn es um die UNO geht.

Der Unterausschuss Vereinte Nationen des Auswärti-
gen Ausschusses hat sich damit in letzter Zeit im Rah-
men verschiedener Anhörungen befasst. Sowohl die eu-
ropäische als auch die parlamentarische Dimension der
Vereinten Nationen spielen hier eine Rolle. Meiner Mei-
nung nach sind nationale Volksentscheide nur ein erster
Schritt auf dem Weg zu europaweiten Volksentscheiden.
Das wäre eine klare Ansage. Ich sage Ihnen: Wir müssen
die Chance nutzen, die europäische Verfassung so
schnell wie möglich zu ratifizieren. Jede Verzögerung
wäre sträflich.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jawohl! Das muss bestraft werden!)


Wir werden Ihren Antrag ablehnen und die europäische
Verfassung hoffentlich am 12. Mai dieses Jahres ratifi-
zieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517219500

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Peter

Gauweiler das Wort.

(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Jetzt klären Sie uns mal auf, Herr Gauweiler!)



Dr. Peter Gauweiler (CSU):
Rede ID: ID1517219600

Herr Kollege Winkler, es geht mir nicht darum, dass

das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag Vor-
schriften macht, sondern darum, dass mithilfe des Bun-
desverfassungsgerichts die Wiederholung einer Situation
vermieden wird, wie wir sie im Zusammenhang mit dem
Europäischen Haftbefehl gerade erleben durften. Um
den europäischen Verfassungsvertrag überhaupt zustim-
mungsfähig zu machen, gibt es aus meiner Sicht in der
Tat nur die Möglichkeit der Zustimmung zu einem Refe-

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(C (D endum und durch ein Referendum, wie sie im Antrag er FDP vorgesehen ist. Warum? Das ist aus zwei Gründen so. Erstens. Im europäischen Verfassungsvertrag wird ein bsoluter Vorrang der europäischen Verfassung vor dem ationalen Recht, also auch vor dem nationalen Verfasungsrecht, also auch vor den Grundrechten des Grundesetzes, statuiert. Zweitens. In Art. I Ziff. 6 des europäischen Verfas ungsvertrags wird erstmalig zum Ausdruck gebracht, ass dieser Vorrang nicht nur für die Verfassung, sonern auch für das von den Organen der Europäischen nion gesetzte Recht gilt. Das Grundgesetz auf diese eise durch ein anderes Systemkonzept zu ersetzen, wo über man in einem freiheitlichen Gemeinwesen zwar mmer reden können muss, steht dem Deutschen Bunestag – das sage ich mit allem Respekt vor diesem Hoen Hause – auch nicht mit der Mehrheit von zwei Driteln seiner Mitglieder zu. Warum nicht? In Art. 146 des Grundgesetzes, der im usammenhang mit der deutschen Einheit in aller unde war, aber entgegen mancher Meinung nicht abeschafft ist, heißt es ganz klar, dass das Grundgesetz eine Gültigkeit erst dann verliert darf, wenn eine neue erfassung in Kraft tritt, die sich das deutsche Volk in reier Entscheidung gegeben hat. Also kann es für diejeigen, die dem europäischen Verfassungsvertrag und dait der Ersetzung des Grundgesetzes durch ein anderes ystem zustimmen wollen, nur den Weg über ein Refeendum geben. Alle anderen Wege würden gegen unsere erfassung verstoßen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht richtig, Herr Kollege! Das Grundgesetz bleibt in Kraft! – Gegenruf des Abg. Dr. Peter Gauweiler [CDU/ CSU]: Ja, aber nur formal! – Gegenruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Nein, auch inhaltlich! Gerade inhaltlich!)


(Otto Fricke [FDP]: Sehr gut!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517219700

Herr Kollege Ströbele, Sie dürfen leider nicht antwor-

en, aber Ihr Kollege Winkler darf das tun. – Bitte.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Das Wort „leider“ nehme ich zur Kenntnis.


(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517219800

Das war nur ein geschäftsleitendes „leider“.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege
auweiler, ich sehe mich nicht in der Lage, Ihren juristi-
chen Sachverstand in irgendeiner Weise ausreichend

16164 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Josef Philip Winkler

konterkarieren zu können. Trotzdem halte ich Ihre Auf-
fassung für falsch.

Zum Ersten. Der Deutsche Bundestag ist sehr wohl
berechtigt, die Verfassung zu ändern. Ich gehe fest davon
aus, dass jeder Bürger, wenn er bei einer Bundestags-
wahl – in Unkenntnis des Art. 146 des Grundgesetzes –
seine Entscheidung trifft, davon ausgeht, dass der Bun-
destag diese Rechte hat und dass er in seine Wahlüberle-
gung einbezieht, dass wir auch über Fragen wie die Rati-
fizierung der europäischen Verfassung abstimmen
können.

Was mich mehr interessiert, ist, wieso Sie für diese
Auffassung eigentlich nicht in Ihrer eigenen Fraktion ge-
worben haben; das ist ja ein Misstrauensvotum gegen-
über dem Kollegen Altmaier, der gleich noch sprechen
wird, und auch gegenüber dem Vertreter des Bundesrats,
der auch Ihrer Parteienfamilie entstammt, dem ehemali-
gen Ministerpräsidenten Teufel. Ich finde es freundlich,
dass Sie mit Ihrer Pressemitteilung immerhin gewartet
haben, bis er gestern seinen Rücktritt erklärt hat. Nichts-
destotrotz finde ich, Sie hätten genügend Gelegenheit
gehabt, diese Dinge in Ihrer Fraktion zu thematisieren.
Dass Sie das jetzt wenige Wochen vor der Ratifizierung
der EU-Verfassung in dieser etwas populistischen Weise
machen, halte ich für falsch; ich rechne auch nicht damit,
dass sich das Bundesverfassungsgericht in irgendeiner
Weise dem anschließt, was Sie da vorgetragen haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517219900

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Burgbacher.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Endlich! – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Der mit Nein gestimmt hat!)



Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1517220000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Bürsch, lieber Herr Winkler, wenn man
selbst eiert, fängt man an, auf andere zu schießen. Mit
dieser Munition werden Sie allerdings nichts gewinnen.
Es war ja teilweise geradezu lächerlich, was da von Ih-
nen kam.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Bürsch, Sie haben den 7. Juni 2002 noch einmal an-
gesprochen. Es ist richtig: Damals haben viele von uns
dagegen gestimmt, manche dafür. Sie wissen aber genau,
was der tiefere Grund dafür war: Wir wollten die Situa-
tion retten und haben einen eigenen Gesetzentwurf zur
Volksinitiative eingebracht, weil wir dachten, damit ist
eine Zweidrittelmehrheit zu erreichen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Demokratie light“ nennt man das!)


Das ist damals gescheitert. Ich sage Ihnen ganz persön-
lich, Herr Bürsch: Ich habe meine Meinung in der Zwi-
schenzeit auch geändert, weil ich einige Erfahrungen ge-

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(C (D acht habe, unter anderem mit der unsäglichen öderalismuskommission. as da in diesem Land passiert ist, hat dazu geführt, ass ich sage: Ohne das Volk geht es gar nicht mehr. eshalb bin ich da inzwischen dezidiert anderer Meiung. (Beifall bei der FDP – Dr. Michael Bürsch [SPD]: Willkommen im Klub!)


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)


Herr Gauweiler, was Sie getan haben, kann ich in ei-
em Punkt vielleicht noch mittragen, aber ich muss Ih-
en eines sagen: Das heute zu bringen, halte ich für
chieren Populismus.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt ausgerechnet die FDP!)


ie haben über ein Jahr Zeit gehabt, in Ihrer Fraktion um
ustimmung zu unserem Gesetzentwurf zu werben; hät-
en Sie das getan, dann hätten wir heute vielleicht eine
ndere Situation.


(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, worum geht es? Wir woll-

en mit unserem Gesetzentwurf einen Volksentscheid
ber die europäische Verfassung ermöglichen. Es war
ns klar, dass es nicht möglich sein wird, in dieser kur-
en Zeit ein umfassendes Konzept für mehr direkte De-
okratie zu verabschieden. Deshalb haben wir den Ge-
etzentwurf über einen Volksentscheid über die
uropäische Verfassung eingebracht. Viele von Ihnen
atten das eigentlich unterstützt; es steht in Ihrer Koali-
ionsvereinbarung. Wir wissen, dass auch viele von der
nion durchaus große Sympathien dafür haben. Aber
as sich heute abspielt, halte ich wirklich für ein Trauer-
piel: Viele, die dafür sind, lehnen es deshalb ab, weil es
on der FDP kommt –


(Hans-Joachim Hacker [SPD]: Das ist doch gar nicht der Grund!)


o kann Demokratie in unserem Land doch wirklich
icht funktionieren.


(Beifall bei der FDP)

Um es klar zu sagen: Die FDP will ein Ja zur Verfas-

ung und wir hätten uns darüber gefreut, wenn ein
olksentscheid eine breite Kampagne in unserem Land
usgelöst hätte.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


ir hätten uns darüber gefreut, wenn wir das Volk infor-
iert hätten, wenn wir alle auf der Straße mit den Leuten
iskutiert


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir doch trotzdem!)


nd die Bevölkerung auf dem Weg nach Europa endlich
itgenommen hätten.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16165


(A) )



(B) )


Ernst Burgbacher

Ihr Nein hat das verhindert; das müssen Sie auf Ihre Fah-
nen schreiben.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch völliger Unsinn!)


Sie breiten hier Scheinargumente aus. Lieber Herr
Winkler, ich lese Ihnen einmal vor, was ich vor drei Mo-
naten auf der Homepage der Grünen gefunden habe; ich
dachte, es wäre inzwischen geändert, aber es steht dort
immer noch. Da heißt es wörtlich:

Um auch einen Volksentscheid über die EU-Verfas-
sung zu ermöglichen, hat sich die Koalition darauf
verständigt, dass auch der Bundestag in bestimmten
Fällen Volksentscheide initiieren kann.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja!)

Sie sagen nach außen, Sie sind für den Volksentscheid –
hier stimmen Sie dagegen. Nach außen sagen Sie, Sie
sind gegen MEADS, morgen stimmen Sie dafür.


(Harald Leibrecht [FDP]: Das ist grüne Konsequenz!)


Das ist doch das Spiel der Grünen: Sie lügen die Leute
an.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber starker Tobak! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist unparlamentarisch!)


Sie behaupten draußen Dinge und im Parlament machen
Sie genau das Gegenteil. Wir haben genug von diesem
Spiel.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zügeln Sie sich! Sie ereifern sich!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517220100

Herr Kollege, achten Sie bitte trotz Ihrer großen Laut-

stärke darauf, dass Ihre Redezeit vorbei ist.

Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1517220200

Es ist schwierig, in drei Minuten die einzige Gegen-

position zu begründen.

(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss man mehr Prozent haben!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517220300

Aber das sind nun einmal die Regeln hier.

Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1517220400

Sie treiben hier ein doppelbödiges Spiel. Das muss

ich wirklich noch einmal an die Adresse der Grünen sa-
gen.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen:

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517220500

Nein, Herr Kollege.

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(C (D Wir haben eine Chance verpasst, für mehr Bürgernähe nd mehr Transparenz zu sorgen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Achten Sie auch einmal auf die Präsidentin?)

Ernst Burgbacher (FDP):
Rede ID: ID1517220600

enn wir in der nächsten Sitzungswoche wahrscheinlich
ber 90 Prozent – –


(Die Präsidentin stellt das Rednermikrofon aus – Dr. Uwe Küster [SPD]: Ohne Strom geht nichts! – Beifall bei der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517220700

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Altmaier.

(Markus Löning [FDP]: Wenn er von den Grünen gewesen wäre, hätten Sie nicht unterbrochen!)


Herr Kollege, Sie wissen, dass die Sitzungsleitung
ährend der Sitzung nicht von Ihnen kritisiert werden
ann. Ich rufe Sie zur Ordnung. – Bitte.

Peter Altmaier (CDU):
Rede ID: ID1517220800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ver-

assung, die wir am 12. Mai 2005 verabschieden wer-
en, ist zweifellos ein großer Fortschritt. Sie bringt viele
eränderungen mit sich; sie hat auch manche Defizite
nd Probleme.
Sehr geehrter Herr Gauweiler, Sie wissen, dass ich

hre Argumentationen durchaus schätze und genieße. In
inem irren Sie allerdings profund: Durch diese Verfas-
ung wird das deutsche Grundgesetz weder ausgehöhlt
och außer Kraft gesetzt.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Richtig!)

ie Europäische Union ist kein Staat und sie wird durch
iese Verfassung auch nicht zu einem Staat. Im Gegen-
eil: Wir haben im Verfassungsvertrag eine Reihe von
orkehrungen getroffen, durch die die Eigenstaatlich-
eit der Mitgliedstaaten gestärkt und ausgebaut wird:
Wir haben die Rolle der Mitgliedstaaten als Herren

er Verträge erstmals ausdrücklich in der Verfassung er-
ähnt. Wir haben das Prinzip der begrenzten Einzeler-
ächtigung erstmals erwähnt und durch unsere Klarstel-
ung gestärkt, dass allgemeine Zielbestimmungen keine
ompetenznormen für die Gemeinschaft begründen.
ir haben in dieser Verfassung zum ersten Mal ein Sys-

em der Kompetenzabgrenzung verankert, so unvoll-
ommen es auch sein mag. Wir haben das Austrittsrecht
er Mitgliedstaaten normiert. Auch das gab es bisher
icht. Wir haben in Art. I-5 festgelegt, dass diese Verfas-
ung die nationale Identität der Mitgliedstaaten, in denen
uch die politische und verfassungsrechtliche Struktur
um Ausdruck kommt – das war ein ausdrückliches
itat –, zu achten hat. Zum ersten Mal sind die grundle-
enden politischen und verfassungsrechtlichen Struktu-
en der Staaten ausdrücklich geschützt.
Das alles zeigt: Es gab noch kein Dokument auf euro-

äischer Ebene, das die Eigenständigkeiten der

16166 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Peter Altmaier

Mitgliedstaaten für die Zukunft so positiv und auch deut-
lich unterstreicht.

Sehr verehrter Herr Kollege Gauweiler, Sie sagen, der
Umstand, dass wir das Prinzip des Vorrangs des Ge-
meinschaftsrechts in der Verfassung ausdrücklich er-
wähnt haben, sei eine neue Qualität. Auch in dieser Hin-
sicht irren Sie. Dieses Prinzip hat der Europäische
Gerichtshof vor über 40 Jahren in seiner Rechtsprechung
entwickelt. Wir haben es seit vielen Jahrzehnten ge-
wusst. Wir hätten auf Regierungskonferenzen – Vertrag
von Maastricht, Vertrag von Amsterdam, Vertrag von
Nizza – die Möglichkeit gehabt, dieses Prinzip zu korri-
gieren. Wir haben es nicht getan. Jetzt haben wir es so-
gar ausdrücklich in die Verfassung hineingeschrieben
und wir haben in einer Erklärung der Regierungskonfe-
renz darauf hingewiesen, dass wir uns damit auf die
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bezie-
hen – nicht mehr und nicht weniger. Es gibt in diesem
Bereich keine Veränderung.

Meine Damen und Herren, der Deutsche Bundestag
wird dem Verfassungsvertrag mit großer Mehrheit zu-
stimmen. Auch die Kolleginnen und Kollegen von der
FDP werden diesem Verfassungsvertrag mit großer
Mehrheit zustimmen. Weil das so ist und weil wir die
Ausarbeitung der Verfassung von Anfang an mit einem
Höchstmaß an Transparenz und Bürgerbeteiligung aus-
gestattet haben – das wird die Kollegin Leutheusser-
Schnarrenberger aus dem Europaausschuss bestätigen
können –, ist für die Ratifizierung dieses Vertrages eine
Volksabstimmung, ein Referendum, weder erforderlich
noch sinnvoll.

Wir haben in den letzten 50 Jahren gute Erfahrungen
mit unserem System der repräsentativen Demokratie ge-
macht. Ich will die direkte Demokratie gar nicht grund-
legend ablehnen, aber wir haben auf Bundesebene eben
keine Erfahrungen mit Referenden und Volksabstim-
mungen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wird es aber Zeit, dass wir diese Erfahrungen sammeln!)


Ich bin strikt dagegen, sehr geehrter Herr Kollege
Ströbele, dass wir ausgerechnet die europäische Verfas-
sung, die für die Zukunft unserer Bürger ein wichtiger
Fortschritt und ein wichtiges Dokument ist, zum Ver-
suchskaninchen für ein Verfahren machen,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Vertrauen in die Bevölkerung!)


das wir bislang in keinem anderen Bereich der bundes-
deutschen Gesetzgebung erprobt haben.


(Beifall der Abg. Kristina Köhler [Wiesbaden] [CDU/CSU])


Schauen wir einen Augenblick nach Frankreich.
Dort wird es ein Referendum über die Verfassung geben.
Aber die Debatte in Frankreich vermengt die Frage der
Verfassung mit der Frage des Beitritts der Türkei, der
Dienstleistungsrichtlinie, der Osterweiterung und vielen
anderen Fragen, die mit diesem Verfassungsdokument

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(C (D icht das Geringste zu tun haben. Im Übrigen ist es so der Kollege Burgbacher wird es aus eigener Anschaung und Erfahrung wissen; Sie sind genau wie ich oft or Ort –, dass in Frankreich die Unzufriedenheit mit der irtschaftlichen Situation mit ein Auslöser dafür sein ird, dass diejenigen, die diese Unzufriedenheit zum usdruck bringen wollen, gegen die Verfassung stimen werden, um damit ihrer politischen Führung die ote Karte zu zeigen. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in Deutschland it 5 Millionen Arbeitslosen und dem Verlust von tägich Tausend Arbeitsplätzen, einer wirtschaftlichen Siuation, die nicht besser, sondern schlechter wird, meine ch: Wir sollten die europäische Verfassung davor beahren, zum Sündenbock für eine schlechte und unfäige Regierung zu werden, ie nicht imstande ist, die Probleme dieses Landes zu löen. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten in die em Hohen Haus oft über die europäische Verfassung iskutiert. Es fanden Anhörungen sowie Hunderte und ausende Veranstaltungen mit vielen Bürgerinnen und ürgern vor Ort statt. Wenn wir es schaffen, bei der Ratiizierung dieses Verfassungsvertrages am 12. Mai über ie Parteigrenzen hinweg ein deutliches Signal unseres ekenntnisses zur europäischen Integration und zur euopäischen Einigung zu geben, wenn wir bereit sind, im nteresse unserer Bürgerinnen und Bürger die neuen öglichkeiten der Subsidiaritätskontrolle und der Klage or dem Europäischen Gerichtshof, die diese Verfassung en nationalen Parlamenten einräumt, offensiv zu nuten, dann werden wir auch die Kluft, die manchmal zwichen Europa und den Bürgern besteht, ein gutes Stück erringern können. Dieses Ziel ist aller Mühe wert. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ir haben in Deutschland so viel wichtigere Themen. avon sollten wir nicht mit einer Diskussion über ein eferendum ablenken, nachdem wir klar und deutlich ber alle Parteigrenzen hinweg gezeigt haben, das wir iese Verfassung für notwendig und richtig halten. (Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben kein Vertrauen in die Bevölkerung!)


(Widerspruch bei der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517220900

Danke schön. – Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-
urf der Fraktion der FDP zur Änderung des Art. 23
es Grundgesetzes zur Einführung eines Volksent-
cheids über eine europäische Verfassung auf Druck-
ache 15/2998. Der Innenausschuss empfiehlt auf
rucksache 15/4796, den Gesetzentwurf abzulehnen.
ch bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
ollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? –
nthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter
eratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16167


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

Grünen, der CDU/CSU – bis auf zwei Stimmen – gegen
die Stimmen der FDP und der Abgeordneten Gauweiler
und Girisch abgelehnt worden. Enthaltungen gab es
keine. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die
weitere Beratung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom
4. November 2003 betreffend den Prospekt,
der beim öffentlichen Angebot von Wertpapie-
ren oder bei deren Zulassung zum Handel zu
veröffentlichen ist, und zur Änderung der

(ProspektrichtlinieUmsetzungsgesetz)

– Drucksachen 15/4999, 15/5219 –

(Erste Beratung 163. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzaus-
schusses (7. Ausschuss)

– Drucksache 15/5373. –
Berichterstattung:
Abgeordnete Nina Hauer
Patricia Lips
Jutta Krüger-Jacob
Dr. Volker Wissing

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung war für
die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Nun ha-
ben aber die Abgeordneten Lips, Krüger-Jacob, Wissing,
Hauer und die Parlamentarische Staatssekretärin
Hendricks gebeten, ihre Reden zu Protokoll geben zu
können. Sind Sie damit einverstanden? – Dann verfahren
wir so.1)

Damit kommen wir zur Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf, den
ich eben genannt habe. Der Finanzausschuss empfiehlt
in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/5373,
den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-
men. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig
angenommen worden.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben,
wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. –
Stimmt jemand dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung einstim-
mig angenommen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 sowie den Zu-
satzpunkt 8 auf:

12 Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Gesundheit und So-
ziale Sicherung (13. Ausschuss) zu dem Antrag

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1) Anlage 5

(C (D der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Wirkungen und Nebenwirkungen des GKVModernisierungsgesetzes – Kritische Bestandsaufnahme – Drucksachen 15/4135, 15/5364 – Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Hans Georg Faust P 8 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Arzneimittelversorgung bei Kindern und Jugendlichen – Drucksache 15/5318 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Ausprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Widerspruch ibt es keinen. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst er Abgeordnete Wolfgang Zöller. Grüß Gott, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ollegen! Bei den gemeinsamen Verhandlungen zum KV-Modernisierungsgesetz hatten wir mit der Bundesegierung und den Koalitionsfraktionen abgesprochen, ass wir nach dem ersten Jahr über die Folgewirkung des esetzes Bilanz ziehen wollen. Wir haben in unserem ntrag eine Reihe von Punkten benannt, bei denen wir iskussionsbedarf sehen und die einer vertieften Prüung bedürfen. Die Anhörung vor wenigen Wochen hat ezeigt, dass unsere Auffassung bestätigt worden ist. ir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die Anörung sorgfältig auswertet und dem Deutschen Bundesag noch vor der Sommerpause eine entsprechende Stelungnahme zukommen lässt. Besonders ärgerlich bleibt nach wie vor die Tatsache, ass die Bundesregierung bei den Verhandlungen zu em Gesetz von falschen Zahlen zur Verschuldung der rankenkassen ausgegangen ist. Hätten wir nämlich im ommer 2003 nicht über 4 Milliarden Euro, sondern ber die tatsächlichen 8 Milliarden Euro gesprochen, (Peter Dreßen [SPD]: Wir haben die Zahlen der Krankenkassen verwendet!)

Wolfgang Zöller (CSU):
Rede ID: ID1517221000

ann hätte es realistischere Prognosen zur Beitragsent-
icklung gegeben. Dass wir nun eine andere Situation
aben und die Beiträge nicht wie erwartet sinken, hat das
esetz bei den Menschen viel Akzeptanz gekostet. Es
cheint im Übrigen ein Grundproblem dieser Bundesre-
ierung zu sein, ständig falsche und viel zu optimistische
rognosen über die finanzielle Lage der Sozialversiche-
ungen abzugeben.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das! – Peter Dreßen [SPD]: Nur nicht übertreiben!)


16168 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Wolfgang Zöller

Das verunsichert die Menschen und beschädigt auch das
Vertrauen in die Solidität der Regierung. Das schadet
aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Lan-
des, weil verlässliche Perspektiven ein wichtiges Ele-
ment der Standortentscheidung von Unternehmen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Unter den vielen Punkten, die im Rahmen der Anhö-

rung angesprochen wurden, gibt es einen, bei dem wir
dringenden Handlungsbedarf sehen. Deshalb haben wir
einen Gesetzentwurf eingebracht. Es geht um die Arz-
neimittelversorgung von Kindern und Jugendlichen.
Im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes haben
wir gemeinsam beschlossen, dass Kinder und Jugendli-
che von allen Zuzahlungen in der Arztpraxis und bei
Medikamenten befreit bleiben. Dies ist eine wichtige
und richtige Entscheidung zugunsten von Familien.

Familien sind ohnehin finanziell mehr belastet als
kinderlose Paare und wir sollten alle zusätzlichen Belas-
tungen vermeiden, die die wirtschaftliche Situation der
Familien mit Kindern verschlechtern.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen eine kinderfreundliche Gesellschaft, in der
die Tatsache, Kinder zu haben, nicht zu Benachteiligun-
gen führt. Dies ist eine grundsätzliche Werteentschei-
dung, an der wir uns bei all unserem politischen Handeln
orientieren müssen.

Wir als Union haben uns deshalb sehr schwer getan,
bei den Konsensverhandlungen auf die Forderungen der
Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen einzuge-
hen, Jugendliche ab dem 12. Lebensjahr grundsätzlich
aus der Erstattungsfähigkeit für nicht verschreibungs-
pflichtige Arzneimittel herauszunehmen. Wir haben
auch damals davor gewarnt, konnten uns aber, wie es bei
Konsensen üblich ist, in diesem Punkt nicht durchsetzen.


(Dr. Erika Ober [SPD] und Peter Dreßen [SPD]: Das habe ich anders in Erinnerung!)


– Wenn Sie sagen, dass Sie das anders in Erinnerung ha-
ben, muss ich feststellen, dass Sie bei diesen Verhand-
lungen überhaupt nicht dabei waren.

Um größere Versorgungsprobleme zu vermeiden, hat
der Gesetzgeber der Selbstverwaltung von Ärzten und
Krankenkassen die Aufgabe übertragen, für schwerwie-
gende Erkrankungen eine Ausnahmeliste für solche
Arzneimittel zu erstellen, die weiterhin von der gesetzli-
chen Krankenversicherung erstattet werden sollen. Der
Gemeinsame Bundesausschuss hat damit eine Verant-
wortung übernommen, der er meines Erachtens nicht in
dem von uns erwarteten Maße gerecht geworden ist.
Dies trifft im Übrigen auch auf andere Fragen wie zum
Beispiel die Richtlinie zur Verordnung künstlicher Er-
nährung oder die Positronen-Emissions-Tomographie
zu. Man hat den Eindruck, dass bei einigen Entscheidun-
gen des Gemeinsamen Bundesausschusses ökonomische
Argumente zulasten von medizinischen Aspekten im
Vordergrund stehen.

Ich hätte mir bei der Zusammenstellung der Ausnah-
meliste vom Bundesausschuss erwartet, dass die beson-

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(C (D eren medizinischen Bedürfnisse des jugendlichen Oranismus berücksichtigt werden. Die Verbände der inderund Jugendärzte sowie Hautärzte haben in meheren Stellungnahmen deutlich gemacht, dass insbesonere Jugendliche mit Hautkrankheiten und Allergien wie um Beispiel Heuschnupfen und Asthma auf die Beandlung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneiitteln angewiesen sind. Ein Ausweichen auf wirkungstärkere Arzneimittel, die verschreibungspflichtig sind, st wegen der stärkeren Nebenwirkungen für den jugendichen Organismus in vielen Fällen medizinisch nicht ertretbar. Leider hat der Bundesausschuss diese Argumente un er Hinweis auf den Gesetzestext nicht berücksichtigt. ie Folge ist, dass, insbesondere bei Jugendlichen aus inkommensschwachen Haushalten, die notwendige Beandlung eingeschränkt wird oder unterbleibt. Damit beteht die Gefahr, dass die Krankheiten chronisch werden nd ein Dauerschaden entsteht. Dies ist nicht nur ein meizinisches Problem für die Betroffenen, sondern es ührt auch zu erheblichen Kostensteigerungen für die ersichertengemeinschaft. Angesichts dieser Entwickung ist die Heraufsetzung der Altersgrenze für die Ertattungsfähigkeit von nicht verschreibungspflichtigen rzneimitteln vom zwölften auf das 18. Lebensjahr geoten, damit in diesem Bereich endlich wieder Rechtssiherheit geschaffen wird. Es ist auch nicht so, dass dadurch erhebliche Mehr osten entstehen würden. In dem Gesetzentwurf gingen ir nämlich von einem Einsparvolumen von rund Milliarde Euro aus, aber tatsächlich wurden in diesem ereich 1,4 Milliarden Euro eingespart. Das heißt, hier önnte ohne weiteres eine Kompensation stattfinden. ußerdem würden nach Ansicht der ärztlichen Berufserbände durch diese Maßnahme erhebliche Folgekosten ingespart, die aus einer Fehlund Unterbehandlung reultieren würden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unabhängig von ieser Problematik gibt es, wie schon kurz erwähnt, auch och andere Entscheidungen des Bundesausschusses, ie zu Kritik Anlass geben. Dies gilt insbesondere für en neuerlichen und mittlerweile dritten Entwurf einer ichtlinie zur Erstattung künstlicher Nahrung. Die erbände der betroffenen Patienten haben bereits darauf ingewiesen, dass sie diese Richtlinie als eine Entscheiung gegen die Interessen chronisch Kranker und Behinerter sehen. Einige Sachverständige haben kritisiert, die ichtlinie enthalte gravierende ernährungsmedizinische ehler. So werde die Bedeutung der Sondennahrung für rebskranke verkannt. Völlig unakzeptabel sei nach Anicht der Sachverständigen, dass Kinder mit schweren ntwicklungsstörungen keine Behandlung mehr mit upplementen und bilanzierter Trinknahrung erhalten önnen. Ich schließe mich in ein paar Punkten der berechtig en Kritik der betroffenen Patienten und deren Ärzten an nd fordere vom Bundesgesundheitsministerium, dass ie Richtlinie gestoppt wird. Nachdem der Bundesauschuss nun schon mit seinem dritten Anlauf, eine Richt Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16169 Wolfgang Zöller linie für künstliche Ernährung zu schaffen, sehr wahrscheinlich ebenfalls wieder scheitern wird, sollte das Ministerium klare Vorgaben machen, wie diese Richtlinie zu gestalten ist. Es muss Schluss sein in diesem Bereich mit der Verunsicherung schwer kranker Menschen. Deshalb sollte die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag auch auf die Rolle und Funktion des Gemeinsamen Bundesausschusses und die Aufsicht durch das Gesundheitsministerium eingehen. Wir können nicht zulassen, dass ständig Entscheidungen des Bundesausschusses in der Öffentlichkeit zu Kontroversen führen und das Ministerium wiederholt eingreifen muss. Bessere Kommunikation und frühzeitige Abstimmung würde den von der Entscheidung Betroffenen viel Zeit und Aufwand ersparen und zur Rechtssicherheit beitragen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir erwarten Lösungen, die sicherstellen, dass den Menschen in Deutschland hochwertige und innovative medizinische Leistungen zur Verfügung gestellt werden, dass die Ärzte und andere Leistungserbringer nicht durch bürokratische Regelungen stranguliert werden und dass bei den Entscheidungen ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Gesichtspunkten und medizinischen Erfordernissen hergestellt wird. Wir müssen darauf achten, dass die Patienten bekommen, was medizinisch notwendig ist. Dabei dürfen ökonomische Gesichtspunkte nicht die erste Rolle spielen. Man muss den medizinischen Bedürfnissen der Menschen Rechnung tragen. Recht herzlichen Dank. Das Wort hat die Kollegin Gudrun Schaich-Walch, SPD-Fraktion. Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Zöller, das waren jetzt wahrhaftig Krokodilstränen. Wer jagt denn diese Regierung mit der Forderung, dass die Beiträge runter müssen? Wer hat denn diese Forderung von morgens bis abends erhoben? Wer hat denn die Forderung erhoben, dass alle Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger und alle Bezieher von Arbeitslosenhilfe – dazu gehören auch Familien – voll und genau wie alle anderen Versicherten in die Zuzahlung einbezogen werden? Wer aber war es, der für chronisch Kranke eine Sonderregelung erstritten hat? Das waren nicht Sie; das waren wir. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517221100
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1517221200

Jetzt stellen Sie sich hin, erklären, Sie müssten die Welt
retten, und machen der Bundesregierung Vorwürfe dafür,
dass die Krankenkassen sie belogen haben. Auch Ihre
Landesaufsicht bei der AOK in Bayern hat ja vermutlich
versagt und erlaubt, dass über Jahre Schulden aufgebaut
wurden, die hervorragend vertuscht werden konnten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D as hat alles nicht funktioniert und jetzt beklagen Sie as. Sie weisen zu Recht darauf hin – da stimme ich Ihnen u –: Wir haben in der Umsetzung, besonders bei den rzneimitteln, die verschreibungsfrei sind und nicht ehr von den Kassen erstattet werden, in Bezug auf drei rkrankungsgruppen ein Problem. In allen anderen Beeichen sind die Probleme gelöst. Auch das, was Sie vom inisterium in der Frage der Ernährung eingefordert haen, ist erfolgt. Aber ich muss Sie einmal darauf auferksam machen, dass es sich um eine Rechtsaufsicht nd nicht um eine Fachaufsicht handelt. it einer Fachaufsicht wären wir auch alle überfordert. ch kann doch nicht nachprüfen, was wo hinein muss. Ich denke, wir müssen auf unserem Weg bleiben. Ich komme zu einer anderen Forderung als Sie. Für nsere Fraktion komme ich zu der Forderung: Das, was edizinisch notwendig ist, muss es für alle geben und icht nur bis zum Alter von 18 Jahren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Dieter Thomae [FDP]: So ist es!)


(Zuruf von der SPD: So ist es!)


as ist aber letztlich das, was Ihr Gesetzentwurf fordert.
Sie haben es gut beschrieben: Wir haben gemeinsam

esagt, dass wir in dieses Gesundheitssystem mehr Qua-
ität, mehr Effizienz und damit am Ende auch mehr Wirt-
chaftlichkeit bringen wollen. Nun sind wir an einem
unkt, an dem es zugegebenermaßen schwierig wird: Es
st den Menschen oftmals sehr schwer zu erklären, dass
s auch ein Mehr an Qualität sein kann, wenn es das eine
der andere nicht mehr gibt. Wir haben uns auf diesen
eg gemacht und haben den Auftrag dem Gemeinsa-
en Bundesausschuss gegeben. Ich finde, er hat bis

etzt besser als in den vorherigen Jahren, als er noch an-
ere Strukturen hatte, gearbeitet.


(Beifall bei der SPD)

ir haben deutlich angemahnt – das ist unsere Ver-
flichtung –, dass wir in diesen drei Bereichen von ihm
ösungen erwarten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Geht doch gar nicht!)


ch sage Ihnen ganz klar: Wir sind sehr zuversichtlich.
ch bin sicher, wir werden diese Lösungen bekommen.
ann werden wir bei den Hauterkrankungen und bei den
llergien das haben, was uns jetzt fehlt. Es wird die In-
ikation geben. Außerdem werden die Kosten auch für
icht verschreibungspflichtige Arzneimittel erstattet
erden, wenn sie zur Indikation gehören und notwendig
ind.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Generell!)

Generell.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Rolle rückwärts!)


16170 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Gudrun Schaich-Walch

Ich nehme das Beispiel eines an Neurodermitis Er-

krankten. Weil seine Erkrankung als chronisch anerkannt
ist, bekommt er nach Ihren Vorstellungen die Behand-
lung nicht mehr bis zu einem Alter von Zwölf Jahren,
sondern bis zu einem Alter von 18 Jahren bezahlt. Wie
aber erklärt man diesem jungen Menschen, der vielleicht
noch zur Schule geht oder sich in der Ausbildung befin-
det, dass dies an seinem 19. Geburtstag aufhört, obwohl
seine Krankheit fortbesteht? Die Konsequenz kann doch
nur sein, zu der Auffassung zu gelangen, dass die Be-
handlung einer schwerwiegenden Erkrankung sowohl
mit 19 als auch mit 90 Jahren notwendig ist.


(Beifall bei der SPD)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517221300

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Widmann-Mauz?

Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1517221400

Ich möchte erst einmal zu Ende ausführen.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Also gestatten Sie keine Frage?)


– Doch, aber ich möchte diese Ausführungen zunächst
beenden.

Wir haben uns gemeinsam auf diesen Weg begeben.
Aber Sie wollen jetzt einfach eine qualitätsorientierte
Politik durch eine sozialorientierte Politik ablösen. Wenn
es in diesem Land so ist, wie Sie sagen, nämlich dass die
Familien Probleme haben, dann bin ich der Meinung,
dass wir diese Probleme familienpolitisch lösen müssen.
Wir können sie aber nicht gesundheitspolitisch lösen, in-
dem die Menschen abhängig vom Alter eine medizinisch
notwendige Versorgung bekommen. Dieser Lösungsweg
ist mit uns schlicht und einfach nicht zu beschreiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517221500

Frau Kollegin, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage

der Kollegin Widmann-Mauz?

Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1517221600

Ja.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517221700

Bitte schön.

Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1517221800

Frau Kollegin Schaich-Walch, können Sie mir sagen,

ob Heuschnupfen eine schwerwiegende Erkrankung
ist? Wenn Heuschnupfen, wie der Gemeinsame Bundes-
ausschuss festgelegt hat, keine schwerwiegende Erkran-
kung ist, dann gilt diese Entscheidung für über 18-Jäh-
rige wie auch für unter 18-Jährige. Bis jetzt konnten die
Kinder nicht mit entsprechenden Medikamenten ver-
sorgt werden. Damit bestand die Gefahr einer chroni-
schen Asthmaerkrankung.

Sie werden schlechterdings nicht sagen können, dass
bei einem Erwachsenen Heuschnupfen eine schwerwie-

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(C (D ende Erkrankung ist. Der Gemeinsame Bundesauschuss hat auch darüber diskutiert, ob bestimmte Hautrkrankungen schwerwiegende Erkrankungen sind, ergleichbar beispielsweise mit Diabetes. Sie müssen ie Fachkompetenz, die Sie dem Gemeinsamen Bundesusschuss vorhin mit sehr salbungsvollen Worten im inblick auf die medizinische Ausgestaltung zugestanen haben, auch in diesem Punkt gelten lassen. Wenn es ich also nicht um eine schwerwiegende Erkrankung andelt, dann kann der Gemeinsame Bundesausschuss iese Regelung nicht für unter 18-Jährige treffen, weil ie entsprechenden Präparate von der Versorgung ausgechlossen sind. Frau Kollegin, nur eine Zwischenfrage und eine Zwi chenbemerkung sind erlaubt, aber keine Kurzintervenion. Ich frage Sie: Stimmen Sie mir zu, dass es nur die öglichkeit einer klaren gesetzlichen Regelung gibt, so ie wir sie vorschlagen? Frau Widmann-Mauz, ich muss Ihnen nicht zustimen, aber ich gebe Ihnen sehr gern eine Antwort. Wir erden hier nicht zu befinden haben, wann ein Heuchnupfen eine schwerwiegende Erkrankung ist. er Gemeinsame Bundesausschuss wird sich dieser rage – das ist besprochen – erneut widmen. Es gibt enschen, die ein oder zwei Wochen unter einem Heuchnupfen leiden, und es gibt Menschen, die vom Polenverlauf nahezu das gesamte Jahr betroffen sind. Daunter sind Menschen, die unter Asthma leiden. Nein, das wird der Arzt für den Einzelnen abklären nd nicht der Gemeinsame Bundesausschuss. In dem esetz ist keine Regelung enthalten, dass einzelne Paienten ihr Anliegen dem Gemeinsamen Bundesauschuss vortragen können. Das wollen wir auch in Zuunft nicht. Wenn ein Patient unter Heuschnupfen und Asthma eidet, dann wird diese Erkrankung behandelt. Ich kann hnen versichern: Unter Heuschnupfen und Asthma zu iden (Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: „Und“!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517221900
Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1517222000
Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1517222100

(Birgit Homburger [FDP]: Gott sei Dank!)


(Zuruf von der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)


st eine schwerwiegende Beeinträchtigung, egal ob der
atient 16 oder 17 Jahre bzw. 75 oder 80 Jahre alt ist.
eshalb ist der Weg, den Sie gehen wollen, indem Sie
lauben, ein gesundheitliches Problem dadurch lösen zu
önnen, dass Sie die Altersgrenzen verschieben, ein
rugschluss. Der Gemeinsame Bundesausschuss muss
ich noch einmal mit diesen Problemen, zum Beispiel

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16171


(A) )



(B) )


Gudrun Schaich-Walch

mit dem Problem der Sondennahrung, beschäftigen.
Wenn gesagt wird: „Wir haben den Eindruck, das eine
oder andere, was im Verfahren hätte berücksichtigt wer-
den müssen, ist nicht berücksichtigt worden“, dann muss
er sich damit beschäftigen und eine Lösung dafür finden.


(Abg. Klaus Kirschner [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Ich bin zum Beispiel der festen Überzeugung, dass
man die Psoriasis in dem Bereich der chronischen Er-
krankungen, so wie sie heute definiert werden, ansiedeln
kann. Es muss möglich sein, dass eine solche Erkran-
kung auf die eine oder andere Weise behandelt werden
kann. Mit Ihrer Öffnungslösung sehen Sie nur vor, dass
die Altersgrenze von zwölf auf 18 Jahre verschoben
wird. Auf diese Weise bezahlen die Krankenkassen allen
möglichen Schrott, wobei wir immer wollten, dass sie
dies nicht tun. Sie wollen für diese Gruppe, die nun hin-
zukommen und plötzlich wieder jedes Medikament be-
kommen soll, eine halbe Milliarde Euro ausgeben. Diese
halbe Milliarde kann man zielgerichtet zur Qualitätssi-
cherung in der Versorgung einsetzen. Das werden wir
auch tun.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517222200

Herr Kollege Kirschner, ich konnte Ihre Zwischen-

frage nicht mehr zulassen, weil die Redezeit bereits
überschritten war.

Das Wort hat der Kollege Dieter Thomae, FDP-Frak-
tion.


Dr. Dieter Thomae (FDP):
Rede ID: ID1517222300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Ich stelle fest: Der Konsens zwischen SPD und
CDU/CSU scheint zu Ende zu sein.


(Beifall bei der FDP)

Denn es wurden in dem vorliegenden Antrag Fragen ge-
stellt, die mich schon erstaunen. Wer sich mit der The-
matik intensiv beschäftigt hat, wusste, dass die Verschul-
dung der gesetzlichen Krankenkassen erheblich höher
war als 4 Milliarden Euro. Das war eindeutig feststell-
bar. Man wusste auch, dass Krankenversicherungsbei-
träge auf Betriebsrenten nur bei gleichzeitiger Einfüh-
rung von Übergangsfristen und nicht spontan von heute
auf morgen erhoben werden können, weil das meiner
Ansicht nach verfassungsrechtlich größte Bedenken her-
vorruft. Für Versicherte, die eine Betriebsrente erhalten,
ist es ein inhumaner Akt, diese von heute auf morgen zu
kappen.


(Beifall bei der FDP)

Über die Thematik „Beitragsrückgewähr und Selbst-

behalt“ ist in den letzten Jahren so intensiv diskutiert
worden und so viele Gutachten sind dazu erstellt wor-
den, dass man wusste, wie man sich hier zu entscheiden
hat.

Wir wussten auch, zu welchen Konsequenzen es füh-
ren würde, wenn man die nicht verschreibungspflichti-

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(C (D en Arzneimittel aus der Erstattung herausnimmt. Auch azu gibt es und gab es eine Menge Gutachten. In jedem utachten wurde gesagt: Wenn diese Arzneimittel heausgenommen werden, verlagern sich die Belastungen n einen anderen Bereich. Es entstehen Kosten und evenuell auch Nebenwirkungen, die nicht sinnvoll sind. Von daher halten wir es für den falschen Weg, einen esetzentwurf einzubringen, in dem hinsichtlich der erschreibungen Altersbegrenzungen vorgesehen sind. icht verschreibungspflichtige Arzneimittel sollen die leiche Chance haben wie die anderen Arzneimittel. enn es geht hier um die Therapiefreiheit, um die Entcheidung zwischen Patient und Arzt, welche Therapie ngewandt wird. Ich als Gesetzgeber möchte den Bürern nicht vorgeben, wie sie therapiert werden. Das ist eine Aufgabe des Gesetzgebers, sondern Sache zwichen Patient und Arzt. (Erika Lotz [SPD]: Die Solidargemeinschaft muss doch nicht alles bezahlen!)


Sie haben der jetzigen Konstruktion des Bundesaus-
chusses zugestimmt. Wer sich damit beschäftigt hat,
usste, dass die Politik im Grunde genommen einen
roßen Teil der Verantwortung auf den Bundesausschuss
erlagert, weil Sie nicht bereit sind, die Entscheidungen,
ie dort getroffen werden sollen, selber zu tragen.


(Beifall bei der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Wir sind doch keine Ärzte!)


as muss man eindeutig sehen. Jeder, der einer solchen
onstruktion des Bundesausschusses zugestimmt hat
Sie alle wollten eine solche Konstruktion –,


(Peter Dreßen [SPD]: Wir sind doch keine Ärzte oder Pharmakologen!)


usste, dass dabei Konflikte entstehen. Jetzt permanent
uf den Bundesausschuss zu schimpfen halte ich für kei-
en sinnvollen Weg. Es muss eine vernünftige Auseinan-
ersetzung stattfinden, damit eine vernünftige Entschei-
ung getroffen wird, –


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517222400

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Kirschner?


Dr. Dieter Thomae (FDP):
Rede ID: ID1517222500

– um die Problematik der künstlichen Ernährung zu

ösen. Aber man sollte nicht so vorgehen, wie Sie es ma-
hen: Sie hauen nur drauf und sagen: Die sind alle
chuld. Mit diesem Verhalten werden Sie nicht weiter-
ommen.


(Beifall bei der FDP)

Bitte schön.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517222600

Nein, Herr Kollege, jetzt kann ich das leider nicht
ehr zulassen, weil Ihre Redezeit deutlich überschritten
t.

16172 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner


(Heiterkeit bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Eben war die Rede auch zu Ende! Sie haben das eben zugelassen!)



Dr. Dieter Thomae (FDP):
Rede ID: ID1517222700

Es tut mir leid.
Herzlichen Dank.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517222800

Das Wort hat die Kollegin Petra Selg, Bündnis 90/Die

Grünen.


Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517222900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-

ginnen und Kollegen! Wir haben hier einen Antrag und
einen Gesetzentwurf der Union vor uns liegen. Mit dem
Antrag „Wirkungen und Nebenwirkungen des GKV-Mo-
dernisierungsgesetzes“ soll die Bundesregierung dazu
aufgefordert werden, eine Einjahresbilanz zu den finan-
ziellen und strukturellen Wirkungen unseres gemeinsam
beschlossenen Gesetzes vorzulegen und zu prüfen, ob
bei bestimmten Details im Versorgungsgeschehen ge-
setzliche Änderungen vonnöten sind, und für Vergü-
tungsfragen in der integrierten Versorgung Sorge zu tra-
gen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der
CDU/CSU, grundsätzlich halte ich einen solchen An-
trag, sofern er von den richtigen Annahmen ausgeht,
durchaus für legitim; denn für so unfehlbar sollte sich
kein Gesetzgeber halten, dass er die Implementierung ei-
nes Gesetzes nicht im Auge behält, schon gar nicht bei
einer Reform wie dieser. Aber bei dem Begriff „Gesetz-
geber“ schließe ich Sie bei der Gesundheitsreform ein-
fach mit ein. Im Übrigen, Herr Zöller, ist es auch voll-
kommen richtig: Wir hatten in den Konsensgesprächen
vereinbart, eine Bilanzierung vorzunehmen.

Nicht legitim allerdings wäre es, wenn die Antragstel-
ler einen solchen Antrag stellen, um sich im Nachhinein
aus der Verantwortung für einen gefundenen Kompro-
miss herauszustehlen. Dieser Kompromiss wurde stark
von Ihnen geprägt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wie war das beim Zahnersatz?)


Aber derlei Fluchtversuche möchte ich der Opposition
überhaupt nicht unterstellen. Ich gehe davon aus, dass
auch Sie natürlich die Interessen der Patienten, der Ver-
sicherten, der Leistungserbringer und der Krankenkas-
sen im Auge haben. Ich möchte Ihnen aber trotzdem sa-
gen, warum ich Bauchschmerzen habe.

Zum Aspekt der Berichtspflicht. Zum einen halte ich
sie hinsichtlich der integrierten Versorgung für gar nicht
aussagekräftig. So etwas braucht Zeit. Tun Sie bitte nicht
so, als würden Sie seit der Verabschiedung des Gesetzes
ständig im Dunkeln tappen. Das stimmt schon deshalb
nicht, weil Sie im Gesundheitsausschuss ständig Anträge
stellen. Dort beraten wir im Übrigen regelmäßig und
dort informiert das BMGS regelmäßig über Kosten-,
Einnahmen- und Ausgabenentwicklung in der gesetzli-

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(C (D hen Krankenversicherung. Ich kann ein Informationsefizit überhaupt nicht entdecken. Des Weiteren richtet Ihr Antrag auch noch unkorrekte orwürfe an die Ministerin und beinhaltet Widersprüchichkeiten. o behauptet die Union, dass der Bundeszuschuss für ersicherungsfremde Leistungen wegen fehlender Einahmen aus der Tabaksteuer von uns infrage gestellt erde. Dazu muss ich als stellvertretendes Mitglied im aushaltsausschuss sagen: Das ist schlichtweg falsch. ie Tabaksteuer hat überhaupt nichts mit dem festgechriebenen Bundeszuschuss zu tun. ch möchte Ihnen auch noch sagen: Ihre eigenen Frakionskollegen beantragen im Haushaltsauschuss, die Eröhung des Bundeszuschusses um 2,5 Milliarden Euro u sperren. (Birgitt Bender [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Na, na!)


(Erika Lotz [SPD]: So ist es!)


Noch etwas zur Entwicklung der Beitragssätze. Na-
ürlich ist es richtig, wenn Sie sagen, wir hätten die Bei-
ragssätze nicht richtig gesenkt, weil die Kassen ver-
chuldet sind. Ich möchte Ihnen aber auch sagen: Ihr
orwurf an uns ist falsch. Erst im Juli 2004 haben auch
ir die korrekten Zahlen erhalten und waren somit auf
em gleichen Informationsstand wie Sie.

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517223000

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage Ihrer
ollegin Widmann-Mauz?

Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517223100

Ja.

(Zurufe von der SPD: Nicht schon wieder! – Erika Lotz [SPD]: Sie haben doch erst gestern im Ausschuss miteinander diskutiert!)



Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1517223200

Frau Kollegin Selg, Sie haben gerade das Thema Ta-

aksteuer angesprochen und waren der Meinung, dass
iemand die dritte Stufe der Steuerreform infrage stellen
ürde. Ist Ihnen ein Schreiben der Parlamentarischen
taatssekretärin Caspers-Merk bekannt, das sie an Kolle-
innen und Kollegen der SPD-Fraktion gerichtet hat, in
em sie noch einmal nachdrücklich die Wirkungsweise
er Stufen darstellt, um insbesondere auf die Mitglieder
es Haushaltsausschusses einzuwirken und sie von der
otwendigkeit der Stufen zu überzeugen?

Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517223300

Das ist mir durchaus bekannt, Frau Widmann-Mauz.
ennoch haben die Einnahmen aus der Tabaksteuer
ichts damit zu tun, ob die versicherungsfremden Leis-
ungen finanziert werden können oder nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16173


(A) )



(B) )


Petra Selg

Ich möchte aber nicht die Redezeit überschreiten und

komme deshalb bezüglich der nicht verschreibungs-
pflichtigen Medikamente für Kinder und Jugendliche
wieder auf Ihren Gesetzentwurf zurück. Sie wollen die
Altersgrenze von zwölf auf 18 Jahre anheben. Es ist si-
cherlich vor allem in Bezug auf Allergien und Neuroder-
mitis ein gemeinsames Ziel, Kinder und Familien vor
hohen Belastungen zu schützen. Es soll auch vermieden
werden, dass chronische Gesundheitsschäden entstehen.

Wir sind durchaus gesprächsbereit. Aber sollten wir
nicht erst einmal prüfen, ob nicht auch die derzeitige ge-
setzliche Regelung die angestrebten Ausnahmen bei Al-
lergien und Neurodermitis ermöglicht?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie Sie wissen, werden hierzu bereits intensive Gesprä-
che mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss geführt.

Eines muss klar sein: Ich erwarte von Ihnen, dass Sie
gegenüber der Öffentlichkeit mit diesem Thema ehrlich
umgehen. Es kann nicht angehen, dass Sie sich als so-
ziale Wohltäter und als familienfreundlich präsentieren
und so tun, als hätten Sie die jetzige Regelung schon im-
mer für Unfug gehalten.


(Dr. Dieter Thomae [FDP]: Unfug!)

Über diese Regelung bestand in den GMG-Beratungen
Konsens. Es mag sein, dass sie von Ihnen nicht vollstän-
dig mitgetragen wurde. Wir müssen aber bei allen Ände-
rungen auch die finanziellen Auswirkungen im Blick be-
halten. Im Übrigen hätten auch wir von der Koalition
viele Wünsche, die wir gerne mit einbringen würden.

Ich möchte Sie aber auch daran erinnern, dass es die
Union war, die auf der Schaffung der OTC-Regelung be-
standen hat. Wenn Sie, wie wir es wollten, einer Positiv-
liste zugestimmt hätten, dann müssten wir die von Ihnen
losgetretene Diskussion um Altersgrenzen nicht führen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kurzum: Wir können gerne über Ihren Vorschlag re-
den. Aber neben der fachlichen Klarheit vermisse ich da-
bei gegenwärtig noch Klarheit darüber, was wirklich
hinter Ihrem Antrag steckt. Korrigieren Sie gerade Ihre
Gesundheitspolitik oder wollen Sie lediglich ein paar
billige Punkte ergattern?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Gesundheit der Jugendlichen ist kein billiger Punkt!)


Wir sind gerne zu Gesprächen bereit, um zu einer Lö-
sung im Sinne der Betroffenen zu kommen. Aber wir
sollten gerade in so sensiblen Bereichen wie der künstli-
chen Ernährung keine Debatten im „Bild“-Zeitungsstil
führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Das Wort hat die Kollegin Dr. Erika Ober, SPD-Frak ion. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben mit Ausnahme der FDP – gemeinsam ein Gesundheitsodernisierungsgesetz verabschiedet, das seit 15 Monaen in Kraft ist. Heute legen Sie uns mit Ihrer Bestandsufnahme einen Rundumschlag vor, der sich gegen roße Teile unseres gemeinsamen Konsenses richtet. Ich inde das absurd. Vielleicht ist diese Diskussion auch den anstehenden ahlen in NRW geschuldet. Aber so einfach entlassen ir Sie nicht aus der Verantwortung, die Sie durch den onsens mit uns mitzutragen haben, Herr Zöller. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517223400
Dr. Erika Ober (SPD):
Rede ID: ID1517223500

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, un-
ere Einschätzung der Wirkungen des Gesundheitsmo-
ernisierungsgesetzes unterscheidet sich von Ihrer. Wir
ewerten die Wirkungen der Gesundheitsreform ins-
esamt als positiv.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir auch!)

Ich nenne Ihnen einige Punkte, die wir positiv bewer-

en: Die von Ihnen angesprochenen Schulden der Kran-
enkassen sind deutlich gesunken. Die Krankenkassen
atten 2004 ausgezeichnete Einnahmen zu verzeichnen
nd die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
urden gesenkt. Das ist zwar nicht in dem von uns ge-
ünschten Maße geschehen – das gestehen wir zu –,
ber wir sollten uns auch klar machen, dass die Beiträge
hne das Gesundheitsmodernisierungsgesetz heute bei
ber 15 Prozent liegen würden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Deshalb haben wir ja mitgemacht!)


ie Praxisgebühr hat ihre steuernde Wirkung entfaltet.
aneben wurden strukturelle Änderungen im Gesund-
eitssystem wie Hausarztmodelle, Disease-Manage-
ent-Programme oder die integrierte Versorgung eta-
liert. Diese Systeme finden zunehmend Anwendung.
In dieser Phase der beginnenden Strukturänderung
ollen Sie das Gesundheitsmodernisierungsgesetz wie-
er öffnen. Sie berühren in Ihrem Antrag nahezu jeden
unkt dieses Gesetzes, dem Sie noch vor kurzem zuge-
timmt haben.
Sie haben uns heute darüber hinaus einen Gesetzent-
urf zur Erhöhung der Altersgrenze für die Erstattung
on Arzneimitteln vorgelegt, von dem schon mehrfach
ie Rede war. Meine Kollegin Frau Schaich-Walch
auch Frau Selg hat es angesprochen – hat betont, dass
n Ihrem Gesetzentwurf die Anhebung der Altersgrenze
on zwölf auf 18 Jahre als Lösung innerhalb dieses Sys-
ems angesehen wird.

16174 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. Erika Ober

Wir sollten aber den Blick auch darauf richten, was

nach Ihrem Vorschlag von der Versichertengemeinschaft
bezahlt werden soll. Hierzu beziehe ich mich auf eine
Liste der meistverordneten Medikamente des Jahres
2003. Damals waren Arzneimittel gegen Erkältungs-
krankheiten und andere geringfügige Gesundheitsstörun-
gen aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen; davon
ausgenommen waren Versicherte unter 18 Jahren.

Wenn ich mir diese Liste anschaue, dann finde ich un-
ter den 40 am häufigsten verordneten Medikamenten
zehn Arzneimittel gegen geringfügige Gesundheitsstö-
rungen, zum Beispiel Nasentropfen bzw. Nasenspray bei
Erkältungskrankheiten, hustendämpfende und -lösende
Mittel sowie Abführmittel. Unter den meistverordneten
Medikamenten des Jahres 2003 findet man – bis zu
Platz 80 – kein Mittel, das der Behandlung schwerwie-
gender chronischer Erkrankungen dient. Die Verschrei-
bungspraxis vor der Gesundheitsreform zeigt ein großes
Potenzial an Mitnahmeeffekten. So viel Nasenspray, wie
hier verordnet wurde, verträgt keine Kindernase. Auch
die Wirkung von Schleimlösern entspricht nicht zwin-
gend den Maßgaben evidenzbasierter Medizin. Das
heißt, viele dieser auf Kosten der Solidargemeinschaft
verordneten Bagatellarzneimittel haben wenig bis gar
keinen Nutzen. Das hat meine Kollegin schon betont.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir setzen uns für eine qualitätsgesicherte Versor-
gung ein, die selbstverständlich von der Solidargemein-
schaft getragen werden muss, und das unabhängig von
einer bestimmten Altersgrenze. Aber wir wollen keine
Öffnung der getroffenen OTC-Regelung. Was würde die
Umsetzung Ihres Vorschlags kosten, nicht verschrei-
bungspflichtige Arzneimittel bis zum 18. Lebensjahr auf
Kosten der Kassen zu verordnen? Herr Zöller, Sie erwe-
cken den Eindruck, dass man die Erfüllung Ihrer gefor-
derten Änderungswünsche im OTC-Bereich bezahlen
könnte, weil wir Einsparungen in Höhe von
1,4 Milliarden Euro erreicht hätten. Das ist aber falsch;
denn die Zahl 1,4 Milliarden Euro bezieht sich auf den
Rückgang des OTC-Umsatzes zu Apothekenverkaufs-
preisen. Das effektive Einsparpotenzial liegt aber nicht
bei 1,4 Milliarden Euro, weil man noch die Zuzahlungen
abziehen muss. Wenn man das tut, kommt man auf
1 Milliarde Euro. Das ist genau das Einsparziel, das wir
errechnet haben.

Lassen Sie mich noch ein paar Worte zu Ihren Aussa-
gen über die enterale Ernährung sagen. Sie haben vor-
geschlagen, dass wir das beurteilen sollten. Das finde ich
sehr schwierig; denn es gibt bereits einen Gemeinsamen
Bundesausschuss, der diese Aufgabe zu erfüllen hat.
Dieser Ausschuss ist besser ausgestattet als jemals zu-
vor. Ihm steht ein Institut für Qualitätssicherung zur
Seite, das zuarbeitet. Ich denke, das Bundesministerium
hat zwar die Rechtsaufsicht, kann aber keine Fachauf-
sicht über den Gemeinsamen Bundesausschuss haben.
Das möchte ich noch einmal herausstellen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Das Gesetz zur Modernisierung des Gesundheitssysems ist insgesamt auf mehrere Jahre angelegt. Struktuelle Veränderungen sind auf den Weg gebracht und weren ihre Wirkung sukzessive entfalten. Gerade aus iesem Grunde eignet sich ein Bericht, wie Sie ihn einordern, nicht, um die Wirkungen des GMG ad hoc zu nalysieren. Ich betone: Die Bundesregierung unterrichet schon seit 15 Monaten kontinuierlich über den Umetzungsstand der Gesundheitsreform, und zwar sowohl m Ausschuss als auch öffentlich. Unser Ansatz bleibt, Qualität und Evidenz im gesam en Gesundheitssystem zu sichern und zu verbessern. ir brauchen keine gesetzliche Änderung des GMG, ondern indikationsbezogene Lösungen. Das schließt uch die Anpassung bei schweren chronischen Erkranungen ein; denn diese machen vor Altersgrenzen beanntlich nicht Halt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517223600

Ich schließe die Aussprache.
Tagesordnungspunkt 12: Wir kommen zur Abstim-
ung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses
ür Gesundheit und Soziale Sicherung auf Drucksache
5/5364 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit
em Titel „Wirkungen und Nebenwirkungen des GKV-
odernisierungsgesetzes – Kritische Bestandsauf-
ahme“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf
rucksache 15/4135 abzulehnen. Wer stimmt für diese
eschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltun-
en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen
er Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Ent-
altung der FDP angenommen.
Zusatzpunkt 8: Interfraktionell wird Überweisung des
esetzentwurfs auf Drucksache 15/5318 an die in der
agesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
ibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht
er Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 13 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Neunten
Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes
– Drucksache 15/4977 –

(Erste Beratung 163. Sitzung)

a)Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen (14. Ausschuss)

– Drucksache 15/5309 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Gero Storjohann


(8. Ausschuss)


– Drucksache 15/5310 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16175


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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Uwe Göllner
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Andreas Pinkwart

Die Redner Wolfgang Spanier, Gero Storjohann,
Renate Blank, Franziska Eichstädt-Bohlig, Joachim
Günther (Plauen) und die Parlamentarische Staatssekre-
tärin Iris Gleicke haben ihre Reden zu Protokoll gege-
ben.1)

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Wohngeldgesetzes, Drucksache 15/4977. Der
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen emp-
fiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 15/5309, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Be-
ratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/
Die Grünen und FDP bei Gegenstimmen der CDU/CSU
angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist damit mit demselben Abstimmungsergebnis wie
in der zweiten Beratung angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 a bis 14 d auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Dietrich
Austermann, Steffen Kampeter, Ilse Aigner, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/
CSU
Konversionsregionen stärken – Verbilligte Ab-
gabe von zu Verteidigungszwecken nicht mehr
benötigten Liegenschaften ermöglichen
– Drucksachen 15/4531, 15/4767 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Brinkmann (Hildesheim)

Anja Hajduk
Jürgen Koppelin
Dietrich Austermann

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit

(9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten

Dagmar Wöhrl, Anita Schäfer (Saalstadt), Karl-
Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der CDU/CSU
Konversionsregionen stärken – Sechs-Punkte-
Plan zur Strukturpolitik
– Drucksachen 15/4029, 15/4789 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Michael Fuchs

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1) Anlage 6 2)

(C (D c)

richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Bernhard
Brinkmann (Hildesheim), Ernst Bahr (Neurup-
pin), Lothar Binding (Heidelberg), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der SPD sowie der
Abgeordneten Anja Hajduk, Volker Beck (Köln),
Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Bewältigung der Konversionslasten durch ge-
meinsame Anstrengungen von Bund, Ländern
und Kommunen
– Drucksachen 15/4520, 15/4766 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Jürgen Koppelin
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)

Anja Hajduk

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Helga Daub,
Angelika Brunkhorst, Günther Friedrich Nolting,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Hilfe durch den Bund für die von Reduzierung
und Schließung betroffenen Bundeswehr-
standorte ist unverzichtbar
– Drucksachen 15/1022, 15/4768 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bernhard Brinkmann (Hildesheim)

Dietrich Austermann
Anja Hajduk
Jürgen Koppelin

Die Redner Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Anita
chäfer (Saalstadt), Alexander Dobrindt, Winfried
achtwei und Gudrun Kopp haben ihre Reden zu Proto-
oll gegeben.2)
Tagesordnungspunkt 14 a: Beschlussempfehlung des
aushaltsausschusses auf Drucksache 15/4767 zu dem
ntrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Kon-
ersionsregionen stärken – Verbilligte Abgabe von zu
erteidigungszwecken nicht mehr benötigten Liegen-
chaften ermöglichen“. Der Ausschuss empfiehlt, den
ntrag auf Drucksache 15/4531 abzulehnen. Wer stimmt
ür diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Ent-
altungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
en der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU
nd der FDP angenommen.
Tagesordnungspunkt 14 b: Beschlussempfehlung des
usschusses für Wirtschaft und Arbeit auf
rucksache 15/4789 zu dem Antrag der Fraktion der
DU/CSU mit dem Titel „Konversionsregionen stär-
en – Sechs-Punkte-Plan zur Strukturpolitik“. Der Aus-
chuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4029
bzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? –

Anlage 7

16176 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
lung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstim-
men der CDU/CSU und Enthaltung der FDP angenom-
men.

Tagesordnungspunkt 14 c: Beschlussempfehlung des
Haushaltsausschusses auf Drucksache 15/4766 zu dem
Antrag der Fraktion der SPD und des Bündnisses 90/
Die Grünen mit dem Titel „Bewältigung der Konver-
sionslasten durch gemeinsame Anstrengungen von
Bund, Ländern und Kommunen“. Der Ausschuss emp-
fiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/4520 anzunehmen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
probe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der
CDU/CSU und der FDP angenommen.

Tagesordnungspunkt 14 d: Beschlussempfehlung des
Haushaltsausschusses auf Drucksache 15/4768 zu dem
Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Hilfe durch
den Bund für die von Reduzierung und Schließung betrof-
fenen Bundeswehrstandorte ist unverzichtbar“. Der Aus-
schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/1022
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegen-
stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Dr. Rolf Bietmann,
Kurt-Dieter Grill, Dr. Peter Paziorek, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Keine weitere Verzögerung in der Frage der
Entsorgung nuklearer Abfälle
– Drucksachen 15/3492, 15/4889 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Kubatschka
Dr. Rolf Bietmann
Michaele Hustedt
Birgit Homburger

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Martina Eickhoff, SPD-Fraktion.


Martina Eickhoff (SPD):
Rede ID: ID1517223700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute zum
wiederholten Mal über die Entsorgung bzw. Endlage-
rung nuklearer Abfälle. Sie werden mir zustimmen
– oder auch nicht –, dass wir hier ein schweres Erbe der
früheren Regierungskoalition zu tragen haben,


(Beifall bei der SPD)

vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass die Frage
der Entsorgung während der Anfänge der Kernenergie-

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(C (D utzung völlig außer Acht gelassen wurde. Aus meiner icht ist gerade die Endlagerung hochradioaktiver Abälle ein sehr entscheidendes Argument gegen die Nutung von Atomkraft. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Kurt-Dieter Grill [CDU/ CSU]: Ach du liebe Zeit! Und das sagt eine Sozialdemokratin! Sie kennen Ihre eigene Vergangenheit nicht!)


Sie werfen der Bundesregierung in Ihrem Antrag vor,
ie Verantwortung in dieser Frage auf kommende Gene-
ationen zu verschieben.


(Birgit Homburger [FDP]: So ist es!)

as ist, wie Sie sehr wohl wissen, nicht der Fall.


(Birgit Homburger [FDP]: Doch!)

Ein gutes Beispiel für das Verantwortungsbewusst-

ein dieser Regierungskoalition ist meiner Meinung
ach der eingeleitete Ausstieg aus der Atomenergienut-
ung.


(Beifall bei der SPD – Angelika Brunkhorst [FDP]: Das muss man doch getrennt voneinander sehen!)


Ich möchte zum Thema Verantwortungsbewusstsein
us der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und
en Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni 2000
itieren. In Anlage 4 heißt es:

Gemäß § 9 a Abs. 3 des Atomgesetzes hat der Bund
die gesetzliche Aufgabe, Anlagen zur Endlagerung
radioaktiver Stoffe einzurichten. Die Bundesregie-
rung bekennt sich zu dieser Aufgabe und erklärt,
dass sie die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um
unbeschadet des Ausstiegs aus der Kernenergie die
benötigten Endlagerkapazitäten für radioaktive Ab-
fälle rechtzeitig zur Verfügung zu stellen.

ei dieser Erklärung handelt es sich nicht um ein bloßes
ippenbekenntnis.
Der durch die Bundesregierung initiierte „Arbeits-

reis Auswahlverfahren Endlagerung“ ist ein weiterer
eweis für die engagierte Arbeit der Bundesregierung
erade in der Endlagerungsfrage,


(Birgit Homburger [FDP]: Verzögerungstaktik, sonst gar nichts! – Kurt-Dieter Grill [CDU/ CSU]: Dafür, dass Sie jetzt erst in den Bundestag gekommen sind, halten Sie – das muss ich schon sagen – eine mutige Rede!)


nd das unter dem für die heutige Generation wichtigen
spekt der Sicherheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ass die Einsetzung und die Arbeit des so genannten Ak
nd als Verzögerungsstrategie bezeichnet wird, kann ich
icht nachvollziehen.
Gern weise ich daraufhin, dass für uns als SPD-Frak-

ion grundsätzlich das Verursacherprinzip an vorderster

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16177


(A) )



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Martina Eickhoff

Stelle steht. Wir haben die unausweichliche Pflicht, die
national verursachten Nuklearabfälle in Deutschland und
nirgendwo sonst zu entsorgen. Das ist unser erklärtes
Ziel. Wir können und wollen diese Verantwortung nicht
an Dritte abgeben. Dafür müssen wir gemeinsam auf
eine sicherheitspolitisch sinnvolle und wissenschaftlich
fundierte Lösung der Endlagerung hinarbeiten. Schnell-
schüsse helfen uns in Anbetracht der bisher nicht ausge-
räumten Zweifel bezüglich der Endlagerung nuklearer
Abfälle nicht weiter.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Insofern ist die Eile, die in Ihrem Antragstitel vorge-
täuscht wird, nicht nachzuvollziehen. Die Realisierung
eines Endlagers muss auf der Basis aller zur Verfügung
stehenden Erkenntnisse der Wissenschaft bis zum Jahr
2030 erfolgen. Ein dringendes, weil Mensch und Um-
welt betreffendes Problem liegt – darüber sind wir uns
sicherlich einig – in jedem Fall vor.

Meine Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion,
Sie schreiben im Feststellungsteil Ihres Antrags:

Die dezentralen Zwischenlager … drohen infolge
der Politik der Bundesregierung zu „Quasi-Endla-
gern“ zu werden.

Diese Behauptung ist nicht haltbar. Sie entspricht nicht
dem politisch vereinbarten Kurs der Regierungskoali-
tion.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Der Realität entspricht das!)


Ich zitiere aus der Koalitionsvereinbarung vom
20. Oktober 1998:

Die Zwischenlager werden nicht zum Zweck der
Endlagerung genutzt.

An diesem Grundsatz halten wir fest.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie Sie wissen ist die Genehmigung von Zwischenla-

gern befristet. Weiter sieht der Zeitplan vor, dass bis zum
Jahr 2030 ein Endlager für nukleare Abfälle bereitge-
stellt wird.

Ich möchte jetzt noch auf einzelne Antragspunkte ein-
gehen. Eine Forderung des zu beratenden Antrags lautet,
Schacht Konrad ohne weitere Verzögerung auszubauen
und „schnellstmöglich“ in Betrieb zu nehmen. Der Be-
griff schnellstmöglich ist meiner Meinung nach eher re-
lativ. Hierzu heißt es in der Antwort der Bundesregie-
rung vom 26. Januar 2005 auf die Kleine Anfrage der
Fraktion der FDP mit dem Titel „Vorstellungen der Bun-
desregierung zur Suche nach einem Endlager für radio-
aktive Abfälle“ – das ist die Drucksache 15/4729 –:

Eine Inbetriebnahme von Schacht Konrad als End-
lager ist kurzfristig nicht möglich. Derzeit ist der
Planfeststellungsbeschluss nicht vollziehbar.

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(C (D eiter heißt es: Auch wenn der Planfeststellungsbeschluss vollziehbar wäre, wäre Konrad nicht sofort nutzbar. Die Wiederherstellung der Umrüstbereitschaft und die Umrüstung der Schachtanlage zum Endlager würden voraussichtlich bis zu sechs Jahre in Anspruch nehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSUraktion, abschließend möchte ich auf Punkt 6 Ihrer Forerung eingehen. In einem Halbsatz heißt es dort, die undesregierung solle das Erkundungsbergwerk Goreben unter anderem für die interessierte Öffentlichkeit ffnen, um hierdurch Transparenz und Vertrauen zu chaffen. Um ehrlich zu sein: Beim Lesen dieser Fordeung konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. ie Besichtigung eines Endlagers für radioaktive Abälle ist nicht die Art von Sonntagsausflug, wie ich ihn ir für eine Familie vorstelle. (Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Wer spricht von Sonntag?)


der welche Öffentlichkeit sprechen Sie in diesem Fall
n?
Grundsätzliche Erfahrungen zeigen doch, dass die
enschen die Nähe zu Atomkraftwerken eher meiden,
etreu dem Prinzip: Aber nicht in meiner Nachbarschaft!
as trifft in erhöhtem Maße für Endlager zu. Ich meine
uch, dass die wiederkehrenden Demonstrationen gegen
tommülltransporte zeigen, was die Menschen in
eutschland über Atomenergie und ihre Folgen denken.
ie halten sie für äußerst gefährlich und lehnen sie des-
alb ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


enauso lehnen wir Ihren Antrag ab.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517223800

Frau Kollegin Eickhoff, Sie sind in den Deutschen
undestag nachgerückt und hielten heute Ihre erste
ede. Ich gratuliere Ihnen im Namen des Hohen Hauses
echt herzlich und wünsche Ihnen persönlich alles Gute.


(Beifall)

Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Rolf
ietmann, CDU/CSU-Fraktion.


Dr. Rolf Bietmann (CDU):
Rede ID: ID1517223900

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

rau Eickhoff, Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede. Ich
abe sie mit Interesse gehört, aber ich muss Ihnen
leichwohl direkt am Anfang widersprechen.


(Horst Kubatschka [SPD]: Jetzt sind Sie aber kein Kavalier, Herr Bietmann! Das hätten wir zumindest erwartet!)


16178 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. Rolf Bietmann

Dass Sie beklagen, dass die Frage der Entsorgung ver-
schleppt worden ist, ist geradezu ein Witz. Denn in der
Tat: Seit es die rot-grüne Bundesregierung gibt, also mit-
hin seit 1998, tut sich in der Frage der Entsorgung des
atomaren Mülls in Deutschland überhaupt nichts mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Horst Kubatschka [SPD]: Und bei Ihnen?)


Dass Sie das dann noch beklagen, ist schon recht interes-
sant. Aber sei es drum.

Jedenfalls ist die Diskussion um die weitere friedli-
che Nutzung der Kernenergie in Deutschland unverän-
dert bedeutsam. Dabei geht es immer auch um die Frage,
wie atomarer Müll in Verantwortung für zukünftige Ge-
nerationen sinnvoll entsorgt werden kann. Dieses Thema
stellt sich unabhängig davon, ob man nun für eine wei-
tere Nutzung der Kernenergie eintritt oder nicht. Das
Thema eignet sich von daher nicht für ideologisch moti-
vierte Auseinandersetzungen. Es geht vielmehr um die
Frage, wie wir die Entsorgung gegenüber heutigen und
künftigen Generationen lösen können.

Dabei können wir nicht übersehen, dass sich in den
Landessammelstellen, in den zentralen und in den de-
zentralen Zwischenlagern heute oberirdisch große Men-
gen nuklearen Abfalls sammeln. Allein in Karlsruhe
lagern etwa 60 Prozent der anfallenden leicht- und mit-
telradioaktiven Stoffe oberirdisch. Die baden-württem-
bergische Landesregierung hat wiederholt darauf hinge-
wiesen, dass eine Regelung der Entsorgung unabdingbar
notwendig ist, da die dort vorhandenen atomaren Abfälle
aufgrund ihrer Verpackung lediglich bis etwa 2010 im
derzeitigen Zustand belassen werden können.

Es handelt sich hierbei um nukleare Abfälle, die im
Wesentlichen nicht aus Kernkraftwerken stammen. Es
geht vielmehr um Abfälle aus Forschung und Wissen-
schaft und insbesondere aus der Medizin.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Niemand wird bestreiten wollen, dass die Nutzung von
Kernenergie im Bereich der wissenschaftlichen For-
schung für den Fortschritt der medizinischen Versorgung
für uns alle von allerhöchster Bedeutung ist. Wir alle ha-
ben heute den Nutzen vom Einsatz radioaktiver Stoffe.
Darum sind wir alle selbstredend verpflichtet, die Ent-
sorgung der Abfälle sicherzustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Darum brauchen wir dringend ein stimmiges Konzept

zur Lösung der Entsorgung. Ein solches Konzept gibt es.
Jedenfalls ist es bis 1998 konsequent verfolgt worden.
Getragen von einem breiten politischen Konsens, über
Parteigrenzen hinweg, wurde seit den 70er-Jahren an der
Lösung dieses Themas gearbeitet. Der von Deutschland
bis dahin beschrittene Weg galt international als vorbild-
lich. Ergebnis dieser Planungen war das so genannte
Zwei-Endlager-Konzept.

Für den Schacht Konrad wurde ein Planfeststellungs-
verfahren als Endlager für schwach- und mittelradioak-
tive Abfälle auf den Weg gebracht. Dieses ist seit 2002
abgeschlossen. In Gorleben fanden mit finanziellem

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(C (D ufwand in Milliardenhöhe Untersuchungen der Eigung des Salzstockes Gorleben als Endlager für hochraioaktive Abfälle statt. Die rot-grüne Bundesregierung at 1998 das bis dahin im Konsens vorangetriebene Endagerkonzept einseitig verlassen und die Endlagerfrage eitdem nicht einen einzigen Schritt vorangebracht. Im egenteil: Der Bundesumweltminister unternimmt in achen Endlagerung alles, um eine möglichst schnelle, achgerechte Lösung zu hintertreiben. Dies beginnt mit dem plötzlichen Ausrufen der neuen in-Endlager-Strategie. Minister Trittin ist es dabei leichgültig, dass sich Deutschland mit dieser Strategie nternational isoliert und ein seit mehr als 20 Jahren verolgtes Konzept, welches mit Aufwand in Milliardenöhe entwickelt worden ist, über den Haufen geworfen ird. Durch das seit fünf Jahren anhaltende Gorlebenoratorium sind darüber hinaus ganz bewusst Jahre ur Entwicklung eines Endlagerstandortes verschenkt orden. n einem Zeitraum von knapp fünf Jahren sind allein urch das Offenhalten ohne Aktivität Kosten in Höhe on rund 125 Milliarden Euro entstanden. Zu einer Weiererkundung ist es aber nicht gekommen. Fachkräfte it international anerkanntem Renommee und hoher ompetenz im Endlagerbereich wandern zwischenzeitich ab, verlassen den Standort, da sie in Deutschland eine fachund sachgerechte Endlagerpolitik feststellen önnen. Bewusst wird die Frage der Endlagerung atomaren ülls offen gelassen, obwohl weder die Bundesregie ung noch Minister Trittin noch Wissenschaftler die Eigung des Salzstockes Gorleben und des Schachtes onrad für die Unterbringung mittelund leichtradioakiver Stoffe ausschließen können. Darum ist es höchste eit, das Moratorium für Gorleben zu beenden und die eitererkundung voranzutreiben. as sind wir unserer Generation und den nach uns komenden Generationen schuldig. Frau Eickhoff, auch die Einsetzung des AK End iente letztlich nur zur Verzögerung. Der Abschlussbeicht ist im Dezember 2002 vorgelegt worden. Bis heute at das Bundesumweltministerium keine abschließende onsequenz aus dem AK-End-Bericht gezogen. Ganz m Gegenteil: Die Endlagerfrage ist dort faktisch ad acta elegt worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Unverantwortlich!)


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wohl wahr!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt komme ich zu dem eigentlich politischen Punkt.
leichzeitig versucht man, die Bürger mit der Behaup-
ung zu verunsichern, die Endlagerung atomarer Stoffe
ei nicht lösbar. So haben auch Sie es formuliert, Frau
ollegin. Damit rechtfertige sich der Atomausstieg.

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Dr. Rolf Bietmann

Hier wird zielgerichtet an einem Argument für den
Atomausstieg festgehalten, obwohl man dieses Argu-
ment durch eine konsequente Fortsetzung der bislang be-
schlossenen Endlagerpolitik selbst entkräften könnte.
Genau das will man aber nicht. Es passt nicht in das rot-
grüne Weltbild vom Ausstieg aus der Nutzung der Kern-
energie. Ein solches, rein politisch-ideologisch gefärbtes
Verhalten ist mit Blick auf die Interessen der Bürgerin-
nen und Bürger unverantwortbar.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn selbst der BUND in der „Süddeutschen Zei-

tung“ vom 15. April 2005 rügt, dass die Bundesregie-
rung die dringend erforderliche Endlagersuche ver-
schleppe, dann spricht dies für sich. Die These, man
werde bis 2030 ein Endlager haben, wird durch noch so
häufiges Wiederholen nicht richtiger. Wissenschaftlich
ist längst nachgewiesen, dass unter Berücksichtigung der
Auswahlkriterien ein Endlager frühestens um 2050 zur
Verfügung stehen könnte.


(Widerspruch des Abg. Horst Kubatschka [SPD])


Die Endlagerpolitik dieser Bundesregierung führt in
eine gefährliche Sackgasse. Steht nämlich kein Endlager
zur Verfügung, müssen die Abfälle zwangsläufig, wei-
terhin in oberirdischen Zwischenlagern verteilt, im Bun-
desgebiet bleiben. Die daraus entstehenden Sicherheits-
risiken potenzieren sich zum Nachteil der Bürgerinnen
und Bürger.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wohl wahr!)

Die Bundesregierung schafft damit sehenden Auges ein
Gefahrenpotenzial für diese und künftige Generationen,
nur weil ihr an der Lösung der Endlagerfrage nicht gele-
gen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

CDU und CSU stehen zu ihrer Verantwortung. Das wird
durch unsere Initiative dokumentiert.

Unsere wichtigsten Forderungen an die Bundesre-
gierung lauten: Erstens. Kehren Sie zur erprobten Zwei-
Endlager-Strategie zurück, die international anerkannt
ist und akzeptiert wird!

Zweitens. Nehmen Sie den Schacht Konrad in Be-
trieb! Das ist unabdingbar notwendig, um die oberir-
disch lagernden mittel- und leichtradioaktiven Abfälle
sicher verschließen zu können. Wer zulässt, dass diese
Abfälle weiterhin oberirdisch gelagert und nach dem
Jahr 2010 nochmals verpackt werden, der potenziert die
möglichen Gefahren, nur weil er aus politisch-ideologi-
schen Erwägungen nicht bereit ist, endlich die notwendi-
gen Entscheidungen zu treffen. Das werden sich die Bür-
ger merken.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Bald ist ja der 22. Mai!)


Drittens. Heben Sie das Gorleben-Moratorium auf.
Das seit fünf Jahren ohne sachlichen Grund bestehende
Moratorium für den Salzstock Gorleben kann so nicht

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(C (D estehen bleiben. Die Erkundungsarbeiten müssen weiergeführt werden. Obwohl hier viele Milliarden Euro nvestiert worden sind, sagen Sie nun, dass Sie nicht eiter erkunden, sondern einen Stopp durchführen wolen. Hätten wir die fünf Jahre genutzt, wüssten wir heute ndlich, ob Gorleben geeignet ist oder nicht. (Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Genau das ist der Punkt!)


ann könnten wir dieser Generation und den folgenden
enerationen ein schlüssiges Konzept anbieten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, wir können es uns wahr-

aft nicht länger erlauben, die Endlagerfrage aus poli-
isch-ideologischen Gründen auszublenden. Die Bundes-
egierung und die sie tragenden Parteien müssen ihrer
erantwortung gerecht werden. Eine Verzögerungspoli-
ik verlagert die bestehenden Probleme in die Zukunft
nd schafft zusätzlich beträchtliche Gefährdungspoten-
iale, gegen die sich die Menschen mit Recht zur Wehr
etzen.
Die Bundesregierung bzw. Minister Trittin ist aufge-

ordert zu handeln. Wenn er dieser Verantwortung nicht
erecht wird, werden wir ihn im Deutschen Bundestag
nd gegenüber der deutschen Öffentlichkeit fortlaufend
tellen. So entlassen wir ihn nicht aus seiner Verantwor-
ung. Er kann nicht auf der einen Seite mit dem Argu-
ent, wir könnten die Endlagerfrage nicht lösen, für den
usstieg aus der Kernenergie eintreten, auf der anderen
eite aber alle Anstrengungen, die unternommen werden
önnten, verhindern, um die Endlagerfrage zu lösen. Das
st eine Politik, die in sich widersprüchlich ist. Das wer-
en wir für die Bürgerinnen und Bürger fortlaufend do-
umentieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517224000

Nächster Redner ist der Kollege Horst Kubatschka,

PD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Horst Kubatschka (SPD):
Rede ID: ID1517224100

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren!

iebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bietmann, Sie
aben gerade so getan, als könnte Gorleben sofort in
etrieb genommen werden.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das hat er nicht gesagt!)


ie haben gesagt: „Nehmen Sie … in Betrieb.“ Auch Sie
issen, dass wir noch Hunderte von Millionen Euro in-
estieren müssen, um dieses Vorhaben zu beenden.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Was wollt ihr denn jetzt?)


as dauert noch Jahre. Aus einer sofortigen Inbetrieb-
ahme wird also nichts.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Es wurde nie das gefordert, was Sie gerade gesagt haben!)


16180 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Horst Kubatschka

Was ist mit Gorleben, Herr Kollege?

(Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Was wollen Sie überhaupt?)


Falls Gorleben nicht geeignet ist, dann sind wir auf dem
gleichen Stand wie jetzt.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Aber dann wissen wir es wenigstens!)


– Ja, natürlich. –

(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das ist vielleicht eine Logik, Herr Kubatschka! Sie wollen wohl weiter dumm bleiben!)


In diesem Fall hätten wir Millionen Euro in den Sand
bzw. in Salz gesetzt, also sinnlos Geld aus dem Fenster
geworfen. Auch wissen Sie, dass darüber nachgedacht
wird, ob außer Salz noch andere Würzgesteine infrage
kommen. Darüber wird von internationalen Wissen-
schaftlern nach wie vor diskutiert. Nehmen Sie das bitte
zur Kenntnis.


(Zuruf von der CDU/CSU: Alles geprüft!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,

Sie werden sicherlich nicht darüber erstaunt sein, dass
wir Ihren Antrag ablehnen; mit diesem Antrag wollen
Sie ja auch keine andere Mehrheit erreichen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Doch!)

Schon der Inhalt Ihrer ersten Forderung, die Bundesre-
gierung solle sich endlich ihrer Verantwortung für die
Endlagerung nuklearer Abfälle stellen und diese nicht
auf kommende Generationen verschieben, ist falsch. In
den 16 Jahren Ihrer Regierungsverantwortung ist auf
diesem Gebiet nichts Entscheidendes geschehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jahrzehntelang wurden die Probleme der Endlagerung
auf die zukünftigen Generationen geschoben. Für diese
Probleme gibt es nicht nur in Deutschland, sondern welt-
weit keine Lösung. Dies war einer der Gründe, warum
die rot-grüne Koalition die Nutzung der Atomkraft nicht
mehr für verantwortbar hielt und den Atomausstieg ein-
geleitet hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Sehr überzeugt sind Sie von Ihrer eigenen Rede ja nicht gerade, Herr Kollege!)


Vor knapp zwei Wochen veröffentlichte das Bundes-
amt für Strahlenschutz die Daten über die im Jahre 2004
in deutschen Kernkraftwerken erzeugte Strommenge
und stellte fest, dass bereits fast ein Drittel des Atomaus-
stiegs geschafft ist. Vom 1. Januar 2000 bis zum
31. Dezember 2004 sind knapp 31 Prozent der im Atom-
konsens festgelegten Gesamtstrommenge produziert
worden; wahrlich eine schöne Nachricht. Weiter meldet
das Bundesamt für Strahlenschutz, dass das Kernkraft-
werk Obrigheim vermutlich im Mai dieses Jahres


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(C (D vielleicht sogar schon Ende April – abgeschaltet wird; iederum eine schöne Nachricht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


brigheim ist derzeit das älteste von insgesamt 18 noch
etriebenen Kernkraftwerken; es ging 1968 in Betrieb.
ach dem Kernkraftwerk Stade, das im November letz-
en Jahres vom Netz ging, ist es das zweite Kernkraft-
erk, das im Rahmen des vereinbarten Atomausstieges
om Netz gehen wird.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,
ollen eine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke.
ie wollen damit das Problem des hochradioaktiven
ülls noch weiter vergrößern. In Ihrem Antrag schrei-
en Sie:

Die dezentralen Zwischenlager … drohen … zu
„Quasi-Endlagern“ zu werden.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ja!)

as ist Panikmache. Deswegen können wir Ihrem An-
ag nicht zustimmen. Die Nutzungsdauer der Zwischen-
ager an den Kernkraftwerksstandorten wurde zeitlich
uf maximal 40 Jahre begrenzt.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Und dann?)

amit wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass
us den Zwischenlagern keine faktischen Endlager wer-
en.


(Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Und dann?)


nd Sie wissen ganz genau: Mit den Zwischenlagern
ntfallen die umstrittenen und auch gefährlichen inner-
eutschen Castortransporte nach Gorleben und nach
rhus.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Århus ist in Dänemark! Sie meinen Ahaus!)


it unserem Ausstiegsgesetz wurde auch die Entsor-
ung radioaktiver Abfälle ab 1. Juli dieses Jahres auf die
irekte Endlagerung beschränkt. Transporte zur Wieder-
ufbereitung nach La Hague in Frankreich und nach
ellafield in Großbritannien sind also nur noch bis zum
0. Juni zulässig; wiederum eine schöne Meldung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Opposition will allerdings weiterhin allen Ernstes

en strahlenden Müll durch Deutschland fahren und ihn,
ie es früher üblich war, im Ausland zwischenlagern.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: „Strahlender Müll“ – was ist das denn für eine Panikmache!)


eine Damen und Herren von der Opposition, erzählen
ie uns nichts von Verantwortung gegenüber den kom-
enden Generationen!
Ich danke Ihnen fürs Zuhören.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16181


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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517224200

Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgit Homburger,

FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1517224300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Wir reden hier zum wieder-
holten Male über die Endlagerung radioaktiver Abfälle.


(Horst Kubatschka [SPD]: Da stimme ich Ihnen zu!)


– Herr Kubatschka, dass wir hier immer noch darüber re-
den müssen – Jahre nachdem Sie den Ausstieg aus der
Atomenergie vereinbart haben –, ist ein Armutszeugnis
für die Bundesregierung; sie hätte längst einen Gesetz-
entwurf vorlegen müssen, um ein Endlager festzulegen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Detlef Parr [FDP]: Heiße Luft!)


Bezüglich der Frage, ob wir ein oder zwei Endlager
brauchen, sagen Sie immer, man müsste sich darüber
einmal unterhalten. Dabei haben Sie dem AK End – aus
ideologischen Gründen – klar ein Ein-Endlager-Kon-
zept vorgegeben. Bis 1998 haben wir in Deutschland da-
gegen ein Zwei-Endlager-Konzept verfolgt: zum einen
für hochradioaktive Abfälle – damals mit Blickrichtung
Gorleben –, zum anderen für schwach- und mittelradio-
aktive Abfälle – mit dem Schacht Konrad. Es gibt keinen
anderen Staat, der nur ein Endlager vorsieht. Alle Exper-
ten sagen uns eindeutig, dass wir die beiden Abfallarten
unterschiedlich behandeln müssen und die hochradioak-
tiven von den schwach- und mittelradioaktiven trennen
müssen. Genau daran wollen wir anknüpfen und genau
hier fordern wir die Bundesregierung auf, das, was schon
an Erkundung vorgenommen wurde, fortzusetzen, um
endlich zu einem Endlager, um endlich zu einer Lösung
zu kommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Seit dem Koalitionsvertrag aus dem Jahre 1998 hat

sich im Prinzip sieben Jahre lang nichts getan. Damals
haben Sie apodiktisch erklärt, dass ein einziges Endlager
ausreicht und dass das bis etwa 2030 einsatzbereit sein
soll. Der vom Umweltminister eingesetzte AK End hat
selbst gesagt, dass allerspätestens im letzten Jahr ein Ge-
setzentwurf im Deutschen Bundestag hätte verabschie-
det werden müssen, wenn man diesen Zeitplan auch nur
annähernd hätte erreichen wollen. Sie haben hier im
Deutschen Bundestag nichts vorgelegt. Sie haben das
nicht deshalb versäumt, weil Sie es nicht hinbekommen
haben, sondern weil Sie es bewusst verzögern und ver-
schleppen. Sie müssen sich gefallen lassen, dass wir Ih-
nen das vorhalten. Es ist Tatsache, dass Sie keinerlei In-
teresse daran haben, in Deutschland wirklich ein
Endlager zu errichten,


(Horst Kubatschka [SPD]: Das hat der Bundestag beschlossen!)


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(C (D eil Sie sich dann nämlich auch vor Ort mit denjenigen useinander setzen müssten, denen Sie vorgaukeln, dass ie ein Endlager verhindern wollen. Das ist Fakt, Herr ubatschka. Es wurde hier davon geredet, dass die Zwischenlager wischenlager seien, deren Nutzungsdauer begrenzt sei. ntschuldigung, wenn wir bei der Suche nach einem ndlager nicht weiterkommen und es de facto kein Endager gibt, dann wird man irgendwann entweder die Nutung der Zwischenlager verlängern oder eine andere Löung finden müssen. Diese Antwort geben Sie uns nicht. Es ist auch keine Antwort, wenn Sie hier erklären, Sie ätten die Verantwortung für die künftigen Generaionen dadurch wahrgenommen, dass Sie den Atomaustieg beschlossen haben. – Damit haben Sie Ihre Verantortung überhaupt nicht wahrgenommen, weil Sie auf er einen Seite nicht sagen, wie Sie die Klimaschutziele, die Sie sich gesetzt haben, bei einer gleichzeitigen nergieversorgungssicherheit für Deutschland erreichen ollen, und weil Sie auf der anderen Seite die Antwort uf die Frage nach einem Endlager nach wie vor schulig bleiben. Wir müssen hier einfach feststellen, dass es uch im Sinne zukünftiger Generationen dringend notendig ist, dass diese Fragen beantwortet werden. Dazu erden Sie durch den Antrag aufgefordert. Deswegen nterstützt die FDP-Bundestagsfraktion den Antrag der DU/CSU-Fraktion. Es ist bemerkenswert, dass der Bundesumweltminis er zum wiederholten Mal in einer Debatte zu diesem hema nicht spricht. Das gilt auch für die Staatssekretäinnen. Das hat ja auch einen Grund: Sie haben natürlich eine Lust, sich vor die Öffentlichkeit zu stellen und zu agen, dass Sie in dieser Frage nichts, aber auch gar ichts gemacht haben. Was sollen Sie hier denn auch saen? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Da schicken sie den Kubatschka nach vorne! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die verdrängen das!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Horst Kubatschka [SPD]: Jawohl!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist ganz klar und eindeutig: Sie spielen auf Zeit
nd verschieben das Problem der Endlager auf zukünf-
ige Generationen. Ich sage Ihnen klar und eindeutig:
as, was Sie hier tun, ist verantwortungslos, liebe Kolle-
innen und Kollegen von Rot-Grün.
Wir haben natürlich nicht nur die Frage nach der La-

erung der hochradioaktiven Abfälle, sondern auch die
er schwach- oder mittelradioaktiven Abfälle zu beant-
orten. Hier ist die Situation so: Zwei Drittel dieser Ab-
älle – das betrifft jetzt den Schacht Konrad – kommen
us dem Verantwortungsbereich des Bundes, sprich: aus
orschungseinrichtungen des Bundes. Nicht umsonst hat
hre Bundesbildungs- und -forschungsministerin, Frau
ulmahn, klar und eindeutig darauf hingewiesen, welche
efahren dadurch drohen, dass dieses Lager, der

16182 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Birgit Homburger

Schacht Konrad, nicht zur Verfügung steht und dass zwi-
schengelagert und umkonditioniert werden muss, wo-
durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer zusätz-
lichen Strahlenbelastung ausgesetzt werden. Auf der
einen Seite werden Sie dadurch Ihrer Verantwortung ge-
genüber diesen Mitarbeitern nicht gerecht und auf der
anderen Seite produzieren Sie hohe Kosten. Das hat Ih-
nen der Bundesrechnungshof nicht ohne Grund gesagt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517224400

Frau Kollegin.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1517224500

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Die

Endlagerpolitik unter Federführung von Bundesumwelt-
minister Jürgen Trittin ist nicht zielgerichtet. Sie ist in-
transparent und mit erheblichen Kostenrisiken behaftet.
Mit anderen Worten: Sie ist eine glatte Katastrophe und
geht zulasten zukünftiger Generationen. Wir wollen das
ändern. Deswegen werden wir dem Antrag der CDU/
CSU-Bundestagsfraktion zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Ulrike Mehl [SPD]: Da sind wir jetzt überrascht! – Horst Kubatschka [SPD]: Das war jetzt neu!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517224600

Die Kollegin Marianne Tritz, Bündnis 90/Die

Grünen, und der Kollege Wilhelm Schmidt, SPD-Frak-
tion, haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.1) Deswe-
gen rufe ich als letzten Redner in dieser Debatte den
Kollegen Kurt-Dieter Grill, CDU/CSU-Fraktion, auf.


(Beifall bei der CDU/CSU – Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hätte sie doch auch zu Protokoll geben können!)



Kurt-Dieter Grill (CDU):
Rede ID: ID1517224700

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der
Rede der Kollegin Homburger sind mir ein paar Stich-
punkte durch den Kopf gegangen: Die Politik der Bun-
desregierung in Sachen Entsorgung ist teuer, sinnlos,
falsch und verlagert die Verantwortung auf kommende
Generationen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Verehrte Kollegin Eickhoff, ich lade Sie als Bergbau-
ingenieurin herzlich ein, mit mir in den Salzstock einzu-
fahren, und zwar nicht an einem Sonntag – darüber ha-
ben wir nie geredet –, sondern – die nächsten Termine,
die Herr König genannt hat, sind der 22./23. Juni dieses
Jahres – an einem Wochentag.


(Georg Girisch [CDU/CSU]: Schalten Sie aber das Licht ein!)


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E1) Anlage 8

(C (D Es geht hier um simple Informationsund Öffentichkeitsarbeit. Sie verhindern, dass sich Bürgerinnen nd Bürger über die Realität im Salzstock Gorleben ein ild machen können. Es geht nicht um Tourismus, sonern um Information und Transparenz. Genau diese verindern Sie. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


azu kann ich Ihnen nur sagen: Ihnen als junger Kolle-
in, die sich mit der Geschichte nicht beschäftigt hat,
ehe ich es nach, dass sie hier eine solche Rede halten.


(Ulrike Mehl [SPD]: Woher wissen Sie das denn?)


Ich habe das an ihrer Rede gemerkt, Frau Mehl. Wer
er Union die Formulierung „schnellstmöglich in Be-
rieb zu nehmen“ zum Schacht Konrad vorwirft, weiß
icht, dass im Jahre 1990 auf Wunsch des ehemaligen
ordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Rau mit
ustimmung des jetzigen Bundeskanzlers und damali-
en Ministerpräsidenten in Niedersachsen ein Beschluss
ustande gekommen ist, in dem steht: Der Bund wird
ufgefordert, für nichtwärmeentwickelnde Abfälle
chnellstmöglich ein Endlager, Konrad, zur Verfügung
u stellen. – Diese Formulierung hat im Oktober 1990
err Rau zusammen mit Herrn Clement eines Abends
m Kamin zur schriftlichen Abstimmung vorab gewählt,
amit keiner mehr diskutieren muss.
Sie haben von der Geschichte der SPD in Sachen
ernenergienutzung in Deutschland und der Frage der
ntsorgung auch nicht den Hauch einer Ahnung. Die Si-
uation im Zwischenlager Gorleben, im Schacht Konrad
nd im Zwischenlager Ahaus ist die Folge der Politik ei-
er SPD-geführten Bundesregierung vom Ende der 60er-
ahre bis zum Ende der 70er-Jahre. Nichts anderes ist die
ahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrike Mehl [SPD]: Reden Sie doch einmal über Ihre Regierung!)


Ja, auch darüber reden wir, Frau Mehl. Der Punkt ist,
ass wir 1979, 1981 und 1990 im Konsens mit den Mi-
isterpräsidenten von SPD, CDU und CSU genau diese
olitik, die sich an diesen Standorten manifestiert, ein-
timmig beschlossen haben. Wir haben diese Beschlüsse
mgesetzt. Es ist doch nicht so, dass wir uns dieser Ver-
ntwortung nicht gestellt haben. Das wissen Sie doch
anz genau. Genauso müssen Sie wissen, dass die Mär,
ass am Anfang der Kernenergienutzung niemand über
ntsorgung nachgedacht hat, schlicht und einfach falsch
st.
In den 60er-Jahren sind in Deutschland 225 Standorte
issenschaftlich miteinander verglichen worden. Das
rgebnis waren die fünf Salzstöcke in Gorleben. Ich
ollte es heute eigentlich nicht sagen, aber ich will es
un doch aussprechen: Nach dem Regierungswechsel in
iedersachsen sind Ihre Bundesminister im November
976 bei Ernst Albrecht von der Minderheitsregierung
ewesen und haben erklärt: Wir wollen in 14 Tagen die
inlösung der Zusage von Herrn Kubel, SPD, für den

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16183


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Kurt-Dieter Grill

Standort für ein nukleares Entsorgungszentrum. – Das
bezog sich nicht nur auf ein Endlager, sondern auf
1 400 Tonnen Nuklearabfall für die Wiederaufarbeitung
und 55 000 Megawatt geplante Kernenergie der Regie-
rung Schmidt in Deutschland. Das ist Ihre und nicht un-
sere Politik gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrike Mehl [SPD]: Wir sind aber jetzt im Jahr 2005! – Weitere Zurufe von der SPD)


– Entschuldigung, Sie reden doch dauernd darüber – die-
ses Spiel haben Sie auch heute Abend gespielt –, hier sei
etwas verschleppt worden. Nein, wir haben Ihre Politik
mitgetragen. Dessen schämen wir uns auch nicht.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)

Sie haben das, was in der Republik Konsens war, 1998
aufgekündigt, ohne eine Alternative zur Verfügung zu
stellen. Das ist der entscheidende Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Was Sie mit Ihrer Vergangenheit machen, mag mir

egal sein. Aber Sie haben uns in Lüchow-Dannenberg
eine Verantwortung aufgebürdet, über die der Kanzler
Schmidt gesagt hat: Die knorrigen Eichen aus dem
Wendland tragen die Last der Entsorgung in Deutsch-
land. – Das war das Lob der SPD für die Kommunalpoli-
tiker in Lüchow-Dannenberg.

Ihre Bilanz nach sieben Jahren ist –

(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)


– Herr Tauss ist da!

(Heiterkeit bei der SPD)


Ich hatte irgendetwas vermisst,

(Jörg Tauss [SPD]: Ich danke Ihnen!)


wahrscheinlich Zwischenrufe. Ich habe aber nichts über
die Qualität der Zwischenrufe gesagt.

Vergegenwärtigen wir uns doch einmal, was vor dem
Regierungswechsel und auch noch kurz danach gesagt
worden ist: kriminelle Abfallschieberei – Originalton
von Trittin im Bundestag. Sie machen es. Früher waren
es Merkels Transporte. Heute sind Sie so klein mit Hut
vor Ort. Heute sprechen Sie nicht mehr von Trittin-
Transporten, aber es sind Trittin-Transporte. Sie nutzen
die Entsorgungsstruktur, die in 30 Jahren aufgebaut wor-
den ist und die Sie kritisiert haben, ohne jede Scham
weiter. Wenn die Regierung rot und grün ist, dann ist al-
les sicher, wenn die Regierung aber schwarz ist, dann ist
das gleiche Bauwerk eine unsichere Angelegenheit. So
verlogen ist Ihre Argumentation.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Horst Kubatschka [SPD]: Aber am 30. Juni ist das zu Ende!)


– Sie, Herr Kubatschka, bauen ein anderes Problem auf.
Das haben Ihnen Frau Homburger und der Kollege
Bietmann nachgewiesen.

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(C (D Die Konstruktion der dezentralen Zwischenlager ar, was die zeitliche Dimension betrifft, so nie vorgeseen. Das ist die Realität. (Horst Kubatschka [SPD]: Weil die Wiederaufbereitung vorgesehen war!)


Ach was, das hat doch mit der Wiederaufbereitung
ichts zu tun. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich als je-
and, der davon betroffen ist, bin durchaus froh, dass es
ezentrale Zwischenlager gibt. Das sage ich auch zum
rger mancher Freunde. Die dezentralen Zwischenlager
ind ein gesellschaftspolitischer Beitrag zur Entkramp-
ung der Transportsituation.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Die Sicherheitsfrage! – Birgit Homburger [FDP]: Das stimmt!)


ber die Sicherheitsfrage hat sich damit überhaupt nicht
erändert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Birgit Homburger [FDP]: So ist es!)


ie müssen mir die Antwort auf die Frage geben, warum
nter Ihrer Regierung ein Endlager frühestens 2050 zur
erfügung steht.


(Horst Kubatschka [SPD]: Wir sagen 2030!)

Sie schaffen es nicht. Herr Kubatschka, der Kollegin
ickhoff sehe ich manches nach, weil ihr die Historie
icht bekannt ist.


(Horst Kubatschka [SPD]: Herr Grill, das werden wir im Altersheim diskutieren!)


ie als jemand, der lange genug in der sozialdemokrati-
chen Partei Verantwortung trägt, wissen ganz genau,
ass das, was Sie hier im Deutschen Bundestag vortra-
en, nicht der Wahrheit entspricht.
Glauben Sie eigentlich, dass Ihre sozialdemokrati-

chen Freunde im Samtgemeinderat in Gorleben alle
pinner sind, leichtsinnige Menschen?


(Horst Kubatschka [SPD]: Das unterstelle ich auch den CDU-Leuten nicht!)


ie haben zusammen mit meinen christdemokratischen
reunden in Gartow die Forderung gestellt, den Salz-
tock so schnell wie möglich zu untersuchen, damit die
enschen in Lüchow-Dannenberg wissen, woran sie
ind. Zu Ihrer Regierung kann ich nur sagen: Sie haben
lf Zweifel aufgeschrieben. Nach sieben Jahren Regie-
ung haben Sie nicht einen wissenschaftlichen Beleg für
ie Nichteignung von Gorleben vorgelegt.


(Werner Kuhn [Zingst] [CDU/CSU]: Dann haben sie 13 Zweifel!)


as ist der Kern Ihrer Politik. Sie jagen den Leuten
ngst ein, haben aber keine Lösung; Sie machen sich
om Acker und nehmen Ihre Verantwortung für die Ent-
orgung der nuklearen Abfälle, die Sie selber mitverur-
acht haben, nicht wahr. Das ist der Vorwurf, den wir Ih-
en machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


16184 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517224800

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-

schusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
auf Drucksache 15/4889 zu dem Antrag der Fraktion der
CDU/CSU mit dem Titel „Keine weitere Verzögerung in
der Frage der Entsorgung nuklearer Abfälle“. Der Aus-
schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/3492
abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-
empfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Ge-
genstimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Sportausschusses (5. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Hans Büttner

(Ingolstadt), Reinhold Hemker, Lothar Binding


(Heidelberg), weiterer Abgeordneter und der

Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten
Winfried Hermann, Volker Beck (Köln),
Michaele Hustedt, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN
Sportförderung in den auswärtigen Kultur-
beziehungen ausbauen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Klaus
Riegert, Peter Letzgus, Günter Nooke, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Sportförderung des Bundes im Ausland
stärken und als Teil der auswärtigen Kultur-
politik begreifen

– Drucksachen 15/1879, 15/2575, 15/4691 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dagmar Freitag
Klaus Riegert
Winfried Hermann
Detlef Parr

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Reinhold Hemker, SPD-Fraktion.


Dr. Reinhold Hemker (SPD):
Rede ID: ID1517224900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Ich habe mir seit Dienstag, seit der Veranstaltung
im Auswärtigen Amt „Global Players – Fußball, Globa-
lisierung und Außenpolitik“, Motto des 11. Forums Glo-
bale Fragen, wo ich Reiner Calmund, den früheren Ma-
nager von Leverkusen getroffen habe


(Detlef Parr [FDP]: Heute Fortuna Düsseldorf!)


– ja, und einiges mehr, wie du weißt, lieber Detlef –,
überlegt, dass wir, wenn wir zur Umsetzung unseres An-
liegens, das wir als SPD-Fraktion mit den Grünen vor

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(C (D nderthalb Jahren formuliert haben und das unsere hristdemokratischen Sportkolleginnen und -kollegen etas später in einem Antrag formuliert haben, die Untertützung von solchen gewichtigen Leuten gehabt hätten nd wenn zu der Kampagne, die wir damals eigentlich nitiieren wollten, Franz Beckenbauer oder der Präsident es Weltverbandes Fußball oder vielleicht sogar Jürgen linsmann oder andere aufgerufen hätten, in vergleicharer Art und Weise erfolgreich gewesen wären wie jetzt iejenigen, die die Streetfootballworld-Kampagne untertützen. Ebenso habe ich überlegt, wie die Beteiligung leich mehrerer Ministerien erreicht werden kann. Ich meine, es lohnt sich darüber nachzudenken. Denn er Ansatz, der in beiden Anträgen, sowohl in dem Anrag von der Union als auch in dem Koalitionsantrag, nthalten ist, verfolgt das Ziel, eine breitere Plattform zu chaffen für die Integration des Themas Sport und dait der Gesundheitsprävention und vieler anderer Theen für die Ärmsten der Armen dieser Welt, und das zuleich eingebunden in ein Konzept der Kulturarbeit in ntwicklungsund Schwellenländern, wie wir uns das igentlich nur erträumen können. Deswegen träume ich jetzt seit Dienstag wieder ein isschen, nachdem ich die wunderbaren Prospekte geseen habe, die von Organisationen mit herausgegeben erden, die sich offiziell dem Sport in der Entwickungszusammenarbeit verschrieben haben. Ich denke die Älteren von uns werden das noch wissen – an die eit vor über 30 Jahren zurück, als unter Minister Erhard ppler Sport immer mehr zum Bestandteil der Entwickungszusammenarbeit wurde und damit indirekt auch estandteil der internationalen Kulturarbeit mit den chwerpunkten – ich sage das jetzt einmal für Afrika – eichtathletik und Laufen, natürlich überall in der Welt ußball und andere populäre Sportarten. Das muss man ich klar machen. Man muss sich einmal die Größenordnungen in der erbung für die Fußballweltmeisterschaft in eutschland vorstellen. Ich denke, all diejenigen, die im port engagiert sind, sind dafür, dass wir die Fußballeltmeisterschaft hier austragen. Ich füge hinzu: Wir lle – insbesondere diejenigen, die international engaiert sind – freuen uns darüber, dass vier Jahre später um ersten Mal eine Fußballweltmeisterschaft in Afrika tattfinden wird, nämlich in Südafrika. Aber angesichts er Größenordnungen, über die wir reden, ist es überaupt nicht verständlich, dass sich der Etatansatz beim uswärtigen Amt – es wird ja auch im Antrag der CDU/ SU kritisiert, dass der Etatansatz so niedrig ist, nachem er vorübergehend ein bisschen höher war; das haen wir ja noch vor einem Jahr diskutiert, mittlerweile ieht die Welt bzw. der Etat des Außenministers ein bisshen anders aus –, wenn ich es richtig im Kopf habe, auf ,7 Millionen Euro beläuft. Die Beträge für das ganze rumherum und die Werbung für die Fußballweltmeiserschaft in Deutschland hingegen gehen in die zig Milionen. Es ist ja immer schwierig, auszurechnen, wer etzt gerade an welchem Standort noch Sponsoren angeorben hat, die richtig Geld ausgeben. (Detlef Parr [FDP]: Die Werbung ist aber nicht nur in Deutschland!)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16185


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Reinhold Hemker

– Das ist mir klar. Deshalb sage ich auch, lieber Detlef
Parr: Wenn wir dafür werben, dann können wir auch
weltweit und verstärkt im Rahmen der Kulturarbeit da-
für werben – ich stehe ja auch dafür, dass wir das neu in
die Entwicklungszusammenarbeit einbringen – und vor
allen Dingen auch definieren, dass der Sport nicht nur et-
was mit Sportveranstaltungen zu tun hat, sondern einen
Beitrag zur Volksgesundheit in Deutschland leistet, aber
vor allen Dingen in den Ländern der Dritten Welt Krimi-
nalitätsprävention, Aidsprävention und vieles mehr be-
deutet.


(Beifall im ganzen Hause)

Nicht von ungefähr heißt ja eine Werbekampagne:

„Kick Aids“. Darunter steht: Deutsche Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit. Das ist die Ausführungsor-
ganisation für die Maßnahmen und Projekte der Ent-
wicklungszusammenarbeit Deutschlands. Da geht das
plötzlich, weil hier eine Verbindung zum deutschen Inte-
resse hergestellt wird: Werbung mit Fußball, Werbung
mit Weltmeisterschaft. Ich bin einmal gespannt, wie sich
das in den Jahren danach in vernünftigen Projekten nie-
derschlägt, die von Sportlern geleitet werden und die
dann auch Kinder, gerade jüngere Kinder, Mädchen und
Jungen, aus Ländern der so genannten Dritten Welt ein-
bezieht. Ich denke, dass es für uns wichtig ist, das im
Kontext beider Anträge – das sage ich ganz bewusst – zu
sehen. Es ist ganz klar: Wenn zwei solche Anträge vor-
liegen und in dem einen, lieber Klaus Riegert, lieber
Eberhard Gienger und lieber Detlef Parr, die Bundesre-
gierung meiner Meinung nach unberechtigterweise kriti-
siert wird, dann können wir, die Fraktionen von Grün
und Rot, diesem Antrag nicht zustimmen, sondern wer-
den mit unserem deutlich machen, dass wir Kontinuität
in diesem Denk- und damit letztlich Handlungsansatz
wollen. Wir wollen dieses Thema wieder in den Gesamt-
kontext von Außen- und Entwicklungspolitik einbrin-
gen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen sage ich an dieser Stelle, dass wir gerade
jetzt nach den positiven Erfahrungen der ersten Monate
des UNO-Jahres für „Sport and Physical Education“,
also des UNO-Jahres für Sport und – jetzt wird es wieder
schwierig, weil wir leider noch nicht das richtige deut-
sche Wort dafür gefunden haben – Körperertüchtigung,
Leibeserziehung oder wie auch immer, und nach den
vielen guten Projektvorschlägen von Landessportbün-
den, von Fachorganisationen, von entwicklungspoliti-
schen Aktionsgruppen heute schon absehen können,
dass wir am Ende des Jahres wahrscheinlich sagen kön-
nen, dass Deutschland, ausgehend von den Aktivitäten
von Nichtregierungsorganisationen unter Einbeziehung
des Sports, einen guten Beitrag leisten wird. Dann sind
die 700 000 Euro aus dem Etat des Innenministers gut
ausgegeben worden.

Vor dem Hintergrund unserer beiden vorliegenden
Anträge sage ich aber auch, dass ich befürchte, dass es
dann dabei bleibt. Das war dann eine einmalige Aktion,
eine Beteiligung an diesem UNO-Jahr. Danach erfolgt
dann nichts Weiteres; man zieht sich auf das zurück, was

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(C (D rüher die Fachverbände, das NOK, die Deutsche Sportugend oder die Landessportbünde gemacht haben. Von er Resolution 55/8 der UNO aus dem Jahr 2003 wird es ann nicht heißen: Wir haben Signale gesetzt und diese ignale haben dazu geführt, dass diese Themen auch in er politischen Arbeit verankert worden sind. Das ist eine heutige Befürchtung, die ich auch so ausspreche. eswegen appelliere ich an die Abgeordneten aller Frakionen, in absehbarer Zeit – wenn die ersten positiven rgebnisse vorliegen – vor dem Hintergrund der Zielsetungen, die wir in den Anträgen finden, darüber zu reen, wie es weitergehen kann. (Beifall des Abg. Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Danke, lieber Winfried, nicht nur im Kuratorium Natur
nd Sport, sondern auch in dieser Frage sind wir uns ja
eistens einig. Ich bedanke mich für diesen Einzelbei-
all, der, wie ich gesehen habe, aus seinem Herzen kam.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich hoffe, dass diese fantasievollen Ansätze in einem
reiten, partei- und fraktionsübergreifenden Bündnis in
ie Politik eingebracht werden. Vor einiger Zeit habe ich
er Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ntwicklung und auch der zuständigen Staatssekretärin
inmal deutlich gemacht, an welchen Stellen heute
chon Methoden aus dem Bereich des Sportes einen her-
orragenden Beitrag bei der Grundbildung und bei der
rziehung von Kindern auch und gerade in der Armuts-
ituation leisten. In Südafrika gibt es Programme wie
Sport Against Crime“, die überall kommuniziert wer-
en. Das zum Beispiel ist Kriminalitätsprävention; es
ibt aber auch – ich sehe meine liebe Kollegin Gabi ge-
ade lächeln – Programme zur Gesundheitsprävention.
as gibt es also nicht nur bei uns, die wir uns jetzt auf
en Weg machen, Gesundheitsprävention wieder weiter
ach vorn zu bringen und mit Maßnahmen zu unterstüt-
en, sondern gerade auch in der Projektarbeit der Ent-
icklungsländer.
Die Experten der Gesellschaft für Technische Zusam-
enarbeit, unsere Entwicklungshelfer, die über den
eutschen Entwicklungsdienst ins Ausland gehen, und
ll diejenigen, die in den Entwicklungsprozessen in den
ändern mithelfen und die aus dem Bereich der Kirchen
der aus Nichtregierungsorganisationen kommen, sagen:
eist bitte die körperliche Ertüchtigung, die Körperer-
iehung und damit die Gesundheitserziehung wieder
ehr als elementaren Bestandteil nicht nur der Kulturar-
eit, sondern auch der Entwicklungszusammenarbeit
us.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben das in den Diskussionen im Fachausschuss
mmer wieder gesagt. Wenn es in Deutschland zu he-
ausragenden Veranstaltungen kommt, dann wird aber
mmer auf die einzelnen Maßnahmen gezeigt: „Kick
ids“, fair gehandelte Fußbälle, Streetfootball und was
a noch an schönen Bildern gekommen ist. Ich erinnere
n das schöne Bild von Bundestrainer Jürgen Klinsmann,

16186 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Reinhold Hemker

der einem jungen Burschen die Schuhe schnürt. Das sind
dann jedoch nur Werbemaßnahmen für dieses Jahr; aber
es gibt noch keine Nachhaltigkeit.

Ein letzter Punkt. Mein Wunsch ist, dass ich mich im
nächsten Jahr an einem Fußballprojekt in dem afrika-
nischen Land Sambia beteiligen kann, das von einem
jungen Burschen mit Vornamen Clement initiiert wird,
den ich auf der großen internationalen Konferenz in Bad
Boll kennen gelernt habe. Er verteilt überall da, wohin er
eingeladen wird, einen kleinen Ball, ein zusammenge-
schnürtes Plastikbündel, schwarz mit weißen Fäden.
Darauf steht „Football – a work for peace“. Er lädt ein,
im nächsten Jahr in Sambia – nicht in Deutschland – Ba-
sisfußballtuniere zu organisieren und diese Turniere
gleichzeitig mit Programmen gegen den Hunger zu ver-
binden. Wenn das funktioniert und davon sogar noch ein
Signal für unsere weitere Arbeit ausgeht, dann hat es
sich gelohnt, dass wir die vorliegenden Anträge einge-
bracht haben. Dann wird es sich auch lohnen, daran noch
ein bisschen weiter zu arbeiten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517225000

Nächste Rednerin ist die Kollegin Gerlinde Kaupa,

CDU/CSU-Fraktion.

Gerlinde Kaupa (CSU):
Rede ID: ID1517225100

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Eigentlich könnte man das, worüber wir
heute Abend diskutieren, auf einen Nenner bringen:
Sportpolitik ist auswärtige Kulturpolitik und damit inte-
graler Bestandteil deutscher Außenpolitik – wenn da
nicht die Finanzen wären.

Integraler Bestandteil Ihrer auswärtigen Kulturpolitik
sind nicht kontinuierliche und in jedem Haushalt wieder-
kehrende Fördermittel, sondern ein Zusammenstreichen
der sowieso schon knapp bemessenen finanziellen Mit-
tel. So kann man unsere Kultur und – damit verbunden –
unsere Wirtschaftskraft nicht ins Ausland tragen. Sport-
ler sind positive Multiplikatoren, die auch Ihre Anerken-
nung brauchen.

Meine Damen und Herren von der Regierung – es ist
leider niemand von der Regierung anwesend; die sind
wohl alle zu Hause oder im Untersuchungsausschuss –,
ich will Ihnen sagen: Von nichts kommt nichts. Auch
Ihre Träume, Herr Kollege, die Sie in Bezug auf Sport
haben, müssen finanziert werden. Die deutsche Sportför-
derung ist das beste Beispiel dafür, dass mit geringem
Finanzaufwand stets eine große Wirkung erzielt wer-
den kann. Nehmen Sie unseren Rat an und schöpfen Sie
endlich wieder das Potenzial des Sports aus! Haben Sie
endlich wieder Vertrauen in die deutsche Sportförderung
im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik und nehmen
Sie Abstand von den permanenten Finanzstreichungen!
Es reicht!

2,7 Millionen Euro weniger haben Sie von 1998 bis
zum vergangenen Jahr, ausgehend von der Summe im

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(C (D ahr des Regierungsantritts, aufgewandt. Auf diese Leisung brauchen Sie wirklich nicht stolz zu sein. Sie erweien dem deutschen Sport und damit unserer auswärtigen ulturvertretung einen Bärendienst. Wenn Sie von 00 000 Euro sprechen, die im Europäischen Jahr der rziehung für Sport ausgegeben werden, frage ich mich, ür was dieses Geld ausgegeben wird. Die größten Sumen werden für Schauveranstaltungen und die geringsen Summen für Projekte ausgegeben. (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist doch völliger Unsinn, Frau Kaupa!)


Wir von der Union bitten Sie inständig: Lassen Sie
ie Sportförderung nicht in der Versenkung verschwin-
en! Das wollen Sie, liebe Sportkolleginnen und -kolle-
en von Rot-Grün, doch auch nicht. Aber da Ihr Außen-
inister schon genug Schlamassel am Hut hat,


(Dagmar Freitag [SPD]: Es wäre schön, wenn Sie kommunikativ wären und nicht polemisch!)


rauchen Sie ihm mit der auswärtigen Sportförderung
icht auch noch zu kommen und Forderungen zu stellen.
war müssen Sie nun schon bei Ihrem Minister bleiben,
ber mal sehen, wie lange noch. Dann reden wir noch
inmal darüber. Vielleicht stimmen Sie dann einer Mit-
elaufstockung zu.
Lassen Sie mich kurz aus eigener Erfahrung sprechen.
ber Ostern war ich in Südafrika und habe mit Leuten
esprochen, die an Projekten im Sportbereich mitwirken.
ie Bundesländer bieten dort Projekte an – das gilt we-
iger für den Bund –, bei denen die Menschen angeleitet
erden, wie man beispielsweise Sportplätze baut. Das
st eine nachhaltige Sportpolitik, die wir unbedingt
achmachen müssen.
Zur gleichen Zeit war eine Jugendgruppe aus meinen

portkreis dort. Ich muss sagen, dass ich mehr Dialog
nd mehr Verständnis füreinander vorher noch nicht er-
ebt habe. Die Sportjugend war von der Gastfreundschaft
nd der Herzlichkeit der Südafrikaner so angetan, dass
er Abschied so manchem sehr schwer fiel. Bereits im
etzten Jahr waren die Südafrikaner bei uns in Nieder-
ayern zu Gast. Das Wiedersehen nach einem Jahr war
ombastisch.
Von diesen Erlebnissen und Erfahrungen werden die

ungen Sportler mit Sicherheit ein Leben lang erzählen.
as Fazit der Reise für alle Jugendlichen war: Es fand
as statt, was viele Politiker oft vergeblich versuchen,
ämlich die Verständigung zwischen den Kulturen
nd Rassen.
Bei uns daheim findet dieser Austausch bei allen An-

lang und positive Unterstützung. Familien, Kommunen
nd Sponsoren unterstützen diesen Austausch. Warum?
ie haben den Wert, die Werbung, die Wichtigkeit und
en Stellenwert des Sports erkannt. In Südafrika wird
ns gesagt, dass die deutsche Sportförderung viele posi-
ive Aspekte mit sich brachte und die Kinder und Ju-
endlichen sehr dankbar für dieses deutsche Engage-
ent sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16187


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Gerlinde Kaupa

Denn die internationale deutsche Sportförderung holt

die Kinder von der Straße. Die Kinder blühen auf, wenn
sie in ihrem sportlichen Eifer gefördert werden und ihnen
eine Zukunftsperspektive gegeben wird. Sie profitieren
von dem geregelten Leben und verbessern ihre Lebenssi-
tuation. Das gilt übrigens auch für die Familienangehöri-
gen. Der sportliche Jugendaustausch trägt goldene
Früchte. Es gibt keine friedvollere Völkerverständigung
als den Jugendaustausch besonders im sportlichen Be-
reich. Die Sprache des Sports verstehen alle.

Doch das alles hilft nichts, wenn es keine langfristi-
gen Perspektiven ohne Unterbrechung gibt. Nur nach-
haltige Projekte zeigen wirklich in die Zukunft und hel-
fen. Kurzfristige Geldgaben bringen gar nichts. Für die
betroffenen Entwicklungsländer ist die Verlässlichkeit
und die Nachhaltigkeit der Sportförderung eine Ga-
rantie für den Auf- und Ausbau ihrer sportlichen Infra-
struktur und für die Aus- und Weiterbildung ihrer Sport-
ler. Andauernde Garantie bedeutet für die dortigen
Kinder und Jugendlichen, nach vorne blicken zu können
und einem Idol aus ihrem Land nachzueifern. Wichtig ist
hierbei auch die Sportförderung der Mädchen. Wenn wir
natürlich in erster Linie Fußball und Boxen anbieten,
können wir nicht damit rechnen, bei den Mädchen einen
großen Zulauf zu finden.


(Dagmar Freitag [SPD]: Haben Sie schon einmal gehört, dass auch Mädchen Fußball spielen?)


– Ich weiß, dass auch Mädchen Fußball spielen. Aber
schauen Sie sich einmal die Zahlen an! Der Deutsche
Turner-Bund hat viel eher Angebote für Mädchen. Wenn
man verschiedene Zielgruppen ansprechen will, muss
man auch verschiedenste Angebote machen.

Zum Schluss möchte ich an Sie appellieren: Hören
Sie endlich auf mit der planlosen Zusammenstreichung
des Etats und damit, so zu tun, als würden wir nicht be-
merken, wie wenig wichtig Ihnen die Kultur und der
Sport sind! Wir bemerken es doch und klopfen Ihnen im-
mer wieder auf die Finger.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517225200

Das Wort hat der Kollege Winfried Hermann,

Bündnis 90/Die Grünen.


Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1517225300

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Sportsfreunde! Lange ist der Sport verkannt worden.
Man hat übersehen, dass der Sport auch eine Dimension
auswärtiger Kulturpolitik darstellt. Vielleicht gab es zu
viele, die auf die traditionelle deutsche Kultur gesetzt
haben, als man auswärtige Kulturpolitik betrieben hat.
Es hat lange gedauert, bis man gemerkt hat, dass viele
Fußballer aus Deutschland im Ausland weit berühmter
sind als große Poeten, Lyriker oder auch Musiker.

Heute sehen wir, dass der Sport und die Sportler in er-
heblichem Maße das Bild Deutschlands und der Deut-
schen im Ausland prägen. Ich glaube, es ist klug, wenn

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(C (D ie Politik dies zur Kenntnis nimmt und daraus Konseuenzen zieht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


enn Sport kann ganz offensichtlich Brücken schlagen.
urch Sport kann dazu beigetragen werden, dass Kon-
akte geknüpft werden, wie dies in anderen Kulturfor-
en so nicht möglich ist, weil vielfach die Menschen
icht erreicht werden. Sport erschließt einfach ganz an-
ere Gruppen von Menschen, vor allem junge Men-
chen. Das ist auch gut so; das ist eine Chance. Sport ist
brigens längst international eine Kulturform, ohne
ass dies die Politik wahrnimmt und nutzt. Der Sport ist
ahrscheinlich eines der ganz frühen globalen kulturel-
en Phänomene. Insofern tut die Politik gut daran, dies
ndlich in Konzepte umzusetzen. Dazu später mehr.
Welche Chancen sehen wir, wenn wir sagen, wir wol-

en Sport in die auswärtige Kultur- und Entwicklungspo-
itik einbauen?
Sport bietet zuallererst eine Chance, einen Beitrag zur

ivilgesellschaftlichen Struktur zu leisten bzw. eine
ivilgesellschaft überhaupt erst aufzubauen. Denn Sport
st Selbstorganisation, das machen Menschen zusam-
en; dazu brauchen sie keinen Staat, da handeln sie ein-
ach gemeinsam.
Sport ist – Kollege Hemker hat das schon ausge-

ührt – natürlich auch weltlich bildend, nicht nur charak-
erlich, sondern auch körperlich, geistig und intellektuell
nd ist eigentlich im besten Sinne ein Kernelement ei-
es modernen Bildungssystems. Insofern meine ich,
ass Breitensport, Gesundheitssport und Schulsport ein
ichtiges Element auswärtiger Kulturpolitik sein müs-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Eberhard Gienger [CDU/CSU])


Sport ist in jedem Fall soziales Lernen bezüglich He-
ausbildung von Teamgeist und bezüglich Zusammen-
irken, Streiten und Kämpfen unter geregelten Bedin-
ungen. Sport als Beitrag zum Erlernen von sozialen
egeln bietet insofern eine hervorragende Inkultura-
ionsmöglichkeit von Regelwerken und Gesetzen. Sport
st damit eigentlich ein Beitrag zum Erlernen von Demo-
ratie.


(Detlef Parr [FDP]: Das hätten wir in Deutschland am besten auch in die Erziehung einbauen sollen!)


Sport fördert natürlich auch die Fähigkeit, Konflikte
riedlich und sportlich auszutragen und dabei Fairness
u entwickeln.
Das sind nur vier Elemente, von denen ich glaube:
as ist sinnvoll, da müssen wir mehr machen – etwa
urch die Gestaltung vieler Projekte.
Frau Kollegin Kaupa, Sie haben, wie ich finde, zu
nrecht das internationale Jahr und die Projekte be-

16188 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


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Winfried Hermann

schimpft; denn dadurch werden zahlreiche kleine und in-
teressante Projekte gefördert.


(Gerlinde Kaupa [CDU/CSU]: Aber man hätte viel mehr daraus machen können!)


Es ist richtig: Würden wir dabei stehen bleiben, dann
wäre das zu wenig. Diese Kritik teilen wir; das war auch
der Grund für unsere parlamentarische Initiative. Wir sa-
gen: Wir brauchen mehr, wir brauchen nicht nur Einzel-
projekte, sondern wir brauchen ein umfassendes
Gesamtkonzept, das den Sport in Entwicklungszusam-
menarbeit und in auswärtige Kulturpolitik integriert. Wir
brauchen eine systematische Entwicklung von Projekten
und – da gebe ich Ihnen Recht – wir brauchen ein lang-
fristig angelegtes Konzept und eine langfristige Finan-
zierungsperspektive. Denn eines ist klar: Im Bereich der
Entwicklungszusammenarbeit ist mit einem Jahr nichts
getan, da geht es um zehn, 20 oder 30 Jahre.


(Klaus Riegert [CDU/CSU]: Wer regiert eigentlich?)


Ich plädiere sehr dafür, dass wir die Sportförderung in
die Finanzierung einbauen, die wir für Entwicklungszu-
sammenarbeit gewähren. Wenn wir die Mittel im Be-
reich der Entwicklungszusammenarbeit in den kommen-
den Jahren systematisch erhöhen wollen, dann muss
daran auch der Sport partizipieren.

Nun fragen Sie zu Recht dazwischen: Wer regiert ei-
gentlich? In der Tat, das ist auch unsere Kritik. Der Be-
reich der sportlichen Entwicklungszusammenarbeit ist in
den letzten Jahren – sowohl unter Rot-Grün, aber auch in
den 14 bis 16 Jahren zuvor unter der vorherigen Bundes-
regierung – systematisch heruntergefahren worden.
Heute sind wir im Bereich der Entwicklungszusammen-
arbeit auf diesem Gebiet leider bei null angelangt. Wir
haben das teilkompensiert durch eine Stabilisierung im
Bereich der auswärtigen Kulturarbeit. Dort haben wir
die Mittel zum Teil erhöht. Wir haben die Finanzierung
von Trainerlehrgängen dauerhaft sichergestellt und zum
Teil auch erhöht. Das ist aus unserer Einsicht heraus ins-
gesamt aber zu wenig. Wir wollen mehr.

Wir wollen mit dem vorliegenden Antrag einen An-
stoß dazu geben, dass in den kommenden Jahren ein Ge-
samtkonzept für die sportpolitische Entwicklungszusam-
menarbeit gemeinsam mit dem Sport erarbeitet wird. Ich
wünsche mir sehr, dass wir, die Opposition wie auch die
Regierungsfraktionen, gemeinsam für mehr Mittel und
für eine langfristige Orientierung kämpfen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Detlef Parr [FDP]: Vertauschte Rollen!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517225400

Das Wort hat der Kollege Detlef Parr, FDP-Fraktion.

Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1517225500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2005

befinden wir uns gerade im UNO-Jahr des Sports. Die

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(C (D ernvoraussetzungen für die Bewilligung der Projekte eitens des BMI im Rahmen dieses Jahres sind Integraion, Internationalität und Toleranz. Gerade in dieser insicht ist es wichtig, den Sport so weit wie möglich ls Brücke für internationale Integration zu nutzen, zum eispiel innerhalb der auswärtigen Kulturbeziehungen. Für viele Menschen, gerade in den ärmeren Ländern er Welt, ist die durch uns erbrachte Unterstützung leensnotwendig. Wir müssen den Bedürfnissen dieser änder entgegenkommen und damit auch weltweite Anrkennung für unsere Programme gewinnen und gegeneitiges Vertrauen aufbauen. In den nächsten Monaten ist eine Reihe von Maßnahen geplant, um uns international zu positionieren. Die eisten Maßnahmen werden im Rahmen der FußballM 2006 durchgeführt. Das Motto „Die Welt zu Gast ei Freunden“ muss mit Leben erfüllt werden. Werbung afür findet nicht zuletzt jenseits unserer nationalen renzen statt. abei ist die Nachhaltigkeit der aufgeführten Maßnahen eine wichtige Messlatte. Es bleibt zu hoffen, dass lle genannten Projekte und Vorhaben diesen Anspruch rfüllen. Die heutigen Erfolge vieler Entwicklungsländer bei nterschiedlichen Sportveranstaltungen zeigen, dass die ntwicklungszusammenarbeit nachhaltig und effektiv ewesen ist. Das ist sicherlich richtig, Herr Herrmann, uch wenn sie noch nicht ausreichend ist, wie Sie zu echt angemerkt haben. Darüber hinaus werden in Zukunft manche dieser änder Austragungsorte für Großveranstaltungen sein. ollege Hemker hat auf die übernächste Fußball-WM ingewiesen, die – sicherlich auch als eine Anerkennung ür die sportlichen Erfolge des gesamten afrikanischen ontinents – in Südafrika stattfindet. Unter diesen geänderten Rahmenbedingungen ist es ichtiger denn je, dass die Bundesrepublik international m Sport präsent ist. Das gilt für die politische Ebene, ber auch für die Ebene der internationalen Fachverände, auf der Deutschland stärker vertreten sein könnte. Die vorliegenden Anträge weisen viele Gemeinsam eiten auf. Sie erkennen die Wichtigkeit des Sports als in Mittel an, um wichtige Werte zu vermitteln. Der Anrag der CDU/CSU-Fraktion geht über diese Lyrik hiaus auf die Finanzierungsproblematik der Vorhaben in. Der Antrag der Regierungskoalition dagegen verchweigt leider, dass für die Sportförderung im Rahmen er auswärtigen Kulturpolitik nicht in dem Maße Zuendungen erfolgen, wie wir alle uns dies wünschen. uch aus diesem Grund können wir nur dem Antrag der DU/CSU zustimmen, da der darin postulierte Ansatz nseren Vorstellungen entspricht. PD und Grüne sprechen leider nur von der Bereittellung angemessener Mittel und lassen offen, ob sie Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16189 Detlef Parr darunter die internationale Sportförderung auf dem Niveau von 1998 oder auf dem gekürzten Niveau von 2003 meinen. Das findet nicht unsere Zustimmung. Erlauben Sie mir eine letzte Bemerkung zu der Rede von Reinhold Hemker. Lieber Reinhold, du hast zu Recht das Motto „Football – a work for peace“ angesprochen. Die FDP-Fraktion hat im Rahmen des UNJahres des Sports ein Projekt angemeldet, mit dem Nordkorea, Südkorea und Deutschland zusammengeführt werden sollen und über den Sport eine Brücke zur gegenseitigen Verständigung geschaffen werden soll. Ich würde mir wünschen, dass wir über die bereits beschlossenen UN-Projekte hinaus ein solches international bedeutendes Projekt auf die Beine stellen könnten, und würde mich über die Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen sehr freuen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall des Abg. Reinhold Hemker [SPD])


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517225600

Das Wort hat der Kollege Eberhard Gienger, CDU/

CSU-Fraktion.

Eberhard Gienger (CDU):
Rede ID: ID1517225700

Verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen

und Kollegen! Nicht nur im Ausland stellt der Sport ein
friedenspolitisches Instrument dar, sondern auch im
Parlament des Deutschen Bundestages eint das Thema
Sport die etablierten Parteien. Wir verfolgen das gemein-
same Ziel, Sport auch als Mittel der Konfliktprävention
und der Konfliktbewältigung im Ausland einzusetzen.
Wie schon öfter angeklungen, stellt die Finanzierung den
einzigen Streitpunkt dar.

Deutschland zählt zu den weltweit führenden Sport-
nationen und bringt auch in sportpolitischer Hinsicht
seine Erfahrungen immer wieder ein. Damit leistet
Deutschland einen wichtigen Beitrag für die Entwick-
lung des Sports innerhalb und außerhalb Europas.

Um der Verantwortung Deutschlands als Sportnation
gerecht zu werden, fordern wir die Bundesregierung auf,
die dafür erforderlichen Mittel in den Etats des Auswär-
tigen Amtes und des Bundesministeriums für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung zu erhöhen.

Mit der Regierungsübernahme von Rot-Grün wurden
die Mittel für die internationale Sportförderung konti-
nuierlich zurückgefahren. Der Etat des Auswärtigen
Amtes zur Sportförderung betrug 1998 und 1999 noch
jeweils 3,2 Millionen Euro. 2000 begann der Rückgang
auf 2,75 Millionen Euro, der sich bis 2005 fortgesetzt
hat. Lediglich 2004 wurde noch einmal das Niveau von
1998 erreicht. Noch schlimmer sieht es im Bundesminis-
terium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung aus: 1999 wurden für die Sportförderung rund
225 000 Euro eingesetzt. Im Jahr 2005 war die Förde-
rung plötzlich bei Null angelangt. – Das ist die Bilanz
der vergangenen sechs Jahre. Große Sprüche ersetzen
dabei keine finanziellen Mittel.

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(C (D Sie haben also die Mittel für die Sportförderung im ahmen der ausländischen Kulturund Entwicklungsolitik um mehr als 2 Millionen Euro gekürzt. Diese ntscheidung der Bundesregierung hat zur Folge, dass as Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenrbeit und Entwicklung die Unterstützung nationaler portmannschaften im Ausland durch deutsche Traineinnen und Trainer ganz einstellen will. Ich frage Sie, it welcher Begründung. Das trägt sicherlich nicht zum nsehen der Bundesrepublik Deutschland als Sportnaion bei und zeigt, dass die Regierung im Rahmen der uswärtigen Kulturpolitik und der Entwicklungszusamenarbeit die internationale Sportförderung nur halbherig betreibt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich frage Sie: Warum soll eine seit Jahrzehnten eta-
lierte Sportförderung im Ausland gerade in den Ent-
icklungs- und Schwellenländern sowie nicht zuletzt in
risengebieten durch eine Schmälerung der Etats der da-
ür zuständigen Ministerien gefährdet werden? Das ist,
ie ich finde, unverantwortlich; denn dem Sport und sei-
en Organisationen kommt eine herausragende Bedeu-
ung zu. Sie sind nicht nur Mittler und Botschafter, die
er Sympathiewerbung für die Bundesrepublik
eutschland dienen, sondern sie haben auch die Mög-
ichkeit, auf die internationalen Verbände Einfluss zu
ehmen.
Ich habe ebenfalls an der von Reinhold Hemker ange-

prochenen Veranstaltung am vergangenen Montag teil-
enommen und habe dabei den ehemaligen Fernsehjour-
alisten Holger Obermann getroffen, der mittlerweile
nerkannter Sportentwicklungshelfer und Fußballlehrer
n Entwicklungsländern ist. Ich habe ihn gefragt, wel-
hes das Ergebnis seines Tuns in den Entwicklungslän-
ern ist. Er hat gesagt: Das ist die beste Werbung für
eutschland


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

nd setzt obendrein enorme soziale Kräfte frei. Deswe-
en finde ich, dass die angemessene Bereitstellung von
inanziellen Mitteln zur Förderung des Sports in der
ritten Welt ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung
portlicher Strukturen und Organisationen sowie zur
ntwicklung von Trainingsmethoden und praktischer
portausübung im Ausland ist. In diesem Bereich ist die
portförderung mit dem Einsatz öffentlicher Mittel ein
eispiel für Subsidiarität, da sie in Hilfe zur Selbsthilfe
ündet.
Von herausragender Bedeutung ist, abgesehen von der

esundheitlichen Perspektive und der Stärkung der Bil-
ung, dass Sport auf internationaler Ebene Menschen
usammenführt und einen friedlichen Dialog zwischen
thnischen Gruppen bewirkt. Als Beispiel sei hier ein
ußballspiel genannt, das vor einem Jahr zwischen
sraeliten und Palästinensern durchgeführt wurde. Die
ugendlichen, die dieses Spiel bestritten haben, haben
achher, als sie interviewt wurden, gesagt, sie seien stolz
arauf, zum Aufbau des Friedens beitragen zu dürfen.

16190 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005


(A) )



(B) )


Eberhard Gienger

Daran lässt sich doch deutlich erkennen, dass der Sport
hilft, Brücken zu bauen bzw. zu schlagen, zur Erziehung
beiträgt und die Hoffnung auf einen friedvollen Umgang
miteinander nährt.

Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wie
wollen Sie die Sportförderung im Ausland als Teil der
auswärtigen Kulturpolitik stärken, was ja unser gemein-
sames Ziel ist, bzw. sogar, wie es in Ihrem Antrag steht,
ausbauen, wenn Sie gleichzeitig die Mittel dafür redu-
zieren bzw. die Förderung ganz einstellen? Das ist, wie
ich finde, nicht glaubwürdig. Trotz der schwierigen
Haushaltssituation müssen wir die Sportförderung im
Ausland auf angemessenem Niveau weiterführen. Die
Argumente dafür habe ich Ihnen bereits genannt. Unse-
ren Antrag aber hat die rot-grüne Koalition im Aus-
schuss mit der Begründung abgelehnt, dass er keine Vor-
schläge zur weiteren Vorgehensweise enthalte. Diese
Aussage erscheint mir fadenscheinig. Sie machen es sich
hier etwas zu leicht; denn erstens stehen Sie als Regie-
rung in der Verantwortung und zweitens gibt es keine
gute Regierungsarbeit, wenn Sie die Mittel einfach redu-
zieren, anstatt eine attraktive Finanzierungsmöglichkeit
zu bieten.

Auch in der Entwicklungspolitik sprechen Sie mit ge-
spaltener Zunge. Zwar haben erst vor kurzem Außen-
minister Fischer und der UN-Botschafter Pleuger gegen-
über der UN eine Erhöhung des deutschen Anteils an der
Entwicklungshilfe von 0,3 auf 0,7 Prozent des Brutto-
sozialproduktes bis 2014 zugesagt, aber Minister Eichel
hat sie wieder zurückgepfiffen. Ich kann Ihnen versi-
chern, dass sich die Sportförderung im Ausland refinan-
ziert; denn dank des Einflusses von Vertretern des
deutschen Sports im Ausland können wir Sportgroßver-
anstaltungen nach Deutschland holen, was zu positiven
ökonomischen Ergebnissen führen wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517225800

Herr Kollege, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern?


Eberhard Gienger (CDU):
Rede ID: ID1517225900

Ich komme zum Schluss, verehrte Frau Präsidentin.


(Klaus Riegert [CDU/CSU]: Aber einen ordentlichen Abgang!)


– Der Abgang folgt auf dem Fuße.
Ich möchte der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass es

beim nächsten Mal gelingen wird, einen gemeinsamen
Antrag zu formulieren. Diesem Wunsch, den Winfried
Hermann ausgesprochen hat, möchte ich beipflichten.
Ich hoffe, dass es uns in der kommenden Legislaturperi-
ode gelingt, einen solchen Antrag zu formulieren – zum
Wohle des Sports!

Schönen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1517226000

Ich schließe die Aussprache.

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1)

(C (D Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Sportauschusses auf Drucksache 15/4691. Der Ausschuss empiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Anahme des Antrags der Fraktionen der SPD und des ündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/1879 mit em Titel „Sportförderung in den auswärtigen Kulturbeiehungen ausbauen“. Wer stimmt für diese Beschlussmpfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Bechlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition ei Gegenstimmen der CDU/CSU und der FDP angeommen. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt er Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion er CDU/CSU auf Drucksache 15/2575 mit dem Titel Sportförderung des Bundes im Ausland stärken und als eil der auswärtigen Kulturpolitik begreifen“. Wer timmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenproe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist wieerum mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimen der CDU/CSU und der FDP angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Schmidt Dzembritzki, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Christa Reichard Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Undine Kurth Volker Beck der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Biologische Vielfalt schützen und zur Armutsbekämpfung und nachhaltigen Entwicklung nutzen – Drucksachen 15/4661, 15/5337 – Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar Schmidt Christa Reichard Thilo Hoppe Ulrich Heinrich Die Rednerinnen und Redner Dagmar Schmidt (Mechede)

lrich Heinrich haben ihre Reden zu Protokoll gege-
en.1)
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-

chusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
icklung auf Drucksache 15/5337 zu dem Antrag der
raktionen der SPD, der CDU/CSU und des
ündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Biologische
ielfalt schützen und zur Armutsbekämpfung und nach-
altigen Entwicklung nutzen“. Der Ausschuss empfiehlt,
en Antrag auf Drucksache 15/4661 in der Ausschuss-

Anlage 9

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16191


(A) (C)



(B) (D)


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
fassung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen
Hauses angenommen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 10 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Conny Mayer (Freiburg), Dr. Christian Ruck,
Dr. Friedbert Pflüger, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Togos Weg in die Demokratie unterstützen –
Afrikanische Union (AU) und ECOWAS beim
Engagement für Demokratie, Menschenrechte
und Rechtsstaatlichkeit unterstützen
– Drucksache 15/5324 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Die Rednerinnen und Redner Gabriele Groneberg,
Anke Eymer (Lübeck), Dr. Conny Mayer, Christian

Ströbele und Ulrich Heinrich haben ihre Reden zu Proto-
koll gegeben.1)

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 15/5324 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Freitag, den 22. April 2005, 9 Uhr,
ein.

Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, allen
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch den Besu-
cherinnen und Besuchern auf der Tribüne einen schönen
Abend.

Die Sitzung ist geschlossen.