1) Anlage 10
        Berichtigung
        171. Sitzung, Seiten IV, V und 16037, Anlagen 2 bis 4:
        „Staatsminister für Europa Hans Martin Bury“ ist durch
        „Staatssekretär Dr. Klaus Scharioth“ zu ersetzen.
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16193
        (A) )
        (B) )
        Vorlage, die zur Abstimmung steht, durchaus ehrlich be- destag. Deshalb werden wir mit Nein stimmen.
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
        Anlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Petra Pau und Dr. Gesine
        Lötzsch (beide fraktionslos) zur Abstimmung
        über den Entwurf eines Gesetzes zur Umbenen-
        nung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei
        (Tagesordnungspunkt 25 b)
        Wir stimmen gegen das Gesetz zur Umbenennung des
        BGS in Bundespolizei. Die Wandlung des BGS zur
        „Polizei des Bundes“, die hier ohne Aussprache vollzo-
        gen wird, ist keine schlichte Namensänderung. Sie ist
        aus unserer Sicht der Vollzug eines schleichenden, aber
        planmäßigen Verfassungsbruchs. Insofern wurde in der
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        Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
        Dominke, Vera CDU/CSU 21.04.2005
        Griefahn, Monika SPD 21.04.2005
        Heller, Uda Carmen
        Freia
        CDU/CSU 21.04.2005
        Letzgus, Peter CDU/CSU 21.04.2005*
        Marschewski
        (Recklinghausen),
        Erwin
        CDU/CSU 21.04.2005
        Pieper, Cornelia FDP 21.04.2005
        Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 21.04.2005
        Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 21.04.2005
        Scharping, Rudolf SPD 21.04.2005
        Teuchner, Jella SPD 21.04.2005
        Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        21.04.2005
        Vogel, Volkmar Uwe CDU/CSU 21.04.2005
        Wicklein, Andrea SPD 21.04.2005
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        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        chrieben: „Der Bundesgrenzschutz ist eine Polizei des
        undes, deren Aufgaben sich längst nicht mehr auf den
        lassischen Schutz der Grenzen beschränkt. Die beste-
        ende Bezeichnung Bundesgrenzschutz wird der tat-
        ächlichen Aufgabenvielfalt nicht mehr gerecht.“ Das
        itat belegt: Es geht nicht nur um einen neuen Namen,
        ondern vor allem darum, den Umbau des Bundesgrenz-
        chutzes zu legitimieren. Das lehnen wir ab.
        Die Forderung nach einer einheitlichen Bundespolizei
        ird seit den 70er-Jahren immer wieder erhoben. Sie
        urde ebenso oft abgelehnt, nicht zuletzt mit Verweis
        uf das Grundgesetz und die darin beschriebene Aufga-
        enteilung. Das Grundgesetz ist für Bundesinnenminis-
        er Schily aber offenbar irrelevant. In einem „Stern“-In-
        erview meinte er 2004: „Die Verfassungsväter konnten
        ich eine Bedrohung wie die durch den islamistischen
        errorismus nicht vorstellen. Damit muss ich mich be-
        assen, nicht mit der Situation vor 50 Jahren.“
        Wir stellen fest: Das Grundgesetz gilt. Wer es ändern
        ill, soll das offen fordern, begründen und um entspre-
        hende Mehrheiten werben. Das aber tut der für den
        erfassungsschutz zuständige Bundesminister nicht. Er
        gnoriert das Grundgesetz und versucht, es zu unterlau-
        en. Dagegen ist die PDS im Bundestag. Mit unserem
        ein zum aktuellen Antrag schützen wir das Grundge-
        etz erneut.
        Wir lehnen den Umbau des Bundesgrenzschutzes
        rundsätzlich ab und wir verweisen zugleich auf die weit
        eichenden Folgen, die damit verbunden sind:
        Mit der neuen Regelung werden auch verschiedene
        üstenstädte reguläres Einsatzgebiet der neuen „Polizei
        es Bundes“. Sky Marshals werden an Bord deutscher
        lugzeuge im internationalen Einsatz sein. Kurzum: Die
        m Grundgesetz aus guten Gründen nicht vorgesehene
        undespolizei erhält nach innen Befugnisse, die den
        ändern vorbehalten sind, und sie darf nach außen welt-
        eit agieren. Außerdem verfügt die neue Bundespolizei
        ber enthemmte Vollmachten. Sie darf „verdachtsunab-
        ängig“ agieren und eingreifen. Das widerspricht dem
        echtsstaatsgebot. Auch deshalb lehnen wir das Gesetz
        b.
        Schließlich: Die föderalen Strukturen der Bundes-
        epublik Deutschland, das Trennungsgebot, das Verbot
        iner Bundespolizei und andere libertäre Grundsätze ka-
        en als Lehre aus der NS-Zeit ins Grundgesetz. Ausge-
        echnet zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschis-
        us müssen wir festhalten: Demokratischen Strukturen,
        ie nach 1945 eingeführt und gefördert wurden, werden
        mmer mehr „präventiv“ geopfert. Bürgerrechte, ein ver-
        rieftes und zugleich gern hofiertes Markenzeichen der
        undesrepublik Deutschland, verwaisen.
        Dagegen ist die PDS. Dagegen ist die PDS im Bun-
        16194 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
        (A) )
        (B) )
        Anlage 3
        Erklärung
        des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) zur
        Abstimmung über die Beschlussempfehlung des
        Vermittlungsausschusses zu dem Zweiten
        Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes
        und anderer Gesetze (Zusatztagesordnungs-
        punkt 13 a)
        Ludwig Stiegler (SPD): In den abschließenden Ver-
        handlungen des Vermittlungsausschusses am 21. April
        2005 ist eine Protokollerklärung der Bundesregierung
        vereinbart worden. Diese Protokollerklärung gebe ich
        nachfolgend zur Kenntnis:
        „Die Bundesregierung erklärt sich bereit, die Ausbil-
        dungszeit bei Weiterbildungsmaßnahmen in der Alten-
        pflege mit dem Ziel einer Verkürzung auf zwei Jahre
        ernsthaft zu überprüfen.“
        Anlage 4
        Zu Protokoll gegebene Rede
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Änderung des Grundgesetzes (Art. 23) zur Ein-
        führung eines Volksentscheids über eine euro-
        päische Verfassung (Tagesordnungspunkt 10)
        Petra Pau (fraktionslos): Wir beraten heute zum wie-
        derholten Male über das Thema Volksabstimmung und
        die Änderung des Grundgesetzes. Konkret geht es da-
        rum, den Weg für eine Abstimmung über den Vertrag zur
        Europäischen Verfassung frei zu machen
        FDP und PDS wollen eine Volksabstimmung. SPD,
        die Grünen sowie die CDU/CSU sind dagegen. Dabei
        hätte alles so schön sein können; denn SPD und Bünd-
        nis 90/Die Grünen haben zu Protokoll gegeben, man
        „habe große Sympathien für das Anliegen“, Aber leider
        habe die CDU/CSU kein Angebot unterbreitet, das Ple-
        biszite grundsätzlich ermöglicht. Die CDU/CSU gab zu
        Protokoll, man hege große „Sympathie für die Idee eines
        Volksentscheides über die EU-Verfassung“. Aber das
        europapolitische Gewicht Deutschlands erfordere Bere-
        chenbarkeit und klare Verantwortlichkeit.
        Ergo: Unbändige Sympathie für mehr Demokratie,
        aber von Zuneigung keine Spur. SPD und Grüne haben
        damit ein weiteres Wahlversprechen beerdigt.
        Anlage 5
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
        Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Euro-
        päischen Parlaments und des Rates vom 4. No-
        vember 2003 betreffend den Prospekt, der beim
        öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder
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        bei deren Zulassung zum Handel zu veröffent-
        lichen ist, und zur Änderung der Richt-
        linie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umset-
        zungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 11)
        Nina Hauer (SPD): Das Prospektrichtlinie-Umset-
        ungsgesetz wird oft als Meilenstein auf dem Weg zur
        ollendung des europäischen Binnenmarktes im Wert-
        apierbereich bezeichnet. Ich meine: zu Recht.
        Was sind die Gründe hierfür? Erstens. Wir werden
        rstmalig in Europa einen echten Pass für Wertpapiere
        aben. Der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
        ungsaufsicht, der BaFin, gebilligte Prospekt wird EU-
        eit gelten. Deutsche Emittenten werden nicht nur in
        eutschland, sondern auch in allen anderen 24 Mitglied-
        taaten der Europäischen Union sowie in Island, Nor-
        egen und Liechtenstein ihre Wertpapiere anbieten kön-
        en.
        Zweitens. Die Emittenten in Deutschland genießen
        en Vorteil, dass sie nicht mehr verschiedene Stellen für
        ie Prüfung eines Prospekts anlaufen müssen. Mit der
        isherigen Zersplitterung der Zuständigkeiten für die
        rüfung von Prospekten – BaFin einerseits für öffent-
        iche Angebote, die sieben Börsenzulassungsstellen für
        örsenprospekte – wird Schluss gemacht. Die Kleinstaa-
        erei ist vorbei! Die BaFin wird zentrale Prüfungsstelle
        ür sämtliche Prospekte.
        Drittens. Bei der Sprache, in der die Prospekte abge-
        asst werden, haben wir im Finanzausschuss eine ent-
        cheidende Verbesserung vorgeschlagen. Mit einer
        invernehmlich beschlossenen Änderung wird sicherge-
        tellt, dass deutsche Emittenten den Prospekt nach ihrer
        ahl in Deutsch oder Englisch abfassen können: Die
        aFin muss einen englischsprachigen Prospekt ebenso
        rüfen wie einen deutschsprachigen Prospekt.
        Aus Gründen des Anlegerschutzes haben wir jedoch
        orgesehen, dass im Falle eines englischsprachigen
        rospekts immer eine Zusammenfassung in deutscher
        prache vorliegen muss. Der Ausgleich zwischen den
        nteressen der Emittenten einerseits und der Anleger an-
        ererseits ist gelungen.
        Viertens. Im Finanzausschuss haben wir uns zudem
        afür eingesetzt, dass das Bookbuilding-Verfahren wei-
        rhin möglich bleibt. Auch damit wird ein Gleichge-
        icht zwischen Anlegerschutz und dem Interesse des
        eutschen Finanzmarktes gewahrt. Beide Seiten wollen
        n der Beibehaltung eines international üblichen und als
        innvoll anerkannten Verfahrens zur Preisermittlung bei
        euemissionen festhalten.
        Fünftens. Schließlich haben wir Änderungen beim
        iderrufsrecht vorgenommen. Natürlich ist das Wider-
        ufsrecht ein Schutz für den Anleger. Das Widerrufsrecht
        oll aber ausdrücklich nicht auf bereits erfüllte Rechts-
        eschäfte anwendbar sein. Das gibt nicht nur den Emit-
        nten Rechtssicherheit, sondern verhindert auch die Be-
        achteiligung von Derivaten.
        Im Finanzausschuss haben wir über die Fraktions-
        renzen hinweg den Gesetzentwurf konstruktiv und
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16195
        (A) )
        (B) )
        sachlich beraten und beschlossen. Dafür bedanke ich
        mich herzlich bei meinen Kollegen und Kolleginnen.
        Wenn wir heute den Gesetzentwurf der Bundesregie-
        rung gemeinsam verabschieden, setzen wir auch ein
        Stück Tradition in der Geschichte der einvernehmlichen
        Kapitalmarktpolitik fort. Dies ist aus meiner Sicht be-
        sonders wichtig: Wir stehen mit anderen europäischen
        Finanzplätzen im Wettbewerb.
        Die Richtlinie muss bis zum 1. Juli 2005 in nationales
        Recht umgesetzt sein. Wir wollen zu den ersten zählen,
        die diese Umsetzung vollendet haben. Deutsche Emit-
        tenten und alle ausländischen Emittenten, die Deutsch-
        land als Aufnahmestaat wählen wollen, sollen frühzeitig
        Rechtssicherheit haben. Deshalb haben wir den Gesetz-
        entwurf auch zügig beraten.
        Mehr Zeit wünschen wir uns alle. Ich bin jedoch der
        festen Auffassung, dass wir den Gesetzentwurf zwar zü-
        gig, aber gründlich in den Ausschüssen und zwischen
        den Berichterstattern diskutiert haben. Im Interesse des
        Finanzplatzes Deutschland bitte ich Sie daher um eine
        breite Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzentwurf.
        Patricia Lips (CDU/CSU): Mit der Prospektricht-
        linie sollen EU-weit gleich mehrere Ziele erreicht wer-
        den: eine einheitliche Regelung der Zulassungsprospekte
        für Wertpapiere bzw. der Emissionsprospekte, eine ein-
        heitliche Prüfung – in Deutschland durch die BaFin –,
        eine Rechtsvereinfachung durch diese Harmonisierung,
        aber auch ein EU-weit gültiger Pass für einmal geneh-
        migte Prospekte. Vor allem der zuletzt genannte Punkt
        stellt uns vor die Herausforderung, die Richtlinie bei der
        Umsetzung im nationalen Gesetzgebungsverfahren nicht
        zusätzlich – wo unnötig – zu überfrachten und an den
        Stellen – wo es im Interesse unseres Finanzstandortes ist
        und im Einklang mit der Richtlinie steht – Spielräume zu
        eröffnen. Das ist der Spannungsbogen, in welchem wir
        uns befinden.
        Die Richtlinie wird grundsätzlich von allen Marktteil-
        nehmern begrüßt und auch wir schließen uns dem Ruf
        nach Harmonisierung und einer Stärkung des Finanz-
        platzes Deutschland an. Insofern ist es erfreulich, dass es
        uns gelungen ist, im Sinne des Marktes und unseres Lan-
        des den Gesetzentwurf an den entsprechenden Stellen
        ändern zu können. Lassen Sie mich dennoch einige An-
        merkungen machen:
        In den vergangenen Tagen und Wochen waren wir in
        zahllosen Gesprächen immer wieder mit Feststellungen
        konfrontiert: „Das haben wir schon immer so gemacht“,
        oder: „Das ist eine Übernahme bereits gültiger Grundla-
        gen aus anderen Gesetzen und Verordnungen.“ Wenn
        diese Regeln gut waren und dem Finanzstandort dienten,
        ist dem auch nichts entgegenzusetzen. Wo uns aber
        durch eine aktuelle Diskussion, durch ein neues Gesetz,
        Spielräume eröffnet werden, die uns zusätzliche Chan-
        cen geben, dann sollten wir diese nutzen. Wir müssen
        davon ausgehen, dass in einem Markt, der im Bereich
        der Finanzdienstleistung schon lange nicht mehr an
        Grenzen Halt macht, andere Länder diese Chancen nut-
        zen werden.
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        Bei der Bedeutung und dem Namen, den Deutschland
        n dieser Stelle genießt, und in einer Zeit, wo wir an an-
        erer Stelle sehr stark an Wirtschaftskraft und Prestige
        inbüßen, sollten unser Selbstbewusstsein und unsere
        tärken in das Gesetz einfließen können und auch bishe-
        ige Regelungen, sofern sie Vorgänge erschwerten, zu-
        indest einer Prüfung auf die Zukunft unterzogen wer-
        en können.
        Und lassen Sie mich anmerken: Nicht nur der Stärke
        es Finanzplatzes, auch dem Anlegerschutz in Deutsch-
        and ist nicht gedient, wenn künftig auf Basis der für alle
        ültigen Richtlinie Prospekte unter bestimmten Bedin-
        ungen im Ausland genehmigt werden können, da es
        ort durch die nationale Umsetzung im Detail für den
        mittenten unkomplizierter vonstatten geht, und diese
        ann auf diesem Wege auf den deutschen Markt quasi
        urückkommen.
        Trotz dieser genannten Selbstverständlichkeiten ha-
        en wir sehr viel Zeit darauf verwendet, den ursprüngli-
        hen Gesetzentwurf der Deutschen Bundesregierung von
        usätzlichen Beschwernissen zu befreien, bisher gute
        egeln wieder reinzuschreiben und in Teilen auf Richt-
        inien-Niveau zurückzuführen.
        Staatssekretärin Hendricks hat am gestrigen Tag im
        inanzausschuss ihre Freude über das Ergebnis der Ver-
        andlungen mit den Worten zum Ausdruck gebracht:
        Das Gesetz (des Bundesministeriums der Finanzen)
        urde deutlich verbessert.“ Wenn man dies im Um-
        ehrschluss versteht, dann bedeutet dies nichts anderes,
        ls dass die Bundesregierung sich nicht in der Lage sah,
        inen Gesetzentwurf in die parlamentarische Debatte
        inzubringen, von dem sie selbst überzeugt war, dass er
        chon von vornherein gut ist und es eigentlich nichts zu
        erbessern gibt. Es bedeutet darüber hinaus, dass es
        urchaus von Vorteil ist, zusätzlich zu den Sachverstän-
        igen der Branche auch noch einen Bundesrat und eine
        pposition im Deutschen Bundestag zu haben, die letzt-
        ndlich zu diesen „Verbesserungen“ beigetragen haben
        üssen – folgt man den Worten der Staatssekretärin.
        Ein ganzer Katalog von Einzelpunkten konnte im Ge-
        etzentwurf geändert werden: inhaltlich oder redaktio-
        ell. Sehr viele dienten der Rechtssicherheit der Markt-
        eilnehmer, wohlgemerkt: für Emittenten wie auch für
        nleger. Diese Änderungen wurden von der gesamten
        ranche in großer Geschlossenheit – zuletzt im Rahmen
        iner öffentlichen Anhörung vergangene Woche – vorge-
        racht. Im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen ha-
        en dabei vor allem zwei Punkte die Öffentlichkeit in
        ufregung versetzt: die geplante Aufhebung des bisher
        ültigen Book-Building-Verfahrens und die Sprachrege-
        ung, beides Punkte, die am Ende sehr schnell korrigiert
        erden konnten oder bei welchen beschwichtigt wurde.
        ber: Die Diskussion auch bei den anderen Themen
        urde dadurch nicht einfacher.
        Die Tatsache, dass am Beispiel Book-Building offen-
        ichtlich noch nicht einmal im vollen Bewusstsein
        dann wäre es politisch noch verständlich –, sondern
        iel eher redaktionell eine unüberlegte Formulierung in
        en Gesetzentwurf kam, führte dazu, dass in Folge nun
        edes Wort tatsächlich auf den Prüfstand kam. Bei der
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        Sprachregelung schloss man sich dem Formulierungs-
        vorschlag des Bundesrates an, die Bestätigung in Wort
        und Schrift erhielten wir jedoch erst Ende vergangener
        Woche. Einige hätten sich eine noch weiter gehende Fle-
        xibilisierung zur Sprache gewünscht. Aber einem Kom-
        promiss – und am Ende ist es dies immer – kann diese
        Formulierung gerecht werden.
        An dieser Stelle möchte ich, wie schon im Ausschuss,
        darauf hinweisen, dass der Druck, inhaltlich wie zeitlich,
        auch uns als Parlamentarier in den Beratungen beträcht-
        lich beschwerte. Ein schmaler Beratungskorridor ließ
        Zeit für die wesentlichen Punkte, obgleich im Detail
        vielleicht weiteres wünschenswert gewesen wäre. Inso-
        fern werden wir die anschließenden Beratungen im Bun-
        desrat wohlwollend begleiten. Einen Gesetzentwurf in
        dieser Tragweite nur gut zwei Monate vor In-Kraft-Tre-
        ten derart durch die Gremien zu schleusen, obgleich die
        allermeisten Punkte bereits seit Wochen und Monaten im
        Ministerium bekannt waren, trägt nicht unbedingt zu
        größtmöglicher Sorgfalt bei.
        Es war am Ende der Abwägungsprozess zwischen ne-
        gativen Signalen an den Markt durch eine unerwartete
        Verzögerung und der Tatsache, dass wesentliche Punkte
        dann doch abgehandelt werden konnten, die uns dazu
        bewogen haben, dem Gesetzentwurf mit den Änderun-
        gen zuzustimmen. Nach Rücksprache mit den Marktteil-
        nehmern ist für die allermeisten nun auch ein Umgang
        mit dem Gesetz möglich. Ich komme jedoch noch ein-
        mal an einer Stelle darauf zu sprechen.
        In einer Pressemitteilung im Januar dieses Jahres ließ
        Jochen Sanio für die Bafin verkünden: Die Prospekt-
        richtlinie sei der härteste europäische Regulierungsham-
        mer, der in diesem Jahr auf seine Behörde niedersausen
        werde. Die Wortwahl allein lässt natürlich aufmerken.
        Deutschland hatte aufgrund seiner bisherigen Genehmi-
        gungsstruktur und der doch sehr großen Änderung eine
        Ausnahmeregelung erhalten, die einen Übergangszeit-
        raum zuließ. Auch hier ist die Zeit und sind die Vorberei-
        tungen auf den l. Juli hin zu weit fortgeschritten, als dass
        eine Inanspruchnahme nochmals thematisiert worden
        wäre, unabhängig von den Forderungen der Bund/Län-
        der-Arbeitsgruppe. Dennoch war es uns wichtig, dass
        seitens des Finanzministeriums in der Ausschusssitzung
        die Bestätigung eines reibungslosen Überganges an die
        BaFin nochmals protokolliert werden konnte. Es darf am
        Ende an dieser Stelle nicht zu unerwarteten Schwierig-
        keiten kommen.
        Ich möchte nicht jeden einzelnen Punkt nochmals im
        Detail erläutern. Neben Book-Building und Sprachenre-
        gelung konnten Änderungen im Zusammenhang mit
        Doppelprüfungen, Handelsregistereintragungen, Rah-
        menzulassungen, darüber hinaus bei der Klarstellung
        von öffentlichen Angeboten, der Nachtragspflicht und in
        Folge des Widerrufsrechtes erreicht werden. Wenigstens
        an einer Stelle konnte beim zuletzt genannten Punkt da-
        mit sichergestellt werden, dass abgeschlossene Vorgänge
        wie bereits in der Vergangenheit nicht rück-abgewickelt
        werden können. Dies ist in bestimmten Bereichen wie
        dem Derivateverkehr schon allein technisch ein fast un-
        überwindliches Problem. Der Handel mit Wertpapieren
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        nd die Rechtsfolgen aus einem „Haustürgeschäft“ sind
        un einmal nicht miteinander vergleichbar.
        Die Richtlinie, die eine Maximalharmonisierung bei
        llen Ländern anstrebt, nimmt wenig Rücksicht auf be-
        ondere, individuelle Marktbesonderheiten der Mitglied-
        taaten. Kann sie auch nicht. Dennoch wären deutlichere
        erweise darauf, dass die im nationalen Gesetz letztend-
        ich verankerten Regelungen für alle Wertpapiere und
        amit ausdrücklich auch für den eher nur für uns typi-
        chen Derivatemarkt Gültigkeit haben, erstrebenswert.
        ies würde zu einer größeren Rechtssicherheit für dieses
        arktsegment führen, welches eine unbestreitbar wach-
        ende Bedeutung hat.
        Wir beschließen heute vor dem Hintergrund von
        ündlichen Beteuerungen und Hinweisen in Gesetzes-
        egründungen. Deshalb sage ich auch heute noch
        inmal, dass wir die Entwicklung in diesem Bereich
        eobachten werden und uns bei Bedarf eine Nachbe-
        rachtung vorbehalten. Es darf am Ende zu keiner Unter-
        cheidung kommen, was den organisierten Handel im
        erhältnis zum Freiverkehr angeht.
        Es bleibt für die betroffenen Kolleginnen und Kolle-
        en anzumerken, dass die Gespräche nicht von Konfron-
        ation begleitet waren und am Ende in vielerlei Hinsicht
        n einem Strang gezogen wurde. Es musste für uns alle
        on elementarem Interesse sein, handwerkliche Fehler
        urch Zeitdruck zu vermeiden wie auch ein Gesetz zu
        erabschieden, dass den Finanzstandort mit einem Si-
        nal auch über die eigenen Grenzen hinaus unterstützt.
        Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        as Gesetz zur Umsetzung der europäischen Prospekt-
        ichtlinie, welches wir heute debattieren, räumt aus mei-
        er Sicht mit einigen Vorurteilen auf. So zum einen mit
        er Annahme, dass unter den Bundestagsfraktionen eine
        onstruktive Zusammenarbeit unmöglich ist und schon
        eshalb keine vernünftigen Gesetze mehr verabschiedet
        erden. Die einheitliche Beschlussempfehlung beweist
        ingegen, dass man bei gemeinsamen Anstrengungen
        urchaus zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann.
        n dieser Stelle möchte ich mich deshalb bei allen Be-
        eiligten für die konstruktive und zielorientierte Zusam-
        enarbeit bedanken.
        Das vorliegende Gesetz bestätigt vor allem, dass die
        chaffung eines wettbewerbsfähigen gesetzlichen Rah-
        ens für den Finanzstandort Deutschland auch bei
        erücksichtigung der Interessen des Anlegerschutzes
        öglich ist, sich die beiden Aspekte keineswegs aus-
        chließen.
        Diese Feststellung ist für uns Grüne besonders wich-
        ig und motiviert uns, im Bereich der Finanzpolitik auch
        ünftig auf die Durchsetzung des Verbraucherschutzes
        u drängen.
        Durch das neue Gesetz wird unter anderem geregelt,
        ass Wertpapierprospekte eine Zusammenfassung und
        udem in deutscher Sprache enthalten müssen. Damit
        önnen sich in Zukunft alle Anleger, also auch solche,
        ie nicht so sehr mit dem Jargon der Finanzwelt vertraut
        ind, in kurzer, allgemein verständlicher Form über die
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16197
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        Chancen und Risiken eines Wertpapiers informieren.
        Von wesentlicher Bedeutung ist auch, dass falsche, irre-
        führende oder widersprüchliche Informationen, die in
        der Zusammenfassung veröffentlicht werden, zu einer
        Haftung führen. Somit wird gewährleistet, dass sich der
        Kleinanleger auch ohne Berater die wesentlichen Infor-
        mationen über eine Anlagemöglichkeit beschaffen und
        darauf vertrauen kann. Dadurch wird die derzeitige Si-
        tuation entscheidend verbessert, denn heute muss die
        überwiegende Anzahl der Bürger den Angaben Dritter
        vertrauen, ohne eine reelle Chance zu haben, diese An-
        gaben verifizieren zu können.
        Wesentliche Grundlage für die Vereinbarkeit von effi-
        zienten gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anleger-
        schutz ist die hiesige Finanzdienstleistungsaufsicht. Mit
        dem Prospektrichtlinien-Umsetzungsgesetz wird die al-
        leinige Kompetenz der Prospektprüfung auf die BaFin
        übertragen. Dies ist eine deutliche Verbesserung, denn
        bislang existiert noch die Differenzierung der Prospekte
        danach, ob ein öffentliches Angebot oder eine Börsenzu-
        lassung der Wertpapiere erfolgen soll. Davon ist dann
        die Zuständigkeit der BaFin bzw. der Zulassungsstellen
        der einzelnen Börsen abhängig. Indem die Zulassungs-
        befugnis nun bei der BaFin gebündelt wird, trägt dieses
        Gesetz durch Regelungsvereinfachung sowohl dem An-
        legerschutz als auch der weiteren Stabilisierung der Fi-
        nanzwirtschaft Rechnung.
        Die hohe Qualität der Finanzdienstleistungsaufsicht
        durch die BaFin ist im internationalen Wettbewerb zu ei-
        nem zentralen Standortfaktor für den Finanzplatz
        Deutschland geworden. Eine effiziente Aufsicht gewähr-
        leistet Vertrauen in den Standort und die dort angebote-
        nen Produkte. Ohne dieses Vertrauen würden Kapital,
        Investitionen und Arbeitsplätze aus Deutschland abgezo-
        gen werden.
        Wir Grünen begrüßen ausdrücklich, dass mit dem
        konkreten Gesetz ein weiterer Meilenstein auf dem Weg
        zur Implementierung des Anleger- und Verbraucher-
        schutzgedankens im Finanzmarkt erreicht wird. Wir ha-
        ben immer dafür geworben, einen Ausgleich zwischen
        den Interessen der Kleinanleger und der Hauptakteure
        auf dem Finanzmarkt zu schaffen. Dass sich diese Ein-
        sicht zunehmend durchsetzt, freut uns natürlich beson-
        ders. Gleichzeitig haben wir uns aber auch dafür einge-
        setzt, Spielräume, die uns bei der Umsetzung der EU-
        Richtlinie noch geblieben sind, zu nutzen, um die Posi-
        tion des Finanzplatzes Deutschland im europäischen
        Wettbewerb zu erhalten und weiter auszubauen. So be-
        fürworten auch wir die marktnahe Preisfindung im Rah-
        men des Bookbuilding-Verfahrens. Ebenso begrüßen wir
        die flexible Auslegung der Sprachenregelung, wie sie in
        der nun vorliegenden Gesetzesfassung verankert ist.
        Schließlich haben wir in der heftig diskutierten Frage
        des Widerrufsrechts bei Nachträgen eine Lösung gefun-
        den, die den Interessen aller Beteiligten gerecht wird.
        Mit diesem Gesetz wird nicht nur einfach eine EU-
        Richtlinie umgesetzt, sondern, das möchte ich abschlie-
        ßend noch einmal betonen, es wird eine Regelung ge-
        schaffen, die den Finanzplatz Deutschland stärkt und
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        azu beitragen wird, Arbeitsplätze und Wertschöpfung
        n Deutschland zu sichern.
        Dr. Volker Wissing (FDP): Manchmal ist es bei
        omplexen Sachverhalten einfacher eine Entscheidung
        erbeizuführen als bei einfachen. Das Prospektrichtlinie-
        msetzungsgesetz ist ein Beispiel dafür. Allein schon
        er Begriff ist ein Aufmerksamkeitskiller – und damit
        arant für eine sachliche Auseinandersetzung.
        Wir haben zusammen beraten, zusammen beschlossen
        nd zusammen abgestimmt. Ich möchte mich deshalb an
        ieser Stelle ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kol-
        egen der anderen Fraktionen sowie dem Bundesministe-
        ium der Finanzen für die sachliche und konstruktive Zu-
        ammenarbeit bedanken. Es kommt nicht oft vor, dass
        an dazu Gelegenheit hat.
        Gemeinsam haben wir versucht, den Anliegen aller
        on dem Gesetzentwurf Betroffenen gerecht zu werden.
        er Finanzstandort Deutschland sollte gestärkt, der
        chutz der Anleger gewährleistet und die Arbeitsplätze
        m Bankengewerbe sollten gesichert werden. Der vorlie-
        ende Gesetzentwurf wird meines Erachtens all diesen
        nforderungen gerecht.
        Der Finanzstandort Deutschland wird gestärkt, indem
        ir die Rückabwicklung von Derivatengeschäften ein-
        chränken. Diese Möglichkeit bestand ohnehin nur auf
        em Papier und wäre in der Praxis für die Unternehmen
        aum zu bewerkstelligen. Die Konsequenz wäre gewe-
        en: Die Unternehmen hätten ihre Produkte in den Län-
        ern angeboten, in denen es diese Pflicht nicht gibt.
        urch diese Entscheidung wird nicht die Position der
        nleger geschwächt, sondern Rechtsklarheit geschaffen.
        uch in Zukunft sind Anleger gegen falsche Angaben in
        rospekten geschützt. Nur die Möglichkeit des Wider-
        ufs nach Lieferung der Wertpapiere gibt es jetzt ein-
        eutig nicht. Dafür gibt es jetzt aber Rechtssicherheit
        nd -klarheit bei allen Beteiligten.
        Die FDP begrüßt, dass es künftig nur noch eine für
        ie Prüfung von Wertpapierprospekten zuständige Stelle
        ibt. Damit wurde der bestehende Kompetenzwirrwarr
        ei der Prüfung von Verkaufsprospekten einerseits und
        er Börsenzulassungsprospekte andererseits abgeschafft.
        ünftig gibt es nicht mehr sieben oder mehr zuständige
        tellen, sondern nur noch eine: die Bundesanstalt für
        inanzdienstleistungsaufsicht. Das schafft Transparenz
        nd damit Vertrauen bei Anlegern und Emittenten. Wir
        eisten damit auch einen Beitrag zum Bürokratieabbau.
        Ein weiterer Beitrag zu einem verbesserten Anleger-
        chutz ist die Beschränkung der Gültigkeit von Wertpa-
        ierprospekten auf ein Jahr. Damit ist die Aktualität der
        ngaben gewährleistet. Die Anleger können damit bei
        hrer Investitionsentscheidung auf aktuelle Angaben zu-
        ückgreifen. Sie haben durch die Einführung der Einjah-
        esfrist die Gewährleistung, dass die Informationen in
        em Prospekt aktuell sind und der Realität entsprechen.
        Gemeinsam haben wir heute den Finanzstandort
        eutschland gestärkt, ohne die Position der Anleger zu
        chwächen. Wir haben damit nicht nur Rechtsklarheit
        nd -sicherheit geschaffen, sondern auch Arbeitsplätze
        16198 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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        im Finanzgewerbe gesichert. Gemeinsam haben wir
        heute dazu beigetragen, den Finanzstandort Deutschland
        fit zu machen, fit für die Zukunft, fit für Europa, fit für
        den internationalen Wettbewerb.
        Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
        Bundesminister der Finanzen: Beginnen möchte ich mit
        einem Dank an die Berichterstatter für die von ihnen ge-
        leistete gute Arbeit.
        Fraktionsübergreifend ist ein solider und fundierter
        Regierungsentwurf im Detail ausgeformt worden. Mei-
        nen Dank möchte ich auch den Mitgliedern der Aus-
        schüsse für ihre konstruktive Mitarbeit aussprechen. Die
        einvernehmlichen und fraktionsübergreifenden Be-
        schlussempfehlungen zeigen, dass wir ein gemeinsames
        Ziel verfolgen: die Stärkung des Finanzplatzes Deutsch-
        land.
        Zu den Kernpunkten des Prospektrichtlinie-Umset-
        zungsgesetzes:
        Erstens. EU-Pass für Prospekte. Das Prospektrichtli-
        nie-Umsetzungsgesetz wird mit Fug und Recht als Mei-
        lenstein auf dem Weg zur Vollendung des europäischen
        Binnenmarktes im Wertpapierbereich bezeichnet. Der
        Grund hierfür liegt in Folgendem:
        Ab 1. Juli 2005 werden wir erstmalig einen echten
        EU-Pass für Wertpapierprospekte haben. Deutsche Emit-
        tenten werden nach der Genehmigung ihrer Prospekte
        durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
        sicht, BaFin, ihre Prospekte für den europaweiten Ver-
        trieb ihrer Wertpapiere nutzen. Der mühselige Gang zu
        einer Vielzahl von Prospektprüfungsstellen gehört damit
        der Vergangenheit an. Deutsche Anleger werden aus ei-
        ner Vielzahl in- und ausländischer Produkte das für sie
        geeignete Wertpapier auswählen können.
        Zweitens. BaFin als zentrale Prospektprüfungsstelle.
        Ab 1. Juli 2005 wird es nur einen einheitlichen Wertpa-
        pierprospekt geben. Für die Prüfung dieses Wertpapier-
        prospekts wird allein die BaFin zuständig sein. Die bis-
        herige Zersplitterung der Zuständigkeiten für die
        Prüfung der Verkaufsprospekte, bisher BaFin, und der
        Börsenzulassungsprospekte, bisher Börsenzulassungs-
        stelle, entfällt.
        Die Vorbereitungen in der BaFin auf diese neue Auf-
        gabe sind auf einem guten Weg. Eine neue Gruppe
        „Prospekt“ ist seit dem 1. Januar dieses Jahres eingerich-
        tet worden. Die BaFin wird kurzfristig noch erfahrene
        Fachkräfte zur Verstärkung gewinnen. Die Kontakte mit
        den Emittenten – aber auch mit den Börsenzulassungs-
        stellen – werden gepflegt, um einen reibungslosen Über-
        gang zu gewährleisten.
        Drittens. Beschlussempfehlung des federführenden
        Finanzausschusses: Entscheidende Verbesserung beim
        Sprachenregime. Im Zuge der Berichterstattergespräche
        ist das neue Wertpapierprospektgesetz weiter verbessert
        worden. Bei der Sprache des Prospekts hat der Finanz-
        ausschuss ein klares Zeichen gesetzt: Bei grenzüber-
        schreitenden Emissionen können die Emittenten frei
        wählen, ob sie den Prospekt in Deutsch oder in einer in
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        ternationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache
        also Englisch – erstellen wollen. Sie können sich nun-
        ehr sicher sein, dass die BaFin auch einen englisch-
        prachigen Prospekt prüft. Diese Entscheidung ist nicht
        das Ermessen der BaFin gestellt. Dies erhöht die Pla-
        ungssicherheit für die Emittenten. Eine kostspielige
        oppelerstellung des Prospekts in Deutsch und Englisch
        rübrigt sich. Diese im Finanzausschuss einvernehmlich
        orgenommene Änderung erhöht die internationale At-
        aktivität des Finanzplatzes Deutschland.
        Die Erleichterung für Emittenten geht einher mit ei-
        er Sicherstellung des Anlegerschutzes. Denn ein Pros-
        ekt in englischer Sprache muss immer eine Überset-
        ung der Zusammenfassung in Deutsch enthalten.
        Ziel ist die fraktionsübergreifende Verabschiedung
        es Gesetzentwurfs entsprechend der Beschlussempfeh-
        ng der Ausschüsse. Ich hoffe daher, dass der Bundes-
        g diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung frak-
        onsübergreifend verabschieden wird. Damit dürfte
        eutschland zu den ersten Ländern in der EU zählen,
        eren Parlamente diese entscheidende EU-Richtlinie
        ebilligt haben. Ein zeitgerechtes In-Kraft-Treten des
        rospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes erhöht die At-
        aktivität des Finanzplatzes Deutschland und gibt den
        mittenten – wie bereits ausgeführt – die benötigte Pla-
        ungssicherheit.
        Emittenten von Schuldverschreibungen ab 1 000 Euro
        nd Derivaten haben künftig ein Wahlrecht, in welchem
        itgliedstaat der Europäischen Union sie ihren Prospekt
        enehmigen lassen wollen. Unsere Mitbewerber stehen
        benfalls in den Startlöchern. Deshalb möchte ich bereits
        eute die Bitte an die Adresse des Bundesrates richten,
        seiner Sitzung am 27. Mai seine Zustimmung zum
        esetz zu geben.
        nlage 6
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Entwurfs eines Neunten Ge-
        setzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes (Ta-
        gesordnungspunkt 13)
        Wolfgang Spanier (SPD): Wir entscheiden heute
        ber das Neunte Gesetz zur Änderung des Wohngeldge-
        etzes. Wir regeln damit die wohngeldrechtliche Ein-
        ommensermittlung von Heimbewohnern, die Sozial-
        ilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem
        undessozialhilfegesetz erhalten haben.
        Der Wille des Gesetzgebers war es 1999, dass die
        ilfe in besonderen Lebenslagen bei der Berechnung des
        ohngeldes als Einkommen angerechnet wird. Das
        undesverwaltungsgericht hat im Jahre 2004 in einem
        rteil festgestellt, das diese Regelung in der Wohngeld-
        erordnung nicht durch eine Ermächtigung im Wohn-
        eldgesetz gedeckt gewesen ist. Diese Klarstellung er-
        olgt nun mit dieser Gesetzesänderung. Das Gesetz
        egelt dies rückwirkend für die Jahre 2001 bis 2004. Die
        echtliche Möglichkeit der Rückwirkung wird in der Be-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16199
        (A) )
        (B) )
        gründung des Gesetzes ausführlich erläutert. Wir gehen
        davon aus, dass diese Begründung stichhaltig ist.
        Ich habe bereits in der ersten Lesung des Gesetzes
        ausführlich erläutert, dass durch die bisher angewandte
        Berechnungspraxis die Betroffenen nicht schlechter ge-
        stellt und damit nicht benachteiligt werden. Zunächst
        wird der Bedarf festgestellt. Die Leistungen von Hilfe in
        besonderen Lebenslagen und von Wohngeld verhalten
        sich zueinander wie zwei kommunizierende Röhren.
        Grundsätzlich steigt oder fällt nämlich die Hilfe in be-
        sonderen Lebenslagen im gleichem Maße, wie das
        Wohngeld fällt oder steigt. Für die betroffenen Men-
        schen, die Hilfe in besonderen Lebenslagen bekommen,
        ist also durch die bisherige Praxis der Einkommenser-
        mittlung, die übrigens von Bund und Ländern gleicher-
        maßen akzeptiert worden ist, kein finanzieller Nachteil
        entstanden. Sollte dies in Ausnahmefällen dennoch der
        Fall sein, sieht der jetzige Gesetzentwurf einen Nach-
        teilsausgleich vor.
        Ein finanzieller Nachteil entsteht aber nur in ganz
        speziellen Fällen, deren Zahl sehr gering sein dürfte,
        deshalb werden die Mehrausgaben auch nur auf bis zu
        75 Millionen Euro geschätzt, die dann von Bund und
        Ländern je zur Hälfte zu tragen sind. Ein solcher Fall
        kann vorliegen, wenn zum Beispiel ein unterhaltspflich-
        tiges Kind die Sozialhilfezahlungen für die Mutter, die
        im Heim lebt, in voller Höhe selbst übernommen hat.
        Dann hat dieser Unterhaltspflichtige zu viel gezahlt, weil
        das Wohngeld zu gering berechnet wurde. Diese Diffe-
        renz müsste dem Unterhaltspflichtigen erstattet werden.
        Wäre die Gesetzesänderung nicht rückwirkend, würden
        auf Bund und Länder etwa 800 Millionen Euro an Mehr-
        kosten zukommen, die sich Bund und Länder je zur
        Hälfte teilen müssten. Für die betroffenen Heimbewoh-
        ner ergäbe sich rückwirkend keine Änderung.
        Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Februar
        beschlossen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwände
        zu erheben. Dem Ausschuss für Verkehr, Bau- und Woh-
        nungswesen liegt eine Stellungnahme der Bundesverei-
        nigung der kommunalen Spitzenverbände vor. Darin
        wird der Gesetzentwurf abgelehnt. Die kommunalen
        Spitzenverbände sehen im Gesetz eine ungerechtfertigte
        Verschiebung der Finanzierungslast auf die Kommunen
        als Sozialhilfeträger. Es geht aber nicht um eine Mehrbe-
        lastung der Kommunen, sondern darum, dass die Betrof-
        fenen wie auch die Sozialhilfeträger nicht mit Erstat-
        tungsansprüchen rechnen konnten. In einheitlicher
        Auslegung und Praxis wurde eben die Hilfe zum Le-
        bensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz in be-
        stimmtem Umfang als wohngeldrechtliches Einkommen
        angerechnet. Die kommunalen Spitzenverbände argu-
        mentieren, dass der Wille des Gesetzgebers fraglich sei.
        Der Wille des Gesetzgebers war und ist klar, der ur-
        sprüngliche Wille wird im Gesetz eindeutig klargestellt.
        Es wird auch die Rückwirkung des Gesetzes infrage ge-
        stellt. Ich habe bereits darauf verwiesen, dass dieses im
        Gesetz sehr eingehend begründet wird.
        Ich fasse zusammen: Aus den genannten Gründen
        konnten wir den Einwänden der kommunalen Spitzen-
        verbände nicht folgen. Der Fachausschuss hat mit den
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        timmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP
        em Gesetzentwurf zugestimmt. Ich bitte Sie, auch in
        er abschließenden Lesung im Deutschen Bundestag,
        ieses Gesetz zu verabschieden.
        Gero Storjohann (CDU/CSU): Entgegen dem fach-
        ichen Rat vieler Experten soll heute das Neunte Gesetz
        ur Änderung des Wohngeldgesetzes verabschiedet wer-
        en. Damit soll ein Fehler in der Gesetzgebung von Rot-
        rün beseitigt werden. Die Bundesregierung will durch
        en vorliegenden Gesetzentwurf für 2001 bis 2004 rück-
        irkend für das Wohngeld die Einkommensermittlung
        on Heimbewohnern regeln. Dabei geht es um Heimbe-
        ohner, die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem
        undessozialhilfegesetz erhalten haben. Das Bundesver-
        altungsgericht hat nämlich in einem Urteil vom 11. De-
        ember 2003 festgestellt, dass diese in den Jahren 2001
        is 2004 gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen
        ach dem Bundessozialhilfegesetz wohngeldrechtlich
        ein Einkommen ist. Genau dies aber wurde durch die
        999 beschlossene Änderung des Wohngeldgesetzes so
        eregelt.
        Ähnlich wie aktuell bei der Besteuerung von Reise-
        obilen hat Rot-Grün damals nicht zu Ende gedacht.
        ir haben es also wieder einmal mit handwerklichen
        ehlern und Gesetzespfusch von Rot-Grün zu tun. Diese
        nzulänglichkeiten sollen nun durch den vorliegenden
        esetzentwurf wieder behoben werden,
        Das Schlimme daran ist, dass dies auf dem Rücken der
        ommunen geschehen soll; denn durch den Gesetzent-
        urf kämen erhebliche finanzielle Belastungen auf die
        ommunen zu. Diese sind die Träger der Sozialhilfe. Ih-
        en standen nach dem Gesetzentwurf von 1999 erwartete
        ohngeldmehrausgaben für Bund und Länder in Höhe
        on 800 Millionen Euro zu. Dieses Geld sollten die
        ommunen größtenteils über Erstattungsansprüche und
        bergeleitete Ansprüche erhalten. Diese den Kommunen
        ustehende Rechtsposition soll durch den vorliegenden
        esetzentwurf ausgeschlossen werden. Die vom Bundes-
        erwaltungsgericht festgestellte eindeutige Rechtssitua-
        ion würde damit zulasten der Sozialhilfeträger geändert
        erden. Bund und Länder, die für das Wohngeld zustän-
        ig sind, würden sich von ihrer Verpflichtung zur Leis-
        ung entlasten. Genau diese Leistungsverpflichtung ist
        edoch vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt wor-
        en.
        Im Ergebnis bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf
        ine ungerechtfertigte Verschiebung der Finanzierungs-
        ast von Bund und Ländern auf die Kommunen. Die
        DU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag lehnt den
        esetzentwurf daher entschieden ab!
        Ein weiterer Grund für unsere Ablehnung ist die im
        esetzentwurf vorgesehene echte Rückwirkung. Als Ar-
        ument für diese Rückwirkung führt die Bundesregie-
        ung in der Begründung des Gesetzentwurfes aus, dass
        in Vertrauensschutz nicht gegeben sei. Die betroffenen
        ohngeldempfänger hätten nicht damit rechnen können,
        öhere Wohngeldansprüche zu haben. Das sei vor dem
        rteil des Bundesverwaltungsgerichts einhellige Geset-
        esauslegung und Praxis gewesen. Die Rückwirkung sei
        16200 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
        (A) )
        (B) )
        daher zulässig. Tatsächlich hat es jedoch bereits 2002
        zahlreiche Widersprüche gegen die Anrechnung der
        Hilfe in besonderen Lebenslagen gegeben. Diese Wider-
        sprüche bezogen sich auf die damalige Verwaltungspra-
        xis. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte
        jedoch erst im Dezember 2003. Schon lange zeitlich da-
        vor haben also die betroffenen Empfänger aufgrund des
        Gesetzeswortlauts mit höheren Wohngeldansprüchen ge-
        rechnet. Das notwendige Vertrauen in den Fortbestand
        der jetzt existierenden gesetzlichen Regelung liegt nach
        Auffassung unserer Fraktion daher hier vor. Das Rechts-
        staatsprinzip sieht ein Verbot rückwirkender Gesetze
        vor. Dieses Verbot ist nach Auffassung der CDU/CSU-
        Bundestagsfraktion aufgrund des Vertrauensschutzes
        hier gegeben. Auch deswegen lehnen wir Ihren Gesetz-
        entwurf ab!
        Ihr Gesetzentwurf sieht einen Nachteilsausgleich für
        die betroffenen Empfänger der Hilfe in besonderen Le-
        benslagen und private Dritte vor. Dieser mit Rücksicht
        auf das Rückwirkungsverbot vorgesehene Nachteilsaus-
        gleich ist jedoch überhaupt nicht ausreichend. Warum ist
        dies so? Die Empfänger von Hilfe in besonderen Le-
        benslagen wurden durch die fehlerhafte Einkommensbe-
        rechnung vielfach nicht benachteiligt. Die an sie ausge-
        zahlten niedrigeren Wohngeldzahlungen wurden durch
        entsprechend höhere Leistungen der Hilfe in besonderen
        Lebenslagen ausgeglichen. Insofern sind von der rück-
        wirkenden Gesetzesänderung im Wesentlichen die Sozial-
        hilfeträger betroffen. Im Gesetzentwurf ist in diesem Zu-
        sammenhang von den „Trägern öffentlicher Aufgaben“
        die Rede. Das klingt schön und gut. Jedoch wird hier-
        durch die unterschiedliche Verantwortung für die Finan-
        zierung von Wohngeld und Sozialhilfeleistungen nicht
        beachtet. Durch den Gesetzentwurf werden die Kommu-
        nen belastet, die Haushalte von Bund und Ländern je-
        doch entlastet.
        Fazit: Der vorliegende Gesetzentwurf belastet durch,
        seine Rückwirkung die Kommunen als Träger der So-
        zialhilfe. Er belastet die Empfänger der Hilfe in beson-
        deren Lebenslagen. Und er belastet private Dritte. Für
        alle Genannten werden bereits erlangte Rechtspositionen
        infrage gestellt. Alle sind von der Rückwirkung des Ge-
        setzes daher nachteilig betroffen. Die CDU/CSU-Frak-
        tion im Deutschen Bundestag wird den Gesetzentwurf
        der Bundesregierung zur Änderung des Wohngeldgeset-
        zes daher ablehnen.
        Renate Blank (CDU/CSU): Wohngeld dient der
        wirtschaftlichen Sicherung von angemessenem und fa-
        miliengerechtem Wohnen und ist ein vom Bund und den
        Ländern getragener Zuschuss zu den Aufwendungen für
        Wohnraum und soll all jenen Bürgerinnen und Bürgern
        helfen, deren Einkommen nicht ausreicht, um die Kosten
        einer angemessenen Wohnung zu tragen.
        Die verfehlte Steuer- und Arbeitsmarktpolitik der
        Bundesregierung hat dazu geführt, dass leider immer
        mehr Menschen in Deutschland auf Wohngeld angewie-
        sen sind! Zur Erinnerung: Der vorliegende Gesetzent-
        wurf ist durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
        veranlasst und stellt einen herben Schlag gegen die
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        chlampige, handwerklich fehlerhafte und inhaltlich un-
        erechte Sozialgesetzgebung der Bundesregierung dar.
        Diesen Hintergrund muss man im Auge haben, wenn
        ir heute in zweiter und dritter Lesung den Gesetzent-
        urf der Bundesregierung zur Änderung des Wohngeld-
        esetzes abschließend beraten.
        Für mich ist der Entwurf der Bundesregierung ein
        usterbeispiel für sture rot-grüne Politik nach dem
        otto „Augen zu und durch“! Das Gesetz sei lediglich
        ine „Klarstellung aufgrund des Urteils des Bundesver-
        altungsgerichts“, so der SPD-Kollege Spanier bei der
        rsten Lesung im März. Ich sehe darin keine Klarstel-
        ung, sondern nur das Verschleiern der Absicht, dass
        ot-Grün ganz unverhohlen auf Kosten der Sozialhilfe-
        räger sparen will! Die rückwirkende Gesetzesänderung
        ntlastet den Haushalt von Bund und Ländern auf Kos-
        en der Sozialhilfeträger, also zulasten der Kommunen.
        Die gemeinsame Stellungnahme der kommunalen
        pitzenverbände, also des Deutschen Städtetages, Deut-
        chen Landkreistages und des Deutschen Städte- und
        emeindebundes, spricht eine deutliche Sprache. Auch
        ie zuständigen Bundesratsausschüsse hatten schwerste
        edenken, auch wenn die Regierungskoalition dies
        erne verschweigen würde.
        Die in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bun-
        esregierung vertretene Auffassung, wonach sich die So-
        ialhilfeträger als Träger öffentlicher Aufgaben auf Ver-
        rauensschutz und insoweit auf das Rückwirkungsverbot
        icht berufen können, ist ebenfalls höchst problematisch,
        eil sie die unterschiedliche Finanzierungsverantwor-
        ung für das Wohngeld und die Leistungen der Sozial-
        ilfe nicht berücksichtigt.
        Im Vermittlungsausschuss zu Hartz IV hatten sich
        und und Länder darauf verständigt, dass die Kommu-
        en durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
        ozialhilfe insgesamt um rund 2,5 Milliarden Euro ent-
        astet werden sollten. Im Wesentlichen sollte diese Ent-
        astung aus den Einsparungen resultieren, die die Länder
        urch die Einführung von Hartz IV beim Wohngeld ha-
        en würden, rund 2 Milliarden Euro. Es war vereinbart
        orden, dass Entlastungen vollständig an die Kommu-
        en weitergegeben werden sollten.
        Dieser Gesetzentwurf sieht jedoch keinen Ausgleich
        ür die Sozialhilfeträger, also insbesondere die Kommu-
        en, vor, wenn ihnen durch das Urteil finanzielle Nach-
        eile entstehen. Die Frage, ob dies nicht gegen das ver-
        assungsrechtliche Rückwirkungsverbot, also gegen das
        echtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, verstößt, bleibt
        ngeklärt.
        Das Bundesverwaltungsgericht hat – eng am Wortlaut
        es Wohngeldgesetzes orientiert – festgestellt, dass § 10
        ohngeldgesetz nur zulässt, die Leistungen der laufen-
        en Hilfe zum Lebensunterhalt auf den Wohngeldan-
        pruch anzurechnen, nicht aber auch den Anteil zum Le-
        ensunterhalt, der in der sozialrechtlichen Hilfe zum
        ebensunterhalt in besonderen Lagen enthalten ist.
        Solche Fehler dürfen dem Gesetzgeber nicht unterlau-
        en! Zu oft – auch bei anderen Gesetzen – vertraut die
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16201
        (A) )
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        Bundesregierung darauf, dass die Praxis schon mit den
        Gesetzen umzugehen wisse, frei nach dem Motto, es sei
        ja bekannt, was mit den Gesetzen gemeint ist. Diese ty-
        pisch rot-grüne Vorgehensweise hält oft rechtsstaatli-
        chen Nachprüfungen nicht stand.
        Es ist auch merkwürdig, in der Gesetzesbegründung
        davon zu sprechen, das Urteil des Bundesverwaltungs-
        gerichts stelle sich für die Betroffenen als überraschende
        Entscheidung dar, weswegen sie eigentlich gar keinen
        Vertrauensschutz genießen würden. Ein merkwürdiges
        Verständnis!
        Die Bundesregierung trägt mit ihrem Vorschlag je-
        denfalls die Verantwortung für mögliche weitere juristi-
        sche Auseinandersetzungen. Das Ende finanzieller Risi-
        ken für die Haushalte von Bund und Ländern aus dem
        Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezem-
        ber 2003 wird damit nicht erreicht. Aufgrund des Urteils
        hätten die Sozialhilfeträger quasi einen erheblichen Er-
        stattungsanspruch für zu viel gezahlte Leistungen, die ei-
        gentlich durch das Wohngeld getragen werden müssten.
        Der Gesetzentwurf geht von circa 800 Millionen Euro
        aus, die durch das Gesetz nun auf circa 75 Millionen
        Euro reduziert werden sollen.
        Fazit: Dieses Gesetz ist und bleibt unausgegoren!
        Vor der Bundestagswahl 1998 hieß es bei Schröder:
        „Wir werden nicht alles anders machen, aber vieles bes-
        ser“. Heute müssen wir erneut feststellen: Es wurde vie-
        les anders, aber nichts besser.
        Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
        GRÜNEN): Ich möchte gleich zu Anfang der Diskussion
        deutlich machen, dass es sich bei der vorgeschlagenen
        Änderung des Wohngeldgesetzes um nichts anderes als
        eine gesetzliche Klarstellung handelt. Wir beabsichtigen
        weder, neue gesetzliche Tatbestände einzuführen, wie
        gelegentlich bei der Debatte behauptet wird, noch betrei-
        ben wir eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Be-
        troffenen. Lassen Sie mich kurz erläutern, warum.
        Das Bundesverwaltungsgericht hat am 11. Dezember
        2003 entschieden, dass die den Heimbewohnern ge-
        währte Hilfe in besonderen Lebenslagen, HbL, nach der
        Wohngeldreform 2001 wohngeldrechtlich nicht dem
        Einkommen zuzurechnen ist. Ebendies war aber die ur-
        sprüngliche Absicht des Gesetzgebers gewesen. Es ent-
        spricht übrigens auch der bis Ende 2000 geltenden
        Rechtslage und der Vollzugspraxis in Bund und Län-
        dern.
        Mit dem Gesetzentwurf soll nun für die Zeit vom
        1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2004 die Einkom-
        mensermittlung für Heimbewohner, die Hilfe in besonde-
        ren Lebenslagen empfangen, rückwirkend neu geregelt
        werden; neu in dem Sinne, dass damit der Rechtszustand,
        wie er vor der Wohngeldänderung des Jahres 2001 be-
        stand, wiederhergestellt wird. Es handelt sich also um
        eine Klarstellung im Sinne der ursprünglichen Intention
        des Gesetzgebers.
        Ich glaube, es ist absolut gerechtfertigt, neben der
        Rente auch den für den Lebensunterhalt bestimmten An-
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        eil der Hilfe in besonderen Lebenslagen zum Jahresein-
        ommen zuzurechnen und auf dieser Grundlage über
        en Wohngeldanspruch zu entscheiden. Täten wir dies
        icht, käme es zu einer Gerechtigkeitslücke gegenüber
        nderen potenziellen Wohngeldempfängern, die keine
        ilfe in besonderen Lebenslagen empfangen. Ich denke,
        ir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die Be-
        roffenen wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden
        ls vorher. Bereits in der Vergangenheit führte der Bezug
        ines höheren Wohngeldes zu einer anteiligen Kürzung
        er Hilfe in besonderen Lebenslagen. Die Betroffenen
        atten also in der Regel keine finanziellen Vorteile. Und
        ür die wenigen Ausnahmen von der Regel sieht der Ge-
        etzentwurf einen Nachteilsausgleich vor.
        Die Fraktion der CDU/CSU hat nun angekündigt,
        em Gesetzentwurf nicht zustimmen zu wollen. Als Be-
        ründung soll die beabsichtigte Rückwirkung des Geset-
        es herhalten. Nun will ich Ihnen sagen, was passiert,
        enn wir auf die Rückwirkung verzichten. Dann sind
        ämlich für die Gruppe der Heimbewohner, die zwi-
        chen 2001 und 2004 Wohngeld bezogen haben, nach-
        räglich Wohngeldmehrausgaben in Höhe von bis zu
        00 Millionen Euro zu erwarten. Diese Mehrausgaben
        ind von Bund und Ländern zu tragen. Sehr verehrte
        ollegen von der CDU/CSU-Fraktion, ich glaube nicht,
        ass die Länder von Ihrer Position allzu erfreut sein
        ürften.
        Kritik kommt von den kommunalen Spitzenverbän-
        en. Diese beklagen, dass Bund und Länder ihren Finan-
        ierungsanteil für das Wohngeld auf die Kommunen als
        ozialhilfeträger abwälzen wollen. Dem ist natürlich
        icht so. Es entsteht eben keine neue Belastung der Sozial-
        ilfeträger. Es geht lediglich darum, dass Erstattungsan-
        prüche aus der Vergangenheit nicht mehr durchgesetzt
        erden können. Das ist schon ein großer Unterschied.
        Ich komme zum Schluss. Der Gesetzentwurf in der
        orliegenden Form ist notwendig und sachgerecht. Ich
        itte um Ihre Zustimmung.
        Joachim Günther (Plauen) (FDP): Zum wieder-
        olten Mal behandeln wir die Änderung des Wohngeld-
        esetzes. Nachdem bereits im Ausschuss eine gemein-
        ame Beschlussfassung herbeigeführt wurde, möchte ich
        ur noch einmal auf die Schwerpunkte des Wertegangs
        inweisen.
        Der vorliegende Gesetzentwurf ist durch ein Urteil
        es Bundesverwaltungsgerichts veranlasst, das einen
        erben Schlag gegen die schlampige und inhaltlich
        ngerechte Sozialgesetzgebung der Bundesregierung
        arstellt. Der vorliegende Gesetzentwurf greift die An-
        eisungen und Klarstellungen des Bundesverwaltungs-
        erichts auf und setzt sie um. Die FDP kann sich diesen
        msetzungen und Klarstellungen anschließen. Die Re-
        ierung trägt dabei die Verantwortung für die entstan-
        ene Rechtsunsicherheit und die durch die notwendigen
        orrekturen im Wohngeldgesetz anfallenden Mehrkos-
        n in den öffentlichen Haushalten.
        Handwerkliche Fehler der Bundesregierung führten
        azu, dass nun aufgrund eines Urteils des Bundesver-
        altungsgerichts wohngeldrechtliche Vorschriften, die
        16202 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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        das Verhältnis zu Ansprüchen aus der Sozialhilfe regeln,
        geändert werden sollen, und das sogar rückwirkend für
        die Jahre 2001 bis 2004.
        Das Bundesverwaltungsgericht hat – eng am Wortlaut
        des Wohngeldgesetzes orientiert – festgestellt, dass § 10
        Wohngeldgesetz nur zulässt, die Leistungen der laufen-
        den Hilfe zum Lebensunterhalt auf den Wohngeldan-
        spruch anzurechnen, nicht aber auch den Anteil zum Le-
        bensunterhalt, der in der sozialrechtlichen Hilfe zum
        Lebensunterhalt in besonderen Lagen enthalten ist. Sol-
        che Fehler dürfen dem Gesetzgeber nicht unterlaufen.
        Zu oft – auch bei anderen Gesetzen – vertraut die Bun-
        desregierung darauf, dass die Praxis schon mit den Ge-
        setzen umzugehen wisse, es sei ja bekannt, was mit den
        Gesetzen gemeint sei. Diese Vorgehensweise hält rechts-
        staatlichen Nachprüfungen nicht stand.
        Die FDP stimmt mit der Auslegung des Bundesver-
        waltungsgerichts überein. Die FDP trägt das ursprüngli-
        che Ziel des Wohngeldgesetzes und des nun vorliegen-
        den Gesetzentwurfes mit, das Wohngeldgesetz so zu
        fassen, dass Einnahmen, die zum Lebensunterhalt zur
        Verfügung stehen, auch als Grundlage bei der Ermittlung
        des Anspruches auf Wohngeld zu berücksichtigen sind.
        Auch der Anteil der Hilfe in besonderen Lebenslagen,
        der für den Lebensunterhalt bestimmt ist, muss dann
        konsequenterweise auf zusätzliche wohngeldrechtliche
        Ansprüche angerechnet werden.
        Es ist nicht richtig, dass Menschen, die bereits in wirt-
        schaftlicher Bedrängnis sind, für ihr geringes selbst er-
        wirtschaftetes Einkommen nach der bestehenden Geset-
        zeslage auch noch bestraft werden sollen. Die FDP
        stimmt deshalb dem Urteil des Bundesverwaltungsge-
        richts und dessen Umsetzung im vorliegenden Gesetz-
        entwurf auch dahin gehend zu, dass Einnahmen des An-
        spruchsberechtigten, die bereits bei der Berechnung der
        Hilfe in besonderen Lebenslagen berücksichtigt wurden,
        nicht noch einmal bei der Bemessung des Wohngeldes
        – für Fälle der Pauschalierung nach § 8 Wohngeld-
        gesetz – angesetzt werden dürfen.
        Problematisch ist schließlich die so genannte echte
        Rückwirkung der angestrebten Regelungen, weil sie in
        die Wohngeldansprüche nach § 44 SGB X eingreift, die
        mit Wirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts
        vom 11. Dezember 2003 bestehen. Die Nachteilsaus-
        gleichsklausel in § 40 Abs. 5 des Gesetzentwurfs zielt
        darauf ab, Schaden von Betroffenen abzuwenden. Dies
        beseitigt hoffentlich wirklich alle finanziellen Einbußen
        der Betroffenen. Nicht beseitigen kann diese Klausel die
        entstandene Rechtsunsicherheit und den entstehenden
        Verwaltungsaufwand.
        Es ist zynisch, in der Gesetzesbegründung davon zu
        sprechen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
        stelle sich für die Betroffenen als überraschende Ent-
        scheidung dar, weswegen sie eigentlich gar keinen Ver-
        trauensschutz genießen würden. Wer den Rechtsweg bis
        zu den obersten Bundesgerichten beschreitet in dem
        Glauben, dort Recht zu erhalten, ist wohl kaum über-
        rascht, wenn seiner Klage schließlich stattgegeben wird.
        Rechtsstaatlichkeit kann nicht mit dem Hinweis darauf
        abgetan werden, dass die Wohngeldstellen nach Rück-
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        prache mit dem Ministerium für Verkehr, Bau- und
        ohnungswesen und den Ländern den vom Urteil be-
        roffenen Personen, die nun einen Antrag auf Korrektur
        rüherer Bescheide stellten, mitgeteilt haben, sie würden
        ie Berichtigung der früheren Bescheide nun erst einmal
        inten anstellen.
        Insgesamt bleibt offen, welche Mehrkosten den öf-
        entlichen Haushalten durch die fehlerhafte Gesetzge-
        ung entstehen werden. Die im Gesetzentwurf enthalte-
        en Korrekturen sind jedenfalls notwendig, um
        echtliche Klarheit und soziale Gerechtigkeit wiederher-
        ustellen. Dass dies erst wieder durch ein Urteil eines
        undesgerichts veranlasst wird, wirft ein schlechtes Bild
        uf diese Bundesregierung.
        Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin
        eim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
        esen: Der Regierungsentwurf regelt für das Wohngeld
        ie Einkommensermittlung von Heimbewohnern, die
        ozialhilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen erhalten
        aben. Die Regelungen sollen rückwirkend für die Jahre
        001 bis 2004 gelten. Ab 2005 stellt sich das Problem
        icht mehr. Nach den Hartz-IV-Reformen sind Heimbe-
        ohner, die Sozialhilfe erhalten, regelmäßig vom Wohn-
        eld ausgeschlossen, weil ihre angemessenen Unter-
        unftskosten durch die Sozialhilfe berücksichtigt
        erden.
        Anlass für den Gesetzentwurf ist ein im April 2004
        ugestelltes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
        1. Dezember 2003, das sich auf die Gesetzgebung des
        ahres 1999 bezieht.
        Der Gesetzgeber hat im Jahr 1999 das Wohngeldrecht
        it Wirkung zum 1. Januar 2001 geändert. Er wollte,
        ass bei Heimbewohnern nach wie vor der für den Le-
        ensunterhalt bestimmte Anteil der Hilfe in besonderen
        ebenslagen dem wohngeldrechtlichen Einkommen zu-
        erechnet wird.
        Der für den Lebensunterhalt anzusetzende Anteil war
        is 2004 durch einen Pauschalsatz in der Wohngeldver-
        rdnung bestimmt. Es war zwischen Bund, Ländern und
        en ausführenden Gemeinden unstreitig und einhellige
        ollzugspraxis, dass dementsprechend die den Heimbe-
        ohnern gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen als
        inkommen bei der Berechnung des Wohngeldes zu be-
        ücksichtigen war.
        Völlig überraschend und im Gegensatz zur Vorinstanz
        at das Bundesverwaltungsgericht dieser Praxis für die
        ahre 2001 bis 2004 den Boden entzogen. Nach dessen
        rteil ist die Anrechnung der Hilfe nach der Änderung
        es Wohngeldrechts 1999 nicht mehr durch Wohngeld-
        esetz und Wohngeldverordnung gedeckt.
        Der Gesetzgeber hatte aber – wie gesagt – nicht die
        bsicht, der Anrechnung der Hilfe in besonderen Le-
        enslagen als wohngeldrechtliches Einkommen die
        rundlage zu entziehen.
        Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil
        ür den Fall des gesetzgeberischen Handelns ergänzende
        inweise gegeben, die eine Doppelanrechnung einzelner
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16203
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        Einkommenspositionen sowohl bei der Hilfe in besonde-
        ren Lebenslagen als auch beim Wohngeld verhindern
        sollen.
        Der dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf der
        Bundesregierung schließt nun die vom Bundesverwal-
        tungsgericht für die Einkommensanrechnung bei Heim-
        bewohnern festgestellte Regelungslücke und greift dabei
        die ergänzend gegebenen Hinweise auf. Es stellt damit
        den gemeinsamen Willen von Bundestag und Bundesrat
        aus dem Jahr 1999 in dem vom Bundesverwaltungsge-
        richt gezogenen rechtlichen Rahmen klar. Vor diesem
        Hintergrund erklärt sich von selbst, dass der Bundesrat
        in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf keine Ein-
        wände erhoben hat. Denn er regelt, was nach dem ge-
        meinsamen Willen von Bundestag und Bundesrat ohne-
        hin gelten sollte.
        Wichtig ist, dass die betroffenen Heimbewohner
        durch den Gesetzentwurf finanziell nicht schlechter ge-
        stellt werden. Hilfe in besonderen Lebenslagen und
        Wohngeld verhalten sich zueinander wie zwei kommuni-
        zierende Röhren. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen
        steigt oder fällt in dem gleichen Maße, wie das Wohn-
        geld fällt oder steigt. Für den Ausnahmefall, dass den
        Heimbewohnern oder deren Angehörigen durch diesen
        Gesetzentwurf ein finanzieller Nachteil entsteht, sieht
        der Gesetzentwurf vorsorglich einen Nachteilsausgleich
        vor.
        Der Gesetzentwurf vermeidet somit für Bund und
        Länder Mehrausgaben im Wohngeld in Höhe von je-
        weils mindestens 400 Millionen Euro, ohne die Heimbe-
        wohner finanziell zu belasten. Der Entwurf bewirkt auch
        für die Träger der Hilfe in besonderen Lebenslagen
        keine zusätzliche Belastung finanzieller Art. Er schließt
        lediglich die für die Träger ebenfalls unvorhergesehenen
        Rückerstattungsmöglichkeiten für die Jahre 2001 bis
        2004 aus.
        Ohne Gesetzesänderung käme hingegen ein hoher
        Verwaltungsaufwand auf die Länder zu. Für bis zu
        100 000 Heimbewohner, die in den Jahren 2001 bis 2004
        Wohngeld erhalten haben, müssten die Wohngeldbe-
        scheide neu bearbeitet werden. Ich denke, wir sollten im
        Interesse der sozialpolitischen Leistungsfähigkeit des
        Wohngeldes verhindern, dass es durch derartige zusätzli-
        che Lasten geschwächt wird.
        Zu dem Gesetzentwurf darf ich somit feststellen:
        Erstens. Er stellt den gemeinsamen Willen von Bun-
        destag und Bundesrat klar, wie er sich vor dem Urteil des
        Bundesverwaltungsgerichts auch in der allgemeinen
        Vollzugspraxis niedergeschlagen hat.
        Zweitens. Die betroffenen Heimbewohner werden
        durch den Gesetzentwurf finanziell nicht schlechter ge-
        stellt Eine ohne den Entwurf erforderliche Neuberech-
        nung eines dann höheren Wohngeldes würde vielmehr
        zur nachträglichen Kürzung der Hilfe in besonderen Le-
        benslagen führen.
        Drittens. Der Gesetzentwurf vermeidet Mehrausga-
        ben für Wohngeld bei Bund und Ländern in Höhe von je-
        weils mindestens 400 Millionen Euro.
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        Viertens. Er bewirkt für die Träger der Hilfe in beson-
        eren Lebenslagen keine zusätzliche Belastung finan-
        ieller Art, sondern schließt lediglich die auch für die
        räger unvorhergesehenen Rückerstattungsmöglichkei-
        en für 2001 bis 2004 aus.
        Fünftens. Er verhindert umfangreiche, verwaltungs-
        ufwendige und damit kostenträchtige Neuberechnun-
        en von Wohngeld.
        nlage 7
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung der Anträge:
        – Konversionsregionen stärken – Verbilligte
        Abgabe von zu Verteidigungszwecken nicht
        mehr benötigten Liegenschaften ermögli-
        chen
        – Konversionsregionen stärken – Sechs-
        Punkte-Plan zur Strukturpolitik
        (Tagesordnungspunkt 14 a und b)
        Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Von der
        DU/CSU wurde der Antrag gestellt, erneut über die
        eseitigung der Konversionslasten zu debattieren.
        Lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen, dass wir
        ereits im Plenum des Deutschen Bundestages am
        7. Dezember 2004 und darüber hinaus im Haushalts-
        usschuss am 26. Januar 2005 über dieses Thema aus-
        ührlich beraten haben. Ich kann daher nur Folgendes
        och einmal für die SPD-Fraktion deutlich machen:
        Die veränderte Sicherheitslage und die neuen sicher-
        eitspolitischen Herausforderungen sowie die schwie-
        ige Finanzlage, in der sich unser Land befindet, sind
        ichtige Faktoren bei der Strukturierung der zukünfti-
        en Bundeswehr. Aufgrund der verbesserten sicherheits-
        olitischen Lage brauchen wir für Deutschland glückli-
        herweise weniger Soldatinnen und Soldaten als noch
        or zehn oder 15 Jahren. Diese Umfangsreduzierungen
        edeuten leider auch Standortreduzierungen: 105 Stand-
        rte, davon über 50 Kleinst- und Kleinstandorte, müssen
        eider geschlossen werden. Für die von der Schließung
        etroffenen ist diese Neustrukturierung unserer Streit-
        räfte mit Härten und Einschnitten verbunden. Auch für
        ie betroffenen Städte und Gemeinden – das hat leider
        uch für den Bundeswehrstandort Hildesheim in meinem
        ahlkreis Bedeutung – sind das schmerzliche Ein-
        chnitte.
        In diesem Zusammenhang ist es mir besonders wich-
        g, darauf hinzuweisen, dass es für die Zivilbeschäftigten
        er Bundeswehr keine betriebsbedingten Kündigungen
        eben wird. Dafür bin ich dem Verteidigungsminister,
        errn Dr. Peter Struck, sehr dankbar. So bedauerlich die
        tandortschließungen und Verlagerungen auch sind: Es
        ibt hierzu keine sinnvolle Alternative. Das war auch
        chon unter den Verteidigungsministern der Union der
        all. Das politische Herumwurschteln aus Mitte der
        0er-Jahre hat ein Ende.
        16204 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
        (A) )
        (B) )
        Die Kriterien, jeden Standort nur bezüglich militäri-
        scher und betriebswirtschaftlicher Erfordernisse zu prü-
        fen, machen die Standortentscheidungen nachvollzieh-
        bar und somit auch transparent. Zu den eigenen
        Standortschließungen kommt erschwerend hinzu, dass
        auch Änderungen bei der Stationierung der US-Streit-
        kräfte zu erwarten sind. Dieser Veränderungsprozess, der
        spätestens 2010 abgeschlossen sein soll, stellt die betrof-
        fenen Kommunen vor Herausforderungen, die nur ge-
        meinsam mit Bund und Ländern bewältigt werden kön-
        nen. Dabei muss es zu einem fairen Interessenausgleich
        kommen. In den zurückliegenden Jahren hat sich aber
        vielfach auch gezeigt, dass Konversion nicht nur Risi-
        ken, sondern auch Chancen zur Weiterentwicklung von
        Kommunen beinhaltet.
        Nach der föderalen Aufgabenverteilung liegt die
        strukturpolitische Verantwortung für die Bewältigung
        der Konversionslasten vorrangig in der Verantwortung
        der betroffenen Länder und Kommunen. Der Bund hat
        und wird auch künftig daran mitwirken. Im Jahr 1993
        wurde der Umsatzsteueranteil der Länder um 2 Prozent-
        punkte erhöht, unter anderem zur finanziellen Flankie-
        rung der Folgen des Truppenabbaus. Ich darf noch ein-
        mal deutlich darauf hinweisen, dass diese Mittel den
        Ländern dauerhaft zur Verfügung stehen, auch nachdem
        sich die Belastungen durch den Truppenabbau im Zeit-
        ablauf bis jetzt verringert haben.
        Es liegt nach wie vor im Interesse des Bundes, dass
        die aufgegebenen Militärflächen so schnell wie möglich
        einer Anschlussnutzung zugeführt werden. Dabei hat
        sich eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwi-
        schen Bund, Ländern und Kommunen bewährt.
        Es gab an der einen oder anderen Stelle aber auch
        nicht hinzunehmende Verzögerungen und Reibungsver-
        luste. Daher ist es besonders wichtig, dass alle beteilig-
        ten Stellen noch erfolgsorientierter, zielführender und
        pragmatischer zusammenarbeiten. Der BlmA fällt hier
        gerade in der Startphase eine bedeutende und entschei-
        dende Rolle zu.
        Der Deutsche Bundestag hat in seiner 149. Sitzung
        am 17. Dezember 2004 den Antrag auf Druck-
        sache 15/4520 zur Federführung an den Haushaltsaus-
        schuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den
        Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Verteidigungs-
        ausschuss und den Ausschuss für Verkehr, Bau- und
        Wohnungswesen überwiesen. Die mitberatenden Aus-
        schüsse haben jeweils mit den Stimmen der Koalitions-
        fraktionen und gegen die Stimmen der Opposition emp-
        fohlen, die Vorlage anzunehmen. Im federführenden
        Haushaltsausschuss wurde der Antrag der Koalition in
        der Sitzung vom 26. Januar 2005 abschließend beraten
        und mehrheitlich empfohlen, den Antrag anzunehmen.
        Am Montag dieser Woche hatte der Verteidigungs-
        minister zu einem Informationsgespräch nach Bonn ein-
        geladen. Bei dieser Informationsveranstaltung waren
        alle kommunalen Vertreter anwesend, die von Standort-
        schließungen betroffen sind. Es wurde erneut deutlich
        gemacht, dass dem Bundeshaushalt außerhalb der be-
        kannten Instrumente keine weiteren Haushaltsmittel zur
        Verfügung gestellt werden können. Das war übrigens
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        uch bei allen bisher stattgefundenen Schließungen von
        undeswehrstandorten der Fall und ist nichts Neues. Im
        uge der bei der Konversion in den letzten Jahren ge-
        ammelten Erfahrungen haben sich diverse Verwer-
        ungsmodelle in der Praxis bewährt und genau zu dem
        airen Interessensausgleich geführt, den ich schon zu Be-
        inn meiner Ausführungen eingefordert habe.
        Ich möchte hier nur zwei dieser Modelle erwähnen:
        er Bund bleibt Eigentümer, die Kommunen führen die
        rschließung und Entwicklung durch. Hierzu schließt
        er Bund mit den Kommunen einen städtebaulichen Ver-
        rag, wonach sich der Bund maßgeblich an den Erschlie-
        ungs- und Entwicklungskosten auf der Grundlage eines
        bgestimmten Planungs- und Baurechts sowie entspre-
        hender Kosten- und Erlösprognosen beteiligt. Hierbei
        ind die bei der bisherigen Verwertung gesammelten Er-
        ahrungen zu berücksichtigen und gegebenenfalls zu er-
        änzen.
        Bundeseigene Grundstücke, für die eine Bauleitpla-
        ung aufgestellt werden muss bei denen zum Beispiel
        ebäude rückgebaut oder Flächen entwickelt werden
        üssen, können – wie bisher auch schon praktiziert –
        ommunen oder von ihnen getragene Gesellschaften
        der Treuhändern zunächst gegen eine moderate Anzah-
        ung überlassen werden. Der Kaufpreis wird erst nach
        eiterveräußerung ausgekehrt und ermittelt sich aus
        em Weiterveräußerungserlös abzüglich einer angemes-
        enen Beteiligung des Bundes an den Erschließungs-,
        ntwicklung- und Folgekosten.
        Länder und Kommunen können vom Bund und der
        uropäischen Union mitfinanzierte Förderungsinstru-
        ente einsetzen. Hierzu gehören insbesondere die Ge-
        einschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
        chaftsstruktur“, die Städtebauförderung und Mittel aus
        en Europäischen Strukturfonds. Diese Hilfen standen
        uch bei den bisherigen Standortschließungen und -redu-
        ierungen zur Verfügung.
        Im weiteren Verfahrensablauf ist ferner von besonde-
        er Bedeutung, dass die von Standortreduzierungen bzw.
        schließungen betroffenen Landes- und Kommunalbe-
        örden so früh wie möglich über den konkreten Zeitplan,
        as so genannte Feinkonzept, unterrichtet werden. Dabei
        st auch auf eine schnelle Erklärung zwecks Freigabe der
        ilitärflächen hinzuwirken. Dazu gehört auch, an be-
        roffene Kommunen schon vor der Freigabe alle für eine
        berplanung notwendigen Informationen und Unterla-
        en zur Verfügung zu stellen. Ich denke dabei zum Bei-
        piel an Baubestandspläne, Lagepläne und vorliegende
        utachten.
        Bei der Informationsveranstaltung in Bonn wurde
        benfalls deutlich: die von Standortreduzierungen bzw.
        schließungen betroffenen Landes- und Kommunalbe-
        örden frühestmöglich über den konkreten Zeitplan,
        einkonzept, zu unterrichten und auf eine schnelle Frei-
        abe der Militärflächen hinzuwirken, sofern der Verkauf
        iner Liegenschaft vor Planungsreife erfolgt, planungsbe-
        ingte Wertsteigerungen oder -minderungen gegenüber
        en bei Vertragsschluß angenommenen Nutzungsmög-
        chkeiten durch Nachzahlungs- oder Erstattungsver-
        flichtungen Rechnung zu tragen, auch künftig in geeig-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16205
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        neten Fällen die Baureifmachung unter anderem durch
        die finanzielle Beteilung an Machbarkeitsstudien oder
        Nutzungskonzepten bis hin zur Bauleitplanung zu för-
        dern und sich an einzelnen Standortentwicklungsmaß-
        nahmen zu beteiligen.
        Zu diesen vielfältigen Maßnahmen, die sich ebenfalls
        in der Vergangenheit bewährt haben, gehören auch Zah-
        lungserleichterungen wie ein Hinausschieben der Kauf-
        preisfälligkeit oder die zinspflichtige Stundung des
        Kaufpreises auch über mehrere Jahre zu ermöglichen.
        Zum Schluss meiner Ausführungen noch einige An-
        merkungen zum Verhalten der Opposition in den Aus-
        schüssen und hier im Hohen Haus sowie in der Öffent-
        lichkeit: Die Veräußerung bundeseigener Liegenschaften
        ist nur zum vollen Wert zulässig, § 63 Abs. 3 BHO. Die
        Bundesregierung beabsichtigt nicht, hiervon Ausnahmen
        zuzulassen. Ein Verkauf unter Wert wäre auch unter EU-
        beihilferechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Der
        Bund hat bei der Verwertung der Konversionsliegen-
        schaften verschiedene Verwertungsmodelle entwickelt,
        die eine angemessene Chancen- und Risikoverteilung
        zwischen den Beteiligten vorsehen.
        In Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen den
        Haushalt einlegen und auf der anderen Seite auf Einnah-
        men verzichten – das passt nicht zusammen und bleibt
        Ihr Geheimnis. Daher bitte ich um Zustimmung zu unse-
        rem Antrag, der vom federführenden Haushaltsaus-
        schuss und von den mitberatenden Ausschüssen jeweils
        mit der erforderlichen Mehrheit angenommen worden
        ist.
        Anita Schäfer (Saalstadt) CDU/CSU): Im Herbst
        2004 gab der Verteidigungsminister die Schließung von
        105 Standorten bis zum Jahr 2010 bekannt. 30 weitere
        werden erheblich verkleinert. Die Zahl der Dienstposten
        schrumpft von 339 000 auf 290 000. Dies ist Teil der
        „Transformation“ der Bundeswehr – so heißt die militä-
        rische Dauerreform unter Rot-Grün neuerdings. Allein
        in meiner Heimat Rheinland-Pfalz gehen rund 4 400 mi-
        litärische und zivile Dienststellen verloren. Neun Stand-
        orte sollen komplett geschlossen, sieben weitere redu-
        ziert werden. Andere Bundesländer sind noch weitaus
        härter betroffen.
        Die drastischen Maßnahmen der Regierung werfen
        drei Probleme auf:
        Erstens. Sicherheitspolitisch erschweren sie einen ef-
        fektiven Heimatschutz unter Einbindung der Bundes-
        wehr.
        Zweitens. Gesellschaftspolitisch droht die Veranke-
        rung der Bundeswehr in der Fläche und damit in der Be-
        völkerung verloren zu gehen.
        Drittens. Strukturpolitisch sind erhebliche Nachteile
        für Länder und Kommunen zu befürchten.
        Eine vorausschauende und nachhaltige Politik steht
        vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss die mili-
        tärische Sicherheitsvorsorge mit den strukturpolitischen
        Bedürfnissen der Länder und Kommunen in Einklang
        bringen. Beides leistet die jetzige Regierung nicht. Kon-
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        ersionspolitik ist eine Angelegenheit von nationaler Be-
        eutung. Der Bund darf sich hier seiner Verantwortung
        icht entziehen. Die Schließung bzw. Verkleinerung von
        undeswehrstandorten ist vom Bund zu verantworten.
        amit steht der Bund auch in der Pflicht, angemessene
        usgleichsmaßnahmen für die betroffenen Regionen zu
        chaffen.
        Als die Damen und Herren von der SPD noch in der
        pposition standen, war das auch ihre Sicht. Kein gerin-
        erer als der jetzige Verteidigungsminister Peter Struck
        at 1991 einen Antrag seiner Fraktion unterzeichnet, der
        in umfassendes, nationales Konversionsprogramm vor-
        ah, Drucksache 12/882. Damals ging es um die Folgen
        er deutschen Einheit und nicht darum, aus chronischer
        inanznot die Bundeswehr zu reduzieren. Sie forderten
        n dem Antrag nach dem „Verursacherprinzip“ die un-
        eilbare Verantwortung des Bundes für die Folgen von
        asernenschließungen ein. Natürlich ist richtig: Der
        erteidigungsminister ist kein Infrastrukturminister.
        eine Politik hat aber wesentlichen Einfluss auf die Ent-
        icklung der Infrastruktur.
        Derselbe Peter Struck, der seinerzeit eine Entlastung
        er Kommunen durch den Bund forderte, zeigt sich jetzt
        lind gegenüber den Konsequenzen seiner radikalen
        tandortmaßnahmen. Anders ist das kategorische Nein
        u einer fairen Lastenteilung auf der Konversionskonfe-
        enz am letzten Montag nicht zu erklären. Die Aussage
        es Ministers, der Bund habe kein Konversionspro-
        ramm, ist nicht nur Konzeptlosigkeit dieser Regierung.
        ehr noch: Rot-Grün wälzt konsequent die strukturpoli-
        ische Verantwortung für die Bewältigung der Konver-
        ionsfolgen auf Länder und Kommunen ab. Die Erklä-
        ung des Ministers, der Bund habe beim Verkauf der
        iegenschaften keine unrealistischen Verkaufspreise vor
        ugen, ist ein billiges Trostpflaster. Nur die Bereitstel-
        ung der Grundstücke an die Kommunen zu verbilligten
        reisen fördert die schnelle, ergebnisorientierte Konver-
        ion. Das ist die grundsätzlich entscheidende Frage.
        Wenn dann noch Strucks Parteikollege Kurt Beck,
        inisterpräsident von Rheinland-Pfalz, über seine posi-
        iven Erfahrungen nach dem Wegzug zahlreicher ameri-
        anischer Truppenteile aus „seinem“ Land berichtet, ist
        ie Schmerzgrenze überschritten. Ohne Zweifel: Beck
        ann „Positives“ vermitteln – aber aus einer Zeit, in der
        nser Land noch ein Wirtschaftswachstum und keine
        ünf Millionen Arbeitslose hatte!
        Die Konferenz am letzten Montag war eine geschickt
        nszenierte Informationskampagne des Verteidigungsmi-
        isters – mit mageren Ergebnissen. Das Thema Heimat-
        chutz und der Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche
        ar nicht einmal eine Randnotiz wert. Die Konferenz
        ntermauerte faktisch das Desinteresse von Rot-Grün an
        en Problemen der Kommunen, die Sie maßgeblich ver-
        rsacht haben.
        Der Antrag der Grünen- und SPD-Fraktion, der heute
        ur Abstimmung steht, ändert daran nichts. Die Eck-
        unkte bieten keine konkrete strukturpolitische Hilfe für
        ie betroffenen Kommunen. Sie gehen über eine bloße
        eratungs- und Koordinierungsfunktion nicht hinaus.
        enn es denn kein Geld des Bundes gibt, dann geben
        16206 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
        (A) )
        (B) )
        Sie den Gemeinden wenigstens die Grundstücke. Die
        Forderung, „die in der Praxis bewährten Verwertungs-
        modelle auch künftig anzuwenden“, ist ein Blendmanö-
        ver. Ein Modell der fairen Lastenverteilung Bund-Län-
        der-Kommunen ist gefragt. Dem gehen Sie aber mit
        wolkigen Formulierungen aus dem Weg. Es ist lebens-
        wichtig für die Gemeinden, dass militärische Liegen-
        schaften übergeben werden, ohne sie in die Schulden-
        falle zu treiben. Und hier steht im Antrag der
        Regierungsfraktionen eine abenteuerliche Sache.
        Ihre Idee der zinspflichtigen Stundung der Überlas-
        sungskosten läuft auf Kredite des Bundes an die Kom-
        munen hinaus. Und da Sie in der Altlastenbeseitigung
        immer noch erhebliche Risiken bei den Kommunen be-
        lassen, könnte nach Ihren Plänen so manche Kommune
        über ein Konversionsprojekt in eine Schuldenfalle gera-
        ten. Viele Standorte liegen in kleinen ländlichen Kom-
        munen. Ich frage Sie: Wie sollen diese sowieso oft fi-
        nanzschwachen Gemeinden dieses Risiko tragen?
        Die Konversionswelle trifft unser Land in sehr
        schwierigen Zeiten. Die vorliegenden Anträge der Union
        bieten ein schlüssiges Konzept. Unser Sechspunkteplan
        schafft einen überzeugenden Rahmen für ein nationales
        Konversionsprogramm.
        Wir müssen erstens die bestehende Strukturförderung
        der Gemeinschaftsaufgabe optimieren, zweitens ein So-
        fortprogramm für die Härtefälle in schwächeren Regio-
        nen auflegen, drittens uns verstärkt um neue Mittel aus
        den EU-Fonds kümmern, viertens die Konversion in den
        Maßnahmen des Bundes und der Länder als feste Auf-
        gabe verankern, fünftens Liegenschaften verbilligt und
        ohne Altlastrisiko abgeben und sechstens die Verfahren
        bei GEBB und Vermögensamt beschleunigen.
        Lassen sie mich vor allem den zentralen Punkt „Ver-
        wertung der Liegenschaften“ aufgreifen. Es sollte die
        Möglichkeit bestehen, freigegebene Liegenschaften mit
        einem erheblichen Abschlag vom vollen Wert, gegebe-
        nenfalls zu einem symbolischen Preis, mit Wertsteige-
        rungsklauseln an die betroffenen Länder, Kreise und
        Gemeinden oder ansiedlungswillige Investoren zu ver-
        äußern. Außerdem steht der Bund für die Beseitigung
        militärischer Altlasten in der Pflicht. Die Verwendung
        frei werdender Liegenschaften muss schnell, unbürokra-
        tisch, flexibel und zu möglichst niedrigen Preisen erfol-
        gen. Das steigert die Wachstumschancen und erleichtert
        den anstehenden Strukturwandel in den Konversions-
        kommunen.
        Ich fordere Sie auf, zum Wohle der von Standort-
        schließungen betroffenen Kommunen unseren Anträgen
        zuzustimmen.
        Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Sechs Monate
        sind inzwischen vergangen, seit Minister Struck am
        2. November letzten Jahres das neue Stationierungskon-
        zept der Bundeswehr verkündet hat: mit dramatischen
        Einschnitten in die wirtschaftliche und soziale Ordnung
        vieler Regionen und Kommunen, mit 105 Standort-
        schließungen, vor allem verbunden mit großen Unsi-
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        herheiten bei den betroffenen Bundeswehrangehörigen
        nd den Zivilbeschäftigten.
        Ein halbes Jahr ist verstrichen und bei der Frage der
        onversion der betroffenen Standorte sind wir keinen
        chritt weiter. Leider hat dies auch die Konferenz bzw.
        as Erörterungsgespräch von Minister Struck mit den
        etroffenen Kommunalpolitikern am vergangenen
        ontag gezeigt. Die Bundesregierung ist bei der Kon-
        ersion der zu schließenden Bundeswehrstandorte kon-
        eptionslos. Die Kommentare in der Presse über diese
        eranstaltung in Bonn sind eindeutig: Struck enttäuscht
        offnungen, Struck lehnt Zuschüsse ab. Zornige Bürger-
        eister suchen Ideen. Wenn sie Geld haben wollen, sind
        ie hier an der falschen Stelle.
        Genau diese Aussprüche sind mit einer der Haupt-
        ründe, warum die betroffenen Bürgermeister fast ein-
        ellig von einer „herben Enttäuschung“ sprechen. „Ich
        ahle nichts“, „Geld habe ich auch nicht“ und „Der
        ichel hat auch kein Geld“ – dies waren wohl die Kern-
        ussagen dieser Konferenz am Montag. Das kann nie-
        anden zufrieden stellen und darf auch niemanden zu-
        rieden stellen.
        Ich habe heute noch mit einem Bürgermeister meines
        ahlkreises telefoniert, dem Bürgermeister der Ge-
        einde Penzing. Dort ist ein Fliegerhorst angesiedelt:
        as Lufttransportgeschwader 61, der älteste fliegende
        erband der Bundeswehr, einziges LTG in Süddeutsch-
        and und Drehscheibe für alle internationalen Einsätze
        er Bundeswehr. An diesem Standort werden
        640 Dienstposten gestrichen. In der Gemeinde Penzing
        eben im Vergleich dazu 3 500 Einwohner.
        Dieses Verhältnis zeigt doch klar, welche Problematik
        or Ort entsteht. Die Bundeswehr hat hier tagtäglich das
        eben eines jeden Bürgers in dieser Gemeinde be-
        timmt. Dies ist kein Einzelfall!
        Hier kommen vollkommen unverhältnismäßige Aus-
        irkungen auf diese Gemeinden zu, denen jegliche Un-
        erstützung zur Bewältigung dieser Probleme bisher
        ehlt. Ich denke dabei an die direkten und indirekten Ar-
        eitsplatzverluste, die Schwächung der kommunalen Fi-
        anzen, die Kaufkraftverluste, die Unterauslastung der
        er- und Entsorgungseinrichtungen, die Altlastenproble-
        atik und an den Wohnungsmarkt, der mit entsprechen-
        en Wertverlusten für die Eigentümer zusammenbrechen
        ird.
        Hier stehen gewaltige Aufgaben an, bei denen die
        undesregierung in der Mitverantwortung steht. In der
        eschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion der SPD
        nd des Bündnisses 90/Die Grünen steht geschrieben:
        as durch den Bundesminister für Verteidigung verkün-
        ete Ressortkonzept Stationierung führt infolge der Re-
        uzierung der Bundeswehr in vielen der von diesen
        aßnahmen betroffenen Kommunen zu gravierenden
        irtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. – Zumin-
        est diese Erkenntnis ist richtig.
        Gleichzeitig verkündet die Bundesregierung immer
        ieder, dass die Stationierungsentscheidungen stets nach
        ilitärisch funktionalen und betriebswirtschaftlichen
        ründen erfolgen. Dass wir das in vielen Fällen bezwei-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16207
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        feln und ich eher hinter einer Reihe von Entscheidungen
        über Standortauflösungen reine politische Gründe ver-
        mute und keine betriebswirtschaftlichen, das sei hier der
        Vollständigkeit wegen erwähnt. So lange die Bundesre-
        gierung keine echten Zahlen vorlegt, wird diese Vermu-
        tung weiterhin im Raum stehen bleiben. Die Bundesre-
        gierung führt immer wieder an, dass strukturpolitische
        Gesichtspunkte nicht berücksichtigt werden.
        Dr. Peter Struck ist kein Wirtschaftsminister; das ist
        uns bekannt. Aber das entbindet ihn doch nicht von der
        Verantwortung für die Folgen seines Handelns. Die Si-
        tuation vor Ort hier ist vergleichbar mit einem
        2 000 Mitarbeiter starken Unternehmen, das seine Pfor-
        ten schließt – und das nicht einmal, sondern zig Mal im
        Bundesgebiet. Da würde mich der Aufschrei der Politik
        interessieren. Da würde über die soziale Verantwortung
        der Unternehmen diskutiert werden, die dieser nicht
        nachkommen. Da würden dann Aussprüche von Heu-
        schreckenschwärmen kommen, die Unternehmen befal-
        len, abgrasen und weiterziehen und die Betroffenen ohne
        jegliches Verantwortungsgefühl zurücklassen.
        Wir erleben ja die Argumentationen der Koalition.
        Nehmen Sie hier doch Ihre Verantwortung wahr! Die
        wirtschaftliche Situation in Deutschland ist doch derzeit
        bei weitem nicht in der Lage, das aufzufangen, was hier
        durch diese Standortreform an Belastungen auf die Bür-
        ger zukommt.
        Zur Situation der Kommunen: Tun Sie doch nicht so,
        als ob hier große Chancen bestehen würden, nach der
        Schließung der Standorte zu Marktbedingungen Unter-
        nehmen anzusiedeln, Arbeitsplätze zu schaffen oder
        Wohnraum zu bauen! All dies entspricht doch zurzeit
        nicht der Realität bei Wachstumsschwäche, Überschul-
        dung der Haushalte und riesigen Arbeitslosenzahlen.
        Was die betroffenen Kommunen brauchen und zu
        Recht von der Bundesregierung verlangen, ist ein So-
        fortprogramm „Konversion“. Geben Sie beispielsweise
        den Kommunen die Chance, die nicht mehr benötigten
        Liegenschaften günstig zu vermarkten! Nehmen Sie den
        Vorschlag des SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck auf,
        so genannte „Nachbesserungsscheine“ auszugeben!
        Wenn eine Kommune eine besonders lukrative Nachnut-
        zung findet, kann der Bund ja anschließend beteiligt
        werden.
        Nehmen Sie also Ihre Verantwortung wahr und entwi-
        ckeln Sie Lösungsansätze, anstatt die Betroffenen mit
        dem Problem allein zu lassen!
        Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
        Am 2. November 2004 gab Verteidigungsminister
        Struck die Entscheidung zur Schließung weiterer
        105 Standorte in Deutschland bekannt. Diese Anpassung
        der Stationierungsplanung war vor dem Hintergrund der
        Neuausrichtung und Reduzierung der Bundeswehr un-
        ausweichlich. Unsere Fraktion begrüßt und unterstützt
        die mutige Entscheidung des Ministers vorbehaltslos.
        „Die Bundeswehr ist nicht dazu da, stationiert zu
        sein.“ Diese markante Maxime des ehemaligen Verteidi-
        gungsministers Rühe gilt auch noch heute. Mit der neuen
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        tationierungsplanung wird die Zahl der militärisch ge-
        utzten Standorte in Deutschland bis zum Jahr 2010 auf
        irca 400 reduziert. Ausschlaggebende Kriterien der
        euen Stationierungsplanung waren richtigerweise „die
        ilitärische und funktionale Notwendigkeit sowie die
        etriebswirtschaftliche Verantwortbarkeit“.
        Die Änderung des Stationierungskonzepts wird bei ei-
        igen Standorten zum strukturellen Aufwuchs, bei ande-
        en zu Reduzierungen und bei wieder anderen zu per-
        pektivischen Standortschließungen führen. Für viele
        oldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbeschäftigten
        ird dies mit beruflichen und sozialen Veränderungen
        nd Belastungen verbunden sein. In den von Reduzie-
        ungen betroffenen Kommunen wird es zum Verlust von
        ivilen Arbeitsplätzen, dem Wegfall von Kaufkraft so-
        ie frei werdenden Kasernen, Depots und Übungsplät-
        en kommen.
        Dass sich viele Betroffene in der Anfangsphase nur
        iderwillig oder unter Protest auf diesen Veränderungs-
        rozess einlassen, ist verständlich. Im Hinblick auf die
        usgestaltung dieses Konversionsprozesses gibt es in
        eutschland reichhaltige praktische Erfahrungen aus
        en 90er-Jahren. Diese Erfahrungen haben uns gezeigt,
        ass der Abzug oder die Reduzierung der Bundeswehr
        eine Katastrophe sein muss. Auch wenn es keine Pa-
        entrezepte gibt, so gibt es durchaus zahlreiche Beispiele
        afür, dass der Truppenabzug und die Kasernenschlie-
        ungen kreativ und erfolgreich bewältigt werden konn-
        en.
        Ganz entscheidend ist, wie mit der Herausforderung
        mgegangen wird. Der Antrag der Koalitionsfraktionen
        ennt hier zentrale Anforderungen. Eine wichtige Vo-
        aussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung ist, dass
        ich Bund, Länder und Gemeinden unverzüglich an die
        rbeit machen. Notwendig ist als Erstes die schnelle und
        mfassende Information über die Standortplanungen.
        as ist mit der Feinausplanung vom 11. April gesche-
        en. Hier sind die Maßnahmen aufs Quartal genau ein-
        eplant.
        Darüber hinaus kommt es auf das enge Zusammen-
        irken der Beteiligten an. Im Rahmen der föderalen
        rdnung liegt die Hauptverantwortung bei den Ländern
        nd Kommunen. Der Bund – das ist die einhellige Auf-
        assung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages –
        teht in der Mitverantwortung. Angesichts der Haus-
        altssituation in Bund, Ländern und Gemeinden ist allen
        etroffenen klar, dass es keine nennenswerten zusätzli-
        hen Förderprogramme zur Bewältigung des Truppenab-
        aus geben kann und geben wird. Wir begrüßen es, dass
        er Bund der Forderung der Koalitionsfraktionen nach-
        ommt und die Kommunen unter anderem bei der Ent-
        icklung von Nutzungskonzepten, Machbarkeitsstudien
        nd der Altlastenbewältigung großzügig zu unterstützen
        ereit ist.
        Darüber hinaus gibt es eine Reihe Förderprogramme
        es Bundes und der EU, die von den Betroffenen und In-
        ressenten in Anspruch genommen werden können.
        ierzu zählen die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesse-
        ung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, der Europäi-
        che Strukturfonds und die Städtebauförderung. Im
        16208 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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        Bereich der zivilen Anschlussnutzung von militärischen
        Liegenschaften haben sich in den vergangenen Jahren
        eine Reihe von Verwertungsmodellen bewährt, auf die
        nun zurückgegriffen werden kann. Wir erwarten, dass
        eine zügige Verwertung vonseiten des Bundes nicht
        durch überhöhte Veräußerungsansätze behindert wird.
        Viele Programme und Verwertungsmodelle sind häu-
        fig nicht oder unzureichend bekannt. Deshalb haben die
        Bündnisgrünen von Anfang an dafür plädiert, dass auf
        der Ebene des Bundes und der Länder Konversionsbe-
        auftragte mit Lotsenfunktion als Ansprechstellen zur
        Verfügung stehen. Wir begrüßen, dass vonseiten des Fi-
        nanz- und Verteidigungsministeriums im November ver-
        gangenen Jahres eine solche gemeinsame „Koordinie-
        rungsstelle für Konversionsfragen“ eingerichtet wurde.
        Auch in den Ländern stehen entsprechende Konver-
        sionsbeauftragte den Betroffenen Rede und Antwort. Die
        „Konversionskonferenz“, zu der der Verteidigungsmi-
        nister am Montag circa 300 Bürgermeister und Landräte
        eingeladen hatte, war in diesem Sinne ein weiterer wich-
        tiger und hilfreicher Beitrag für einen fruchtbaren Infor-
        mations- und Erfahrungsaustausch.
        Vor diesem Hintergrund bin ich optimistisch, dass die
        Folgen der Stationierungsänderung erfolgreich gemeis-
        tert werden können.
        Gudrun Kopp (FDP): Die Neustrukturierung der
        Bundeswehr im Zuge der veränderten sicherheitspoliti-
        schen Rahmenbedingungen fordert nicht nur von den
        Soldaten und ihren Familien, sondern auch von den
        Standortkommunen große Anstrengungen. In nur einem
        Jahrzehnt sind die Standorte der Bundeswehr um gut ein
        Drittel von 603 auf jetzt projektierte 392 reduziert wor-
        den. Insbesondere in den Städten und Gemeinden, die in
        herausragender Weise von Bundeswehrgarnisonen ab-
        hängig sind, kann durch den Abzug der Truppen und den
        damit verbundenen Kaufkraftverlust eine zum Teil dra-
        matische Situation eintreten.
        Hier ist deshalb vor allem auch das Verteidigungs-
        ministerium gefordert, wenn es darum geht, zusammen
        mit den Kommunen nach möglichst reibungsfreien
        Übergängen zu streben. Dies bedeutet vor allem, dass
        die jetzt eingerichtete Koordinierungsstelle für Konver-
        sionsfragen (KStK) entscheidend dazu beitragen muss,
        dass die Veräußerung bzw. Transformation von Liegen-
        schaften der Streitkräfte nicht in endlosen bürokrati-
        schen Verfahren dahinschlummert, sondern möglichst
        zügig und zielgerichtet umgesetzt werden kann.
        Insbesondere die Bundesanstalt für Immobilienaufga-
        ben (BImA) muss hier ihrer Verantwortung gerecht wer-
        den und die einzelnen Prüfschritte wie Entbehrlichkeits-
        prüfung, Prüfung von Rückübertragungsansprüchen,
        Freigabeankündigung etc. möglichst zügig umsetzen,
        damit interessierte Kommunen schnell von ihrem Pla-
        nungsrecht Gebrauch machen können. Der Bund dage-
        gen muss natürlich für bestehende Altlasten geradeste-
        hen und diese bei Investoreninteresse möglichst schnell
        beseitigen. Bei der Frage der Veräußerung unter Wert
        sollte in der Tat geprüft werden, ob nicht im Interesse
        von Planungssicherheit und schneller Abwicklung fle-
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        ible Lösungen gefunden werden können. Das
        chlimmste, was hier passieren kann, sind für die Kom-
        unen Endlosverfahren mit großem bürokratischen Auf-
        and, die nur Industriebrachen zurücklassen.
        Alles in allem unterstützt die FDP alle Bemühungen
        nd Maßnahmen, die dem Ziel dienen, wirklich „Vor-
        ahrt für Arbeit“ und insbesondere auch für kommunale
        nvestitionen zu realisieren.
        Zu bedauern ist in diesem Zusammenhang jedoch,
        ass mit den im November verkündeten Standortent-
        cheidungen noch immer nicht das Ende der nunmehr
        eit über einer Dekade andauernden Bundeswehrrefor-
        en erreicht ist. Solange Rot-Grün nicht die Kraft hat,
        ndlich die Frage der Wehrform abschließend zu ent-
        cheiden – und dies kann nur das Ende der Wehrpflicht
        edeuten – so lange werden uns auch die Konversions-
        rozesse nicht erspart bleiben. Rot-Grün muss deshalb
        uch hier endlich handeln, um Planungssicherheit für die
        rmee, ihre Angehörigen sowie die betroffenen Kom-
        unen herzustellen.
        nlage 8
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Keine weitere Verzö-
        gerung in der Frage der Entsorgung nuklearer
        Abfälle (Tagesordnungspunkt 8)
        Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Für eine fried-
        iche Auseinandersetzung mit der Nutzung der Kernkraft
        st der Energiekonsens, den die rot-grüne Bundesregie-
        ung und die sie tragenden Fraktionen in ihrer ersten
        mtsperiode im Jahre 2000 durchgesetzt haben, von be-
        onderer Bedeutung. Der Ausstieg aus der Atomenergie
        ient auch den Sicherheitsinteressen kommender Gene-
        ationen. Leider haben die Oppositionsfraktionen mit ih-
        er ideologischen Haltung zur Atomenergie dies bis
        eute nicht kapiert. Sonst hätten sie mit ihrem Antrag
        om 29. Juni 2004 nicht erneut untragbare Vorschläge in
        ie Debatte eingebracht.
        Das Ein-Endlager-Konzept als wichtiger Baustein des
        nergiekonsenses lässt keine voreiligen Schlüsse auf
        ndlagerstandorte und Endlagermedien zu. Die bisheri-
        en Forschungs- und Entwicklungserkenntnisse sind
        ichtig, aber längst nicht als abschließend einzustufen.
        arum spreche ich mich vorab und grundsätzlich sehr
        achdrücklich für eine Beibehaltung und einen Ausbau
        er Endlagerforschung aus. Der Bundestag selbst und
        ie beteiligten Ministerien – Umwelt, Wirtschaft und Ar-
        eit sowie Bildung und Forschung – müssen weiter kon-
        entriert an diesen Aufgaben arbeiten und in einem Wis-
        ensverbund dafür sorgen, dass die Zwischenergebnisse
        ielgerichtet und effizient weiterverarbeitet werden.
        Es ist auch für die Koalition klar, dass ernsthafte Be-
        ühungen um eine Lösung der Endlagerproblematik
        hne jede Verzögerungen stattfinden müssen.
        Zugleich stehen diesem nur mittel- oder langfristig rea-
        sierbaren Ziel die ausreichenden und beherrschbaren
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16209
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        Möglichkeiten einer Zwischenlagerung nicht entgegen.
        Die von der Opposition verbreitete Drucksituation und
        die damit verbundene Angstmache sind völlig unsinnig.
        Als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises
        Salzgitter-Wolfenbüttel sage ich auch unter dem Ein-
        druck direkter und praktischer Erkenntnisse, dass der
        Antrag der CDU/CSU nicht akzeptabel ist. Mit dem ehe-
        maligen Salzbergwerk Asse II haben frühere Bundesre-
        gierungen – auch SPD-geführte – vollendete Tatsachen
        geschaffen, die eine Einschätzung von Gefahren unter
        dem Gesichtspunkt der Langzeitsicherheit außerordent-
        lich schwer machen. Ich fordere ausdrücklich, dass die
        Gefahrenanalyse – auch unter dem Eindruck eines mas-
        siven und dauerhaften Laugeneinbruchs in Asse II – im
        Rahmen der Arbeiten zum Abschlussbetriebsplan sehr
        ernst genommen werden. Dabei sollte auch geprüft wer-
        den, ob die rund 1 300 Fässer mit mittelradioaktivem
        Atommüll in dem Bergwerksendlager verbleiben dürfen.
        Schacht Konrad sofort für die Verfüllung mit
        schwach- und mittelradioaktiven Abfällen mit vernach-
        lässigbarer Wärmeentwicklung zugänglich zu machen
        spricht für die nicht vorhandene Sensibilität in Fragen
        der Gefahren von Atommaterialien bei der CDU/CSU.
        Dass auch der Unionsabgeordnete aus dem Wahlkreis
        Salzgitter-Wolfenbüttel diese Forderung mit unterschrie-
        ben hat, sagt über seine Haltung zu diesen Gefahrenquel-
        len und zu den Interessen der Menschen in der Region
        alles – ist aber für diese Debatte nebensächlich.
        Für Schacht Konrad sind im Rahmen des Energiekon-
        senses die einzig möglichen und richtigen Grundlagen
        geschaffen worden: Die gerichtlichen Entscheidungen
        werden abgewartet und durch die Aussetzung des sofor-
        tigen Vollzugs werden – anders als bei Asse II – keine
        vollendeten Tatsachen zugelassen. Das Ein-Endlager-
        Konzept, für das Schacht Konrad wegen der anderen
        Grundlagen seiner Untersuchungskriterien nicht infrage
        kommt, ist schon wegen der Volumen- und der Sicher-
        heitsfragen richtig.
        Es kommen aber auch die Standortinteressen der
        Braunschweiger Region mit ihren mehr als l Million
        Einwohnern hinzu. Wer will eigentlich mit dem vorhan-
        denen Atommüllendlager Asse II und dem nahe gelege-
        nen Schacht Morsleben in Sachsen-Anhalt dieser Region
        noch mehr an Belastungen dieser Art zumuten? Leider
        setzt sich – unabhängig von den regionalen Bundes- und
        Landtagsabgeordneten der CDU – nicht einmal die
        CDU/FDP-Landesregierung für diesen Aspekt ein. Die
        Braunschweiger Region ist einer der wichtigsten Wirt-
        schaftsstandorte in Norddeutschland; auch das interes-
        siert die Vertreter dieser Parteien leider nicht.
        Es bleibt also beim Widerstand gegen Schacht
        Konrad und bei der nachdrücklichen Forderung nach
        Klärung aller Sicherheitsfragen auch beim Atommüll-
        endlager Asse II. Und es bleibt bei den Grundlagen des
        Energiekonsenses.
        Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
        Antrag der CDU/CSU soll offenbar von Ihren zahlrei-
        chen Fehlleistungen in der Entsorgung radioaktiver Ab-
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        älle in den Jahren vor dem Regierungswechsel im Jahr
        998 ablenken. Zu Ihren, so wie Sie es im Antrag formu-
        ieren, „bis 1998 entwickelten und im internationalen
        ergleich vorbildlichen Entsorgungsstrukturen“ gehört
        eispielsweise das Atomendlager Morsleben. Zuerst
        urde durch Gerichtsbeschluss im September 1998 die
        eitere Einlagerung in Morsleben untersagt und wenige
        ahre danach mussten wegen drohenden Einsturzes um-
        angreiche Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen werden.
        it Ihrer Sorglos-Atompolitik – hätte man Sie weiter ge-
        ähren lassen – wäre die Bevölkerung mit faktisch un-
        egrenzten Mengen radioaktiven Mülls „beglückt“ wor-
        en. Noch unerträglicher ist es, dass Sie eine
        ntsorgungspolitik betrieben haben, die stets die Sorgen
        nd Bedenken der Bevölkerung ignoriert hat. Aus diesen
        ründen steht seit über zwanzig Jahren Gorleben als
        ymbol für Ihre gescheiterte Entsorgungspolitik. Die
        ealität hat gezeigt, dass man gegen den Willen der be-
        roffenen Bevölkerung zu keiner Lösung in der Endla-
        erfrage kommen kann. Das sind die Fakten, um nur ei-
        ige davon zu nennen.
        Ihr Antrag ignoriert zudem ganz bewusst die erzielten
        ortschritte der rot-grünen Bundesregierung in zentralen
        ragen der Entsorgung. Wir haben Ihre Politik gegen die
        evölkerung nicht nur beendet, sondern auch eine neue
        ndlagerkonzeption entwickelt. Die Auswahl des best-
        öglichen Standortes für ein Endlager soll in einem
        ransparenten und nachvollziehbaren Verfahren auf der
        asis des Vergleichs von Alternativen erfolgen. Diese
        ielsetzung ist angesichts der unvermeidbaren langfristi-
        en Risiken bei der Endlagerung Wärme entwickelnder
        adioaktiver Abfälle ein Gebot der Sicherheit. Grundle-
        endes Element ist die Beteiligung der Öffentlichkeit an
        er Entwicklung, Festlegung und Durchführung des
        uswahlverfahrens.
        Dieses Verfahren soll ohne Vorfestlegungen bundes-
        eit ausgerichtet werden. Dabei soll jede Region und
        chließlich jeder Ort nach den gleichen vorher festgeleg-
        en Kriterien beurteilt werden. Das betrifft dann auch die
        egion Gorleben. Eine Fortführung der Erkundung von
        orleben zum jetzigen Zeitpunkt, wie ihn die Opposi-
        ion fordert, würde die Ergebnisoffenheit eines solchen
        uswahlverfahrens mit Alternativenvergleich unterlau-
        en und mögliche Fehlinvestitionen auslösen. Auch Ih-
        en dürfte bekannt sein, dass die Betriebsbereitschaft ei-
        es Endlagers für Wärme entwickelnde Abfälle aus
        echnisch-wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht
        rst circa im Jahr 2030 erforderlich ist.
        Das BMU hatte die Oppositionsfraktionen und auch
        ie EVU schon im Jahr 2003 eingeladen, sich in einer
        erhandlungsgruppe mit breiter gesellschaftlicher Re-
        räsentanz unter der Leitung von Frau Staatssekretärin
        robst am Auswahlverfahren zu beteiligen. Die Opposi-
        ion und auch die EVU haben sich diesem Gesprächsan-
        ebot verweigert. So sind auch die in der Koalitionsver-
        inbarung von 2002 festgelegten Gespräche mit den
        VU bisher ohne Erfolg geblieben.
        Es lohnt sich für die CDU, einen weiteren Blick in die
        igenen Reihen zu werfen. Das Land Niedersachen
        acht viel Lärm um das genehmigte Endlager Konrad,
        16210 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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        nur sind den Worten bisher keine Taten gefolgt. Obwohl
        die Klageschriften gegen den Planfeststellungsbeschluss
        Konrad bereits seit eineinhalb Jahren vorliegen, lassen
        die Klageerwiderungen des niedersächsischen Umwelt-
        ministeriums weiter auf sich warten. Wer sich so der Lö-
        sung des Endlagerproblems verweigert, sollte vorsichtig
        sein, anderen Verzögerungen vorzuwerfen.
        Es hat den Anschein, dass der Zug der Zeit an der Op-
        position und auch den EVU vorbeizieht. Die Lehre, was
        es heißt, alles auf eine Karte zu setzen, kann aus dem
        Yucca-Mountain-Endlagerprojekt der USA gezogen
        werden. Nach dem Urteil des Appellationsgerichts zum
        Nachweis der Langzeitsicherheit ist die Zukunft dieses
        Standortes ungewiss. Die USA haben keinen Alternativ-
        standort, auf den Sie im Falle des endgültigen Scheiterns
        ausweichen könnten.
        International drohen wir zudem den Anschluss zu
        verlieren. Die Vorgehensweise bei der Endlagerstandort-
        suche ist bereits in einer Reihe von Ländern, zum Bei-
        spiel in Schweden und Finnland, an der Einbindung der
        betroffenen Bevölkerung orientiert und deshalb sehr er-
        folgreich. Der schwedische Wirtschaftsstaatssekretär,
        Claes Anstrand, hat im Dezember 2003 auf einer inter-
        nationalen Endlagerkonferenz in Stockholm sinngemäß
        festgestellt, dass die Errichtung eines Endlagers für ab-
        gebrannte Brennelemente eine offensichtliche örtliche
        Dimension habe. Um Vertrauen der Öffentlichkeit in den
        Entscheidungsprozess herzustellen, habe sich Schweden
        entschieden, die Öffentlichkeit an diesem Prozess zu be-
        teiligen, und sichergestellt, dass diese Beteiligung die
        Einflussnahme auf das Endergebnis ermöglicht. Ich
        wünschte, Sie hätten den Mut, eine solche Entwicklung
        für Deutschland zu unterstützen.
        Die Grünen sind der Auffassung, dass es für alle de-
        mokratischen Parteien im Deutschen Bundestag gute
        Gründe gibt, einen Konsens in der Frage zu suchen, auf
        welche Weise ein Endlager für nukleare Abfälle in
        Deutschland ausgewählt wird.
        Anlage 9
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Biologische Vielfalt
        schützen und zur Armutsbekämpfung und
        nachhaltigen Entwicklung nutzen (Tagesord-
        nungspunkt 9)
        Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Zu Beginn
        möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen
        bedanken. Es ist uns in den Beratungen im Ausschuss
        gelungen, die Unterstützung aller hier im Hause vertrete-
        nen Fraktionen für den Antrag zur biologischen Vielfalt
        zu gewinnen. Jenseits aller parteipolitischen Differenzen
        zwischen den Parteien gibt es also wohl einen breiten
        Konsens über die Ziele zum Schutz und für eine nach-
        haltige Nutzung der biologischen Vielfalt. Und das ist
        gut so. Denn trotz aller Anstrengungen beschleunigt sich
        die Zerstörung von Ökosystemen immer noch in alar-
        mierender Weise. Jährlich werden 15 Millionen Hektar
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        ald vernichtet und auch der Verlust an Arten und damit
        es genetischen Reichtums der Erde schreitet unge-
        remst voran. Täglich sterben 150 Arten aus und gehen
        amit unwiederbringlich verloren. Alarm ist wirklich
        ötig!
        Deshalb hat sich die Weltgemeinschaft auf dem Welt-
        ipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im
        ahre 2002 das Ziel gesetzt, die Verlustrate an biologi-
        cher Vielfalt bis 2010 signifikant zu reduzieren. Ange-
        ichts der riesigen Herausforderungen, die uns in den
        ommenden Jahren und Jahrzehnten bevorstehen, ent-
        prechen die gemeinsamen Forderungen des Deutschen
        undestages im vorliegenden Antrag durchaus der
        röße der Aufgabe.
        Dennoch, meine Damen und Herren von der Opposi-
        ion, kann ich Ihnen nicht ersparen, einige Ihrer Äuße-
        ungen aus der ersten Debatte des Antrags am 10. März
        ieses Jahres zu kommentieren.
        Frau Kollegin Reichard von der Union hat sich vor
        ut einem Monat hier hingestellt und das Hohelied der
        mweltökonomie und der monetären Bewertung von
        osten der Umweltzerstörung gesungen. Man konnte
        chon staunen, haben doch gerade ihre Fraktionskolle-
        innen und -kollegen in den vergangenen sechs Jahren
        och jede umweltpolitische Maßnahme zur monetären
        ewertung externer ökologischer Kosten in Bausch und
        ogen als Untergang des Wirtschaftsstandortes Deutsch-
        and verdammt.
        Diesen geradezu grotesken Widerspruch haben Sie
        ohl selbst erkannt und Ihre Begeisterung für die Um-
        eltökonomie schnell wieder gedeckelt. Volkswirt-
        chaftlich betrachtet – so führen Sie weiter aus – sei es
        lso für Deutschland wesentlich günstiger, sich im Tro-
        enwaldschutz in Südostasien zu engagieren als Treib-
        ausemissionen in Deutschland einzusparen.
        Hier offenbart sich ein umwelt- und entwicklungspo-
        itisches Gedankengut, welches – wenn überhaupt – vor
        0 oder 30 Jahren einmal modern war. Kurz zusammen-
        efasst könnte man Ihre Position so darstellen: Solange
        ir den Entwicklungsländern nur genügend Geld für den
        rwaldschutz zur Verfügung stellen, können wir in
        uropa und Nordamerika ganz beruhigt so weiterma-
        hen wie bisher.
        Sehr geehrte Frau Reichard, Ihre Rede lässt mich be-
        ürchten, dass die Union trotz unseres gemeinsamen An-
        rages immer noch auf der falschen Welle reitet. Globa-
        er Natur- und Ressourcenschutz ist nicht nur eine
        mweltpolitische, sondern immer auch eine entwick-
        ungspolitische Herausforderung.
        Die Industrieländer sind, obwohl sie nur 20 Prozent
        er Weltbevölkerung stellen, für 80 Prozent des weltwei-
        en Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Es ist daher
        nverantwortlich, ja verantwortungslos, auf eine ent-
        icklungspolitisch abgefederte Abwälzung umweltpoli-
        ischer Lasten auf die Entwicklungsländer zu setzen und
        u vermitteln, so könne die Welt vor dem ökologischen
        ollaps bewahrt werden. Außerdem übersieht Ihre Ar-
        umentation, dass die Menschen in den Entwicklungs-
        ändern ihre ökologischen Lebensgrundlagen nicht ohne
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16211
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        Grund zerstören, sie tun dies vielmehr aus Armut und
        aus tagtäglicher Not.
        Es kommt also nicht nur darauf an, unsere Anstren-
        gungen im globalen Umweltschutz zu verstärken. Viel-
        mehr müssen wir diese Anstrengungen in den weltwei-
        ten Kampf gegen die Armut einbetten. Nur wenn wir den
        Menschen in den Partnerländern eine nachhaltige ökono-
        mische Perspektive verschaffen, eröffnen wir ihnen die
        realistische Chance, aus dem Teufelskreis von Armut
        und fortschreitender Umweltzerstörung auszubrechen –
        wir handeln damit ohnehin in unserem ureigensten Inte-
        resse.
        Gerade die UN-Konvention über die biologische
        Vielfalt spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige
        Rolle. Im Gegensatz zu vielen anderen multilateralen
        Umweltabkommen verbindet sie den Schutz der biologi-
        schen Vielfalt mit deren nachhaltiger Nutzung und dem
        gerechten Ausgleich der sich aus der Nutzung ergeben-
        den Vorteile.
        Die biologische Vielfalt ist das Kapital der Armen.
        Das nachwachsende Gold unseres Planeten konzentriert
        sich in erster Linie in den Entwicklungsländern. Das
        ökonomische und kaufmännische Wissen für die indus-
        trielle Nutzung und Vermarktung biologischer Vielfalt
        ist dagegen vor allem in den Industrieländern angesie-
        delt. Deshalb pochen die Entwicklungsländer zu Recht
        auf die Umsetzung des dritten Ziels der UN-Konvention
        über die biologische Vielfalt. Sie fordern ein internatio-
        nales Regime für den gerechten Vorteilsausgleich sowie
        einen wirksamen Schutz gegen Biopiraterie.
        Die UN-Konvention über die biologische Vielfalt bie-
        tet somit eine ideale Plattform für ein faires Bündnis von
        Nord und Süd im weltweiten Umwelt- und Ressourcen-
        schutz. Wenn es uns gelingt, beim Schutz und bei der
        nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu einem
        funktionsfähigen Regime des gerechten Vorteilsaus-
        gleichs zu kommen, könnte dies als Prototyp für andere
        Bereiche des globalen Umweltschutzes dienen.
        Meine sehr verehrten Damen und Herren von der
        Union, wir haben gelernt, Armutsbekämpfung, nachhal-
        tige Entwicklung und Umweltschutz als Einheit zu be-
        trachten und unsere Entwicklungszusammenarbeit ent-
        sprechend auszurichten. Bei Ihnen kann ich mich eines
        Eindrucks nicht erwehren: Sie benutzen den globalen
        Umweltschutz immer noch als Feigenblatt! Wollen Sie
        so über die Defizite Ihrer Umweltpolitik im eigenen
        Land hinwegtäuschen?
        Lassen Sie mich dennoch betonen, dass ich über die
        Gemeinsamkeit bei diesem Antrag zufrieden bin. Im
        Laufe der Verhandlungen über den vorliegenden Antrag
        haben Sie sich immerhin auf unseren breiteren und mo-
        derneren Ansatz eingelassen.
        Ganz im Sinne dieses Bewusstseinswandels wünsche
        ich mir ein hohes Maß an Nachhaltigkeit in Ihrer Frak-
        tion. Diese Hoffnung möchte ich ausdrücklich auch auf
        die Kolleginnen und Kollegen von der FDP ausdehnen.
        Obwohl wir nicht alle Ihre Forderungen erfüllen konn-
        ten, haben Sie dem Antrag letztendlich zugestimmt. Das
        verdient Anerkennung.
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        Dennoch komme ich nicht umhin, verehrter Herr Kol-
        ege Heinrich, auf eine Ihrer kritischen Anmerkungen
        us der letzen Debatte näher einzugehen. Sie haben da-
        als behauptet, in Punkt drei unseres Antrages werde
        ie einseitige Bevorzugung der ökologischen Seite bei
        ielkonflikten zwischen internationalen Handelsverein-
        arungen und den Umweltkonventionen gefordert.
        Zunächst einmal möchte ich hierzu anmerken, dass
        ies so nicht im Antrag steht, vielmehr wird die Bundes-
        egierung aufgefordert, sich in internationalen Verhand-
        ungen dafür einzusetzen, dass die bestehenden Zielkon-
        likte zwischen den Umweltkonventionen und den
        nternationalen Handelsvereinbarungen aufgelöst und
        ie Umweltkonventionen gestärkt werden. Sie werden
        ir zustimmen, dass dies etwas völlig anderes ist, als
        hre verkürzte Darstellung suggeriert.
        Unabhängig vom Streit um Formulierungen ist Ihre
        ritik aber auch einfach falsch. Es geht nicht darum, die
        mweltkonventionen gegenüber den internationalen
        andelsvereinbarungen zu bevorzugen. Vielmehr geht
        s darum, zu verhindern, dass bereits bestehende interna-
        ionale Umweltvereinbarungen im Zuge der WTO-Ver-
        andlungen unterlaufen werden. Es geht also nicht um
        ine Ausweitung internationaler ökologischer Standards,
        ondern um die Verhinderung ihrer Aufweichung, inter-
        ationaler ökologischer Standards übrigens, die noch
        on der konservativ-liberalen Regierung unter Helmut
        ohl ausgehandelt worden sind.
        Im Übrigen ist es auch falsch, uns zu unterstellen, wir
        ollten mit unserem Antrag eine neue Konditionierung
        ugunsten des Umwelt- und Ressourcenschutzes bei der
        erwendung von frei werdenden Mitteln aus der Ent-
        chuldung einführen. Vielmehr wollen wir mit den Part-
        erländern – wenn möglich – Projekte zum Schutz der
        iologischen Vielfalt vereinbaren. Dies ist keine Kondi-
        ionierung, sondern ein Angebot – ein gutes Angebot,
        ie ich hier ausdrücklich betonen möchte.
        Die Bundesrepublik Deutschland genießt seit vielen
        ahren im Umwelt- und Ressourcenschutz international
        in hohes Ansehen. Sie leistet einen überproportional
        ohen Anteil im Bereich des globalen Umweltschutzes.
        nter der rot-grünen Bundesregierung sind die Zusagen
        er finanziellen und technischen Zusammenarbeit in die-
        em Bereich von rund 560 Millionen Euro im Jahr 2000
        uf circa 710 Millionen Euro im Jahr 2003 angehoben
        orden. Gleichzeitig hat Deutschland seine Mittel, die
        s multilateralen Gebern zur Verfügung stellt, von 2001
        is 2003 von 58,9 Millionen auf 100 Millionen Euro fast
        erdoppelt. Mit 128 Millionen Euro jährlich ist Deutsch-
        and einer der weltweit größten Geber für Maßnahmen
        m Bereich des Urwaldschutzes.
        Mit dem vorliegenden Antrag zum Schutz und zur
        achhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt ermuti-
        en wir die Bundesregierung, den eingeschlagenen Weg
        uch in Zukunft konsequent fortzusetzen.
        Der diesjährige UN-Tag der biologischen Vielfalt am
        2. Mai steht unter dem Motto: „Biologische Vielfalt –
        ebensversicherung für unsere Welt im Wandel“. Wir
        aben die enorme Bedeutung der Biodiversität für die
        16212 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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        weltweite Bekämpfung der Armut und für die Zukunft
        unserer Kinder erkannt. Wir sind bereit, die notwendigen
        Beiträge für diese Lebensversicherung zu leisten. Und
        das ist Zukunftsverantwortung in Zeiten rasanten Wan-
        dels in einer globalisierten Welt.
        Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU): Wie ich
        bereits in meiner Rede am 10. März zum Thema deutlich
        gemacht habe, ist der Erhalt der biologischen Vielfalt die
        Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung auf un-
        serer Erde. Doch was verstehen wir unter dem recht abs-
        trakten Begriff „Biologische Vielfalt“? Es ist der Sam-
        melbegriff für die Variabilität des Lebens in all seinen
        Formen, angefangen bei der genetischen Vielfalt über
        die Artenvielfalt bis hin zur Vielfalt einzelner Ökosys-
        teme. Dass die biologische Vielfalt in vielerlei Hinsicht
        als die Grundlage des menschlichen Lebens bezeichnet
        werden kann, ist leider vielen in unserer Gesellschaft
        nicht bewusst. Sie garantiert die Bereitstellung von Pro-
        dukten und Leistungen, die das Wohlergehen von
        Mensch und Natur ermöglichen und erhalten helfen.
        Und genau diese Grundlagen zerstören wir in zunehmen-
        dem Maße.
        Ich möchte nur wenige Beispiele nennen: Wild-
        lebende Tier- und Pflanzenarten werden durch eine un-
        angepasste oder zu intensive Landnutzung verdrängt und
        ausgerottet. Wertvolle Böden werden zunehmend degra-
        diert und deren Produktivität wird für immer zerstört.
        Durch das Abholzen der Wälder schwindet die Fähigkeit
        von Ökosystemen, Wasser zu speichern und kontinuier-
        lich abzugeben. Allein in Südostasien werden jährlich
        rund 5,8 Millionen Hektar Urwald vernichtet – ein Ge-
        biet so groß wie die Schweiz. Die Konsequenzen für das
        Weltklima sind verheerend. Alarmierend ist auch die
        Überfischung der Weltmeere und Binnenseen. Zudem
        führt die zunehmende Meeresverschmutzung zu einer
        großflächigen Gefährdung und Zerstörung von wertvol-
        len Küstenökosystemen.
        Natürlich ist es unsere gesellschaftliche Verantwor-
        tung, die Vielfalt der Schöpfung und die ökologische In-
        tegrität wichtiger Ökosysteme für zukünftige Generatio-
        nen zu bewahren. Doch Anspruch und Wirklichkeit in
        der deutschen Entwicklungszusammenarbeit klaffen lei-
        der weit auseinander. Ich möchte dies am folgenden Bei-
        spiel verdeutlichen: Gerade in diesem Jahr sprechen wir
        intensiv über die Millenniumsentwicklungsziele – MDG –
        zur Halbierung von Hunger und Armut in der Welt. Der
        Schutz der natürlichen Umwelt, sprich unserer natürli-
        chen Lebensgrundlagen, ist eine elementare Grundvo-
        raussetzung für die Erreichung dieser Ziele. Eine erfolg-
        reiche Bekämpfung der Armut, die flächendeckende
        Versorgung der Menschen mit Trinkwasser und der
        Schutz der Produktivität der Böden sind allesamt unmit-
        telbar auf die Erhaltung und Nutzung der biologischen
        Vielfalt angewiesen. Vollmundig propagiert die Ent-
        wicklungsministerin die Notwendigkeit zur Unterstüt-
        zung der Millenniumsziele, vernachlässigt jedoch in der
        praktischen Durchführung zwei der wichtigsten Politik-
        bereiche: die ländliche Entwicklung auf der einen Seite
        und den Natur- und Ressourcenschutz auf der anderen
        Seite. Ich empfinde die eklatante Diskrepanz zwischen
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        er Rhetorik und der praktischen entwicklungspoliti-
        chen Umsetzung erschreckend. Noch vor wenigen Jah-
        en galt Deutschland auf internationaler Ebene als ein
        ehr engagierter Partner im internationalen Natur- und
        essourcenschutz. Der nun schon einige Jahre andau-
        rnde schleichende Bedeutungsverlust dieses Sektors in
        er bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit
        st nicht hinnehmbar und muss umgehend gestoppt wer-
        en.
        Wenn Sie heute zum Beispiel durchs östliche und süd-
        iche Afrika reisen, müssen Sie feststellen, dass die
        eisten der renommierten Natur- und Ressourcen-
        chutzprojekte, die von der deutschen Entwicklungszu-
        ammenarbeit initiiert und aufgebaut wurden, inzwi-
        chen beendet oder in die letzte Implementierungsphase
        erwiesen wurden. Von einer Fortsetzung der erfolgrei-
        hen und auf internationaler Ebene sehr angesehenen
        rojektarbeit auf gleichem Niveau kann nicht gespro-
        hen werden. Deutschland verabschiedet sich, von weni-
        en lobenswerten Ausnahmen abgesehen, zunehmend
        us diesem so wichtigen Sektor. Selbst namhafte Exper-
        en bezeichnen den Beitrag der deutschen Entwicklungs-
        usammenarbeit zum Schutz der Biodiversität inzwi-
        chen als viel zu gering und ineffizient.
        Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, wurde
        uf Initiative der CDU/CSU-Fraktion letztes Jahr eine
        xpertenanhörung im Bundestagsausschuss für wirt-
        chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchge-
        ührt. Der heute zur Debatte stehende interfraktionelle
        ntrag ist ein Ergebnis dieser Anhörung. Ich möchte in
        iesem Zusammenhang meinen Kollegen von Rot-Grün
        m Entwicklungsausschuss sehr herzlich danken, die uns
        er Sache wegen bei diesem Antrag unterstützt haben.
        ie schon in meiner Rede vom 10. März möchte ich auf
        in paar Forderungen des gemeinsamen Antrags einge-
        en, die meiner Meinung nach besonders wichtig sind.
        ir fordern zum Beispiel die Bundesregierung auf, un-
        eren biodiversitäts- und tropenwaldreichen Partnerlän-
        ern folgendes Angebot zu machen: Wir sollten ihnen
        nbieten, sie zusätzlich zu den in Regierungsverhandlun-
        en vereinbarten Kooperationssektoren im Bereich
        chutz und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen
        u unterstützen.
        Des Weiteren erwarten wir von der Bundesregierung,
        ass sie endlich die entsprechenden Maßnahmen er-
        reift, um den Import von illegal eingeschlagenem Tro-
        enholz nach Deutschland zu unterbinden. Hier können
        ns vor allem anerkannte Zertifizierungssysteme zur
        ennzeichnung von legalen und aus nachhaltiger Be-
        irtschaftung stammenden Tropenhölzern weiterhelfen.
        ie Unterstützung der verschiedenen anerkannten Zerti-
        izierungssysteme auch in den Entwicklungsländern
        alte ich für ungemein wichtig. Hier kann und muss die
        eutsche Entwicklungspolitik einen Beitrag leisten.
        Ich möchte nun zu einem anderen Punkt kommen, der
        ir sehr wichtig erscheint. Nicht ohne Grund werden
        eute viele Naturschutzgebiete und Nationalparks in
        ntwicklungsländern als so genannte Papier-Parks be-
        eichnet. Gemeint ist damit, dass sie zwar auf dem Pa-
        ier als Park eingetragen sind, aber in Wirklichkeit kei-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16213
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        nen effektiven Schutz genießen – sei es aus mangelndem
        Willen oder aufgrund fehlender Finanzmittel. Ohne ver-
        nünftiges Management, ohne eine Einbeziehung der Be-
        völkerung und ohne engagierte Wildhüter sind viele
        Parks dem Raubbau preisgegeben. Auch hier sollte die
        deutsche Entwicklungszusammenarbeit einen verstärk-
        ten Beitrag leisten und unseren Partnerländern unter die
        Arme greifen. Gefragt sind Beratungsleistungen zum
        Aufbau von effektiven Managementsystemen, Systeme
        zur bestmöglichen Einbeziehung der lokalen Bevölke-
        rung sowie neue innovative Instrumente zur langfristi-
        gen Finanzierung von Naturschutzgebieten. Die Einrich-
        tung und Unterstützung von Stiftungen oder so
        genannten trust funds zur Finanzierung von Schutzge-
        bieten halte ich für sinnvoll, betone aber zugleich, dass
        diese nicht dazu führen dürfen, reformbedürftige und ge-
        gebenenfalls korrupte Verwaltungen künstlich am Leben
        zu erhalten. In vielen Fällen müssen wir uns die Frage
        stellen, ob der Staat wirklich der beste Akteur für das
        Management und die Absicherung von Schutzgebieten
        ist. Ich behaupte, dass dies in vielen Ländern nicht der
        Fall ist. Wir müssen uns daher verstärkt mit der Frage
        beschäftigen, ob zumindest in manchen Fällen private
        Akteure, kommunale Gemeinschaften oder NGOs einen
        besseren Schutz der Natur gewährleisten können als zen-
        tralistisch organisierte und bürokratische staatliche Insti-
        tutionen. Gerade im südlichen Afrika haben sich private
        Schutzgebietsansätze sehr bewährt. Es gibt eine Reihe
        von sehr erfolgreichen privaten Naturreservaten und so-
        gar professionellen privaten Unternehmen, die dem Staat
        die Dienstleistung „Schutz und Management der staatli-
        chen Parks“ anbieten. Auch sehr bewährt haben sich
        Partnerschaftsmodelle zwischen der lokalen Bevölke-
        rung, privaten Landbesitzern und dem Staat. Für die
        deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte dies ein
        Ansporn sein, sich intensiver mit innovativen Gover-
        nance-Strukturen für Schutzgebiete zu beschäftigen.
        Wir erwarten auch, dass die Bundesregierung die Er-
        gebnisse der 7. Vertragsstaatenkonferenz der Konven-
        tion über die Biologische Vielfalt – CBD – zu Schutzge-
        bieten aktiv unterstützt und umsetzt. Eines der
        Ergebnisse der 7. Vertragsstaatenkonferenz ist die Ein-
        richtung eines repräsentativen globalen Netzwerks von
        Schutzgebieten zu Land und zu Wasser. Im Juni dieses
        Jahres wird in Italien eine Geberkonferenz zur Finanzie-
        rung dieses Schutzgebietsnetzes stattfinden. Wir erwar-
        ten, dass sich das Bundesministerium für wirtschaftliche
        Zusammenarbeit in diese Konferenz aktiv einbringt und
        den Aufbau des globalen Schutzgebietsnetzwerks finan-
        ziell unterstützt.
        Ich habe bisher ausschließlich von Schutzgebieten ge-
        sprochen. Uns allen sollte jedoch klar sein, dass der
        größte Anteil der Biodiversität außerhalb von Schutzge-
        bieten existiert. Gerade in diesen Gebieten ist die Natur
        besonders gefährdet. Wir müssen uns deshalb auch ver-
        stärkt auf Konzepte konzentrieren, die geeignet sind,
        biologische Vielfalt auch außerhalb von Schutzgebieten
        zu erhalten. Schutz durch nachhaltige Nutzung – ganz
        im Sinne der Konvention über biologische Vielfalt – ist
        hier oft der erfolgreichste Ansatz. Es geht um Anreizme-
        chanismen für die lokale Bevölkerung, schonend mit den
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        atürlichen Ressourcen umzugehen. In vielen Fällen
        önnen wir nur dann die biologische Vielfalt erhalten,
        enn es uns gelingt, umweltverträgliche Landnutzungs-
        ysteme zu entwickeln, die eine ökonomische Alterna-
        ive zu naturzerstörenden Landnutzungsformen, wie
        andwirtschaftlichen Monokulturen und Kahlschlägen,
        arstellen. Gerade in Afrika gibt es eine Reihe von Bei-
        pielen, in denen durch eine nachhaltige Nutzung von
        aturressourcen, beispielsweise Wildtiere – im Einver-
        ehmen mit der lokalen Bevölkerung –, wertvolle Natur-
        ebiete erhalten werden konnten.
        Bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Es ist nicht im-
        er notwendig, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Vie-
        es kann schon allein durch verstärktes Engagement er-
        eicht werden. Wir erwarten zum Beispiel von der
        undesregierung, dass sie die Weltbank und die regiona-
        en Entwicklungsbanken ermutigt, in ihrer Projektpla-
        ung den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biolo-
        ischen Vielfalt stärker zu berücksichtigen.
        Auch wünschen wir uns, dass der Schutz global wich-
        iger Naturressourcen von allen beteiligten Bundes-
        inisterien, wie zum Beispiel BMZ, BMU, BMBF und
        A, gleichermaßen unterstützt wird. Dies ist bisher lei-
        er nicht immer der Fall.
        Abschließend möchte ich sagen, dass die CDU/CSU
        en gemeinsamen Antrag als große Chance sieht, den et-
        as in Vergessenheit geratenen Sektor „Schutz der Bio-
        iversität“ wieder aufzuwerten. Wir reichen der Regie-
        ung die Hand und bieten unsere konstruktive
        nterstützung an. Lassen Sie uns in diesem Bereich zu-
        ammenarbeiten. Es geht schließlich nicht nur um die
        ebensgrundlagen künftiger Generationen, sondern auch
        m Vermeidung von zukünftigen Krisen und Konflikten.
        atur- und Umweltschutz sind zudem eine zentrale Vo-
        aussetzung zur Erreichung der Millennium-Develop-
        ent-Ziele.
        Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch
        n den Beratungen in den Ausschüssen wurde die Bedeu-
        ung des Themas „Biologische Vielfalt und Armutsbe-
        ämpfung“ unterstrichen. Nur die FDP hat sich wirklich
        chwer getan mit der Befassung. Ein einheitliches Vo-
        um in den diversen Ausschüssen lässt sich nicht erken-
        en. Dies mag nicht verwundern, war doch an keiner
        telle der Debatte wirklich erkennbar, dass die Liberalen
        em Thema die angemessene Aufmerksamkeit zukom-
        en lassen. Gleichwohl bin ich froh, dass wir mit den
        rgänzungen der Kollegen des Ausschusses für Verbrau-
        herschutz, Ernährung und Landwirtschaft, die den An-
        rag um den Aspekt der Ernährungssicherheit ergänzt ha-
        en, diesen heute hier beschließen.
        Lassen Sie mich also kurz beschreiben, warum der
        rhalt der biologischen Vielfalt so existenziell, ja von
        lobaler Bedeutung ist und warum ein unmittelbarer Zu-
        ammenhang zur Bekämpfung der Armut besteht. Wie
        st denn die Ausgangssituation? Pro Jahr werden rund
        5 Millionen Hektar Wald vernichtet und pro Tag ster-
        en rund 150 Arten aus. Die Zerstörung von Ökosyste-
        en und der Verlust an Arten beschleunigt sich in alar-
        ierender Weise. Die Staatengemeinschaft hat dies
        16214 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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        durchaus erkannt. Sie hat auf dem Weltgipfel von Johan-
        nesburg das Ziel formuliert, die Verlustrate an biologi-
        scher Vielfalt bis zum Jahre 2010 signifikant zu reduzie-
        ren. Allein die Umkehr des negativen Trends zu
        erreichen ist uns noch nicht gelungen. Und genau des-
        halb müssen Industrie- und Entwicklungsländer mehr
        tun, um die biologische Vielfalt zu erhalten.
        Denn eines wird doch in den letzten Jahren immer
        deutlicher: Globaler Klimawandel, Wüstenbildung, die
        Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit oder die Verringe-
        rung der Vielfalt von Nutzpflanzen wie Getreide- und
        Reissorten, die Überfischung der Weltmeere, von denen
        die Welternährung abhängt – alles Entwicklungen, die
        den Erhalt der biologischen Vielfalt beeinflussen –, ha-
        ben globale Auswirkungen. Sei es bezogen auf die glo-
        bale Sicherheit, auf die Bekämpfung der Armut oder, all-
        gemeiner formuliert, auf die Entwicklungsperspektive
        von Gesellschaften. So wird man auch daran erinnern
        müssen, dass schon heute die Zahl der Umweltflücht-
        linge höher liegt als die Zahl der Menschen, die infolge
        von Bürgerkrieg und Krieg ihre Heimat verlassen müs-
        sen.
        Wir haben in der ersten Debatte zum Thema darüber
        gesprochen, was man tun kann zum Erhalt der biologi-
        schen Vielfalt und was die Bundesregierung getan hat.
        Ich habe dabei die Bedeutung des Erhalts des Regenwal-
        des erwähnt und Projekte des Umwelt- und Ressourcen-
        schutzes beschrieben, habe Beispiele der Sicherung der
        Agrobiodiversität erwähnt und das Nationalparkmanage-
        ment. Die Bundesregierung, aber auch die Durchfüh-
        rungsorganisationen haben hier wirklich Vorbildliches
        geleistet, was in der Höhe der Finanzmittel und der Qua-
        lität der Programme zum Ausdruck kommt. Sie wissen,
        dass die Zusagen in der bilateralen Zusammenarbeit von
        circa 558 Millionen Euro im Jahr 2000 auf circa
        710 Millionen Euro im Jahr 2003 gesteigert wurden.
        Deutschland ist zudem einer der größten bilateralen Ge-
        ber im Bereich des Tropenwaldschutzes. Meine Fraktion
        wird sich auch in den kommenden Jahren dafür stark
        machen, hier nachzulegen.
        Aber ich möchte an dieser Stelle noch einen weiteren
        Aspekt ansprechen. Was können wir tun, um internatio-
        nal weiterzukommen? Wir müssen Gebiete, die ökolo-
        gisch von besonderer Bedeutung sind, erhalten. Dies gilt
        vor allem dort; wo eine einzigartige Vielfalt existiert. Ich
        spreche von den Ländern, die sich in der so genannten
        Megadiversen-Allianz zusammengeschlossen haben.
        Länder, in denen rund 80 Prozent der biologischen Viel-
        falt der Erde beheimatet sind wie Brasilien, Indonesien,
        Indien und China. Dies wird sich nur dann erreichen
        lassen, wenn den Ländern langfristig mehr Einnahmen
        entstehen durch den Schutz ihrer einzigartigen ökologi-
        schen Vielfalt, durch Mittel aus der Entwicklungskoope-
        ration, durch Ausgleichsmaßnahmen im Kontext der
        Klimakonvention und der Konvention über die biologi-
        sche Vielfalt sowie durch eine nachhaltige Nutzung der
        Ressourcen.
        Wir müssen die Biopiraterie zum Nachteil der Ent-
        wicklungsländer bekämpfen und Regeln entwickeln im
        Zuge der Nutzung biologischer Ressourcen und im Zu-
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        ammenhang mit Patentanmeldungen. Wenn die Men-
        chen aus den Ländern – dies schließt ausdrücklich die
        okale Bevölkerung und die indigenen Gemeinschaften
        it ein – nicht direkt profitieren, entfällt ein Interesse
        m Erhalt. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der
        orteile und mittelfristig ein internationales Regime ein-
        chließlich eines Mechanismus zur Umsetzung, das eine
        ngemessene Verteilung gewährleistet. Mit der UN-
        onvention über die biologische Vielfalt, CBD, haben
        ir ein zwischenstaatliches Instrument, bei dem Schutz-
        nd Nutzungsaspekte gleichermaßen im Blickfeld ste-
        en. Das ist richtig; denn nur so kann der Schutz und Er-
        alt der biologischen Vielfalt funktionieren.
        Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Wangari
        aathai war auch eine Ermutigung derjenigen, die sich
        eltweit für den Erhalt der Umwelt einsetzen. Die Bot-
        chaft war klar: Umweltpolitik, Friedenspolitik und die
        ekämpfung von Armut gehören zusammen. Der Erhalt
        er biologischen Vielfalt ist wirklich ein Menschheitsan-
        iegen. Wir können uns nicht damit abfinden, dass der
        erlust der Artenvielfalt nicht aufzuhalten ist.
        Ulrich Heinrich (FDP): Es freut mich, dass wir bei
        iesem Antrag im Ausschuss zu einer so schnellen Eini-
        ung gekommen sind. In dem uns heute vorliegenden
        ntrag wurden in der letzten Ausschusssitzung einige
        eränderungen vorgenommen, die ich hier noch einmal
        erausstellen möchte.
        Zum einen wurde die einseitige Hervorhebung der
        SC-Zertifizierung für Holznutzung aufgegeben und er-
        etzt durch die Forderung, die Unterstützung und Ver-
        arktung bestehender unabhängiger Zertifizierungssys-
        eme für eine ökologische, sozial und ökonomisch
        achhaltige Waldbewirtschaftung zu stärken. Dadurch
        önnen alle acht von der FAO anerkannten Systeme glei-
        hermaßen gefördert werden und die Entwicklungslän-
        er, die sich nicht für das FSC entschieden haben, wer-
        en nicht mehr benachteiligt.
        Zum anderen wurden die Widersprüche des Antrages
        wischen dem partizipatorischen Ansatz unserer Ent-
        icklungszusammenarbeit und den Interessen der Ent-
        icklungsländer auf der einen Seite und die Forderun-
        en, dass internationale Handelsvereinbarungen und frei
        erdende Mittel aus Entschuldungen nach HIPC II zu-
        unsten des Schutzes der biologischen Vielfalt verwandt
        erden sollen, zwar nicht gelöst, aber zumindest ent-
        chärft.
        Des Weiteren finde ich es wichtig und richtig, dass in
        er neuen Fassung des Antrages die Bedeutung der bio-
        ogischen Vielfalt bei der Ernährungssicherung berück-
        ichtig wird.
        Anschaulich wird im Antrag geschildert, dass das
        otenzial der Biodiversität in den Entwicklungsländern
        esonders hoch ist. Dieses Potenzial kann den Menschen
        ur zugute kommen, wenn sie den ökonomischen Wert
        er biologischen Vielfalt kennen und anwenden. In die-
        em Zusammenhang wird auch erkannt, dass der Schutz
        er biologischen Vielfalt nur dann gelingen kann, wenn
        ie Menschen in den Entwicklungsländern am Nutzen
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16215
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        der vielfältigen Flora und Fauna beteiligt werden. Hier
        besteht in den Entwicklungsländern noch enormer Nach-
        holbedarf.
        Unsere schnelle Einigung über diesen Antrag zeigt,
        wie sehr uns allen der Schutz der Biodiversität am Her-
        zen liegt. Ich möchte Ihnen für die Zusammenarbeit in
        diesem Punkt danken.
        Anlage 10
        Zu Protokoll gegebene Reden
        zur Beratung des Antrags: Togos Weg in die De-
        mokratie unterstützen – Afrikanische Union
        (AU) und ECOWAS beim Engagement für
        Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat-
        lichkeit unterstützen (Zusatztagesordnungs-
        punkt 10)
        Gabriele Groneberg (SPD): Es ist richtig, wir in
        Deutschland können uns aufgrund unserer gemeinsamen
        Vergangenheit mit Togo verbunden und deswegen auch
        verpflichtet fühlen. Vor dem Jahr 1993 hat sich dieses in
        einer intensiven bilateralen Zusammenarbeit mit Togo
        dargestellt. Wir haben dann diese intensive Zusammen-
        arbeit einstellen müssen. Der Grund lag für uns in den
        zuvor stattgefundenen Wahlen, die weder frei und demo-
        kratisch abgelaufen waren und auch in höchstem Maße
        unfair waren. Eine Zusammenarbeit mit dem diktatori-
        schen Regime konnte unter diesen Umständen nicht
        mehr aufrechterhalten werden. Dies haben wir alle sehr
        bedauert. Wie haben allerdings weiterhin in Togo tätige
        NGO’s unterstützt und tun dies immer noch. Die huma-
        nitäre Hilfe für die Bevölkerung ist notwendiger denn je.
        Das Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem dik-
        tatorischen Regime in Togo ist generell bei der interna-
        tionalen Gemeinschaft wie auch bei anderen EU-Län-
        dern nicht sehr groß. Ablesen kann man dies durchaus
        daran, dass nur zwei EU-Länder, Frankreich und
        Deutschland, Botschaften in Togo unterhalten.
        Der plötzliche Tod des Präsidenten Eyadéma im Fe-
        bruar 2005 hätte den Aufbruch in ein demokratisches
        Zeitalter für Togo bedeuten können. Weit gefehlt! In ei-
        nem Staatsstreich brachte das Militär den Sohn des Dik-
        tators, Faure Gnassingbé, an die Macht. Diverse Verfas-
        sungsänderungen sollten dafür sorgen, dass dieser bis
        2008 ohne Wahlen im Amt bleiben sollte.
        Erst der massive Druck der internationalen Gemein-
        schaft, der USA, der EU, der AU – Afrikanische Union –
        und ECOWAS – Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikani-
        scher Staaten – haben dafür gesorgt, dass die alte Verfas-
        sung wieder Gültigkeit erlangte und ein Übergangspräsi-
        dent eingesetzt wurde. Ebenso wurden Neuwahlen
        innerhalb 60 Tagen angeordnet.
        Die Bundesregierung hat seit Anfang Februar mehr-
        fach auf verschiedene Weise deutlich gemacht, dass sie
        Vorgänge um die Machtübernahme durch Faure
        Gnassingbé verurteilt.
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        Am 23. Februar 2005 haben wir uns im Ausschuss für
        irtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus-
        ührlich mit der Situation in Togo beschäftigt.
        Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir das Ver-
        alten von Faure Gnassingbé und seinen Anhängern ver-
        rteilen, und haben gefordert, dass die Wahlen frei, fair
        nd demokratisch ablaufen. Wir haben damals – ebenso
        ie die Bundesregierung – deutlich gemacht, dass es
        ine Übergangsregierung geben muss und die nach der
        erfassung gültigen Fristen für Neuwahlen eingehalten
        erden müssen. Wir haben unseren Ausschussvorsitzen-
        en beauftragt, unsere deutliche Stellungnahme und un-
        ere Forderungen zu den Vorgängen in Togo in entspre-
        hender Weise öffentlich zu machen.
        Die Meldungen, die uns zwischenzeitlich erreicht ha-
        en, lassen allerdings die Hoffnung, dass unsere berech-
        igten Forderungen Gehör finden, nicht zu. Ich denke, je-
        er von uns hier im Plenum hat seine berechtigten
        weifel, dass diese Wahlen tatsächlich demokratisch
        ein werden. Wir verurteilen deshalb auch auf das
        chärfste das brutale Vorgehen des Militärs gegen De-
        onstranten, die sich im Vorfeld gegen Manipulationen
        ussprechen und dies durch Proteste deutlich machen.
        Die Bundesregierung hat im Vorfeld durch die Aus-
        ildung von Wahlbeobachtern in Zusammenarbeit mit
        em Kofi-Annan-International-Peacekeeping-Centre in
        hana bereits 2004 50 Wahlbeobachter aus ECOWAS-
        taaten ausbilden lassen und gegenüber ECOWAS auch
        uf deren Einsatz bei den Wahlen in Togo gedrängt. Die
        undesregierung wird aus den Botschaften der umlie-
        enden Länder Mitarbeiter zur Beobachtung der Wahlen
        ach Togo entsenden. Trotzdem befürchten wir, dass es
        ben nicht zu freien, fairen und demokratischen Wahlen
        ommen wird. Wir haben also im Großen und Ganzen
        ine Übereinstimmung mit den Aussagen und Zielen Ih-
        es Antrages.
        Ihre in Ihrem Antrag geäußerte Kritik an der AU und
        n ECOWAS finde ich nicht angemessen. Beide Organi-
        ationen müssen sich in ihrer neuen Rolle zurechtfinden.
        as geht nicht von heute auf morgen. Im vorliegenden
        all ist sehr gut reagiert worden. Umgehend ist massiver
        ruck auf das Regime in Togo ausgeübt worden bis hin
        u beschlossenen Sanktionen. In Kombination mit dem
        ruck der internationalen Gemeinschaft hat das dazu ge-
        ührt, dass Faure Gnassingbé zurückgetreten ist und die
        erfassung wieder in Kraft gesetzt wurde.
        Ich gehe davon aus, dass das gewachsene Selbstbe-
        usstsein in beiden Organisationen in Zukunft dazu füh-
        en wird, dass sich AU und ECOWAS früher als bisher
        nd erfolgreich in afrikanische Konflikte einmischen
        erden, und dafür brauchen sie unsere ungeteilte Unter-
        tützung.
        Wundern muss ich mich allerdings darüber, warum
        hr Antrag erst mit Datum vom 19. April 2005 – das war
        m Dienstag – eingereicht wurde. Jetzt bedenken Sie
        inmal die Zeitschiene: Wir beraten heute am späten
        onnerstagabend über diesen Antrag. Morgen, Freitag,
        eginnt bei uns und in der EU das Wochenende und am
        onntag sind die Wahlen. Insofern muss ich feststellen,
        16216 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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        dass Ihre an die Bundesregierung gerichteten Forderun-
        gen absolut ins Leere laufen müssen, alleine aus zeitli-
        chen Gründen.
        Glauben Sie ernsthaft, dass jetzt quasi in letzter Mi-
        nute die Bundesregierung und die EU-Partner eine
        Chance haben, die togolesische Regierung und das Par-
        lament zu überzeugen, dass die Präsidentschaftswahlen
        auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden? Glau-
        ben Sie das wirklich? Noch nicht einmal die sofortige
        Abstimmung dieses Antrages haben Sie verlangt. So
        wird der Antrag heute überwiesen, und was die Wahlen
        betrifft, hat er sich am Montagmorgen erledigt.
        Die Bundesregierung hat sich im Übrigen durch Frau
        Staatsministerin Kerstin Müller heute noch einmal be-
        sorgt zu den Wahlen geäußert und an die Verantwortli-
        chen in Togo appelliert, ihre eingegangenen Verpflich-
        tungen zu erfüllen.
        Dr. Conny Mayer (CDU/CSU): Am vergangenen
        Sonntag kam es in Togos Hauptstadt Lome zu blutigen
        Auseinandersetzungen. Bei gewaltsamen Zusammenstö-
        ßen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposi-
        tion sind mehrere Dutzend Menschen verletzt worden
        und es gab mindestens einen Toten.
        Die Republik Togo steht wenige Tage vor der Präsi-
        dentschaftswahl. 38 Jahre lang hat Eyadéma sein Land
        mit eiserner Hand regiert. Mit dem Tod des langjährigen
        Diktators hat das Land eine große Chance: die Chance
        auf einen friedlichen Übergang zu Rechtsstaatlichkeit
        und Demokratie. Über viele Jahrzehnte hinweg enga-
        gierte sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in
        Togo. Seit 1993 ist diese eingefroren. Die deutsche EZ
        konzentriert sich seitdem auf humanitär ausgerichtete
        Einzelmaßnahmen sowie die Arbeit von NROs.
        Mit einem Übergang zur Rechtsstaatlichkeit, mit kon-
        sequenter Einhaltung der Menschenrechte, mit einem
        friedlichen Wandel zur Demokratie hat Togo die Chance,
        an diese Zeit vor 1993 anzuknüpfen.
        Die Intensivierung der Beziehung mit Deutschland
        und die Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenar-
        beit setzen freie und transparente Präsidentschaftswah-
        len am kommenden Sonntag voraus. Dabei geht es nicht
        nur um die Vorgehensweise am Tag der Wahl. Freie und
        transparente Wahlen heißt auch, dass die Revision der
        Wahllisten und die Ausgabe der Wahlkarten vor der
        Wahl transparent und gemäß den Wahlgesetzen vor sich
        gehen. Transparent und frei heißt auch, dass alle politi-
        schen Kräfte bei der Vorbereitung, Durchführung und
        Auszählung der Wahlen beteiligt sind. Und natürlich
        heißt frei auch, dass die Wählerinnen und Wähler ohne
        Angst und Einschüchterung zu den Wahlurnen gehen
        können, um ihre Stimme abzugeben.
        Ich will einen zweiten Punkt ansprechen: Ein weiterer
        wichtiger Prüfstein sind die anstehenden Parlaments-
        wahlen; diese waren schon vor dem Tode des Präsiden-
        ten zentrales Thema der EU-Togo-Konsultationen. Uns
        und der EU ist wichtig, dass es schnellstmöglich zu ei-
        nem nationalen Dialog, auch mit der Zivilgesellschaft,
        kommt, und dass gemeinsam der Rahmen für die Parla-
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        entswahl besprochen und vereinbart wird. Auch hier
        rwarten die internationalen Geber einen demokrati-
        chen Verlauf.
        Ich will zu meinem dritten Punkt kommen: Besonders
        urch den Druck der Afrikanischen Union und der Wirt-
        chaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten
        COWAS wurde erreicht, dass Faure Gnassingbé zu-
        ücktrat. Afrikanische Union und ECOWAS haben damit
        re Verantwortung für den Kontinent und die Region
        eutlich gemacht und eine Rückkehr zur Verfassung in
        ogo mit erreicht. Sie haben damit Durchsetzungsstärke
        ewiesen. Auch die Vorbereitung der Wahl wird von
        COWAS begleitet. Das macht Hoffnung. Wir alle – ich
        enke, ich spreche hier für das ganze Hohe Haus – wün-
        chen uns und appellieren an die zuständigen Verant-
        ortlichen, dass dieses Beispiel Schule macht. Auch in
        nderen afrikanischen Ländern sollte sich die AU nicht
        cheuen, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern
        nd Demokratie einzufordern.
        Lassen Sie mich eine Bemerkung zum Schluss ma-
        hen: Ich hatte über Ostern die Gelegenheit, Togo zu be-
        uchen. Ich konnte Gespräche mit Vertretern der Regie-
        ung und der Opposition führen und Menschen
        ußerhalb der Politik treffen. Mir ging es wie vielen an-
        eren vor mir auch: Die Freundlichkeit und Offenheit,
        ie die Togolesen uns Deutschen entgegenbringen, hat
        ich tief berührt. Togo und Deutschland verbindet eine
        nge gemeinsame Geschichte. Unsere beiden Länder
        erbindet eine tiefe Freundschaft. Ich wünsche mir sehr,
        ass Togo die gebotene Chance ergreift. Und ich wün-
        che mir sehr, dass Togo schnellstmöglich seinen Weg
        ur Einhaltung von Menschenrechten, zum Rechtsstaat
        nd zur Demokratie findet.
        Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): In Togo zeigt
        ich, wie eine der wenigen in Afrika noch herrschenden
        iktatorischen Dynastien mit verzweifelten Mitteln um
        hren Machterhalt ringt. In dieser sensiblen Phase ist es
        in nicht zu unterschätzendes und wirksames Zeichen,
        ass jene Länder Afrikas, die für ihre Völker den Weg
        er Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfolgreich be-
        chritten haben, sich in erster Linie mitverantwortlich
        eigen.
        Es gilt, die letzten Exklaven diktatorischer Staatsre-
        ime anzuprangern und mit Sanktionen zu belegen, um
        o den Prozess der Demokratisierung, einer freiheitli-
        hen Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung der Men-
        chenrechte einzufordern. Dass dieser Prozess vorrangig
        in afrikanischer ist, aber zugleich alle Unterstützung
        er freien Welt, im Falle Togos besonders jener Länder
        ie Deutschland, Frankreich und England, die durch
        hre geschichtlich-koloniale Verbindung bis heute eine
        esondere Verantwortung und einen besonderen Einfluss
        ehmen können, ist uns allen bekannt. Dabei dürfen wir
        ber nicht übersehen, dass besonders in dem Bemühen
        er EU, die seit vielen Jahren den Prozess der Demokra-
        isierung in Togo aktiv begleitet, dringend notwendig
        it einer Stimme gesprochen werden muss. Umso
        chwerer ist dies, wenn auf der Seite der europäischen
        auptakteure massive Eigeninteressen einer zu großen
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16217
        (A) )
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        Unentschiedenheit gegenüberstehen. Um der deutschen
        Position eine klare Form zu geben, liegt der Antrag mei-
        ner Fraktion heute vor. In ihm nehmen wir zur Kenntnis
        und würdigen wir die Leistung als auch die führende
        Position der Länder der AU und ECOWAS. Durch eine
        schnelle und klare Ablehnung der Machtergreifung
        durch den Sohn des verstorbenen Staatspräsidenten ha-
        ben sie wesentlich mit zum Rücktritt Faures beigetragen.
        Seitens der EU und seitens der Bundesrepublik gilt es
        dies weiterhin zu unterstützen und zu einem nicht nach-
        lassenden Druck auf die Verantwortlichen in Togo zu er-
        muntern; denn mit dem Rücktritt Faure Gnassingbes
        vom Amte eines Interimspräsidenten und den angesetz-
        ten Neuwahlen, so wissen wir alle, ist es in Togo bei
        weitem nicht getan.
        In einem Land, in dem es keine wie bei uns übliche
        Struktur der Meldepflicht gibt, ist besonders die Vorbe-
        reitung der Wahlen, der Wahlliste, und ein fairer Wahl-
        kampf, der eine ausreichende Vorbereitungsspanne be-
        sonders der Opposition braucht, einer der sensibelsten
        Punkte, um zu freien, gleichen und fairen Wahlen zu
        kommen.
        Wie sehr die gesamte Situation der Wahlen durch eine
        seit langem vorbereitete Kampagne zur Machterhaltung
        und Machtübertragung vom verstorbenen Staatspräsi-
        denten auf seinen Sohn Faure belastet ist, wird erst klar,
        wenn wir uns des so genannten Verfassungsputsches
        vom Dezember 2002 und dessen Auswirkungen auf die
        jetzt bevorstehenden Wahlen vergewissern. In einem un-
        erhörtem Akt wurde dort das Wahlgesetz geändert: So
        wurde nicht nur eine dritte Amtszeit des Präsidenten er-
        möglicht und die Machtübergabe an seinen Sohn vorbe-
        reitet, indem das gesetzliche Mindestalter für den Präsi-
        denten für den zu jungen Faure gesenkt wurde; zudem
        wurde durch die Einführung einer Residenzpflicht einer
        der führenden Oppositionellen, Gilchrist Olympio – aus
        Sicherheitsgründen im Ausland lebend –, von der Wahl
        per Gesetz ausgeschlossen.
        Eine schnelle und ernsthafte Rückkehr zu einem Pro-
        zess der Demokratisierung und der Rechtsstaatlichkeit
        ist weiterhin auch als Bedingung für eine normalisierte
        entwicklungspolitische Arbeit grundlegend. Die Einfor-
        derung der Umsetzung jener 22 Punkte der Selbstver-
        pflichtungen Togos aus dem Jahre 2004 auf diesem Weg
        ist unverzichtbare conditio sine qua non.
        Vor dieser Folie sind die anstehenden Wahlen zu be-
        werten und ist auch die Gemeinschaft der afrikanischen
        Länder zu unterstützen, die die Tatsache der Wahlen
        nicht als hinreichenden Grund nehmen sollte, um den
        Prozess in Togo nur kritisch zu beobachten und in ihrem
        Druck auf die Verantwortlichen nachzulassen.
        Ich wünsche mir, dass der Fall Togo ein positives Bei-
        spiel werden kann, indem sich zeigt, wie durch die An-
        strengungen sowohl im Lande als auch der afrikanischen
        und der europäischen Länder ein Prozess der Befreiung
        hin zur Demokratisierung erfolgreich beschritten werden
        kann.
        Einen wichtigen Schritt dazu stellt der vorliegende
        Antrag dar, der eine gute Basis für eine gemeinsame Po-
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        ition Deutschlands gegenüber der Entwicklung in Togo
        ein kann.
        Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
        EN): Die Entwicklungen in Togo seit dem Tod von
        iktator Eyadéma verfolgen wir alle mit einer Mischung
        on Besorgnis und Hoffnung. Die Befassung des Deut-
        chen Bundestages mit dieser Entwicklung begrüße ich.
        ie sollte allerdings so ablaufen, dass nicht der Verdacht
        ufkommt, es ginge hier zuallererst um Taktik zwischen
        iesiger Opposition und Regierung oder um Profilierung
        er einen Oppositionspartei.
        Deshalb möchte ich, bevor ich auf die Situation in
        ogo zu sprechen komme, gleich zum vorliegenden An-
        rag klarstellen: Die zentrale Forderung, dass die Bun-
        esregierung jetzt noch innerhalb von verbleibenden drei
        agen dafür sorgen soll, dass die Wahlen in Togo ver-
        choben werden, kann ich nicht als wirklich ernsthaftes
        egehren im Sinne einer tatsächlichen Realisierung an-
        ehen. Dies schadet leider dem Antrag. Schon darum ist
        er Antrag der CDU/CSU mit diesem Aufforderungsteil
        edenfalls heute nicht zustimmungsfähig.
        Wie Sie wissen, bemüht sich die Bundesregierung da-
        um, dass von Deutschland ausgebildete Wahlbeobachter
        ei den Wahlen am Wochenende zum Einsatz kommen.
        s ist wünschenswert, dass über die Aktivitäten der Bun-
        esregierung hinaus ein Zeichen durch den Deutschen
        undestag gesetzt wird. Wenn Sie dies und ein Votum
        iner möglichst breiten Mehrheit wollen, wäre es besser
        ewesen, den Antrag nicht erst am Dienstagnachmittag
        ieser Woche zuzuleiten. Eine Beratung war in den Frak-
        ionen nicht mehr möglich. Ich bedaure dies. Ich würde
        s begrüßen, wenn wir im Ausschuss noch zu einem ge-
        einsamen Ergebnis kommen.
        Meine Hauptsorge ist die Gefahr einer erneuten Eska-
        ation von Gewalt vor und auch nach der Wahl. Wir soll-
        en daher heute in unseren Reden an die Vernunft aller
        m Konflikt Beteiligten appellieren, besonnen zu han-
        eln, die Wahlen ohne Blutvergießen durchzuführen und
        lles zu tun, um eine Gewalteskalation zu vermeiden.
        enn wir wissen ja aus einer ganzen Reihe von Beispie-
        en, dass der Übergang aus einer jahrzehntelangen Dikta-
        ur in eine Demokratie alles andere als einfach ist, mög-
        icherweise von Rückschlägen begleitet. Die Wahlen
        om Sonntag sind nur der erste Schritt. Allzu leicht kann
        m weiteren Verlauf der Versuch einer demokratischen
        elbstbestimmung in Blut ersticken. Auch die jetzigen
        ahlen kamen ja nur auf Druck von ECOWAS zustande.
        n Togo selbst waren nach dem Tode Eyadémas Putsch
        nd Verfassungsbruch bereits Realität geworden.
        Darum ist es wichtig, dass sich der Deutsche Bundes-
        ag jetzt zu Wort meldet, aber auch den weiteren Prozess
        er Demokratisierung begleitet.
        Aber wir Deutschen haben auch besondere Gründe,
        ns mit der Entwicklung im Kongo zu beschäftigen:
        5 Jahre Entwicklungszusammenarbeit auch mit dem
        iktaturregime und eine eigene unrühmliche Vergangen-
        eit als Kolonialmacht in diesem Land Afrikas.
        16218 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
        (A) )
        (B) )
        Erstens. Fast vier Jahrzehnte Diktatur von Eyadéma
        sind nicht die einzige historische Last, die ein demokra-
        tisches Togo zu tragen hat. Wer dazu beitragen will, ei-
        nen demokratischen Weg für Togo zu eröffnen, der muss
        – dies gilt für Togo genauso wie für andere aus ehemali-
        gen Kolonien entstandene Staaten – erst einmal selbst
        wahrhaftig sein und das, was in Togo geschehen ist, auf-
        arbeiten. Diese Wahrhaftigkeit, die Aufarbeitung der Ge-
        schichte, hat in Afrika einen hohen Stellenwert, wie die
        zahlreichen Wahrheitskommissionen belegen und wie
        afrikanische Vertreter immer wieder betonen. Darüber
        geht der Antrag hinweg. Unvermittelt stehen nebenei-
        nander eine 38 Jahre währende Diktatur Eyadémas und
        die jahrzehntelange Entwicklungszusammenarbeit mit
        Deutschland, die erst 1993 beendet wurde. Wo bleibt
        eine Bewertung von 25 Jahren Entwicklungszusammen-
        arbeit mit dieser Diktatur?
        Zweitens. Sie übernehmen Forderungen der Opposi-
        tion in Togo als Forderungen an die Bundesregierung.
        Aber diese Opposition buchstabiert den Vornamen Faure
        des Eyadéma-Sohnes und RPT-Kandidaten auch als „Fe-
        deration Assansins Unis Relayer Eyadéma“, also als
        „Verband der Vereinigten Mörder zur Werbung für Eya-
        déma“. Wenn die RPT ein „Verband der Vereinigten
        Mörder“ ist, wie erklären Sie die uneingeschränkte Ab-
        schiebepraxis der unionsgeführten Länder in Deutsch-
        land? Kann das etwas mit der bekannten Duzfreund-
        schaft von F. J. Strauß mit eben jenem Diktator zu tun
        gehabt haben?
        Drittens. Die gemeinsame Geschichte, die Deutsch-
        land und Togo verbindet, ist auch die Geschichte
        Deutschlands als Kolonialmacht in Togo. Es sind gerade
        auch die ererbten postkolonialen Strukturen, die die
        Grundlage für Diktatur, Gewalt und Rassismus nach der
        Entkolonisierung bilden, also dazu beitragen, dass das
        Unrecht fortdauert. Zum Beispiel hat der Diktator
        Eyadéma Menschen, die nicht nachweisen konnten, dass
        beide Eltern togoische Staatsbürger waren, mit Ausgren-
        zung und Repression überzogen. Sie konnten nicht
        Staatsbürger Togos bleiben. Von vielen Familien lebten
        und leben Angehörige sowohl in Togo als auch in den
        Nachbarstaaten. So wurden viele Menschen aus der Ge-
        sellschaft in Togo ausgegrenzt und wurden Opfer dieser
        deutschen Art von nach dem Blut definierter Staatsbür-
        gerschaft. Sie führte zu willkürlichen, häufig schmerzli-
        chen Ergebnissen wegen der willkürlich gezogenen Ko-
        lonialgrenzen.
        Deshalb spielt die Aufarbeitung der kolonialen Ver-
        gangenheit wie auch die Aufarbeitung der Zusammenar-
        beit während der Diktatur für den Weg Togos in die De-
        mokratie eine wichtige Rolle.
        Diese Hinweise auf die Vergangenheit sind notwen-
        dig. Sie müssen uns auch beschäftigen, wenn wir einen
        Antrag formulieren.
        Um Missverständnissen vorzubeugen, betone ich
        noch einmal: Ich halte es für richtig, wenn der Deutsche
        Bundestag den Weg Togos in die Demokratie möglichst
        geschlossen unterstützt und dies in einem gemeinsamen
        Antrag zum Ausdruck bringt.
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        Ulrich Heinrich (FDP): Afrika lässt uns nicht los.
        er kalte Staatsstreich von Faure Gnassingbé, des Soh-
        es des im Februar 2005 verstorbenen togolesischen,
        iktatorisch regierenden Staatschefs Gnassingbé
        yadéma, hat mithilfe des Militärs den von der Verfas-
        ung vorgesehenen Interimspräsidenten, Parlamentsprä-
        ident Natchaba, daran gehindert, sein von der Verfas-
        ung vorgesehenes Amt des Interimspräsidenten bis zur
        emokratischen Neuwahl eines Staatspräsidenten zu
        bernehmen. Dies kann und darf nicht hingenommen
        erden; nicht von den Europäern, aber vor allem auch
        icht von den Afrikanern selbst.
        Die FDP begrüßt deshalb vorbehaltlos die energische
        eaktion des Kommissionspräsidenten der Afrikani-
        chen Union, AU, Alpha Oumar Konaré, der den Coup
        on Gnassingbé junior als eben das bezeichnet hat, was
        r ist, nämlich als einen Staatsstreich. Wir begrüßen es,
        ass die AU und übrigens auch die Wirtschaftsgemein-
        chaft der Westafrikanischen Staaten, ECOWAS, Togo
        it Sanktionen und mit militärischer Intervention ge-
        roht haben. Genau diese schnelle und unzweideutige
        eaktion der afrikanischen supranationalen Institutionen
        st es, was wir uns noch viel öfter wünschen würden.
        eider spricht Afrika bei anderen Konflikten nicht so un-
        weideutig mit einer Stimme. Simbabwe steht dafür als
        rominentestes, beileibe aber nicht als einziges Beispiel.
        Gerade weil wir Afrika ernst nehmen, wünschen wir
        ns, dass bei der Lösung von regionalen oder von Staats-
        risen in Afrika in allererster Linie die afrikanischen In-
        titutionen selbst eigene Krisenlösungsmechanismen in
        ang setzen, bevor nach der Weltgemeinschaft gerufen
        ird. Subsidiarität, die wir Europäer und gerade auch
        ir Deutsche gerne für uns in Anspruch nehmen, muss
        uch im Umgang mit Afrika gelten. Damit meine ich
        icht, dass wir wegschauen sollen. Im Gegenteil, sonst
        äßen wir ja auch heute nicht hier bei der Debatte dieses
        ntrags. Nein, das heißt vielmehr, dass wir alles tun
        üssen, um die Autorität der AU zu stärken und sie
        andlungsfähiger zu machen. Kommissionspräsident
        onarés Reaktion ist deshalb ein ermutigendes Signal
        ür die Demokratie in Afrika und natürlich ganz beson-
        ers für die togolesische Opposition.
        Die FDP unterstützt den vorliegenden Antrag der
        DU/CSU, der Gnassingbé junior dazu auffordert, die
        xtrem kurzfristig für den 24. April 2005 angesetzten
        ahlen zu verschieben. Denn unter den in Togo gegen-
        ärtig herrschenden Umständen kann von demokrati-
        chen Wahlen nicht gesprochen werden. Wenn der Sohn
        on Präsident Eyadéma sein Land nicht in die internatio-
        ale Isolation führen will, dann muss er diese undemo-
        ratisch vorbereiteten Wahlen verschieben und neu aus-
        chreiben. Wir Entwicklungspolitiker unterstützen
        eshalb auch die Initiative des Menschenrechtausschus-
        es des Deutschen Bundestages, der den gegenwärtigen
        COWAS-Präsidenten und Präsidenten des Niger,
        amadou Tandja, um eine nochmalige deutliche Inter-
        ention gegenüber der togolesischen Interimsregierung
        ugunsten einer Verschiebung der Wahlen gebeten hat.
        Vieles verbindet uns Deutsche mit Togo: Viele Togo-
        esen haben in Deutschland studiert, viele deutsche Bis-
        Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16219
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        (B) (D)
        tümer und evangelische Landeskirchen arbeiten mit Ge-
        meinden in Togo zusammen, aber natürlich gibt es auch
        die 30 Jahre dauernde Kolonialgeschichte von 1884 bis
        1914. Sogar noch länger, nämlich nicht weniger als
        38 Jahre, von 1967 bis 2005, dauerte die diktatorische
        Regierungszeit von Präsident Eyadéma und der ihn un-
        terstützenden Clans aus dem Norden Togos. Der „Eco-
        nomist“ vom 10. Februar 2005 nannte ihn in seinem
        Nachruf gar „Africa’s most experienced despot“. Es darf
        nicht sein, dass nach so langen Jahren der Familienherr-
        schaft nun die Präsidentenwürde in Scheinwahlen auf
        Eyadémas Sohn vererbt werden soll. Es ist das unantast-
        bare Recht des togolesischen Volkes, sein Staatsober-
        haupt endlich in freier Wahl zu bestimmen. Die FDP un-
        terstützt deshalb nachdrücklich den vorliegenden
        Antrag.
        172. Sitzung
        Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
        Inhalt:
        Redetext
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5
        Anlage 6
        Anlage 7
        Anlage 8
        Anlage 9
        Anlage 10